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Urteilskopf 98 III 37 8. Entscheid vom 27. April 1972 i.S. Wechsler.
Regeste Nachlassstundung, Nichtigkeit. Dürfen Betreibungsbehörden die von einer örtlich unzuständigen Nachlassbehörde gewährte Nachlassstundung als nichtig betrachten und Betreibungsbegehren trotz Art. 297 Abs. 1 SchKG Folge geben? Frage verneint (Bestätigung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 38 BGE 98 III 37 S. 38 A.- Hans Wechsler wohnt in Horw (LU) und ist im Handelsregister des Kantons Nidwalden als Inhaber einer Einzelfirma eingetragen. Am 16. Dezember 1971 gewährte ihm das Konkursgericht des Kantons Nidwalden als Nachlassbehörde eine viermonatige Nachlassstundung. Trotzdem stellte ihm das Betreibungsamt Horw am 13. Januar 1972 eine Konkursandrohung zu, die sich auf einen Zahlungsbefehl (Nr. 11583) vom 2. Dezember 1971 stützte. Die vom Schuldner dagegen erhobene Beschwerde wurde sowohl vom Amtsgerichtspräsidenten III von Luzern-Land (am 7. Februar 1972) als auch vom Obergericht des Kantons Luzern (am 15. März 1972) abgewiesen. Die untere wie die obere Aufsichtsbehörde erachteten die Nachlassstundung als nichtig, weil sie von einer örtlich unzuständigen Nachlassbehörde bewilligt worden sei und damit wesentliche Interessen dritter, am Verfahren nicht beteiligter Personen (Gläubiger) verletze. In einem Schreiben vom 27. Januar 1972 hatte das Konkursgericht des Kantons Nidwalden dem Schuldner, dem Betreibungsamt Horw und dem Amtsgericht Luzern-Land mitgeteilt, dass es zur Behandlung des Nachlassstundungsgesuchs tatsächlich örtlich nicht zuständig gewesen wäre, dass der Entscheid aber mangels Anfechtung rechtskräftig und damit unwiderruflich geworden sei. B.- Hans Wechsler hat Rekurs an das Bundesgericht erhoben und beantragt, der Entscheid des Obergerichts und die Konkursandrohung seien aufzuheben. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. ... (Prozessuales) 2. Wie die kantonalen Aufsichtsbehörden richtig erkannt haben, ist für die Behandlung eines Nachlassgesuchs und die Gewährung einer Nachlassstundung die Nachlassbehörde am ordentlichen Betreibungsort des Gesuchstellers örtlich zuständig ( BGE 68 I 195 Erw. 2); wenn der Gesuchsteller eine Einzelfirma betreibt, ist es die Nachlassbehörde an seinem Wohnsitz und BGE 98 III 37 S. 39 nicht etwa diejenige des Orts, wo das Geschäft geführt wird und im Handelsregister eingetragen ist ( BGE 51 III 158 Erw. 1). Demnach war das Konkursgericht des Kantons Nidwalden - wie es heute selbst anerkennt und wie vom Rekurrenten nicht bestritten wird - im vorliegenden Falle nicht zuständig für die Bewilligung der Nachlassstundung. Fraglich ist bloss, ob das Betreibungsamt Horw und die luzernischen Aufsichtsbehörden die Nachlassstundung wegen der örtlichen Unzuständigkeit der nidwaldnischen Nachlassbehörde als nichtig betrachten und somit Betreibungshandlungen gegen den Schuldner vornehmen durften (vgl. Art. 297 Abs. 1 SchKG ). Das Bundesgericht hat in früheren, ähnlichen Fällen den Vollstreckungsorganen eine solche Befugnis zur Überprüfung der örtlichen Zuständigkeit der Nachlassbehörden abgesprochen (vgl. die bereits von der Vorinstanz erwähntenBGE 33 I 444Erw. 2 undBGE 59 III 30Erw. 1). Diese Auffassung wird von JAEGER (Kommentar, je N. 3 zu Art. 293 und 297 SchKG ) und BLUMENSTEIN (Handbuch, S. 902) geteilt. Nach der feststehenden Praxis des Bundesgerichts sind Handlungen von örtlich unzuständigen Betreibungsbehörden dann als nichtig zu betrachten, wenn dadurch öffentliche Interessen oder Interessen dritter, am Verfahren nicht beteiligter Personen verletzt werden ( BGE 68 III 35 , BGE 91 III 49 , BGE 96 III 33 Erw. 2; vgl. dazu auch WEISS, Nichtigkeit, Anfechtbarkeit und Widerruf von Betreibungshandlungen, Zürcher Diss. 1957, S. 42 f.; SCHWANDER, Nichtige Betreibungshandlungen, BlSchK 1954, S. 9; IMBODEN, Nichtige Betreibungshandlungen, BlSchK 1944, S. 135; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl., S. 79, insbes. Anm. 129). Die Vorinstanz ist nun der Ansicht, in gleicher Weise müssten ins Betreibungsverfahren eingreifende Handlungen örtlich unzuständiger Nachlassbehörden als nichtig gelten, wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen. Dem kann nicht beigestimmt werden. Es ist nicht das gleiche, ob Betreibungsbehörden die örtliche Zuständigkeit anderer Betreibungsbehörden vorfrageweise überprüfen oder ob sie dies mit Bezug auf Nachlassbehörden tun, denen ganz andere Aufgaben übertragen sind als den Betreibungsbehörden, die den letzteren nicht unter-, sondern beigeordnet sind und die weder der Aufsicht der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen noch derjenigen des Bundesgerichts unterstehen. Es müsste zu unabsehbaren Schwierigkeiten BGE 98 III 37 S. 40 und verworrensten Rechtsverhältnissen führen, würden die Betreibungsbehörden eine von einer Nachlassbehörde vorgenommene Handlung als nichtig erklären, während - wie im vorliegenden Fall - die Nachlassbehörde die von ihr getroffene Massnahme selber weiterhin als rechtsgültig betrachtet. Welche Instanz berufen wäre, einen solchen Konflikt aus der Welt zu schaffen, ist ungewiss. Im Verhältnis Nachlassbehörden/Betreibungsbehörden ist deshalb für die Annahme von Nichtigkeit grösste Zurückhaltung geboten. Ob ein Nichtigkeitsgrund vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung von einer Interessenabwägung ab. Nur wenn öffentliche Interessen oder Interessen unbeteiligter Dritter mit im Spiele stehen, wird wegen örtlicher Unzuständigkeit Nichtigkeit des betreffenden Akts angenommen. Nun ist es aber möglich, dass auch namhafte Interessen gegen die Annahme einer Nichtigkeit sprechen (vgl. dazu FRITZSCHE, a.a.O., S. 46 f., der vor dem Unheil warnt, das u. U. entstehen kann, wenn eine Betreibungshandlung von Amtes wegen als nichtig betrachtet wird). Dies ist hier der Fall: Würde die Gewährung der Nachlassstundung als nichtig erachtet, könnte der Schuldner bei der zuständigen Stelle ein neues Stundungsgesuch stellen, obwohl er auf Grund der ersten Stundungsbewilligung faktisch schon in den Genuss der ganzen gesetzlichen Stundungsdauer gekommen ist. Ferner ist es möglich, dass die Fristen, deren Lauf gemäss Art. 297 Abs. 1 SchKG gehemmt ist, im Falle der Nichtigerklärung der Stundung mittlerweile abgelaufen wären. - Diese Beispiele zeigen, wie recht JAEGER (a.a.O. N 3 zu Art. 297, letzter Absatz) hat, wenn er darauf hinweist, dass es "zu ganz fatalen Konsequenzen" führen würde, wenn die Betreibungsämter und ihre Aufsichtsbehörden darüber befinden könnten, ob die Nachlassstundung in richtiger Weise zustande gekommen sei. Mit Rücksicht auf solche möglichen Folgen erscheint es als angezeigt, an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten und im vorliegenden Fall die Betreibungsbehörden anzuweisen, die unangefochten gebliebene Nachlassstundung der örtlich unzuständigen nidwaldnischen Nachlassbehörde gelten zu lassen. Die Vorinstanz befürchtet, dass Gläubiger wegen der Unterlassung der Publikation der Nachlassstundung im Amtsblatt des Kantons Luzern ihre Forderungen nicht oder nicht rechtzeitig angemeldet haben und dadurch in ihren Rechten beeinträchtigt BGE 98 III 37 S. 41 sein könnten ( Art. 300 SchKG ), wenn die Stundung als rechtsgültig anerkannt würde. Solchen Gläubigern kann aber auf andere Weise geholfen werden als durch Nichtigerklärung der Nachlassstundung, z.B. durch Wiederholung des Schuldenrufs in den früher nicht berücksichtigten Publikationsorganen und Ansetzung einer zweiten Anmeldefrist. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer: Der Rekurs wird gutgeheissen, und es werden der Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern (Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) vom 15. März 1972 sowie die Konkursandrohung in Betreibung Nr. 11583 des Betreibungsamtes Horw vom 28. Dezember 1971/13. Januar 1972 aufgehoben.
null
nan
de
1,972
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CH_BGE_005
CH
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Urteilskopf 93 II 89 17. Sentenza 16 maggio 1967 della I. Corte civile nella causa Riva contro Mondini.
Regeste Art. 41 ff. OR . Haftung des Leiters von Bauarbeiten, der einen gefährlichen Zustand schafft und es unterlässt, die zur Abwendung der Gefahr geeigneten Massnahmen zu treffen (Erw. 2). Adaequater Kausalzusammenhang zwischen dieser Unterlassung und dem Tode der Opfer (Erw. 3 und 4). Bemessung der Genugtuungssumme. Fehlen von Herabsetzungsgründen i.S. von Art. 44 Abs. 1 OR (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 89 BGE 93 II 89 S. 89 A.- Nel pomeriggio del 3 febbraio 1962, verso le ore 16.15, i fratelli Pietro e Flavio Riva, nati rispettivamente il 20 maggio 1950 e il 23 luglio 1954, passando nei pressi del riale San Giovanni, a Tesserete, in un punto in cui esso si allarga a formare un piccolo stagno, scorsero una palla abbandonata su uno strato di ghiaccio che copriva l'acqua. Pietro Riva la raggiunse e la colpì, ma la palla andò oltre il ghiaccio, in un punto in cui lo stagno non era gelato. Suo fratello si inoltrò per ricuperarla: il ghiaccio gli si ruppe però sotto i piedi ed egli cadde nell'acqua. Pietro Riva accorse in suo aiuto, ma subì la stessa sorte. BGE 93 II 89 S. 90 Annegarono entrambi. Un terzo ragazzo, Pietro Romansky, che stava con loro, finì pure nell'acqua, in un vano tentativo di portare aiuto, ma potè comunque aggrapparsi al ghiaccio e salvarsi. Lo stagno in cui i fratelli Riva trovarono la morte giace in una valletta molto frequentata dai ragazzi e facilmente accessibile dalla strada cantonale. Agli inizi esso aveva esigue dimensioni ed una profondità di 25-30 cm. Tra il 1957 e il 1960 una società immobiliare costruì nelle vicinanze alcuni stabili locativi; il materiale ricavato dallo scavo delle fondamenta per il quarto edificio fu gettato nella valletta, ove formò una diga. Questa trattenne le acque del riale (il cui deflusso regolare era impedito dal livello troppo alto di una tubatura che era stata appena posata), aumentando le dimensioni dello stagno e, in particolare, la sua profondità. Quest'ultimo raggiunse infatti una lunghezza di circa 30 m., una larghezza di 8-15 m. e una profondità fino a 4 m. Nessun cartello segnalava la presenza del pericolo e nessuna misura di protezione vietava l'accesso a quel luogo. B.- Pio e Martina Riva, genitori di Pietro e Flavio, ch'erano i loro unici figli, mediante petizione del 25 gennaio 1963 convennero direttamente davanti al Tribunale di appello del Cantone Ticino la società immobiliare, che aveva lasciato gettare nella valletta il materiale di scavo, trascurando ogni controllo sulla situazione di pericolo ivi creata e quindi ogni misura atta a segnalarla, Giuseppe Mondini, che aveva la direzione e la responsabilità di quei lavori, e i proprietari delle particelle ove era stato gettato il materiale e posata la tubazione per il deflusso dell'acqua. Gli attori chiesero che i convenuti fossero solidalmente condannati a versar loro la somma di fr. 184 000.--, e cioè fr. 100 000.-- a titolo di riparazione per torto morale, fr. 80 000.-- quale risarcimento per perdita di sostegno e fr. 4000.-- a titolo di rimborso delle spese sopportate per il ricupero delle salme e per la loro sepoltura. In sede di conclusioni ridussero l'importo della pretesa a fr. 104 000.--, avendo rinunciato a chiedere un risarcimento specifico per la perdita di sostegno. C.- La Camera civile del Tribunale di appello, mediante sentenza del 6 dicembre 1966, ha accolto parzialmente la petizione nei confronti di Giuseppe Mondini, e l'ha respinta integralmente nei confronti degli altri convenuti. Mondini è stato BGE 93 II 89 S. 91 condannato a versare agli attori la somma di fr. 24 000.-- oltre interessi al 5% dal 3 febbraio 1962, e cioè fr. 20 000.-- a titolo di riparazione per torto morale e fr. 4000.-- a titolo di rimborso delle spese. La Corte cantonale ha constatato che ilmateriale gettato nella valletta aveva ampliato lo stagno aumentandone notevolmente la profondità. La misura di quest'ultima era però sconosciuta anche agli adulti, alcuni dei quali si stupirono che dei ragazzi avessero potuto annegare in quelle acque. In realtà, la profondità dello stagno non era riconoscibile, e tanto meno lo era in inverno, quando l'acqua era coperta da uno strato di ghiaccio cosparso di sassi e di detriti. Per di più, i ragazzi raggiungevano in generale lo stagno partendo dalla strada cantonale e seguendo un percorso pianeggiante che impediva di valutare la profondità del pozzo e di avvertirne l'insidia. Mondini, progettista e direttore dei lavori, è stato ritenuto responsabile giusta gli art. 41 e segg. CO per aver omesso le misure atte a prevenire il pericolo. Nella determinazione del risarcimento dovuto agli attori da Mondini, la Corte cantonale ha comunque tenuto conto, assumendolo come fattore di riduzione ai sensi dell'art. 44 CO, del comportamento delle vittime, le quali, data l'evidente trasformazione della zona e la presenza di un sottile strato di ghiaccio, non avrebbero dovuto avventurarsi sulla superficie gelata dello stagno. D.- Tanto gli attori Pio e Martina Riva quanto il convenuto Giuseppe Mondini impugnano questa sentenza con un tempestivo ricorso per riforma davanti al Tribunale federale. Gli attori chiedono la riforma della sentenza nel senso che il convenuto Giuseppe Mondini sia condannato a pagar loro la somma di fr. 54 000.-- (cioè fr. 50 000.-- per torto morale e fr. 4000.-- per rimborso delle spese), oltre interessi al 5% dal 3 febbraio 1962. Il convenuto Giuseppe Mondini, da parte sua, chiede che la sentenza impugnata, nella misura in cui lo obbliga al pagamento d'un importo di fr. 24 000.-- agli attori oltre agli interessi, alle spese e alle ripetibili, sia annullata. Domanda inoltre l'integrale reiezione delle domande petizionali. E.- Nelle loro osservazioni di risposta, attori e convenuto propongono rispettivamente la reiezione del ricorso della controparte. BGE 93 II 89 S. 92 Erwägungen Considerando in diritto: 1. (Questione procedurale). 2. Secondo la giurisprudenza, l'illiceità ai sensi degli art. 41 e segg. CO può consistere nell'omissione delle misure necessarie alla protezione dei terzi quando si crea una situazione di pericolo (RU 82 II 28 consid. 1 e sentenze ivi citate, 90 II 89 consid. 3a). Giuseppe Mondini ha creato nella valletta scavata dal riale San Giovanni una situazione di pericolo. Come ha accertato in modo vincolante (art. 63 cpv. 2 OG) la Corte cantonale, il materiale che egli vi ha di sua iniziativa gettato impediva il deflusso regolare delle acque, ed una tubatura da lui fissata ad un livello troppo alto aveva fatto sì che, al posto del primitivo stagno di modeste proporzioni, se ne formasse un altro molto più ampio e molto più profondo. La pericolosità di questo nuovo stato di cose non era ravvisabile ed era sconosciuta ai più. Il posto era d'altra parte facilmente accessibile e molto frequentato dai ragazzi di Tesserete per i loro giuochi. Ciononostante, Mondini non ha preso alcuna misura atta a proteggere i terzi dal pericolo ch'egli stesso aveva creato e di cui era consapevole. Non ha posto alcun cartello premonitore, nè ha eretto sbarramenti per impedire l'accesso alla zona pericolosa. Egli avrebbe potuto adottare queste od altre adeguate misure senza per nulla esporsi a spese sproporzionate alla gravità del pericolo (RU 45 II 648, 79 II 69 consid. 2). Avendo tralasciato di prendere le misure atte ad assicurare la protezione di terzi dal pericolo di cui era l'autore, Giuseppe Mondini ha commesso una colpa, che implica la sua responsabilità ai sensi degli art. 41 e segg. CO. 3. Nel ricorso per riforma, Mondini del resto non contesta di aver creato una situazione di pericolo e di non aver adottato le misure proprie a prevenirlo. Egli nega però che tra il comportamento per il quale deve rispondere e la morte dei due ragazzi ci sia un nesso causale adeguato, come invece ha ammesso la Corte cantonale. Secondo il convenuto, la condotta delle vittime sarebbe stata tanto imprevedibile ed irragionevole, la loro imprudenza tanto grande, da interrompere il vincolo di causalità tra il suo comportamento e l'evento mortale. Questa opinione è infondata. Non c'è nulla di straordinario, soprattutto nei paesi di campagna, che dei ragazzi giochino e si divertano là dove c,è uno stagno, dove scorre un riale. Certo, BGE 93 II 89 S. 93 i fratelli Riva non avrebbero dovuto avventurarsi sulla superficie gelata dello stagno, tanto più che lo strato di ghiaccio diventava, all'altra estremità, sempre più sottile, fino a scomparire completamente. Ma essi ritenevano, per esperienza, che quello stagno, ove si erano sovente recati, aveva una profondità di 25-30 cm. e che il solo rischio cui si esponevano era di bagnarsi i piedi e le gambe. Ciò che non potevano sapere nè prevedere (e ciò che, salvo qualche eccezione, nessuno sapeva), era che i lavori di sistemazione intrapresi sotto la direzione di Mondini avevano aumentato la profondità dell'acqua, tanto che, nel caso in cui il ghiaccio si fosse rotto, 4 m. d'acqua li avrebbero separati dal fondo dello stagno. Non va del resto dimenticato che la decisione di rincorrere la palla, per ricuperarla, è stata presa dal più piccolo dei fratelli Riva, Flavio, il quale non aveva che sette anni e mezzo. Incomprensibile è in queste circostanze l'affermazione del convenuto, secondo cui si sarebbe trattato non di un atto sconsiderato istantaneo del ragazzo, ma di un'azione ch'era il frutto d'una iniziativa di una certa durata e che quindi poteva essere evitata: come se, quella di rincorrere una palla colpita un attimo prima dal fratello, fosse una decisione presa dopo una matura riflessione. Mondini rileva che nessuno si sarebbe lamentato per la formazione del laghetto e che nessuno avrebbe preteso l'adozione di misure protettive. Egli cita il caso di due padri di famiglia, uditi come testi, che erano al corrente del nuovo stato di cose, della profondità effettiva dello stagno, e dell'esistente pericolo. Ma questo rilievo è senza importanza. Il fatto che qualche adulto si sia reso conto del pericolo e non sia intervenuto (per es. presso l'autorità comunale, i proprietari dei terreni o i responsabili dei lavori) perchè vi fosse posto rimedio, ritenendo forse (ma in ogni caso a torto) che la situazione provvisoria dei luoghi e la trasformazione subita dal corso del ruscello costituissero da sè sole un avvertimento sufficiente e manifesto, non permette di dedurre che dei ragazzi di 7 e 11 anni dovessero avere le stesse reazioni e fare le medesime riflessioni. Risulta d'altra parte da quelle stesse testimonianze che il posto non presentava, prima dei lavori intrapresi, alcun pericolo e che i ragazzi vi si recavano spesso, entrando anche nell'acqua, la quale non era profonda. La Corte cantonale constata inoltre, apprezzando sovranamente le prove, che la maggior parte delle persone ignoravano la effettiva profondità dello stagno, che la BGE 93 II 89 S. 94 superficie gelata, cosparsa di pietre e di detriti, impediva del resto di conoscerla, e che l'aspetto dei luoghi e in particolare la circostanza che vi si accedeva dalla strada cantonale seguendo un percorso pianeggiante, non permettevano di concludere che un laghetto profondo 4 m. si era formato là dove prima non c'era che uno stagno modesto. Il comportamento dei fratelli Riva non è stato, secondo l'esperienza della vita, tanto imprevedibile da escludere che Mondini fosse tenuto a considerarlo. Al contrario, si poteva ragionevolmente prevedere che dei ragazzi si sarebbero avventurati sulla superficie ghiacciata di uno stagno ch'essi sapevano non presentare praticamente alcun pericolo, dal momento che nessuno li aveva avvertiti della nuova situazione e che la trasformazione dei luoghi, intervenuta in seguito ai lavori di cui si tratta, non li incitava ad essere più prudenti che per il passato. Secondo il corso ordinario delle cose, la omissione delle misure di protezione imposte dalle circostanze era propria a facilitare la realizzazione del rischio. Il pregiudizio appariva possibile, secondo una previsione oggettiva. È quindi a giusto titolo che la Corte cantonale ha ammesso l'esistenza di un nesso causale adeguato tra l'omissione, di cui il convenuto è responsabile, e l'annegamento, di cui i ragazzi sono stati vittima (cfr. inoltre RU 72 II 204 e riferimento). 4. Il convenuto e ricorrente sostiene comunque che, quand'anche si dovesse ammettere l'esistenza di un nesso causale adeguato tra la sua condotta e l'evento mortale, il comportamento sconsiderato delle vittime, e quindi la loro colpa grave, escluderebbe l'attribuzione di un'indennità per torto morale. Anche questa opinione è infondata. È vero che i ragazzi hanno commesso oggettivamente una imprudenza avventurandosi sulla superficie gelata dello stagno. Ma in questo loro atteggiamento non può essere ravvisata una colpa. Essi conoscevano il posto ed avevano sempre constatato che l'acqua non era profonda. Ignoravano invece, secondo gli accertamenti vincolanti della sentenza cantonale, che i lavori di sistemazione della valletta avevano completamente modificato le condizioni di deflusso dell'acqua del ruscello, e che lo stagno era diventato profondo e, quindi, pericoloso. Considerata la capacità di discernimento e tenuto conto del grado di maturità intellettuale propri alla loro età, non costituisce una colpa (nemmeno per il maggiore dei ragazzi) il fatto di non avere attribuito la dovuta BGE 93 II 89 S. 95 importanza alla trasformazione subita dai luoghi. Il loro comportamento è stato oggettivamente criticabile. Ma esso non dev'essere valutato con quel rigore che si userebbe qualora si trattasse di un adulto. Non si può rimproverare ai ragazzi di non aver fatto prova della prudenza e dell'attenzione che si esigono normalmente dalle persone adulte (RU 58 II 216 consid. 2, 66 II 201). L'attribuzione di un'indennità a titolo di riparazione morale (art. 47 CO) appare così giustificata in linea di principio. Una colpa leggera delle vittime non potrebbe del resto escluderla, la colpa del responsabile essendo, in concreto, preponderante (RU 82 II 35 consid. 7 e le sentenze ivi citate). 5. a) Mondini adduce che l'importo totale del risarcimento (indennità a titolo di riparazione morale e rimborso delle spese) da versare agli attori non dovrebbe in ogni caso superare i fr. 6000.--. Egli rileva che la Corte cantonale ha ammesso l'esistenza d'una colpa concomitante delle vittime ed ha invocato quindi l'art. 44 CO senza però applicarlo. Infatti, essa ha accolto integralmente la domanda di rimborso delle spese formulata dagli attori e avrebbe determinato l'importo della riparazione morale sulla base della pratica giurisprudenziale, senza operare alcuna riduzione. Dal canto loro, gli attori fanno valere che l'art. 44 CO non è affatto applicabile in concreto, ai ragazzi annegati nello stagno non essendo imputabile colpa alcuna. Del resto, quella norma, se mai fosse applicabile nella fattispecie, non impone affatto una riduzione del risarcimento, ma dà al giudice la facoltà di effettuarla ("Il giudice può ridurre..."). La Corte cantonale avrebbe ecceduto manifestamente il suo potere di apprezzamento ammettendo un motivo di riduzione anche nei confronti del maggiore dei ragazzi, che perse la vita nell'ammirevole tentativo di salvare il fratello. b) Secondo l'art. 44 cpv. 1 CO, il giudice può ridurre il risarcimento, e quindi l'indennità per torto morale (cfr. OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, I, p. 269), in caso di colpa concorrente della vittima. Nella fattispecie, la Corte cantonale sembra aver applicato l'art. 44 CO unicamente per quanto concerne la determinazione dell'importo della riparazione normale, i fr. 4000.-- reclamati a titolo di risarcimento essendo stati attribuiti integralmente. Essa non indica però la misura (il tasso) della riduzione e non BGE 93 II 89 S. 96 dice soprattutto quale importo avrebbe attribuito nel caso in cui non avesse applicato l'art. 44 CO. c) Il pregiudizio morale subìto dagli attori è molto grave. La perdita dei loro due (unici) figli li ha colpiti nei sentimenti più profondi, nei loro affetti e nelle loro speranze. La loro salute ne è rimasta scossa. Anche se si dovesse ammettere una colpa concorrente (leggera) dei ragazzi in vista dell'applicazione dell'art. 44 CO, l'importo di fr. 20 000.-- quale indennità a titolo di riparazione sarebbe giustificato. Ne consegue che su questo punto il ricorso del convenuto deve in ogni caso essere respinto. d) È accertato che i ragazzi ignoravano l'altezza dell'acqua nello stagno. Nessuno li aveva resi attenti delle conseguenze delle avvenute modifiche. Da sè soli, secondo le capacità d'osservazione e di deduzione proprie alla loro età, e sulla base della configurazione dei luoghi, non potevano avvertire il pericolo che li minacciava. Certo, anche un ragazzo di 7 anni sa che non si può camminare sull'acqua. Ma se Flavio Riva si è messo a correre sul ghiaccio per ricuperare la palla che vedeva galleggiare sull'acqua (in un punto ove lo stagno non era gelato), è perchè riteneva nel suo spirito e soggettivamente - sulla base della sua conoscenza del posto e della sua esperienza convalidata dal fatto che suo fratello maggiore l'aveva preceduto - a ragione, che l'acqua non nascondeva un'insidia. In tali circostanze, la Corte cantonale avrebbe dovuto prescindere dall'applicare l'art. 44 CO. Appare inoltre contrario ad ogni sentimento di equità, come hanno pertinentemente rilevato gli attori, applicare questa disposizione nei confronti di Pietro Riva, che perse la vita nel commovente e generoso tentativo di salvare il fratello e alla cui memoria fu reso, per tale motivo, un pubblico omaggio con l'attribuzione d'un diploma e d'una medaglia d'argento ai genitori. Nei casi in cui il Tribunale federale ha ammesso una colpa concorrente del ragazzo, quest'ultimo era o doveva essere manifestamente cosciente della situazione di pericolo e del rischio cui si esponeva (RU 66 II 200 consid. 2, 71 I 56 consid. 4, 71 II 121, 72 II 204, 75 II 73). e) Tenuto conto del pregiudizio subìto dagli attori, della colpa del responsabile, della sua situazione economica, della possibilità ch'egli aveva, mediante una spesa modesta, di adottare le misure adeguate a prevenire il pericolo, è equo fissare BGE 93 II 89 S. 97 l'importo a titolo di riparazione morale dovuto dal convenuto Mondini agli attori a fr. 25 000.-- (cfr., a questo riguardo, le recenti sentenze RU 89 II 26, 90 II 83, 189, 91 II 225 consid. 5; inoltre: SJZ 1963 p. 134 n. 79, 1965 p. 127 n. 73). Nessun motivo giustifica di tener conto, nel quadro dell'indennità per torto morale, di una perdita di sostegno, i cui elementi appaiono in concreto troppo aleatori ed incerti. Gli attori stessi hanno del resto abbandonato la richiesta specifica d'una indennità per perdita di sostegno già in sede cantonale. 6. All'importo dell'indennità per torto morale vanno aggiunti 4000 fr. a titolo di risarcimento dei danni subiti dagli attori (spese di ricupero delle salme, della loro sepoltura, ecc.). 7. (Questione riguardante le spese della procedura cantonale). Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: 1. Il ricorso per riforma degli attori è parzialmente accolto. La sentenza impugnata è di conseguenza riformata nel senso che il convenuto Giuseppe Mondini è condannato a pagare agli attori la somma di 29 000 fr. oltre interessi al 5% dal 3 febbraio 1962. 2. Il ricorso per riforma del convenuto Giuseppe Mondini è respinto.
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Urteilskopf 123 III 445 69. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. November 1997 i.S. P. S. gegen M. S. (Berufung)
Regeste Keine gemeinsame elterliche Gewalt der Eltern nach der Scheidung ( Art. 297 Abs. 3 ZGB ); Bemessung des Besuchsrechtes ( Art. 273 ZGB ). Bestätigung der Rechtsprechung, wonach gemäss Art. 297 Abs. 3 ZGB die gemeinsame elterliche Gewalt beider Elternteile nach der Scheidung ausgeschlossen ist (E. 2). Ist in einer Scheidungskonvention ein ausgedehntes Besuchsrecht vereinbart worden, kann deren Genehmigung nicht allein mit der Begründung verweigert werden, die Konvention gehe weiter als das nach kantonaler Praxis übliche Besuchsrecht; vielmehr ist zu prüfen, ob die vorgeschlagene Regelung im konkreten Fall mit dem in Art. 273 ZGB vorgesehen "Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr" und insbesondere mit dem Kindeswohl vereinbar ist (E. 3).
Erwägungen ab Seite 446 BGE 123 III 445 S. 446 Aus den Erwägungen: 1. Die Parteien haben in ihrem Scheidungsverfahren eine Scheidungskonvention abgeschlossen und dem Scheidungsrichter zur Genehmigung vorgelegt, in welcher sie einerseits vereinbarten, dass die elterlichen Gewalt beiden Elternteilen gemeinsam zuzuweisen sei; andrerseits haben sie sich auf ein ausgedehntes Besuchs- und Ferienrecht geeinigt, welches dem Kläger das Recht einräumt, die beiden Kinder jedes zweite Wochenende von Samstag bis Montag und jeden Montag zu betreuen. Sowohl das Bezirksgericht Unterlandquart als auch das Kantonsgericht von Graubünden haben die Genehmigung der Scheidungskonvention in diesen beiden Punkten verweigert. In bezug auf die Zuweisung der elterlichen Gewalt hat das Kantonsgericht festgehalten, dass Art. 297 Abs. 3 ZGB ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern nach der Scheidung ausschliesse und stellte in der Folge die beiden Kinder unter die elterliche Gewalt der Beklagten. Hinsichtlich des von den Parteien vereinbarten ausgedehnten Besuchs- und Ferienrechtes verweigerte das Kantonsgericht die Genehmigung der Konvention im wesentlichen mit dem Argument, dass keine Gründe dargetan seien, die ein Abweichen von der Praxis der Bündner Gerichte (vgl. PKG 1992 Nr. 1) rechtfertigten; das Kantonsgericht bestätigte daher das Urteil des Bezirksgerichts, das ein - der Praxis entsprechendes - Besuchsrecht von einem Wochenende pro Monat und ein Ferienrecht von drei Wochen angeordnet hatte. 2. In seiner Berufung kritisiert der Kläger zunächst die Nichtgenehmigung des gemeinsamen Sorgerechtes beider Ehegatten. In BGE 117 II 523 ff. habe das Bundesgericht zwar festgehalten, Art. 297 Abs. 3 ZGB verbiete die Genehmigung einer Konvention, welche vorsehe, dass die Kinder nach der Scheidung unter die BGE 123 III 445 S. 447 gemeinsame elterliche Gewalt beider Elternteile zu stellen sei. Eine teleologische und geltungszeitliche Auslegung dränge aber eine andere Lösung auf; auch eine konventionskonforme Auslegung, die Art. 8 EMRK mitberücksichtige, sowie eine völkerrechtskonforme Auslegung, die Art. 2, 3 und 18 der UNO-Konvention über die Rechte der Kinder (BBl 1994 V S. 79 ff) miteinbeziehe, schliesse die gemeinsame elterliche Gewalt der geschiedenen Eltern über ihre Kinder nicht aus. a) Gemäss Art. 297 Abs. 1 ZGB steht den Eltern während der Dauer der Ehe die elterliche Gewalt über die Kinder gemeinsam zu. Nach Art. 297 Abs. 2 ZGB kann der Richter die elterliche Gewalt einem Ehegatten allein zuteilen, wenn der gemeinsame Haushalt aufgehoben oder die Ehe getrennt wird. Art. 297 Abs. 3 ZGB bestimmt schliesslich, dass die elterliche Gewalt nach dem Tod dem überlebenden Ehegatten und bei Scheidung dem Ehegatte zusteht, dem die Kinder anvertraut werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes hat der Scheidungsrichter, der gemäss Art. 156 Abs. 1 ZGB auch über die Gestaltung der Elternrechte zu befinden hat, einer Konvention über die Nebenfolgen der Ehescheidung die Genehmigung zu verweigern, welche die gemeinsame elterliche Gewalt vorsieht, weil Art. 297 Abs. 3 ZGB ausschliesse, dass die elterliche Gewalt nach der Scheidung der Ehe durch beide Eltern gemeinsam ausgeübt werde: Nach der herrschenden Lehre sowie dem Wortlaut und Wortsinn von Art. 297 Abs. 3 ZGB , der sich u.a. auch aus der Entstehungsgeschichte im Rahmen der Kindesrechtsrevision von 1976 ergebe, sei das vom Gesetzgeber bewusst getroffene Werturteil, nach der Scheidung die elterliche Gewalt einem Elternteil zuzuweisen, das beste Mittel zur Gewährleistung des Kindeswohls; daran vermöge auch nichts zu ändern, dass kantonale Gerichte vereinzelt dazu übergegangen seien, die elterliche Gewalt auch nach der Scheidung beiden Ehegatten zu belassen ( BGE 117 II 523 E. 1 mit zahlreichen Hinweisen). b) Es besteht kein Anlass, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen. In der Literatur wurde der Auffassung des Bundesgerichtes im Ergebnis beigepflichtet, dass Art. 297 Abs. 3 ZGB keine durch die Rechtsprechung zu korrigierende rechtspolitische Lücke enthalte, weil die Anwendung von Art. 297 Abs. 3 ZGB nach ihrem klaren Wortlaut keinen Rechtsmissbrauch darstelle (HANS MICHAEL RIEMER, Umfang und Schranken richterlicher Gebotsberichtigung, dargestellt anhand aktueller Beispiele aus dem Familienrecht, recht 1993, S. 128). Im übrigen ist die vereinzelt im Anschluss an BGE BGE 123 III 445 S. 448 117 II 523 ff. erhobene Kritik unbegründet. Unzutreffend ist die Auffassung, das Bundesgericht habe zu Unrecht auf den Willen des Reformgesetzgebers von 1976 abgestellt, weil das damals geltende Recht inhaltlich unverändert geblieben sei und die Beratungen in den Räten deshalb in bezug auf Art. 297 Abs. 3 ZGB gar nicht zu einem gesetzgeberischen Akt geführt hätten (PETER BALSCHEIT, Gesetzgebung und Rechtsprechung zur gemeinsamen elterlichen Gewalt, AJP 1993, S. 1208). In der parlamentarischen Beratung wurde nämlich ein Antrag, dass der Richter bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes, Trennung oder Scheidung der Ehegatten die elterliche Gewalt beiden Ehegatten oder nur einem zuweisen könne, vom Nationalrat abgelehnt (AB 1975 N, S. 1777 ff.); wenn es der Ständerat in der Folge bei der zweiten Lesung (AB 1976 S, S. 85 ff.) in Kenntnis der Beratungen des Nationalrates nicht für nötig erachtete, die Frage aufzugreifen, liegt darin sehr wohl ein gesetzgeberischer Akt im Sinn eines negativen Entscheides über die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Gewalt über den Scheidungszeitpunkt hinaus. Weiter wurde dem Bundesgericht vorgeworfen, sich nur an den Gesetzeswortlaut und den Gesetzgeberwillen geklammert zu haben, aber in keiner Art neuere - seit 1976 grundlegend veränderte - humanwissenschaftliche Erkenntnisse, die Rechtsentwicklung in anderen Staaten sowie supranationales Recht - namentlich Art. 8 EMRK und die UNO-Kinderrechtekonvention - berücksichtigt zu haben (INGEBORG SCHWENZER, Besprechung des Bundesgerichtsentscheides vom 12.12.1991, AJP 1992, S. 906 ff.). Diese Kritik ist in doppelter Hinsicht unbegründet: aa) Einmal verkennt sie die Befugnis des Bundesgerichtes als rechtsanwendende Instanz. Der Richter darf nur vom Gesetz abweichen, wo sich der Gesetzgeber offenkundig über gewisse Tatsachen geirrt hat oder sich die Verhältnisse seit Erlass eines Gesetzes gewandelt haben, so dass die Vorschrift unter legislativpolitischen Gesichtspunkten nicht mehr befriedigt und deren Anwendung einen Normmissbrauch darstellt, d.h. wenn ein krasser Fall von Unvollkommenheit vorliegt (ARTHUR MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 296 zu Art. 1 ZGB ; HANS MERZ, Berner Kommentar, N. 40 f. zu Art. 2 ZGB ). Wie auch immer man sich zu einem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern nach deren Scheidung stellen mag, kann in der Anwendung der von Art. 297 Abs. 3 ZGB vorgesehenen gesetzlichen Lösung kein Normmissbrauch erblickt werden, wie das Bundesgericht unter Hinweis auf die herrschende - und auch aktuelle - Lehrmeinung ausgeführt hat. Vielmehr ist es allein Sache BGE 123 III 445 S. 449 des Gesetzgebers, von der bisherigen gesetzlichen Lösung in geeigneter Art abzuweichen; in der laufenden Revision des Ehescheidungsrechtes wurde denn auch das Postulat aufgegriffen, die gemeinsame elterliche Gewalt nach der Scheidung unter bestimmten Voraussetzungen zu ermöglichen (vgl. Art. 133 Abs. 3 und Art. 297 Abs. 3 VE ZGB; BBl 1996 I, S. 125 ff., Ziff. 233.62). bb) Sodann ist die Auffassung unzutreffend, Art. 297 Abs. 3 ZGB sei mit Art. 8 EMRK in jedem Fall unvereinbar. Zwar zeichnet sich in den europäischen Staaten die Entwicklungstendenz ab, die Zusprechung eines gemeinsamen Sorgerechtes an geschiedene Eltern zu ermöglichen (CHRYSANT VON STURM ZU VEHLINGEN, Gemeinsame elterliche Sorge nach Ehescheidung, AJP 1997, insbes. S. 1063 ff.). Indessen ist diese Tendenz noch nicht allgemein genug und auch empirisch noch nicht genügend als befriedigend ausgewiesen, als dass das gemeinsame Sorgerecht nach der Scheidung bereits als Teilgehalt von Art. 8 EMRK angesehen werden könnte (LUZIUS WILDHABER, Internationaler Kommentar zur EMRK, N. 406 ff. zu Art. 8). Im übrigen hat die Europäische Kommission für Menschenrechte eine gegen BGE 117 II 523 ff. erhobene Beschwerde wegen Verletzung von Art. 8 EMRK für offensichtlich unbegründet erklärt (Entscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 30. November 1994, in: VPB 59 [1995], Nr. 120, S. 989 ff.). Was schliesslich die Art. 2, 3 und 18 UNO-Kinderrechtekonvention betrifft, äussert sich der Kläger weder zur kontroversen Frage der direkten Anwendbarkeit dieser Bestimmungen (offengelassen in BBl 1994 V, S. 20; bejahend: INGEBORG SCHWENZER, Die UN-Kinderkonvention und das schweizerische Kindesrecht, AJP 1994, S. 819 und CHRISTIAN ULLMANN, Verfassungs- und völkerrechtliche Widersprüche bei der Ratifikation der UNO-Kinderrechtekonvention, FamRZ 1991, S. 899; verneinend: BEA VERSCHRAEGEN, Die Kinderrechtekonvention, Wien 1996, S. 52 f.), noch dazu, ob der Konvention überhaupt eine über die Scheidung hinausdauernde gemeinsame elterliche Gewalt zu entnehmen sei (bejahend: SCHWENZER, a.a.O., S. 822; verneinend: HANS A. STÖCKER, Die UN-Kinderkonvention und das deutsche Familienrecht, FamRZ 1992, S. 250 ff. und VERSCHRAEGEN, a.a.O., S. 79 f.). c) Aus diesen Gründen erweist sich die Berufung insoweit als unbegründet, als der Beklagte das Urteil des Kantonsgerichts als bundesrechtswidrig rügt, weil der Scheidungskonvention in bezug auf das vereinbarte gemeinsame Sorgerecht die Genehmigung verweigert wurde; vielmehr hat das Kantonsgericht zutreffend festgehalten, BGE 123 III 445 S. 450 dass unter der Geltung von Art. 297 Abs. 3 ZGB ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern nach der Auflösung der Ehe nicht zugesprochen werden kann ... 3. Der Beklagte kritisiert das Urteil des Kantonsgerichtes ferner als bundesrechtswidrig, weil das ausgedehnte Besuchs- und Ferienrecht, das die Parteien in ihrer Scheidungskonvention vom 18. Juli/15. Oktober 1996 vereinbart hatten, nicht genehmigt wurde. In dieser Konvention gingen die Parteien davon aus, dass der Vater die Kinder jedes zweite Wochenende von Freitag, 1800 Uhr, bis Montag, 1800 Uhr und jeden Montag, beginnend am Sonntagabend, 1800 Uhr, bis Montagabend, 1800 Uhr, zu sich nehme; zudem wurde dem Vater das Recht eingeräumt, jährlich vier Wochen Ferien mit den Kindern zu verbringen. Das Kantonsgericht lehnte dieses grosszügige Besuchs- und Ferienrecht unter Hinweis auf die Praxis der Bündner Gerichte ab (vgl. PKG 1992, Nr. 1) und bestätigte das Urteil des Bezirksgerichtes; darin wurde der Beklagte für berechtigt erklärt, seine Kinder jeweils am ersten Wochenende eines jeden Monats von Samstag, 1200 Uhr, bis Sonntag, 2000 Uhr, zu sich zu nehmen und mit den Kindern jährlich drei Wochen Ferien zu verbringen. Nach Auffassung des Beklagten verstösst die Ablehnung der Genehmigung der von den Parteien einvernehmlich beantragten Besuchsregelung gegen Art. 273 ZGB ; zusätzlich verstosse das angefochtene Urteil auch gegen Art. 8 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 9 Abs. 3 UNO-Kinderrechtekonvention. a) Der Scheidungsrichter hat gemäss Art. 156 Abs. 2 ZGB auch über den persönlichen Verkehr des Ehegatten mit den Kindern zu entscheiden, die ihm durch die Gestaltung der Elternrechte entzogen werden. Diesbezüglich bestimmt Art. 273 ZGB , dass die Eltern Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr mit dem unmündigen Kind haben, das nicht unter ihrer elterlichen Gewalt oder Obhut steht. Die Vorstellung darüber, was in durchschnittlichen Verhältnissen als angemessenes Besuchsrecht zu gelten habe, gehen in der Lehre und der Praxis auseinander, wobei auch regionale Unterschiede festzustellen sind: Während das Besuchsrecht in der Westschweiz üblicherweise jedes zweite Wochenende, die Hälfte der Schulferien und alternierend die Doppelfeiertage umfasst, wird in der Deutschschweiz - im Streitfall - das Besuchsrecht üblicherweise für Kinder im Vorschulalter auf ein bis zwei Halbtage monatlich, für Schulkinder auf ein Wochenende und zwei bis drei Wochen Ferien jährlich festgesetzt; ist das Besuchsrecht nicht umstritten, gelten inzwischen ähnliche Prinzipien wie in der Westschweiz BGE 123 III 445 S. 451 (LÜCHINGER/GEISER, Basler Kommentar, N. 14 zu Art. 156 ZGB ; INGEBORG SCHWENZER, Basler Kommentar, N. 14 zu Art. 273 ZGB ). Auch wenn solchen Übungen bei der Bemessung des Besuchsrechtes eine gewisse Bedeutung zukommt, kann im Einzelfall nicht allein darauf abgestellt werden. Der angefochtene Entscheid erweckt daher schon deshalb Bedenken, weil er - ohne auf den konkreten Fall einzugehen - einfach mit der kantonalen Praxis argumentiert, wonach "im Streitfall ein Besuchsrecht von einem Wochenende pro Monat angemessen sei und dies als Regel gelten solle"; zudem ist das Besuchs- und Ferienrecht im vorliegenden Fall gar nicht umstritten. b) Das Recht des Elternteils, der durch die Scheidung die elterliche Gewalt verliert, auf angemessenen persönlichen Verkehr mit seinen Kindern steht dem Betroffenen Elternteil um seiner Persönlichkeit willen zu; in erster Linie dient das Besuchsrecht indessen dem Interesse des Kindes. Bei der Festsetzung des Besuchsrechtes geht es nicht darum, einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Eltern zu finden, sondern den elterlichen Kontakt mit dem Kind in dessen Interesse zu regeln ( BGE 122 III 404 E. 3a S. 406 f. mit Hinweisen). Als oberste Richtschnur für die Ausgestaltung des Besuchsrechtes gilt somit immer das Kindeswohl, das anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen ist; allfällige Interessen der Eltern haben zurückzustehen. Schon daraus ergibt sich, dass sich das Kantonsgericht bei der Frage der Genehmigung des von den Parteien vereinbarten ausgedehnten Besuchsrechtes nicht einfach auf seine feste Praxis berufen und auf die Prüfung der Frage verzichten durfte, ob die von den Eltern vorgeschlagene Regelung im konkreten Fall mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Der Hinweis auf allfällige Loyalitätskonflikte des Kindes, die durch ein häufiges Hin und Her zwischen den Elternteilen hervorgerufen werden könne, mag zwar bei fehlendem Einvernehmen der Eltern der Erfahrung entsprechen; im vorliegenden Fall ist jedoch weder ein fehlendes Einvernehmen der Parteien dargetan, noch sind irgendwelche Hinweise dafür ersichtlich, dass sich ein ausgedehntes Besuchsrecht negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirken würde. Weiter hat das Kantonsgericht die Genehmigung des Besuchs- und Ferienrechtes mit dem Argument verweigert, dass die Regelung des persönlichen Verkehrs des Ehegatten mit den Kindern, die ihm entzogen werden, nicht nur aufgrund einer aktuellen Situation zu beurteilen sei, sondern auch mögliche spätere Veränderungen mitberücksichtigt werden müssten, weshalb die Festsetzung des BGE 123 III 445 S. 452 Besuchsrechtes nur eine Minimalregelung im Hinblick auf allfällige Konflikte zwischen den Eltern sein könne. Dem Kantonsgericht ist zwar insoweit beizupflichten, als es sich bei der Regelung des persönlichen Verkehrs bei der Scheidung - ungeachtet der Möglichkeit der Anpassung an veränderte Verhältnisse ( Art. 157 ZGB ; BGE 111 II 405 E. 3 S. 408) - nicht um eine vorsorgliche, sondern um eine auf Dauer angelegte Massnahme handelt, die einer prospektiven Beurteilung bedarf. Indessen finden sich auch diesbezüglich keine konkreten Bezüge zum vorliegenden Fall: das Kantonsgericht hat - abgesehen von Erfahrungssätzen - keine möglichen künftigen Probleme namhaft gemacht, die im vorliegenden Fall die Durchführung eines grosszügigen Besuchs- und Ferienrechtes als problematisch erscheinen lassen könnten. c) Im übrigen erweist sich ein ausgedehntes Besuchsrecht keineswegs schon "per se" als bundesrechtswidrig. Es ist allgemein anerkannt, dass aufgrund des schicksalhaften Kind-Eltern-Verhältnisses die Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen sehr wichtig und von hohem Wert ist und bei der Identitätsfindung des Kindes eine entscheidende Rolle spielen kann ( BGE 122 III 404 E. 3a mit Hinweisen). Dabei kommt dem zeitlichen Faktor hinsichtlich der Qualität einer Beziehung wesentliche Bedeutung zu. Ideale Verhältnisse vorausgesetzt kann das Modell alternativer Obhut den durch die Scheidung erlittenen Verlust intensiver Beziehungen zu beiden Elternteilen am ehesten aufwiegen. Umgekehrt wird in der Literatur kritisch vermerkt, dass eine alternative Obhut einen hohen Grad von Kooperationsfähigkeit und günstige Wohnverhältnisse voraussetze und im Schulalter nur in geringer Entfernung von Wohn- und Besuchsort möglich sei, wobei eine solche Obhutsregelung eine Mehrzahl von Eltern und Kindern überfordere (HEGNAUER, Berner Kommentar, Bern 1997, N. 97 zu Art. 273 ZGB ). Ohne hier die Problematik alternativer Obhut abschliessend zu erörtern, erscheint es angezeigt, an die Voraussetzungen der Genehmigung solcher Vereinbarungen einen strengen Massstab anzulegen; im übrigen erreicht die grosszügige Bemessung des Besuchsrechtes im vorliegenden Fall noch nicht die Schwelle einer eigentlichen alternativen Obhut. d) Eine abschliessende Beurteilung der angefochtenen Besuchs- und Ferienregelung ist im vorliegenden Fall nicht möglich. Der angefochtene Entscheid enthält praktisch keine Tatsachenfeststellungen, die einen Entscheid darüber gestatten, ob die von den Eltern vorgeschlagene Regelung mit dem in Art. 273 ZGB vorgesehenen "Anspruch BGE 123 III 445 S. 453 auf angemessenen persönlichen Verkehr" und insbesondere mit der übergeordneten Maxime des Kindeswohls unvereinbar ist. Insbesondere wurden die bei den Akten liegenden Sachverständigenberichte mit keinem Wort gewürdigt; und allein mit dem Hinweis, die Parteien hätten nicht überzeugend dargetan, weshalb sich in ihrem Fall eine Abweichung von der Bündner Praxis rechtfertige, durfte die Genehmigung der Konvention nicht verweigert werden. Die Berufung ist daher hinsichtlich der Regelung des Besuchs- und Ferienrechtes im Sinn der Erwägungen gutzuheissen und die Sache zur Ergänzung des Sachverhaltes und zur Neuentscheidung an das Kantonsgericht zurückzuweisen ( Art. 64 Abs. 1 OG ). Damit kann dahingestellt bleiben, ob der angefochtene Entscheid auch bei einer Auslegung von Art. 273 ZGB unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK und Art. 18 UNO-Kinderrechtekonvention aufzuheben wäre ...
null
nan
de
1,997
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
95a03220-b50e-47a7-a209-2fd89f7e130f
Urteilskopf 107 II 297 45. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 9 juillet 1981 dans la cause M.B. contre D.B. (recours en réforme)
Regeste Art. 153 ZGB ; Aufhebung der Rente; Konkubinat. Art. 153 ZGB sieht die Aufhebung der Rente vor, nicht die Einstellung; diese Wirkung tritt auch dann ein, wenn die erwähnte Bestimmung analog auf eine Verbindung angewendet wird, die einer Wiederverheiratung gleichgestellt werden kann, so dass die anspruchsberechtigte frühere Ehefrau offensichtlich rechtsmissbräuchlich handelt, wenn sie weiterhin auf der Rente besteht. Die Rechtsprechung legt die Voraussetzungen fest, unter denen sich die Situation einer im Konkubinat lebenden Frau derjenigen einer verheirateten Frau gleichstellen lässt.
Sachverhalt ab Seite 298 BGE 107 II 297 S. 298 A.- Le Tribunal civil du district du Val-de-Ruz a dissous par le divorce le mariage contracté le 26 novembre 1965 entre D.B. et M.B. Il a notamment ratifié la convention sur les effets accessoires du divorce qui prévoit, à son art. 6, une pension en faveur de l'épouse. Le 1er juin 1979, D.B. a introduit action contre son ex-épouse devant le Tribunal du district du Val-de-Travers et a conclu à la suppression de la pension prévue par la convention sur les effets accessoires du divorce. La défenderesse a conclu au rejet de la demande. Elle n'a pas contesté vivre en concubinage avec M., mais a prétendu qu'il ne s'agit pas d'une union analogue au mariage; elle a fait valoir que M. et elle-même n'envisageaient pas de mariage pour l'instant, par prudence, compte tenu de leurs malheureuses expériences antérieures. Le Tribunal du district du Val-de-Travers a admis que la pension due par D.B. à la défenderesse devait être suspendue avec effet au 1er août 1980 et non supprimée. B.- Saisie d'un appel formé par D.B., la Cour civile du BGE 107 II 297 S. 299 Tribunal cantonal neuchâtelois a confirmé le jugement de première instance, mis les frais de la procédure d'appel à la charge du recourant et alloué à l'intimée une indemnité à titre de dépens. C.- D.B. a recouru en réforme au Tribunal fédéral. Il a repris les conclusions de sa demande tendant à la suppression de la pension prévue à l'art. 6 de la convention sur effets accessoires du divorce, et demandé que les frais et dépens soient mis à la charge de l'intimée pour les instances cantonales et la procédure devant le Tribunal fédéral. Dans sa réponse, l'intimée a conclu au rejet du recours et à la confirmation de l'arrêt déféré. Erwägungen Considérant en droit: 3. a) La Cour cantonale a constaté en particulier ce qui suit: - M. et M.B. vivent ensemble en tout cas depuis le 15 février 1979. Ils habitent dans une maison dont elle est locataire, à Fleurier. - M. contribue aux frais de leur ménage à raison de 700 fr. par mois et verse à M.B. une contribution "qui n'est pas chiffrée" au loyer de la maison. Il lui paie en outre 380 fr. par mois "pour la grande pièce qu'il occupe comme bureau". - M.B. et M. portent chacun une "bague d'amitié" en or gris. - Ils déclarent tous deux que les raisons pour lesquelles ils ne se marient pas n'ont rien à voir avec la perte de la pension due par le demandeur. Dans sa réponse à la demande, M.B. a dit en première instance que son ami et elle n'envisageaient pas "pour l'instant le mariage pour éviter un nouveau faux pas". Elle n'a pas prétendu que leurs relations fussent fragiles, mais qu'ils "n'étaient pas parvenus au terme de la phase de recherche et d'essai" qu'ils avaient décidé d'entreprendre. Ces constatations de fait lient le Tribunal fédéral saisi d'un recours en réforme ( art. 63 al. 2 OJ ). Le recourant ne prétend pas, avec raison, qu'elles impliqueraient une violation de dispositions fédérales en matière de preuve, ni non plus qu'elles reposeraient manifestement sur une inadvertance. b) Dans son appréciation juridique des faits qu'il constate, le Tribunal cantonal neuchâtelois, comme le premier juge, considère que M.B. et M. vivent en concubinage et forment ensemble une union tout à fait analogue au mariage. Il estime que M.B. commet un abus de droit BGE 107 II 297 S. 300 en continuant à réclamer une pension à son ex-mari. Le Tribunal cantonal neuchâtelois ne considère pas que l'abus manifeste de droit, qu'il admet, découle du seul fait que l'homme avec lequel la défenderesse vit en concubinage contribue à son entretien. En plus de ce fait, la juridiction cantonale tient compte de diverses autres circonstances de l'espèce, en particulier de la durée de la vie commune de M.B. et de M., de la solidité et de la stabilité des liens noués entre eux. Dès lors que, sur le vu de ces éléments d'appréciation, le Tribunal cantonal neuchâtelois admet en définitive que la défenderesse commet un abus manifeste de droit en exigeant du demandeur qu'il lui verse la pension litigieuse, celui-ci n'est pas recevable à critiquer en instance de réforme la motivation de l'arrêt déféré sur ce point. L'intimée n'a pour sa part pas valablement contesté l'abus de droit devant l'autorité cantonale. Dès lors que ce point est ainsi définitivement tranché et qu'il échappe partant à la censure du Tribunal fédéral, la seule question ligigieuse en instance de réforme est celle de savoir si c'est la suspension de la rente ou sa suppression qui doit être prononcée. c) Le recourant reproche avec raison à la Cour cantonale d'avoir violé l' art. 153 al. 1 CC en décidant que la rente sera suspendue et non supprimée. En effet, dans le cas où la situation de la concubine est assimilable à celle d'une femme mariée selon les critères dégagés par les arrêts précités ( ATF 104 II 155 /156, 106 II 2 ss), de telle sorte que la crédirentière commet un abus manifeste de droit en prétendant à la rente, l' art. 153 CC s'applique par analogie. Cette disposition prévoit expressément la suppression de la rente et non sa suspension. Il s'agit bien d'une application analogique; en effet lorsqu'il y a remariage, l' art. 153 CC dispose que la rente cesse. L'effet est automatique. En revanche, dans l'hypothèse d'une situation de concubinage proche d'une situation de remariage, c'est au juge qu'il appartient de prononcer la suppression de la rente. L'intimée fait valoir que la suppression de la rente place l'épouse divorcée dans une situation économique moins favorable lorsqu'elle vit en concubinage que lorsqu'elle se remarie et que, partant, l'analogie entre remariage et concubinage n'est pas parfaite. Cet argument n'est pas pertinent. Il faut relever tout d'abord que la jurisprudence ne se contente pas d'assimiler simplement toute BGE 107 II 297 S. 301 situation de concubinage à une situation de remariage. Au contraire, elle pose des conditions précises et exige que l'union de fait soit d'une qualité telle que l'on puisse l'assimiler à une situation de remariage. L'épouse divorcée qui choisit de vivre en concubinage plutôt que de se remarier est libre de le faire, mais elle doit en assumer les conséquences. L'intimée cite d'autre part l'arrêt ATF 106 II 2 ss. Mais celui-ci ne concerne nullement la question de savoir si le juge a le choix entre la suppression ou la suspension de la rente. Elle se réfère en outre aux commentateurs BÜHLER/SPÜHLER. Ces derniers (n. 23 ad art. 153 CC ) comme d'autres auteurs (HINDERLING, Zusatzband 1981, p. 81; RIENER, BJM 1977 p. 47 ss, 60; KEHL et KEHL, I n. 123) se contentent de prévoir, outre la suppression, également la suspension de la rente mais ne donnent aucune motivation à l'appui de la seconde solution. Ni la loi, ni la jurisprudence, ni la doctrine n'offrent d'arguments en faveur de la simple suspension de la rente. C'est en revanche la suppression que commande l'application analogique de l' art. 153 CC . Le recours doit être ainsi admis.
public_law
nan
fr
1,981
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
95a89c41-27dd-4114-a05f-854e84be2039
Urteilskopf 99 Ia 417 49. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. November 1973 i.S. X gegen Firma A.
Regeste Art. 20 Abs. 1 und Art. 66 OR . 1. Die Überweisung von Geld, das für Bestechungszwecke bestimmt ist, von einer Gesellschaft auf eine andere mit der Weisung, es einem Dritten zur Verfügung zu halten, macht den Auftrag weder rechtswidrig noch unsittlich. 2. Verstösst der Beauftragte gegen die Weisung, so kann er sich nicht auf Art. 66 OR berufen, um der Schadenersatzforderung des Auftraggebers aus Vertrag oder aus unerlaubter Handlung zu entgehen.
Sachverhalt ab Seite 417 BGE 99 Ia 417 S. 417 A.- Die Firma Farsura hatte der Regierung von Nigeria ein Projekt für den Bau eines Hafens unterbreitet. Am 19. Januar 1963 überwies sie der Firma A. in Zürich £ 5000, welche die Farsura in Nigeria zur Zahlung von Schmiergeldern zu verwenden beabsichtigte. Die Firma A. liess den Betrag dem Geschäftsführer X. ihrer Tochtergesellschaft B. in Nigeria zukommen mit der Weisung, ihn daselbst der Farsura zur Verfügung zu halten. X. tat das nicht. Obschon er nicht ermächtigt war, ohne Zustimmung der Farsura über das Geld zu BGE 99 Ia 417 S. 418 verfügen, behauptet er, es einem bestimmten Minister in Nigeria ausbezahlt zu haben. Die Farsura belastete den nicht erhaltenen Betrag der Firma A. Diese forderte ihn von X. zurück und bezog ihre Forderung in einen Prozess ein, den sie in Zürich vor einem Schiedsrichter gegen X. führte. B.- Der Schiedsrichter sprach der Klägerin am 15. März 1972 in teilweiser Gutheissung der Klage Fr. 78'917.-- nebst Zins zu. Darin sind Fr. 60'662.50 inbegriffen, weil er die Pflicht des Beklagten zur Rückerstattung der £ 5000 bejahte. Der Beklagte beschwerte sich beim Obergericht und beim KassationsgerichtdesKantonsZürich insbesondere wegen Verletzung klarer gesetzlicher Bestimmungen, hatte aber keinen Erfolg. Gegen den Entscheid des Kassationsgerichtes vom 14. Februar 1973 führte X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV . Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Schiedsrichter hat die Auffassung des Beschwerdeführers, Art. 66 OR stehe einer Rückforderung der £ 5000 entgegen, mit dem Satz abgelehnt: "Dass das Geld allenfalls auf Anweisung der Farsura für unlautere Zwecke hätte verwendet werden sollen, schliesst eine Rückgabepflicht des Beklagten nicht aus (GAUTSCHI, 3. Aufl. S. 323 Art. 397 OR N. 15 b)." Der Schiedsrichter ist also mit Gautschi der Meinung, der unsittliche Zweck, den ein Beauftragter mit zugewendetem Vermögen verfolgen sollte, schliesse die Rückerstattungspflicht nicht aus, wenn er die erhaltene Weisung nicht befolgte. Das Obergericht widerlegt zunächst den Einwand des Beschwerdeführers, Gautschi sage an der angeführten Stelle gerade das Gegenteil (Erw. 4 Abs. 1), und führt dann aus (Erw. 4 Abs. 2), die Auffassung des Schiedsrichters stehe auch sonst mit einer verbreiteten Meinung zu Art. 66 OR in Lehre und Rechtsprechung im Einklang, nämlich mit VON TUHR/SIEGWART § 52 VI S. 413/14, VON BÜREN, SJZ 58 S. 225, einem Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich in ZR 45 Nr. 142 Erw. 6 und BGE 53 II 40 /41, während freilich RUSCH, SJZ 47 S. 369 für eine ausdehnende Anwendung des Art. 66 OR eineintrete und das auch im wesentlichen der neueren Praxis des Bundesgerichtes ( BGE 74 II 26 , BGE 84 II 184 , BGE 95 II 40 ff.) zu entsprechen scheine. BGE 99 Ia 417 S. 419 Das Kassationsgericht hält dafür, die Auffassung des Obergerichtes verstosse nicht gegen klares Recht; es habe schon in seinem in SJZ 68 S. 312 Nr. 179 veröffentlichten Urteil ausgeführt, über die Auslegung des Art. 66 OR seien in guten Treuen verschiedene Meinungen möglich und BGE 74 II 27 und BGE 95 II 41 schafften nicht im Sinne von § 344 Ziff. 9 ZPO Klarheit. Die Erwägungen dieses Urteils gälten auch im vorliegenden Falle. Die Beschwerde setze sich mit der beachtlichen Arbeit VON BÜRENS nicht auseinander. Dieser habe insbesondere die Entstehungsgeschichte dafür anführen können, dass Art. 66 OR sich nicht auf das rechts- oder sittenwidrige Geschäft überhaupt, sondern nur auf jenes beziehe, bei dem die eine Leistung den Charakter einer Belohnung für ein rechts- oder sittenwidriges Handeln des Gegners habe. Solange das Bundesgericht nicht dazu Stellung genommen habe, könne nicht gesagt werden, die Bedeutung des Art. 66 OR sei schon durch ihren Wortlaut und durch die bundesgerichtliche Praxis klargestellt. Wenn die Beschwerde geltend mache, der Tatbestand des in ZR 45 Nr. 142 veröffentlichten Urteils sei ein anderer gewesen als im vorliegenden Falle, so sei zu sagen, dass es auch bei der Zurverfügungstellung der £ 5000 an den Beschwerdeführer keine andere Meinung gehabt haben könne, als dass der Betrag der Beschwerdegegnerin zurückzugeben sei, wenn er nicht weisungsgemäss verwendet werde. Nach dem vom Schiedsrichter festgestellten Sachverhalt, von dem auszugehen sei, habe der Beschwerdeführer sich durch die nicht weisungsgemässe Verwendung des Betrages einer Veruntreuung schuldig gemacht ( BGE 73 IV 173 ). Die Weisung, den Betrag der Farsura zu Bestechungszwecken zur Verfügung zu halten, möge nichtig gewesen sein. Der Beschwerdeführer habe aber nicht nur diese Weisung nicht ausgeführt, sondern auch der stillschweigenden Abrede zuwidergehandelt, dass im Falle der Nichtausführung der Weisung der Betrag zurückzuerstatten sei. Warum diese Abrede nur strafrechtlich, nicht auch zivilrechtlich von Bedeutung sein sollte, sei nicht einzusehen. 3. Der Beschwerdeführer macht geltend, der klare Wortlaut, der Sinn und der Zweck des Art. 66 OR , auf die in BGE 74 II 27 und BGE 95 II 41 abgestellt werde und gegen die der Aufsatz VON BÜRENS nicht aufzukommen vermöge, machten die kassationsgerichtliche Auslegung dieser Bestimmung willkürlich. BGE 99 Ia 417 S. 420 a) Es fragt sich indessen in erster Linie, ob Art. 66 OR im vorliegenden Falle überhaupt anwendbar ist. Diese Bestimmung befindet sich im Abschnitt über die Entstehung der Obligationen aus ungerechtfertigter Bereicherung. Sie sagt nur, unter welchen Voraussetzungen entgegen den in diesem Abschnitt aufgestellten Regeln eine Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht entstehe. Es liegt ihr fern, auch Rückforderungen aus Vertrag und Schadenersatzforderungen aus unerlaubter Handlung auszuschliessen, wenn jemand eine Zuwendung in der Absicht gemacht hat, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen. Das Bundesgericht hat denn auch im Entscheide 74 II 29/30 z.B. den Fall vorbehalten, wo der Empfänger die Übergabe der Leistung durch eine unerlaubte Handlung, namentlich durch Betrug, herbeigeführt oder mitverursacht hat. Allerdings dachte es dabei, die Verweigerung der Rückgabe könnte alsdann rechtsmissbräuchlich sein. Es äusserte sich darüber aber nicht abschliessend. In Wirklichkeit ist von Fall zu Fall zu prüfen, ob der Rückfordernde überhaupt auf die Anwendung der Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherung angewiesen ist oder seine Forderung aus einem gültig gebliebenen Vertrag oder aus unerlaubter Handlung (oder aus beiden Rechtsgründen zugleich) abzuleiten vermag. Wenn das zutrifft, kann er aus diesen Rechtsgründen klagen und kann sich die Frage, ob die Berufung der Gegenpartei auf Art. 66 OR rechtsmissbräuchlich sei, nicht stellen. b) Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der Firma B. Sein Arbeitsvertrag war in deren Namen von der Beschwerdegegnerin abgeschlossen worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese ihn in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft in Anspruch nahm oder ihm einen selbständigen Auftrag erteilte, als sie ihm £ 5000 zukommen liess mit der Weisung, den Betrag der Farsura zur Verfügung zu halten. So oder so erhielt der Beschwerdeführer das Geld auf Grund eines Vertrages, aus dem die Beschwerdegegnerin zu klagen legitimiert ist, denn die Firma B. hat ihr ihre Ansprüche abgetreten. c) Die weitere Frage, ob eine vertragliche Forderung der Beschwerdegegnerin oder ihrer Tochtergesellschaft gemäss Art. 20 Abs. 1 OR gar nicht habe entstehen können, weil die Farsura beabsichtigte, den Betrag zu Schmierzwecken zu verwenden, ist zu verneinen. Mit der Verschiebung des Betrages auf den Beschwerdeführer nach Nigeria verstiess noch niemand BGE 99 Ia 417 S. 421 gegen das Recht oder die guten Sitten, weder die Farsura, noch die Beschwerdegegnerin, noch deren Tochtergesellschaft, noch der Beschwerdeführer. Auch die Weisung an diesen, den Betrag zur Verfügung der Farsura zu halten, war trotz der erwähnten Absicht der Farsura nicht rechtswidrig oder unsittlich. Erst wenn die Farsura den Beschwerdeführer angewiesen hätte, mit dem Gelde jemanden zu bestechen, hätte der Verstoss gegen das Recht oder die guten Sitten begonnen. So weit gedieh das Vorhaben aber nicht. Wäre der Beschwerdeführer der vertraglichen Pflicht enthoben, der Beschwerdegegnerin das empfangene Geld zu ersetzen, so brauchte auch jeder andere Vermögensverwalter, z.B. eine Bank oder ein Bankangestellter, dem Gelder durch die Hände gehen, die nach der Absicht des Auftraggebers für rechtswidrige oder unsittliche Zwecke bereitgestellt werden, nichts zurückzuleisten. Das wäre untragbar und widerspräche Art. 140 StGB , wonach man anvertrautes Gut nicht unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwenden darf. Das Vertragsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin oder ihrer Tochtergesellschaft war gültig. d) Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von BGE 37 II 66 ff. Erw. 3 und 4, BGE 74 II 23 ff. und BGE 95 II 38 ff. Im ersten dieser drei Urteile war zu entscheiden, ob ein vom Konkurs bedrohter Schuldner, der seinem Schwiegervater Geld übergeben hatte, um es den Gläubigern zu entziehen, den Betrag zurückfordern könne. Das Bundesgericht verneinte dies, weil die Hingabe des Geldes als Vorbereitung betrügerischen Bankerottes strafrechtlich unerlaubt und daher nach Art. 17 aoR ungültig sei und ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäss Art. 75 aoR (= 66 OR) nicht bestehe. Auch im zweiten Präjudiz erachtete das Bundesgericht das Rechtsgeschäft (Hingabe eines Betrages zur Beschaffung gemünzten Goldes) als nichtig, und zwar gemäss ausdrücklicher Bestimmung des Art. 6 des BRB vom 7. Dezember 1942 über die Überwachung des Handels mit Gold. Im dritten Präjudiz war zunächst die Auszahlung eines Schmiergeldes an einen Vormund zu würdigen. Das Versprechen, das ihr zugrunde lag, betraf einen typischen Fall des Gaunerlohnes und war gemäss Art. 20 Abs. 1 OR nichtig. Daher wurde auch die Übernahme der Schmiergeldschuld durch Dritte als nichtig erachtet und den ursprünglichen Schmiergeldschuldnern BGE 99 Ia 417 S. 422 versagt, die Gegenleistung zurückzufordern, die sie für die Schuldübernahme erbracht hatten. e) Weitere Urteile, in denen das Bundesgericht zu Art. 20 und 66 OR Stellung nahm, führen ebenfalls nicht zum Schluss, der Vertrag zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin oder ihrer Tochtergesellschaft sei nichtig. In BGE 53 II 41 war es der Auffassung, Art. 20 und 66 OR seien nur auf Leistungen anzuwenden, die zur Belohnung einer zugesagten oder in Aussicht gestellten verbotenen oder unsittlichen Handlung gemacht werden, nicht auch auf Zuwendungen, die nach der Verabredung der Parteien an den Leistenden zurückgegeben werden sollen. Im Entscheid 75 II 294 erachtete das Bundesgericht wiederum auf Grund des Art. 6 BRB vom 7. Dezember 1942 ein Goldhandelsgeschäft als nichtig und ging es wie im Entscheid 74 II 23 ff. davon aus, Art. 66 OR schliesse die Bereicherungsklage nicht nur gegen den Empfänger von Gaunerlohn, sondern auch gegen den Empfänger anderer zur Erreichung des rechtswidrigen Erfolges gemachter Zuwendungen aus. Dennoch erklärte es den Empfänger des Geldes zur Rückerstattung verpflichtet, weil er dem Geber im Verlaufe der Auseinandersetzung Ersatz des Schadens versprochen hatte. In BGE 76 II 369 f. Erw. 5 wurde ein Schweigegeldvertrag als sittenwidrig und nichtig erachtet, die Rückforderung aber trotz Art. 66 OR geschützt mit der Begründung, die Berufung auf diese Bestimmung sei rechtsmissbräuchlich, weil das Geld unter dem Einfluss einer vom Empfänger zu vertretenden Drohung versprochen und gezahlt worden sei. In BGE 79 II 204 f. wurde die Klage auf Rückgabe eines Darlehens, das den Käufern eines landwirtschaftlichen Heimwesens die Zahlung eines dem BRB über Massnahmen gegen die Bodenspekulation widersprechenden Überpreises ermöglicht hatte, mit der Begründung geschützt, Art. 42 Abs. 2 dieses Beschlusses lasse die Rückforderung des Überpreises ausdrücklich zu und die Handlung des Darleihers wiege weniger schwer, könne also ebenfalls nicht unter Art. 66 OR fallen. BGE 82 II 75 lautet dahin, der entgeltliche Verzicht auf das bäuerliche Vorkaufsrecht falle nicht unter Art. 20 OR . Das Bundesgericht fügte unter Hinweis auf den Entscheid BGE 74 II 23 ff. bei, selbst wenn es anders wäre, könnte der Kläger gemäss Art. 66 OR die Abfindungssumme nicht zurückfordern. BGE 99 Ia 417 S. 423 Im Entscheid 84 II 179 ff. schützte das Bundesgericht gemäss Art. 42 Abs. 2 BMB die Rückforderung einer für ein landwirtschaftliches Heimwesen geleisteten Schwarzzahlung. Die Ausführungen zu Art. 66 OR befinden sich nur in den Erwägungen über die intertemporale Geltung des Art. 42 Abs. 2 BMB und enthalten nichts Neues. f) Bleibt es dabei, dass das Vertragsverhältnis mit dem Beschwerdeführer gültig ist, so ist dieser der Beschwerdegegnerin aus Vertrag verpflichtet, die anvertrauten £ 5000 zu ersetzen, da er sie weisungswidrig nicht der Farsura zur Verfügung gehalten, sondern eigenmächtig anderweitig verwendet hat. Der Anspruch der Beschwerdegegnerin beruht nicht auf ungerechtfertigter Bereicherung. Die Frage, ob Art. 66 OR nur die Rückforderung von sog. Gaunerlohn oder auch die Rückforderung anderer nichtiger Zuwendungen ausschliesse, stellt sich daher nicht. Das Urteil des Schiedsrichters ist somit im Ergebnis richtig. Da es nicht im Sinne von § 344 Ziff. 9 zürch. ZPO klares Recht verletzt, erfüllt auch der Entscheid des Obergerichtes diesen Nichtigkeitsgrund nicht und verletzte das Kassationsgericht Art. 4 BV nicht, indem es die Nichtigkeitsbeschwerde abwies. Dem Bundesgericht ist nicht verboten, einen mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Willkür angefochtenen Entscheid mit Erwägungen als haltbar zu erklären, die von denen der kantonalen Instanz abweichen ( BGE 86 I 269 ). Anders verhält es sich nur, wenn kantonales Recht auszulegen ist und die zu substituierenden Erwägungen von der kantonalen Instanz ausdrücklich abgelehnt wurden oder an Willkür grenzen ( BGE 91 I 38 , BGE 94 I 311 Erw. 4). Diese Voraussetzungen treffen hier nicht zu.
public_law
nan
de
1,973
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
95a953f0-f901-4ca5-b754-65553b25d684
Urteilskopf 107 Ia 96 17. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. Mai 1981 i.S. Scherrer und Mitbeteiligte gegen Steiner, Gemeinde Laax und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Beschwerde Privater wegen Verletzung der Gemeindeautonomie. Legitimation eines Privaten zur Anrufung der Gemeindeautonomie; Ausnahme.
Erwägungen ab Seite 96 BGE 107 Ia 96 S. 96 Aus den Erwägungen: 1. c) Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung der Gemeindeautonomie rügen, fehlt ihnen die Legitimation; auf die Beschwerde kann in diesem Punkt nicht eingetreten werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann zwar der Private diese Rüge vorfrage- oder hilfsweise zur Unterstützung einer anderweitigen Verfassungsrüge geltend machen ( BGE 105 Ia 48 E. 2, BGE 102 Ia 436 E. 8 mit Hinweis). Von diesem Grundsatz muss aber dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn dasjenige Organ, das für die Vertretung der Gemeinde zuständig ist, ausdrücklich oder stillschweigend (durch konkludentes Handeln) darauf verzichtet hat, sich auf die behauptete Verletzung der Gemeindeautonomie zu berufen (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 17. Januar 1973 i.S. Giorgetti c. Terrani, Municipio di Agno e Tribunale amministrativo del Cantone Ticino, S. 5 E. 3). Dies trifft im vorliegenden Fall zu: Die Gemeinde hat in ihrer Vernehmlassung erklärt, sie habe sich in der vor Bundesgericht noch streitigen Frage, ob die Abstandsvorschriften eingehalten seien, der Auffassung des Verwaltungsgerichts angeschlossen.
public_law
nan
de
1,981
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
95aa5a7b-bbe6-4927-8f92-21a4d01a0965
Urteilskopf 107 Ia 304 60. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. Dezember 1981 i.S. Fuchs und Schweizerische Journalisten-Union gegen Regierungsrat und Obergericht des Kantons Nidwalden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 und 55 BV , Meinungsäusserungsfreiheit, Informationsfreiheit, Grundsatz der Gewaltentrennung; Information der Öffentlichkeit durch Regierung und Verwaltung. Bestätigung und Präzisierung der in der Literatur kritisierten Rechtsprechung ( BGE 104 Ia 88 ff.), wonach kein allgemeiner und umfassender Anspruch des Bürgers und der Presse auf Information über die gesamte Tätigkeit der Verwaltung besteht (E. 3 und 4). Überprüfung der Verfassungsmässigkeit der §§ 3 und 8 des Nidwaldner Reglementes über die Information der Öffentlichkeit durch den Regierungsrat und die Verwaltung vom 10. März 1980 (E. 5 und 6).
Sachverhalt ab Seite 305 BGE 107 Ia 304 S. 305 Der Regierungsrat des Kantons Nidwalden erliess am 10. März 1980 ein "Reglement über die Information der Öffentlichkeit durch den Regierungsrat und die Verwaltung (Informationsreglement)". Am 25. März 1980 erhoben der Journalist Hans Fuchs sowie die Schweizerische Journalisten-Union (SJU), Sektion des VPOD, beim Obergericht des Kantons Nidwalden als Verfassungsgericht Verfassungsbeschwerde. Sie beantragten, das Reglement sei aufzuheben, eventuell seien dessen § 3, § 8 Abs. 1 Ziff. 5, § 9 Abs. 3 und § 12 Abs. 3 aufzuheben. Das Obergericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 28. November 1980 ab. Gegen diesen Entscheid führen Hans Fuchs und die SJU staatsrechtliche Beschwerde mit den Anträgen, er sei aufzuheben; ferner sei das Informationsreglement aufzuheben, eventuell bloss hinsichtlich der vorstehend genannten Bestimmungen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintreten konnte. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. In materieller Hinsicht weisen die Beschwerdeführer selbst darauf hin, dass das angefochtene Informationsreglement inhaltlich auf weite Strecken den "Richtlinien für die Information der Öffentlichkeit durch Regierung und Verwaltung" entspreche, die von der Regierung des Kantons Graubünden am 12. Juli 1976 erlassen worden sind und die Gegenstand einer vom Bundesgericht am 8. März 1978 beurteilten staatsrechtlichen Beschwerde bildeten ( BGE 104 Ia 88 ff.). Das Bundesgericht hat in jenem Entscheid einlässlich untersucht, inwieweit die Informationsfreiheit durch eidgenössisches Verfassungsrecht oder durch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistet sei. Es gelangte im wesentlichen zu folgenden Schlüssen: Die Informationsfreiheit gewährleiste als Bestandteil der Meinungsäusserungsfreiheit und der Pressefreiheit das Recht, Nachrichten und Meinungen ohne Eingriffe der Behörden zu empfangen BGE 107 Ia 304 S. 306 und sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten; dagegen habe sie nicht die Bedeutung, dass die Behörden über ihre Tätigkeit zu informieren hätten. Ein positiver Anspruch des Bürgers auf Information durch die staatlichen Behörden könne auch nicht als ungeschriebenes Grundrecht anerkannt werden. Für die Begründung sei auf das angeführte Urteil verwiesen. Die Beschwerdeführer gehen bei ihrer Argumentation von diesem Urteil aus, nehmen jedoch die hieran vor allem von JÖRG PAUL MÜLLER (Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtes im Jahre 1978, ZBJV 116/1980, S. 236 f., 238, 244 f. und 251 f.) geäusserte Kritik auf und verlangen erneut die Statuierung eines verfassungsmässigen Anspruchs des Bürgers und insbesondere der Presse auf Information durch die Behörden. Es ist daher erforderlich, diese grundsätzliche Frage zunächst erneut in allgemeiner Form zu erörtern, bevor auf die Rügen der Beschwerdeführer bezüglich einzelner Bestimmungen des angefochtenen Reglementes näher eingetreten wird. MÜLLER hat zur Frage der Tragweite der Informationsfreiheit ausgeführt, das Bundesgericht habe im erwähnten Urteil den "Bedürfnissen des schweizerischen Gemeinwesens mit seinen einzigartigen direkt-demokratischen Institutionen und dem daraus fliessenden Bedürfnis nach einer gut informierten Bürgerschaft" nicht in ausreichendem Masse Rechnung getragen. Es könne kein Zweifel daran bestehen, "dass die verfassungsmässig gewährleistete freie Meinungsbildung vereitelt würde, wenn eine Regierung einen ganzen Bereich ihrer Tätigkeit oder der übrigen Staatsverwaltung (z.B. der Justiz, der Polizei oder der Strafuntersuchungsbehörden) grundsätzlich und absolut vom Einblick der Öffentlichkeit freihalten wollte. Mitunter lässt sich eine angemessene Information der Öffentlichkeit nicht anders als auf dem Weg der Zuerkennung subjektiver Verfassungsansprüche des die Information suchenden Journalisten realisieren, um die für die Demokratie unerlässliche Kontrolle und Kritik der Behörden sicherzustellen" (a.a.O., S. 251 f.). Mit dem Urteil BGE 104 Ia 88 ff. kritisch auseinandergesetzt hat sich auch DENIS BARRELET (Le droit du journaliste à l'information, in SJZ 75/1979, S. 69 ff.). Schon vor Erlass des Urteils vom 8. März 1978 hatte sich PETER SALADIN in ähnlichem Sinne geäussert wie die beiden vorgenannten Autoren (Grundrechte im Wandel, 2. Aufl., Bern 1975, S. 83 ff.). Schliesslich hat sich auch CHARLES PONCET mit dem erwähnten Entscheid befasst. Er bedauert mit den bereits BGE 107 Ia 304 S. 307 angeführten Autoren, dass in der Schweiz kein echter Informationsanspruch bestehe, stimmt aber dem Bundesgericht darin bei, dass ein solcher Rechtsanspruch nur auf dem Wege der Gesetzgebung (vermutlich sogar auf Verfassungsstufe) und nicht durch die Rechtsprechung geschaffen werden könnte (La liberté d'information du journaliste: un droit fondamental? Etude de droits suisse et comparé, in: Revue internationale de droit comparé, Bd. 32/1980, S. 731 ff., insbesondere S. 756). 4. Den Kritikern des Urteils BGE 104 Ia 88 ff. ist einzuräumen, dass einzelne Formulierungen zu Missverständnissen Anlass geben konnten. So bestand zweifellos nie die Meinung, die Behörden dürften in jeder Sparte ihrer Tätigkeit Informationen an die Öffentlichkeit nach Belieben völlig unterdrücken, und an dem Satz, wonach die Grundrechte keinen Anspruch auf positive Leistungen des Staates vermittelten, kann nach heutigem Verfassungsverständnis nicht unter allen Umständen festgehalten werden (vgl. JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Bd. II, N. 1751 S. 630 und ARTHUR HAEFLIGER, Die Sprachenfreiheit in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in Mélanges Henri Zwahlen, Lausanne 1977, S. 82 f.). Gleichwohl ist im Ergebnis daran festzuhalten, dass nach schweizerischem Recht ein genereller Anspruch des Bürgers im allgemeinen und der Presse im besonderen, über beliebige Vorgänge im Bereich der Staatsverwaltung informiert zu werden, nicht besteht. Dazu ist im einzelnen auszuführen: a) Die erwähnten Autoren unterlassen es, zwischen den verschiedenen Arten staatlicher Tätigkeit zu unterscheiden. Die direkte Demokratie, deren Verwirklichung nach unbestrittener Meinung die Presse- und Informationsfreiheit zu dienen hat, kommt auf dem Gebiete der Gesetzgebung zur Geltung. Hier ist es selbstverständlich, dass die Öffentlichkeit durch rechtzeitige Publikation von Vorlagen der Behörden umfassend informiert wird. Eine Verletzung dieser Informationspflicht könnte durch staatsrechtliche Beschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG (Stimmrechtsbeschwerde) gerügt werden. Auch soweit die Gesetzgebung endgültig oder unter Vorbehalt des fakultativen Referendums durch die kantonale Legislative ausgeübt wird, hat sich eine ausreichende Information der Presse überall durchgesetzt. Die vorliegende Beschwerde bezieht sich denn auch nicht auf den Bereich der Gesetzgebung, sondern auf denjenigen der Verwaltung. Die Verwaltung, d.h. die konkrete Anwendung der Gesetze auf den Einzelfall, kann aber BGE 107 Ia 304 S. 308 nach ihrer Natur nicht durch das Volk selbst ausgeübt werden, sondern nur durch die von ihm direkt oder eventuell durch das Parlament gewählten Vertreter und durch die ihnen unterstellten Beamten, die ihrerseits wieder der Kontrolle durch das Parlament unterstehen. Die von den Beschwerdeführern sinngemäss aufgestellte Behauptung, eine demokratische Staatsführung sei ohne umfassenden Informationsanspruch der Presse und des Einzelnen über die Verwaltungstätigkeit nicht möglich oder doch erheblich gefährdet, geht demnach zu weit. Selbstverständlich besteht auch auf dem Gebiet der Verwaltung ein beachtliches Informationsbedürfnis; doch gilt dies zunächst nur für denjenigen Personenkreis, der durch die Behandlung eines bestimmten Geschäftes unmittelbar betroffen wird. Unterlässt die Verwaltung hier eine ausreichende Information, so steht dem Betroffenen allenfalls die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV (formelle Rechtsverweigerung) zur Verfügung. Dass indessen die Presse und damit die gesamte Öffentlichkeit über alle Verwaltungsgeschäfte müsse Auskunft verlangen können, lässt sich aus dem Gedanken des demokratischen Rechtsstaates nicht ableiten. b) Die Beschwerdeführer möchten den Grundsatz der Offenlegung der gesamten Verwaltungstätigkeit statuieren, unter dem Vorbehalt "echter Staatsgeheimnisse" sowie der dem Staat geoffenbarten "wesentlichen Privatgeheimnisse". Demgegenüber geht die herrschende Praxis dahin, die Staatsverwaltung zunächst als eine Summe interner Vorgänge zu verstehen, über welche die Öffentlichkeit dann - und zwar umfassend - zu informieren ist, wenn der betreffende Gegenstand von allgemeinem Interesse ist und keine überwiegenden Interessen des Staates oder Privater entgegenstehen. Diese Praxis findet ihre Grundlage in Art. 320 StGB über den strafrechtlichen Schutz des Amtsgeheimnisses in Verbindung mit den meisten Beamtengesetzen, welche den öffentlichen Funktionären mit unterschiedlichen Formulierungen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit auferlegen (vgl. etwa Art. 27 Abs. 1 des eidgenössischen Beamtengesetzes: "Der Beamte ist zur Verschwiegenheit über dienstliche Angelegenheiten verpflichtet, die nach ihrer Natur oder gemäss besonderer Vorschrift geheim zu halten sind."). Diese gesetzlichen Bestimmungen sprechen für das Gebiet der Verwaltung deutlich zugunsten des Geheimhaltungsprinzips mit Öffentlichkeitsvorbehalt und gegen das Öffentlichkeitsprinzip mit Geheimhaltungsvorbehalt, wie es die Beschwerdeführer postulieren (vgl. zu dieser Problematik Walter Buser, BGE 107 Ia 304 S. 309 Information und Amtsverschwiegenheit, in ZBJV 103/1967, S. 209 ff., insbesondere S. 213 f. und 216). Der von den Beschwerdeführern vertretene Standpunkt liesse sich jedenfalls auf eidgenössischer Ebene auch bei einem gewandelten Verfassungsverständnis gestützt auf Art. 113 Abs. 3 BV gerichtlich nicht durchsetzen. Er kann auch den Kantonen nicht aufgezwungen werden. c) Die Anerkennung eines ungeschriebenen verfassungsmässigen Anspruchs auf Information über alle nicht aus besonderen Gründen als geheim erklärten Gegenstände der Verwaltungstätigkeit würde überdies voraussetzen, dass sich dieser Anspruch ohne erhebliche Schwierigkeiten verwirklichen liesse; andernfalls bliebe ein Grundsatzentscheid toter Buchstabe. Dieser praktischen Seite schenken die Beschwerdeführer ebenso wie die unter Erwägung 3 genannten Autoren, auf deren juristische Publikationen sie sich stützen, wohl zu wenig Beachtung. Sie scheinen mit ihren sehr allgemein gehaltenen Formulierungen von der Annahme auszugehen, die Verwaltung befasse sich weit überwiegend mit Gegenständen, die ohne weiteres durch das Mittel der Presse an die Öffentlichkeit getragen werden dürften; Geheimnisse - oder besser: vertraulich zu behandelnde Geschäfte - bildeten die Ausnahme. Hierin kann ihnen auf Grund der Erfahrungen des täglichen Lebens nicht gefolgt werden. Eine praxisbezogene Betrachtungsweise zeigt vielmehr, dass sich die Verwaltung auf allen Gebieten in erheblichem Umfange mit Tatsachen zu befassen hat, die ihr der Private - sei es freiwillig, sei es unter Zwang - unter der Voraussetzung anvertraut, dass sie nur den mit der Behandlung der Sache betrauten Beamten oder Behördemitgliedern bekannt werden. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen: Polizeiwesen: Eingeständnisse über Verletzungen von Polizeivorschriften; Finanzwesen: sämtliche Angaben über die Zusammensetzung von Einkommen und Vermögen von Steuerpflichtigen; Bauwesen: Korrespondenz über Bauvorhaben, welche die Privaten nur eventuell in Aussicht nehmen, für die sie aber einstweilen noch kein formelles Baugesuch einreichen wollen; Gesundheitswesen: amts- und privatärztliche Berichte und Gutachten über Privatpersonen; Gesuche Privater oder ihrer Angehörigen um Zuweisung eines Bettes in einem Spital oder Krankenheim; Beschwerden aus dem Gebiet der Bauhygiene; Sozialfürsorge: Gesuche und Berichte betreffend Ergänzungsleistungen zur AHV, Hilflosenentschädigung und allfällige weitere Unterstützungen sowie Gesuche und Berichte in Vormundschaftssachen. BGE 107 Ia 304 S. 310 Die Liste liesse sich beliebig erweitern. Es geht hier nur darum, darzutun, dass - jedenfalls nach in der Schweiz herrschender Auffassung - die Beziehungen des Privaten zur Verwaltung grundsätzlich zwar vielleicht nicht als "geheim" im strengsten Sinne des Wortes, wohl aber als vertraulich betrachtet werden, und dass der Private Anspruch darauf hat, in seinem Vertrauen auf Nichtweitergabe seiner Mitteilungen an Dritte geschützt zu werden. Es kann in diesem Zusammenhang auch auf die noch im Gange befindliche grundsätzliche Diskussion über den Schutz der Persönlichkeitssphäre im Bereich der elektronischen Datenerfassung verwiesen werden; sie zeigt deutlich, dass heute dem Schutz dieser Sphäre wieder vermehrte Beachtung geschenkt wird. In seiner mehrfach erwähnten Kritik am Urteil BGE 104 Ia 88 ff. nennt MÜLLER an einer einzigen Stelle konkrete Beispiele aus der Praxis. Er erklärt, die verfassungsmässig gewährleistete freie Meinungsbildung würde vereitelt, wenn eine Regierung einen ganzen Bereich ihrer Tätigkeit oder der Tätigkeit der übrigen Staatsverwaltung, wie z.B. der Justiz, der Polizei oder der Strafuntersuchungsbehörden, grundsätzlich und absolut vom Einblick der Öffentlichkeit fernhalten wollte (a.a.O. S. 251/252). Diese Beispiele sind nicht geeignet, seinen Standpunkt betreffend eine allgemeine Auskunftspflicht der Verwaltung zu stützen. Gerade auf dem Gebiet der Justiz, zu der auch die Tätigkeit der Untersuchungsbehörden und der Kriminalpolizei gehört, gelten besondere Regeln, die eine demokratische Kontrolle ermöglichen. Im Vordergrund steht hier das durch Art. 6 Ziff. 1 EMRK und durch die kantonalen Strafprozessordnungen gewährleistete Recht auf öffentliche Verhandlung in Strafsachen, das mancherorts noch durch öffentliche Beratungen der Gerichte verstärkt wird. Auch bestehen wohl überall geschriebene oder ungeschriebene Regeln über die Information der Presse bei schweren Delikten. Gerade die Praxis auf dem Gebiet der Strafrechtspflege vermag daher einen generellen Informationsanspruch der Bevölkerung und der Presse über die gesamte Verwaltungstätigkeit nicht zu rechtfertigen. d) Gegen die Öffnung aller nicht ausdrücklich als geheim bezeichneten Verwaltungsakten für Presse und Publikum spricht schliesslich auch das Verfahren, das zur Willensbildung der leitenden Exekutivbehörden führt. Diese sind auf Berichte ihrer Fachorgane angewiesen, bei denen es sich um Einzelpersonen oder um Expertenkommissionen handeln kann. Je offener jeder einzelne dieser Fachleute seine Meinung bekanntgibt, desto umfassender BGE 107 Ia 304 S. 311 werden die Grundlagen, die der Behörde zur Verfügung stehen, wenn sie ihre Anträge an Parlament und Volk ausarbeitet oder allenfalls in eigener Zuständigkeit Entscheide trifft. Würden die Fachberichte und die Kommissionsprotokolle der Presse und damit der Öffentlichkeit uneingeschränkt zur Verfügung gestellt, so wäre zu befürchten, dass sich die Sachbearbeiter und Kommissionsmitglieder nicht mehr in aller Freiheit äussern würden, was der Qualität der Willensbildung der Behörde abträglich wäre. Dass hierin ein mit dem demokratischen und liberalen Staatsverständnis unvereinbares Obrigkeitsdenken zum Ausdruck gelange, wie dies die Beschwerdeführer behaupten, kann nicht anerkannt werden. Es geht einzig darum, eine möglichst sorgfältige Vorbereitung derjenigen Geschäfte zu sichern, über die der Bürger später direkt oder indirekt zu befinden haben wird. Ausnahmen sind allerdings durchaus denkbar, ja nach moderner Anschauung sogar wünschenswert (etwa die sogenannte "offene Planung" im Städtebau). Auch ist den Beschwerdeführern darin beizupflichten, wenn sie ausführen, unter Umständen sei für die Ausübung des verfassungsmässigen Volksrechtes der Initiative eine vorherige Einsicht in behördliche Akten notwendig (sie erwähnen konkret das Beispiel einer Initiative betreffend Seeufer-Gestaltung). In solchen Fällen steht den an der Vorbereitung der Initiative beteiligten Bürgern und gegebenenfalls auch der Presse ohne weiteres die Möglichkeit offen, ein Gesuch um Einsichtnahme in die Akten über bestimmte Verwaltungsvorgänge zu stellen und zu begründen. Die Verwaltung ist gehalten, ein solches Gesuch sorgfältig zu prüfen, eine Interessenabwägung vorzunehmen und darüber zu entscheiden. Gegen die Ablehnung eines Gesuches bleibt - vorbehältlich eines allenfalls möglichen innerkantonalen Weiterzuges - das Recht auf staatsrechtliche Beschwerde gewahrt, sei es wegen Verletzung des Art. 4 BV , sei es allenfalls wegen Beeinträchtigung in der politischen Stimmberechtigung. Ein ausreichender Grund, um im Sinne der Auffassung der Beschwerdeführer jedem Bürger und im besonderen der Presse ein allgemeines und umfassendes Recht auf Information zu geben, d.h. die Verwaltung generell zur Auskunftserteilung zu verpflichten, kann jedoch aus diesem Sonderfall nicht abgeleitet werden. Demnach fällt eine Aufhebung des gesamten angefochtenen Reglementes wegen Verletzung eines verfassungsmässigen Informationsanspruchs ausser Betracht. 5. Im einzelnen beanstanden die Beschwerdeführer BGE 107 Ia 304 S. 312 zunächst § 3 des angefochtenen Reglementes. Er lautet wie folgt: "Als Informationsempfänger kommen Journalisten in Frage, die für ein Informationsmedium (Zeitung, Agentur, Pressedienst, Radio, Fernsehen usw.) arbeiten und regelmässig über die Tätigkeit des Regierungsrates und der Kantonsverwaltung berichten." Die Beschwerdeführer erblicken in dieser Vorschrift eine unzulässige Einschränkung der Tätigkeit solcher Journalisten, die nicht regelmässig über Vorgänge im Kanton Nidwalden berichten, sondern dies nur gelegentlich tun möchten. Die SJU, welche vorwiegend Journalisten vertritt, die keine besondere Beziehung zum Kanton Nidwalden aufweisen, ist berechtigt, diese Rüge geltend zu machen. a) Im angefochtenen Entscheid hat das Obergericht des Kantons Nidwalden zu diesem Punkt auf BGE 104 Ia 379 verwiesen. Das Bundesgericht hat dort ausgeführt, die Massenmedien würden nicht um ihrer selbst willen mit Unterlagen bedient, sondern mit Rücksicht auf ihre Funktion als Verbindung zwischen dem Gemeinwesen und der Öffentlichkeit. Um dem Gebot der Rechtsgleichheit zu genügen, müssten daher alle diejenigen Medien berücksichtigt werden, die gewillt und in der Lage seien, die erhaltenen Informationen in einem gewissen Umfang zu verarbeiten und an die Öffentlichkeit zu tragen. Komme ein Informationsempfänger dieser Aufgabe nicht in genügendem Masse nach, so könne er von der Bedienung mit amtlichen Unterlagen wieder ausgeschlossen werden. Diese Ausführungen treffen allerdings auf die vorliegende Angelegenheit nicht genau zu. Es ging in dem vom Bundesgericht beurteilten Fall ( BGE 104 Ia 377 ff.) darum, ob ein bestimmtes Publikationsorgan überhaupt eine gewisse minimale Verbreitung von Informationen sicherstellen könne, während sich hier die Frage stellt, ob an sich durchaus anerkannte Zeitungen und die für sie tätigen Journalisten deshalb vom Empfang der sie interessierenden Mitteilungen aus dem Kanton Nidwalden ausgeschlossen werden könnten, weil sie nicht regelmässig über die Vorgänge in diesem Kanton berichten. Mit der erwähnten Begründung lässt sich somit die in § 3 des Reglementes enthaltene Beschränkung nicht aufrechterhalten. b) Der Regierungsrat hat schon gegenüber dem Obergericht und dann wiederum in seiner Vernehmlassung an das Bundesgericht betont, er beabsichtige, den Begriff der "Regelmässigkeit" grosszügig auszulegen; jedenfalls gehe es nicht darum, dass nur die Vertreter der beiden im Kanton Nidwalden erscheinenden Zeitungen BGE 107 Ia 304 S. 313 als Informationsempfänger berücksichtigt würden. Das Obergericht hat diese Erklärung als ausreichend betrachtet und ausgeführt, ein Journalist, dem auf Grund von § 3 des Reglementes die Aufnahme in das Verzeichnis der Informationsempfänger verweigert werde, könne im konkreten Fall staatsrechtliche Beschwerde erheben. Die Beschwerdeführer geben sich damit nicht zufrieden. Sie halten dafür, eine Norm, die nach ihrem Wortlaut der Verfassung widerspreche, müsse ohne Rücksicht auf ihre Interpretation durch die kantonale Regierung aufgehoben werden. Es ist anzuerkennen, dass der hier angefochtene Text nicht voll zu befriedigen vermag. Er kann den Eindruck erwecken, dass auswärtige Journalisten, die sich nur gelegentlich mit Vorgängen im Kanton Nidwalden befassen können oder wollen, vom Zugang zu amtlichen Informationen ausgeschlossen seien. Eine solche Praxis wäre offensichtlich weder mit der Pressefreiheit noch mit dem Gleichheitssatz vereinbar (vgl. dazu BGE 104 Ia 378 E. 2; Urteil vom 24. September 1980, veröffentlicht in ZBl 82/1981, S. 35 ff., E. 3a). Indessen hebt das Bundesgericht im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle eine kantonale Vorschrift nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist ( BGE 106 Ia 137 E. 3a; BGE 104 Ia 100 E. 9). In diesem Sinne ist von der Erklärung des Regierungsrates, er werde den Begriff "regelmässig" in entgegenkommender Weise auslegen, Vormerk zu nehmen. Damit bleibt nur noch solchen Journalisten die Aufnahme in das Verzeichnis der akkreditierten Informationsempfänger versagt, die nur ganz ausnahmsweise über Ereignisse im Kanton Nidwalden berichten möchten. Wie dargetan, ist auch ihnen der Zugang zu denjenigen Informationen zu gewährleisten, die hinsichtlich des betreffenden Ereignisses den akkreditierten Journalisten zustehen. Dieses Recht wird im angefochtenen Reglement nirgends verneint. Indessen können nicht sämtliche Journalisten der Schweiz oder auch nur sämtliche Mitglieder des beschwerdeführenden Vereins verlangen, gewissermassen "auf Vorrat" in die Liste der beim Regierungsrat des Kantons Nidwalden akkreditierten Journalisten eingetragen und demgemäss regelmässig mit sämtlichen Informationen bedient zu werden, welche die Standeskanzlei oder die Departemente herausgeben. Ein solcher Aufwand wäre klarerweise unverhältnismässig. § 3 des angefochtenen Reglementes lässt sich somit bei verfassungskonformer Auslegung sowohl mit der Pressefreiheit als auch mit dem Gleichheitssatz vereinbaren. Sollten BGE 107 Ia 304 S. 314 einem nicht akkreditierten Journalisten in einem konkreten Falle diejenigen Informationen verweigert werden, die er für die Ausübung seiner Tätigkeit benötigt, so steht ihm der Weg der staatsrechtlichen Beschwerde offen. 6. § 8 des angefochtenen Reglementes steht unter dem Titel "Ahndung von Verstössen" und lautet wie folgt: "Wenn ein akkreditierter Informationsempfänger vertrauliche oder geheime Informationen, welche ihm gegenüber als solche gekennzeichnet wurden, in einem Informationsmedium verbreitet, kann ihm die Standeskanzlei die Akkreditierung entziehen und ihn im Verzeichnis der akkreditierten Informationsempfänger streichen. Das gleiche gilt, wenn: 1. mit einer Sperrfrist versehene Informationen vor dem Ablauf der Sperrfrist in einem Informationsmedium verbreitet werden; 2. unter Umgehung der Bestimmungen dieses Reglementes Informationen erschlichen werden; 3. erhaltene Informationen missbräuchlich oder zum Nachteil schutzwürdiger privater Interessen verwendet werden; 4. die Wahrheitspflicht bei der Berichterstattung vorsätzlich oder grobfahrlässig verletzt wird; 5. der Berichtigungspflicht nicht nachgekommen wird. In leichteren Fällen kann eine Warnung oder befristete Suspendierung ausgesprochen werden. Der Informationsempfänger, gegen den eine Massnahme ergriffen werden soll, hat Anspruch auf rechtliches Gehör." Die Beschwerdeführer beanstanden diese Bestimmung als Ganzes und betrachten die Verhängung von Sanktionen durch die Verwaltung, namentlich den Ausschluss von der Liste der Informationsempfänger, als unzulässig; sodann kritisieren sie im besonderen die Ziffern 4 und 5. a) Die Beschwerdeführer erblicken in § 8 des Informationsreglementes eine Bestimmung polizeilicher Natur, die nach dem verfassungsmässigen Grundsatz der Gewaltentrennung nur von der gesetzgebenden Behörde hätte erlassen werden dürfen. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Das angefochtene Reglement wurde in Ausführung von § 7 Abs. 2 der vom Landrat am 21. April 1978 angenommenen "Verordnung über die Organisation und die Geschäftsführung des Regierungsrates und der Kantonsverwaltung (Regierungsratsverordnung)" erlassen. Diese Bestimmung ermächtigt den Regierungsrat, das Informationswesen für ihn und die Departemente in einem Reglement zu ordnen. § 8 des hier in Frage stehenden Informationsreglementes wird von der Delegationsnorm ebenso gedeckt wie der übrige Inhalt des Reglementes. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer handelt es sich bei BGE 107 Ia 304 S. 315 § 8 nicht um eine Vorschrift des Polizeirechtes, sondern um eine solche des gewöhnlichen Verwaltungsrechtes. Die Behörde, welche befugt ist, bestimmten Journalisten Informationsrechte einzuräumen, die über diejenigen der Allgemeinheit hinausgehen, muss auch befugt sein, diese Rechte wieder zu entziehen, sofern dies in einem rechtsstaatlichen Verfahren und ohne Willkür geschieht. Ein Sonderstrafrecht wird dadurch nicht geschaffen; denn auch nach der Streichung im Journalistenverzeichnis behält der Betroffene sämtliche Rechte, die einem unbescholtenen Bürger zustehen. Im übrigen ist auch in diesem Zusammenhang auf BGE 104 Ia 103 zu verweisen, wo bei der Prüfung einer vergleichbaren Bestimmung des Rechtes des Kantons Graubünden festgestellt wurde, die Sanktion des Informationsentzuges dürfe nur bei Pflichtverletzungen gegenüber der informierenden Behörde verhängt werden; weitergehende Aussenwirkungen vermöge eine Verwaltungsverordnung der vorliegenden Art nicht zu entfalten. Die gegen § 8 in seiner Gesamtheit erhobene Verfassungsrüge erweist sich somit als unbegründet. b) Im besonderen wenden sich die Beschwerdeführer gegen § 8 Ziff. 4 des Reglementes, der die vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung der Wahrheitspflicht mit Sanktionen bedroht. Sie machen geltend, zwar habe das Verfassungsgericht erklärt, diese Bestimmung beziehe sich nur auf die unveränderte Wiedergabe amtlicher Informationen; allein auch darauf habe der Staat keinen Anspruch. In der Beschwerdeergänzung führen sie zu dieser Frage weiter aus, niemand könne sagen, was Wahrheit sei, weshalb die angefochtene Bestimmung dazu missbraucht werden könnte, um politisch missliebige Journalisten auszuschalten. Der Journalist habe Informationen nicht nur weiterzugeben, sondern sie zu bearbeiten, zu gewichten und entsprechend seiner persönlichen Meinung darzustellen. Eine allfällige Auseinandersetzung mit einem Journalisten, der die Wahrheit gröblich entstelle und vorsätzlich falsch informiere, habe nicht auf dem Verwaltungswege, sondern in der Öffentlichkeit zu erfolgen. Der Regierungsrat bemerkt in seiner Vernehmlassung, es gehe ihm nur darum, die unveränderte Weitergabe von Informationen an den Bürger zu erreichen, und nicht um Eingriffe in das Recht der freien Meinungsäusserung. Die Beschwerdeführer verkennen den grundlegenden Unterschied zwischen Information und Meinungsäusserung. Auf dem Gebiet der Meinungsäusserung gilt die Pressefreiheit (einschliesslich derjenigen zur Kritik an behördlichen Massnahmen) unter BGE 107 Ia 304 S. 316 dem Vorbehalt der durch das Zivilrecht (Persönlichkeitsschutz) und durch das Strafrecht (Ehrverletzung) gesetzten Grenzen uneingeschränkt; auf dem Gebiet der Information, d.h. der Wiedergabe von Tatsachen, kann dies nicht zutreffen. Die richtige Orientierung der Öffentlichkeit über Tatsachen bildet eine wesentliche Grundlage des Funktionierens des demokratischen Staatswesens, so dass die Wahrheitspflicht zur Pressefreiheit nicht in einem Gegensatz steht, sondern sie sinnvoll ergänzt. Das Bundesgericht hat in BGE 91 II 406 ausgeführt, das Verbreiten falscher Nachrichten vermöge dem öffentlichen Interesse an der Kenntnis von privaten und geschäftlichen Dingen nicht zu dienen, sondern es laufe ihm gegenteils zuwider. Auch BARRELET, dessen Kritik am Urteil BGE 104 Ia 88 in anderem Zusammenhang erwähnt worden ist, vertritt die nämliche Auffassung. Er erklärt, man könne vom Journalisten in jedem Falle Wahrheitsliebe fordern, und er bemerkt weiter: "Rien n'est plus contraire à l'intérêt du lecteur et de la collectivité qu'une information erronée, grossièrement tendancieuse et incomplète" (BARRELET, La liberté de l'information, Diss. Neuenburg 1972, S. 155). Dem ist einzig beizufügen, dass die Behauptung der Beschwerdeführer, die Wahrheit lasse sich nicht feststellen, in dieser absoluten Form unrichtig ist. Es gibt zahlreiche Vorgänge, die sich auf eine ganz bestimmte Art abgespielt haben und die auch ohne grosse Schwierigkeiten richtig erkennbar sind. Auf die Anführung von Beispielen kann hier verzichtet werden. Wer über solche Vorgänge in der Presse falsch informiert, verstösst nicht nur gegen ein ethisches Gebot, sondern, wie dargelegt, auch gegen eine sich aus der Pressefreiheit mittelbar ergebende Pflicht. Den Beschwerdeführern ist dagegen insoweit beizupflichten, dass aus der Wahrheitspflicht keine Einschränkung des Rechtes auf Kritik hergeleitet werden darf. Wer eine Tatsache - und zu diesen gehören auch amtliche Informationen - zwar richtig wiedergibt, jedoch anschliessend einer vielleicht scharfen Kritik unterzieht, verstösst nicht gegen das Gebot der Wahrheit und darf demgemäss keinesfalls mit Sanktionen belegt werden. Aus der Vernehmlassung des Regierungsrates ergibt sich, dass dies auch nicht beabsichtigt ist. Zu beachten bleibt ferner, dass der Journalist darauf angewiesen ist, seine Tätigkeit rasch auszuüben, woraus sich eine zusätzliche, kaum vermeidbare Fehlerquelle ergibt (vgl. BARRELET, a.a.O., S. 156). Es ist selbstverständlich, dass ein Journalist, dem aus diesem Grunde ein Versehen unterläuft, nur zu einer Richtigstellung BGE 107 Ia 304 S. 317 angehalten, jedoch nicht mit Sanktionen belegt werden darf. Zusammenfassend lässt sich zu diesem Punkte feststellen, dass der sorgfältige Journalist, der nach den Regeln seines Berufes Information und kritische Würdigung auseinanderzuhalten versteht, durch die in § 8 Ziff. 4 des angefochtenen Reglementes statuierte Wahrheitspflicht in seiner Berufstätigkeit nicht eingeschränkt wird. c) In denselben Zusammenhang gehört die gegen § 8 Ziff. 5 des Reglementes gerichtete Rüge, wonach der Staat keinen Anspruch auf Berichtigung geltend machen könne, und zwar auch nicht mittelbar durch Statuierung einer Sanktion für unterlassene Berichtigung. Wendet man die vorstehend dargelegten Grundsätze über die Bedeutung einer im objektivierbaren Bereich wahrheitsgemässen Berichterstattung sinngemäss auch auf diesen Punkt an, so lässt sich nicht beanstanden, dass der Regierungsrat insoweit eine Berichtigungspflicht statuiert. Ein Journalist, der sich weigern würde, eine offensichtlich falsche Tatsachendarstellung zu berichtigen, verstiesse wiederum zugleich gegen ein sittliches Gebot und gegen seine Pflicht als Mittler zwischen Behörde und Öffentlichkeit. Auch hier ist allerdings wieder eine einschränkende Auslegung am Platze: Ist eine Darstellung nicht offensichtlich falsch, sondern ist der fragliche Vorgang auch einer abweichenden Betrachtungsweise zugänglich, so kann keine Berichtigung im strengen Sinne dieses Wortes, sondern allenfalls höchstens ein Recht auf Gegendarstellung gefordert werden. Mit einer solchen nimmt die Verwaltung nicht für sich in Anspruch, allein die Wahrheit zu vertreten, sondern sie überlässt die Meinungsbildung der Öffentlichkeit, wie dies auch von den Beschwerdeführern gewünscht wird (vgl. dazu BARRELET, a.a.O., Fussnoten auf S. 155; ferner auch die Stellungnahme des Bundesrates zur parlamentarischen Initiative betreffend Presseförderung, BBl 1981, Bd. III, S. 987 f.). Der Vernehmlassung des Regierungsrates ist zu entnehmen, dass er die beanstandete Bestimmung nicht in einem weitergehenden Sinne versteht. Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkt unbegründet.
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Urteilskopf 103 Ia 73 16. Extrait de l'arrêt du 16 février 1977 en la cause X. contre Chambre d'accusation de la Cour suprême du canton de Berne
Regeste Art. 4 BV ; Genugtuungsanspruch des der Tötung und des Diebstahls verdächtigten unschuldigen Untersuchungsgefangenen. Bei der Festsetzung einer solchen Entschädigung zu berücksichtigende Faktoren.
Sachverhalt ab Seite 73 BGE 103 Ia 73 S. 73 Le 7 septembre 1973 fut découvert à D. le cadavre ensanglanté de dame G. La victime avait été frappée de trois coups mortels portés par un instrument perçant. Une somme d'argent avait été dérobée. Le 10 septembre 1973, la police cantonale bernoise interpella X., domicilié à L. Une perquisition fut effectuée à son domicile, ses parents furent entendus. Il fut relâché dans la soirée. Il fut incarcéré le lendemain, étant prévenu de meurtre et de vol. Le 15 septembre 1973, le juge ordonna sa mise en liberté provisoire. Le 18 novembre 1974, la Chambre d'accusation de la Cour suprême du canton de Berne a rendu un arrêt aux termes duquel il n'était pas donné suite à l'action pénale contre X., prévenu de meurtre et de vol, à qui une indemnité de 3'000 francs fut allouée. Un recours de droit public a été formé contre cette décision. Selon le procureur général, approuvé par la Chambre d'accusation, le montant précité comprenait une somme de 1'000 francs à titre de réparation du dommage matériel, un montant de 800 francs pour les frais de défense et 1'200 francs au titre d'indemnité pour tort moral. Le Tribunal fédéral a jugé que la décision déférée était arbitraire en ce qui concerne ce dernier point. BGE 103 Ia 73 S. 74 Erwägungen Extrait des considérants: 7. X. a été inculpé de meurtre et de vol. Interpellé dès le 10 septembre, il a été incarcéré du 11 au 15 septembre. Accusé d'être l'auteur d'un crime crapuleux, le recourant a été l'objet de l'une des accusations les plus infamantes que l'on puisse concevoir. La police a effectué des perquisitions chez le recourant, chez ses parents et chez son amie. Un grand nombre de témoins ont été interrogés à son sujet tant par la police que par le juge d'instruction. X. a dû se soumettre à des visites corporelles; il a fait l'objet d'interrogatoires détaillés, qui ont porté sur toute sa vie, y compris ses relations sexuelles. Un séquestre a été effectué auprès des banques. A cela s'ajoute le fait qu'il ne s'est agi le 15 septembre 1973 que d'une mise en liberté provisoire. Malgré la requête adressée au juge d'instruction le 20 septembre 1973, ce n'est que plus d'une année plus tard, le 18 novembre 1974, que l'innocence du recourant a finalement été reconnue par l'arrêt de la Chambre d'accusation. Pourtant, l'autorité judiciaire savait, en tout cas dès le 22 septembre 1973, par les aveux du principal coupable, que X. était totalement étranger au crime. Le recourant a ainsi subi un tort moral considérable, qui s'est traduit non seulement par les souffrances qui sont résultées pour lui des faits qui viennent d'être rappelés, mais aussi par une très grave atteinte à son honneur. Il est évident que, dans de petites localités comme B., L. ou même à D., l'arrestation du recourant a été largement connue de la population. Celui-ci déclare que ses amis se sont détournés de lui, que sa mère avait été qualifiée ouvertement de mère d'un assassin et qu'il a dû quitter L. De tout cela, il ne rapporte certes pas la preuve, mais, selon le cours ordinaire des choses, ces affirmations sont vraisemblables et le dommage moral qu'il a ainsi subi est particulièrement important. Le procureur général ne le conteste d'ailleurs pas. Ainsi que la jurisprudence l'a constaté, dans des cas de cette nature, le préjudice moral peut même durer toute la vie, selon l'adage semper aliquid haeret ( ATF 34 II 630 ). 8. Le procureur général, en relevant que les explications données par le recourant sur son emploi du temps et sur les traces de sang découvertes chez lui n'étaient pas claires, et BGE 103 Ia 73 S. 75 qu'il a été relâché dès qu'il est apparu que l'accusation élevée contre lui était dépourvue de fondement, semble considérer que l'absence de faute de la part des autorités judiciaires justifie une réduction de l'indemnité due au recourant. Celui-ci ne conteste pas qu'aucune faute n'a été commise par les organes de police et les autorités judiciaires, qui étaient tenus de rechercher tous les auteurs possibles du crime. Mais, ainsi que l'ont reconnu la jurisprudence bernoise et la doctrine, tant le principe que le montant de l'indemnité qui doit être alloué à celui qui a été inculpé injustement ne dépendent pas de la question de savoir si le préjudice subi par l'intéressé est imputable à des mesures prises conformément à la loi ou contrairement à celle-ci (arrêt du 15 novembre 1961 en la cause Grimm contre procureur général du canton de Berne, consid. 2; RSJB 1949, p. 312; WAIBLINGER, Das Strafverfahren des Kantons Bern, n. 1 ad art. 202, p. 298). D'ailleurs, les autorités bernoises ont bien commis une faute en ne donnant pas suite pendant plus d'une année à la requête de non-lieu et en laissant planer pendant toute cette période des soupçons sur le recourant. Dans ces conditions, le montant de 1'200 fr. qui, d'après le procureur général, constitue la part de l'indemnité correspondant au tort moral, est manifestement trop faible. L'allocation d'un tel montant peut d'ailleurs éveiller l'impression, dans le public, que X. a commis une faute, soit qu'il serait mêlé d'une certaine façon au crime, soit qu'il serait partiellement responsable de son incarcération. Dès lors, la Chambre d'accusation a abusé de son pouvoir d'appréciation en n'octroyant au recourant qu'une somme aussi faible. Il lui incombera de prendre une nouvelle décision sur ce point, en tenant compte des considérants de l'arrêt du Tribunal fédéral. Il n'appartient certes pas à ce dernier de dire quel est le montant qu'il conviendrait d'allouer. Il paraît cependant opportun d'indiquer qu'un montant de l'ordre de 5'000 fr. constitue, dans des cas de ce genre, l'indemnité à laquelle le lésé peut légitimement prétendre.
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Urteilskopf 89 II 363 48. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Dezember 1963 i.S. Nellen und Klein gegen Kirchenfabrik Fiesch.
Regeste Oeffentliche letztwillige Verfügung. Art. 501 und 502 ZGB . 1. Die Bestätigung, dass der Erblasser sich die Urkunde durch den Notar habe vorlesen lassen, dürfen die Zeugen nur abgeben, wenn sie das Vorlesen unmittelbar sinnenmässig wahrgenommen haben (Erw. 1). 2. Die Rekognitionserklärung des Erblassers muss nicht ausschliesslich an die Zeugen gerichtet, ihnen gegenüber abgegeben worden sein. Es genügt, wenn sie vor den Zeugen erfolgt (Erw. 2)
Sachverhalt ab Seite 363 BGE 89 II 363 S. 363 A.- Am 30. August 1960 errichtete die Witwe Emma Zündel-Nellen eine öffentliche letztwillige Verfügung, in welcher sie unter anderem der Kirchenfabrik Fiesch Fr. 31'000. - bezw. ein Wohnhaus und Fahrnisgegenstände vermachte. Das Testament wurde im Kreisspital Brig durch Notar Anton Imsand verurkundet unter Mitwirkung der Zeugen Oswald und Ludwig Salzmann. Dabei wurden in die Urkunde anschliessend an die letztwilligen Verfügungen der Testatorin folgende Feststellungen des Notars aufgenommen: BGE 89 II 363 S. 364 "Vorstehende Urkunde, abgefasst im Kreisspital Brig, wohin ich eigens gerufen wurde, wird der mir persönlich bekannten Testatorin durch mich Notar vorgelesen. Darauf erklärt mir diese, dass die Urkunde der Ausdruck ihres letzten Willens sei und sie unterzeichnet dieselbe unmittelbar nach dieser Erklärung zugleich mit mir Notar. Alles geschieht in Gegenwart der hierzu gebetenen und tauglichen Zeugen, der Herren Salzmann Oswald und Salzmann Ludwig, beide wohnhaft in Naters, z.Z. im Spital in Brig, welche mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass ich Notar der Erblasserin die Urkunde persönlich vorgelesen habe, dass die Erblasserin hierauf in ihrer und des Notars Gegenwart erklärte, die Urkunde enthalte ihre letztwillige Verfügung und dass hierauf die Erblasserin die Urkunde eigenhändig unterzeichnete. Im weitern bestätigen die Zeugen, dass sich die Erblasserin nach ihrer Wahrnehmung im Zustand der Verfügungsfähigkeit befunden hat." Kurze Zeit nach Errichtung der letztwilligen Verfügung starb Frau Zündel-Nellen, worauf am 27. September 1960 die Eröffnung ihres Testamentes stattfand. B.- Mit Eingabe vom 27. September 1961 reichten die gesetzlichen Erben der Verstorbenen, Oskar Nellen und Robert Klein, beim Instruktionsrichter für den Bezirk Goms gegen die Kirchenfabrik Fiesch eine Ungültigkeitsbezw. Herabsetzungsklage ein. Im Verlaufe der Instruktion des Rechtsstreites einigten sich die Parteien dahin, dass das Legat an die Beklagte für den Fall der Gültigkeit des Testamentes auf Fr. 8457.90 festgesetzt und weiter bloss die Ungültigkeitsklage aufrechterhalten wurde. Diese begründeten die Kläger in erster Linie mit dem Hinweis auf die angebliche Urteilsunfähigkeit der Erblasserin bei Errichtung des Testaments ( Art. 519 Ziff. 1 ZGB ). Im übrigen behaupteten sie, die letztwillige Verfügung leide an Formmängeln ( Art. 520 Abs. 1 ZGB ), weil aus der Zeugenbescheinigung nicht hervorgehe, dass der Notar die Urkunde in Gegenwart der Zeugen vorgelesen und die Erblasserin die Rekognitionserklärung "gegenüber den Zeugen" abgegeben habe. C.- Am 5. Juli 1963 wies das Kantonsgericht des Kantons Wallis die Klage ab, weil einerseits die behauptete Verfügungsunfähigkeit der Erblasserin nicht erwiesen sei, und anderseits das Testament den Formvorschriften der Art. 501 und 502 ZGB genüge. BGE 89 II 363 S. 365 D.- Die Kläger beantragen mit der vorliegenden Berufung, das angefochtene Testament ungültig zu erklären. Zur Begründung ihres Begehrens berufen sie sich lediglich noch auf die behaupteten Formmängel, ohne die Frage der angeblich fehlenden Verfügungsfähigkeit der Testatorin erneut zur Entscheidung zu stellen. Die Berufungsbeklagte ihrerseits trägt auf Abweisung der Berufung an. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Gesetz sieht zwei Formen der öffentlichen letztwilligen Verfügung vor, nämlich die in Art. 501 ZGB geregelte, wo der Erblasser die Urkunde selber liest und unterschreibt, und diejenige des Art. 502 ZGB , wo er weder das eine noch das andere tut, vielmehr sich die Urkunde vom Notar in Gegenwart der Zeugen vorlesen lässt und daraufhin erklärt, dass sie seine Verfügung enthalte. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Verbindung der beiden Formen: Die Erblasserin las die Urkunde nicht selber; sie wurde ihr vom Notar vorgelesen, worauf sie diese eigenhändig unterzeichnete. Das ist nach Rechtsprechung und Lehre zulässig ( BGE 46 II 13 , BGE 50 II 116 ; TUOR, Kommentar, N. 8 und ESCHER, Kommentar, N. 6 ff. zu Art. 502 ZGB ). Freilich ist dabei die Urkunde in Gegenwart zweier Zeugen vorzulesen. Dass dies hier geschehen ist, bestreiten die Kläger nicht ernsthaft. Sie behaupten jedoch, diese Tatsache ergebe sich nicht aus der Zeugenbescheinigung, weswegen die letztwillige Verfügung gegen Art. 502 ZGB verstosse und damit ungültig sei. Die Rüge erweist sich als unbegründet, ohne dass die vom Kantonsgericht aufgeworfene und in BGE 66 II 90 /91 verneinte Frage, ob das Testament in Abwesenheit der Zeugen vorgelesen werden dürfe, wenn der Erblasser selber unterschreibt, mit Rücksicht auf die im Schrifttum vertretene abweichende Auffassung (TUOR, a.a.O. N. 8 b und ESCHER a.a.O. N. 7) überprüft werden muss; denn im vorliegenden Fall haben die Zeugen nicht bescheinigt, BGE 89 II 363 S. 366 die Erblasserin habe ihnen erklärt, die Urkunde sei ihr durch den Notar vorgelesen worden, sondern sie haben durch ihre Unterschrift bestätigt, dass der Notar der Erblasserin die Urkunde persönlich vorgelesen habe. Eine solche Bescheinigung konnten und durften aber die Zeugen nur ausstellen, wenn sie dem Vorlesen persönlich beigewohnt, es also unmittelbar sinnenmässig wahrgenommen hatten. Ansonst wäre ihr Zeugnis falsch; bei in ihrer Abwesenheit erfolgtem Vorlesen hätten sie allenfalls nur die Erklärung der Erblasserin über die Tatsache der stattgehabten Vorlesung bezeugen dürfen. Indessen haben die Kläger selber nicht behauptet, dass die vorliegende Bescheinigung der Zeugen unwahr sei, das Vorlesen durch den Notar nicht in deren Gegenwart stattgefunden habe. Dementsprechend wurde denn auch hierüber nicht Beweis geführt. Da aber gemäss Art. 9 Abs. 1 ZGB öffentliche Urkunden bis zum Nachweis des Gegenteils für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis erbringen, hat auf Grund der vorliegenden Bescheinigung als erstellt zu gelten, dass die Urkunde der Erblasserin in Gegenwart der Zeugen vorgelesen wurde. Dass diese Tatsache nicht mit den der textlichen Fassung des Art. 502 Abs. 2 ZGB ("dass die Urkunde in ihrer Gegenwart dem Erblasser vorgelesen wurde") entsprechenden Worten bescheinigt ist, berührt die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung nicht. Wohl wird sich eine vorsichtige Urkundsperson bei der Abfassung der Zeugenbescheinigung an den Wortlaut des Gesetzes halten. Das schliesst aber nicht aus, dass die Zeugen ihre Anwesenheit beim Vorlesen der Urkunde auf andere Weise bescheinigen können. Dass sie es hier jedenfalls unmissverständlich getan haben, erhellt zweifelsfrei aus der Schlussformel des Testamentes, die, wie die Vorinstanz zutreffend feststellt, als Ganzes zu würdigen ist. Sie beginnt mit dem Satze "Alles geschieht in Gegenwart der hierzu gebetenen und tauglichen Zeugen...," und fährt fort "welche mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass..." (es folgen die Tatsachen BGE 89 II 363 S. 367 der Vorlesung durch den Notar sowie der Rekognition und Unterzeichnung durch die Erblasserin). Diese Worte bilden Teil der Zeugenbescheinigung und beurkunden allgemein, dass die Zeugen dem Vorlesen, der Rekognition und der Unterzeichnung der Urkunde beigewohnt haben (vgl. dazu BGE 50 II 116 ). 2. Einen weiteren Ungültigkeitsgrund erblicken die Kläger darin, dass aus der Zeugenbescheinigung nicht hervorgeht, dass die Erblasserin die Rekognitionserklärung den Zeugen gegenüber abgegeben habe. Sie berufen sich dabei auf Art. 501 Abs. 1 ZGB , wonach der Erblasser "den zwei Zeugen" ("aux témoins", "ai due testimoni") zu erklären habe, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte; der französische Text von Art. 502 Abs. 2 ZGB , der für die Auslegung massgebend sei, verlange ebenfalls ausdrücklich, dass die Rekognitionserklärung gegenüber den Zeugen abgegeben werde ("... que le testateur leur a fait la déclaration..."). Diese Auffassung verkennt, dass die Vorschriften, welche sich auf die Form letztwilliger Verfügungen beziehen, in erster Linie nach ihrem Zweck auszulegen sind (SPIRO, Zur Form des Erbvertrages und des öffentlichen Testamentes, in Festgabe zum schweiz. Juristentag 1963, S. 217 ff.; s. ferner BGE 53 II 442 ). Der Sinn der vom Gesetze bei der Errichtung eines öffentlichen Testamentes verlangten Formen ist, Klarheit darüber zu schaffen, dass der Erblasser sich von der Übereinstimmung des in der Urkunde Niedergeschriebenen mit dem von ihm kundgegebenen Willen vergewissert und darüber eine ausdrückliche Erklärung abgegeben hat. Dieser Zweck wird vollends erreicht, wenn der Erblasser die Erklärung vor den Zeugen und der Urkundsperson abgibt. Weshalb er sich dabei unmittelbar an die Zeugen und ausschliesslich an diese sollte wenden müssen, ist nicht einzusehen. Tatsächlich lautet denn auch Art. 501 Abs. 2 ZGB in allen drei Landessprac.hen dahin, der Erblasser habe "vor ihnen" (den BGE 89 II 363 S. 368 Zeugen), "en leur présence", "in loro presenza", die Erklärung abzugeben, und es verweist auch Art. 502 Abs. 2 ZGB , der in der deutschen und der italienischen Fassung bloss von der Erklärung des Erblassers ("il fatto dell'avvenuta dichiarazione del testatore") spricht, damit auf jene Vorschrift. Hievon weicht allerdings der französische Text des Art. 502 Abs. 2 ZG B insofern ab, als er die Wendung "que le testateur leur a fait la déclaration" gebraucht. Das ist jedoch keineswegs, wie die Kläger annehmen, als Ausdruck eines andern und überdies allein massgebenden Sinngehaltes zu verstehen, dem zufolge nur die Bescheinigung einer ausschliesslich an die Zeugen gerichteten Erklärung des Erblassers der Form genügen würde. Denn abgesehen davon, dass hier nur jene Auslegung nach dem Zweck auch dem favor testamenti entspricht, der dahin geht, von zwei möglichen Lösungen diejenige zu wählen, die für die Aufrechterhaltung des Testamentes die günstigere ist ( BGE 89 II 191 ), lässt sich die Abweichung des französischen Gesetzeswortlauts zwanglos damit erklären, dass im deutschen und im italienischen Text die Wendung "Erklärung des Erblassers" bezw. "dichiarazione del testatore" verwendet wird, während die französische Fassung die Verbalform "a fait la déclaration" gebraucht, der aus sprachlichen Gründen das Pronomen "leur" vorangesetzt werden musste, um die schwerfällige Wiederholung des am Schluss des Satzes stehenden Ausdrucks "en leur présence" zu vermeiden. Entsprechend hat das Bundesgericht seinerseits längst die Bescheinigung einer vor den Zeugen abgegebenen Rekognitionserklärung des Erblassers zur Erfüllung der Form genügen lassen ( BGE 50 II 116 , wo unter anderem wörtlich ausgeführt wurde: "... l'acte mentionne expressément que le testament a été lu au comparant 'article par article ... en présence des témoins qui ont vu et entendu le testateur approuver article par article toutes les clauses qui précèdent" expression qui peut être envisagée comme satisfaisant aux exigences de la loi..."), und in gleichem Sinne haben sich BGE 89 II 363 S. 369 auch die massgebenden Vertreter des Schrifttums ausgesprochen (TUOR, a.a.O. N. 12 zu Art. 501 und N. 10 zu Art. 502 ZGB ; ESCHER, a.a.O. N. 9 zu Art. 501 und N. 9 zu Art. 502 ZGB ). Demgegenüber schlägt der Hinweis der Kläger auf BGE 60 II 269 nicht durch. Dieser Entscheid wird von ihnen wie auch von der Vorinstanz, die davon in ihrem Urteil abzuweichen vermeint, unrichtig verstanden. Wohl wird auf Seite 275 ausgeführt, nach Art. 501 ZGB handle es sich um einen Bestätigungsakt, der nur durch eine ausdrückliche "an die Zeugen gerichtete Erklärung" vollzogen werden könne. Damit wollte jedoch nicht gesagt werden, die Erklärung müsse ausschliesslich an die Zeugen gerichtet sein und es genüge nicht, wenn sie bloss in deren Gegenwart abgegeben werde. Wäre dies der Sinn des erwähnten Satzes gewesen, so hätte das Bundesgericht seine frühere Praxis ( BGE 50 II 116 ) geändert, was nicht stillschweigend, ohne deren Erwähnung geschehen wäre. Insbesondere aber hätte das Gericht im genannten Falle die Berufung schlechthin gutheissen und die Ungültigkeitsklage schützen müssen, wenn es im Sinne der heutigen Kläger gedacht hätte (s. die damalige Zeugenbescheinigung auf S. 270, wo die Zeugen ausdrücklich bloss bestätigten, dass die Erblasser "vor uns ... die Erklärung abgaben..."). Es hat jedoch die damalige Berufung nur dahin gutgegeheissen, dass es das angefochtene Urteil aufhob und die Sache an die Vorinstanz zurückwies, damit sie abkläre, ob die Zeugenbescheinigung den Tatsachen entspreche, was bestritten war. Das Bundesgericht hat demnach, was zweifelsfrei aus dem Gesagten erhellt, in BGE 60 II 269 , wie schon in BGE 50 II 116 , anerkannt, dass die Bescheinigung der Zeugen, der Erblasser habe die Rekognitionserklärung vor ihnen (in ihrer Gegenwart) abgegeben, den gesetzlichen Anforderungen an die Form der letztwilligen Verfügung genügt. In diesem Sinne war übrigens der Entscheid auch von GUHL verstanden worden (ZBJV 1935, S. 682). BGE 89 II 363 S. 370 3. Hält demnach das angefochtene Testament in formeller Beziehung vor dem Gesetze stand, so ist die Berufung der Kläger als unbegründet abzuweisen und das vorinstanzliche Urteil im Ergebnis zu bestätigen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes des Kantons Wallis vom 5. Juli 1963 bestätigt.
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1,963
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95c97561-6bdc-4dd0-8ed6-086168ce414d
Urteilskopf 136 V 95 12. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Regionales Arbeitsvermittlungszentrum Sargans (RAV) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 8C_5/2009 vom 2. März 2010
Regeste Art. 15 Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 AVIV ; Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG ; Koordination zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung. Eine bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldete, ganz arbeitslose, aber aus gesundheitlichen Gründen nur teilzeitlich arbeitsfähige Person, die bereit ist, im Umfang der ärztlich attestierten Arbeitsfähigkeit eine Stelle anzunehmen, hat aufgrund der Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung Anspruch auf eine volle Arbeitslosenentschädigung (E. 5-7).
Sachverhalt ab Seite 96 BGE 136 V 95 S. 96 A. Der 1977 geborene A. war seit 1. Oktober 2004 als Maschinenführer für die V. AG tätig. Seit einem Arbeitsunfall vom 17. Januar 2006 konnte er diese Beschäftigung nicht mehr ausüben, weshalb die Gesellschaft das Arbeitsverhältnis per 31. Oktober 2006 durch Kündigung auflöste. Die Agrisano Krankenkasse richtete Krankentaggelder aus. Mit Schreiben vom 17. Juli 2007 kündigte sie per 23. Juli 2007 eine Reduktion der Taggeldzahlungen auf 50 % an. Am 14. August 2007 meldete sich A. bei der Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsvermittlung an. In seinem Antrag auf Arbeitslosenentschädigung vom 20. August 2007 gab er an, er sei bereit und in der Lage, teilzeitlich, höchstens im Umfang eines 50%igen Arbeitspensums, erwerbstätig zu sein. Die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen leistete Taggelder auf der Basis eines anrechenbaren Arbeitsausfalls von 50 % (bzw. auf der Basis eines versicherten Verdienstes von Fr. 2'275.- [50 % von Fr. 4'550.-]). Am 28. Februar 2008 liess A. mitteilen, auf den 17. März 2008 werde er bei seiner Krankentaggeldversicherung ausgesteuert, und, mit Hinweis auf die Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung, um Anpassung der Arbeitslosentaggelder ersuchen. Das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum Sargans (RAV) verfügte daraufhin am 24. April 2008, der anrechenbare Arbeitsausfall betrage nach wie vor 50 %, womit A. im "Umfang von fünfzig Prozent vermittlungsfähig" sei. Daran hielt es auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 19. Mai 2008). B. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 24. Oktober 2008). C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, "die Vermittlungsfähigkeit bzw. der anrechenbare Arbeitsausfall" sei ab 18. März 2008 auf 100 % festzulegen und es seien ihm entsprechende Arbeitslosentaggelder auszurichten. Das RAV reicht keine Vernehmlassung ein. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schliesst auf Gutheissung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur Neufestsetzung der Arbeitslosenentschädigung an das RAV zurück. BGE 136 V 95 S. 97 Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. 5.1 Gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG (SR 837.0) in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 AVIG hat der Versicherte Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn er (unter anderem) vermittlungsfähig ist, d.h. wenn er bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen und an Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen. Der Begriff der Vermittlungs(un)fähigkeit als Anspruchsvoraussetzung schliesst graduelle Abstufungen aus. Entweder ist die versicherte Person vermittlungsfähig, insbesondere bereit, eine zumutbare Arbeit (im Umfang von mindestens 20 % eines Normalarbeitspensums; vgl. Art. 5 AVIV [SR 837.02] und BGE 120 V 385 E. 4c/aa S. 390) anzunehmen, oder nicht ( BGE 126 V 124 E. 2 S. 126; BGE 125 V 51 E. 6a S. 58). Die Vermittlungsfähigkeit kann sich dabei beispielsweise auf ein kleineres Pensum beziehen, während sie für ein höheres Pensum nicht gegeben sein kann; im Rahmen eines bestimmten (mindestens 20%igen) Pensums kann die Vermittlungsfähigkeit indessen nur erfüllt oder nicht erfüllt sein. 5.2 Im Falle eingeschränkter Leistungsfähigkeit ist zu unterscheiden zwischen vorübergehend fehlender oder verminderter Arbeitsfähigkeit im Sinne von Art. 28 AVIG und den behinderten Versicherten im Sinne von Art. 15 Abs. 2 AVIG . Beide Tatbestände sind Ausnahmen vom Grundprinzip der Arbeitslosenversicherung, wonach Leistungen nur bei Vermittlungsfähigkeit der Versicherten in Betracht kommen. Über das Merkmal der vorübergehenden Einschränkung in der Arbeitsfähigkeit erfolgt die Abgrenzung zu den Behinderten im Sinne von Art. 15 Abs. 2 AVIG ( BGE 126 V 124 E. 3a und b S. 127; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2264 Rz. 280). Bei länger andauernder gesundheitlicher Beeinträchtigung ist die Vermittlungsfähigkeit ( Art. 15 AVIG ) massgebendes Abgrenzungskriterium. Nach Art. 15 Abs. 2 Satz 1 AVIG gilt der körperlich oder geistig Behinderte als vermittlungsfähig, wenn ihm bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage, unter Berücksichtigung seiner Behinderung, auf dem Arbeitsmarkt eine zumutbare Arbeit vermittelt werden könnte. Bestehen erhebliche Zweifel an der Arbeitsfähigkeit eines Arbeitslosen, so kann die kantonale Amtsstelle eine vertrauensärztliche Untersuchung auf Kosten der Versicherung anordnen ( Art. 15 Abs. 3 AVIG ). Die Kompetenz zur Regelung der Koordination mit BGE 136 V 95 S. 98 der Invalidenversicherung ist in Art. 15 Abs. 2 Satz 2 AVIG dem Bundesrat übertragen worden. Dieser hat in Art. 15 Abs. 3 AVIV festgelegt, dass ein Behinderter (nachfolgend auch als "Neubehinderter" bezeichnet, womit ein Behinderter gemeint ist, bei welchem die Frage der IV-Rentenberechtigung bzw. der Leistungsanspruch bei einer anderen Versicherung noch nicht abgeklärt ist: GERHARD GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], Bd. I [Art. 1-58], 1988, N. 93 zu Art. 15 AVIG ), der unter der Annahme einer ausgeglichenen Arbeitsmarktlage nicht offensichtlich vermittlungsunfähig ist, und der sich bei der Invalidenversicherung (oder einer anderen Versicherung nach Art. 15 Abs. 2 AVIV ) angemeldet hat, bis zum Entscheid der anderen Versicherung als vermittlungsfähig gilt. 5.3 Art. 70 Abs. 1 ATSG (SR 830.1) sieht vor, dass die berechtigte Person Vorleistung verlangen kann, wenn ein Versicherungsfall einen Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen begründet, aber Zweifel darüber bestehen, welche Sozialversicherung die Leistungen zu erbringen hat. Gemäss Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG ist die Arbeitslosenversicherung für Leistungen, deren Übernahme durch die Arbeitslosenversicherung, die Krankenversicherung, die Unfallversicherung oder die Invalidenversicherung umstritten ist, vorleistungspflichtig. 6. 6.1 Das kantonale Gericht qualifiziert den Versicherten für eine ein 50%-Pensum übersteigende Stelle als offensichtlich vermittlungsunfähig und anerkennt eine Vermittlungsfähigkeit in Bezug auf eine 50%ige Teilzeittätigkeit. Dementsprechend geht es von einem hälftigen Taggeldanspruch aus. Indem in Art. 15 Abs. 3 AVIV die Vermittlungsfähigkeit der offensichtlichen Vermittlungsunfähigkeit gegenübergestellt wird und nicht von teilweiser oder gradueller Vermittlungsfähigkeit die Rede ist, kann sich die vom kantonalen Gericht vorgenommene Differenzierung jedenfalls nicht auf den Wortlaut der Verordnungsbestimmung stützen. 6.2 Aus der Botschaft vom 2. Juli 1980 zu einem neuen Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (BBl 1980 III 489) geht hervor, dass die Ausrichtung von Leistungen an arbeitslose Kranke oder Behinderte infolge der Vernehmlassungen von Grund auf neu überdacht und mit Art. 15 und 28 (gemäss Entwurf des Bundesrates: Art. 14 und 27) AVIG BGE 136 V 95 S. 99 "grosszügig ausgestaltet" worden ist (BBl 1980 III 549 Ziff. 273). Das Erfordernis der Vermittlungsfähigkeit als einer der zentralen Punkte der Arbeitslosenversicherung sei bei Behinderten stark abgeschwächt und in Beziehung zu ihrer Behinderung gesetzt worden (BBl 1980 III 567 f. zu Art. 14 E-AVIG). Dem Protokoll der Sitzung (der vorberatenden Kommission des Nationalrates) vom 25. August 1980 lässt sich entnehmen, dass nach Koordinationsmöglichkeiten mit der Invalidenversicherung gesucht wurde. Mit der neuen Regelung sollte erreicht werden, dass einerseits die Aufgaben zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung klar aufgeteilt sind, und anderseits verhindert werden, dass die von einer Invalidität betroffenen Personen "zwischen Stuhl und Bank" fallen. In der Detailberatung der Eidg. Kammern stellte Nationalrat Leuenberger Antrag auf Aufnahme eines Art. 15 (bzw. gemäss Entwurf des Bundesrates: Art. 14) Abs. 4 AVIG, wonach die Kasse Taggelder bis zur Ablösung durch eine andere Sozialversicherung vorzuschiessen habe, wenn dem Versicherten aufgrund dieser Untersuchung (gemeint ist die vertrauensärztliche Untersuchung nach Art. 15 Abs. 3 AVIG ) die Vermittlungsfähigkeit abgesprochen wurde, wobei sie im Ausmass ihrer Leistungen in die Rechte des Arbeitslosen eintrete (AB 1981 N 629 f.). Nach seinem Votum ist der vertrauensärztliche Befund gemäss Art. 15 Abs. 3 AVIG nicht mit einer Abklärung bezüglich Invalidität identisch, weshalb die betroffene Person (in diesem Zeitpunkt) auch keine Leistungen der Invalidenversicherung erhalte. Mit dem beantragten Abs. 4 solle erreicht werden, dass die Kasse so lange Vorschussleistungen erbringe, bis die Betroffenen in den Genuss der Leistungen der Invalidenversicherung kämen. Andernfalls würden die Versicherten ausgerechnet in der schwierigsten Zeit keine Taggelder erhalten, was nicht Sinn des Abs. 3 sein könne, weil sie ja schliesslich vorher gearbeitet und Beiträge an die Arbeitslosenkasse geleistet hatten. Der Antrag fand in der Folge keine Ratsmehrheit. Allerdings hat Bundesrat Honegger vorgängig der Abstimmung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bezüglich Konkurrenz zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung gemäss Art. 15 Abs. 2 AVIG der Bundesrat die Koordination mit der Invalidenversicherung regle und hier "mit Herrn Leuenberger keine grossen Differenzen" bestehen würden (AB 1981 N 630). 6.3 GERHARDS (a.a.O., N. 99 zu Art. 15 AVIG ) erwähnt ebenfalls (vgl. den Hinweis auf das Protokoll der Sitzung der vorberatenden Kommission des Nationalrates vom 25. August 1980 in E. 6.2 hiervor), BGE 136 V 95 S. 100 dass der Behinderte, vor allem mit Blick auf die lange Wartezeit bei der Invalidenversicherung, nicht "zwischen Stuhl und Bank fallen" solle. Dies verhindere Art. 15 Abs. 3 AVIV , aus welchem sich eine Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung ergebe. Unter den Bedingungen von Art. 15 Abs. 2 AVIG gelte ein Neubehinderter entweder grundsätzlich oder überhaupt nicht als vermittlungsfähig. Denn zur Verhinderung von Entschädigungslücken solle er zunächst einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besitzen, wie wenn er nicht behindert wäre. Bei der Berechnung der Entschädigung werde nicht nach dem "Grad der Vermittlungsfähigkeit" gefragt (GERHARDS, a.a.O., N. 94 zu Art. 15 AVIG ; in diesem Sinne wohl auch NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2265 Rz. 283, und UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 21 f. zu Art. 70 ATSG ). Auch JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER (LAI,perte de gain maladie et LACI: quel suivi individualisé pour l'assuré?, in: 5 e révision de l'AI, Kahil-Wolff/Simonin [Hrsg.], 2009, S. 78) ist der Ansicht, die arbeitslose Personhabe Anspruch auf Arbeitslosentaggelder, basierend auf einem 100%igen Arbeitsausfall, falls sie nicht offensichtlich als vermittlungsunfähig erscheine und bereit sei, eine ihrer - nicht notwendigerweise ärztlich attestierten - eingeschränkten Arbeitsfähigkeit entsprechende Anstellung zu suchen bzw. anzunehmen. Es handle sich um eine provisorische oder vorsorgliche Kostentragung, durch welche vermieden werden solle, dass arbeitslose Personen während der Dauer der notwendigen Abklärungen durch die Invalidenversicherung auf Versicherungsleistungen verzichten müssten. 6.4 Die Weisungen des SECO zu Art. 15 Abs. 3 AVIV sind klar. Nach Ziffer B254 des Kreisschreibens des SECO über die Arbeitslosenentschädigung (KS ALE), gültig ab Januar 2007, ist das Taggeld auf der Basis eines 100%igen Arbeitsausfalls festzulegen, falls nicht von offensichtlicher Vermittlungsunfähigkeit auszugehen und die versicherte Person grundsätzlich bereit ist, im Umfang der allenfalls ärztlich festgestellten Arbeitsfähigkeit eine als zumutbar erachtete Arbeit anzunehmen, wobei sich die geäusserte Bereitschaft in den Arbeitsbemühungen widerspiegeln muss, ansonsten Sanktionen zu verfügen sind. Die Arbeitsbemühungen müssen sich auf Stellen beziehen, die hinsichtlich Umfang und Anforderungen zumutbar sind für die versicherte Person (gleichlautend: Weisung ALE 015-AVIG-Praxis 2005/29 des SECO betreffend Koordination ALV-IV; http://tecnet.seco.admin.ch ). BGE 136 V 95 S. 101 7. 7.1 Art. 15 Abs. 2 AVIG statuiert die gesetzliche Vermutung der grundsätzlich gegebenen Vermittlungsfähigkeit von Behinderten. Der Bundesrat regelt die Koordination mit der Invalidenversicherung (Art. 15 Abs. 2 letzter Satz AVIG), was er in Art. 15 Abs. 3 AVIV getan hat. Wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut und der Verordnungsbestimmung selbst, aber auch aus den Materialien zur Entstehung des Art. 15 Abs. 2 AVIG ergibt, liegt der Sinn und Zweck von Art. 15 Abs. 3 AVIV darin, für die Zeit, in welcher der Anspruch auf Leistungen einer anderen Versicherung abgeklärt wird und somit noch nicht feststeht (Schwebezustand), Lücken im Erwerbsersatz zu vermeiden. Dies wird durch die Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung im Sinne von Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG und Art. 15 Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 AVIV bewerkstelligt. Aufgrund dieser Bestimmungen hat die Arbeitslosenversicherung arbeitslose, bei einer anderen Versicherung angemeldete Personen zu entschädigen, falls ihre Vermittlungsunfähigkeit nicht offensichtlich ist. Dieser Anspruch auf eine ungekürzte Arbeitslosenentschädigung besteht namentlich, wenn die voll arbeitslose Person nurmehr aus gesundheitlichen Gründen lediglich noch teilzeitlich arbeiten könnte, solange sie im Umfang der ihr ärztlicherseits attestierten Arbeitsfähigkeit eine Beschäftigung sucht und bereit ist, eine neue Anstellung mit entsprechendem Pensum anzutreten. Die Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung gemäss Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG und Art. 15 Abs. 3 AVIV ist auf die Dauer des Schwebezustandes begrenzt, denn sobald das Ausmass der Erwerbsunfähigkeit feststeht, wird der versicherte Verdienst ( Art. 23 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 37 AVIV ) - gemäss Art. 25 ATSG in Verbindung mit Art. 95 Abs. 1 sowie Abs. 1 bis AVIG - im Sinne von Art. 40b AVIV angepasst ( BGE 133 V 530 E. 4.1.2 S. 534). Bei Versicherten, die unmittelbar vor oder während der Arbeitslosigkeit eine gesundheitsbedingte Beeinträchtigung ihrer Erwerbsfähigkeit erleiden, ist nämlich gemäss Art. 40b AVIV der Verdienst massgebend, welcher der verbleibenden Erwerbsfähigkeit entspricht. Art. 40b AVIV betrifft die Abgrenzung der Zuständigkeit der Arbeitslosenversicherung gegenüber anderen Versicherungsträgern nach Massgabe der Erwerbsfähigkeit. Mit dieser Verordnungsbestimmung wird die Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung auf einen Umfang beschränkt, welcher sich nach der verbleibenden Erwerbsfähigkeit der versicherten Person während der Dauer der BGE 136 V 95 S. 102 Arbeitslosigkeit auszurichten hat ( BGE 133 V 524 ). Der Sinn der vollumfänglichen Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung während der Dauer des Schwebezustandes liegt in der Gewährleistung des Lebensunterhaltes der arbeitslosen Neubehinderten bis zum Abschluss des Verfahrens der Invalidenversicherung (oder der anderenVersicherung im Sinne von Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 AVIV ). Es ist den Ausführungen des SECO in seiner Vernehmlassung beizupflichten, dass Neubehinderte zur Verhinderung von Entschädigungslücken zunächst einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besitzen sollen, wie wenn sie nicht behindert wären (GERHARDS, a.a.O., N. 94 zu Art. 15 AVIG ). In dieser Phase kann bei der Berechnung der Arbeitslosentaggelder die verbleibende Erwerbsfähigkeit noch nicht berücksichtigt werden, weil die diesbezüglichen Abklärungen bei der Invalidenversicherung (oder eineranderen Versicherung) noch nicht abgeschlossen sind. Die Erwerbsfähigkeit kann auch nicht mit der subjektiven oder der ärztlich attestierten Arbeitsfähigkeit gleichgesetzt werden. Deshalb gelten Neubehinderte entweder grundsätzlich oder überhaupt nicht als vermittlungsfähig. Erst wenn die Erwerbsfähigkeit von der anderen Versicherung abgeklärt ist, erfolgt die Koordination über Art. 40b AVIV . 7.2 Das SECO weist zu Recht darauf hin, dass eine vorgängige Korrektur der Taggeldhöhe nach Massgabe des "Grades der Vermittlungsfähigkeit" im Sinne des angefochtenen Gerichtsentscheides die koordinationsrechtlichen Bestimmungen ( Art. 15 Abs. 2 AVIG , Art. 15 Abs. 3 AVIV und Art. 70 Abs. 1 ATSG ) ihres Sinnes entleeren würde. Die Bestimmung des "Vermittlungsfähigkeitsgrades" könnte zudem nur gestützt auf die ärztlich attestierte Teilarbeitsfähigkeit - welche für sich allein keine Rückschlüsse auf die Erwerbsunfähigkeit zulässt - erfolgen. Allein die Erwerbsfähigkeit ist allerdings für die Anpassung der Leistungen von behinderten Personen massgebend. Das SECO führt zutreffend aus, dass das Abstellen auf die Erwerbsfähigkeit im Rahmen der Anwendung von Art. 40b AVIV auch zur Berücksichtigung der Arbeitsfähigkeit führt, welche sowohl Teilaspekt der Erwerbs- als auch der Vermittlungsfähigkeit bildet. So würde wohl die vorgängige Anpassung der Taggelder an den "Grad der Vermittlungsfähigkeit" nach Massgabe der Arbeitsfähigkeit bei anschliessender Korrektur im Sinne von Art. 40b AVIV eine mehrfache Berücksichtigung des Aspekts der Arbeitsfähigkeit bedeuten. Für das SECO ist demzufolge fraglich, ob die BGE 136 V 95 S. 103 durch die Invalidenversicherung festgestellte Erwerbsunfähigkeit in demjenigen Ausmass, in welchem diese durch die Arbeitsunfähigkeit bestimmt sei, noch als neue Tatsache im revisionsrechtlichen Sinne qualifziert werden könne und demgemäss Art. 40b AVIV in diesem Umfang Anwendung finden würde. Wie es sich damit verhält, kann an dieser Stelle offenbleiben. Der in der Vernehmlassung des SECO geäusserte Einwand der Rechtsungleichheit bei einer vorgängigen Anpassung der Arbeitslosentaggelder an den "Grad der Vermittlungsfähigkeit" lässt sich jedenfalls nicht von der Hand weisen. Die Höhe der Arbeitslosenentschädigung würde nämlich bei der vom kantonalen Gericht gewählten Vorgehensweise von der Art der Behinderung abhängen: Während Neubehinderte, welche unfähig sind, vollzeitlich bzw. im ursprünglich ausgeübten Pensum tätig zu sein, lediglich eine Teilarbeitslosenentschädigung im Ausmass des der Teilarbeitsfähigkeit entsprechenden "Grades der Vermittlungsfähigkeit" beziehen könnten, würde denjenigen Neubehinderten, welche in einzelnen (leidensangepassten) Beschäftigungen vollständig arbeitsfähig sind, ein volles Arbeitslosentaggeld ausgerichtet, obwohl in beiden Fallbeispielen das Ausmass der Erwerbsunfähigkeit gleich hoch sein kann. 7.3 Die Vermittlungsfähigkeit im Sinne von Art. 15 Abs. 1 AVIG beschlägt drei Elemente, wovon die Arbeitsfähigkeit und die Arbeitsberechtigung objektiver Natur sind, die Frage der Vermittlungsbereitschaft jedoch subjektiver Natur (NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2258 Rz. 261). Während die Arbeitsberechtigung bei Neubehinderten natürlich gleichermassen vorliegen muss wie bei nicht behinderten Arbeitslosen, wird die Vermittlungsfähigkeit bei Neubehinderten bezogen auf ein Ganztagespensum unter Umständen präsumtiv auch bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit bejaht. Weitere unverzichtbare Voraussetzung ist jedoch die Vermittlungsbereitschaft, welche sich allerdings bei arbeitslosen Neubehinderten nur auf ein Pensum beziehen muss, welches der ärztlich attestierten Arbeitsfähigkeit entspricht (vgl. E. 5.1 in fine). Ist die Vermittlungsbereitschaft im Rahmen dieser (Rest-)Arbeitsfähigkeit erstellt, so besteht entsprechend Art. 15 Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 15 Abs. 3 AVIV Anspruch auf eine ganze Arbeitslosenentschädigung, falls die versicherte Person bei voller Gesundheit eine Anstellung mit Ganztagespensum suchen würde. Arbeitslose Neubehinderte werden während des Verfahrens bei der Invalidenversicherung oder bei einer anderen Versicherung (Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 AVIG ) mit nicht BGE 136 V 95 S. 104 behinderten Arbeitslosen in dem Sinne gleich behandelt, dass beide eine volle Arbeitslosenentschädigung erhalten, wenn (aber nur dann) sie sich im Rahmen ihrer Arbeitsfähigkeit dem Arbeitsmarkt vollumfänglich zur Verfügung stellen; von beiden wird nicht mehr gefordert, als sie leisten können. Will eine versicherte Person aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkung allerdings gar nicht mehr arbeiten, oder schätzt sie sich selber als ganz arbeitsunfähig ein, so ist sie vermittlungsunfähig. Selbst wenn in einem solchen Fall eine ärztliche Bestätigung vorliegt, wonach entgegen der subjektiven Einschätzung der neubehinderten Person eine (teilweise) Arbeitsfähigkeit bestehe, bleibt es bei der Vermittlungsunfähigkeit mangels Vermittlungsbereitschaft. Unter diesen Umständen hat die versicherte Person keinen Anspruch auf (Vor-)Leistungen der Arbeitslosenversicherung (SCHNEIDER, a.a.O., S. 77). 7.4 Die in Erwägung 6.4 hiervor erwähnten Verwaltungsweisungen stellen eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben dar und lassen eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zu (nicht publizierte E. 4.3). In der Literatur wird keine abweichende Meinung vertreten (E. 6.3 hiervor). Würde demgegenüber für die in Art. 15 Abs. 3 AVIV definierte Übergangszeit mit dem kantonalen Gericht angenommen, die Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung bestehe nur in dem Umfang, welcher der (vorläufigen) Restarbeitsfähigkeit entspricht, so würde der Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung die Anwendung versagt, was der Intention der Verordnungsbestimmung (und Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG ), aber auch der Gesetzesgrundlage, welche eine Koordination zwischen Arbeitslosen- und Invalidenversicherung auf Verordnungsstufe vorsieht ( Art. 15 Abs. 2 AVIG ), zuwiderlaufen würde. Zu Recht beruft sich der Beschwerdeführer auf ARV 2008 S. 236, 8C_78/2007 E. 4.2, worin festgehalten wird, dass ein - nicht offensichtlich vermittlungsunfähiger - Versicherter, der sich lediglich noch für eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 60 % einsatzfähig und taggeldbezugsberechtigt hält und daher nur Arbeit in einem Teilzeitpensum von 60 % sucht, nach Art. 27 ATSG von der Verwaltung darüber aufzuklären ist, dass er bis zum Entscheid der Invalidenversicherung als vermittlungsfähig gilt und daher eine Einschränkung seines Taggeldanspruchs wegen eines nur teilweise anrechenbaren Arbeitsausfalls nicht hinnehmen muss. In gleichem Sinn wurde auch im Urteil C 119/06 vom 24. April 2007 E. 4.3 festgehalten, dass BGE 136 V 95 S. 105 die (im Sinne von Art. 15 Abs. 3 AVIV ) nicht offensichtlich vermittlungsunfähige versicherte Person eine Einschränkung ihres Taggeldanspruches wegen Arbeitsunfähigkeit [unter dem Titel des anrechenbaren Arbeitsausfalles] nicht hinzunehmen braucht (vgl. auch Urteil 8C_749/2007 vom 3. September 2008 E. 5.3 und Urteil [des Eidg. Versicherungsgerichts] C 335/05 vom 14. Juli 2006 E. 3.3). Soweit in ARV 2004 S. 124, C 272/02, andere Schlüsse gezogen wurden, kann daran nicht festgehalten werden. 7.5 Es ist dem kantonalen Gericht zwar beizupflichten, dass das Ende des Anspruchs auf Taggelder der Krankenversicherung in der vorliegenden Konstellation keinen Anlass zur Überprüfung der Taggeldhöhe der Arbeitslosenversicherung bildet. Allerdings hat sich der Versicherte auf den 18. März 2008 bei der Arbeitslosenkasse als voll arbeitslos registrieren lassen und er hat sich zudem bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Die Invalidenversicherung hat zumindest bis zum Zeitpunkt des Einspracheentscheides vom 19. Mai 2008 noch nicht über ihre Leistungspflicht entschieden. Die Vorinstanz hat die Vermittlungsbereitschaft des Versicherten in Frage gestellt. Sie hat ausgeführt, er erachte sich lediglich im Umfang von 50 % als arbeitsfähig und sei daher auch nur in diesem Umfang bereit, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Daraus kann allerdings nichts zu Ungunsten des Versicherten abgeleitet werden. Er war während der massgebenden Zeit bereit, im Ausmass der ihm ärztlich attestierten Arbeitsfähigkeit eine Stelle anzunehmen; Gegenteiliges hat er nie signalisiert und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Der Versicherte war daher nicht offensichtlich vermittlungsunfähig im Sinne von Art. 15 Abs. 3 AVIV . Wäre er gesund gewesen, hätte er eine vollzeitliche Anstellung gesucht, womit er als ganz arbeitslos gilt. Weil er aus gesundheitlichen Gründen nur teilzeitlich arbeitsfähig war, kommt die Vorleistungspflicht zum Tragen, weshalb er entsprechend seinem Rechtsbegehren (nicht publizierte E. 1 in fine) ab 18. März 2008 Anspruch auf eine volle Arbeitslosenentschädigung hat.
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Urteilskopf 138 IV 100 14. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Beschwerde in Strafsachen) 6B_509/2011 vom 13. Februar 2012
Regeste Anstaltentreffen zur mengenmässig qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 6 i.V.m. aArt. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG in der bis 30. Juni 2011 geltenden Fassung). Eine mengenmässig qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz kann auch in der Form des Anstaltentreffens nach aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG begangen werden. Wer die Betäubungsmittel noch nicht besitzt, macht sich in diesem Sinne schuldig, sofern er beabsichtigt hat, eine qualifizierte Tat zu vollenden, welche ohne Weiteres möglich ist (Weiterentwicklung der Rechtsprechung zu BGE 122 IV 360 ) (E. 3.6).
Sachverhalt ab Seite 101 BGE 138 IV 100 S. 101 A. Die Staatsanwaltschaft legt X. zur Last, er habe zusammen mit A. vereinbart, mindestens einen Liter flüssiges Kokaingemisch von Spanien in die Schweiz einzuführen. Am 13. April 2006 sei er nach Madrid gereist, um die Betäubungsmittel von einem unbekannten Dritten zu übernehmen. Das Vorhaben sei aus unbekannten Gründen fehlgeschlagen (Anklage Ziff. 1). Weiter habe er zwischen Anfang 2005 und Ende Juni 2006 von A. insgesamt fünf Gramm Kokaingemisch zum Weiterverkauf erworben (Anklage Ziff. 2.1). Zwischen 2004 und Mitte 2006 habe er zehnmal je ein Gramm Kokaingemisch an ihm unbekannte Abnehmer verkauft (Anklage Ziff. 2.2). Zudem habe er im Juni 2006 trotz Führerausweisentzugs ein Motorfahrzeug gelenkt (Anklage Ziff. 3). Schliesslich habe er vom 5. August bis Anfang September 2006 Betäubungsmittel konsumiert (Anklage Ziff. 4). B. Der Amtsgerichtspräsident Bucheggberg-Wasseramt verurteilte X. am 26. November 2009 wegen einfacher Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Anklage Ziff. 1 und 2), der Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes (Anklage Ziff. 4) und des mehrfachen Führens eines Personenwagens trotz Führerausweisentzugs (Anklage Ziff. 3) zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 70.- sowie zu einer Busse von Fr. 200.-, als Zusatzstrafe zum Urteil des Untersuchungsrichteramtes Emmental-Oberaargau vom 8. September 2006. Die dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Appellation hiess das Obergericht des Kantons Solothurn am 5. Mai 2011 gut. Es BGE 138 IV 100 S. 102 sprach X. wegen mengenmässig qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Anklage Ziff. 1) schuldig und stellte die Rechtskraft der weiteren erstinstanzlichen Schuldsprüche fest. Das Obergericht bestrafte X. mit einer bedingten Geldstrafe von 330 Tagessätzen zu Fr. 110.- und mit einer Busse von Fr. 200.-. Es ging von einer qualifizierten Drogenmenge aus, weil die Auftraggeber bereit gewesen seien, einen erheblichen Aufwand zu betreiben. Sie hätten für X. ein Flugticket Zürich-Madrid und retour sowie ein Hotel für zwei Nächte gebucht und ihm Fr. 2'000.- für seine Dienste angeboten. Der Transport alleine hätte Fr. 3'000.- gekostet. Dieser Aufwand habe nur Sinn gemacht, wenn das Geschäft Gewinn abwerfe. Deshalb habe X. davon ausgehen müssen, dass er eine qualifizierte Menge Kokain hätte transportieren sollen. C. X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz freizusprechen. Die Strafsache sei zur Ausfällung einer schuldangemessenen Strafe und zur neuen Festsetzung der Kosten an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, es liege keine qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 6 i.V.m. aArt. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG (in der bis zum 30. Juni 2011 gültigen Fassung; AS 1975 1220) vor. Eine solche wäre nur erfüllt, wenn er mengenmässig tatsächlich eine qualifizierte Widerhandlung begangen hätte, was nicht zutreffe. Der blosse Versuch genüge nicht, da sich die Bestimmung von aArt. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG ausschliesslich auf die Strafzumessung, nicht aber auf die Strafbarkeit beziehe. 3.2 Die seit dem 1. Juli 2011 revidierten Bestimmungen ( Art. 19 Abs. 1 lit. b und g BetmG ; SR 812.121) sind nicht milder, weshalb das alte Recht anzuwenden ist ( Art. 2 Abs. 2 StGB ). Wer unbefugt Anstalten zur Einfuhr von Betäubungsmitteln trifft, wird (bei vorsätzlicher Tatbegehung) mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft (aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 3 und 6 BetmG). Abs. 6 erfasst sowohl den Versuch im Sinne von Art. 22 StGB wie auch gewisse qualifizierte Vorbereitungshandlungen und wertet sie zu selbstständigen Taten mit derselben Strafdrohung wie die BGE 138 IV 100 S. 103 übrigen verbotenen Verhaltensweisen auf ( BGE 133 IV 187 E. 3.2 S. 193 mit Hinweisen). Die Rechtsprechung hat den Begriff des Anstaltentreffens eingegrenzt. Zu ahnden sind nur Fälle, in denen das Verhalten des Täters nicht ebenso gut einem gesetzmässigen Zweck dienen könnte, sondern seinem äussern Erscheinungsbild nach die deliktische Bestimmung klar erkennen lässt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich jemand mit der Absicht des Erwerbs von Betäubungsmitteln nach Bezugsquellen erkundigt ( BGE 117 IV 309 E. 1a S. 310 f. und E. 1d S. 312 f. mit Hinweisen). In schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, womit eine Geldstrafe verbunden werden kann (aArt. 19 Ziff. 1 BetmG). Ein schwerer Fall liegt namentlich vor, wenn der Täter weiss oder annehmen muss, dass sich die Widerhandlung auf eine Menge von Betäubungsmitteln bezieht, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann (aArt. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG). Enthält das Kokaingemisch mindestens 18 Gramm reinen Wirkstoff, ist die Grenze zu aArt. 19 Ziff. 2 BetmG überschritten ( BGE 120 IV 334 E. 2a S. 338 mit Hinweisen; BGE 109 IV 143 E. 3b S. 145). 3.3 Die bisherige Rechtsprechung, ob der mengenmässig schwere Fall als Versuch begangen werden kann, ist uneinheitlich. In seiner publizierten Rechtsprechung erwog das Bundesgericht, die Annahme eines mengenmässig schweren Falles im Sinne von aArt. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG sei an eine objektive und eine subjektive Voraussetzung geknüpft. Werde die Grenze von 18 Gramm Kokain unterschritten, fehle es an der objektiven Voraussetzung. Der Qualifikationsgrund nach Ziff. 2 lit. a scheide aus, auch wenn der Täter irrtümlicherweise meine, das gehandelte Kokain enthalte mindestens 18 Gramm reinen Wirkstoff. Die subjektive Vorstellung des Täters könne die fehlende objektive Voraussetzung nicht ersetzen. Es bestehe insoweit eine Analogie zum Wahndelikt ( BGE 122 IV 360 E. 2a S. 362 ff. mit Hinweisen). Bei aArt. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG gehe es nicht um die Strafbarkeit, sondern um die Strafzumessung. Diese Bestimmung nenne nur Umstände, welche zur Anwendung des höheren Strafrahmens führten, nicht aber Tatbestandsmerkmale. Die Frage des Versuchs, welche sich gegebenenfalls bei der Tatbestandsmässigkeit stelle, könne in diesem Stadium der Bewertung nicht mehr aufgeworfen werden ( BGE 122 IV 360 E. 2b S. 363 f. mit Hinweisen, bestätigt in BGE 124 IV 79 E. 2d S. 81; je mit Hinweisen; vgl. zur analogen Rechtsprechung betreffend aArt. 19 Ziff. 2 lit. c BetmG: BGE 129 IV 188 E. 3.3 S. 195 f. mit Hinweisen). BGE 138 IV 100 S. 104 Der Rechtsprechung von BGE 122 IV 360 , S. 363 f. lag ein Sachverhalt zugrunde, in welchem der Täter 49,1 Gramm Kokaingemisch besass, der reine Wirkstoff aber weniger als 18 Gramm betrug. Deshalb durfte der Richter den Täter nicht wegen Versuchs bestrafen. Denn die Tat im Sinne von aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 5 BetmG war vollendet ( BGE 122 IV 360 a.a.O.). In einem anderen Fall, in welchem der Täter nach seiner Vorstellung eine grosse Menge Betäubungsmittel transportierte, welche die Polizei vorgängig ohne sein Wissen gegen einen harmlosen Stoff ausgetauscht hatte, schützte das Bundesgericht die Verurteilung wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz nach aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 6 ("Anstalten treffen") i.V.m. aArt. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG (Urteil 6S.108/1997 vom 28. April 1997 E. 2b mit Hinweisen). Im Gegensatz zu der in BGE 122 IV 360 publizierten Rechtsprechung wertete das Bundesgericht in einem neueren Entscheid die Verurteilung wegen mengenmässig qualifiziertem Anstaltentreffen zum Betäubungsmittelhandel als bundesrechtskonform. Der Täter reiste nach Buenos Aires, um von dort ein Kilogramm Kokain gegen einen Lohn von Fr. 10'000.- nach Madrid zu bringen. Dieser Transport kam nicht zustande, da der Täter aus eigenem Antrieb ohne die Betäubungsmittel in die Schweiz zurückkehrte (Urteil 6B_96/2011 vom 7. Juni 2011 E. 3). Gegenstand dieses Entscheids war allerdings nur, ob der Täter die Schwelle zum Anstaltentreffen überschritten hatte, und nicht die Frage nach der qualifizierten Menge Drogen. 3.4 In der Lehre sind die Ansichten geteilt, ob es ein "Anstaltentreffen" zu einem mengenmässig schweren Fall nach aArt. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG i.V.m. aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG gibt. Einige Autoren betrachten Ziffer 2 als blosse Strafzumessungsregel, weil sie dasselbe Rechtsgut schütze wie Ziffer 1. Deshalb falle der Versuch nach aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 6 ausser Betracht (FINGERHUTH/TSCHURR, Betäubungsmittelgesetz, 2007, N. 181 zu aArt. 19 BetmG; GERHARD FIOLKA, Das Rechtsgut, Bd. II, 2006, S. 892, 896, 910; sinngemäss auch HANS SCHULZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1996, ZBJV 133/1997 S. 406: Der Kassationshof schliesse mit überzeugender Begründung die Möglichkeit jeder Versuchsstrafe aus. Bloss in Bezug auf den untauglichen Versuch gebe es Zweifel an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung). Obwohl auch CORBOZ von einer Strafzumessungsregel ausgeht, hält er ein Anstaltentreffen zum qualifizierten Fall für möglich (BERNARD CORBOZ, BGE 138 IV 100 S. 105 La jurisprudence du Tribunal fédéral concernant les infractions à la loi fédérale sur les stupéfiants, SJ 1999 II S. 10). Andere Autoren sind der Auffassung, der Täter könne Anstalten zu einem mengenmässig schweren Fall treffen (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, Die Straftat, 4. Aufl. 2011, § 12 N. 34 Fn. 67, worin er sich kritisch zur Bezeichnung von aArt. 19 Ziff. 2 BetmG als Strafzumessungsregel äussert; PETER ALBRECHT, in: Die Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes [ Art. 19-28 BetmG ], 2. Aufl. 2007, N. 235 ff.; ders. , Untauglicher Versuch oder Wahndelikt?, AJP 1997 S. 752 ff; TRECHSEL/NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 6. Aufl. 2004, § 30 S. 179; GUIDO JENNY, Die Strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1998, ZBJV 135/1999 S. 625 ff.). SCHÜTZ geht davon aus, es sei (lediglich) ein unvollendeter Versuch zum mengenmässig qualifizierten Betäubungsmitteldelikt denkbar, weil es sich um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt handle (ALFRED SCHÜTZ, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel vom 3. Oktober 1951 in der Fassung vom 20. März 1975, 1980, S. 160 f.). 3.5 Bei qualifizierten Delikten ist der strafbare Versuch nicht generell ausgeschlossen, sondern von Fall zu Fall zu prüfen ( BGE 123 IV 128 E. 2b S. 131 mit Hinweisen). Anders als im Entscheid BGE 122 IV 360 , wo der Täter fälschlicherweise glaubte, eine qualifizierte Menge Drogen zu besitzen, ist der Täter beim Anstaltentreffen zum Betäubungsmittelhandel noch nicht in Kontakt mit den Drogen gelangt. Zusammen mit CORBOZ (vgl. E. 3.4) ist davon auszugehen, dass aus dem Fehlen der Drogen nicht geschlossen werden muss, es fehle an der objektiven Tatbestandsvoraussetzung. Es ist nach wie vor möglich, dass die bestellten Betäubungsmittel geliefert werden. Hinsichtlich der Menge des reinen Drogenwirkstoffs besteht jedoch ein Beweisproblem. Bei Vorbereitungshandlungen zum schweren Handel können die Ermittlungsbehörden in der Regel keine Betäubungsmittel sicherstellen und daher auch nicht den Reinheitsgrad zuverlässig nachweisen. Man darf aber vernünftigerweise davon ausgehen, dass die Drogen mittlerer Qualität seien, solange es keine Hinweise auf eine besonders reine oder gestreckte Substanz gibt (CORBOZ, a.a.O.). Für eine solche Auslegung spricht sowohl die neuere Rechtsprechung (Urteil 6B_96/2011 vom 7. Juni 2011 E. 3) als auch ein Teil der Lehre (vgl. oben E. 3.4, 2. Absatz). BGE 138 IV 100 S. 106 3.6 Das zu beurteilende Delikt blieb unvollendet und der Transport einer qualifizierten Menge Kokain mit über 18 Gramm reinem Wirkstoff wäre an sich noch möglich. Die Tat beschränkte sich auf das Anstaltentreffen nach aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG, ohne dass tatsächlich Besitz im Sinne von aArt. 19 Ziff. 1 Abs. 5 BetmG vorgelegen hätte. Der Beschwerdeführer hatte beabsichtigt, eine grosse Menge Drogen zu transportieren und in die Schweiz einzuführen. Die vorinstanzlichen Ausführungen hierzu sind unbestritten (vgl. Sachverhalt lit. B) bzw. vertretbar (vgl. nicht publ. E. 2). Seinen von der Vorinstanz festgestellten Tatwillen stellt der Beschwerdeführer nicht in Frage. Er hätte seinen Tatplan ohne Weiteres verwirklichen können. Somit erfüllt er den objektiven und subjektiven Tatbestand des Anstaltentreffens zum mengenmässig schweren Betäubungsmittelhandel. Die Verurteilung des Beschwerdeführers erweist sich deshalb als bundesrechtskonform.
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Urteilskopf 112 Ia 391 62. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 26 novembre 1986 dans la cause Association Vaudoise des Vieillards, Invalides, Veuves et Orphelins (AVIVO) et consorts contre Grand Conseil et Conseil d'Etat du canton de Vaud (recours de droit public)
Regeste Art. 85 OG . Abstimmung über eine kantonale Volksinitiative; vor der Abstimmung angenommenes Gesetz, das faktisch einen teilweisen Gegenvorschlag darstellt; amtliche Botschaft. 1. Zusammenfassung der Rechtsprechung in bezug - auf das Verbot der unzulässigen Einflussnahme auf die Willensbildung der Stimmbürger insbesondere durch die Information der Behörden (E. 3a); - auf den Grundsatz der Einheit der Materie, insbesondere bei gleichzeitiger Abstimmung über eine Initiative und einen Gegenvorschlag (E. 3b). 2. Die Grenzen, die der gesetzgeberischen Tätigkeit des Staates durch die Eingabe einer Gesetzesinitiative gesetzt sind, sind rein verfahrensrechtlicher Natur und bezwecken einzig den Schutz der Freiheit in der Ausübung des Stimmrechts. Die Eingabe einer Initiative hindert den Gesetzgeber nicht, ein Gesetz mit gleichem Inhalt zu erlassen und ihm eine Hinfälligkeitsklausel für den Fall der Annahme der Initiative beizugeben. Auch wenn die amtliche Botschaft einen wichtigen Einfluss auf das Stimmvolk ausübt, ist sie nicht unzulässig, wenn diese Beeinflussung auf objektive Weise erfolgt (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 392 BGE 112 Ia 391 S. 392 En décembre 1985, l'Association des Vieillards, Invalides, Veuves et Orphelins du canton de Vaud (AVIVO) a déposé une initiative populaire législative rédigée en termes généraux et intitulée "Pour une loi d'impôt plus juste". Cette initiative demandait que soit soumise au peuple vaudois la question suivante: "Acceptez-vous que la loi du 25 novembre 1956 sur les impôts directs cantonaux soit modifiée de sorte que les revenus inférieurs aux plafonds donnant droit aux prestations complémentaires AVS-AI ne soient pas soumis à l'impôt?." Le 20 mai 1986, le Grand Conseil du canton de Vaud a adopté un décret ordonnant la convocation des assemblées de commune à l'effet de se prononcer sur cette initiative et décidé de recommander au peuple de la rejeter. Le Conseil d'Etat a fixé la date de la votation aux 28 et 29 juin 1986. Le corps électoral devait simultanément se prononcer sur cet objet et sur deux autres initiatives populaires législatives proposant des allégements fiscaux en faveur des locataires. Le 21 mai 1986, le Grand Conseil du canton de Vaud a adopté une loi modifiant celle du 26 novembre 1956 sur les impôts directs cantonaux (LI). Parmi les modifications énumérées à l'art. 1er de cette loi figuraient divers allégements fiscaux en faveur de la famille, du couple marié et des contribuables de condition modeste. L'art. 2, qui ne figurait pas dans le projet élaboré par le Conseil d'Etat, avait la teneur suivante: "En cas d'acceptation par le peuple de l'initiative de l'AVIVO (Pour une loi d'impôt plus juste), la présente loi sera considérée comme caduque." L'AVIVO, d'une part, Armand Forel et Nelly Cachin, d'autre part, ont, le 9 juin 1986, formé un recours de droit public pour violation du droit de vote au sens de l' art. 85 lettre a OJ . Ils demandent au Tribunal fédéral d'annuler l'art. 2 al. 2 de la loi BGE 112 Ia 391 S. 393 modifiant la loi du 26 novembre 1956 sur les impôts directs cantonaux. Ils requièrent, à titre de mesure provisionnelle, que l'effet suspensif soit accordé à leur recours, le Conseil d'Etat du canton de Vaud étant invité à renvoyer à une date ultérieure la votation sur l'initiative de l'AVIVO "Pour une loi d'impôt plus juste", prévue pour les 28 et 29 juin 1986. Ils concluent, à titre subsidiaire, c'est-à-dire pour le cas où l'effet suspensif serait refusé, à l'annulation de cette votation. Par ordonnance du 12 juin 1986, le Président de la Ire Cour de droit public a refusé d'accorder l'effet suspensif au recours. L'initiative de l'AVIVO "Pour une loi d'impôt plus juste" a été rejetée en votation populaire. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. Erwägungen Extrait des considérants: 3. Les recourants soutiennent que l'adoption par le Grand Conseil de l'art. 2 al. 2 de la novelle du 21 mai 1986 et l'argumentation qui en a été tirée par le Conseil d'Etat dans son Message explicatif ont exercé une pression inadmissible sur le corps électoral appelé à se prononcer sur leur initiative. Cette démarche des autorités cantonales aurait en outre violé le principe de l'unité de la matière, les électeurs ayant été contraints de donner une seule réponse à deux questions, dont l'une leur était posée expressément et l'autre implicitement. Elle serait enfin en contradiction avec les exigences de l'art. 108 de la loi vaudoise du 17 novembre 1948 sur l'exercice des droits politiques (LEDP), qui met en oeuvre l' art. 27 Cst. cant. a) Le droit de vote garanti par la Constitution fédérale donne à tout citoyen la faculté d'exiger que le résultat d'une votation ne soit reconnu que s'il est l'expression fidèle et sûre de la libre volonté du corps électoral ( ATF 108 Ia 157 , ATF 106 Ia 22 , 199 consid. 4a et les arrêts cités). S'il apparaît que des irrégularités de procédure ont pu affecter le résultat d'un vote, le Tribunal fédéral l'annule ( ATF 105 Ia 155 consid. 5b). Tel peut notamment être le cas lorsqu'une influence illicite a été exercée sur la formation de la volonté des citoyens ( ATF 108 Ia 157 , ATF 102 Ia 268 consid. 3). Cette influence peut être le fait soit de l'autorité qui présente le projet au vote, soit, dans certaines circonstances, de tiers, notamment des organes de presse ( ATF 102 Ia 268 /269, ATF 98 Ia 80 , 625, ZBl 1980 p. 251). Il y a influence illicite de l'autorité lorsque celle-ci intervient dans la BGE 112 Ia 391 S. 394 campagne électorale en usant de procédés inadmissibles, en particulier lorsqu'elle s'adresse au corps électoral par un message qui ne constitue pas une information objective des citoyens, mais les oriente de manière fallacieuse sur le but et la portée de l'objet de la votation ( ATF 112 Ia 131 consid. 1, ATF 108 Ia 157 , ATF 106 Ia 199 consid. 4a). La simple constatation que des irrégularités ont entaché la procédure d'une votation n'entraîne toutefois pas à elle seule son annulation. Il faut en outre qu'elles aient été propres à influencer de manière décisive le résultat du vote. Il n'incombe cependant pas au recourant d'apporter la preuve d'un tel lien de causalité entre le vice allégué et son résultat. Il suffit que l'ensemble des circonstances laisse apparaître une telle influence comme étant du domaine du possible, ce que le Tribunal fédéral examine en principe librement ( ATF 106 Ia 200 consid. 3b et les arrêts cités). Le juge constitutionnel s'impose toutefois une retenue particulière dans le cas, non réalisé en l'espèce, où ces éléments ont déjà été appréciés par une autorité judiciaire de dernière instance cantonale. Si le droit fédéral oblige l'autorité cantonale ou communale à faire preuve d'objectivité lorsqu'elle s'exprime publiquement sur le thème d'une votation avant le déroulement de celle-ci, il ne la contraint pas à présenter des avis de minorité; l'autorité peut se contenter d'exposer les motifs qui ont paru décisifs à la majorité ( ATF 98 Ia 622 ). Le droit fédéral ne lui interdit pas davantage de donner son avis sur des questions d'appréciation générale, car, en définitive, c'est à l'électeur qu'il appartient de se faire sa propre opinion (cf. ATF 106 Ia 200 consid. 4a, ATF 105 Ia 153 , 245 consid. 5a, ATF 98 Ia 622 ). Ces règles constituent un standard minimal et il est loisible aux cantons de définir plus rigoureusement le devoir d'information des autorités cantonales. Les recourants ne prétendent pas, à juste titre, que tel soit le cas de la législation vaudoise: l'art. 108 LEDP se borne à prévoir, sans autres précisions, la faculté pour le Grand Conseil de donner un préavis; au surplus, répondant en 1983 à une motion parlementaire, le Conseil d'Etat a exposé de façon circonstanciée les raisons qu'il y avait, selon lui, de renoncer à une réglementation plus précise (Bulletin des séances du Grand Conseil du canton de Vaud (BGC), printemps 1983, p. 242 à 256), et le Grand Conseil s'est rallié à son avis (ibid., p. 258). b) Le droit des électeurs de voter de manière conforme à leur volonté réelle et, partant, de s'exprimer à l'abri de toute influence extérieure illicite ( ATF 108 Ia 157 , 102 Ia 268 consid. 3) postule aussi que BGE 112 Ia 391 S. 395 la question à laquelle ils doivent répondre lors d'une votation ne porte que sur un seul objet ou, tout au moins, sur des objets étroitement interdépendants, réunis entre eux par un lien réel et objectif. Ce principe dit de l'unité de la matière est toutefois relatif ( ATF 104 Ia 224 consid. 2b, 90 I 74 consid. 2c): il n'exige pas toujours que chaque disposition d'un projet soit soumise séparément au corps électoral; l'essentiel est que les dispositions sur lesquelles celui-ci est appelé à se prononcer aient entre elles un rapport intrinsèque étroit et poursuivent le même but. Comme tel, le principe de l'unité de la matière est applicable, d'une manière générale, à tous les cas où le peuple est appelé à voter ( ATF 104 Ia 223 consid. 2b, ATF 99 Ia 183 , 646, 731 consid. 3). Il vaut par conséquent aussi pour le vote sur une initiative à laquelle les autorités cantonales opposent un contre-projet. Dès lors que, en l'absence d'une disposition légale contraire, l'initiative et le contre-projet doivent être soumis simultanément au vote du peuple ( ATF 104 Ia 248 ss consid. 4), il doit exister entre eux ce rapport intrinsèque étroit qu'exige le principe évoqué. 4. En droit vaudois, les droits d'initiative et de référendum en matière législative sur le plan cantonal sont régis fondamentalement par l' art. 27 Cst. cant. Cette disposition est mise en oeuvre par les art. 102 à 112 LEDP. L' art. 27 ch. 1 Cst. cant., de même que l'art. 108 LEDP qui traite de la délibération du Grand Conseil notamment sur les initiatives, ne parle pas de la procédure à suivre lorsqu'une initiative est rédigée en termes généraux. Il n'y est nommément question que des initiatives rédigées de toutes pièces, auxquelles le Grand Conseil a la faculté d'opposer un contre-projet quand il n'en approuve pas le texte. L'initiative législative déposée par les recourants le 17 décembre 1985 n'était pas une initiative rédigée de toutes pièces, mais une initiative rédigée en termes généraux. Il résulte, a contrario, du texte clair des art. 27 ch. 1 al. 3 Cst. cant. et 108 LEDP que le droit cantonal ne prévoit pas la possibilité d'opposer un contre-projet à une telle initiative (cf. BGC, printemps 1977, p. 342). Il serait dès lors vain d'approfondir la question de savoir si la novelle du 21 mai 1986 constituait, en partie, un contre-projet indirect à l'initiative des recourants (voir, pour la notion de contre-projet indirect et les développements de ce concept en doctrine et en jurisprudence, ANDREAS AUER, Contre-projet indirect, procédure à une phase et clause référendaire constitutionnelle, dans RJB 122/1986, p. 209 ss). Il n'est pas davantage nécessaire de se pencher sur la BGE 112 Ia 391 S. 396 question de savoir si le principe de l'unité de la matière peut être violé - quand bien même la question posée au peuple n'a qu'un seul objet - du fait des conséquences diverses attachées par les autorités cantonales à l'éventuelle acceptation d'une initiative. La règle de l'unité de la matière n'est en effet qu'un moyen de mieux assurer la liberté de vote des citoyens. Il suffit donc, au regard de l'ensemble des circonstances de l'espèce, d'examiner si la manière dont le Grand Conseil a revisé le droit fiscal cantonal avant le vote sur l'initiative et a présenté cette revision dans son information officielle a exercé sur les électeurs une influence illicite et violé, partant, leur liberté de vote. 5. Le droit d'initiative, constitutionnelle ou législative, n'est pas un droit de nature purement formelle dont l'exercice constituerait une fin en soi. L'initiative populaire tend au contraire à la réalisation d'objectifs matériels qui peuvent être formulés avec plus ou moins de précision. Le dépôt d'une initiative populaire n'a donc nullement pour effet de paralyser l'activité législative de l'Etat dans le domaine visé par les initiants. Il n'empêche pas le constituant ou le législateur de s'adapter à l'évolution des circonstances sociales et de réaliser, si cela leur paraît nécessaire ou opportun, tout ou partie des buts poursuivis par l'initiative avant que celle-ci ne soit soumise au corps électoral (cf. AUER, op.cit., p. 214; KÖLZ, Die kantonale Volksinitiative in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, ZBl 83/1982, p. 30). D'ailleurs, la faculté de retirer une initiative est admise de façon générale; il s'agit notamment d'éviter ainsi qu'elle soit soumise aux électeurs quand ses objectifs ont été, en tout ou en partie, réalisés après son dépôt. Dans le canton de Vaud, toute demande d'initiative doit être obligatoirement munie d'une clause de retrait (art. 109 al. 1 LEDP). Les limites apportées à l'activité législative de l'Etat en raison du dépôt d'une initiative législative, et plus particulièrement l'obligation de soumettre au corps électoral un éventuel contre-projet simultanément à celle-ci, sont de nature strictement procédurale et n'ont pour but que de sauvegarder la loyauté du débat électoral et, partant, de garantir le libre exercice du droit de vote. L'autorité ne viole pas le droit d'initiative tel qu'il est garanti par le droit fédéral et, en l'occurrence, par le droit cantonal, lorsque, saisie d'une initiative rédigée en termes généraux, elle entreprend une modification de la législation cantonale qui va totalement ou partiellement dans le sens de l'initiative. Rien ne lui interdit non plus d'adopter définitivement BGE 112 Ia 391 S. 397 cette modification avant que l'initiative ne soit soumise au vote populaire. Un message explicatif, distribué aux électeurs avant le scrutin sur l'initiative, ne viole pas le droit d'initiative s'il expose objectivement l'état du nouveau droit cantonal adopté entre le moment où l'initiative a été déposée et celui où elle est soumise au vote populaire. En l'espèce, le législateur cantonal a introduit dans la novelle du 21 mai 1986, qui réalisait partiellement le but visé par l'initiative de l'AVIVO, une disposition finale aux termes de laquelle cette loi serait caduque en cas d'adoption de l'initiative. Une telle clause abrogatoire n'est en principe admissible que si le contenu de la loi adoptée avant le vote sur l'initiative populaire a un lien objectif suffisant avec l'initiative. Il faut en outre que le législateur puisse admettre, sur la base d'une analyse sérieuse, que l'acceptation de l'initiative compromettrait réellement la mise en oeuvre de la loi qui réalise en partie ses buts. En l'occurrence, cette démarche du législateur vaudois, portée à la connaissance des électeurs dans le Message explicatif qui leur a été distribué avant le scrutin, a sans nul doute exercé sur eux une influence considérable, eu égard aux allégements fiscaux apportés par la novelle. Il n'est cependant guère douteux que la disposition finale critiquée se soit justifiée pour des motifs sérieux, même si son adoption a pu être aussi inspirée par des préoccupations électoralistes. Les modifications apportées au droit fiscal par cette loi impliquaient en effet une diminution du produit des impôts de 141 millions de francs pour le canton et d'environ 120 millions de francs pour les communes, et les initiants eux-mêmes ont admis, dans leur prise de position publiée dans le message préélectoral, que leur initiative "entraînerait un manque à gagner pour l'Etat de 30'000'000 fr.". En cas d'acceptation de l'initiative par le peuple, la nécessité de préserver un certain équilibre entre les recettes et les dépenses publiques pouvait, par conséquent, amener le législateur cantonal soit à renoncer à des allégements introduits dans la novelle du 21 mai 1986, soit à augmenter la fiscalité sur d'autres points que ceux touchés par cette modification législative. Adoptant celle-ci avant le vote sur l'initiative, le Grand Conseil pouvait raisonnablement l'assortir d'une disposition en prévoyant la caducité en cas d'acceptation de l'initiative. On ne saurait donc dire que l'influence exercée sur le corps électoral par l'art. 2 al. 2 de la novelle du 21 mai 1986 ait été illicite.
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1,986
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95d05718-cc77-4315-8abd-046583b8fb49
Urteilskopf 103 II 108 17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. April 1977 i.S. Sidomat-Automaten AG gegen Seiler
Regeste Art. 161 Abs. 1 und Art. 163 Abs. 3 OR . Eine Konventionalstrafe ist nicht schon deshalb übermässig, weil sie den Betrag übersteigt, den der Gläubiger als Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen könnte; Voraussetzungen der Herabsetzung.
Erwägungen ab Seite 108 BGE 103 II 108 S. 108 Erwägungen: Gemäss Art. 161 Abs. 1 OR ist die Konventionalstrafe selbst dann geschuldet, wenn dem Gläubiger kein Schaden erwachsen ist. Sie verfällt folglich auch, wenn ein Schaden schwierig zu beziffern oder gar nicht nachzuweisen ist; sie soll den Gläubiger gerade von diesem Beweis befreien ( BGE 95 II 539 ). Von einer Strafe kann zudem nur insofern gesprochen werden, als ihr Betrag den ohnehin geschuldeten Schadenersatz übersteigt. (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 1 zu Art. 161 OR ; VON TUHR/ESCHER, OR S. 283). Daraus hat das Bundesgericht vor allem in der älteren Rechtsprechung gefolgert, dass die Strafe sich nicht nach dem Ausmass des entstandenen Schadens zu richten braucht ( BGE 40 II 478 , BGE 39 II 585 ; vgl. ferner BGE 25 II 614 und BGE 24 II 438 zum gleichlautenden Art. 182 aOR). Nach der jüngeren Rechtsprechung und der Lehre ist eine Herabsetzung insbesondere gerechtfertigt, wenn zwischen der Konventionalstrafe und dem Interesse des Gläubigers an der Erfüllung ein krasses Missverhältnis besteht, was von den besonderen Umständen des einzelnen Falles abhängt. Hiezu gehören nicht nur die Art und Dauer des Vertrages, das Verschulden des Pflichtigen und die wirtschaftliche Lage der BGE 103 II 108 S. 109 Beteiligten, sondern auch die Schwere der Verletzung, die gerade aus dem entstandenen Schaden erhellen kann ( BGE 95 II 540 , BGE 91 II 383 , BGE 82 II 146 ; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 581; VON TUHR/ESCHER, OR S. 285, OSER/SCHÖNENBERGER N. 15 und BECKER N. 12 zu Art. 163 OR ). Es liegt deshalb nahe, das Interesse an der Einhaltung des Vertrages nach dem entstandenen Schaden zu beurteilen, namentlich wenn es dem Gläubiger um den Ersatz des Erfüllungsinteresses geht ( BGE 51 II 445 , BGE 25 II 614 ). Das darf aber nicht zur Meinung verleiten, dass der Gläubiger dieses Interesse ziffernmässig nachzuweisen habe; denn damit würde Art. 161 Abs. 1 OR umgangen (vgl. ZR 61/1962 Nr. 56). Ebensowenig darf der Richter bei der Prüfung der Frage, ob ein Missverhältnis vorliege und die Strafe deshalb herabzusetzen sei, sich mit dem eingetretenen Schaden begnügen. Das geht jedenfalls dann nicht an, wenn dieser nicht dem Erfüllungsinteresse des Gläubigers entspricht oder der Schaden teilweise nicht nachweisbar, aber wahrscheinlich ist (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 14 zu Art. 163 Abs. 3 OR ; VON TUHR/ESCHER, OR S. 285). In diesem Sinne hat das Bundesgericht im Entscheid BGE 68 II 175 denn auch geprüft, ob der höchstmögliche Schaden in einem Missverhältnis zur Strafe stehe (vgl. SJZ 37/1940 S. 287 Nr. 56). Dass der eingetretene Schaden nicht massgebend ist, erhellt ferner aus BGE 82 II 147 und BGE 63 II 249 . Im ersten Entscheid hat das Bundesgericht eine Kürzung der Strafe von Fr. 10'000.-- trotz nachgewiesenem Schaden von nur Fr. 3'000-6'000.-- abgelehnt und im zweiten sie von Fr. 10'000.-- nur auf Fr. 7'000.-- herabgesetzt, obschon der eingetretene Schaden lediglich Fr. 4'000.-- ausmachte. Schliesslich ist zu beachten, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer Herabsetzung und damit auch das Missverhältnis zum Erfüllungsinteresse nicht vom Gläubiger, sondern vom Schuldner zu behaupten und nachzuweisen sind ( Art. 8 ZGB ; BGE 40 II 476 ; OSER/SCHÖNENBERGER N. 12 und Becker N. 19 zu Art. 163 Abs. 3 OR ). Eine Konventionalstrafe kann somit nicht schon deshalb als übermässig bezeichnet werden, weil sie den Betrag übersteigt, den der Gläubiger als Schadenersatz wegen Nichterfüllung beanspruchen könnte; diesfalls verlöre die Strafe ihren Sinn.
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1,977
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95d072c9-817b-4e6b-afdf-16866b65d5bf
Urteilskopf 118 II 248 50. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 14 septembre 1992 dans la cause P. contre Chambre administrative du Tribunal cantonal du canton du Jura (recours en réforme)
Regeste Art. 397f Abs. 2 ZGB ; fürsorgerische Freiheitsentziehung, Rechtsbeistand. Die ambulante medizinische Behandlung bildet keine Massnahme fürsorgerischer Freiheitsentziehung im Sinne der Art. 397a ff. ZGB ; im entsprechenden Verfahren kann der Betroffene daher aus Art. 397f Abs. 2 ZGB keinen Anspruch auf Bestellung eines Rechtsbeistands ableiten.
Erwägungen ab Seite 248 BGE 118 II 248 S. 248 Extrait des considérants: 2. L'octroi de l'assistance juridique selon l' art. 397f al. 2 CC , en particulier la nomination d'un avocat d'office, n'est pas obligatoire, mais dépend au contraire des circonstances du cas concret ( ATF 107 II 316 ss consid. 2 et 3). La disposition précitée ne garantit pas en outre une assistance juridique gratuite, notamment la rétribution du conseil par la caisse de l'Etat ( ATF 113 II 393 ). Sur ce dernier point, le recourant a donc tort; un tel droit ne pourrait découler que de l' art. 4 Cst. , dont la violation doit être alors invoquée dans un recours de droit public ( ATF 113 II 393 ). Mais pour que la prétention du recourant soit justiciable de l' art. 397f al. 2 CC , encore faut-il que les mesures ordonnées à son détriment l'aient été dans une procédure de privation de liberté à des fins d'assistance au sens des art. 397a ss CC . Or, tel n'est pas le cas. a) Dans un arrêt récent, le Tribunal fédéral a jugé que seules constituent des mesures de privation de liberté à des fins d'assistance BGE 118 II 248 S. 249 - qui ouvrent la voie de l'action en dommages-intérêts de l' art. 429a CC -, celles dont l'effet est de retirer la liberté à une personne, sans son consentement ou contre sa volonté, en vue de son "placement" ou de son "maintien" dans un établissement ( ATF 118 II 262 consid. 6b). Dans le prolongement de cette jurisprudence, le traitement ambulatoire ne saurait être assimilé à une telle mesure (cf. implicitement, FF 1977 III 22). b) Le placement du recourant à la prison de Delémont, puis à celle de Porrentruy, a été ordonné en application des art. 397a ss CC . Cette mesure a été levée le 31 janvier 1991 au profit d'un traitement médical ambulatoire, prévu par le droit cantonal (art. 52 ss de la loi du 24 octobre 1985 sur les mesures d'assistance et la privation de liberté; LMAPL). La décision relative à cette "mesure postérieure" - selon le chiffre marginal des art. 52 ss LMAPL - peut être portée devant le Département (art. 56 LMAPL), puis la Chambre administrative du Tribunal cantonal (art. 57 LMAPL). S'agissant de la procédure devant l'autorité de recours, l'art. 66 LMAPL renvoie à l'art. 12 LMAPL, aux termes duquel, en cas de besoin, l'autorité procure d'office un avocat à la personne faisant l'objet de la procédure de privation de liberté. Dès lors que le traitement ambulatoire n'est pas une mesure de privation de liberté à des fins d'assistance au sens des art. 397a ss CC (cf. let. a ci-dessus), le recourant ne saurait déduire de l' art. 397f al. 2 CC un droit à l'assistance juridique, qui plus est gratuite, pour la procédure de recours devant la cour administrative cantonale. Il pourrait tout au plus se plaindre d'une violation de l'art. 12 LMAPL ou invoquer la garantie subsidiaire et minimale découlant de l' art. 4 Cst. (cf. ATF 116 Ia 104 consid. 4a et les références). Ce moyen relève toutefois du recours de droit public et non du recours en réforme, qui est partant irrecevable.
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95d465ce-63d7-4f61-964e-549d277444a9
Urteilskopf 119 IV 73 13. Urteil des Kassationshofes vom 17. Februar 1993 i.S. W. gegen Eidgenössische Oberzolldirektion, Schweizerische Bundesanwaltschaft und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 82 Ziff. 2 ZG ; Art. 71 Abs. 2 StGB ; Zusammenfassung verschiedener strafbarer Handlungen gegen das Zollgesetz zu einer verjährungsrechtlichen Einheit; Gewohnheitsmässigkeit. Bei gewohnheitsmässiger Tatbegehung gemäss Art. 82 Ziff. 2 ZG bilden die verschiedenen strafbaren Handlungen eine verjährungsrechtliche Einheit, bei der die Verjährung für sämtliche Einzelhandlungen erst mit der letzten Tat zu laufen beginnt (E. 2d).
Sachverhalt ab Seite 73 BGE 119 IV 73 S. 73 A.- Am 9. Januar 1992 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich W. in zweiter richterlicher Instanz schuldig der Zollübertretung BGE 119 IV 73 S. 74 im Sinne von Art. 74 Ziff. 3 in Verbindung mit Art. 82 Ziff. 2 ZG sowie der Widerhandlung gegen Art. 52 des Warenumsatzsteuerbeschlusses und bestrafte ihn mit zwei Monaten Gefängnis (unbedingt) und mit einer Busse von Fr. 55'000.--. B.- W. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und die Schweizerische Bundesanwaltschaft haben auf Vernehmlassung verzichtet. Die Oberzolldirektion beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer macht ausschliesslich geltend, das angefochtene Urteil verstosse gegen die Bestimmungen über die Verfolgungsverjährung. a) Die Vorinstanz legt dar, der Beschwerdeführer sei seit etwa Mitte der siebziger Jahre Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident der B. AG. Zu seinen Aufgaben habe unter anderem der Einkauf von pornographischen Artikeln für den Vertrieb in den Verkaufsgeschäften der erwähnten Unternehmung gehört. So sei er insbesondere dafür verantwortlich gewesen, dass vom März 1976 bis zum 11. Januar 1977 und vom 1. Februar 1977 bis zum 31. Januar 1980 1485 bzw. mindestens 3699 Sexfilme usw. für die B. AG ohne Zollanmeldung eingeführt worden seien. Mit Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. September 1988 sei er deswegen verurteilt und mit einer Busse von Fr. 30'000.-- bestraft worden. Sämtliche dagegen erhobenen Rechtsmittel hätten keinen Erfolg gehabt. Dem Beschwerdeführer werde nun in der ersten Überweisungsverfügung vom 7. September 1990 zur Last gelegt, er habe vom 1. Februar 1980 bis zum 28. Februar 1984 in verschiedenen Lieferungen mindestens 2688 Sexfilme, 2080 Videokassetten sowie 400 Spielkartensets ohne Zollanmeldung in die Schweiz einführen lassen und damit Abgaben im Betrag von insgesamt Fr. 46'738.27 hinterzogen. Ohne Unterbruch in seiner Tätigkeit habe er in der Folge für die Zeit vom 28. Februar 1984 bis zum 5. August 1985 die unrechtmässige Einfuhr von mindestens 680 Sexfilmen und 680 Videokassetten veranlasst und damit Abgaben im Betrage von insgesamt Fr. 11'963.91 hinterzogen. In der zweiten Überweisungsverfügung vom 7. September 1990 werde ihm vorgehalten, dass er BGE 119 IV 73 S. 75 seine Tätigkeit trotz der erwähnten Untersuchungen für die Zeitspanne vom 1. Februar 1980 bis zum 5. August 1985 ohne Unterbruch fortgesetzt habe, weshalb von einem Fortsetzungszusammenhang auszugehen sei. So habe er in der Zeit vom 6. August 1985 bis zum 5. August 1987 die unrechtmässige Einfuhr von 1011 Sexfilmen, 1405 Videokassetten und 50 Spielkartensets veranlasst. Auf diesen Waren hätten hinterzogene Abgaben im Betrage von insgesamt Fr. 19'164.11 gelastet. Der Beschwerdeführer beziehe nach seinen Aussagen die pornographischen Waren ausnahmslos bei der Firma Z. in Kopenhagen, mit der seit Jahren eine entsprechende Vereinbarung bestehe. Bei einer Anlieferung sage er jeweils dem Lieferanten, welche Filme usw. er bei der nächsten Lieferung wünsche. Dabei sei es selbstverständlich, dass ihm die neuesten Titel stets mitgeliefert würden. Er habe die Firma Z. beauftragt, selbständig für den Einkauf der von ihm bestellten Waren, den Transport sowie die illegale Einfuhr in die Schweiz bis zur Auslieferung an ihn persönlich besorgt zu sein. Wie das geschehe, wisse er nicht. Ihm sei aber klar, dass die Ware nicht rechtmässig in die Schweiz eingeführt werden könne. Pro Monat würden mindestens acht Lieferungen getätigt. Im von ihm bezahlten Preis seien der Warenpreis, der Transport sowie das Risiko des Erwischtwerdens beim Grenzübertritt inbegriffen. Die Vorinstanz legt sodann dar, dem Beschwerdeführer sei es nur darum gegangen, das Angebot an pornographischen Waren der B. AG zu gewährleisten, also die hiefür erforderlichen Artikel nach betrieblicher Notwendigkeit zu bestellen. Der einzelne Gegenstand sei für ihn unwichtig gewesen. Entscheidend sei gewesen, dass ihn die B. AG für die Aufrechterhaltung ihrer Geschäftstätigkeit benötigt habe. In diesem Lichte verliere die Einzeltat (während Jahren monatlich mindestens acht Lieferungen einer jeweils grösseren Anzahl von Gegenständen) als selbständige Straftat jede nennenswerte Bedeutung. In ihrer Gesamtheit bildeten diese Straftaten faktisch ein Einheitsdelikt. Die Geschäftsabwicklung, die auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehungen zur Firma Z., welche Novitäten ohne besondere Bestellung zu liefern gehabt habe, aber auch die Motivation des Beschwerdeführers, während Jahren für ein pornographisches Warenangebot der B. AG zu sorgen, liessen keine andere Wertung zu. Da die Vielzahl der Straftaten zu einer Einheit verschmelze, beginne die Verjährung erst Ende Juli/anfangs August 1987 zu laufen. Zum gleichen Schluss komme man, wenn man, wie das die Oberzolldirektion zu Recht getan habe, von gewohnheitsmässiger BGE 119 IV 73 S. 76 Tatbegehung im Sinne von Art. 82 Ziff. 2 ZG ausgehe. Selbst wenn eine Zäsur zwischen den in beiden Überweisungen erfassten Zeiträumen, d.h. per 5. August 1985, gemacht würde, wäre die absolute Verjährung zum Zeitpunkt des angefochtenen Urteils noch nicht eingetreten. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, die ihm zur Last gelegten Taten verjährten absolut in siebeneinhalb Jahren. Dabei beginne die Verjährung für jede Tat gesondert zu laufen. Die ihm vorgeworfenen Widerhandlungen seien im Zeitpunkt der Ausfällung des angefochtenen Entscheids deshalb zum grossen Teil verjährt gewesen. c) Die Oberzolldirektion führt aus, die illegalen Einfuhren seien ohne Unterbruch vom 1. Februar 1980 bis zum 5. August 1987 erfolgt. Der Beschwerdeführer habe zu Beginn seiner Tätigkeit den Entschluss gefasst, die in den Läden der B. AG zu verkaufenden Filme, deren Einfuhr auf rechtmässigem Wege nicht möglich gewesen sei, illegal einführen zu lassen. Diesen Entschluss habe er nie aufgegeben. Sogar während den laufenden zolldienstlichen Untersuchungen habe er seine strafbare Tätigkeit nicht unterbrochen. Erstinstanzlich vor Bezirksgericht habe er sogar erklären lassen, er werde auch inskünftig mit dem strafbaren Handeln fortfahren. Bei seiner Einvernahme vom 5. August 1987 habe er zur Häufigkeit der Einfuhren ausgesagt, die B. AG habe monatlich mindestens acht Lieferungen Filme, Videokassetten usw. erhalten. Es seien somit keine Einzelstraftaten gegeben, vielmehr stellten die regelmässig über Jahre hinweg getätigten illegalen Einfuhren eine Einheit dar. 2. a) aa) Wer zollpflichtige Waren beim Grenzübertritt ganz oder teilweise zur Zollbehandlung anzumelden unterlässt, begeht eine Zollübertretung im Sinne von Art. 74 Ziff. 3 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 (ZG; SR 631.0). Die Zollübertretung wird mit Busse bis zum zwanzigfachen Betrag des hinterzogenen oder gefährdeten Zolles bestraft. Kann dieser zahlenmässig nicht genau ermittelt werden, so wird er schätzungsweise festgesetzt ( Art. 75 Abs. 1 ZG ). Liegen erschwerende Umstände vor, wird das Höchstmass der angedrohten Busse um die Hälfte erhöht; zugleich kann auf Gefängnis bis zu sechs Monaten erkannt werden ( Art. 75 Abs. 2 ZG ). Als erschwerender Umstand gilt unter anderem die gewohnheitsmässige Verübung von Widerhandlungen ( Art. 82 Ziff. 2 ZG ). Wer die Warenumsatzsteuer durch Nichtanmeldung oder Verheimlichung der Ware oder in irgendeiner anderen Weise hinterzieht oder gefährdet oder sich oder einem anderen sonstwie einen BGE 119 IV 73 S. 77 unrechtmässigen Steuervorteil verschafft, wird gemäss Art. 52 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses über die Warenumsatzsteuer vom 29. Juli 1941 (WUStB, SR 641.20) mit Busse bis zum fünffachen Betrag der hinterzogenen oder gefährdeten Steuer bestraft, sofern nicht die Strafbestimmung von Art. 14 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht anwendbar ist. Bei erschwerenden Umständen im Sinne von Art. 82 des Zollgesetzes wird das Höchstmass der angedrohten Busse um die Hälfte erhöht ( Art. 52 Abs. 2 WUStB ). bb) Die angeführten Widerhandlungen verjähren relativ in fünf und absolut in siebeneinhalb Jahren. Soweit sie mit Busse als Höchststrafe bedroht und damit Übertretungen sind, ergeben sich diese Fristen aus Art. 11 Abs. 2 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0), der gemäss Art. 80 Abs. 1 ZG und Art. 53 WUStB in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 ZG anwendbar ist und für Übertretungen gilt, die, wie hier, in einer Hinterziehung oder Gefährdung von Abgaben bestehen. Soweit die Widerhandlungen mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und Busse bedroht und somit Vergehen sind (vgl. dazu BGE 108 IV 41 ff.), ergeben sich die Fristen aus Art. 70 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB , die gemäss Art. 2 VStrR anwendbar sind. cc) Da weder das VStrR noch die hier anwendbaren Verwaltungsgesetze den Beginn der Verjährung regeln, ist gemäss Art. 2 VStrR insoweit Art. 71 StGB massgebend. dd) Siebeneinhalb Jahre vor der Ausfällung des angefochtenen Entscheids - mit dem die Strafverfolgung beendet wurde ( BGE 117 IV 410 mit Hinweisen) - liegt der 9. Juli 1984. Es stellt sich die Frage, ob die Taten, die der Beschwerdeführer vor diesem Tag begangen hat, verjährt sind. b) Die frühere Rechtsprechung fasste verschiedene strafbare Handlungen unter der Bezeichnung "fortgesetztes Delikt" zu einer rechtlichen Einheit zusammen, wenn sie gleichartig oder ähnlich waren, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet waren und auf ein und denselben Willensentschluss zurückgingen ( BGE 102 IV 77 E. 2a mit Hinweisen). Folge der Annahme der rechtlichen Einheit war unter anderem, dass die Verjährung für sämtliche Einzelakte erst mit der letzten Teilhandlung zu laufen begann; war diese nicht verjährt, blieben auch alle übrigen Einzelhandlungen strafbar ( BGE 105 IV 13 mit Hinweisen). Nachdem das Bundesgericht bereits in BGE 116 IV 124 Bedenken hinsichtlich der Haltbarkeit des fortgesetzten Delikts geäussert hatte (dazu SCHMID, Das fortgesetzte Delikt am Ende?, recht 1991, S. 134 ff.), gab es diese Rechtsfigur in BGE 119 IV 73 S. 78 BGE 117 IV 408 ff. auf. Es legte dar, ob und unter welchen Bedingungen eine Mehrzahl strafbarer Handlungen jeweils zu einer entsprechenden rechtlichen Einheit zusammenzufassen sei, sei in den Sachbereichen, in denen das fortgesetzte Delikt bisher Anwendung gefunden habe (Verjährung, Strafschärfung, Strafantragsfrist, "ne bis in idem"), gesondert zu erörtern. Für den Bereich der Verjährung nahm es an, verschiedene strafbare Handlungen seien gemäss Art. 71 Abs. 2 StGB dann als eine Einheit (bei der die Verjährung für sämtliche Teilhandlungen erst mit der letzten Tat zu laufen beginne) anzusehen, wenn sie gleichartig und gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet seien und - ohne dass bereits ein eigentliches Dauerdelikt gegeben sei ( Art. 71 Abs. 3 StGB ) - ein andauerndes pflichtwidriges Verhalten bildeten, das von dem in Frage stehenden gesetzlichen Straftatbestand ausdrücklich oder sinngemäss mitumfasst wird. Unter welchen genauen Voraussetzungen dies der Fall sei, könne nicht abschliessend in einer abstrakten Formel umschrieben werden (E. 2f). Im zu beurteilenden Fall bejahte es die Verbindung mehrerer strafbarer Einzelhandlungen zu einer verjährungsrechtlichen Einheit bei einem ungetreuen Geschäftsführer, der in der Zeit von Sommer 1976 bis Ende 1981 mehrfach Wein anstatt unmittelbar für seine Arbeitgeberfirma auf Rechnung einer von ihm beherrschten Gesellschaft bezogen und die Lieferung anschliessend zu einem erhöhten Preis seiner Arbeitgeberfirma weiterfakturiert hatte. Es führte aus, der damalige Beschwerdeführer sei als Geschäftsführer nicht nur verpflichtet gewesen, gewinnbringende Geschäfte statt für sich selber für seine Arbeitgeberfirma abzuschliessen, sondern hätte sich auch um Ersatz des von ihm durch die Straftaten verursachten Schadens kümmern müssen. Dadurch, dass er das nicht getan habe, habe er andauernd seine Pflichten gegenüber dem Geschäftsherrn verletzt. Demgegenüber verneinte das Bundesgericht in BGE 118 IV 309 ff. bei der Annahme von Geschenken gemäss Art. 316 StGB die verjährungsrechtliche Einheit und nahm an, die Verjährung beginne für jede Einzelhandlung gesondert zu laufen. Es legte dar, die Geschenkannahme nach Art. 316 StGB habe keinen Dauercharakter. Sie stelle eine punktuelle Handlung dar und nicht eine Situation, die sich in der Zeit verlängere. Im Gegensatz zur ungetreuen Geschäftsführung sei der Täter nicht dauernd gehalten - auch nicht implizit -, den durch die Straftat verursachten Schaden zu ersetzen. Entsprechendes ergebe sich aus einem Vergleich mit der Straftat der Vernachlässigung der Unterstützungspflicht. Überdies sei das geschützte Rechtsgut BGE 119 IV 73 S. 79 bei Art. 316 StGB nicht das Vermögen. Im zu beurteilenden Fall habe der Beschwerdeführer mehrere Male Geschenke entgegengenommen. Es handle sich dabei durchaus um ähnliche Verhaltensweisen (gleiche beteiligte Personen, gleiches Ziel, gleiche Geisteshaltung, Verletzung desselben Rechtsgutes). Der Beschwerdeführer sei jedoch im Unterschied zum ungetreuen Geschäftsführer in BGE 117 IV 408 ff. aufgrund seiner Stellung bei seinem Arbeitgeber nicht gehalten gewesen, dauernd über dessen finanzielle Interessen zu wachen, und er habe sich auch nicht um Ersatz des dem Arbeitgeber verursachten Schadens kümmern müssen. Mangels eines andauernden pflichtwidrigen und vom Tatbestand ausdrücklich oder sinngemäss mitumfassten Verhaltens habe die Verjährung deshalb für jede Geschenkannahme gesondert zu laufen begonnen (E. 2c). In BGE 118 IV 325 ff. wurde schliesslich entschieden, für die Bestimmung des Beginns der Antragsfrist gemäss Art. 29 StGB sei analog Art. 71 StGB anwendbar. Wer dauernd seiner Pflicht zur Leistung der geschuldeten Unterhaltsbeiträge zuwiderhandle, mache sich fortwährend der Vernachlässigung der Unterhaltspflicht gemäss Art. 217 StGB schuldig. Die Frist zur Stellung des Strafantrags beginne deshalb nicht zu laufen, solange die schuldhaften Unterlassungen andauerten (E. 2b). c) Der Beschwerdeführer blieb nach den einzelnen Widerhandlungen zur Zahlung der hinterzogenen Abgaben verpflichtet. Im Unterschied zum Geschäftsführer in BGE 117 IV 408 ff. hatte er jedoch keine Fürsorgepflicht in bezug auf das Vermögen des Geschädigten. Überdies ist fraglich, ob die Nichtbezahlung der weiterhin geschuldeten Abgaben von den hier anwendbaren Strafbestimmungen zumindest sinngemäss erfasst wird. Art. 74 Ziff. 3 ZG stellt jedenfalls unter Strafe das Unterlassen der Anmeldung zollpflichtiger Waren zur Zollbehandlung beim Grenzübertritt. d) aa) Art. 82 Ziff. 2 ZG und Art. 52 Abs. 2 WUStB durch Verweis auf Art. 82 ZG sehen den Qualifikationsgrund der Gewohnheitsmässigkeit vor. Das Strafgesetzbuch kennt diesen Qualifikationsgrund nicht. Es handelt sich dabei um einen Sonderfall der Nebenstrafgesetzgebung. Nach der Rechtsprechung ( BGE 76 IV 200 E. 3) setzt die Annahme der Gewohnheitsmässigkeit nach Art. 82 Ziff. 2 ZG zweierlei voraus: Der Täter muss erstens die strafbare Handlung wiederholt begangen haben. Die wiederholte Tatbegehung muss bei ihm zweitens den Hang zur Begehung der strafbaren Handlung erkennen lassen. BGE 119 IV 73 S. 80 bb) Die wiederholte Widerhandlung gegen das Zollgesetz bzw. den Warenumsatzsteuerbeschluss genügt für die Annahme der verjährungsrechtlichen Einheit gemäss Art. 71 Abs. 2 StGB nicht. Lässt die wiederholte Tatverübung beim Täter den Hang zur Begehung der strafbaren Handlung erkennen und ist deshalb der Qualifikationsgrund der Gewohnheitsmässigkeit gemäss Art. 82 Ziff. 2 ZG gegeben, ist die Zusammenfassung der verschiedenen Straftaten zu einer verjährungsrechtlichen Einheit dagegen gerechtfertigt. cc) Dem Beschwerdeführer ging es nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ) darum, ein ausreichendes Warenangebot der B. AG zu gewährleisten. Zu diesem Zweck beging er in einem Zeitraum von rund siebeneinhalb Jahren pro Monat mindestens acht, insgesamt also mindestens 720 Widerhandlungen. Das Tatvorgehen war immer dasselbe, der Lieferant stets der gleiche. Die strafbare Tätigkeit, die er trotz laufenden zolldienstlichen Untersuchungen fortführte, gehörte zum üblichen Geschäftsbetrieb. Die Voraussetzungen der Gewohnheitsmässigkeit gemäss Art. 82 Ziff. 2 ZG sind bei dieser Sachlage erfüllt. Die Vorinstanz hat die verschiedenen strafbaren Handlungen somit zu Recht gemäss Art. 71 Abs. 2 StGB zu einer rechtlichen Einheit zusammengefasst, bei der die Verjährung für sämtliche Einzelhandlungen erst mit der letzten Tat zu laufen beginnt. Sie hat daher kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Eintritt der Verjährung auch hinsichtlich der vom Beschwerdeführer vor dem 9. Juli 1984 begangenen Widerhandlungen verneint hat. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen. e) Anzumerken bleibt, dass sich eine Auseinandersetzung mit der Verjährungsfrage vermeiden lässt, wenn die Verfahren so zügig, wie dies aufgrund des Beschleunigungsgebotes (dazu BGE 117 IV 124 ff.) notwendig ist, durchgeführt und gegebenenfalls der gerichtlichen Beurteilung zugeführt werden. Es ist Sache der zuständigen Behörden, den Strafbescheid, den Einspracheentscheid, die Überweisung an das Gericht und die Beurteilung durch die erste und zweite Instanz so voranzutreiben, dass verjährungsrechtlich keine Probleme entstehen, oder aber - wenn dies im Hinblick auf einen Instanzenzug über faktisch vier Instanzen mit Schwierigkeiten verbunden sein sollte - den Gesetzgeber auf notwendige Verbesserungen hinzuweisen.
null
nan
de
1,993
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
95d7ee58-212d-4612-bd98-f243e9a9ff32
Urteilskopf 108 II 6 2. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. März 1982 i.S. Comvalor Paradiso AG gegen Swiss Commodity Industry Association (Berufung)
Regeste Vereinsrecht, Kartellgesetz. 1. Ein Verein kann nicht auf die Weise gegründet werden, dass über die endgültige Aufnahme der Teilnehmer an der Gründungsversammlung in den Verein der an dieser Versammlung gewählte Vereinsvorstand befinden soll (E. 2). 2. Das Kartell trägt die Beweislast dafür, dass eine an sich unzulässige Wettbewerbsbehinderung durch überwiegend schutzwürdige Interessen im Sinne von Art. 5 KG gerechtfertigt ist und nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstösst, Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beim Rechtfertigungsgrund des Art. 5 Abs. 2 lit. b KG (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 7 BGE 108 II 6 S. 7 A.- Verschiedene Firmen, die sich mit dem Rohstoffterminhandel befassen, ergriffen im Herbst 1979 die Initiative, zum Zweck der Selbstregulierung ihrer Branche unter dem Namen "Swiss Commodity Industry Association" einen Verein zu gründen. Am 22. November 1979 veranstalteten sie eine Informationstagung, an welcher beschlossen wurde, auf den 16. Januar 1980 eine Gründungsversammlung einzuberufen. Die Teilnehmer an dieser Informationstagung erhielten ein Protokoll, in welchem darauf hingewiesen wurde, dass jedes in Frage kommende Vereinsmitglied, das bis zum 14. Januar 1980 auf einem Formular II "Membership Application" seine Bewerbung um Aufnahme in den Verein bekanntgebe, zur Gründungsversammlung zugelassen werde, dass über die endgültige Aufnahme in den Verein indessen der an der Gründungsversammlung zu bestellende Vereinsvorstand später entscheiden werde. Dementsprechend enthielt das Anmeldeformular folgenden Vorbehalt: "I/We are aware that our admission as a member of the forthcoming "Swiss Commodity Industry Association" will be decided by the Board in due course." Die Interessenten wurden ferner aufgefordert, allfällige Vorschläge für den Vereinsvorstand auf einem Formular I zu machen. Um die Aufnahme in den Verein bewarb sich auch die Comvalor Paradiso AG, die sich unter anderem mit der Vermittlung von Warentermingeschäften und insbesondere mit dem Verkauf von Rohstoffoptionen beschäftigt. Ihr Vertreter kandidierte zudem durch Unterzeichnung des Formulars I für einen Sitz im Vorstand. Die Gründungsversammlung fand wie vorgesehen am 16. Januar 1980 statt. Der Vertreter der Comvalor Paradiso AG nahm daran teil, während drei liechtensteinische Gesellschaften, die sich ebenfalls um eine Mitgliedschaft im Verein beworben hatten, vom Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen wurden, da man nur in der Schweiz domizilierte Firmen als Mitglieder zulassen wollte. Die Teilnehmer an der Versammlung nahmen die Statuten an, legten die Mitgliederbeiträge fest und wählten den Vorstand und die BGE 108 II 6 S. 8 Kontrollstelle. Der Vertreter der Comvalor wurde nicht in den Vorstand gewählt. Am 6. Februar 1980 hielt der Vorstand seine erste Sitzung ab. Dabei bestätigte er die Vereinsmitgliedschaft einer grösseren Zahl von Interessenten. Die Bewerbung der Comvalor wurde jedoch, mindestens vorläufig, abgewiesen. B.- Am 18. Februar 1980 erhob die Comvalor beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Swiss Commodity Industry Association Klage mit folgenden, nachträglich ergänzten Rechtsbegehren: "1. Es sei festzustellen, dass die Swiss Commodity Industry Association ein Kartell bzw. eine kartellähnliche Organisation i.S. von Art. 2 und 3 KG darstellt. 2. Es sei festzustellen, dass Art. 5 der Vereinsstatuten widerrechtlich ist, soweit er auf die Mitglieder angewendet wird bzw. würde, die an der Gründerversammlung vom 16. Januar 1980 teilgenommen haben. Es sei ferner festzustellen, dass ein Ausschluss von Neubewerbern ohne Grundangabe nicht erfolgen kann, wenn jene bereit sind, die durch die Statuten und Standesregeln festgesetzten Bedingungen zu erfüllen. Art. 5 Abs. 3 der Statuten ist demnach als widerrechtlich und, gegen Art. 4 KG verstossend, zu streichen. 3. Es sei festzustellen, dass sich Art. 5 Abs. 2 der Vereinsstatuten nur auf die Gesellschaft als solche bezieht, und somit nicht auf einzelne Gesellschafter (Aktionäre) ausgedehnt werden darf. Insbesondere bleibt das Prinzip der Drittorganschaft sowie der Anonymität der Aktieninhaber gewährleistet. 4. Es sei festzustellen, dass Art. 27 der Statuten widerrechtlich ist, weil gegen Art. 15 KG verstossend. 5. Es sei in Ergänzung und Präzisierung von Antrag 2) der Anfechtungsklage vom 18. Februar 1980 festzustellen, dass die Klägerin Mitglied des beklagtischen Vereins ist. 6. Es sei eventualiter festzustellen, dass der Gründungsvorgang der Beklagten vom 16. Januar 1980 ungültig, insbesondere nichtig ist. 7. Es sei bei dieser Gelegenheit ebenfalls festzustellen, dass der Vorstand der Beklagten nicht rechtsgültig gewählt wurde, weil die Wahl durch Nichtmitglieder erfolgte. 8. Es sei subeventualiter der Anspruch der Klägerin auf Mitgliedschaft am beklagtischen Kartell festzustellen und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin in den Verein aufzunehmen." Mit Urteil vom 18. Mai 1981 wies das Handelsgericht die Klage ab, soweit es darauf eintrat. Es verneinte, dass die Klägerin durch Teilnahme an der Gründungsversammlung oder durch spätere Aufnahme Mitglied der Beklagten geworden sei, und sprach ihr deshalb für die Klagebegehren 2 bis 4 die Legitimation und für die Klagebegehren 6 und 7 das Feststellungsinteresse ab. Ferner kam BGE 108 II 6 S. 9 es zum Schluss, die Beklagte sei auch unter dem Gesichtspunkt des Kartellrechts nicht zur Aufnahme der Klägerin verpflichtet, da ihr, sofern sie überhaupt ein Kartell darstellen sollte, hinsichtlich der Fernhaltung der Klägerin jedenfalls ein Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 5 Abs. 2 lit. b KG zugebilligt werden müsse. C.- Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin beim Bundesgericht sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde. Auf die staatsrechtliche Beschwerde trat das Bundesgericht mit Urteil vom 8. März 1982 nicht ein. Mit der Berufung hält die Klägerin an ihren Klagebegehren fest. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Streitigkeiten betreffend die Mitgliedschaft bei einem Verein nicht vermögensrechtlicher Natur und daher nach Art. 44 Abs. 1 OG stets berufungsfähig ( BGE 108 II 78 /79 E. 1a, BGE 82 II 296 ). Anderseits ist nach Art. 8 KG bei kartellrechtlichen Streitigkeiten der Weiterzug an das Bundesgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zulässig. Auf die Berufung ist daher einzutreten, ohne dass geprüft werden müsste, welches vermögenswerte Interesse die Klägerin an der Gutheissung der Klage hat. 2. Mit ihrer Klage will die Klägerin in erster Linie feststellen lassen, dass sie Mitglied der Beklagten sei. Sie macht geltend, durch die Teilnahme an der Gründungsversammlung vom 16. Januar 1980 habe sie automatisch die Mitgliedschaft beim damals gegründeten Verein erworben. Mitglied eines Vereins wird man entweder durch Teilnahme an der Gründung oder durch nachträglichen Beitritt. Die Klägerin behauptet nicht, sie sei von der Beklagten nach der Gründung als Mitglied aufgenommen worden. Zu prüfen ist daher allein, ob sie kraft ihrer Teilnahme an der Gründungsversammlung vom 16. Januar 1980 die Vereinsmitgliedschaft erworben hat. Dabei stellt sich vorerst die Frage, ob die Vereinsgründung an jenem Tag überhaupt rechtsgültig zustandegekommen ist. Nach Art. 60 Abs. 1 ZGB erlangen Vereine die Rechtspersönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist. Es ist unbestritten, dass die am 16. Januar BGE 108 II 6 S. 10 1980 beratenen und angenommenen Statuten den formellen Anforderungen des Gesetzes genügten und alle für einen Verein wesentlichen Angaben enthielten. Fraglich ist dagegen, ob damals auch der für die Vereinsgründung erforderliche rechtsgeschäftliche Wille vorhanden war, die an der Gründungsversammlung anwesenden Personen zu Vereinsmitgliedern zu verbinden. Normalerweise gehen diese beiden Elemente bei der Vereinsgründung Hand in Hand, indem die Personen, die bei der Bereinigung und Genehmigung der Statuten und bei der Bestellung der statutarisch vorgesehenen Vereinsorgane mitwirken, sich gleichzeitig auch gegenseitig in einem zusammenfassenden rechtsgeschäftlichen Willensakt zu Vereinsmitgliedern erklären und als solche akzeptieren. Im vorliegenden Fall lagen indessen besondere Verhältnisse vor. Zwar sollten die Statutenbereinigung und die Wahl der Organe durch alle Teilnehmer an der Gründungsversammlung erfolgen, denen man ein entsprechendes Stimm- und Wahlrecht eingeräumt hatte. Für eine Bestätigung der Einzelmitgliedschaften sollte dagegen der an der Versammlung gewählte Vereinsvorstand zuständig sein. Der Verein sollte seine rechtliche Gestalt somit durch Personen erhalten, die nicht notwendig auch Vereinsmitglieder werden sollten, sondern deren Mitgliedschaft von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhing. Er hätte demzufolge anfänglich gar keine vollgültigen Mitglieder gehabt. Eine Körperschaft ohne Mitglieder ist aber begrifflich nicht denkbar. Die Vorstellung einer bis zur Bestätigung durch den Vorstand suspensiv bedingten Mitgliedschaft vermag über diese Schwierigkeit nicht hinwegzuhelfen. Wenn die Mitgliedschaft an der Gründungsversammlung nur suspensiv bedingt erworben worden wäre, hätte auch der Vereinsvorstand nur mit suspensiv bedingter Wirkung gewählt werden können. Dann stellt sich aber sogleich die Frage, wie der nur unter Vorbehalt des Eintritts der Bedingung gewählte Vorstand, der selbst mit nicht endgültigen Vereinsmitgliedern besetzt war, über den Eintritt der Bedingung befinden und die Mitgliedschaft der Teilnehmer an der Gründungsversammlung definitiv machen konnte. Dieses Problem ist logisch nicht lösbar. So oder so blieben auf jeden Fall jene suspensiv bedingten Vereinsmitglieder, die dann letztlich nicht in den Verein aufgenommen wurden, einerseits an der Vereinsgründung beteiligt und anderseits doch wieder unbeteiligt. Die Gründung würde somit auf einer unterschiedlichen rechtsgeschäftlichen Willensbildung beruhen, je nachdem ob die rechtliche Gestaltgebung oder die konkrete BGE 108 II 6 S. 11 Mitgliedschaft in Frage steht. Der Gründungsvorgang als rechtsgeschäftlicher Gesamtakt lässt sich jedoch nicht auf diese Weise aufspalten. Der Verein konnte daher so nicht gegründet werden. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass die Teilnehmer an der Gründungsversammlung ganz offensichtlich den Willen hatten, am 16. Januar 1980 den Verein zu gründen. Der Wille der Beteiligten ändert nichts daran, dass der Verein an jenem Tag noch keine vollgültigen Mitglieder hatte und deshalb die Rechtspersönlichkeit nicht erlangen konnte. Dem Gründungswillen könnte gegenüber dem Genehmigungsvorbehalt hinsichtlich der einzelnen Vereinsmitgliedschaften höchstens dann der Vorrang zukommen, wenn konkrete Anzeichen dafür bestünden, dass die Gründer die Frage der endgültigen Einzelmitgliedschaften im Vergleich zur Vereinsgründung als solcher nur als nebensächlich betrachteten. Das ist jedoch nicht der Fall. Sowohl bei der Vorbereitung der Vereinsgründung wie anlässlich der Gründungsversammlung vom 16. Januar 1980 wurde der Genehmigungsvorbehalt hinsichtlich der Mitgliedschaft in gleicher Weise betont wie der Wille zur Vereinsgründung im allgemeinen. Dass nur Personen oder Firmen, die für ein seriöses Geschäftsgebaren Gewähr boten, Mitglied des Vereins werden sollten, musste jedem das Stimm- und Wahlrecht ausübenden Teilnehmer an der Gründungsversammlung klar sein. Damit ist auch der Berufung auf das Vertrauensprinzip der Boden entzogen. Die Klägerin durfte nicht damit rechnen, durch die blosse Teilnahme an der Gründungsversammlung von den andern Teilnehmern als Gründungsmitglied akzeptiert zu werden, nachdem sie das Formular I unterzeichnet hatte, gemäss welchem der Vereinsvorstand über die definitive Aufnahme in den Verein befinden sollte. Es bleibt somit dabei, dass der Gründungsvorgang vom 16. Januar 1980 an einem nicht lösbaren inneren Widerspruch leidet, so dass die Vereinsgründung an jenem Tag nicht zustandekommen und die Klägerin durch die Teilnahme an der Versammlung die Vereinsmitgliedschaft nicht erwerben konnte. Auf welche Weise der Verein später gegründet worden ist, braucht hier nicht geprüft zu werden. Heute, nachdem er zwei Jahre lang eine statutengemässe Tätigkeit ausgeübt hat, kann seine Existenz auf jeden Fall wohl kaum mehr in Frage gestellt werden. 3. Das Klagebegehren 5, mit dem die Klägerin ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten feststellen lassen möchte, ist demzufolge abzuweisen. Ist die Klägerin nicht Mitglied der Beklagten, so fehlt BGE 108 II 6 S. 12 ihr für die Klagebegehren 2, 3, 4, 6 und 7 teils die Legitimation und teils das Feststellungsinteresse. Was die Klägerin dagegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Aus einer Feststellung, dass der Vereinsvorstand am 16. Januar 1980 allenfalls auch im Hinblick auf einen später zustandegekommenen Verein ungültig gewählt war, könnte nichts für die Frage abgeleitet werden, ob er im Zeitpunkt einer tatsächlichen Aufnahme der Klägerin in den Verein weiterhin als nicht rechtsgültig gewählt angesehen werden müsste. Im übrigen fehlt der Klägerin als Nichtmitglied des Vereins hinsichtlich der Anfechtung der Wahl des Vorstandes auf jeden Fall die Legitimation. Das ganz allgemeine Interesse der Klägerin daran, dass die Feststellung des Verstosses gewisser statutarischer Bestimmungen gegen das Kartellgesetz im Zusammenhang mit einer noch völlig unbestimmten Leistungsklage irgendeinmal bedeutsam werden könnte, genügt sodann keinesweg. Was aber die konkrete Feststellung darüber anbetrifft, dass es sich bei der Beklagten um ein Kartell handle, geht das Feststellungsinteresse im weiteren Begehren auf, dass die Klägerin aus kartellrechtlichen Gründen in den Verein aufzunehmen sei (Klagebegehren 8). 4. Mit diesem Begehren macht die Klägerin geltend, die Beklagte stelle ein Kartell dar, das sie durch die Fernhaltung in der Ausübung des Wettbewerbs erheblich behindere. Zur Beseitung dieser unzulässigen Wettbewerbsbehinderung habe der Richter gestützt auf Art. 6 Abs. 2 KG die Aufnahme in den Verein anzuordnen. Die Vorinstanz hat offen gelassen, ob es sich bei der Beklagten um ein Kartell handle und ob die Fernhaltung der Klägerin eine unzulässige Wettbewerbsbehinderung darstelle, da sich die Beklagte auf jeden Fall auf den Rechtfertigungsgrund des Art. 5 Abs. 2 lit. b KG berufen könne. Diese Bestimmung anerkennt als schutzwürdiges Interesse, das eine an sich unzulässige Wettbewerbsbehinderung gemäss Art. 4 KG zu rechtfertigen vermag, "die Verwirklichung angemessener beruflicher und betrieblicher Voraussetzungen". Die Vorinstanz hält in diesem Zusammenhang fest, angesichts der bedenklichen Verhältnisse in der Branche des Rohstoffterminhandels seien die Bestrebungen der Beklagten um Selbstregulierung dieser Branche als ausgesprochen erwünscht zu betrachten. Die Beklagte habe mit gutem Grund einstweilen von der Aufnahme der Klägerin absehen dürfen, nachdem diese, obwohl erst am 14. August 1979 mit einem Aktienkapital von nur BGE 108 II 6 S. 13 Fr. 50'000.-- gegründet, sich beharrlich geweigert habe, über sich und die sie beherrschenden natürlichen Personen näher Auskunft zu erteilen. Bedenken habe zudem erwecken müssen, dass sich an der gleichen Adresse wie die Klägerin eine Zweigniederlassung einer liechtensteinischen Anstalt mit fast gleichem Namen befinde, was Irreführungen und Täuschungen des Publikums ermögliche. Es liege auf der Hand, dass die Beklagte ihr Ziel nur erreichen könne, wenn sie die Bewerber um ihre Mitgliedschaft wie die Klägerin einer genauen Prüfung unterziehe, um sicher zu sein, dass sich unter ihnen keine "schwarzen Schafe" befänden; ein unerkanntes "schwarzes Schaf" könnte die Vereinsmitgliedschaft geradezu als Deckmantel für seine Aktivitäten benützen. Mit dieser Begründung durfte die Vorinstanz indessen das Begehren der Klägerin um Aufnahme in den beklagten Verein nicht abweisen. Es ist grundsätzlich Sache des Kartells, den Beweis dafür zu erbringen, dass für eine an sich unzulässige Wettbewerbsbehinderung ein Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 5 KG besteht ( BGE 102 II 439 /440, BGE 96 I 301 , BGE 94 II 339 , BGE 91 II 32 ). Das gilt insbesondere auch im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 lit. b KG . Wenn die Beklagte daher geltend macht, die Klägerin erfülle die für eine Tätigkeit im Rohstoffterminhandel erforderlichen beruflichen und betrieblichen Anforderungen nicht, so ist sie hierfür beweispflichtig. Sie durfte demnach die Fernhaltung der Klägerin nicht einfach damit begründen, diese habe sich geweigert, über sich und die sie beherrschenden natürlichen Personen nähere Auskunft zu erteilen. In diesem Sinn hat das Bundesgericht bereits vor dem Inkrafttreten des Kartellgesetzes im Rahmen seiner Boykottrechtsprechung entschieden ( BGE 76 II 290 /291). Indem sich die Vorinstanz der Betrachtungsweise der Beklagten anschloss, hat sie die Beweislast unrichtig verteilt. Dazu kommt, dass eine Wettbewerbsbehinderung nach Art. 5 Abs. 1 KG nur zulässig ist, wenn sie durch überwiegende schutzwürdige Interessen gerechtfertigt ist und wenn sie die Freiheit des Wettbewerbs weder im Verhältnis zum angestrebten Ziel noch nach der Art und Durchführung der Vorkehr übermässig beeinträchtigt. Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse genügt somit für sich allein für die Rechtfertigung einer Wettbewerbsbehinderung nicht, sondern es bedarf zusätzlich des Nachweises, dass die Wettbewerbsbehinderung nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstösst (vgl. hiezu BGE 102 II 441 , BGE 99 II 235 /236 E. 3). Zudem muss der Grundsatz der Gleichbehandlung BGE 108 II 6 S. 14 gewahrt sein (MERZ, Das schweizerische Kartellgesetz, S. 52 ff.; MICHELI, Les exceptions à l'illicité des entraves à la concurrence de tiers, Diss. Lausanne 1972, S. 59 ff.). Dieser Grundsatz ist gerade beim Rechtfertigungsgrund des Art. 5 Abs. 2 lit. b KG von Bedeutung. Ein Kartell soll für den Zugang zu einem Beruf oder einem Wirtschaftszweig nicht Anforderungen stellen dürfen, die seine eigenen Mitglieder nicht erfüllen (MERZ, a.a.O., S. 58/59; MICHELI, a.a.O., S. 83). Zu diesen beiden Gesichtspunkten hat sich die Vorinstanz, von der blossen Zitierung der entsprechenden Gesetzesbestimmung abgesehen, nicht geäussert. Insbesondere hat sie sich mit der Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe bei den andern Bewerbern um die Mitgliedschaft nicht verlangt, den Namen ihrer Aktionäre bekanntzugeben, nicht auseinandergesetzt. Aufgrund der Feststellungen im angefochtenen Urteil kann das Bundesgericht die Frage nicht entscheiden, ob die Fernhaltung der Klägerin von der Beklagten vor dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit und der Gleichbehandlung standhält und ob sie sich durch ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 5 Abs. 2 lit. b KG rechtfertigen lässt. Die Sache ist daher zu ergänzender Abklärung und neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird gegebenenfalls auch die Frage zu prüfen haben, ob die Beklagte überhaupt ein Kartell im Sinne von Art. 1-3 KG darstellt und ob die Klägerin durch die Fernhaltung von der Beklagten in der Ausübung des Wettbewerbs in unzulässiger Weise behindert wird ( Art. 4 KG ). In beiderlei Hinsicht trifft die Beweislast die Klägerin, während die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Rechtmässigkeit der Wettbewerbsbehinderung im Sinne von Art. 5 KG nach dem Gesagten von der Beklagten zu beweisen sind. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 18. Mai 1981 aufgehoben; die Sache wird zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an das Handelsgericht zurückgewiesen.
public_law
nan
de
1,982
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
95da0be7-c88c-482e-98b8-e12dd904bff8
Urteilskopf 93 II 317 44. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Oktober 1967 i.S. Kalbermatten gegen Theler.
Regeste Werkvertrag. Unechte Solidarität. Berufung. Zulässigkeit der Berufung. Streitwert von Klage und Widerklage (Erw. 1). Berufungsbegründung, Anforderungen (Erw. 2 lit. d). Unechte Solidarität zwischen Unternehmer und Architekt gegenüber dem Bauherrn. Beschränkung der Haftung des einen belangten Solidarschuldners, weil sein Verschulden durch dasjenige des andern als gemildert erscheint? (Erw. 2). Werkvertrag über die Erstellung eines Sport-Schwimmbeckens. Verbesserungspflicht des Unternehmers wegen Nichteinhaltung der vereinbarten Länge von 25 m. Rechtsmissbräuchliches Beharren des Bestellers auf genauer Vertragserfüllung? (Erw. 4). Fälligkeit des Werklohnes bei Mängeln des Werkes (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 318 BGE 93 II 317 S. 318 A.- Der Eigentümer des Thermalbades Brigerbad, Hans Kalbermatten, Turn- und Sportlehrer und kantonaler Turninspektor, liess eine neue Badeanlage erstellen. Er übertrug im März 1960 dem Bauunternehmer Julius Theler die Erd-, Maurer- und Betonarbeiten für das Sport- und das Kinderbecken und für die Thermal-Badegrotte, sowie die Kanalisationsarbeiten. Diese Arbeiten wurden in der Zeit vom Juni 1960 bis September 1961 ausgeführt. Der Unternehmer stellte Rechnungen im Gesamtbetrage von Fr. 220'090.10, woran der Bauherr Abschlagszahlungen von rund Fr. 170'000.-- leistete. Die Bezahlung des Saldos von Fr. 48'744.05 verweigerte er wegen mangelhafter Ausführung verschiedener Arbeiten. B.- Mit Klage vom 30. Dezember 1964 forderte Theler von Kalbermatten Bezahlung des Saldos von Fr. 48'744.05 nebst 5% Zins seit 26. April 1961. Diese Forderung setzte er in der Folge auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens auf Fr. 38'586.-- nebst Zins herab. BGE 93 II 317 S. 319 Der Beklagte anerkannte hieran Fr. 23'000.--, machte jedoch verrechnungs- und widerklageweise Gegenforderungen von Fr. 27'000.-- geltend, nämlich - Fr. 15'000.-- für Verdienstausfall, - Fr. 2'000.-- für Ersatz eines Schiebers, - Fr. 10'000.-- für Mehrarbeiten des Architekten. Demgemäss beantragte er, die Klage abzuweisen und die Widerklage im Betrage von Fr. 4'000.-- nebst 5% Zins ab Inkrafttreten des Urteils zu schützen. Ferner beantragte er, der Widerbeklagte sei zu verurteilen, auf seine Kosten das Sportbecken so umzugestalten, dass es die vertraglichen Ausmasse von 25 m Länge besitze. Diese Arbeiten seien während der Periode durchzuführen, während welcher die Badeanstalt geschlossen ist. Subsidiär stellte er das Begehren, der Widerbeklagte habe ihm als Entschädigung für die Nichteinhaltung der vertraglichen Ausmasse des Sportbeckens Fr. 30'000.-- nebst 5% Zins ab Rechtskraft des Urteils zu bezahlen. Der Kläger beantragte, die Widerklage abzuweisen. C.- Das Kantonsgericht des Kantons Wallis schützte nach Durchführung eines Beweisverfahrens (Zeugeneinvernahmen, Parteiverhör, Gutachten Sachverständiger) die Klage im aufrechterhaltenen Betrage von Fr. 38'586.-- nebst 5% Zins seit 26. April 1961; die Widerklage wies es ab. D.- Der Beklagte hat die Berufung an das Bundesgericht ergriffen. Gemäss seinen Berufungsbegehren anerkennt er nunmehr von der Hauptklage Fr. 35'886.--, erklärt aber diesen Betrag mit den aufrechterhaltenen Gegenforderungen von Fr. 15'000.-- für Verdienstausfall und Fr. 2'000.-- für den Ersatz eines Schiebers zu verrechnen, so dass sich der anerkannte Klageanspruch auf Fr. 18'886.-- vermindert. Ferner hält er an seinem Widerklagebegehren auf Umgestaltung des Sportbeckens und subsidiär an seiner Schadenersatzforderung von Fr. 30'000.-- fest; bei Gutheissung dieses subsidiären Begehrens wäre somit nach Verrechnung mit der restlichen Klageforderung von Fr. 18'886.-- die Widerklage im Betrage von Fr. 11,l 14.- zu schützen. Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen. BGE 93 II 317 S. 320 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. In erster Linie ist von Amtes wegen zu prüfen, ob der für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Streitwert von wenigstens Fr. 8'000.-- gegeben ist. Massgebend sind dabei nach Art. 46 OG die vor der letzten kantonalen Instanz noch streitigen Rechtsbegehren; Haupt- und Widerklage dürfen nach Art. 47 Abs. 2 OG nicht zusammengerechnet werden. Mit der Klage forderte der Kläger im massgebenden Zeitpunkt der Urteilsfällung der Vorinstanz noch Fr. 38'586.--; da der Beklagte schon im kantonalen Verfahren hieran Fr. 23'000.-- anerkannte, waren von der Klageforderung noch Fr. 15'586.-- streitig. Von den Gegenansprüchen von Fr. 27'000.--, die der Beklagte geltend machte, ist gemäss ständiger Rechtsprechung der vom Beklagten anerkannte Hauptklagebetrag von Fr. 23'000.-- abzuziehen; als Gegenstand der Widerklage kommen somit nur noch Fr. 4'000.-- in Betracht (vgl. hiezuBGE 41 II 320f.; nicht veröffentlichte Entscheide der I. Zivilabteilung vom 31. März 1952 i.S. Kobelt gegen Bütikofer, vom 7. Oktober 1952 i.S. Zanchi gegen Wullschleger, Erw. 2, und vom 14. Januar 1958 i.S. Faust gegen Maduz). Der Beklagte hat jedoch mit der Widerklage auch noch verlangt, dass der Kläger zur Umgestaltung des Sport-Schwimmbeckens verurteilt werde. Diese Arbeit würde nach der Schätzung der Vorinstanz ungefähr Fr. 30'000.-- kosten, und auf diesen Betrag hat der Beklagte auch seinen subsidiär geltend gemachten Schadenersatzanspruch beziffert. Der Streitwert der Widerklage belief sich somit auf insgesamt rund Fr. 34'000.--. Der Berufungsstreitwert ist also für die Hauptklage wie für die Widerklage gegeben. Daher ist belanglos, ob sich Haupt- und Widerklage gegenseitig ausschliessen oder nicht; das wäre nach Art. 47 Abs. 3 OG nur von Bedeutung, wenn die eine von ihnen den Berufungsstreitwert nicht erreichen würde. Ebenso kommt für die Frage der Zulässigkeit der Berufung nichts darauf an, dass der Beklagte vor Bundesgericht einen höheren Teil der Hauptklageforderung anerkennt und seine Gegenforderungen herabgesetzt hat. 2. Der Beklagte beantragt, den von der Vorinstanz dem Kläger zugesprochenen Betrag von Fr. 38'586.-- um Fr. 2'700.-- herabzusetzen. BGE 93 II 317 S. 321 a) Diesem Begehren liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Betonboden des Sportbeckens hatte sich stellenweise gesenkt. Der bauleitende Architekt ordnete daher an, es seien zur Verdichtung des Untergrundes Beton-Injektionen vorzunehmen. Diese Arbeit wurde vom Kläger ausgeführt. Dabei wurde der unter dem Sportbecken verlaufende Hauptablaufstrang durch Injektionsgut (flüssigen Zementmörtel) teilweise verstopft und musste deshalb nachträglich freigelegt und ersetzt werden. b) Die Vorinstanz hat den dem Beklagten aus der nicht fachgerechten Ausführung der Injektionsarbeiten erwachsenen Schaden auf Fr. 4'000.-- festgesetzt. Sie hat jedoch den Kläger nur für einen Drittel dieses Schadens ersatzpflichtig erklärt, da die Verantwortlichkeit für die andern zwei Drittel den Architekten treffe, der es unterlassen habe, die zur Verhütung von Schäden an der Ablaufleitung erforderlichen Massnahmen anzuordnen. Eine solidarische Haftung des Klägers für den vom Architekten zu verantwortenden Schadensanteil hat die Vorinstanz unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts ( BGE 89 II 122 f.) mit der Begründung abgelehnt, das mitwirkende Verschulden des Architekten lasse dasjenige des Klägers als gemildert erscheinen. c) Der Beklagte hat sich mit der Festsetzung der Schadenshöhe auf Fr. 4'000.-- abgefunden; er beanstandet auch die Aufteilung der Verantwortlichkeit zwischen dem Architekten und dem Unternehmer nicht. Mit der Berufung wendet er sich lediglich dagegen, dass die Vorinstanz eine solidarische Haftung des Unternehmers (d.h. des Klägers) für den zulasten des Architekten gehenden Anteil von Fr. 2'700.-- abgelehnt hat; er rügt, die Vorinstanz habe die von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze unrichtig angewendet. Das mitwirkende Verschulden des Architekten könne nicht zu einer Verminderung der Haftung des Klägers führen, der sich selber anerboten habe, eine seine beruflichen Fähigkeiten übersteigende Arbeit auszuführen. d) Der Kläger wendet ein, auf dieses Berufungsbegehren könne mangels einer rechtsgenüglichen Begründung nicht eingetreten werden. Diese Auffassung trifft nicht zu. Aus der Berufungsschrift geht unmissverständlich hervor, dass und warum nach der Ansicht des Beklagten die Vorinstanz die bundesrechtlichen Bestimmungen über die Solidarität unrichtig BGE 93 II 317 S. 322 angewendet hat. Damit ist der Vorschrift von Art. 55 Abs. 1 lit. c OG genügt. Dass die Berufungsschrift die Gesetzesartikel, welche die Solidarität betreffen, nicht ausdrücklich nennt, schadet nicht ( BGE 87 II 306 Erw. 1). e) Der streitige Schaden ist darauf zurückzuführen, dass sowohl der Kläger (Unternehmer), als auch der Architekt (Bauleiter) ihre vertraglichen Sorgfaltspflichten gegenüber dem Beklagten (Bauherrn) verletzt haben. Ein gemeinsames Verschulden, das ihre passive Solidarität im Sinne von Art. 50 bzw. Art. 143 OR begründen würde, fällt ihnen jedoch nicht zur Last. Es liegt somit ein Fall sog. unechter Solidarität oder Anspruchskonkurrenz gemäss Art. 51 OR vor (OSER/SCHÖNENBERGER, Art. 51 OR N. 4; BGE 93 II 313 , Erw. 1). Gleich wie bei echter Solidarität wird auch bei blosser Anspruchskonkurrenz die Haftung eines Schädigers gegenüber dem Geschädigten grundsätzlich nicht dadurch vermindert, dass für den gleichen Schaden auch noch ein Dritter einzustehen hat. Jeder der beiden Verantwortlichen haftet dem Geschädigten für den ganzen Schaden. Diese gesetzliche Regelung will dem Geschädigten eine möglichst vollständige Befriedigung für seinen Anspruch sichern. Solidarität bedeutet in jeder Form Stärkung der Stellung des Gläubigers. Dieser kann jeden Schuldner für die volle Forderung belangen, wobei er in der Auswahl des Prozessgegners freie Hand hat. Wie im Innenverhältnis die Zahlungspflicht auf die einzelnen Schuldner zu verteilen sei, berührt ihn nicht. Der belangte Schuldner kann ihm daher in der Regel nicht entgegenhalten, es hafte auch noch ein Dritter für den gleichen Schaden. Dieser Grundsatz erfährt ausnahmsweise dann eine Einschränkung, wenn der vom Dritten zu verantwortende Haftungsgrund den rechtserheblichen Kausalzusammenhang zwischen der Handlung des Belangten und dem Schaden unterbricht, oder wenn das mitwirkende Verschulden des Dritten dasjenige des Belangten als gemindert erscheinen lässt ( BGE 89 II 122 Erw. 5 und dort erwähnte Entscheide). aa) Eine Haftungsverminderung wegen Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhanges scheidet im vorliegenden Falle von vornherein aus. Unmittelbare Schadenursache waren die vom Kläger vorgenommenen Beton-Injektionen in den Untergrund des Sportbeckens, bei denen wegen Unterlassung jeder Vorsichtsmassnahme das Abflussrohr des Beckens verstopft BGE 93 II 317 S. 323 wurde. Der Fehler des Architekten, diese Injektionen anzuordnen, ohne dem Kläger genaue Weisungen für ihre Durchführung zu geben, war nicht geeignet, sich derart zwischen die vom Kläger gesetzte Ursache und den eingetretenen Erfolg einzuschieben, dass jener die Rechtserheblichkeit abzusprechen wäre. bb) Eine Haftungsbeschränkung wegen mitwirkenden Drittverschuldens darf nur mit grosser Zurückhaltung angenommen werden, da sonst der Schutz des Geschädigten, den die Solidarhaftung mehrerer Schuldner ihrem Wesen nach anstrebt, weitgehend illusorisch gemacht würde. Den schutzwürdigen Interessen des belangten Schuldners trägt die Einräumung des Rückgriffsrechtes im internen Verhältnis der mehreren Schuldner genügend Rechnung. Die Möglichkeit, dass wegen Zahlungsunfähigkeit des andern Schuldners der Rückgriff ergebnislos bleibt, darf nicht als Grund für eine Beschränkung der Haftung des belangten Schuldners in Betracht gezogen werden; denn es wäre noch ungerechter, wenn statt eines der mehreren Schadensstifter der Geschädigte einen Verlust auf sich nehmen müsste ( BGE 89 II 123 , BGE 66 II 121 Erw. 5). Das Bundesgericht hat denn auch eine Haftungsbeschränkung aus diesem Grunde nur in seltenen Fällen, beim Vorliegen ganz besonderer Umstände, eintreten lassen ( BGE 59 II 43 f., 369 f.; vgl. fernerBGE 64 II 307). In allen übrigen vom Bundesgericht beurteilten Fällen wurde eine solche Haftungsbeschränkung in den Erwägungen zwar als theoretisch möglich erwähnt, aber stets abgelehnt ( BGE 41 II 228 , BGE 55 II 88 , BGE 60 II 155 , BGE 66 II 118 f., BGE 89 II 123 ). Ob es sich unter diesen Umständen überhaupt rechtfertige, an der Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung festzuhalten, kann jedoch offen bleiben. Denn im vorliegenden Falle ist eine solche entgegen der Auffassung der Vorinstanz selbst auf Grund der bisherigen Rechtsprechung abzulehnen. Der Kläger hat sich selber anerboten, die Injektionsarbeiten auszuführen; er hatte solche, ohne eigentlicher Fachmann dafür zu sein, schon andernorts ausgeführt und wusste, dass es sich um eine heikle Arbeit handle. Trotzdem begnügte er sich mit der ihm von der Bauleitung bloss mündlich erteilten allgemeinen Weisung, den Baugrund unter dem Sportbecken durch Beton-Injektionen zu verdichten. Er wusste auch, dass unter dem Sportbecken die Abflussleitung verlief, da er diese selber angelegt hatte, und ebenso war ihm bekannt, dass der Verlauf BGE 93 II 317 S. 324 dieser Leitung nicht mit den Plänen übereinstimmte, da sie wegen eines Felsens hatte verlegt werden müssen. Er führte die Injektionsarbeiten aus, ohne irgendwelche Schutzmassnahmen gegen die Gefahr zu treffen, dass das eingespritzte flüssige Betongemisch in die Abflussleitung geraten und diese verstopfen könnte; insbesondere unterliess er es, durch ständiges Durchspülen der Leitung eine Verstopfung zu verhüten. Es trifft ihn daher am eingetretenen Schaden ein erhebliches Verschulden, weil er eine Arbeit übernahm, die seine beruflichen Fähigkeiten überstieg, und bei ihrer Ausführung in verschiedener Hinsicht fehlerhaft vorging. Dieses Verschulden wird keineswegs dadurch gemildert, dass auch dem Architekten ein Verschulden zur Last fällt, weil er dem Kläger die Arbeit übertrug, ohne ihm genaue Anweisungen zu geben und ihre Durchführung zu überwachen. Da der Kläger sich für diese Arbeit selber anerboten hatte, durfte er davon ausgehen, dieser verfüge über die erforderlichen Kenntnisse. Es liegen somit keine besonderen Umstände vor, die es rechtfertigen würden, vom Grundsatz abzuweichen, wonach der Kläger als Solidarschuldner dem Beklagten für den eingetretenen Schaden von Fr. 4'000.-- im vollen Umfang haftet. Inwieweit er auf den Architekten Rückgriff nehmen kann, ist als Frage des internen Verhältnisses zwischen den Solidarschuldnern im vorliegenden Verfahren, an dem der Architekt nicht beteiligt ist, nicht zu entscheiden. Die von der Vorinstanz vorgenommene Kürzung des Anspruchs des Beklagten um Fr. 2'700.-- ist daher unbegründet. Das hat zur Folge, dass sich der Anspruch des Klägers von Fr. 38'586.-- auf Fr. 35'886.-- vermindert. 3. (Nichteintreten auf die Gegenforderung von Fr. 2'000.-- für den Ersatz eines Schiebers; Abweisung der Gegenforderung von Fr. 15'000 für Verdienstausfall.) 4. a) Der Beklagte hat mit der Widerklage weiter beantragt, der Kläger sei zu verpflichten, das Sportbecken auf seine Kosten so umzugestalten, dass es die vertraglich vereinbarte Länge von 25 m aufweise; für den Fall der Abweisung dieses Begehrens hat er subsidiär Schadenersatzansprüche von Fr. 30'000.-- geltend gemacht. Die Vorinstanz hat sowohl das Haupt- wie das Eventualbegehren abgewiesen. Nach ihren verbindlichen Feststellungen hat das Sportbecken zwar nicht die vereinbarte Länge von BGE 93 II 317 S. 325 25 m, sondern es ist um 5,5 bis 8 cm kürzer. Die Vorinstanz ist jedoch zum Schluss gelangt, es müsse die Betriebsbestimmung und die wirtschaftliche Nutzung der Gesamtanlage mitberücksichtigt werden, und so betrachtet beeinträchtige der geringfügige Längenunterschied die Brauchbarkeit des Sportbeckens nicht. Dem Beklagten sei weder in der Vergangenheit daraus ein Schaden erwachsen, noch sei für die Zukunft mit einem solchen zu rechnen. Der Beklagte könne daher weder die unentgeltliche Verbesserung des Werkes gemäss Art. 368 Abs. 2 OR verlangen, die schätzungsweise Fr. 30'000.-- kosten würde, noch habe er Anspruch auf Herabsetzung des Werklohnes wegen Minderwerts des Werkes oder auf Schadenersatz. b) Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Für die Beurteilung des streitigen Begehrens ist nicht von Art. 368 OR auszugehen; denn die Parteien haben, wie die Vorinstanz selber feststellt, einen besonderen Vertrag auf Grund der vom Kläger eingereichten Offerte abgeschlossen. Die somit massgebende Offerteingabe des Klägers verweist zunächst in Ziff. 1 der "Allgemeinen Bestimmungen" auf die "Allgemeinen Bedingungen für die Ausführung von Hocharbeiten des SIA". Damit sind die vom SIA herausgegebenen "Normalien für die Ausführung von Bauarbeiten" (Ausgabe 1948) gemeint. Diese bestimmen in Art. 26 der "Allgemeinen Bedingungen für Bauarbeiten" unter dem Titel "Haftung für Mängel" in Abs. 1: "Der Unternehmer haftet gemäss Bauvertrag und Gesetz für sorgfältige Ausführung des Werkes... sowie für die Erfüllung der zugesicherten Eigenschaften und für die Tauglichkeit zu dem im Vertrag vorausgesetzten Gebrauch." Bei Mängeln hat nach Art. 27 Abs. 3 der Bauherr dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Behebung anzusetzen; kommt der Unternehmer seiner Verbesserungspflicht nicht nach, so ist nach Art. 27 Abs. 4 der Bauherr berechtigt, "einen dem Minderwert des Werkes entsprechenden Abzug an der Abrechnungssumme zu machen oder, sofern es dem Unternehmer nicht übermässige Kosten verursacht, auf seinem Verbesserungsanspruch zu beharren oder unter Vorbehalt von Art. 368 Abs. 3 OR die Annahme zu verweigern, alles vorbehältlich des Anspruchs auf Schadenersatz bei Verschulden". Ziff. 12 der Allgemeinen Bestimmungen der Offerteingabe sagt dann aber: BGE 93 II 317 S. 326 "Bei der Ausführung von Maurer- und Eisenbetonarbeiten gewährt die Bauleitung dem Unternehmer eine Toleranz von höchstens 1 cm. Abweichen von den Planangaben über dieses Mass hinaus muss auf Verlangen der Bauführung unverzüglich vom Unternehmer auf eigene Kosten abgeändert werden." Damit haben die Parteien für die Ansprüche des Bauherrn bei Massmängeln eine besondere Regelung vorgesehen, die sowohl von der gesetzlichen als auch von der in Art. 26/27 der SIA-Bedingungen vorgesehenen Ordnung abweicht, was nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zulässig war ( BGE 89 II 235 Erw. 4). Nach dieser klaren Vertragsbestimmung kann der Bauherr bei einer Überschreitung der Toleranzgrenze, wie sie hier vorliegt, vom Unternehmer vorbehaltlos die Verbesserung des Mangels auf eigene Kosten verlangen. Nach dem Grundsatz, dass Verträge zu halten sind, ist der Kläger daher verpflichtet, die erforderliche Abänderung des Sportbeckens vorzunehmen. Wie hoch die Kosten dieser Abänderung sind, ist unerheblich, und ebenso braucht der Beklagte keinen Schaden infolge der nicht vertragsgemässen Ausführung des Werkes nachzuweisen. c) Dem Begehren auf Herstellung des vertragsgemässen Zustandes wäre der Schutz nur zu versagen, wenn es als offenbarer Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 ZGB erschiene und darum gegen das Gebot zum Handeln nach Treu und Glauben verstiesse. Das ist jedoch nicht der Fall, da der Beklagte für sein Beharren auf richtiger Vertragserfüllung stichhaltige Gründe geltend machen kann. Er hat die Beckenlänge von genau 25 m ausbedungen, um das Becken für sportliche Wettkämpfe oder wenigstens für Trainingsschwimmen für solche verwenden zu können. Das ist aber nur möglich, wenn das Schwimmbecken genau 25, 331/3 oder 50 m misst; auch für blosse Trainingsschwimmen sind zu kurze Becken höchst unangenehm, weil sie keine brauchbaren Zeitmessungen erlauben. Die Vorinstanz hält es für unwahrscheinlich, dass der Beklagte überhaupt ernstlich beabsichtigt habe, sportliche Veranstaltungen dieser Art durchzuführen, weil sie den Gesamtbetrieb der Anlage in hohem Masse stören würden und darum unwirtschaftlich wären. Diese auf blossen Vermutungen beruhende Auffassung wird aber schon dadurch widerlegt, dass der Beklagte erhebliche Mehrkosten für Felssprengungen BGE 93 II 317 S. 327 usw. in Kauf nahm, um ein den reglementarischen Massvorschriften entsprechendes Becken zu erhalten. Zudem pflegen Amateur-Sportschwimmer ihr Training in die Zeit vor oder nach ihrer Berufsarbeit, also ausserhalb des gewöhnlichen Badebetriebes, zu verlegen, und durch die Zuleitung warmen Wassers aus der Thermalquelle könnten Trainingsschwimmen auch ausserhalb der Badesaison, namentlich in den Monaten Mai und Oktober, veranstaltet werden. Im übrigen muss es dem Beklagten anheimgestellt bleiben, ob er eine allfällige Störung des gewöhnlichen Badebetriebes durch sportliche Veranstaltungen in Kauf nehmen will oder nicht. Dass der Beklagte bis jetzt auf die Durchführung solcher Veranstaltungen verzichtet hat, ist verständlich, weil eine Anerkennung des Schwimmbeckens von vornherein ausgeschlossen war. Aus dem Verzicht des Beklagten auf ihre Durchführung lässt sich daher entgegen der Meinung der Vorinstanz nichts ableiten. d) Der Kläger ist somit in Gutheissung des Hauptbegehrens des Beklagten zu verpflichten, auf seine Kosten das Sport-Schwimmbecken so umzugestalten, dass es das vertragliche Ausmass von 25 m Länge aufweist (mit einer Toleranz von ± 1 cm für den Beton, die bei den Beendigungsarbeiten, wie Anbringung der Plättchen, leicht ausgeglichen werden kann). Inwieweit ihm für die dadurch verursachten Kosten ein Rückgriff auf die Bauleitung zusteht, bildet wiederum nicht Gegenstand des vorliegenden Prozesses. Die für die Umgestaltung erforderlichen Arbeiten sind gemäss dem Begehren des Beklagten ausserhalb der normalen Badesaison auszuführen. Um jeder Meinungsverschiedenheit der Parteien in dieser Hinsicht vorzubeugen, ist im Urteilsdispositiv anzuordnen, dass die Umgestaltungsarbeiten bis zum 30. April 1968 ausgeführt werden müssen. Da das Hauptbegehren auf Herstellung des vertragsgemässen Zustandes geschützt wird, ist das bloss subsidiär gestellte Begehren auf Leistung von Schadenersatz wegen Nichteinhaltung der vertraglichen Ausmasse gegenstandslos. 5. Nach Art. 25 Abs. 4 der auf den vorliegenden Werkvertrag anwendbaren Normalien des SIA ist das nach Abzug der geleisteten Abzahlungen verbleibende Restguthaben spätestens ein Monat nach beidseitiger Anerkennung der Schlussabrechnung fällig; bestehen Differenzen über die Abrechnung, BGE 93 II 317 S. 328 so ist das Restguthaben bis auf den bestrittenen Betrag auszuzahlen und letzterer, soweit er nachträglich als berechtigt befunden wird, zu verzinsen. Nach diesen Vorschriften kann also der Bauherr, soweit er den Werklohn im Zeitpunkt der Feststellung der Mängel noch nicht bezahlt hat, den zur Behebung der Mängel erforderlichen Betrag zurückbehalten ( BGE 89 II 237 ). Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz die Kosten der notwendigen Umgestaltungsarbeiten gestützt auf eine approximative Schätzung des Sachverständigen Widmer auf Fr. 30'000.-- veranschlagt, d.h. auf einen Betrag in ungefähr gleicher Grössenordnung wie das Restguthaben des Klägers von Fr. 35'886.--. Der Beklagte war somit befugt, die Bezahlung des Restguthabens zur Sicherung seines Anspruchs auf Lieferung eines vertragskonformen Werkes zu verweigern. Selbst wenn die Umgestaltungskosten in Wirklichkeit geringer ausfallen sollten, ist auf der Differenz gleichwohl kein Verzugszins geschuldet, da das Werk den getroffenen Vereinbarungen nicht entsprach und eine vertragsgemässe Lieferung noch nicht erfolgt ist. Das Restguthaben des Klägers von Fr. 35'886.-- ist daher erst ein Monat nach Abschluss der Umgestaltungsarbeiten mit 5% zu verzinsen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- In teilweiser Gutheissung der Berufung wird das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis vom 8./9. Februar 1967 aufgehoben, und es wird erkannt: a) Der Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger Fr. 35'886.-- zu bezahlen; dieser Betrag ist nach Ablauf von 30 Tagen seit der Abnahme der in nachfolgender lit. b aufgeführten Arbeiten mit 5% zu verzinsen. b) Der Kläger wird verpflichtet, auf seine Kosten das Sport-Schwimmbecken des Beklagten so umzugestalten, dass es das vertragliche Ausmass von 25 m Länge (mit einer Toleranz von ± 1 cm für den Beton) aufweist; diese Arbeiten müssen bis zum 30. April 1968 ausgeführt werden. 2.- Die weitergehenden Berufungsbegehren werden abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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95dc2dce-872e-45e0-a940-9aa9d74faeea
Urteilskopf 110 II 484 91. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1984 i.S. X. gegen Bank Y. (Berufung)
Regeste Bürgschaft. Internationales Privatrecht. 1. Formerfordernisse. Rechtswahl; Zulässigkeit der alternativen Anknüpfung an die Formvorschriften des Abschlussorts (E. 1). 2. Zustimmung des Ehegatten. Beurteilung nach Bürgschaftsstatut oder nach Heimatrecht? (Frage offen gelassen; E. 2).
Sachverhalt ab Seite 484 BGE 110 II 484 S. 484 A.- X., Wirtschaftsprüfer in Frankfurt a.M. unterzeichnete dort am 16. Oktober 1979 gegenüber der Bank Y., Basel, eine Erklärung, mit welcher er die Solidarbürgschaft für alle Forderungen der Bank aus bestehenden oder künftigen Krediten an Z., USA, bis zum Höchstbetrag von US-Dollar 114'411.66 zuzüglich Zins und Kosten übernahm. Das dabei verwendete bankeigene Formular erklärt unter Ziffer 9 für alle Streitigkeiten das schweizerische Recht als anwendbar und den Gerichtsstand Basel-Stadt als massgeblich. B.- Am 19. November 1981 erhob die Bank beim Zivilgericht Basel-Stadt gegen X. Klage auf Zahlung des Bürgschaftsbetrags nebst 19% Zins seit 27. Oktober 1980. Der Beklagte wendete ein, dass die Bürgschaft den Formerfordernissen des anwendbaren schweizerischen Rechts nicht genüge und dass überdies die Hauptschuld längst beglichen sei. Das Zivilgericht hiess die Klage am 31. Mai 1983 für US-Dollar 114'411.66 nebst 7% Zins seit 27. Oktober 1980 gut; das Appellationsgericht verwarf am 23. März 1984 eine Berufung des Beklagten und erhöhte auf Anschlussberufung des Klägers den Zins auf 15% seit 27. Oktober 1980. C.- Der Beklagte hat gegen das Urteil des Appellationsgerichts Berufung erhoben mit dem Antrag, es aufzuheben und die BGE 110 II 484 S. 485 Klage abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beklagte macht geltend, seine Bürgschaftserklärung unterstehe schweizerischem Recht und sei mangels öffentlicher Beurkundung ungültig. Nach dem angefochtenen Urteil besagt indes die Rechtswahl der Parteien nicht, dass auch für die Form ausschliesslich schweizerisches Recht anwendbar sei. Nach Lehre und Rechtsprechung gelte auch hier der Grundsatz des favor negotii, wonach es genüge, dass die Formvorschriften entweder des Vertragsstatuts oder des Abschlussorts erfüllt seien. Anders verhalte es sich allenfalls, wenn die Parteien ausdrücklich oder erkennbar auch für die Form ein bestimmtes Recht anwendbar erklärt hätten, etwa zum Schutz einer Partei, doch sei das hier nicht geschehen und auch nicht dargetan, dass der Beklagte des besonderen Schutzes der schweizerischen Formvorschriften bedurft hätte. a) Nach Ansicht des Beklagten erstreckt sich die Rechtswahl grundsätzlich auch auf die Vertragsform. Eine eindeutige und ausnahmslose Rechtswahl lasse anders als das objektive Vertragsstatut keine alternative Anknüpfung an den Abschlussort zu. Für eine stillschweigende Abweichung der Parteien von ihrer Rechtswahl bestünden vorliegend keine Anhaltspunkte. Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre genügt die Wahrung der Formvorschriften des Abschlussorts unbekümmert darum, ob materiell ein objektiv ermitteltes oder ein von den Parteien vereinbartes Vertragsstatut gilt, sofern nicht zwingende Gründe der öffentlichen Ordnung die ausschliessliche Anknüpfung an das Vertragsstatut gebieten ( BGE 110 II 159 E. 2c mit Hinweisen; VISCHER, Internationales Privatrecht, in Schweiz. Privatrecht I S. 683, ebenso VISCHER/VON PLANTA, Internationales Privatrecht, S. 189; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung N. 107, 169 ff.; DUTOIT/KNOEPFLER/LALIVE/MERCIER, Répertoire de droit international privé suisse, Bd. 1, S. 42; GIOVANOLI, N. 8, Vorbemerkungen zu Art. 492-512 OR ). Unerheblich sind demgegenüber Betrachtungen über das Fehlen oder Vorliegen eines besonderen Schutzbedürfnisses des Beklagten, zumal die Formvorschrift des Art. 493 OR nicht um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellt worden ist (BGE 93 II BGE 110 II 484 S. 486 383 f.; vgl. auch BGE 110 II 160 ). Wenn die Formen des Abschlussorts als ausreichend betrachtet werden, ist dies eine Erleichterung aus praktischen Gründen und unabhängig davon, ob es sich um mildere Formen handelt (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung, N. 170). b) Verfehlt ist der Versuch des Beklagten, als Abschlussort Basel geltend zu machen. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz ist beim Vertragsschluss unter Abwesenden auf das Recht des Ortes abzustellen, wo die entsprechende Erklärung, insbesondere die Bürgschaftserklärung, abgegeben wurde (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung, N. 128, 186 und 314; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl., S. 100; vgl. auch VISCHER/VON PLANTA, S. 190). Die Bürgschaftserklärung des Beklagten ist nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz in Frankfurt ausgestellt worden. c) Das Appellationsgericht stellt fest, dass nach dem somit massgebenden deutschen Recht einfache Schriftlichkeit der Bürgschaftsverpflichtung genügt und dass es dabei auch keiner zahlenmässigen Angabe eines Höchstbetrags bedarf. Das wird mit der Berufung nicht bestritten und könnte vom Bundesgericht auch nicht überprüft werden ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ). Die Bürgschaftsverpflichtung erweist sich daher als formgültig, ohne dass entschieden zu werden braucht, welche Bedeutung der unbezifferten Nennung von Zinsen und Kosten in der Bürgschaftsurkunde nach schweizerischem Recht zukäme. 2. Der Beklagte beruft sich sodann auch insoweit auf schweizerisches Recht, als er Ungültigkeit seiner Bürgschaftsverpflichtung infolge fehlender Zustimmung seiner Ehefrau geltend macht ( Art. 494 OR ). Das Appellationsgericht nimmt an, es handle sich dabei nicht um ein Formerfordernis, sondern um eine Beschränkung der Handlungs- bzw. Geschäftsfähigkeit, die sich nach Heimatrecht beurteile. Das führe wie die Analogie zu den Formvorschriften zum deutschen Recht, das eine solche Vorschrift nicht kenne. a) Für den Beklagten geht es nicht um eine Frage der Form, sondern der Voraussetzungen einer Bürgschaft, die nach dem Bürgschaftsstatut und nicht nach der Staatsangehörigkeit zu beurteilen sei. Er kann sich dafür auf die Meinung GIOVANOLIS berufen, der das Zustimmungserfordernis dem Bürgschaftsstatut unterstellen will (N. 11, Vorbemerkungen zu Art. 494-512 OR ), obschon auch er darin eine Beschränkung der Geschäfts- bzw. Handlungsfähigkeit erblickt (N. 3 zu Art. 494 OR ). Letzterem ist beizupflichten BGE 110 II 484 S. 487 (vgl. auch SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung, N. 181 und 315; SCYBOZ, Garantievertrag und Bürgschaft, in Schweiz. Privatrecht VII/2, S. 392 f.; BGE 79 II 84 ). Das führt nach allgemeiner Regel zur Anwendung des Heimatrechts (VISCHER/VON PLANTA S. 53; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung, N. 141; vgl. auch BGE 88 II 1 ff. und BGE 99 II 241 ff. zu Art. 177 Abs. 3 ZGB ). Art. 33 des Entwurfs zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht bringt als bewusste Neuerung das Recht des Wohnsitzes (Botschaft BBl 1983 I, S. 332). Im übrigen möchte auch GIOVANOLI Bedenken gegen seine Lösung dadurch Rechnung tragen, dass er Analogie zur Anknüpfung für die Formvorschriften vorschlägt (N. 12, Vorbemerkungen zu Art. 492-512 OR ). Das führt wie die vorherrschende Meinung hier wiederum zum deutschen Recht. Es ist unbestritten und verbindlich festgestellt, dass dieses ein solches Erfordernis nicht kennt. Eine abschliessende Stellungnahme erübrigt sich indes. b) Nach dem angefochtenen Urteil bedürfte der Beklagte auch dann nicht der Zustimmung seiner Ehefrau, wenn schweizerisches Recht anwendbar wäre, weil ihm Kaufmannseigenschaft zukomme und er deshalb wie eine im Handelsregister eingetragene Person zu behandeln wäre. Nach dem erstinstanzlichen Urteil, auf welches das Appellationsgericht verweist, steht nämlich fest, dass der Beklagte als Mitglied des Aufsichtsrats, Beirats, Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung einer Vielzahl von ausländischen Gesellschaften wirkte. Was der Beklagte in der Berufung dagegen vorbringt, bezieht sich teils auf tatsächliche Verhältnisse, teils auf Gegebenheiten des deutschen Rechts; beides ist nicht statthaft ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ). Es ist daher davon auszugehen, dass der Beklagte in einer Art tätig ist, welche in der Schweiz zu einem Handelsregistereintrag im Sinne von Art. 494 Abs. 2 OR führen würde. Die Einwendungen gegen die Gültigkeit der Bürgschaftserklärung erweisen sich daher als unzutreffend, soweit sie als schweizerisches Recht überprüfbar sind.
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95e9c102-623f-4800-817f-03dab94a4c76
Urteilskopf 122 V 270 40. Auszug aus dem Urteil vom 17. Juli 1996 i.S. D. AG gegen Kantonale Arbeitslosenkasse Nidwalden und Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden
Regeste Art. 31 Abs. 3 lit. c, Art. 95 Abs. 1 und 4 AVIG : Rückforderung der dem mitarbeitenden Verwaltungsratsmitglied einer AG zu Unrecht ausbezahlten Kurzarbeitsentschädigung; Verwirkung. - Zurückkommen auf die rechtskräftige Leistungszusprechung im Rahmen der Wiedererwägung. - Die einjährige relative Verwirkungsfrist des Art. 95 Abs. 4 AVIG beginnt in jenem Zeitpunkt zu laufen, in welchem die Arbeitslosenkasse zumutbarerweise Kenntnis vom rückforderungsbegründenden Sachverhalt haben konnte. Aufgrund der Publizitätswirkung des Handelsregisters, aus welchem die Verwaltungsratsstellung ersichtlich ist, muss sich die Arbeitslosenkasse die den Entschädigungsanspruch ausschliessende Mitgliedschaft des Arbeitnehmers im Verwaltungsrat von Anfang an entgegenhalten lassen. Eines zweiten Anlasses für den Beginn der Frist im Sinne von BGE 110 V 306 f. Erw. 2b bedarf es nicht.
Erwägungen ab Seite 271 BGE 122 V 270 S. 271 Aus den Erwägungen: 2. Nach Art. 95 Abs. 1 AVIG muss die Kasse Leistungen der Versicherung, auf die der Empfänger keinen Anspruch hatte zurückfordern. Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist ( BGE 119 V 183 Erw. 3a, 477 Erw. 1, je mit Hinweisen). BGE 122 V 270 S. 272 Von der Wiedererwägung ist die prozessuale Revision von Verwaltungsverfügungen zu unterscheiden. Danach ist die Verwaltung verpflichtet, auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn neue Tatsachen oder neue Beweismittel entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer andern rechtlichen Beurteilung zu führen ( BGE 119 V 184 Erw. 3a, 477 Erw. 1a, je mit Hinweisen). Die für die Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen massgebenden Voraussetzungen gelten auch mit Bezug auf die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung gemäss Art. 95 AVIG ( BGE 110 V 179 Erw. 2a mit Hinweisen; SVR 1995 ALV Nr. 53 S. 162 Erw. 3a). 3. Laut Art. 31 Abs. 1 AVIG haben Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn sie bestimmte, in lit. a-d näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen. Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben gemäss Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG u.a. Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten. Nach der Rechtsprechung ( BGE 113 V 74 ) ist der Ausschluss der in Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG genannten Personen vom Entschädigungsanspruch absolut zu verstehen. Wie in BGE 120 V 523 Erw. 1 unter Bezugnahme auf GERHARDS, Kommentar zum AVIG, Bd. I, N. 43 zu Art. 31, dargelegt wurde, steht hinter dieser Regelung der Gedanke der Verhütung von Missbräuchen (Selbstausstellung von für die Kurzarbeitsentschädigung notwendigen Bescheinigungen, Gefälligkeitsbescheinigungen, Unkontrollierbarkeit des tatsächlichen Arbeitsausfalls, Mitbestimmung oder Mitverantwortung bei der Einführung von Kurzarbeit u.ä., vor allem bei Arbeitnehmern mit Gesellschafts- oder sonstiger Kapitalbeteiligung in Leitungsfunktion des Betriebes). Nach der Rechtsprechung muss bei Arbeitnehmern, bei denen sich aufgrund ihrer Mitwirkung im Betrieb die Frage stellt, ob sie einem obersten betrieblichen Entscheidungsgremium angehören und ob sie in dieser Eigenschaft massgeblich Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen nehmen können, jeweils geprüft werden, welche Entscheidungsbefugnisse ihnen aufgrund der internen betrieblichen Struktur zukommen. Es ist nicht zulässig, Angestellte in leitenden Funktionen allein deswegen generell vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung auszuschliessen, weil sie für einen BGE 122 V 270 S. 273 Betrieb zeichnungsberechtigt und im Handelsregister eingetragen sind ( BGE 120 V 525 f. Erw. 3b). Amtet ein Arbeitnehmer dagegen als Verwaltungsrat, so ist eine massgebliche Entscheidungsbefugnis im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG ex lege gegeben. Denn es gehört nach dem Obligationenrecht (Art. 716-716b) begriffsnotwendigerweise zum Wesen eines Verwaltungsrates, dass er auf die Entscheidfindung der Aktiengesellschaft massgeblichen Einfluss hat, und sei es auch bloss in Form der Oberleitung oder der Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen ( Art. 716a Abs. 1 Ziff. 1 und 5 OR ). Handelt es sich somit um einen mitarbeitenden Verwaltungsrat, so greift der persönliche Ausschlussgrund des Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG ohne weiteres Platz, und es bedarf diesfalls keiner weiteren Abklärungen im Sinne von BGE 120 V 525 f. Erw. 3b (unveröffentlichte Urteile A. SA vom 13. Februar 1995 und C. vom 28. Oktober 1994). Die Ausrichtung von Kurzarbeitsentschädigung im vorliegenden Fall steht demzufolge in klarem Widerspruch zur gesetzlichen Regelung, womit die erste Voraussetzung für die streitige Rückforderung erfüllt ist. 4. Damit ist gleichzeitig auch die Frage nach dem erforderlichen Titel für das Zurückkommen auf die im Voranmeldungsverfahren bewilligte Kurzarbeit und die im Anschluss daran faktisch rechtskräftig verfügten (abgerechneten und ausbezahlten) Entschädigungen beantwortet: Zwar fällt eine prozessuale Revision der rechtskräftigen Leistungszusprechung ausser Betracht, weil die Verwaltungsratsstellung von K. jun. publik war, da die Namen der Verwaltungsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft aus dem Handelsregister hervorgehen ( Art. 641 Ziff. 9 OR ; HIS, Berner Kommentar, N 22 zu Art. 929 OR ); aus diesem Grund kann nicht von einer unverschuldeterweise unbekannt gebliebenen neuen Tatsache gesprochen werden, was nach der Rechtsprechung Voraussetzung für die Anerkennung ihrer revisionserheblichen Rechtsnatur ist ( BGE 108 V 168 Erw. 2b mit Hinweis). Dagegen ist die Wiedererwägungsvoraussetzung der zweifellosen Unrichtigkeit der Zusprechung von Kurzarbeitsentschädigung gegeben; denn es war in Anbetracht der Verwaltungsratsstellung von K. jun. aufgrund von Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG materiellrechtlich zweifelsfrei unbegründet, der Beschwerdeführerin für diesen als Arbeitnehmer Kurzarbeitsentschädigung zu bezahlen. Angesichts der Höhe der Rückforderung im Gesamtbetrag von Fr. 62'377.65 ist die Berichtigung ferner auch von erheblicher Bedeutung. BGE 122 V 270 S. 274 Soweit in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sinngemäss der Grundsatz von Treu und Glauben (dazu BGE 119 V 307 Erw. 3a, BGE 118 Ia 254 Erw. 4b, BGE 118 V 76 Erw. 7) und die auf einer Interessenabwägung beruhende bundesgerichtliche Praxis zur Rücknahme von Verfügungen ( BGE 121 II 95 Erw. 3b, BGE 120 Ib 46 f. Erw. 2b) angerufen werden, sind diese Einwände unbegründet. (...). Indessen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beschwerdeführerin im Vertrauen auf die erfolgten Auszahlungen und die Richtigkeit der seitens der Verwaltung abgegebenen Zusicherung Dispositionen getroffen hat, die nicht mehr ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können. Insbesondere macht sie nicht geltend, dass sie den durch familiäre Bande und die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat an die Firma gebundenen Mitarbeiter K. jun. entlassen oder freigestellt und auf diese Weise Lohnkosten eingespart hätte, wenn sie um die fehlende Entschädigungsberechtigung gewusst hätte. Damit gebricht es an einer der rechtsprechungsgemäss erforderlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Berufung auf den öffentlichrechtlichen Vertrauensschutz. Was sodann die Abwägung der Interessen zwischen der materiell richtigen Durchführung des Kurzarbeitsentschädigungsrechts einerseits, und der für die Beschwerdeführerin beachtlichen Rechtssicherheit, sich andererseits auf einmal getroffene Entscheidungen der Durchführungsorgane verlassen zu dürfen, anbelangt, ist festzustellen, dass im Bereich der sozialversicherungsrechtlichen Rückforderung das Institut des Erlasses für den gebotenen Interessenausgleich sorgt. In diesem Sinne hat das Eidg. Versicherungsgericht denn auch in einem neueren Urteil auf die auch den juristischen Personen offenstehende Erlassmöglichkeit nach Art. 95 Abs. 2 AVIG und Rz. 57 ff. des Kreisschreibens des BIGA über die Rückforderung unrechtmässig bezogener Leistungen, die Verrechnung und über die Behandlung von Erlassgesuchen hingewiesen (SVR 1995 ALV Nr. 53 S. 163 Erw. 3c/cc). 5. Zu prüfen bleibt, ob und gegebenenfalls inwieweit die Rückforderung der Arbeitslosenkasse verwirkt ist. a) Gemäss Art. 95 Abs. 4 Satz 1 AVIG verjährt der Rückforderungsanspruch innert einem Jahr nachdem die auszahlende Stelle davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach der Auszahlung der Leistung. Bei diesen Fristen handelt es sich um Verwirkungsfristen (RDAT 1993 II 76 S. 210 Erw. 2). Unter dem Ausdruck "nachdem die auszahlende Stelle davon Kenntnis erhalten hat" ist der Zeitpunkt zu verstehen, in welchem die BGE 122 V 270 S. 275 Verwaltung bei Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattung bestehen (vgl. BGE 119 V 433 Erw. 3a, 112 V 181 Erw. 4a, 110 V 307; ZAK 1989 S. 559 Erw. 4b). Die zitierte Bestimmung unterwirft den Rückforderungsanspruch somit - gleich wie Art. 47 Abs. 2 Satz 1 AHVG - einer doppelten Verwirkungsdrohung: Einerseits ist die Rückforderung zeitlich daran gebunden, dass die Verwaltung innert Jahresfrist seit zumutbarer Kenntnis des rückforderungsbegründenden Sachverhalts verfügt. Erlässt die Verwaltung innert dieser einjährigen relativen Verwirkungsfrist die Rückerstattungsverfügung, kann sie gegebenenfalls die Erstattung bis auf die in den letzten fünf Jahren ausgerichteten Leistungen ausdehnen, indem die Rückforderung andererseits absolut verwirkt ist, soweit die Leistungsauszahlung mehr als fünf Jahre zurückliegt. b) Die Vorinstanz erachtete die Rückforderung insoweit als zulässig, als diese die im Jahr vor dem 15. November 1994 (Verfügungsdatum) ausgerichtete Kurzarbeitsentschädigung erfasst. Die Frage, ob die Rückforderung der Arbeitslosenkasse ganz oder teilweise verwirkt ist, stellt sich nur unter dem Blickwinkel der relativen einjährigen Verwirkungsfrist, wogegen die absolute Verwirkungsfrist von fünf Jahren jedenfalls gewahrt ist, da Kurzarbeitsentschädigungen erst seit März 1992 ausgerichtet wurden. Entscheidend ist somit, ob die Verfügung vom 15. November 1994 innert Jahresfrist, seitdem die Verwaltung zumutbarerweise Kenntnis von der den Entschädigungsanspruch ausschliessenden Verwaltungsratsstellung des K. jun. haben konnte, erlassen wurde. aa) Als das Eidg. Versicherungsgericht in BGE 110 V 304 in Änderung der Rechtsprechung zu Art. 47 Abs. 2 AHVG erkannte, dass mit Bezug auf den Beginn der einjährigen relativen Verwirkungsfrist nicht mehr die tatsächliche, sondern die zumutbare Kenntnis des zur Rückforderung Anlass gebenden Sachverhalts massgebend ist, hat es nicht das erstmalige unrichtige Handeln der Amtsstelle als fristauslösend genügen lassen. Vielmehr stellte es auf jenen Tag ab, an dem sich die Verwaltung später - beispielsweise anlässlich einer Rechnungskontrolle - unter Anwendung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit über ihren Fehler hätte Rechenschaft geben müssen ( BGE 110 V 306 f. Erw. 2b in fine). Bei einer durch das Handelsregister und die entsprechenden Bekanntmachungen im Schweizerischen Handelsamtsblatt ( Art. 931 OR ) mit Publizität versehenen Tatsache kann indessen für die zumutbare Kenntnis der Rückerstattungsvoraussetzungen nicht ein zweiter Anlass im Sinne dieser Rechtsprechung, d.h. die BGE 122 V 270 S. 276 Wahrnehmung der Unrichtigkeit der Leistungsausrichtung aufgrund eines zusätzlichen Indizes, verlangt werden. Vielmehr muss sich die Verwaltung die Publizitätswirkung des Handelsregisters und die Bekanntmachungen daraus im Schweizerischen Handelsamtsblatt entgegenhalten lassen, wie dies nach der Rechtsprechung beispielsweise auch in bezug auf die zumutbare Kenntnis des Schadenseintritts durch die Ausgleichskasse im Sinne von Art. 82 Abs. 1 AHVV bei Einstellung eines Konkurses mangels Aktiven gilt (ZAK 1990 S. 289 Erw. 4b und S. 290 Erw. 4c/bb). Auch wenn das Handelsregister in erster Linie dem privatrechtlichen Rechtsverkehr dient, (HIS, a.a.O., N. 13 f. zu Art. 927 OR ), wird auch im öffentlichen Recht verschiedentlich an den Handelsregistereintrag angeknüpft, beispielsweise hinsichtlich der Beitragspflicht der Teilhaber von Personengesellschaften ( BGE 121 V 80 ) oder der Dauer der Beitragspflicht eines Selbständigerwerbenden, dessen Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird ( BGE 102 V 103 ; ZAK 1986 S. 399 Erw. 3c). Nach dem Gesagten muss sich die Arbeitslosenkasse im Hinblick auf die während mehr als zwei Jahren erfolgte Auszahlung von Kurzarbeitsentschädigung für K. jun. die Kenntnis von dessen den Entschädigungsanspruch ausschliessender Mitgliedschaft im Verwaltungsrat aufgrund des Handelsregistereintrages von Anfang an entgegenhalten lassen. bb) Daran ändert nichts, dass die Ausrichtung der Kurzarbeitsentschädigung noch nicht abgeschlossen war; denn der andauernde Leistungsbezug berührt die Frage der Fristwahrung an sich nicht und lässt den Lauf der einjährigen relativen Verwirkungsfrist durchaus zu ( BGE 119 V 434 Erw. 3b i.f. mit Hinweis). Doch ist zu beachten, dass die Kurzarbeitsentschädigung für eine Abrechnungsperiode von einem Monat oder vier zusammenhängenden Wochen ausgerichtet wird (Art. 32 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 AVIG ). Es stellt sich somit im Hinblick auf diese periodische Leistungserbringung die Frage, wie es mit der Verwirkungsfolge in bezug auf jene Monatsbetreffnisse zu halten sei, die im Zeitpunkt der zumutbaren Kenntnis des rechtserheblichen Sachverhalts (Wissen um die Verwaltungsratsstellung) noch gar nicht zur Ausrichtung gelangt waren. Der Rückforderungsanspruch auf eine unrechtmässig ausgerichtete monatliche Entschädigung kann solange nicht verwirken, als diese einzelne Leistung im Rahmen der gesamten Anspruchsberechtigung tatsächlich noch nicht ausbezahlt war. Dem hat das kantonale Gericht im Ergebnis zutreffend Rechnung getragen: Bezüglich der BGE 122 V 270 S. 277 länger als ein Jahr vor Erlass der Verfügung vom 15. November 1994 ausbezahlten Kurzarbeitsentschädigungen ist der Rückforderungsanspruch der Arbeitslosenkasse verwirkt, dagegen nicht mit Bezug auf die später (ab Dezember 1993) ausgerichteten Betreffnisse.
null
nan
de
1,996
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
95ea7a9c-b07d-435b-b712-4fd6def87c55
Urteilskopf 120 V 368 50. Urteil vom 12. September 1994 i.S. K. gegen Bundesamt für Militärversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Aargau
Regeste Art. 23 aMVG . Die Annahme eines Invaliditätsgrades von weniger als 10% schliesst die Zusprechung einer Dauerrente nicht von vornherein aus (Änderung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 368 BGE 120 V 368 S. 368 A.- Der 1961 geborene, als gelernter Werkzeugmaschinist für die damalige BBC tätige K. erlitt am 3. Oktober 1984 während des Wiederholungskurses (WK) einen Verkehrsunfall. Die Militärversicherung anerkannte in bezug auf das dadurch verursachte Rückenleiden die Bundeshaftung und erbrachte bis Ende Mai 1986 Krankenpflege- und Krankengeldleistungen. Auf diesen Zeitpunkt löste der Versicherte sein Arbeitsverhältnis mit der BBC auf, um hernach in den väterlichen Betrieb einzutreten, wo er nach dem Tod seines Vaters im November 1986 die Hälfte der Aktien übernahm und in den Verwaltungsrat gewählt wurde. Nachdem K. die Zusprechung einer Invalidenrente ab Oktober 1986 auf unbestimmte Zeit sowie einer Integritätsrente beantragt hatte, erkannte das Bundesamt für Militärversicherung (BAMV), dass ein Zusammenhang zwischen den bestehenden Rückenbeschwerden und den seinerzeit erfolgten Einwirkungen nach wie vor wahrscheinlich sei; indes könne eine Integritätsrente mangels BGE 120 V 368 S. 369 Erheblichkeit der Beschwerden nicht ausgerichtet werden, während die Zusprechung einer Invalidenrente zufolge fehlender unfallbedingter Erwerbseinbusse ausser Betracht falle (Vorschlag vom 13. September 1990). Am 8. Mai 1991 verfügte das BAMV, dass für die Folgen der versicherten Schädigungen gegenwärtig keine Barleistungen erbracht würden. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit der K. im wesentlichen sein Leistungsbegehren erneuern liess, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau nach Einholung eines Gutachtens zur Frage der erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens mit Entscheid vom 5. Mai 1993 ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K. die Zusprechung einer unbefristeten Rente ab Juni 1986 gemäss einer vom Gericht festzusetzenden Invalidität beantragen. Das BAMV schliesst auf Abweisung der Beschwerde. D.- Auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsentscheides und der Anträge wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 109 des Militärversicherungsgesetzes vom 19. Juni 1992 (MVG) werden Versicherungsfälle, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes am 1. Januar 1994 noch hängig waren, in jenen Teilen nach dem neuen Recht beurteilt, die nicht anerkannt sind oder über die nicht verfügt wurde. Im vorliegenden Fall hat die Militärversicherung die Verfügung am 8. August 1991 und damit unter der Herrschaft des Gesetzes vom 20. September 1949 erlassen, weshalb die Sache nach altem Recht zu beurteilen ist (aMVG). 2. Die Vorinstanz hat mit der Verwaltung einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Integritätsrente mangels Erheblichkeit der Beeinträchtigungen verworfen. Nachdem der kantonale Gerichtsentscheid mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in diesem Punkt ausdrücklich nicht angefochten wird und auch nichts ersichtlich ist, was insofern zu einem anderen Ergebnis führen könnte, bedarf es dazu keiner weiteren Ausführungen. Streitig und zu prüfen bleibt somit, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Ausrichtung einer militärversicherungsrechtlichen Invalidenrente erheben kann. BGE 120 V 368 S. 370 3. Der vorinstanzliche Entscheid enthält eine zutreffende Darstellung der hier massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen über den Anspruch auf eine Invalidenrente ( Art. 23 Abs. 1 aMVG ) bei bleibender Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit und der für die Bemessung des Invaliditätsgrades in den Bereichen Invaliden-, obligatorische Unfall- sowie Militärversicherung gleichermassen anwendbaren Methoden ( BGE 119 V 470 Erw. 2b mit Hinweisen). Dies gilt namentlich auch für das ausserordentliche Bemessungsverfahren ( BGE 104 V 137 Erw. 2c), dessen Anwendung aufgrund der besonderen erwerblichen Gegebenheiten zu Recht erfolgt ist. Es kann daher auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden, zumal die Parteien gegen die anwendbaren rechtlichen Grundlagen und die Methodenwahl nichts einzuwenden haben. 4. Die im vorinstanzlichen Verfahren eingeholte betriebswirtschaftliche Expertise vom 1. Dezember 1992 ermittelte für den Beschwerdeführer aufgrund eines erwerblich gewichteten Betätigungsvergleichs eine leidensbedingte Erwerbseinbusse von rund 5,5%. Ausgehend hievon hat das kantonale Gericht erwogen, das Leistungsbegehren gestützt auf die für die obligatorische Unfallversicherung anerkannte Praxis abzuweisen, wonach Invaliditäten von weniger als 10% nicht berentet würden. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich zur Hauptsache gegen diese Begründung. Im einzelnen wird ihr zunächst Art. 37 Abs. 1 aMVG entgegengehalten, nach welcher Bestimmung eine Invalidenrente jederzeit, auch gegen den Willen des Versicherten, nach ihrem Barwert unter anderem dann ausgekauft werden kann, wenn die Invalidität nicht mehr als 10% beträgt. Ferner verweist der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Entstehung von Art. 49 Abs. 2 MVG (in Kraft seit 1. Januar 1994) auf die bei Integritätsrenten feststellbare Entwicklung, nunmehr selbst Beeinträchtigungen von weniger als 5% abzugelten. 5. a) Es trifft zu, dass das Eidg. Versicherungsgericht in bezug auf die obligatorische Unfallversicherung für den Fall einer geringfügigen Invalidität (in concreto 5%) entschieden hat, diese vermöge keinen Rentenanspruch zu begründen (RKUV 1988 Nr. U 48 S. 230). Damit billigte es zum wiederholten Mal die Praxis der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), trotz fehlenden Erfordernisses einer anspruchsbegründenden Mindestinvalidität dann keine Rente auszurichten, wenn die Erwerbsunfähigkeit weniger als 10% beträgt ("En effet, selon la pratique de la CNA, même si la loi ne prévoit pas de taux minimum d'invalidité, en dessous d'un taux de 10%, aucune rente n'est allouée"). BGE 120 V 368 S. 371 Zur Begründung wurde dabei im wesentlichen ausgeführt, dass die Invaliditätsschätzung gerade in Grenzfällen eine ausgesprochene Ermessensfrage sei, was es praktisch unmöglich mache, geringfügige Erwerbsunfähigkeiten mit der nötigen Sicherheit zu schätzen ("de sorte qu'il est presque impossible d'évaluer avec un minimum de sûreté un taux d'invalidité proche de zéro"). Wie die Vorinstanz richtig festgehalten hat, ist diese sogenannte "Bagatellpraxis" vom Eidg. Versicherungsgericht nicht nur für die obligatorische Unfallversicherung bestätigt, sondern unter Hinweis auf die Identität des Invaliditätsbegriffs von ihm selbst auch für den Bereich der Militärversicherung angewandt worden (in RKUV 1988 Nr. 48 S. 235 Erw. 1c zitiertes nicht publiziertes Urteil B. vom 6. Dezember 1967 sowie unveröffentlichtes Urteil K. vom 11. April 1994). b) Die Entstehung dieser Praxis und der dazu ergangenen Rechtsprechung findet sich einlässlich dargestellt bei MAURER (Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2. Aufl. Bern 1963, S. 229 f.), der vermerkt, dass das Eidg. Versicherungsgericht anfänglich bei geringfügiger Invalidität eigentliche Minimalrenten zugesprochen hatte, die angesichts des unverhältnismässigen Verwaltungsaufwandes regelmässig ausgekauft wurden. Später setzte sich aufgrund medizinischer Erfahrung die Überzeugung durch, dass minimale Invaliditäten bis zu 7 oder 8% nach einer Phase der Angewöhnung und Anpassung in der Regel praktisch überhaupt wirkungslos, mithin rein theoretischer Natur sind. Dies führte mit der Zeit dazu, dass bei einem Invaliditätsgrad von weniger als 7 oder 8% keine Dauerrenten mehr zugesprochen wurden (vgl. EVGE 1928 S. 98 f., 116 f., 1935 S. 10 f. und 17 ff., 1936 S. 10 ff., 1937 S. 21 f., 1938 S. 21 f. und 98 ff., 1942 S. 28, 1944 S. 112; ferner SCHATZ, Kommentar zur Eidg. Militärversicherung, Zürich 1952, S. 142). Immerhin konnten (und können) für die Anpassungszeit befristete Renten auch geringen Umfanges ausgerichtet werden (MAURER, a.a.O., S. 230 FN 54; vgl. ferner vom gleichen Autor: Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 374). In seinen jüngeren Werken führt MAURER aus, dass die unfallversicherungsrechtliche Invalidenrente - da das Gesetz keine untere Grenze setze - auch bei einer Teilinvalidität von 10% geschuldet sei; was sodann die Praxis anbetrifft, bei Invaliditäten von weniger als 10% mangels praktischer erwerblicher Auswirkungen keine Dauerrenten zuzusprechen, BGE 120 V 368 S. 372 scheint er hinsichtlich ihrer Rechtmässigkeit keinerlei Bedenken zu haben (Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, Bern 1981, S. 469, 473, inkl. FN 1113; Unfallversicherungsrecht, a.a.O., S. 348, 374; Bundessozialversicherungsrecht, Basel 1993, § 13 V 1, S. 368). Letzteres gilt gleichermassen für andere Autoren (Alexandra RUMO-JUNGO, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht [Hrsg. Murer/Stauffer], Bundesgesetz über die Unfallversicherung, Zürich 1991, S. 71), wobei wiederum hervorgehoben wird, dass sich diese Praxis nur auf Dauerrenten beziehe und die Ausrichtung befristeter Renten auch in Fällen kleinerer Invaliditätsgrade vorbehalten bleibe (GHÉLEW/RAMELET/RITTER, Commentaire de la loi sur LAA, Lausanne 1992, S. 108). Und schliesslich findet sich gerade im militärversicherungsrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten, dass die fragliche Praxis nicht dahin gehen könne, bei geringem Nachteil den Rentenanspruch ausnahmslos zurückzuweisen, vielmehr in jedem Fall geprüft werden müsse, ob eine wirkliche Verminderung der Erwerbsfähigkeit vorliege (SCHATZ, a.a.O., S. 142). 6. Eine erneute Prüfung ergibt, dass die Frage des Rentenanspruchs im Falle geringfügiger Invalidität der differenzierten Betrachtung bedarf. a) Zunächst ist klarzustellen, dass sich die von der Vorinstanz der Sache nach vertretene Auffassung, bei Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit von weniger als 10% schlechthin jegliche Rentenleistungen zu verweigern, für den Bereich der Militärversicherung nicht halten lässt. Eine solche Sichtweise, die durch die in RKUV 1988 Nr. U 48 S. 234 f. veröffentlichten Erwägungen begünstigt worden sein mag, steht bereits in Widerspruch zur Praxis, auch in Fällen geringerer Erwerbsunfähigkeiten wenigstens befristete Renten ( Art. 24 Abs. 1 aMVG ) auszurichten. Überdies findet die vorinstanzliche Auffassung nicht nur im Gesetz keine Stütze, welches für die Berentung keinen minimalen Invaliditätsgrad erfordert (Art. 23 f. aMVG); ihr steht insbesondere auch der im wesentlichen in das neue Recht überführte Art. 37 Abs. 1 aMVG entgegen ( Art. 46 Abs. 1 MVG in der seit 1. Januar 1994 geltenden Fassung), der die Möglichkeit des Rentenauskaufs dann vorsieht, wenn "die Invalidität nicht mehr als 10% beträgt", was doch zumindest faktisch die Annahme einer anspruchsbegründenden Erwerbsunfähigkeit von weniger als 10% voraussetzt. In dieser Hinsicht kann den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beigepflichtet werden, die im übrigen selbst das BAMV nicht bestreitet. Dieses verweist vielmehr darauf, dass sich die BGE 120 V 368 S. 373 "Bagatellpraxis", wie sie von der Vorinstanz gehandhabt wurde, nicht mit den heutigen Gepflogenheiten in der Militärversicherung decke, die in einer Minderheit von Fällen (ca. 1%) bei einem Invaliditätsgrad von 5 bis 9% Renten zuspreche. Daraus erhellt zugleich, dass das zur Begründung der "Bagatellpraxis" verwendete Argument, wonach die Invaliditätsschätzung gerade in geringfügigen Fällen kaum mit der hinreichenden Sicherheit möglich sei (Erw. 5a), durch die Praxis widerlegt ist; abgesehen davon bestehen Grenzfälle ähnlicher Art auch etwa im Bereich von Art. 28 IVG , ohne dass sich die Vollzugsorgane dadurch vor unlösbare Probleme gestellt sähen. b) Im weiteren ist in Abänderung der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, dass im Bereich von Art. 23 f. aMVG (und Art. 40 f. MVG in der seit 1. Januar 1994 geltenden Fassung) in jenen Fällen, in denen ein Invaliditätsgrad von weniger als 10% ermittelt wird, auch die Ausrichtung von unbefristeten Invalidenrenten nicht von vornherein unter Berufung auf die vermutete Angewöhnung des Versicherten verworfen werden darf. Vielmehr muss unter Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes (dazu BGE 117 V 263 f. mit Hinweisen) auch hier konkret geprüft werden, ob nach Berücksichtigung der Schadenminderungspflicht ( BGE 117 V 278 Erw. 2b), insbesondere der dem Versicherten zumutbaren Anpassung und Angewöhnung, eine reale Erwerbsunfähigkeit verbleibt (vgl. SCHATZ, a.a.O., S. 142 unten), welche die Zusprechung einer (auskaufbaren) Rente auf unbestimmte Zeit zu rechtfertigen vermöchte. Nur auf diese Weise besteht Garantie, dass die aus der medizinischen Praxis gewonnenen Erfahrungen nicht zum Automatismus verkommen und die Rechte des Versicherten gewahrt bleiben. c) Wie es sich nach dem Gesagten mit der obligatorischen Unfallversicherung verhält, steht hier ausser Frage und wird zu gegebener Zeit gesonderter Klärung bedürfen. Ebensowenig braucht im vorliegenden Fall die Frage entschieden zu werden, ob statt der von der bisherigen Rechtsprechung bzw. der "Bagatellpraxis" verwendeten Grenze von 10% eine solche von 5% einzuführen ist. Denn der - aufgrund des im vorinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachtens - ermittelte Invaliditätsgrad liegt mit 5,5% noch knapp über dieser Grenze, und es ist nichts ersichtlich, was dessen mit viel Aufwand bestimmte Höhe als falsch erscheinen liesse. Insofern vermögen die Vorbringen der Parteien die Schlüssigkeit des betriebswirtschaftlichen Gutachtens nicht zu erschüttern. BGE 120 V 368 S. 374 7. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Ablehnung des Rentenbegehrens durch die Vorinstanz nicht standhält. Nach Lage der Akten ist dem Beschwerdeführer auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 5,5% eine Invalidenrente zuzusprechen, und zwar ab dem 1. Juni 1986, dem Zeitpunkt seines Eintritts in den väterlichen Betrieb. In Anbetracht des Umstandes, dass dieser Betrieb nach Auffassung des Gutachters Tätigkeitsumlagerungen auf andere Mitarbeiter in wesentlichem Umfange nicht zulässt und für eine sinnvolle Tagesplanung, ausgerichtet auf die auftretenden Beschwerden, nur ein sehr geringer Spielraum verbleibt, sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gesundheitszustand mit den geschilderten Beschwerden über einen Zeitraum von 1986 bis zu 1990 (kreisärztliche Untersuchung vom 20. März 1990, Bericht Dr. med. G.) als stationär bezeichnet wurde, ist diese Rente auf unbestimmte Zeit festzusetzen.
null
nan
de
1,994
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
95ec34a4-6c23-421f-ad35-a6ca64af353d
Urteilskopf 86 III 64 18. Entscheid vom 13. April 1960 i.S. Hufschmid.
Regeste Widerspruchsverfahren ( Art. 106 ff. SchKG ). Das Recht zur Anmeldung eines Drittanspruchs an gepfändeter Sache ist weder gesetzlich befristet, noch wird es befristet durch die Anzeige des Pfändungsvollzuges mit dem fakultativen Formular Nr. 2. Aus dem Ablaufmehrerer Monate bis zur Anmeldung des Drittanspruchs (weil zuerst ein anderer als Eigentümer bezeichnet worden war und der neue Ansprecher nun erst von dessen Verzicht erfahren hat) darf nicht ohne weiteres auf arglistiges Zuwarten geschlossen werden.
Sachverhalt ab Seite 64 BGE 86 III 64 S. 64 A.- Das Betreibungsamt Zürich 11 pfändete am 20. August 1959 in der Betreibung Nr. 64177 gegen Frau Marta Hufschmid unter Nr. 1 einen Schiessautomaten. Auf diesen Gegenstand hatten laut einer Vereinbarung vom 23. Dezember 1957 mit der (hiebei durch den Ehemann Alfred Hufschmid vertretenen) Schuldnerin deren Gläubiger Heinrich Joss und Heinz Müller für eine Restforderung von Fr. 3660.-- "Eigentumsvorbehalt erhoben". Die Schuldnerin bezeichnete ihn demgemäss bei der Pfändung als im Eigentum dieser Dritten stehend. Da der betreibende Gläubiger den Drittanspruch bestritt, setzte das Betreibungsamt ihnen Frist zur Widerspruchsklage an, die sie jedoch unbenutzt verstreichen liessen. B.- Dem Ehemann Alfred Hufschmid teilte das Betreibungsamt BGE 86 III 64 S. 65 den Pfändungsvollzug am 24. August 1959 mittels des fakultativen Formulars Nr. 2 mit, das den vorgedruckten Hinweis enthält: "Sollten Sie Eigentum oder beschränkte dingliche Rechte an gepfändeten Sachen geltend machen wollen, so ist dies dem Betreibungsamt binnen 10 Tagen zu melden, ansonst Sie Gefahr laufen, dass die Ansprache nicht mehr berücksichtigt werden könnte." Alfred Hufschmid meldete vorerst keine eigenen Rechte an dem gepfändeten Schiessautomaten an, da er wie die Schuldnerin die von ihr bezeichneten Dritten als die wahren Eigentümer betrachtete. C.- Als er dann aber von dem infolge Unterbleibens einer Widerspruchsklage gestellten Verwertungsbegehren am 11. November 1959 erfuhr, reichte er am 16. November 1959 beim Betreibungsamt eine Eigentumsansprache ein, mit folgender Begründung: "Dadurch, dass die Herren Müller & Joss ihren Eigentumsvorbehalt laut Beilagen Vertrag vom 5. Mai 1957 und Vereinbarung vom 23. Dezember 1957 fallen gelassen haben, so scheidet dieser Schiessautomat aus dem Vertrage und Vereinbarung aus, und dieser Schiessautomat mein Eigentum ist und nicht von Frau M. Hufschmid...". D.- Das Betreibungsamt lehnte es am 20. November 1959 ab, dieser nachträglichen Eigentumsansprache Folge zu geben. Es erklärte, Hufschmid hätte die Ansprache vorsorglich spätestens am 3. September 1959 geltend machen müssen. Würde sie noch entgegengenommen, so ergäbe sich daraus eine Verzögerung des Betreibungsverfahrens. "Da Sie diese Verzögerung durch geeignete Abwehrmassnahmen hätten verhindern können, muss sie als arglistig gelten...". E.- Beschwerde und Rekurs des Alfred Hufschmid an die kantonalen Aufsichtsbehörden blieben erfolglos. F.- Mit vorliegendem Rekurs gegen den oberinstanzlichen Entscheid vom 29. März 1960 hält Hufschmid an der Beschwerde fest. BGE 86 III 64 S. 66 Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Die Pfändung erfolgt unter Vorbehalt der an den gepfändeten Sachen bestehenden Drittmannsrechte, die die Verwertung ausschliessen (so das Eigentum) oder nur nach dem Deckungsprinzip zulassen (so das Pfandrecht). Um den Eingriff in solche Rechte Dritter nach Möglichkeit zu vermeiden, gestattet das Gesetz deren Geltendmachung grundsätzlich jederzeit, solange nicht durch betreibungsamtliche Fristansetzung eine bestimmte Rechtslage geschaffen ist, ja selbst noch an dem die Sache ersetzenden ErIÖs, solange er nicht verteilt ist ( Art. 107 Abs. 4 SchKG ). Freilich handelt widerrechtlich, wer sein (wirkliches oder vermeintliches) Recht an gepfändeter Sache ohne triftigen Grund absichtlich verschweigt, um es erst im spätern Verlauf des Betreibungsverfahrens geltend zu machen und dadurch dieses Verfahren aufzuhalten oder sonstwie zu stören. Solches Verhalten ist auch nach der neuern Rechtsprechung verpönt, die nicht mehr den durch BGE 37 I 463 = Sep.-Ausg. 14 S. 242 aufgestellten Grundsatz gelten lässt, wonach die nicht binnen zehn Tagen seit Kenntnisnahme von der Pfändung der Sache erhobene Eigentums- oder Pfandansprache verwirkt war, sofern sich der Dritte nicht auf Verhinderung oder einen andern zureichenden Rechtfertigungsgrund zu berufen vermochte. Eine derartige - vom Gesetz nicht vorgesehene, ja der eingangs erwähnten Vorschrift von Art. 107 Abs. 4 SchKG widersprechende - Verwirkungsfrist ist durch die wegleitend gebliebene Entscheidung vom 28. März 1941 ( BGE 67 III 65 ) mit Recht nicht mehr anerkannt worden. Demgemäss ist auch die im fakultativen Formular Nr. 2 "Anzeige vom Vollzug einer Pfändung" enthaltene Bemerkung "ist dies dem Betreibungsamt binnen 10 Tagen zu melden" nicht als Ansetzung einer Verwirkungsfrist, sondern bloss als warnender, vom Adressaten im eigenen BGE 86 III 64 S. 67 Interesse zu beachtender Hinweis zu verstehen (BGE 83 24/25). Nur dann verdient eine nach Kenntnisnahme von der Pfändung der Sache nicht tunlich bald erhobene Drittansprache nicht mehr berücksichtigt zu werden, wenn das Zuwarten nicht auf blosser Sorglosigkeit, sondern auf Arglist beruht. Je länger der Dritte mit der Anmeldung zuwartet, desto mehr setzt er sich, sofern keine bestimmten Gründe des Zuwartens ersichtlich sind, dem Verdacht solcher Arglist aus. Um diesen Verdacht nicht zur Gewissheit werden zu lassen, ist er gehalten, die Gründe der grossen Verzögerung anzugeben. Unterlässt er es, oder beruft er sich auf blosse Vorwände, so drängt sich unter Umständen die Annahme auf, er habe so lange geschwiegen, um den Gang der Betreibung böswillig aufzuhalten; jedenfalls sei er sich der Wirkung seines Abwartens bewusst gewesen und müsse beim Fehlen ernsthafter Gründe hiefür des rechtsmissbräuchlichen, arglistigen Verhaltens bezichtigt werden ( BGE 78 III 73 /74, BGE 83 III 25 /26, BGE 84 III 87 /88). 2. Was im vorliegenden Falle festgestellt ist, rechtfertigt den Vorwurf solchen Verhaltens nicht. Die Schuldnerin hatte den Schiessautomaten bei der Pfändung nicht etwa als ihr gehörend, sondern als Eigentum Dritter bezeichnet, allerdings nicht ihres Ehemannes (des Rekurrenten), sondern zweier Vertragspartner laut einer Vereinbarung vom 23. Dezember 1957. Im Hinblick auf die Vertragsklausel, wonach diese Kontrahenten "auf den noch verbleibenden Automaten Eigentumsvorbehalt erheben", betrachtete auch der Rekurrent sie im Zeitpunkt der Pfändung als Eigentümer, wie die Vorinstanz selbst ausführt (Seite 3, Zeilen 6/7). Laut der Vernehmlassung des Betreibungsamtes war er sogar noch nach dem 10. November 1959, d.h. nach der Mitteilung des Verwertungsbegehrens, dieser Ansicht, als er zu näherer Erkundigung auf dem Amte vorsprach. "Erst als ihm der Unterzeichnete eröffnete, er halte die Vereinbarungen und insbesondere die Übertragung des Eigentums an die BGE 86 III 64 S. 68 Herren Joss und Müller als materiellrechtlich fragwürdig, erklärte Hufschmid, dann sei damit er Eigentümer des gepfändeten Gerätes." Mit dieser Darlegung ist der Vorwurf des arglistigen Zuwartens eindeutig widerlegt; denn bis zu der erwähnten Unterredung hatte der Rekurrent nicht sich selbst als Eigentümer betrachtet, und als er nun der Schwäche seines bisherigen Standpunktes inne wurde, säumte er nicht mit der Anmeldung seines Eigentums. Er hatte übrigens erst durch die Mitteilung des Verwertungsbegehrens, am 10. November 1959, von der Unterlassung einer Widerspruchsklage seitens Joss und Müller Kenntnis erhalten. Bis dahin hatte er in guten Treuen annehmen können, diese Dritten würden ihre allfälligen Rechte, an deren Bestand er glaubte, in gehöriger Weise geltend machen, wie er sie denn am 21. Oktober 1959 zur Durchführung der "Anspruchsklage" ermuntert hatte mit dem Bemerken, sie seien im vollen Recht. 3. Die Vorinstanz hält indessen die Änderung des Standpunktes auch beim Fehlen einer Verschleppungsabsicht für missbräuchlich: "Die Tatsache, dass die mit Wissen des Beschwerdeführers zuvor als Eigentümer bezeichneten Joss und Müller auf den Widerspruchsprozess verzichteten, gab dem Beschwerdeführer Anlass, drei Monate nach der Pfändung einen mit seiner frühern Ansicht in Widerspruch stehenden Standpunkt einzunehmen und nun für sich das Eigentum geltend zu machen. Dieses Verhalten ist arglistig. Der Schiessapparat konnte im Zeitpunkt der Pfändung nicht sowohl dem Beschwerdeführer als auch Müller und Joss zu Eigentum zustehen. Die eine oder andere dieser Eigentumsansprachen erfolgte deshalb mit Wissen des Beschwerdeführers zu Unrecht." Dem ist nicht beizustimmen. Die oben dargelegten Umstände sprechen nicht für, sondern vielmehr gegen die Annahme, der Rekurrent habe sich von Anfang an als Eigentümer betrachtet und den Ausgang des gegenüber Joss und Müller eingeleiteten Widerspruchsverfahrens vorausgesehen. Auch die Änderung seines Standpunktes, BGE 86 III 64 S. 69 nachdem er vom Klageverzicht jener Dritten erfahren hatte und vom Betreibungsamt über die Fragwürdigkeit der Eigentumsübertragung auf sie belehrt worden war, hat nichts Arglistiges an sich. Wenn diese Übertragung nicht zustande gekommen war, blieb er eben, wie er annahm, entsprechend der frühern Sachlage der Eigentümer. Die Vorinstanz spricht anscheinend nur deshalb von Arglist, weil seit der dem Rekurrenten alsbald bekannt gewordenen Pfändung mehrere Monate verstrichen, bis er seine Ansprache erhob. Dadurch ist jedoch Arglist im wahren Sinne des Wortes nicht dargetan. Es geht nicht an, ein Verhalten wegen des Zeitablaufes unbegründeterweise trotz den von der Vorinstanz denn auch an sich erkannten Gegentatsachen als arglistig zu fingieren und so die von der Rechtsprechung aufgegebene Befristung der Anmeldung von Drittansprüchen wieder einzuführen. 4. Den Akten ist nicht zu entnehmen, ob der Rekurrent Mitgewahrsam am gepfändeten Apparat hat. Die Bestimmung des davon abhängigen Widerspruchsverfahrens (nach Art. 106/7 oder 109 SchKG) ist daher dem Betreibungsamte zu überlassen. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und das Betreibungsamt Zürich 11 angewiesen wird, die Eigentumsansprache des Rekurrenten entgegenzunehmen und das den Gewahrsamsverhältnissen entsprechende Widerspruchsverfahren einzuleiten.
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95ed52f0-5c37-4b78-be82-1b7da83554ba
Urteilskopf 114 IV 63 20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. Januar 1988 i.S. Polizeiamt der Stadt Winterthur gegen B. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 2 lit. a OBG (SR 741.03); Art. 27 Abs. 1 SVG . Das Ordnungsbussenverfahren ist nicht nur bei konkreter, sondern bereits bei erhöhter abstrakter Gefährdung von Personen ausgeschlossen.
Sachverhalt ab Seite 63 BGE 114 IV 63 S. 63 A.- Mit Verfügung vom 30. Oktober 1985 büsste das Polizeiamt der Stadt Winterthur B. gestützt auf Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 68 Abs. 1 SSV (Missachtung eines Rotlichts; Verzugszeit 18,3 Sekunden) mit Fr. 150.--. Auf Begehren um gerichtliche Beurteilung fällte der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Winterthur am 25. Juli 1986 im Ordnungsbussenverfahren eine Busse von Fr. 50.-- aus. Die vom Polizeiamt der Stadt Winterthur gegen dieses Urteil eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 15. Mai 1987 ab. B.- Das Polizeiamt der Stadt Winterthur führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zwecks Ausfällung einer Busse von Fr. 150.-- im ordentlichen Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 2 des Bundesgesetzes über die Ordnungsbussen (OBG; SR 741.03) ist das Verfahren nach diesem Gesetz unter BGE 114 IV 63 S. 64 anderem ausgeschlossen bei Widerhandlungen, durch die der Täter Personen gefährdet oder verletzt oder Sachschaden verursacht hat. Das Obergericht gelangte zum Schluss, nur die konkrete Gefährdung von Personen führe zum Ausschluss des Ordnungsbussenverfahrens, während der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, dafür genüge bereits eine erhöhte abstrakte Gefährdung. 3. Dem Wortlaut von Art. 2 lit. a OBG , der Ausgangspunkt der Gesetzesanwendung bildet, lässt sich nicht schlüssig entnehmen, ob das Ordnungsbussenverfahren nur bei konkreter Gefährdung oder bereits bei erhöhter abstrakter Gefährdung von Personen ausgeschlossen sein soll. Die Bestimmung bedarf daher insoweit der Auslegung, die nach dem Sinn vorzunehmen ist, wie er sich aus den ihr zugrunde liegenden Zwecken und Wertungen ergibt ( BGE 109 IV 124 E. a mit Hinweisen). Dabei kann sowohl die Entstehungsgeschichte wie der Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen berücksichtigt werden ( BGE 111 Ia 297 mit Hinweisen). Mit der bundesrechtlichen Einführung von Ordnungsbussen im Strassenverkehr wurde die Verfolgung von geringfügigen, aber häufigen Verstössen gegen Verkehrsvorschriften in einem vereinfachten Verfahren angestrebt, welches sich aus praktischen Gründen und unter dem Druck der Tatsachen als notwendig aufdrängte. Wo das zu ahndende Unrecht minim ist, die Schuld nach Art und Intensität wenig Unterschiede aufweist, die Busse im untersten Bereich liegen muss, so dass für irgendwelche Abstufungen nur wenig Raum bleibt, ist auch der Richter gezwungen, auf die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und der Vorstrafen des Täters zu verzichten, die Busse nach äusseren Tatmerkmalen routinemässig zu bemessen. Nachdem sich dessen Entscheidung in solchen Fällen praktisch auf einen mechanischen Vorgang reduziert, wurde mit dem Bundesgesetz über die Ordnungsbussen die Konsequenz aus dieser Entwicklung gezogen und die Entscheidung bei Einverständnis des Täters der Polizei übertragen. Es wurde dadurch ferner dem Umstand Beachtung geschenkt, dass die Mehrheit der Kantone, verschiedene Städte, alle Nachbarstaaten der Schweiz und weitere europäische Länder ein ordnungsbussenähnliches Verfahren bereits längst eingeführt hatten. Zu verhindern galt es anderseits aber, dass ernsthafte Verstösse gegen die Verkehrssicherheit der Einfachheit halber durch Ordnungsbusse erledigt und so der richterlichen Beurteilung entzogen werden BGE 114 IV 63 S. 65 (BBl 1969 I/2 S. 1091, 1092 und 1094). Diese dem Bundesgesetz über die Ordnungsbussen zugrunde liegenden Zwecke und Wertungen lassen eher darauf schliessen, das Ordnungsbussenverfahren solle nicht erst bei konkreter, sondern bereits bei erhöhter abstrakter Gefährdung von Personen nicht zur Anwendung gelangen; schon damit fehlen effektiv jene erwähnten Umstände, die aus praktischen Gründen und unter dem Zwang der Tatsachen zur Einführung des Ordnungsbussenverfahrens Anlass gaben. Nach dem Amtsbericht des Bundesamtes für Polizeiwesen sprach sich die Expertengruppe für Strafrechtsfragen des Strassenverkehrs dafür aus, das Ordnungsbussenverfahren nur bei konkreter Gefährdung von Personen auszuschliessen. Bereits in der bundesrätlichen Botschaft zum Entwurf des Bundesgesetzes über die Ordnungsbussen ist im Zusammenhang mit der vom Bundesrat aufzustellenden Bussenliste die Rede davon, diese dürfe keine groben Verstösse, vor allem keine konkreten Gefährdungen und bei Motorfahrzeugführern keine erhöhten abstrakten Gefährdungen enthalten (BBl 1969 I/2 S. 1094). Damit wird, wenn auch bloss in indirekter Weise, unverkennbar und deutlich zum Ausdruck gebracht, bei Verkehrswiderhandlungen von Motorfahrzeugführern sei in Fällen erhöhter abstrakter Gefährdung keine Ordnungsbusse zu erheben. Ein Abänderungsantrag von Nationalrat Renschler zu Art. 2 lit. a des Entwurfs, mit der "eine schärfere Formulierung dieser Gefährdung" vorgesehen werden sollte durch die Formulierung "... in grober Verletzung der Verkehrsregeln eine ernsthafte Gefährdung von Personen hervorgerufen hat", wurde mit offensichtlichem Mehr zugunsten der Fassung des Bundesrats abgelehnt. Fürsprecher Bühler, Sektionschef der eidgenössischen Polizeiabteilung, bemerkte in diesem Zusammenhang, mit Gefährdung sei die konkrete Gefährdung einer oder mehrerer Personen gemeint, nicht jede abstrakte Gefährdung; viele in der provisorischen Bussenliste enthaltenen Tatbestände schlössen "irgendeine abstrakte Gefährdung in sich" (Protokoll der Sitzung vom 13./14. August 1969 der nationalrätlichen Kommission, S. 20/21). In beiden Räten wurde Art. 2 lit. a des Entwurfs diskussionslos angenommen. Aufgrund der Entstehungsgeschichte ist trotz der klaren Aussage in der Botschaft nicht eindeutig auszumachen, ob das Ordnungsbussenverfahren nur bei konkreter oder auch schon bei erhöhter abstrakter Gefährdung ausgeschlossen sein soll. Andere Bestimmungen des Strassenverkehrsrechts, und zwar früher in Kraft getretene als Art. 2 OBG , die wie dieser ohne BGE 114 IV 63 S. 66 nähere Kennzeichnung von einer Gefährdung sprechen, kommen nach ständiger Rechtsprechung bereits bei Vorliegen einer erhöhten abstrakten Gefährdung zur Anwendung. Das trifft auf Art. 90 Ziff. 2 SVG zu, nach welchem mit Gefängnis oder Busse bestraft wird, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt ( BGE 106 IV 49 E. a mit Hinweisen); das gleiche gilt für Art. 16 Abs. 2 SVG , der den Entzug des Führer- oder Lernfahrausweises zulässt, wenn der Führer Verkehrsregeln verletzt und dadurch den Verkehr gefährdet, sowie für Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG , der den Führer- oder Lernfahrausweis zu entziehen vorschreibt, wenn der Führer den Verkehr in schwerer Weise gefährdet hat ( BGE 105 Ib 257 E. b mit Hinweisen). Im Zusammenhang mit diesen anderen Bestimmungen des Strassenverkehrsrechts betrachtet, muss im Interesse einheitlicher Auslegung gleichartiger Bestimmungen Art. 2 lit. a OBG dahin verstanden werden, dass bereits bei Vorliegen einer erhöhten abstrakten Gefahr für Personen das Ordnungsbussenverfahren ausgeschlossen sei. Zu diesem Ergebnis muss auch eine gesamthafte Würdigung der Einzelelemente der Auslegung führen, nachdem insbesondere die dem Bundesgesetz über die Ordnungsbussen zugrunde liegenden Zwecke und Wertungen deutlich in diese Richtung weisen und der Vergleich mit anderen Bestimmungen des Strassenverkehrsrechts diesen Schluss unverkennbar nahelegt. Der Hinweis des Obergerichts, in die Bussenliste seien im vornherein keine Tatbestände aufgenommen worden, welche eine erhöhte abstrakte Gefährdung zu bewirken geeignet seien, weshalb das Ordnungsbussenverfahren einzig bei konkreter Gefährdung von Personen keine Anwendung finde, erweist sich demzufolge als unrichtig. Ob eine konkrete, eine erhöhte abstrakte oder eine nur abstrakte Gefahr geschaffen werde, hängt nicht von der übertretenen Verkehrsregel, sondern von der Situation ab, in welcher die Übertretung geschieht (BBl 1969 I/2 S. 1096; vgl. SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr, S. 166/67). Der Vorbehalt von Art. 2 lit. a OBG aber zeigt gerade, wenn er nicht im vornherein bedeutungslos sein soll, dass die in der Bussenliste aufgezählten Verkehrswiderhandlungen je nach der konkreten Situation zu abstrakter, erhöhter abstrakter oder konkreter Gefährdung von Personen führen können. Inwiefern in dessen Anwendungsbereich Motorfahrzeugführer hinsichtlich des Gefährdungsgrades grundsätzlich anders behandelt werden müssten als die übrigen Verkehrsteilnehmer, BGE 114 IV 63 S. 67 die eine in der Bussenliste genannte Verkehrswiderhandlung begehen, ist nicht einzusehen und selbst mittels Auslegung dem Gesetz nicht zu entnehmen; das Ordnungsbussenverfahren ist daher bei erhöhter abstrakter Gefährdung nicht nur für Motorfahrzeugführer (BBl 1969 I/2 S. 1094), sondern generell ausgeschlossen.
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95eea3d0-d84c-4873-8e0c-bc38fae544c6
Urteilskopf 100 Ib 37 6. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. März 1974 i.S. X. und Y. gegen Firma Z. und Direktion der Justiz des Kantons Zürich.
Regeste Handelsregister. Voraussetzungen, unter denen ein Gesellschaftsgläubiger verlangen darf, dass eine gelöschte Gesellschaft im Register wieder eingetragen wird (Bestätigung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 37 BGE 100 Ib 37 S. 37 X. und Y. hatten sich mit der Liquidation einer Gesellschaft zu befassen, die sie am 11. August 1972 zur Löschung anmeldeten. Die Löschung verzögerte sichjedoch, da die Steuerbehörden ihr erst im Frühjahr 1973 zustimmten. Am 7. Oktober 1972 machte die Firma Z. gegenüber der Gesellschaft eine Forderung geltend, deren Begleichung von den Liquidatoren abgelehnt wurde. Im August 1973 ersuchte die Firma die Handelsregisterbehörde um Wiedereintragung der Gesellschaft. Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich wies die Liquidatoren daraufhin mit Verfügung vom 6. Dezember 1973 an, die Gesellschaft binnen zehn Tagen wieder eintragen zu lassen, andernfalls das Handelsregisteramt die Eintragung von Amtes wegen vorzunehmen habe. X. und Y. führen gegen diese Verfügung Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die vom Bundesgericht abgewiesen wird. Erwägungen Erwägungen: 1. Wer als Gläubiger einer Aktiengesellschaft an deren Wiedereintragung im Handelsregister interessiert ist und sie BGE 100 Ib 37 S. 38 verlangt, hat die Voraussetzungen für die Eintragung, insbesondere den Bestand der behaupteten Forderung, nur glaubhaft zu machen ( BGE 57 I 42 , BGE 60 I 29 , BGE 64 I 335 , BGE 78 I 454 , BGE 87 I 303 ). Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass es nicht Sache der Handelsregisterbehörde oder der Beschwerdeinstanz sein kann, über die materiellrechtlichen Voraussetzungen einer Eintragung oder Löschung abschliessend zu entscheiden; das ist im Streitfalle vielmehr Aufgabe des ordentlichen Richters. Die Registerbehörde darf insbesondere in Fällen, in denen ein Rechtsverhältnis von einer Eintragung abhängt, dessen Entstehung oder Wiederentstehung durch Ablehnung der Eintragung nur verhindern, wenn offensichtlich ist, dass es dem materiellen Zivilrecht widerspricht ( BGE 87 I 107 und dort angeführte Urteile; BGE 91 I 362 , BGE 95 I 66 Erw. 3). Würde der Registerbehörde eine weitergehende Befugnis eingeräumt, so könnte sie dem Gläubiger einen Prozess gegen die Gesellschaft selber verwehren. Sie hat daher die Gesellschaft im Zweifel wieder einzutragen. Die Wiedereintragung ist jedoch unbekümmert darum, dass der Gläubiger die Forderung glaubhaft macht, zu verweigern, wenn er seine Ansprüche auf einem anderen, ihm ebenfalls zumutbaren Wege durchsetzen kann. Diesfalls ist ihm ein schutzwürdiges Interesse an der Wiedereintragung abzusprechen, und er muss sich Rechtsmissbrauch vorwerfen lassen, wenn er auf der Eintragung beharrt ( BGE 60 I 29 Erw. 3, BGE 64 I 336 Erw. 2, BGE 87 I 303 ). Da nach Art. 2 Abs. 1 ZGB nur der offenbare Rechtsmissbrauch keinen Schutz findet, ist der Begriff des schutzwürdigen Interesses indes nicht eng zu fassen (nicht veröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. März 1965 i.S. Rees). Dasselbe gilt für die Verteilung von Gesellschaftsaktiven ( BGE 64 I 337 /8). Auch hier darf die Registerbehörde nur abklären, ob offensichtlich kein Vermögen mehr vorhanden ist, wobei sie aber auch Möglichkeiten berücksichtigen kann, die von den interessierten Parteien nicht erwähnt werden; denn ob eine Gesellschaft auf Begehren eines Gläubigers wieder einzutragen sei, hat sie von Amtes wegen, unbekümmert um die Vorbringen der Parteien, zu prüfen. 2. Die Beschwerdeführer kritisieren vorweg die Rechtsprechung des Bundesgerichts, die den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht werde; richtigerweise sollten die legitimen BGE 100 Ib 37 S. 39 Interessen der Gesellschaft gegen diejenigen ihrer Gläubiger abgewogen werden. Die Liquidation einer Gesellschaft mit weitverzweigter Geschäftstätigkeit sei eine äusserst komplizierte Angelegenheit. Nachträgliche Forderungen bedingten kostspielige Vorkehren und eine Berichtigung der Schlussbilanz, insbesondere auch gegenüber den Steuerbehörden. Jede Verzögerung komme teuer zu stehen. Die Liquidatoren müssten daher oft zweifelhafte Forderungen anerkennen, um weitere Kosten, namentlich auch Steuern, die bis zum Abschluss der Liquidation geschuldet seien, zu vermeiden. Auch im vorliegenden Fall könnten die Liquidatoren die Wiedereintragung bei Abweisung der Beschwerde nur dadurch verhindern, dass sie die angebliche Forderung beglichen. Wegen dieser Folgen müsse das Begehren des Gläubigers zeitlich wie in der Substanzierung gewissen Mindestanforderungen genügen, andernfalls die Wiedereintragung unbillig wäre und Erpressungsmanövern den Weg ebnen würde. Damit verkennen die Beschwerdeführer indes die der Registerbehörde zustehenden Aufgaben und Befugnisse, welche für die bisherige Rechtsprechung gerade entscheidend gewesen sind. Die Registerbehörde müsste einlässlich abklären können, ob eine nachträglich geltend gemachte Forderung tatsächlich begründet sei, wenn sie einer Gesellschaft die von den Beschwerdeführern angeführten Folgen ersparen wollte. Dazu ist sie aber weder in der Lage noch verfügt sie über die gesetzlichen Mittel. Eine einlässliche Abklärung widerspräche vielmehr ihrer gesetzlichen Stellung, da sie grundsätzlich nur zu registrieren, nicht mit abschliessender Entscheidungsbefugnis in die Rechtsbeziehungen einzugreifen hat ( BGE 86 I 107 ). Die von den Beschwerdeführern angeregte Abwägung der gegenseitigen Interessen hilft darüber nicht hinweg. Über die Interessen des Gläubigers lässt sich endgültig nur entscheiden, wenn geklärt ist, ob die Forderung zu Recht geltend gemacht werde. Eine Änderung der Rechtsprechung im Sinne der Beschwerde wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse gebieten im Gegenteil, an den während Jahrzehnten entwickelten Grundsätzen zum Schutze des Gesellschaftsgläubigers festzuhalten. Insbesondere ist nicht zu verstehen, dass die Kosten der Liquidation und steuerrechtliche Überlegungen mitzuberücksichtigen seien. Diese Umstände berühren die Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gläubigern BGE 100 Ib 37 S. 40 ebensowenig wie andere Schwierigkeiten der Liquidation, können folglich das Interesse eines Gläubigers an einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht aufheben. 3. Das ist auch den weiteren Einwänden der Beschwerdeführer entgegenzuhalten. Sie laufen darauf hinaus, die Anforderungen an die zeitliche Anmeldung und an die Substanzierung der Forderung zu erhöhen, wobei nach der Meinung der Beschwerdeführer die Registerbehörde im Streitfall darüber zu befinden hätte, ob der Anspruch des Gesellschaftsgläubigers den erhöhten Anforderungen genüge. Der Gläubiger ist berechtigt, den Streit über den Bestand seiner Forderung im ordentlichen Gerichtsverfahren auszutragen, wenn sein Begehren, die als liquidiert gelöschte Gesellschaft wieder einzutragen, nicht offensichtlich missbräuchlich ist. Dass die Beschwerdegegnerin ihre Forderung erst am 7. Oktober 1972, d.h. nach Ablauf der im Schuldenruf vorgesehenen Frist angemeldet hat, schadet ihr nicht. Die Gesellschaft befand sich damals nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführer noch in Liquidation, war also noch nicht gelöscht. Auch liegt nichts dafür vor, dass die Beschwerdegegnerin die Anmeldung ihrer Forderung wider Treu und Glauben verzögert habe. Den Vorwurf, die Beschwerdegegnerin habe ihre Forderung mangelhaft substanziert, versuchen die Beschwerdeführer insbesondere damit zu begründen, es handle sich bei der angeblichen Garantieerklärung, die dem Anspruch zugrunde liege, nicht um einen Garantievertrag, sondern um eine Bürgschaft; diese sei gemäss Art. 493 OR aber ungültig, weil sie keinen bestimmten Höchstbetrag enthalte. Die Verpflichtung sei zudem offensichtlich akzessorisch gemeint gewesen und wäre auch als Garantieversprechen ungültig, da wesentliche Merkmale fehlen. Darüber endgültig zu befinden, kann indes ebenfalls nicht Sache der Registerbehörde sein. Die langen Ausführungen der Beschwerdeführer zeigen gerade, wie sehr die Frage umstritten ist und dass sie erst noch einlässlicher Abklärung bedarf. Die Vorinstanz hält ihnen übrigens mit Recht entgegen, dass Garantievertrag und Bürgschaft sich sowohl wirtschaftlich wie rechtlich sehr ähnlich und daher nicht leicht von einander zu unterscheiden sind. Ein schutzwürdiges Interesse an der Wiedereintragung der Gesellschaft kann der Beschwerdegegnerin auch nicht damit abgesprochen werden, die Gesellschaft sei schon 1971 mit mehr BGE 100 Ib 37 S. 41 als 1,1 Millionen Franken überschuldet gewesen; ausserdem könne die Beschwerdegegnerin ihr Ziel auch dadurch erreichen, dass sie gegen die Liquidatoren klage. Einen solchen Schuldnerwechsel braucht sich die Beschwerdegegnerin nicht gefallen zu lassen. Sie darf sich unbekümmert um die Überschuldung der Gesellschaft an den bisherigen Schuldner halten, wenn sie die Risiken eines Prozesses auf sich nehmen will ( BGE 64 I 336 ). Die angeblichen Unterschiede zwischen dem Fall, der diesem Entscheide zugrunde lag, und dem vorliegenden, rechtfertigen keine Abweichung von der Rechtsprechung. Von den Liquidatoren könnte die Beschwerdegegnerin bloss Schadenersatz verlangen. Sie hätte nicht nur den Bestand der Forderung, sondern auch eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die Liquidatoren sowie den daraus entstandenen Schaden nachzuweisen, wäre also prozessual schlechter gestellt als bei einer Klage gegen die Gesellschaft selber. Sie reichte gegen diese denn auch schon ein Sühnebegehren ein, bevor die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht wurde. Von einem offenbaren Rechtsmissbrauch kann daher auch hier nicht die Rede sein.
public_law
nan
de
1,974
CH_BGE
CH_BGE_003
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Federation
95f0b9d6-4552-4847-bc5e-693b8b439ffb
Urteilskopf 107 II 119 16. Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Februar 1981 i.S. K. gegen K. und Mitbeteiligte (Berufung)
Regeste Erbteilung, Herabsetzung. 1. Der kantonale Berufungsrichter darf sich nicht gestützt auf das Novenverbot des kantonalen Prozessrechts weigern, sich mit einem erst vor der Berufungsinstanz eingenommenen Rechtsstandpunkt einer Partei zu befassen (E. 2a). 2. Aus der Errungenschaft geleistete Erbvorbezüge sind bei der Ermittlung des Vorschlags nicht zum ehelichen Vermögen hinzuzuzählen (E. 2d). 3. Die unentgeltliche Abtretung des ehelichen Wohnhauses an die Ehefrau des Erblassers in der Absicht, dieser zeitlebens ein Heim sicherzustellen, ist im Sinne von Art. 527 Ziff. 1 ZGB herabsetzbar (E. 3b).
Sachverhalt ab Seite 120 BGE 107 II 119 S. 120 A.- Der am 23. Januar 1975 verstorbene A. K. hinterliess als gesetzliche Erben seine Ehefrau und drei Töchter. In einer öffentlichen letztwilligen Verfügung vom 14. Oktober 1967 hatte er den drei Töchtern je ein gleich grosses Paket verschiedener Aktien zugewiesen und verfügt, der Rest des Nachlasses solle seiner Ehefrau zufallen; Erben, welche diese Verfügung anfechten sollten, setze er auf den Plichtteil. B.- Gestützt auf eine Weisung des Friedensrichteramtes Romanshorn vom 16. Oktober 1975 reichte die Tochter S. K. gegen ihre drei Miterbinnen beim Bezirksgericht Arbon Klage ein, mit welcher sie im wesentlichen Feststellung und Teilung des Nachlasses, Herabsetzung der letztwilligen Verfügung des Erblassers vom 14. Oktober 1967, soweit durch diese ihr Pflichtteilanspruch verletzt sei, sowie Feststellung und Ausrichtung ihres Pflichtteilanspruches verlangte. Mit Urteil vom 12. November 1979 erkannte das Bezirksgericht Arbon: "1. Es wird festgestellt, dass die Liegenschaft "Isola" nicht zum Nachlass des Erblassers A. K., gestorben 23. Januar 1975, gehört. 2. Es wird festgestellt, dass die Nachkommen des Erblassers wie folgt ausgleichungspflichtig sind: Klägerin mit Fr. 104'290.-, die Beklagten 2 und 3 mit je Fr. 68'175.-. 3. Es wird festgestellt, dass der Nachlass des Erblassers Fr. 2'082'598.90 beträgt, Wert gemäss Steuerinventur vom 24. Juli 1975, aufzurechnen auf den Zeitpunkt der Rechtskraft dieses Urteils. 4. Es wird festgestellt, dass die Erbquote der Klägerin 3/16 beträgt; um diese Quote wird die letztwillige Verfügung des Erblassers vom 14. Oktober 1967 herabgesetzt." Das Obergericht des Kantons Thurgau wies eine Berufung der Klägerin mit Urteil vom 26. Juni 1980 ab und ergänzte das erstinstanzliche Urteil durch folgende Ziffer 5 des Dispositivs: "Es wird festgestellt, dass die Beklagten den Anspruch der Klägerin auf sofortige Herausgabe von 3/16 des Geldes anerkennen." Mit Beschluss des Obergerichtes vom 11. September 1980 wurde diese Ziffer dahin berichtigt, dass es statt "des Geldes" heissen müsse "des Goldes". C.- Gegen das obergerichtliche Urteil hat die Klägerin BGE 107 II 119 S. 121 beim Bundesgericht sowohl staatsrechtliche Beschwerde wie Berufung eingereicht. Die staatsrechtliche Beschwerde wurde mit Urteil vom heutigen Tage abgewiesen. Mit der Berufung stellt die Klägerin folgende Anträge: "1. Es sei die Berufung gutzuheissen und die Ziffern 1, 3, 5, 6 und 7 des angefochtenen Urteils des Obergerichtes des Kantons Thurgau aufzuheben; 2. Es sei der Nachlass des am 23.1.1975 verstorbenen A. K., Wert 24. Juli 1975, auf Fr. 2'852'146.- festzustellen und auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des bundesgerichtlichen Urteils aufzurechnen, indem a) die Vorbezüge der Nachkommen im Gesamtbetrag von Fr. 240'000.- nicht zum ehelichen Vermögen gerechnet, sondern dem Nachlass zugerechnet werden; b) die Beklagte Nr. 1 verpflichtet wird, die vom Erblasser erhaltene Liegenschaft "Isola" per Todestag (23. Januar 1975) mit Fr. 440'000.- im Nachlass auszugleichen; c) der Gegenwert der "Agricola AG" von Fr. 675'000.- nicht als ehelicher Vorschlag, sondern als eingebrachtes Mannesgut eingesetzt wird. 3. Es sei der Pflichtteil von 3/16 der Klägerin auf Fr. 534'778.-, Wert 24. Juli 1975, festzusetzen. 4. Es sei der Pflichtteil der Klägerin, Wert Urteilstag, wie folgt auszurichten: a) Vorbezüge von Fr. 104'290.-. b) Vermächtnis gemäss testamentarischer Bestimmung (schon erhalten). c) 3/16 des Goldbestandes von 360 Stück Schweizer-Goldmünzen und 700 Stück französischer Goldmünzen in natura. d) Saldoausgleich (inkl. Aufrechnung der Erträge vom 24.7.75 auf Urteilstag) in Wertschriften oder bar. 5. Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zur Vornahme der Teilung gemäss Ziffer 4 zurückzuweisen." Die Beklagten beantragen die Abweisung der Berufung. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Mit der Berufung wird das obergerichtliche Urteil in vierfacher Hinsicht angefochten: - die Vorbezüge der Nachkommen von Fr. 240'640.- hätten nicht dem ehelichen Vermögen, sondern erst nach erfolgter güterrechtlicher Auseinandersetzung dem Nachlass des Erblassers zugerechnet werden müssen; - die Liegenschaft "Isola" müsse mit einem Verkehrswert von Fr. 440'000.- in die Berechnung des Nachlasses einbezogen werden; - der Erlös von Fr. 675'000.- aus dem Verkauf von fünf BGE 107 II 119 S. 122 Aktien der Agricola AG hätte nicht als Errungenschaft, sondern als eingebrachtes Mannesgut behandelt werden müssen; - das "substantielle Teilungsbegehren" der Klägerin sei vom Obergericht zu Unrecht abgewiesen worden. 2. Dass die Vorbezüge der drei Töchter insgesamt Fr. 240'640.- betragen und ausgleichungspflichtig sind, war schon vor dem Obergericht nicht mehr bestritten. Streitig ist lediglich noch, ob dieser Betrag, wie es das Bezirksgericht getan hat, bereits bei der Ermittlung des ehelichen Vermögens in dieses einzubeziehen oder aber erst nach Durchführung der güterrechtlichen Auseinandersetzung dem Nachlass des verstorbenen Ehemannes hinzuzurechnen sei. Im ersten Fall vergrössert sich der eheliche Vorschlag um den genannten Betrag, und die Ehefrau partizipiert daran mit ihrem güterrechtlichen Anspruch auf den Vorschlagsdrittel. Im zweiten Fall dagegen fällt der gesamte Betrag in den Nachlass des Ehemannes, und der Pflichtteil der Klägerin, aber auch der Erbteil der Witwe, werden entsprechend grösser. Das Bezirksgericht ist in seinem Urteil ohne nähere Prüfung der von beiden Parteien vorgeschlagenen Berechnungsweise gefolgt, die ausgleichspflichtigen Vorbezüge zum ehelichen Vermögen hinzuzurechnen. Erst im Berufungsverfahren vor dem Obergericht nahm die Klägerin den Standpunkt ein, die Vorempfänge dürften nicht bereits bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigt werden. Das Obergericht wies diesen Berufungsantrag mit der Hautpbegründung ab, es handle sich dabei um ein prozessual unzulässiges Novum. In einer Eventualbegründung erachtete es die Berechnungsweise des Bezirksgerichtes als richtig. a) Die Hauptbegründung der Vorinstanz steht im Widerspruch zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Freiheit des kantonalen Richters in der Anwendung des Bundesrechts durch das kantonale Prozessrecht in keiner Weise eingeschränkt werden darf. In diesem Sinne wurde erstmals in BGE 89 II 339 ff. E. 2 der Grundsatz ausgesprochen, dass der kantonale Richter von Bundesrechts wegen verpflichtet sei, sich von Amtes wegen auch mit einem von den Parteien nicht eingenommenen Rechtsstandpunkt zu befassen. Die Freiheit des Richters in der Anwendung des eidgenössischen Rechts könne im kantonalen Verfahren nicht weniger weit gehen als im Berufungsverfahren vor Bundesgericht. Der kantonale Richter sei deshalb ebenso wenig wie das Bundesgericht an eine BGE 107 II 119 S. 123 unvollständige oder irrige rechtliche Begründung seitens der Parteien gebunden. An dieser Auffassung wurde seither in konstanter Rechtsprechung festgehalten ( BGE 99 II 76 E. 4, BGE 95 II 252 E. 3, BGE 92 II 312 E. 5, BGE 91 II 65 E. 2, BGE 90 II 40 E. 6b). Im vorliegenden Fall durfte die Vorinstanz aufgrund der zitierten Rechtsprechung den von der Klägerin erst im kantonalen Berufungsverfahren eingenommenen Standpunkt, die Vorempfänge der Töchter seien nur bei der eigentlichen Erbteilung zu berücksichtigen und nicht bereits bei der Vorschlagsberechnung, nicht unter Berufung auf das Novenverbot des kantonalen Prozessrechts als unzulässig erklären. Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage, die von Amtes wegen geprüft werden muss. Daher konnte es der Klägerin nicht schaden, dass sie im erstinstanzlichen kantonalen Verfahren selber davon ausgegangen war, die als solche nicht bestrittenen Vorbezüge seien bei der Berechnung des Vorschlags zum ehelichen Vermögen hinzuzurechnen. Anders verhielte es sich nur, wenn die Parteien diese Frage zum Gegenstand eines Teilvergleichs gemacht hätten, oder wenn der neu eingenommene Rechtsstandpunkt über das Klagebegehren hinausführen würde. Beides war hier nicht der Fall. Eine übereinstimmende Berechnungsart in einem Erbteilungsprozess kann nicht als Willenseinigung der Parteien aufgefasst werden, die zum Abschluss eines Vergleiches führt, solange über die Begründetheit der Klage weiterhin Streit herrscht. Die von der Klägerin erst vor der zweiten kantonalen Instanz vertretene Auffassung über die rechnerische Behandlung der Vorbezüge der Töchter blieb aber auch im Rahmen des Klagebegehrens. Dieses war allgemein gehalten und enthielt keine genauen Zahlen. Selbst wenn bei der Auslegung des Klagebegehrens darauf abgestellt werden wollte, welchen Betrag die Klägerin nach der Klageschrift als Pflichtteil forderte, stünde der Berücksichtigung der neuen Berechnungsweise hier nichts entgegen. Zu der von der Klägerin erst vor der zweiten kantonalen Instanz aufgeworfenen Rechtsfrage muss daher materiell Stellung genommen werden. b) Die Vorinstanz hat sich in ihrer Eventualerwägung mit dem Standpunkt der Klägerin auseinandergesetzt. Unter Berufung auf LEMP, N. 40 zu Art. 214 ZGB , ist sie davon ausgegangen, für die Frage, ob unentgeltliche Zuwendungen an Erben in die Vorschlagsberechnung aufzunehmen seien, sei entscheidend, ob die Zuwendungen nach dem mutmasslichen Willen BGE 107 II 119 S. 124 der Ehegatten letzten Endes die gesamte Errungenschaftsmasse oder nur das eingebrachte Gut oder das Sondergut des Ehemannes belasten sollten. Im vorliegenden Fall spreche die Vermutung dagegen, dass der Erblasser durch die Zuwendungen von insgesamt Fr. 240'640.- an seine Töchter die güterrechtlichen Ansprüche seiner Ehefrau in entsprechendem Ausmass habe schmälern wollen. Das ergebe sich daraus, dass der Hauptteil des ehelichen Vermögens durch die Erwerbstätigkeit des Erblassers geschaffen worden sei und dieser überdies weit mehr in die Ehe eingebracht habe als die Ehefrau, deren Gut nur Fr. 73'000.- betragen habe, bei einem ehelichen Bruttogesamtvermögen von über drei Millionen Franken. Der Wille des Erblassers, den Vorschlagsanteil der Ehefrau durch die Zuwendungen an die Töchter nicht zu verringern, sei zudem "aktenmässig positiv erwiesen". In seinem Testament habe er nämlich verfügt, dass nach Zuwendungen von bestimmten Wertschriften an die drei Töchter sein gesamter übriger Nachlass der Ehefrau zu Eigentum zufallen und jeder Erbe, der diese Verfügung anfechte, auf den Pflichtteil gesetzt sein solle. Damit habe er seinen eindeutigen Willen erklärt, die Ehefrau in jeder Beziehung maximal zu begünstigen. Diesem Willen widerspräche gänzlich die Annahme, er habe jene Zuwendungen zu Lasten der güterrechtlichen Ansprüche der Ehefrau vornehmen und dadurch deren Vorschlagsanteil um volle Fr. 80'000.- (ein Drittel von Fr. 240'000.-) beschneiden wollen. Einen solchen Willen habe die Klägerin auch nie behauptet und zu Beweis verstellt. Es sei somit tatbeständlich vom Willen beider Eltern K. auszugehen, dass die Zuwendungen an die Nachkommen nur das Mannesvermögen belasten sollten, nicht die Errungenschaft. Dieser stehe demzufolge eine Ersatzforderung von Fr. 240'640.- gegen das Mannesgut zu. Um diesen Betrag vergrössere sich der eheliche Vorschlag. c) Obwohl die Vorinstanz den Willen des Erblassers, dass die lebzeitigen Zuwendungen an seine Töchter nicht zu Lasten der Errungenschaft, sondern zu Lasten des eingebrachten Mannesgutes gehen sollten, vor allem aufgrund des am 14. Oktober 1967 errichteten Testaments als "positiv erwiesen" erachtet, hat sie keine auf Beweiswürdigung beruhende tatsächliche Feststellung getroffen, die nach Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlich wäre. Zwar bildete das Testament des Erblassers in diesem Zusammenhang nicht Gegenstand BGE 107 II 119 S. 125 reiner Auslegung, die vom Bundesgericht als Rechtsfrage frei überprüft werden könnte ( BGE 100 II 446 E. 6, mit Hinweisen), sondern es hatte für die Vorinstanz die Bedeutung eines Beweismittels zur Ermittlung des erblasserischen Willens hinsichtlich der güterrechtlichen Behandlung der Zuwendungen an die Töchter. Indessen besteht nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass der Erblasser anlässlich der Ausrichtung der Zuwendungen an die Frage, welche Vermögensmasse diese letztlich belasten sollten, auch nur gedacht hat. Trotz der apodiktischen Formulierung hat die Vorinstanz daher in Wirklichkeit nicht den innern Willen des Erblassers ermittelt, was Tatfrage wäre ( BGE 96 II 148 /149, BGE 95 II 170 , 553, BGE 94 II 99 , 104), sondern sie hat festgestellt, was der Erblasser mutmasslich gewollt hätte, wenn er sich des Problems bewusst gewesen wäre. An derartige Feststellungen über den hypothetischen Willen einer Person ist das Bundesgericht nach der Rechtsprechung nicht gebunden ( BGE 80 III 57 , 76 II 15, 279). Überprüft man die Ausführungen der Vorinstanz über den Willen des Erblassers in diesem Sinne, so kann ihnen nicht gefolgt werden. Dies gilt schon für den Ausgangspunkt der vorinstanzlichen Überlegungen. Wenn die Beklagten nämlich behaupten, der Erblasser habe mit seinen unbestrittenermassen aus der Errungenschaft stammenden Zuwendungen in Wirklichkeit das Mannesgut belasten wollen und der Errungenschaft stehe deshalb eine Ersatzforderung gegen das Mannesgut zu, so trifft die Beweislast hiefür nach der allgemeinen Regel des Art. 8 ZGB sie. Es war daher entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht Sache der Klägerin, das Gegenteil zu behaupten und gegebenenfalls zu beweisen. Es trifft auch nicht zu, dass die besonderen Umstände des Falles dafür sprechen würden, dass der Erblasser die Zuwendungen zu Lasten seines eingebrachten Gutes vornehmen wollte. Dieses betrug bloss Fr. 251'340.-. Es wäre also praktisch aufgebraucht worden, wenn der Erblasser die Zuwendungen im Gesamtbetrag von Fr. 240'640.- aus diesem Vermögen geleistet hätte. Schon deswegen darf nicht angenommen werden, der Erblasser habe seine Töchter nicht zu Lasten der Errungenschaft begünstigen wollen. Eine solche Annahme verbietet sich umso mehr, wenn man bedenkt, dass dem eingebrachten Gut des Erblassers eine Errungenschaft von rund 2,75 Millionen Franken gegenüberstand. Inwiefern in diesem Zusammenhang das Verhältnis zwischen BGE 107 II 119 S. 126 Mannes- und Frauengut eine Rolle spielen soll, ist nicht ersichtlich; es wird ja nicht geltend gemacht, die Zuwendungen seien zum Teil auch dem Frauengut zu belasten. Richtig ist dagegen, dass sich durch die Belastung der Errungenschaft mit den Zuwendungen der Vorschlagsanteil der Ehefrau um rund Fr. 80'000.- vermindert. Auf der andern Seite kommen dieser nach der Berechnungsweise der Vorinstanz, die von der Klägerin nicht angefochten wird und die sich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung stützen kann ( BGE 77 II 228 ff.), im Rahmen der Ausgleichung nach Art. 626 Abs. 2 ZGB wieder 7/16 des betreffenden Betrages, d.h. rund Fr. 35'000.-, zugute, so dass die Belastung in Wirklichkeit nur rund Fr. 45'000.- beträgt. Berücksichtigt man, dass sich der Vorschlagsanteil der Witwe nach Abzug des Betrages von Fr. 80'000.- immer noch auf rund Fr. 835'000.- beläuft, wozu noch ein Erbanteil von rund Fr. 945'000.- kommt, so erscheint diese Benachteiligung doch als verhältnismässig geringfügig. Unter diesen Umständen kann entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht gesagt werden, es sei mit dem im Testament zum Ausdruck gebrachten Willen, die Ehefrau maximal zu begünstigen, schlechthin unvereinbar, dass der Erblasser die Zuwendungen güterrechtlich endgültig zu Lasten der Errungenschaft habe vornehmen wollen. d) Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass der Erblasser den Willen gehabt habe, die aus der Errungenschaft stammenden Zuwendungen an seine Töchter letztlich dem Mannesgut zu belasten, könnte der Betrachtungsweise der Vorinstanz nicht gefolgt werden. Diese läuft darauf hinaus, dass die Vorempfänge zur Ermittlung des Vorschlags rechnerisch in das eheliche Bruttovermögen eingeworfen werden müssen. Dadurch werden jedoch Güter- und Erbrecht in unzulässiger Weise miteinander vermengt. Es ist schon mit dem Begriff des Erbvorbezuges nur schwer vereinbar, dass der Begünstigte einen Drittel der unter diesem Titel erhaltenen Zuwendungen unabhängig von der Erbteilung der überlebenden Ehefrau zurückgeben muss. Eine solche rechnerische Einwerfung von Zuwendungen unter Lebenden ist nur im Erbrecht vorgesehen, nämlich bei der Berechnung der verfügbaren Quote ( Art. 475 ZGB ) und bei der Durchführung der Ausgleichung ( Art. 628 ZGB ), nicht aber im ehelichen Güterrecht. Was im ehelichen Vermögen nicht mehr vorhanden ist, kann auch nicht Gegenstand BGE 107 II 119 S. 127 der Vorschlagsberechnung bilden. Anderseits können die Berechnung der verfügbaren Quote und die erbrechtliche Ausgleichung erst durchgeführt werden, wenn die güterrechtliche Auseinandersetzung erledigt und der Nachlass ermittelt ist. Kombiniert man diese beiden Operationen, wie es die Vorinstanz tut, so führt dies im Ergebnis zu einer Art von güterrechtlicher Ausgleichung, die dem Gesetz fremd ist. Das eheliche Güterrecht enthält auch die rechtlichen Mechanismen nicht, die nötig wären, um den Vorschlagsanteil an Vorempfängen durchzusetzen. Überlässt z.B. ein Ehemann sein ganzes Vermögen, das er während der Ehe erworben hat, zum Aufbau eines Geschäftes seinem Sohn, so kann die Ehefrau nach dem Tod des Mannes nicht gegen den Sohn auf Herausgabe des Vorschlagsdrittels klagen. Eine solche Klage ist im Gesetz nirgends vorgesehen. Den einzigen Schutz bietet hier die erbrechtliche Ausgleichung oder, falls der Erblasser den Sohn von der Ausgleichungspflicht befreit oder dieser die Erbschaft ausgeschlagen hat, die erbrechtliche Herabsetzungsklage, die der überlebenden Ehefrau mindestens einen Viertel der Zuwendung sichert. Es ist zuzugeben, dass es der Ehemann damit in der Hand hat, den Anspruch seiner Frau auf den Vorschlagsanteil durch Ausrichtung von Vorbezügen an seine Nachkommen zu schmälern. Das hat aber seinen Grund darin, dass dieser Anspruch rechtlich nur ungenügend geschützt ist. So ist die Ehefrau unter dem Gesichtspunkt des Güterrechts beispielsweise auch dann machtlos, wenn der Ehemann während der Ehe unentgeltliche Zuwendungen an Dritte macht. Sie kann die Schmälerung ihres Vorschlagsanteils in einem solchen Fall nicht verhindern; wohl aber steht ihr gegen den Dritten gegebenenfalls die Herabsetzungsklage zu. Es ist nicht einzusehen, weshalb es sich anders verhalten sollte, wenn die Zuwendung unter dem Titel Erbvorbezug an einen Nachkommen gemacht wird. Im vorliegenden Fall partizipiert die Ehefrau übrigens, wie bereits gesagt, dank der testamentarischen Begünstigung im Rahmen der Ausgleichung an den Zuwendungen an die Nachkommen nicht nur zu einem Viertel, sondern zu 7/16; insoweit wird die Schmälerung des Vorschlagsanteils durch die Erhöhung des Erbanteils kompensiert. Im übrigen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Ehefrau mit den angesichts der günstigen finanziellen Verhältnisse des Erblassers BGE 107 II 119 S. 128 keineswegs aus dem Rahmen fallenden Zuwendungen an die Töchter nicht einverstanden gewesen wäre (zu diesem Argument vgl. KRADOLFER, Schutz des Rechts der Ehefrau auf Vorschlagsteilhabe, Diss. Zürich 1974, S. 128, und die bei LEMP, N. 40 zu Art. 214 ZGB , zitierten Autoren), so dass ein besonderes Schutzbedürfnis ohnehin nicht besteht. Gegen den Einbezug der Vorempfänge in die Vorschlagsberechnung spricht schliesslich die Überlegung, dass dadurch dem Erblasser ermöglicht würde, die Höhe der Pflichtteile und damit die verfügbare Quote zu verändern, und dies, ohne dass er seinen Willen, die Vorempfänge zu Lasten des eingebrachten Gutes vorzunehmen, ausdrücklich äussern müsste. Die verfügbare Quote kann aber nicht vom Willen des Erblassers abhängen, sondern stellt eine feste Grösse dar, die durch derartige Zuwendungen unter Lebenden nicht beeinflusst werden kann. Deshalb müssen solche Zuwendungen bei der Ermittlung der verfügbaren Quote nach Art. 475 ZGB ja auch zum Nachlassvermögen hinzugerechnet werden, soweit sie der Herabsetzungsklage unterliegen. Dieser Grundsatz wird verletzt, wenn die Vorempfänge je nach dem Willen des Erblassers in einem Fall ganz, im andern nur zu zwei Dritteln in die Berechnung einbezogen werden. e) Aus diesem Gründen müssen die Vorbezüge unabhängig vom Willen des Erblassers bei der Vorschlagsberechnung ausser acht gelassen werden. Der Nettonachlass ist daher für die Durchführung der Ausgleichung gegenüber dem angefochtenen Urteil um Fr. 80'213.30 (1/3 von Fr. 240'640.-) zu erhöhen, wodurch sich eine Erhöhung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin von Fr. 15'039.90 (3/16 von Fr. 80'213.30) ergibt. Der Vorschlagsanteil der Ehefrau vermindert sich um Fr. 80'213.30; dagegen erhöht sich ihr Erbanteil um Fr. 35'093.10 (7/16 von Fr. 80'213.30). 3. Die mit dem ehelichen Wohnhaus überbaute Liegenschaft "Isola" hat der Erblasser mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 19. November 1964 an die Ehefrau abgetreten. Die Klägerin ist der Auffassung, die Ehefrau sei bezüglich des Wertes dieser Liegenschaft ausgleichungspflichtig; eventuell unterliege die Zuwendung der Herabsetzung. a) Eine Ausgleichspflicht bestünde nur dann, wenn der Erblasser die Liegenschaft der Ehefrau im Sinne von Art. 626 Abs. 1 ZGB "auf Anrechnung an den Erbteil" zugewendet BGE 107 II 119 S. 129 hätte. An einer solchen positiven Ausgleichungsanordnung des Erblassers fehlt es jedoch. Mit der Vorinstanz muss im Gegenteil angenommen werden, der Erblasser habe die Liegenschaftsabtretung nicht der Ausgleichung unterwerfen wollen. Die Klägerin macht freilich geltend, der an der friedensrichterlichen Verhandlung anwesende bevollmächtigte Vertreter der Beklagten habe die Zugehörigkeit der Liegenschaft zum Nachlass und damit auch die Ausgleichungspflicht der Witwe ausdrücklich anerkannt. Dazu hat die Vorinstanz festgehalten, es fehle an einer amtlichen Protokollierung eines Anerkenntnisses nach § 155 Abs. 2 ZPO /TG, und überdies sei dem rechtsunkundigen Vertreter der Beklagten am Vermittlungsvorstand der Unterschied zwischen ehelichem Vermögen im weiteren Sinne und eigentlichem Nachlass nicht geläufig und bewusst gewesen. Der erste Teil dieser Erwägung betrifft kantonales Prozessrecht und kann im Berufungsverfahren nicht überprüft werden. Es kann aber auch keine Rede davon sein, dass eine unter dem Gesichtspunkt des Bundesrechts für die Beklagten verbindliche Anerkennung des klägerischen Rechtsstandpunktes vorliegen würde. In der Weisung des Friedensrichteramtes war diesbezüglich als Erklärung des Vertreters der Beklagten festgehalten worden: "Die Liegenschaft "Isola" ... ist im Nachlassinventar des Verstorbenen aufgenommen." Diese Formulierung sagt nichts darüber aus, ob die Beklagten damit anerkennen wollten, der Verkehrswert der Liegenschaft "Isola" unterliege der Ausgleichung. Eine Ausgleichungspflicht der Ehefrau für die Liegenschaft ist somit nicht gegeben. b) Hingegen stellt sich die Frage der Herabsetzbarkeit dieser Zuwendung. Dabei fällt eine Herabsetzung gemäss Art. 527 Ziff. 3 ZGB zum vornherein ausser Betracht, da die Abtretung der Liegenschaft mehr als fünf Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgt ist. Zu prüfen ist daher nur, ob die Voraussetzungen von Art. 527 Ziff. 1 ZGB erfüllt seien. Nach dieser Bestimmung unterliegen der Herabsetzung die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind. Nach Auffassung der Vorinstanz entfällt auch dieser Herabsetzungstatbestand, weil es an BGE 107 II 119 S. 130 einer Zuwendung "auf Anrechnung an den Erbteil" fehle. Damit verkennt sie aber die Tragweite von Art. 527 Ziff. 1 ZGB . Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes kommt es nämlich nicht darauf an, ob der Erblasser den Willen hatte, der Zuwendungsempfänger müsse sich die Zuwendung bei der Erbteilung anrechnen lassen, da solche Zuwendungen aufgrund von Art. 626 Abs. 1 ZGB ohnehin ausgleichungspflichtig sind und eine Herabsetzung deshalb nur in Frage käme, wenn der Zuwendungsempfänger aus irgendeinem Grund (Ausschlagung der Erbschaft, Erbunwürdigkeit, Enterbung) nicht Erbe wird und die Ausgleichung deswegen nicht durchgeführt werden kann. Art. 527 Ziff. 1 ZGB ist vielmehr in objektivem Sinn zu verstehen; es fallen darunter alle diejenigen Zuwendungen, die ihrer Natur nach der Ausgleichung unterständen, ihr aber durch eine gegenteilige Verfügung des Erblassers entzogen worden sind ( BGE 71 II 77 ; vgl. auch BGE 98 II 356 , BGE 76 II 192 ; TUOR, N. 4 und ESCHER, N. 8 zu Art. 527 ZGB ). Zu denken ist dabei in erster Linie an Zuwendungen an Nachkommen im Sinne von Art. 626 Abs. 2 ZGB , die der Erblasser von der Ausgleichungspflicht befreit hat. Es besteht indessen kein Grund, die Anwendbarkeit von Art. 527 Ziff. 1 ZGB analog zu Art. 626 Abs. 2 ZGB auf lebzeitige Zuwendungen an Nachkommen zu beschränken. Gegen eine solche Beschränkung spricht der Umstand, dass Art. 527 Ziff. 1 ZGB die Nachkommen im Unterschied zu Art. 626 Abs. 2 ZGB nicht ausdrücklich erwähnt, sondern allgemein gehalten ist. Aber auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Erben und der Wahrung des Pflichtteilsschutzes wäre es nicht gerechtfertigt, Zuwendungen im Sinne von Art. 527 Ziff. 1 ZGB dann von der Herabsetzung gemäss dieser Bestimmung auszunehmen, wenn sie an andere Erben als die Nachkommen, insbesondere an den Ehegatten des Erblassers, gingen (so auch ESCHER, N. 10, und TUOR, N. 4 a zu Art. 527 ZGB ). Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Aufzählung der herabsetzbaren Zuwendungen in Art. 527 Ziff. 1 ZGB nicht abschliessender Natur, sondern sie hat analog der ähnlich gefassten Umschreibung in Art. 626 Abs. 2 ZGB nur beispielhaften Charakter ( BGE 76 II 192 ; TUOR, N. 7, und ESCHER, N. 11 und 14 zu Art. 527 ZGB ; vgl. auch BGE 98 II 356 /357). Ob eine lebzeitige Zuwendung an einen Erben nach Art. 527 Ziff. 1 ZGB der Herabsetzung unterliegt, hängt mit anderen Worten BGE 107 II 119 S. 131 davon ab, ob sie einem ähnlichen Zweck wie die dort aufgeführten Zuwendungen diente. Als gemeinsame Zweckbestimmung dieser Zuwendungen kann die Familienfürsorge bezeichnet werden (so ESCHER, N. 14 zu Art. 527 ZGB ). In BGE 76 II 196 wird als gemeinsames Merkmal genannt, dass eine Zuwendung "den Zweck der Existenzbegründung, -sicherung oder -verbesserung für den Empfänger" verfolgt habe (vgl. auch BGE 98 II 356 ). Die Abtretung des ehelichen Wohnhauses an die Ehefrau des Erblassers in der Absicht, dieser zeitlebens ein Heim sicherzustellen, kann nun durchaus als eine Zuwendung zur Existenzsicherung im genannten Sinne qualifiziert werden. Das Bundesgericht hat übrigens in BGE 84 II 349 ausdrücklich festgestellt, dass unter Vermögensabtretung im Sinne von Art. 626 Abs. 2 ZGB auch die Abtretung eines einzelnen bedeutenden Vermögenswertes wie jene einer Liegenschaft zu verstehen ist. Eine Zuwendung wie die hier in Frage stehende unterliegt deshalb grundsätzlich der Herabsetzung gemäss Art. 527 Ziff. 1 ZGB . Dass sie den Charakter einer Schenkung hat, ändert daran nichts. Das ist bei den in Art. 527 Ziff. 1 ZGB genannten Zuwendungen meistens der Fall, ohne dass deswegen ihre Herabsetzung nur unter den beschränkten Voraussetzungen des Art. 527 Ziff. 3 ZGB erfolgen könnte. Diese Bestimmung kommt nur zur Anwendung, wenn eine Schenkung an einen Erben nicht der Existenzsicherung dient oder wenn sie gegenüber einem Nichterben erfolgte. Einige Autoren unterstellen übrigens sämtliche unentgeltlichen Zuwendungen an Erben mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke der Herabsetzung gemäss Art. 527 Ziff. 1 ZGB und beschränken den Anwendungsbereich von Art. 527 Ziff. 3 auf Schenkungen an Dritte (GUISAN, La notion d'avancement d'hoirie, ZSR 71/1952 S. 512; P. WIDMER, Grundfragen der erbrechtlichen Ausgleichung, Diss. Bern 1971, S. 107/108; U. SCHWENDENER, Die Ausgleichungspflicht der Nachkommen unter sich und in Konkurenz mit dem überlebenden Ehegatten, Diss. Zürich 1959, S. 37/38; vgl. auch TUOR/PICENONI, N. 41 zu Art. 626 ZGB ). Wollte man dieser Ansicht folgen, so müsste im vorliegenden Fall die Herabsetzbarkeit der Liegenschaftsabtretung erst recht bejaht werden. Voraussetzung der Herabsetzung ist aber auf jeden Fall, dass die Abtretung ganz oder teilweise unentgeltlich erfolgt ist ( BGE 98 II 357 ). Das angefochtene Urteil enthält hierüber keine BGE 107 II 119 S. 132 Feststellungen und spricht sich auch zum massgebenden Wert der Liegenschaft nicht aus. Die Sache ist daher in diesem Punkt zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 4. Mit Bezug auf den Erlös aus dem Verkauf von fünf Aktien der Agricola AG im Betrag von Fr. 675'000.- hat das Obergericht die Beweislast dafür, dass es sich bei diesem Betrag um Ersatz für nicht mehr vorhandenes eingebrachtes Mannesgut handle, der Klägerin auferlegt. Entgegen den Ausführungen in der Berufungsschrift hat es sich dabei nicht auf die Vorschrift von Art. 196 Abs. 1 ZGB berufen, die nach dem Wortlaut nur für eingebrachtes Frauengut gilt, sondern die allgemeine Beweislastregel von Art. 8 ZGB angewendet. Die einhellige Lehre und Rechtsprechung (LEMP, N. 13 zu Art. 189, N. 10 zu Art. 196 und N. 23 zu Art. 214 ZGB , sowie BÜHLER/SPÜHLER, N. 101 und 102 zu Art. 154 ZGB , und die bei diesen Autoren zitierte weitere Literatur und Judikatur) stehen mit überzeugender Begründung auf dem Standpunkt, bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung treffe jeden Ehegatten bzw. dessen Erben die Beweislast dafür, dass ein bestimmtes Vermögensobjekt von ihm in die Ehe eingebracht oder als Ersatz für nicht mehr vorhandenes eingebrachtes Gut angeschafft worden sei. Das Obergericht hat somit keine bundesrechtliche Beweisvorschrift verletzt. Seine Ausführungen darüber, die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht, stellen eine mit Berufung nicht anfechtbare Beweiswürdigung dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch keine Verletzung von Art. 9 ZGB vor. Einmal sagt die notarielle Erklärung, die dem Kaufvertrag zwischen H. K. und der zu gründenden Agricola AG vom 2. September 1940 als Ergänzung I beigefügt worden war, nichts darüber aus, welche Vermögenswerte vom Erblasser in die Ehe eingebracht worden waren und wie sich diese während der Ehe entwickelt hatten. Sodann lässt Art. 9 ZGB den Nachweis der inhaltlichen Unrichtigkeit der öffentlichen Urkunde zu. Ob die Vorinstanz diesen Gegenbeweis als erbracht ansehen durfte, ist wiederum eine Frage der Beweiswürdigung, die im Berufungsverfahren nicht überprüft werden kann. Die Vorinstanz hat daher Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie den Erlös aus dem Verkauf der fraglichen Aktien zur Errungenschaft zählte. 5. Mit Bezug auf die Durchführung der Teilung besteht BGE 107 II 119 S. 133 hinsichtlich der der Klägerin anzurechnenden Vorbezüge und des ihr zustehenden Vermächtnisses keine Differenz. Auch hinsichtlich des Goldbestandes ist dem Antrag der Klägerin durch den Berichtigungsbeschluss des Obergerichtes vom 11. September 1980 entsprochen worden. Endlich hat das Obergericht auch dem Antrag der Klägerin, der Saldo-Ausgleich habe in Wertschriften oder bar zu erfolgen, Rechnung getragen. Es hat lediglich unterlassen, den Umfang des Nachlasses und damit den der Klägerin zustehenden Saldo auf den Urteilstag zahlenmässig genau aufzurechnen. Zur Begründung hat die Vorinstanz ausgeführt, einerseits habe die Klägerin das gar nicht in prozessual zulässiger Weise verlangt, anderseits handle es sich dabei um eine blosse rechnerische Operation, die jederzeit ohne Schwierigkeiten vorgenommen werden könne. Auch hier ist der erste Teil der Begründung prozessualer Natur und der Überprüfung durch das Bundesgericht im Berufungsverfahren damit entzogen. Im übrigen ist zwischen den Parteien unbestritten, dass der Umfang des Nachlasses und seine Zusammensetzung aus Wertschriften, Bankguthaben, Barschaft etc. abgesehen von den im Berufungsverfahren noch streitigen Punkten im grossen und ganzen feststeht und es lediglich einer Aufrechnung einzelner Positionen, wie Zinsen, Verrechnungssteuerguthaben, Steuerschulden etc. auf einen bestimmten Abrechnungstag bedarf. Die Beklagten anerkennen auch ausdrücklich den Anspruch der Klägerin auf Gleichbehandlung mit den übrigen Erben, d.h. ihren Anspruch auf 3/16 an sämtlichen Nachlassbestandteilen. Damit aber ist dem in BGE 101 II 45 aufgestellten Erfordernis Rechnung getragen, wonach das Teilungsurteil den Vollzugsorganen die Verteilung der Erbschaftsbestandteile auf die einzelnen Erben unmittelbar ermöglichen muss. 6. Die Berufung erweist sich somit teilweise als begründet. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird teilweise gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
public_law
nan
de
1,981
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
95f1108e-ba8a-435e-95e7-132a483b22ef
Urteilskopf 98 Ia 1 1. Urteil vom 8. März 1972 i.S. Schmuckle und Coop Solothurn gegen Weill und Nordmann AG und Regierungsrat des Kantons Solothurn
Regeste Art. 4 BV ; rechtliches Gehör in Verwaltungssachen. Der Bürger ist vor dem Erlass einer ihn belastenden Verwaltungsverfügung von Bundesrechts wegen jedenfalls dann anzuhören, wenn das öffentliche Interesse keine sofortige Entscheidung verlangt und die einmal getroffene Massnahme weder mit einem ordentlichen, eine freie Überprüfung gestattenden Rechtsmittel angefochten noch von der verfügenden Behörde selber uneingeschränkt in Wiedererwägung gezogen werden kann. Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Übertragung eines Kleinhandelspatentes für geistige Getränke ohne Anhörung des bisherigen Patentinhabers.
Sachverhalt ab Seite 2 BGE 98 Ia 1 S. 2 A.- Nach dem solothurnischen Wirtschaftsgesetz vom 6. Dezember 1964 (WG) ist für den Kleinhandel mit geistigen Getränken ein Wirtschaftspatent oder ein besonderes Kleinhandelspatent erforderlich (§ 83 Abs. 1), das vom Regierungsrat erteilt wird (§ 105 Abs. 1). Über die Patentarten bestimmt § 84: "Es werden folgende Kleinhandelspatente ausgestellt: a) für den Kleinhandel mit Wein, Wermutwein, Obstwein, Gärmost und Bier; b) für den Kleinhandel mit gebrannten Wassern. Die Kleinhandelspatente können als Voll- oder Teilpatente erteilt werden. Die Ausstellung von Patenten nach lit. a und b auf die gleiche Person ist zulässig (Doppelpatent)." Das Kleinhandelspatent wird für "eine bestimmte Person und bestimmte Räumlichkeiten in der gleichen Liegenschaft" ausgestellt (§ 87 Abs. 1), für 5 Jahre erteilt und bedarf der periodischen Erneuerung (§ 87 Abs. 3); für Geschäfte mit Filialbetrieben können die Filialpatente auf eine einzige Person ausgestellt werden (§ 87 Abs. 2). Während die Erteilung von Kleinhandelspatenten nach § 84 Abs. 1 lit. a nur von gewissen persönlichen und gewerblichen Voraussetzungen abhängig ist (§§ 88, 89), gilt für solche nach § 84 Abs. 1 lit. b (die auch zum Versand im Kantonsgebiet berechtigen, § 85 Abs. 2) zusätzlich eine Bedürfnisklausel, die in § 90 wie folgt umschrieben wird: "Kleinhandelspatente nach § 84 Abs. 1 lit. b dürfen nur erteilt, auf Verkaufslokale einer andern Liegenschaft verlegt oder in ihrem räumlichen Geltungsbereich ausgedehnt werden, wenn unter Berücksichtigung der Zahl der bestehenden Kleinverkaufsstellen für gebrannte Wasser und ihrer Verteilung innerhalb der Gemeinde ein Bedürfnis besteht. Das Bedürfnis ist in der Regel zu verneinen, wenn in einer Gemeinde auf eine in der Vollziehungsverordnung festzusetzenden Anzahl Einwohner mehr als eine Kleinverkaufsstelle fällt. In Gemeinden, in denen die Einwohnerzahl die Bedürfnisnormzahl nicht erreicht, darf eine Kleinverkaufsstelle zugelassen werden. Gastgewerbebetriebe mit der Berechtigung zum Kleinhandel mit geistigen Getränken sind nur zu berücksichtigen, wenn eine eigentliche Kleinverkaufsstelle betrieben wird. In der Regel ist für eine Liegenschaft, in der sich ein Gastgewerbebetrieb befindet, kein Kleinhandelspatent zu erteilen. Die Erneuerung der Patente und ihre Übertragung auf andere Personen können vom Bedürfnis abhängig gemacht werden. Apotheken sowie Drogerien, welche die in der Vollziehungsverordnung umschriebenen Voraussetzungen erfüllen, wird für den Verkauf alkoholhaltiger Getränke zu medizinischen Zwecken ein beschränktes BGE 98 Ia 1 S. 3 Kleinhandelspatent ohne Prüfung des Bedürfnisses erteilt. Solche Kleinverkaufsstellen werden bei der Prüfung des Bedürfnisses mitgezählt... " Über das Verfahren für die Begutachtung der Patentgesuche bestimmt § 106 Abs. 2: "Wenn die Bedürfnisfrage geprüft werden muss, ..., ist den interessierten Berufs- und Wirtschaftsverbänden sowie den betreffenden Einwohnergemeinden Gelegenheit zur Meinungsäusserung zum gestellten Gesuch zu geben." Gemäss § 92 Abs. 3 WG gelten die §§ 78 und 79 sinngemäss für Kleinverkaufsstellen bzw. Kleinhandelspatente. § 78 Abs. 1 lautet: "Das Patent erlischt von Gesetzes wegen: a) mit Ablauf der Gültigkeitsdauer; b) mit dem ausdrücklichen Verzicht des Patentinhabers auf die Weiterführung des Betriebes. Die Erklärung, die Liegenschaft nicht mehr für den Betrieb eines Gastgewerbes verwenden zu wollen, kann nur der Grundeigentümer rechtsgültig abgeben; c) mit dem Tode des Patentinhabers." B.- Der Coop Solothurn (früher Konsumgenossenschaft Solothurn) ist mit Regierungsratsbeschluss vom 21. Juni 1966 für ein an der Steinbruggstrasse 2 in Solothurn gemietetes Verkaufslokal ein Doppelpatent gemäss § 84 WG erteilt worden. Als verantwortlicher Geschäftsführer im Sinne von § 87 Abs. 2 WG wurde Albert Schmuckle, Direktor, bezeichnet. Am 23. Dezember 1969 erneuerte der Regierungsrat das Doppelpatent bis zum 31. Dezember 1972. C.- Am 16. Juli 1971 erliess der Regierungsrat des Kantons Solothurn folgenden Entscheid: "Das Doppelpatent nach § 84 WG (Kleinhandel mit Wein, Wermutwein, Obstwein, Gärmost, Bier und gebrannten Wassern) für das Verkaufslokal in Gebäude Nr. 2 an der Steinbruggstrasse in Solothurn wird mit Wirkung ab 1. Oktober 1971 von Herrn Albert Schmuckle, Direktor der Coop Solothurn, auf Herrn Yvan Weill, geboren am 24. September 1906, von Günsberg, Direktor der Firma Nordmann AG Solothurn, übertragen. Die Firma Nordmann AG hat das Ladenlokal als Filialbetrieb zur Benützung als Lebensmitteldetailgeschäft gemietet. Diese Bedingung des Mietvertrages vom 24. Juni 1971 gilt als integrierender Bestandteil der Patentübertragung. Kanzleigebühr Fr. 33.- (Staatskanzlei Nr. 669)" Dieser Beschluss wurde von Amtes wegen weder Schmuckle, noch der Coop, noch den interessierten Berufs- und Wirtschaftsverbänden BGE 98 Ia 1 S. 4 zugestellt. Die Zustellung einer Photokopie an die Coop erfolgte erst auf deren telefonisch geäusserten Wunsch hin mit Begleitbrief vom 20. August 1971. Dem wiedergegebenen Regierungsratsbeschluss vom 16. Juli 1971 lag ein Gesuch von Yvan Weill, Direktor der Nordmann AG Solothurn, vom 7. Juli 1971 zugrunde, mit dem die Übertragung des fraglichen Doppelpatentes verlangt worden war. In dem Gesuch wurde geltend gemacht, zwischen der Eigentümerin des Hauses Steinbruggstrasse 2, der Schweizerischen Lebensversicherungs- und Rentenanstalt, und der Firma Nordmann AG sei am 24. Juni 1971 ein Mietvertrag abgeschlossen worden, wonach das bisher von der Coop gemietete Ladenlokal ab 1. Oktober 1971 von der Nordmann AG übernommen werde. Dieser Mietvertrag räumte der Nordmann AG für den Fall, dass ihr Gesuch um Patentübertragung abgelehnt würde, bis zum 9. Juli 1971 ein Rücktrittsrecht ein. Schmuckle und die Coop, welche Anfang August 1971 zufällig von der Übertragung ihres Patentes auf Weill bzw. die Nordmann AG Kenntnis erhalten hatten, beantragten daraufhin mit zwei Eingaben vom 7. August 1971 beim Polizeidepartement des Kantons Solothurn, es sei der Nordmann AG für das Ladengeschäft an der Steinbruggstrasse 2 kein Kleinhandelspatent zu erteilen und es sei ihr auf die Steinbruggstrasse 2 lautendes Doppelpatent auf die in der Nähe liegende Coop-Verkaufsstelle an der St. Niklausstrasse 61 zu verlegen. Das Polizeidepartement lehnte ein Zurückkommen auf die am 16. Juli 1971 beschlossene Patentübertragung mit Schreiben vom 16. August 1971 ab. Am 20. August 1971 (d.h. gleichzeitig mit der verspäteten Zustellung des Regierungsratsbeschlusses vom 16. Juli 1971 an die Coop) teilte es der Coop mit, dass ihr Begehren vom 7. August 1971 um Patentverlegung als Gesuch um Neuerteilung eines Doppelpatentes für das Verkaufslokal an der St. Niklausstrasse 61 ins Vernehmlassungsverfahren gewiesen werde. D.- Schmuckle und die Coop Solothurn führen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV mit dem Antrag, der Regierungsratsbeschluss vom 16. Juli 1971 sei aufzuheben. Sie rügen im wesentlichen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, indem der angefochtene Entscheid, der einen Patententzug darstelle, ohne ihre Anhörung getroffen worden sei. BGE 98 Ia 1 S. 5 E.- Der Regierungsrat beantragt, es sei auf die Beschwerde mangels Legitimation nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Zur Begründung führt er im wesentlichen an, durch die Aufgabe der Coop-Filiale an der Steinbruggstrasse sei das auf Coop und Schmuckle lautende Patent von Gesetzes wegen erloschen. Damit sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör bei der Patentübertragung auf Weill bzw. die Nordmann AG entfallen, und es fehle ihnen dementsprechend auch an der Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde. F.- Yvan Weill und die Nordmann AG beantragen ebenfalls Nichteintreten auf die Beschwerde mangels Legitimation, eventuell deren Abweisung, wobei sie sich im wesentlichen der Begründung des Regierungsrates anschliessen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Recht zur Beschwerdeführung steht Bürgern und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben ( Art. 88 OG ). Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde hängt demnach nicht davon ab, ob die Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung hatten oder nicht ( BGE 86 I 102 E. 3, BGE 89 I 238 E. 2, nicht publ. Urteil vom 22. April 1970 i.S. Schleutermann gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 358). Massgebend ist einzig, ob sie durch den angefochtenen Entscheid des Regierungsrates in ihren rechtlich geschützten Interessen als Patentinhaber berührt werden und möglicherweise einen rechtlichen Nachteil erleiden. Diese Voraussetzung prüft das Bundesgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition ( BGE 93 I 174 E. 3, BGE 91 I 414 ). Die Beschwerdeführer waren Inhaber eines Doppelpatentes für das Verkaufslokal Steinbruggstrasse 2 in Solothurn. Das Patent war bis zum 31. Dezember 1972 erteilt. Noch vor Ablauf dieser Zeit wurde es ohne ihre Zustimmung und ohne ihr Wissen durch den angefochtenen Entscheid auf die Beschwerdegegner Weill und Nordmann AG übertragen. Für die bisherigen Patentinhaber kam diese "Übertragung" einem Entzug des Patentes gleich. Ob, wie der Regierungsrat behauptet, das Patent auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Übertragung ohnehin von Gesetzes wegen vorzeitig erloschen war, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Das Patent hatte formell BGE 98 Ia 1 S. 6 jedenfalls bis zum 31. Dezember 1972 Gültigkeit, und mit seiner vorzeitigen Übertragung auf Dritte wurde klarerweise in die Rechtsstellung der bisherigen Patentinhaber eingegriffen. Diese sind daher gemäss Art. 88 OG zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. Ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Übertragung des Patentes gegeben waren, hat auf die Frage der Legitimation keinen Einfluss. 2. Es ist unbestritten, dass der angefochtene Entscheid des Regierungsrates, mit dem das bisher den Beschwerdeführern zustehende Doppelpatent nach § 84 WG auf Yvan Weill und die Nordmann AG übertragen wurde, ohne Anhörung der bisherigen Patentinhaber ergangen war. Die Beschwerdeführer erblicken hierin sowohl eine Missachtung des ihnen aufgrund des kantonalen Rechtes zustehenden Gehörsanspruches als auch eine Verletzung des unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Anspruches auf rechtliches Gehör. a) Der Umfang des Anspruches auf rechtliches Gehör bestimmt sich zunächst nach den kantonalen Verfahrensvorschriften. Wo jedoch dieser kantonale Rechtsschutz ungenügend ist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden, also bundesrechtlichen Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz. Die Auslegung des kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür; es prüft hingegen frei, ob das kantonale Verfahrensrecht, wie es ohne Willkür ausgelegt werden konnte, dem bundesrechtlichen, unmittelbar aus Art. 4 BV fliessenden Gehörsanspruch genüge ( BGE 96 I 620 , 527, 323, 311, 21; BGE 94 I 522 ; BGE 89 I 356 ). b) Die Beschwerdeführer rügen in erster Linie eine Verweigerung des ihnen nach den kantonalen Verfahrensbestimmungen zustehenden Gehörs. Gemäss § 12 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes sei ihnen Parteistellung zugekommen, weshalb sie nach § 23 Anspruch auf rechtliches Gehör gehabt hätten. Die erwähnten Bestimmungen lauten: "§ 12 Partei im Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren ist jedermann, dessen Rechte und Pflichten durch die Verwaltungssache berührt werden. Behörden, Amtsstellen und sonstige Organe öffentlichrechtlicher Körperschaften und Anstalten sind Partei, wenn die von ihnen vertretene Körperschaft oder Anstalt an der Verwaltungssache unmittelbar beteiligt oder unmittelbar daran interessiert ist. Berührt eine Verwaltungssache die Rechte und Pflichten Dritter, BGE 98 Ia 1 S. 7 so kommt ihnen insoweit Parteistellung zu, als dies zur Wahrung ihrer Interessen nötig ist. " "§ 23 Die Parteien sind vor Erlass einer Verfügung oder eines Entscheides anzuhören; sie haben das Recht, sich schriftlich zur Sache zu äussern und an den Beweisvorkehren teilzunehmen. Die vorgängige Anhörung kann bei Dringlichkeit unterbleiben; sie ist möglichst bald nachzuholen. In nichtstreitigen Fällen und im Verfahren zur Festsetzung von Nebensteuern kann sie gänzlich unterbleiben." Mit dem angefochtenen Entscheid hat der Regierungsrat das den Beschwerdeführern erteilte Doppelpatent während der Patentdauer auf andere Bewerber übertragen. Dadurch wurden zweifellos die Rechte und Pflichten der Beschwerdeführer im Sinne von § 12 Abs. 1 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes berührt. Sie besassen demnach Parteistellung und waren gemäss § 23 Abs. 1 vor Erlass des angefochtenen Entscheides anzuhören. Dass eine zeitliche Dringlichkeit im Sinne von § 23 Abs. 2 vorgelegen habe, macht der Regierungsrat mit Recht nicht geltend. Selbst wenn man die Beschwerdeführer lediglich als "Dritte" gemäss § 12 Abs. 2 betrachten wollte, käme ihnen insoweit, als dies zur Wahrung ihrer Interessen notwendig ist, Parteistellung zu, woraus sich ebenfalls ihr Anspruch auf Anhörung vor der Patentübertragung ergeben würde. Der Regierungsrat vertritt in seiner Vernehmlassung die Ansicht, durch das schlüssige Verhalten der Coop, d.h. durch die Kündigung des Mietvertrages für die Verkaufsräume an der Steinbruggstrasse 2 per Ende September 1971, sei das Patent der Beschwerdeführer auf den genannten Zeitpunkt hin von Gesetzes wegen erloschen. Diese seien daher durch die ab 1. Oktober 1971 wirksam werdende Patentübertragung auf die jetzigen Inhaber in ihren Rechten nicht berührt worden und hätten demnach auch keine Parteistellung gehabt; es habe sich bei der Patentübertragung vielmehr um einen nichtstreitigen Fall im Sinne von § 23 Abs. 3 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes gehandelt, so dass kein Anspruch auf rechtliches Gehör bestanden habe. Eine derartige Auslegung der §§ 12 und 23 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes ist mit Wortlaut und Sinn dieser Bestimmungen schlechthin unvereinbar und verstösst damit gegen Art. 4 BV ( BGE 96 I 627 E. 2 mit Hinweisen). Denn ob das Patent der Beschwerdeführer von Gesetzes wegen erloschen war und die Übertragung auf Yvan Weill und die Nordmann BGE 98 Ia 1 S. 8 AG ihre Interessen berührte, war die vorgängig der Patentübertragung sich stellende Streitfrage. In dieser Streitfrage waren die Beschwerdeführer Partei und damit anzuhören. Es lag auf der Hand, dass sie mit der Kündigung des Mietvertrages nicht ohne weiteres auch auf das für das fragliche Lokal ausgestellte Doppelpatent verzichten, sondern sich um eine Verlegung des Patentes auf eine andere Verkaufsstelle der Coop bemühen würden (vgl. § 90 Abs. 1 WG ); diese Möglichkeit entfiel mit der Übertragung des Patentes auf Dritte zum vornherein. Auch unter diesem Gesichtspunkt wurden die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid in ihrer Rechtsstellung berührt, und von einem nichtstreitigen Fall konnte keine Rede sein. Durch die Nichtanhörung der Beschwerdeführer vor dem Entscheid über die Patentübertragung wurden die §§ 12 und 23 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes und der sich daraus ergebende Gehörsanspruch klarerweise verletzt. c) Selbst wenn man mit dem Regierungsrat annehmen wollte, den Beschwerdeführern habe nach kantonalem Verfahrensrecht kein Gehörsanspruch zugestanden, so läge jedenfalls eine Verletzung des unmittelbar aus Art. 4 BV fliessenden Anspruches auf rechtliches Gehör vor, welcher nicht nur im Zivil- und Strafverfahren, sondern, mit gewissen Einschränkungen, auch im Verwaltungsverfahren gilt ( BGE 96 I 187 ; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 179 ff.). Nach Art. 4 BV ist der Bürger vor dem Erlass einer ihn belastenden Verwaltungsverfügung zumindest dann anzuhören, wenn das öffentliche Interesse keine sofortige Entscheidung verlangt und die einmal getroffene Massnahme weder mit einem ordentlichen, eine freie Überprüfung gestattenden Rechtsmittel angefochten noch von der verfügenden Behörde selber uneingeschränkt in Wiedererwägung gezogen werden kann ( BGE 87 I 340 , 155, mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Eine zeitliche Dringlichkeit lag, wie erwähnt, nicht vor. Der Entscheid war sodann weder mit einem ordentlichen Rechtsmittel anfechtbar noch konnte er, da damit die Bewilligungserteilung an einen Dritten verbunden war, vom Regierungsrat uneingeschränkt in Wiedererwägung gezogen werden. 3. Da der Anspruch auf rechtliches Gehör nach ständiger Rechtsprechung formeller Natur ist, hat seine Missachtung die Aufhebung des angefochtenen Entscheides auch dann zur Folge, wenn ein materielles Interesse daran nicht nachgewiesen ist BGE 98 Ia 1 S. 9 ( BGE 96 I 22 ). Ein solches Interesse der Beschwerdeführer liegt hier zudem vor. Gemäss § 90 Abs. 1 WG können bestehende Kleinhandelspatente nach § 84 Abs. 1 lit. a WG bei Vorhandensein eines Bedürfnisses auf Verkaufslokale einer andern Liegenschaft verlegt werden. Diese dem Patentinhaber eingeräumte Verlegungsmöglichkeit setzt den Bestand eines Kleinhandelspatentes voraus. Die Beschwerdeführer, die ihr Patent für die Steinbruggstrasse 2 auf die Coop-Verkaufstelle St. Niklausstrasse 61 verlegen lassen wollten und ein diesbezügliches Begehren gestellt haben, waren somit am Fortbestehen ihres Patentes interessiert. Mit der Übertragung des Patentes auf Weill und die Nordmann AG wurde diese Verlegungsmöglichkeit zum vornherein aufgehoben; denn es lag ihr die Annahme zugrunde, dass das Patent der Beschwerdeführer durch Aufgabe der Verkaufsräume Steinbruggstrasse 2 von Gesetzes wegen untergegangen sei. Der Regierungsrat stützte sich dabei auf § 78 Abs. 1 lit. b WG , wonach das Patent bei "ausdrücklichem Verzicht des Patentinhabers auf die Weiterführung des Betriebes" von Gesetzes wegen erlischt. Ein ausdrücklicher Verzicht der Beschwerdeführer liegt nicht vor und wird vom Regierungsrat auch nicht behauptet. Er folgert das Erlöschen des Patentes vielmehr aus konkludentem Verhalten der Beschwerdeführer, nämlich aus der Kündigung des Verkaufslokales Steinbruggstrasse 2. Ob dies mit § 78 Abs. 1 lit. b WG vereinbar ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls war es unumgänglich, dass der Regierungsrat die Beschwerdeführer anhörte, bevor er diese für ihre Patentverlegungsmöglichkeit erhebliche Rechtsfrage zu ihren Ungunsten entschied. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und der angefochtene Entscheid wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Solothurn vom 16. Juli 1971 wird aufgehoben.
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nan
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1,972
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CH_BGE_002
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Federation
95f339d1-b632-4668-8dd7-ec7cd4bc132d
Urteilskopf 117 III 74 22. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 20 décembre 1991 dans la cause Jürg Stäubli (recours LP)
Regeste Art. 41, 271 Abs. 1 und 279 Abs. 2 SchKG. Beschwerde gegen eine Arrestbetreibung unter Berufung auf ein bestehendes Pfandrecht. Bei einer Arrestbetreibung kann die Einrede, die Forderung sei pfandversichert, einzig mit Arrestaufhebungsklage geltend gemacht werden (Bestätigung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 74 BGE 117 III 74 S. 74 A.- Sur requête de la Banque Paribas (Suisse) S.A. (ci-après: Paribas), le Président du Tribunal de première instance du canton de Genève autorisa, le 26 juillet 1991, le séquestre, à concurrence de 7'079'011 fr. 65, des biens de Jürg Stäubli en mains de différentes banques et sociétés. Le 31 juillet 1991, Jürg Stäubli ouvrit action en contestation du cas de séquestre, alléguant notamment que la créance invoquée est garantie par gage. Parallèlement, il porta, contre la décision de l'office d'exécuter le séquestre, une plainte qui fut rejetée par l'autorité de surveillance. B.- Paribas a fait notifier, par commandement de payer du 23 septembre 1991, une poursuite ordinaire (No 91 098205 L) en validation du séquestre autorisé le 26 juillet. Jürg Stäubli a déposé plainte auprès de l'autorité de surveillance, concluant à l'annulation du commandement de payer et de la poursuite No 91 098205 L. BGE 117 III 74 S. 75 Par décision du 6 novembre 1991, l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève a rejeté cette plainte. C.- Jürg Stäubli recourt au Tribunal fédéral contre cette décision. Il en requiert l'annulation et aussi celle du commandement de payer et de la poursuite No 91 098205 L. Erwägungen Considérant en droit: 1. Le recourant soutient, dans sa plainte et son recours, qu'il est en droit d'exiger, pour une créance garantie par gage, une poursuite en réalisation de gage et, par conséquent, l'annulation de la poursuite ordinaire en validation de séquestre introduite contre lui. L'autorité cantonale de surveillance est, au contraire, d'avis qu'elle ne saurait trancher la question de l'existence du gage et les conséquences de celle-ci, car ce problème doit être résolu dans le cadre de l'action en contestation du cas de séquestre qui est pendante. Selon l' art. 41 al. 1 LP , lorsque la poursuite a pour objet une créance garantie par gage, elle se continue par la réalisation du gage, même contre les débiteurs sujets à la poursuite par voie de faillite. Lorsque le débiteur poursuivi par voie de poursuite ordinaire entend soutenir que la créance est garantie par gage et que, par conséquent, seule la poursuite en réalisation de gage est admissible, il doit faire valoir cette exception par la voie de la plainte dans les dix jours dès la notification du commandement de payer. S'il ne le fait pas, il ne peut plus, par la suite, attaquer le mode de poursuite (art 85 al. 2 ORI; ATF 110 III 7 consid. 2 et les arrêts cités). Selon l' art. 271 al. 1 LP , le créancier d'une dette échue peut requérir le séquestre des biens du débiteur dans cinq cas, à la condition que la dette ne soit pas garantie par gage. Cette condition est équivalente à un "cas" de séquestre. Le débiteur qui veut faire constater que la dette est garantie par gage doit donc ouvrir action en contestation du cas de séquestre, au sens de l' art. 279 al. 2 LP ( ATF 51 III 29 ). Si cette action est fondée, le séquestre est annulé. Ainsi, la question de l'existence du gage peut se poser à deux stades de la procédure: après la notification du commandement de payer, si le débiteur invoque le bénéfice de réalisation du gage, et après l'autorisation de séquestre, si le débiteur conteste le cas de BGE 117 III 74 S. 76 séquestre en invoquant la présence d'un gage. Ces deux hypothèses ne se succèdent pas dans un ordre déterminé: la notification du commandement de payer dans la poursuite en validation du séquestre peut intervenir avant ou, comme en l'espèce, après l'ouverture de l'action en contestation du cas de séquestre. La voie de l'action en contestation du cas de séquestre a été jugée seule ouverte pour faire valoir l'existence d'un gage ( ATF 51 III 29 ; BlSchK 1976, p. 184). Cette jurisprudence concerne des cas où le débiteur n'avait, apparemment tout au moins, pas ouvert action en contestation du cas de séquestre, mais seulement contesté, par voie de plainte, la poursuite en validation ouverte contre lui. A plus forte raison s'applique-t-elle lorsque, comme en l'espèce, l'existence du gage est déjà invoquée dans une action en contestation du cas de séquestre. L'exclusivité de cette voie de droit pour trancher la question de l'existence du gage doit être confirmée. En effet, après séquestre, la question du gage est assimilée à un cas de séquestre ( ATF 51 III 29 ) et la loi prévoit une voie spéciale, l'action en contestation du cas de séquestre, pour la trancher. Cette action, qui est spécialement conçue pour régler le sort du séquestre en fonction notamment de l'existence d'un gage, doit être préférée à la voie générale de la plainte qui tend, elle, lorsqu'un gage est invoqué, à déterminer le mode de continuation de la poursuite. On ne peut tenter de remettre en cause l'autorisation de séquestre par une voie générale et indirecte alors que la loi organise une voie spéciale et directe pour faire contrôler cette autorisation en fonction du motif même qui serait invoqué dans la première voie. C'est donc à bon droit que l'autorité cantonale de surveillance s'est déclarée incompétente pour trancher la question de l'existence du gage dans le cadre de la procédure de plainte.
null
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95f61073-b6e8-498c-9fa7-f996534e4abd
Urteilskopf 107 Ia 166 32. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Oktober 1981 i.S. L. gegen S., Staatsanwaltschaft, Obergericht und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 6 Ziffer 2 EMRK; Kostenauflage bei Freispruch. Die in den meisten kantonalen Strafprozessordnungen vorgesehene Regelung, wonach einem Freigesprochenen Kosten auferlegt werden können, wenn er das Strafverfahren durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verursacht hat, verstösst nicht gegen die Unschuldsvermutung.
Erwägungen ab Seite 166 BGE 107 Ia 166 S. 166 Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer hält dafür, die Auferlegung von Verfahrenskosten und die Verweigerung einer Prozessentschädigung trotz Freispruch bedeute an sich schon, losgelöst von den Verhältnissen des konkreten Falles, einen Verstoss gegen die Unschuldsvermutung im Sinne von Art. 6 Ziffer 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Der Entscheid der zürcherischen Gerichte stützt sich auf § 189 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich (StPO). Nach dieser Vorschrift können dem Angeklagten, der freigesprochen wird, die Kosten ganz oder teilweise auferlegt werden, wenn er die Einleitung der Untersuchung durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verursacht oder ihre Durchführung erschwert hat. Die gleichen Voraussetzungen gelten für die Verweigerung einer Entschädigung ( § § 43 und 191 StPO ). Gleichartige oder zum mindesten sehr ähnliche Bestimmungen finden sich im Gesetz über den Bundesstrafprozess (Art. 173 Abs. 2) sowie in den Strafprozessordnungen der grossen Mehrzahl der schweizerischen Kantone (BE: Art. 200 Abs. 3 StrV; LU: § 277 Abs. 1 StPO ; UR: Art. 133 Abs. 2 StPO ; SZ: § 51 Abs. 2 StPO ; NW: § 45 Abs. 4 StPO ; OW: Art. 172 BGE 107 Ia 166 S. 167 lit. b StPO ; GL: Art. 139 Abs. 1 Ziff. 2 StPO ; ZG: § 57 Abs. 1 StPO ; FR: Art. 63 Ziff. 6 StPO ; SO: § 32 Abs. 3 StPO ; BS: § 191 Abs. 3 StPO ; BL: § 140 Abs. 3 StPO ; SH: Art. 277 StPO ; AR: Art. 242 Abs. 1 StPO ; SG: Art. 209 Abs. 1 Ziff. 2 u. 3 StPO ; GR: Art. 157 StPO ; AG: § 164 Abs. 3 in Verb. mit § 139 Abs. 3 StPO ; TG: § 68 Abs. 1 StPO ; VD: Art. 158 CPP; VS: Art. 207 Ziff. 3 StPO ; NE: Art. 90 CPP; JU: Art. 203 Abs. 3 CPP). Einzig die Kantone Appenzell I.Rh., Tessin und Genf regeln eine derartige Kostenauflage nicht oder lassen sie nur unter ganz besonderen Umständen zu. Das Bundesgericht hatte sich schon des öftern mit dem Einwand zu befassen, die Verpflichtung eines Freigesprochenen zur Tragung von Gerichtskosten und die Verweigerung einer Prozessentschädigung verstosse gegen die Unschuldsvermutung. Es hat diese Auffassung bisher stets abgelehnt mit der Begründung, die Kostenauflage bedeute keine Ahndung eines vom Strafrecht erfassten Verhaltens, sondern vielmehr eine Haftung für prozessuales Verschulden, oder, anders formuliert, eine den zivilrechtlichen Grundsätzen angenäherte Haftung für ein fehlerhaftes Verhalten (vgl. ausser dem vom Beschwerdeführer selbst zitierten Urteil i.S. L. M. vom 16. Mai 1979 die weiteren nicht veröffentlichten Urteile vom 20. Dezember 1979 i.S. J. M., vom 15. Oktober 1980 i.S. P. Ba. und P. Br., vom 17. November 1980 i.S. V. L., vom 4. März 1981 i.S. R. Z. und vom 18. August 1981 i.S. M. C. und Mitbeteiligte; im gleichen Sinne auch R. HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechtes, S. 286). Die vorstehend wiedergegebene Übersicht über die Gesetzgebung der schweizerischen Kantone zeigt deutlich, dass der Gedanke, es solle nicht der Staat und damit nicht der einzelne Bürger als Steuerzahler für Verfahrenskosten aufkommen müssen, die von einem Angeschuldigten durch vorwerfbares Verhalten verursacht worden sind, in der Schweiz tief verwurzelt ist. Das Bundesgericht hat sich an den eindeutig zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers jedenfalls so lange zu halten, als nicht durch einen Grundsatzentscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dessen Unvereinbarkeit mit der EMRK festgestellt worden ist. Der erwähnte Einwand erweist sich daher als unbegründet.
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95f81159-79bd-4bd4-9643-2217a91a8419
Urteilskopf 86 I 42 9. Urteil vom 1. April 1960 i.S. X. gegen Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich.
Regeste Wehrsteuer: Der Anteil des Aktionärs am Überschuss aus der Teilliquidation einer amerikanischen Aktiengesellschaft unterliegt der Steuer vom Einkommen (Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB). Berechnung des Überschusses.
Sachverhalt ab Seite 42 BGE 86 I 42 S. 42 A.- Der Beschwerdeführer war Eigentümer von Aktien der Southern Production Company, in Fort Worth, Texas. Die Gesellschaft beschloss am 11. Oktober 1956 ihre Auflösung und verteilte im Rahmen der noch im gleichen Jahre durchgeführten Teilliquidation an die Aktionäre pro Aktie insgesamt $ 41.72, nämlich $ 34.- in bar und 0'2114 Stammaktien der Southern Natural Gas Company mit einem Kurswert von $ 7.72. Bei der Einschätzung des Beschwerdeführers zur Wehrsteuer BGE 86 I 42 S. 43 der 9. Periode (Berechnungsjahre 1955 und 1956) wurde das auf ihn entfallende Betreffnis dieser Ausschüttung, soweit es seinen Anteil am einbezahlten Gesellschaftskapital überstieg, als Vermögensertrag im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB in die Berechnung des steuerbaren Einkommens einbezogen. Als einbezahltes Kapital wurden das capital account und 7/10 des capital surplus account der Gesellschaft - pro Aktie zusammen $ 3.60 - angerechnet. Der Steuerpflichtige verlangte, dass seine Einkünfte aus der Teilliquidation der Southern Production Company mit einem niedrigeren Betrage anzurechnen seien, doch wurde er abgewiesen, zuletzt von der Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich. B.- In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert der Steuerpflichtige sein Begehren. Er macht geltend, die Rekurskommission betrachte einen zu grossen Teil der Ausschüttung der Southern Production Company an ihn als steuerbaren Kapitalertrag. Der streitige Rest könne nicht als Einkommen besteuert werden, da er eine Teilrückzahlung des Preises darstelle, zu dem der Beschwerdeführer die Aktien seinerzeit erworben habe. Auch das sei eine "Rückzahlung bestehender Kapitalanteile" im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB. Die abweichende Auffassung der Rekurskommission sei mit dem in BGE 73 I 140 umschriebenen allgemeinen Einkommensbegriff und mit den Anforderungen der Steuergerechtigkeit nicht vereinbar. Es könne nicht der Sinn des Gesetzes sein, dass der letzte Erwerber der Aktie, der einen über pari liegenden Kaufpreis entrichtet habe, die ganze Differenz zwischen seinem Anteil am Ergebnis der Liquidation und seinem Anteil am einbezahlten Grundkapital als Einkommen versteuern müsse, während sein Vormann, der den Titel mit Gewinn veräussert habe, dafür keine Einkommensteuer zu entrichten habe, sofern er nicht buchführungspflichtig sei. Eventuell sei der streitige Restbetrag als Kapitalgewinn anzusehen, für den der Beschwerdeführer aber gemäss BGE 86 I 42 S. 44 Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB, weil nicht buchführungspflichtig, nicht besteuert werden könne. Auf jeden Fall seien die Beträge, die der Beschwerdeführer beim Erwerb der Aktien über den Nominalwert hinaus investiert habe, als Gewinnungskosten im Sinne von Art. 22 Abs. 1 lit. a WStB abzuziehen. Beim Aktionär einer amerikanischen Gesellschaft könne mit Rücksicht darauf, dass der Betrag der einbezahlten Kapitalanteile nicht ermittelt werden könne, höchstens der Überschuss des Liquidationsanteils über den Erwerbspreis als Einkommen besteuert werden, selbst wenn diese Methode für schweizerische Verhältnisse abgelehnt werde. Eventuell müsste für die Berechnung des steuerfreien Kapitalanteils auch noch das als "surplus donated in 1946" bezeichnete Konto der Southern Production Company berücksichtigt werden. C.- Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 21 Abs. 1 WStB fällt das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag oder anderen Einnahmequellen in die Steuerberechnung. Lit. c daselbst rechnet zum Ertrag des beweglichen Vermögens namentlich Zinsen, Renten und Gewinnanteile aus Guthaben und Beteiligungen aller Art. Nach einem Zusatz, den die Bestimmung durch BRB vom 31. Oktober 1944 erhalten hat, gelten als Gewinnanteile aus Beteiligungen "alle durch Zahlung, Überweisung, Gutschrift, Verrechnung oder auf andere Weise bewirkten geldwerten Leistungen der Gesellschaft oder Genossenschaft an die Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte, die keine Rückzahlung der bestehenden Kapitalanteile darstellen". Gewinnanteil aus Beteiligung im Sinne dieser Ordnung ist auch der dem Aktionär zugewiesene verhältnismässige Anteil am Ergebnis der Liquidation oder Teilliquidation der BGE 86 I 42 S. 45 Aktiengesellschaft, soweit die Zuwendung den Betrag der bestehenden Kapitalbeteiligung des Empfängers übersteigt ( BGE 83 I 278 , 289). Der Beschwerdeführer hat bei der Teilliquidation der Southern Production Company einen seiner Aktienbeteiligung entsprechenden Teil eines solchen Überschusses erhalten. Diese Leistung ist mit Recht seinem steuerbaren Einkommen zugerechnet worden. 2. Die Einwendungen, die der Beschwerdeführer erhebt, sind unbegründet. a) Unter "Kapitalanteil" im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB kann nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung nur die vom Gesellschafter oder Genossenschafter - oder für ihn von der Gesellschaft oder Genossenschaft aus ihren Mitteln - geleistete Einlage in das Grund- oder Stammkapital der Körperschaft verstanden werden. Die Werte, die der Aktionär aus dem bei der Liquidation der Aktiengesellschaft nach Tilgung der Schulden sich ergebenden Vermögen über den bestehenden solchen Anteil hinaus nach Massgabe seiner Beteiligung erhält, stammen aus angesammelten Gewinnen der Gesellschaft. Sie stellen im vollen Umfange einen Gewinnanteil aus Beteiligung dar, den der Aktionär gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB als Einkommen (Vermögensertrag) zu versteuern hat. Der eindeutige Text des Gesetzes schliesst aus, dass zum steuerfreien "Kapitalanteil" auch der Betrag gerechnet wird, den der Aktionär für den Erwerb der Aktie über den Anteil am einbezahlten Grundkapital hinaus aufgewendet hat. Der Aktionär hat den Mehrpreis nicht der Aktiengesellschaft, sondern seinem Rechtsvorgänger bezahlt, so dass nicht gesagt werden kann, dieser Betrag werde ihm von der Gesellschaft "zurückbezahlt" ( BGE 83 I 279 , 290, je Erw. 2 a). Der Beschwerdeführer wendet ein, die Aktie könne nur dadurch einen über pari liegenden Wert erhalten, dass sich Aktionäre mit der Zurückbehaltung von Gewinnen durch die Gesellschaft einverstanden erklärt hätten; für den durch dieses Opfer bei der Gesellschaft geschaffenen BGE 86 I 42 S. 46 Mehrwert würden diese Aktionäre vom Erwerber ihrer Titel entschädigt, und die Gesellschaft zahle dann dem letzten Erwerber bei der Liquidation die von ihm "gleichsam vorgeschossene" Entschädigung zurück. Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Der Aktionär erhält von der Gesellschaft im Liquidationsfalle auf Grund seiner Beteiligung nichts anderes als seinen Anteil am einbezahlten Grundkapital und am angesammelten Gewinn. Darauf stellt Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB ab. Die Bestimmung nimmt nicht Rücksicht auf den Preis, den der Aktionär für den Erwerb des Titels erlegt hat. Sie ignoriert Handänderungen, welchen die Aktien unterworfen waren. Der Beschwerdeführer erblickt eine stossende Ungerechtigkeit darin, dass nach Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB der letzte Aktienerwerber den ihm bei der Liquidation der Gesellschaft zugewiesenen Gewinnanteil auch dann, wenn er einen über pari stehenden Kaufpreis bezahlt hat, im vollen Umfange als Einkommen soll versteuern müssen, während sein Vormann, sofern er nicht buchführungspflichtig ist, für den beim Verkauf des Titels erzielten Gewinn nicht zur Einkommenssteuer herangezogen wird. Der Einwand ist begreiflich, doch richtet er sich gegen das Gesetz selbst, an das der Richter gebunden ist. Im System einer Besteuerung für einen Reingewinn, nach dem Vermögenswertveränderungen fortwährend berücksichtigt werden, ergäbe sich allerdings bei der Ausschüttung eines Gewinnanteils anlässlich der Liquidation der Aktiengesellschaft in der Regel kein steuerbares Einkommen; der Ertrag, der dem Aktionär damit zugewiesen wird, wäre aber bereits früher, nämlich in dem Zeitpunkte erfasst worden, in welchem der Verkehr den Gewinnen, die bei der Liquidation verteilt werden, im Handelswert der Aktie Rechnung trug (vgl. BGE 80 I 43 /44 und Zitate). Indessen ist dieses System in der Ordnung der Wehrsteuer physischer Personen, unter den in Art. 21 Abs. 1 lit. d und f sowie Art. 22 Abs. 1 lit. b und c WStB näher bestimmten Voraussetzungen, nur für buchführungspflichtige Betriebe vorgesehen. BGE 86 I 42 S. 47 Der Beschwerdeführer ist der Buchführungspflicht nicht unterworfen. Für ihn ist die allgemeine Ordnung der Einkommenssteuer physischer Personen massgebend. Danach werden die dem Aktionär zukommenden Gewinnanteile bei ihm in dem Zeitpunkte als Einkommen erfasst, in dem sie ihm von der Gesellschaft (durch Zahlung, Überweisung, Gutschrift usw.) zugeteilt werden. Vorher hat er nur eine Anwartschaft, die ihm nicht als Einkommen angerechnet wird. Der Gewinnanteil wird bei demjenigen als Einkommen besteuert, der ihn von der Gesellschaft zugewiesen erhält, also im Zeitpunkt der Ausschüttung Aktionär ist, ohne dass berücksichtigt wird, was er seinerzeit ausgelegt hat, um die Beteiligung zu erlangen. Das gilt für den Anteil am Liquidationsüberschuss genau gleich wie für die Dividende. Allerdings kommt im Gewinn, der beim Verkauf der Aktie erzielt wird, die Erwartung künftiger solcher Leistungen zum Ausdruck. Aber unabhängig davon, ob dieser Gewinn vom Verkäufer als Einkommen versteuert werden muss oder nicht, unterliegt eine Gewinnausschüttung, die der (nicht buchführungspflichtige) Käufer dann von der Gesellschaft erhält, nach Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB der Steuer für Einkommen. Übrigens hat der Aktienerwerber die Möglichkeit, einer voraussehbaren steuerlichen Belastung von Gewinnausschüttungen der Gesellschaft bei der Vereinbarung des Kaufpreises Rechnung zu tragen. Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB unterwirft der Einkommenssteuer alle Zuteilungen von Gewinnen aus Beteiligungen, mit Einschluss der Ausschüttung aufgespeicherter Gewinne bei der Liquidation der Aktiengesellschaft. Mit dem Text der Bestimmung ist die vom Beschwerdeführer vertretene Auslegung, nach welcher gewisse Gewinnausschüttungen von der Einkommenssteuer auszunehmen wären, schlechterdings nicht vereinbar, abgesehen davon, dass sie der Steuerumgehung - durch vor der Gewinnausschüttung vorgenommene Aktienverkäufe - Tür und Tor öffnen würde. Daraus, dass in BGE 73 I 140 auf eine theoretische Umschreibung BGE 86 I 42 S. 48 des Einkommensbegriffes hingewiesen wird, kann der Beschwerdeführer nichts zu seinen Gunsten ableiten. Sie kann allenfalls dort herangezogen werden, wo Wortlaut und System des Gesetzes es zulassen ( BGE 80 I 44 [Nr. 8], Erw. 3). Hier ist die in Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB getroffene besondere Ordnung massgebend, aus der sich ohne weiteres ergibt, dass der Aktionär alles, was er bei der Liquidation der Gesellschaft auf Grund seiner Beteiligung über den Anteil am einbezahlten Grundkapital hinaus erhält, als Einkommen zu versteuern hat. Erörterungen darüber, ob dieser Bezug Einkommenscharakter im Sinne der allgemeinen Steuerlehre habe oder nicht, erübrigen sich. Auf jeden Fall stellt die Verteilung des Liquidationsüberschusses eine geldwerte Leistung (Übertragung von Vermögenswerten) im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit.c WStB dar, und das ist entscheidend. Ob der Aktionär infolge der Zuweisung wirtschaftlich reicher werde oder nicht, ist unerheblich ( BGE 83 I 282 Erw. 2 c und d; 293 Erw. 2 d). b) Ob der streitige Betrag als Kapitalgewinn im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB betrachtet werden könnte, ist nicht zu prüfen, da diese Bestimmung nur für die Buchführungspflichtigen gilt, zu denen der Beschwerdeführer nicht gehört. Der Beschwerdeführer irrt, wenn er glaubt, Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB könne nicht anwendbar sein, falls man es mit einem solchen Kapitalgewinn zu tun hätte. Dieser Standpunkt beruht auf einer Verkennung des Systems, nach welchem der Wehrsteuerbeschluss das Einkommen einerseits der buchführungspflichtigen und anderseits der nicht buchführungspflichtigen Personen erfasst. c) Gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. a WStB werden die zur Erzielung des steuerbaren Einkommens erforderlichen Gewinnungskosten vom rohen Einkommen abgezogen. In Betracht kommen die Aufwendungen, die unmittelbar für die Erzielung des Einkommens gemacht werden ( BGE 78 I 148 , 366). Keine Gewinnungskosten sind die sog. Anlagekosten, d.h. Auslagen für die Schaffung, Erweiterung oder BGE 86 I 42 S. 49 Verbesserung einer Einkommensquelle, die auf unbestimmte Zeit hinaus die Erzielung eines Einkommens ermöglichen oder fördern sollen (E. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2. Aufl., S. 163). Art. 23 WStB schliesst die Aufwendungen für die Anschaffung und Verbesserung von Vermögensgegenständen ausdrücklich vom Abzug aus. Durch den Erwerb der in Frage stehenden Aktien hat der Beschwerdeführer im Sinne des Art. 23 WStB Vermögensgegenstände angeschafft, die ihm in der Folge als Einkommensquelle dienen sollten. Der Kaufpreis wurde also nicht unmittelbar für die Erzielung von Ertragseinkommen aufgewendet, so dass ihm der Charakter von Gewinnungskosten nicht beigemessen werden kann. Vom Anteil des Beschwerdeführers am Ergebnis der Liquidation der Aktiengesellschaft ist, nach Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB, einzig der Anteil am einbezahlten Grundkapital steuerfrei. Der Beschwerdeführer wendet vergeblich ein, als Aufwendung für die Anschaffung eines Vermögensgegenstandes im Sinne des Art. 23 WStB könne nur der Preis für den Kapitalanteil und die dazu gehörenden Mitgliedschaftsrechte, nicht auch derjenige für das Recht auf Ausschüttung der vorhandenen Reserven im Falle der Gesellschaftsliquidation, betrachtet werden. Der Preis, den er erlegt hat, ist ein Ganzes; er bildet das Entgelt für die Anschaffung eines einheitlichen Vermögensobjektes, der Aktie, mit allen damit verbundenen Rechten und Anwartschaften. d) Richtig ist, dass bei den amerikanischen Aktiengesellschaften die Kapitalanteile der Aktionäre weniger leicht zu ermitteln sind als bei den schweizerischen Unternehmen. Die amerikanischen Aktien werden vielfach ohne Nennwert oder zu einem ein Vielfaches des Nennwertes betragenden Preise ausgegeben. Der Emissionserlös wird von der amerikanischen Gesellschaft in der Regel nicht ausschliesslich dem eigentlichen Kapitalkonto (capital account), sondern zum Teil einem Reservekonto (capital surplus account) gutgeschrieben. Die so verbuchten Leistungen der Aktionäre entsprechen den ursprünglichen BGE 86 I 42 S. 50 Einzahlungen auf Rechnung des Grundkapitals der schweizerischen Aktiengesellschaft. Ihr Umfang kann nachträglich oft nicht mehr genau, sondern nur annähernd, schätzungsweise, festgestellt werden, weil auf dem capital surplus account mitunter auch Beträge aufgeführt werden, die aus anderen Quellen stammen, so Aufgelder, die bei der Emission neuer Aktien bezahlt werden. Diese Schwierigkeit kann jedoch kein Grund sein, in einem Falle, wie er hier vorliegt, beim Eigentümer amerikanischer Aktien nur den Überschuss des Liquidationsanteils über den Erwerbspreis als Einkommen zu besteuern und damit, im Widerspruch zu Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB, Gewinnausschüttungen steuerfrei zu lassen. Sie lässt sich überbrücken, wenn nach den Richtlinien verfahren wird, welche die eidgenössische Steuerverwaltung - im Einvernehmen mit der Schweizerischen Bankiervereinigung - ausgearbeitet hat. Diese Richtlinien ermöglichen die sachgemässe Anwendung des Wehrsteuerbeschlusses auf besondere Tatbestände ( BGE 83 I 292 Erw. 2 c; im ASA Bd. 28 S. 165 ff. wiedergegebenes Urteil K. vom 15. Mai 1959, Erw. 2 c). Danach sind im Falle der Liquidation ausser dem capital account im allgemeinen 7/10 des capital surplus account als Anteil der Aktionäre am Gesellschaftskapital anzusehen. Von dieser Regel kann abgewichen werden, wenn besondere Verhältnisse es rechtfertigen. e) Hier haben die kantonalen Behörden den steuerfreien Kapitalanteil nach der in den Richtlinien vorgesehenen allgemeinen Regel ermittelt. Dass besondere Verhältnisse vorliegen, die zu einer anderen Berechnung Anlass geben würden, ist nicht nachgewiesen. Insbesondere ist nicht dargetan, dass dem Konto "surplus donated in 1946", dessen Berücksichtigung der Beschwerdeführer in einem Eventualantrag verlangt, eigentliche Kapitaleinzahlungen der Aktionäre gutgeschrieben worden sind. Der Beschwerdeführer erklärt selbst, dass es sich wahrscheinlich um ein Agio aus einer Aktienemission von 1945 handle. Wenn es sich so verhält, stellen die Ausschüttungen aus jenem Konto BGE 86 I 42 S. 51 einen Kapitalertrag dar, den der Aktionär gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB als Einkommen zu versteuern hat; denn das Agio, das bei der Emission neuer Aktien zu leisten ist, wird nicht auf Rechnung des Grundkapitals entrichtet und entgegengenommen (zit. Urteil K., Erw. 2 a und b). Die Einschätzung des Beschwerdeführers für seinen Anteil am Ergebnis der Teilliquidation der Southern Production Company verletzt das Bundesrecht nicht und beruht auch nicht auf einer offensichtlich unrichtigen Berechnung ( Art. 104 Abs. 1 und 2 OG ). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
de
1,960
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
9600f06a-5b46-4267-af87-d86214b7236c
Urteilskopf 124 II 103 14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. März 1998 i.S. H. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 17 Abs. 1 lit. c, Art. 95 Ziff. 2, Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG ; Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs, Unterschreiten der Mindestentzugsdauer. Bei grobfahrlässigem und vorsätzlichem Führen eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs ist die Mindestentzugsdauer von sechs Monaten anwendbar; bei bloss einfacher Fahrlässigkeit ist von einem Monat auszugehen (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2a).
Sachverhalt ab Seite 104 BGE 124 II 103 S. 104 A.- Mit Verfügung vom 4. November 1993 wurde H. schriftlich eröffnet, dass ihm für die Dauer vom 8. Dezember 1993 bis zum 7. Januar 1994 der Führerausweis entzogen werde. In der Folge telefonierte er mit dem Strassenverkehrsamt, um die Zeit des Entzugs auf den bevorstehenden Militärdienst zu verschieben. Diese Möglichkeit wurde ihm zugesichert, doch müsse er vorher die alte Verfügung ans Amt zurückschicken, damit neu verfügt werden könne. Darauf antwortete er, bevor er die Verfügung zurückschikke, müsse er noch das genaue Datum des Militärdienstes abklären. Ende Dezember ergab eine polizeiliche Kontrolle, dass H. trotz rechtskräftiger Entzugsverfügung während des ganzen Monats seiner Arbeit als Berufschauffeur der Kategorie B nachgegangen war. Der Bezirksamtmann Laufenburg büsste H. mit Strafbefehl vom 3. März 1994 wegen Führens von Liefer- und Personenwagen trotz entzogenem Führerausweis sowie Nichtänderns der Adresse bei Wohnsitzwechsel mit Fr. 300.--. In der Begründung wird unter anderem festgehalten, H. habe die Entzugsverfügung nicht zurückgeschickt, weil er angenommen habe, er müsse sich erst melden, wenn der Zeitpunkt des Militärdienstes festgelegt sei. Aufgrund der Abklärungen sei erstellt, dass H. sich nicht um den Ausweisentzug habe drücken wollen; er habe die Äusserungen des zuständigen Beamten aber falsch interpretiert und sei damit einem erheblichen Irrtum unterlegen. Er habe zwar pflichtwidrig gehandelt, doch seien die gesamten Umstände dergestalt, dass ihm Milderungsgründe zugestanden werden könnten und dass von einer Haftstrafe Umgang zu nehmen sei. B.- Das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau entzog H. am 30. Juni 1994 den Führerausweis wegen wiederholten Führens von Motorfahrzeugen trotz Entzugs des Führerausweises sowie Nichtbeherrschens des Fahrzeugs auf Autobahn mit Unfallfolge für die Dauer von sieben Monaten. Beschwerden des Betroffenen wurden vom Departement des Innern und vom Verwaltungsgericht des Kantons Aargau am 19. Januar 1995 beziehungsweise 23. Mai 1996 abgewiesen. BGE 124 II 103 S. 105 C.- Am 10. Dezember 1996 hiess das Bundesgericht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde von H. gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde am 9. Juli 1997 erneut ab. D.- H. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, die kantonalen Entscheide seien aufzuheben und das Strassenverkehrsamt sei anzuweisen, dem Beschwerdeführer den Führerausweis für die Dauer von drei Monaten zu entziehen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Während das Verwaltungsgericht auf eine Stellungnahme verzichtet hat, beantragt das Bundesamt für Strassen Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. a) Im Rückweisungsentscheid vom 10. Dezember 1996 erachtete das Bundesgericht die vorinstanzliche Begründung als widersprüchlich: "Einerseits wird in tatsächlicher Hinsicht festgehalten, dem Beschwerdeführer "musste klar sein", dass ihm der Führerausweis entzogen war, und er "musste erkennen", dass sich die Rechtswirkungen der Verfügung nur durch eine formelle Aufhebung oder Abänderung beseitigen lassen. Anderseits wird festgestellt, er habe sich in einem Irrtum befunden und geglaubt, er sei zum Führen eines Motorfahrzeugs berechtigt. Diese Feststellungen schliessen sich gegenseitig aus. Wenn der Beschwerdeführer die erwähnten Umstände erkennen musste und sie ihm klar sein mussten, so waren sie ihm auch bewusst. Wer aber weiss, dass ihm der Führerausweis entzogen ist, kann sich nicht in einem Irrtum über seine Fahrerlaubnis befinden. Da das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden ist, soweit diese den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig festgestellt hat ( Art. 105 Abs. 2 OG ), ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie den dargelegten Widerspruch auflöse". Zudem hielt das Bundesgericht fest: "In rechtlicher Hinsicht ist die Vorinstanz, wenn sie erneut ein "qualifiziert fahrlässiges Verhalten" annehmen sollte, auf die Rechtsprechung zur unbewussten BGE 124 II 103 S. 106 Grobfahrlässigkeit hinzuweisen, die einer sorgfältigen Prüfung bedarf ( BGE 118 IV 285 E. 4; 106 IV 48 E. 2b; 102 Ib 103 E. 4)". b) Die Vorinstanz führt aus, sie sei im ersten Entscheid davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, dass er ab dem 8. Dezember 1993 nicht mehr zum Führen eines Motorfahrzeugs berechtigt gewesen sei. An dieser Beurteilung sei jedenfalls insofern festzuhalten, als er sich zumindest der ernsthaften Möglichkeit bewusst gewesen sei, dass er mit seinen im fraglichen Zeitraum ausgeführten Autofahrten einen Verstoss gegen die Verfügung vom 4. November 1993 begehen könnte. Darauf habe er indessen keine Rücksicht genommen. Es liege somit kein Irrtum vor, aufgrund dessen der Beschwerdeführer die Unrechtmässigkeit seines Verhaltens verkannt hätte. c) In BGE 119 Ib 158 E. 3c hat sich das Bundesgericht darüber ausgesprochen, ob und inwieweit ein rechtskräftiges Strafurteil die Entzugsbehörde bindet: aa) Von den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil darf die Verwaltungsbehörde nur dann abweichen, - wenn sie Tatsachen feststellt und ihrem Entscheid zugrunde legt, die dem Strafrichter unbekannt waren oder die er nicht beachtet hat; - wenn sie zusätzliche Beweise erhebt, deren Würdigung zu einem anderen Entscheid führt, oder wenn die Beweiswürdigung durch den Strafrichter den feststehenden Tatsachen klar widerspricht; hat sie hingegen keine zusätzlichen Beweise erhoben, hat sie sich grundsätzlich an die Würdigung des Strafrichters zu halten; - wenn der Strafrichter bei der Rechtsanwendung auf den Sachverhalt nicht sämtliche Rechtsfragen abgeklärt, insbesondere die Verletzung bestimmter Verkehrsregeln übersehen hat (vgl. BGE 109 Ib 204 , mit Hinweis). Die Verwaltungsbehörde hat insbesondere dann auf die Tatsachen im Strafurteil abzustellen, wenn dieses im ordentlichen Verfahren mit öffentlicher Verhandlung unter Anhörung der Parteien und Einvernahme von Zeugen ergangen ist, es sei denn, es bestünden klare Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Tatsachenfeststellung; in diesem Fall hat die Verwaltungsbehörde nötigenfalls selbständige Beweiserhebungen durchzuführen. bb) Hängt die rechtliche Würdigung sehr stark von der Würdigung von Tatsachen ab, die der Strafrichter besser kennt als die Verwaltungsbehörde (was etwa dann der Fall ist, wenn er den Beschuldigten persönlich einvernommen hat: BGE 104 Ib 359 ), so ist die Verwaltungsbehörde BGE 124 II 103 S. 107 auch in bezug auf die Rechtsanwendung an die rechtliche Qualifikation des Sachverhaltes durch das Strafurteil gebunden ( BGE 102 Ib 196 ). d) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei vor Erlass des Strafbefehls vom Bezirksamtmann von Laufenburg persönlich zur Sache einvernommen worden. Die Entzugsbehörde und die Vorinstanzen unternahmen keine weiteren Sachverhaltsabklärungen, sondern stützten ihre Entscheide auf die bestehenden Strafakten. Für die Beantwortung der Fragen, ob sich der Beschwerdeführer in einem Irrtum hinsichtlich seiner Fahrerlaubnis befand und in welchem Ausmass der Irrtum verschuldet war, kommt es wesentlich auf den inneren Sachverhalt, d.h. das Wissen und Wollen des Beschwerdeführers an. Für derartige Abklärungen ist die persönliche Einvernahme besonders geeignet, weshalb die Vorinstanz nach dem bisher Gesagten sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht an das Strafurteil gebunden war. Der Bezirksamtmann geht davon aus, der Beschwerdeführer habe sich nicht um den Führerausweisentzug drücken wollen. Er habe die Äusserung des zuständigen Beamten falsch interpretiert, und zwar in dem Sinne, dass er die ursprüngliche Verfügung nicht spätestens bis zum Beginn des angeordneten Vollzugs zurückschicken müsse, sondern erst, wenn er die genauen Daten des Militärdienstes kenne. Soweit die Vorinstanz einen Irrtum des Beschwerdeführers verneint, ist ihr somit nicht zu folgen. In rechtlicher Hinsicht beurteilt der Bezirksamtmann das Verhalten des Beschwerdeführers als pflichtwidrig, weshalb er zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Doch bestünden Milderungsgründe, weshalb von einer Haftstrafe Umgang zu nehmen sei. Diese Ausführungen beschreiben das Ausmass des Verschuldens des Beschwerdeführers nicht detailliert. Es fällt jedoch auf, dass der Strafrichter auf die Ausfällung einer normalerweise obligatorischen Haftstrafe ( Art. 95 Ziff. 2 SVG ) verzichtete. Er sprach eine Busse von lediglich Fr. 300.-- aus. Zudem fehlt jeglicher Hinweis auf eine allfällige grobfahrlässige Begehung. Aus diesen Umständen ist zu schliessen, dass der Strafrichter auf einfache Fahrlässigkeit erkannte. Die Vorinstanz hält in einer Eventualerwägung fest, in Übereinstimmung mit dem Departement des Innern liesse sich das Verschulden allenfalls noch als "eher leicht" qualifizieren; es wäre aber keineswegs derart geringfügig, dass die gesetzlich vorgesehene Mindestentzugsdauer gänzlich unvertretbar wäre und davon abgewichen werden müsste. Diese Beurteilung bedarf einer Überprüfung. BGE 124 II 103 S. 108 2. Nach Rechtsprechung und Lehre kann analog zu Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr (SVG; SR 741.01) in besonders leichten Fällen des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs die sechsmonatige Mindestentzugsdauer des Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG unterschritten werden ( BGE 117 IV 302 E. 3b/dd; RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band III, S. 345 ff. N. 2494 ff.; MICHEL PERRIN, Délivrance et retrait du permis de conduire, Fribourg 1982, S. 179). Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Möglichkeit dürfe nicht nur in "besonders leichten" Fällen, sondern müsse auch in "leichten" Fällen offenstehen. a) Für die Beantwortung dieser Frage ist wegleitend auf BGE 117 IV 302 hinzuweisen, wo zu entscheiden war, ob angesichts der hohen Strafdrohung des Art. 95 Ziff. 2 SVG (mindestens 10 Tage Haft und Busse) bei fahrlässiger Begehung der Strafrahmen nach unten geöffnet werden könne. Als erstes Ergebnis dieser von der Lehre geteilten Rechtsprechung kann festgehalten werden, dass die Mindeststrafdrohung des Art. 95 Ziff. 2 SVG beziehungsweise die Mindestentzugsdauer des Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG auf die typischen Fälle des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs zugeschnitten sind, d.h. auf Fälle, in denen sich der Betroffene schlechterdings über die Massnahme hinwegsetzt - also vorsätzlich handelt - in der Hoffnung, er werde dabei nicht erwischt (SCHAFFHAUSER, a.a.O., N. 2495). Anderseits ist unbestritten, dass analog Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG in besonders leichten Fällen die Mindestentzugsdauer von sechs Monaten unterschritten werden darf. Da Art. 95 Ziff. 2 SVG nicht in andere Bestimmungen, die eine Mindeststrafe vorsehen, eingebettet ist, durfte sich das Bundesgericht in BGE 117 IV 302 darauf beschränken festzulegen, dass der Strafrahmen bei fahrlässiger Begehungsweise nach unten erweitert wird, um so eine dem Verschulden entsprechende stufenlose Strafzumessung zu ermöglichen. Bei den "besonders leichten" Fällen genügte wohl eine analoge Heranziehung von Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG , weil sich das Problem des "leichten" Falles gar nicht stellte. Doch sowohl die Unterteilung in vorsätzliche und fahrlässige Begehung als auch die analoge Anwendung von Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG werden der Systematik im Massnahmenrecht nicht gerecht. Der Tatbestand des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG ist einerseits ein Tatbestand unter mehreren, die eine bestimmte Mindestentzugsdauer androhen, d.h. dass BGE 124 II 103 S. 109 ihnen von Gesetzes wegen eine bestimmte Schwere zukommt; anderseits ist er mit einem Tatbestand zusammen geregelt, der als Voraussetzung einen obligatorischen Entzugsgrund, d.h. mindestens grobfahrlässige Begehung verlangt. Um diesen beiden Elementen gebührend Rechnung zu tragen, drängt es sich auf, auf den Tatbestand des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Führerausweisentzugs bei grobfahrlässiger Tatbegehung die Mindestentzugsdauer von sechs Monaten zur Anwendung zu bringen. Diese Mindestentzugsdauer erscheint jedoch bei bloss einfacher Fahrlässigkeit als stossend, weshalb in solchen Fällen auf einen Entzug von mindestens einem Monat zu erkennen ist. Die bisherige Rechtsprechung ist somit insoweit zu präzisieren, als unter "besonders leichten" Fällen die Begehungsform der einfachen Fahrlässigkeit zu verstehen und ab grobfahrlässiger Begehungsweise der qualifizierte Tatbestand des Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG erfüllt ist. b) Wie bereits dargelegt (E. 1d), hat der Strafrichter für das Administrativverfahren verbindlich auf die Begehungsform der einfachen Fahrlässigkeit erkannt. Folglich ist von einer Mindestentzugsdauer von einem Monat auszugehen ( Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG ; BGE 117 IV 302 E. 3b/dd). Der Beschwerdeführer beantragt einen Führerausweisentzug von drei Monaten. Unbestrittenermassen und im Einklang mit Bundesrecht ist der Entzug wegen Fahrens trotz Führerausweisentzugs aufgrund des Vorfalls vom 21. März 1994 um einen Monat zu erhöhen; der getrübte automobilistische Leumund des Beschwerdeführers und seine Sanktionsempfindlichkeit wiegen sich gegenseitig auf, haben mithin auf die Entzugsdauer keinen Einfluss, was ebenfalls unbestritten ist. Angesichts dieser feststehenden Beurteilungsmerkmale, der Vorgaben des Strafrichters und dem Umstand, dass bei einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung auch eine Zeitspanne von mehr als vier Jahren seit den fraglichen Ereignissen zu berücksichtigen wäre, würde eine längere Entzugsdauer als die beantragten drei Monate Bundesrecht verletzen. Deshalb rechtfertigt es sich, dass das Bundesgericht in der Sache selbst entscheidet; es darf weder zugunsten noch zuungunsten der Parteien über deren Begehren hinausgehen ( Art. 114 Abs. 1 OG ). Folglich ist dem Beschwerdeführer der Führerausweis für die Dauer von drei Monaten zu entziehen. 3. (Kostenfolgen).
public_law
nan
de
1,998
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
96011293-f74e-4b75-9762-2bc080ed8d60
Urteilskopf 121 III 358 71. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 3. Oktober 1995 i.S. F. gegen Stätzerhorn Ski- und Sessellift AG (Berufung)
Regeste Verkehrssicherungspflicht; Haftung der Bergbahnunternehmen für die Sicherheit auf den Skipisten. Vereinzelte Masten oder Bäume am Pistenrand müssen durch geeignete Vorrichtungen (z.B. Polsterungen) gesichert werden, wenn sie eine besondere Gefahrenquelle darstellen (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 4). Anforderungen an den Beweis des Kausalzusammenhanges zwischen der unterlassenen Sicherung und dem eingetretenen Schaden (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 358 BGE 121 III 358 S. 358 A.- F. begleitete seit dem 28. Januar 1979 ein Skilager in Churwalden als Hilfsleiter. Die Lagerteilnehmer fuhren tagsüber auf der Alp Stätz Ski und kehrten am Abend jeweils über eine Verbindungspiste nach Churwalden zurück, welche abwechselnd über offenes Gelände und durch eigentliche Waldschneisen führte. Am 2. Februar 1979 fuhr F. bei guten Sicht- und Schneeverhältnissen zusammen mit einem anderen Leiter und zwei Schülern gegen 16.40 Uhr diese Verbindungspiste hinunter. Die Gruppe durchquerte eine längere Waldschneise und gelangte in offenes Gelände, wo sie etwa 130 Meter vor der Brücke über den Stätzerbach anhielt. Von diesem Standort aus war gut erkennbar, dass sich links und rechts vor der Brücke je zwei Lärchen befanden, welche eine Durchfahrt von etwa fünf Metern freiliessen. Die präparierte Piste bis zur Brücke war zirka sieben Meter breit und führte zuerst über einen etwa 70 BGE 121 III 358 S. 359 Meter langen Hang, danach über ein ungefähr 30 Meter langes flaches Teilstück und schliesslich über einen rund 30 Meter langen, welligen Hang mit einem Gefälle von ca. 25%. Nach der Brücke folgte eine leichte Gegensteigung in mässig linker Richtung. Nachdem die beiden Schüler diesen Pistenabschnitt durchquert hatten, fuhr F. los, wobei er seine Skis laufen liess, um die Gegensteigung nach der Brücke zu bewältigen. Ungefähr zehn Meter vor der Brücke zog es ihm einen Ski weg, worauf er hinfiel und gegen einen Baumstrunk rutschte, welcher gegen die Durchfahrt hin direkt neben der inneren Lärche auf der linken Seite der Brücke etwa 60 bis 70 Zentimeter aus dem Boden ragte. Beim Aufprall erlitt er neben anderen Verletzungen einen Brustwirbelbruch, welcher zur Querschnittlähmung führte. Unmittelbar nach dem Unfall wurden die Bäume bei der Unfallstelle mit Strohballen gepolstert. Am 3. April 1979 eröffnete die Staatsanwaltschaft Graubünden eine Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Körperverletzung zum Nachteil von F., welche mit Verfügung vom 16. Mai 1979 eingestellt wurde. Mit Schreiben vom 2. Mai 1988 teilte F. der Stätzerhorn Ski- und Sessellift AG (nachstehend: Stätzerhorn AG) mit, sie sei als Verantwortliche für die Skipiste ihren Verkehrssicherungspflichten nicht genügend nachgekommen und daher für die Unfallfolgen haftpflichtig. B.- Nach erfolglosem Sühneverfahren klagte F. am 6. September 1991 beim Bezirksgericht Plessur gegen die Stätzerhorn AG auf Bezahlung einer Genugtuungssumme von Fr. 100'000.-- zuzüglich Zins von 5% seit 2. Februar 1979. Das Bezirksgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. März 1993 ab. Eine von F. eingereichte Berufung wurde vom Kantonsgericht von Graubünden am 19. Januar 1994 abgewiesen. C.- F. erhebt eidgenössische Berufung und beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Stätzerhorn AG sei zu verurteilen, ihm unter Vorbehalt der Mehrforderung eine Genugtuungssumme von Fr. 100'000.-- zuzüglich Zins zu 5% seit dem 2. Februar 1979 zu bezahlen. Eventuell sei die Sache zwecks Festlegung der Höhe der Genugtuungssumme und subeventuell zur Ergänzung des Sachverhaltes an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Stätzerhorn AG schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf eingetreten werden könne. BGE 121 III 358 S. 360 Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Das Kantonsgericht hat angenommen, die Beklagte habe ihre Sicherungspflicht nicht verletzt. Es begründet dies insbesondere damit, dass die Lärchen und der Baumstrunk an der Unfallstelle von weitem erkennbar gewesen seien und daher ein pistenkonformes Geländehindernis ohne besondere Gefahren dargestellt hätten. Das nachträgliche Anbringen von Schutzvorrichtungen könne nicht als Indiz für die Gefährlichkeit gewertet werden, zumal es möglich sei, dass die Beklagte aufgrund des tragischen Unfalles über das gebotene Mass der Sicherungspflicht hinausgegangen sei. Schliesslich erscheine die Polsterung aller Bäume bei ähnlichen Situationen im Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit eines Unfalls als unverhältnismässig und damit als unzumutbar. Der Kläger macht demgegenüber geltend, die Sicherung der Unfallstelle sei erforderlich und zumutbar gewesen. a) Es ist allgemein anerkannt, dass Bergbahn- und Skiliftunternehmen, welche Skipisten erstellen und diese für den Skilauf öffnen, grundsätzlich verpflichtet sind, die zur Gefahrenabwehr zumutbaren Vorsichts- und Schutzmassnahmen vorzukehren ( BGE 115 IV 189 E. 3a S. 191 f. mit Hinweis; HANS-KASPAR STIFFLER, Schweizerisches Skirecht, 2. Auflage, 1991, S. 107 Rz. 407). Diese sogenannte Verkehrssicherungspflicht ergibt sich aus der allgemeinen Schutzpflicht dessen, der einen Gefahrenzustand schafft und ist insoweit deliktischer Natur (STIFFLER, a.a.O., S. 108 Rz. 409 f.; NOLL/TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 4. Auflage, S. 225). Bergbahnunternehmen haften aber auch vertraglich für die Sicherheit auf den Skipisten, weil sich die Skifahrer nach dem Vertrauensgrundsatz darauf verlassen dürfen, dass jene nicht nur für den Transport sondern auch für die Pistensicherheit und den Rettungsdienst sorgen ( BGE 113 II 246 E. 6c S. 250). Der beträchtliche Aufwand für diese Dienste wird denn auch fast ausschliesslich von den Bahnunternehmungen finanziert und ist damit im Preis der im Winter üblichen Tages- und Wochenkarten inbegriffen ( BGE 113 II 246 E. 6b S. 249; STIFFLER, a.a.O., S. 115 Rz. 435). Ob die Haftungsgrundlage vertraglicher oder ausservertraglicher Natur ist, ändert aber nichts am Inhalt der Verkehrssicherungspflicht ( BGE 113 II 246 E. 3 S. 247; STIFFLER, a.a.O., S. 115 Rz. 436). Diese verlangt zum einen, dass Skifahrer vor Gefahren zu schützen sind, welche nicht ohne weiteres erkennbar sind und sich daher als eigentliche Fallen erweisen ( BGE 115 IV 189 E. 3c S. 194, BGE 111 IV 15 E. 2 S. BGE 121 III 358 S. 361 17 mit Hinweisen; Richtlinien der Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf Skiabfahrten und Loipen, Ausgabe 1990, nachstehend: SKUS-Richtlinien, Ziff. 17; Richtlinien über die Verkehrssicherungspflicht für Skiabfahrten, herausgegeben vom Schweizerischer Verband der Seilbahnunternehmungen, Ausgabe 1991, nachstehend: SVS-Richtlinien, S. 10 Rz. 14 und S. 16. Rz. 55). Soweit es für die Bergbahnunternehmen zumutbar ist, haben sie zum andern zu verhindern, dass die Gefahren des Skifahrens, welche auch bei vorsichtigem Fahrverhalten nicht vermieden werden können, nicht zu einer Schädigung der Skifahrer führen. Dies ergibt sich daraus, dass den Skifahrern bei der bestimmungsgemässen Benützung der Skipisten kein Schaden erwachsen soll ( BGE 118 II 36 E. 4a S. 38) und die Bergbahnunternehmen an dieser Benützung interessiert sind, weil sie daraus finanzielle Vorteile ziehen (KARL-HEINZ HAGENBUCHER, Die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten als Ursache von Ski- und Bergunfällen, Diss. München 1984, S. 104 f.). Zu den unvermeidbaren Gefahren des Skifahrens, mit denen jederzeit zu rechnen ist, gehört, dass Skifahrer stürzen und danach weitergleiten, ohne wirksam bremsen oder steuern zu können ( BGE 111 IV 15 E. 2 S. 18). Um Verletzungen nach solchen Stürzen zu verhindern, sind die festen Objekte, wie zum Beispiel Skiliftmäste und Bäume, aus dem Pistenbereich zu entfernen oder durch geeignete Vorrichtungen (z.B. Polsterungen) zu sichern, wobei blosse Warnzeichen nicht genügen ( BGE 111 IV 15 E. 3 S. 19; HAGENBUCHER, a.a.O., S. 103; vgl. auch STIFFLER, a.a.O., S. 125 Rz. 470 Ziff. 7). Diese Verpflichtung geht aber nur soweit, als sie zumutbar ist. Es kann daher im allgemeinen nicht verlangt werden, dass bei einer Fahrbahn, die von einem Wald begrenzt wird, jeder einzelne Baum gepolstert wird ( BGE 111 IV 15 E. 2 S. 18). Es ist jedoch zumutbar, vereinzelte am Pistenrand stehende Hindernisse wie Masten oder Bäume zu sichern, wenn sie eine erhebliche bzw. besondere Gefahrenquelle darstellen ( BGE 111 IV 15 E. 2 S. 17 f.; HANS SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1983, ZBJV 1985, S. 39 f. und für das Jahr 1985: ZBJV 1987, S. 41; WILLY PADRUTT, Grenzen der Sicherungspflicht für Skipisten, ZStR 1986, Bd. 103 S. 384 ff., S. 405; SVS-Richtlinien, S. 11 Rz. 16; vgl. auch HAGENBUCHER, a.a.O., S. 87), zumal nicht nur die Pistenfläche selbst, sondern auch der Pistenrand zu sichern ist ( BGE 115 IV 189 E. 3a S. 192, BGE 113 II 246 E. 3, BGE 111 IV 15 E. 2, je mit Hinweisen). Sicherungsmassnahmen am Pistenrand können insbesondere dort angezeigt sein, wo sich die Piste verengt ( BGE 111 IV 15 E. 2 S. 17; BGE 121 III 358 S. 362 SVS-Richtlinien, S. 13 Rz. 29, S. 17 Rz. 60 und S. 19 Rz. 77), wobei zu beachten ist, dass eine Piste nie weniger als 20 Meter und idealerweise 30 bis 40 Meter breit sein sollte (STIFFLER, a.a.O., S. 127 Rz. 477). b) Die Verbindungspiste nach Churwalden bildete an der Unfallstelle einen für die Skifahrer nicht vermeidbaren etwa fünf Meter breiten Engpass, welcher durch Bäume und einen Baumstrunk begrenzt wurde. Die Piste vor diesem Engpass führte ungefähr 130 Meter durch offenes Gelände, war zirka sieben Meter breit und wies auf den letzten 30 Metern vor der Unfallstelle ein Gefälle von ungefähr 25% auf. Bei jedem Skifahrer, der auf diesem schmalen und recht steilen Pistenabschnitt stürzte, bestand daher die Gefahr, dass er gegen den Engpass hin weitergleitete, dort mit dem Baumstrunk oder einem Baum kollidierte und sich dabei - wie im vorliegende Fall - schwer verletzte. Die Skipiste stieg zudem nach dem Engpass wieder an, was erfahrungsgemäss dazu führt, dass die Skifahrer versuchen, genügend schnell zu fahren, um die Gegensteigung problemlos meistern zu können und damit auch eine unerwünschte Blockierung der Piste durch langsam hinaufsteigende Skifahrer zu vermeiden. Die Beklagte musste daher damit rechnen, dass die Skifahrer den Engpass, welcher an sich an das fahrerische Können nur geringe Anforderungen stellte, mit einer relativ hohen Geschwindigkeit durchqueren, was die Wahrscheinlichkeit von Stürzen, welche zu schweren Verletzungen führen, erhöhte. Aufgrund dieser besonderen Umstände stellten der Baumstrunk und die Lärchen an der Unfallstelle eine erhebliche Gefahrenquelle dar, welche hätte gesichert werden müssen. Die nachträglich vorgenommene Polsterung der Bäume zeigt, dass die Sicherung dieser Gefahr mit geringem Aufwand möglich war. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die allgemeine Sicherung derartiger Gefahrenquellen im Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit eines Unfalles und der Schwere der zu verhindernden Verletzungen nicht unverhältnismässig. Es war der Beklagten daher auch dann zumutbar, die speziell exponierten Bäume an der Unfallstelle, welche nicht Teil eines Waldsaumes entlang der Verbindungspiste bildeten, zu sichern, wenn berücksichtigt wird, dass diese gemäss der Feststellung der Vorinstanz noch weitere vergleichbare Situationen aufwies. Der Sachverhalt bedarf diesbezüglich keiner Ergänzung. Aus dem Gesagten geht hervor, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzte, indem sie es unterliess, den Baumstrunk und die Bäume an der Unfallstelle zu sichern. BGE 121 III 358 S. 363 5. Da das Kantonsgericht schon die Vertragsverletzung verneinte, äusserte es sich nicht zur weiteren vom Kläger zu beweisenden Haftungsvoraussetzung des Kausalzusammenhanges zwischen der Vertragsverletzung und dem erlittenen Schaden ( BGE 113 II 246 E. 7 S. 251). Die Beklagte bestreitet diesen Kausalzusammenhang und macht insbesondere geltend, selbst das Anbringen einer Polsterung hätte bei der grossen Geschwindigkeit des Klägers einen ungewissen Einfluss auf die durch die Kollision hervorgerufenen Verletzungen gehabt. Der Kläger muss daher nachweisen, dass die verlangte Sicherung der Unfallstelle seine Querschnittlähmung verhindert hätte. Dabei genügt es, wenn nach den Erfahrungen des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für diesen hypothetischen Kausalverlauf spricht ( BGE 115 II 440 E. 5a S. 447 f. und E. 6a S. 449 f. mit Hinweis). Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz enthalten bezüglich der Fahrgeschwindigkeit des Klägers und dem Kollisionsvorgang selbst nur sehr ungenaue Angaben. Der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt bietet deshalb keine genügende Grundlage, um über die hypothetische Kausalität entscheiden zu können. Er erlaubt es auch nicht, das mögliche von der Beklagten ebenfalls geltend gemachte Selbstverschulden des Klägers zu beurteilen. Ein solches könnte allenfalls zu einer Haftungsreduktion oder, wenn es als grob zu qualifizieren wäre, zur Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhanges führen ( BGE 116 II 519 E. 4b S. 524, BGE 81 II 450 E. 3 S. 454; HAGENBUCHER, a.a.O., S. 105). Die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bedürfen somit der Vervollständigung im Sinne von Art. 64 Abs. 1 OG . Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und zur Ergänzung des Sachverhaltes und zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
null
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
96014c28-9d35-427b-b2dd-a2e227551586
Urteilskopf 111 Ib 137 30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Oktober 1985 i.S. C. gegen Bundesamt für Polizeiwesen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Rechtshilfevertrag mit den USA. Beschränkte Prüfungsbefugnis der schweizerischen Rechtshilfebehörden hinsichtlich der Frage, ob eine im ersuchenden Staat strafbare Handlung vorliegt.
Erwägungen ab Seite 137 BGE 111 Ib 137 S. 137 Aus den Erwägungen: 3. b) Der Beschwerdeführer bestreitet auch, dass das ihm zur Last gelegte Verhalten nach dem Recht der Vereinigten Staaten strafbar sei. Er stützt sich bei diesem Einwand auf Art. 17 Abs. 3 des Bundesgesetzes zum Rechtshilfevertrag mit den USA (BG-RVUS), wonach mit der Beschwerde auch die unzulässige oder unrichtige Anwendung des amerikanischen Rechts gerügt werden kann. Nach Art. 1 Ziff. 2 RVUS genügt es für die Annahme, es liege eine im ersuchenden Staat strafbare Handlung vor, "wenn in diesem Staat begründeter Verdacht besteht, dass Handlungen verübt worden sind, die einen Straftatbestand erfüllen". Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall aufgrund des im Ersuchen beschriebenen Sachverhaltes und der angeführten Normen des amerikanischen Gesetzes über den Börsenhandel ohne Zweifel erfüllt. Aus Art. 17 Abs. 3 BG-RVUS kann entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht gefolgert werden, die schweizerischen Rechtshilfebehörden seien gehalten, die rechtliche Qualifikation einer behaupteten Straftat nach amerikanischem Recht vorzunehmen. Massgebend ist vielmehr Art. 4 Ziff. 2 und Ziff. 4 RVUS , wonach der ersuchte Staat nur aufgrund seines eigenen Rechtes zu prüfen hat, ob die betreffenden Handlungen die objektiven Merkmale eines Straftatbestandes erfüllen. Da er überdies darüber zu BGE 111 Ib 137 S. 138 befinden hat, ob sie einen auf der Liste im Anhang zum RVUS aufgeführten Tatbestand darstellen oder - falls dies nicht zutrifft - Zwangsmassnahmen mit Rücksicht auf die Bedeutung der Tat gleichwohl als gerechtfertigt erscheinen ( Art. 4 Ziff. 2 lit. a und Ziff. 3 RVUS ), ist hinlänglich Gewähr gegen einen Missbrauch des Rechtshilfeverfahrens geboten, ohne dass der strafrechtlichen Beurteilung der Sache durch den Richter des ersuchenden Staates vorgegriffen wird. Art. 17 Abs. 3 BG-RVUS kann an dieser Auslegung des Rechtshilfevertrages selbst schon im Hinblick auf seine systematische Stellung nichts ändern. Eine solche, im Artikel über die Verwaltungsgerichtsbeschwerde enthaltene Bestimmung kann nichts anderes bedeuten, als dass die allfällige Anwendung amerikanischen Rechtes durch das BAP oder die letzte kantonale Instanz ebenso wie andere Rechtsmängel beim Bundesgericht gerügt werden kann, dass also insoweit eine Ausnahme vom Grundsatz des Art. 104 lit. a OG vorliegt, der im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur die Rüge der Verletzung von Bundesrecht zuliesse. Auch der Einwand der mangelnden Strafbarkeit nach dem Recht der Vereinigten Staaten von Amerika ist somit nicht stichhaltig.
public_law
nan
de
1,985
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
960215a9-2670-40e6-8bf1-c026d3f29819
Urteilskopf 98 V 123 34. Auszug aus dem Urteil vom 10. März 1972 i.S. Schweiz. Unfallversicherungsanstalt gegen Messikommer und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die sich allein auf kantonale Bestimmungen betreffend die Parteikosten in Prozessen gemäss Art. 121 KUVG stützt ( Art. 128 OG ).
Sachverhalt ab Seite 123 BGE 98 V 123 S. 123 A.- Ernst Messikommer (geb. 1910) erlitt am 10. Juni 1966 bei einem Automobilunfall als Mitfahrer u.a. eine Halswirbelsäulenverletzung. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) verfügte am 18. Januar 1967 die Kürzung des Krankengeldes um 50% ab 19. September 1966, weil die Beschwerden in der Halswirbelsäule nicht mehr ausschliesslich Unfallfolge seien. Mit Verfügung vom 3. August 1967 bestätigte sie den Kürzungsentscheid und schloss den Fall ab. Sie sprach dem Versicherten ab 13. August 1967 eine auf dem damaligen Jahresverdienstmaximum von Fr. 15 000.-- basierende Invalidenrente von 25%, gekürzt um 50% nach Art. 91 KUVG zu (Rentenbescheid vom 26. September 1967). B.- Ernst Messikommer liess durch seinen Anwalt diese beiden Verfügungen anfechten und folgende Anträge stellen: "1. Es sei in Aufhebung und Abänderung der Verfügung der SUVA vom 3. August 1967 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 19.9.66 bis 12.8.67 Fr. 6560.-- nicht ausbezahltes Krankengeld zu bezahlen. 2. Es sei die Beklagte, in Aufhebung der SUVA-Rentenverfügung vom 26. September 1967, zu verpflichten, dem Kläger zu bezahlen: BGE 98 V 123 S. 124 a) ab 13.8.67 bis zum definitiven Abschluss der ärztlichen Behandlung Fr. 56.- pro Tag; b) ab Datum des Abschlusses der ärztlichen Behandlung eine Jahresrente von 70% von Fr. 15 000.-- = Fr. 10 500.--; alles unter Anrechnung der von der Beklagten ab 13. August 1967 bezahlten monatlichen Rente von Fr. 109.40..." Das Versicherungsgericht des Kantons Zürich erkannte am 23. Dezember 1970: "1. Die Verfügung der Beklagten vom 3. August 1967 wird dahin abgeändert, dass die Kürzung nach Art. 91 KUVG auf 15% festgelegt wird. 2. Der Rentenbescheid vom 26. September 1967 wird dahin abgeändert, dass die Erwerbsunfähigkeit auf 100% und die Kürzung nach Art. 91 KUVG auf 15% festgesetzt werden. 3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. 4. Die Gerichtsgebühr... 5. Die Kosten werden zu 1/6 dem Kläger und zu 5/6 der Beklagten auferlegt. 6. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Prozessentschädigung von Fr. 5000.-- zu zahlen." C.- Gegen diesen Entscheid hat die SUVA Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie beantragt: "1. Das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Dezember 1970 sei insofern aufzuheben, als die Beklagte verpflichtet wurde, dem Kläger eine Prozessentschädigung von Fr. 5000.-- zu zahlen. 2. Die Prozessentschädigung sei auf ein den sozialversicherungsprozessualen Vorstellungen angemessenes Mass herabzusetzen, sei es direkt, sei es unter Rückweisung des Falles an die Vorinstanz. 3. Unter Kostenfolge zu Lasten des Klägers." Die Beschwerdeführerin macht im wesentlichen geltend: Die Entschädigung von Fr. 5000.-- sei nach der Rechtsprechung, wonach das Anwaltshonorar im Sozialversicherungsprozess entsprechend dem Arbeitsaufwand und mit Rücksicht auf die strittigen Fragen zu bemessen sei, übersetzt. Es liege daher eine Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 104 lit. a OG vor. Der kantonale Richter habe bei der Bemessung der Parteientschädigungdasihm zustehende Ermessen überschritten, bzw. missbraucht. Nach feststehender Praxis des Eidg. Versicherungsgerichts seien die Parteien befugt, den Entscheid eines kantonalen Versicherungsgerichtes über die Kosten nicht nur in Verbindung BGE 98 V 123 S. 125 mit dem Sachurteil, sondern auch für sich allein anzufechten; daran habe auch das neue Recht nichts geändert. Wenn auch ein gewisser Spielraum zur Berücksichtigung regionaler Eigenheiten anerkannt werden müsse, so habe doch in analogen Streitverhältnissen ein übereinstimmender Kostendurchschnitt zu gelten, der im vorliegenden Fall aber eindeutig nicht eingehalten sei. Ernst Messikommer lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Die zugesprochene Prozessentschädigung sei angesichts der sehr langen Dauer des Prozesses, des ausserordentlichen Arbeitsaufwandes und der sehr hohen finanziellen Bedeutung des Verfahrens keineswegs übersetzt... Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Gegenstand der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist allein der Betrag der Parteientschädigung, womit der kantonale Entscheid die SUVA zugunsten des grösstenteils obsiegenden Versicherten belastet. Zu prüfen ist vorerst, ob dieser Kostenentscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde selbständig angefochten werden kann. 2. und 3. -: s. Erw. 2-4 im vorstehenden Urteil Leuch. 4. a) Die Beschwerdeführerin macht allerdings geltend, die Vorinstanz habe mit ihrem Kostenentscheid den nach ständiger Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts geltenden, ungeschriebenen, den Sozialversicherungsprozess beherrschenden Grundsatz verletzt, wonach die Anwaltskosten im wesentlichen nach Massgabe des erforderlichen prozessualen Arbeitsaufwandes zu bemessen sind. b) Für das Verfahren in SUVA-Streitigkeiten vor dem Versicherungsgericht des Kantons Zürich ist gemäss EG/KUVG die ZPO anwendbar. Nach § 77 ZPO fällt die Bemessung der Prozessentschädigung in das richterliche Ermessen. Parteien und Gerichte wenden in der Regel den vom Obergericht erlassenen Gebührentarif(Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. Dezember 1969) an. Das kantonale Versicherungsgericht benützt diesen Tarif aber nur als Wegleitung und schöpft ihn in der Regel nicht vollständig aus, um dem Charakter des Sozialversicherungsprozesses Rechnung zu tragen. Der Tarif geht indessen für die Bemessung des Anwaltshonorars vom Streitwert aus. BGE 98 V 123 S. 126 c) Das Eidg. Versicherungsgericht hatte bis zum Inkrafttreten des revidierten OG gemäss Art. 120 des Bundesbeschlusses betreffend die Organisation und das Verfahren des Eidg. Versicherungsgerichts vom 28. März 1917(OB) auch auf Berufungen gegen kantonale Kostenentscheide einzutreten. Es erklärte wiederholt, dass bei der Anwendung des kantonalen Prozessrechts der durch bundesrechtliche Vorschriften bedingten Eigenart des Sozialversicherungsprozesses Rechnung zu tragen sei (EVGE 1927 S. 186, 1951 S. 87, 1955 S. 258, 1958 S. 156 und 179, 1959 S. 109 und 125, 1961 S. 191, 1967 S. 213; nicht publizierte Urteile vom 26. Februar 1969 i.S. Obrist und 3. Dezember 1969 i.S. Keller); dies im wesentlichen mit folgender Begründung: Der Sozialversicherungsprozess ist ein Teil der Verwaltungsrechtspflege. Erhateine eigene Rechtsstruktur und unterscheidet sich prinzipiell vom Zivilprozess. Diese Verschiedenheit kommt auch in der Bemessung des Anwaltshonorars zum Ausdruck. In erster Linie ist der Arbeitsaufwand mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der streitigen Fragen angemessen zu honorieren. Dabei kann auch das wirtschaftliche Interesse mit berücksichtigt werden. Zivilprozessuale Normen zur Bemessung von Anwaltshonoraren sind jedoch nicht ohne weiteres anwendbar. So hat beispielsweise die primäre Berücksichtigung des hohen Streitwertes bei der Ermittlung des zivilprozessualen Honorars auch die Funktion, den Ausgleich für den bei kleinen Streitwerten oft beträchtlichen Arbeitsaufwand zu schaffen. Diese Ausgleichsfunktion entfällt, wenn - wie im Sozialversicherungsprozess - in erster Linie auf den Arbeitsaufwand abgestellt wird. d) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann aus einer Verletzung dieser Grundsätze keine Bundesrechtsverletzung abgeleitet werden. Denn im Hinblick auf die Bestimmungen des OG, insbesondere auf Art. 159 Abs. 6 OG , kann den Kantonen auch im Sozialversicherungsprozess nicht vorgeschrieben werden, wie sie die Parteientschädigung zu verteilen und zu bemessen haben. Sie sind dafür allein zuständig. 5. Das Gericht verkennt nicht, dass diese - durch das revidierte OG bedingte - Rechtslage insofern unbefriedigend ist, als sie es verbietet, auf die im kantonalen Beschwerdeverfahren für die Parteientschädigungen geltenden Bemessungsgrundlagen im Sinne einer gewissen Angleichung einzuwirken: BGE 98 V 123 S. 127 das geltende Verfahrensrecht nimmt es eben in Kauf, dass ein Sozialversicherungsträger der obsiegenden Gegenpartei unter Umständen Anwaltshonorare vergüten muss, deren Höhe je nach dem kantonalen Prozessrecht vorwiegend nach Massgabe des - in Rentenfällen oft hohen - Streitwertes bestimmt wird und deshalb im Sozialversicherungsprozess als unangemessen erscheint... Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.
null
nan
de
1,972
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
96023913-65ac-49d7-9711-3fadcf0e6bb1
Urteilskopf 94 I 37 6. Auszug aus dem Urteil vom 24. Januar 1968 i.S. Immoverba AG gegen Kantone Basel-Stadt, Aargau und Luzern.
Regeste Kantonale Minimalsteuer auf Liegenschaften juristischer Personen. Eine Minimalsteuer von 2‰ des Verkehrswertes, die von allen juristischen Personen ohne Rücksicht auf ihren Sitz zu bezahlen Ist und nur erhoben wird, wenn und soweit sie die ordentlichenSteuern der betreffenden Steuerpflichtigen übersteigt, verstösst nicht gegen das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung.
Sachverhalt ab Seite 38 BGE 94 I 37 S. 38 Aus dem Tatbestand: A.- Durch Gesetz vom 16. Januar 1964 führte der Kanton Basel-Stadt eine Minimalsteuer für juristische Personen ein, indem er seinem Gesetz vom 22. Dezember 1949 über die direkten Steuern (StG) einen neuen Untertitel "VI. Grundstücksteuer juristischer Personen" und einen § 77 b einfügte, der in Abs. 1 und 2 bestimmt. "Juristische Personen haben von ihren im Kanton Basel-Stadt gelegenen Grundstücken eine Grundstücksteuer von 2‰, berechnet auf dem Verkehrswert unter billiger Berücksichtigung des Ertragswertes, zu entrichten. Diese Grundstücksteuer wird jährlich für das laufende Kalenderjahr, bei den anonymen Erwerbsgesellschaften nach § 72, bei den übrigen juristischen Personen nach § 69 insoweit erhoben, als sie die ordentlichen Steuern (bei den anonymen Erwerbsgesellschaften die Ertrags- und Kapitalsteuer sowie die Grundtaxe, bei den übrigen juristischen Personen die Vermögenssteuer) übersteigt, die im Steuerjahr fällig werden. ..." B.- Die Beschwerdeführerin ist eine Immobilien-AG mit Sitz in Basel und einem Grundkapital von Fr. 50 000.--. Sie besitzt Liegenschaften in den Kantonen Basel-Stadt, Aargau und Luzern; nach ihrer Bilanz per 31. Dezember 1965 wiesen diese folgende Werte auf: Basel-Stadt Fr. 1 527 394.--, Aargau Fr. 1 320 264.--, Luzern Fr. 1 261 936.--, total Fr. 4 109 594.--. Mit Einschluss der mobilen Konti von Fr. 39 791.-- ergaben sich Gesamtaktiven von Fr. 4 149 386.--, die nach der vom Kanton Basel-Stadt aufgestellten und von allen Beteiligten BGE 94 I 37 S. 39 anerkannten Ausscheidung zu 37,77% auf Basel-Stadt, zu 31,75% auf Aargau und zu 30,48% auf Luzern entfielen. Der Kanton Basel-Stadt besteuerte die Beschwerdeführerin pro 1965 für einen Immobilienertrag von Fr. 6788.-- (von total Fr. 39 457.--) und pro 1966 für ein Kapital von Fr. 92'900.-- (von total Fr. 245 963.--). Danach betrug die Ertragssteuer 1965 Fr. 1289.75 und die Kapitalsteuer 1966 Fr. 653.35. Neben diesen ordentlichen Steuern erhob der Kanton Basel-Stadt von der Beschwerdeführerin pro 1966 noch eine Grundstücksteuer von Fr. 111 290 auf Grund folgender Berechnung: Grundstücksteuer von Fr. 1 528'000.-- zu 2‰ Fr. 3056.-- abz. Kapitalsteuer 1966 Fr. 653.35 abz. Ertragssteuer 1965 Fr. 1289.75 Fr. 1943.10 Fr. 1112.90 C.- Hiegegen erhebt die Immoverba AG staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 46 Abs. 2 BV mit dem Antrag, es sei zu entscheiden, ob die Veranlagung gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstosse, und es sei dieselbe gegebenenfalls richtigzustellen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: Die Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen die vom Kanton Basel-Stadt zusätzlich erhobene Minimalsteuer, d.h. den Mehrbetrag der Grundstücksteuer von 2‰ des Verkehrswertes der Basler Liegenschaften gegenüber den ordentlichen von der Beschwerdeführerin im Kanton Basel-Stadt geschuldeten Steuern. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die Voraussetzungen von § 77 b StG erfüllt sind und dass die Veranlagung dieser Bestimmung entspricht. Sie macht aber geltend, weil sie der Steuerhoheit verschiedener Kantone unterstehe, werde sie dadurch stärker belastet, als wenn sie ausschliesslich in Basel-Stadt steuerpflichtig wäre; denn wenn das baselstädtische Steuerrecht auf ihr gesamtes Kapital und ihren gesamten Ertrag anwendbar wäre, wären die ordentlichen Steuern höher als die Minimalsteuer und könnte diese daher nicht erhoben werden; die Mehrbelastung verstosse deshalb gegen das Verbot der Doppelbesteuerung. Das Bundesgericht hatte sich schon wiederholt mit solchen BGE 94 I 37 S. 40 Minimalsteuern auf den Liegenschaften der juristischen Personen zu befassen. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf BGE 40 I 65 , wo es eine vom Kanton Glarus erhobene derartige Steuer als gegen Art. 46 Abs. 2 BV und namentlich gegen die Rechtsgleichheit verstossend bezeichnet hatte. Es ist indessen seither von dieser Praxis - gerade mit Bezug auf ergänzende Minimalsteuern - abgerückt, zuerst in BGE 86 I 215 und neuerdings wieder in BGE 92 I 447 E. 6 c. Im letztgenannten Urteil hat es dargetan, dass die modernen Minimalsteuern - es nannte als Beispiel auch die baselstädtische - sich im Gegensatz zu jener früheren des Kantons Glarus (und der in BGE 61 I 330 behandelten gewerbepolitischen des gleichen Kantons) gegen eine Erscheinung richten, die in den letzten Jahren überhand genommen hat, nämlich gegen juristische Personen mit Grundbesitz, die so organisiert und finanziert sind, dass sie kein oder fast kein steuerbares Einkommen und Kapital aufweisen und damit grosse Vermögenswerte der Besteuerung am Orte der gelegenen Sache entziehen. Diese Minimalsteuern wollen einer Aushöhlung des Rechts zur Besteuerung des unbeweglichen Vermögens entgegentreten und eine minimale Belastung dieses Vermögens sicherstellen; sie gehen in der gleichen Richtung wie die Bestrebungen des Bundesgerichts, durch Ausbau und Verfeinerung seiner Doppelbesteuerungspraxis dem Besteuerungsrecht des Liegenschaftskantons verstärkten Schutz zu verleihen. (Das Urteil wurde unter dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV erlassen und erwähnt die Doppelbesteuerung nur hier, weil den Beschwerdeführern in diesem Punkte die Legitimation fehlte.) Im übrigen hat das Bundesgericht stets betont, dass die Kantone in der Wahl ihres Steuersystems grundsätzlich frei sind und es ihnen insbesondere auch frei steht, den auf ihrem Gebiet gelegenen Grundbesitz mit einer Objektsteuer zu erfassen; aus Art. 46 Abs. 2 BV folgt dabei bloss, dass die Frage nicht für die Kantonseinwohner einerseits und für ausserkantonale Eigentümer im Kanton befindlicher Liegenschaften anderseits verschieden geregelt werden darf (vgl. LOCHER, Interkantonale Doppelbesteuerung, § 9 I A 2 Nr. 7 und die dort zitierten Urteile). Der Kanton Basel-Stadt erhebt die Minimalsteuer gemäss § 77 b StG in gleicher Weise von allen juristischen Personen mit Grundbesitz auf seinem Gebiet, ohne Rücksicht darauf, ob BGE 94 I 37 S. 41 sie ihren Sitz im Kanton oder ausserhalb desselben haben. Dass sie als Minimalsteuer nur erhoben wird, wenn und soweit sie die ordentlichen Steuern der betreffenden Steuerpflichtigen übersteigt, ändert nichts an ihrem Charakter als Objektsteuer. Von einem Übergreifen in die Steuerhoheit anderer Kantone kann keine Rede sein, da die Steuer nur auf den im Kanton Basel-Stadt gelegenen Grundstücken erhoben wird. An der heutigen Beschwerdeführerin mit ihrem Grundkapital von Fr. 50 000.--, weiteren eigenen Mitteln von Fr. 114 000.--und einem Grundbesitz im Werte von über vier Millionen zeigt sich deutlich, wie das Grundeigentum der ordentlichen Besteuerung entzogen wird; gerade deshalb machen ihre ordentlichen Steuern weniger aus als die Minimalsteuer. Da der Kanton Basel-Stadt von der Besteuerung des in anderen Kantonen gelegenen Grundeigentums der Beschwerdeführerin von vornherein ausgeschlossen ist, hat es keinen Sinn, zu berechnen, ob die ordentliche Besteuerung ihres gesamten Kapitals und Ertrages nach baselstädtischem Recht einen höheren Betrag ergäbe als die Minimalsteuer aufihrem gesamten Grundbesitz. Zwar hat das Bundesgericht aus Art. 46 Abs. 2 BV abgeleitet, ein Kanton dürfe einen Steuerpflichtigen nicht deshalb stärker belasten, weil er nicht in vollem Umfang seiner Steuerhoheit unterstehe, sondern infolge einer territorialen Beziehung auch noch in einem andern Kanton steuerpflichtig sei, und hat dabei erklärt, es bedeute eine Doppelbesteuerung, wenn ein Steuerpflichtiger in mehreren auf dem Boden der Reineinkommenssteuer stehenden Kantonen zusammen mehr als sein gesamtes Reineinkommen zu versteuern habe. Diese allgemeine Regel hat jedoch, wie es seither wiederholt entschieden hat, gegebenenfalls zurückzutreten vor dem besonderen Grundsatz, dass das Grundeigentum dem Kanton, in dem es gelegen ist, zur ausschliesslichen Besteuerung vorbehalten ist. Auch unter Kantonen mit Reineinkommenssteuer kann dieser Grundsatz zur Folge haben, dass ein Steuerpflichtiger in allen zusammen einen höheren Reinertrag zu versteuern hat, als wenn er nur der Steuerhoheit eines einzigen unterstünde; darin liegt jedoch keine unzulässige Doppelbesteuerung ( BGE 93 I 241 E. 2, BGE 91 I 397 mit Verweisungen). Das muss erst recht gelten, wenn einer der beteiligten Kantone auf den Liegenschaften eine Objektsteuer erhebt, die vom Gesamtkapital und Gesamtertrag des Steuerpflichtigen unabhängig ist und auf seine Besteuerung BGE 94 I 37 S. 42 durch andere Kantone keine Rücksicht zu nehmen braucht; hier kann keine Rede davon sein, dass er mehr als sein gesamtes Reineinkommen zu versteuern habe, da das Steuerobjekt ein anderes ist. Selbst wenn die oben erwähnte Rechnung der Beschwerdeführerin richtig sein sollte, läge im Vorgehen des Kantons Basel-Stadt, der sich auf die Besteuerung des ihm zustehenden Substrates beschränkt, kein Übergriff in die Steuerhoheit anderer Kantone und damit kein Verstoss gegen Art. 46 Abs. 2 BV .
public_law
nan
de
1,968
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
96026a43-3f38-4c33-b50a-e84346ee4db0
Urteilskopf 103 IV 149 44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. August 1977 i.S. B. gegen Justizdirektion des Kantons Appenzell A.Rh.
Regeste Art. 110 Ziff. 5, 251 Ziff. 1 StGB ; Begriff der Urkunde. Ein formungültiger Vertrag kann geeignet sein, andere als durch diesen Vertrag zu begründende Rechte oder Pflichten zu beweisen.
Erwägungen ab Seite 150 BGE 103 IV 149 S. 150 Aus den Erwägungen: 1. a) B. hat in zwei ähnlichen Ausführungen einen auf den 12. August 1972 datierten "Kaufvertrag" gefälscht. Darnach würde G., Eigentümer des an B. vermieteten Hauses, dieses dem Beschwerdeführer zum Preis von Fr. 76'000.-- verkaufen. Bei Vertragsschluss hätte der Beschwerdeführer, nach diesem Vertrag, eine Anzahlung von Fr. 25'000.-- geleistet, verbunden mit der Verpflichtung, jährlich viermal weitere Fr. 5'000.-- zu zahlen, erstmals am 31. Dezember 1973. Für den Rest von Fr. 31'000.-- würde eine Hypothek zu 5% Zins errichtet. Wenn der Käufer vertragsbrüchig werde, habe er keine Ansprüche mehr auf die geleisteten Zahlungen. Der Grundbucheintrag könne erst bei fertiger Zahlung erfolgen. Erfülle eine der Parteien diese Abmachung der drei Punkte nicht, so sei das Gemeindegericht Lutzenberg zur Abklärung zuständig. Die Unterschrift des Verkäufers G. ist, wie der Vertrag überhaupt, gefälscht. B. hat das eine oder das andere gefälschte Vertragsexemplar Frau H. gezeigt, um sie in Sicherheit zu wiegen und zu Zahlungen an ihn zu veranlassen. Darin erblickten die kantonalen Gerichte den Tatbestand der Urkundenfälschung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB . b) Gegen diese Verurteilung wendet der Beschwerdeführer ein, jedermann wisse, dass der Kauf oder die hypothekarische Belastung eines Grundstückes der öffentlichen Beurkundung bedürfe, dass ein in einfacher schriftlicher Form abgeschlossener Vertrag nicht rechtsgültig sei und dass daher diese Verträge weder nach Gesetz noch nach Verkehrsübung Beweiseignung hätten. Die Kaufverträge seien derart mit orthographischen Fehlern behaftet und derart laienhaft aufgestellt, dass man auf den ersten Blick erkennen müsse, dass es sich um keinen richtigen Kaufvertrag handeln könne. c) Ein Vertrag, der wegen Nichteinhaltung der für seine Gültigkeit erforderlichen Form nichtig ist, ist nicht geeignet, die darin vereinbarten Rechte und Pflichten zu beweisen; BGE 103 IV 149 S. 151 denn diese sind wegen Ungültigkeit des Vertrages gerade nicht entstanden. Das besagt aber nicht, dass solche Verträge zum Beweis schlechtweg ungeeignet sind. Sind sie auch ungeeignet, die im Vertrag in ungültiger Weise vereinbarten Rechte und Pflichten nachzuweisen, so können sie doch geeignet sein, sonst Tatsachen von rechtlicher Bedeutung zu beweisen, so den Umstand, dass durch Konversion der Vertrag im Rahmen eines andern Rechtsgeschäftes doch willenskonforme Wirkungen entfaltet, dass die Parteien sonst rechtserhebliche Erklärungen abgegeben haben oder Tatsachen eingetreten sind, die sonstwie im Rechtsverkehr (Schadenersatz usw.) Bedeutung haben (HAEFLIGER, Begriff der Urkunde im schweizerischen Strafrecht, Basel 1952, S. 43, für die Absichtsurkunden, z.B. nicht öffentlich beurkundete Grundstückkaufverträge; STRATENWERTH, BT II S. 464; auch SCHÖNKE/SCHRÖDER, Kommentar 18. Auflage § 267 N. 9 betreffend Konversion; GOYET, Droit pénal spécial, 8. Auflage N. 188; ENCYCLOPEDIE DALLOZ, Droit pénal, "Faux en écriture" N. 68-77 bes. N. 77; Novissimo digesto italiano Bd. 7 "Falsità in atti" N. 11: "Anche un atto invalido eppur esistente storicamente come manifestazione di un pensiero incorporata in una scrittura può presentare un interesse probatorio che è independente da conseguenze di natura tipica per le quali l'atto era stato formato o concepito"). d) Im vorliegenden Falle wären die Kaufverträge, ihre Echtheit vorausgesetzt, objektiv nicht geeignet gewesen, einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums am Hause auf B. zu begründen. Denn dazu fehlte es an der gesetzlich vorgeschriebenen Form ( Art. 257 ZGB , Art. 22 Abs. 2, 216 OR ). Zwar wird auch die Auffassung vertreten, selbst ein gefälschter Vertrag, der aus formellen Gründen ungültig wäre, wenn er echt wäre, könne Gegenstand eines Urkundendeliktes sein; denn der Formfehler könne übersehen werden (so für das französische Recht GOYET, Droit pénal spécial, 8. Auflage N. 188 unter Verweis auf Cass. 18. mai 1960, Bulletin criminel de la Cour de cassation 272). Doch kann diese Frage offen bleiben. Denn die gefälschten Verträge enthielten zugleich die Quittung dafür, dass der Beschwerdeführer an den Kauf der Liegenschaft eine Anzahlung von Fr. 25'000.-- gemacht habe. Auch das hätte einen Vermögenswert und damit für Frau H. eine Sicherheit bedeutet für den Fall, dass sie vom Beschwerdeführer BGE 103 IV 149 S. 152 ihre Darlehen zurückverlangen sollte (vgl. BGE 101 IV 278 ). Insoweit handelte es sich deshalb bei der Schrift um eine Urkunde.
null
nan
de
1,977
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
960668eb-33c8-421b-a675-49428025e4b6
Urteilskopf 101 Ia 238 41. Auszug aus dem Urteil vom 24. September 1975 i.S. Liberale Partei des Kantons Luzern und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Luzern.
Regeste Art. 85 lit. a OG ; kantonale Volksabstimmung. 1. Zu den Vorbereitungen eines Urnenganges, deren Mängel grundsätzlich sofort geltend zu machen sind, gehören auch die amtlichen Botschaften und erläuternden Berichte zu Sachvorlagen; Anforderungen an die Gestaltung solcher behördlicher Erläuterungen (E. 3). 2. Auch wenn das kantonale Recht keine Vorschrift darüber enthält, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Nachzählung durchzuführen ist, kann der Regierungsrat als Aufsichtsbehörde im Bereich des Abstimmungswesens von Amtes wegen eine Nachkontrolle anordnen, falls dies nach der gegebenen Sachlage für die zuverlässige Resultatermittlung als geboten erscheint; die Abstimmung muss nur dann kassiert werden, wenn sich die Auswirkungen festgestellter Verfahrensmängel nicht durch die Nachkontrolle beseitigen lassen (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 239 BGE 101 Ia 238 S. 239 Im Kanton Luzern fand am 26. Januar 1975 die Volksabstimmung über eine Teilrevision des Gesetzes über die Grundstückgewinnsteuer (GStG) statt. Das Justizdepartement des Kantons Luzern gab am Abstimmungssonntag um ca. 14.30 Uhr auf Grund der telefonischen Meldungen der Gemeinden das provisorische Abstimmungsergebnis bekannt. Danach war das Gesetz mit 17'812 Ja gegen 18'025 Nein verworfen worden. Um 15.45 meldete die Stadtkanzlei Luzern dem Justizdepartement, die telefonisch übermittelte Zahl der Stadt Luzern stimme nicht, da ein Urnenkreis versehentlich das Ergebnis einer gleichzeitig durchgeführten Gemeindeabstimmung gemeldet habe. Auf Grund dieser Berichtigung lautete das provisorische Ergebnis nun 17'917 Ja gegen 17'909 Nein. Das Gesetz war also entgegen der ersten Meldung ganz knapp angenommen. Das Justizdepartement teilte mit, dass das definitive Ergebnis nach einer Kontrolle der Abstimmungsverbale der Gemeinden festgestellt werde. Diese Kontrolle ergab, dass im Verbal der Gemeinde Flühli 20 Jastimmen weniger verzeichnet waren, als am Abstimmungssonntag dem Justizdepartement telefonisch mitgeteilt worden war. Das Abstimmungsresultat lautete nun dahin, dass das Gesetz mit 17'897 Ja gegen 17'909 Nein mit einer Mehrheit von 12 Neinstimmen verworfen war. Dieses Ergebnis gab das Justizdepartement am Dienstag, den 28. Januar, in einer Pressemitteilung als "definitives Ergebnis" bekannt. Der Grosse Rat des Kantons Luzern war am 28. Januar 1975 versammelt. Bei dieser Gelegenheit ersuchten zwei Ratsmitglieder, das Abstimmungsmaterial überprüfen zu lassen. Der Regierungsrat beauftragte am 30. Januar 1975 das Justizdepartement, das Abstimmungsergebnis durch eine Nachzählung der Stimmzettel zu überprüfen. Diese Nachkontrolle ergab, dass die Urnenbüros in verschiedenen Gemeinden oder Gemeindekreisen Ja- und Neinstimmen verwechselt oder falsch gezählt hatten und dass demnach die in den entsprechenden Verbalen angegebenen Zahlen nicht stimmten. Die Differenzen waren zum grossen Teil nicht sehr bedeutend und betrafen vielfach nur eine bis zwei Stimmen. In einigen Gemeinden BGE 101 Ia 238 S. 240 waren hingegen grössere Fehler gemacht worden. Im Kreis Kirchbühl der Gemeinde Kriens waren 50 Jastimmen als Neinstimmen, in Richenthal 14 Neinstimmen als Jastimmen gezählt worden; in Rickenbach waren 10 Neinstimmen zuviel gezählt worden. Im gesamten ergab die Nachzählung eine Erhöhung der Jastimmen um 41 und eine Verminderung der Neinstimmen um 38. Dadurch veränderte sich das Mehr von 12 Nein in ein Mehr von 67 Ja. Gestützt auf dieses Ergebnis der Nachzählung berichtigte der Regierungsrat am 31. Januar 1975 das Abstimmungsergebnis und stellte fest, dass die Änderung des Gesetzes mit 17'938 Ja gegen 17'871 Nein angenommen worden sei. Gegen diese Abstimmung haben die Liberale Partei des Kantons Luzern und verschiedene Stimmberechtigte Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Die Begründung der einzelnen Beschwerden ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen. Das Bundesgericht hat die Beschwerden abgewiesen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete Stimmrecht gibt dem Bürger unter anderem Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Stellt das Bundesgericht in dieser Hinsicht Unregelmässigkeiten fest, die das Abstimmungsresultat beeinflusst haben könnten, so hebt es die betreffende Abstimmung auf. Dabei verlangt es nicht, dass der Bürger den Nachweis dafür erbringt, dass die gerügten Unregelmässigkeiten das Resultat tatsächlich beeinflusst haben. Es genügt, wenn nach den Umständen eine Beeinflussung als möglich erscheint. Ob das zutrifft, entscheidet der Staatsgerichtshof in freier Prüfung. Er prüft auch die Auslegung kantonaler Vorschriften, die Umfang und Inhalt des kantonalen Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen, grundsätzlich frei, tatsächliche Feststellungen der kantonalen Behörden dagegen bloss unter dem Gesichtswinkel der Willkür ( BGE 100 Ia 238 , BGE 98 Ia 78 ). Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid beanstanden den Inhalt des erläuternden Berichts, den der Regierungsrat, BGE 101 Ia 238 S. 241 wie es § 37 Abs. 1 des luzernischen Gesetzes über die Volksabstimmungen (VAG) vorsieht, mit dem Text der Vorlage den Stimmberechtigten zustellte. Es stellt sich die Frage, ob diese Rüge nicht sofort, vor der Abstimmung, hätte vorgebracht werden müssen. Nach der Rechtsprechung verwirkt ein Stimmberechtigter grundsätzlich das Recht zur Anfechtung eines Abstimmungsergebnisses, wenn er es unterlässt, Fehler bei der Vorbereitung des Urnengangs sofort durch Einsprache oder Beschwerde zu rügen, damit der Mangel noch vor der Abstimmung behoben werden kann und diese nicht wiederholt zu werden braucht ( BGE 99 Ia 644 ). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gehören zu den Anordnungen, gegen welche allfällige Einwände sofort und nicht erst nach der Abstimmung geltend zu machen sind, auch die amtlichen Botschaften und erläuternden Berichte zu Sachvorlagen (vgl. BGE 98 Ia 620 ff.; nicht veröffentlichtes Urteil Messerli vom 29. Juni 1961, E. 3). Allerdings lässt sich nicht in allgemeiner Weise sagen, die Kritik an einem Bericht, die nicht schon vor der Abstimmung vorgebracht wurde, könne hinterher nicht mehr erhoben werden. Es kommt auf die Verhältnisse des Einzelfalls und darauf an, ob dem Beschwerdeführer ein sofortiges Handeln zuzumuten war ( BGE 98 Ia 620 , BGE 89 I 87 ; vgl. auch BGE 98 Ia 70 , BGE 93 I 439 , BGE 89 I 442 f.). Da der Bericht vom Regierungsrat ausging, hätten die Beschwerdeführer nach der luzernischen Gesetzgebung und Praxis wohl kein kantonales Rechtsmittel ergreifen können, um den angeblichen Mangel zu rügen. Als einziger Rechtsbehelf wäre die staatsrechtliche Beschwerde in Frage gekommen. Hätten die Beschwerdeführer, wie es ihr Recht gewesen wäre, die 30-tägige Beschwerdefrist, die mit der Zustellung des Berichts am 9. Dezember 1974 zu laufen begann und vom 18. Dezember 1974 bis 1. Januar 1975 stillstand, ausgenützt, so wäre es zeitlich nicht mehr möglich gewesen, den Mangel noch irgendwie - sei es durch Verschiebung der Abstimmung, sei es durch Zustellung eines neuen oder ergänzenden Berichts - vor dem 26. Januar 1975, dem Abstimmungstag, zu beheben. Bei dieser Sachlage war vernünftigerweise den Beschwerdeführern nicht zuzumuten, den Mangel vor der Abstimmung mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen. Man kann sich jedoch fragen, ob die Beschwerdeführer ihre Einwände dem Regierungsrat nach der Zustellung des Berichts BGE 101 Ia 238 S. 242 sonstwie zur Kenntnis hätten bringen müssen. Der Regierungsrat hätte so die Stichhaltigkeit der Einwände überprüfen und allfällige Mängel des Berichts noch vor der Abstimmung beheben können. Wie es sich damit verhält, mag indessen dahingestellt bleiben, da sich die Beschwerde in diesem Punkte, wie im folgenden näher auszuführen ist, ohnehin als unbegründet erweist. Nach § 37 Abs. 1 des Abstimmungsgesetzes ist im erläuternden Bericht auch der Standpunkt einer beachtlichen Minderheit des Grossen Rates angemessen zu berücksichtigen. Keiser und Isenschmid behaupten, der Regierungsrat sei dieser Vorschrift nicht nachgekommen. Sie begründen die Behauptung in ihrer Beschwerde aber mit keinem Wort, sodass darauf nach Art. 90 OG nicht einzutreten ist. Auf die in der Beschwerdeergänzung enthaltene Begründung kann ebenfalls nicht eingegangen werden. Sie hätte, da nicht erst die Vernehmlassung des Regierungsrates dazu Anlass bot, ohne weiteres schon in der Beschwerdeschrift selbst vorgebracht werden können (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 400). Wäre auf die Rüge einzugehen, so würde sie sich nicht als stichhaltig erweisen. § 37 Abs. 1 des Abstimmungsgesetzes lässt dem Regierungsrat einen erheblichen Spielraum des Ermessens. Diese Bestimmung schreibt nicht vor, dass in der Botschaft die Gründe dargelegt werden müssten, welche die Gegner der Vorlage im Grossen Rat vorbrachten. Es ist bloss der Standpunkt einer beachtlichen Minderheit angemessen zu berücksichtigen. Der Regierungsrat führte gleich zu Beginn der Botschaft, an einer Stelle, die vom Leser nicht zu übersehen war, aus: "Eine Minderheit hatte die Vorlage besonders im Hinblick auf die darin neu vorgesehene Staatsbeteiligung am Grundstückgewinnsteuerertrag bekämpft." Damit war klargestellt, dass im Grossen Rat eine Gegnerschaft bestand und welches ihr Hauptargument war. In einem besondern Abschnitt sprach sich der Regierungsrat über die Beteiligung des Kantons am Steuerertrag aus. Er nahm damit auf den Haupteinwand der Gegner Bezug, wobei er freilich bloss darlegte, weshalb dieser Einwand nach seiner Ansicht nicht stichhaltig sei. Er nahm aber auch damit insofern auf den Standpunkt der Minderheit Rücksicht, als er deren wesentlichen Ablehnungsgrund nicht überging, sondern dazu ausführlich Stellung nahm. Wenn es auch je nach der Zahl der Gegner im Grossen Rat angezeigt BGE 101 Ia 238 S. 243 gewesen sein mochte, die Gründe der Minderheit, wie sie vermutlich im Parlament vorgebracht worden waren, kurz darzulegen, so kann doch nicht gesagt werden, der Regierungsrat habe den Spielraum des Ermessens überschritten, den ihm das Gesetz in der Berücksichtigung des Standpunktes der Minderheit einräumt. Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid werfen dem Regierungsrat ferner eine irreführende Beeinflussung der Stimmbürger vor, weil er in der Botschaft ausführte, die Gemeinden erhielten einen Anteil (des Steuerertrages), der ihre bisherigen Ertragsmöglichkeiten im Durchschnitt gesehen sogar noch etwas verbessere. Auch mit dieser Rüge vermögen sie nicht durchzudringen. Sie erklären, die Behauptung des Regierungsrats könne nicht belegt werden. Sie müssten aber ihrerseits dartun, dass sie falsch und damit irreführend ist. Sie erklären allerdings, durch die Ausklammerung des Geschäftsvermögens aus dem Geltungsbereich des GstG sei in Gemeinden mit grossen Grundstückgewinnsteuererträgen (Luzern und Umgebung) mit bedeutenden Ausfällen zu rechnen. Der Regierungsrat führte aber bloss aus, dass "im Durchschnitt gesehen" die bisherigen Ertragsmöglichkeiten der Gemeinden durch die Gesetzesvorlage etwas verbessert würden. Das widerlegen die Beschwerdeführer mit ihrem Einwand nicht. Der Regierungsrat legt im übrigen in seiner Beschwerdeantwort dar, das Finanzdepartement habe eingehende Erhebungen und Berechnungen angestellt, aus denen sich ergebe, dass im Durchschnitt die Ertragsmöglichkeit der Gemeinden auf Grund des neuen Gesetzes nicht geringer sein würde als unter dem alten Gesetz. Die Beschwerdeführer, welche Gelegenheit erhielten, ihre Beschwerde nach Eingang der Antwort des Beschwerdegegners zu ergänzen, haben diese Ausführungen der Regierung nicht bestritten. Sie vermögen nicht darzutun, dass die in der Botschaft enthaltene Erklärung des Regierungsrates unrichtig und der Stimmbürger dadurch irregeführt worden wäre. Soweit die Beschwerdeführer die Abstimmung wegen angeblicher Mängel des erläuternden Berichts anfechten, ist ihre Beschwerde demnach unbegründet. Sie beanstanden ferner, dass Mitglieder des Regierungsrats und das Kader der kantonalen Steuerverwaltung in vielen politischen Versammlungen ganz einseitig und eindeutig den Standpunkt des Kantons vertreten hätten. Es ist zulässig, dass BGE 101 Ia 238 S. 244 Behördemitglieder im Abstimmungskampf eine Vorlage zur Annahme empfehlen, sofern das nicht mit verwerflichen Mitteln, z.B. unter Verwendung öffentlicher Gelder oder mit irreführenden Angaben geschieht ( BGE 98 Ia 624 , BGE 89 I 443 /4 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass sich Mitglieder der Regierung oder Staatsbeamte verwerflicher Mittel bedient hätten. Dass diese allenfalls die Vorteile der Vorlage besonders ins Licht rückten, war ihnen nicht verwehrt. Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet. 4. a) In der Sache selber stellen sich zwei Hauptfragen. Zunächst ist darüber zu befinden, ob der Regierungsrat eine Nachzählung anordnen und das Abstimmungsresultat gestützt darauf feststellen durfte. Wird die Frage bejaht, so ist zu prüfen, ob das Verfahren und insbesondere die Nachzählung durch die kantonale Behörde an solchen Mängeln litten, dass begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit des Resultats bestehen. Bei kantonalen Abstimmungen halten die Urnenbüros das Resultat im Verbal fest. Dieses und das gebrauchte Stimmaterial sind gesondert sofort an das Justizdepartement zu senden ( § § 82 und 83 Abs. 2 VAG ). Der Regierungsrat stellt nach § 80 Abs. 3 des Gesetzes das Ergebnis der kantonalen Abstimmung auf Grund der Verbale fest. Er hat demnach das kantonale Resultat gestützt auf die in den Verbalen angegebenen Zahlen festzustellen. Dass er befugt wäre, bei einzelnen oder allen Gemeinden des Kantons nachzuprüfen, ob die in den Verbalen angegebenen Zahlen richtig sind, d.h. mit dem gebrauchten Stimmaterial übereinstimmen, bestimmt das Gesetz nicht ausdrücklich. Die Regierung ist aber im Bereich des Abstimmungswesens Aufsichtsbehörde, und aus dieser Stellung ergibt sich die Befugnis, die Verbale der Gemeinden auf ihre Richtigkeit hin zu kontrollieren, wenn hiezu begründeter Anlass besteht. Es ist klar und unbestritten, dass der Regierungsrat die Verbale der Urnenbüros durch Vergleich mit dem Stimmaterial kontrollieren kann, wenn bei ihm eine Abstimmungsbeschwerde erhoben ist ( § 139 Abs. 1 VAG ). Da der Regierungsrat als Aufsichtsbehörde von Amtes wegen die nötigen Massnahmen treffen muss, um die zuverlässige Ermittlung eines kantonalen Abstimmungsergebnisses zu gewährleisten, kann er die Verbale, sofern dazu begründeter Anlass besteht, auch BGE 101 Ia 238 S. 245 dann kontrollieren, wenn keine Beschwerde erhoben wurde. Es kommt im zu beurteilenden Fall hinzu, dass gegen die Abstimmung über das GstG nach dem 31. Januar 1975 beim Regierungsrat Beschwerden erhoben wurden. Selbst wenn man zu Unrecht annähme, er könne die Verbale der Gemeinden nur im Beschwerdefall kontrollieren, so hätte der Regierungsrat die Kontrolle nach Einreichung der Beschwerden vornehmen dürfen, und es würde die Annahme, die Kontrolle sei deshalb unzulässig, weil sie bereits wenige Tage vor Einreichung der Beschwerden durchgeführt wurde, auf einen überspitzten Formalismus hinauslaufen. Auch wenn das kantonale Gesetz keine Vorschrift darüber enthält, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Nachzählung durchzuführen ist, kann die kantonale Behörde von Amtes wegen eine Nachkontrolle anordnen, falls es nach der gegebenen Sachlage als für die zuverlässige Ermittlung geboten erscheint. Das ergibt sich aus einem neuen Urteil, in welchem das Bundesgericht eine allgemeine Pflicht zur Nachzählung bei knappem Abstimmungsresultat zwar verneinte, aber ohne weiteres davon ausging, die kantonale Behörde sei auch bei Fehlen einer entsprechenden Gesetzesvorschrift befugt, in solchen Fällen von Amtes wegen eine Nachzählung anzuordnen ( BGE 98 Ia 85 ). Die Beschwerdeführer Dr. Widmer/Liberale Partei führen selber aus, es dürfte dem Regierungsrat als Aufsichtsbehörde die Kompetenz zur Anordnung einer Nachzählung zustehen. Sie sind aber der Meinung, nachdem der Regierungsrat die Unrichtigkeit einzelner Verbale festgestellt habe, hätte er die Abstimmung kassieren müssen. In Beschwerdefällen ist die Abstimmung nur dann ganz oder teilweise aufzuheben, wenn sich die Auswirkungen festgestellter Verfahrensmängel nicht durch den Beschwerdeentscheid beseitigen lassen ( § 139 Abs. 2 VAG ). Das muss auch gelten, wenn der Regierungsrat bei einer von Amtes wegen durchgeführten Kontrolle Mängel feststellt. Ergeben sich dabei Fehler, die auf falsches Auszählen zurückzuführen sind, so sind sie zu berichtigen. Damit sind die Auswirkungen der Fehler beseitigt und die Abstimmung muss nicht aufgehoben werden (vgl. PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen, Diss. Zürich 1945, S. 107). Die Beschwerdeführer Keiser, Isenschmid und Achermann sind offenbar der Meinung, dem Regierungsrat stehe es überhaupt nicht zu, eine Nachzählung BGE 101 Ia 238 S. 246 vorzunehmen. Gemäss den vorangehenden Erwägungen kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Es kann zusätzlich auf § 83 Abs. 2 VAG verwiesen werden, wonach bei kantonalen Abstimmungen die Urnenbüros der Gemeinden das Verbal und das gebrauchte Stimmaterial dem Justizdepartement zuzustellen haben. Diese Regel verfolgt u.a. den Zweck, der kantonalen Behörde selber eine Nachzählung, also eine Kontrolle der Verbale auf Grund des gebrauchten Stimmaterials, zu ermöglichen, wenn sich eine Nachzählung als nötig erweist. Es stellt sich deshalb bloss die Frage, ob der Regierungsrat genügenden Anlass hatte, eine Nachzählung durchzuführen. Schon der Umstand, dass das Resultat auf Grund der ursprünglichen Verbale mit 17'897 Ja gegen 17'909 Nein sehr knapp ausfiel, konnte füglich als zureichender Grund für eine Nachkontrolle betrachtet werden ( BGE 98 Ia 85 ). Es kam hinzu, dass das erste provisorische Ergebnis negativ, das zweite positiv war, während sich nach der Zusammenstellung der Verbale wiederum ein verwerfendes Resultat ergab. Es versteht sich, dass nach diesen Wechseln das Vertrauen des Bürgers in die Zuverlässigkeit der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses erschüttert war. Auch im Grossen Rat verlangten einzelne Mitglieder eine Nachzählung, und sie stellten für den Fall der Ablehnung des Begehrens eine Beschwerde in Aussicht. Nach den widersprüchlichen Meldungen und bei dem sehr knappen Resultat hätte sich ein Stimmbürger nicht ohne Grund beschweren können, wenn der Regierungsrat eine Nachzählung abgelehnt hätte. Die Beschwerdeführer fühlen sich demgegenüber zu Unrecht in ihren politischen Rechten verletzt, weil der Regierungsrat diese Kontrolle im Interesse einer zuverlässigen Resultatsermittlung vornahm. Wenn man nicht annehmen will, eine Nachzählung durch die kantonale Behörde habe sich geradezu aufgedrängt, so muss sie doch auf jeden Fall als sachlich gerechtfertigt erachtet werden. b) Dem Regierungsrat wird Willkür bei der Anordnung der Nachzählung vorgeworfen mit der Begründung, er sei faktisch als Partei am Abstimmungsresultat interessiert gewesen. Nachdem das zweite Resultat eine knappe Annahme des Gesetzes gezeigt habe, habe ein Regierungssprecher gegenüber Presse und Radio erklärt, das Luzerner Abstimmungsgesetz kenne keine Möglichkeit der Nachkontrolle. Als dagegen das dritte Resultat auf eine knappe Ablehnung der Vorlage gelautet BGE 101 Ia 238 S. 247 habe, habe der Regierungsrat diese "gesetzlich nicht vorgesehene" Nachkontrolle angeordnet. Die ersten zwei Resultate waren nur provisorisch. Wenn ein Mitglied der Regierung nach der Meldung des zweiten Resultats erklärte, das Abstimmungsgesetz sehe keine Nachkontrolle vor, so war diese Erklärung an sich richtig. Es ist im übrigen durch nichts dargetan, dass damit einer Meinung des Gesamt-Regierungsrats Ausdruck gegeben worden wäre und dieser nach Bekanntgabe des zweiten (annehmenden) Resultats bereits beschlossen hätte, auf eine Nachkontrolle zu verzichten. Als das dritte, auf Grund der Verbale festgestellte Resultat wiederum anders ausfiel, entstand eine neue Sachlage. Der Umstand, dass drei verschiedene Resultate bekanntgegeben worden waren, bildete einen gewichtigen Grund für die Anordnung einer Nachzählung. Dass sie der Regierungsrat nur deshalb angeordnet hätte, weil das dritte, auf Grund der Verbale festgestellte Resultat auf Verwerfung lautete und er an der Annahme interessiert war, ist eine Behauptung, welche die Beschwerdeführer durch keine stichhaltigen Vorbringen zu erhärten vermögen. Sie dringen demnach mit ihrer Kritik, die kantonale Behörde habe die Nachzählung aus unsachlichen Motiven angeordnet, nicht durch. c) Die Beschwerdeführer Dr. Widmer/Liberale Partei machen geltend, die Diskrepanz zwischen den von den Urnenbüros der Gemeinden ausgestellten Verbalen und dem Stimmaterial sei ein Mangel, der sich durch den Entscheid des Regierungsrats nicht habe beheben lassen, weshalb die Abstimmung hätte aufgehoben werden müssen. Sie bringen zur Begründung vor, es sei nicht sicher, dass der Grund für die Diskrepanz in den von der kantonalen Behörde festgestellten Auszählungsfehlern und Verwechslungen von Ja- und Neinstimmen liege, da Unregelmässigkeiten nicht völlig ausgeschlossen werden könnten. Damit wollen sie wohl sagen, die fehlerhaften Verbale könnten auch absichtlich falsch ausgefüllt worden sein. Sie nennen dafür aber nicht die geringsten Anhaltspunkte. Dass eine solche nach Art. 282 des Strafgesetzbuches strafbare Wahlfälschung vorgenommen worden wäre, ist von vornherein unwahrscheinlich. Bei kantonalen Abstimmungen haben die Gemeindeurnenbüros - wie ausgeführt - die Verbale und das gebrauchte Stimmaterial dem Justizdepartement zuzustellen. Diese Unterlagen stehen somit BGE 101 Ia 238 S. 248 für eine Nachkontrolle zur Verfügung. Zudem ist das Verbal nach § 82 Abs. 2 VAG von allen bei der Erwahrung mitwirkenden Präsidenten und Büromitgliedern zu unterzeichnen. Da die Beschwerdeführer keine Verdachtsgründe nennen, die auf irgendwelche vorsätzlichen Unregelmässigkeiten schliessen lassen, durfte der Regierungsrat ohne weiteres davon ausgehen, die Diskrepanz sei auf Versehen zurückzuführen, die sich durch den Entscheid der kantonalen Behörde korrigieren liessen. Dass in mehreren Gemeinden das Resultat nicht zuverlässig ermittelt wurde und einzelnen Urnenbüros Fehler unterliefen, wird allerdings die Aufsichtsbehörde veranlassen, die Mitglieder der betreffenden Büros zu einer sorgfältigeren Pflichterfüllung anzuhalten. d) Nach § 83 Abs. 1 VAG hat das Urnenbüro der Gemeinde das Abstimmungsmaterial zu verpacken und die Pakete zu versiegeln oder zu plombieren. Die Beschwerdeführer Keiser, Isenschmid und Achermann rügen, es seien zahlreiche Pakete an das Justizdepartement gesandt worden, die weder versiegelt noch plombiert waren. Der Regierungsrat anerkennt dies. Es ist zu beanstanden, dass sich einzelne Gemeindebehörden nicht an diese Vorschrift des Abstimmungsgesetzes hielten. Der Regierungsrat stellt aber fest, dass alle Pakete gut verschlossen und intakt waren. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass der Inhalt von Paketen verändert worden wäre, nachdem sie die Mitglieder der Urnenbüros verschlossen hatten, bestehen nicht. Die wesentliche Änderung, die das Abstimmungsergebnis zufolge der Nachzählung erfuhr, war darauf zurückzuführen, dass Jastimmen zu den Neinstimmen gelegt und gezählt worden sind und umgekehrt. In allen diesen Fällen stimmte die Gesamtzahl der gültigen Stimmzettel mit der im Verbal eingetragenen Zahl überein. Die grösste Unstimmigkeit (50 Jastimmen als Neinstimmen gezählt) ergab sich in der Gemeinde Kriens. Deren Paket war jedoch versiegelt. Bei den Urnenbüros, denen Zählfehler unterliefen, stimmte der Inhalt der Pakete bis auf die geringfügigen Differenzen (in der Regel ein paar wenige Stimmen) mit den Angaben im Verbal überein. Abgesehen davon, dass gar keine Verdachtsgründe für die Annahme vorliegen, die Pakete seien unbefugt geöffnet worden, nachdem sie von den Urnenbüros verschlossen worden waren, und der Inhalt sei verändert worden, erscheint eine solche Manipulation bei den gegebenen BGE 101 Ia 238 S. 249 Umständen als praktisch ausgeschlossen. Es ist deshalb davon auszugehen, die Unterlassung der Siegelung oder Plombierung sei mit an Gewissenheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne Einfluss auf das Abstimmungsergebnis gewesen (vgl. PICENONI, a.a.O. S. 111). 5. a) Es ist schliesslich zu prüfen, ob die vom Regierungsrat angeordnete Nachzählung an Mängeln litt, welche an der Zuverlässigkeit des Ergebnisses zweifeln lassen und zur Aufhebung der Abstimmung führen müssen. Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid beanstanden zunächst, dass bei der Auszählung durch das Justizdepartement geprüft wurde, ob die Stimmzettel gültig seien, während nach § 78a VAG das Urnenbüro der Gemeinde darüber abschliessend zu befinden habe. Steht es der kantonalen Behörde zu, auf Grund der gebrauchten Stimmzettel eine Nachzählung vorzunehmen, so ist sie als Aufsichtsbehörde auch befugt, die Gültigkeit der Zettel zu überprüfen. Es wäre sinnwidrig, wenn sie in dieser Hinsicht an einen Befund des Urnenbüros gebunden wäre, obschon sie ihn bei der Nachkontrolle als falsch erkennt. Der Einwand ist im übrigen ohne praktische Bedeutung. Bei der Nachzählung wurden nur zwei Stimmzettel als gültig erklärt, welche die Urnenbüros als ungültig betrachtet hatten (ein Zettel mit "Si", ein anderer mit "Ja" in Spitzschrift); die Beschwerdeführer behaupten nicht, diese Zettel seien ungültig. Darüber hinaus wurden fünf Zettel, welche die Urnenbüros als ungültig erklärt hatten, deren Ungültigkeit aber als fraglich erschien, zu Handen des Regierungsrates beiseite gelegt. Dieser betrachtete sie in Übereinstimmung mit den Urnenbüros als ungültig. b) Die Beschwerdeführer beanstanden die Durchführung der Nachkontrolle durch das Justizdepartement und behaupten, es könne auf die Nachzählung nicht mit Sicherheit abgestellt werden. Die Kontrolle, welche 16 kantonale Beamte am 30. und 31. Januar 1975 durchführten, war indes so organisiert, dass beste Gewähr für eine zuverlässige Ermittlung des Abstimmungsresultats gegeben war. Die Zählergruppen hatten die Zettel zu zählen, ohne dass ihnen die im Verbal angegebene Zahl bekannt war. Ergab sich eine Differenz zur Verbalzahl, so wurde ein zweites Mal gezählt. Ergab sich wiederum ein von der Verbalzahl abweichendes Resultat, so führte eine zweite Zählergruppe eine Kontrollzählung durch. Erst BGE 101 Ia 238 S. 250 wenn sie zum nämlichen Resultat gelangte wie die erste Gruppe, wurde die Verbalzahl berichtigt. Zählfehler waren bei dieser Methode nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen. Der Regierungsrat war an sich nicht gehalten, eine Delegation der Gegner der Vorlage beizuziehen. Wenn er es trotzdem tat, so zeigt das, dass er optimale Bedingungen für eine korrekte Feststellung des Ergebnisses schaffen wollte. Die Beschwerdeführer beanstanden, die Vertreter der Gesetzesgegner hätten nur der Kontrolle des Stimmaterials und der Verbale beiwohnen können, während hernach die Zusammenzählung der berichtigten Gemeinderesultate allein von den kantonalen Beamten vorgenommen worden sei. Mit dieser Rüge dringen sie nicht durch. Die Vertreter der Gesetzesgegner konnten selber feststellen, dass Verbale einzelner Gemeinden falsche Zahlen aufwiesen; das Resultat von Kriens, bei dem die grösste Unstimmigkeit festgestellt worden war, wurde zusätzlich von einem Vertreter der Gegner nachgezählt. Die durch nichts belegte Vermutung, dass die Beamten des Justizdepartementes die Resultate der berichtigten Verbale nach der Nachzählung falsch zusammengerechnet hätten, weist der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort mit Recht von der Hand. Die dem Bundesgericht eingereichten Unterlagen zeigen, dass das Resultat der Nachzählung auf zuverlässige Art ermittelt wurde. Die Beschwerdeführer Keiser und Isenschmid kritisieren, dass die Zahl der Stimmenden nicht mit der Zahl der gebrauchten und ungebrauchten Stimmzettel verglichen wurde. Ein solcher Vergleich hätte abgesehen von der Hypothese einer Wahlfälschung nur Sinn gehabt, wenn die Möglichkeit bestünde, dass gebrauchte Stimmzettel zu den ungebrauchten gelegt worden wären. Nach der Organisation der Abstimmung, wie sie im Kanton Luzern besteht (vgl. § § 78 ff. VAG ), lässt sich diese Möglichkeit praktisch ausschliessen, weshalb sich der Regierungsrat darauf beschränken durfte, das von den Gemeinden eingesandte gebrauchte Stimmaterial zu kontrollieren. Der kantonale Gesetzgeber geht denn auch offensichtlich davon aus, dass eine Nachzählung des gebrauchten Stimmaterials für die Kontrolle genügt, da nach § 83 Abs. 2 VAG bei kantonalen Abstimmungen das Verbal und das gebrauchte Stimmaterial dem Justizdepartement einzusenden sind. Eine Verwechslung von Stimmzetteln verschiedener Gemeinden bei der Nachzählung war bei der auf grösste BGE 101 Ia 238 S. 251 Zuverlässigkeit angelegten Organisation der Nachkontrolle ausgeschlossen. Was die Beschwerdeführer gegen das mit Sorgfalt durchgeführte Nachzählverfahren vorbringen, ist unbegründet und vermag keine Zweifel an der Richtigkeit des von der kantonalen Behörde ermittelten Resultats zu erwecken. In dieser Abstimmungssache ist unerfreulich, dass bei der Ermittlung der Resultate in verschiedenen Gemeinden grössere oder kleinere Versehen unterliefen. Bei dem knappen Resultat war der Regierungsrat berechtigt, eine Nachkontrolle durchzuführen. Diese bietet eine solche Gewähr für die richtige Feststellung des Abstimmungsresultats, dass ohne Bedenken auf das durch die kantonale Behörde berichtigte Resultat abgestellt werden darf und praktisch auszuschliessen ist, dass den Gemeindeurnenbüros unterlaufene Fehler das Abstimmungsresultat, wie es endgültig vom Regierungsrat festgestellt wurde, beeinflusst haben könnten.
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CH
Federation
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Urteilskopf 134 I 293 34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Kanton Thurgau (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 2C_73/2008 vom 26. September 2008
Regeste Art. 49 Abs. 1 BV ; Art. 38, 44 und 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG; Art. 641a und 896 ZGB ; persönliche Freiheit; Eigentumsgarantie; Änderung des thurgauischen Gesetzes vom 5. Dezember 1983 über das Halten von Hunden. Die angefochtene Bestimmung im kantonalen Hundegesetz, welche den Einzug eines Hundes bzw. dessen Fremdplatzierung als Mittel zur Durchsetzung der finanziellen Verpflichtungen des Hundehalters vorsieht, stellt keine in den Regelungsbereich des Schuldbetreibungsrechts eingreifende, unmittelbar der Vollstreckung der Geldleistungspflicht dienende Massnahme, sondern ein indirektes Druckmittel im Sinne eines administrativen Rechtsnachteils dar (E. 3 und 4.1); kein Verstoss gegen das bundesrechtliche Pfändungs- und Retentionsverbot von Heimtieren (E. 4.2). Vereinbarkeit dieser Massnahme mit der persönlichen Freiheit und der Eigentumsgarantie (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 294 BGE 134 I 293 S. 294 Im Zuge von Massnahmen gegen gefährliche Hunde ergänzte der Grosse Rat des Kantons Thurgau mit Beschluss vom 12. September 2007 das kantonale Gesetz vom 5. Dezember 1983 über das Halten von Hunden (HundeG) durch Einführung zusätzlicher Verpflichtungen der Hundehalter sowie entsprechender behördlicher Kontrollmöglichkeiten. Unter der Überschrift "Zwangsmassnahmen" wurde als § 7a folgende neue Bestimmung in das Gesetz aufgenommen: 1 Kommt ein Hundehalter trotz vorgängiger Mahnung seinen finanziellen Verpflichtungen im Zusammenhang mit seiner Hundehaltung nicht nach, kann der Hund bis zur Erfüllung dieser Verpflichtung auf Kosten des Hundehalters eingezogen und untergebracht werden. 2 Zu den finanziellen Verpflichtungen eines Hundehalters gehören insbesondere: 1. der Abschluss einer Haftpflichtversicherung gemäss § 1a; 2. die Bezahlung eines verlangten Kostenvorschusses und der Kosten für Massnahmen gemäss § 7; 3. die Bezahlung der Hundesteuer; 4. die Bezahlung der Kosten für die Kennzeichnung gemäss § 8. 3 Werden die finanziellen Verpflichtungen innert angemessener Frist nicht erfüllt, kann der Hund fremdplatziert werden. 4 Lässt ein Hundehalter seinen Hund nicht vorschriftsgemäss kennzeichnen, wird eine Ersatzvornahme auf Kosten des Hundehalters durchgeführt. X. führt mit Eingabe vom 25. Januar 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, die Absätze 1-3 von § 7a des geänderten Gesetzes aufzuheben; eventuell seien lediglich die Ziffern 3 und 4 von § 7a Absatz 2 aufzuheben. Er rügt vorab eine Verletzung von Art. 49 Abs. 1 BV (Vorrang des Bundesrechts; Verstoss gegen das Pfändungs- und Retentionsverbot von Heimtieren), ferner einen Verstoss gegen die Tierschutzgesetzgebung, gegen die Eigentumsgarantie, gegen die Rechtsgleichheit und das Willkürverbot sowie gegen die persönliche Freiheit. Das Bundesgericht weist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen ab. BGE 134 I 293 S. 295 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Erlasses im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sie mit den angerufenen Verfassungsgarantien vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Norm nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen (bzw. mit dem höherstufigen Bundesrecht vereinbaren) Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich bleibt ( BGE 133 I 77 E. 2 S. 79, BGE 133 I 286 E. 4.3 S. 295, je mit Hinweisen). Erscheint eine generell-abstrakte Regelung unter normalen Verhältnissen, wie sie der Gesetzgeber voraussetzen durfte, als verfassungsrechtlich zulässig, so vermag die ungewisse Möglichkeit, dass sie sich in besonders gelagerten Einzelfällen als verfassungswidrig auswirken könnte, ein Eingreifen des Verfassungsrichters im Stadium der abstrakten Normenkontrolle im Allgemeinen noch nicht zu rechtfertigen; den Betroffenen verbleibt die Möglichkeit, eine allfällige Verfassungswidrigkeit bei der Anwendung im Einzelfall geltend zu machen ( BGE 122 I 222 E. 8 S. 235; BGE 120 Ia 286 E. 2b S. 290, je mit Hinweis). 3. 3.1 Der Beschwerdeführer erblickt in der in § 7a Abs. 1 und 3 HundeG vorgesehenen Möglichkeit, zur Durchsetzung finanzieller Verpflichtungen des Hundehalters den Hund wegzunehmen und fremdzuplatzieren, einen Verstoss gegen den Vorrang des Bundesrechtes ( Art. 49 Abs. 1 BV ), da eine solche Regelung das in Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG bzw. Art. 896 ZGB verankerte Pfändungs- und Retentionsverbot von Heimtieren missachte. Fällige Hundesteuern seien auf dem Betreibungswege einzutreiben, wobei die Nichtbezahlung dieser Abgabe trotz erfolgter Mahnung gemäss § 17 HundeG zudem noch mit einer Busse bestraft werden könne. Nach dem seit 1. April 2003 in Kraft stehenden Art. 641a ZGB seien Tiere keine Sache mehr und nur als solche zu behandeln, soweit keine besonderen Regelungen bestünden. Gemäss der gleichzeitig beschlossenen neuen Bestimmung von Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG seien Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, unpfändbar, womit an solchen Tieren grundsätzlich auch kein Retentionsrecht mehr ausgeübt werden könne ( Art. 896 ZGB ). Auch wenn die angefochtene kantonale BGE 134 I 293 S. 296 Regelung nicht darauf abziele, durch Verwertung des Hundes einen Erlös zu erzielen, kollidiere die Wegnahme eines unpfändbaren Tieres zur Erzwingung einer finanziellen Leistung doch mit der genannten Bestimmung des SchKG. Zwar werde nicht direkt der Hund gepfändet und zwecks Befriedigung des Gläubigers versilbert, doch werde der Schutz, den das Schuldbetreibungsrecht der Beziehung zwischen dem Hundehalter und seinem Tier zukommen lassen wolle, durch die beanstandete kantonale Gesetzgebung vereitelt. 3.2 Geldforderungen sind auf dem Wege der Schuldbetreibung zu vollstrecken ( Art. 38 SchKG ). Die Kantone sind nicht befugt, hierfür eigene Vollstreckungsmassnahmen vorzusehen ( BGE 108 II 180 E. 2a S. 182; BGE 86 II 291 E. 2 S. 295; BGE 85 II 194 E. 2 S. 196; 78 II 89 E. 2 S. 92). Das gilt grundsätzlich auch für öffentlich-rechtliche Geldforderungen; unmittelbar auf die Eintreibung solcher Forderungen ausgerichtete Vollstreckungsmassnahmen richten sich ausschliesslich nach den Bestimmungen des Schuldbetreibungsrechtes, soweit nicht besondere straf- oder fiskalrechtliche Bestimmungen über die Verwertung beschlagnahmter Gegenstände zum Zuge kommen ( Art. 44 SchKG ; BGE 131 III 652 E. 3.1 S. 656; BGE 126 I 97 E. 3d S. 108 f.; BGE 115 III 1 E. 3 S. 2 ff.; Urteil 2A.705/2006 vom 24. April 2007, E. 3.5; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II, Neuenburg 1984, S. 635 f.; MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, 5. Aufl., Basel 1976, Nr. 50 B; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich 2006, Rz. 1152 f.; MARCEL OGG, Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und ihre Rechtsgrundlagen, Diss. Zürich 2002, S. 14 f., 102; KARL SPÜHLER, Probleme bei der Schuldbetreibung für öffentlichrechtliche Geldforderungen, in: ZBl 100/1999 S. 256 f.). Für ein besonderes kantonales Vollstreckungsverfahren für öffentlich-rechtliche Geldforderungen besteht insoweit kein Raum (HEINRICH ANDREAS MÜLLER, Der Verwaltungszwang, Diss. Zürich 1975, S. 53). Dem zuständigen Gesetzgeber bleibt es aber unverwehrt, die Nichtbezahlung öffentlich-rechtlicher Forderungen - nebst allfälligen Verwaltungsstrafen - durch administrative Rechtsnachteile zu sanktionieren, um den Schuldner (indirekt) auf diese Weise zu veranlassen, seiner Zahlungspflicht nachzukommen (vgl. HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 1208 ff.; PIERRE TSCHANNEN/ULRICH ZIMMERLI, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., Bern 2005, § 32 Rz. 37 ff. S. 292 ff.; MÜLLER, a.a.O., S. 57 ff.; OGG, a.a.O., S. 47 ff.; ferner: TOBIAS JAAG, Sanktionen im Verwaltungsrecht, in: BGE 134 I 293 S. 297 Jürg-Beat Ackermann/Andreas Donatsch/Jörg Rehberg [Hrsg.], Wirtschaft und Strafrecht, Festschrift für Niklaus Schmid, Zürich 2001, S. 567 ff.). Solche administrativen Sanktionen bedürfen in der Regel einer besonderen gesetzlichen Grundlage und müssen, was den mit dem Eingriff verbundenen Nachteil für den Betroffenen anbelangt, das Gebot der Verhältnismässigkeit respektieren (HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 1211-1218). Die Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen kann insbesondere die Verweigerung von davon abhängigen bzw. im Austauschverhältnis zu erbringenden Verwaltungsleistungen nach sich ziehen. Diese Sanktion fällt namentlich in Betracht beim Verzug in der Bezahlung von Benutzungsgebühren, soweit es sich nicht um die Belieferung mit für den betroffenen Privaten lebenswichtigen Gütern wie etwa die Energie- und Wasserzufuhr handelt (IMBODEN/RHINOW, a.a.O., Nr. 56 B III.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 1217 f.; MÜLLER, a.a.O., S. 67 f.). Ebenso kann bei Nichtbezahlung der Gebühr für eine vorgeschriebene polizeiliche Kontrolle die entsprechende Bewilligung verweigert werden ( BGE 49 I 496 [betreffend Filmzensur]). Als unzulässig erachtete das Bundesgericht jedoch eine kantonale Vorschrift, wonach der Rückstand in der Bezahlung der Steuern die Einstellung im Stimmrecht nach sich zog ( BGE 53 I 30 ). Ebenso wenig darf die Abmeldebestätigung durch die Einwohnerkontrolle von der Begleichung offener Steuerschulden abhängig gemacht werden ( BGE 127 I 97 ). Gegen das Verbot des Schuldverhaftes (vormals Art. 59 Abs. 3 aBV , in der aktuellen Bundesverfassung nicht mehr ausdrücklich erwähnt, jedoch aus dem Schutz der Menschenwürde [ Art. 7 BV ] und der persönlichen Freiheit [ Art. 10 Abs. 2 BV ] abgeleitet [ BGE 130 I 169 E. 2.2 S. 171]) verstiess die in einem kantonalen Steuererlass vorgesehene Pflicht, unbezahlt gebliebene Militärsteuern durch Arbeitsleistung in einer Kaserne abzuverdienen (BGE 22 S. 24 ff.; vgl. auch BGE 116 IV 386 E. 2c/bb S. 388 f. in Bezug auf den Militärpflichtersatz), ebenso die Umwandlung von unbezahlten Prozesskosten in Haft (BGE 10 S. 213 ff.; ferner: BGE 130 I 169 E. 2.3/2.4 S. 172 f. mit weiteren Hinweisen); ein blosses Wirtshausverbot für säumige Steuerschuldner galt dagegen als mit der genannten Garantie noch vereinbar (BGE 10 S. 469 f.; 12 S. 526; vgl. zum Gesagten auch WALTHER BURCKHARDT, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung vom 29. Mai 1874, 3. Aufl., Bern 1931, S. 564 f.). 3.3 Zur (indirekten) Durchsetzung der Erfüllung von Abgabepflichten kann das Gesetz auch Massnahmen vorsehen, durch die dem BGE 134 I 293 S. 298 säumigen Schuldner die (weitere) Benutzung bestimmter Sachen untersagt oder verunmöglicht wird. So kann etwa der Fahrzeugausweis (einschliesslich des Kontrollschildes) für ein Motorfahrzeug entzogen werden, wenn und solange der Halter die kantonalen Verkehrssteuern oder -gebühren nicht bezahlt hat ( Art. 16 Abs. 4 lit. b SVG , Art. 106 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr [Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51]) oder die erforderliche Haftpflichtversicherung nicht mehr besteht (vgl. Art. 68 Abs. 2 letzter Satz in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 SVG , Art. 7 Abs. 2 der Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 1959 [VVV; SR 741.31]). Die Möglichkeit dieser Vorkehr sieht die Bundesgesetzgebung heute zudem für den Fall der Nichtbezahlung der Schwerverkehrsabgabe vor (Art. 14a lit. a des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1997 über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe [Schwerverkehrsabgabegesetz, SVAG; SR 641.81] bzw. Art. 16 Abs. 5 lit. a SVG ), um die Entrichtung dieser Abgaben auch gegenüber zahlungsunwilligen oder -unfähigen Unternehmern wirksam zu gewährleisten und Wettbewerbsverzerrungen im Transportgewerbe zu vermeiden (Botschaft vom 22. November 2006 zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Verbesserung der Verfahren im Bereich der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe, BBl 2006 S. 9543). 4. 4.1 Die angefochtene neue Regelung des thurgauischen Hundegesetzes, wonach ein Hund bei Nichterfüllung der dem Halter aus der Hundehaltung erwachsenden finanziellen Verpflichtungen eingezogen und fremdplatziert werden kann, stellt keine unmittelbar der Vollstreckung der Geldleistungspflicht dienende Massnahme dar; insbesondere wird der Hund nicht zwecks Verwertung behändigt, sondern lediglich als (indirektes) Druckmittel der Obhut des Halters entzogen. Die angefochtene Gesetzesbestimmung greift insoweit nicht in den Regelungsbereich des Schuldbetreibungsrechtes ein, sondern will im Sinne eines administrativen Rechtsnachteils den säumigen Hundehalter indirekt zur Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen veranlassen. Dies wird an sich auch vom Beschwerdeführer eingeräumt. Er hält aber dafür, dass die vom kantonalen Gesetzgeber für den Fall der Nichterfüllung finanzieller Verpflichtungen vorgesehene Möglichkeit der Konfiszierung von Hunden angesichts des heute für Heimtiere gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a BGE 134 I 293 S. 299 SchKG bzw. Art. 896 ZGB geltenden Pfändungs- und Retentionsverbotes gegen Sinn und Geist des Bundesrechts und damit gegen Art. 49 Abs. 1 BV verstosse. 4.2 Im Zuge der neuen zivilrechtlichen Regelung über den Status der Tiere ( Art. 641a ZGB ) wurden Heimtiere, die vom Schuldner nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden, im Hinblick auf die oftmals starken emotionalen Bindungen zwischen Mensch und Tier und auf den meist geringen, zum affektiven Wert in keinem Verhältnis stehenden Verwertungserlös von der Möglichkeit der Pfändung und Verwertung ausgenommen (Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 25. Januar 2002 betreffend Parlamentarische Initiative: Die Tiere in der schweizerischen Rechtsordnung, BBl 2002 S. 4173, Ziff. 3.6; ANTOINE F. GOETSCHEL/GIERI BOLLIGER, Das Tier im Recht, Zürich 2003, S. 139 f.). Diese schuldbetreibungsrechtliche Regelung schliesst anderweitige rechtliche Schranken, welche der Tierhaltung entgegenstehen können, nicht aus; sie garantiert weder ein absolutes Recht auf Haltung von Heimtieren noch befreit sie von der Erfüllung der mit der Tierhaltung verbundenen finanziellen (und sonstigen) Verpflichtungen gegenüber dem Staat und Dritten. Das vom Beschwerdeführer angerufene bundesrechtliche Pfändungs- und Retentionsverbot für Heimtiere besagt lediglich, dass Heimtiere nicht zur Befriedigung von Geldforderungen (beliebigen Ursprungs) der Zwangsverwertung zugeführt werden dürfen; es schliesst nicht aus, dass der zuständige Gesetzgeber die Nichterfüllung der mit der Tierhaltung verbundenen finanziellen (und sonstigen) Pflichten durch administrative Rechtsnachteile und Verwaltungsstrafen sanktioniert, wie dies nach dem Gesagten auch in anderen Regelungsbereichen der Fall sein kann. Schranken für solche Massnahmen ergeben sich nicht aus dem Schuldbetreibungsrecht, sondern vorab aus allenfalls berührten Grundrechten. Es ist ferner auch nicht ersichtlich und rechtsgenüglich dargetan, inwiefern die angefochtene kantonale Gesetzesbestimmung gegen die eidgenössische Tierschutzgesetzgebung verstossen soll. Die Rüge der Verletzung von Art. 49 Abs. 1 BV vermag nicht durchzudringen. 5. Zu prüfen bleibt, ob die streitige Regelung vor den angerufenen Grundrechten standhält. Der Beschwerdeführer erblickt in der vorgesehenen Möglichkeit, Hunde wegen Nichterfüllung finanzieller Verpflichtungen zu beschlagnahmen, einen Verstoss sowohl gegen die persönliche Freiheit ( Art. 10 Abs. 2 BV ) und die BGE 134 I 293 S. 300 Eigentumsgarantie ( Art. 26 BV ) wie auch gegen das Willkürverbot ( Art. 9 BV ) und die Rechtsgleichheit ( Art. 8 BV ). 5.1 Die angefochtenen Bestimmungen sind in einem formellen Gesetz enthalten. Das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage ( Art. 36 Abs. 1 BV ) ist damit erfüllt. 5.2 Die Beschlagnahme eines Hundes, zu dem der Halter eine enge emotionale Beziehung hat, kann einen Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit darstellen ( Art. 10 Abs. 2 BV ; BGE 133 I 249 E. 2 S. 252 f.; Urteil 2P.24/2006 vom 27. April 2007, E. 3.2), was alsdann voraussetzt, dass überwiegende öffentliche Interessen die Massnahme rechtfertigen und als verhältnismässig erscheinen lassen ( Art. 36 Abs. 2 und 3 BV ). 5.2.1 Die Wegnahme und allfällige (definitive) Fremdplatzierung eines Hundes zur Erzwingung der Bezahlung bzw. als administrative Sanktion für die Nichtbezahlung einer relativ niedrigen Geldforderung des Staates erscheint unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit in der Tat nicht unproblematisch. Die affektive Beziehung zu Heimtieren gilt nach heutiger Anschauung als schützenswertes Rechtsgut, was unter anderem im vom Bundesgesetzgeber beschlossenen Pfändungs- und Retentionsverbot für solche Tiere zum Ausdruck kommt. Auch der kantonale Gesetzgeber kann sich beim Erlass von Vorschriften, welche die Wegnahme und Konfiszierung von Hunden vorsehen, über diesen Aspekt nicht hinwegsetzen. Dass solche Massnahmen den Schutzbereich der persönlichen Freiheit des Halters berühren können, schliesst ihre Zulässigkeit aber noch nicht aus. Das steht ausser Frage, soweit es sich um Massnahmen gegen gefährliche Hunde handelt, die vorrangige Anliegen der öffentlichen Sicherheit verfolgen, denen gegenüber das persönliche Interesse des Halters zurückzutreten hat. Neben sicherheitspolizeilichen können aber auch andere öffentliche Interessen genügend Gewicht besitzen, um die Wegnahme eines Tieres zu rechtfertigen, so namentlich Gründe des Tierschutzes oder der Schutz der Umgebung vor unzumutbaren Belästigungen. 5.2.2 Soweit die in der vorliegend angefochtenen Gesetzesbestimmung vorgesehene Sanktion der Wegnahme und allfälligen Fremdplatzierung eines Hundes bezweckt, den Halter zum Abschluss der vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung zu veranlassen (§ 7a Abs. 2 Ziff. 1 in Verbindung mit § 1a HundeG), dient dieses administrative Druckmittel der Erfüllung einer wesentlichen BGE 134 I 293 S. 301 Sachverpflichtung, welche einen allfälligen Eingriff in die persönliche Freiheit des Halters zu rechtfertigen vermag. Grundsätzlich dasselbe gilt, wenn mit der erwähnten Sanktion erzwungen werden soll, dass ein Halter für den Kostenvorschuss oder die Kosten für im Zusammenhang mit seiner Hundehaltung stehende Kontroll- oder Abwehrmassnahmen aufkommt (§ 7a Abs. 2 Ziff. 2 in Verbindung mit § 7). Auch hier geht es nicht in erster Linie um ein blosses fiskalisches Interesse, sondern um die Wahrung von potentiell vorrangigen öffentlichen Sachinteressen. 5.2.3 Dieser Erkenntnis verschliesst sich auch der Beschwerdeführer nicht völlig, indem er der Regelung des kantonalen Gesetzgebers in den soeben genannten beiden Punkten ein "gewisses Verständnis" entgegenbringt. Er stösst sich vor allem daran, dass die Beschlagnahme als Mittel zur Eintreibung der Hundesteuer sowie der Rechnung des Tierarztes für die Kennzeichnung verwendet werden kann, und verlangt eventualiter wenigstens die Streichung der betreffenden beiden Gesetzesbestimmungen von § 7a Abs. 2 Ziff. 3 und 4, wo es um rein finanzielle Verpflichtungen und relativ geringe Beträge gehe. Zudem handle es sich bei den Kosten der Kennzeichnung um eine zivilrechtliche Forderung des Tierarztes, deren Durchsetzung keine staatliche Privilegierung verdiene; für die Eintreibung dieser Forderung durch eine Verfügung der Gemeinde fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Dieser letztere Einwand übersieht, dass bei Unterlassung der vorgeschriebenen Kennzeichnung durch den Tierhalter eine Ersatzvornahme durch die Behörde durchgeführt wird (§ 7a Abs. 4). Bei den "Kosten für die Kennzeichnung", deren Nichtbezahlung durch Beschlagnahme des Hundes sanktioniert werden kann, handelt es sich, wie zwanglos angenommen werden darf, um die (öffentlich-rechtliche) Forderung für die Kosten der allfällig durchgeführten oder durchzuführenden Ersatzvornahme. 5.2.4 Im Übrigen war, wie das Protokoll der Beratungen zeigt, auch der Gesetzgeber sich der Problematik des vorgesehenen Druckmittels bewusst. Eine Bestimmung, welche bei finanzieller Säumnis des Halters nebst der Fremdplatzierung auch die Möglichkeit der Tötung des Hundes vorsah, wurde vom Parlament fallen gelassen. In der Vernehmlassung des Regierungsrates wird ausgeführt, es gehe bei dieser Bestimmung nicht darum, einer unterstützungsbedürftigen Person den einzigen Hund, zu dem sie eine emotionale BGE 134 I 293 S. 302 Beziehung habe, wegzunehmen, weil sie die Hundesteuer nicht bezahlen könne. Es dürfe aber nicht sein, dass ausgepfändete Personen mehrere Hunde halten könnten, ohne für die Hundesteuer aufkommen zu müssen, da Betreibungen regelmässig zu einem Verlustschein führten. Die Bestimmung enthält keinen Vorbehalt in dieser Richtung. Da sie aber als Kann-Vorschrift formuliert ist, belässt sie der rechtsanwendenden Behörde die Möglichkeit, den Umständen des jeweiligen Einzelfalles Rechnung zu tragen und von einer Beschlagnahme eines Hundes, zu welchem der Betroffene eine schutzwürdige starke emotionale Bindung hat, abzusehen, wenn die berührten öffentlichen Interessen einen derartigen einschneidenden Eingriff als unverhältnismässig erscheinen lassen. Der Kanton Thurgau ist auf den diesbezüglich abgegebenen Erklärungen zu behaften. Anderseits kann auch nicht gesagt werden, dass das Druckmittel der Beschlagnahme zur Eintreibung der Hundesteuer zum vornherein in jedem Falle unzulässig wäre. Es wäre - nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit - in der Tat wenig befriedigend, wenn Personen, die mangels pfändbarer Mittel auf dem Betreibungsweg nicht belangt werden können, eine Mehrzahl oder Vielzahl von Hunden halten könnten, ohne hierfür eine Hundesteuer zu entrichten. Personen, die zur Bezahlung der Hundesteuer nicht in der Lage sind, werden ihren Tieren häufig auch nicht die erforderliche Pflege und Ernährung zukommen lassen können. Unter diesem Blickwinkel erlaubt es die angefochtene Regelung den Behörden zugleich, bei mangelhafter Hundehaltung im Interesse des betroffenen Tieres frühzeitig einzuschreiten, um drohenden tierschutzwidrigen Zuständen zuvorzukommen. Der bei Nichtbezahlung trotz vorgängiger Mahnung in Aussicht gestellte Rechtsnachteil vermag seine Wirkung als Druckmittel überdies auch gegenüber Hundehaltern zu entfalten, welche zwar zahlungsfähig sind, die geschuldete Hundesteuer jedoch aus Renitenz nicht begleichen. Dass die Behörde von der Möglichkeit der Beschlagnahme und Fremdplatzierung allzuleicht Gebrauch macht, ist schon darum nicht zu erwarten, weil die Unterbringung von Tieren in einem Heim Kosten verursacht, welche den Betrag der Hundesteuer (jährlich Fr. 80.- für den ersten Hund und Fr. 130.- für jeden weiteren Hund im gleichen Haushalt, § 10 HundeG) rasch übersteigen und beim verantwortlichen Halter ebenfalls schwer einzubringen sein dürften. Entsprechendes gilt für die Kosten der Kennzeichnung. Die BGE 134 I 293 S. 303 angefochtene Bestimmung dürfte daher ihre Wirkung vor allem als Drohmittel gegen säumige Hundehalter entfalten. Sie erlaubt als Kann-Vorschrift eine praktische Anwendung, die mit dem Grundrecht der persönlichen Freiheit vereinbar ist. 5.3 Aus der mitangerufenen Eigentumsgarantie ergeben sich unter dem Gesichtswinkel des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit, auf welche beiden Kriterien der Beschwerdeführer einzig Bezug nimmt, keine weitergehenden Schranken, ebenso wenig aus dem Willkürverbot und dem Rechtsgleichheitsgebot.
public_law
nan
de
2,008
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
961633a4-da9e-40b0-a2b1-6d3d70de38b4
Urteilskopf 107 Ia 246 49. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 30 septembre 1981 dans la cause C. et W. contre B. (recours de droit public)
Regeste Schiedsgerichtsbarkeit. Tragweite der Pflicht zur Begründung schiedsrichterlicher Entscheide (Art. 33 lit. e, 36 lit. h Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit; E. 3). Gültigkeit des Klagerückzugs bei fehlender Zustimmung des freiwilligen Streitgenossen ( Art. 27 Abs. 3 BZP ; 24 Abs. 2 Konkordat; E. 5a bb). Substitution von Motiven durch das mit einer Nichtigkeitsbeschwerde befasste Gericht (E. 5b).
Sachverhalt ab Seite 246 BGE 107 Ia 246 S. 246 Le 25 octobre 1973, X. a vendu à C. 4500 actions d'une société anonyme qu'il dirigeait et dont le capital était divisé en 10000 actions. Le prix de vente était déterminé par le bilan de la société au 31 décembre 1972, certifié "sincère et véritable". Le vendeur garantissait que l'actif net avait augmenté depuis lors d'un certain montant, au risque de devoir indemniser l'acheteur par le paiement d'une fraction de la différence. Les 5500 actions constituant le solde du capital de la société étaient détenues par M. S.A., dont le capital-actions appartenait BGE 107 Ia 246 S. 247 à B., également titulaire d'une créance chirographaire contre cette société. Le 25 octobre 1973, B. a cédé ce capital-actions et cette créance à un acheteur dont les droits et obligations ont été repris ensuite par l'établissement W., dont C. était le fondateur. Le prix de vente, arrêté à Fr. 13'430'656.93, était payable au moyen de 7 billets à ordre, que C. a signés en qualité de donneur d'aval. Ce prix avait été déterminé exclusivement en fonction de la valeur des 5500 actions figurant au bilan de M. S.A. X. a donné à l'acheteur des garanties analogues à celles qu'il avait fournies à C. quant à la valeur des actions. W. n'a payé que les deux premiers billets à ordre pour lesquels il s'était engagé. Le 29 mai 1974, C. et W. ont saisi un tribunal arbitral d'une demande tendant notamment à la révision du prix de vente des actions en fonction de la valeur réelle de la société. Le défendeur a contesté la qualité pour agir de C. Il a conclu au rejet de la demande et, reconventionnellement, au paiement par les demandeurs, solidairement, des sommes lui restant dues en vertu du contrat du 25 octobre 1973 ainsi que d'un montant de 2 millions de francs suisses à titre de dommages-intérêts. Par la suite, W. s'est désisté, en déclarant avoir acquis la certitude que le prix des actions litigieux correspondait à la valeur réelle de la société. B. a demandé au Tribunal arbitral de prendre acte de ce désistement, alors que C. s'y est opposé. Par sentence du 17 avril 1978, le Tribunal arbitral a pris acte du désistement de W. et rejeté la demande de C. Il a admis la demande reconventionnelle et condamné les demandeurs à payer solidairement au défendeur la somme de Fr. 9'708'554.-- avec intérêt à 8% dès le 1er mai 1974, ainsi qu'un montant de 2 millions de francs à titre de dommages-intérêts. Saisie d'un recours en nullité des demandeurs, la Cour de justice du canton de Genève, statuant le 30 janvier 1981, a annulé la sentence arbitrale dans la mesure où elle condamnait les demandeurs à payer au défendeur la somme de 2 millions de francs à titre de dommages-intérêts ainsi que la totalité des frais d'arbitrage. Elle s'est fondée sur les art. 33 lettre e et 36 lettre h du concordat intercantonal sur l'arbitrage du 27 mars 1969 (ci-après: le concordat). Elle a jugé que la motivation de cet élément de la sentence était insuffisante et que son annulation sur ce point imposait une répartition des dépens entre les parties. Elle a rejeté le recours en nullité pour le surplus. BGE 107 Ia 246 S. 248 Agissant par la voie du recours de droit public, C. et W. demandent au Tribunal fédéral de casser ce jugement et de renvoyer la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle annule dans sa totalité la sentence arbitrale du 17 avril 1978. Ils invoquent une violation de l' art. 4 Cst. et soutiennent que le jugement attaqué est contraire aux art. 33 lettre e et 36 lettres c, h et f du concordat. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable. Erwägungen Extrait des considérants: 3. Les recourants invoquent d'abord les art. 33 lettre e et 36 lettre h du concordat. L'art. 33 lettre e prescrit que la sentence arbitrale doit contenir les motifs de fait, de droit et, le cas échéant, d'équité, à moins que les parties n'y aient expressément renoncé. La violation de cette règle, impérative selon l'art. 1er al. 3 du concordat, peut faire l'objet d'un recours en nullité auprès de l'autorité judiciaire compétente en vertu de l'art. 36 lettre h qui ouvre en outre cette voie lorsque le dispositif de la sentence est inintelligible ou contradictoire. a) L'obligation faite au juge ordinaire de motiver ses décisions découle du droit d'être entendu garanti par l' art. 4 Cst. Reconnue déjà dans un arrêt fort ancien, comme une règle essentielle "dont la violation frustre les citoyens en ouvrant la porte à l'arbitraire" (ATF 19 p. 470), cette obligation s'impose par la nécessité de sauvegarder les droits de recours du justiciable. Celui-ci est en effet hors d'état d'attaquer à bon escient une décision dont il ne connaît pas l'argumentation et dont le bien-fondé est alors soustrait tant au contrôle de l'intéressé qu'à celui de l'autorité de recours ( ATF 98 Ia 464 s. consid. 5a). Il suffit cependant, selon la jurisprudence, que le tribunal mentionne, au moins brièvement, les motifs qui l'ont guidé et sur lesquels il a fondé sa sentence ( ATF 102 Ia 6 consid. 2e). Il n'y a pas de raison de donner à l'obligation de motiver qu'institue, pour les tribunaux arbitraux, l'art. 33 lettre e du concordat une portée plus étroite que celle qui découle de l' art. 4 Cst. , pour les tribunaux étatiques (cf. RÜEDE et HADENFELDT, Schweiz. Schiedsgerichtsrecht p. 296 à 299). Une telle distinction ne trouverait aucun appui dans le texte du concordat. Elle ne saurait se justifier par la considération que l'autorité judiciaire compétente pour connaître des recours en nullité n'examine le fond de la sentance que sous l'angle restreint de l'arbitraire; l'obligation des tribunaux étatiques de motiver BGE 107 Ia 246 S. 249 leurs décisions, fondée sur l' art. 4 Cst. , n'est en effet pas différente selon que celles-ci peuvent être déférées à une autorité jouissant d'une libre cognition ou d'un pouvoir d'examen limité. De plus, les sentences arbitrales rendues en Suisse ne bénéficient du mode d'exécution institué par les art. 80 et 81 LP qu'à la condition notamment que le Tribunal arbitral ait offert aux parties les garanties de procédure qui leur sont accordées par le droit fédéral ( ATF 81 I 325 s., ATF 76 I 92 ). Enfin le principe de l'économie des moyens qui domine la procédure arbitrale ne contredit pas une application stricte de l'obligation de motiver la sentence, puisque les parties ont la faculté de renoncer expressément à la motivation. b) Selon les recourants, l'autorité cantonale aurait failli à son devoir de contrôle en considérant comme conforme à l'art. 33 lettre e du concordat une sentence incompréhensible du fait de ses insuffisances linguistiques. La rédaction de la sentence n'est certes pas un modèle, et les nombreuses incorrections de style et fautes grammaticales qu'elle comporte en rendent l'abord malaisé. L'argumentation des arbitres n'en est pas pour autant inintelligible ou contradictoire, pour reprendre les termes dont l'art. 36 lettre h du concordat use à l'égard du seul dispositif de la sentence. Les critiques adressées à la Cour de justice à cet égard ne sont manifestement pas fondées. c) Les motifs qui ont conduit le Tribunal arbitral à admettre la validité du désistement de W. et à rejeter les objections de C. sur ce point, de même que ceux qui l'ont amené à accueillir la demande reconventionnelle de B., ressortent sans équivoque du texte de la sentence, même s'ils sont évoqués brièvement. Quant à savoir si cette motivation était soutenable, la question ne relève pas des art. 33 lettre e et 36 lettre h du concordat. Les motifs pour lesquels le Tribunal arbitral a débouté C. de toutes ses conclusions sont sans nul doute excessivement sommaires. La cour cantonale en a donné acte aux recourants et a même considéré qu'ils étaient manifestement erronés. Elle est toutefois arrivée à la conclusion que l'argumentation du Tribunal arbitral à l'appui de l'admission de la demande reconventionnelle ne pouvait que conduire au rejet de la demande principale, cette argumentation résistant elle-même au grief tiré de l'insuffisance de la motivation. Dans ces conditions, on ne saurait dire que l'autorité cantonale a méconnu les obligations qui lui étaient imposées par l'art. 33 lettre e du concordat. BGE 107 Ia 246 S. 250 4. Les recourants invoquent une violation de l'art. 36 lettre c du concordat, qui ouvre la voie du recours en nullité lorsque le Tribunal arbitral a statué sur des points qui ne lui étaient pas soumis ou lorsqu'il a omis de se prononcer sur un des chefs de la demande, sous la réserve des sentences partielles prévues à l'art. 32. Alors que sa mission comportait 11 questions matérielles, le Tribunal arbitral se serait limité à examiner la première, soit celle de la qualité pour agir de C., et aurait délibérément éludé les deux questions suivantes qui se rapportaient aux bases sur lesquelles les parties au contrat avaient déterminé la valeur des actions litigieuses. Or ces deux questions étaient la clé de l'arbitrage, puisque de la réponse qui devait leur être donnée dépendait celle qui serait donnée à toutes les autres. Ce grief est mal fondé. Contrairement à ce que paraissent admettre les recourants, l'art. 36 lettre c du concordat ne postule pas que le dispositif de la sentence apporte une réponse expresse à toutes les questions soumises à l'appréciation des arbitres. Une telle exigence relèverait d'un formalisme excessif, notamment lorsque la réponse à l'une des questions rend superflue une prise de position expresse sur les autres questions liées à la première, ce qui est le cas en l'espèce. Appelé à juger si les exceptions des recourants quant à la valeur réelle des actions qu'ils avaient acquises étaient fondées, le Tribunal arbitral a en effet retenu sur la base du dossier que le vendeur n'assumait envers eux aucune garantie de ce chef. Cette solution le dispensait d'examiner si le prix de vente des actions correspondait à une valeur que, à son avis, le vendeur n'avait pas garantie; elle était de nature, à elle seule, à entraîner, d'une part, le rejet des exceptions soulevées par le demandeur principal C. et de ses conclusions, d'autre part, l'admission de la demande reconventionnelle du défendeur. 5. a) Dans le cadre de l'art. 36 lettre f du concordat, les recourants reprennent d'abord l'argumentation qu'ils avaient développée devant la cour cantonale au sujet de la reconnaissance par le Tribunal arbitral de la validité du désistement de W. Tout en admettant que la lettre adressée par cet établissement le 29 mars 1976 au président du Tribunal arbitral pouvait être interprétée comme un désistement pur et simple de l'instance, ils affirment que ce désistement est nul et non avenu en raison, d'une part, d'une collusion frauduleuse évidente entre un ancien administrateur de W. et le défendeur, d'autre part, de l'absence du consentement de C. aa) La prétendue collusion ressortirait de deux décisions BGE 107 Ia 246 S. 251 rendues par le Tribunal de la Principauté du Liechtenstein les 7 mai 1976 et 21 février 1977 ainsi que de la revente à B., par W., du capital de M. S.A., un mois à peine après l'envoi de la lettre de désistement. Les circonstances qui ont entouré le désistement de W. sont à vrai dire troublantes. Cela n'a pas échappé au Tribunal liechtensteinois, qui a notamment prononcé la révocation de l'administrateur en cause après avoir constaté qu'il existait une haute vraisemblance de collusion entre W. et B., opposés pourtant dans la procédure arbitrale. Le Tribunal arbitral s'est lui-même référé dans son état de fait aux soupçons de C. et en particulier aux deux décisions judiciaires qu'il produisait. Il a toutefois admis, en conclusion, que ces allégations ne suffisaient pas à établir la réalité de la manoeuvre dénoncée. L'autorité cantonale a considéré que le Tribunal arbitral avait ainsi librement apprécié les indices résultant de la procédure, sans négliger les moyens de preuve mis en oeuvre par C., et que cette appréciation des preuves n'était pas insoutenable. Le recours de droit public ne fournit aucun argument précis, propre à démontrer que ce point de vue de l'autorité judiciaire cantonale serait lui-même insoutenable. Or il incombe aux recourants d'indiquer en quoi la décision attaquée est arbitraire, comme il leur appartenait d'établir devant la cour de justice que la sentence elle-même était arbitraire parce qu'elle reposait sur des constatations manifestement contraires aux faits résultant du dossier ou parce qu'elle constituait une violation évidente du droit. Saisie d'un recours fondé sur l'art. 36 lettre f du concordat, l'autorité cantonale doit en effet reconnaître aux tribunaux arbitraux une grande liberté dans le domaine de l'administration et de l'appréciation des preuves, et ne revoir leurs décisions à cet égard que si elles sont évidemment fausses ou arbitraires ou si elles reposent sur une inadvertance manifeste. Que la Cour de justice ait retenu à tort, comme le prétendent les recourants, qu'ils n'avaient pas critiqué dans leur recours en nullité l'insuffisance de la motivation sur cette question ne change rien au fait que le résultat auquel elle est parvenue n'est pas insoutenable, vu le pouvoir d'examen restreint dont elle disposait. bb) L'autorité cantonale a admis que le Tribunal arbitral avait à juste titre reconnu la validité du désistement de W., indépendamment de l'absence de consentement de son codemandeur C. Elle s'est référée, selon l'art. 24 al. 2 du concordat, à l' art. 27 al. 3 PCF aux termes duquel seul le consentement du défendeur, et non celui d'un codemandeur, est requis pour le retrait d'une demande après sa notification. Elle a toutefois BGE 107 Ia 246 S. 252 réservé le cas d'une demande formée par des consorts nécessaires. Ce point de vue résisterait même à un libre examen. En effet, aucune disposition concordataire ne subordonne le retrait d'une demande notifiée à des exigences formelles plus étendues que celles posées par l' art. 27 al. 3 PCF . Or cette disposition ne prévoit pas que le défaut de consentement du défendeur aurait pour conséquence de rendre sans effet le retrait d'une action; elle donne au contraire à ce retrait la portée d'un désistement revêtu de l'autorité de la chose jugée. Le consentement du demandeur et défendeur reconventionnel C. n'était dès lors pas nécessaire pour valider le désistement de W. Pour le surplus, les recourants ne discutent pas l'argument du jugement attaqué selon lequel les deux demandeurs principaux à la procédure arbitrale ne se trouvaient pas dans un cas de consorité nécessaire, où le désistement de l'un d'eux aurait exigé le consentement de l'autre. b) Après avoir admis la validité du désistement de W., le Tribunal arbitral avait à se prononcer sur la demande principale de C. et la demande reconventionnelle de B. La première avait été formée conjointement avec celle de W. qui, en sa qualité d'acheteur, agissait en garantie contre le vendeur des actions. La seconde était une action en paiement ouverte par le vendeur tant contre l'acheteur W. qui, en se désistant, y avait acquiescé, que contre le donneur d'aval C. Le Tribunal arbitral a débouté ce dernier de toutes les conclusions de son action principale puisqu'il n'était que donneur d'aval. La Cour de justice a taxé ce raisonnement d'arbitraire parce que le donneur d'aval est légitimé à opposer au porteur, titulaire originaire de la créance garantie par l'effet de change, les exceptions dont pourrait se prévaloir le tireur en vertu notamment de l' art. 1007 CO . Cette opinion n'est pas en cause dans le recours de droit public. Procédant à une substitution de motifs, la Cour de justice a justifié le rejet de la demande de C. au moyen de l'argument qui a conduit le Tribunal arbitral à admettre la demande reconventionnelle. La sentence considère à cet égard comme mal fondées les exceptions que C. entendait tirer du rapport de droit civil à l'origine de la création des effets de change, l'affirmation selon laquelle X. aurait agi en qualité de représentant de B. n'étant pas établie en fait. La Cour de justice constate que sur ce point les considérants de la sentence arbitrale ne sont pas critiqués par les recourants. Or il n'est pas arbitraire d'admettre que ceux-ci auraient dû contester cette argumentation du Tribunal arbitral, BGE 107 Ia 246 S. 253 quand bien même elle était présentée à l'appui du rejet de la demande reconventionnelle seulement, vu l'interdépendance de l'action principale et des prétentions reconventionnelles. Les recourants ne démontrent d'ailleurs nullement, dans leur recours de droit public, que le Tribunal arbitral serait tombé dans l'arbitraire en considérant que le vendeur ne répondait pas de la garantie assumée par X. et en admettant par ce motif la demande reconventionnelle. Enfin, les recourants soutiennent à tort que la motivation substituée aurait été écartée par le Tribunal arbitral, puisque celui-ci l'a au contraire retenue pour l'admission de la demande reconventionnelle et que cette admission excluait celle de l'action de C., vu leur interdépendance. Le grief tiré de l'art. 36 lettre f du concordat doit donc également être rejeté.
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Urteilskopf 109 Ib 308 50. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. November 1983 i.S. Volz gegen Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft und Generaldirektion PTT (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Radio- und Fernsehempfangskonzessionsgebühren. 1. Unter das Fernmelderegal ( Art. 36 BV , Art. 1 ff. TVG ) fällt auch der Betrieb eines Radio- oder Fernsehapparates (E. 2). 2. Das Erfordernis einer Empfangskonzession besteht unabhängig davon, ob der Konsument ausländische oder inländische Programme sieht bzw. hört (E. 3). 3. Die Pflicht der PTT-Betriebe, einen Teil der Einnahmen aus den Konzessionsgebühren der SRG abzuliefern, greift nicht in die schützenswerten Interessen des Radio- bzw. Fernsehkonsumenten ein. Dessen Berufung auf die vermeintlich rechtswidrige Verwendung der den PTT-Betrieben zufliessenden Konzessionsgebühren ist deshalb nicht zu hören (E. 4). 4. Die Konzessionsgebühren sind Regalabgaben und sind als solche nach dem Äquivalenzprinzip festzusetzen. Die Höhe der derzeit gültigen Gebühren ist nicht zu beanstanden (E. 5). 5. Die gesetzliche Grundlage und die Kompetenz des Bundesrates für die Gebührenerhebung finden sich in Art. 1, 3, 8 und 46 Abs. 2 TVG sowie Art. 14 Abs. 1 lit. k OG PTT (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 309 BGE 109 Ib 308 S. 309 Werner E. Volz, Inhaber einer Radio- und Fernsehempfangskonzession I, weigerte sich, die Konzessionsgebühren in dem Umfang zu bezahlen, als diese der SRG zugute kommen. Derzeit beträgt der Anteil, den die SRG von den PTT-Betrieben erhält, 70% der bei den Konsumenten vereinnahmten Gebühren. Volz berief sich darauf, dass er nur ausländische Programme sehe bzw. höre und dass die SRG unter keinem Titel einen Teil der Konzessionsgebühren beanspruchen könne. Ferner bestritt er die gesetzliche Grundlage der Gebührenerhebung schlechthin. Die Vorinstanzen (Kreistelefondirektion Zürich, Generaldirektion PTT) verpflichteten Volz, die volle Gebühr zu leisten. Die gegen den Entscheid der Generaldirektion PTT gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde weist das Bundesgericht ab. Erwägungen Erwägungen: 1. Der angefochtene Entscheid der Generaldirektion PTT stellt eine letztinstanzliche Verfügung eines autonomen eidgenössischen Betriebes im Sinne von Art. 98 lit. d OG dar, gegen welche die Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich zulässig ist. Keiner der Unzulässigkeitsgründe von Art. 99 bis 101 OG trifft im vorliegenden Fall zu; insbesondere steht Art. 99 lit. d OG der BGE 109 Ib 308 S. 310 Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde nicht zulässig gegen Verfügungen über Tarife. Dies bedeutet jedoch nur, dass der Erlass oder die Genehmigung von Tarifen nicht angefochten werden kann; dagegen steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen im Einzelfall offen, in denen der Tarif angewendet wird ( BGE 101 Ib 464 ). Auf die rechtzeitig und formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten. 2. a) Das Bundesgericht hat in BGE 105 Ib 389 ff. dargelegt, dass das in Art. 36 BV verankerte Post- und Telegraphenregal auch den Betrieb von Radio- und Fernsehempfangsgeräten umfasst. Diese Auffassung wurde auch in einem späteren Urteil stillschweigend vorausgesetzt (Entscheid vom 17. Oktober 1980, ZBl 83/1982, 219 ff.). Der Beschwerdeführer erhob vor der Vorinstanz indes den Einwand, auf den er auch im vorliegenden Verfahren verweist, Art. 1 des Telegraphen- und Telefonverkehrsgesetzes vom 14. Oktober 1922 (TVG; SR 784.10) monopolisiere einzig die radioelektrische Übertragung von Zeichen, Bildern und Lauten. Die Übertragung von Lauten, Bildern und Zeichen durch Radio- und Fernsehapparate, also die Ton- und Bildwiedergabe, erfolge aber nicht radioelektrisch (drahtlos) sondern elektrisch. Der Betrieb eines Radio- und Fernsehapparates falle deshalb nicht unter das Monopol von Art. 1 TVG . b) Der Einwand ist abwegig. Art. 1 TVG gibt den PTT-Betrieben das ausschliessliche Recht, Sende- und Empfangseinrichtungen sowie Anlagen jeder Art, die der elektrischen oder radioelektrischen Zeichen-, Bild- oder Lautübertragung dienen, zu erstellen und zu betreiben. Damit ist aber das ganze radioelektrische Übertragungssystem gemeint, das Sender, Übertragungsweg und Empfänger umfasst, da es zur radioelektrischen Übertragung notwendigerweise Sender und Empfänger braucht. Das Gesetz spricht denn auch ausdrücklich von "Sende- und Empfangseinrichtungen... die der elektrischen oder radioelektrischen Zeichen-, Bild- oder Lautübertragung dienen". Es ist offensichtlich, dass ein Radio- und Fernsehapparat unter diesen Begriff fällt und demzufolge nichts darauf ankommt, dass die drahtlos übermittelten Äusserungen durch elektrische Impulse innerhalb des Apparates verarbeitet werden. Der Betrieb eines Radio- und Fernsehapparates ist demnach dem PTT-Regal unterstellt. Die in den erwähnten Urteilen geäusserte Rechtsauffassung erfährt demnach keine Änderung. Dass der Beschwerdeführer tatsächlich einen Radio- bzw. BGE 109 Ib 308 S. 311 Fernsehapparat betreibt, ist unbestritten geblieben und aktenmässig bewiesen. 3. a) Nach Auffassung des Beschwerdeführers kann das Monopol der PTT nur soweit reichen, als eine übertragungstechnische Leistung des Monopolinhabers bestehe. Das sei mit Bezug auf die in der Schweiz empfangenen ausländischen Programme nicht der Fall. b) Das Monopol der PTT-Betriebe erstreckt sich auf das Erstellen und den Betrieb von Anlagen im Sinne von Art. 1 TVG . "Betreiben" im Sinne dieser Bestimmung heisst, einen Apparat zum Empfang von Zeichen, Bildern und Lauten gebrauchen (Art. 1 Abs. 2 V(1) zum TVG; SR 784.101). Unter das von Art. 36 BV und von TVG geschützte Monopol fällt demnach der Gebrauch des Radio- und Fernsehapparates, und zwar unabhängig davon, woher die damit empfangenen Zeichen, Bilder oder Laute stammen. Es trifft somit nicht zu, dass die Monopolstellung eine eigentliche Leistung des Regalinhabers bedingt. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben nach nur ausländische Programme sieht und hört, ist daher für die Frage, ob eine Konzession aufgrund des Monopols erforderlich ist, ohne Belang. Allerdings wurde in BGE 104 Ib 243 erwogen, "für den Empfang der Sendungen der SRG" sei eine Konzession erforderlich, die von den PTT-Betrieben erteilt werde. Wie aus jenem Entscheid jedoch ersichtlich ist, hat sich das Bundesgericht keineswegs zum Umfang der Radio- und Fernsehkonzession äussern wollen. Zur Beurteilung stand nur die Frage, welche Rechte und Pflichten der SRG vom Bundesrat mit der Konzession vom 24. Oktober 1964 übertragen worden sind. In diesem Zusammenhang findet sich der erwähnte Satz. Für den Empfang der Sendungen der SRG bedarf es in der Tat einer Konzession, jedoch nicht etwa weil es sich um Sendungen der SRG handelt, sondern weil die Sendungen der SRG radioelektrische Übertragungen sind, deren Empfang nach Art. 1 TVG allgemein konzessionspflichtig ist. 4. Der Beschwerdeführer rügt, mit den Konzessionsgebühren würden Leistungen der SRG entschädigt, ohne dass hiefür eine gesetzliche Grundlage vorhanden sei. Mit der Konzessionsabgabe könnten keine Leistungen abgegolten werden, die als solche nicht unter das Regal fielen. Es fragt sich zunächst, ob der Beschwerdeführer die Pflicht zur Leistung der Konzessionsgebühren an die PTT-Betriebe überhaupt mit dem Argument bekämpfen kann, die erwähnten Gebühren würden rechtswidrig verwendet. BGE 109 Ib 308 S. 312 a) Laut Art. 21 Abs. 1 lit. a V(1) zum TVG kann eine Regalgebühr für die Verleihung von Regalrechten erhoben werden. Als Regalgebühren gelten namentlich die Sende- und Empfangsgebühren für elektrische und radioelektrische Anlagen oder die Gebühren für die Ausübung einer konzessionspflichtigen Installations- oder Vorführungstätigkeit. Einen Teil der aus diesen Gebühren fliessenden Einnahmen überweisen die PTT-Betriebe der SRG. Die Höhe des der SRG zukommenden Anteils setzt der Bundesrat alle vier Jahre fest (Art. 21 Abs. 1 der Konzession für die SRG vom 22. Dezember 1980). Derzeit beläuft sich der Anteil der SRG auf 70% der Einnahmen der PTT-Betriebe aus den Fernsehempfangs- und Radiokonzessionsgebühren. b) Der Radio- und Fernsehkonsument steht in keiner direkten Rechtsbeziehung zur SRG (vgl. Urteil vom 17. Oktober 1980, ZBl 83/1982, 223 oben), sondern einzig zu den PTT-Betrieben, die ihm die erforderliche Konzession erteilen. Auf der anderen Seite begründet gemäss den Erwägungen im erwähnten Urteil die SRG-Konzession ein Verhältnis gegenseitiger Rechte und Pflichten zwischen SRG und Bund. So hat die SRG beispielsweise gewisse Grundsätze der Programmgestaltung zu beachten und ist hiefür dem Bund verantwortlich (vgl. Art. 13 der Konzession). Dagegen stellt der Bund der SRG die notwendigen Finanzmittel zur Erfüllung der in der Konzession übertragenen Aufgaben zur Verfügung (vgl. Art. 20 ff. der Konzession). Zu diesem Zweck greift er auf die Einnahmen der PTT-Betriebe zurück, die ihm ohnehin zur Verfügung stehen, soweit ein Ertrag erwirtschaftet wird (vgl. Art. 36 Abs. 2 und Art. 42 lit. b BV ), da diese nicht zweckgebunden sind. c) Es trifft zu, dass heute weder eine Verfassungsgrundlage noch ein Gesetz besteht, wonach der Bund die SRG ermächtigen könnte, bei den einzelnen Radio- und Fernsehkonsumenten Gebühren zu erheben; in der Literatur ist die sogenannte "Programmkompetenz" des Bundes stark umstritten (vgl. zur Notwendigkeit eines entsprechenden Verfassungsartikels über Radio und Fernsehen die Botschaft des Bundesrates vom 1. Juni 1981, BBl 1981 II 885, und die diesbezüglichen Diskussionen in den eidgenössischen Räten, Amtl.Bull. StR 1983, 41 ff., NR 1983, 1336 ff.). Doch folgt aus dieser Lückenhaftigkeit der geltenden Rechtsordnung noch nicht zwingend, dass der Beschwerdeführer die zugunsten der PTT-Betriebe festgesetzte Gebühr mit der Begründung verweigern durfte, der Bundesrat verwende 70% dieser Gebühr für einen gesetzlich nicht abgedeckten Zweck. Rechtlich BGE 109 Ib 308 S. 313 gesehen fallen die Erträgnisse aller PTT-Gebühren in die Bundeskasse ( Art. 36 Abs. 2 BV ), und die Gebührenpflicht besteht unabhängig davon, welche Ausgaben der Bund aus den der Bundeskasse zufliessenden Einnahmen bestreitet. Der Bundesrat könnte daher die strittigen Gebühren in der vollen Höhe auch für andere Zwecke verwenden und die Leistungen des Bundes an die SRG aus andern Bundeseinnahmen decken. Wenn der Bund die PTT-Betriebe laut Art. 21 der Konzession verpflichtet, einen bestimmten Gebührenanteil an die SRG abzuliefern, so begründet dies weder Rechte noch Pflichten des Beschwerdeführers, noch greift diese Anordnung in seine schützenswerten Interessen ein ( Art. 103 lit. a OG ). Es ist deshalb auch vorfrageweise nicht zu prüfen, ob die Finanzierung des Programmdienstes der SRG durch den Bund gemäss Art. 20 ff. der SRG-Konzession verfassungs- bzw. gesetzeskonform ist, sondern es ist einzig zu untersuchen, ob die PTT-Betriebe berechtigt sind, Fernsehempfangs- und Radiokonzessionsgebühren in dieser Höhe für sich zu verlangen. 5. Die Vorinstanz hat dargelegt, dass das den PTT-Betrieben vom Konzessionär zu entrichtende Entgelt für den Betrieb eines Radio- und Fernsehapparates eine Regalgebühr darstelle, die nicht für eine bestimmte Leistung verlangt werde, sondern ausschliesslich ein Entgelt für das vom Konzessionär verliehene Recht sei. Derartige Regalgebühren unterstünden nicht dem Kostendeckungsprinzip, wohl aber dem Äquivalenzprinzip. Der Beschwerdeführer könne sich daher nicht unter Berufung auf das Kostendeckungsprinzip dagegen wehren, dass ein Teil der von den PTT-Betrieben erhobenen Regalgebühren für den Empfang öffentlicher Radio- und Fernsehsendungen an die SRG abgeliefert werde. Eine Verletzung des Äquivalenzprinzipes liege offensichtlich nicht vor. Das Bundesgericht hat in BGE 101 Ib 467 ff. E. 3b festgehalten, dass das Kostendeckungsprinzip nicht auf Gebühren Anwendung finde, die für die Einräumung eines Regalrechtes oder einer Konzession erhoben würden und denen keine staatliche Leistung gegenüberstehe. Dagegen sei das Äquivalenzprinzip zu beachten. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Zu prüfen bleibt daher zunächst die rechtliche Natur der beim Beschwerdeführer erhobenen Gebühren. a) Im erwähnten Urteil des Bundesgerichts wurde das Entgelt für die Einräumung des Rechts, nicht öffentliche Sendungen zu empfangen, als Regalgebühr im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. a V(1) zum TVG qualifiziert. Diese Bestimmung macht keinen Unterschied BGE 109 Ib 308 S. 314 zwischen dem Empfang öffentlicher und nicht öffentlicher Sendungen. Damit sind auch die Gebühren für die Erteilung der Radioempfangskonzession I (Art. 50 ff. V(1) zum TVG) und der Fernsehempfangskonzession I (Art. 66 ff. V(1) zum TVG) als Entschädigung für das verliehene Regalrecht zu betrachten. Dieser Schluss drängt sich auch im Lichte von Art. 3 TVG auf, der eindeutig zum Ausdruck bringt, dass der Betrieb eines Radio- oder Fernsehapparates nur aufgrund einer Konzession und nicht einer blossen Benützungsbewilligung zulässig ist. Dass es sich um die Einräumung eines Regalrechtes handelt, folgt auch daraus, dass die PTT als Konzedentin dem einzelnen Konzessionär gegenüber zu keinen Leistungen gehalten ist, namentlich nicht mit Bezug auf Inhalt und Ausstrahlung der Programme. Die einschlägigen Bestimmungen des TVG und der V(1) zum TVG enthalten denn auch weder eine diesbezügliche Pflicht der PTT noch einen Anhaltspunkt dafür, dass die Rechtsbeziehung zwischen PTT und Konzessionär ein (synallagmatisches) Leistungsaustauschverhältnis wäre. Bei dieser Sachlage ist es auch völlig unerheblich, ob der Beschwerdeführer nur ausländische Programme sieht und hört. b) Auf Gebühren, die für die Einräumung eines Regalrechtes oder einer Konzession erhoben werden und denen keine staatliche Leistung gegenübersteht, findet das Kostendeckungsprinzip keine Anwendung ( BGE 101 Ib 468 ). Aufgrund des Regalrechts können die Gebühren sogar zu fiskalischen Zwecken erhoben werden und dürfen daher einen Gewinn abwerfen ( BGE 95 I 502 ). Dagegen sind die für die Einräumung eines Regalrechtes oder einer Konzession erhobenen Gebühren dem Äquivalenzprinzip unterworfen, das die gebührenrechtliche Ausgestaltung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes darstellt und für sämtliche Gebühren gilt. Es bestimmt, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichem Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen bewegen muss ( BGE 107 Ia 33 E. d mit Hinweis). Der Wert einer Leistung bemisst sich entweder nach dem Nutzen, den sie dem Pflichtigen bringt - wobei dieser, anders als in BGE 101 Ib 468 E. 3, nicht notwendigerweise wirtschaftlicher Art sein muss - oder nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten Aufwand des betreffenden Verwaltungszweiges ( BGE 101 Ib 468 E. 3 mit Literaturhinweis). Was die PTT-Gebühren betrifft, so kommt das Äquivalenzprinzip überdies in Art. 36 Abs. 3 BV zum Ausdruck, wonach die Tarife nach "möglichst billigen Grundsätzen" zu bestimmen sind. BGE 109 Ib 308 S. 315 Die verlangten Gebühren betragen im vorliegenden Fall für die Radioempfangskonzession I gemäss Art. 58 V(1) zum TVG monatlich Fr. 5.75 (gemäss Verordnung vom 20. September 1982, AS 1982 1672, neu Fr. 7.25), für die Fernsehempfangskonzession I gemäss Art. 74 V(1) zum TVG Fr. 11.50 (bzw. gemäss Verordnung vom 20. September 1982 Fr. 14.50). Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern diese Gebührenansätze gegen das Äquivalenzprinzip verstossen sollen. Der Wert, den der Empfangskonzessionär dadurch erhält, dass er einen Radio- und Fernsehapparat betreiben darf, besteht darin, dass er das Recht hat, sei es zur Unterhaltung, sei es zur Weiterbildung, vom entsprechenden Angebot der Radio- und Fernsehanstalten Gebrauch zu machen. Darin ist ein bedeutender Wert kultureller Art zu erblicken, der sich im Grunde genommen finanziell nicht festlegen lässt. In Anbetracht der Bedeutung dieses Wertes muss die geforderte Gebühr als bescheiden bezeichnet werden. Von einem Missverhältnis zwischen dem empfangenen Wert und der finanziellen Leistung des Konzessionärs kann jedenfalls nicht die Rede sein. Was schliesslich das Verhältnis zwischen dem Kostenaufwand und der konkreten Inanspruchnahme zum genauen Aufwand des Verwaltungszweiges betrifft, so kommt diesem Gesichtspunkt keine selbständige Bedeutung zu, da es praktisch unmöglich ist, den Aufwand der konkreten Inanspruchnahme, also die von jedem einzelnen Radio- und Fernsehkonsumenten verursachten Kosten, zu ermitteln. Die fraglichen Gebühren verletzen demnach das Äquivalenzprinzip nicht. 6. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Konzessionsgebühren für den Betrieb von Radio- und Fernsehapparaten entbehrten jeglicher Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne. a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum (kantonalen) Abgaberecht bedürfen alle öffentlichen Abgaben - mit Ausnahme der Kanzleigebühren - der Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn, somit in einem dem Referendum unterstehenden Erlass ( BGE 107 Ia 32 E. c mit Hinweisen). Der Gesetzgeber kann aber die Befugnis zur Festsetzung der Abgabe an eine untergeordnete Behörde übertragen. Das Gesetz hat jedoch in solchen Fällen den Kreis der Abgabepflichtigen, den Gegenstand der Abgabe und deren Bemessung in den Grundzügen selber festzulegen ( BGE 106 Ia 203 E. 2a). Diese Grundsätze gelten auch für die Erhebung einer Regalgebühr (vgl. VALLENDER, Grundzüge des Kausalabgabenrechts, S. 152/3; vgl. auch BGE 100 Ia 131 , BGE 95 I 250 /1). BGE 109 Ib 308 S. 316 b) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der Betrieb eines Radio- und Fernsehapparates unter das Fernmelderegal gemäss Art. 1 ff. TVG fällt. Art. 3 TVG legt die Konzessionspflicht fest. Auch wenn in dieser Bestimmung nicht ausdrücklich von Konzessionsgebühren die Rede ist, so folgt doch aus den folgenden Bestimmungen, insbesondere Art. 8 TVG , wo von Taxen, Gebühren und Auslagen die Rede ist, zweifelsfrei, dass Art. 3 TVG die Gebührenpflicht stillschweigend voraussetzt. Diese Auffassung ist um so eher geboten, als die PTT-Betriebe ja von Verfassungs wegen gezwungen sind, einen Gewinn zu erwirtschaften ( Art. 36 Abs. 2 und Art. 42 lit. b BV ). Der Bundesrat wird in Art. 46 Abs. 2 Satz 1 zum Erlass der Ausführungsverordnung und -bestimmungen ermächtigt. Darunter fällt auch die Kompetenz zur Festsetzung der Gebühren, was im übrigen auch aus Art. 14 Abs. 1 lit. k des PTT-Organisationsgesetzes (SR 781.0) zu schliessen ist, gemäss welcher Bestimmung der Bundesrat zuständig ist, die PTT-Taxen festzusetzen. Diese Delegation an den Bundesrat entspricht zwar nicht den bundesgerichtlichen Anforderungen, wie sie für die Kantone gelten; sie ist aber für das Bundesgericht aufgrund von Art. 114bis Abs. 3 BV gleichwohl verbindlich. Der Bundesrat hat in Art. 58 und 74 V(1) zum TVG von dieser Kompetenzzuweisung Gebrauch gemacht und die Gebührenpflicht im einzelnen geregelt. Bei dieser Sachlage besteht eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Erhebung der vom Beschwerdeführer verweigerten Konzessionsgebühren. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen.
public_law
nan
de
1,983
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
961aad2a-bc84-40be-b6d5-9d7a931fa4dc
Urteilskopf 121 IV 138 24. Urteil des Kassationshofes vom 15. Juni 1995 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen C. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 27 und 106 Abs. 1 SVG ; Art. 20 Abs. 2, 64 Abs. 5 und 115 Abs. 2 SSV; Weisung des EJPD vom 26. August 1993 über die Normierung von Signalen, Markierungen und Leiteinrichtungen im Strassenverkehr sowie von Strassenreklamen bei Tankstellen, Zusatztafel für Fahrzeugkombinationen zum Signal "Höchstgewicht". Die Zusatztafel zum Signal "Höchstgewicht" erlaubt für die auf ihr abgebildeten Lastwagen mit Anhänger ein bestimmtes höheres Gewicht; sie ist gesetzmässig. Sie gilt nicht für Sattelschlepper mit Sattelanhänger (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 139 BGE 121 IV 138 S. 139 A.- Am 27. April 1994 fuhr C. mit einem Sattelschlepper samt Sattelanhänger mit einem Betriebsgewicht von 24,200 t über die Reussbrücke in Sins/AG. Vor der Holzbrücke ist das Signal "Höchstgewicht 20 t" (Signal 2.16) angebracht. Unter dem Signal befindet sich eine Zusatztafel, auf welcher ein (zweiachsiger) Lastwagen mit einem (zweiachsigen) Anhänger über dem Vermerk "bis 28 t gestattet" abgebildet ist. B.- Das Bezirksgericht Muri büsste C. am 19. September 1994 wegen Nichtbeachtens des Signals "Höchstgewicht 20 t" in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG (SR 741.01) mit 50 Franken. Das Obergericht des Kantons Aargau sprach C. auf dessen Berufung hin am 24. Januar 1995 vom Vorwurf des Nichtbeachtens des Signals "Höchstgewicht 20 t" frei. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung von C. wegen Nichtbeachtens des Signals "Höchstgewicht 20 t" an die Vorinstanz zurückzuweisen. C. beantragt die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Ansicht der ersten Instanz betrifft die Zusatztafel "bis 28 t gestattet" gemäss dem darauf abgebildeten Piktogramm nur Lastwagen mit Anhänger, somit nicht auch Sattelschlepper mit Sattelanhänger, und gilt daher für letztere gemäss dem Signal ein Höchstgewicht von 20 Tonnen. Dieses Signal habe der Beschwerdegegner mit seinem Sattelschlepper samt Sattelanhänger mit 24,200 t Betriebsgewicht missachtet. Die Vorinstanz weist demgegenüber darauf hin, dass die Signalisationsverordnung für Signale und Zusatztafeln als Piktogramme nur Lastwagen und Gesellschaftswagen, aber weder Anhängerzüge noch Sattelschlepper vorsehe. Dem Beschwerdegegner könne "folglich kein Vorwurf daraus erwachsen, dass er davon ausging, für sein Fahrzeug gelte die Gewichtslimite von 28 t, weil es sich um einen Anhängerzug handle". "Daher" sei festzustellen, dass für eine Verurteilung des Beschwerdegegners gestützt auf Art. 27 Abs. 1 SVG "die gesetzliche Grundlage fehlt" und er deshalb in Gutheissung seiner Berufung BGE 121 IV 138 S. 140 vom Vorwurf der Missachtung von Signalen gemäss Art. 27 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 90 Ziff. 1 SVG freizusprechen ist. Die Beschwerdeführerin macht geltend, zwar enthalte die Signalisationsverordnung und deren Anhang 2 selber keine Piktogramme beispielsweise für Anhängerzüge sowie für Sattelschlepper. Solche Piktogramme seien aber in Ziff. 4 der Schweizer Norm SN 640 819a der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachleute von 1989 vorgesehen. Die Schweizer Norm SN 640 819a bilde einen integrierten Bestandteil der Weisung des EJPD vom 26. August 1993 über die Normung von Signalen, Markierungen und Leiteinrichtungen im Strassenverkehr sowie von Strassenreklamen bei Tankstellen. Es handle sich dabei um eine Subdelegation der Rechtssetzungsbefugnis durch den Bundesrat an ein Departement. Eine solche Subdelegation sei nach Lehre und Rechtsprechung zulässig, zumal die genannte Schweizer Norm SN 640 819a rein technischer Natur sei. Sie habe ihre gesetzliche Grundlage unter anderem in Art. 115 Abs. 2 SSV (SR 741.21) sowie in Art. 2 SVG . Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass in der erwähnten Schweizer Norm klar zwischen den Symbolen "Lastwagen mit Anhänger" einerseits (Z.8) und "Sattelschlepper" andererseits (Z.9) unterschieden werde. Aufgrund dieser klaren Unterscheidung sei eine Verwechslung zwischen den beiden Symbolen nicht möglich. Die Ausnahmeregelung auf der Zusatztafel bei der Reussbrücke in Sins - Höchstgewicht 28 t statt 20 t gemäss dem Vorschriftssignal - gelte daher nur für Lastwagen mit Anhänger, nicht für Sattelschlepper mit Sattelanhänger, welche eine ganz andere Gewichtsverteilung auf den Achsen aufwiesen. Der Beschwerdegegner habe sich demnach durch das Befahren der Brücke mit einem Sattelschlepper samt Sattelanhänger mit einem Betriebsgewicht von 24,200 t des Nichtbeachtens des Signals "Höchstgewicht 20 t" strafbar gemacht. Der Beschwerdegegner macht geltend, die Signalisationsverordnung enthalte lediglich die Symbole für Lastwagen und Gesellschaftswagen und sehe keine Zusatztafel "Lastwagen mit Anhänger" vor. Die Weisung des EJPD vom 26. August 1993, welche die Anwendung einer Norm befehle, die von einer privatrechtlichen Vereinigung aufgestellt worden sei, könne keine gültige Rechtsgrundlage für eine Bestrafung bilden. Er sei mit guten Gründen davon ausgegangen, dass sein Sattelschlepper mit Sattelanhänger angesichts derselben Achsenzahl dem auf der fraglichen Zusatztafel abgebildeten Lastwagen mit Anhänger gleichzustellen sei. Für den Fall, dass das BGE 121 IV 138 S. 141 Legalitätsprinzip wider Erwarten nicht verletzt sein sollte, berufe er sich auf Rechtsirrtum. 2. Die Holzbrücke über die Reuss in Sins darf gemäss dem dort angebrachten Vorschriftssignal 2.16 ( Art. 20 SSV ) grundsätzlich nur von Fahrzeugen mit einem Betriebsgewicht von höchstens 20 t befahren werden. Sie darf gemäss der Zusatztafel von bestimmten Fahrzeugen mit einem Betriebsgewicht von höchstens 28 t benützt werden. Zu prüfen ist, ob die fragliche Zusatztafel mit dem darin enthaltenen Piktogramm eines Lastwagens mit Anhänger gültig ist und ob sie sich gegebenenfalls auch auf Sattelschlepper mit Sattelanhänger bezieht. a) Eine Zusatztafel mit Fahrzeugsymbolen zeigt gemäss Art. 64 Abs. 5 SSV an, dass das Signal, dem die Tafel beigefügt ist, nur für die auf ihr dargestellten Fahrzeugarten gilt (z.B. "Schwere Motorwagen"; 5.08). Die Zusatztafel 5.08 gemäss Anhang 2 der SSV enthält die Piktogramme eines (zweiachsigen) Lastwagens bzw. eines (zweiachsigen) Gesellschaftswagens. Daraus kann indessen entgegen der Auffassung der Vorinstanz und der Ansicht des Beschwerdegegners nicht der Schluss gezogen werden, dass Zusatztafeln beispielsweise mit dem Piktogramm eines Lastwagens mit Anhänger in der SSV nicht vorgesehen seien. Die "schweren Motorwagen" gemäss der Zusatztafel 5.08 nach dem Anhang 2 der SSV sind, wie sich schon aus Art. 64 Abs. 5 SSV ("z.B.") ergibt, nur ein Beispiel für Fahrzeugarten, die auf einer Zusatztafel mit Fahrzeugsymbolen abgebildet werden können. Auf einer solchen Zusatztafel im Sinne von Art. 64 Abs. 5 SSV dürfen mithin auch andere Fahrzeugarten abgebildet werden. Dabei kommen nicht nur diejenigen Fahrzeugsymbole in Betracht, welche in den Vorschriftssignalen gemäss Anhang 2 der SSV (Signale Nrn. 2.03 ff.) enthalten sind (anderer Auffassung offenbar BUSSY/RUSCONI, Code suisse de la circulation routière, 1984, Bem. zu Art. 64 SSV ). Das ergibt sich deutlich aus Art. 20 SSV . Nach dieser Bestimmung schliesst das Signal "Höchstgewicht" (2.16) Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen aus, deren Betriebsgewicht den angegebenen Wert übersteigt (Abs. 1 Satz 1). Wird für Fahrzeugkombinationen auf beigefügter Zusatztafel zum Signal "Höchstgewicht" ein höheres Gewicht erlaubt, dürfen die einzelnen Fahrzeuge der Kombination den im Signal angegebenen Wert nicht übersteigen (Abs. 2). Die SSV sieht mithin gerade für das Vorschriftssignal "Höchstgewicht" spezielle Zusatztafeln für Fahrzeugkombinationen vor. Es liegt auf der Hand, dass die Fahrzeugkombination, für welche die Ausnahme vom BGE 121 IV 138 S. 142 Vorschriftssignal gelten soll, auf der Zusatztafel nicht nur in Worten beschrieben, sondern in Form eines Symbols dargestellt wird. Symbole für Fahrzeugkombinationen in einer Zusatztafel zum Signal "Höchstgewicht" finden somit ihre Grundlage in Art. 20 Abs. 2 SSV . Sie sind daher im Prinzip zulässig, auch wenn im Anhang 2 der SSV keine Symbole für Fahrzeugkombinationen abgebildet sind. Zwar wäre es denkbar, auf der Zusatztafel im Sinne von Art. 20 Abs. 2 SSV bloss das Symbol eines Anhängers abzubilden, welches im Vorschriftssignal 2.09 ("Verbot für Anhänger"; Art. 19 SSV ) enthalten ist. Eine solche Signalisation, auf welcher nicht die ganze Fahrzeugkombination, sondern nur der Anhänger abgebildet ist, könnte aber Verwirrung stiften. b) Gemäss Art. 106 Abs. 1 SVG erlässt der Bundesrat die zum Vollzug dieses Gesetzes notwendigen Vorschriften. Er kann die Departemente ermächtigen, technische Einzelheiten, namentlich der Strassensignalisation sowie des Baus und der Ausrüstung der Strassenfahrzeuge, zu regeln. Nach Art. 115 Abs. 2 SSV kann das EJPD für die Ausführung, Ausgestaltung und Anbringung von Signalen, Markierungen, Leiteinrichtungen, Strassenreklamen und dergleichen Weisungen erlassen sowie technische Normen als rechtsverbindlich erklären. Die Weisung des EJPD vom 26. August 1993 über die Normung von Signalen, Markierungen und Leiteinrichtungen im Strassenverkehr sowie von Strassenreklamen bei Tankstellen (publiziert in BBl 1993 III 370) bestimmt, dass für Zusatztafeln das Normblatt SN 640 819a (Fassung vom Februar 1989) anzuwenden ist. Die Schweizer Norm SN 640 819a der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachleute unterscheidet in Ziff. 4 zwischen den deutlich verschiedenen Symbolen für "Lastwagen mit Anhänger" und für "Sattelschlepper". Indem das EJPD Zusatztafeln mit diesen beiden Symbolen für Fahrzeugkombinationen einführte, hat es entgegen den Einwänden des Beschwerdegegners jedenfalls insoweit im Rahmen seiner Kompetenzen ( Art. 106 Abs. 1 Satz 2 SVG , Art. 115 SSV ) gehandelt, als diese Zusatztafeln gemäss Art. 20 Abs. 2 SSV als Zusatztafeln zum Signal "Höchstgewicht" verwendet werden. Jedenfalls insoweit stellt mit andern Worten die Weisung des EJPD vom 26. August 1993 (BBl 1993 III 370) eine zulässige Ausführung bzw. Ausgestaltung im Sinne von Art. 115 Abs. 2 SSV der in Art. 20 Abs. 2 SSV vorgesehenen Zusatztafel für Fahrzeugkombinationen dar. Ob Zusatztafeln mit den Symbolen für "Lastwagen mit Anhänger" bzw. für "Sattelschlepper" BGE 121 IV 138 S. 143 auch anderweitig verwendet werden dürften, ist hier nicht zu entscheiden. c) Die unterschiedliche Behandlung von Lastwagen mit Anhänger einerseits und Sattelschleppern mit Sattelanhänger andererseits bei der Regelung von Ausnahmen vom Signal "Höchstgewicht" in einer Zusatztafel im Sinne von Art. 20 Abs. 2 SSV ist auch bei identischer Achsenzahl etwa angesichts der unterschiedlichen Verteilung der Achsenbelastung jedenfalls nicht derart sinnlos, dass sie als gesetzwidrig erscheint. d) Das Piktogramm auf der Zusatztafel zum Signal "Höchstgewicht 20 t" bei der Reussbrücke in Sins entspricht dem in der Schweizer Norm SN 640 819a abgebildeten Symbol Z.8 für Lastwagen mit Anhänger. Diese Zusatztafel ist gemäss den vorstehenden Erwägungen gesetzmässig und erfasst nicht auch Sattelschlepper mit Sattelanhänger. Indem die Vorinstanz den Beschwerdegegner vom Vorwurf des Nichtbeachtens von Signalen mit der Begründung freisprach, dass die SSV keine Symbole für Lastwagen mit Anhänger bzw. für Sattelschlepper mit Sattelanhänger vorsehe, verletzte sie Bundesrecht. Die vorinstanzliche Argumentation ist im übrigen ohnehin nicht schlüssig. Wenn die SSV entsprechend der Meinung der Vorinstanz das Piktogramm eines Lastwagens mit Anhänger nicht vorsähe, dann läge an sich der Schluss auf Ungültigkeit der Zusatztafel nahe, mit der Folge, dass für sämtliche Fahrzeuge das signalisierte Höchstgewicht von 20 Tonnen gälte. Der Beschwerdegegner erfüllte durch das inkriminierte Verhalten demnach jedenfalls den objektiven Tatbestand der Missachtung von Signalen im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG . 3. Die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil reichen nicht aus, um zu entscheiden, ob der Beschwerdegegner schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig, gehandelt habe, ob ihm allenfalls ein Irrtum ( Art. 19, 20 StGB ) zuzubilligen sei oder ob ein besonders leichter Fall im Sinne von Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG vorliege. Die Vorinstanz wird sich im neuen Verfahren mit diesen Fragen befassen. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdegegner als Berufschauffeur wissen sollte, dass eine Zusatztafel mit dem Piktogramm eines Lastwagens mit Anhänger nur für solche Fahrzeugkombinationen und nicht ohne weiteres auch für Sattelschlepper mit Sattelanhänger gilt, für welche besondere Piktogramme in Zusatztafeln bestehen. 4. ("Kostenfolgen")
null
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
9622fc9d-d3b7-4cb1-98c7-c5ceec9bc5fe
Urteilskopf 80 IV 171 35. Urteil des Kassationsbofes vom 8. Juli 1954 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn.
Regeste Art. 191 Ziff. 1 StGB . Wer das Geschlechtsglied eines Knaben in den Mund nimmt, missbraucht das Kind zu einer dem Beischlaf ähnlichen Handlung.
Sachverhalt ab Seite 171 BGE 80 IV 171 S. 171 A.- B. forderte am 14. September 1953 R. B., geb. 1941, auf, sich mit ihm in das Pissoir eines Schulhauses zu begeben. Dort zog er dem Knaben die Hose aus, kniete nieder und nahm den Geschlechtsteil R. B. s in den Mund. Wegen dieser als beischlafsähnlich im Sinne des Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB gewürdigten und wegen anderer Handlungen erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn B. am 10. Februar 1954 der Unzucht mit Kindern schuldig und verurteilte ihn zu zehn Monaten Gefängnis und zwei Jahren Wirtshausverbot. B.- B. führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht geltend, die Doktrin nehme Beischlafsähnlichkeit nur an, wenn eine zum Zwecke der widernatürlichen Befriedigung BGE 80 IV 171 S. 172 des Geschlechtstriebes begangene, dem natürlichen Beischlaf ähnliche Handlung vorliege. Der Täter müsse also eine Handlung vorgenommen haben, die auf die Befriedigung des eigenen Geschlechtstriebes hinzielte. Indem der Beschwerdeführer das Glied des Knaben in den Mund genommen habe, habe er keine Handlung begangen, die für ihn selber dem Beischlaf ähnlich gewesen sei. Es verhalte sich anders, als wenn der Täter das eigene Glied in eine Körperöffnung des Opfers einführe. Die Tat gegenüber R. B. sei eine "andere unzüchtige Handlung" im Sinne von Art. 191 Ziff. 2 StGB , also milder zu bestrafen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: Nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ist strafbar, "wer ein Kind unter sechzehn Jahren zum Beischlaf oder zu einer ähnlichen Handlung missbraucht". Diese Bestimmung setzt weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinne voraus, dass der Täter sich wie ein Beischläfer verhalte, d.h. die beim natürlichen Beischlaf dem Manne zukommende aktive Rolle spiele. Sie verlangt bloss den Missbrauch des Kindes zum Beischlaf oder einer dem Beischlaf ähnlichen Handlung, nämlich die vom Täter veranlasste Teilnahme eines Kindes an einem Beischlaf oder einer ihm nachgebildeten Handlung. Es wäre denn auch sonderbar, wenn die Frau, die sich einem Knaben zum Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung hingibt, nicht nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1, sondern nur nach der milderen Bestimmung der Ziffer 2 dieses Artikels zu bestrafen wäre, bloss weil sie im biologischen Sinne die passive Rolle gespielt hat. Es fehlt jeder Anhaltspunkt, dass das Gesetz den vollen Schutz des Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 nur den Mädchen, nicht auch den Knaben zukommen lassen wolle; die sittliche Entwicklung der letztern kann unter der vorzeitigen Ausübung des Geschlechtsaktes in gleicher Weise leiden wie der Missbrauch eines Mädchens zu solchem Verhalten. Es kann sodann auch keinen Unterschied ausmachen, wenn die Person, die BGE 80 IV 171 S. 173 einem Knaben zur Vornahme einer beischlafsähnlichen Handlung Gelegenheit gibt, ja ihn dazu veranlasst, statt eine Frau ein Mann ist; auch diese Tat ist Missbrauch eines Kindes zu einem Akt, vor dem das Gesetz die Kinder mit der vollen Strenge schützen will. Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB frägt auch nicht darnach, ob bloss der Täter oder auch das Opfer am Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung geschlechtlichen Genuss finde; die Bestimmung will nicht bloss anwendbar sein, wenn das Kind, spiele es im biologischen Sinne die passive oder die aktive Rolle, bei der Handlung Lustgefühle empfindet. Wer ein Mädchen zum Beischlaf oder einer ähnlichen Handlung missbraucht, vergeht sich nach Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 auch dann, wenn es dabei kalt bleibt, ja Abneigung empfindet. Folglich kann auch nichts darauf ankommen, welche Gefühle ein Knabe in der Rolle des Opfers hat. Daher sieht die Rechtsprechung des Kassationshofes eine dem Beischlaf ähnliche Handlung nicht nur z.B. in der Einführung des Geschlechtsgliedes des Täters in den Mund eines Kindes ( BGE 76 IV 108 ), sondern auch in der Einführung des Gliedes des Knaben in den Mund des Täters (nicht veröffentlichte Urteile vom 3. November 1950 i.S. H. und vom 18. September 1951 in Sachen Z.). Daran ist festzuhalten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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962310c3-420f-4d72-a9a6-80fac6d6ef4c
Urteilskopf 93 I 278 34. Urteil vom 31. Mai 1967 i.S. Nationalunternehmen Ceskoslovenské Textilni Zavody gegen Baj-Macario und Kreisamt Oberengadin.
Regeste Arrestkaution ( Art. 273 Abs. 1 SchKG ). Art. 17 der Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht (IÜ). Art. 4 BV . Art. 17 IUe bezieht sich nur auf eigentliche Prozesskautionen und ist daher nicht anwendbar auf die Sicherheitsleistung, zu welcher der Arrestgläubiger (ohne Rücksicht auf seinen Wohnsitz und seine Staatsangehörigkeit) gemäss Art. 273 Abs. 1 SchKG verhalten werden kann (Erw. 4). Begriff des Schadens, für den der Arrestgläubiger bei ungerechtfertigtem Arrest haftet. Die Annahme, dass dazu auch die dem Arrestschuldner im Arrestprosequierungsprozess erwachsenden Kosten gehören, ist nicht willkürlich (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 279 BGE 93 I 278 S. 279 A.- Der Beschwerdeführer, das Nationalunternehmen Ceskoslovenské Textilni Zavody in Prag, stellte am 23. März 1966 beim Kreisamt Oberengadin das Begehren, ein in St. Moritz gelegenes, dem Beschwerdegegner Giovanni Baj-Macario in Mailand gehörendes Wohnhaus, das darin befindliche Mobiliar und allfällig dort untergebrachte weitere Gegenstände (Motorfahrzeuge, Wertschriften, Schmuck und Bargeld) mit Arrest zu belegen für eine vom Zivilgericht Mailand mit Urteil vom 1. Oktober 1953 rechtskräftig geschützte Forderung von Fr. 216'000.-- gegen die Kollektivgesellschaft E.M.B.A. in Mailand, deren unbeschränkt haftender Teilhaber Baj-Macario gewesen sei. Dieser bestritt, dem Beschwerdeführer etwas zu schulden, und ersuchte das Kreisamt, ihn gemäss Art. 273 Abs. 1 SchKG zur Leistung einer Sicherheit von Fr. 3'000.-- zu verhalten. Der Beschwerdeführer beantragte Abweisung dieses Begehrens, leistete dann aber zur Vermeidung einer weiteren Verzögerung die verlangte Arrestkaution am 27. Juni 1966 unter Vorbehalt. Durch Verfügung vom 23. Januar 1967 verpflichtete das Kreisamt Oberengadin den Beschwerdeführer, die hinterlegten Fr. 3'000.-- bis zur Aufhebung des Arrestes als Sicherheitsleistung beim Kreisamt zu belassen. Zur Begründung führte es aus: Seit dem Erlass des Arrestbefehls sei nun fast ein Jahr vergangen. BGE 93 I 278 S. 280 Dass bisher kein Rechtsöffnungsgesuch gestellt worden sei, lasse vermuten, dass die Rechtslage nicht eindeutig sei. Die Möglichkeit, dass der Arrest ungerechtfertigt sei, sei daher nicht von der Hand zu weisen, weshalb das Gesuch um Sicherheitsleistung begründet sei. Der Schuldner werde durch Verarrestierung seines Eigentums für längere Zeit in seinen Verfügungsmöglichkeiten wesentlich behindert. Daraus könne ihm, abgesehen von den Unkosten und Umtrieben, welche ihm die Arrestierung bringe, ein bedeutender Schaden entstehen. Die verlangte Summe erscheine nicht übertrieben. Ausführungen über die internationalen Verträge erübrigten sich, da die Sicherheitsleistung sich nur auf Art. 273 SchKG stütze und der Wohnsitz der Parteien im Ausland lediglich in dem Sinne Bedeutung habe, dass die Erledigung der Hauptfrage voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen und dadurch ein eventueller Schaden infolge des Arrestes sich vergrössern werde. B.- Gegen diese Verfügung des Kreisamts Oberengadin führt der Arrestgläubiger staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, sie aufzuheben. Er macht eine Verletzung des Art. 4 BV sowie des Art. 17 der Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht (IÜ) geltend. C.- Das Kreisamt Oberengadin hat unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid auf Vernehmlassung verzichtet. Der Beschwerdegegner G. Baj-Macario beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Am 1. März 1954 ist im Haag eine neue internationale Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht abgeschlossen worden. Diese ist für die Schweiz am 5. Juni 1955 und für die Tschechoslowakei am 11. August 1966 in Kraft getreten (AS 1957 S. 467 und 1966 S. 972) und ist daher im vorliegenden Falle anwendbar (Art. 29 der IÜ vom 1. März 1954). Dass sich der Beschwerdeführer noch auf die IÜ vom 17. Juli 1905 beruft, schadet ihm indes nicht, da der als verletzt bezeichnete Art. 17 in beiden Staatsverträgen den gleichen Wortlaut hat. 2. Art. 17 IÜ ist keine zivil- oder strafrechtliche Staatsvertragsbestimmung ( Art. 84 lit. c OG ), sondern prozessrechtlicher Natur. Da die behauptete Verletzung des Art. 17 IÜ auch nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde geltend gemacht BGE 93 I 278 S. 281 werden kann (vgl. Art. 125 lit. c OG ), ist die staatsrechtliche Beschwerde zulässig ( Art. 84 Abs. 2 OG ). 3. Die angefochtene Verfügung des Kreisamtes kann mit keinem kantonalen Rechtsmittel angefochten werden (Art. 10 Ziff. 12 und Art. 12 der bünd. Ausführungsverordnung vom 23. November 1954 zum SchKG), stellt also einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid dar. Dass die Nichtleistung der vom Arrestgläubiger verlangten Sicherheit die Nichtbewilligung bzw. das Dahinfallen des Arrestes zur Folge gehabt hätte, wird im angefochtenen Entscheid nicht ausdrücklich gesagt, ist aber klar, da sonst die Auflage der Sicherheitsleistung keinen Sinn hätte. Die angefochtene Verfügung ist somit ein Zwischenentscheid, der für den Beschwerdeführer einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat (vgl. BGE 77 I 46 Erw. 2), so dass auch auf die Rüge der Verletzung des Art. 4 BV einzutreten ist ( Art. 87 OG ). Für die Beschwerde wegen Missachtung von Art. 17 IÜ gilt Art. 87 OG ohnehin nicht ( BGE 87 I 368 mit Verweisungen) und ist auch die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht erforderlich ( BGE 86 I 36 Erw. 1 mit Verweisungen). Ob die angefochtene Verfügung gegen diese Bestimmung eines Staatsvertrages verstosse, ist vom Bundesgericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei zu prüfen ( BGE 89 I 117 Erw. 2 mit Verweisungen, BGE 90 I 117 Erw. 3). 4. Das Kreisamt erklärt im angefochtenen Entscheid, Ausführungen über die internationalen Verträge erübrigten sich, da sich die Arrestkaution nur auf die Bestimmung des SchKG stütze. Mit dieser in der Beschwerde als "schlechthin unverständlich" bezeichneten Bemerkung will das Kreisamt offenbar sagen, dass Art. 17 IÜ auf Sicherheitsleistungen gemäss Art. 273 Abs. 1 SchKG nicht anwendbar sei. Dem wird in der Beschwerde lediglich entgegengehalten, auch die Bestimmungen des SchKG unterständen den staatsvertraglichen Beschränkungen. Die in diesem Zusammenhang angerufenen Urteile des Bundesgerichts betreffen jedoch nicht die hier streitige Frage, ob eine Arrestkaution unter Art. 17 IÜ falle, sondern befassen sich mit der Zulässigkeit von Arresten im Hinblick auf den Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich vom 15. Juni 1869 ( BGE 49 I 550 und BGE 63 I 240 ) und mit der Zulässigkeit der Pfändung und Arrestierung von rollendem Eisenbahnmaterial im Hinblick auf das Internationale Abkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 23. Oktober 1924 (BGE 63 BGE 93 I 278 S. 282 III 98). Aus diesen Entscheiden lässt sich nichts ableiten für die Auslegung des Art. 17 IÜ. Diese Bestimmung steht im Abschnitt über "Sicherheitsleistung für die Prozesskosten", bezieht sich auf "Kläger oder Intervenienten (vor Gericht)" und handelt von der Befreiung von der Sicherheitsleistung, Hinterlegung oder Vorauszahlung von "Gerichtskosten" und "Prozesskosten" (französischer Originaltext: "frais judiciaires" und "caution judicatum solvi"). Art. 18 IÜ spricht von dem "Staate der Klageerhebung". Angesichts dieses klaren Wortlauts lassen sich unter Sicherheitsleistungen im Sinne von Art. 17 IÜ nur solche verstehen, die einer im Zivilprozess als Kläger oder Intervenient auftretenden Partei auferlegt werden, also nur eigentliche Prozesskautionen. Um eine solche handelt es sich bei der von der Arrestbehörde gemäss Art. 273 Abs. 1 SchKG angeordneten Arrestkaution nicht, weshalb sie nicht unter Art. 17 IÜ fällt (so schon das zürch. Obergericht, ZR 27 Nr. 34 S. 61). Das gilt jedenfalls, soweit die Arrestkaution der Sicherstellung von Ansprüchen auf Ersatz des unmittelbaren Schadens dient, der dem Arrestschuldner aus der Verfügungsbeschränkung über den Arrestgegenstand erwächst und für den nach Auffassung des Beschwerdeführers die Sicherheitsleistung allein statthaft ist. Fraglich könnte nur sein, ob die Arrestkaution insoweit unter Art. 17 IÜ fällt, als sie auch zur Deckung der Kosten und Umtriebe angeordnet wird, die dem Arrestschuldner im Arrestaufhebungs- oder Arrestprosequierungsprozess entstehen, wobei der Arrestgläubiger allerdings nur in letzterem als "Kläger" auftritt. Die Frage kann offenbleiben, da Art. 17 IÜ aus einem andern Grunde nicht anwendbar ist. Diese Bestimmung verbietet, Angehörigen eines Vertragsstaates mit Wohnsitz in einem solchen Staate Prozesskautionen aufzuerlegen "wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder deswegen, weil sie keinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland haben". Art. 273 Abs. 1 SchKG sieht die Arrestkaution nicht wegen ausländischer Staatsangehörigkeit, Wohnsitzes oder Aufenthaltes des Arrestgläubigers vor, sondern ohne Rücksicht hierauf zur Sicherstellung des Schadens aus einem ungerechtfertigten Arrest, für den der Gläubiger dem Arrestschuldner nach dieser Bestimmung haftet. Trifft aber Art. 273 Abs. 1 SchKG Inländer und Ausländer ohne Rücksicht auf den Wohnsitz und Aufenthalt in gleicher Weise, so verstösst er nicht gegen Art. 17 IÜ, der lediglich verhindern will, dass der Angehörige BGE 93 I 278 S. 283 eines Vertragsstaates deswegen, weil er Ausländer ist oder im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hat, schlechter gestellt wird als ein Inländer. Daran ändert auch die Erwägung im angefochtenen Entscheid nichts, der Wohnsitz der Parteien im Ausland habe nur in dem Sinne Bedeutung, dass deswegen die Erledigung "der Hauptfrage" (womit die Frage der Begründetheit der Arrestforderung gemeint ist) voraussichtlich längere Zeit brauchen werde, wodurch ein eventueller Schaden infolge der Verfügungsbeschränkung vergrössert werde. Diese Erwägung bezieht sich lediglich auf die Höhe des Schadens und damit der zu leistenden Sicherheit und hat Gültigkeit ohne Rücksicht darauf, ob es sich um schweizerische oder ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland handelt. Falls der Beschwerdeführer mit der Bemerkung, es wäre unzulässig, einem Ausländer, dessen Heimatland der IÜ beigetreten ist, eine höhere Kaution aufzuerlegen als einem Schweizer, geltend machen will, dass einem Schweizer eine kleinere Kaution auferlegt worden wäre und insofern Art. 17 IÜ verletzt sei, so wäre auf diese Rüge nicht einzutreten, da sie der nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG erforderlichen Begründung ermangelt. 5. Der Beschwerdeführer rügt als Willkür (Verletzung des Art. 4 BV ), dass das Kreisamt in aktenwidriger Weise davon ausgehe, es sei ein unmittelbarer Arrestschaden geltend gemacht worden, und dass es entgegen Praxis und Literatur annehme, Art. 273 SchKG lasse den Arrestgläubiger auch für bloss mittelbaren Schaden haften. a) Der Arrestschuldner begründete sein Sicherheitsleistungsgesuch vom 21. April 1966 mit dem Schaden, der ihm aus dem ungerechtfertigten Arrest erwachse. Er sprach dabei von Schaden schlechthin, ohne ihn auf die Kosten und Umtriebe des zu erwartenden Arrestprosequierungsprozesses zu beschränken. Da auch der angefochtene Entscheid sich über die Natur des in Frage stehenden Schadens nicht äussert, ist unerfindlich, wieso der Beschwerdeführer behaupten kann, das Kreisamt gehe "in aktenwidriger Weise" davon aus, der Arrestschuldner habe (auch) einen unmittelbaren Schaden geltend und glaubhaft gemacht. Abgesehen davon ist es gar nicht erforderlich, dass der Arrestschuldner Schadenersatzansprüche geltend macht und begründet, da die Sicherheitsleistung, wie jedenfalls ohne Willkür angenommen werden kann, von Amtes wegen anzuordnen BGE 93 I 278 S. 284 ist, wenn die Forderung oder der Arrestgrund zweifelhaft ist (JAEGER N. 5 zu Art. 273 SchKG ). b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts haftet der Arrestgläubiger nur für den unmittelbaren Vermögensschaden, der auf die Behinderung in der Verfügung über die Arrestobjekte zurückzuführen ist ( BGE 34 II 283 , BGE 48 II 236 ), und die Rechtslehre hat sich dieser Auffassung angeschlossen (JAEGER und JAEGER-DAENIKER N. 2 zu Art. 273 SchKG , FRITZSCHE, SchK II S. 227/8, FAVRE, SchK [deutsche Ausgabe] S. 332/3). Ferner hat das Bundesgericht in BGE 48 III 236 /7 die Ansicht geäussert, dass die Kosten des Arrestaufhebungs- und des Arrestprosequierungsprozesses nicht zum unmittelbaren Schaden zu rechnen seien. Das zürch. Obergericht hat jedoch in ZR 27 Nr. 34 S. 60 gegenteilig entschieden. Seine Auffassung, die auch von JUD (Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Arrestrecht des SchKG, Zürch. Diss. 1940 S. 73/4) geteilt wird, stützt sich auf beachtliche Gründe und kann zum mindesten nicht als offensichtlich unrichtig, geradezu unhaltbar bezeichnet werden, zumal da Art. 273 Abs. 1 SchKG vom Schaden schlechthin spricht und nicht zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden unterscheidet. Soweit die im vorliegenden Falle angefochtene Arrestkaution zur Deckung der dem Arrestschuldner im Arrestprosequierungsprozess erwachsenden Kosten bestimmt ist, hält sie daher vor Art. 4 BV stand, obwohl sie auf einer Auslegung von Art. 273 Abs. 1 SchKG beruht, die von der in einem BGE vertretenen abweicht (vgl. BGE 86 I 269 mit Verweisungen). Davon abgesehen ist sie auch deshalb nicht willkürlich, weil sich sehr wohl die Auffassung vertreten lässt, die Verfügungsbeschränkung über ein Wohnhaus samt Mobiliar und weiteren darin befindlichen Vermögenswerten könne einen die Auferlegung einer Arrestkaution rechtfertigenden unmittelbaren Schaden verursachen, wenn die Rechtsverhältnisse zwischen Arrestgläubiger und Arrestschuldner wie hier nicht klar sind und daher über die Begründetheit der Arrestforderung, wie der Beschwerdeführer selber ausführt, in einem ordentlichen Prozessverfahren zu entscheiden ist, das längere Zeit dauern kann. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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Urteilskopf 97 V 103 24. Auszug aus dem Urteil vom 6. April 1971 i.S. Eidgenössische Militärversicherung gegen H. und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 40bis MVG : Genugtuung, Bemessung. Den Eltern des Getöteten ist grundsätzlich nicht gemeinsam eine Genugtuungssumme zuzusprechen, sondern einzeln die angemessene Leistung. Unterschiedliche Summen sind nur dann zuzusprechen, wenn der Verstorbene zu Vater und Mutter eindeutig verschieden intensive Beziehungen gehabt hätte. 10 000 Franken an jeden Elternteil eines in der Rekrutenschule ohne jedes Selbstverschulden tödlich Verunfallten als angemessen erachtet.
Sachverhalt ab Seite 104 BGE 97 V 103 S. 104 Aus dem Tatbestand: Der 1949 geborene Sohn der Beschwerdegegner, M. H., wurde in der Rekrutenschule am 23. April 1969 das Opfer eines Verkehrsunfalles. Motorfahrer U. G. steuerte einen Landrover, in welchem vorne ein Unteroffizier als Beifahrer und hinten M. H. sowie ein weiterer Übermittlungssoldat sassen. Das Gefährt rollte auf einem Feldweg parallel zum Geleise der Rhätischen Bahn gegen die Kantonsstrasse Bonaduz-Versam. Nach Einmündung in diese Strasse musste Motf U. G. den unbewachten, jedoch mit Andreaskreuz, Blinklicht und Glockensignal versehenen Bahnübergang überqueren, um nach Bonaduz zu gelangen. Obwohl Rotlicht und Glocke das Herannahen eines Zuges anzeigten, fuhr U. G. ohne Sicherheitshalt gegen den Niveauübergang. Das Fahrzeug wurde von dem aus Reichenau kommenden Schnellzug erfasst. M. H. erlitt schwere Kopfverletzungen und starb sofort. Der Motorfahrer und die beiden anderen Wehrmänner zogen sich ebenfalls zum Teil schwere Verletzungen zu. M. H. war der älteste Sohn der Familie H.; er hatte einen Bruder und eine Schwester. Nach Beendigung der Primar- und Realschule in Zürich war er 1965 in eine Lehre als Elektromonteur eingetreten, die vertraglich bis am 25. April 1969 hätte dauern sollen. Wenige Tage vor seinem tödlichen Unfall hatte er die Lehrabschlussprüfung bestanden. Er hatte beabsichtigt, sich im Zeichenbüro der Lehrfirma zu spezialisieren und sich später am Technikum weiter ausbilden zu lassen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 40bis Abs. 1 MVG , in Kraft seit dem 1. Januar 1964, kann die Militärversicherung bei Körperverletzung oder im Todesfall "unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen". Gemäss dem Bericht der Expertenkommission für die Revision des Militärversicherungsgesetzes vom Dezember 1961 (S. 28 und 30) und der bundesrätlichen Botschaft betreffend Änderung des MVG vom 26. März 1963 (8bl. 1963 I S. 865/866) soll die Genugtuung im Militärversicherungsrecht zusätzlich zu den bisherigen Leistungen eine einmalige Entschädigung unter BGE 97 V 103 S. 105 Berücksichtigung der besonderen Umstände in Anlehnung an die Praxis der Zivilgerichte sein. Wie gemäss Art. 47 OR ist die Leistung einer Geldsumme als Genugtuung auch im Militärversicherungsrecht nicht an Widerrechtlichkeit und Verschulden geknüpft. Die Verumständungen des kausalen Geschehens sowie die persönlichen Verhältnisse der Ansprecher spielen für die Beurteilung des Genugtuungsbedürfnisses eine massgebende Rolle. Das Gericht verweist im übrigen auf das Urteil vom 30. Juni 1966 i.S. Perego (EVGE 1966 S. 74 ff.). Im vorliegenden Fall ist die Zusprechung einer Genugtuungssumme an die Eltern des tödlich Verunfallten zweifellos gerechtfertigt und auch unbestritten. Zu befinden ist dagegen über die Höhe dieser Genugtuung. 3. "Die besonderen Umstände" entscheiden nicht bloss über die grundsätzliche Frage, ob eine Genugtuung zu leisten sei, sondern sie sind auch für die Bemessung der Genugtuungssumme zu würdigen (vgl. Art. 40bis Abs. 1 MVG ). So ist zunächst auszugehen von der besonderen Schwere und Härte der seelischen Unbill, welche die Leistungsansprecher erlitten haben. Wird ein Mensch durch plötzlichen Tod einer harmonischen Familie entrissen, so liegt darin eine besondere Härte. Das Leid und der seelische Schmerz dieser Angehörigen über den Verlust des Getöteten auf Grund ihrer Beziehungen zu ihm sind in diesem Zusammenhang entscheidende Gesichtspunkte für die Bemessung. Denn die Höhe der Genugtuung hängt wesentlich vom Genugtuungsbedürfnis jedes einzelnen Ansprechers ab. Daraus erhellt, dass Tatbestände, welche Genugtuungsansprüche begründen, einer Generalisierung kaum zugänglich sind, weshalb auf diesem Gebiet Präjudizien sorgfältig zu vergleichen sind. Gerade weil kaum ein Sachverhalt dem anderen gleicht, verlangt das Gesetz die Würdigung der besonderen Umstände. Diese sind in jedem Einzelfall anders. Hängt die Höhe der zuzusprechenden Summe vom Genugtuungsbedürfnis jedes einzelnen Ansprechers nach Massgabe der persönlich erlittenen Unbill ab, so ist Ehegatten, die - wie im gegenwärtigen Fall - als Eltern des Getöteten Leistungsansprecher sind, nicht gemeinsam eine Genugtuungssumme zuzusprechen, sondern grundsätzlich eine individuell bemessene Leistung an jeden Elternteil (vgl. BGE 90 II 83 ). Hinsichtlich der Bemessung ist die unterschiedliche Behandlung der Ehegatten nur dann gerechtfertigt, wenn der Verstorbene eindeutig verschieden intensive Beziehungen zum Vater und zur Mutter BGE 97 V 103 S. 106 gehabt hat; dieser Umstand muss im Prozess nachgewiesen sein oder sich aus äussern Umständen, die ihrerseits zu beweisen sind, aufdrängen. Im allgemeinen, zumal in geordneten und harmonischen Familienverhältnissen, ist anzunehmen, der Verlust eines Kindes werde von beiden Elternteilen gleich schmerzlich empfunden, wenn auch in der Reaktion von Vater und Mutter Unterschiede bemerkbar sein mögen. Ferner kann erhebliches Verschulden des Schädigers zu einer Erhöhung, ein Selbstverschulden des Getöteten zur Herabsetzung oder gar zum Wegfall der Genugtuung führen. 4. In Würdigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles darf ohne Bedenken davon ausgegangen werden, dass die Beziehungen zwischen dem tödlich Verunfallten und seinen Eltern ausgezeichnet waren. Es bestand ein harmonisches Familienleben, in welches der jähe Tod des ältesten Sohnes eine schmerzliche Lücke gerissen hat. Die Freude und der Stolz der Eltern an ihrem ältesten Sohn wurden brutal zerstört; das älteste Kind wird allen Angehörigen für immer fehlen. Der Sohn M. war wenige Tage vor seinem Einrücken in die Rekrutenschule volljährig geworden. Kurz vor dem Unfalltag hatte er seine Berufslehre abgeschlossen; die Mitteilung vom Prüfungserfolg ging den Eltern zwei Tage nach dem tragischen Tode ihres Sohnes zu. Die Eltern hatten für ihn namhafte Anstrengungen in erzieherischer und beruflicher Hinsicht unternommen, Mühen und Sorgen getragen, Opfer gebracht und Geld aufgewendet. Alles erwies sich nun plötzlich als vertan. Es darf weiter angenommen werden, das gemeinsame Familienleben wäre noch von Dauer gewesen, selbst wenn sich der Sohn nach erfolgter Weiterausbildung, die immerhin noch Jahre gedauert hätte, schliesslich verehelicht hätte. Ausserdem war M. H. intelligent, strebsam und von angenehmer Erscheinung. Nach dem üblichen Lauf der Dinge hätte er sich voraussichtlich im privaten und beruflichen Lebensbereich erfolgreich behauptet. Nach den dargelegten Grundsätzen ist bei den geordneten Familienverhältnissen dieses Falles in der Bemessung der Genugtuungssumme Gleichbehandlung der beiden Elternteile gerechtfertigt. Die Beschwerdegegner haben vor erster Instanz für die Mutter eine höhere Summe als für den Vater verlangt. Die dafür vorgebrachte Begründung ist jedoch nicht überzeugend. Wie bereits dargetan, rechtfertigt die unterschiedliche Reaktion eine Abstufung der Genugtuung nicht; denn der plötzliche Tod seines Sohnes dürfte den gesundheitlich widerstandsfähigeren BGE 97 V 103 S. 107 Vater seelisch gleich tief getroffen haben wie die gesundheitlich schwächere Mutter. Was den Unfallhergang selbst betrifft, so fällt das erhebliche Verschulden des Schädigers - im Sinne der Fahrlässigkeit - ins Gewicht, während jegliches Selbstverschulden des Getöteten fehlt. Nach den Ergebnissen der militärischen Strafuntersuchung ist auf der Seite des Militärs lediglich dem Führer des Unglücksfahrzeuges, Motf U. G., ein strafrechtlich erhebliches Verschulden zur Last zu legen. Das Divisionsgericht 5 führt in seinem Urteil vom 26. November 1969 zum Verschulden des U. G. unter anderem aus: "Indem der Angeklagte aber bis zum letzten Augenblick die Bahn- und Warnanlage nicht erkannte, war er in grober Weise unaufmerksam. Den Angeklagten mag dabei nicht zu entlasten, dass er bei einem frühzeitigeren Pfeifsignal des Lokomotivführers vielleicht noch rechtzeitig hätte anhalten können. Hingegen wird dem Angeklagten nicht zum Vorwurf gemacht, er habe im letzten Moment falsch reagiert. Da bei der Fahrweise des Angeklagten die wichtigste Grundvoraussetzung für das Beherrschen des Fahrzeuges, nämlich die Aufmerksamkeit, im entscheidenden Momente, d.h. beim Einbiegen in die Hauptstrasse, fehlte, konnte er der ihm bei eingeschalteter Warnanlage obliegenden Anhaltepflicht vor dem unbewachten Bahnübergang in Bonaduz nicht genügen. Der Angeklagte hat somit die an sich voraussehbaren und prinzipiell auch vermeidbaren tatbestandsmässigen Erfolge in pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht vorausgesehen, weshalb er fahrlässig im Sinne von Art. 15 Abs. 3 MStG gehandelt hat." Diesem Schuldvorwurf ist auch im Hinblick auf die Bemessung der Genugtuungssumme im wesentlichen beizupflichten, obschon er eher wohlwollend ausgefallen ist. Wie festgestellt, trifft den Getöteten keinerlei Selbstverschulden; er hat die Fahrt in Ausübung eines militärischen Befehls und zusammen mit der Dienstgruppe, zu welcher er befohlen war, angetreten. Nach diesen Erwägungen ist dem vorinstanzlichen Entscheid zuzustimmen; mithin erweist sich die Beschwerde der Militärversicherung als unbegründet. Eine Genugtuung von 10 000 Franken für jeden Elternteil erscheint unter den besonderen Umständen jedenfalls nicht unangemessen. Dagegen wäre die gemäss der angefochtenen Verfügung der Militärversicherung festgesetzte Summe von 5000 Franken für jeden Elternteil der Tragik des Falles nicht gerecht geworden; daher ist in Bestätigung des kantonalen Entscheides jedem Elternteil eine Genugtuungssumme von 10 000 Franken zuzusprechen.
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CH_BGE
CH_BGE_007
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962f88b4-2703-4bf4-9800-c3593e0b3796
Urteilskopf 122 IV 193 29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Juli 1996 i.S. D. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden und X. S., Y. S. und Z. S. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 117 StGB ; fahrlässige Tötung; Verkehrssicherungspflicht von Skipisten (Geländemulde auf Nebenfläche). Für Piste und Pistenrand einerseits sowie für Nebenflächen andererseits bestehen unterschiedliche Verkehrssicherungspflichten. Vor besonderen oder aussergewöhnlichen Gefahren auf Nebenflächen müssen die Skifahrer durch eine unmissverständliche Signalisation gewarnt werden, die sicherstellt, dass sie wissen, wo die offiziellen, gesicherten Pisten verlaufen (Bestätigung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 193 BGE 122 IV 193 S. 193 Am 16. Januar 1993 fuhr Frau S. auf der Melchsee-Frutt Ski. Auf dem Verbindungsstück Erzegg-Balmeregg verliess sie die Piste und fuhr einige Meter neben ihr auf gut befahrbarem, offenem Gelände talwärts. Nach etwa 70 m Fahrt, 15 m von der Piste entfernt, stürzte sie in eine schlecht BGE 122 IV 193 S. 194 sichtbare, quer verlaufende, 5 m tiefe Geländemulde, wobei sie sich einen Genickbruch zuzog, der zum Tod führte. Mit Urteil vom 14. Dezember 1994 erkannte das Kantonsgericht Obwalden den Pisten- und Rettungschef für das Skigebiet Melchsee-Frutt, D., der fahrlässigen Tötung schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 600.--. Die Zivilansprüche der Angehörigen des Opfers wurden dem Grundsatz nach anerkannt und die Zivilkläger im übrigen auf den Weg der Zivilgerichtsbarkeit verwiesen. Mit Urteil vom 26. Oktober 1995 hiess das Obergericht des Kantons Obwalden als Appellationsinstanz in Strafsachen die Strafappellation des Verurteilten teilweise gut, hob das angefochtene Urteil in bezug auf die Höhe der Anwaltsentschädigung an die Zivilkläger auf und bestätigte im übrigen Schuldspruch und Strafe. Dagegen erhebt D. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, soweit es ihn der fahrlässigen Tötung schuldig spreche, ihn zu einer Busse verurteile und die Zivilansprüche dem Grundsatz nach anerkenne, und die Sache sei zu seiner Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Nach der Rechtsprechung trifft die für die Sicherheit eines Skigebiets Verantwortlichen eine unterschiedliche Verkehrssicherungspflicht für Piste und Pistenrand einerseits sowie für Nebenflächen anderseits ( BGE 115 IV 189 E. 3b). Im Bereich von Piste und Pistenrand haben die Verantwortlichen durch geeignete Sicherungs- bzw. Warnungsmassnahmen dafür zu sorgen, dass Skifahrern aus Gefahren kein Schaden erwächst ( BGE 115 IV 189 E. 3a, BGE 111 IV 15 E. 2). Aber auch vor besonderen oder aussergewöhnlichen Gefahren auf Nebenflächen, die beim Verlassen der Pisten drohen, müssen Skiläufer in hinreichender Weise gewarnt werden ( BGE 115 IV 189 E. 3b): So muss im Bereich von abzweigenden wilden Abfahrten mit einer ausdrücklichen Warntafel oder einer Wimpelschnur das Ausscheren in eine nicht gesicherte Strecke mit atypischen Gefahren verhindert werden ( BGE 115 IV 189 E. 3c, bestätigt in BGE 117 IV 415 E. 5a; PADRUTT, Grenzen der Sicherungspflicht für Skipisten, ZStR 103/1986, S. 407; NAY, Der Lawinenunfall aus der Sicht des Strafrichters, Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung in Graubünden, ZGRG, 1994, S. 54). BGE 122 IV 193 S. 195 Wie weit der einer erhöhten Sicherungspflicht unterworfene Bereich der Piste und des Pistenrands in räumlicher Hinsicht geht, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab ( BGE 101 IV 396 E. 2b). Für SCHULTZ kommt als Pistenrand nur ein ganz enger Raum, der unmittelbare Grenzbereich der Piste in Frage, wenn dort besondere Umstände eine Gefahr begründen (ZBJV 121/1985, S. 39). PADRUTT erachtet das auf etwa Schwungbreite an die Piste anstossende Gebiet als mitzusichernden Randbereich (a.a.O., S. 402). Die vom Schweizerischen Verband der Seilbahnunternehmungen herausgegebenen Richtlinien über die Verkehrssicherungspflicht für Skiabfahrten (SVS-Richtlinien für Skiabfahrten, 3. Aufl. 1991, N 18) definieren den bei besonderen Gefahrenherden zu sichernden "unmittelbaren Grenzbereich" der Piste ebenfalls als ein Gebiet von etwa Schwungbreite, also rund 2m. b) Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz begann die Geländemulde 5m neben dem Rand der präparierten Piste, wobei sich die Unfallstelle 15 m daneben befand. Jedenfalls im zu beurteilenden Fall kann damit nicht mehr vom Pistenrand gesprochen werden, der einer erhöhten Sicherungspflicht unterworfen ist, sondern das Hindernis befand sich auf einer Nebenfläche. Für solche besteht, wie ausgeführt, eine Sicherungspflicht insoweit, als Skifahrer vor darauf befindlichen besonderen oder aussergewöhnlichen Gefahren durch eine unmissverständliche Signalisation zu schützen sind, die sicherstellt, dass sie wissen, wo die offiziellen, gesicherten Pisten verlaufen ( BGE 115 IV 189 E. 3b). Die Geländemulde stellte nach den Feststellungen der Vorinstanz eine solche aussergewöhnliche Gefahr dar, handelte es sich dabei doch um ein atypisches, gefährliches und fallenartiges Hindernis: Nichts wies darauf hin, dass sich mitten im relativ flachen und offenen Gelände eine quer verlaufende, in Fahrtrichtung steil abfallende, 5 m tiefe Mulde befinden könnte. Soweit der Beschwerdeführer also vorbringt, es habe sich bei der Vertiefung um eine für das Gebiet durchaus typische Gefahr gehandelt, die auch für ortsunkundige Skifahrer ersichtlich gewesen sei, ist er nicht zu hören ( Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP ). Das Verlassen der Piste an dieser Stelle war somit gefährlich. Da die Piste in offenem, weitem Gelände verlief und nur bergseitig, nicht aber talseitig abgegrenzt war, war aber damit zu rechnen, dass ohne hinreichende Warnung Skifahrer neben der Piste fahren würden. Dass an der fraglichen Stelle häufig von der Piste abgewichen wurde, bestätigen sowohl die Fahrspuren BGE 122 IV 193 S. 196 anderer Skifahrer als auch die Aussagen des Beschwerdeführers, wonach bei Verhältnissen, wie sie am Unfalltag herrschten, viele Skifahrer neben den Pisten führen, auch im Bereich der Unfallstelle, wo er immer wieder Skifahrer gesehen habe. Um zu verhindern, dass die Skifahrer in diesem Bereich die Piste verlassen würden, oder sie mindestens vor der drohenden Gefahr zu warnen, wäre demnach mindestens der Pistenrand zu kennzeichnen und mit einer Warnung zu versehen gewesen, dass das Verlassen der Piste an dieser Stelle in ein nicht gesichertes Gebiet mit atypischen Gefahren führen würde; oder aber die Geländemulde hätte markiert oder aufgefüllt werden müssen. Da der Beschwerdeführer, obwohl er die fragliche Geländemulde kannte und wusste, dass an dieser Stelle immer wieder Skifahrer von der Piste abzweigen, eine entsprechende Sicherung unterliess, hat ihm die Vorinstanz zu Recht eine Sorgfaltspflichtverletzung zur Last gelegt. c) Die Sicherung der Stelle wäre auf einfachste Weise zu bewerkstelligen gewesen und war ohne weiteres zumutbar, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt; es kann auf ihre Erwägungen verwiesen werden. Die Piste und die daran angrenzende Nebenfläche wies gemäss dem verbindlich ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ) festgestellten Sachverhalt keine grössere Anzahl von derartigen Mulden auf; nicht zu helfen vermag dem Beschwerdeführer deshalb sein Hinweis auf angeblich viele ähnliche Vertiefungen in der südlichen Hälfte der Melchsee-Frutt, da das übrige Gebiet nicht Gegenstand des zu beurteilenden Falles ist. d) Der Unfalltod der Skifahrerin ist nicht auf eine unglückliche Verkettung von Umständen zurückzuführen: Bei einer 15 m neben der Piste gelegenen, schlecht erkennbaren, 5 m tiefen Mulde, die in Fahrtrichtung steil abfällt, ist voraussehbar, dass ihr Befahren zu schweren Stürzen mit entsprechenden Folgen führen kann. Somit musste für den Beschwerdeführer erkennbar sein, dass das Unterlassen der Sicherung der fallenartigen Vertiefung einen Erfolg wie den eingetretenen herbeiführen oder mindestens begünstigen könnte. Daran vermag auch die Eigenverantwortung der Skifahrer, auf die sich der Beschwerdeführer beruft, nichts zu ändern. Diese müssen zwar ihre Geschwindigkeit grundsätzlich so bemessen, dass sie auf Sichtweite anhalten können ( BGE 122 IV 17 E. 2b), und gerade ausserhalb der signalisierten Piste besonders vorsichtig fahren. Im zu beurteilenden Fall ist jedoch nicht festgestellt worden, dass das Opfer mit übermässiger Geschwindigkeit gefahren wäre, und da die Geländevertiefung nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht oder nur sehr schlecht erkennbar war und ein BGE 122 IV 193 S. 197 ortsunkundiger Skifahrer nicht mit einem solchen Hindernis rechnen musste, bot auch eine den Sichtverhältnissen angepasste Geschwindigkeit nicht die Gewähr, dass das Hindernis rechtzeitig wahrgenommen werden konnte. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger Tötung verletzt demnach kein Bundesrecht.
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96302840-9588-47fa-ae38-5478519cd189
Urteilskopf 107 III 147 33. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 14 décembre 1981 dans la cause Rockoil S.A. (recours LP)
Regeste Örtliche Zuständigkeit bei der Arrestierung von Forderungen, die nicht in Wertpapieren verkörpert sind und deren Inhaber im Ausland wohnt ( Art. 272 SchKG ). Forderungen, deren Inhaber im Ausland wohnt, werden am schweizerischen Wohnsitz bzw. Sitz des Drittschuldners arrestiert. Der Arrest ist am Ort der Zweigniederlassung des Drittschuldners anzuordnen und zu vollziehen, wenn die Forderung auf dem Geschäftsverkehr mit der Zweigniederlassung beruht. Die Anknüpfung an den Ort der Zweigniederlassung bildet jedoch die Ausnahme, und die Tatsachen, die sie rechtfertigen, müssen bewiesen sein und unzweifelhaft einen überwiegenden Zusammenhang mit der Zweigniederlassung herstellen. Ist dies nicht der Fall, richtet sich die örtliche Zuständikeit nach dem Wohnsitz oder nach dem Sitz des Drittschuldners.
Sachverhalt ab Seite 148 BGE 107 III 147 S. 148 Les sociétés Rockoil S.A., à Panama, et Ducoil Trading AG, à Vaduz, ont conclu un contrat de vente portant sur du kérosène. Sur ordre de l'acheteuse, Rockoil S.A., la Banque de Paris et des Pays-Bas, Suisse, S.A. (Paribas) a émis un crédit documentaire pour le paiement du prix de vente. Rockoil S.A. a également invité Paribas à souscrire une garantie de bonne exécution ("performance bond") couvrant le risque pour la venderesse que l'acheteuse ne prît pas livraison de la marchandise. Paribas a exécuté cet ordre en adressant de son siège de Genève à sa succursale de Lugano le télex qui suit, daté du 7 octobre 1980 et confirmé par lettre du surlendemain: "Par ordre et pour le compte de notre client, Rockoil S.A., Panama, nous émettons par la présente notre garantie irrévocable de bonne exécution no 12326, en faveur de Ducoil Trading AG, Vaduz, pour un montant ne dépassant pas 450'000 dollars américains, garantie entrant en vigueur immédiatement et expirant à Lugano le 31 décembre 1980; cette garantie a pour objet la bonne exécution par notre client de ses engagements selon la lettre de crédit no 27552 émise par nous le 29 août 1980, savoir que notre client, au plus tard le 30 novembre 1980, prendra livraison, à Augusta, Sicile, d'environ 6000 tonnes de kérosène... d'après les modalités de la lettre de crédit. Les fonds dus en vertu de la présente garantie de bonne exécution seront disponibles à vue, sans exception aucune, sur présentation à Paribas Lugano d'une déclaration écrite de Ducoil Trading AG précisant que Rockoil S.A., Panama, a manqué à son obligation de prendre livraison de la marchandise en conformité des conditions du contrat." On ne sait de quelle manière la succursale tessinoise de Paribas a donné connaissance de cet engagement à la société bénéficiaire. Le 9 janvier 1981, Rockoil S.A. a obtenu du Président du Tribunal de première instance de Genève une ordonnance de séquestre contre Ducoil Trading AG pour une créance de 798'705 fr. La mesure portait sur la "créance de Ducoil Trading AG, Vaduz, contre la Banque de Paris et des Pays-Bas, Suisse, S.A., résultant du "performance bond" no 12326 du 9 octobre 1980". Après avoir exécuté le séquestre par un télex adressé au siège de Paribas, à Genève, l'Office des poursuites de Genève a décidé de constater la nullité de la mesure pour défaut de compétence à raison du lieu. A son avis, la créance à mettre sous main de justice était dirigée contre la BGE 107 III 147 S. 149 succursale de Paribas à Lugano et le séquestre relevait donc des autorités tessinoises. Rockoil S.A. a déposé contre cette décision une plainte que l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève a rejetée le 9 septembre 1981. Le Tribunal fédéral a admis le recours de Rockoil S.A. et reconnu la compétence locale des autorités genevoises pour mettre sous main de justice la créance de Ducoil Trading AG contre Paribas. Erwägungen Extrait des considérants: 4. a) L' art. 275 LP règle l'exécution du séquestre par renvoi aux dispositions des art. 91 à 109, relatives à la saisie. Le préposé qui donne suite à l'ordonnance doit donc, en principe, respecter toutes les normes qui s'imposeraient à lui s'il devait procéder à une saisie. Il ne peut dès lors franchir les limites ordinaires de sa compétence territoriale et séquestrer des biens situés hors de son ressort ( ATF 107 III 37 , ATF 80 III 126 , ATF 75 III 26 consid. 1, ATF 64 III 127 ss). Les créances non incorporées dans des papiers-valeurs sont en principe séquestrées au domicile de leur titulaire, le débiteur poursuivi. Si, comme en l'espèce, cet ayant droit n'est pas domicilié en Suisse, la créance est séquestrée au domicile ou au siège du tiers débiteur ( ATF 103 III 90 , ATF 102 III 99 s. consid. 2 et les arrêts cités). L'Autorité de surveillance n'a pas entendu s'écarter de la règle, mais a jugé que la mise sous main de justice doit se faire au lieu de la succursale du tiers débiteur lorsque la créance à séquestrer est liée à l'activité de cet établissement. Dans un arrêt du 16 octobre 1954, en effet, la Chambre de céans a dénié au créancier poursuivant le droit de faire séquestrer globalement au siège d'une banque tous les avoirs que le débiteur pourrait posséder dans chacune des succursales ou agences suisses de l'entreprise. Elle a considéré que le séquestre doit être ordonné et exécuté au siège de la succursale s'il porte sur des créances que le débiteur, domicilié à l'étranger, tire d'affaires traitées avec cette succursale ( ATF 80 III 122 ss). La Chambre de céans n'entend pas abandonner cette jurisprudence. Elle doit néanmoins préciser que l'application du principe énoncé dans l'arrêt précité se limite aux prétentions issues d'opérations, telles les relations de compte courant, dont la localisation au siège d'une succursale peut se faire de manière indiscutable. L'idée même d'un lieu de situation d'une créance est BGE 107 III 147 S. 150 une fiction ( ATF 63 III 44 s.). Les droits, réalités d'essence immatérielle, ne sont pas susceptibles d'être localisés dans l'espace et l'autorité ne peut que déterminer le lieu où se déroulent les actes et les faits qui sont la source ou la conséquence de la prétention en cause. Or le résultat de cet examen prête parfois à discussion quand la créance à séquestrer a sa cause dans une opération commerciale où interviennent, outre la banque, un donneur d'ordre et un bénéficiaire qui peuvent avoir traité l'un avec le siège et l'autre avec une succursale. Force est donc d'établir une présomption, valable dans tous les cas où l'on ne peut déterminer, sans doute possible, si la transaction dont est issue la prétention à mettre sous main de justice se rattache à l'activité du siège ou de la succursale du tiers débiteur. La jurisprudence autorise le séquestre des créances au domicile ou au siège du tiers débiteur lorsque l'ayant droit demeure à l'étranger ( ATF 103 III 90 , ATF 91 III 23 , ATF 76 III 19 , 63 III 44). La localisation auprès d'une succursale représente dès lors une exception. Les faits qui la justifient doivent être prouvés et constituer indubitablement un point de rattachement prépondérant avec la succursale. b) Le séquestre ordonné en l'espèce a frappé une créance issue d'une opération désignée avec précision, sur l'identité de laquelle ni le siège genevois ni la succursale tessinoise de Paribas ne pouvaient avoir la moindre hésitation. Point n'est besoin de qualifier juridiquement cet acte, car la compétence de l'autorité de séquestre ou du préposé chargé de l'exécution ne saurait dépendre d'une analyse détaillée des rapports juridiques dont découle la prétention à mettre sous main de justice. Il suffit de relever que la recourante a chargé Paribas, en s'adressant à son siège de Genève, de contracter un engagement envers Ducoil Trading AG. La banque a exécuté cet ordre par une communication faite de son siège genevois à sa succursale tessinoise. Ni la décision attaquée, ni les pièces du dossier ne permettent de déterminer de quelle manière l'engagement pris par la banque a été porté à la connaissance de la société bénéficiaire. Ducoil Trading AG a certes produit des pièces établissant que les discussions sur l'exécution des obligations contractées par Paribas se sont déroulées avec la succursale de Lugano. Dans les références de cette correspondance, toutefois, tant la succursale tessinoise que la société bénéficiaire ont désigné l'opération en cause comme une garantie bancaire émise par le siège genevois de Paribas ("Re: Performance bond no 12326 for US $ 450'000.-- of Banque de Paris et des Pays-Bas (Suisse) S.A. Geneva, BGE 107 III 147 S. 151 dated 9.10.1980"; "Oggetto: Performance bond no 12326 di US $ 450'000.-- emessa dalla nostra sede di Ginevra in Vostro favore"). Ces éléments ne suffisent pas pour affirmer de manière catégorique que la garantie bancaire de Paribas relève de la sphère d'activité de sa succursale de Lugano et non de son siège principal de Genève. Il y a dès lors lieu de s'en tenir à la présomption établie en faveur du for au siège du tiers débiteur. Partant, l'Office des poursuites de Genève était compétent "ratione loci" pour exécuter le séquestre ordonné le 9 janvier 1981, qui frappait la créance de Ducoil Trading AG contre Paribas. L'Autorité de surveillance a jugé à tort que le lieu où la créance à séquestrer peut ou doit être payée détermine la compétence pour ordonner et exécuter la mesure. Un tel critère conduirait à une impasse lorsque la prétention à mettre sous main de justice porte sur une somme d'argent due à une personne domiciliée à l'étranger, en vertu d'un contrat soumis au droit suisse ( art. 74 al. 2 ch. 1 CO ). Et les conventions éventuelles sur le lieu du paiement peuvent être conclues sans forme. On ne saurait exiger du créancier séquestrant qu'il en ait connaissance quand il s'adresse à l'autorité de séquestre.
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9634de9a-9ca3-4b65-ad8e-6cd4849611ff
Urteilskopf 100 III 48 14. Entscheid vom 7. August 1974 i.S. Wehan Trust.
Regeste 1. Betreibung für eine Forderung, für die mehrere Grundstücke verpfändet sind. Die Bestimmung des Art. 816 Abs. 3 ZGB , wonach in diesem Fall die Betreibung auf Pfandverwertung gleichzeitig gegen alle Grundstücke zu richten ist, hat zwingenden Charakter. 2. Ein Rechtsöffnungsentscheid äussert ausschliesslich betreibungsrechtliche Wirkungen; er schafft bloss Recht für die betreffende Betreibung.
Sachverhalt ab Seite 48 BGE 100 III 48 S. 48 A.- Am 15. Oktober 1971 errichtete Ursula Yourievsky-Beer zugunsten des Wehan Trust reg., Vaduz, für den Betrag von Fr. 350 000.-- eine Grundpfandverschreibung im ersten Rang auf Parzelle 9-92 sowie in "letzter Pfandstelle mit einem springenden Nachrückungsrecht" auf weitern 23 Grundbuchparzellen der sog. "Oase-Run-Liung" in Laax. Am 25. Juli 1972 leitete der Wehan Trust für die Forderung von Fr. 350 000.-- gegen Frau Yourievsky beim Betreibungsamt Ilanz Betreibung auf Grundpfandverwertung ein (Betreibung Nr. 298/72). Im Laufe des langwierigen Betreibungsverfahrens leistete die Schuldnerin am 1. Oktober 1973 eine Abschlagszahlung von Fr. 50 000.--. Schliesslich führte das Betreibungsamt Ilanz am 11. Februar 1974 für die Parzelle 9-92 der Oase-Run-Liung die Grundpfandverwertung durch, die jedoch erfolglos verlief. Der Wehan Trust erhielt am 21. Februar 1974 einen Pfandausfallschein. B.- Bereits am 26. Februar 1973 hatte der Wehan Trust gegen Frau Yourievsky für denselben Betrag Betreibung auf Grundpfandverwertung der 23 weiteren verpfändeten Grundstücke BGE 100 III 48 S. 49 angehoben (Betreibung Nr. 76/73). Obwohl die Schuldnerin in diesem Verfahren die.Aberkennungsklage angestrengt hatte, erhielt der Wehan Trust vom Kreisamt Ilanz am 4. Februar 1974 für den erlangten Rechtsöffnungsentscheid eine Rechtskraftbescheinigung, worauf das Betreibungsamt Ilanz der Schuldnerin das Verwertungsbegehren mit der Steigerungsanordnung zustellte. C.- Frau Yourievsky reichte hierauf beim Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden zwei Beschwerden ein. Mit der ersten verlangte sie, dass in der Betreibung Nr. 76/73 die Anordnung der Steigerung aufzuheben und festzustellen sei, dass die Verwertung vor Abschluss des pendenten Aberkennungsprozesses nicht angeordnet werden dürfe. Mit der zweiten Beschwerde beantragte sie, den in der Betreibung Nr. 298/72 erlassenen Pfandausfallschein aufzuheben und das Betreibungsamt Ilanz anzuweisen, eine zweite Steigerung anzuordnen. D.- Der Kantonsgerichtsausschuss behandelte die beiden Beschwerden in demselben Verfahren. Er hob in der Betreibung Nr. 76/73 die Steigerungsanordnung auf. Das Begehren um Anordnung einer zweiten Steigerung in der Betreibung Nr. 298/72 lehnte er ab und erklärte zugleich den ausgestellten Pfandausfallschein als hinfällig. Zudem sistierte er im Betreibungsverfahren Nr. 298/72 die Verwertung, bis das Betreibungsverfahren Nr. 76/73 bezüglich der andern mitverhafteten Grundstücke in das Verwertungsstadium gelangt sei. E.- Gegen dieses Urteil des Kantonsgerichtsausschusses hat der Wehan Trust beim Bundesgericht Rekurs eingereicht. Er stellt folgende Anträge: "a) Es sei das Betreibungsamt anzuweisen, in der Betreibung Nr. 298/72 alle in der Grundpfandverschreibung vom 15. 10. 1971 im Betrage von Fr. 350 000.-- bezeichneten Parzellen zu verwerten. b) Eventualiter: Es sei das Betreibungsamt Ilanz anzuweisen, im Verwertungsstadium die Betreibungen Nr. 298/72 und 76/73 zusammenzulegen. c) Es sei festzustellen, dass das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses in Sachen der Parteien betreffend Rechtsöffnung vom 25.5.1973 rechtskräftig geworden ist." BGE 100 III 48 S. 50 Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Der Rekurrent hatte im Betreibungsbegehren, mit dem er für die Forderung von Fr. 350 000.-- die Grundpfandverwertung verlangte, als Grund der Forderung angegeben: "Grundpfandverschreibung vom 15. Oktober 1972 auf Parzelle 9-92 der 'Oase-Run-Liung' (L- und S-Register) ca. 3619 m2 im I. Rang mit springendem Nachrückungsrecht auf das ganze Grundstück"; zudem hatte er dem Begehren die Grundpfandverschreibung in Photokopie beigelegt. Er verlangte demnach bloss die Verwertung des Grundstückes 9-92 von ca. 3619 m2 der "Oase-Run Liung". Wohl hätte der Betreibungsbeamte auf Grund des Pfandtitels erkennen können, dass für dieselbe Schuld weitere 23 Grundstücke verpfändet waren, und dem Gläubiger mitteilen sollen, dass gemäss Art. 816 Abs. 3 ZGB eine Betreibung auf Pfandverwertung dieses Grundstückes nur möglich sei, falls gleichzeitig die Verwertung aller mit der gleichen Schuld belasteten Grundstücke verlangt werde. Aber entgegen der Ansicht des Rekurrenten durfte der Betreibungsbeamte die Betreibung keinesfalls von sich aus auf die übrigen Grundstücke ausdehnen, deren Verwertung im Betreibungsbegehren nicht verlangt worden war. Infolgedessen kann es nun ebenfalls nicht angehen, das Betreibungsamt anzuweisen, alle Grundstücke in dieser Betreibung zu verwerten. 2. Die Bestimmung des Art. 816 Abs. 3 ZGB ist eine solche zwingenden Rechtes, gegen deren Verletzung die Aufsichtsbehörden von Amtes wegen und unabhängig davon, ob bei ihnen rechtzeitig Beschwerde erhoben worden ist, einzuschreiten haben ( BGE 40 III 248 /249). Die kantonale Aufsichtsbehörde hat deshalb zu Recht in das Betreibungsverfahren Nr. 298/72 eingegriffen und den Pfandausfallschein, der dem Gläubiger nach der unzulässigen Verwertung des Grundstückes 9-92 ausgestellt worden war, für ungültig erklärt. Die Verwertung dieser Parzelle wird erst dann möglich sein, wenn auch das andere Betreibungsverfahren, das sich auf die übrigen 23 Parzellen bezieht, in das Verwertungsstadium gelangt ist. 3. Ein Rechtsöffnungsentscheid äussert ausschliesslich betreibungsrechtliche Wirkungen; er schafft bloss Recht für die BGE 100 III 48 S. 51 betreffende Betreibung. Leitet der Gläubiger demnach für dieselbe Forderung eine neue Betreibung ein, so kann er, auch wenn er in einem frühern Verfahren Rechtsöffnung erlangt hat, dem Schuldner im neuen Rechtsöffnungsverfahren nicht die Einrede der abgeurteilten Sache entgegenhalten (JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl., N. 7 zu Art. 80 SchKG ; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, S. 137). Der Schuldner kann somit die neue Betreibung wiederum durch Rechtsvorschlag hemmen und, sofern dem Gläubiger die provisorische Rechtsöffnung bewilligt wird, die Fortsetzung der Betreibung durch fristgemässes Anheben der Aberkennungsklage verhindern. Alsdann wird erst im Aberkennungsprozess über die Forderung materiell entschieden. Im vorliegenden Fall kann sich folglich der Gläubiger in der Betreibung auf Verwertung der 23 restlichen Parzellen nicht auf den im frühern Verfahren erlangten Rechtsöffnungstitel berufen. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
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1,974
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CH_BGE_005
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9637d794-ffd9-425f-887e-d6e28331b658
Urteilskopf 106 III 8 3. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 30. Mai 1980 i.S. Y. (Rekurs)
Regeste Betreibung gegen einen Minderjährigen. Eine Betreibung, die freies Kindesvermögen im Sinne von Art. 323 Abs. 1 ZGB betrifft, ist ausschliesslich gegen den Minderjährigen anzuheben und durchzuführen. Der Inhaber der elterlichen Gewalt ist in einem solchen Fall nicht Kraft seiner Stellung als gesetzlicher Vertreter, sondern nur mit besonderer Ermächtigung befugt, Beschwerde zu führen (E. 3 und 4).
Sachverhalt ab Seite 8 BGE 106 III 8 S. 8 Am 28. Januar 1980 vollzog das Betreibungsamt W. einen von X. gegen den im Jahre 1961 geborenen Y. für eine Zechschuld von Fr. 792.70 erwirkten Arrestbefehl. Es wurden dabei in der Wohnung in A., die der Schuldner bis anfangs 1980 bewohnt hatte, eine Stereoanlage samt verschiedenem Zubehör, diversen Schallplatten und Tonbändern sowie ein Motorfahrrad mit Beschlag belegt. Am 28. Januar 1980 wurde der in B. wohnenden U. V., der Inhaberin der elterlichen Gewalt über Y., ein Exemplar der Arresturkunde zugestellt. U. V. erhob beim Bezirksgerichtspräsidium als unterer Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde mit dem Antrag, der Arrest sei aufzuheben. Mit Entscheid vom 26. Februar 1980 wurde die Beschwerde gutgeheissen. Der Gläubiger rekurrierte an die obere kantonale Aufsichtsbehörde, die das bezirksgerichtliche Erkenntnis mit Entscheid vom 31. März 1980 aufhob. BGE 106 III 8 S. 9 Als gesetzliche Vertreterin ihres Sohnes Y. erhebt U. V. gegen den zweitinstanzlichen Entscheid Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit den Rechtsbegehren: "1. Es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben. 2. Es sei die Beschwerde gegen den Vollzug des Arrestbefehls Nr. 1/1980 des Betreibungsamtes... zu schützen und der Arrest von Amtes wegen aufzuheben und somit der Entscheid vom 26.2.80 des Bezirksgerichts-Präsidenten... als untere Aufsichtsbehörde in SchKG zu bestätigen." Zur Begründung macht sie im wesentlichen geltend, der Arrest hätte nicht ohne ihre Genehmigung vollzogen werden dürfen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 323 Abs. 1 ZGB steht das, was das Kind durch eigene Arbeit erwirbt und was ihm von den Eltern aus seinem Vermögen zur Ausübung eines Berufes oder eines eigenen Gewerbes zur Verfügung gestellt wird, unter seiner Verwaltung und Nutzung (nach dem früheren Recht hing die Verfügungsbefugnis bezüglich des Arbeitserwerbes davon ab, ob das Kind mit den Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebte oder nicht; vgl. den früheren Art. 295 ZGB ). Hinsichtlich der Auswirkungen dieser Stellung des Kindes auf das Betreibungsrecht hat das Bundesgericht schon unter der Herrschaft des früheren Rechts angenommen, das Kind sei im Rahmen der erwähnten Verfügungsbefugnis handlungsfähig und es stehe ihm dementsprechend die betreibungsrechtliche Beschwerdefähigkeit zu (vgl. BGE 40 III 152 ). In BGE 79 III 106 ff. setzte sich das Bundesgericht mit der Tragweite des Art. 47 Abs. 3 SchKG auseinander und stellte fest, das mit Zustimmung der Eltern ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft lebende Kind sei in bezug auf den eigenen Arbeitserwerb betreibungsfähig, was zur Folge habe, dass dem Kind selber die Schuldnerrechte zukämen (vgl. auch BGE 85 III 165 E. 3). Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht kein Anlass. 3. Eine andere Frage ist, ob und inwiefern die Eltern bzw. der Inhaber der elterlichen Gewalt in das Betreibungsverfahren einzubeziehen sind, mit andern Worten welches ihre Stellung in diesem Verfahren ist. In den erwähnten Urteilen ging das Bundesgericht davon aus, dass die freies Kindesvermögen im Sinne BGE 106 III 8 S. 10 des heutigen Art. 323 ZGB betreffende Betreibung in erster Linie gegen die Eltern als gesetzliche Vertreter des Unmündigen anzuheben und durchzuführen sei, dass die Betreibungsurkunden jedoch auch dem Kind selbst - als "mitbetriebener Person" - zuzustellen seien (vgl. BGE 85 III 165 E. 3; 79 III 108 oben). An dieser Rechtsprechung kann insofern nicht festgehalten werden, als sie dem Gedanken, dem Kind auf einem beschränkten Gebiet die volle Handlungsfähigkeit einzuräumen, zuwenig Rechnung trägt. Dieser Zweck wird lediglich dann erreicht, wenn die Betreibungsurkunden nur dem Unmündigen allein zugestellt werden (vgl. HEGNAUER, N. 51 zu Art. 296 aZGB). Die Frage nach dem Betreibungsort, die sich damit im allgemeinen stellen wird, braucht hier nicht abschliessend erörtert zu werden, da sowohl der Schuldner als auch seine Mutter in der Politischen Gemeinde W. wohnen. Immerhin sei bemerkt, dass bei abweichendem Wohnort wohl die für den Bevormundeten geltende Bestimmung des Art. 47 Abs. 3 SchKG sinngemäss anzuwenden wäre (vgl. BGE 79 III 106 E. 3). Wird aber im Betreibungsverfahren betreffend freies Kindesvermögen im Sinne des Art. 323 ZGB die Verantwortung dem Kind allein überlassen, ist die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern bzw. des Inhabers der elterlichen Gewalt in diesem Umfang ausgeschlossen (vgl. HEGNAUER, N. 53 zu Art. 296 aZGB; zum analogen Fall des entmündigten Volljährigen vgl. KAUFMANN, N. 16, und EGGER, N. 17 zu Art. 412 ZGB ). 4. Aus dem Gesagten erhellt, dass U. V. nicht befugt war, als gesetzliche Vertreterin von Y., d.h. ohne dessen Ermächtigung, Beschwerde zu führen. Den zur Verfügung stehenden Akten ist nichts zu entnehmen, was auf eine solche Ermächtigung schliessen liesse. Indessen erübrigt es sich, dieser Frage weiter nachzugehen und U. V. etwa Frist anzusetzen, um eine allfällige Bevollmächtigung durch ihren Sohn darzutun. Der Rekurs erweist sich ohnehin als unbegründet. Entgegen der darin vertretenen Auffassung verstiess die ohne Einwilligung der Inhaberin der elterlichen Gewalt vollzogene Arrestnahme nicht gegen Bundesrecht. Soweit das Vorliegen eines Arrestgrundes bestritten wird, richtet sich der Rekurs in unzulässiger Weise gegen den Arrestbefehl (vgl. Art. 279 Abs. 1 SchKG ).
null
nan
de
1,980
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
96386e4b-17f3-42f5-a649-0bd5de807122
Urteilskopf 82 IV 29 8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Februar 1956 i.S. Zürcher gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste 1. Art. 33 MFG unterstehen ausser Handkarren und Zugwagen lediglich für Tierbespannung gebaute und bestimmte landwirtschaftliche Fahrzeuge (Erw. 1 lit. a). 2. Art. 38 Abs. 4 MFV . a) Zur Fortbewegung durch einen Traktor bestimmte landwirtschaftliche Anhängewagen müssen, auch wenn sie parkiert sind, dieser Vorschrift entsprechend beleuchtet sein (Erw. 1 lit. a und b). b) Die rote Reflexlinse ist vom Halter des Fahrzeugs stets in sauberem Zustand zu halten (Erw. 2 lit. b). 3. Art. 125 und 237 StGB . Rechtserheblicher Kausalzusammenhang. Tatfrage - Rechtsfrage (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 29 BGE 82 IV 29 S. 29 A.- Am 30. Oktober 1954, um 18.05 Uhr, führte Werner Rupp, auf dem Soziussitz begleitet von Helene Zimmerli, seinen Motorroller bei Dunkelheit mit 40-45 km/Std auf der trockenen, 6 m breiten Ausserortsstrecke von BGE 82 IV 29 S. 30 Reiden Richtung Wikon. Kurz nach der Abzweigung zum Kieswerk Aecherli stiess er mit einem auf der rechten Strassenseite stationierten, unbeleuchteten Anhängewagen zusammen, den der Landwirt Gottfried Zürcher dort parkiert hatte, um mit dem Traktor in dem links der Strasse gelegenen Acker ein zweites Fuder zu holen und dann den ganzen Anhängerzug nach Hause zu führen. Rupp und seine Begleiterin wurden durch den Aufprall zu Boden geworfen, wobei ersterer sich eine einfache Oberschenkelfraktur, Quetschungen am rechten Oberschenkel und innere Verletzungen zuzog, während letztere am rechten Oberschenkel Quetschungen erlitt. B.- Die Untersuchung durch das Statthalteramt Willisau führte am 31. Mai 1955 zur Einstellung des Verfahrens gegen Zürcher. Werner Rupp und Helene Zimmerli zogen am 7. Juni 1955 die Sache an das Amtsgericht Willisau weiter. Dieses verurteilte am 21. September 1955 Gottfried Zürcher wegen Übertretung von Art. 38 Abs. 4 MFV , fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs und fahrlässiger schwerer Körperverletzung zu Fr. 70.- Busse. Es warf ihm vor, trotz nächtlicher Dunkelheit den nur mit einer Reflexlinse versehenen Anhänger unbeleuchtet auf einer verkehrsreichen Strasse parkiert zu haben. Damit habe er die Hauptursache des Unfalls gelegt. Nach Art. 38 Abs. 4 MFV seien landwirtschaftliche Anhängewagen vorne links mit einem weissen Licht zu versehen. Diese Vorschrift gelte nicht nur für Anhängerzüge, sondern auch für allein parkierte Anhänger. Weiter müsse ihm zur Last gelegt werden, dass die Reflexlinse beschmutzt gewesen sei, was ihre Rückstrahlwirkung dermassen herabgesetzt habe, dass Rupp den Anhänger nicht rechtzeitig habe wahrnehmen können. Durch die Übertretung der MFV habe er auch den öffentlichen Verkehr gestört und den Tatbestand der fahrlässigen schweren Körperverletzung erfüllt. C.- Zürcher führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei das Urteil vom 21. September 1951 aufzuheben BGE 82 IV 29 S. 31 und er sei in allen Punkten freizusprechen, eventuell lediglich wegen Übertretung von Art. 38 Abs. 4 MFV mit Fr. 20.- zu büssen. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt in ihrer Vernehmlassung, das Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventuell sei die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer bestreitet, zur Beleuchtung seines Anhängewagens verpflichtet gewesen zu sein. Zur Begründung macht er geltend, er sei damals im Begriffe gewesen, den Anhänger mit dem Traktor vom Felde nach Hause zu führen. Bis zur Vereinigung mit dem Zugwagen habe es sich bei seinem Anhänger um ein landwirtschaftliches Fahrzeug gehandelt, das er entsprechend der Vorschrift von Art. 33 MFG nicht habe beleuchten müssen. Ob schliesslich ein Pferdezug oder ein Traktor den Anhänger abgeholt habe, ändere daran bis zum Augenblick des "Einspannens" nichts. Überdies besage Art. 38 Abs. 4 MFV nichts über die Beleuchtung parkierter Anhänger. a) Dem ist nicht beizupflichten. Nicht jeder zu landwirtschaftlichen Zwecken verwendete Anhängewagen untersteht solange Art. 33 MFG, als er nicht mit einem Zugwagen oder Zugtier bespannt ist. Vielmehr erfasst Art. 33 MFG ausser Handkarren und Zugwagen lediglich für Tierbespannung bestimmte und gebaute Fahrzeuge. Dies geht sowohl aus dem französischen als auch aus dem italienischen Gesetzestext hervor, wo von "véhicules à traction animale" und "veicoli a trazione animale" die Rede ist. Damit wird aber generell auf die Fortbewegungsart hingewiesen, für welche das Fahrzeug gebaut und bestimmt ist ( BGE 72 II 211 ). Auf die momentane Verbindung mit einem Zugwagen oder Zugtier kommt ebensowenig an wie darauf, ob das Fahrzeug überhaupt bespannt ist oder nicht. Es wäre widersinnig anzunehmen, vor dem "Einspannen" und nach dem "Ausspannen" des Zugwagens BGE 82 IV 29 S. 32 könne ein landwirtschaftlicher Anhängewagen bei Nacht unbeleuchtet im Bereiche des allgemeinen Verkehrs stehen gelassen werden, während er in Verbindung mit einem Traktor beleuchtet werden muss. Dass im vorliegenden Fall der Anhänger des Beschwerdeführers nicht für Tierbespannung, sondern zur Fortbewegung durch einen Traktor bestimmt war, bestreitet Zürcher mit Recht nicht. Landwirtschaftliche Anhängewagen dieser Art unterstehen der Vorschrift des Art. 38 Abs. 4 MFV (STREBEL, Kommentar N. 33 zu Art. 17 und N. 17 zu Art. 19). Somit war der Beschwerdeführer verpflichtet, seinen Anhänger vorne links mit einem weissen Licht zu versehen. Dass er dies unterlassen hat, wird ihm zu Recht als Übertretung von Art. 38 Abs. 4 MFV zur Last gelegt. b) Dem Schuldspruch steht auch nicht entgegen, dass sich der Anhängewagen des Beschwerdeführers zur Zeit des Zusammenstosses nicht in Fahrt befand, sondern still stand. Zwar schreibt Art. 38 Abs. 4 MFV nicht ausdrücklich vor, das betreffende Fahrzeug müsse auch beim Parkieren beleuchtet sein. Doch lässt die ratio legis keine andere Auslegung zu. Ob ein landwirtschaftlicher Anhängewagen sich in Fahrt befindet oder auf der Strasse still steht: in jedem Falle ist er ein Strassenbenützer, der neben den Motorfahrzeugen und Radfahrern einen Teil der Fahrbahn beansprucht, durch die Art seines Fahrens Kollisionen herbeiführen kann und im Stillestehen ein Verkehrshindernis darstellt sogut wie im Fahren. Die Pflicht, auch einen parkierten Anhängewagen zu beleuchten, ergibt sich somit unmittelbar aus Art. 38 Abs. 4 MFV und nicht - wie die Vorinstanz annimmt - aus Art. 39 MFV . 2. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs und fahrlässiger schwerer Körperverletzung ficht der Beschwerdeführer mit der Begründung an, es fehle zwischen den ihm zur Last gelegten Unterlassungen und dem Zusammenstoss am rechtserheblichen Kausalzusammenhang. Das weisse Licht vorne links am Anhänger hätte ein von hinten aufholender Fahrzeugführer BGE 82 IV 29 S. 33 nicht wahrnehmen können, weil es durch den Anhängewagen selbst verdeckt werde. Für die von hinten herankommenden Strassenbenützer sei die rote Reflexlinse bestimmt. Diese sei zwar leicht beschmutzt gewesen, was jedoch keinen Straftatbestand erfülle. a) Die Vorinstanz sieht darin, dass der Beschwerdeführer es unterlassen hatte, seinen auf der Strasse parkierten Anhänger nach der Vorschrift des Art. 38 Abs. 4 MFV zu beleuchten, die Hauptursache des Zusammenstosses. Damit ist der natürliche Kausalzusammenhang in für den Kassationshof verbindlicher Weise festgestellt. Überprüfbare Rechtsfrage ist dagegen, ob die Ursachenfolge adäquat sei ( BGE 76 II 318 ). Dies ist vorliegend zu bejahen. Nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge war die pflichtwidrige Unterlassung des Beschwerdeführers geeignet, eine Kollision herbeizuführen. Der Einwand, dass das weisse Licht von einem von hinten aufholenden Fahrzeugführer nicht hätte wahrgenommen werden können, findet weder in den Akten noch in den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils eine Stütze. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Strahlen des weissen Lichtes selbst bei verdeckter Lichtquelle von Rupp hätten gesehen werden können, weil der Lichtschein sich von seinem dunklen Hintergrund abhebt und zudem angeleuchtete Gegenstände (z.B. die Strasse) sichtbar macht. Dass nach Art. 38 Abs. 4 MFV das weisse Licht vorne links am Anhängewagen anzubringen ist und damit in erster Linie der Warnung des entgegenkommenden Fahrzeugführers dient, schliesst keineswegs aus, dass es auch als Gefahrsignal für den auf derselben Fahrbahn verkehrenden Strassenbenützer wirkt. b) Auch wenn übrigens mit dem Beschwerdeführer der rechtserhebliche Kausalzusammenhang zwischen dem Fehlen des weissen Lichtes und dem Zusammenstoss verneint würde, wäre das Endergebnis kein anderes. Art. 38 Abs. 4 MFV schreibt vor, dass landwirtschaftliche Anhängewagen hinten mit einer roten Reflexlinse BGE 82 IV 29 S. 34 versehen sein müssen. Der damit verfolgte Sicherheitszweck ist offenkundig: es soll das auf die Reflexlinse einfallende Licht eines anderen Fahrzeuges in der Weise zurückgeworfen werden, dass der Widerschein vom aufholenden aufmerksamen Fahrzeugführer aus angemessener Entfernung wahrgenommen werden kann. Der Wirkungsgrad eines solchen Rückstrahlers hängt damit vom Zustand seiner Spiegelfläche ab. Ist sie beschmutzt, wird das auftreffende Licht nicht oder nur ungenügend zurückgeworfen, und die gewollte rechtzeitige Warnung des herannahenden Fahrzeuges unterbleibt. Schreibt das Gesetz schon vor, dass landwirtschaftliche Anhängewagen mit einer Reflexlinse zu versehen seien, so verpflichtet es den Halter sinngemäss auch dazu, diese Sicherheitsvorrichtung stets in einem Zustand zu erhalten, dass sie ihren Zweck erfüllen kann. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Begriff der Betriebs- und Verkehrssicherheit des Art. 17 MFG. Dieser Vorsichtspflicht hat der Beschwerdeführer nicht genügt. Nach der für den Kassationshof verbindlichen Feststellung der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP) war die Reflexlinse an seinem Anhängewagen derart beschmutzt, dass ihre Rückstrahlwirkung herabgesetzt war. Dies führte unter anderem dazu, dass Rupp den Anhänger nicht schon aus einer Entfernung wahrnahm, die es ihm erlaubt hätte, rechtzeitig nach links auszuweichen und den Zusammenstoss zu vermeiden. Den Beschwerdeführer entlastet dabei nicht, dass er seiner Frau auftrug, sich mit einer weissen Schürze beim Anhänger aufzustellen. Dadurch konnte die mangelnde Wirkung der Reflexlinse nicht ausgeglichen werden. Der rechtserhebliche Kausalzusammenhang zwischen seiner Pflichtverletzung und dem Unfall ist gegeben. Er wird auch dadurch, dass noch ein anderer schuldhaft zum Erfolg beiträgt, nicht unterbrochen. Voraussetzung ist nur, dass das Verhalten des Beschwerdeführers allein nach dem normalen Lauf der Dinge geeignet war, den Erfolg herbeizuführen ( BGE 73 IV 232 ; BGE 77 IV 188 ). Das liegt aber bei der Missachtung des BGE 82 IV 29 S. 35 Art. 38 Abs. 4 MFV , der gerade dazu bestimmt ist, Zusammenstösse zwischen Fahrzeugen zu verhüten, auf der Hand. Die Vorinstanz hat daher zu Recht die eingetretene Verkehrsstörung und die schwere Körperverletzung des Rupp auf die Fahrlässigkeit des Zürcher zurückgeführt und diesen nach Art. 237 Ziff. 2 und Art. 125 Abs. 2 StGB schuldig erklärt
null
nan
de
1,956
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
963ef4df-973a-415c-a3f2-9dc450f62695
Urteilskopf 96 II 47 10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Februar 1970 i.S. Suter gegen Dübendorfer und Mitbeteiligte.
Regeste Verzug des Käufers. 1. Art. 82, 108 Ziff. 3 und 214 Abs. 1 und 2 OR. Recht des Verkäufers, bei einem Grundstückkauf ohne weiteres vom Vertrage zurückzutreten, wenn der Käufer bis zu einer bestimmten Zeit zahlen sollte, aber nicht zahlt (Erw. 1 und 2). 2. Art. 91 OR . Die Ablösung eines Pfandrechtes durch den Verkäufer ist keine Vorbereitungshandlung im Sinne dieser Bestimmung (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 48 BGE 96 II 47 S. 48 A.- Frau Ida Dübendorfer und ihre fünf Kinder, die zusammen eine Erbengemeinschaft bildeten, verkauften mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 16. Mai 1959 dem Liegenschaftenhändler Jakob Suter 12'960 m2 Acker- und Wiesland in der Gemeinde Rümlang. Der Preis betrug Fr. 298'080.--, wovon Fr. 40'000.-- bei der Beurkundung erlegt wurden und Fr. 258'000.-- bei "der grundbuchlichen Eigentumsübertragung", die bis spätestens 1. Oktober 1959 stattfinden sollte (Ziff. 9 des Vertrages), zu bezahlen waren. Nach weitern Vertragsbestimmungen war das Land von dem darauf lastenden Pfandrecht zu befreien und der Käufer berechtigt, an seiner Stelle einen Dritten in die Rechte und Pflichten des Vertrages eintreten zu lassen. Die Eigentumsübertragung fand bis zum 1. Oktober nicht statt. Am 7. Oktober 1959 teilte die Erbengemeinschaft dem Suter mit, dass sie wegen Verzuges des Käufers vom Vertrag zurücktrete. Zur Fertigung des Kaufes sei ein fester Termin vereinbart worden, den er nicht eingehalten habe; der Vertrag sei deshalb gemäss Art. 108 Ziff. 3 OR dahingefallen. Am 14. Oktober 1959 begab Suter sich mit dem Kaufpreisrest auf das Notariat Niederglatt, um seine Erfüllungsbereitschaft darzutun. Er forderte die Verkäufer zudem schriftlich auf, am 20. Oktober 1959 um 14 Uhr bei der Eigentumsübertragung mitzuwirken. Die Erbengemeinschaft hielt an ihrer Rücktrittserklärung jedoch fest. Am 9. Juli 1963 verkaufte sie das Land zum Preise von Fr. 583'200.-- an einen Dritten. B.- Mit Klage vom 18. November 1963 belangte Suter Frau Dübendorfer und vier ihrer Kinder auf Fr. 407'220.-- Schadenersatz wegen Nichterfüllung des mit ihm abgeschlossenen Kaufvertrages. Im Verlaufe des Verfahrens setzte er die Schadenersatzforderung auf Fr. 285'120.-- (nebst 5% Zins seit 26. September 1963) herab. Das Bezirksgericht Dielsdorf und am 11. Juli 1969 auch das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage ab. Das Bezirksgericht hielt den Kaufvertrag vom 16. Mai 1959 wegen Missachtung der Sperrfrist des Art. 218 OR für nichtig, und das Obergericht begründet seinen Entscheid vor allem damit, es sei vorab Sache des Klägers gewesen, Vorbereitungen für die Übergabe des Kaufpreises und die damit verbundene Eigentumsübertragung zu treffen, wenn er vermeiden wollte, BGE 96 II 47 S. 49 dass die Beklagten vom Vertrag zurücktraten; er habe es indes unterlassen, den Beklagten den Kaufpreisrest rechtzeitig auch nur anzubieten, weshalb die Verkäufer berechtigt gewesen seien, ohne weiteres vom Vertrag zurückzutreten ( Art. 214 Abs. 1 OR ). Unter diesen Umständen habe der Kläger keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages. C.- Mit der Berufung beantragt der Kläger dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage gutzuheissen. D.- Die Beklagten halten die Berufung für unbegründet und beantragen, sie abzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Ob die Beklagten befugt waren, am 7. Oktober 1959 den mit dem Kläger abgeschlossenen Kaufvertrag vom 16. Mai 1959 durch Rücktritt aufzuheben, hängt vor allem von der Bedeutung ab, welche Ziffer 9 des Vertrages beizumessen ist. Nach dieser Bestimmung hatte "die grundbuchliche Eigentumsübertragung" bis spätestens 1. Oktober 1959 stattzufinden. Die Bezahlung des Kaufpreisrest hing damit zusammen, da die Schuld von Fr. 258'080.-- "anlässlich der grundbuchlichen Eigentumsübertragung" zu begleichen war. Daraus erhellt, dass der Vertrag nach dem Willen der Parteien in der Zeit vom 16. Mai bis 1. Oktober 1959 erfüllt werden sollte. Die gegenseitigen Leistungen waren während dieser Zeit nicht nur erfüllbar, sondern vom 16. Mai an auch fällig ( Art. 75 OR ). Jede Partei konnte unter der Voraussetzung, dass sie selber erfüllungsbereit war, die andere zur Erfüllung des Vertrages anhalten ( Art. 82 OR ): Der Käufer durfte von den Verkäufern die schriftliche Anmeldung verlangen, die zur Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch erforderlich war ( Art. 665 Abs. 1 ZGB , Art. 11 ff., insbes. Art. 18 GBV ), und die Verkäufer konnten vom Käufer den noch ausstehenden Kaufpreis fordern. Nach dem angefochtenen Urteil hat der Kläger die Beklagten in der Zeit zwischen dem Vertragsabschluss und dem 1. Oktober 1959 weder zur Eigentumsübertragung aufgefordert noch ihnen den Kaufpreisrest angeboten. Er will sich auf den 1. Oktober hin mit dem Notariat Niederglatt in Verbindung gesetzt haben, um die Fertigung des Kaufes durch die Erben Dübendorfer zu BGE 96 II 47 S. 50 veranlassen, versäumte jedoch den äussersten Termin für die Erfüllung des Vertrages. Da er bis zum 1. Oktober nicht leistete, kam er, wie die Vorinstanz ihm mit Recht entgegenhält, mit Ablauf dieses Tages in Verzug. 2. Die Beklagten hatten dem Kläger das Eigentum am Grundstück Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreisrestes zu übertragen. Daher konnten sie gemäss Art. 214 OR , der auf den Grundstückkauf sinngemäss anwendbar ist ( Art. 221 OR ; BGE 86 II 234 ), beim Zahlungsverzug des Klägers vom Vertrag zurücktreten, obwohl sie sich dieses Recht nicht ausdrücklich vorbehalten hatten. Der Rücktritt konnte "ohne weiteres" erfolgen (Art. 214 Abs. 1). Die Beklagten brauchten also dem Kläger keine Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen. Sie mussten ihm aber den Rücktritt "sofort" anzeigen (Art. 214 Abs. 2), d.h. sobald es ihnen nach dem gewöhnlichen Geschäftsgang und den besonderen Umständen des Falles zugemutet werden konnte (vgl. BGE 69 II 245 Erw. 5). Das haben sie am 7. Oktober 1959 getan. Ihre Erklärung erfolgte rechtzeitig. Sie haben sie nicht spekulativ verzögert, und dem Kläger ist aus dem Zeitablauf von nur sechs Tagen kein Nachteil entstanden. Es steht namentlich nicht fest, dass er in der Zwischenzeit Vorbereitungen für die Erfüllung getroffen habe und dadurch benachteiligt worden wäre. Dass sich die Beklagten in der Erklärung vom 7. Oktober 1959 auf Art. 108 Ziff. 3 OR berufen haben, schadet nichts. Der Kläger wurde dadurch nicht irregeführt. Der Rücktritt stand den Beklagten auch nach dieser Bestimmung zu. Sie erlaubt dem Gläubiger, ohne Ansetzung einer Frist zur nachträglichen Erfüllung vom Vertrag zurückzutreten, "wenn sich aus dem Vertrage die Absicht der Parteien ergibt, dass die Leistung genau zu einer bestimmten oder bis zu einer bestimmten Zeit erfolgen soll". Im vorliegenden Falle traf das letztere zu, denn die Eigentumsübertragung hatte "bis spätestens 1. Oktober 1959" zu erfolgen, weshalb auch der "bei der grundbuchlichen Eigentumsübertragung" zu zahlende Kaufpreisrest spätestens in diesem Zeitpunkt zu leisten war. Die Rücktrittserklärung war ferner auch unter dem Gesichtspunkt der Art. 107/108 nicht etwa verspätet, so dass der Kläger sie als ungültig hätte betrachten dürfen. Wer nach Art. 108 OR auf die nachträgliche Erfüllung verzichten will, muss dies "unverzüglich" nach dem BGE 96 II 47 S. 51 Eintritt des Schuldnerverzuges tun ( Art. 107 Abs. 2 OR ; BGE 54 II 31 f.). Die Erklärung der Beklagten vom 7. Oktober 1959 entsprach dieser Anforderung sogut wie dem Art. 214 Abs. 2 OR . 3. Der Kläger bestreitet den Beklagten das Recht, vom Vertrage zurückzutreten, weil sie ihrer Pflicht, das Pfandrecht abzulösen, nicht nachgekommen, am 7. Oktober 1959 also selber nicht erfüllungsbereit gewesen seien. Solange sie diese Vorbereitungshandlung für die Eigentumsübertragung nicht vorgenommen hätten, seien sie zudem im Sinne von Art. 91 OR in Verzug gewesen; sie könnten sich daher nicht auf Art. 214 OR berufen, noch einwenden, der Kläger hätte sie zuerst zur Erfüllung auffordern müssen. a) Der Kläger vermöchte aus der Nichtablösung des Pfandrechtes höchstens dann etwas abzuleiten, wenn er die Beklagten rechtzeitig und erfolglos zur Erfüllung angehalten, d.h. sie aufgefordert hätte, ihm spätestens am 1. Oktober 1959 gegen Zahlung des Kaufpreisrestes das vom Pfandrecht befreite Grundstück zu übertragen. Er wäre dann vielleicht nicht in Verzug gekommen, denn die allfällige Säumnis der Beklagten hätte ihn berechtigt, den Kaufpreisrest zurückzuhalten ( Art. 82 OR ). Der Kläger hat jedoch die Erfüllung erst am 14. Oktober 1959 verlangt. Zu dieser Zeit war der Vertrag durch den Rücktritt der Beklagten schon aufgehoben. Der Rücktritt setzte die Ablösung des Pfandrechtes nicht voraus. Nur wer den andern zur Erfüllung der Gegenleistung anhalten will, muss allenfalls entweder schon erfüllt haben oder die eigene Leistung vertragsgemäss anbieten. b) Auch Art. 91 OR hilft dem Kläger nicht. Die Beklagten waren nicht im Annahmeverzug. Die Ablösung des Pfandrechtes war nicht eine Vorbereitungshandlung, ohne die der Kläger nicht zu erfüllen imstande gewesen wäre. Er hat die Zahlung des Kaufpreises auch nicht rechtzeitig, d.h. spätestens am 1. Oktober 1959 angeboten. Ob er dies gemäss Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR am Wohnsitz der Beklagten hätte tun müssen oder wegen der Abrede, der Kaufpreisrest sei "anlässlich der grundbuchlichen Eigentumsübertragung" zu zahlen, beim zuständigen Notariat und Grundbuchamt tun durfte, kann offen bleiben, denn der Kläger hielt das Geld auf dem Notariat erst am 14. Oktober 1959 zur Verfügung. In diesem Zeitpunkt war der Vertrag schon aufgelöst und brauchten die Beklagten die Leistung nicht mehr anzunehmen. BGE 96 II 47 S. 52 4. Waren die Beklagten somit zum Rücktritt befugt, so verletzten sie dadurch, dass sie das Land im Juli 1963 an einen Dritten verkauften, den mit dem Kläger abgeschlossenen Vertrag nicht, sind ihm folglich auch nicht zu Schadenersatz verpflichtet. Da die Klage schon aus diesem Grunde abgewiesen werden muss, braucht nicht geprüft zu werden, ob es sich um ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne von Art. 218 OR handelte und, wenn ja, ob die Beklagten es bereits am 16. Mai 1959 ohne Verletzung der Sperrfrist hätten veräussern können. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts (I. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 11. Juli 1969 bestätigt.
public_law
nan
de
1,970
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
96449b94-6298-4a51-af82-e3c2479274ad
Urteilskopf 112 II 191 31. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Mai 1986 i.S. Kanton Graubünden gegen Gordona S.A. (Direktklage gemäss Art. 42 OG )
Regeste Art. 42 OG ; Zuständigkeit des Bundesgerichts. Klagen auf Feststellung der Nichtigkeit und Auflösung von juristischen Personen gemäss Art. 27 Abs. 1 lit. b BewG und Art. 57 Abs. 3 ZGB gelten nicht als vermögensrechtlich und können deshalb nicht gestützt auf Art. 42 OG direkt beim Bundesgericht angehoben werden (E. 2).
Erwägungen ab Seite 191 BGE 112 II 191 S. 191 Erwägungen: 1. Mit Klageschrift vom 22. Januar 1986 hat der Kanton Graubünden beim Bundesgericht gestützt auf Art. 27 Abs. 1 lit. b BewG und Art. 57 Abs. 3 ZGB eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit und Auflösung der Gordona SA, Roveredo, eingereicht. Der Nettoerlös aus der Liquidation sei dem Kanton Graubünden auszuhändigen. Die Zuständigkeit des Bundesgerichts soll sich aus Art. 42 OG ergeben. 2. a) Art. 42 OG weist dem Bundesgericht als einziger Instanz zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen einem Kanton einerseits und Privaten oder Korporationen anderseits zu, wenn eine Partei es rechtzeitig verlangt und der Streitwert wenigstens Fr. 8'000.-- beträgt. Art. 42 OG verlangt somit einen Mindeststreitwert. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können daher nur vermögensrechtliche Streitigkeiten Gegenstand eines BGE 112 II 191 S. 192 direkten Prozesses gemäss dieser Bestimmung bilden ( BGE 92 II 213 E. 3b; vgl. auch BGE 107 Ib 157 E. 1). b) Das Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit und Auflösung betrifft den Rechtsbestand der Beklagten und ist daher persönlichkeitsrechtlicher Natur. Wohl beantragt der Kläger auch die Zusprechung des Liquidationserlöses. Der Vermögensanfall an das berechtigte Gemeinwesen gemäss Art. 57 Abs. 1 und 3 ZGB bildet jedoch die blosse Folge der Aufhebung der juristischen Person. Es kann daher nicht gesagt werden, mit der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit und Auflösung der Beklagten werde letztlich ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt ( BGE 108 II 78 ; BGE 112 II 3 E. 2). Infolgedessen ist das Bundesgericht zur Behandlung des vorliegenden Direktprozesses nicht zuständig. Eine andere Gesetzesvorschrift, welche die Zuständigkeit des Bundesgerichts begründen könnte, kommt nicht in Betracht.
public_law
nan
de
1,986
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
96486910-d50a-4182-82bb-2488acca3880
Urteilskopf 112 Ia 25 6. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. April 1986 i.S. G. AG gegen S. und Obergericht des Kantons Glarus (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Moderation einer Anwaltsrechnung. Wesen des Moderationsverfahrens im allgemeinen (E. 1aa). Art. 50 Abs. 2 der Glarner Zivilprozessordnung gibt dem Richter nur die Kompetenz, die Höhe der Kostennote zu überprüfen; über den Bestand der Forderung wird im Moderationsentscheid nicht befunden (E. 1bb).
Sachverhalt ab Seite 25 BGE 112 Ia 25 S. 25 A.- In einem Moderationsverfahren legte das Zivilgericht des Kantons Glarus das von der G. AG an Rechtsanwalt S. zu bezahlende Honorar einschliesslich Barauslagen für die Führung eines Prozesses auf Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen auf Fr. 112'000.-- fest. B.- Die beklagte G. AG focht das Urteil des Zivilgerichts mit Berufung und staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht an. Zudem legte sie dagegen kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ein. Der Obergerichtspräsident und am 23. Mai 1984 auch das Obergericht des Kantons Glarus erklärten diese als unzulässig. Das Bundesgericht trat am 23. Oktober 1984 auf die Berufung nicht ein, weil das Zivilgericht als untere und einzige, aber nicht als vom Bundesrecht als solche bezeichnete Instanz entschieden hatte ( Art. 48 Abs. 2 lit. b OG ). Die gegen den Nichteintretensentscheid des Obergerichts geführte staatsrechtliche Beschwerde der Beklagten hiess es am selben Tag gut und trat auf die gegen das Zivilgerichtsurteil gerichtete Beschwerde mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nicht ein. Am 29. April 1985 behandelte das Obergericht die Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten materiell. Aufgrund von Art. 345 Abs. 1 ZPO /GL reduzierte es das von der Beklagten zu zahlende Honorar auf Fr. 84'000.-- zuzüglich Fr. 5'000.-- Barauslagen. BGE 112 Ia 25 S. 26 C.- Diesen Entscheid des Obergerichts hat die Beklagte mit Berufung angefochten (vgl BGE 112 II Nr. 17); zudem machen beide Parteien mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung von Art. 4 BV geltend. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Anwendung des Art. 50 Abs. 2 ZPO /GL, der das Moderationsverfahren wie folgt regelt: "Entsteht zwischen einer Prozesspartei und ihrem Anwalt über dessen Kostennote Streit, so entscheidet darüber der Richter, der das Endurteil gefällt hat, oder, mangels eines solchen, der Richter, bei dem der Prozess anhängig war. Die beiden Parteien werden ohne besondere Prozesseinleitung vor den Richter geladen. Er setzt nach Anhörung der Parteien in freier Würdigung der ortsüblichen Ansätze den Betrag der Anwaltsrechnung endgültig fest." a) Das Obergericht hält mit dem Zivilgericht daran fest, dass der Moderationsrichter nach Glarner Recht ein Leistungsurteil fälle. Andernfalls wäre nach dem angefochtenen Urteil nicht einzusehen, weshalb ein ausgedehntes Verfahren mit Beweisabnahmen durchgeführt werden müsste. Die Beschwerdeführerin habe selbst umfangreiche Ausführungen gemacht und entsprechende Beweise angeboten. Dem Wortlaut von Art. 50 Abs. 2 ZPO /GL könne jedenfalls nichts Gegenteiliges entnommen werden. Soweit allerdings Schadenersatzansprüche gegen den Anwalt den Honoraranspruch überstiegen, seien sie in einem besonderen Prozess abzuklären, für den das Moderationsverfahren nicht präjudizierend sein dürfe. Davon abgesehen nehmen beide Instanzen zumindest sinngemäss an, dass im Moderationsverfahren auch die Einrede der Schlechterfüllung des Auftrags materiell zu prüfen sei. b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, nach herrschender Auffassung werde im Moderationsverfahren nur über die Tarifmässigkeit der Honorarrechnung, nicht aber über die Schuldpflicht des Auftraggebers entschieden. Das müsse auch für den Kanton Glarus gelten. Es gehe weit über den Gesetzeswortlaut hinaus und sei deshalb willkürlich, wenn das Obergericht im Moderationsverfahren sich nicht darauf beschränke, die Übereinstimmung der Honorarrechnung mit der Gebührenordnung des Glarner Anwaltsverbandes (im folgenden: Anwaltstarif) zu untersuchen. Der Beschwerdegegner meint, das Bundesgericht habe im früheren Beschwerdeverfahren verbindlich festgestellt, das Glarner Moderationsverfahren BGE 112 Ia 25 S. 27 führe zu einem Leistungsurteil. Das trifft nicht zu. Es hat vielmehr entschieden, dass jedenfalls, wenn es sich so verhalte, die Nichtigkeitsbeschwerde zugelassen werden müsse. Sache des Obergerichts ist es dann gewesen, zur entsprechenden Rüge der Beschwerdeführerin Stellung zu nehmen. c) Das Bundesgericht prüft nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür, ob Art. 50 Abs. 2 ZPO /GL verletzt ist ( BGE 105 Ia 174 E. 2b mit Hinweisen). Willkür im Sinne von Art. 4 BV liegt bei der Auslegung und Anwendung von Gesetzesnormen nicht schon dann vor, wenn eine andere Auslegung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erschiene. Das Bundesgericht greift erst dann ein, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist ( BGE 107 Ia 12 und 106 Ia 62 je E. 2 mit Hinweisen). aa) Wie das Bundesgericht schon früher festgestellt hat, werden nach wohl überwiegender und für die meisten Kantone geltender Ansicht Anwaltsrechnungen im Moderationsverfahren auf ihre Übereinstimmung mit dem Gebührentarif untersucht, während andere Streitigkeiten im ordentlichen Verfahren auszutragen sind; der Moderationsrichter spricht sich dabei nicht über den Bestand der Forderung aus und sein Entscheid stellt daher auch keinen Rechtsöffnungstitel dar ( BGE 106 Ia 339 E. 3 mit Hinweisen). Auch GULDENER (Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 643 Anm. 45) bezeichnet das als allgemeine Regel, nennt aber immerhin zwei Kantone, wo im Moderationsverfahren auch über den Bestand der Forderung entschieden werde. Das hat offenbar früher für Graubünden gegolten, worauf sich der zitierte Bundesgerichtsentscheid bezogen hat, in welchem jedoch nicht über die Zulässigkeit einer solchen Regelung zu entscheiden war (zur älteren Bündner Praxis PKG 1956 Nr. 106, anders nunmehr PKG 1970 Nr. 52 E. 4, 1972 Nr. 69). Entsprechendes trifft offenbar auf Neuenburg zu (Recueil 1953-57 I, S. 268). Beispiele für die häufigere gegenteilige Lösung, die eine materielle Beurteilung der Honorarforderung ausschliesst, sind etwa Zürich (BACHTLER in SJZ 73/1977, S. 313 ff.), Aargau (HEUBERGER in Brennpunkt 1983, S. 93 ff.), Waadt (JOMINI in JdT 130/1982 III, S. 4 E. 6); derartige Moderationsentscheide enthalten kein Leistungsurteil und berechtigen nicht zu definitiver Rechtsöffnung, wie das auch entschieden wurde für Genf ( BGE 93 I 120 E. 1) und für Bern ( BGE 38 I 507 ). Die Beschwerdeführerin macht zu Recht nicht geltend, dass das Bundesrecht eine umfassende Prüfung und Beurteilung des Honoraranspruchs BGE 112 Ia 25 S. 28 in einem besonderen Moderationsverfahren ausschliesse. Es ist das Teil der den Kantonen zustehenden Autonomie in der Gerichtsorganisation und im Verfahrensrecht. Welche Lösung zweckmässig ist, hat daher der kantonale Gesetzgeber zu entscheiden. bb) Die Beschwerdeführerin stellt entscheidend darauf ab, dass im Glarner Moderationsverfahren zwischen Prozesspartei und Anwalt ein Streit "über dessen Kostennote" zu beurteilen ist, wobei der "Betrag der Anwaltsrechnung" festgesetzt wird. Das Obergericht meint, das schliesse auch eine Reduktion der Kostennote wegen schlechter Mandatsführung ein. Gegen diese Auslegung bestehen erhebliche Bedenken. Art. 50 Abs. 2 ZPO entspricht mit seinem Wortlaut durchaus den Formulierungen des Moderationsverfahrens im engeren, häufigeren Sinn (z.B. Art. 161 OG ). Der Wortlaut legt daher eine ausdehnende Interpretation keineswegs nahe. Dass der mit der Hauptsache befasste Richter zur Moderation der Anwaltsrechnung berufen wird, steht zwar einer solchen Auslegung nicht entgegen. Auch der Verzicht auf besondere Prozesseinleitung (Vermittlung) fällt kaum ins Gewicht. Dagegen ist zu beachten, dass das Rechtsbegehren des Beschwerdegegners ausschliesslich auf "Normierung" seiner Honorarrechnung und nicht auf Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Zahlung gelautet hat. Bemerkenswert ist sodann, dass der Richter nach Anhörung der Parteien in freier Würdigung der ortsüblichen Ansätze den geschuldeten Betrag endgültig festsetzt. Das Verfahren wird nach der Vernehmlassung des Zivilgerichts ohne besondere Prozesskautelen, aber unter Gewährung des rechtlichen Gehörs geführt. Die Ansicht des Obergerichts, der Moderationsrichter müsse ein umfangreiches Verfahren mit Beweisabnahmen durchführen, findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze; dieser schreibt ein vereinfachtes Verfahren vor (formlose Prozesseinleitung, Anhörung der Parteien, Honorarbestimmung in freier Würdigung der ortsüblichen Ansätze). Das ist nur erklärlich als Abweichung von den Erfordernissen eines ordentlichen Prozesses. Die Beschwerdeführerin rügt denn auch, dass ihren zahlreichen Beweisanträgen nicht entsprochen worden ist. Der Glarner Richter moderiert Anwaltsrechnungen somit in einem vereinfachten Verfahren, das ohne weiteres angeht, wo es ausschliesslich um die Prüfung der Tarifmässigkeit geht, das indes durch nichts gerechtfertigt ist, wenn über die Honorarschuld als BGE 112 Ia 25 S. 29 solche unter auftragsrechtlichen Gesichtspunkten entschieden wird ( BGE 106 Ia 340 f.). Verstärkt wird dieses Sonderverfahren noch dadurch, dass der Moderationsentscheid als endgültig bezeichnet wird. Das schliesst nicht nur die Berufung aus, sondern nach dem früheren Entscheid des Obergerichts sogar die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ( Art. 336 ff. ZPO /GL). Selbst wenn aufgrund des Beschwerdeentscheides des Bundesgerichts vom 23. Oktober 1984 die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde zu gewähren ist, entfällt damit das ordentliche Rechtsmittel der Appellation, das grundsätzlich Leistungsurteilen gegenüber gegeben wäre ( Art. 300 ff. ZPO /GL). Es kann offenbleiben, ob eine derartige Sonderbehandlung bundesrechtlicher Ansprüche aus Anwaltsmandat wirksam statuiert werden kann; jedenfalls liegt darin eine derartige Abweichung von allgemeinen Grundsätzen, wie sie auch dem Glarner Prozessrecht innewohnen, dass es dafür einer klaren gesetzlichen Grundlage bedürfte. Eine solche kann etwa in Art. 31 ZPO Neuenburg gesehen werden, nicht aber in Art. 50 Abs. 2 ZPO /GL. Das Obergericht hat deshalb im Ergebnis gegen den Wortlaut des Gesetzes entschieden, ohne dass es sich dafür auf triftige Gründe berufen kann ( BGE 108 Ia 297 , II 151 mit Hinweisen); zumindest hat es dem Gesetz einen Sinn gegeben, den es unmöglich haben kann. cc) Die Beschwerde erscheint mithin insoweit begründet, als sich das Obergericht nicht darauf beschränkt hat, das Honorar des Beschwerdegegners samt Auslagen auf seine Tarifmässigkeit zu überprüfen, sondern in Übereinstimmung mit dem Zivilgericht auf die Frage der gehörigen Mandatserfüllung eingetreten ist und zudem die Beschwerdeführerin zur Zahlung des ermittelten Betrages verurteilt hat. Soweit mit der Beschwerde eine willkürliche Beurteilung der Mandatsführung beanstandet wird, erweist sie sich jedoch als gegenstandslos.
public_law
nan
de
1,986
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CH_BGE_002
CH
Federation
964a92fe-16ef-4b86-abe3-022a63439061
Urteilskopf 107 IV 113 33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. September 1981 i.S. A. und Kons. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 181, 286 StGB ; Nötigung; Hinderung einer Amtshandlung. 1. "Andere Beschränkung" der Handlungsfreiheit verneint in einem Fall relativ kurzfristigen, weder mit einer bestimmten Forderung noch mit irgendwelchen Drohungen verbundenen Verweilens einer Gruppe von Studenten in einer Fakultätssitzung (Erw. 3). 2. Hinderung einer Amtshandlung ( Art. 286 StGB ) hingegen bejaht (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 114 BGE 107 IV 113 S. 114 A.- Am 5. Juli 1979 ca. 20.30 Uhr sollte in der Universität Bern eine Sitzung der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät stattfinden. Es war vorgesehen, ein neues Studien- und Prüfungsreglement der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung zu beraten. Gegen den Entwurf des Reglementes bestand unter den Studenten Opposition. Im Hinblick auf dieses Traktandum war durch Flugblätter zu einer Versammlung der Studenten aufgerufen worden. Um 18.30 trafen sich etwa 80 Studenten im Universitätsgebäude und beschlossen, dass eine 20 köpfige Delegation in der Fakultätssitzung vorsprechen und eine vorbereitete Erklärung über ihre Forderung nach paritätischer Mitbestimmung verlesen sollte. Als nach einer vorangehenden Promotionssitzung der Dozenten gegen 20.30 Uhr die ordentlichen Studenten- und Assistentenvertreter für die anschliessende Sitzung der erweiterten Fakultät den Sitzungsraum betreten konnten, verlangte auch die ad hoc gebildete Delegation von zwanzig Studenten Einlass. Nach einer kurzen Diskussion an der Türe wurde ihnen der Eintritt nicht verwehrt. Die Studenten brachten Sitzgelegenheiten mit, nahmen Platz und überreichten Blumen. Der sitzungsberechtigte Studentenvertreter S. verlas hierauf eine Erklärung, in welcher vor allem die Bildung einer gemischten (paritätischen) Kommission zur Ausarbeitung des umstrittenen Prüfungsreglementes gefordert wurde. Nach dem Verlesen der Erklärung forderte der Dekan, Prof. B., die zwanzigköpfige Delegation auf, das Sitzungszimmer nunmehr zu verlassen; er unterstrich diese Aufforderung dadurch, dass er die Studentin J. am Arm hinausführen wollte. Zwei Professoren, die an die Adresse der Studenten Bemerkungen machten, wurde vom Dekan Schweigen geboten. Obschon damit klargestellt war, dass der Vorsitzende die von den Studenten gewünschte Diskussion BGE 107 IV 113 S. 115 nicht erlaubte, traf die Delegation keine Anstalten, den Saal gemäss Aufforderung zu verlassen. Der Dekan brach darauf die Sitzung ab. Gemäss den von ihm getroffenen Vorbereitungen dislozierten die Dozenten, mit Ausnahme der Professoren W. und I., ins Obergerichtsgebäude, wo die Sitzung ca. um 21.00 Uhr, 10 bis 15 Minuten nach dem Abbruch im Universitätsgebäude, wieder aufgenommen werden konnte. Im Plenarsaal fand die vorgesehene zweite Lesung des umstrittenen Reglementes statt. B.- Wegen dieses Vorfalles vom 5. Juli 1979 wurde in Bern ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren durchgeführt. a) Zehn Studenten, die festgestelltermassen als Angehörige der Delegation den Sitzungsraum betreten haben und der Aufforderung des Dekans zum Verlassen der Sitzung keine Folge leisteten, verurteilte der Gerichtspräsident VII von Bern wegen Hinderung einer Amtshandlung zu je einer Busse von Fr. 50.-- und sprach sie von der Anschuldigung der Nötigung frei. b) Auf Appellation der Verurteilten und der Staatsanwaltschaft überprüfte das Obergericht den Entscheid des Gerichtspräsidenten vollumfänglich. Es erklärte mit Urteil vom 19. Dezember 1980 die zehn Angeklagten der Nötigung schuldig und verurteilte sie zu je einer Busse von Fr. 200.--. Den Tatbestand der Hinderung einer Amtshandlung hielt es ebenfalls für erfüllt, nahm aber an, Art. 286 StGB gehe in der Nötigung auf, es bestehe keine Idealkonkurrenz. C.- Die zehn verurteilten Studenten führen gegen den Entscheid des Obergerichtes vom 19. Dezember 1980 Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Begehren, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung der Angeklagten an die kantonale Behörde zurückzuweisen. Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Schuldspruch wegen Nötigung bezieht sich ausschliesslich auf die Tatsache, dass die Angeklagten nach Verlesen der vorbereiteten Erklärung der Aufforderung des Dekans zum Verlassen des Sitzungsraumes nicht Folge leisteten und dadurch die Aufnahme der Beratungen der erweiterten Fakultät hinderten. Die Schilderung der diesem unberechtigten Verweilen im Sitzungsraum vorangehenden und nachfolgenden Ereignisse (Flugblätter, BGE 107 IV 113 S. 116 Betreten des Sitzungsraumes, Verwendung von Lautsprechern usw.) bildet nicht Gegenstand der Verurteilung, sondern dient der Darstellung des "Umfeldes", in welchem sich der inkriminierte Sachverhalt abspielte. 3. Das Obergericht kam zum Schluss, durch das Verweilen im Sitzungsraum der Fakultät hätten die Angeklagten, die in der Mehrzahl waren - 20 Studenten gegen 17 Dozenten -, die Handlungsfähigkeit der Dozenten stark eingeschränkt und die ordentliche Abwicklung der Sitzung im vorgesehenen Sitzungszimmer zur vorgesehenen Zeit praktisch verunmöglicht. Das übliche Mass der zulässigen Beeinflussung sei damit bei weitem überschritten worden, die Aktion müsse von den gewählten Mitteln her als nötigend im Sinne von Art. 181 StGB qualifiziert werden. a) Nach den massgebenden Feststellungen der Vorinstanz haben die Angeklagten nicht Gewalt angewendet oder ernstliche Nachteile angedroht, um ihrer Forderung nach Diskussion Nachdruck zu verleihen; das unerlaubte Verbleiben im Sitzungsraum wird unter die subsidiäre Klausel des Art. 181 StGB subsumiert und als "andere Beschränkung der Handlungsfreiheit" zu den Nötigungsmitteln gerechnet. b) Die gefährlich weite Formulierung des Gesetzes muss aus rechtsstaatlichen Gründen einschränkend interpretiert werden (vgl. STRATENWERTH I S. 92 f.). In BGE 101 IV 169 wurde bereits hervorgehoben, dass nicht jeder noch so geringfügige Druck auf die Entscheidungsfreiheit eines andern zur Bestrafung führen könne: "Vielmehr muss das verwendete Zwangsmittel das üblicherweise gedultete Mass der Beeinflussung in ähnlicher Weise eindeutig überschreiten, wie es für die vom Gesetz ausdrücklich genannte Gewalt oder die Androhung ernstlicher Nachteile gilt." Als Beispiele solcher anderer Nötigungsmittel werden meist Narkose, Betäubung, schwerer Rausch, Hypnose, sowie Blendung mit Licht, Ausnützung von Verblüffung oder Erschrecken genannt ( BGE 101 IV 169 /170; STRATENWERTH a.a.O.). Als andere Beschränkung der Handlungsfreiheit hat der Kassationshof im erwähnten Präjudiz auch die massive akustische Verhinderung eines Vortrages durch organisiertes und mit Megaphon unterstütztes Schreien gewertet. Die Gleichstellung des organisierten Niederschreiens mit der eigentlichen Gewaltanwendung wurde dort einlässlich begründet, insbesondere auch unter Berücksichtigung der lähmenden Wirkung auf direkt Betroffene. c) In vorliegenden Fall fehlen tatsächliche Elemente, welche es rechtfertigen könnten, das Vorgehen der Studenten mit einer BGE 107 IV 113 S. 117 Gewaltanwendung oder der Androhung ernstlicher Nachteile gleichzustellen. Die Beschwerdeführer verliessen den Sitzungsraum nicht. Damit hinderten sie faktisch die reguläre Durchführung der Sitzung. Was sie von diesem Teil ihrer Aktion erwarteten, ist im angefochtenen Entscheid nicht klar festgestellt. Offenbar hofften sie, es komme doch noch zu einer Diskussion mit den Dozenten, wenn die Delegation einfach nicht weggehe. Mit ihrem Verhalten übten die Beschwerdeführer einen gewissen Druck aus. Das Sitzenbleiben während 5-10 Minuten ohne jede Gewaltanwendung und ohne Drohung stellt jedoch kein Nötigungsmittel dar. Eine oder mehrere Personen, die ein Begehren vorgetragen haben und nachher - trotz Aufforderung - den Besprechungsraum nicht verlassen, um durch ihre weitere Anwesenheit eine Diskussion herbeizuführen, erfüllen den Tatbestand des Art. 181 StGB nicht. Der Druck, der auf diese Weise ausgeübt wird, erreicht jene Intensität nicht, welche die Strafwürdigkeit im Sinne von Art. 181 StGB begründen könnte. Die angestrebte geringfügige Beschränkung der Handlungsfreiheit kann sich konkret nur auf die Möglichkeit der freien Verfügung über den Zeitraum der unerwünschten Anwesenheit der Täter beziehen. Ein eigentlicher Zwang zur Diskussion oder gar zu bestimmten Entscheidungen im Sinne der vorgetragenen Begehren ergibt sich aus dem blossen Verweilen im Sitzungsraum nicht. Im vorliegenden Fall fehlt denn auch jeder schlüssige Anhaltspunkt dafür, dass die anwesenden Dozenten unter den gegebenen Umständen die stillschweigende Weigerung der Delegation als ein schwerwiegendes, der Gewaltanwendung oder Androhung ernstlicher Nachteile gleichkommendes Druckmittel empfunden hätten. Auf Anordnung des Dekans wurde die Sitzung nach kurzer Zeit unterbrochen und in ein anderes Gebäude verlegt. Die Beschwerdeführer haben nicht versucht, dieses vorbereitete Ausweichen zu hindern oder zu stören. Ob es auch möglich gewesen wäre, die Sitzung am ursprünglichen Sitzungsort durchzuführen oder ob es dann zu einer Konfrontation mit Gewaltanwendung gekommen wäre, kann hier offen bleiben. Auf jeden Fall ist das relativ kurzfristige, weder mit einer bestimmten Forderung, noch mit irgendwelchen Drohungen verbundene Verweilen im Sitzungsraum keine Nötigungshandlung. Das üblicherweise geduldete Mass der Beeinflussung wird zwar durch das unerlaubte Verweilen im Sitzungsraum wohl geringfügig überschritten, aber bei weitem nicht derart, dass das Vorgehen als Nötigung zu qualifizieren und somit der Gewaltanwendung oder der Androhung ernstlicher Nachteile gleichzustellen wäre. BGE 107 IV 113 S. 118 4. Muss der Schuldspruch wegen Nötigung aus diesen Erwägungen aufgehoben werden, so stellt sich die Frage, ob eine Bestrafung wegen Hinderung einer Amtshandlung ( Art. 286 StGB ) in Betracht kommt. a) Die Fakultät ist eine Behörde. Die Durchführung der Sitzung einer Behörde stellt eine Amtshandlung dar, welche durch Art. 286 gegen Hinderung strafrechtlich geschützt ist. Wie sich bereits aus der vorstehenden Erwägung ergibt, hat die Studentendelegation durch ihr Verweilen im Sitzungsraum die reguläre Durchführung der Sitzung gehindert, während ca. 15 Minuten sogar verhindert. Dass ihr Verhalten diese Folge haben werde, war den Beschwerdeführern klar, und sie nahmen die Hinderung einer behördlichen Handlung zumindest in Kauf. Die Vorinstanz hat daher zu Recht festgestellt, dass Art. 286 StGB erfüllt sei. b) Ob die Konkurrenzfrage Art. 286/181 StGB im angefochtenen Urteil zutreffend entschieden wurde, ist hier nicht zu prüfen, nachdem eine Bestrafung wegen Nötigung entfällt und eine Konsumtion von Art. 286 StGB durch Art. 181 StGB daher nicht mehr in Frage kommt. c) Für die Anwendung von Art. 286 StGB ist unerheblich, ob im Zeitpunkt des inkriminierten Verhaltens - Sitzenbleiben trotz Aufforderung zum Verlassen des Raumes - die Sitzung der Fakultät formell bereits eröffnet war oder nicht; denn die Beschwerdeführer haben den Straftatbestand nicht nur erfüllt, wenn man die Sitzung als bereits im Gang befindlich betrachtet, sondern auch, wenn sie, um die Eröffnung der ordentlichen Sitzung zu verzögern oder zu verhindern, im Raum blieben. d) Auch wenn - im Sinne der an der bundesgerichtlichen Praxis geübten Kritik (STRATENWERTH II S. 288 f.) - die blosse Weigerung, auf Befehl eines Beamten etwas zu tun (die Türe öffnen, den Namen nennen, usw.), nicht unter Art. 286 StGB fallen sollte, so muss die hier zu beurteilende Unterlassung trotzdem als "Hinderung" erfasst werden; denn es geht nicht einfach um die Passivität des von einer amtlichen Aufforderung Betroffenen, sondern um den durch die Einwilligung des die Sitzung der Behörde leitenden Dekans nicht mehr gedeckten Teil einer "Aktion": Die Beschwerdeführer wollten durch ihr Tun, nämlich durch "Teilnahme" an der Sitzung, den vorgesehenen Ablauf dieser Amtshandlung hindern. Der Eintritt und das Verlesen der Erklärung wurden gestattet, dann aber sollten die Studenten den Saal wieder verlassen und die bis zu diesem Zeitpunkt geduldete Hinderung der BGE 107 IV 113 S. 119 ordentlichen Sitzung abbrechen. Indem sie diese zeitliche Begrenzung der Einwilligung nicht beachteten und unerlaubterweise weiter im Sitzungsraum blieben, haben sie die Amtshandlung - Durchführung der Sitzung - rechtswidrig gehindert. Dass die Hinderung passiv, in Form einer Unterlassung, erfolgen konnte, weil die vorangehende aktive Phase (Betreten des Saales, Verlesen der Erklärung) wegen Einwilligung straflos bleibt, ändert nichts an der Strafwürdigkeit und Rechtswidrigkeit der unerwünschten Anwesenheit. Dass eine Hinderung im Sinne von Art. 286 StGB stets ein aktives Handeln sein müsse und nicht - wie hier - in der unerlaubten Aufrechterhaltung eines zuvor geschaffenen Hindernisses bestehen könne, ergibt sich weder aus dem Wortlaut, noch aus Sinn und Zweck von Art. 286 StGB (vgl. zu diesem Problem: ROBERT SCHNETZER, Die Abgrenzung der Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB vom blossen Ungehorsam, Diss. Basel 1979, S. 86/87).
null
nan
de
1,981
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
96538654-195e-4231-80ac-81a6639884bf
Urteilskopf 105 IV 60 15. Urteil des Kassationshofes vom 2. März 1979 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 51 Abs. 2 und 3 SVG / Art. 56 Abs. 1 und 2 VRV . 1. Art. 56 Abs. 1 VRV bezieht sich auf Unfälle mit Personenschaden, die von Gesetzes wegen eine Benachrichtigung der Polizei erfordern (E. 2a). 2. Voraussetzungen, unter denen die Pflicht, die Unfallendlage zu markieren, auch bei einem Unfall nur mit Sachschaden entstehen kann (E. 2b).
Sachverhalt ab Seite 60 BGE 105 IV 60 S. 60 A.- Am 4. November 1977, um ca. 12.05 Uhr, kam es in D. bei der Einmündung einer Nebenstrasse in die Hauptstrasse zu einer Kollision zwischen den Personenwagen von B. und P., wobei an beiden Fahrzeugen ein Sachschaden entstand. Personen wurden nicht verletzt. Die beiden Unfallbeteiligten stellten ihre Automobile wegen des Mittagsverkehrs auf der Hauptstrasse zur Seite, ohne die Unfallendlage angezeichnet zu haben. B.- Mit Strafbefehl vom 19. Dezember 1977 verurteilte das Bezirksamt Zurzach beide Fahrzeugführer in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG wegen Verstosses gegen Art. 56 Abs. 1 VRV zu einer Busse von je Fr. 50.-. Auf Einsprache von B. sprach das Bezirksgericht Zurzach diesen am 23. Mai 1978 von Schuld und Strafe frei. C.- In Gutheissung einer Berufung der Staatsanwaltschaft auferlegte die 2. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aargau B. am 26. Oktober 1978 wegen Verletzung von Art. 56 BGE 105 IV 60 S. 61 Abs. 1 VRV in Verbindung mit Art. 92 Abs. 1 SVG eine Busse von Fr. 50.-. D.- Mit rechtzeitiger Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht beantragt B., das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei kostenfällig zum Freispruch an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Obergericht wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe gegen Art. 56 Abs. 1 VRV verstossen, als er seinen Wagen ohne Markierung der Unfallendlage von der Kollisionsstelle weg an den Strassenrand gestellt habe. Sofern nämlich ein Geschädigter die Polizei beiziehen wolle, müsse auch bei Unfällen nur mit Sachschaden vor einer Veränderung der Unfallsituation die Endlage auf der Strasse angezeichnet werden. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, Art. 56 Abs. 1 VRV sei in Zusammenhang mit Art. 55 VRV zu sehen. Die Pflicht, die Unfallendlage zu belassen, resp. die Endlage vor einer allfällig notwendigen Veränderung zu markieren, bestehe nur bei Unfällen mit Personenschaden. Das ergebe sich auch aus einer Gegenüberstellung der Absätze 1 und 2 von Art. 56 VRV . Abs. 2 regle die Fälle, bei denen "keine Meldepflicht" bestehe, während sich Abs. 1 demnach ausschliesslich auf Fälle mit Meldepflicht beziehe. 2. a) Für die Beantwortung der Frage, ob Art. 56 Abs. 1 VRV auch bei Unfällen, die lediglich einen Sachschaden zur Folge hatten, Anwendung finde oder nicht, ist von Art. 51 SVG auszugehen. Dieser Artikel verpflichtet in Abs. 2 die an dem Unfall Beteiligten, im Falle der Verletzung von Personen die Polizei zu benachrichtigen (vgl. aber die Einschränkung in Art. 55 Abs. 2 VRV ) und dieser bei der Feststellung des Tatbestandes zu helfen. Gemäss Abs. 3 hat der Schädiger, sofern nur ein Sachschaden entstanden ist, sofort den Geschädigten zu benachrichtigen und ihm Namen und Adresse anzugeben. Wenn dies nicht möglich ist, hat er unverzüglich die Polizei zu verständigen. Die Meldung an die Polizei erfolgt jedoch erst in zweiter Linie. Sie ist nur notwendig, wenn der Schädiger den Geschädigten nicht erreichen kann ( BGE 91 IV 23 ). BGE 105 IV 60 S. 62 Das SVG geht somit davon aus, dass bei einem Unfall mit Personenschaden grundsätzlich die Polizei zu verständigen ist, während bei einem Unfall mit Sachschaden eine Benachrichtigung der Polizei durch den Schädiger nicht als nötig erachtet wird, sofern der Geschädigte erreicht werden kann. Eine Auslegung von Art. 56 VRV unter Berücksichtigung dieser im Strassenverkehrsgesetz statuierten Grundsätze führt zum Schluss, dass Art. 56 Abs. 2 VRV , der von einem Beizug der Polizei spricht, obwohl keine Meldepflicht besteht, sich hauptsächlich auf die in Art. 51 Abs. 3 SVG erwähnten Unfälle mit Sachschaden bezieht, die dem Grundsatze nach keine Benachrichtigung der Polizei nötig machen (vgl. aber auch Art. 55 Abs. 2 VRV ). Art. 56 Abs. 1 VRV , der eine Veränderung der Unfallstelle bis zum Eintreffen der Polizei nur zum Schutz von Verletzten oder zur Sicherung des Verkehrs gestattet, nimmt dagegen offensichtlich auf einen Unfall mit Personenschaden und auf die damit verbundene Verpflichtung, die Polizei zu benachrichtigen, Bezug. Die Verpflichtung, die Unfallendlage zu belassen oder sie vor einer Veränderung zum Schutz von Verletzten oder zur Sicherung des Verkehrs zu markieren, besteht somit aufgrund von Art. 56 Abs. 1 VRV nur für Unfälle mit Personenschaden, die von Gesetzes wegen eine Benachrichtigung der Polizei erfordern. Diese Auslegung entspricht sowohl der Systematik von Art. 51 Abs. 2 und 3 SVG wie den praktischen Gegebenheiten. Würden sich nämlich die in Art. 56 Abs. 1 VRV statuierten Pflichten allgemein auch auf Unfälle ohne Meldepflicht beziehen, würde die Strafbarkeit von Unfallbeteiligten, welche die Unfallendlage ohne Markierung verändern, weil sie der Meinung sind, sie könnten sich ohne Beizug der Polizei über die Schadenstragung einigen, davon abhängen, dass nicht einer von ihnen nachträglich doch noch auf einer Benachrichtigung der Polizei besteht. Andrerseits würde es zu weit führen, beispielsweise einen Schädiger, der im Fall eines Parkschadens den Geschädigten nicht erreichen kann und deshalb die Polizei benachrichtigen muss, zu verpflichten, die Unfallendlage bis zum Eintreffen der Polizei nicht zu verändern. Zu diesem Schluss führt insbesondere auch die Tatsache, dass es in einem solchen Fall dem Ermessen der Polizei überlassen bleibt, ob sie sofortige Erhebungen an Ort und Stelle durchführen oder andere Anordnungen treffen will (vgl. BGE 91 IV 23 ). BGE 105 IV 60 S. 63 b) Indessen ist nicht zu übersehen, dass die Pflicht, die Unfallstelle vor einer allfällig notwendigen Veränderung zu markieren, auch bei einem Unfall ohne obligatorische Meldung an die Polizei entstehen kann. Wo ein Geschädigter von Anfang an auf einer Nichtveränderung der Unfallstelle und auf einem Beizug der Polizei besteht, ist der andere zu solchem Verhalten im Rahmen der in Art. 56 Abs. 2 VRV vorgeschriebenen Mitwirkung bei der Feststellung des Sachverhaltes verpflichtet. Die als sicher erscheinende amtliche Tatbestandsaufnahme darf in diesem Fall nicht dadurch erschwert werden, dass ein Unfallbeteiligter die Unfallendlage ohne Markierung verändert. Geschieht das trotzdem, so verletzt der Betreffende dadurch seine Mitwirkungspflicht, und er macht sich gemäss Art. 96 VRV strafbar. Zu betonen bleibt, dass auch der Geschädigte selbst gegen die Pflicht, bei der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, verstossen kann. Wenn er in Art. 56 Abs. 2 VRV nicht ausdrücklich als Person erwähnt wird, die bei der Sachverhaltsaufnahme mitzuhelfen habe, so offensichtlich deshalb, weil das Gesetz von der Annahme ausgeht, er habe selbst ein Interesse daran, bei der Feststellung des Sachverhaltes teilzunehmen, und es sei deshalb nicht notwendig, ihn ausdrücklich zu erwähnen. Die Nichtmarkierung der Unfallendlage bedeutet indessen dann keinen Verstoss gegen die Mitwirkungspflicht und eine Bestrafung fällt ausser Betracht, wenn die Unfallbeteiligten nach der Kollision angehalten haben und nach einer ersten Besichtigung der Unfallfolgen übereinkommen, die Fahrzeuge von der Strasse wegzustellen, um sich anschliessend ohne Beizug der Polizei über die Schadenstragung zu einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande will einer der Beteiligten dann doch die Polizei beiziehen, so entfällt eine Bestrafung wegen Nichtmarkierung der Unfallendlage, weil beide Beteiligten in gegenseitigem Einverständnis eine Verschlechterung der Beweislage in Kauf genommen haben. Sie genügen in diesem Fall ihren Mitwirkungspflichten, wenn sie nach Erscheinen der Polizei auf dem Unfallplatz so weit zur wahrheitsgetreuen Rekonstruierung des Unfallgeschehens beitragen, als ihnen das möglich und zumutbar ist. 3. Im vorliegenden Fall wurde von der Vorinstanz für den Kassationshofverbindlich festgestellt ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ), dass es bei der Kollision zwischen den Fahrzeugen von B. und BGE 105 IV 60 S. 64 P. lediglich zu Sachschaden kam. B. konnte sich deshalb durch die Nichtmarkierung der Unfallendlage keiner Verletzung von Art. 56 Abs. 1 VRV schuldig machen. Fest steht im weitern, dass weder er noch P. auf einer Nichtveränderung der Unfallstelle bestanden und dass er erst an einen Beizug der Polizei dachte, nachdem sie beide ihre Fahrzeuge am Strassenrand parkiert hatten. B. verletzte deshalb durch die Nichtmarkierung der Unfallendlage auch Art. 56 Abs. 2 VRV nicht. Dass er aber auf andere Weise gegen seine Pflicht, bei der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, verstossen hätte, wird nicht behauptet. Seine Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb gutzuheissen, und die Sache ist zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts - 2. Strafkammer - des Kantons Aargau vom 26. Oktober 1978 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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1,979
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CH_BGE_006
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965cbd21-b84c-4d15-82a9-6ec56a7a0536
Urteilskopf 98 Ia 460 73. Urteil vom 22. November 1972 i.S. Zuberbühler gegen Regierungsrat des Kantons Zürich.
Regeste Art. 4 BV ; Grundsatz von Treu und Glauben, rechtliches Gehör. Treu und Glauben: Die Auskunft eines Sachbearbeiters ohne Entscheidungsbefugnis über den Stand eines Gesuchs bindet die Behörde nicht. Rechtliches Gehör: Anforderungen an die Begründungspflicht im Verwaltungsverfahren unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 BV .
Sachverhalt ab Seite 461 BGE 98 Ia 460 S. 461 A.- § 17a der zürcherischen Verordnung über die Anstellung und Besoldung der Lehrer der kantonalen Mittelschulen vom 28. Juni 1948 (im folgenden kurz "Besoldungsverordnung" genannt) lautet: "Die gewählten Lehrer haben ihren Wohnsitz im Gebiete des Kantons Zürich zu nehmen. Der Regierungsrat kann aus wichtigen Gründen ausnahmsweise die Wohnsitznahme ausserhalb des Kantons bewilligen." Dr. phil. Rolf Zuberbühler ist seit 1967 Hauptlehrer für Deutsch und Latein am Kantonalen Gymnasium Winterthur und wohnt in Rumikon/Russikon ZH. Am 3. Dezember 1971 reichte er bei der Erziehungsdirektion des Kantons Zürich das Gesuch ein, ihm die Wohnsitznahme im Kanton Thurgau zu bewilligen. Zur Begründung brachte er vor, dass er sich verheiraten wolle, auf ruhige Arbeitsverhältnisse angewiesen sei und daher ein eigenes Haus zu bauen gedenke. In dem 12 Kilometer von Winterthur entfernten Gerlikon/TG habe er günstiges Bauland erwerben können. Im Kanton Zürich habe er trotz langwierigen Nachforschens nichts gefunden, was hinsichtlich Preis, Lage oder Bauvorschriften vergleichbar gewesen wäre. Zudem gewähre ihm die Thurgauische Kantonalbank, in deren Dienst sein Vater jahrelang gestanden habe, grosszügige Kreditbedingungen. So könne er sich bei seinen beschränkten finanziellen Mitteln in Gerlikon mit äussersten Einschränkungen ein eigenes Fertighaus gerade noch leisten, während dies in der näheren Umgebung von Winterthur nicht mehr möglich se1. B.- Vor Einreichung seines schriftlichen Gesuchs hatte sich Rolf Zuberbühler beim zuständigen Sachbearbeiter bei der Erziehungsdirektion, Verwaltungsassistent Richard Brand, über das Vorgehen erkundigt. Dieser hatte ihm erklärt, dass für die Erteilung der Bewilligung der Regierungsrat zuständig sei und BGE 98 Ia 460 S. 462 dass sein Gesuch Aussicht auf Genehmigung habe. Am 24. Dezember 1971 erteilte Brand auf telephonische Anfrage Zuberbühlers hin Auskunft über den Stand des Gesuches; es lag ein formeller Antrag des Erziehungsdirektors, Regierungsrat Gilgen, an den Regierungsrat vom 21. Dezember 1971 vor, der auf Gutheissung lautete. C.- Am 7. März 1972 richtete die Erziehungsdirektion des Kantons Zürich folgendes Schreiben an Zuberbühler: "Zu unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass der Regierungsrat es abgelehnt hat, Ihnen die Bewilligung zur Wohnsitznahme in Gerlikon/TG zu erteilen. Es tut uns leid, Ihnen keinen bessern Bescheid geben zu können." Den entsprechenden Beschluss hatte der Regierungsrat des Kantons Zürich bereits am 20. Januar 1972 gefasst. D.- Dr. Rolf Zuberbühler ficht diesen Beschluss des Regierungsrats des Kantons Zürich vom 20. Januar/7. März 1972 mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV an mit dem Antrag, ihn aufzuheben. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat sich mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde vernehmen lassen. E.- Auf ein Wiedererwägungsgesuch vom 29. März 1972 hin verweigerte der Regierungsrat mit begründetem Entscheid vom 7. Juni 1972 Zuberbühler erneut die beantragte Wohnsitzverlegung und trat auf das Gesuch nicht ein. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Prozessuales) 2. Der Beschwerdeführer macht hauptsächlich eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben geltend, welche er darin sieht, dass der Regierungsrat sein Gesuch entgegen der ihm vom zuständigen Sachbearbeiter erteilten Zusicherung abgewiesen habe. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist der Grundsatz von Treu und Glauben, wie er in Art. 2 Abs. 1 ZGB verankert ist, auch im Verwaltungsrecht zu beachten. Es handelt sich dabei um einen unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden, für die gesamte staatliche Tätigkeit geltenden Grundsatz, nach welchem der Bürger Anspruch auf Schutz des berechtigten BGE 98 Ia 460 S. 463 Vertrauens auf behördliche Zusicherungen hat. Eine selbst unrichtige Auskunft oder Zusicherung, welche eine Behörde dem Bürger erteilt und auf die er sich verlassen hat, ist unter gewissen Umständen bindend. Voraussetzung dafür ist, dass die Amtsstelle, welche die Auskunft gab, für die Auskunfterteilung zuständig war, dass der Bürger die Unrichtigkeit des Bescheids nicht ohne weiteres hat erkennen können und dass er im Vertrauen auf die Auskunft eine nicht wieder rückgängig zu machende Disposition getroffen hat ( BGE 96 I 15 f. mit Verweisungen). Der Beschwerdeführer hat nach seiner Ansicht in den Auskünften des Verwaltungsassistenten Brand die verbindliche Zusicherung erblicken dürfen, dass ihm die beantragte Wohnsitzverlegung bewilligt werde. Dem kann nicht gefolgt werden. Brand hat ihn auf seine Anfragen hin jeweils bloss über den Stand der Sache orientiert. Dabei hat er anerkanntermassen nie den Eindruck erweckt, dass er selbst oder der Erziehungsdirektor allein für die Erteilung der Bewilligung zuständig sei, sondern stets darauf hingewiesen, dass die Entscheidung beim Regierungsrat liege. Als der Beschwerdeführer am 24. Dezember 1971 vom befürwortenden Antrag des Erziehungsdirektors an den Regierungsrat Kenntnis erhielt, so konnte ihm dies wohl die Hoffnung geben, dass im Sinne dieses Antrags entschieden und mithin seinem Gesuch stattgegeben werde, nicht aber ihn glauben machen, die Sache sei bereits so entschieden oder der Regierungsrat werde an diesen Antrag gebunden sein. Eine Zusicherung, aufgrund welcher er in guten Treuen seinen Auftrag zum Hausbau hätte erteilen können, wurde ihm nicht gegeben. Die Rüge erweist sich somit als unbegründet. 3. § 17a der Besoldungsverordnung, worauf der angefochtene Entscheid sich stützt, setzt für die ausnahmsweise Bewilligung der Wohnsitznahme ausserhalb des Kantons das Vorliegen wichtiger Gründe voraus, deren Kriterien nicht näher bestimmt sind; zudem handelt es sich um eine Kannvorschrift. Die Bestimmung räumt somit dem Regierungsrat einen sehr weiten Spielraum des Ermessens ein. Entscheiden nach Ermessen heisst aber nicht Entscheiden nach Belieben. Die Behörde ist an die aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung sich ergebenden Kriterien sowie an allgemeine Rechtsgrundsätze gebunden. Eine pflichtgemässe Ermessensbetätigung verlangt, dass alle in der Sache erheblichen Interessen berücksichtigt und sorgfältig BGE 98 Ia 460 S. 464 gegeneinander abgewogen werden ( BGE 95 I 209 E. 3 mit Verweisungen; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, Bern 1969, S. 148; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 4. unver. Aufl., Basel 1971, Nr. 221, 222; GRISEL, Droit administratif suisse, Neuchâtel 1970, S. 171). 4. Der angefochtene Entscheid vom 20. Januar/7. März 1972 ist nicht begründet. Somit kann ihm nicht entnommen werden, von welchen tatsächlichen Gesichtspunkten und rechtlichen Überlegungen der Regierungsrat sich bei der Abweisung des Gesuchs des Beschwerdeführers hat leiten lassen. Es fragt sich deshalb, ob der Entscheid nicht schon deshalb aufzuheben ist. Die fehlende Begründung wird in der staatsrechtlichen Beschwerde allerdings nicht gerügt. Dazu bestand für den Beschwerdeführer jedoch nicht zwingend Anlass. Denn angesichts der Bestimmung des Art. 93 Abs. 2 OG konnte er davon ausgehen, dass der Regierungsrat die Entscheidungsgründe in der Vernehmlassung darlegen werde und er hierauf in einer Beschwerdeergänzung dazu Stellung nehmen könne, womit eine Rüge der Gehörsverweigerung hinfällig würde. Es kann ihm deshalb nicht vorgehalten werden, die Beschwerde sei mangels einer entsprechenden Beanstandung ungenügend substantiiert ( Art. 90 OG ). Auf die Frage ist daher einzutreten. 5. Ob eine kantonale Behörde ihre Verfügungen und Entscheide zu begründen hat, ist vorab eine Frage des kantonalen Rechts. Das zürcherische Verwaltungsrechtspflegegesetz sieht in § 10 - im Gegensatz zu den entsprechenden Erlassen einer Anzahl anderer Kantone - keine Begründungspflicht vor. Die züricherische Rechtsprechung nimmt an, eine solche Pflicht bestehe nur insoweit, als sie im positiven Recht vorgesehen sei ( BGE 96 I 723 mit Verweisungen). Dass der angefochtene Entscheid nicht begründet ist, steht demnach nicht im Widerspruch zum kantonalen Recht. Somit ist bloss zu prüfen, ob sich eine Begründungspflicht unmittelbar aus Art. 4 BV ableiten lässt ( BGE 98 Ia 129 ). a) Es entspricht allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien und insbesondere dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dass die Entscheidungsgründe dem Betroffenen bekannt sein sollen. Denn ohne die Kenntnis der Tatsachen und Rechtsnormen, welche für die entscheidende Behörde massgeblich waren, kann BGE 98 Ia 460 S. 465 er sich oft kein Bild über die Tragweite der Entscheidung machen. Zudem kann er sie nicht sachgemäss anfechten, denn weder er noch die angerufene Rechtsmittelinstanz vermögen sie auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (KLAUS REINHARDT, Das rechtliche Gehör in Verwaltungssachen, Diss. Zürich 1968 S. 230 ff.; TINNER, Das rechtliche Gehör, in ZSR 83/1964 II S. 356/7; BGE 96 I 723 mit Verweisungen). Daraus muss jedoch nicht zwingend gefolgert werden, dass schlechthin jeder Entscheid die Begründung zu enthalten habe. Den genannten Forderungen kann hinreichend entsprochen sein, indem die Entscheidungsgründe auf andere Weise eröffnet werden. Der Anspruch des Einzelnen auf rechtliches Gehör, wie er sich unmittelbar aus Art. 4 BV ergibt, ist in der Regel als gewahrt zu betrachten, wenn ihm die Behörde die Gründe ihrer Entscheidung sonstwie zur Kenntnis bringt. So kann z.B. den Parteien aufgrund vorausgegangener Verhandlungen oder des offen zutage liegenden Beweisergebnisses zum vornherein bekannt sein, weshalb die Behörde so und nicht anders entschieden hat ( BGE 96 I 724 f.). Bei einer Verfügung, welche die Behörde aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu fällen hat, die ihr keinerlei Beurteilungsspielraum oder Ermessen belassen, kann schon der blosse Hinweis auf diese Gesetzesvorschriften für die Kenntnis der Entscheidungsgrundlagen genügen ( BGE 93 I 120 ). Der bundesrechtliche Gehörsanspruch darf ferner dann als gewahrt betrachtet werden, wenn die Instanz, die den Entscheid gefällt hat, ihre Erwägungen in der Stellungnahme zu einem dagegen ergriffenen Rechtsbehelf darlegt und der Betroffene sich dazu äussern kann. In diesem Sinn sieht denn auch Art. 93 Abs. 2 OG vor, dass in Fällen, da die Entscheidungsgründe erst in der Vernehmlassung der Behörde enthalten sind, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Beschwerdeergänzung gegeben werden kann. b) Aus der Besoldungsverordnung selbst ergibt sich nicht, welche tatsächlichen Voraussetzungen als wichtige Gründe für eine ausserkantonale Wohnsitznahme gelten und unter welchen Gesichtspunkten von der Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung Gebrauch zu machen ist. Die Tatsachen und rechtlichen Kriterien, die der Regierungsrat bei der Behandlung eines Gesuchs als massgeblich erachtet, müssen deshalb im Entscheid genannt sein. Denn nur so kann überprüft werden, ob der Regierungsrat sich von sachlich haltbaren Überlegungen hat BGE 98 Ia 460 S. 466 leiten lassen bzw. sein Ermessen pflichtgemäss ausgeübt hat. Im Falle des Beschwerdeführers muss die fehlende Begründung jedenfalls als Verstoss gegen Art. 4 BV angesehen werden, weil dessen Gesuch im Unterschied zu früher behandelten Gesuchen anderer kantonaler Mittelschullehrer abgelehnt wurde; in der Beschwerde wird auf acht Fälle von Bewilligungserteilungen hingewiesen, die nicht bestritten werden. Der negative Entscheid lässt sich demnach nur damit erklären, dass der Regierungsrat entweder die tatsächlichen Verhältnisse beim Beschwerdeführer anders beurteilte oder seine Praxis änderte. Weshalb aber gerade der Beschwerdeführer anders behandelt wird, das zu erfahren hat er im Rechtsstaat Anspruch. Ohne entsprechende Begründung des angefochtenen Beschlusses kann nicht überprüft werden, ob die Gründe für eine unterschiedliche Behandlung, die der Regierungsrat in den tatsächlichen Verhältnissen gesehen haben mochte, oder die Überlegungen, mit denen er eine Praxisänderung hat rechtfertigen wollen, sachlich vertretbar sind ( BGE 96 I 16 E. 3, 37 E. 3, 376 E. 6 b je mit Verweisungen). Der Regierungsrat legt auch in seiner Vernehmlassung vom 12. Juli 1972 nicht dar, aus welchen Gründen er das Gesuch des Beschwerdeführers abgewiesen hat, sondern verweist bloss auf das ihm zustehende Ermessen. Der angefochtene Entscheid ist deshalb aufzuheben. 6. Will der Regierungsrat in einem neuen, begründeten, Entscheid das Gesuch des Beschwerdeführers wiederum abweisen, so wird er darin Gründe anzuführen haben, mit denen sich dessen unterschiedliche Behandlung vor Art. 4 BV halten lässt. Was im Wiedererwägungsentscheid vom 7. Juni 1972, der zwar nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, vorgebracht wird, kann nicht genügen. Entweder muss gesagt werden, dass und inwiefern beim Beschwerdeführer die persönlichen Verhältnisse anders liegen als in den erwähnten Fällen, in denen die ausserkantonale Wohnsitznahme bewilligt wurde, oder es müssen, fall eine Praxisänderung gewollt ist, sachliche Argumente vorgebracht werden, die eine solche rechtfertigen. Eine Praxisänderung lässt sich aber nicht begründen mit dem allgemeinen Hinweis auf die gewünschte Verbundenheit des Mittelschullehrers mit dem Arbeitgeberkanton und dem Interesse der Öffentlichkeit an dessen Steuerleistungen. Denn diese Gedanken liegen schon im Sinn und Zweck der in § 17 a Besoldungsverordnung vorgeschriebenen Residenzpflicht und waren somit BGE 98 Ia 460 S. 467 bereits für die Behandlung der Gesuche der genannten Berufskollegen massgeblich. Es müssten vielmehr die besonderen Gründe angeführt werden, die Anlass zur Aufgabe der bisherigen Praxis geben. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 20. Januar 1972/7. März 1972 aufgehoben.
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966ab095-3751-4f3b-9507-cd84a546b2b6
Urteilskopf 140 III 231 36. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_704/2013 vom 15. Mai 2014
Regeste Art. 9 BV , Art. 176 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB und Art. 271 ff. ZPO ; Begehren um Ehegattenunterhalt im Eheschutzverfahren. Weil die Regelung der Kinderbelange die Höhe des Ehegattenunterhalts beeinflussen kann, ist es im Eheschutzverfahren zulässig und oftmals notwendig, für den Fall, dass eigene Hauptbegehren nicht durchdringen sollten, Eventualbegehren zum Ehegattenunterhalt zu stellen (E. 3.5).
Sachverhalt ab Seite 231 BGE 140 III 231 S. 231 X. (Beschwerdeführerin) und Y. (Beschwerdegegner) heirateten 1995 und wurden Eltern der Kinder A., geboren 1996, und B., geboren 1998. Mit Gesuch vom 8. Januar 2013 ersuchte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin um Eheschutz mit einer Vielzahl von Haupt- und Unterbegehren zur Regelung des Getrenntlebens. Sie beantragte unter anderem, die Kinder unter ihre Obhut zu stellen, den Beschwerdegegner zur Zahlung von monatlichen Kinderunterhaltsbeiträgen von je Fr. 1'000.- zu verpflichten, den Beschwerdegegner zur Zahlung von Fr. 785.- monatlich an ihren persönlichen Unterhalt zu verpflichten und die Unterhaltsbeiträge gerichtsüblich zu indexieren. An der Eheschutzverhandlung vom 12. März 2013 nahmen beide Parteien ohne Rechtsvertreter teil. Streitig war insbesondere die Zuteilung der Obhut über die Kinder. Die wiederum anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin beantragte am 11. April 2013 ergänzend BGE 140 III 231 S. 232 zum Eheschutzgesuch, gerichtlich den ausserordentlichen Güterstand der Gütertrennung per 8. Januar 2013 anzuordnen. Weiter nahm sie am 6. Mai 2013 zum Bericht über die Anhörung der Kinder Stellung, wonach sich beide Kinder klar zu Gunsten eines Verbleibs beim Vater äusserten. Das Bezirksgericht teilte die elterliche Obhut über die Kinder dem Beschwerdegegner zu (Dispositiv-Ziff. 3), verpflichtete den Beschwerdegegner, der Beschwerdeführerin an deren persönlichen Unterhalt ab dem 18. Juni 2013 monatlich Fr. 785.- zu bezahlen (Dispositiv-Ziff. 4), und ordnete die Gütertrennung auf den 11. April 2013 an (Dispositiv-Ziff. 5). Zum Ehegattenunterhalt hielt das Bezirksgericht fest, rechnerisch betrage der Anspruch der Beschwerdeführerin Fr. 1'647.-, doch dürfe ihr nicht mehr zugesprochen werden, als sie im Eheschutzgesuch beantragt habe. Mit kantonaler Berufung focht die Beschwerdeführerin die Dispositiv-Ziff. 4 des bezirksgerichtlichen Entscheids an. Sie beantragte, den Beschwerdegegner zu verpflichten, ihr an den persönlichen Unterhalt monatlich Fr. 2'044.-, eventualiter Fr. 1'647.- zu bezahlen. Das Obergericht wies die Berufung ab, soweit es darauf eintrat. Die Beschwerdeführerin erneuert ihre Berufungsanträge vor Bundesgericht, das die Beschwerde abweist, soweit darauf einzutreten ist. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.5 Der Unwägbarkeit, dass bei beschränkten bis durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen die Regelung der Kinderbelange, namentlich die Bestimmung der Kinderunterhaltsbeiträge, die Höhe des Ehegattenunterhalts beeinflusst, kann mit Eventualanträgen begegnet werden. Auch im Eheschutzverfahren ist es zulässig und oftmals notwendig, für den Fall, dass eigene Hauptbegehren nicht durchdringen sollten, ein oder mehrere Eventualbegehren zu stellen, die - im vorliegenden Zusammenhang - auch weiter gehen können als das entsprechende Hauptbegehren (für ein Beispiel: Urteil 5A_906/2012 vom 18. April 2013 Sachverhalt Bst. C, in: FamPra.ch 2013 S. 715; vgl. zum Begrifflichen: STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 44 S. 156 und § 14 Rz. 9 S. 214). Wie die kantonalen Gerichte willkürfrei annehmen durften, hat zu Eventualbegehren für die Beschwerdeführerin ausreichend Anlass bestanden, da die Zuteilung der Obhut über die Kinder streitig war BGE 140 III 231 S. 233 und die Kinder beim Beschwerdegegner bleiben wollten. Spätestens in ihrer Stellungnahme zum Bericht über die Anhörung der Kinder hätte die erneut anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin für den Fall, dass die Kinderbelange abweichend von ihren Vorstellungen gerichtlich geregelt werden sollten, Eventualbegehren zum Ehegattenunterhalt stellen können. Geänderte und neue Begehren wie z.B. ihr Antrag auf Gütertrennung sind denn auch nach der Eheschutzverhandlung zugelassen worden und wären noch bis zur Urteilsberatung zulässig gewesen (SPYCHER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 7, und SUTTER-SOMM/VONTOBEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 16, je zu Art. 272 ZPO ). Vor dem Hintergrund, dass die Obhutszuteilung streitig und der diesbezügliche Wunsch der Kinder den Parteien bekannt war, hat das Eheschutzgericht der Beschwerdeführerin nicht eigens Gelegenheit geben müssen, sich vor dem Entscheid nochmals zum Ehegattenunterhalt zu äussern und allenfalls geänderte oder neue Begehren zu stellen. Mit der Rechtsanwendung konnte und musste die Beschwerdeführerin aufgrund der veröffentlichten Rechtsprechung vielmehr rechnen, so dass ein verfassungsmässiger Anspruch auf vorgängige Anhörung dazu nicht bestanden hat ( Art. 29 Abs. 2 BV ; BGE 114 Ia 97 E. 2a S. 99; Urteil 5A_561/2011 vom 19. März 2012 E. 10.1, nicht publ. in: BGE 138 III 289 , wohl aber in: Pra 101/2012 Nr. 119 S. 853). Anders verhielte es sich im - hier nicht zutreffenden - Fall, wo die Parteien übereinstimmende Anträge zur Regelung der Kinderbelange stellen, das Gericht aber davon abzuweichen gedenkt. Unter dieser Voraussetzung wäre den Parteien vorgängig die Möglichkeit einzuräumen, ihre Rechtsbegehren anzupassen (vgl. zum Fall teilgenehmigter Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen: BGE 93 II 156 E. 7 S. 160 f.).
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Urteilskopf 136 V 244 30. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. B. gegen Kantonale Arbeitslosenkasse Schwyz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 8C_994/2009 vom 16. April 2010
Regeste Art. 8 Abs. 1 lit. e, Art. 13 Abs. 1 und Art. 121 Abs. 1 AVIG ; FZA; EFTA-Übereinkommen; Verordnung (EWG) Nr. 1408/71; Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit; bilaterales Abkommen Schweiz-Fürstentum Liechtenstein über die Arbeitslosenversicherung. Persönlicher und räumlicher Anwendungsbereich von FZA und EFTA-Übereinkommen. Das Fehlen einer übergreifenden Koordination zwischen den beiden Abkommen führt dazu, dass die Schweiz EU-Staatsangehörigen die in einem anderen EFTA-Mitgliedstaat zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht anrechnen muss (E. 6). Anwendbarkeit der bilateralen Abkommen über die Arbeitslosenversicherung (E. 7).
Sachverhalt ab Seite 245 BGE 136 V 244 S. 245 A. Der 1967 geborene, deutsche Staatsangehörige B. war vom 1. Oktober 2006 bis 30. September 2007 in der Firma X. und vom 1. Oktober 2007 bis 30. September 2008 in der Firma A. AG, beide in Y. (Fürstentum Liechtenstein), tätig. Aus betrieblichen Gründen löste die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis am 27. August 2008 auf den 30. September 2008 auf und stellte den Arbeitnehmer ab sofort frei. Im August 2008 gab B. seinen bisherigen Wohnsitz in Deutschland auf und meldete sich auf den 1. September 2008 in der Gemeinde F. an. Seither ist er im Besitze einer bis 31. August 2013 gültigen Aufenthaltsbewilligung B. Am 7. November 2008 meldete er sich beim Gemeindearbeitsamt F. zur Arbeitsvermittlung und stellte Antrag auf Arbeitslosenentschädigung. Mit Verfügung vom 20. April 2009 lehnte die kantonale Arbeitslosenkasse Schwyz die Anspruchsberechtigung ab 7. November 2008 wegen Nichterfüllung der Beitragszeit innerhalb der Rahmenfrist vom 7. November 2006 bis 6. November 2008 ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 26. Juni 2009 fest. B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 15. Oktober 2009 ab, soweit es darauf eintrat. C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt B. die Zusprechung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung ab 7. November 2008 bis 21. September 2009. Eventuell sei die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder dem EFTA-Gerichtshof vorzulegen. Falls kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bestehe, sei ihm Schadenersatz in Höhe des vorenthaltenen Anspruchs zuzusprechen. Die Arbeitslosenkasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verzichten auf eine Vernehmlassung. Das vom Bundesgericht zur Vernehmlassung aufgeforderte Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), Geschäftsfeld internationale Angelegenheiten, nimmt in abweisendem Sinne Stellung. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die versicherte Person hat unter anderem Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn sie die Beitragszeit erfüllt hat ( Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG [SR 837.0]). Nach Art. 13 Abs. 1 AVIG (in der seit BGE 136 V 244 S. 246 1. Juli 2003 in Kraft stehenden Fassung) hat die Beitragszeit erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist ( Art. 9 Abs. 3 AVIG ) während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Diese Bestimmung bezieht sich auf die Beitragspflicht und setzt daher als Grundsatz die Ausübung einer beitragspflichtigen Tätigkeit in der Schweiz voraus ( BGE 131 V 222 E. 2.1 S. 224). 2.2 Wie bereits das kantonale Gericht festgehalten hat, steht aufgrund der Akten fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt, als er sich am 7. November 2008 bei der Arbeitslosenkasse meldete, für die zwei Jahre davor beginnende Rahmenfrist (vgl. Art. 9 Abs. 3 AVIG ) keine mindestens zwölfmonatige beitragspflichtige Beschäftigung in der Schweiz ausweisen konnte. Nach seiner Einreise in die Schweiz fand er keine Arbeit, weshalb er sich als arbeitslos meldete. Erst am 22. September 2009 konnte er eine neue Stelle im Fürstentum Liechtenstein antreten. 3. 3.1 Am 1. Juni 2002 ist das Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681) in Kraft getreten. Nach Art. 1 Abs. 1 des auf der Grundlage von Art. 8 FZA ausgearbeiteten und Bestandteil des Abkommens bildenden ( Art. 15 FZA ) Anhangs II FZA ("Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit") in Verbindung mit Abschnitt A dieses Anhangs wenden die Vertragsparteien untereinander insbesondere die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: Verordnung 1408/71), und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (SR 0.831.109.268.11; nachfolgend: Verordnung 574/72), oder gleichwertige Vorschriften an. Art. 121 AVIG verweist in Abs. 1 lit. a auf das FZA und die erwähnten Koordinationsbestimmungen. Soweit Bestimmungen dieses Gesetzes den Ausdruck "Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft" verwenden, sind gemäss Art. 121 Abs. 2 BGE 136 V 244 S. 247 AVIG darunter die Staaten zu verstehen, für die das genannte Abkommen gilt. 3.2 Als Angehöriger eines Mitgliedstaates fällt der Beschwerdeführer grundsätzlich in den persönlichen Geltungsbereich des FZA sowie der Verordnungen, auf welche das Abkommen verweist (vgl. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung 1408/71). In sachlicher Hinsicht gilt die Verordnung 1408/71 unter anderem für Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die Leistungen bei Arbeitslosigkeit betreffen (Art. 4 Abs. 1 Bst. g). 3.2.1 Titel II der Verordnung 1408/71 (Art. 13-17a) enthält allgemeine Kollisionsregeln zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften. Dabei legt Art. 13 Abs. 1 den kollisionsrechtlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften nach den Regeln gemäss Art. 13 Abs. 2 bis Art. 17a in dem Sinne fest, dass für jede betroffene Person die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates massgebend sind. Ausnahmen vorbehalten, gilt für Arbeitnehmende das Beschäftigungslandprinzip. Dies trifft auch dann zu, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, den Wohn- oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates hat (Grundsatz der lex loci laboris; Art. 13 Abs. 2 Bst. a der Verordnung 1408/71). Arbeitslos gewordene Migranten unterstehen grundsätzlich dem Sozialversicherungsrecht des Wohnstaates (Art. 13 Abs. 2 Bst. f). In diesem Staat können sie gemäss Art. 67 Abs. 3 der Verordnung 1408/71 nur dann Leistungen bei Arbeitslosigkeit beziehen, wenn sie dort ihre letzte versicherte Beschäftigung ausgeübt haben (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts C 226/04 vom 8. Februar 2006 E. 4 und 5, E. 4 nicht publ. in: BGE 132 V 196 ; BGE 131 V 222 E. 5 S. 227). 3.2.2 In Kapitel 6 des Titels III enthält die Verordnung 1408/71 besondere Vorschriften zur Arbeitslosigkeit, insbesondere in Abschnitt 1 (Art. 67 f.) dieses Kapitels gemeinsame Bestimmungen (Zusammenrechnung der Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten; Berechnung der Leistungen), in Abschnitt 2 (Art. 69 f.) Vorschriften über Arbeitslose, die sich zur Beschäftigungssuche ins Ausland begeben, und in Abschnitt 3 (Art. 71) Bestimmungen in Bezug auf Arbeitslose, die während ihrer letzten Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als dem zuständigen Staat wohnten (vgl. BGE 133 V 169 E. 5.2 S. 175). Art. 71 Abs. 1 Bst. a Ziff. ii und Bst. b Ziff. ii der BGE 136 V 244 S. 248 Verordnung 1408/71 bestimmen, dass bei Vollarbeitslosigkeit echte Grenzgänger ausschliesslich und unechte Grenzgänger für den Fall, dass sie sich den Arbeitsbemühungen ihres Wohnstaates zur Verfügung stellen, Leistungen aufgrund von Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten im Beschäftigungsstaat nach dem Recht des Wohnstaates erhalten ( BGE 133 V 169 E. 6.2 S. 176). Als Grenzgänger gelten nach Art. 1 Bst. b der Verordnung 1408/71 Arbeitnehmer oder Selbstständige, die ihre Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaates ausüben und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnen, in das sie in der Regel täglich, mindestens aber einmal wöchentlich zurückkehren. 4. Als Folge des FZA zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mitgliedstaaten wurde das Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation angepasst, welches in der Fassung gemäss Abkommen vom 21. Juni 2001 zur Änderung des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Übereinkommen; SR 0.632.31) ebenfalls am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist. Laut Art. 20 Abs. 1 des EFTA-Übereinkommens soll der freie Personenverkehr unter den Mitgliedstaaten sichergestellt werden gemäss den Bestimmungen in Anhang K und im Protokoll zu Anhang K über die Freizügigkeit zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein. Nach Art. 21 des EFTA-Übereinkommens regeln die Mitgliedstaaten die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gemäss Anlage 2 Anhang K und durch das Protokoll zu Anhang K über die Freizügigkeit zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweiz. Art. 8 Anhang K "Freizügigkeit (Freier Personenverkehr)" verweist bezüglich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ebenfalls auf Anlage 2. Gemäss Art. 1 Abs. 1 Anlage 2 Anhang K in Verbindung mit Abschnitt A dieses Anhangs wenden die Vertragsparteien untereinander insbesondere die Verordnung 1408/71 und die Verordnung 574/72 an. Darauf verweist auch Art. 121 Abs. 1 lit. b AVIG . 5. 5.1 Die Vorinstanz ging davon aus, der Beschwerdeführer könne aus den Titeln II und III der Verordnung 1408/71 keinen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung ableiten, da aufgrund der fehlenden Koordination zwischen dem FZA und dem EFTA-Übereinkommen bei einer Erwerbstätigkeit, die von einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft BGE 136 V 244 S. 249 (Deutschland) von diesem Staat aus in einem EFTA-Mitgliedstaat (Fürstentum Liechtenstein) zurückgelegten Versicherungszeiten nicht angerechnet werden könnten. 5.2 Der Beschwerdeführer stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, die Verordnung 1408/71 sei anwendbar, weil sämtliche betroffenen Länder (Schweiz, Fürstentum Liechtenstein und Deutschland) zu den Mitgliedstaaten gehörten und er als vollarbeitsloser Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates als Grenzgänger von der Schweiz nach dem Fürstentum Liechtenstein zu betrachten sei. Dem kantonalen Gericht wirft er vor, es habe bei seiner Betrachtungsweise insbesondere dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass er spätestens ab August 2008 von der Schweiz aus eine Grenzgängertätigkeit im Fürstentum Liechtenstein ausgeübt habe. 6. 6.1 Die Verordnung 1408/71 selber regelt ihren räumlichen Geltungsbereich nicht ausdrücklich. Als auf den EG-Vertrag gestütztes Sekundärrecht gilt sie in allen Hoheitsgebieten der am 21. Juni 1999 bestehenden EU-Mitgliedstaaten (vgl. Art. 299 des Vertrags vom 26. Februar 2001 zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Fassung Nizza, ABl. C 325 vom 24. Dezember 2002 S. 149), in den neu beigetretenen Mitgliedstaaten, aufgrund des revidierten Übereinkommens vom 21. Juni 2001 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) für die EFTA-Mitgliedstaaten und aufgrund des FZA auch für die Schweiz (vgl. E. 3.1 hievor). 6.2 6.2.1 Art. 24 FZA bestimmt den räumlichen Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens. Danach gilt dieses "für das Hoheitsgebiet der Schweiz einerseits und die Gebiete, in denen der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Anwendung findet". Diese Bestimmung verweist damit implizit auf Art. 299 des EG-Vertrags (BETTINA KAHIL-WOLFF, La coordination européenne des systèmes nationaux de sécurité sociale, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2007, S. 168 f. Rz. 14). Aufgrund des Beitritts von zehn weiteren Staaten zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 wurde der territoriale Anwendungsbereich des FZA mit Wirkung ab 1. April 2006 auf diese neuen Mitgliedstaaten ausgedehnt (vgl. Protokoll vom 26. Oktober 2004 zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit im BGE 136 V 244 S. 250 Hinblick auf die Aufnahme von neuen Mitgliedstaaten als Vertragsstaaten infolge ihres Beitritts zur Europäischen Union [AS 2006 995]). Eine weitere räumliche Ausdehnung hat das FZA aufgrund des Beitritts von Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union am 1. Juni 2007 gemäss Protokoll vom 27. Mai 2008 zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit im Hinblick auf die Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumäniens als Vertragsparteien infolge ihres Beitritts zur Europäischen Union (SR 0.142.112.681.1) seit 1. Juni 2009 erfahren. Nicht unter den Geltungsbereich des FZA zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft sowie ihren Mitgliedstaaten fallen die dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) angeschlossenen EFTA-Staaten Island, Fürstentum Liechtenstein und Norwegen. 6.2.2 Während der massgebenden Rahmenfrist vom 7. November 2006 bis 6. November 2008 war der Beschwerdeführer bis August 2008 als Grenzgänger von Deutschland aus im Fürstentum Liechtenstein erwerbstätig. Da das Fürstentum Liechtenstein nicht zu den Vertragsstaaten des FZA gehört, gestützt auf welches die Schweiz die Verordnung 1408/71 anwendet, kann sich dieser für die Begründung eines Anspruchs auf Leistungen der schweizerischen Arbeitslosenversicherung nicht auf das FZA berufen. 6.3 6.3.1 Das EFTA-Übereinkommen sieht ebenfalls die Anwendung der Verordnung 1408/71 vor (vgl. E. 4 hievor). Laut Art. 20 des EFTA- Übereinkommens soll es den freien Personenverkehr unter den Mitgliedstaaten zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sicherstellen. Art. 7 Abs. 1 Anlage 1 Anhang K EFTA-Übereinkommen definiert den abhängig beschäftigten Grenzgänger als einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, der eine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer im Hoheitsgebiet des anderen Mitgliedstaates ausübt und in der Regel täglich oder mindestens einmal in der Woche an seinen Wohnort zurückkehrt. 6.3.2 Der räumliche Geltungsbereich des EFTA-Übereinkommens erstreckt sich auf Norwegen, Island, das Fürstentum Liechtenstein und die Schweiz. Als deutscher Staatsbürger gehört der Beschwerdeführer nicht zu den Staatsangehörigen eines der EFTA-Mitgliedstaaten, weshalb er sich für seine Grenzgängertätigkeit in persönlicher BGE 136 V 244 S. 251 Hinsicht nicht über das EFTA-Übereinkommen auf die Verordnung 1408/71 berufen kann. 6.4 6.4.1 Die Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschliesslich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen (ABl. L 124 vom 20. Mai 2003 S. 1-3) dehnt die Bestimmungen der Verordnung 1408/71 auf Drittstaatsangehörige aus, die ihren rechtmässigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und deren Situation mit einem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist (vgl. Art. 1). Da diese Verordnung die Koordination der sozialen Sicherheit auf alle Staatsangehörigen von Drittstaaten mit einem Wohnsitz in einem Mitgliedstaat ausdehnt, könnte gestützt darauf das EFTA-Übereinkommen auf EU-Staatsangehörige angewendet werden. Die Verordnung gründet jedoch nicht auf den Bestimmungen über den Freien Personenverkehr, und der gemischte Ausschuss EU-Schweiz machte von seiner Kompetenz in Art. 18 FZA zur Aktualisierung von Anhang II FZA hinsichtlich der Verordnung Nr. 859/2003 keinen Gebrauch. Sie ist deshalb für die Schweiz im Rahmen des FZA nicht erheblich (STEPHAN CUENI, Die Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU im Bereich der sozialen Sicherheit: Optionen für die Schweiz, in: Das europäische Koordinationsrecht der sozialen Sicherheit und die Schweiz, 2006, S. 288). Das Fehlen einer übergreifenden Koordination zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten, der Schweiz und den EFTA-EWR-Staaten Island, Norwegen und Fürstentum Liechtenstein (vgl. Botschaft vom 12. September 2001 zur Genehmigung des Abkommens vom 21. Juni 2001 zur Änderung des Übereinkommens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation [EFTA], BBl 2001 4985 Ziff. 2.2.5.2) hat aufgrund des unterschiedlichen persönlichen und räumlichen Geltungsbereichs der zwischen den jeweiligen Partnerstaaten geschlossenen Abkommen zur Folge, dass die Schweiz Staatsangehörigen der Europäischen Union in einem anderen EFTA-Mitgliedstaat zurückgelegte Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten nicht anrechnen muss (vgl. auch Kreisschreiben des SECO vom Dezember 2004 über die Auswirkungen des Abkommens über den freien Personenverkehr sowie des geänderten EFTA-Abkommens auf die BGE 136 V 244 S. 252 Arbeitslosenversicherung [KS-ALE-FPV], B 77 ff. sowie Leitfaden des BSV über die Durchführung des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft beziehungsweise des EFTA-Übereinkommens im Bereich der Familienleistungen, 2007, Ziff. 2.1). 7. 7.1 Der Beschwerdeführer beruft sich zudem auf die Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland sowie der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein. Nach Art. 20 FZA und Art. 18 Anhang K EFTA-Übereinkommen werden die bilateralen Abkommen über die soziale Sicherheit zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten, soweit nichts Gegenteiliges bestimmt ist, insoweit ausgesetzt, als im Abkommen derselbe Sachbereich geregelt wird. Laut Art. 6 der Verordnung 1408/71 tritt diese im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs an die Stelle der zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten in Kraft stehenden Abkommen über die soziale Sicherheit. Da weder das FZA noch das EFTA-Übereinkommen auf die Situation des Beschwerdeführers Anwendung finden, behalten die Normen in den zweiseitigen Abkommen betreffend die Grenzgänger weiterhin Gültigkeit (vgl. EDGAR IMHOF, Ausländer/innen von ausserhalb der EU/EFTA und Sozialversicherungen - ein Überblick, SZS 2006 S. 450 Fn. 54; KS-ALE-FPV, B 80 und B 225 ff.). 7.2 7.2.1 Zu prüfen bleibt daher, ob sich aus dem Abkommen vom 15. Januar 1979 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die Arbeitslosenversicherung (SR 0.837.951.4; nachstehend: bilaterales Abkommen) ein entsprechender Anspruch ableiten lässt. 7.2.2 Gemäss Art. 3 des bilateralen Abkommens gilt dieses für Staatsangehörige der beiden Vertragsstaaten sowie für alle Grenzgänger im Sinne von Art. 1 Ziff. 5, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit. Grenzgänger nach Art. 1 Ziff. 5 sind Arbeitnehmer, die im Gebiet des einen Vertragsstaates ihren Wohnsitz haben und im Gebiet des anderen Vertragsstaates einer regelmässigen und ordnungsgemässen Erwerbstätigkeit nachgehen. Laut Art. 4 Abs. 1 richtet sich die Beitragspflicht für Grenzgänger, die nicht Angehörige eines der beiden Vertragsstaaten sind, nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates, in dessen Gebiet die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Sodann erhalten Grenzgänger bei Ganzarbeitslosigkeit Arbeitslosenentschädigung in dem Vertragsstaat, in dessen Gebiet ihr Wohnsitz BGE 136 V 244 S. 253 liegt. Bei der Beurteilung, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, und bei der Festsetzung der Bezugsdauer werden im Wohnsitzstaat die im anderen Vertragsstaat zurückgelegten beitragspflichtigen Beschäftigungszeiten berücksichtigt (Art. 7 Abs. 1). Während der Grenzgängertätigkeit richtet sich die Beitragspflicht somit nach liechtensteinischem Recht. Bei Eintritt der Ganzarbeitslosigkeit wird das Wohnland Schweiz für die Ausrichtung der Arbeitslosenentschädigung zuständig, wobei die während der Grenzgängerzeit zurückgelegten beitragspflichtigen Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen sind (PATRICIA USINGER-EGGER, Die soziale Sicherheit der Arbeitslosen in der Verordnung [EWG] Nr. 1408/71 und in den bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten, 2000, S. 132 f.; diesbezüglich unklar: SVR 2001 ALV Nr. 10 S. 29, C 188/00 E. 2c). 7.2.3 Es stellt sich somit zunächst die Frage, ob die Schweiz mit Bezug auf den Beschwerdeführer als Wohnsitzland gelten kann, da nur in diesem Fall die im Fürstentum Liechtenstein zurückgelegte Beitragszeit zu berücksichtigen ist. Das bilaterale Abkommen definiert den Begriff des "Wohnens" nicht. Im internationalen Sozialrecht wird darunter regelmässig der tatsächliche Aufenthalt in der Schweiz und der Wille, diesen während einer gewissen Dauer beizubehalten verstanden, wobei der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse sich in der Schweiz befinden muss (vgl. BGE 119 V 98 E. 6c S. 108; USINGER-EGGER, a.a.O., S. 118 f.). Im Schreiben vom 11. Oktober 2009 gab der Beschwerdeführer an, er lebe seit August 2008 bei seiner neuen Lebenspartnerin in der Schweiz. Seit 1. September 2008 ist er in der Gemeinde F. angemeldet. Ob er damit bereits einen Wohnsitz in der Schweiz begründet hat, wovon die Beschwerdegegnerin im Einspracheentscheid vom 26. Juni 2009 ausging, kann ebenso offenbleiben wie die Frage, ob er ab diesem Zeitpunkt als Grenzgänger Schweiz-Fürstentum Liechtenstein zu betrachten ist. Obwohl der Arbeitsvertrag auf den 30. September 2008 hin aufgelöst wurde, endete laut Aufhebungsvertrag vom 27. August 2008 per sofort jegliche aktive Tätigkeit für die Arbeitgeberin im Fürstentum Liechtenstein. Als Grenzgänger im Sinne der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten über die Arbeitslosenversicherung gelten Arbeitnehmer, die sowohl in der Grenzzone eines der beiden Vertragsländer wohnen, als auch regel- und ordnungsmässig in der Grenzzone des anderen Vertragsstaates arbeiten (USINGER-EGGER, a.a.O., S. 120). Obwohl BGE 136 V 244 S. 254 das Arbeitsverhältnis noch bis 30. September 2008 bestand, erfolgte ab dem 28. August 2008 kein Grenzgang mehr. Selbst wenn ab September (allenfalls bereits ab August 2008) Wohnsitz in der Schweiz und eine Pendlertätigkeit Schweiz-Fürstentum Liechtenstein angenommen würde, könnten im günstigsten Fall ein bis höchstens zwei Monate an beitragspflichtiger Beschäftigungszeit aus dem Fürstentum Liechtenstein berücksichtigt werden. Da der Beschwerdeführer damit die erforderliche Beitragszeit von zwölf Monaten ( Art. 13 AVIG ) nicht erfüllt, ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 7. November 2008 nicht gegeben. 8. Das Abkommen vom 20. Oktober 1982 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über Arbeitslosenversicherung (SR 0.837.913.6; nachfolgend: Abkommen CH-D) kommt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zur Anwendung, weil er im massgebenden Zeitraum in Deutschland keine anrechenbare beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat (Art. 7 Abkommen CH-D) und auch nicht als Grenzgänger (Art. 8 Abkommen CH-D) zwischen der Schweiz und Deutschland betrachtet werden kann. 9. Auf das Begehren um Schadenersatz wegen fehlender Information durch die Arbeitsbehörden in den von diesen herausgegebenen Broschüren ist das kantonale Gericht nicht eingetreten, da dieses nicht Gegenstand des Verfahrens bilde und allfällige Haftpflichtansprüche im Staatshaftungsverfahren geltend zu machen seien. Ob dieses Vorgehen richtig war, kann offenbleiben. Denn die vom Beschwerdeführer erwähnten Info-Broschüren "Leistungsansprüche für die Auslandschweizer und -schweizerinnen" beziehen sich laut Einspracheentscheid vom 26. Juni 2009 auf Leistungsansprüche für Auslandschweizer, welche im Ausland als Arbeitnehmende beschäftigt sind, und ergänzen den Info-Service "Arbeitslosigkeit", weshalb sich der Beschwerdeführer als deutscher Staatsangehöriger nicht darauf berufen kann, um gestützt auf Treu und Glauben Rechte abzuleiten. Das Begehren ist daher letztinstanzlich ohne weiteres abzuweisen. 10. Nach Art. 16 Abs. 1 FZA treffen die Vertragsparteien zur Erreichung der Ziele des Abkommens alle erforderlichen Massnahmen, damit in ihren Beziehungen gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden. Das FZA sieht keine überstaatliche Gerichtsinstanz vor, die über die korrekte Anwendung und BGE 136 V 244 S. 255 einheitliche Auslegung des Vertragswerks wacht. Ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof ist somit nicht vorgesehen. Das Abkommen enthält in Art. 11 ausschliesslich eine innerstaatliche Rechtsweggarantie für die vom Abkommen betroffenen oder begünstigten Personen (EDGAR IMHOF, Eine Anleitung zum Gebrauch des Personenfreizügigkeitsabkommens und der Vo 1408/71, in: Aktuelles im Sozialversicherungsrecht, 2001, S. 106 f.). Dasselbe gilt gemäss Art. 11 und 16 Anhang K EFTA-Übereinkommen. Ein schweizerisches Gericht kann daher - anders als die Gerichte in den EU-Mitgliedstaaten (vgl. Art. 234 EG-Vertrag) - dem Gerichtshof nicht eine Sache zur Vorabentscheidung vorlegen ( BGE 135 V 339 E. 5.3 S. 349) oder in diesem Sinne an den EFTA-Gerichtshof gelangen. Das letztinstanzlich erneut gestellte Gesuch ist daher ebenfalls abzuweisen.
null
nan
de
2,010
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
966ee13c-7791-4a87-9bd8-536e4504c702
Urteilskopf 116 IV 273 51. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. November 1990 i.S. I. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 13 Abs. 1 StGB ; Psychiatrisches Gutachten. Voraussetzungen für die Bejahung eines ernsthaften Anlasses zu Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Täters, insbesondere aufgrund eines früheren Gutachtens.
Sachverhalt ab Seite 273 BGE 116 IV 273 S. 273 A.- I., der im Privatclub "H." in Zürich als Sicherheitsbeauftragter und Türkontrolleur tätig gewesen war, war mit dem tunesischen Staatsangehörigen C. im Zusammenhang mit der Nichtbezahlung der Eintrittsgebühr in eine Auseinandersetzung geraten, in deren Verlauf er mit einem Gasrevolver einen Schuss auf C. abgab, wodurch dieser das Sehvermögen auf dem rechten Auge infolge Verbrennungen an Horn- und Bindehaut bleibend verlor. Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte I. wegen schwerer Körperverletzung zu zwei Jahren Gefängnis. B.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt I., das Urteil des Obergerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, über ihn ein psychiatrisches Gutachten einzuholen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. a) Nach Art. 13 Abs. 1 StGB ordnet die urteilende Behörde eine Untersuchung des Beschuldigten an, wenn sie Zweifel an dessen Zurechnungsfähigkeit hat. Der Richter soll also seine Zweifel nicht selber beseitigen, etwa durch Zuhilfenahme psychiatrischer BGE 116 IV 273 S. 274 Fachliteratur, sondern, wie sich aus Absatz 2 von Artikel 13 StGB ergibt, durch Beizug von Sachverstandigen. Artikel 13 StGB gilt nicht nur, wenn der Richter tatsächlich Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit hegt, sondern auch, wenn er nach den Umständen des Falles Zweifel haben sollte ( BGE 106 IV 242 E. 1a mit Hinweisen). Artikel 13 StGB ist auch anwendbar für die Beantwortung der Frage, wann ein neues Gutachten einzuholen ist, wenn der Beschuldigte bereits einmal - in einem früheren Strafverfahren - begutachtet wurde und seither längere Zeit verstrichen ist ( BGE 88 IV 51 ; MARC HELFENSTEIN, Der Sachverständigenbeweis im schweizerischen Strafprozess, Diss. Zürich 1978, S. 38 f.). Es fragt sich, welche Umstände gegeben sein müssen, um anzunehmen, der Richter müsse im oben dargelegten Sinn ernsthafte Zweifel haben. Das Bundesgericht hat dies beispielsweise angenommen bei Drogenabhängigkeit ( BGE 102 IV 74 und 106 IV 243), bei einer Frau, die mit ihrer schizophrenen Tochter zusammenlebte ( BGE 98 IV 157 ), bei einem Sexualdelinquenten mit möglicherweise abnorm starkem Geschlechtstrieb ( BGE 71 IV 193 ), nicht aber bei Angetrunkenheit ( BGE 91 IV 68 und BGE 107 IV 4 f.). Dabei genügt es, wenn ernsthafter Anlass zu Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit aufgrund eines solchen Umstandes bestand ( BGE 98 IV 157 ). Die Notwendigkeit, einen Sachverständigen zuzuziehen, ist nach LÖWE/ROSENBERG/GOLLWITZER (24. Aufl., § 244 N 76 /77) erst dann gegeben, wenn Anzeichen vorliegen, die geeignet sind, Zweifel hinsichtlich der vollen Schuldfähigkeit zu erwecken, wie etwa ein Widerspruch zwischen Tat und Täterpersönlichkeit oder völlig unübliches Verhalten; ein Sachverständiger ist ferner beizuziehen, wenn sich aus einem bei den Akten befindlichen Strafregisterauszug ergibt, dass ein Angeklagter in einem früheren Verfahren für vermindert schuldfähig erklärt wurde, wenn er in ärztlicher Behandlung stand oder steht, wenn die Schuldfähigkeit eines Epileptikers, eines geistig Zurückgebliebenen, eines Schwachsinnigen oder eines Hirngeschädigten zu beurteilen ist, bei altersbedingtem psychischen Abbau dann, wenn die Tatausführung auffällige Eigenheiten zeigt oder die Tat mit der bisherigen Lebensführung unvereinbar erscheint; Gleiches kann, je nach den Umständen, bei wiederholten Sittlichkeitsdelikten oder bei einer erstmals nach dem Klimakterium auftretenden Kriminalität gelten, wenn die Schuldfähigkeit durch Affektzustände beeinträchtigt sein kann oder wenn der Angeklagte seelische Abartigkeiten zeigt oder wenn in seiner bisherigen Lebensführung oder bei der seiner Angehörigen besondere BGE 116 IV 273 S. 275 Auffälligkeiten, etwa mehrere Selbstmordversuche, aufgetreten sind (ähnlich LANGE, Leipziger Kommentar, 10. Aufl., § 21 N 101 , der zusätzlich auffällige Begleitumstände bei Ladendiebstählen nennt, und HANS LUDWIG SCHREIBER, Der Sachverständige im Verfahren und in Verhandlung, Psychiatrische Begutachtung, herausgegeben von ULRICH VENZLAFF, 1986, S. 152, nach welchem der Beizug eines Sachverständigen beispielsweise dann erforderlich sei, wenn der Täter nur über geringe Intelligenz, einen Hang zu Autodiebstählen und nur geringes Hemmungsvermögen gegenüber der Versuchung, Gelegenheit zu Eigentumsdelikten zu nutzen, verfüge). b) Gemäss dem Strafregisterauszug des Beschwerdeführers wurde er mit Urteil vom 22. Juni 1972 des Strafgerichts Zug des Mordes, der vorsätzlichen Körperverletzung, des Raubes und der Nötigung schuldig gesprochen und in eine Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen; am 26. März 1975 verurteilte ihn das Strafgericht Basel-Landschaft unter anderem wegen Raubes zu 6 Monaten Gefängnis; am 29. August 1977 sprach ihn das Amtsgericht Solothurn-Lebern unter anderem schuldig der wiederholten Erpressung, der Freiheitsberaubung, des verbotenen Waffentragens und der Tätlichkeiten und bestrafte ihn mit 2 Jahren Zuchthaus; am 2. Juli 1982 bestrafte ihn die Bezirksanwaltschaft Zürich wegen einfacher Körperverletzung mit einer Busse von Fr. 300.--, und am 22. November 1985 wurde er zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat wegen Diebstahls und verbotenen Waffenbesitzes verurteilt. Anlässlich des ersten Strafverfahrens erstellte die Direktion der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen am 20. Februar 1972 über den Beschwerdeführer ein Gutachten, das zusammenfassend festhielt: "... 2. Als primitiver, verstimmbarer, reizbarer, gewalttätiger und sekundär trunksüchtiger Psychopath war der Angeschuldigte aber zur Zeit des jetzt eingeklagten Deliktes zwar nicht in seiner Einsichtsfähigkeit behindert, wohl aber aus affektiven Gründen in der Fähigkeit, gemäss seiner Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln. Wir halten daher leicht verminderte Zurechnungsfähigkeit im Sinne von Art. 11 StGB für gegeben. ... 5. Nach unserer Auffassung gefährdet zwar der Angeschuldigte wegen seiner beschriebenen Charakterstruktur die öffentliche Sicherheit in schwerwiegender Weise; wir halten aber die Voraussetzungen zur Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB aus psychiatrischer Sicht nicht gegeben, da nicht sicher vorauszusehen ist, ob der jetzt 19jährige Angeschuldigte nicht im normalen BGE 116 IV 273 S. 276 Strafvollzug ein höheres Mass an Selbstbeherrschung lernen kann. ... 6. Wir stellen eine sehr zweifelhafte Prognose. ...". Nun genügt zwar zur Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit nicht jede geringfügige Herabsetzung der Fähigkeit, sich zu beherrschen. Der Täter muss vielmehr, zumal der Begriff des normalen Menschen nicht eng zu fassen ist, in hohem Masse in den Bereich des Abnormen fallen, seine Geistesverfassung nach Art und Grad stark vom Durchschnitt nicht bloss der Rechts-, sondern auch der Verbrechensgenossen abweichen ( BGE 102 IV 226 E. 7b mit Hinweisen). Beim Beschwerdeführer wurde aber, wie erwähnt, bereits im Jahre 1972 ein Gutachten erstellt, das ihn als gewalttätigen Psychopathen mit sehr zweifelhafter Prognose bezeichnete. Diese schlechte Prognose wurde in der Folge denn auch bestätigt. Die zwar weniger schwerwiegenden Vorfälle in den letzten 10 Jahren weisen ebenfalls in die gleiche Richtung (Körperverletzung, verbotenes Waffentragen). Bei dieser Sachlage hätte die Vorinstanz beim neuen, schwerwiegenden und unverständlichen Gewaltdelikt ein neues Gutachten in Auftrag geben müssen, zumal das erste (und einzige) Gutachten, das über den Beschwerdeführer erstellt worden war, bereits aus dem Jahre 1972 stammt und ihm damals eine verminderte Zurechnungsfähigkeit attestiert hatte. Hinzuzufügen bleibt, dass die neue psychiatrische Literatur bei Persönlichkeitsstörungen von einem gewissen Schweregrad mit einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (Minderung, aber sehr selten Aufhebung) rechnet (RAINER TÖLLE, Psychiatrie, 8. Aufl., 1988, S. 117; ROLF BAER, Psychiatrie für Juristen, 1988, S. 44 f., insb. S. 51 f.; Handwörterbuch der Rechtsmedizin für Sachverständige und Juristen, herausgegeben von GEORG EISEN, Band 2: Der Täter, Persönlichkeit und Verhalten, 1974, S. 280/281). c) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ernsthafter Anlass zu Zweifeln an der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers bestand. Indem die Vorinstanz bei dieser Sachlage kein psychiatrisches Gutachten anordnete, verletzte sie Art. 13 StGB . Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben, und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
null
nan
de
1,990
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
966f50da-be05-4d5f-953e-3cf6f4a71856
Urteilskopf 139 III 217 31. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. SA contre Y. (recours en matière civile) 4A_450/2012 du 10 janvier 2013
Regeste Pauschalreisevertrag (Art. 1 Pauschalreisegesetz) oder Mäklervertrag ( Art. 412 OR )? Allein das Zurverfügungstellen einer Jacht fällt nicht unter das Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen, im Gegensatz zum Verkauf einer Kreuzfahrtreise (E. 2.1). Abgrenzung zwischen den verschiedenen Verträgen über den Gebrauch eines Schiffes gemäss dem Bundesgesetz vom 23. September 1953 über die Seeschifffahrt unter der Schweizer Flagge (E. 2.2). Wer den Kontakt zwischen einer Partei und einem Schiffseigentümer herstellt und für sie mit diesem einen Chartervertrag aushandelt, handelt als Mäkler (E. 2.3).
Erwägungen ab Seite 217 BGE 139 III 217 S. 217 Extrait des considérants: 2. 2.1 Le point litigieux est de savoir si le contrat conclu entre les parties relève de la loi fédérale du 18 juin 1993 sur les voyages à forfait (RS 944.3; ci-après: LVF), entrée en vigueur le 1 er juillet 1994. BGE 139 III 217 S. 218 A cette question, le juge de première instance a donné une réponse négative, tandis que la cour cantonale lui a apporté une réponse positive. Il faut donc trancher cette question avant tout autre examen. 2.1.1 Après le rejet par le peuple le 6 décembre 1992 de l'Accord sur l'Espace économique européen (EEE), le Conseil fédéral a décidé d'accélérer le processus d'ouverture du pays à l'étranger et au reste du monde (Message du 24 février 1993 sur le programme consécutif au rejet de l'Accord EEE, FF 1993 I 761). Il a décidé de reprendre certains projets du paquet " Eurolex " qui avaient été présentés dans la perspective d'une participation à l'EEE (FF 1993 I 786 ch. 143). Parmi les projets qui ont été ainsi repris figure la loi sur les voyages à forfait, qui transpose la directive européenne 90/314/CEE du 13 juin 1990 concernant les voyages, vacances et circuits à forfait (FF 1993 I 836 ch. 255; Message II du 15 juin 1992 sur l'adaptation du droit fédéral au droit de l'EEE, FF 1992 V 735 ch. 6.3). 2.1.2 La notion de voyage à forfait est définie par l'art. 1 er de la loi fédérale, qui correspond, mot à mot, à l'art. 2 de la directive européenne, sauf que le terme logement utilisé par la directive a été remplacé par hébergement sans que l'on puisse saisir la portée de cette modification. Par voyage à forfait, on entend la combinaison fixée préalablement d'au moins deux des prestations suivantes, lorsqu'elle est offerte à un prix global et qu'elle dépasse 24 heures ou inclut une nuitée: a. le transport; b. l'hébergement; c. les autres services touristiques non accessoires au transport ou à l'hébergement représentant une part importante dans le forfait (art. 1 al. 1 LVF). Il y a voyage à forfait même si les diverses prestations d'un même voyage sont facturées séparément (art. 1 al. 2 LVF). Pour que la loi soit applicable, il faut qu'il y ait un organisateur, par quoi on entend une personne qui, de façon non occasionnelle, organise des voyages à forfait et les offre directement ou par l'intermédiaire d'un détaillant (art. 2 al. 1 LVF). Le travail d'organisation consiste précisément à combiner des services touristiques comme le prévoit l'art. 1 al. 1 LVF. BGE 139 III 217 S. 219 Le législateur songeait notamment à l'hypothèse où une agence de voyages propose, pour un prix global, un voyage à Paris avec deux nuitées (FF 1992 V 742 ch. 3.2). Dans ce cas en effet, l'agence a organisé un voyage en offrant deux prestations touristiques essentielles, à savoir le transport aller-retour pour Paris et l'hébergement à l'hôtel pendant deux nuits (cf. art. 1 al. 1 let. a et b LVF). Si l'organisateur ne fournit qu'une seule de ces deux prestations (le transport ou l'hébergement), il faut qu'il fournisse encore un autre service touristique essentiel ( art. 1 al. 1 let . c LVF). La doctrine cite l'hypothèse où l'agence de voyages offre le vol et une voiture de location à destination (VITO ROBERTO, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 5 ad art. 1 LVF p. 3070; BERND STAUDER, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2003, n° 7 ad art. 1 LVF p. 2334). En revanche, une prestation touristique accessoire ne suffit pas pour constituer l'une des deux prestations nécessaires à l'existence d'un voyage à forfait. La doctrine considère comme accessoire la réservation d'une couchette dans un train, la nourriture servie à bord d'un avion (STAUDER, op. cit., n° 5 ad art. 1 LVF p. 2334; ROBERTO, op. cit., n° 4 ad art. 1 LVF p. 3069/3070). On ne traite cependant pas d'accessoire la fourniture d'un billet d'entrée pour un festival ou une manifestation sportive lorsqu'il s'agit à l'évidence du but du voyage (STAUDER, op. cit., n° 4 in fine ad art. 1 LVF). 2.1.3 En l'espèce, le débat s'est figé sur la question de savoir s'il y avait ou non une combinaison de deux prestations touristiques principales. La mise à disposition d'un bateau - comme d'ailleurs la location d'un motorhome - présente cette particularité de permettre à la fois le transport et l'hébergement. S'agit-il alors d'un travail d'organisation consistant à combiner deux prestations touristiques différentes ? Le juge de première instance a considéré qu'il ne s'agissait que d'une seule prestation qui comportait, par nature, à la fois le transport et l'hébergement. La cour cantonale a laissé la question ouverte, mais elle a admis qu'il y avait d'autres prestations touristiques principales. On ne peut pas la suivre sur ce point. Qu'il y ait un équipage à bord du bateau - ce qui paraît nécessaire pour une embarcation de cette taille - n'est qu'une prestation accessoire à l'usage de la chose. Dans le cas où il est fourni un billet d'avion, il ne viendrait pas à l'idée de dire que la présence de l'équipage est une prestation supplémentaire parce que le touriste n'est pas obligé de piloter lui-même l'avion. De la même manière, la présence d'un cuisinier, pour un bateau qui doit BGE 139 III 217 S. 220 pouvoir voguer en pleine mer pendant plusieurs jours, apparaît comme un complément accessoire et nécessaire pour l'utilisation de la chose. Pour reprendre la comparaison précédente, fournir un plateau de repas sur un vol long-courrier n'est assurément pas une prestation touristique principale. Quant à l'équipement du bateau, il s'agit aussi d'une prestation accessoire destinée à en renforcer l'agrément, au même titre que la possibilité de voir des films et d'écouter de la musique sur un vol long-courrier. Quant à l'activité du courtier, elle ne constitue pas en elle-même une prestation touristique, notion qui ne comprend que ce que le touriste reçoit durant son voyage. Ainsi, il n'y a pas d'autres prestations en l'espèce que la mise à disposition du bateau, étant souligné que l'intimée organisait elle-même son déplacement jusqu'au port d'embarquement, puis son retour à partir du port de débarquement. La doctrine admet cependant qu'une croisière donne lieu à un voyage à forfait (ROBERTO, op. cit., n° 4 ad art. 1 LVF p. 3070; STAUDER, op. cit., n° 7 ad art. 1 LVF p. 2334). Dans un cas qui concernait l'organisation d'un voyage de Trieste en Extrême-Orient à bord d'un cargo, la Cour de justice de l'Union européenne, par arrêt du 7 décembre 2010 C-585/08 Peter Pammer contre Reederei Karl Schlüter GmbH & Co. KG et C-144/09 Hotel Alpenhof GesmbH contre Oliver Heller , Rec. 2010 I-12527 points 45 et 46, a considéré qu'il s'agissait d'un voyage à forfait. Comme la volonté du législateur a été sur ce point d'adopter des règles qui coïncident avec celles de l'Union européenne, on ne saurait s'écarter sans raison sérieuse de la jurisprudence européenne. 2.1.4 En admettant que la vente d'une croisière constitue un voyage à forfait, dès lors qu'elle englobe, pour plusieurs jours, le transport et l'hébergement, une autre difficulté apparaît immédiatement. On ne se trouve pas, à considérer les données de l'espèce, en présence de la vente d'une croisière. Comme le souligne la doctrine, la croisière suppose un programme (ROBERTO, op. cit., n° 4 ad art. 1 LVF p. 3070). L'organisateur imagine un itinéraire comportant des escales attrayantes et conçoit ainsi un voyage dans son ensemble - même s'il se déroule à bord d'un seul et même navire - qu'il présente comme un tout pour un prix forfaitaire. Cette situation correspond bien à la notion de voyage à forfait. La doctrine considère que l'on vise ainsi un contrat d'organisation de voyages (STAUDER, op. cit., n° 2 ad art. 1 LVF p. 2333). Ce contrat se caractérise par l'activité de l'organisateur, qui conçoit un produit, combine des prestations et le BGE 139 III 217 S. 221 commercialise comme un tout (STAUDER, op. cit., n° 8 ad art. 1 LVF p. 2334). Mais la loi sur les voyages à forfait n'est pas applicable si le touriste organise lui-même son voyage en concluant pour cela les différents contrats nécessaires (STAUDER, op. cit., n° 1 ad art. 1 LVF p. 2333). En l'espèce, l'intimée a organisé elle-même son déplacement jusqu'au port d'embarquement et son retour à partir du port d'arrivée. Elle a voulu la mise à sa disposition d'un yacht, sans demander à son cocontractant de lui concevoir un itinéraire. D'après les constatations cantonales - qui lient le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ) -, on comprend que l'intimée pouvait aller où elle le voulait avec le yacht, à charge pour elle de le restituer au lieu prévu et à la date prévue. On se trouve dans une situation analogue à celle d'un touriste qui, ayant organisé par lui-même son déplacement dans un pays étranger, y loue un motorhome pour un certain nombre de jours afin de se déplacer à sa guise. Il est clair que le motorhome lui fournit la possibilité de se déplacer et de se loger, mais on ne saurait dire que la location d'un motorhome constitue un voyage à forfait, précisément parce qu'il ne s'agit pas de la vente d'un voyage organisé en tout ou en partie, mais seulement de la cession à titre onéreux de l'usage d'une chose. En l'espèce, le contrat ne portait pas sur la fourniture d'un voyage, mais seulement sur la mise à disposition pendant un certain temps d'un bateau avec son équipage et son équipement. Ainsi, il apparaît que l'intimée a organisé elle-même son voyage en concluant les contrats nécessaires à cette fin et que la mise à disposition du bateau n'est que l'un de ces contrats. Pour ce motif déjà, la loi sur les voyages à forfait n'est pas applicable. 2.1.5 Elle ne l'est pas non plus pour une autre raison. A chaque fois, le contrat d'affrètement a été conclu et signé entre l'intimée et le propriétaire du bateau. La recourante n'apparaît que comme le courtier de l'intimée. La recourante ne se présente pas comme un organisateur de voyages, ni dans son inscription au registre du commerce, ni dans sa publicité, ni dans les contrats conclus. Elle n'apparaît pas davantage comme un représentant d'un organisateur de voyages, c'est-à-dire un détaillant au sens de la LVF (art. 2 al. 2 LVF). Il ressort au contraire clairement des contrats conclus qu'elle était le courtier de l'intimée, rémunérée par elle. Or il a déjà été jugé que la LVF ne s'applique pas au courtier du touriste (arrêt 4C.125/2004 du 29 juin 2004 consid. 2.1; cf. également: ROBERTO, op. cit., n° 2 ad art. 1 LVF p. 3069 et n° 1 ad art. 2 LVF p. 3072; avant l'entrée en vigueur de la LVF: ATF 115 II 474 consid. 2). Il n'y a pas lieu de revenir sur cette BGE 139 III 217 S. 222 jurisprudence et cela clôt la question: la LVF n'est pas applicable aux rapports entre les parties. 2.2 Il faut maintenant se pencher sur les contrats qui ont été conclus. Agissant en son nom personnel et signant elle-même, l'intimée, pour chaque bateau, a conclu un contrat avec le propriétaire de l'embarcation, portant sur l'usage de celle-ci. Même s'il présente un caractère international, un contrat doit tout d'abord être qualifié selon la loi interne du for ( ATF 132 III 609 consid. 4 p. 615; ATF 131 III 511 consid. 2.1 p. 515). En matière de navigation maritime, le droit suisse distingue la location de navire, l'affrètement et le contrat de transport. La location de navire est le contrat par lequel le bailleur s'oblige à conférer au locataire, contre paiement d'un loyer, l'usage et le contrôle d'un navire sans équipage et sans armement (art. 90 al. 1 de la loi fédérale du 23 septembre 1953 sur la navigation maritime sous pavillon suisse; LNM; RS 747.30). L'affrètement est le contrat par lequel l'armateur s'oblige, en tant que fréteur, à mettre à la disposition de l'affréteur, contre rémunération, tout ou partie de la contenance d'un navire désigné, soit pour une durée déterminée (charte-partie au temps), soit pour un ou plusieurs voyages déterminés (charte-partie au voyage) ( art. 94 al. 1 LNM ); dans le contrat d'affrètement, le fréteur fait profiter son cocontractant de l'utilisation du navire, mais il en conserve, par son personnel, la possession et le contrôle ( ATF 115 II 108 consid. 4a p. 109). Dans le contrat de transport maritime , le transporteur s'oblige à effectuer, contre paiement du fret, le transport de marchandises par mer stipulé par le chargeur ( art. 101 al. 1 LNM ). En l'espèce, l'intimée a obtenu, dans chaque cas, l'usage du bateau, avec son équipage et son armement, pour y voyager à sa guise pendant un temps déterminé, moyennant une rémunération qu'elle s'est engagée à payer. On se trouve donc manifestement en présence de trois contrats d'affrètement successifs. Il résulte clairement de l'art. 21 des conditions générales incorporées à chaque convention que la recourante n'est pas partie au contrat d'affrètement. Comme la présente action n'est pas dirigée contre l'un des fréteurs, il apparaît d'emblée qu'elle ne peut pas porter sur l'inexécution ou la mauvaise exécution de l'un ou l'autre des contrats d'affrètement. Il n'y a dès lors pas lieu d'examiner plus avant quel est le droit applicable à ces contrats, ni d'en étudier le contenu. BGE 139 III 217 S. 223 2.3 Pour ce qui est des rapports entre les parties présentement en cause, il faut constater que l'intimée a chargé la recourante, à chaque fois, de la mettre en contact avec le propriétaire du bateau et de négocier pour elle le contrat d'affrètement, service pour lequel elle devait rémunérer la recourante. Le contrat conclu entre les parties doit donc être qualifié, selon la loi interne du for, comme un contrat de courtage ( art. 412 al. 1 CO ). Comme la prestation caractéristique est fournie par le courtier qui a son siège à Genève, il n'est pas douteux que le droit suisse est applicable ( art. 117 al. 3 let . c LDIP [RS 291]). Selon l' art. 412 al. 1 CO , le courtage est un contrat par lequel le courtier est chargé, moyennant un salaire, soit d'indiquer à l'autre partie l'occasion de conclure une convention, soit de lui servir d'intermédiaire pour la négociation d'un contrat. Le courtage doit présenter les deux éléments essentiels suivants: il doit être conclu à titre onéreux et les services procurés par le courtier, qu'il soit indicateur ou négociateur, doivent tendre à la conclusion d'un contrat, quelle qu'en soit la nature ( ATF 131 III 268 consid. 5.1.2 p. 275). Les deux prestations possibles d'un courtier (indiquer un cocontractant ou négocier le contrat) peuvent être cumulées ( ATF 110 II 276 consid. 2a p. 277). Le courtier n'est en principe pas le représentant direct de son client lors de la conclusion du contrat (arrêt 4C.112/1997 du 23 janvier 1998 consid. 2c/aa). Suivant les circonstances, le courtier peut être chargé de veiller plus ou moins largement aux intérêts de son cocontractant ( ATF 110 II 276 consid. 2a p. 277 s.). Les règles du mandat ( art. 394 ss CO ) sont applicables au contrat de courtage, en tant qu'elles sont compatibles avec la nature de ce contrat ( art. 412 al. 2 CO ; ATF 110 II 276 consid. 2a p. 277). La conclusion du contrat de courtage n'est soumise à aucune exigence de forme ( ATF 131 III 268 consid. 5.1.2 p. 275). En l'espèce, la recourante a été chargée par l'intimée, pour chaque bateau, de mettre les parties en présence et de négocier le contrat d'affrètement, moyennant rémunération à la charge de l'intimée. On se trouve donc en présence d'un contrat de courtage qui cumule l'obligation de mettre les parties en contact et celle de négocier le contrat. Que le contrat n'ait pas été conclu par écrit est sans pertinence, puisqu'il s'agit d'un contrat informel. Il résulte des constatations cantonales - qui lient le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ) - que le courtier, pour le premier bateau, a mis BGE 139 III 217 S. 224 l'intimée en relation avec le propriétaire et a négocié les conditions du contrat. Il a donc fourni sa prestation de courtier. Que ce bateau n'ait pas pu être mis à disposition de l'intimée est une question qui touche l'exécution du contrat d'affrètement, dont le courtier n'est pas responsable. En tant que mandataire de l'intimée, il a récupéré la somme versée et on ne voit pas qu'il ait pu obtenir davantage. Pour le deuxième bateau, le courtier a fourni sa prestation en mettant les parties en présence et en négociant les conditions du contrat. Que la prestation du fréteur n'ait pas été satisfaisante ne concerne pas le courtier et l'intimée ne peut rien lui réclamer de ce chef. L'intimée ne peut pas reprocher à la recourante de lui avoir proposé un bateau inapproprié, puisqu'elle l'a elle-même choisi en dehors de la liste des embarcations suggérées par le courtier. Par ailleurs, il n'est pas contesté que le courtier, agissant pour l'intimée, a récupéré ce qui pouvait l'être sur la somme versée. Dans le cas du troisième bateau, le courtier a également mis les parties en présence et négocié le contrat. Il a donc fourni sa prestation. L'intimée a été informée par le courtier que ce bateau coûtait plus cher et elle a accepté cette différence de prix, se sentant responsable à l'égard de ses invités. Vu l'urgence, le courtier a avancé le surplus nécessaire. Le courtage relevant subsidiairement du mandat ( art. 412 al. 2 CO ), il faut retenir que le courtier a droit au remboursement de ses avances en vertu de l' art. 402 al. 1 CO . En effet, cette disposition prévoit que le mandant doit rembourser au mandataire, en principe avec intérêts, les avances et frais que celui-ci a fait pour l'exécution régulière du mandat, et le libérer des obligations par lui contractées. Le montant dû à ce titre n'étant pas contesté, il n'y a pas lieu d'y revenir. Il résulte de ce qui précède que l'arrêt attaqué viole le droit fédéral et qu'il faut rétablir la situation résultant du jugement de première instance. Le contrat conclu entre les parties est un contrat de courtage au sens de l' art. 412 CO et la LVF n'est pas applicable. Le courtier ayant rempli ses obligations, l'intimée ne dispose d'aucune créance contre lui et la demande principale doit être rejetée. Le courtier ayant droit au remboursement des avances effectuées, la demande reconventionnelle doit être admise.
null
nan
fr
2,013
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
96753c97-042c-43cf-a9bf-f415995e1e57
Urteilskopf 108 V 45 12. Extrait de l'arrêt du 2 avril 1982 dans la cause Caisse-maladie Fraternelle de Prévoyance contre Germond et Tribunal cantonal des assurances, Neuchâtel
Regeste Art. 12 ff. KUVG . Die von einer Krankenkasse vorgenommene Verrechnung zwischen fälligen Leistungen und rückständigen Beiträgen darf die Existenzgrundlagen des Schuldners nicht gefährden. Ist die Verrechnung überhaupt ausgeschlossen, wenn es um Behandlungskosten geht? (Frage offen gelassen.)
Erwägungen ab Seite 46 BGE 108 V 45 S. 46 Considérant en droit: 1. La question qu'il faut examiner en l'espèce est la suivante: la Fraternelle de Prévoyance était-elle en droit, le 10 mars 1980, de compenser la créance de cotisations et frais qu'elle avait contre Antoine Germond, au total fr. 1'793.10, avec des prestations qu'elle lui devait à titre de frais de guérison, d'un montant de fr. 1'104.60? Le titre premier de la LAMA ne contient pas de prescriptions sur une telle compensation, au contraire du titre II concernant l'assurance-accidents, dont l' art. 96 al. 3 a la teneur suivante: "La Caisse nationale peut compenser le montant des prestations en argent qu'elle doit à un assuré ou à un survivant, sauf les frais funéraires, avec toute créance exigible qu'elle possède contre la même personne." Cependant, on admet que la Caisse nationale doit éviter, en usant de son droit de compenser, de plonger dans la détresse l'assuré et ses proches (MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2e éd., 1963, p. 278 ch. 4). L' art. 48 al. 3 LAM réduit la faculté pour l'assurance militaire de compenser ses créances avec ses dettes de prestations en espèces aux cas où la créance qu'elle fait valoir a sa cause dans une faute de l'assuré. Dans le domaine de l'assurance-chômage, selon les art. 34 al. 2 LAC et 42 OAC, les créances de la caisse dérivant de l'obligation de restituer des indemnités sont compensables avec les indemnités de chômage jusqu'à concurrence de la moitié de celles-ci pour les assurés sans obligation d'entretien ou d'assistance et d'un tiers pour les assurés remplissant de telles obligations. D'autre part, l' art. 20 al. 2 LAVS règle la compensation entre certaines créances et dettes de différentes assurances sociales. Concernant l'assurance-maladie, il prévoit, dans sa version française, que les indemnités journalières peuvent être compensées avec des prestations échues. Mais il ressort du contexte et de la version allemande de cette disposition qu'en réalité ce sont les créances de l'assurance en restitution d'indemnités journalières qui peuvent ainsi être compensées avec les prestations d'assurance échues. Suivant la jurisprudence, l'administration outrepasse les limites de son pouvoir d'appréciation si elle ordonne BGE 108 V 45 S. 47 une compensation mettant en péril les moyens d'existence du débiteur, c'est-à-dire qui le prive du minimum vital prévu par le droit de la poursuite et de la faillite ( art. 93 LP ; voir ATF 107 V 75 consid. 2 et la jurisprudence citée). Cette jurisprudence s'inspire de l' art. 125 ch. 2 CO , aux termes duquel ne peuvent être éteintes par compensation contre la volonté du créancier les créances dont la nature spéciale exige le paiement effectif entre les mains dudit créancier, telles que des aliments et le salaire absolument nécessaires à l'entretien du créancier et de sa famille. 2. En vertu de l' art. 1er al. 2 LAMA , les caisses-maladie s'organisent à leur gré, en tant que la loi ne contient pas de règles contraires. Dans le domaine ici en discussion, la caisse-maladie a pris dans ses statuts, à l'art. 70 ch. 4, la disposition suivante: "Lorsque la caisse rembourse les frais de traitement à l'assuré, elle est en droit de déduire les sommes qui lui sont dues." Comme on vient de le voir, la loi applicable aux caisses-maladie ne contient pas de réglementation sur la compensation. La Cour de céans a toutefois déclaré admissible, en principe et dans ses grandes lignes, la compensation dans le domaine de l'assurance-maladie également (voir p.ex. RJAM 1973 no 174 p. 131 consid. 2). La situation devrait donc théoriquement être réglée valablement par la clause précitée des statuts de la Fraternelle de Prévoyance. Cependant, il est arrivé au Tribunal fédéral des assurances de déclarer nulles, en tout ou partie, des dispositions internes de caisses qui, sans violer aucun article de la LAMA, lui sont apparues comme contraires aux principes régissant l'assurance sociale en général, ou une assurance fondée sur le système de la mutualité en particulier. A cet égard, les restrictions - inspirées, on l'a vu, de l' art. 125 ch. 2 CO - apportées par la jurisprudence au droit de compenser prévu par l' art. 20 al. 2 LAVS s'imposent certainement aux caisses-maladie aussi: la compensation telle que la permet l'art. 70 ch. 4 des statuts de la recourante ne doit dès lors pas mettre en péril les moyens d'existence du débiteur. On pourrait même se demander si, par analogie avec l' art. 96 al. 3 LAMA , il ne faudrait pas interdire toute compensation d'une créance de la caisse-maladie avec des prestations qu'elle doit à titre de frais de guérison. Cette question souffre cependant de demeurer indécise, car, dans la situation financière déplorable où se trouve l'intimé, la compensation décidée par la recourante porte atteinte, BGE 108 V 45 S. 48 manifestement, au minimum vital de ce dernier, ce qui suffit pour justifier le dispositif du jugement cantonal. La Fraternelle de Prévoyance objecte que la solution qu'elle critique revient à faire payer par les assurés consciencieux les cotisations de ceux qui ne veulent ou ne savent gérer leurs affaires. Toutefois, les caisses-maladie ont des moyens - dont la recourante a fait usage dans ses statuts - pour se prémunir contre les pertes sur cotisations. C'est ainsi qu'elles peuvent exclure les mauvais payeurs (art. 23 al. 1 let. a et 74 ch. 1 al. 2 des statuts; voir p.ex. ATF 96 V 17 consid. 3a) ou provoquer la suspension de leur droit aux prestations (art. 74 ch. 1 al. 1 des statuts). On notera que la Fraternelle de Prévoyance a renoncé en l'occurrence à faire usage des art. 72 ch. 7 et 74 ch. 1 de ses statuts, de sorte qu'il lui incombe de verser à l'assuré les prestations qu'elle a reconnu lui devoir dans le cas particulier.
null
nan
fr
1,982
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
9675b4ce-5ce9-4b34-b676-34f326ed6c07
Urteilskopf 116 V 265 40. Urteil vom 17. September 1990 i.S. E. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 96 ff. und Art. 105 ff. UVG : Fristenstillstand. Das Unfallversicherungsgesetz schliesst die Anwendung kantonalrechtlicher Fristenstillstandsbestimmungen im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren nicht aus.
Sachverhalt ab Seite 265 BGE 116 V 265 S. 265 A.- Mit Verfügung vom 7. Juli 1988 lehnte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die Ausrichtung von Leistungen an die Erben ihres Versicherten K. E. ab. B.- "Innert durch die Gerichtsferien erstreckter Frist" erhob der Rechtsvertreter der Hinterlassenen Beschwerde mit dem Antrag auf Zusprechung der gesetzlichen Leistungen. Mit Beschluss vom 3. Oktober 1989 trat das Versicherungsgericht des Kantons Zürich wegen Verspätung auf die Beschwerde nicht ein. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lassen die Kinder von K. E. die Aufhebung des vorinstanzlichen Nichteintretensentscheides beantragen. BGE 116 V 265 S. 266 Während die SUVA beantragt, es sei auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde "nicht einzutreten" und der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid "zu bestätigen", schliesst das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Sinne, dass der kantonale Nichteintretensentscheid aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zur materiellen Entscheidung zurückgewiesen werde. Auf den vorinstanzlichen Entscheid und die Rechtsschriften der Verfahrensbeteiligten wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Kognition) 2. a) Angefochten mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid. Folglich ist einzig als Frage des Bundesrechts frei zu prüfen ( Art. 104 lit. a OG ), ob das kantonale Gericht zu Recht oder zu Unrecht auf die vorinstanzliche Beschwerde nicht eingetreten ist. Warum auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten sei, wie die SUVA beantragt, ist unerfindlich. Ergibt nämlich die richterliche Beurteilung, dass der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid rechtmässig ist, so ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiegegen als unbegründet abzuweisen, andernfalls ist sie gutzuheissen. Das Eidg. Versicherungsgericht hat somit - was die SUVA übersieht - selbstverständlich in der Sache zu urteilen; doch ist eben diese Sache, entsprechend der prozessualen Natur des angefochtenen Entscheides, einzig die Frage der Bundesrechtmässigkeit des vorinstanzlichen Nichteintretensbeschlusses. b) Der angefochtene Gerichtsentscheid beruht auf Bundesrecht, nämlich auf den Art. 96, 97 und 106 Abs. 1 UVG , anderseits auf der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts zu Art. 96 AHVG ( BGE 105 V 106 ). Unter dem Gesichtspunkt der bundesrechtlichen Verfügungsgrundlage (Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 Abs. 1 lit. c in fine VwVG) ist somit Eintreten gegeben. Daran ändert nichts, dass das Beschwerdebegehren an sich der Rüge gleichkommt, das kantonale Gericht habe zu Unrecht Bundesverwaltungsrecht statt, wie es die Beschwerdeführer für richtig halten, kantonales Prozessrecht angewendet. Wenn mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde praxisgemäss gerügt werden kann, es hätte kraft Bundesrecht kein auf kantonales BGE 116 V 265 S. 267 Recht gestützter Beschwerdeentscheid ergehen dürfen ( BGE 110 V 56 Erw. 1b), so muss auch die gegenteilige Rüge zwangsläufig zulässig sein, andernfalls die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde davon abhinge, wie die Vorinstanz entscheidet. Die Anwendung kantonalen Prozessrechts, wo bundesrechtlich kein Raum bleibt, ist genau gleich eine Bundesrechtswidrigkeit wie die Anwendung von Bundesverwaltungsrecht dort, wo es nicht angewendet werden darf. 3. Das 1. Kapitel des Achten Titels über "Verschiedene Bestimmungen" enthält in den Art. 96-102 UVG verschiedene Vorschriften betreffend das "Verfahren". Gemäss Art. 96 UVG sind die Verfahrensbestimmungen dieses Gesetzes anwendbar, soweit das VwVG für Versicherer nicht gilt oder dieses Gesetz eine abweichende Regelung enthält (vgl. dazu BGE 115 V 299 Erw. 2b im Zusammenhang mit Art. 98 UVG über die Akteneinsicht). Was die Fristen anbelangt, enthält Art. 97 UVG folgende Regelung: Abs. 1: Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherer eingereicht oder zu dessen Handen der schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden. Fällt der letzte Tag auf einen Samstag, Sonntag oder einen am Wohnsitz oder Sitz des Betroffenen vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag, so endigt die Frist am nächsten Werktag. Gelangt die Eingabe rechtzeitig an einen unzuständigen Versicherer oder eine unzuständige Behörde, so gilt die Frist als gewahrt. Abs. 2: Wiederherstellung einer Frist kann erteilt werden, wenn der Betroffene unverschuldet abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln; das begründete Begehren um Wiederherstellung ist innert 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses einzureichen und die versäumte Handlung nachzuholen. Auf der anderen Seite enthält der Neunte Titel über die "Rechtspflege- und Strafbestimmungen" im 1. Kapitel betreffend die "Rechtspflege", soweit hier von Interesse, folgende Bestimmungen: Art. 105 Einsprachen und Verwaltungsbeschwerden Abs. 1: Gegen Verfügungen nach diesem Gesetz sowie gegen die auf solchen Verfügungen beruhenden Prämienrechnungen kann innert 30 Tagen bei der verfügenden Stelle Einsprache erhoben werden. Art. 106 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an kantonale Gerichte Abs. 1: Gegen Einspracheentscheide nach Art. 105 Abs. 1, ausgenommen jene über die Zuteilung der Betriebe und der Versicherten zu den Klassen und Stufen der Prämientarife, kann der Betroffene beim zuständigen kantonalen Versicherungsgericht Beschwerde erheben. Die Beschwerdefrist beträgt bei Einspracheentscheiden über Versicherungsleistungen drei Monate, in den übrigen Fällen 30 Tage. BGE 116 V 265 S. 268 Art. 107 Gerichtsstand Abs. 1: Für die Beurteilung von Streitigkeiten nach Art. 106 bestellen die Kantone Versicherungsgerichte. Art. 108 Verfahrensregeln Abs. 1: Die Kantone regeln das Verfahren ihrer Versicherungsgerichte. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen: (lit. a-i). 4. a) Das kantonale Gericht ist zunächst von BGE 105 V 106 ausgegangen, wonach Art. 96 AHVG ("Die Art. 20-24 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren sind anwendbar", dies unter der Marginalie "Fristen" im 8. Abschnitt betreffend "Verschiedene Bestimmungen") die Anwendung kantonalrechtlicher Bestimmungen über den Stillstand der Fristen ausschliesst. Für den Bereich der Unfallversicherung gelangte die Vorinstanz zum gleichen Ergebnis. Wohl stehe der Art. 96 UVG vor den Rechtspflegebestimmungen der Art. 105 ff. UVG (und somit insbesondere vor der Bestimmung des Art. 106 Abs. 1 UVG betreffend die dreimonatige Frist zur Beschwerde gegen Einspracheentscheide über Versicherungsleistungen). Da aber - so die Vorinstanz - "dort wie auch im Achten Titel der UVV über die Rechtspflege keine weiteren Bestimmungen über die Fristen enthalten (seien), (seien) die diesbezüglichen Regelungen in Art. 97 UVG sinngemäss anwendbar". Da dieser Gesetzesartikel nach seinem Wortlaut den Bestimmungen der Art. 20 Abs. 3, 21 und 24 VwVG entspreche und ebenfalls keine mit Art. 34 Abs. 1 OG betreffend Fristenstillstand vergleichbare Bestimmung enthalte, sei "auch im UVG-Recht ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzes anzunehmen, woraus sich ergibt, dass das Bundesrecht mit Bezug auf die Frage des Fristenstillstandes keinen Raum für kantonales Verfahrensrecht offenlässt". Die SUVA pflichtet in ihrer Vernehmlassung der vorinstanzlichen Auffassung bei, indem sie hervorhebt, Art. 96 UVG erkläre bezüglich Verfahrensbestimmungen diejenigen "dieses Gesetzes", somit generell Verfahrensbestimmungen des UVG für anwendbar. Da das UVG eine zu Art. 34 Abs. 1 OG betreffend Fristenstillstand analoge Regelung nicht kenne, bleibe für die Anwendung der Fristenstillstandsbestimmungen des kantonalen Verfahrensrechts kein Raum. Diese Regelung entspreche auch der Forderung nach einem raschen Verfahren in Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG . b) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die Annahme eines qualifizierten Schweigens des Gesetzes durch die Vorinstanz bestritten, weil für diese Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts BGE 116 V 265 S. 269 keine Anhaltspunkte vorhanden seien. Vielmehr sei den Kantonen mit Art. 108 UVG aufgegeben worden, das Verfahren vor ihren Versicherungsgerichten zu regeln. Soweit es nicht um die "neun Anforderungen an diese Verfahrensgestaltung" gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. a-i UVG gehe, komme die kantonale Rechtssetzungszuständigkeit zum Tragen. c) Das BSV macht unter Hinweis auf Wortlaut und Systematik geltend, Art. 97 UVG betreffend das Fristenwesen beziehe sich auf das Verfahren vor der SUVA oder den übrigen registrierten Versicherern, dagegen nicht auf den Prozess vor den kantonalen Versicherungsgerichten. Die Frage sei in der Doktrin umstritten, indem MAURER (Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 600) ohne weitere Begründung annehme, Art. 97 UVG sei auch für die Frist anwendbar, innert der eine Beschwerde beim kantonalen Versicherungsgericht eingereicht werden müsse, während FREIVOGEL (Das Basler Versicherungsgericht, in BJM 1983 S. 284) die gegenteilige Auffassung vertrete. Das BSV würde es durchaus begrüssen, wenn für alle Zweige der Sozialversicherung im Verfahren vor den kantonalen Beschwerdeinstanzen die gleichen Fristenregelungen zur Anwendung kämen. Art. 96 AHVG verfolge dieses Ziel, und eine identische Lösung finde sich auch in den Entwürfen 1984 und 1989 zu einem Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts. Das BSV bezweifelt jedoch, "dass sich diese Lösung auf Bereiche ausweiten lässt, wo die Anwendbarkeit des kantonalen Verfahrensrechts nicht ausdrücklich eingeschränkt wurde, da vor allen kantonalen Beschwerdebehörden grundsätzlich das kantonale Verfahrensrecht gilt, wenn es nicht durch die Bundesgesetzgebung derogiert wurde". Was nun die Fristenregelung nach den Art. 20-24 VwVG angehe, so gehöre der Ausschluss des Fristenstillstandes "weder zum Katalog der Mindestanforderungen gemäss Art. 108 Abs. 1 lit. a-i UVG noch zu den bisher durch die Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts, noch gehören die Fristenbestimmungen zu den für das letztinstanzliche kantonale Verfahren massgeblichen VwVG-Bestimmungen". Zusammenfassend sprächen gegen die Anwendung des Art. 97 UVG auf das Verfahren vor den kantonalen Beschwerdeinstanzen der Wortlaut, die systematische Stellung im Gesetz und die Tatsache, dass er nicht ausdrücklich auf das kantonale Verfahren anwendbar erklärt worden sei; für die Anwendung spreche das Bestreben, den Sozialversicherungsprozess zu vereinheitlichen. Dem Argument der SUVA, die Beschwerdefrist gemäss BGE 116 V 265 S. 270 Art. 106 Abs. 1 UVG sei eine bundesrechtliche Vorschrift, welche kantonalen Bestimmungen über die Gerichtsferien vorgehe, entgegnet das BSV, zwar sei die Frist, innert welcher gegen einen Einspracheentscheid Beschwerde erhoben werden müsse, bundesrechtlich geregelt; der Modus der Fristberechnung jedoch sei "mit der Frist selber nicht identisch" und sollte aus den dargelegten Gründen "gemäss dem kantonalen Recht erfolgen"; nur "wenn das kantonale Prozessrecht die Verwirklichung des Bundesrechts übermässig erschweren oder hindern sollte, wäre es bundesrechtswidrig". Da der Kanton Zürich von der ihm an sich zur Verfügung stehenden Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, bei längeren bundesrechtlichen Fristen keine Gerichtsferien vorzusehen, was hier nicht zu beanstanden sei, hält das BSV die vorinstanzliche Beschwerde für rechtzeitig eingereicht. 5. Der Standpunkt der Beschwerdeführer im Ergebnis und die Auffassung des BSV weitgehend auch in der Begründung sind stichhaltig: a) Unter dem Gesichtspunkt der praxisgemässen Auslegungselemente Wortlaut, Systematik, Zweck und Entstehungsgeschichte ( BGE 114 V 220 Erw. 3a und 250 Erw. 8a) ist klar, dass Art. 97 UVG nicht die gleich weittragende Bedeutung hat wie Art. 96 AHVG im AHV/IV-Bereich. Art. 97 UVG ist eine Bestimmung, welche sich nach ausdrücklichem Wortlaut und Einordnung im Gesetz auf das Verfahren vor dem Versicherer bezieht, und nicht auf den Prozess vor den kantonalen Versicherungsgerichten. Dass sich aus den Materialien schliessen liesse, der UVG-Gesetzgeber habe das Fristenwesen in den kantonalen Beschwerdeverfahren uniform und unter Ausschluss kantonalrechtlicher Fristenstillstandsbestimmungen regeln wollen, wird von keiner Seite behauptet; davon abgesehen, hätte eine solche Absicht im geltenden Gesetzestext auch keinen Niederschlag gefunden, was für die Massgeblichkeit des historischen Auslegungselementes nach ständiger Rechtsprechung von ausschlaggebender Bedeutung ist ( BGE 115 V 296 Erw. 4 in fine, BGE 114 V 250 Erw. 8a in fine). Die Auslegung nach Sinn und Zweck schliesslich ergibt nichts anderes, weil dieses Auslegungselement nicht etwa mit der Wünschbarkeit einer einheitlichen Fristenregelung gleichgesetzt werden darf und im weiteren nichts an der Rechtstatsache zu ändern vermag, dass die kantonale Rechtspflege in Sozialversicherungssachen de lege lata uneinheitlich und zersplittert geregelt ist. Dass das Institut des Fristenstillstandes dem Sozialversicherungsprozess wesensmässig BGE 116 V 265 S. 271 fremd wäre, sich also schlechterdings mit ihm nicht vertrüge, so dass von einem allgemeinen Grundsatz gesprochen werden müsste - wie dies die Praxis dem Fristwiederherstellungsgrundsatz zugemessen hat ( BGE 108 V 109 ) -, kann schon deswegen nicht gesagt werden, weil zumindest vor dem Eidg. Versicherungsgericht - somit in Sozialversicherungssachen - die Fristenstillstandsbestimmung von Art. 34 OG massgeblich ist (in Verbindung mit Art. 135 OG ). Davon abgesehen kommen kantonale Fristen(stillstands)bestimmungen auch in Sozialversicherungsbereichen auf der Ebene des kantonalen Beschwerdeverfahrens zur Anwendung, wo die bundesrechtlichen Verfahrensbestimmungen rudimentär ausgestaltet sind, z. B. in der Arbeitslosenversicherung (vgl. Art. 103, besonders Abs. 6 AVIG; so ausdrücklich GERHARDS, AVIG-Kommentar, N. 35 zu Art. 103). b) Dass Art. 97 UVG , welche Fristenregelung den Fristenstillstand nicht kennt, in kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren nicht massgeblich sein kann, ergibt sich ferner aus einer von den Verfahrensbeteiligten bisher nicht erwähnten Überlegung: Die Massgeblichkeit der Verfahrensbestimmungen gemäss Art. 97 ff. UVG folgt, wie in BGE 115 V 299 Erw. 2b ausgeführt wird, für die übrigen registrierten Versicherer ausschliesslich daraus, dass Art. 96 UVG den Anwendungsbereich der UVG-Verfahrensbestimmungen wesentlich durch die Nichtanwendbarkeit des VwVG umschreibt. Diese Art der Anwendbarerklärung der UVG-Verfahrensbestimmungen macht nur für die Versicherer einen Sinn, nicht aber für die kantonalen Rechtspflegebehörden, weil für letztere von vornherein nur die in Art. 1 Abs. 3 VwVG vorbehaltenen Bestimmungen massgeblich sind. Indem Vorinstanz und SUVA die Verfahrensbestimmungen der Art. 97 ff. UVG und die Bestimmungen über die Rechtspflege nach Art. 105 ff. UVG auf die gleiche Ebene stellen, verkennen sie den Charakter des Art. 96 UVG als für das Verfahren vor den Versicherern massgebliche und überhaupt sinnvolle Verweisungsnorm, welche hinsichtlich des kantonalen Rechtsmittelverfahrens obsolet ist: Bei den Versicherungsträgern geht es einzig darum, dass diese kraft Art. 96 UVG gewisse Verfahrensbestimmungen der Art. 97 ff. UVG zu beachten haben; bei der kantonalen Rechtspflege dagegen steht die von SUVA und Vorinstanz mit keinem Wort erwähnte verfassungsmässige Kompetenzausscheidung zwischen den Rechtssetzungszuständigkeiten des Bundes und der Kantone auf dem Spiel. Wenn die Bundesverfassung ein bestimmtes BGE 116 V 265 S. 272 Sachgebiet (wie in Art. 34bis die Unfallversicherung) zur Bundesaufgabe erklärt, so heisst dies nicht, dass der Bund deswegen auch zuständig wäre, die Rechtspflege zu regeln ( Art. 3 BV ; SALADIN, in Kommentar zur Bundesverfassung, N. 65 ff. und 104 f. zu Art. 3). Auch unter diesem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Auslegung hält die Annahme eines qualifizierten Schweigens durch die Vorinstanz nicht stand. Denn dem Bundesgesetzgeber können dort nicht unter Berufung auf qualifiziertes Schweigen Rechtssetzungszuständigkeiten zugestanden werden, wo er von Bundesverfassungs wegen zur Rechtsetzung gerade nicht zuständig ist, sondern einer Grundlage bedürfte, die er sich bisweilen in für die Gerichte verbindlicher Weise effektiv nimmt (Art. 113 Abs. 3 und 114bis Abs. 3 BV), was aber hier gerade nicht der Fall ist. Der vorinstanzliche Entscheid verletzt daher die verfassungsmässige Organisations- und Verfahrensautonomie, welche den Kantonen auch hinsichtlich der Rechtspflege in Unfallversicherungssachen gewährleistet bleibt, soweit der Bundesgesetzgeber darin nicht eingegriffen hat. Dies trifft hier, im Unterschied zum AHV/IV-Bereich, wie dargelegt nicht zu.
null
nan
de
1,990
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
96783c2f-c8f5-4f0b-8701-418dbc5871b8
Urteilskopf 105 Ia 63 15. Extrait de l'Arrêt de la IIe Cour de droit public du 23 mai 1979, dans la cause H. contre Commission neuchâteloise de recours en matière fiscale (recours de droit public)
Regeste Art. 4 BV ; Steuerstrafrecht. Das Legalitätsprinzip beherrscht sowohl das Straf- wie das Steuerrecht; und der Grundsatz nulla poena sine lege findet anerkanntermassen auch Anwendung im Steuerstrafrecht, weshalb es unhaltbar und somit willkürlich ist, einen Erben wegen Lücken in dem von der zuständigen Behörde gemäss Art. 581 ZGB errichteten Inventar in eine Steuerbusse zu verfällen, während diese Strafe nach dem Gesetz nur denjenigen Erben trifft, der ein unvollständiges Inventar, das im Hinblick auf eine Abgabeerhebung von der Steuerverwaltung errichtet worden ist (sog. inventaire juridique), nicht hat ergänzen lassen.
Erwägungen ab Seite 64 BGE 105 Ia 63 S. 64 Extrait des considérants: 2. Est arbitraire une application de la loi qui s'écarte du texte clair de celle-ci, à moins que des motifs légitimes ne permettent de le faire ( ATF 101 Ia 207 et références). Selon l' art. 335 ch. 2 CP , les cantons conservent le pouvoir d'édicter les dispositions pénales nécessaires pour assurer l'observation du droit cantonal en matière fiscale. Ils ne sont pas tenus d'appliquer les règles générales du Code pénal ( ATF 103 Ia 227 ). Toutefois, tant le droit pénal (qui implique une importante restriction de la liberté individuelle, cf. ATF 99 Ia 262 ss. et références) que le droit fiscal (cf. ATF 103 Ia 382 et références) sont régis par le principe de la légalité. Aussi est-il reconnu que le principe nulla poena sine lege, tel qu'il est prévu par l' art. 1 CP , s'applique aussi au droit pénal fiscal (BLUMENSTEIN, Steuerrecht, 2e éd., p. 252 ss., notamment 254; HÖHN, Tendenzen im schweizerischen Steuerstrafrecht, Archives 41, p. 281; PFUND, RDS 1971 II 165/6, 225; GAUTHIER, ibidem, p. 355). En l'occurrence, à la différence d'autres lois, l'art. 29 de la loi neuchâteloise concernant la perception d'un droit sur les succession (LSD) subordonne l'existence de l'infraction fiscale à la réalisation d'un état de fait précis, constitué par les trois circonstances suivantes: a) un inventaire dit juridique a été établi par le Service des droits de mutation et du timbre; b) cet inventaire est incomplet; c) l'héritier ne l'a pas fait compléter (sous-entendu dans un délai raisonnable). Lorsque ces conditions sont remplies cumulativement, l'héritier doit payer une amende égale au double du droit élude. Dans un tel système, l'infraction fiscale n'est pas concevable BGE 105 Ia 63 S. 65 tant que l'inventaire juridique prévu n'a pas été dressé par le service compétent. Même s'il est plus restrictif que d'autres, un tel système peut trouver une justification. Il présente l'avantage de la sécurité juridique. On ne pourra en effet pas reprocher aux héritiers des réticences antérieures souvent délicates à appréhender en fait et en droit. En revanche, les intéressés savent ou doivent savoir que dès l'instant où les actifs sont inventoriés dans le document officiel prévu par la loi, celui-ci doit être exact. L'héritier doit pouvoir lire cet inventaire et dès le moment où il en constate ou peut constater les lacunes, il a l'obligation de le faire compléter. L'importance même des pénalités (amende égale au double du droit éludé, ce qui, dans les successions dites collatérales, conduit à une redevance totale de 90% du bien non déclaré) appelle et justifie le formalisme du système. Il s'ensuit que si l'autorité estime avoir des raisons de penser que l'héritier cèle des biens et si elle désire se réserver la possibilité de faire usage efficacement de la sanction pénale, elle devra procéder à l'établissement de l'inventaire juridique prévu par la loi. Cela lui permettra le cas échéant d'ouvrir une procédure pour infraction fiscale. En l'occurrence toutefois, le Service des droits de mutation et du timbre n'a jamais établi l'inventaire juridique prévu par la loi. On pourrait alors se demander si, au regard de l'art. 29 LSD, un autre document est assimilable audit inventaire juridique. Mais tel n est évidemment pas le cas, pour plusieurs raisons. D'abord, au regard du précepte nulla poena sine lege, l'interprétation par analogie est prohibée si elle doit porter préjudice à l'accusé. Or la loi, en qualifiant l'inventaire de "juridique", a clairement indiqué non seulement que des effets juridiques lui sont attachés mais aussi, implicitement il est vrai, que son établissement doit répondre à un minimum de formes. De plus, les conséquences attachées par la loi à cet inventaire, ainsi que le respect de la bonne foi entre administration et administré, interdisent d'assimiler à l'inventaire juridique prévu par l'art. 29 LSD un document dont l'administré n'a aucune raison de penser qu'on lui attribuera les mêmes conséquences juridiques. Ensuite, l'inventaire établi au cours de la procédure de bénéfice d'inventaire comporte notamment un actif avec estimation de tous les biens ( art. 581 al. 1 CC ), qui a pour fonction première BGE 105 Ia 63 S. 66 de renseigner l'héritier et de lui permettre de choisir entre la répudiation, l'acceptation pure et simple ou l'acceptation de la succession sous bénéfice d'inventaire ( art. 588 CC ); l'inventaire permet également de fixer les limites de la responsabilité de l héritier qui a accepté sous bénéfice d'inventaire à l'égard des créanciers qui ont omis de produire ( art. 590 CC ). Ni l'une ni l'autre de ces fonctions ne coïncide avec celle de l'inventaire fiscal qui est destiné à fixer de façon obligatoire l'identité et l'estimation (selon des normes propres, cf. art. 21 ss. LSD) des biens successoraux en vue de leur imposition (taxation). L'un ne remplace donc pas l'autre. Du moins l'héritier n'a-t-il pas de raisons de le penser si on ne l'en avise pas. Or, en l'espèce, ni Heitz ni son mandataire n'ont été avisés que l'inventaire successoral civil établi par le greffier du tribunal aurait les effets de l'inventaire juridique prévu par la LSD. Il ne saurait donc être assimilé à celui-ci. Il est enfin sans intérêt pratique de rechercher si l'on pourrait prendre en considération comme inventaire juridique la décision du chef du Département des finances du 20 juin 1977, l'arrêt de la CCR du 7 novembre 1977, la lettre dudit chef du département du 23 janvier 1978 ou encore celle du 28 janvier 1978. En effet, tous ces documents ont englobé dans l'actif les avoirs de la Fondation, sur la base des indications données par Heitz ou par son mandataire. Ils n'appelaient donc pas de complément d'inventaire au sens de l'art. 29 LSD et ne pourraient partant servir de fondement au prononcé d'une amende fiscale. Reposant sur ces motifs insoutenables et donc arbitraires, la décision attaquée doit être annulée dans la mesure où elle condamne le recourant au paiement d'une amende fiscale. En revanche, aucun motif n'est invoqué à l'encontre de la perception du droit successoral et de l'émolument de dévolution d hérédité. Ces points n'avaient d'ailleurs pas été attaqués devant la CCR et n'auraient par conséquent pas pu être soumis au Tribunal fédéral dans le cadre du recours de droit public au regard de l' art. 87 OJ . Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral, Admet le recours, annule la décision attaquée et lève en conséquence l'amende fiscale infligée au recourant.
public_law
nan
fr
1,979
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
968c8ccd-24bd-4322-b584-f29741bd3de8
Urteilskopf 81 II 259 44. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. September 1955 i. S. Brandt gegen Vormundschaftskommission Biel.
Regeste Vormundschaft gemäss Art. 369 ZGB wegen Psychopathie (angeborene Charakteranomalie): Ersetzung derselben durch eine Beiratschaft (Art. 395 Abs. 1 und 2) gestützt auf psychiatrische Feststellung, dass die Anomalie zwar nicht weggefallen, wohl aber soweit zurückgegangen ist, dass sie die Entmündigung nicht mehr rechtfertigt, jedoch eine Beiratschaft angezeigt ist. Gegenstand des Sachverständigengutachtens gemäss Art. 436 ZGB . Stellung des Richters dazu. Verhältnis von Vormundschaft zu Beiratschaft.
Sachverhalt ab Seite 260 BGE 81 II 259 S. 260 A.- Roger Brandt, geb. 1909, nahm schon in der Schulzeit eine abnormale Entwicklung, indem er, zum Teil zufolge der negativen Einstellung seines geschäftlich erfolgreichen, autoritären Vaters zu dem körperlich und geistig eher schwächlichen Sohne, ein ängstlicher, asozialer Einzelgänger wurde, in verschiedenen Schulen versagte, bereits mit 16 Jahren als Handelsschüler in nervenärztliche Behandlung kam und einen Hang zu phantasievollen Geschäften zeigte, denen er weder finanziell noch charakterlich gewachsen war. Auf den Zeitpunkt seiner Volljährigkeit wurde er daher auf eigenes Begehren in Anwendung von Art. 369 ZGB entmündigt und bis 1937 in Sanatorien in Spiez bzw. Oetwil untergebracht, von wo aus er sich in verschiedenen Anstellungen versuchte. Zufolge zweifelhafter Geschäfte in Strafuntersuchung gezogen, wurde er 1944 von Prof. Binder in der Anstalt Rheinau begutachtet und als vermindert zurechnungsfähiger, impulsiver, affektlabiler und sozial haltloser Psychopath erklärt, dessen Charakteranomalien einer Geistesschwäche gemäss Art. 369 ZGB gleichkämen. Von 1949 an versah er, zuerst vom Sanatorium Kilchberg aus, dann in der Freiheit eine Stelle bei einer Verlagsanstalt in Zürich, wo sein Vorgesetzter zum Vormund ernannt wurde. Im Sommer 1954 verlor er diese Stelle wegen unloyalen Verhaltens gegenüber Mitarbeitern und Vormund, fand jedoch bald wieder eine ähnliche Stelle. Ein Gesuch um Aufhebung der Vormundschaft wurde BGE 81 II 259 S. 261 1951 abgewiesen gestützt auf ein Gutachten von Dr. Binswanger, das den Befund der Rheinau von 1944 im wesentlichen als unverändert erklärte, aber eine gewisse soziale Anpassung feststellte, die dem Einfiuss der Verlobten des Exploranden, der Psychiaterin Frau Dr. Sch. zuzuschreiben sei; aus einer ehelichen Verbindung mit dieser seien aber bei der ungefestigten, psychopathischen Wesensart des Gesuchstellers mehr Nachteile und Gefährdungen als Vorteile und Sicherheiten zu erwarten, weshalb eine Aufhebung der Vormundschaft nicht zu verantworten wäre. Auf ein neues Gesuch vom Januar 1952 ordnete das Amtsgericht Biel eine neue Begutachtung durch Prof. Klaesi an, der zum Schlusse gelangte, dass Brandt weder geisteskrank noch geistesschwach sei, sondern an einer angeborenen Charakteranomalie (Psychopathie) leide, die in ihrer Auswirkung u. U. einer Geisteskrankheit oder Geistesschwäche gleichkomme; es müsse noch gerichtlich abgeklärt werden, "wie weit die durch die psychiatrische Untersuchung in Rede gestellten Versagen und Verschulden Roger Brandts der Wahrheit entsprechen. Tun sie es, beweisen sie, dass R. Brandt seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, und zwar, da seine Psychopathie unheilbar ist, dauernd nicht. Vorläufig bedarf er zu seinem Schutz noch des Beistandes und der Fürsorge. Ob dauernd, und wie weit er die Sicherheit Anderer gefährdet, wird ebenfalls eine gerichtliche Untersuchung feststellen". Vom Amtsgerichte zum Ergebnis der Zeugeneinvernahme befragt, erklärte Prof. Klaesi, er bestätige sein Gutachten, immerhin seien die Aussagen des Vormundes so gewesen, dass er nicht alles aufrecht erhalten könne, was im Gutachten Nachteiliges stehe. Daraufhin hiess das Amtsgericht das Gesuch Brandts gut und ersetzte die Vormundschaft durch eine Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB . B.- Auf Appellation der Vormundschaftskommission BGE 81 II 259 S. 262 Biel holte der Appellationshof von Prof. Klaesi ein Ergänzungsgutachten ein über die Frage, ob er gestützt auf das Beweisverfahren zum eindeutigen Schluss gekommen sei, dass der Bevormundungsgrund nicht mehr bestehe. Im Nachtragsbericht vom 19. April 1955, nach Vornahme der angeregten Ergänzungen des Beweisverfahrens, erklärte der Experte, im Geisteszustand Roger Brandts sei insofern eine unwidersprochene Besserung eingetreten, als er sich seit Jahren fleissig und mit Erfolg beruflich betätige. Er habe sich auch unter ehrbaren Leuten Freunde erworben. Der Experte fasst seine Stellungnahme wie folgt zusammen: "Der Grund zur Einschränkung seiner Handlungsfähigkeit (Bevormundungsgrund) ist deshalb vom ärztlichen Gesichtspunkt aus nicht mehr genau derselbe wie vordem. Gegen eine Umwandlung der Vormundschaft in eine Beiratschaft nach Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB ist ärztlicherseits nichts einzuwenden. Eine gänzliche Wiederbemündigung ist jedoch, gestützt auf den psychiatrischen Befund, der in meinem Hauptgutachten ..... ausführlich dargestellt ist, nicht zu empfehlen." Die Vorinstanz zog daraus den Schluss, wenn der Bevormundungsgrund nicht mehr genau derselbe sei, so bestehe er also doch immer noch; auch scheine der Experte sich insofern über die rechtlichen Begriffe der Vormundschaft und der Beiratschaft nicht klar zu sein, als er einerseits eine gänzliche "Wiederbemündigung", also die Aufhebung der Vormundschaft ablehne und anderseits für eine Beiratschaft eintrete, die den Wegfall des Bevormundungsgrundes voraussetze. Sei mithin der Wegfall des Bevormundungsgrundes psychiatrisch nicht festgestellt, wie Art. 436 ZGB verlange, so entfalle die rechtliche Möglichkeit einer Beiratschaft. C.- Mit der vorliegenden Berufung hält der Gesuchsteller an semem Antrag auf Ersetzung der Vormundschaft durch eine Beiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 1 und 2 fest. Die Vormundschaftskommission Biel trägt auf Abweisung der Berufung an. BGE 81 II 259 S. 263 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: Die Einholung des Sachverständigengutachtens ist gemäss Art. 436 ZGB unerlässliche Voraussetzung der Aufhebung der Vormundschaft. Diese Vorschrift verlangt aber nicht, dass der Psychiater festgestellt habe, dass der Bevormundungsgrund nicht mehr bestehe; wie bei der Entmündigung ist der Richter nicht an das Gutachten gebunden, sondern dieses dient nur als Hilfsmittel des Richters, der die Feststellung, ob der Entmündigungsgrund weggefallen sei, frei zu treffen hat. Diese "Feststellung" nun ist nur zum Teil tatsächlicher Natur, nämlich insoweit sie den geistigen Zustand des Bevormundeten beschreibt ("Bevormundungsgrund" im engern Sinne, Art. 369) und die aus diesem Zustand für dessen künftige Verhaltensweise zu erwartenden Auswirkungen angibt (Voraussetzung der Entmündigung); ob aber jener Zustand unter die Begriffe der Geisteskrankheit oder -schwäche im Sinne des Gesetzes und diese Auswirkungen unter die Begriffe der Unfähigkeit bzw. Schutz- und Beistandsbedürftigkeit fallen, sind Rechtsfragen. Wenn sich mithin der Gutachter darüber äussern soll, ob der Bevormundungsgrund (im engern und im weitern Sinne des Art. 369) noch oder nicht mehr bestehe, so muss zufolge dieser Vermischung der Begriffsgebiete die Antwort des medizinischen Experten unvermeidlicherweise auch rechtliche Elemente enthalten; und mit Bezug auf diese und deren Interpretation durch die Vorinstanz ist dem Berufungsrichter eine Überprüfung nicht verwehrt. In dieser Hinsicht umschreibt die Vorinstanz die zu entscheidende Frage mit Recht dahin, ob sich die grösstenteils konstitutionell bedingten Charakteranomalien des Berufungsklägers in den letzten Jahren zurückgebildet haben oder ob sie zumindest in ihren Auswirkungen soweit zurückgedrängt wurden, dass sich eine weitere Aufrechterhaltung der Vormundschaft nicht mehr rechtfertige. Nicht gefolgt werden kann dagegen der Vorinstanz BGE 81 II 259 S. 264 darin, dass der Experte die ihm gestellte Aufgabe verkannt habe, weil er im Nachtragsgutachten sich nicht auf die Frage beschränkte, ob ihn die Beweisführung vor Amtsgericht zu einer Änderung der Stellungnahme im Hauptgutachten veranlasst habe, sondern erneut das Für und Wider auf Grund sowohl der alten als der neuen Kenntnisse erwogen hat. Es kommt allein auf die materielle Wahrheit an, hier auf die Auffassung des Experten am Schlusse seiner mehrjährigen Beobachtungen. Die Art, wie der Gutachter seine Meinung abschliessend zusammenfasst, lässt durchaus nicht auf eine Verkennung des Verhältnisses von Vormundschaft zu Beiratschaft schliessen. Wenn er sagt, der Grund zur Einschränkung der Handlungsfähigkeit (Bevormundungsgrund) sei "nicht mehr genau derselbe wie vorher ", man könne die Handlungsfähigkeit zwar nicht ganz wieder herstellen, sich aber mit einer Beiratschaft begnügen, so heisst das ganz offenbar, die geistige Abnormität des Exploranden sei jetzt nicht mehr in dem Masse vorhanden, wie bisher und im Hauptgutachten angenommen, nämlich nicht mehr so, dass sie die Entmündigung nach Art. 369 rechtfertigte, sondern nur noch in dem Masse, dass eine kombinierte Beiratschaft am Platze sei. Darin liegt keinerlei Widerspruch. Die Beiratschaft setzt nicht den absoluten Wegfall des Bevormundungsgrundes (im weitern Sinne) voraus. Nach Art. 395 Abs. 1 kann ein Beirat gegeben werden, "wenn für die Entmündigung einer Person kein genügender Grund vorliegt". Der Unterschied zwischen Bevormundung und Beiratschaft ist hinsichtlich der Voraussetzungen, wie auch bezüglich der Wirkungen, im wesentlichen ein quantitativer ( BGE 38 II 437 , BGE 80 II 17 , 199). Der Geisteszustand einer Person kann so sein, dass sie zwar nicht verstört und fürsorgebedürftig genug ist, um einer gänzlichen Entmündigung nach Art. 369 zu bedürfen, aber immerhin so beeinträchtigt, dass eine Beschränkung ihrer Handlungsfähigkeit gemäss Art. 395 Abs. 1 oder /und Abs. 2 angezeigt ist. In diesem Sinne hat BGE 81 II 259 S. 265 Prof. Klaesi seine Beurteilung des Exploranden vom Haupt- zum Nachtragsgutachten, wenn man dieses rein sachlich auslegt, modifiziert. Ob der Bevormundungsgrund des Art. 369 schlechthin weggefallen sei, nämlich so, dass die Vormundschaft einfach aufgehoben werden könnte, war gar nicht zu prüfen, nachdem der Gesuchsteller dies ja nicht verlangte, sondern bloss deren Ersetzung durch die Beiratschaft. Diese Subsumption des tatsächlichen psychiatrischen Befundes unter Art. 395 statt Art. 369 erscheint auch durchaus einleuchtend. Auch die Vorinstanz anerkennt, "dass sich Brandt während der letzten Jahre im Beruf behauptet hat"; und zwar handelt es sich um einen Zeitraum von rund zehn Jahren. Wenn die Vorinstanz demgegenüber die "Unverträglichkeit, ja Boshaftigkeit des Gesuchstellers gegenüber seinen Arbeitskollegen" hervorhebt, so ist zwar anzunehmen, dass diese Fehler Auswirkungen der psychopathischen Veranlagung sind; aber solche Charakteranomalien sind, selbst wenn psychopathisch bedingt, kein "genügender Grund" zur Entmündigung. Die Psychopathie bildet einen solchen - und damit eine Geisteskrankheit oder -schwäche - nur, wenn der Betroffene ihretwegen seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag usw. (Art. 369). Dies ist bei Brandt heute und seit Jahren nicht mehr der Fall. Diesem Schlusse stehen auch die Befunde von Rheinau (1944) und von Dr. Escher (1934) nicht entgegen. Es ist eine konkrete Besserung im Verhalten des Gesuchstellers festzustellen, die, soweit nicht einer Regression der Psychopathie, zweifellos langjährigen Bemühungen desselben zuzuschreiben ist. Solche Anstrengungen müssen von den Behörden gewürdigt werden, soll nicht ein Bevormundeter jedes Interesse an einer Besserung verlieren, was nicht der Sinn des Gesetzes ist. Diesem entspricht der Grundsatz der persönlichen Freiheit und deren Beschränkung nur im Falle absoluter Notwendigkeit. Wenn schliesslich im Hauptgutachten die Heiratsabsichten des Gesuchstellers BGE 81 II 259 S. 266 negativ ins Gewicht gefallen waren, so betraf dies eine Spezialfrage, die, nach seiner formellen Erklärung vom 2. Juni 1955 gegenüber der Vorinstanz, er verzichte ein für alle Mal auf diese Ehe, nicht mehr den Ausschlag geben kann; jedenfalls ändert sie nichts daran, was der Experte im späteren Nachtragsgutachten erklärt hat. Dass die Voraussetzungen einer Beschränkung der Handlungsfähigkeit im Sinne von Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB vorliegen, anerkennt der Berufungskläger mit seinem Antrag selbst. Er rechtfertigt dieses Begehren auch durchaus vernünftig damit, dass er zur selbständigen Verwaltung eines erheblichen, ihm nach dem Tode seines Vaters zugefallenen Vermögens nicht in der Lage wäre. Die Verbindung der Mitwirkungs- mit der Verwaltungsbeiratschaft ist von der Rechtsprechung zulässig und dort angezeigt erklärt worden, wo die eine oder andere Art der Beiratschaft zum Schutze einer Person allein nicht genügen würde, eine so weitgehende Einschränkung in der persönlichen Selbständigkeit, wie sie in der Bevormundung liegt, dagegen unnötig erscheint ( BGE 66 II 14 ). Auch bei Kombination beider Arten lässt die Beiratschaft verglichen mit der Vormundschaft der Handlungsfähigkeit ein hinreichend breites Gebiet frei, namentlich hinsichtlich der persönlichen Lebensgestaltung, bezüglich Erwerbstätigkeit, Rechtsgeschäften von minderer Tragweite usw., dass sie eme nützliche Zwischenstufe zwischen Vormundschaft und gänzlicher Freiheit bildet ( BGE 78 II 336 ). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: In Gutheissung der Berufung wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die über den Berufungskläger bestehende Vormundschaft aufgehoben; an deren Stelle tritt eine Beiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB .
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Urteilskopf 92 II 66 10. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Januar 1966 i.S. Gantner gegen Schweizerische Kreditanstalt.
Regeste Berufung. Erfordernis eines Antrags und einer Begründung. Art. 55 Abs. 1 lit. b und c OG . Tragweite von Art. 55 Abs. 2 OG .
Sachverhalt ab Seite 66 BGE 92 II 66 S. 66 A.- Alfred Gantner erhob am 3. Dezember 1964 gegen die Schweizerische Kreditanstalt, Lugano, Klage auf Aberkennung einer Wechselforderung von Fr. 12'000.-- nebst Zinsen und Kosten, für die der Beklagten am 23. November 1965 provisorische Rechtsöffnung erteilt worden war. B.- Das Zivilgericht und das Appellationsgericht von Basel-Stadt wiesen die Klage ab. C.- Gegen das Urteil des Appellationsgerichts vom 10. Dezember 1965 hat der Kläger am 3. Januar 1966 Berufung an das Bundesgericht eingelegt. Seine Eingabe enthält weder einen Antrag noch eine Begründung, sondern nur das Gesuch um BGE 92 II 66 S. 67 Ansetzung einer Frist für die Begründung und die Erklärung, dass an den Begründungen und Beweismitteln der beiden vorhergehenden Verfahren festgehalten werde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: Nach Art. 55 Abs. 1 lit. b OG muss die Berufungsschrift die genaue Angabe enthalten, welche Punkte des kantonalen Entscheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden; es sind also bestimmt gefasste Berufungsanträge erforderlich. Art. 55 Abs. 1 lit. c OG verlangt sodann eine Begründung der Anträge. Diese Formvorschriften sind zwingend. Wird ihnen nicht genügt, so ist die Berufung ungültig. Da die Eingabe des Klägers weder einen Antrag noch eine Begründung enthält, kann somit auf die Berufung nicht eingetreten werden. Dem Begehren des Klägers, es sei ihm eine Frist zur Begründung seiner Berufung anzusetzen, kann nicht entsprochen werden, weil die Berufungsfrist des Art. 54 OG eine gesetzliche Frist ist, die nach Art. 33 Abs. 1 OG nicht erstreckt werden kann. Der blosse Hinweis auf im kantonalen Verfahren gestellte Anträge und Ausführungen genügt nicht ( BGE 84 II 110 , BGE 89 II 414 ). Art. 55 Abs. 2 OG sieht zwar vor, dass eine Berufungsschrift, deren Begründung den Vorschriften des Abs. 1 nicht entspricht, zur Verbesserung zurückgewiesen werden könne. Diese Bestimmung ist hier jedoch nicht anwendbar. Sie lässt nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut die Rückweisung nur zur Heilung von Mängeln der Begründung zu. Eine Rückweisung zur Verbesserung von Mängeln des Antrages ist somit ausgeschlossen. Aber auch eine Rückweisung zur Verbesserung der Begründung ist nach der Rechtsprechung nicht statthaft, wenn überhaupt jede Begründung fehlt ( BGE 71 II 35 ). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
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Urteilskopf 91 I 124 20. Auszug aus dem Urteil vom 31. März 1965 i.S. Wohlfahrtsfonds für das Personal der Neue Warenhaus AG und Konsorten gegen Einwohnergemeinde Lauterbrunnen und Regierungsrat des Kantons Bern.
Regeste Eigentumsgarantie. Das Freihalten von Skipisten durch Bauverbote ist ein schwerer Eingriff in das Privateigentum und deshalb nur gestützt auf eine klare gesetzliche Grundlage zulässig.
Sachverhalt ab Seite 124 BGE 91 I 124 S. 124 Aus dem Tatbestand: Im Hinblick auf die "Erhaltung der Skipisten" hat die Einwohnergemeinde Lauterbrunnen im Jahre 1963 für das Gebiet von Mürren und Wengen Baulinienpläne ausarbeiten lassen, in denen für die Skipisten 12 Meter breite, mit folgender Legende versehene Zonen vorgesehen waren: "Freifläche als Übungsgelände für den Skisport und andere Wintersportarten gemäss Art. 9 des Gesetzes über Bauvorschriften. Diese Zone darf nicht überbaut werden und ist von allen skisporthindernden Bauten, Anlagen und Bepflanzungen frei zu halten. Vorspringende Gebäudeteile, wie Lauben, Terrassen, Vordächer BGE 91 I 124 S. 125 etc., dürfen nur in einer Höhe von 2,80 m über dem gewachsenen Terrain und 1,50 m in die Bauverbotszone hineinragen. Bauten und Anlagen von öffentlichem Interesse, die der Zweckbestimmung dieser Zone dienen, können mit der Zustimmung des Gemeinderates erstellt werden." Nachdem der Baulinienplan Mürren-Dorfvon der Einwohnergemeinde angenommen und vom Regierungsrat des Kantons Bern am 16. Juni 1964 genehmigt worden war, erhoben drei der betroffenen Grundeigentümer staatsrechtliche Beschwerde wegen Willkür und Verletzung der Eigentumsgarantie. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: Beim Entscheid über die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe, ist das Bundesgericht nicht frei. Es überprüft Auslegung und Anwendung der kantonalen Vorschriften, welche die kantonalen Instanzen zur Stützung des beanstandeten Eingriffes herangezogen haben, im allgemeinen nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür und rechtsungleichen Behandlung. Eine Ausnahme besteht nur, wenn es sich um einen schweren Eingriff in das Privateigentum handelt, der wesentlich über das hinaus geht, was in der Schweiz bisher als öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung üblich war: Ein solcher Eingriff ist nach der Praxis nur zulässig, wenn er aufeiner unzweideutigen gesetzlichen Grundlage beruht ( BGE 89 I 467 mit Verweisungen). Das Freihalten von Skigelände durch Bauverbote ist ein derart schwerer Eingriff (vgl. BGE 89 I 104 ), so dass auf das Erfordernis einer klaren Grundlage nicht verzichtet werden kann. Das die Beschwerdeführer treffende Bauverbot stützt sich auf Art. 9 des bernischen Gesetzes über die Bauvorschriften vom 26. Januar 1958 (BVG), wonach Freiflächen "als Übungsgelände für den Skisport" ausgeschieden werden können, sowie auf die vom Grossen Rat ausgehende authentische Interpretation, dass unter "Übungsgelände für den Skisport ... auch die Abfahrtsstrecken und die notwendigen Zufahrten nach den Talstationen von Personentransportmitteln" zu verstehen sind. a) Dass schon der von den kantonalen Instanzen als gesetzliche Grundlage für die fragliche Eigentumsbeschränkung angerufene Rechtssatz selber die Eigentumsgarantie verletze, wird von den Beschwerdeführern nicht behauptet. BGE 91 I 124 S. 126 b) Ob geltend gemacht werden will, der Grosse Rat habe die ihm durch Art. 10 KV eingeräumte Kompetenz zur authentischen Interpretation eines vom Volk angenommenen Gesetzes überschritten, lässt die Beschwerde nicht einwandfrei erkennen. Abgesehen davon wäre eine solche Rüge unbegründet. Freilich kann, wenn die Befugnis zur authentischen Gesetzesinterpretation nach der Verfassung einem vom Gesetzgeber verschiedenen Staatsorgan zukommt, dessen Erlassen verfassungsmässige Gültigkeit nur zukommen, "sofern sie die Grenzen möglicher Gesetzesauslegung nicht überschreiten, also nicht Rechtssätze aufstellen, welche nicht im Sinne des geltenden Gesetzes liegen können, sondern faktisch eine Gesetzesänderung bedeuten würden ..." ( BGE 34 I 79 ). An diese Grenzen hat sich indessen der Grosse Rat gehalten. Der in Art. 9 BVG verwendete Ausdruck "Übungsgelände für den Skisport" ist nicht von vorneherein derart eindeutig und unmissverständlich, dass er nicht der Auslegung bedürfte. Wohl weist er zunächst auf die Abhänge hin, die den Anfängern und auch fortgeschritteneren Skifahrern für das Erlernen und Verbessern der Fahrtechnik dienen. Es geht aber nicht über den möglichen Wortsinn hinaus, auch Abfahrtsstrecken, die von einem hoch gelegenen Punkt ins Tal führen, zum Übungsgelände zu zählen. Auch das Befahren dieser Abfahrtsstrecken kann dem Bestreben dienen, die Fahrtechnik zu verbessern, also zu üben, werden sie doch auch von Skilehrern mit fortgeschritteneren Schülern benutzt. Eine feste Grenze zwischen Üben und Skifahren als solchem besteht nicht. Unter "Übungsgelände" auch Abfahrtsstrecken zu verstehen ist umso eher zulässig, als zu ihrer Freihaltung verfügte Bauverbote flächenmässig regelmässig weniger schwer ins Privateigentum eingreifen werden als Verbote, die ganze Übungshänge sichern sollen. Die "notwendigen Zufahrten nach den Talstationen" von Bergbahnen schliesslich erscheinen bei der heute üblichen Ausübung des Skisportes als blosses Anhängsel zu den eigentlichen Abfahrtsstrecken. c) In aller Form rügen die Beschwerdeführer, dass für die im Baulinienplan auf ihren Grundstücken vorgesehenen Bauverbotszonen Art. 9 BVG auch mit dem Inhalt, der ihm durch die authentische Interpretation gegeben worden sei, keine genügende gesetzliche Grundlage bilde. Nach der authentischen Interpretation gehe es nur darum, die von der eigentlichen Abfahrtsstrecke zu unterscheidende "Zufahrt" zur Station eventuell BGE 91 I 124 S. 127 auch im Dorf zu sichern, soweit dies "notwendig" sei. Wäre die Frage der Notwendigkeit geprüft worden, so hätte sich ergeben, dass die Zufahrt durch die Grundstücke der Beschwerdeführer für die Skifahrer vielleicht etwas bequemer, aber keineswegs notwendig sei, da andere Lösungen sich anböten. Es sei auch nicht überprüft worden, ob nicht ein Bauverbotsstreifen von weniger als 12 Meter Breite den Bedürfnissen der Skifahrer genügen würde. Da nach der authentischen Interpretation auch Skipisten mit ihren Zufahrten zu den Talstationen von Personentransportmitteln unter Art. 9 BVG fallen, ist indessen die klare gesetzliche Grundlage für die im vorliegenden Falle vorgesehene Bauverbotszone gegeben. Ob die im Baulinienplan abgegrenzte Zufahrt zur Talstation der Mürren-Allmendhubel-Bahn "notwendig", also zur Erreichung des angestrebten Zieles erforderlich sei, hängt mit der Frage zusammen, ob und wie weit ein öffentliches Interesse an der umstrittenen Eigentumsbeschränkung bestehe.
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Urteilskopf 122 III 361 67. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. September 1996 i.S. X. AG gegen Bank (Berufung)
Regeste Art. 401 OR , Art. 165 OR . Ein Auftrag liegt nur vor und Art. 401 OR ist nur anwendbar, wenn fremde Geschäfte besorgt werden (E. 3). Der Parteiwille ist auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften nach den allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Ob der so festgestellte Parteiwille formell hinreichend zum Ausdruck kommt, beurteilt sich nach dem Zweck der Form. Die Schriftform der Zession dient der Klarstellung und Verkehrssicherheit (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 361 BGE 122 III 361 S. 361 Die Bank gewährte der X. AG im September 1983 einen Rahmenkredit von maximal 1,5 Millionen Franken, der in den folgenden Jahren mehrmals erhöht wurde und im November 1989 20 Millionen Franken betrug. Mit dem eingeräumten Darlehen gewährte die X. AG ihrerseits Kredite an Drittfirmen BGE 122 III 361 S. 362 zur Finanzierung von Leasinggeschäften; ab Juni 1985 gehörte zu ihren Kreditnehmern auch die Y. AG, die im Leasing- und Kleinkreditgeschäft tätig war. Zur Sicherung des von der Bank gewährten Kredits an die X. AG vereinbarten die Parteien die Abtretung von Forderungen, wozu auch die von der Y. AG an die X. AG zedierten Forderungen gegenüber den Leasingnehmern gehörten und womit sich die Y. AG einverstanden erklärte. Ausserdem räumte die Y. AG der Bank ein Pfandrecht an den jeweiligen Guthaben auf dem gemeinsamen Konto der X. AG und der Y. AG bei der Bank ein. Ende Mai 1991 informierte die Y. AG ihre Gläubiger über Liquiditätsprobleme. Um einen drohenden Konkurs abzuwenden, vereinbarten die betroffenen Finanzinstitute - unter denen sich auch die X. AG befand - ein privates Nachlassverfahren und eine stille Liquidation der Y. AG. Sie setzten die Z. AG bzw. deren Verwaltungsratspräsidenten D. als Sachwalter ein, dem sie unter anderem die Erstellung eines Status der "Bankenforderungen" per 30. Juni 1991 auftrugen. In einem Konsortialvertrag vereinbarten die Gläubigerbanken der Y. AG die Erstellung eines Status der Instanzen per 30. Juni 1991 und die Überweisung der für den laufenden Betrieb der Y. AG nicht erforderlichen freien Mittel auf ein neu zu eröffnendes Konto bei der S-Bank, das ihnen zu gesamter Hand zustehen und von dem der Sachwalter monatliche Abschlagszahlungen an die einzelnen Gläubiger leisten sollte. Im August 1991 bezifferte die X. AG ihre Forderung gegenüber der Y. AG auf insgesamt gerundete 19,205 Millionen Franken, und zwar 5,058 Millionen Franken für Kleinkreditgeschäfte und 14,16 Millionen Franken für Leasinggeschäfte. Der Sachwalter leistete rund vierzig Abschlagszahlungen. Für die X. AG wurden insgesamt 12,3 Millionen Franken Abschlagszahlungen ausgeschieden. Die X. AG geriet selbst in finanzielle Schwierigkeiten und am 13. April 1992 wurde ihr die Nachlassstundung gewährt. Die Bank machte in diesem Nachlassverfahren Forderungen von insgesamt Fr. 13'933'918.25 geltend. Die Bank klagte beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen die X. AG. Mit einem Feststellungsbegehren (Ziffer 1) verlangte die Klägerin, dass 73,681 % des auf die Beklagte entfallenden Anteils im privaten Nachlass der Y. AG zu ihren Gunsten aus dem Nachlass der Beklagten ausgesondert werden. In Ziffer 2 forderte sie die Bezahlung ihres behaupteten Anteils an einzelnen Abschlagszahlungen, welche auf Konti der Beklagten bei BGE 122 III 361 S. 363 Drittbanken gelangt waren, die keine eigenen Forderungen gegenüber der Beklagten hatten. Die Beklagte beantragte hauptsächlich die vollumfängliche Abweisung der Klage. In der Widerklage verlangte sie einerseits die Rücküberweisung der im Juni 1992 versehentlich auf ihr Konto bei der Klägerin überwiesenen zehnten Abschlagszahlung, anderseits die Zahlung von Beträgen aus Betreibungen gegen Leasingnehmer der Y. AG, welchen noch das Konto bei der Klägerin als Zahlstelle angegeben worden sei. Am 23. August 1995 fällte das Handelsgericht des Kantons Bern folgendes Urteil: "1. In Gutheissung von Rechtsbegehren 1 der Klage wird festgestellt, dass die Klägerin bezüglich des im aussergerichtlichen Nachlass der Y. AG, Speicher, gemäss Ziffer 4 des Konsortialvertrags vom Juli 1991 (Klagebeilage 11) an die Banken zu verteilenden Liquidationserlöses einen Anspruch auf Auszahlung der Dividende besitzt, die auf die von der Beklagten angemeldete Forderung aus der Refinanzierung von Leasinggeschäften entfällt. Auf diese Dividende sind bereits an die Klägerin ergangene Zahlungen, insbesondere die von der Beklagten widerklageweise geltend gemachten Beträge von Fr. 29'541.90 (Rechtsbegehren A der Widerklage) und Fr. 453'328.-- (Rechtsbegehren B der Widerklage) sowie der der Klägerin zu bezahlende Betrag gemäss Ziffer 2 hiernach anzurechnen. 2. In Gutheissung von Rechtsbegehren 2 der Klage wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin Fr. 926'298.-- nebst Zins zu 6 % seit 5. August 1992 zu bezahlen. 3. Die Widerklage wird abgewiesen..." Gegen das handelsgerichtliche Urteil erhebt die Beklagte eidgenössische Berufung und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen, eventuell die Ansprüche der Klägerin mit ihren Gegenansprüchen aus Auftragsentschädigung und laut Widerklage gemäss gerichtlicher Bestimmung zu verrechnen. Im weiteren verlangt sie mit der Widerklage, die Klägerin habe insgesamt Fr. 29'541.90 zuzüglich Zins ab unterschiedlichen Zeitpunkten und Fr. 453'328.-- zuzüglich Zins seit dem 24. Juni 1992 zu zahlen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils. Das Bundesgericht hat die Berufung gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden konnte, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Abklärung und neuen Entscheidung hinsichtlich der Widerklagebegehren an die Vorinstanz zurückgewiesen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Klägerin stützt ihr Begehren um Aussonderung von 73,681 % der auf die Beklagte im privaten Nachlass der Y. AG entfallenden Dividende auf BGE 122 III 361 S. 364 Art. 401 OR . Die Vorinstanz hat die Klage unter anderem mit der Begründung geschützt, es bestehe ein Auftragsverhältnis zwischen den Parteien und die Beklagte habe die Forderungen im privaten Nachlass der Y. AG für Rechnung der Klägerin erworben. Die Beklagte bestreitet, dass sie im Auftrag und auf Rechnung der Klägerin handelte, als sie im privaten Nachlass der Y. AG mitwirkte und dabei - sei es gegenüber der S-Bank, sei es gegen die Gemeinschaft der Gläubiger-Banken - Forderungen auf die jeweiligen Abschlagszahlungen erwarb. a) Hat der Beauftragte für Rechnung des Auftraggebers in eigenem Namen Forderungsrechte gegen Dritte erworben, so gehen sie gemäss Art. 401 Abs. 1 OR auf den Auftraggeber über, sobald dieser seinerseits allen Verbindlichkeiten aus dem Auftragsverhältnis nachgekommen ist. Dies gilt nach Art. 401 Abs. 2 OR auch gegenüber der Masse, wenn der Beauftragte in Konkurs gefallen ist. Dem Konkurs ist die Nachlassliquidation gleichzusetzen ( BGE 99 II 393 E. 5 S. 396). Diese Gesetzesbestimmung ist auf alle Arten des Auftrags anwendbar, wenn die darin genannten Voraussetzungen erfüllt sind ( BGE 115 II 468 E. 2b). Die Legalzession und das Aussonderungsrecht an Forderungen und beweglichen Sachen finden jedoch nur Anwendung, wenn ein Auftragsverhältnis vorliegt, in dessen Rahmen der Beauftragte Vermögenswerte zwar in eigenem Namen, aber auf Rechnung des Auftraggebers von Dritten erworben hat ( BGE 112 II 444 E. 2 S. 447 f.). b) Die Arbeitsleistung, zu der sich der Beauftragte nach Art. 394 OR verpflichtet, kann unterschiedlicher Art sein (FELLMANN, Berner Kommentar, N. 21 zu Art. 394 OR ); sie muss aber in jedem Fall die Geschäfte des Auftraggebers betreffen, die Wahrung fremder Interessen zum Ziel haben (TERCIER, Les contrats spéciaux, 2. Aufl., 1995, N. 3935; WEBER, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, N. 2 zu Art. 394 OR ; FRANZ WERRO, Le mandat et ses effets, S. 55 N. 154; HOFSTETTER, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/2, S. 5 f.). Die Einziehung eigener Forderungen dient primär dem Interesse des Gläubigers und ist daher grundsätzlich nicht Gegenstand eines Auftrags. Sie wird es auch nicht dadurch, dass ein Dritter aus einem anderen Vertrag an der Solvenz des Gläubigers und damit wirtschaftlich an der Erfüllung dieser Forderungen mitinteressiert ist. Von einem Auftragsverhältnis könnte diesfalls nur gesprochen werden, wenn die Einziehung der Forderungen in indirekter Stellvertretung auf Rechnung des Dritten erfolgt. BGE 122 III 361 S. 365 Als Gläubigerin der Y. AG bemühte sich die Beklagte, einen möglichst grossen Anteil ihrer Guthaben erhältlich zu machen, um ihre eigenen Verbindlichkeiten erfüllen zu können. Damit handelte sie jedoch nicht schon im Auftrag der Klägerin. Soweit die Beklagte mit ihrer Tätigkeit im Rahmen der Liquidation der Y. AG überhaupt das Interesse der Klägerin an der Rückzahlung des eingeräumten Kredits wahrgenommen hat, kann lediglich von einem mitübernommenen Interesse gesprochen werden; denn in erster Linie besorgte sie ihre eigenen Geschäfte, was die Annahme eines Auftrags ausschliesst. c) Die Vorinstanz hat den Gegenstand des von ihr angenommenen Auftragsverhältnisses der Parteien nicht im einzelnen festgestellt. Sie hat sich mit der Feststellung begnügt, dass die Beklagte mit ihrer Tätigkeit im Rahmen der Liquidation der Y. AG die Interessen der Klägerin wahren wollte und sich die Klägerin damit einverstanden erklärt hatte. Ob diese Feststellungen im angefochtenen Urteil den Schluss auf ein Auftragsverhältnis erlauben, erscheint fraglich, zumal die Vorinstanz in diesem Zusammenhang den Willen der Beklagten hervorhebt, unabhängig von der Gültigkeit der Abtretung von Leasingforderungen ihren Kreditverpflichtungen der Klägerin gegenüber nachzukommen. Die Frage kann jedoch offen bleiben, wenn sich weisen sollte, dass der Klägerin im Zeitpunkt der privaten Liquidation der Y. AG keine Forderungen (mehr) zediert waren, mit deren Inkasso sie die Beklagte hätte beauftragen können. Denn ein anderer Gegenstand des Auftrags, in dessen Rahmen die Beklagte für Rechnung der Klägerin hätte Forderungen gegen die Y. AG bzw. deren Gläubigergesamtheit erwerben können, ist nicht ersichtlich. Auch die Klägerin geht in ihrer Berufungsantwort zutreffend davon aus, dass ein Auftragsverhältnis nur vorliegen kann, wenn sie im Rahmen der privaten Liquidation der Y. AG als Zessionarin eigene Forderungen geltend machen konnte. Den Inhalt dieses Auftrags umschreibt sie als allgemeine Interessenwahrung mit dem Ziel, ihr die ausstehenden Leasingraten als Sicherheit zu erhalten, oder als Inkasso der Abschlagszahlungen, die nach dem Willen der Beklagten anstelle der ihr möglicherweise entgehenden Leasingraten anteilmässig zur Rückführung des Refinanzierungskredits bestimmt waren. Der Klägerin könnte aber kaum gefolgt werden, wenn sie nicht für massgebend hält, in welchem Umfang abgetretene Forderungen am 30. Juni 1991 noch vorhanden waren; die Beklagte konnte zum vornherein nur im Rahmen des Auftrags Geschäfte der Klägerin besorgen und für deren Rechnung Forderungen erwerben. BGE 122 III 361 S. 366 4. Die Abtretung bedarf gemäss Art. 165 Abs. 1 OR zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form. Die Verpflichtung zum Abschluss eines Abtretungsvertrags kann formlos begründet werden ( Art. 165 Abs. 2 OR ). Formbedürftige Rechtsgeschäfte sind nach den allgemeinen Grundsätzen auszulegen, das heisst es ist nach den gesamten Umständen zu ermitteln, was die Parteien tatsächlich gewollt haben oder wie ihre Erklärungen nach Treu und Glauben zu verstehen sind (KRAMER, Berner Kommentar, N. 59 und 93 zu Art. 18 OR ; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl., 1995, Rz. 1243; SPIRIG, Zürcher Kommentar, N. 21 in Vorbemerkungen zu Art. 164-174 OR ). In einem weiteren Schritt ist anschliessend zu beurteilen, ob der nach den allgemeinen Auslegungsmethoden ermittelte Vertragsinhalt in der gesetzlich vorgeschriebenen Form hinreichend zum Ausdruck gebracht worden ist (GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 1247). a) Die Klägerin beruft sich auf die Vereinbarung vom 25./28. Juni 1985. Darin erhöhten die Parteien den Kredit der Beklagten, der nunmehr auch zur Refinanzierung von Leasinggeschäften für die Y. AG dienen sollte. Die Klägerin verlangte als Sicherheit unter anderem "c. Abtretung der Ansprüche gegenüber der Y. AG, Wettingen, inkl. Retrozession (recte: Weiterzession) aller Ansprüche und Nebenrechte (wie Eigentumsvorbehalt) der Y. AG gegenüber ihren Leasingnehmern. Die Y. AG hat der Abtretung schriftlich zuzustimmen." Das Abtretungsformular vom 28. Juni 1985, auf welches die Vorinstanz im angefochtenen Urteil verweist, enthält folgende maschinenschriftliche Bestimmung: "Abgetreten werden sämtliche Ansprüche, welche die Zedentin gegenüber der Y. AG, Wettingen, besitzt, eingeschlossen Retrozession (recte: Weiterzession) der Forderungen an die Leasingnehmer und Eigentumsvorbehalt an den verleasten Gegenständen." In einer weiteren Vereinbarung vom September 1986 bestimmten die Parteien im Zusammenhang mit der Umstellung bisheriger Einzahlungsscheine unter anderem: "Die O. AG und die Y. AG treten hiermit der Bank die Guthaben ab, welche bei der PTT und der S-Bank aufgrund von Leasingverträgen einbezahlt werden, die der X. AG zediert und der Bank weiterzediert sind." Es ist unbestritten, dass im Rahmen späterer Krediterhöhungen keine neuen Abtretungen erfolgten. Die Klägerin beruft sich ausdrücklich darauf, dass später die bestehenden Vereinbarungen in Kraft blieben. BGE 122 III 361 S. 367 b) Die Beklagte bestreitet die Darstellung der Klägerin nicht, - jedenfalls nicht in einer den formellen Anforderungen genügenden Weise - dass die Parteien einen sogenannten revolvierenden Kredit vereinbart haben: Die gewährten Geldmittel sollten durch die Eingänge aus den bezahlten Leasingraten zurückgeführt werden, wodurch im Rahmen der Kreditlimite wiederum zusätzliche Mittel zur Finanzierung weiterer Leasingverträge frei wurden. Die umstrittene Weiterabtretung der Forderungen der Y. AG gegen ihre Leasingnehmer diente der Sicherung des revolvierenden Kredits, den die Klägerin der Beklagten zur Refinanzierung der Leasinggeschäfte gewährt hatte. In diesem Vertragszusammenhang kann die Abtretung ihre Sicherungsfunktion nur erfüllen, wenn sie auch für künftige Leasinggeschäfte gilt, für welche der eingeräumte Kredit neuerdings beansprucht wird. Bei Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses und des Vertragszweckes kann der Wille der Parteien in guten Treuen nur darauf gerichtet gewesen sein, auch künftige Leasingforderungen (weiter-)abzutreten. Anders wäre übrigens auch nicht zu erklären, weshalb die Parteien bei späteren Krediterhöhung jeweils eine Neuregelung der Sicherheiten nicht für erforderlich erachteten, wie die Klägerin richtig bemerkt. Die Vorinstanz hat die Zession im Verhältnis unter den Parteien zutreffend ausgelegt, wenn sie annahm, nach dem mutmasslichen Parteiwillen habe die Abtretung auch künftige Forderungen der Y. AG gegen die Leasingnehmer betroffen. Zu prüfen bleibt, ob dieser Parteiwille von der Schriftform gedeckt ist. c) Die Formvorschrift des Art. 165 OR dient der Rechts- und Verkehrssicherheit bzw. der Klarstellung; die Gläubiger des Zedenten und des Erwerbers sollen ebenso wie der Schuldner der zedierten Forderung feststellen können, wem die Forderung in einem bestimmten Zeitpunkt zusteht ( BGE 105 II 83 E. 2, BGE 82 II 48 E. 1; SPIRIG, Zürcher Kommentar, N. 4 zu Art. 165 OR ; vgl. zum Zweck einer Formvorschrift im allgemeinen: Merz, Vertrag und Vertragsschluss, 2. Aufl., 1992, S. 183; SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 11 zu Art. 11 OR ). Diesem Zweck entsprechend müssen von der Schriftform sämtliche Merkmale erfasst sein, welche die abgetretene Forderung für die betroffenen Dritten hinreichend individualisieren (von TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, 3. Aufl., 1979, S. 286 f.). Es genügt zwar, dass die Forderung bestimmbar ist (SPIRIG, Zürcher Kommentar, N. 27 zu Art. 165 OR ), es muss aber immerhin für einen unbeteiligten Dritten ohne Kenntnis der Umstände der Abtretung aus BGE 122 III 361 S. 368 der Urkunde selbst ersichtlich sein, wem die Forderung zusteht; insbesondere muss auch bei einer Mehrzahl zedierter Forderungen hinreichend klar erkennbar sein, ob eine bestimmte Forderung zu den abgetretenen gehört oder nicht. Dies ist vorliegend für jene Forderungen nicht der Fall, welche nach dem 28. Juni 1985 bzw. nach September 1986 entstanden sind. Nach dem Wortlaut der im Juni 1985 unterschriebenen und datierten Zession wie auch gemäss der im September 1986 unterzeichneten Abtretung werden sämtliche Ansprüche abgetreten, welche die Zedentin gegenüber der Y. AG "besitzt", eingeschlossen die Forderungen an die Leasingnehmer, die weiterzediert sind. Dass nach dem Willen der Parteien auch künftig erst entstehende Forderungen von der Abtretung erfasst sein sollen, kommt für Dritte - die von der Art der Kreditbeziehung der Parteien keine Kenntnis haben - nicht zum Ausdruck. Daran ändert auch nichts, dass nach Ziffer 1 des vorformulierten Abtretungsformulars die Zession erfolgt "zur Sicherstellung aller Ansprüche, welche sie (sc. die Klägerin) an ihn (sc. Zedenten) zur Zeit bereits besitzt oder in Zukunft erhalten wird, auf was immer für einem rechtlichen Grund diese beruhen mögen". Die Art der (revolvierenden) Kreditbeziehung unter den Parteien, aus welcher nach Treu und Glauben auf die Abtretung auch künftig erst entstehender Leasingforderungen geschlossen werden kann, ergibt sich daraus gerade nicht. Die Abtretung der später entstandenen Forderungen ist von der schriftlichen Form nicht erfasst, die Zession dieser Forderungen daher nicht gültig erfolgt (SPIRIG, Zürcher Kommentar, N. 15 zu Art. 165 OR ). d) Nach den Feststellungen des Handelsgerichts, das unwidersprochen eine entsprechende Aussage des Sachwalters der Y. AG zitiert, waren im Zeitpunkt der Vereinbarung über die Liquidation der Y. AG alle zur Zeit der beiden Abtretungen vom 28. Juni 1985 und vom September 1986 laufenden Leasingverträge nicht mehr in Kraft. Damit steht fest, dass vom privaten Nachlass der Y. AG keine Forderungen betroffen sein konnten, welche der Klägerin abgetreten waren. Die Klägerin hatte somit keine eigenen Interessen in diesem Liquidationsverfahren, mit deren Wahrung sie die Beklagte hätte beauftragen können. Ihr Interesse am Ergebnis der Liquidation der Y. AG beschränkte sich darauf, dass der Beklagten Mittel zur Erfüllung des Darlehensvertrags zuflossen; dieses rein wirtschaftliche Interesse begründet kein Auftragsverhältnis zwischen den Parteien, in dessen Rahmen die Beklagte für Rechnung der Klägerin Forderungen gegenüber der Liquidationsgemeinschaft Y. AG hätte erwerben können. e) Da im Rahmen der privaten Liquidation der Y. AG objektiv keine eigenen Interessen der Klägerin betroffen waren, entfällt erst recht eine Geschäftsführung ohne Auftrag durch die Beklagte, weshalb offen bleiben kann, inwieweit Art. 401 OR hier Anwendung finden könnte (vgl. dazu etwa: HOFSTETTER, a.a.O., S. 193; JÖRG SCHMID, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 188).
null
nan
de
1,996
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
969bb733-cce6-474a-9ccf-bf61dc954933
Urteilskopf 123 II 97 14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Januar 1997 i.S. Z. gegen Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG und 22 Abs. 1 SVG; Art. 30 Abs. 4 VZV ; Warnungsentzug nach Aberkennung des schweizerischen Führerausweises durch ausländische Behörden. Für den Warnungsentzug des Führerausweises dürfen auch im Ausland begangene Verkehrsregelverletzungen berücksichtigt werden (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2c). Art. 16 Abs. 3 lit. b, 55 und 91 SVG, Art. 138 VZV ; Bindung der Administrativbehörde an das strafrechtliche Erkenntnis einer ausländischen (hier: österreichischen) Behörde; Atemlufttest als Beweismittel. Die Verwaltungsbehörde ist an ein österreichisches Straferkenntnis gebunden, wenn der Beschuldigte wusste oder voraussehen musste, dass aufgrund des im Ausland begangenen Fahrens in angetrunkenem Zustand in der Schweiz gegen ihn ein Führerausweisentzugsverfahren eröffnet würde, und er die Geltendmachung seiner Verteidigungsrechte im Rahmen des (summarischen) Strafverfahrens, obwohl zumutbar, unterlässt (E. 3c/aa). Wenn eine Blutprobe nicht abgenommen werden kann, darf bei der Ermittlung der Angetrunkenheit des Fahrzeuglenkers als Beweismittel auch das Ergebnis eines Atemlufttests berücksichtigt werden (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3c/bb).
Sachverhalt ab Seite 98 BGE 123 II 97 S. 98 Z. fuhr am 16. Februar 1994, um 03.00 Uhr, mit seinem Personenwagen auf der B 202 aus Richtung Schweiz kommend in Fahrtrichtung Höchst (Österreich). Dabei wurde er von der österreichischen Gendarmerie zur Kontrolle angehalten. Da diese bei Z. verschiedene Symptome von Angetrunkenheit feststellte, führte sie um 03.51 Uhr einen Alkotest mittels Alkomat Siemens A 321 durch, welcher eine Atemalkoholkonzentration von 0,81 mg/l ergab. Die Wiederholung um 03.53 Uhr ergab eine Konzentration von 0,82 mg/l. Z. verweigerte die Unterschrift auf dem Alkomatteststreifen. Eine Blutabnahme verlangte er nicht. Aufgrund dieses Sachverhalts verurteilte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz Z. mit Straferkenntnis vom 13. April 1994 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand zu einer Busse von öS 30'000.--. BGE 123 II 97 S. 99 Ferner aberkannte sie ihm für die Dauer von 16 Monaten das Recht, vom ausländischen Führerschein auf österreichischem Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Urteil und Aberkennungsbescheid sind in Rechtskraft erwachsen. Das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons St. Gallen, Abteilung Massnahmen, entzog Z. mit Verfügung vom 15. Juni 1995 den Führerausweis wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand in Anwendung von Art. 31 Abs. 2 und 16 Abs. 3 lit. b SVG (SR 741.01) für die Dauer von 5 Monaten. Einen gegen diese Verfügung geführten Rekurs wies die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen mit Urteil vom 3. Juli 1996 ab, hob die angefochtene Verfügung auf und verlängerte die Dauer des Führerausweisentzuges auf 8 Monate. Gegen diesen Entscheid führt Z. Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es sei von jeglicher administrativen Massnahme abzusehen. Das Bundesamt für Polizeiwesen beantragt in seiner Vernehmlassung Abweisung der Beschwerde. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. (Eintreten). 2. a) Der Beschwerdeführer macht zur Hauptsache geltend, es bestehe keine gesetzliche Grundlage für den Führerausweisentzug. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts komme dem Warnungsentzug des Fahrausweises Strafcharakter im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu, so dass die in der genannten Konventionsbestimmung verankerten Verfahrensgarantien zur Anwendung gelangten. Dies müsse auch für den in Art. 7 EMRK formulierten Grundsatz nulla poena sine lege scripta gelten. Damit bedürfe der Führerausweisentzug in der Schweiz aufgrund einer Verkehrsregelverletzung im Ausland zwingend einer formell gesetzlichen Grundlage. Die Bestimmungen von Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG und Art. 30 Abs. 2 VZV (SR 741.51) bezögen sich allein auf das Führen eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand innerhalb der Schweiz. Lediglich Art. 30 Abs. 4 VZV befasse sich mit dem Führerausweisentzug bei Aberkennungen schweizerischer Führerausweise durch ausländische Behörden. Diese Bestimmung statuiere jedoch eine blosse Prüfungspflicht der schweizerischen Behörde und biete BGE 123 II 97 S. 100 selbst keine genügende gesetzliche Grundlage für einen Warnungsentzug. Ebensowenig dürfe wegen des verfassungsrechtlichen Analogieverbotes im Strafrecht Art. 101 SVG als gesetzliche Grundlage herangezogen werden. Eine solche bestehe auch nicht auf internationaler Ebene, da Österreich dem Europäischen Übereinkommen über die internationalen Wirkungen des Entzuges des Führerausweises für Motorfahrzeuge (SR 0.741.16) nicht beigetreten sei und zwischen Österreich und der Schweiz nach wie vor nur der seit dem 1. August 1980 in Kraft stehende Vertrag überwechselseitige Amtshilfe in Strassenverkehrsangelegenheiten (SR 0.741.531.916.3) gelte, welches Abkommen jedoch ebenfalls keine gesetzliche Grundlage für den Führerausweisentzug in der Schweiz enthalte. Die Verfügung eines Warnungsentzugs durch Schweizer Administrativbehörden bei Verkehrsregelverletzungen in Österreich sei daher mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig. b) Die Vorinstanz nahm an, gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung seien für den der Verkehrssicherheit in der Schweiz dienenden Warnungsentzug auch im Ausland begangene Delikte zu berücksichtigen. Die Anerkennung des Strafcharakters des Warnungsentzuges im Sinne von Art. 6 EMRK biete keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Daran ändere auch die Grundregel von Art. 7 EMRK nichts, da diese Bestimmung nicht ausschliesse, dass für eine im Ausland begangene Verkehrsregelverletzung ein Warnungsentzug verfügt werden könne, wenn das inländische Recht dies so vorsehe. Beim Führerausweisentzug zu warnenden Zwecken handle es sich nach wie vor um eine von der Strafe zu unterscheidende Verwaltungsmassnahme, welche präventiv und erzieherisch wirke und dem Schutz der Verkehrssicherheit verpflichtet sei. c) aa) Gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG muss der Führerausweis entzogen werden, wenn der Fahrzeuglenker in angetrunkenem Zustand gefahren ist (vgl. auch Art. 31 Abs. 2 SVG ). Warnungsentzüge werden gemäss Art. 16 SVG und Art. 30 Abs. 2 VZV wegen Verletzung von Verkehrsvorschriften ausgesprochen und dienen der Besserung des Fahrzeuglenkers und der Bekämpfung von Rückfällen. Das Bundesgericht hat bei der Beurteilung von Führerausweisentzügen mehrfach Regeln des Strafgesetzbuches analog herangezogen und die Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK hinsichtlich des Anrechts auf eine gerichtliche Überprüfung und eine öffentliche Verhandlung bejaht ( BGE 121 II 22 E. 3a/b und 219 E. 2a; BGE 116 Ib 146 E. 2a je mit Hinweisen). BGE 123 II 97 S. 101 bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Warnungsentzug des Führerausweises eine der strafrechtlichen Sanktion ähnliche, aber dennoch von ihr unabhängige Verwaltungsmassnahme mit präventivem und erzieherischem Charakter. Diese dient letztlich der Hebung der Verkehrssicherheit. Der Alkoholtäter soll mit der Massnahme vor allem dazu erzogen werden, inskünftig alkoholfrei zu fahren. Dementsprechend dürfen für den Warnungsentzug nach konstanter Rechtsprechung auch im Ausland begangene Delikte berücksichtigt werden. Denn Hinweise auf ein die Verkehrssicherheit gefährdendes Verhalten können sich auch aus im Ausland begangenen Verkehrsregelverletzungen ergeben. Dass der Führerausweisentzug gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG ausschliesslich an ein in der Schweiz begangenes Fahren in angetrunkenem Zustand anknüpft, trifft somit nicht zu. An diesem Ergebnis ändert eine durch die ausländische Behörde verfügte Aberkennung des Fahrausweises nichts, da die Verkehrssicherheit in der Schweiz nur durch den Entzug des schweizerischen Führerausweises hinreichend gewährleistet werden kann ( BGE 109 Ib 304 E. 2; 108 Ib 69 E. 2; BGE 102 Ib 59 E. 3). Grundlage bildet Art. 22 Abs. 1 SVG , nach welcher Bestimmung die Behörde des Wohnsitzkantons für den Entzug des Führerausweises zuständig ist. Entsprechend hat der für den Ausweisentzug zuständige Kanton bei Aberkennung schweizerischer Führerausweise durch ausländische Behörden gemäss Art. 30 Abs. 4 VZV zu prüfen, ob eine Massnahme gegenüber dem Fehlbaren zu ergreifen ist (vgl. PHILIPPE VAUTIER, Mesures administratives en matière de circulation routière en Suisse à raison d'infractions commises à l'étranger, in: Infractions aux règles de la circulation et accidents survenus à l'étranger, Publications juridiques du Touring Club Suisse, Heft 9 1992, S. 19/20). Bejaht die schweizerische Behörde die Notwendigkeit einer Massnahme, führt die Berücksichtigung des ausländischen Urteils bezüglich eines schweizerischen Führerausweises zum tatsächlichen Vollzug der Massnahme beim sich in der Schweiz aufhaltenden fehlbaren Lenker nach den Kriterien des schweizerischen Rechts und somit zu einer territorialen Ausdehnung der im Ausland angeordneten Massnahme. Eine erneute Verurteilung liegt darin nicht, so dass der Grundsatz ne bis in idem nicht verletzt ist. Eine Kumulation der im Ausland ausgesprochenen Aberkennung des Führerscheins mit einer gleichartigen schweizerischen Administrativmassnahme ist auch nicht unbillig, da die Aberkennung gegenüber einem nicht im Urteilsstaat wohnhaften Täter BGE 123 II 97 S. 102 nur eine beschränkte Wirkung hat und im Grunde nur eine zusätzliche parallele Massnahme im Wohnsitzstaat die beabsichtigte Warnungswirkung im vollen Umfang entfalten und damit die Verkehrssicherheit in der Schweiz garantieren kann ( BGE 109 Ib 304 E. 2; 108 Ib 69 E. 2; 102 Ib 59 E. 3; vgl. auch HANS-JÜRGEN ARLT/HANSJÖRG MEYER, Straf- und verwaltungsrechtliche Folgen in der Schweiz nach Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsrecht im Ausland, in: Festschrift Assista 1968-1978, S. 68; a.M. RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. III: Die Administrativmassnahmen, Bern 1995, N. 2010/2017; ders., Zum Führerausweisentzug in der Schweiz nach Verkehrsdelikten im Ausland, SJZ 78/1982, S. 73). Der Zweck der Besserung des fehlbaren Lenkers und der Verhinderung von Rückfällen kann bei dieser Konstellation nur dann sinnvoll erreicht werden, wenn der Ausweis auch in der Schweiz entzogen wird. Dass das Bundesgericht in seiner neueren Rechtsprechung dem Warnungsentzug neben dem Massnahmencharakter auch Strafcharakter zuspricht und insoweit die Anwendbarkeit der Verfahrensgarantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bejaht, ändert daran nichts. Art. 7 EMRK kommt in dieser Hinsicht somit nicht zur Anwendung. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet. 3. a) Der Beschwerdeführer macht eventualiter geltend, es sei nicht rechtsgenüglich nachgewiesen, dass er nach schweizerischem Recht in angetrunkenem Zustand gefahren sei, da die österreichische Gendarmerie lediglich eine Atemluftprobe durchgeführt, jedoch keine Blutprobe entnommen habe. Nach schweizerischem Recht schaffe nur die Blutprobe eine hinreichende Grundlage für einen Entzug des Führerausweises nach Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG , sofern die Atemluftprobe keine gesicherten Werte in einem hohen Bereich ergebe. Dies sei hier, da die Atemprobe eine Konzentration von 0,81 mg/l aufgezeigt habe, nicht der Fall. Zudem sei der Alkotest von vornherein, bis zu 40% verfälscht, wenn der Betroffene innerhalb von 20 Minuten vor dessen Durchführung Alkohol getrunken habe und keine Mundspülung vorgenommen worden sei. Er habe der Vorinstanz zum Beweis die Edition eines Amtsberichts des rechtsmedizinischen Instituts beantragt, welchen Antrag die Vorinstanz jedoch abgelehnt habe, weil sie davon ausgegangen sei, dass er die Zeitangaben von der Anhaltung bis zur Durchführung des Alkotests nicht bestritten habe. Aus der Rekursschrift und dem Physikat des Bezirksarzts vom 29.3.1995 ergebe sich aber das Gegenteil. Er habe denn auch aus diesem Grund die unrichtigen Zeitangaben und den BGE 123 II 97 S. 103 Teststreifen nicht unterzeichnet. Allein schon die Tatsache, dass er wenige Minuten nach dem Schlusstrunk beim Zollamt angehalten habe und die Polizei ebenfalls vom nahegelegenen Posten innert weniger Minuten auf dem Platz erschienen sei, zeige dass die genannten Zeitangaben nicht stimmen könnten. Es fehle somit auf der einen Seite an der notwendigen Mundspülung, andererseits stehe nicht fest, dass der Atemfluss bei der Probe gleichmässig konstant gewesen sei. Es sei daher nicht erstellt, dass er eine Blutalkoholkonzentration aufgewiesen habe, die nach schweizerischem Recht einen Führerausweisentzug gerechtfertigt hätte. Die Sache müsse zur Abnahme der beantragten Beweise an die Vorinstanz zurückgewiesen werden. b) Die Vorinstanz nahm an, die Messung der Atemalkoholkonzentration durch die österreichische Gendarmerie sei mittels eines Alkomaten Siemens A 321 erfolgt. Die grundsätzliche Messgenauigkeit der Alkomaten erlaube es, die damit vorgenommenen Tests als Beweismittel und deren Ergebnisse auch als Grundlage zur Errechnung der Blutalkoholkonzentration beizuziehen. Die vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Zeitangaben bezüglich der polizeilichen Anhaltung um 03.00 Uhr und der Durchführung der beiden Atemlufttests um 03.51 Uhr und 03.53 Uhr garantierten den erforderlichen zeitlichen Abstand der Tests zum Trinkende von mindestens 20 Minuten. Damit könne eine Verfälschung des Testergebnisses durch Mundrestalkohol zuverlässig ausgeschlossen werden, so dass die vom Beschwerdeführer monierte Mundspülung entbehrlich gewesen sei. Dass die Tests nicht korrekt durchgeführt worden seien, sei nicht ersichtlich. Zum einen wichen die beiden Testergebnisse nur unbedeutend voneinander ab, womit auch "Mikrorülpser" zuverlässig ausgeschlossen würden, zum andern ergebe sich aus dem Messtreifen, dass die Messungen verwertbar seien. Im übrigen würde bei modernen Atemluftgeräten eine falsche Atemtechnik das Resultat des Tests in der Regel nicht mehr verfälschen. Der Berücksichtigung des eindeutigen Ergebnisses des ausländischen Atemlufttests stünden daher keine sachlichen Gründe entgegen. c) aa) Die Verwaltungsbehörde darf von den tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil nur abweichen, wenn sie Tatsachen feststellt und ihrem Entscheide zugrundelegt, die dem Strafrichter unbekannt waren, oder wenn sie zusätzliche Beweise erhebt, sowie wenn der Strafrichter bei der Rechtsanwendung auf den Sachverhalt nicht sämtliche Rechtsfragen abgeklärt hat. Die Verwaltungsbehörde hat vor allem dann auf die Tatsachen im Strafurteil abzustellen, wenn BGE 123 II 97 S. 104 dieses im ordentlichen Verfahren ergangen ist ( BGE 119 Ib 158 E. 3c/aa). Sie ist aber unter bestimmten Voraussetzungen auch an einen Strafentscheid gebunden, der im Strafbefehlsverfahren gefällt wurde, selbst wenn er ausschliesslich auf einem Polizeirapport beruht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Beschuldigte wusste oder angesichts der Schwere der ihm vorgeworfenen Delikte voraussehen musste, dass gegen ihn ein Führerausweisentzugsverfahren eröffnet würde, und er es trotzdem unterlässt oder darauf verzichtet, im Rahmen des (summarischen) Strafverfahrens die ihm garantierten Verteidigungsrechte geltend zu machen. Unter diesen Umständen darf der Betroffene nicht das Verwaltungsverfahren abwarten, um allfällige Rügen vorzubringen und Beweisanträge zu stellen, sondern ist nach Treu und Glauben verpflichtet, dies bereits im Rahmen des (summarischen) Strafverfahrens zu tun, sowie allenfalls die nötigen Rechtsmittel zu ergreifen ( BGE 121 II 214 E. 3a). Der Beschwerdeführer ist nach den Feststellungen der Vorinstanz in der eidgenössischen Administrativkontrolle mit zahlreichen Einträgen registriert. Letztmals wurde ihm der Führerausweis in der Schweiz wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand im Jahre 1987 entzogen. Von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz wurde ihm das Recht, vom ausländischen Führerschein auf österreichischem Bundesgebiet Gebrauch zu machen, aus demselben Grund zuletzt am 20.3.1989 und am 17.9.1990 aberkannt. Aus den jeweiligen Strafbescheiden geht klar hervor, dass die österreichischen Behörden jeweils schriftlich das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt benachrichtigt haben. Ausserdem wurde ihm der Führerausweis in der Schweiz schon am 14.11.1989 wegen eines Vorfalls in Österreich (Überschreiten der Geschwindigkeit) entzogen. Dem Beschwerdeführer war somit ohne weiteres bekannt, dass im Ausland begangene Verkehrsregelverletzungen mit straf- und massnahmenrechtlichen Folgen in der Schweiz weitere Administrativmassnahmen nach sich ziehen können. Er hätte daher den Verzicht auf die Durchführung einer Mundspülung und die angebliche Unrichtigkeit der Zeitangaben auf den Teststreifen schon im österreichischen Strafverfahren rügen müssen. Dass dieses in Österreich stattfand, steht dem nicht entgegen, da dem im Grenzgebiet zu Österreich wohnhaften Beschwerdeführer ohne weiteres zumutbar war, sich gegen den Entscheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz zur Wehr zu setzen. bb) Die Vorinstanz ist eine richterliche Behörde, so dass das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden ist, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter BGE 123 II 97 S. 105 Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist ( Art. 105 Abs. 2 OG ). Die Vorinstanz stützte sich auf die Ergebnisse des von der österreichischen Gendarmerie durchgeführten Atemlufttests und rechnete diesen in die entsprechende Blutalkoholkonzentration um. Dabei nahm sie an, dass für den Umrechnungsfaktor von einem Streubereich mit einem Minimalwert von 1'700 und einem Höchstwert von 2'500 für die gesamte Standardbevölkerung auszugehen sei. Die Atemalkoholkonzentration von 0,81 mg/l entspreche somit einem Wert von 1,377 bis 2,025 Gewichtspromille, wobei die Vorinstanz zugunsten des Beschwerdeführers auf den unteren Wert von 1,37 Gewichtspromille abstellte (vgl. hiezu THOMAS SIGRIST, Zum Nachweis der Fahrunfähigkeit wegen Angetrunkenheit - Atemtest versus Blutalkoholbestimmung, AJP 9/1996, S. 1114). Gemäss Art. 138 Abs. 1 VZV ist die geeignete Untersuchungsmassnahme, der sich Fahrzeugführer und an Unfällen beteiligte Strassenbenützer zur Feststellung der Angetrunkenheit nach Art. 55 SVG zu unterziehen haben, die Blutprobe. Zur Vorprobe kann ein Atemprüfgerät verwendet werden; von den weiteren Untersuchungen wird abgesehen, wenn die Atemprobe einen Alkoholgehalt von weniger als 0,6 Gewichtspromille ergibt ( Art. 138 Abs. 3 VZV ). Vorbehalten bleiben weitergehende Bestimmungen des kantonalen Prozessrechts, ferner die Feststellung der Angetrunkenheit aufgrund von Zustand und Verhalten des Verdächtigten oder durch Ermittlung über den Alkoholkonsum und dergleichen, namentlich wenn die Blutprobe nicht vorgenommen werden kann ( Art. 138 Abs. 6 VZV ). Art. 138 VZV könnte die Auffassung nahelegen, dass der Atemlufttest nicht als Beweismittel für die Feststellung der Alkoholisierung berücksichtigt werden darf. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts darf nach Sinn und Zweck von Art. 55 Abs. 2 SVG und Art. 138 VZV aber jedenfalls in Fällen, in denen eine Blutprobe nicht abgenommen werden kann, auch das Ergebnis eines Atemlufttests berücksichtigt werden ( BGE 116 IV 75 E. 4b mit Hinweis). Das Ergebnis der Atemprobe kann daher ohne weiteres ein Indiz für Angetrunkenheit bilden. Dies gilt umso mehr, als die Atemalkoholanalytik ein in sich geschlossenes und widerspruchsfreies Verfahren zur Beurteilung des Alkoholisierungsgrades eines Probanden darstellt (SCHAFFHAUSER, Grundriss, N. 2385). Es besteht daher kein sachlicher Grund dafür, die Verurteilung eines Fahrzeuglenkers zwar etwa gestützt auf Zeugenaussagen über dessen Zustand bzw. Alkoholkonsum (vgl. Art. 138 Abs. 6 VZV ), nicht hingegen aufgrund BGE 123 II 97 S. 106 des Ergebnisses eines Atemlufttests zuzulassen. Dem eindeutigen Ergebnis eines Atemlufttests den Beweiswert abzusprechen, widerspräche im übrigen auch dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ( BGE 116 IV 75 E. 4b mit Hinweis). Die Vorinstanz wandte zugunsten des Beschwerdeführers den minimalen Umrechnungsfaktor an und trug damit möglichen Abweichungen im Einzelfall Rechnung. Zudem stützte sie sich auf weitere von der österreichischen Gendarmerie festgestellte Anzeichen für Angetrunkenheit, namentlich einen deutlichen Geruch der Atemluft nach Alkohol, den unsicheren Gang, veränderte Sprache, deutliche Rötung der Bindehäute und Schläfrigkeit. Damit hat sie den Sachverhalt jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig festgestellt. Die Beschwerde erweist sich daher auch in diesem Punkt als unbegründet. 4. (Kostenfolgen).
public_law
nan
de
1,997
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
96a58d0c-c6e5-46be-bd1b-6d4f7157f3a3
Urteilskopf 115 V 297 40. Auszug aus dem Urteil vom 30. Mai 1989 i.S. F. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 96 und 98 UVG , Art. 122 f. UVV, Art. 26-28 VwVG , Art. 4 Abs. 1 BV : Zum Anspruch auf Akteneinsicht im Gebiet der obligatorischen Unfallversicherung (UV). - Rechtsgrundlagen des Anspruches auf Akteneinsicht in der UV (Erw. 2a). - Verhältnis der Verfahrensbestimmungen von UVG/UVV zu den entsprechenden prozessualen Normen gemäss VwVG (Erw. 2b). - Grundsätze der Akteneinsichtsgewährung nach VwVG (Erw. 2c). - Die Akteneinsichtsregelung von UVG/UVV weicht von der entsprechenden Ordnung der Art. 26 ff. VwVG nicht grundsätzlich ab (Erw. 2d). - Das Akteneinsichtsrecht als Teilgehalt des Anspruches auf rechtliches Gehör (Erw. 2e). - Schranken der Akteneinsichtsgewährung (Erw. 2f). - Die Behandlung verwaltungsinterner Akten (Erw. 2g/aa-cc). - Rechtsfolgen der Verletzung des Anspruches auf Akteneinsicht (Erw. 2h).
Erwägungen ab Seite 298 BGE 115 V 297 S. 298 Aus den Erwägungen: 1. b) Anfechtungsgegenstand der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist der kantonale Gerichtsentscheid, in welchem die Vorinstanz die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom 26. Januar 1987 im Umfange der bis 31. August 1986 eingeräumten Taggeldberechtigung teilweise gutgeheissen, im übrigen aber und insbesondere bezüglich der beantragten Aktenedition abgewiesen hat. Dieser Anfechtungsgegenstand beruht nicht nur hinsichtlich der Taggeld- und sonstigen materiellen Anspruchsberechtigung, sondern auch hinsichtlich der beantragten Aktenedition auf Bundesverwaltungsrecht (wie noch im einzelnen zu zeigen sein wird; vgl. Erw. 2), weshalb er mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar ist ( BGE 112 V 112 mit Hinweisen). Auf das Verwaltungsgerichtsbeschwerde-Begehren, "die SUVA sei zu verpflichten, ihre sämtlichen Akten dieser Angelegenheit im ursprünglichen Original zu edieren", ist daher insoweit einzutreten, als im Hinblick auf den Anfechtungsgegenstand sinngemäss eine Verletzung des bundesrechtlichen Akteneinsichtsrechts im vorliegenden Falle gerügt wird. Insoweit ist der kantonale Gerichtsentscheid angefochten, weshalb - nebst den materiellrechtlichen Gesichtspunkten - die Art und Weise der Gewährung der Akteneinsicht durch die SUVA im vorliegenden Falle zum Streitgegenstand zählt ( BGE 110 V 51 Erw. 3c mit Hinweisen). BGE 115 V 297 S. 299 2. a) Nach Art. 98 UVG stehen die Akten den Beteiligten zur Einsicht offen (Satz 1). Dabei sind jedoch wesentliche private Interessen des Verunfallten und seiner Angehörigen sowie des Arbeitgebers zu wahren (Satz 2). Der Bundesrat bezeichnet den Kreis der Beteiligten (Satz 3). Von dieser delegierten Rechtssetzungskompetenz hat der Bundesrat in den Art. 122 f. UVV Gebrauch gemacht. In den Schranken von Artikel 98 des Gesetzes steht die Akteneinsicht nach Art. 122 UVV zu: a. dem Versicherten oder seinen Hinterlassenen, dem Arbeitgeber sowie dem gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreter dieser Personen für Akten, die Grundlage für eine sie unmittelbar betreffende Verfügung bilden; b. dem behandelnden Arzt und dem ärztlichen Gutachter im Rahmen ihres Auftrages,; c. dem Haftpflichtigen und seinem Vertreter für Akten, die der Abklärung des Haftpflichtanspruches und des Schadens dienen; d. den Sozialversicherungsgerichten. Bei lit. b bis d des Art. 122 UVV handelt es sich nicht um Akteneinsichtsrechte der betroffenen Person, sondern um Ermächtigungstatbestände für die Weitergabe von Personendaten an Dritte, was hier nicht zur Diskussion steht. Art. 123 UVV (Verfahren bei der Akteneinsicht) ordnet die Modalitäten der Akteneinsichtsgewährung. Bedeutsam ist Abs. 2, wonach die Akteneinsicht eingeschränkt werden kann, wenn die Ermittlung des Sachverhaltes oder die medizinische Abklärung erheblich behindert würde. b) Nach Art. 96 UVG sind die Verfahrensbestimmungen dieses Gesetzes anwendbar, soweit das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG) für Versicherer nicht gilt oder dieses Gesetz eine abweichende Regelung enthält. Ob das VwVG Anwendung findet, hängt davon ab, welche Versicherungsträger Verfügungen erlassen. Im Bereich des UVG gilt das VwVG für die SUVA als eine autonome eidgenössische Anstalt ( Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. c VwVG ; BGE 112 V 210 Erw. 2a, BGE 109 V 232 ), während es für die anderen zugelassenen Versicherer ( Art. 68 Abs. 1 UVG ) direkt nicht massgeblich ist (Art. 1 Abs. 2 lit. e in Verbindung mit Art. 3 lit. a VwVG ; MEYER, Die Rechtspflege in der Sozialversicherung, in: BJM 1989 S. 21). Die in Art. 97 ff. UVG erlassenen und gestützt darauf in der Verordnung noch näher umschriebenen ( Art. 122 ff. UVV ) Verfahrensbestimmungen sind daher für alle BGE 115 V 297 S. 300 übrigen zugelassenen Versicherer massgebend (und bezwecken insoweit eine einheitliche Ordnung des Administrativverfahrens), für die SUVA dagegen nach der Regel des Art. 96 UVG nur insoweit, als sie im Vergleich zur sachlich entsprechenden Ordnung des VwVG eine abweichende Regelung enthalten (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 596 und S. 600). c/aa) Das VwVG regelt die Frage des Akteneinsichtsrechts in den Art. 26 bis 28. Art. 26 Abs. 1 VwVG lautet: Die Partei oder ihr Vertreter hat Anspruch darauf, in ihrer Sache folgende Akten am Sitze der verfügenden oder einer durch diese zu bezeichnenden kantonalen Behörde einzusehen: a. Eingaben von Parteien und Vernehmlassungen von Behörden; b. alle als Beweismittel dienenden Aktenstücke; c. Niederschriften eröffneter Verfügungen. Die Behörde darf nach Art. 27 VwVG die Einsichtnahme in die Akten nur verweigern, wenn: a. wesentliche öffentliche Interessen des Bundes oder der Kantone, insbesondere die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft, die Geheimhaltung erfordern; b. wesentliche private Interessen, insbesondere von Gegenparteien, die Geheimhaltung erfordern; c. das Interesse einer noch nicht abgeschlossenen amtlichen Untersuchung es erfordert (Abs. 1). Die Verweigerung der Einsichtnahme darf sich nur auf die Aktenstücke erstrecken, für die Geheimhaltungsgründe bestehen (Abs. 2). Die Einsichtnahme in eigene Eingaben der Partei, ihre als Beweismittel eingereichten Urkunden und ihr eröffnete Verfügungen darf nicht, die Einsichtnahme in Protokolle über eigene Aussagen der Partei nur bis zum Abschluss der Untersuchung verweigert werden (Abs. 3). Art. 28 VwVG lautet: Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen. bb) In Art. 26 VwVG werden die Dokumente genannt, auf welche sich das Einsichtsrecht bezieht, insbesondere alle als Beweismittel dienenden Aktenstücke (Abs. 1 lit. b). Die Gewährung der Akteneinsicht ist dabei der Grundsatz, deren Verweigerung die Ausnahme (vgl. die Randtitel zu Art. 26 f. VwVG). Dabei darf die Akteneinsicht nur ausnahmsweise zum Schutze wesentlicher BGE 115 V 297 S. 301 öffentlicher oder privater Interessen verweigert werden. Somit rechtfertigt nicht jedes entgegenstehende öffentliche oder private Interesse die Verweigerung der Akteneinsicht. Es ist Aufgabe der Verwaltungsbehörde oder im Streitfall des Richters, im Einzelfall abzuwägen, ob ein konkretes Geheimhaltungsinteresse das grundsätzlich wesentliche Interesse an der Akteneinsicht überwiegt (vgl. VPB 1978 Nr. 7 S. 46 ff.). Rechtsstaatlich bedeutsam ist insbesondere der wiedergegebene Art. 28 VwVG , wie SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, S. 140, hervorhebt. d) An dieser Rechtslage gemäss VwVG ändert sich aufgrund der dargestellten Bestimmungen von UVG/UVV zum Akteneinsichtsrecht grundsätzlich nichts. Mit dem zitierten Art. 98 UVG wurden der Grundsatz der Akteneinsicht und seine Einschränkungen zufolge vorgehender Geheimhaltungsinteressen - entsprechend Art. 26 und 27 VwVG - den Gegebenheiten der Unfallversicherung angepasst (Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 18. August 1976, BBl 1976 III 222). Bezüglich des Umfangs des Akteneinsichtsrechts hält Art. 122 lit. a UVV ausdrücklich und im Einklang mit Art. 26 Abs. 1 lit. b VwVG fest, dass es sich auf alle Akten bezieht, die Grundlage für eine die Beteiligten unmittelbar betreffende Verfügung bilden. Daraus lässt sich schliessen, dass in Analogie zu Art. 28 VwVG ein Aktenstück, in welches die Einsichtnahme verweigert wird, nicht als Grundlage einer Verfügung dienen darf, ausser wenn dem Betroffenen vom wesentlichen Inhalt der geheimgehaltenen Akten Kenntnis gegeben und ihm Gelegenheit gegeben wird, sich dazu zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen. Die Regelung der Akteneinsicht in UVG und UVV weicht daher nicht wesentlich von den sich aus Art. 26 ff. VwVG ergebenden Grundsätzen ab, weshalb letzte für die SUVA massgeblich bleiben (Erw. 2b). Man kann höchstens von einer teils knapperen, teils eingehenderen bereichspezifischen Akteneinsichtsordnung sprechen (vgl. Art. 4 VwVG ), welche indes von den gleichen wesentlichen Grundgedanken und Prinzipien ausgeht. Darüber hinaus hätten allfällige mehr redaktionelle Divergenzen kaum praktische Konsequenzen. Denn in den Art. 26 ff. VwVG haben die allgemeinen, aus Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze zum Akteneinsichtsrecht Ausdruck gefunden ( BGE 113 Ia 3 Erw. 2, 261 Erw. 4a und 288 Erw. 2b, BGE 113 Ib 268 Erw. 4c, BGE 100 Ia 103 Erw. 5d; ZAK 1988 S. 39 Erw. 2a mit Hinweisen), welche ihrerseits von Verfassungs wegen für die SUVA und auch für die übrigen zugelassenen Unfallversicherer BGE 115 V 297 S. 302 gelten (MEYER, a.a.O., S. 10). Rechtsprechung und Doktrin zum minimalen verfassungsrechtlichen Akteneinsichtsrecht nach Art. 4 BV einerseits und nach den Art. 26 bis 28 VwVG anderseits beeinflussen sich somit gegenseitig. e) Auch aus Inhalt und Funktion des Akteneinsichtsrechts als Teil des Anspruchs auf rechtliches Gehör folgt für alle Unfallversicherer in gleicher Weise, dass grundsätzlich sämtliche beweiserheblichen Akten den Beteiligten gezeigt werden müssen, sofern in der sie unmittelbar betreffenden Verfügung darauf abgestellt wird (MAURER, a.a.O., S. 601). Denn es gehört zum Kerngehalt des rechtlichen Gehörs, dass der Verfügungsadressat vor Erlass eines für ihn nachteiligen Verwaltungsaktes zum Beweisergebnis Stellung nehmen kann. Das Akteneinsichtsrecht ist somit eng mit dem Äusserungsrecht verbunden, gleichsam dessen Vorbedingung. Der Versicherte kann sich nur dann wirksam zur Sache äussern und geeignete Beweise führen oder bezeichnen, wenn ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, die Unterlagen einzusehen, auf welche sich die Behörde bei ihrer Verfügung gestützt hat. Das rechtliche Gehör dient in diesem Sinne einerseits der Sachaufklärung und stellt anderseits ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht im Verfahren dar ( BGE 114 Ia 99 Erw. 2a, BGE 113 Ia 288 Erw. 2b, BGE 100 Ia 10 Erw. 3d). Daraus ergibt sich, dass der Unfallversicherer, welcher neue Akten beizieht, auf die er sich in seiner Verfügung zu stützen gedenkt, grundsätzlich verpflichtet ist, die Beteiligten über den Aktenbeizug zu informieren (vgl. hiezu BGE 114 Ia 100 Erw. 2c, 112 Ia 202 Erw. 2a). f) Das Recht auf Akteneinsicht findet in der sozialen Unfallversicherung seine Grenze am wesentlichen Interesse des Verunfallten selber - dies insbesondere im Lichte des Persönlichkeitsschutzes -, ebenso an wesentlichen Interessen der Angehörigen und des Arbeitgebers ( Art. 98 UVG ). In jedem Falle müssen die der Akteneinsicht entgegenstehenden Interessen überwiegen. Die Akteneinsicht kann ferner auch dann eingeschränkt werden, wenn, wie bereits erwähnt, die Ermittlung des Sachverhalts oder die medizinische Abklärung erheblich behindert würde ( Art. 123 Abs. 2 UVV ). Im Lichte der dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsätze bedarf es indes für die Annahme dieses Ablehnungsgrundes greifbarer wesentlicher Anhaltspunkte. In jedem Falle ist eine konkrete, sorgfältige und umfassende Abwägung der entgegenstehenden Interessen nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmen, wobei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten ist BGE 115 V 297 S. 303 ( BGE 113 Ia 4 Erw. 4a, 262 Erw. 4a mit Hinweisen, 113 Ib 269 f.). Die Beschränkung oder Verweigerung der Akteneinsicht ist zu begründen (ZBl 78/1977 S. 377). g/aa) Weder nach der Akteneinsichtsordnung des VwVG noch jener von UVG/UVV noch aufgrund des verfassungsmässigen Mindestschutzes nach Art. 4 BV besteht Anspruch auf Einsicht in verwaltungsinterne Akten. Das sind Unterlagen, denen für die Behandlung eines Falles kein Beweischarakter zukommt, welche vielmehr ausschliesslich der verwaltungsinternen Meinungsbildung dienen und somit nur für den verwaltungsinternen Gebrauch bestimmt sind (z. B. Entwürfe, Anträge, Notizen, Mitberichte, Hilfsbelege usw.). Diese Einschränkung des Akteneinsichtsrechts soll verhindern, dass die interne Meinungsbildung der Verwaltung über die entscheidenden Aktenstücke und die erlassenen begründeten Verfügungen hinaus vollständig vor der Öffentlichkeit ausgebreitet wird ( BGE 113 Ia 9 Erw. 4c/cc mit Hinweisen auf die Rechtsprechung und Literatur sowie 288 Erw. 2d; im gleichen Sinne Rz. 27 des Kreisschreibens des BSV über die Schweigepflicht und Akteneinsicht in der AHV/IV/EO/EL/FL, gültig ab 1. Juli 1988). Für die Verweigerung der Akteneinsicht in solche internen Unterlagen bedarf es keines entgegenstehenden überwiegenden Geheimhaltungsinteresses. bb) Eine Schwierigkeit ergibt sich unter Umständen daraus, dass die Verwaltung für ihre Entscheidfindung bedeutsame Beweisergebnisse und entsprechende Akten als "nur für internen Gebrauch bestimmt" betrachtet und mit dieser Begründung das Akteneinsichtsrecht in solche Unterlagen beschränkt oder verweigert. Nach dem Gesagten ist auch in einem solchen Fall das Einsichtsrecht grundsätzlich zu bejahen (VPB 1984 Nr. 34 S. 224 f.; REINHARDT, Das rechtliche Gehör in Verwaltungssachen, Diss. Zürich 1968, S. 173 f.). Gilt es den Umfang des Akteneinsichtsrechts zu bestimmen, kommt es demnach auf die im konkreten Fall objektive Bedeutung eines Aktenstückes für die verfügungswesentliche Sachverhaltsfeststellung an, und nicht auf die Einstufung des Beweismittels durch die Verwaltung als internes Papier. Die Vorlegungspflicht hat sich nach der Relevanz der umstrittenen Papiere zu richten (so zutreffend FISCHLI, Die Akteneinsicht im Verwaltungsprozess, in: Mélanges Henri Zwahlen, Lausanne 1977, S. 283). Keine internen Akten sind verwaltungsintern erstellte Berichte und Gutachten zu streitigen Sachverhaltsfragen; diese unterliegen praxisgemäss dem Akteneinsichtsrecht, weil der BGE 115 V 297 S. 304 Anspruch auf rechtliches Gehör vorbehältlich gewisser Ausnahmen das Recht einschliesst, an Beweiserhebungen der Verwaltung teilzunehmen und sich zum Beweisergebnis zu äussern. Anders verhält es sich nur bei Berichten verwaltungsinterner Fachstellen, die sich darauf beschränken, an sich feststehende Tatsachen sachverständig zu würdigen (vgl. BGE 104 Ia 71 mit Hinweisen). Dabei kann aber im Unfallversicherungsbereich von feststehenden Tatsachen jedenfalls so lange nicht gesprochen werden, als Diagnosen, Befunde, Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit, natürliche Kausalzusammenhänge usw. unter den Parteien umstritten sind. Der Richter hat somit gegebenenfalls zu prüfen, ob die Verwaltung zu Recht ein Aktenstück als internes Papier klassifiziert hat (dazu BGE 113 Ia 289 Erw. 2d). Führt diese Prüfung von verwaltungsinternen Akten zum Schluss, dass sie den Ausgang eines Verfahrens beeinflussen können, ist nach den gewöhnlichen Regeln und Grundsätzen der Interessenabwägung zu entscheiden, ob auch sie der Akteneinsicht unterliegen, einzelne dieser Aktenstücke (oder Teile davon) auszunehmen sind oder die Einsicht sogar vollumfänglich verweigert werden muss. Wird einem Betroffenen die Einsichtnahme in ein zu Unrecht als intern qualifiziertes Aktenstück zufolge eines Geheimhaltungsgrundes verweigert, so darf auch darauf zu seinem Nachteil nur abgestellt werden, wenn die Verwaltung seinen wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich (z. B. in Form redaktionell bereinigter Kopien) bekanntgibt und dem Betroffenen Gelegenheit einräumt, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen. cc) Die Abgrenzung zwischen verfügungserheblichen und rein internen Akten mag gelegentlich Schwierigkeiten bereiten. Auch ist die Gefahr nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, dass die Verwaltung in besonders heiklen Fällen versucht sein könnte, bestimmte interne Akten (von deren Existenz die Beteiligten allenfalls nicht einmal Kenntnis haben) zur Grundlage einer Verfügung zu machen. Dies käme einer Vereitelung des Akteneinsichtsrechts gleich. In praktischer Hinsicht darf indessen nicht übersehen werden, dass Versicherte bei genügender Verfügungsbegründung, zu welcher der Unfallversicherer von Verfassungs wegen verpflichtet ist (vgl. dazu ZBl 88/1989 S. 137 ff.), in der Regel prüfen kann, ob ihm die von der Verwaltung verwendeten Verfügungsgrundlagen bekanntgegeben worden sind. Vor allem aber - und dies ist für den Rechtsschutz des Versicherten gegenüber dem Sozialversicherer letztlich ausschlaggebend - gründet die justizmässige Prüfung BGE 115 V 297 S. 305 von Verwaltungsverfügungen auf ihre tatsächliche Richtigkeit, Rechtmässigkeit und Angemessenheit hin einzig auf Akten, welche der Akteneinsichtsordnung unterliegen, dagegen niemals auf rein internen Akten, auf welche sich die Verwaltung daher im Streitfall für die Stützung ihres Standpunktes nicht mit Erfolg berufen kann. Auf die in der jüngeren Doktrin diskutierte Frage, ob angesichts der anerkannten Grundsätze über die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts auf die Unterscheidung zwischen internen und anderen Akten nicht verzichtet werden sollte (siehe dazu GEORG MÜLLER, in Kommentar BV, Art. 4, Rz. 109; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, S. 248; HUBER, Das Recht des Bürgers auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren, Diss. St. Gallen 1980, S. 84 ff.; COTTIER, in: "recht" 2/1984, S. 123), braucht daher hier nicht näher eingetreten zu werden. h) Das Recht auf Akteneinsicht ist wie das Recht, angehört zu werden, formeller Natur. Die Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht führt ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung (vgl. BGE 106 Ia 74 Erw. 2 mit Hinweisen). Vorbehalten bleiben praxisgemäss Fälle, in denen die Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. des Akteneinsichtsrechts nicht besonders schwer wiegt und dadurch geheilt wird, dass die Partei, deren rechtliches Gehör verletzt wurde, sich vor einer Instanz äussern kann, welche sowohl die Tat- als auch die Rechtsfragen uneingeschränkt überprüft (vgl. BGE 112 Ib 175 Erw. 5e, BGE 110 Ia 82 Erw. 5d, BGE 107 V 249 Erw. 3; ZBl 84/1983 S. 136). 3. a) Im vorliegenden Fall beanstandet die Beschwerdeführerin die ungenügende Gewährung der Akteneinsicht im bisherigen Verfahren, soweit es um den der Verfügung vom 11. November 1986 u.a. zugrunde liegenden Bericht des Dr. med. B. vom 22. Oktober 1986 geht. Tatsächlich hat sich die SUVA in ihrem Einspracheentscheid vom 26. Januar 1987 auf jenen Bericht des Dr. med. B. von der Gruppe Unfallmedizin der medizinischen Abteilung gestützt, der bei Erlass der Verfügung vom 11. November 1986 - und noch über das Datum des Einspracheentscheides hinaus - nicht in den zur Einsicht zugestellten Akten lag. Die SUVA stellte den Bericht des Dr. med. B. dem Rechtsvertreter der Versicherten erst auf dessen Rüge hin mit Schreiben vom 30. März 1987 zu und hat ihn als Nr. 51 zu den Akten genommen. Der Rechtsvertreter beharrt darauf, er wisse mit Sicherheit, dass es sich bei diesem Aktenstück Nr. 51 nicht um BGE 115 V 297 S. 306 eine Kopie des roten Originals, sondern um eine für die Partei und das Gericht erstellte und vom Arzt neu unterschriebene Abschrift handle; dabei sei die materielle Identität nach wie vor nicht belegt. b) Diese Auffassung weckt unter den gegebenen Umständen Verständnis. Die SUVA ist insofern fragwürdig vorgegangen, als sie den Bericht des Dr. med. B. bei Erlass ihrer Verfügung vom 11. November 1986 wohl mit berücksichtigte, ihn aber dem Rechtsvertreter nicht zur Kenntnis brachte. Im Schreiben vom 30. März 1987 hat sich die SUVA auf den Standpunkt gestellt, sie wäre "überfordert, wenn sie die rund 2000 Einsprachen im Jahr aufgrund aller prozessualen Regeln behandeln müsste"; auch hier gebe es "vernünftige Grenzen der Sozialversicherung, deren Beachtung im Gesamtinteresse" liege. Das Gegenteil ist richtig, weil selbstverständlich alle verbindlichen Verfahrensbestimmungen, somit auch die grundlegende rechtsstaatliche Sicherung des Akteneinsichtsrechts im Einspracheverfahren einzuhalten sind. Schliesslich fällt auf, dass die SUVA noch in ihrer Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht klar Stellung genommen hat zur Frage, ob und allenfalls inwiefern sie den Originaltext der Anfrage an Dr. med. B. und seine ursprüngliche Antwort abgeändert hat. Die SUVA will lediglich generell festgestellt haben, dass "ein Zwang zu originalgetreuer Wiedergabe unbedeutender interner Textstellen oder Schriftlichkeiten nicht" bestehe. Davon kann indessen bei einem Arztbericht, der eine wesentliche Verfügungsgrundlage bildete, nicht gesprochen werden. Eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts liegt daher vor, ist doch kein Grund ersichtlich, warum der Bericht des Dr. med. B. vom 22. Oktober 1986 in seiner ursprünglichen Fassung dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nicht hätte zur Kenntnis gebracht werden können. Dieser Verfahrensverstoss bleibt indes vorliegend insofern folgenlos, als er nicht besonders schwer ist - die Auffassung des Dr. med. B., auf welche sich die SUVA stützt, wurde in den nachfolgend zu den Akten gegebenen Berichten hinreichend deutlich gemacht - und als sich die Einholung einer Oberexpertise zu den Unfallauswirkungen sowie den daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeiten ohnehin aufdrängt. Damit verlieren der Bericht des Dr. med. B. vom 22. Oktober 1986 und die Frage, ob es sich bei der schlussendlich zu den Akten gegebenen Fassung dieses Berichts um eine mit der ursprünglichen Niederschrift übereinstimmende Version handelt, für die Beurteilung der streitigen Versicherungsansprüche jeden wesentlichen Beweiswert, kann doch nach BGE 115 V 297 S. 307 den Umständen des vorliegenden Falles die Leistungsverweigerung nicht mit den Stellungnahmen des Dr. med. B. begründet werden. c) Auf die weitere rein pauschale Behauptung des Rechtsvertreters in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, es könnten noch weitere "Geheimakten" vorhanden sein, ist nicht einzutreten, weil es sich um blosse vage Vermutungen handelt, für die keine konkreten Anhaltspunkte bestehen. Davon abgesehen wären solche internen Akten für die Beurteilung der materiellen Leistungsberechtigung nach dem Gesagten klarerweise nicht erheblich.
null
nan
de
1,989
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
96aaedbf-cc73-407a-b7aa-f4feec406b62
Urteilskopf 96 IV 108 28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. April 1970 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen gegen Kellenberger.
Regeste Art. 64 Abs. 5 StGB . Tätige Reue. Wann hat der Täter das ihm Zumutbare zur Schadensdeckung unternommen?
Sachverhalt ab Seite 108 BGE 96 IV 108 S. 108 A.- Kellenberger, der am 19. Dezember 1966 als Redaktor der "Neuen Glarner Zeitung" fristlos entlassen worden war, nahm in seiner misslichen finanziellen Lage zum Teil unter unwahren Angaben verschiedene Darlehen auf, deren Rückzahlung sich in der Folge stark verzögerte. Unter anderem erhielt Kellenberger am 30. Dezember 1966 von der Filiale Glarus der Schweizerischen Volksbank durch Vermittlung des Direktors ein Darlehen von 2000 Franken, nachdem er jenem telefonisch mitgeteilt hatte, er habe seine Brieftasche verloren und brauche dringend Geld, um die von seiner Familie bezogene Ferienwohnung zu bezahlen, was nicht den Tatsachen entsprach. Sodann gelang es Kellenberger, von der Bank Rohner & Co.AG in St. Gallen am 12. April 1967 unter verschiedenen wahrheitswidrigen Angaben und mit Hilfe einer gefälschten Unterschrift ein Darlehen von 4000 Franken erhältlich zu machen. In allen Fällen hatte Kellenberger verschwiegen, dass er stellen- und mittellos war, und jeweils versprochen, das Geld kurzfristig zurückzuzahlen. BGE 96 IV 108 S. 109 B.- Mit Urteil vom 26. September 1969 sprach das Obergericht des Kantons Schaffhausen Kellenberger des Betrugs und der Urkundenfälschung zum Nachteil der Bank Rohner & Co.AG schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt aufgeschobenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten Gefängnis. In allen übrigen Fällen sprach es ihn von der Anklage des gewerbsmässigen Betruges frei. Das Gericht milderte zudem die Strafe, indem es dem Angeklagten tätige Reue im Sinne von Art. 64 Abs. 5 StGB zugute hielt, mit der Begründung, jener sei von dem Augenblicke an, da er wieder gearbeitet habe, unverzüglich an die Schuldentilgung gegangen. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen führt Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragt unter anderem, es sei der Strafmilderungsgrund der tätigen Reue nicht zu berücksichtigen und das Strafmass entsprechend neu festzusetzen. Erwägungen Aus den Erwägungen: Das Obergericht hat dem Angeklagten tätige Reue im Sinne von Art. 64 Abs. 5 StGB zugute gehalten mit der Begründung, er sei zwar reichlich spät, aber immerhin vom Antritt einer Stelle hinweg daran gegangen, seine Schulden abzutragen; er habe die Mehrheit seiner Gläubiger befriedigt. An die Bank Rohner & Co. AG und die Schweizerische Volksbank seien erste Zahlungen geleistet worden, nachdem ein Abzahlungsmodus habe gefunden werden können. Dem hält die Beschwerdeführerin entgegen, Kellenberger habe zur Zeit der Hauptverhandlung vor Kantonsgericht, d.h. am 2. November 1967 noch keine Zahlungen an die Geschädigten geleistet gehabt, obschon er jede sich ihm bietende Arbeit angenommen haben wolle. Einer geregelten Arbeit sei er erst im Sommer 1969 nachgegangen, so dass er bloss kurz vor der Berufungsverhandlung vom 26. September 1969 einige wenige Zahlungen an die Geschädigten habe leisten können. Eine derart verspätete Schadensdeckung könne nicht Ausdruck tätiger Reue sein, zumal dem Angeklagten eine frühere teilweise oder gänzliche Befriedigung der Geschädigten möglich und zumutbar gewesen wäre. Der Beschwerdeführerin ist in diesem Zusammenhange insoweit beizupflichten, als nicht jede Schadensdeckung durch den Täter als Zeichen aufrichtiger Reue gelten kann. Nach dem Wortlaut des Art. 64 Abs. 5 StGB muss der Täter den Schaden, BGE 96 IV 108 S. 110 "soweit es ihm zuzumuten war", ersetzt haben. Mit dem Hinweis auf die Zumutbarkeit verlangt das Gesetz eine besondere Anstrengung von seiten des Fehlbaren. Dieser muss alles daran setzen, um das geschehene Unrecht wiedergutzumachen. Ist er stellenlos, so hat er unverzüglich jede Arbeit anzunehmen, die ihm nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten zugemutet werden kann. Im vorliegenden Fall kann vom Angeklagten als Journalisten erwartet werden, dass er beispielsweise Arbeiten in einem Büro oder in einem Auskunftsdienst annehme. Er darf nicht zuwarten, bis er einen dem früheren gleichwertigen oder ähnlichen Arbeitsplatz findet. Wer sich erst unter dem Drucke eines drohenden Strafverfahrens zu einer besonderen Anstrengung herbeilässt, bekundet nicht aufrichtige Reue, sondern handelt aus taktischen Gründen und verdient deshalb keine besondere Milde. Nicht anders verhält es sich mit demjenigen Täter, der zwar andere als seiner beruflichen Ausbildung entsprechende Arbeit annimmt, der aber entweder ohne triftigen Grund oft die Stelle wechselt und dadurch nichts an die Schadensdeckung leisten kann, oder aber seine persönlichen Bedürfnisse im Rahmen des Zumutbaren nicht so weit einschränkt, dass es ihm möglich ist, die Deliktsschulden ohne Verzug aus seinem Arbeitseinkommen zu tilgen. Wie es sich damit im vorliegenden Fall verhält, geht aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor. Die von der Vorinstanz festgestellte späte und bloss teilweise Schadensdeckung genügt für sich allein nicht zur Annahme aufrichtiger Reue im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung. Die Sache ist daher an das Obergericht zurückzuweisen, damit es namentlich prüfe, ob der Angeklagte jede ihm zumutbare Arbeit angenommen habe, wann und wie lange er jeweils einer Tätigkeit nachgegangen sei und welchen Verdienst er dabei erzielt habe. Was die Schadensdeckung selber anbelangt, so wird die Vorinstanz sich auf diejenigen Darlehensschulden beschränken müssen, deren Begründung sie als betrügerisch bezeichnet hat; denn wenn Art. 64 Abs. 5 StGB vom Ersatz des Schadens spricht, so kann damit sinngemäss nur der Schaden gemeint sein, den der Täter durch die strafbaren Handlungen verursacht hat, für welche die Strafe ausgesprochen werden soll.
null
nan
de
1,970
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
96ac44c0-2f22-4728-ab21-6efb8923431a
Urteilskopf 119 Ib 111 13. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. April 1993 i.S. Y. AG gegen Steueramt des Kantons Aargau und Steuerrekursgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 58 BdBSt ; Reinertrag der Aktiengesellschaft; Berechnungsperiode. Berechnung des steuerbaren Reinertrages bei einer Aktiengesellschaft, die das erste der beiden in Betracht fallenden Geschäftsjahre auf 16 Monate und das zweite Geschäftsjahr auf 20 Monate verlängert hat.
Sachverhalt ab Seite 112 BGE 119 Ib 111 S. 112 Die X. AG wurde im Jahre 1944 durch Übernahme der Aktiven und Passiven der Einzelfirma X. in A. gegründet. Gesellschaftszweck war der Erwerb sowie die Veräusserung und Verwaltung von Gesellschaften, Beteiligungen und Liegenschaften. Mit Statutenänderung vom 2. Dezember 1985 verlegte die Gesellschaft ihren Sitz nach B.; zugleich wurde sie durch Umstrukturierung zur Holding. Die Gesellschaft wurde am 27. Dezember 1990 durch Fusion mit der Y. AG aufgelöst. Die X. AG schloss ihre Geschäftsjahre früher auf den 30. Juni ab. Das Geschäftsjahr 1984/85 verlängerte sie bis 31. Oktober 1985 auf 16 Monate. Sie erzielte einen Reinertrag von Fr. 1'882'490.--. Darin ist ein Liegenschaftsgewinn von Fr. 2'725'000.-- enthalten, den die Gesellschaft im Oktober 1985 realisierte. Im Geschäftsjahr 1985/87, das bis zum 30. Juni 1987 (20 Monate) dauerte, erzielte die Gesellschaft einen Reinertrag von Fr. 4'928.--. In ihrer Steuererklärung für die direkte Bundessteuer 1987/88 rechnete sie die Summe dieser beiden Ergebnisse (36 Monate) auf zwölf Monate um. Bei der Veranlagung der direkten Bundessteuer 1987/88 berücksichtigte die Steuerbehörde nur das am 31. Oktober 1985 abgeschlossene Geschäftsjahr, indem sie das Ergebnis von 16 Monaten auf zwölf Monate umrechnete (steuerbarer Reinertrag Fr. 1'411'867.--). Im Einspracheverfahren bestätigte sie diese Veranlagung. Sie erwog, das am 30. Juni 1987 abgeschlossene zweite Geschäftsjahr bilde keine taugliche Bemessungsgrundlage, weil der Abschlusszeitpunkt geplant und nicht rein zufällig sei. Da nur der Abschluss des vom 30. Juni 1984 bis 31. Oktober 1985 dauernden ersten Geschäftsjahres in die Berechnungsperiode falle, müsse auf dieses Geschäftsjahr abgestellt werden ( Art. 58 Abs. 4 und 5 BdBSt ). Die steuerpflichtige Gesellschaft focht diese Veranlagung an. Sie bestritt, dass sie den Zeitpunkt der Geschäftsabschlüsse aus Gründen der Steuerersparnis geplant habe. Das erste Geschäftsjahr habe sie bis zum 31. Oktober 1985 verlängert, weil sie überschuldet gewesen wäre, wenn sie den im Oktober 1985 realisierten Gewinn nicht hätte berücksichtigen können; den Abschlusszeitpunkt für das zweite Geschäftsjahr (30. Juni 1987) habe sie aus strukturpolitischen Gründen gewählt: Sie fungiere als Holding der einzelnen Betriebsgesellschaften der X.-Gruppe. Es sei betriebswirtschaftlich sinnvoll, wenn die Gewinne der Betriebsgesellschaften ohne grosse zeitliche Verzögerung "durchgeschüttet" werden könnten. Die Gewinne dieser Gesellschaften sollten also in einem ersten Schritt an die Holding BGE 119 Ib 111 S. 113 ausgeschüttet und von dieser in einem zeitlich leicht versetzten Abschluss an die Aktionäre weitergeleitet werden. Es handle sich um eine grundsätzliche geschäftspolitische Entscheidung, die unabhängig von der aktuellen Ertragslage gefällt worden sei. Das Steuerrekursgericht des Kantons Aargau wies am 28. Februar 1992 die Beschwerde der Steuerpflichtigen ab. Es bejahte eine Steuerumgehung; unter diesen Umständen sei nur das auf zwölf Monate umgerechnete Ergebnis des ersten Geschäftsjahres zu berücksichtigen. Hiegegen führt die Y. AG als Rechtsnachfolgerin der X. AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Hauptantrag, den steuerbaren Reinertrag auf Fr. 782'930.-- festzusetzen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer vom Reinertrag der Aktiengesellschaft ist in Art. 58 BdBSt geregelt. Als steuerbarer Reinertrag gilt der Durchschnitt der Ergebnisse der zwei Geschäftsjahre, die mit den beiden der Veranlagungsperiode vorangegangenen, die Berechnungsperiode bildenden Kalenderjahren zusammenfallen ( Art. 58 Abs. 1 und 2 BdBSt ). Schliesst die Gesellschaft ihre Rechnung nicht mit dem Kalenderjahr ab, so ist der Jahresdurchschnitt der Ergebnisse der in der Berechnungsperiode abgeschlossenen Geschäftsjahre massgebend ( Art. 58 Abs. 3 BdBSt ). In Abweichung von dieser Berechnungsweise wird der Veranlagung das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres zugrunde gelegt: a) bei Neugründung während eines Steuerjahres; b) wenn bei Beginn der Veranlagungsperiode erst ein Geschäftsjahr abgelaufen ist oder wenn das erste Geschäftsjahr erst im Laufe der Veranlagungsperiode abgeschlossen wird ( Art. 58 Abs. 4 lit. a und b BdBSt ). Wird der Veranlagung das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres zugrunde gelegt und ist dieses Geschäftsjahr länger oder kürzer als ein Kalenderjahr, so wird der Reinertrag auf ein Kalenderjahr umgerechnet ( Art. 58 Abs. 5 BdBSt ). a) Es ist unbestritten, dass im vorliegenden Fall nur der Abschluss des Geschäftsjahres 1984/85 in die Berechnungsperiode fällt. Das Geschäftsjahr 1985/87 schloss die Gesellschaft erst am 30. Juni 1987 ab, nach Ablauf der hier in Betracht fallenden Berechnungsperiode. Die Vorinstanz folgerte hieraus, dass der Veranlagung nur das in der BGE 119 Ib 111 S. 114 Berechnungsperiode abgeschlossene erste Geschäftsjahr 1984/85 zugrunde zu legen sei. Auch wenn von einer Steuerumgehung auszugehen ist, so stellt sich die Frage nach der richtigen Bemessungsgrundlage; es folgt daraus nicht ohne weiteres, dass nur das in der Berechnungsperiode abgeschlossene - einzige - Geschäftsjahr zu berücksichtigen ist. Diese Lösung ergibt sich aus Art. 58 Abs. 3 BdBSt jedenfalls nicht. Die Bestimmung betrifft nach ihrem Wortlaut ("Ergebnisse der in der Berechnungsperiode abgeschlossenen Geschäftsjahre") nur den Fall, wo eine Gesellschaft, deren Rechnungen nicht mit dem Kalenderjahr zusammenfallen, in der Berechnungsperiode zwei und nicht nur ein Geschäftsjahr abschliesst (Urteil vom 26. November 1976, ASA 46 S. 121 E. a). Es geht im vorliegenden Fall auch nicht um die Einschätzung einer neugegründeten Gesellschaft aufgrund des Ergebnisses des ersten Geschäftsjahres ( Art. 58 Abs. 4 BdBSt ): Die Steuerpflicht der X. AG bestand seit 1944. Nach seinem Wortlaut regelt Art. 58 BdBSt den vorliegenden Fall somit nicht. Es ist daher auf die ratio legis abzustellen. b) Art. 58 BdBSt bezweckt allgemein eine gleichmässige und gerechte Besteuerung. Er lässt erkennen, dass überall dort, wo es möglich ist, auf den Jahresdurchschnitt der Ergebnisse eines zwei volle Jahre (24 Monate) umfassenden Zeitraumes abgestellt werden soll (Abs. 1-3); Schwankungen im Geschäftsergebnis einzelner Jahre gleichen sich auf diese Weise in der Regel aus. Bei Neugründungen, auf die sich Art. 58 Abs. 4 BdBSt bezieht, lässt sich dieser Grundsatz nicht durchführen, weshalb dort der Veranlagung das Ergebnis nur des ersten Geschäftsjahres zugrunde zu legen ist. Wo aber eine Unternehmung während der ganzen Dauer der Berechnungsperiode geschäftlich tätig war, ist nach Möglichkeit das Ergebnis eines vollen, 24 Monate umfassenden Zeitraumes zu berücksichtigen (vgl. den erwähnten Entscheid, ASA 46 S. 121). c) Das ist auch im vorliegenden Fall ohne weiteres möglich, nachdem die steuerpflichtige Gesellschaft während der ganzen Dauer der Berechnungsperiode wirtschaftlich tätig war. Der Beschluss über die direkte Bundessteuer stellt zwar keine Mindest- oder Höchstdauer des Geschäftsjahres auf; der Wortlaut deutet lediglich darauf hin, dass es auch länger oder kürzer als zwölf Monate sein kann ( Art. 58 Abs. 5 BdBSt ; vgl. BGE 98 Ib 327 ). Nach den handelsrechtlichen Vorschriften bildet jedoch der jährliche Geschäftsabschluss die Regel. Dieses Prinzip war bereits im alten Aktienrecht enthalten (vgl. Art. 662 Abs. 1 aOR, der von der Jahresbilanz spricht) und liegt auch dem neuen Recht zugrunde, das in dieser Beziehung noch klarer ist BGE 119 Ib 111 S. 115 (vgl. Art. 662 und 662a OR ). Das Steuerrecht knüpft an das Handelsrecht an und anerkennt die handelsrechtskonforme Bilanz und Erfolgsrechnung grundsätzlich als für die Veranlagung verbindliche Grundlage (unter Vorbehalt der steuerrechtlichen Korrekturvorschriften). Nach dem Grundsatz der Massgeblichkeit des Handelsrechts für das Steuerrecht ist deshalb die handelsrechtliche Regelung, die grundsätzlich von jährlichen Geschäftsabschlüssen ausgeht, auch bei der Auslegung von Art. 58 BdBSt zu berücksichtigen. d) Nach diesen Grundsätzen war aber die X. AG verpflichtet, mit ihrer Steuererklärung jährliche Geschäftsabschlüsse einzureichen, die jeweils einen Zeitraum von zwölf Monaten umfassen. Da sie ihre Geschäftsjahre aus Gründen der Steuerersparnis verlängert hat, brauchen die Veranlagungsbehörden nicht auf dieses ungewöhnliche Vorgehen Rücksicht zu nehmen. (Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem in ASA 46 S. 119 ff. beurteilten, wo das Bundesgericht eine einmalige, mässige Verlängerung eines Geschäftsjahres als zulässig erachtet hat.) Die Beschwerdeführerin ist deshalb verpflichtet, für die Geschäftsperiode vom 1. Juli 1984 bis 30. Juni 1986 zwei Jahresrechnungen mit Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen einzureichen, und zwar je auf den 30. Juni 1985 und den 30. Juni 1986. Die Beschwerdeführerin ist hierzu aufzufordern. Zudem kann die Veranlagungsbehörde nach Art. 91 BdBSt vorgehen. Sie kann insbesondere auf Kosten der Beschwerdeführerin die notwendigen Zwischenabschlüsse anhand der Geschäftsbuchhaltung erstellen lassen, sofern die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung nicht nachkommen sollte. Die Verhängung einer Busse wegen Verletzung der Buchführungspflicht und von Verfahrenspflichten bleibt vorbehalten. Ebenso eine Einschätzung nach Ermessen, wenn die für die Erstellung der Zwischenabschlüsse notwendigen Unterlagen sich als ungenügend erweisen sollten ( Art. 92 BdBSt ).
public_law
nan
de
1,993
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
96aeb65b-a39d-4c44-a4c6-052294bcf598
Urteilskopf 137 III 16 3. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.X. und B.X. gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_249/2010 vom 16. November 2010
Regeste Beginn der Verjährung des Anspruchs auf Schadenersatz bei Verletzung vertraglicher Pflichten ( Art. 130 Abs. 1 OR ). Die Forderungen auf Schadenersatz und Genugtuung aus vertragswidriger Körperverletzung werden sogleich mit der Verletzung der vertraglichen Pflicht fällig. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Verjährung zu laufen, nicht erst mit Eintritt des Schadens, auch wenn dieser (wie bei Asbestschäden) erst nach Ablauf von mehr als 10 Jahren eintreten und festgestellt werden kann. Das Institut der Verjährung gilt für alle Schuldner und Gläubiger. Es beruht auf einer Abwägung der Interessen beider Parteien und führt nicht zu einer Diskriminierung der Asbestopfer oder behinderter Personen (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 17 BGE 137 III 16 S. 17 A. C.X. arbeitete seit Beginn der Lehre 1962 als Maschinenschlosser bei der Z. beziehungsweise deren Rechtsnachfolgerinnen (heute "Y. AG"; Beschwerdegegnerin) als Turbinenmonteur beziehungsweise ab 1978 als Turbinentechniker im Innendienst mit nur mehr sporadischen Auslandseinsätzen. Anfang 2004 wurde bei ihm ein malignes Pleuramesotheliom (Brustfellkrebs) diagnostiziert, das am 10. November 2005 zu seinem Tod führte. Mit Klage vom 25. Oktober 2005 hatte er beim Arbeitsgericht Baden Teilklage eingereicht, mit welcher er Fr. 212'906.- nebst Zins als Schadenersatz und Genugtuung verlangte, da die Erkrankung durch Asbestexposition am Arbeitsplatz verursacht worden sei. Nach seinem Tod traten seine beiden Töchter A.X. und B.X. (Beschwerdeführerinnen) in den Prozess ein. B. Der Klage war vor Arbeitsgericht kein Erfolg beschieden. Die von den Beschwerdeführerinnen erhobene Appellation wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 2. März 2010 ab. Es erkannte, für den Beginn der 10-jährigen Verjährungsfrist nach Art. 127 OR sei bei positiver Vertragsverletzung der Zeitpunkt der Pflichtverletzung und nicht derjenige des Schadenseintritts massgeblich. Es erachtete daher sämtliche der Beklagten angelasteten BGE 137 III 16 S. 18 Handlungen, welche diese vor dem 25. Oktober 1995 (das heisst mehr als 10 Jahre vor der Klageeinreichung als erste Verjährungsunterbrechung) begangen haben soll, als verjährt. Dies betrifft namentlich den Zeitraum zwischen 1966 und 1978, in welchem der verstorbene Kläger gemäss der Klageschrift regelmässig und intensiv mit Asbeststaub in Kontakt gekommen sein soll. Dass nach diesem Zeitpunkt ein weiterer für die Erkrankung kausaler Kontakt erfolgt sei, hielt das Obergericht nicht für erwiesen, ebenso wenig wie eine Pflichtverletzung in diesem Zeitpunkt. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen wiederholen die Beschwerdeführerinnen das erstinstanzliche Hauptbegehren und beantragen eventuell die Rückweisung der Sache an das Obergericht zur materiellen Neubeurteilung. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, während das Obergericht auf Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 16. November 2010 an einer öffentlichen Sitzung beraten. Es weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Verjährung gewährt dem Schuldner die Möglichkeit, sich nach einem bestimmten Fristenlauf der Durchsetzung einer Forderung zu widersetzen, indem er die Verjährungseinrede erhebt. Die Verjährung darf vom Richter nicht von Amtes wegen berücksichtigt werden ( Art. 142 OR ). Sie beschlägt weder den Bestand noch die Entstehung einer Forderung, sondern allein deren Durchsetzbarkeit (vgl. BGE 133 III 6 E. 5.3.4 S. 26; SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. I, 1975, S. 457; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2. Aufl. 1997, S. 798 und 823 f.). 2.1 Das Gesetz sieht die Verjährung in erster Linie um der öffentlichen Ordnung willen vor: Das öffentliche Interesse an der Rechtssicherheit und am gesellschaftlichen Frieden verlangt, dass gewöhnliche Forderungen, die nicht geltend gemacht werden, nach einer gewissen Zeit nicht mehr durchgesetzt werden können. Die Rechtssicherheit ist beeinträchtigt, wenn Prozesse über Forderungen möglich bleiben, deren Entstehung oder Erlöschen wegen durch Zeitablauf verursachten Beweisschwierigkeiten nicht mehr zuverlässig feststellbar sind. Dem Gläubiger zu gestatten, mit der Geltendmachung einer gewöhnlichen Forderung beliebig zuzuwarten, ohne BGE 137 III 16 S. 19 deswegen einen Rechtsnachteil zu erleiden, verbietet sich aber auch, weil unbereinigte Rückstände die Beziehungen unter den Rechtsgenossen belasten und der Schuldner nicht dauernd im Ungewissen darüber gelassen werden darf, ob eine Forderung, die längere Zeit nicht geltend gemacht wurde und mit der er daher natürlicherweise immer weniger rechnet, schliesslich doch noch eingeklagt wird. Zudem muss der Schuldner aus praktischen Gründen davor bewahrt werden, die Belege für seine Zahlungen während unbeschränkter Zeit aufbewahren zu müssen. Für den Gläubiger führt die Verjährung zu einem nicht nur in seinem eigenen, sondern auch im Interesse klarer Rechtsbeziehungen erwünschten Ansporn, seine Forderungen innert vernünftiger Frist geltend zu machen und die Austragung von Streitigkeiten darüber nicht zu verzögern. Der Einrichtung der Verjährung liegt auch der Gedanke zugrunde, dass eine länger dauernde Untätigkeit des Gläubigers die Unbegründetheit oder die Tilgung der Forderung wahrscheinlich macht oder sogar als Verzicht auf die Forderung gedeutet werden kann (so schon BGE 90 II 428 E. 8 S. 437 f.; vgl. BGE 136 II 187 E. 7.4 S. 194 f.; BGE 134 III 294 E. 2.1 S. 297; SCHWANDER, Die Verjährung ausservertraglicher und vertraglicher Schadenersatzforderungen, 1963, S. 2). 2.2 Mit Ablauf von zehn Jahren verjähren alle Forderungen, für die das Bundeszivilrecht nicht etwas anderes bestimmt ( Art. 127 OR ). Diese Norm gilt unter anderem für die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstehenden Forderungen auf Leistung von Schadenersatz und Genugtuung. Der Beginn der Verjährungsfrist untersteht in diesen Fällen Art. 130 Abs. 1 OR , d.h. die zehnjährige allgemeine Verjährungsfrist läuft von der Fälligkeit der Forderung an, und zwar unabhängig davon, ob der Gläubiger seine Forderung kennt ( BGE 87 II 155 E. 3c S. 163; 53 II 336 E. 3b S. 342 f.). 2.3 Die Pflicht des Schuldners, Schadenersatz und Genugtuung zu leisten, und das Recht des Gläubigers, sie zu verlangen, entstehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht erst, wenn dieser die Folgen der Pflichtverletzung erkennen kann. Beruhen sie auf einer Körperverletzung, so erwachsen sie im Zeitpunkt, in dem der Schuldner pflichtwidrigerweise auf den Leib des andern einwirkt. Das folgt aus Art. 46 Abs. 2 OR , der überflüssig wäre, wenn erst die Erkennbarkeit und Feststellbarkeit der Folgen der Verletzung dem Gläubiger ein Recht auf Ersatz des Schadens sowie auf Genugtuung und als Ausfluss des materiellen Rechts den Anspruch auf Rechtsschutz ( BGE 86 II 41 E. 4 S. 44 f.) gäbe. Art. 46 Abs. 2 BGE 137 III 16 S. 20 OR gilt nicht nur für unerlaubte Handlungen, sondern kraft der Verweisung des Art. 99 Abs. 3 OR auch für vertragswidriges Verhalten. Der Verletzte kann vom Zeitpunkt der Verletzung an verlangen, dass ihm der Schuldner allen aus ihr erwachsenen Schaden, auch den erst künftig in Erscheinung tretenden, ersetze und ihm Genugtuung leiste ( BGE 87 II 155 E. 3b S. 162 f.). Wenn die Zeit der Erfüllung weder durch Vertrag noch durch die Natur des Rechtsverhältnisses bestimmt ist, kann gemäss Art. 75 OR sogleich geleistet und gefordert werden. Die Forderungen auf Schadenersatz und Genugtuung aus vertragswidriger Körperverletzung werden daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich sogleich mit der Verletzung der vertraglichen Pflicht fällig ( BGE 87 II 155 E. 3c S. 163; BGE 106 II 134 E. 2d S. 139), womit die Verjährung ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt. 2.4 Diese Lösung ist in der Lehre auf breite Zustimmung gestossen (DÄPPEN, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2007, N. 11a zu Art. 130 OR ; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. II, 9. Aufl. 2008, S. 226 Rz. 3322; SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 2009, S. 526 f. Rz. 84.14; VOSER, Aktuelle Probleme zivilrechtlicher Verjährung bei körperlichen Spätschäden aus rechtsvergleichender Sicht, recht 2005 S. 121 ff.; GUILLAUME FOURNIER, La prescription de l'action en dommages-intérêts: une réflexion sur la relation délit-contrat en droit privé, au regard notamment de l'avant-projet de modification et d'unification du droit de la responsabilité civile, 2009, S. 76 f.; vgl. auch SPIRO, a.a.O., S. 83). Ein Teil der Lehre steht der Rechtsprechung allerdings kritisch gegenüber (vgl. BGE 106 II 134 E. 2b S. 138 mit Hinweisen), und in der Literatur, auf die sich die Beschwerdeführerinnen berufen, wird die Auffassung vertreten, der Beginn der Verjährung nach Art. 130 OR werde bei einer positiven Vertragsverletzung nicht schon durch die Vertragsverletzung ausgelöst, sondern erst durch den Eintritt des Schadens (WIEGAND, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, a.a.O., N. 52 zu Art. 97 OR ; BERTI, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2002, N. 129 zu Art. 130 OR mit Hinweisen; derselbe , Verjährung vertraglicher Schadenersatzansprüche, in: Leistungsstörungen, Koller [Hrsg.], 2008, S. 15 ff.; SCHWANDER, a.a.O., S. 91; vgl. auch die Hinweise bei HUSMANN/ALIOTTA, Zeit heilt nicht alle Wunden - Zur verjährungsrechtlichen Problematik bei Personenschäden durch Asbest, HAVE 2010 S. 128 ff., worin unter Mitwirkung des Rechtsvertreters der BGE 137 III 16 S. 21 Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen die in der Beschwerdeschrift vertretene Argumentation aufgenommen wird). 2.4.1 Die Annahme, vertragliche Schadenersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung würden nicht bereits mit der Pflichtverletzung, sondern erst mit Schadenseintritt fällig, womit die Verjährung erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginne, würde nicht nur das Institut der Verjährung aushöhlen, indem der Vertragspartner bei Eintritt weiteren Schadens auch nach Jahren noch neue Schadenersatzansprüche geltend machen könnte (vgl. VOSER, a.a.O., S. 126). Sie hätte in letzter Konsequenz zur Folge, dass mangels Fälligkeit kein vertraglicher Schadenersatz für erst in der Zukunft entstehenden Schaden eingeklagt werden könnte und in zeitlichen Abständen der jeweils eingetretene Schaden geltend gemacht werden müsste. Dies erscheint nicht sinnvoll und wäre praktisch kaum durchführbar (vgl. BREHM, Berner Kommentar, 3. Aufl. 2006, N. 8 Vorbemerkungen zu Art. 45 und 46 OR ; MATTHIAS LEEMANN, Die Rente als Art des Schadenersatzes im Haftpflichtrecht, 2002, S. 26 f.). Insoweit besteht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen kein Grund, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen und vertragliche Schadenersatzansprüche anders zu behandeln als ausservertragliche. Die abweichenden Vorschriften betreffen die Verjährung, nicht die Fälligkeit der Ansprüche. Sofern im Zeitpunkt der positiven Vertragsverletzung für alle Beteiligten erkennbar ist, welcher Schaden in welcher Frist auftreten wird, führt der mit der Vertragsverletzung einsetzende Fristenlauf der Verjährung denn auch zu keinen wesentlichen Schwierigkeiten, selbst wenn der Schaden erst lange nach Ablauf der Verjährungsfrist eintritt, da dieser zukünftige Schaden abgeschätzt, eingeklagt und zugesprochen werden kann. In derartigen Fällen besteht objektiv kein Grund, mit der Schadensliquidation bis zum Schadenseintritt zuzuwarten. 2.4.2 Aus BGE 130 III 591 E. 3.1 S. 597 kann nichts anderes abgeleitet werden. Dort wurde zwar festgehalten, der vertragliche Schadenersatzanspruch aus Schlechterfüllung entstehe nicht schon mit der Schlechterfüllung der Schuld, sondern erst mit dem Eintritt des Schadens und könne folglich auch erst in diesem Zeitpunkt fällig werden. In diesem Entscheid ging es indessen um die Frage, ob und ab wann Verzugszins geschuldet ist, wobei dem Zeitpunkt, auf welchen der Schaden berechnet wurde, massgebende Bedeutung zukam. Dieser Zeitpunkt richtet sich nach prozessualen BGE 137 III 16 S. 22 Gegebenheiten (vgl. LEEMANN, a.a.O., S. 42 mit Hinweisen). Er kann für den Beginn der Verjährung nicht massgebend sein. 2.4.3 Durch das Abstellen auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung als Beginn der Verjährung werden einerseits Wertungsdiskrepanzen zum ausservertraglichen Haftpflichtrecht vermieden. Andererseits erweist sich der vertragliche Schadenersatzanspruch als Folge des nicht vertragsgemässen Verhaltens der Gegenpartei. Das Recht, von dieser die Erfüllung der vertraglichen Pflichten zu verlangen - das heisst im konkreten Fall: für die dem damaligen Wissensstand entsprechenden Schutzmassnahmen bei Arbeiten mit Asbest zu sorgen -, wird bereits in dem Moment fällig, in dem die allfällige Pflichtverletzung erfolgt (vgl. BGE 106 II 134 E. 2d S. 139). Ab diesem Zeitpunkt kann der Gläubiger vom Schuldner Ersatz für den aus der Pflichtverletzung entstandenen Schaden verlangen. Insgesamt besteht für das Bundesgericht kein Anlass, von seiner Rechtsprechung zum Beginn der Verjährung vertraglicher Schadensersatzansprüche abzuweichen. 2.4.4 Die Problematik des zu beurteilenden Falles liegt nicht primär darin, dass zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt mehr als zehn Jahre verstrichen sind, sondern darin, dass der Schaden während der zehnjährigen Verjährungsfrist nicht liquidierbar ist (vgl. SPIRO, a.a.O., S. 63 ff.). Zufolge der Ungewissheit, ob die Asbestexposition überhaupt gesundheitliche Konsequenzen nach sich zieht, und der langen Zeit (15 bis 45 Jahre), welche zwischen der Asbestexposition und einem allfälligen Krankheitsausbruch verstreicht, kann, selbst wenn der Nachweis einer Pflichtverletzung gelingt, vor Ablauf der Verjährungsfrist objektiv nicht festgestellt werden, ob Schadenersatz geschuldet ist. Da nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ein Schaden eintreten wird, kann der Geschädigte in diesem Zeitraum noch nicht mit Aussicht auf Erfolg auf Schadenersatz klagen. Obwohl das schadenstiftende Ereignis stattgefunden hat und grundsätzlich abgeschlossen ist, lässt sich die zukünftige Entwicklung nicht mit hinreichender Sicherheit überblicken, um den zu erwartenden Schaden abschätzen zu können (vgl. BGE 88 II 498 E. 7 S. 509). Der Eintritt des Schadens im wirtschaftlichen Sinne hängt vom Ausbruch der Krankheit ab und damit von einem zukünftigen ungewissen Ereignis (vgl. SPIRO, a.a.O., S. 41). Der Gesetzgeber hat diesen für den Geschädigten auftretenden Schwierigkeiten in gewissen Bereichen, in denen BGE 137 III 16 S. 23 erfahrungsgemäss mit Spätschäden zu rechnen ist, mit Spezialregelungen Rechnung getragen (vgl. BGE 106 II 134 E. 2c S. 138 f.). Er hat beispielsweise in Art. 10 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 18. März 1983 (KHG; SR 732.44) und Art. 40 des Strahlenschutzgesetzes vom 22. März 1991 (StSG; SR 814.50) eine Verjährungsfrist von 30 Jahren vorgesehen. In Art. 13 KHG wird für die Kernenergiehaftung der Versicherungsschutz für Spätschäden geregelt, die zufolge Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden können. Auch in diesen Bereichen wurde indessen weder auf das Institut der Verjährung verzichtet, noch der Schadenseintritt zum Ausgangspunkt der Verjährung gemacht. Obwohl sich die Problematik von Spätschäden auch in anderen Bereichen stellt, hat sich der Gesetzgeber nicht für eine generelle Verlängerung der Verjährungsfristen in derartigen Fällen entschieden. Damit bleibt es für Asbestschäden bei der zehnjährigen Verjährungsfrist, welche im zu beurteilenden Fall vor der ersten verjährungsunterbrechenden Handlung abgelaufen ist. Insoweit erweist sich die Beschwerde als unbegründet. 2.5 Nicht stichhaltig sind schliesslich die von den Beschwerdeführerinnen erhobenen Rügen, mit denen sie eine Verletzung ihrer Grundrechte ( Art. 8 Abs. 2 BV ) beziehungsweise der EMRK (Art. 6 und Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 EMRK ) geltend machen. Das Bundesgericht hat bereits festgehalten, dass das Institut der Verjährung als solches das in Art. 6 EMRK gewährleistete Recht auf ein faires Verfahren und den freien Zugang zum Gericht nicht verletzt, auch wenn es im Einzelfall dazu führen kann, dass ein Berechtigter seinen Anspruch im Moment, in welchem er davon Kenntnis erhält, nicht mehr durchsetzen kann ( BGE 136 II 187 E. 8.2 S. 201 f.). Diese Problematik besteht für alle Gläubiger, wenn sich erst nach langer Zeit herausstellt, dass eine Vertragsverletzung zu einem Schaden führt. Eine Diskriminierung behinderter Personen liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen nicht vor. Die Ungleichbehandlung zwischen Asbestopfern und Personen, deren berufsbedingte Krankheiten noch innerhalb der Verjährungsfrist ausbrechen, erklärt sich mit Blick auf die Interessen des Schuldners, der nicht auf unbestimmte Zeit im Unklaren über seine Leistungspflicht gelassen werden soll. Der Schuldner kann nicht erkennen, ob der Geschädigte keine Klage erhebt, weil noch kein Schaden eingetreten ist, oder weil der Geschädigte anerkennt, dass keine Vertragsverletzung begangen wurde. Es soll dem Schuldner nicht zugemutet werden, die Beweise für die pflichtkonforme Vertragserfüllung beliebig lange BGE 137 III 16 S. 24 aufbewahren zu müssen ( BGE 90 II 428 E. 8 S. 438), es sei denn, der Gläubiger gebe rechtzeitig durch Unterbrechung der Verjährung zu erkennen, dass er allfällige Ansprüche in einem späteren Zeitpunkt geltend zu machen gedenkt. Der Gesetzgeber hat eine Abwägung zwischen den Interessen des Gläubigers und denjenigen des Schuldners vorgenommen und die Verjährungsfrist entsprechend festgesetzt. Eine Diskriminierung der Asbestgeschädigten ist nicht gegeben. Worin eine Verletzung von Art. 8 Abs. 2 BV oder von Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK liegen sollte, ist nicht ersichtlich.
null
nan
de
2,010
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
96b0d946-e76f-4eb3-b287-03d27319b664
Urteilskopf 115 III 89 19. Sentenza 29 dicembre 1989 della Camera delle esecuzioni e dei fallimenti nella causa Fondazione "Winterthur" per la previdenza professionale obbligatoria contro Stifimar S.A. (ricorso)
Regeste Zwangsvollstreckung gegen eine Aktiengesellschaft zwecks Eintreibung der Beiträge der beruflichen Vorsorge für Arbeitnehmer ( Art. 43 SchKG und 48 Abs. 2 BVG). 1. Ob eine Zwangsvollstreckung durch Betreibung auf Pfändung oder durch Betreibung auf Konkurs fortzusetzen ist, muss von Amtes wegen geprüft werden (E. 1). 2. Die Zwangsvollstreckung gegen eine Aktiengesellschaft zwecks Eintreibung der Beiträge der beruflichen Vorsorge für Arbeitnehmer ist nur unter der Voraussetzung, dass der Gläubiger eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist, durch Betreibung auf Pfändung (und nicht durch Betreibung auf Konkurs) fortzusetzen (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 89 BGE 115 III 89 S. 89 A.- La Fondazione "Winterthur" per la previdenza professionale obbligatoria ha fatto notificare l'8 maggio 1989 alla società anonima Stifimar un precetto esecutivo di fr. 7'397.20 con interessi per premi di assicurazione dovuti in base alla legge federale sulla previdenza professionale per la vecchiaia, i superstiti e l'invalidità (LPP). La debitrice non ha sollevato opposizione e il 21 giugno 1989 si è vista intimare la comminatoria di fallimento. Il 19 luglio successivo la creditrice ha chiesto al Pretore del Distretto di Lugano, Sezione 5, di dichiarare il fallimento della società. Il giudice si è rivolto allora alla Camera di esecuzione e BGE 115 III 89 S. 90 fallimenti del Tribunale di appello del Cantone Ticino, autorità di vigilanza, per sapere se i noti premi di assicurazione erano fondati sul diritto pubblico ( art. 173 cpv. 2 LEF ). B.- Con decreto del 17 novembre 1989 la corte ha risposto affermativamente al quesito, ha annullato la comminatoria di fallimento e invitato l'Ufficio esecuzione e fallimenti di Lugano, Circondario 1, a procedere contro la Stifimar S.A. in via di pignoramento ( art. 43 LEF ). Il Pretore del Distretto di Lugano ha respinto l'istanza di fallimento il 1o dicembre 1989. C.- L'11 dicembre 1989 la Fondazione "Winterthur" per la previdenza professionale obbligatoria ha introdotto un ricorso alla Camera delle esecuzioni e dei fallimenti del Tribunale federale perché, annullato il decreto dell'autorità di vigilanza, la comminatoria di fallimento sia ripristinata. Né la Stifimar S.A. né l'Ufficio esecuzione e fallimenti si sono pronunciati sul gravame. Erwägungen Considerando in diritto: 1. La continuazione della procedura esecutiva in via di pignoramento anziché in via di fallimento è una misura verificata d'ufficio dal Tribunale federale ( DTF 94 III 67 consid. 2). Il ricorso contro un decreto dell'autorità di vigilanza che statuisce in tal senso è quindi ammissibile senza riguardo alle sue condizioni di ricevibilità (cfr. DTF 112 III 4 in fine, DTF 105 III 70 consid. 2). 2. L' art. 43 LEF stabilisce che l'esecuzione per imposte, tributi, tasse, sportule, ammende e altre prestazioni fondate sul diritto pubblico e dovute a pubbliche casse o a funzionari ha sempre luogo in via di pignoramento o di realizzazione del pegno. Perché una società anonima sfugga alla comminatoria di fallimento occorrono così due requisiti cumulativi: il credito in esecuzione deve avere origine nel diritto pubblico e il creditore dev'essere, a sua volta, un soggetto di diritto pubblico. Che la pretesa della ricorrente, ancorata alla legge federale sulla previdenza professionale per la vecchiaia, i superstiti e l'invalidità, sia di diritto pubblico non è controverso e non può seriamente essere posto in dubbio (GAAC 1988 pag. 26 seg.). Resta da esaminare se la ricorrente sia un istituto di diritto pubblico. Nessuno però afferma una tesi del genere; anzi, l'autorità cantonale non ha nemmeno considerato la questione. Ora, l' art. 48 cpv. 2 LPP evocato a giusto titolo nel ricorso specifica che "gli istituti di previdenza registrati devono assumere la forma BGE 115 III 89 S. 91 di una fondazione o di una società cooperativa od essere istituzioni di diritto pubblico". La ricorrente appartiene alla prima categoria di soggetti e non può in alcun caso essere equiparata a un ente di diritto pubblico. Tanto meno se si pensa che la norma dell' art 43 LEF deroga al sistema legale - in particolare all' art. 39 cpv. 1 n. 7 LEF - e deve perciò essere interpretata restrittivamente ( DTF 94 III 71 consid. 3; v. anche BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, Berna 1989, pag. 457 nota 68). 3. L'accoglimento del ricorso implica il ripristino della comminatoria di fallimento, annullata dall'autorità di vigilanza. Non può invece essere riformata la decisione con cui il Pretore ha respinto l'istanza di fallimento ( art. 172 n. 1 LEF ). Contro la medesima sono dati i rimedi giuridici offerti dall'ordinamento cantonale di procedura (nel Ticino: la restituzione in intero secondo l'art. 346 lett. c CPC).
null
nan
it
1,989
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
96b4d0a8-6dc2-4b26-8636-a89d8c58cea9
Urteilskopf 121 III 118 28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. April 1995 i.S. Kerr Dürrenmatt gegen Diogenes Verlag AG (Berufung)
Regeste Aktivlegitimation des Mitglieds einer Erbengemeinschaft zur prozessualen Durchsetzung ererbter Urheberrechte ( Art. 7, 16 URG ; Art. 8, 602 Abs. 2 ZGB ; Art. 18 OR ; Art. 64 Abs. 1 OG ). Die Gesetzesvorschriften, welche die Miturheberschaft regeln, kommen nicht zur Anwendung. Ein einzelnes Mitglied der Erbengemeinschaft ist deshalb nicht befugt, gestützt auf Art. 7 Abs. 3 URG in eigenem Namen eine Urheberrechtsverletzung einzuklagen (E. 2). Die Aktivlegitimation kann im vorliegenden Fall auch nicht aus den Bestimmungen des ZGB über die Erbengemeinschaft abgeleitet werden (E. 3). Ob sie sich aus einem von den Erben abgeschlossenen Erbteilungsvertrag ergibt, hängt von dessen Auslegung ab (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 119 BGE 121 III 118 S. 119 Mit Generalvertrag vom 17. Dezember 1986 übertrug Friedrich Dürrenmatt der Diogenes Verlag AG in der Form des Erbvertrags alle Verlagsrechte an seinen Werken, soweit im Vertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde. Dürrenmatt verstarb am 14. Dezember 1990. Nach einem Zusatzvertrag vom 17. Januar 1991 zum Generalvertrag, den Dürrenmatts Willensvollstrecker mit dem Verlag abschloss, wurde diesem auch das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung von Dürrenmatts Werk "Midas" übertragen. Davon ausgenommen war unter anderem das Recht zur Bearbeitung des Werkes als Drama, Fernseh- oder Hörspiel. Dürrenmatt hinterliess als Erben seine Ehefrau Charlotte Kerr Dürrenmatt sowie drei Kinder aus erster Ehe, Barbara Meyer-Dürrenmatt, Ruth Dürrenmatt und Peter Dürrenmatt. Sie schlossen am 18. Oktober 1991 einen Erbteilungsvertrag, in dem hinsichtlich des Werkes "Midas" folgendes festgehalten wurde: "Für die Werke des Erblassers "Rollenspiele", "Durcheinandertal", "Turmbau (Stoffe IV-IX)" und "Midas" werden folgende Spezialregelungen getroffen: In den für jedes dieser Werke abgeschlossenen Zusatzverträgen werden die Senderechte für Funk und Fernsehen, sowie Verfilmungen oder Bearbeitungen als Drama, Fernseh- oder Hörspiel von der Nebenrechtsübertragung im Generalvertrag Dürrenmatt-Diogenes vom 17.12. 1986 ausgenommen. Die Erben sind übereingekommen, dass die genannten Rechte von der Diogenes Verlag AG vertreten und verwertet werden, wobei jedoch der Ehegattin ein Mitsprache- und Zustimmungsrecht bei deren Vergabe an Dritte zusteht; dieses Mitsprache- und Zustimmungsrecht fällt mit dem Ableben der Ehegattin an die Nachkommen zurück, die dann einen neuen Erbenvertreter bestimmen müssen, dem das Mitsprache- und Zustimmungsrecht zukommt..." Mit Vertrag vom 12./17. Juni 1992 übertrug die Diogenes Verlag AG dem Südostbayerischen Städtetheater in Landshut das Recht zur bühnenmässigen Aufführung des Werkes "Midas", ohne das Einverständnis von Charlotte Kerr Dürrenmatt eingeholt zu haben. Mit Klage vom 15. März 1993 begehrte Charlotte Kerr Dürrenmatt gegenüber der Diogenes Verlag AG die Feststellung der Ungültigkeit der Rechtsübertragungen an das Südostbayerische Städtetheater, im Laufe des Verfahrens zusätzlich ein Verbot jeder bühnenmässigen Auswertung von "Midas" ohne ihre Zustimmung. BGE 121 III 118 S. 120 Mit Urteil vom 13. Dezember 1993 trat das Obergericht des Kantons Zürich auf das Feststellungsbegehren mangels hinreichenden Interesses nicht ein und wies das Unterlassungsbegehren mangels Aktivlegitimation der Klägerin ab. Die Klägerin hat das Urteil des Obergerichts mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht teilweise gutgeheissen wird. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Steht das Urheberrecht an einem Werk mehreren Personen als Urheber oder Urheberinnen gemeinschaftlich zu, so kann jeder Miturheber und jede Miturheberin Rechtsverletzungen selbständig verfolgen, Leistung jedoch nur an alle fordern ( Art. 7 Abs. 3 URG ; SR 231.1). Das Gesetz gibt damit jedem Miturheber und jeder Miturheberin eine prozessstandschaftliche Vertretungsbefugnis. Das Obergericht lehnt es ab, diese Regelung auf die in Gemeinschaft verbundenen Erben des Urhebers anzuwenden. Die Klägerin erblickt darin eine Verletzung von Bundesrecht. Die Miturheberschaft im Sinne von Art. 7 URG beruht auf dem Gedanken der kollektiven Werkschöpfung, der Mitwirkung mehrerer Personen an einem neugeschöpften, im Gegensatz zum bearbeiteten ( Art. 3 URG ), verbundenen oder durch Kompilation ( Art. 4 URG ) geschaffenen Werk. Die einzelnen Miturheber oder Miturheberinnen stehen in einer Rechtsgemeinschaft, einer Gesamthandschaft sui generis (BARRELET/EGLOFF, Das neue Urheberrecht, N. 2 zu Art. 7 URG ), die durch einen gemeinsamen, originären Rechtserwerb gekennzeichnet ist. Das als solches unteilbare Kollektivwerk (vgl. Art. 7 Abs. 4 URG ) ist durch die schöpferische Leistung mehrerer Personen geprägt, denen das Gesetz je einzeln die Befugnis einräumt, die absolute Rechtsstellung aus der Urheberschaft durchzusetzen. Die verselbständigte Rechtszuständigkeit folgt dabei aus der eigenen schöpferischen Leistung. Das Urheberrecht ist vererblich ( Art. 16 Abs. 1 URG ). Die Erbfolge beurteilt sich hinsichtlich Voraussetzungen und Wirkungen ausschliesslich nach den Bestimmungen des Erbrechts. Unter mehreren Erben entsteht von Gesetzes wegen eine Erbengemeinschaft ( Art. 602 ff. ZGB ). Vereinzelt wird in der Literatur die Auffassung vertreten, diese unterstehe in bezug auf das durch Universalsukzession übergegangene Urheberrecht den Bestimmungen über die Miturheberschaft (REHBINDER, Schweizerisches Urheberrecht, S. 132). Dies entspricht der Regelung des österreichischen BGE 121 III 118 S. 121 Urheberrechtsgesetzes (§ 23 Abs. 4) und einer minoritär in Deutschland vertretenen Meinung (vgl. FROMM/NORDEMANN, Urheberrecht, 8. Aufl., N. 4 zu § 28 DURG). Für das schweizerische Recht ist sie indessen bereits deshalb abzulehnen, weil der Begriff der Miturheberschaft zwingend aus der eigenen schöpferischen Leistung an einem Kollektivwerk und nicht aus dem derivativen Übergang eines Urheberrechts auf mehrere Rechtsnachfolger des originär Berechtigten folgt. Sie wird denn auch in der schweizerischen Literatur abgelehnt (vgl. BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 13 zu Art. 16 URG ; MARBACH, Rechtsgemeinschaft an Immaterialgüterrechten, S. 183). Aus Art. 7 Abs. 3 URG kann die Klägerin ihre Aktivlegitimation demnach nicht herleiten. 3. In der privatrechtlichen Auseinandersetzung ist die Sachlegitimation nicht Prozessvoraussetzung, sondern Bedingung der materiellen Begründetheit der Rechtsbehauptung, mithin eine Frage des Bundesrechts in den von ihm beherrschten Rechtsbeziehungen ( BGE 114 II 345 E. 3a S. 346). Nach dem Gesetz aber werden mehrere Erben Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse gemeinsam über die Rechte der Erbschaft ( Art. 602 Abs. 2 ZGB ). Aus diesem erbrechtlichen Gesamthandsprinzip ergibt sich, dass die Mitglieder einer Erbengemeinschaft in der Rechtsverfolgung nur gemeinsam zur Prozessführung befugt sind. Das Bundesgericht hat in diesem Sinne am Erfordernis der Willensübereinstimmung aller Erben in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen stets streng festgehalten ( BGE 100 II 440 E. 1, BGE 89 II 429 ff., BGE 54 II 110 E. 4 S. 112 und 197 E. 2, BGE 52 II 195 ff., BGE 51 II 267 E. 1). Das Erfordernis gemeinsamen Handelns bezweckt den Schutz der Gemeinschaft gegen schädliche Sonderaktionen einzelner Gemeinschafter (MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 6 zu Art. 653 ZGB ). Unzulässig sind deshalb nebst den eigentlichen Verfügungen über das Recht all jene Rechtshandlungen, welche die Gefahr einer Benachteiligung der Gemeinschaft oder ihrer Mitglieder mit sich bringen können. Im Gegensatz zum deutschen Recht (vgl. § 2039 BGB) ist ein Erbe sodann nach herrschender schweizerischer Lehre und bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch nicht ohne weiteres befugt, auf eigene Gefahr für die Erbengemeinschaft tätig zu werden (PIOTET, Schweiz. Privatrecht, Bd. IV/2, S. 667 mit Hinweisen; a.A. JOST, Die Aktivlegitimation des Miterben zu erbrechtlichen Klagen, SJZ 46/1950, S. 149 ff.). Selbständiges BGE 121 III 118 S. 122 zivilprozessuales Vorgehen einzelner Miterben auf der Aktivseite - für die Passivseite gilt anderes aufgrund der Solidarhaft nach Art. 603 Abs. 1 ZGB - hat das Bundesgericht vielmehr bloss in Ausnahmefällen zugelassen, etwa bei zeitlicher Dringlichkeit ( BGE 93 II 11 E. 2b S. 14 f.) sowie bei unmittelbarem oder mittelbarem Einbezug aller Erben in das Verfahren ( BGE 109 II 400 E. 2 S. 403), daneben aufgrund des Zweckgedankens des Gesamthandsprinzips auch für die Verfolgung blosser Informationsansprüche über Erbschaftsaktiven, die keine Benachteiligung der Miterben zur Folge haben können ( BGE 82 II 555 E. 7 S. 566). Ein Ausnahmefall in der einen oder andern Richtung ist indessen in der vorliegenden Streitsache weder ersichtlich noch dargetan. Insbesondere reicht die von der Klägerin behauptete Zustimmung zweier - von drei - Miterben zu ihrem Vorgehen für die Annahme einer mittelbaren Beteiligung aller Mitglieder der Erbengemeinschaft am Verfahren nicht aus. Dass sodann in verwaltungsgerichtlichen Verfahren dem einzelnen Miterben eine weitergehende Handlungsmacht zukommen kann, beruht auf den dortigen besonderen Legitimationsvoraussetzungen, die sich nicht unbesehen auf die zivilrechtliche Auseinandersetzung übertragen lassen (vgl. dazu BGE 119 Ib 56 E. 1a, BGE 99 V 58 ff.). Weiter ist zu beachten, dass der eingeklagte Unterlassungsanspruch im wesentlichen vertraglicher Natur ist und bei seiner Beurteilung unter anderem der Generalvertrag vom 17. Dezember 1986 und der Zusatzvertrag vom 17. Januar 1991 eine Rolle spielen. Der im Vordergrund stehende Zusatzvertrag wurde jedoch erst nach dem Tode von Friedrich Dürrenmatt, das heisst mit dessen Erben als materiellen Vertragsparteien abgeschlossen. Ist aber die Klägerin nach dem Gesagten kraft ihrer Erbenstellung selbst an einem ausservertraglichen Unterlassungsanspruch nicht allein aktivlegitimiert, so gilt das in noch stärkerem Masse für die Durchsetzung von Ansprüchen aus vertraglicher Rechtsgemeinschaft. Insoweit kann somit dem Obergericht ebenfalls keine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden. 4. Damit stellt sich allein noch die Frage, ob die Klägerin ihre Aktivlegitimation aus dem Erbteilungsvertrag vom 18. Oktober 1991 herzuleiten vermag. a) Das Obergericht ist der Auffassung, der Klägerin sei im Erbteilungsvertrag bloss die Stellung einer Erbenvertreterin eingeräumt worden. Es schliesst dies aus dem Umstand, dass für den Fall ihres Todes die Ernennung eines neuen Erbenvertreters vorgesehen wurde, und dem ihr in Ziff. 20 des Erbteilungsvertrags erteilten Auftrag mit Vollmacht, die BGE 121 III 118 S. 123 verbleibenden vertraglichen Ansprüche gegenüber der Beklagten wahrzunehmen. Könnte auf dieses Auslegungsergebnis abgestellt werden, was im folgenden zu prüfen ist, so wäre die Schlussfolgerung des Obergerichts, dass der Klägerin die Aktivlegitimation fehlt, nicht zu beanstanden. Der gewillkürte Erbenvertreter ist nicht befugt, in eigenem Namen zu handeln. Er kann vielmehr nur im Namen sämtlicher Erben handeln, deren materielle Rechtszuständigkeit durch das Vertretungsverhältnis nicht berührt wird. b) Das Obergericht legt den Erbteilungsvertrag ausgehend von dessen Wortlaut normativ aus und schliesst auf ein blosses Vertretungsverhältnis, welches der Klägerin keine Aktivlegitimation verschaffe. Die Klägerin beruft sich demgegenüber auf einen abweichenden tatsächlichen Parteiwillen und wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 8 ZGB , ein offensichtliches Versehen, eine bundesrechtswidrige Anwendung von Art. 18 OR und allenfalls eine unrichtige normative Vertragsauslegung vor. Im Ergebnis beansprucht sie eine - offenbar fiduziarische - Übertragung der hier streitigen Rechte von den Erben an sich auf Lebenszeit. aa) Der Inhalt eines Vertrags bestimmt sich in erster Linie durch subjektive Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen ( Art. 18 Abs. 1 OR ). Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Während das Bundesgericht die objektivierte Vertragsauslegung als Rechtsfrage prüfen kann, beruht die subjektive Vertragsauslegung auf Beweiswürdigung, die vorbehältlich der Ausnahmen von Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG der bundesgerichtlichen Überprüfung im Berufungsverfahren entzogen ist ( BGE 119 II 368 E. 4b S. 372 f., BGE 118 II 365 ff.). Der Vorrang der empirischen oder subjektiven vor der normativen oder objektivierten Vertragsauslegung, ergibt sich aus Art. 18 OR als Auslegungsregel. Die Verletzung dieses Grundsatzes kann deshalb mit der Berufung gerügt werden (vgl. KRAMER, Berner Kommentar, N. 76 zu Art. 18 OR ). Die Behauptungs- und Beweislast für Bestand und Inhalt eines vom normativen Auslegungsergebnis abweichenden subjektiven Vertragswillens trägt jene Partei, welche aus diesem Willen zu ihren Gunsten eine Rechtsfolge ableitet (JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 33 und 42 zu Art. 18 OR ). Die Klägerin BGE 121 III 118 S. 124 weist nach, sich in ihrer Replikschrift vor Obergericht darauf berufen zu haben, dass ihr die streitigen Rechte nach dem subjektiven Willen der Parteien des Erbteilungsvertrags zu eigenständiger Wahrnehmung übertragen worden seien. Das Obergericht setzt sich in seinem Urteil mit dieser Behauptung nicht auseinander. Es legt insbesondere nicht dar, weshalb es dazu keinen Beweis abgenommen hat. Dem Bundesgericht ist es indessen im Berufungsverfahren verwehrt zu prüfen, ob die übergangene Behauptung im kantonalen Verfahren prozesskonform vorgebracht und mit tauglichen Beweisanerbieten unterstützt wurde. Damit ist es ihm auch nicht möglich zu beurteilen, ob die bundesrechtliche Auslegungsregel von Art. 18 OR richtig angewendet worden ist. Sollten prozesskonforme Vorbringen vorgelegen haben, so hätte sich das Obergericht mit der Sachbehauptung der Klägerin auseinandersetzen müssen und sich nicht darauf beschränken dürfen, einfach auf die subsidiäre normative Vertragsauslegung abzustellen. bb) Daran ändert der Umstand nichts, dass der Erbteilungsvertrag gemäss Art. 634 Abs. 2 ZGB zur Gültigkeit der schriftlichen Form bedarf. Die in Art. 18 Abs. 1 OR verankerte Auslegung nach dem Willensprinzip gilt uneingeschränkt auch für formbedürftige Verträge. Auch bei ihnen ist der Wille der Parteien ohne Begrenzung durch den Vertragswortlaut zu erforschen und erst danach die Frage zu stellen, ob das Rechtsgeschäft den gesetzlichen Formvorschriften entspricht (KRAMER, Berner Kommentar, N. 59 zu Art. 18 OR ; JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 477 zu Art. 18 OR ). Die Form bestimmt nicht die Auslegung, sondern die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts. Eine Ungültigkeit ist erst dann gegeben, wenn der Geschäftswille nicht formgenüglich verurkundet ist und nicht bereits dann, wenn das subjektive Vertragsverständnis der Parteien nicht mit dem objektiven Wortsinn ihrer Erklärungen übereinstimmt. Auf dieser Grundlage aber ist im vorliegenden Fall ohne weiteres davon auszugehen, dass auch der von der Klägerin behauptete subjektive Wille der Vertragsparteien formgenüglich erklärt worden wäre. cc) Die Berufung ist demnach insoweit begründet, als darin geltend gemacht wird, das Obergericht hätte zum behaupteten tatsächlichen Parteiwillen Feststellungen treffen müssen. In dieser Hinsicht ist der rechtserhebliche Sachverhalt im Sinne von Art. 64 Abs. 1 OG ergänzungsbedürftig. Der angefochtene Entscheid ist deshalb aufzuheben und die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuweisen, die sich zum behaupteten tatsächlichen Parteiwillen zu äussern hat. BGE 121 III 118 S. 125 c) Für den Fall, dass die Klägerin ihre Behauptung hinsichtlich des subjektiven Parteiwillens nicht beweisen könnte, ist der Vollständigkeit halber bereits in diesem Verfahren festzuhalten, dass die normative Auslegung des Obergerichts, wonach sich aus den massgebenden Bestimmungen des Erbteilungsvertrags die Vereinbarung eines blossen Vertretungsverhältnisses ergebe, Bundesrecht nicht verletzt. Insoweit kann auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden.
null
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
96b6ddef-9860-49f4-9bec-bb8b9ac776ae
Urteilskopf 115 III 52 11. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 31. Mai 1989 i.S. H. (Rekurs)
Regeste Verwertung von Kunstgegenständen durch ein privates Auktionshaus. Die Verwertung ist grundsätzlich Aufgabe der Betreibungsbehörden. Die Gläubiger hätten allenfalls dann einen Anspruch auf Verwertung von Kunstgegenständen durch ein privates Auktionshaus, wenn die öffentliche Versteigerung aufgrund besonderer Umstände als völlig unangemessen erschiene (E. 3; Bestätigung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 52 BGE 115 III 52 S. 52 A.- Am 11. September sowie am 6. Oktober und 13. November 1987 vollzog das Betreibungsamt Kilchberg in der BGE 115 III 52 S. 53 Betreibung Nr. 7209 bei der Schuldnerin H. die Pfändung. Dabei wurden u. a. mehrere wertvolle Kunstgegenstände und Antiquitäten gepfändet, welche vom Betreibungsamt summarisch auf Fr. 180'000.-- geschätzt wurden. Im April und Juni 1988 wurden die gleichen Gegenstände in weiteren Betreibungen gepfändet. Nachdem mehrere Gläubiger die Verwertung verlangt hatten, erliess das Betreibungsamt am 6. Januar 1989 die Steigerungsanzeige. B.- H. erhob hiegegen Beschwerde. Sie beantragte, die Verwertung sei durch ein professionelles Auktionshaus vornehmen zu lassen. Zur Begründung führte sie an, bei Kunstobjekten von so hohem Wert lasse sich auf diesem Weg ein bedeutend höherer Preis erzielen. Das Bezirksgericht Horgen als untere kantonale Aufsichtsbehörde über die Betreibungs- und Konkursämter wies die Beschwerde am 3. Februar 1989 ab. H. rekurrierte an das Obergericht des Kantons Zürich als kantonale Aufsichtsbehörde. Dieses wies den Rekurs mit Beschluss vom 6. April 1989 ab. Damit fiel auch die im kantonalen Beschwerdeverfahren erteilte aufschiebende Wirkung dahin. C.- Gegen diesen Entscheid hat H. Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts erhoben. Sie stellt u.a. den Antrag, es sei ein professionelles Auktionshaus mit der Verwertung der Antiquitäten zu beauftragen. Ferner sei eine Vernehmlassung aller Gläubiger nachzuholen oder ein einvernehmlicher Beschluss in einer Gläubigerversammlung zu fassen, damit ein Vorgehen nach Art. 130 Ziff. 1 SchKG möglich werde. Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Zu prüfen bleibt, ob die kantonale Aufsichtsbehörde Bundesrecht verletzt habe, indem sie von einer privaten Steigerung abgesehen hat. a) Im Zusammenhang mit Konkursverfahren hat das Bundesgericht verschiedentlich die Frage aufgeworfen, ob es zulässig sei, Private mit der Verwertung von Aktiven zu beauftragen, obwohl diese Aufgabe grundsätzlich der Konkursverwaltung obliege. Während in BGE 103 III 45 betont worden ist, die Verwertung durch ein privates Auktionshaus dürfe jedenfalls nicht zu einer die Ansätze des Gebührentarifs übersteigenden Belastung der Masse BGE 115 III 52 S. 54 bzw. der Grundpfandgläubiger führen, hat das Bundesgericht in BGE 105 III 70 f. die Vorteile eines solchen Vorgehens hervorgestrichen. Es hat insbesondere darauf hingewiesen, die Verwertung einer Kunstsammlung verlange Sachkunde und Beziehung zu allfälligen Interessenten (Händlern, Kunstsammlern), wenn ein gutes Ergebnis erzielt werden solle. Beides würde einer Konkursverwaltung auch einer ausseramtlichen in der Regel abgehen. Sofern die Gläubiger einen entsprechenden Beschluss fassten, weil sie sich von der Verwertung durch einen privaten Auktionator ein insgesamt besseres Ergebnis versprächen, und wenn überdies das Recht der Gläubiger gewahrt werde, selber Kaufangebote zu machen, so erscheine ein solches Vorgehen jedenfalls nicht ohne weiteres als bundesrechtswidrig. Diesen Entscheiden kann nun aber nicht entnommen werden, dass die Gläubiger im Konkursverfahren oder wie hier in der Betreibung auf Pfändung Anspruch auf Verwertung durch ein privates Auktionshaus haben, sobald Kunstgegenstände in Frage stehen. Ein solcher Anspruch könnte allenfalls dann bejaht werden, wenn die öffentliche Versteigerung aufgrund besonderer Umstände als völlig unangemessen erschiene. Solche Umstände werden von der Rekurrentin jedoch nicht nachgewiesen. Gemäss den verbindlichen Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde steht vielmehr fest, dass die offenbar besonders wertvollen Bilder von Tiepolo und Piazzetta von der vorgesehenen Versteigerung nicht betroffen sind. Die übrigen Kunstgegenstände und Antiquitäten gehören überwiegend der einfachen bis mittleren Preisklasse an. Für diese Gegenstände hat die kantonale Aufsichtsbehörde unter Hinweis auf die Ausführungen der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde und des Betreibungsamtes für das Bundesgericht aber verbindlich festgestellt, dass gerade das betroffene Betreibungsamt in der Lage ist, für eine angemessene Versteigerung bei einem interessierten Publikum zu sorgen. Unter diesen Umständen genügt die Tatsache allein, dass die betroffenen Kunstgegenstände und Objekte insgesamt einen nicht unerheblichen Wert darstellen mögen, für sich allein nicht, um den Verzicht auf die Versteigerung durch ein privates Auktionshaus als völlig unangebracht erscheinen zu lassen. Dies würde dem Grundsatz, dass die Verwertung in erster Linie Aufgabe der Betreibungsbehörden ist, gerade zuwiderlaufen (Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 31. August 1988 i.S. Sh., nicht veröffentlichte E. 2b). BGE 115 III 52 S. 55 b) Unter diesen Umständen käme allenfalls ein Freihandverkauf in Frage, wenn die Voraussetzungen von Art. 130 Ziff. 1 SchKG erfüllt wären. Die vorrangige Pfändungsgläubigerin hat sich jedoch ausdrücklich gegen einen solchen Freihandverkauf ausgesprochen. Die Ausführungen der Vorinstanz, wonach diese Nichtzustimmung nicht rechtsmissbräuchlich sei, werden von der Rekurrentin nicht bestritten. Damit fehlt es an einer notwendigen Voraussetzung, um einen Freihandverkauf gestützt auf Art. 130 Ziff. 1 SchKG anzuordnen. Die Zustimmung aller Gläubiger, welche die Rekurrentin einholen lassen will, ist zum vornherein ausgeschlossen. Der allfällige Wunsch der nachrangigen Gläubiger vermag daran nichts zu ändern. Dem Begehren der Rekurrentin ist daher nicht stattzugeben.
null
nan
de
1,989
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
96c1d280-c60e-4abc-820a-607be5f57340
Urteilskopf 138 III 76 11. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. L. GmbH gegen M. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_532/2011 vom 31. Januar 2012
Regeste a Anfechtbarkeit eines Entscheids betreffend vorsorgliche Beweisführung vor Bundesgericht ( Art. 158 ZPO ; Art. 90 BGG ). Der in einem eigenständigen Verfahren ergangene Entscheid, mit dem ein Gesuch um vorsorgliche Beweisführung gemäss Art. 158 ZPO abgewiesen wurde, ist ein Endentscheid i.S. von Art. 90 BGG (E. 1.2). Regeste b Verhältnis des patentgesetzlichen Anspruchs auf genaue Beschreibung ( Art. 77 PatG ) zur vorsorglichen Beweisführung ( Art. 158 ZPO ); schutzwürdiges Interesse an einer vorsorglichen Beweisführung ( Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO ). Beim Anspruch auf eine genaue Beschreibung gemäss Art. 77 PatG handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch i.S. von Art. 158 Abs. 1 lit. a ZPO . Andere Beweismittel wie z.B. ein Augenschein können in einer patentrechtlichen Streitigkeit gestützt auf Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO vorsorglich abgenommen werden (E. 2.4.1); Begriff des schutzwürdigen Interesses an einer vorsorglichen Beweisführung gemäss Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO (E. 2.4.2).
Sachverhalt ab Seite 77 BGE 138 III 76 S. 77 A. Die L. GmbH (Gesuchstellerin und Beschwerdeführerin) ist Inhaberin des europäischen Patents EP v., das auch in der Schweiz eingetragen ist und ein Verfahren zum "Aufgeben einer Schlammmasse auf bewegtes Mischmaterial" zum Gegenstand hat. BGE 138 III 76 S. 78 Mit Eingabe vom 11. April 2011 stellte die Gesuchstellerin dem Handelsgericht des Kantons Aargau folgende Anträge: "1. Es sei gerichtlich (a) ein Augenschein der Anlage zur Schlammzuführung bei der Beschickung des Feuerraums in der Kehrichtverbrennungsanlage N. anzuordnen, und (b) die entsprechende Anlage im Rahmen dieses Augenscheins zu dokumentieren. 2. Über die Kosten dieser vorsorglichen Beweisführung sei mit der Hauptsache zu entscheiden." Zur Begründung führte die Gesuchstellerin im Wesentlichen aus, sie wolle mittels vorsorglicher Beweisführung gemäss Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO (SR 272) ihre Beweis- und Prozessaussichten für einen allfälligen Patentverletzungsprozess gegen die M. AG (Gesuchsgegnerin und Beschwerdegegnerin) abklären. Die Gesuchsgegnerin habe eine "mittelbare Patentverletzung" begangen, indem sie der Betreiberin der Kehrichtverbrennungsanlage N. im Rahmen der Erstellung der Anlage namentlich verschiedene Komponenten für die Schlammzuführung geliefert habe. Das patentgeschützte Verfahren werde in der Kehrichtverbrennungsanlage N. offensichtlich ohne Lizenz genutzt. Mit der betreffenden Lieferung habe die Gesuchsgegnerin der Betreiberin der Kehrichtverbrennungsanlage die Verletzung des Patents ermöglicht, was eine "mittelbare Patentverletzung" darstelle. Der anbegehrte Augenschein sei geeignet, ein Hauptverfahren zu vermeiden. Mit Entscheid vom 9. August 2011 wies das Handelsgericht des Kantons Aargau das Gesuch um vorsorgliche Beweisführung ab (Ziff. 1), auferlegte die Gerichtskosten in Höhe von Fr. 8'000.- der Gesuchstellerin (Ziff. 2) und verpflichtete diese, der Gesuchsgegnerin deren Parteikosten in richterlich festgesetzter Höhe von Fr. 4'650.70 zu ersetzen (Ziff. 3). B. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht unter anderem, es sei die Ziffer 1 des Entscheids des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 9. August 2011 aufzuheben und das Gesuch um vorsorgliche Beweisführung gutzuheissen. (Zusammenfassung) Erwägungen BGE 138 III 76 S. 79 Aus den Erwägungen: 1. (...) 1.2 Der angefochtene Entscheid betrifft ein Gesuch um vorsorgliche Beweisführung, auf das die Bestimmungen über die vorsorglichen Massnahmen Anwendung finden ( Art. 158 Abs. 2 ZPO ). Massnahmenentscheide gelten nur dann als Endentscheide im Sinne von Art. 90 BGG , wenn sie in einem eigenständigen Verfahren ergehen. Selbständig eröffnete Massnahmenentscheide, die vor oder während eines Hauptverfahrens erlassen werden und nur für die Dauer des Hauptverfahrens Bestand haben bzw. unter der Bedingung, dass ein Hauptverfahren eingeleitet wird, stellen Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 BGG dar ( BGE 134 I 83 E. 3.1 S. 86 f.). Der vorliegend angefochtene Entscheid ist in einem Gesuchsverfahren betreffend vorsorgliche Beweisführung ergangen, das von der Einleitung eines ordentlichen Hauptverfahrens unabhängig und damit eigenständig ist. Mit dem angefochtenen Entscheid wurde das Gesuch abgewiesen und damit das Gesuchsverfahren zum Abschluss gebracht. Es handelt sich folglich um einen Endentscheid i.S. von Art. 90 BGG (vgl. auch Urteil 5A_433/2007 vom 18. September 2007 E. 1, nicht publ. in: BGE 133 III 638 , betreffend eine vorsorgliche Beweisführung nach früherem Berner Zivilprozessrecht). Dagegen ist die Beschwerde in Zivilsachen zulässig. (...) 2. (...) 2.4 2.4.1 Art. 158 ZPO regelt die vorsorgliche Beweisführung. Nach Abs. 1 nimmt das Gericht jederzeit Beweis ab, wenn das Gesetz einen entsprechenden Anspruch gewährt (lit. a) oder die gesuchstellende Partei eine Gefährdung der Beweismittel oder ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft macht (lit. b). Nach Abs. 2 finden die Bestimmungen über die vorsorglichen Massnahmen Anwendung. Art. 77 PatG (SR 232.14) in der vom Inkrafttreten der ZPO am 1. Januar 2011 bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 20. März 2009 über das Bundespatentgericht (PatGG; SR 173.41) am 1. Januar 2012 geltenden Fassung besteht aus einem Absatz und sieht vor, dass eine Person, die um die Anordnung vorsorglicher Massnahmen ersucht, insbesondere verlangen kann, dass das Gericht eine genaue Beschreibung der angeblich widerrechtlich angewendeten Verfahren (lit. a Ziff. 1) oder der hergestellten Erzeugnisse und BGE 138 III 76 S. 80 der zur Herstellung dienenden Einrichtungen und Geräte (lit. a Ziff. 2) anordnet (AS 2010 1739). Diese Norm entspricht Abs. 1 lit. b der auf 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Fassung von Art. 77 PatG (AS 2010 513, 2011 2241). Gemäss Abs. 2 hat die Partei, die eine genaue Beschreibung beantragt, glaubhaft zu machen, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzt ist oder eine Verletzung zu befürchten ist. Beim Anspruch auf eine genaue Beschreibung gemäss Art. 77 PatG (in alter wie neuer Fassung) handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruch i.S. von Art. 158 Abs. 1 lit. a ZPO (WALTER FELLMANN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 9 zu Art. 158 ZPO ; PETER GUYAN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 2 zu Art. 158 ZPO ; Botschaft vom 7. Dezember 2007 zum Patentgerichtsgesetz, BBl 2007 455, 495). Unter den Voraussetzungen von Art. 77 PatG kann damit eine genaue Beschreibung von Verfahren, Erzeugnissen sowie zur Herstellung dienenden Hilfsmitteln gestützt auf Art. 158 Abs. 1 lit. a ZPO bereits vor einem allfälligen Hauptverfahren als vorsorgliche Beweismassnahme verlangt werden. Davon unabhängig ist die von der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall beantragte Durchführung eines Augenscheins i.S. von Art. 181 f. ZPO als vorsorgliche Beweismassnahme gemäss Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO . Dass den Parteien auch bei patentrechtlichen Streitigkeiten die Möglichkeit offensteht, die vorsorgliche Abnahme anderer Beweismittel als der genauen Beschreibung nach Art. 77 PatG , also z.B. die Einvernahme von Zeugen, die Edition von Konstruktionszeichnungen oder Wartungshandbüchern etc., gestützt auf Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO zu erwirken, wird in der Literatur als selbstverständlich erachtet (MARK SCHWEIZER, Vorsorgliche Beweisabnahme nach schweizerischer Zivilprozessordnung und Patentgesetz, ZZZ 2010 S. 16; ders. , Der Anspruch auf genaue Beschreibung gemäss Art. 77 PatG -Gedanken eines Mitglieds des Bundespatentgerichts, sic! 12/2010, S. 932; sodann FABIAN WIGGER, Der neue Immaterialgüterrechtsprozess, sic! 2/2011, S. 147 f. mit Hinweis auf Voten von Andri Hess-Blumer und Felix Addor). Es ist in der Tat kein Grund ersichtlich, weshalb das allgemeine zivilprozessuale Instrumentarium nicht auch im Bereich des Patentrechts zur Anwendung gelangen soll. Ein Augenschein gemäss Art. 181 f. ZPO kann auch in patentrechtlichen Streitigkeiten gestützt auf Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO als vorsorgliche Beweismassnahme angeordnet werden, BGE 138 III 76 S. 81 sofern die gesuchstellende Partei ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft macht. Der Begründung der Vorinstanz kann damit insoweit nicht gefolgt werden, als sie eine vorsorgliche Durchführung eines Augenscheins gestützt auf Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO nur dann als zulässig erachten will, wenn gleichzeitig die spezialgesetzlichen Voraussetzungen von Art. 77 PatG erfüllt sind. 2.4.2 Gemäss der Botschaft wird mit dem Begriff des schutzwürdigen Interesses in Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO auf die Möglichkeit Bezug genommen, eine vorsorgliche Beweisführung auch zur Abklärung der Beweis- und Prozessaussichten durchzuführen. Diese Möglichkeit soll dazu beitragen, aussichtslose Prozesse zu vermeiden (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7315). Mit der blossen Behauptung eines Bedürfnisses, Beweis- und Prozessaussichten abzuklären, ist ein schutzwürdiges Interesse an einer vorsorglichen Beweisführung jedoch noch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Eine vorsorgliche Beweisführung kann nur mit Blick auf einen konkreten materiellrechtlichen Anspruch verlangt werden, hängt doch das Interesse an einer Beweisabnahme vom Interesse an der Durchsetzung eines damit zu beweisenden Anspruchs ab. Die Gesuchstellerin, die sich auf Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO stützt, muss daher glaubhaft machen, dass ein Sachverhalt vorliegt, gestützt auf den ihr das materielle Recht einen Anspruch gegen die Gesuchsgegnerin gewährt, und zu dessen Beweis das abzunehmende Beweismittel dienen kann (SCHWEIZER, a.a.O., S. 7; ISAAK MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 311; HANS SCHMID, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Kurzkommentar, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 4 zu Art. 158 ZPO ; JOHANN ZÜRCHER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 15 zu Art. 158 ZPO ; LAURENT KILLIAS UND ANDERE, Gewährt Art. 158 ZPO eine "pre-trial discovery" nach US-amerikanischem Recht?, in: Innovatives Recht, Festschrift für Ivo Schwander, Lorandi/Staehelin [Hrsg.], 2011, S. 941; in diesem Sinne auch FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC], 2011, S. 760; a.M. aber wohl WALTER FELLMANN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 23 zu Art. 158 ZPO , der auch im Anwendungsbereich von Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO keine Glaubhaftmachung eines Hauptanspruches zu verlangen scheint). Lediglich für Tatsachen, die mit dem vorsorglich BGE 138 III 76 S. 82 abzunehmenden Beweismittel bewiesen werden sollen, kann keine eigentliche Glaubhaftmachung verlangt werden, denn sonst würde der Zweck von Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO , die vorprozessuale Abklärung von Beweisaussichten zu ermöglichen, vereitelt. Stellt das abzunehmende Beweismittel das einzige dar, mit dem die Gesuchstellerin ihren Anspruch beweisen kann, muss es genügen, dass sie das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen lediglich substanziiert behauptet (vgl. SCHWEIZER, a.a.O., S. 7 f.). 2.4.3 Die Vorinstanz hat Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO im Ergebnis nicht willkürlich angewendet, wenn sie von der Beschwerdeführerin zwar nicht die Glaubhaftmachung der mit dem beantragten Augenschein zu beweisenden patentverletzenden Handlung verlangt hat, sehr wohl aber der Voraussetzungen einer Teilnahmehandlung gemäss Art. 66 lit. d PatG , auf welche die Beschwerdeführerin ihren Anspruch aus "mittelbarer Patentverletzung" vornehmlich stützt. Dass die Vorinstanz auch Art. 66 lit. d PatG willkürlich ausgelegt hätte, macht die Beschwerdeführerin zu Recht nicht geltend. Die Rüge, die Vorinstanz habe in willkürlicher Weise den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Klärung der Beweis- und Prozessaussichten vereitelt, ist damit unbegründet.
null
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de
2,012
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CH_BGE_005
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Federation
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Urteilskopf 117 II 209 43. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Juli 1991 i.S. Ideal Job Personalberatung AG gegen Dementi Monatszeitung für die Region Basel und Mitbeteiligte (Berufung)
Regeste Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln beim Gegendarstellungsrecht ( Art. 28l Abs. 4 ZGB ). Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bezieht sich nur auf die Anordnung einer Gegendarstellung, nicht jedoch auf die im angefochtenen Entscheid getroffene Kostenregelung.
Sachverhalt ab Seite 209 BGE 117 II 209 S. 209 A.- Am 22. Mai 1990 erschien in der Dementi Monatszeitung für die Region Basel ein Artikel von Massimo Agostinis mit dem Titel "Vergessene Verträge". Der Beitrag setzt sich in kritischer Weise mit der Tätigkeit der Ideal Job Personalberatung AG auseinander, die im Bereich der Stellenvermittlung tätig ist. Mit Schreiben vom 13. Juli 1990 an die Zeitung "Dementi" beanstandete die Ideal Job Personalberatung AG den Inhalt des Artikels und verlangte am 23. Juli 1990 die Veröffentlichung einer Gegendarstellung. Die Redaktion der Zeitung erklärte sich zur Publikation eines kurzen Textes bereit, wies jedoch die ihr von der Ideal Job Personalberatung AG unterbreitete Fassung als zu weitgehend zurück. B.- Mit Klage vom 21. August 1990 beantragte die Ideal Job Personalberatung AG dem Zivilgerichtspräsidenten Basel- Stadt die Verurteilung der genannten Zeitung sowie von Massimo BGE 117 II 209 S. 210 Agostinis und Udo Theiss zum Abdruck einer von ihr verfassten Gegendarstellung. Zudem stellte sie das Begehren, den Beklagten die zukünftige Publikation ähnlicher Texte unter Strafandrohung zu verbieten. Mit Entscheid vom 6. September 1990 behaftete der Zivilgerichtspräsident die Zeitung sowie Massimo Agostinis und Udo Theiss bei ihrer Bereitschaft, eine von ihm entworfene Gegendarstellung zu publizieren, wies die weitergehenden Begehren ab und auferlegte die Kosten des Verfahrens der Klägerin. Eine gegen diesen Entscheid von der Ideal Job Personalberatung AG erhobene Beschwerde wurde vom Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 26. Oktober 1990 abgewiesen. C.- Die Klägerin ficht das appellationsgerichtliche Urteil mit Berufung beim Bundesgericht an. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. c) Die Klägerin hat ferner das Begehren gestellt, die Rechtskraft des angefochtenen Entscheides sei mit Bezug auf die Kosten aufzuschieben, bis über die Berufung entschieden sei. Es fragt sich, ob ein solches Begehren überhaupt zulässig sei. Gemäss Art. 54 Abs. 2 OG wird der Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Entscheides im Umfang der Anträge durch die Berufung gehemmt. Art. 28l Abs. 4 ZGB bildet zu diesem Grundsatz eine Ausnahme, indem er bestimmt, dass Rechtsmittel im Bereich des Gegendarstellungsrechts keine aufschiebende Wirkung haben. Die Lehre zieht daraus den Schluss, dass aufschiebende Wirkung auch nicht durch die Gerichte erteilt werden könne (TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, Zürich 1984, Rz. 1734). Ein entsprechendes Gesuch müsste somit als unzulässig angesehen werden. Es fragt sich indessen, ob sich die dargelegte Abweichung von den sonst für die Berufung geltenden Regeln nur auf die Anordnung der Gegendarstellung oder auch auf den Kostenpunkt des angefochtenen Entscheides bezieht. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung hat seinen Grund darin, dass eine Gegendarstellung nur einen Sinn hat, wenn sie rasch erfolgt. Würden Rechtsmittel die angeordnete Veröffentlichung hindern, bestünde die Gefahr, dass ein Medienunternehmen Verzögerungen herbeiführen könnte, die das Rechtsinstitut seines Sinnes beraubten (vgl. TERCIER, Rz. 1720 ff.). Dieser Zweck verlangt aber die sofortige Vollstreckbarkeit nur für die Gegendarstellung als solche, nicht auch für die Kosten. Die sofortige Vollstreckbarkeit BGE 117 II 209 S. 211 hätte hinsichtlich der Kosten vielmehr den Nachteil, dass das Medienunternehmen bereits bezahlte Kosten zurückfordern müsste, wenn sich sein Rechtsmittel als begründet erwiese. Die Anwendung von Art. 28l Abs. 4 ZGB auch auf den Kostenpunkt lässt sich daher nicht rechtfertigen (so auch Zürcher Obergericht, ZR 85/1986, Nr. 59; KARL MATTHIAS HOTZ, Kommentar zum Recht auf Gegendarstellung, Bern und Stuttgart 1987, S. 116). Die Klägerin hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils auch im Kostenpunkt beantragt. Die Rechtskraft des angefochtenen Urteils ist insoweit von Gesetzes wegen durch die Berufung gehemmt. Das Begehren um aufschiebende Wirkung mit Bezug auf die der Klägerin auferlegten Kosten erweist sich somit als gegenstandslos.
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Urteilskopf 141 IV 329 43. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen) 6B_1110/2014 vom 19. August 2015
Regeste Art. 110 Abs. 3 StGB ; Begriff des Beamten. Entscheidend für die Beamtenstellung ist, ob die übertragene Funktion amtlicher Natur ist, das heisst, ob sie zur Erfüllung einer dem Gemeinwesen zustehenden öffentlichrechtlichen Aufgabe übertragen wurde (E. 1.3). Die Versicherungskasse für das Staatspersonal (BVK) war eine unselbständige Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts im Kanton Zürich. Sie nahm als Versicherungskasse für die Angestellten des Kantons im Bereich der beruflichen Vorsorge eine öffentliche Aufgabe wahr. Der Chef der Vermögensverwaltung des Kantons Zürich respektive der Chef der Abteilung Vermögensverwaltung der BVK übte Funktionen im Dienst der Öffentlichkeit aus und ist deshalb Beamter im Sinne von Art. 110 Abs. 3 StGB (E. 1.4).
Sachverhalt ab Seite 330 BGE 141 IV 329 S. 330 A. X. war ab 1989 Sekretär bei der damaligen Finanzverwaltung des Kantons Zürich, Abteilung Vermögensverwaltung, welche unter anderem für die aktive Bewirtschaftung der Kapitalanlagen der BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich (Versicherungskasse für das Staatspersonal, BVK) verantwortlich war. Von 1995 bis 2003 war er Chef Vermögensverwaltung (direkt dem Vorsteher der Finanzdirektion unterstellt), ab 2004 Chef der Abteilung Asset Management (direkt dem Chef BVK unterstellt). Zudem war er Mitglied der Geschäftsleitung der BVK, die ab 2007 zugleich das Investment Committee bildete. X. werden als für die aktive Bewirtschaftung der Kapitalanlagen der BVK-Verantwortlicher in den Jahren 2001-2010 korrupte Machenschaften vorgeworfen. B. Das Bezirksgericht Zürich sprach X. am 26. November 2012 des mehrfachen Sich bestechen lassens, der mehrfachen ungetreuen Amtsführung, der mehrfachen Geldwäscherei und der Verletzung des BGE 141 IV 329 S. 331 Amtsgeheimnisses schuldig. Vom Vorwurf des Sich bestechen lassens in den Anklageziffern II., V./63. und VII. (Golfferien Mallorca) sprach es ihn frei. Das Bezirksgericht verurteilte X. zu einer Freiheitsstrafe von 6 1 / 4 Jahren und einer Busse von Fr. 6'000.-. Auf die Zivilklage des Kantons Zürich als Privatkläger trat es nicht ein. X. wurde zu einer Ersatzforderung von Fr. 500'000.-verurteilt. Gegen dieses Urteil reichten sowohl X. als auch der Kanton Zürich als Privatkläger Berufung ein. Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 22. August 2014 den erstinstanzlichen Schuldpunkt sowie den Freispruch vom Vorwurf des Sich bestechen lassens (Anklageziffer V./63.; die übrigen Freisprüche [Anklageziffern II. und VII.] blieben unangefochten). Es verurteilte X. zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 30.- bei einer Probezeit von zwei Jahren. Auf die Zivilklage des Kantons Zürich als Privatkläger trat es nicht ein. Die Ersatzforderung setzte es auf Fr. 200'000.- fest. C. X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt im Wesentlichen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, und die Sache sei zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil betreffend die Verurteilung wegen mehrfacher ungetreuer Amtsführung, subeventualiter im Strafpunkt aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.3 Gemäss Art. 110 Abs. 3 StGB fallen unter den Begriff des "Beamten" die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben. Dieser Gesetzeswortlaut legt die Vermutung nahe, dass die formelle Beamteneigenschaft unabhängig von der Natur der ausgeübten Aktivität gegeben ist, da die Notwendigkeit einer amtlichen Funktion allein im Zusammenhang mit dem funktionalen Beamten erwähnt wird (DANIEL JOSITSCH, Das Schweizerische Korruptionsstrafrecht: Art. 322 ter bis Art. 322 octies StGB , 2004, S. 313). Die bundesrätliche Botschaft geht ebenfalls von diesem weiten formellen Beamtenbegriff aus. Sie erwähnt als BGE 141 IV 329 S. 332 Anwendungsbeispiel die Angestellte einer staatlichen Liegenschaftsverwaltung. Diese unterscheide sich in ihrer Tätigkeit nicht vom Angestellten einer privaten Liegenschaftsverwaltung. Dennoch sei sie aufgrund ihrer institutionellen Einbindung in die staatliche Organisation als Beamtin zu qualifizieren (Botschaft vom 19. April 1999 über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [Revision des Korruptionsstrafrechts] sowie über den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen über die Bekämpfung derBestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, BBl 1999 5525 Ziff. 212.13). Demgegenüber ist nach der überwiegenden Lehre das Merkmal der Funktion im Dienst der Öffentlichkeit entscheidend (TRECHSEL/VEST, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 110 StGB ; NIKLAUS OBERHOLZER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 7 zu Art. 110 Abs. 3 StGB ; DONATSCH/WOHLERS, Delikte gegen die Allgemeinheit, 4. Aufl. 2011, S. 381; JEAN-MARC VERNIORY, in: Commentaire romand, Code pénal, Bd. I, 2009, N. 4 zu Art. 110 Abs. 3 StGB ; MARKUS HUG, in: StGB Kommentar, Schweizerisches Strafgesetzbuch [...], 19. Aufl. 2013, N. 4 zu Art. 110StGB; a.M. MARCO BALMELLI, Die Bestechungstatbestände des schweizerischen Strafgesetzbuches, 1996, S. 109 f.). DANIEL JOSITSCH stellt ebenfalls auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ab, relativiert dieses Kriterium aber gleichzeitig. Ein Beamter im formellen Sinne, der keine öffentlichen Aufgaben wahrnehme, sei in der Lage, das geschützte Rechtsgut der Korruptionsdelikte zu gefährden. Dies spreche für eine weite Auslegung des Beamtenbegriffs. Die mit dem Gemeinwesen verbundenen Personen würden unabhängig von der Rechtsnatur und vom Inhalt ihres konkreten Aufgabenbereichs vom Beamtenbegriff der Korruptionstatbestände erfasst (JOSITSCH, a.a.O., S. 313 f.). Entscheidend für die Beamtenstellung ist, ob die übertragene Funktion amtlicher Natur ist, das heisst ob sie zur Erfüllung einer dem Gemeinwesen zustehenden öffentlichrechtlichen Aufgabe übertragen wurde ( BGE 121 IV 216 E. 3a S. 220 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 123 IV 75 E. 1b S. 76). Das Bundesgericht hielt in BGE 135 IV 198 fest, dass der strafrechtliche Beamtenbegriff von Art. 110 Abs. 3 StGB sowohl institutionelle als auch funktionelle Beamte erfasst. Erstere sind die Beamten im öffentlichrechtlichen Sinne sowie Angestellte im öffentlichen Dienst. Bei Letzteren ist es nicht von Bedeutung, in welcher Rechtsform diese für das Gemeinwesen tätig BGE 141 IV 329 S. 333 sind. Das Verhältnis kann öffentlichrechtlich oder privatrechtlich sein. Entscheidend ist vielmehr die Funktion der Verrichtungen. Bestehen diese in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, so sind die Tätigkeiten amtlich und die sie verrichtenden Personen Beamte im Sinne des Strafrechts ( BGE 135 IV 198 E. 3.3 S. 201 mit Hinweisen). Der strafrechtliche Begriff des Beamten wird nicht obsolet, wenn der dienstrechtliche Beamtenstatus in den öffentlichen Verwaltungen abgeschafft wird (Botschaft, a.a.O., 5525 Ziff. 212.12). Der Begriff der Behörde ist weit zu fassen. Es fallen darunter alle Organisationen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, unabhängig davon, ob sie öffentlichrechtlich oder privatrechtlich organisiert sind (OBERHOLZER, a.a.O., N. 10 zu Art. 110 StGB ). 1.4 1.4.1 Die Vorinstanz bejaht die Beamteneigenschaft im Ergebnis zu Recht. Der Regierungsrat des Kantons Zürich ernannte den Beschwerdeführer am 26. April 1995 per 1. Mai 1995 zum Chef der Vermögensverwaltung des Kantons Zürich. Die Versicherungskasse für das Staatspersonal war eine im Register für berufliche Vorsorge eingetragene unselbständige Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts (§ 2 des Gesetzes vom 6. Juni 1993 über die Versicherungskasse für das Staatspersonal [LS 177.201, aufgehoben per 6. August 2014]). Damit stand der Beschwerdeführer zur kantonalen Beamtenversicherungskasse respektive zum Kanton Zürich in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis. Dem Vorsteher der kantonalen Finanzdirektion war er direkt unterstellt. Es bestand mithin eine institutionelle Einbindung. Nichts anderes gilt für die Zeit ab 1. Januar 2004, als die Vermögensverwaltung in die BVK integriert wurde und der Beschwerdeführer vom Zürcher Regierungsrat zum Chef der Abteilung Asset Management der BVK ernannt sowie dem Chef BVK (und nicht mehr direkt dem Finanzdirektor) unterstellt wurde. Der Beschwerdeführer bringt mehrmals vor, die BVK habe ab dem Jahre 2004 nicht weiter zur kantonalen Verwaltung gehört. Zudem habe es der Regierungsrat verpasst, die BVK zeitgerecht in eine privatrechtliche Stiftung zu überführen. Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden. In der deliktsrelevanten Zeit (2001-2010) war die BVK als unselbständige Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts eine Verwaltungseinheit des Kantons . Sie wurde von politischen Instanzen geführt und beaufsichtigt. Oberstes Organ war der Regierungsrat, der im Bereich Asset Management eine fünfjährige Strategie festlegte, und organisatorisch war sie der Finanzdirektion BGE 141 IV 329 S. 334 unterstellt (vgl. Anhang 2 der Verordnung vom 18. Juli 2007 über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung [VOG RR; LS 172.11]). Richtig ist, dass die BVK ab 1. Januar2004 ihre Vermögensanlage selbst verwaltete (die Integration der Immobilienverwaltung in die BVK erfolgte am 1. Januar 2007). Das ändert aber nichts daran, dass die BVK in der besagten Zeitspanne noch nicht verselbständigt war. Es kann deshalb entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers von Zufall keine Rede sein, dass er ab 1. Januar 2004 weiterhin vom Kanton angestellt war. Die Verselbständigung geschah erst nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers mit dem Übergang in die privatrechtliche Stiftung BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich. Das Gesetz vom 10. Februar 2003 über die Verselbstständigung der Versicherungskasse für das Staatspersonal (LS 177.201.1) trat am 1. Mai 2007 in Kraft. Seit 11. September 2013 ist die Stiftung im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen und seit 1. Januar 2014 ist die BVK als privatrechtliche Stiftung organisiert. Im Zeitpunkt des Wechsels zur privatrechtlichen Stiftung war die BVK nach wie vor eine unselbständige Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts (vgl. Art. 3 Abs. 2 der Stiftungsurkunde der Stiftung "BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich" vom 30. Mai 2007; LS 177.201.2). Ob die Versicherungskasse für das Staatspersonal, wie der Beschwerdeführer wiederholt geltend macht, bereits früher hätte verselbständigt werden müssen, ist hier nicht relevant (vgl. etwa § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Verselbstständigung der Versicherungskasse für das Staatspersonal, den Geschäftsbericht BVK 2013 zum Deckungsgrad in den Jahren 2004-2013 [S. 4], Art. 48 Abs. 2 BVG und Art. 44der Verordnung vom 10. und 22. Juni 2011 über die Anlagestiftungen [ASV; SR 831.403.2]). 1.4.2 Die BVK nahm im Bereich der beruflichen Vorsorge entgegen der Meinung des Beschwerdeführers eine öffentliche Aufgabe wahr. Das Bundesgericht bejahte in BGE 135 IV 198 die amtliche Tätigkeit eines Immobilien-Portfoliomanagers bei der SUVA. Gleiches gilt in Bezug auf den Beschwerdeführer. Dieser nahm durch die Verwaltung des Vermögens der BVK sowohl als Amtschef wie auch später als Hauptabteilungschef Funktionen im Dienst der Öffentlichkeit wahr. Im Bereich der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge besteht eine obligatorische Versicherung (BVG). Die Teilnahme von Vorsorgeeinrichtungen an der Durchführung der obligatorischen Versicherung wird in Art. 48 ff. BVG BGE 141 IV 329 S. 335 geregelt. Die Zürcher Beamtenversicherungskasse wurde vom Kanton geführt und war die Versicherungskasse für (unter anderem) die Angestellten des Kantons Zürich. Sämtliche kantonalen Angestellten waren grundsätzlich verpflichtet, der BVK beizutreten. Der Beschwerdeführer war deshalb nicht im freien Wettbewerb tätig. Die BVK hatte zum Ziel, die Versicherten und ihre Hinterbliebenen gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität und Tod zu versichern (vgl. §§ 1 und 3 des Gesetzes über die Versicherungskasse für das Staatspersonal). Laut ihren Geschäftsberichten stieg in der deliktsrelevanten Zeit die Anzahl der aktiven Versicherten und der Rentenbezüger stetig und betrug im Jahre 2010 rund 104'000 bei einer Bilanzsumme von rund 21 Mrd. Fr. Die Einnahmen der Versicherungskasse bestanden unter anderem aus den Beiträgen der (vom Kanton entlöhnten) Staatsangestellten und den Beiträgen des Kantons als Arbeitgeber (vgl. §§ 62 ff. der früheren Statuten der Versicherungskasse für das Staatspersonal vom 22. Mai 1996; LS 177.21). Bezweckte die Beamtenversicherungskasse als zweitgrösste öffentlichrechtliche Pensionskasse der Schweiz die obligatorische berufliche Vorsorge im Rahmen des BVG für das gesamte Personal des Kantons Zürich, übte sie öffentliche Aufgaben aus. Ihr oblag eine möglichst ertragsreiche Investition der Versicherungsgelder nach den regierungsrätlichen Strategien. Deshalb rechtfertigt sich der strafrechtliche Schutz des Vertrauens der Allgemeinheit in die Objektivität der Tätigkeit des Beschwerdeführers. In Bezug auf den Schutzbereich des Korruptionsstrafrechts gilt es auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer als Amts- respektive Hauptabteilungschef durch die enge institutionelle Einbindung in eine von politischen Organen geführte und beaufsichtigte kantonale Verwaltungseinheit eine von der Öffentlichkeit wahrgenommene und in diesem Sinne exponierte Position innehatte. Diese Tatsache bleibt vom Umstand unberührt, ob der Beschwerdeführer Vermögen der BVK oder Finanzvermögen des Kantons verwaltete. So oder anders wurden die Objektivität und die Sachlichkeit amtlicher Tätigkeit aufs Spiel gesetzt. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlungen - dass er sich etwa von verschiedenen Geschäftspartnern der BVK erhebliche geldwerte Vorteile zukommen liess - stehen im unmittelbaren Kontext mit der aktiven Bewirtschaftung der Kapitalanlagen der BVK und damit mit seiner beruflichen respektive amtlichen Tätigkeit. Indem die Vorinstanz den Beamtenbegriff im Sinne von Art. 110 Abs. 3 StGB bejaht, verletzt sie kein Bundesrecht.
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Urteilskopf 117 Ib 347 42. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 17 octobre 1991 dans la cause L. contre dame B. (recours de droit public)
Regeste Art. 17 Abs. 1 Ziff. 2 des Vertrags zwischen der Schweiz und Frankreich über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urteilen in Zivilsachen, vom 15. Juni 1869; ordentliche Vorladung. 1. Der Beklagte kann darauf verzichten, die Unrechtmässigkeit der Vorladung geltend zu machen, indem er sich vorbehaltlos auf die Sache einlässt. Doch wird der Mangel durch die Einlassung nur geheilt, wenn der Beklagte davon Kenntnis hatte (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2b/aa). 2. Da durch das Erfordernis der ordentlichen Vorladung der Anspruch auf rechtliches Gehör geschützt wird, bildet es für das schweizerische Verfahrensrecht Teil des Ordre public. Dieser ist verletzt durch ein Urteil, das gegen einen schweizerischen Beklagten ergangen ist, der innert der kurzen ihm zur Verfügung stehenden Zeit (im vorliegenden Fall ein einziger voller Tag) zwischen der Vorladung und der Gerichtsverhandlung nicht in der Lage gewesen ist, seine Rechte in Frankreich zu wahren (E. 2b/bb).
Sachverhalt ab Seite 348 BGE 117 Ib 347 S. 348 Le 13 février 1989, dame B. a ouvert action contre B. devant le Tribunal de commerce d'Aubenas (France) en paiement de 38'693.01 et 5'000 FF. Le défendeur a contesté la prétention, affirmant n'avoir été que le "porte-parole" de L., "lequel a été le seul bénéficiaire de la commande". La demanderesse a dès lors requis l'assignation de L., par acte remis le 1er juin 1989 au Procureur de la République auprès du Tribunal de Grande Instance de Privas. L'assignation à comparaître devant le Tribunal de commerce le 13 juin 1989 lui a été notifiée le 9 juin 1989. Statuant en contradictoire le 27 juin 1989, le Tribunal de commerce a mis hors de cause B. et condamné L. à payer 38'693.01 FF avec intérêts et mis à sa charge les frais et dépens. Ce jugement lui a été notifié le 27 octobre 1989. BGE 117 Ib 347 S. 349 Le 16 juillet 1990, dame B. a fait notifier à L. un commandement de payer la somme de 10'506 francs avec intérêts à 12% dès le 1er juin 1989, auquel le poursuivi a fait opposition. Par jugement du 29 janvier 1991, le Président du Tribunal du district d'Yverdon a rejeté la requête de mainlevée définitive, au motif que le débiteur n'avait pas été régulièrement assigné. Statuant le 21 mars 1991, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois a admis le recours de la poursuivante et prononcé la mainlevée définitive. Agissant par la voie du recours de droit public, L. requiert l'annulation de l'arrêt rendu le 21 mars 1991. Le Tribunal fédéral a admis le recours. Erwägungen Considérant en droit: 2. b) Selon l'art. 17 al. 1 ch. 2 de la Convention franco-suisse (RS 0.276.193.491), l'autorité saisie de la demande d'exécution peut refuser de l'ordonner si la décision a été rendue sans que les parties aient été dûment citées et légalement représentées, ou défaillantes. Le recourant et la cour cantonale s'accordent pour admettre que la citation était bien irrégulière, l'assignation n'ayant pas été délivrée quinze jours au moins avant la date de l'audience, comme le prescrit l'art. 856 du nouveau Code de procédure civile français (NCPC). Mais contrairement au recourant, l'autorité cantonale estime que ce dernier a couvert le vice en procédant sans réserve sur le fond, sans exciper de l'irrégularité de procédure. Qu'il s'agisse d'un jugement rendu en contradictoire ou par défaut, la convention exige la réalisation d'une condition préalable: la citation régulière des parties ( ATF 115 Ib 199 consid. 4a/aa, ATF 58 I 186 ). Cette condition n'est respectée que si la citation du défendeur satisfait aux exigences de forme et de fond posées par la lex fori et si elle lui est notifiée dans les formes requises par la législation du lieu de résidence et assez tôt pour lui permettre de défendre ses intérêts aux débats ( ATF 115 Ib 199 consid. 4a/aa, ATF 75 I 149 consid. 4a, ATF 58 I 186 , ATF 50 I 423 ). Comme l'irrégularité de la citation n'est pas douteuse en l'espèce, il s'agit d'examiner si ce vice a été couvert. aa) Selon la jurisprudence, le défendeur peut renoncer à exciper de l'irrégularité de la citation en procédant au fond sans faire de réserves ( ATF 75 I 154 consid. 5, ATF 58 I 187 ss). Ce principe, consacré BGE 117 Ib 347 S. 350 notamment par l' art. 27 al. 2 let. a LDIP , est du reste unanimement admis (cf. PETITPIERRRE, La reconnaissance et l'exécution des jugements civils étrangers en Suisse, Paris 1925, p. 189/190; PERRET, La reconnaissance et l'exécution des jugements étrangers à Genève, in SJ 105/1983, p. 264; PROBST, Die Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz nach den geltenden Staatsverträgen, thèse Berne 1936, p. 107/108 et 108/109; STAEHELIN, Die Staatsverträge über Zivilprozess und Zwangsvollstreckung nach der neueren Praxis des Bundesgerichts, in Festgabe Bundesgericht, Bâle 1975, p. 584). L'exigence d'une citation régulière vise en effet à sauvegarder les intérêts du défendeur, qui peut dès lors renoncer à cette protection (PROBST, op.cit., p. 108/109; STOJAN, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in Handelssachen, thèse Zurich 1986, p. 129). Mais cette renonciation suppose, logiquement, que le défendeur connaisse le vice en question; on ne saurait renoncer à une garantie à laquelle on ne sait avoir droit. La jurisprudence va dans ce sens: selon l' ATF 58 I 187 , il faut que la partie "ait été citée dûment ou, du moins, ait pu couvrir et ait couvert, le sachant et le voulant, le vice de procédure consistant dans l'absence de citation régulière. Tel sera notamment le cas lorsque, n'ayant pas été citée dûment et ayant connaissance de cette irrégularité...", elle procède au fond. L' ATF 75 I 154 consid. 5 part des mêmes prémisses. En l'espèce, rien dans le dossier ne permet d'affirmer que tel serait le cas et l'on ne saurait déduire une telle attitude du seul fait, pour le recourant, de s'être présenté devant le tribunal (contra LERESCHE, L'exécution des jugements civils étrangers en Suisse et des jugements civils suisses dans quelques Etats étrangers, Aarau 1927, p. 37). En effet, le seul jour ouvrable à sa disposition - le lundi 12 juin - ne lui permettait guère de se renseigner à temps sur la régularité d'une citation française. bb) La garantie d'une citation régulière a pour but d'assurer à chaque partie le droit de ne pas être condamnée sans avoir été mise en mesure de défendre ses intérêts ( ATF 115 Ib 201 , ATF 105 Ib 46 /47, ATF 102 Ia 311 let. a, ATF 97 I 254 consid. 3, ATF 58 I 187 ). L'art. 17 al. 1 ch. 2 de la convention ne fait dès lors que concrétiser un postulat de justice élémentaire (PILLET, Les conventions internationales relatives à la compétence judiciaire et à l'exécution des jugements, Paris 1913, p. 241): celui du droit d'être entendu ( ATF 38 I 547 , 36 I 711 consid. 2, 19 p. 731 consid. 2; CURTI, Der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend den Gerichtsstand BGE 117 Ib 347 S. 351 und die Urteilsvollziehung, thèse Zurich 1879, p. 159 let. b; PERRET, op.cit., p. 264; DARBELLAY, Le droit d'être entendu, in RDS 83/1964 II, p. 481). Aussi, la régularité de la citation fait-elle partie de l'ordre public formel ou procédural ( ATF 116 II 629 let. a; STOJAN, op.cit., p. 123; SCHNYDER, Das neue IPR-Gesetz, 2e éd., Zurich 1990, p. 40/41); l' art. 27 al. 2 let. b LDIP érige d'ailleurs ce postulat en motif distinct de refus de l'exequatur (cf. ATF 116 II 629 let. a). Or, selon la jurisprudence constante, un jugement étranger peut être incompatible avec l'ordre public suisse non seulement à cause de son contenu matériel, mais également en raison de la procédure dont il est issu ( ATF 116 II 629 let. a, ATF 111 Ia 14 consid. 2a, ATF 107 Ia 199 consid. 3, ATF 105 Ib 47 let. b, ATF 103 Ia 201 let. b, ATF 102 Ia 313 consid. 5 et les arrêts cités). Tel est à l'évidence le cas en l'espèce. Dans un arrêt du 16 mars 1960, le Tribunal fédéral a jugé le cas d'un plaideur, domicilié en Allemagne, dont l'assignation à comparaître devant le juge le 21 novembre 1959 avait été mise à la poste le 17 novembre 1959 et ne lui était parvenue que le matin même du jour fixé pour l'audience. Il a considéré que ce délai, déjà très bref pour une personne résidant en Suisse, était absolument insuffisant pour une partie habitant à l'étranger, qui était dès lors dans l'impossibilité de faire valoir ses arguments. Or, cette partie avait le droit de consulter un homme de loi, ce qui lui était impossible en un temps si bref. Enfin, on ne pouvait lui faire grief de ne pas avoir avisé le juge de sa situation et lui demander le renvoi de l'audience. Et le Tribunal fédéral de conclure: "Assignée si tard qu'elle n'a pas pu faire valoir ses moyens, la recourante a été privée du droit d'être entendue" ( ATF 86 I 3 ). Cette solution se justifie également dans le cas présent. L'assignation à comparaître à l'audience du mardi 13 juin 1989 est parvenue au recourant le vendredi 9 juin; le délai, qui comprenait un samedi et un dimanche, ne comptait donc qu'un seul jour utile plein. La procédure devant les Tribunaux de commerce est certes peu formaliste et orale (art. 871 al. 1 NCPC); lorsque l'affaire est simple, elle peut être jugée à la première audience déjà (VINCENT/GUINCHARD, Procédure civile, 21e éd., Paris 1987, p. 620/621 Nos 694 et 695). Il n'en demeure pas moins qu'un si bref délai d'assignation ne permettait pas au recourant de consulter avocat et de défendre pleinement ses intérêts - en particulier dans la procédure probatoire - devant un tribunal étranger appliquant la lex fori au fond du litige. Il faut en outre relever que l'action a BGE 117 Ib 347 S. 352 été ouverte contre B., non contre le recourant; avant sa citation à comparaître, ce dernier n'avait pas à s'attendre à être recherché (cf. ATF 115 Ib 201 ), bien qu'il n'apparaisse pas véritablement comme un tiers au procès. Dans ces conditions, le jugement du Tribunal de commerce d'Aubenas viole manifestement l'ordre public procédural suisse, le recourant n'ayant pas été en mesure de défendre ses intérêts. Partant, l'exequatur ne pouvait lui être accordé et c'est à tort que l'autorité cantonale a prononcé la mainlevée définitive de l'opposition.
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Urteilskopf 122 III 268 48. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. August 1996 i.S. Unteregger gegen Einwohnergemeinde Ostermundigen (Berufung)
Regeste Art. 324a Abs. 1 OR , Art. 81 Ziff. 2 MStG ; Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers aus Gründen, die in seiner Person liegen. Die Leistung eines Arbeitsdienstes wegen Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen gemäss Art. 81 Ziff. 2 MStG stellt eine unverschuldete Arbeitsverhinderung im Sinne von Art. 324a Abs. 1 OR dar (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 268 BGE 122 III 268 S. 268 A.- Mit Vertrag vom 8. Mai 1990 stellte die Einwohnergemeinde A. (nachstehend: Gemeinde) X. per 21. Mai 1990 als Asylkoordinator an. Die BGE 122 III 268 S. 269 Parteien vereinbarten, dass die Anstellung nach Obligationenrecht erfolge, wobei die Lohnhöhe sich nach der kantonalen Regelung richte. Im Jahre 1991 verweigerte X., der bis dahin sechs Wiederholungskurse geleistet hatte, aus ethischen Gründen den weiteren ihm obliegenden Militärdienst. Er wurde deshalb am 8. Mai 1992 vom Divisionsgericht III gemäss Art. 81 Ziff. 2 des Militärstrafgesetzes (MStG; SR 321.0) der Dienstverweigerung schuldig gesprochen und zur Leistung eines viermonatigen Arbeitsdienstes verurteilt. Dieser wurde von X. in der Zeit vom 1. Februar bis zum 31. März 1993 und vom 3. Mai bis zum 26. Juni 1993 bei der Gefangenenhilfsorganisation "Amnesty International" in Bern geleistet. Mit Schreiben vom 24. Februar 1993 teilte die Gemeinde X. mit, die Abwesenheit aufgrund des Arbeitsdienstes werde wie unbezahlter Urlaub bzw. Strafdienst behandelt, d.h. die Besoldung werde für die Dauer der Abwesenheit eingestellt, wobei die Prämien für die Sozialleistungen voll zu seinen Lasten gingen und sein Ferienanspruch entsprechend gekürzt werde. X. protestierte mit Schreiben vom 19. April 1993 gegen dieses Vorgehen und verlangte die Lohnfortzahlung wie bei einer Militärdienstleistung. Die Gemeinde lehnte dieses Begehren am 26. Mai 1993 ab. B.- Am 9. Februar 1994 klagte X. beim Appellationshof des Kantons Bern gegen die Gemeinde auf Bezahlung von Fr. 17'273.90 nebst Zins zu 5% seit dem 1. Dezember 1993. Mit Urteil vom 27. Oktober 1994 verpflichtete der Appellationshof die Beklagte, dem Kläger Fr. 4'608.90 als Bruttolohn nebst Zins zu 5% seit dem 1. Dezember 1993 auf dem Nettolohnbetrag sowie Fr. 1'070.60 nebst Zins zu 5% seit dem 1. Dezember 1993 zu bezahlen. C.- Der Kläger hat eidgenössische Berufung erhoben und beantragt, das Urteil des Appellationshofes sei dahingehend abzuändern, dass die Beklagte zu verurteilen sei, ihm Fr. 14'250.-- als Bruttolohn nebst Zins zu 5% seit dem 1. Dezember 1993 auf dem Nettolohnbetrag zuzüglich Fr. 2'019.35 nebst Zins zu 5% seit dem 1. Dezember 1993 zu bezahlen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung und erhebt Anschlussberufung mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung sei abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Anschlussberufung ab und heisst die Berufung teilweise gut, soweit es auf die Rechtsmittel eintritt. BGE 122 III 268 S. 270 Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Vorinstanz qualifizierte den Arbeitsdienst des Klägers als unverschuldete Arbeitsverhinderung im Sinne von Art. 324a Abs. 1 OR . Der Arbeitsdienst sei auf die Ausübung des verfassungsmässigen Rechts der Gewissensfreiheit bezüglich des Militärdienstes zurückzuführen, welche mit der Übergangsregelung in Art. 81 Ziff. 2 MStG und der Änderung von Art. 18 BV anerkannt worden sei. Die Beklagte treffe daher während des Arbeitsdienstes eine Lohnfortzahlungspflicht, deren Dauer unter den gegebenen Umständen gemäss Art. 324a Abs. 2 OR auf insgesamt zwei Monate festzusetzen sei. Die Beklagte macht mit Anschlussberufung geltend, bei der vom Kläger erbrachten Arbeitsleistung handle es sich um eine selbstverschuldete Arbeitsverhinderung, die keine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach sich ziehe. Sie begründet dies insbesondere damit, dass die Vorinstanz mit der Berücksichtigung des am 17. Mai 1992 revidierten Art. 18 Abs. 1 BV von einer bundesrechtswidrigen Vorwirkung dieser Bestimmung ausgegangen sei, da sowohl die Dienstverweigerung als auch die entsprechende Verurteilung des Klägers vor dieser Revision erfolgt seien. a) aa) Gemäss Art. 324a Abs. 1 OR hat der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der aus Gründen, die in seiner Person liegen, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist, für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen wurde. Diese Regelung hat den sozialen Zweck, die grundsätzlich vom Arbeitnehmer zu tragende Gefahr seiner Arbeitsverhinderung teilweise auf den Arbeitgeber zu überwälzen (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 2 zu Art. 324a OR ; REHBINDER, Berner Kommentar, N. 1 zu Art. 324a OR ; STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 5. Aufl., N. 5 zu Art. 324a/b OR). Als Verhinderungsgründe nennt das Gesetz insbesondere Krankheit, Unfall, die Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder die Ausübung eines öffentlichen Amtes. Bei der Beurteilung der Frage, ob die freiwillige Übernahme gesetzlicher Pflichten ein Verschulden im Sinne von Art. 324a Abs. 1 OR darstellt, sind gemäss der sozialen Zielsetzung dieser Bestimmung sowohl das Interesse des Arbeitnehmers an der Ausübung seiner verfassungsmässigen Rechte (vgl. Art. 336 Abs. 1 lit. b OR ) als auch das öffentliche Interesse an der Erfüllung gesetzlicher Pflichten zu berücksichtigen (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 28 zu Art. 324a OR ). Ein BGE 122 III 268 S. 271 Verschulden des Arbeitnehmers ist daher dann zu verneinen, wenn diese Interessen gegenüber denjenigen des Arbeitgebers an der Arbeitsleistung überwiegen. So gilt zum Beispiel die Verpflichtung zur Erbringung des militärischen Frauendienstes in Anbetracht der öffentlichen Interessen als unverschuldet, obwohl die Anmeldung dazu freiwillig erfolgt (BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., N. 5 zu Art. 324a OR ; REHBINDER, Berner Kommentar, N. 8 zu Art. 324a OR ; REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 12. Aufl., S. 79; REHBINDER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, N. 1 zu Art. 324a OR ; KUHN/KOLLER, Aktuelles Arbeitsrecht für die betriebliche Praxis, 9/3.3, S. 2; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 17 zu Art. 324a/b OR; VISCHER, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1,III, S. 128; vgl. auch Art. 336 Abs. 1 lit. e und Art. 336c Abs. 1 lit. a OR ). Die gleichen Grundsätze gelten auch bezüglich der freiwilligen Übernahme von Unfallrisiken. Es kann daher von einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung seiner persönlichen Freiheit in der Regel nicht verlangt werden, von der Ausübung aller riskanten Sportarten wie Skifahren, Bergsteigen, Tauchen, Reiten etc. abzusehen (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 24 zu Art. 324a OR ; REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 12. Aufl., S. 80; REHBINDER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, N. 3 zu Art. 324a OR ; KUHN/KOLLER, a.a.O., 9/5.1, S. 2; VISCHER, a.a.O., S. 129). bb) Mit der Revision des Militärstrafgesetzes vom 5. Oktober 1990 (sog. Barras-Reform) wurde zur Entkriminalisierung des Strafvollzugs für Dienstverweigerer aus Gewissensgründen in Art. 81 Ziff. 2 MStG anstatt einer Freiheitsstrafe ein Arbeitsdienst vorgesehen. Dieser beträgt in der Regel das Anderthalbfache des verweigerten Militärdienstes ( Art. 81 Ziff. 2 Abs. 2 MStG ). Er hat zwar pönalen Charakter, wird aber, um dem Erfordernis der Entkriminalisierung zu entsprechen, nicht ins Zentralstrafregister eingetragen ( Art. 226 MStG ; Botschaft über die Änderung des Militärstrafgesetzes und des Bundesgesetzes über die Militärorganisation vom 27. Mai 1987, BBl 1987 II 1311 ff., S. 1317; a.M. POPP, Kommentar zum Militärstrafgesetz, Besonderer Teil, N. 36 zu Art. 81 MStG , welcher den pönalen Charakter des Arbeitsdienstes verneint). Nachdem in der Volksabstimmung vom 17. Mai 1992 eine Änderung von Art. 18 Abs. 1 BV angenommen wurde, welche die Einführung eines zivilen Ersatzdienstes vorsah, erliess der Bundesrat gestützt auf Art. 81 Ziff. 2 Abs. 5 MStG am 1. Juli 1992 eine Verordnung über die Arbeitsleistung BGE 122 III 268 S. 272 infolge Militärdienstverweigerung (VAL; SR 824.1). In Art. 24 VAL wird die Arbeitsleistung bezüglich des Kündigungsschutzes gemäss Art. 336 OR dem obligatorischen Militärdienst gleichgestellt. Die VAL äussert sich aber nicht zur Frage, ob der Arbeitsdienst auch bezüglich der Lohnfortzahlung gemäss Art. 324a OR dem Militärdienst gleichzustellen sei. In der Interpellation Vollmer vom 23. September 1993 wurde der Bundesrat daher angefragt, ob er bereit sei, die VAL entsprechend zu ergänzen (Amtl.Bull., Nationalrat, 1993, S. 2549). In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 10. November 1993 ging der Bundesrat davon aus, es bestehe diesbezüglich kein unmittelbarer Handlungsbedarf, weil seiner Ansicht nach der Arbeitsdienst eine unverschuldete Arbeitsverhinderung im Sinne von Art. 324a OR darstelle, beruhe doch die Militärdienstverweigerung und damit der Grund der Arbeitsverhinderung auf einer Gewissensnot der arbeitspflichtigen Person (Amtl.Bull., Nationalrat, 1993, S. 2550; vgl. auch die Botschaft zum Bundesgesetz über den zivilen Ersatzdienst vom 22. Juni 1994, BBl 1994 III 1609 ff., S. 1711). Auch das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit qualifiziert die Arbeitsleistung gemäss Art. 81 Ziff. 2 MStG als unverschuldete Arbeitsverhinderung (BIGA, Erläuterungen zur Verordnung über die Arbeitsleistung infolge Militärdienstverweigerung und zur Verordnung des EVD über den Vollzug der Arbeitsleistung infolge Militärdienstverweigerung, S. 46). Diese Qualifikation ist zutreffend. Zumindest seit der Verfassungsreform vom 17. Mai 1992 kann einem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit trotz eines Schuldspruchs gemäss Art. 81 Ziff. 2 MStG nicht mehr als Verschulden im Sinne von Art. 324a Abs. 1 OR angelastet werden, dass er den Militärdienst aus Gewissensgründen verweigerte und daher einen längeren Arbeitsdienst leisten muss. Die gesetzliche Pflicht zur Erfüllung des Arbeitsdienstes gilt daher als unverschuldet, obwohl sie insoweit "freiwillig" übernommen wurde, als sie durch die Leistung des kürzeren Militärdienstes hätte vermieden werden können. b) Die Vorinstanz ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht von einer Vorwirkung der Verfassungsrevision vom 17. Mai 1992 ausgegangen, zumal die zu beurteilende Arbeitsverhinderung danach eingetreten ist. Die Vorinstanz hat demnach kein Bundesrecht verletzt, indem sie den Arbeitsdienst des Klägers gemäss Art. 324a 1 OR als unverschuldete Arbeitsverhinderung qualifizierte.
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Urteilskopf 81 IV 178 40. Urteil des Kassationshofes vom 17. Juni 1955 i. S. Bruhin gegen Polizeiriehteramt der Stadt Zürich.
Regeste Art. 49 Abs. 1, 61 Abs. 6 MFV. Sinn der Verbote, anderswo als am Strassenrande anzuhalten und das Motorfahrzeug näher als 1 m an das Strassenbahngeleise heran zu stellen.
Sachverhalt ab Seite 178 BGE 81 IV 178 S. 178 A.- Alois Bruhin stellte am Nachmittag des 7. Juli 1954 am Limmatquai in Zürich bei der Einmündung der Schoffelgasse einen Lieferungswagen neben einem am Rande der Fahrbahn stehenden Motorrad so auf, dass er vom Fussgängersteig mindestens 1 m und von der nächsten Schiene des Tramgeleises nur 80 cm entfernt war. Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich verurteilte ihn daher am 18. März 1955 wegen Übertretung der Art. 49 und 61 Abs. 6 MFV zu einer Busse von Fr. 7.-. B.- Bruhin führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen. Er macht geltend, er habe den Wagen nur für wenige Augenblicke am beanstandeten Orte parkiert. Er habe ein etliche Kilogramm schweres Paket in die Schoffelgasse liefern müssen. Der Wagen und das Motorrad zusammen hätten nicht mehr Platz beansprucht als ein grosser Gesellschaftswagen, wenn ein solcher neben dem Fussgängersteig aufgestellt worden wäre. Der Betrieb der Strassenbahn sei durch den Lieferungswagen in keiner Weise gehemmt oder gefährdet worden. Würden die Behörden hier nur das Anhalten zum Güterumschlag gestatten, so würde denen, die dort zu tun hätten, nicht stundenlang der Platz durch andere Wagen versperrt. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wie er seine Aufgabe sollte erfüllen können, wenn er bei jedem Halt zuerst in der nähern oder weiteren Umgebung einen Parkplatz suchen müsste, um dann die schweren BGE 81 IV 178 S. 179 Pakete in die Geschäfte zu tragen. Art. 49 Abs. 1 MFV verlange nicht, dass die Räder den Randstein berühren müssten. Wenn er aus irgend einem anderen Grunde als wegen des Motorrades nicht unmittelbar am Rande hätte anhalten können, z.B. weil dort Steine gelegen hätten, so hätte ihm auch kein Vorwurf gemacht werden können. Auch Art. 61 Abs. 6 MFV habe er nicht übertreten. Der vorgeschriebene Abstand von mindestens 1 m vom Tramgeleise sei nur ein ungefähres Mass. Auf einem grossen Teil der Seefeldstrasse in Zürich sei es gar nicht möglich, die Wagen mindestens 1 m vom Geleise entfernt aufzustellen, so wenig wie am Limmatquai. Trotzdem müsse der Beschwerdeführer an solchen Orten fast täglich parkieren. Art. 61 Abs. 6 MFV bezwecke, den ungehinderten Verkehr der Strassenbahn sicherzustellen. Der Kastenwagen des Beschwerdeführers habe ihn in keiner Weise behindert. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV bestimmt, dass Motorfahrzeuge nur am Strassenrand anhalten dürfen. Ausnahmen sind nur auf behördlich angewiesenem Parkplatz zulässig. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 MFV , wonach Motorfahrzeuge so aufzustellen sind, dass sie den Verkehr nicht stören können, schränkt das Verbot nicht ein, sondern ergänzt es. Der Führer darf daher zwischen dem haltenden Fahrzeug und dem Strassenrand nicht mehr als den üblicherweise geduldeten Raum von 1-2 Dezimetern freilassen mit der Begründung, der Verkehr könne dadurch nicht gestört werden. Jedes Motorfahrzeug, das vom Strassenrand weiter absteht, kann den Verkehr stören, so wie ihn der Bundesrat durch Erlass des Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV hat sicherstellen wollen. Von dieser Bestimmung darf auch dann nicht abgewichen werden, wenn der Führer das Fahrzeug nur für kurze Zeit verlässt oder wenn er Waren auszuladen hat und es ihm schwer fällt, in der Nähe einen Halteplatz zu finden. Die Sicherheit des Verkehrs geht der Bequemlichkeit und anderen Interessen des Einzelnen vor. BGE 81 IV 178 S. 180 Es kommt auch nichts darauf an, dass breitere Fahrzeuge unter Umständen gleichviel Raum einnehmen wie ein in unzulässiger Entfernung vom Strassenrand aufgestelltes schmäleres Fahrzeug. Jeder hat so zu parkieren, dass sein Fahrzeug gegen die Mitte der Fahrbahn hin einen möglichst breiten Raum für den Verkehr freilässt. Ein Vorrecht für die Führer breiter Wagen entsteht dadurch nicht. Übrigens können sie unter Umständen wegen des Gebots des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 MFV ein Fahrzeug an einer Stelle nicht parkieren, wo das Aufstellen eines schmäleren Fahrzeuges noch zulässig ist. Der Beschwerdeführer geht sodann fehl, wenn er glaubt, er hätte an der beanstandeten Stelle auch anhalten dürfen, wenn statt eines Motorrades ein anderes Hindernis ihm das Heranfahren an den Strassenrand verunmöglicht hätte. Ebensowenig hilft sein Standpunkt, das Anhalten sollte am Limmatquai und anderswo nur zum Güterumschlag gestattet werden. Ein Recht, von Art. 49 Abs. 1 Satz 1 MFV abzuweichen, gab ihm diese Auffassung nicht. 2. Art. 61 Abs. 6 MFV bestimmt: "Werden Motorfahrzeuge neben dem Strassenbahngeleise aufgestellt, so ist von der nächsten Schiene aus gemessen ein Raum von mindestens 1 m freizulassen." Das Wort "mindestens" hat nicht den Sinn von "ungefähr", so dass je nach Umständen ein Zwischenraum von 80 cm genügen würde. Die Verordnung will dem Führer der Strassenbahn die Sicherheit geben, dass unter keinen Umständen ein Motorfahrzeug näher als ein Meter an die Schiene heranreiche. Jeder Spielraum nach unten würde den Strassenbahnführer nötigen, die Fahrt seines Zuges zu verlangsamen, um abzutasten, ob dieser das Motorfahrzeug nicht berühre. Zudem kann der Motorfahrzeugführer nicht genau wissen, wie weit die Strassenbahn über die Schienen hinausreicht. Den Zwischenraum in sein Ermessen zu stellen, hiesse die Gefahr von Zusammenstössen schaffen. Es mag richtig sein, dass an gewissen Stellen das Anhalten mit Zwischenräumen von unter einem Meter möglich wäre, wo es durch BGE 81 IV 178 S. 181 die Bestimmung des Art. 61 Abs. 6 MFV verunmöglicht wird. Das berechtigte jedoch den Beschwerdeführer nicht, sich über die Verordnung hinwegzusetzen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
null
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Urteilskopf 96 I 162 29. Urteil vom 20. April 1970 i.S. Otto Krahn AG gegen Eidg. Steuerverwaltung
Regeste Verrechnungssteuer; Wiederherstellung der Einsprachefrist. Die Einspracheentscheide der Eidg. Steuerverwaltung unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 2). Die - im Verrechnungssteuergesetz nicht vorgesehene - Wiederherstellung der versäumten Einsprachefrist ist auch in Fällen zulässig, in denen Art. 24 des BG über das Verwaltungsverfahren noch nicht anwendbar ist (Erw. 3). War der Vertreter des Säumigen durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten, innert der Frist zu handeln? (Erw. 3).
Erwägungen ab Seite 163 BGE 96 I 162 S. 163 1. Mit Entscheid vom 4. September 1969, zugestellt am 5. September 1969, forderte die Eidg. Steuerverwaltung (EStV) von der Beschwerdeführerin einen Verrechnungssteuerbetrag von Fr. 233'696.25. Die Beschwerdeführerin liess durch eine Treuhandgesellschaft Einsprache einreichen. Diese ist vom 3. Oktober 1969 datiert, wurde aber erst am 7. Oktober 1969 der Post übergeben. Sie war daher verspätet; denn der letzte Tag der 30tägigen Einsprachefrist (Art. 42 Verrechnungssteuergesetz, VStG) fiel auf den 6. Oktober 1969. Die Treuhandgesellschaft verlangte in einer Eingabe vom 17. Oktober 1969 die Wiederherstellung der Frist. Die EStV trat jedoch auf die Einsprache nicht ein (Entscheid vom 11. November 1969). Hiegegen richtet sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 9. Dezember 1969. Die EStV beantragt deren Abweisung. 2. Art. 43 VStG bestimmt, dass die Einspracheentscheide der EStV durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden können. Das - im vorliegenden Fall anwendbare - BG vom 20. Dezember 1968 über die Änderung des OG enthält keine entgegenstehende Vorschrift. Die in Art. 98 lit. c rev. OG vorbehaltene Möglichkeit der Weiterziehung von Einspracheentscheiden der den Departementen des Bundesrates unterstellten Dienstabteilungen an eine eidgenössische Rekurskommission besteht hier nicht, wie sich aus Art. 43 VStG ergibt. Die vorliegende Beschwerde ist daher zulässig. Sie ist rechtzeitig eingereicht worden. Es ist darauf einzutreten. 3. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass ihre Einsprache zu spät der Post übergeben wurde. Dagegen meint sie, BGE 96 I 162 S. 164 auf Grund besonderer Verumständungen müsse ihr die Wiederherstellung gegen die Folgen der Fristversäumnis gewährt werden. Das VStG enthält keine Vorschriften über die Wiederherstellung versäumter Fristen für die Einlegung von Rechtsmitteln. Das BG über das Verwaltungsverfahren (VwG) lässt die Wiederherstellung zu (Art. 24), und zwar auch für das Steuerverfahren (Umkehrschluss aus Art. 2 Abs. 1); doch ist dieses Gesetz hier nicht anwendbar, da die mit der Einsprache angefochtene Verfügung der EStV vor seinem Inkrafttreten - 1. Oktober 1969 - getroffen wurde (Art. 81). Indes muss die Wiederherstellung versäumter Rechtsmittelfristen nach einem allgemeinen Grundsatz auch in Fällen zulässig sein, für die das Gesetz sie nicht ausdrücklich vorsieht. Die EStV stützt sich auf Art. 35 OG . Es rechtfertigt sich, diese Bestimmung oder auch Art. 24 VwG analog anzuwenden. Beiderorts (wie übrigens auch in anderen Erlassen, vgl. Art. 99 Abs. 4 Wehrsteuerbeschluss und Art. 13 BZP ) ist der Grundgedanke derselbe: Wiederherstellung soll gewährt werden, wenn der Säumige oder sein Vertreter unverschuldet abgehalten war, innert der Frist zu handeln, und wenn das Versäumte binnen einer weiteren Frist nachgeholt worden ist. Es ist daher zu prüfen, ob die Vertreterin der Beschwerdeführerin unverschuldet daran gehindert gewesen sei, die Einsprache spätestens am 6. Oktober 1969 der Post zu übergeben. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die von der Vertreterin beschäftigte Lehrtochter sei am 3. Oktober 1969 (Freitag) eindringlich angewiesen worden, die Einsprache noch am gleichen Tage der Post zu übergeben; die Weisung sei "aus einem nicht mehr rekonstruierbaren Grund" nicht befolgt worden; der Fehler sei jedoch "ausserhalb des Hauses und ausserhalb des Einflusskreises" der Treuhandgesellschaft unterlaufen. Für diese Darstellung wird Beweis durch mehrere Zeugen angeboten. Indes erübrigt es sich, die Geschehnisse am 3. Oktober 1969 näher abzuklären. Denn der letzte Tag der Einsprachefrist war nicht der 3., sondern der 6. Oktober 1969 (Montag). An diesem Tag hätte aber überprüft werden können, ob die Sendung tatsächlich abgegangen sei; ein Blick in das Postquittungsbuch hätte genügt. Zu dieser einfachen Kontrolle war die Treuhandgesellschaft - namentlich gegenüber der minderjährigen Lehrtochter - verpflichtet. Hätte sie die erforderliche Prüfung rechtzeitig BGE 96 I 162 S. 165 vorgenommen, so hätte die unterlassene Postaufgabe noch vor Ablauf der Einsprachefrist nachgeholt werden können. Da die Vertreterin der Beschwerdeführerin ihre Aufsichtspflicht nicht erfüllt hat, kann von einer unverschuldeten Hinderung, innert der Frist zu handeln, keine Rede sein. Die EStV hat mit Recht die Wiederherstellung der Frist abgelehnt. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Urteilskopf 93 I 427 54. Urteil vom 4. Oktober 1967 i.S. Gemeinde Zuchwil gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn.
Regeste Gemeindeautonomie; Art. 54 solothurn. KV und 4 BV. Wann liegt Gemeindeautonomie vor und wann betrachtet das Bundesgericht sie als verletzt? Eine Verletzung ist auch dann anzunehmen, wenn die kantonale Instanz eine ihr zustehende Rechtskontrolle willkürlich ausgeübt hat (Erw. 3c a.E.) (Ergänzung der Rechtsprechung). Die analoge Anwendung von § 30 des solothurnischen Normalbaureglements auf spezielle Bebauungspläne und die damit verbundene Zweckmässigkeitsprüfung verletzt die Gemeindeautonomie nicht (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 428 BGE 93 I 427 S. 428 A.- Nach § 1 des solothurnischen Gesetzes über das Bauwesen (BauG) vom 10. Juni 1906, letztmals abgeändert am 24. Mai 1964, sind die Einwohnergemeinden befugt, im Interesse ihrer baulichen Entwicklung das Bauplanverfahren einzuführen. Dieses besteht darin, Baureglemente oder Bebauungspläne aufzustellen, welche beide der Genehmigung des Regierungsrates unterliegen und erst dadurch allgemein verbindliche Wirkung erhalten. Für Gemeinden, die das Bauplanverfahren nicht einführen, gilt gemäss § 4 BauG das Normalbaureglement (NBR). Der Kantonsrat erliess es am 28. Oktober 1959. Baureglemente und Bebauungspläne der Gemeinden müssen inhaltlich mindestens den Vorschriften des NBR entsprechen (§ 4 Abs. 3 BauG). Das BauG umschreibt in den §§ 5 und 6 den notwendigen Inhalt der Baureglemente (so sind nach § 6 Ziff. 9 BauG Vorschriften über Parkierungsmöglichkeiten auf privatem Grund zu erlassen), und es stellt es in § 7 den Gemeinden frei, weitere Vorschriften zu erlassen, u.a. auch solche über die prozentuale Ausnützung des Baugrundes (§ 7 Ziff. 6). Was die speziellen Bebauungspläne anbetrifft, so bestimmt § 10 BauG, dass sie u.a. die bestehenden und projektierten Strassen und Leitungsanlagen, die Baulinien längs den öffentlichen Strassen, allfällige rückwärtige Baulinien sowie Vorschriften über die Bauweise und die Stockwerkzahl enthalten sollen. Als Bestandteile des speziellen Bebauungsplanes können für einzelne Quartiere und Grundstücke Vorschriften im Sinne von § 7 Ziff. 6 (prozentuale Ausnützung des Baugrundes) und BGE 93 I 427 S. 429 grundsätzliche Bestimmungen über die spezielle Bauordnung (z.B. Bauart, Distanz, Ausdehnung und Höhe, Lage der Bauten im Grundstück usw.) aufgenommen werden (§ 10 Abs. 2 BauG). B.- Mit Beschluss vom 25. Oktober 1966 genehmigte die Gemeindeversammlung von Zuchwil den speziellen Bebauungsplan "mittleres Blumenfeld" mit den entsprechenden Bauvorschriften. Der fünf Parzellen umfassende Bebauungsplan sieht u.a. zwei Hochhäuser vor und war deshalb der Fachkommission für Hochhäuser der Regionalplanungsgruppe Nordwestschweiz (FK) zur Begutachtung vorgelegt worden. In ihrem Bericht vom 30. April 1966 hatte diese Kommission den Gemeindebehörden vorgeschlagen, aus Gründen der Architektonik weitgehende Veränderungen der vorgesehenen Baukörper und deren Verteilung auf dem Baugelände vorzunehmen. Sodann hatte die FK daran erinnert, der Parkierung und Garagierung die grösste Aufmerksamkeit zu schenken und, gemäss den VSS-Normen, pro Wohnung mindestens einen Garage- oder Abstellplatz zu schaffen. Die Gemeinde folgte indessen den Vorschlägen der FK nicht. Auf Einsprache hin wurde im Gegenteil einer Bauherrschaft sogar gestattet, den Grundriss des von ihr geplanten Gebäudes in der Breite um 2 m zu vergrössern. Die Gemeindeversammlung hiess sodann einen Rekurs der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Schweizerischen Bundesbahnen in dem Sinne gut, dass diese Bauherrschaften für ihre Gebäude keine unterirdischen Autoabstellplätze zu errichten haben; die Anzahl der oberirdischen Abstellplätze wurde dabei auf maximal 25% der zu erstellenden Wohnungen festgesetzt. C.- Mit Beschluss vom 27. Januar 1967 hat der Regierungsrat des Kantons Solothurn dem speziellen Bebauungsplan "mittleres Blumenfeld" und den dazu gehörenden Bauvorschriften die Genehmigung verweigert. Zur Begründung führte er aus, gemäss § 30 NBR könne die Baubehörde mit Zustimmung des kantonalen Baudepartementes unter gewissen Bedingungen höhere als die in den einzelnen Zonen vorgesehenen Bauten zulassen; § 30 NBR sei nach der Praxis sinngemäss auch bei speziellen Bebauungsplänen mit Hochhäusern anwendbar. Zu seinen Voraussetzungen gehöre gemäss lit. d, dass die vorgesehene Überbauung architektonisch, BGE 93 I 427 S. 430 ortsbaulich und hygienisch eine gute Lösung darstelle. Die Gemeindebehörde von Zuchwil habe die städtebaulich und architektonisch fundierten Vorschläge der FK völlig unberücksichtigt gelassen. Selbst wenn die genannte Kommission, wie die Gemeinde geltend mache, auf die Grundeigentumsverhältnisse wenig Rücksicht nähme, so wäre das nicht entscheidend. Die Begutachtung eines speziellen Bebauungsplanes - besonders wenn es auch um Hochhäuser gehe - dürfe nicht in erster Linie auf die Grundeigentumsverhältnisse abstellen. Vielmehr sei massgebend, wie sich die gesamte Überbauung im Rahmen der Umgebung in städtebaulicher Hinsicht darbiete. Der Regierungsrat habe seit jeher weitgehend auf die Ansicht der FK abgestellt; ihrem Gutachten sei auch im vorliegenden Fall zu folgen. Die Planungskommission Zuchwil bestätige übrigens selber, dass der Vorschlag der FK gut sei. Der spezielle Bebauungsplan genüge sodann auch den Anforderungen betreffend Parkierungsmöglichkeiten nicht; er behandle zudem die beteiligten Bauherrschaften in einer unannehmbar ungleichen Weise, indem er die SBB im Gegensatz zu andern Bauherren von der Pflicht befreie, unterirdische Abstellplätze zu schaffen. Ferner übersteige die Ausnützungsziffer des Bebauungsplanes die in den Richtlinien der Regionalplanungsgruppe Nordwestschweiz angegebenen Zahlen; abgesehen davon hätte die Ausnützungsziffer für die einzelnen Grundstücke und Gebäude genau festgehalten und im Plan eingetragen werden müssen. Dieser Mangel sei auch bezüglich der Kinderspielplätze und Freiflächen festzustellen, welche im speziellen Bebauungsplan völlig vernachlässigt worden seien. Schliesslich seien auch die oberirdischen Autoabstellplätze teils unzweckmässig und in zu geringer Zahl vorgesehen. D.- Die Gemeinde Zuchwil führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Art. 54 KV und 4 BV. Sie macht im wesentlichen geltend, der angefochtene Beschluss verletze in willkürlicher Weise die sich aus dem solothurnischen BauG ergebende Gemeindeautonomie in Planungssachen. Die nähere Begründung dieser Rüge ist, soweit notwendig, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich. E.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. BGE 93 I 427 S. 431 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der angefochtene Entscheid, in welchem der Regierungsrat den speziellen Bebauungsplan "mittleres Blumenfeld" nicht genehmigte, trifft die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Trägerin öffentlicher Gewalt, nämlich als Gesetzgeberin. In dieser Eigenschaft ist die Gemeinde nach ständiger Rechtsprechung zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert, soweit sie ihre Autonomie verteidigen will ( BGE 93 I 157 /8 mit Hinweisen). Ob die Autonomie der solothurnischen Gemeinde in Planungssachen verfassungsrechtlich geschützt sei - was die kantonale Regierung zur Begründung ihres Nichteintretensantrages bestreitet -, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern eine solche der Begründetheit der Beschwerde. Entgegen der Auffassung des Regierungsrates muss somit auf die wegen Verletzung der Gemeindeautonomie geführte staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden. Inwieweit daneben der Vorwurf zugelassen werden kann, die kantonale Instanz habe auch den Art. 4 BV verletzt, ist im folgenden zu prüfen. 2. Art. 54 KV gibt den Gemeinden das Recht, ihre Angelegenheiten innert den Schranken der Verfassung und des Gesetzes selbständig zu ordnen. Welches die Angelegenheiten der Gemeinden sind, sagt die KV indes nicht. Sie erklärt insbesondere das Bauwesen nicht zur Gemeindeangelegenheit. Der Umfang der Autonomie der solothurnischen Gemeinden ergibt sich somit aus dem kantonalen Gesetzesrecht. 3. a) Nach ständiger Rechtsprechung prüft das Bundesgericht das die Gemeindeautonomie betreffende kantonale Recht frei, wenn es der Verfassungsstufe angehört; handelt es sich dabei aber um Gesetzesrecht, bleibt die Prüfung auf Willkür beschränkt (vgl. BGE 93 I 161 unten, BGE 92 I 376 Erw. 3 b, BGE 84 I 230 Mitte). Soweit im Urteil vom 28. April 1965 i.S. St. Moritz in ZBl 66/1965 S. 400 Erw. 1 ohne Begründung die freie Prüfung dem Sinne nach auch auf das Recht der kantonalen Gesetzgebung ausgedehnt wurde, kann daran nicht festgehalten werden. b) Beim Entscheid darüber, inwieweit die Gemeinde autonom sei, stellte das Bundesgericht schon seit einiger Zeit nicht mehr auf die herkömmliche Unterscheidung zwischen eigenem und übertragenem Wirkungskreis ab. Es bezeichnete die Gemeindeautonomie BGE 93 I 427 S. 432 vielmehr als die Zuständigkeit der Gemeinde zur selbständigen Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben und erklärte, eine Gemeinde sei insoweit autonom, als ihr durch Verfassung oder Gesetz freies Ermessen in Rechtsetzung und Verwaltung eingeräumt werde und sie dieses Ermessen frei von staatlicher Kontrolle betätigen dürfe (Urteile i.S. Speicher = BGE 89 I 111 /2, i.S. Ilanz = BGE 91 I 42 Erw. 3, i.S. St. Moritz = ZBl 66/1965 S. 400 Erw. 2, i.S. Celerina = BGE 92 I 375 Erw. 2 a). LIVER (ZBl 50/1949 S. 40 f.) und HANS HUBER (ZbJV 100/1964 S. 339 und 419) haben gegen diese Auffassung insbesondere vorgebracht, die Art der kantonalen Kontrolle sei kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung des Autonomiebereichs; zu diesem seien vielmehr diejenigen Aufgaben zu rechnen, die nach dem "Herkommen" und der "innern Kennzeichnung" als örtliche zu gelten hätten. Im Entscheid i.S. Volketswil ( BGE 93 I 158 ff.) setzte sich das Bundesgericht mit jener Kritik auseinander. Zwar lehnte es der Staatsgerichtshof ab, die beiden vorgeschlagenen Kriterien zu übernehmen. Er folgte aber den Einwänden der genannten Autoren insofern, als er bei der Umgrenzung des Bereichs der Gemeindeautonomie nun nicht mehr auf die Art und den Umfang der kantonalen Kontrolle abstellt. Jedenfalls auf dem Gebiet der Rechtssetzung ist Gemeindeautonomie - ohne Rücksicht darauf, ob dem Kanton die Rechts- oder Ermessenskontrolle zusteht - somit auch dort anzunehmen, wo das kantonale Recht einen Gegenstand mehr oder weniger eingehend ordnet, den Gemeinden aber doch eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit lässt ( BGE 93 I 160 Erw. 5). Wann dies zutrifft, kann nur auf Grund des kantonalen Rechts gesagt werden. Ob die neueste Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, auch mit Bezug auf die kommunale Verwaltung zu gelten habe, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da der spezielle Bebauungsplan "mittleres Blumenfeld", welchem der solothurnische Regierungsrat die Genehmigung verweigerte, unter dem hier massgeblichen Gesichtspunkt einem gesetzgeberischen Erlass gleichzustellen ist. c) Von der Frage nach dem Bereich der Gemeindeautonomie verschieden ist diejenige, wann das genannte verfassungsmässige Recht verletzt sei. Auch sie beantwortete der Staatsgerichtshof nicht immer gleich. Während langer Zeit nahm er BGE 93 I 427 S. 433 eine Verletzung nur an, wenn sich die Kantonsbehörde eine Zuständigkeit anmasste, die nach kantonalem Verfassungs- oder Gesetzesrecht der Gemeinde zukam ( BGE 89 I 111 und dort angegebene frühere Urteile). Vereinzelte Fälle, in denen sich die kantonalen Instanzen zwar der Form nach in den Grenzen ihrer Zuständigkeit hielten, inhaltlich aber darüber hinausgingen, indem sie unter dem Vorwand einer Rechtskontrolle eine Zweckmässigkeitsprüfung durchführten oder das Vorliegen einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Rechtsverletzung bejahten, gaben indessen dem Bundesgericht Anlass, von seiner bisherigen formalen Betrachtungsweise abzuweichen und auch die materielle Verfassungsmässigkeit des getroffenen Entscheides zu überprüfen (Urteile i.S. Ilanz = BGE 91 I 39 ff., i.S. St. Moritz = ZBl 66/1965 S. 398 ff., i.S. Celerina = BGE 92 I 369 ff.). Ein weiterer Schritt wurde in BGE 93 I 160 (i.S. Volketswil) getan. Weil nach jenem Entscheid die Gemeinde selbst dort autonom sein kann, wo der kantonalen Behörde eine Ermessenskontrolle zusteht (vgl. lit. b hievor), war auch für den Fall der Zweckmässigkeitsprüfung zu beantworten, wann die Gemeindeautonomie verletzt sei. Dieser Sachverhalt liegt dann vor, wenn die kantonale Instanz das ihr bei der Überprüfung der Gemeindeerlasse einzuräumende Ermessen missbraucht ( BGE 93 I 160 Erw. 5 in fine), d.h. ihre Kontrollbefugnis willkürlich ausübt. Die heutige Beschwerdeführerin rügt, der Regierungsrat habe die Gemeindeautonomie willkürlich verletzt. Es stellt sich deshalb die weitere Frage, ob das Bundesgericht die durch die kantonale Behörde ausgeübte Rechtskontrolle - sei es, dass sie ihr ausschliesslich oder neben der Ermessenskontrolle zukomme - ebenfalls auf Willkür hin zu überprüfen habe. Das ist schon aus Gründen der Folgerichtigkeit zu bejahen: eine willkürlich gehandhabte Rechtskontrolle verletzt die Autonomie in gleicher Weise wie der Ermessensmissbrauch, d.h. das willkürliche Vorgehen bei der Zweckmässigkeitsprüfung. Somit kann zwar die Gemeinde als Trägerin öffentlicher Gewalt keine selbständige Willkürrüge erheben, wohl aber geltend machen, die kantonale Behörde habe die Gemeindeautonomie verletzt, weil sie die ihr auf dem Gebiet der kommunalen Rechtsetzung zustehende Rechts- oder Ermessenskontrolle willkürlich ausgeübt habe. Damit wird der frühere Standpunkt aufgegeben, wonach die Gemeindeautonomie nur BGE 93 I 427 S. 434 durch einen formellen Übergriff in eine dem Kanton nicht zukommende Zuständigkeit, nicht aber durch den materiellen Inhalt des Entscheides der kantonalen Behörde (ohne solchen Übergriff) verletzt werden könnte. d) Zusammengefasst ist den vorstehenden Erwägungen folgendes zu entnehmen: Gemeindeautonomie bedeutet Zuständigkeit der Gemeinde zur selbständigen Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben. Wesen und Umfang dieser Autonomie ergeben sich aus dem kantonalen Recht, welches das Bundesgericht frei oder unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür überprüft, je nachdem es sich um Verfassungs- oder Gesetzesrecht handelt. Auf dem Gebiete der Rechtsetzung ist Gemeindeautonomie demnach dann anzunehmen, wenn der kantonale Gesetzgeber eine bestimmte Materie nicht abschliessend geregelt, die Gemeinde zur Rechtsetzung ermächtigt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zuerkannt hat. Dabei liegt eine Verletzung der Gemeindeautonomie vor, wenn die kantonale Behörde eine ihr nicht zustehende Ermessenskontrolle durchführt, oder aber wenn sie bei der ihr an sich zustehenden Rechts- oder Ermessenskontrolle willkürlich vorgeht. 4. a) Das solothurnische BauG enthält keine umfassende und abschliessende Ordnung des gesamten öffentlichen Baurechts, sondern ermächtigt die Gemeinden zur Aufstellung von Baureglementen und Bebauungsplänen (§ 1). Es erklärt nur für den Fall, dass eine Gemeinde von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht, das kantonale Normalbaureglement als anwendbar (§ 4 Abs. 3). Zwar enthält das BauG auch Vorschriften über den Inhalt der von den Gemeinden aufgestellten Reglemente und Pläne. Diese müssen aber nicht lückenlos in die Gemeindeerlasse aufgenommen werden; vielmehr steht es den Gemeinden frei, ob sie einzelne Bestimmungen aufstellen wollen oder nicht (§§ 7 und 10 Abs. 2 BauG). Es rechtfertigt sich demnach, die Beschwerdeführerin hinsichtlich des Erlasses und teilweise auch der Ausgestaltung von Baureglementen und Bebauungsplänen als "selbständig" im Sinne von Art. 54 KV und damit als autonom zu betrachten. Der Regierungsrat hat denn auch in seinem Entscheid vom 22. März 1956 i.S. Einwohnergemeinde Welschenrohr (auszugsweise veröffentlicht in den "Grundsätzlichen Entscheiden" 1957 S. 42/43) die Autonomie der solothurnischen Gemeinde in der Planung bejaht "unter dem Vorbehalt der im Baugesetz BGE 93 I 427 S. 435 selber vorgesehenen Ausnahmen". Bei dieser Auffassung ist der Regierungsrat zu behaften. Er stellt ihre Richtigkeit übrigens heute nicht ausdrücklich in Abrede, macht aber geltend, die Autonomie der solothurnischen Gemeinde in Planungssachen beruhe weder auf verfassungsrechtlicher Grundlage noch auf Gesetz; sie sei deshalb nicht verfassungsrechtlich geschützt. Der Einwand ist umso unverständlicher, als die kantonale Regierung weder die Verfassungsmässigkeit des BauG noch die Tatsache bestreitet, dass jener Entscheid aus dem Jahre 1956 nur auf Grund des BauG getroffen werden konnte. b) In dem von der Beschwerdeführerin angerufenen, oben genannten Entscheid vom 22. März 1956 erklärte der Regierungsrat sodann auch, er prüfe die Bebauungspläne im allgemeinen (unter Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen) nur auf ihre Rechtmässigkeit; auf Zweckmässigkeit dagegen lediglich unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Nach dieser Praxis, auf welche sich die Beschwerdeführerin stützt, darf der Regierungsrat die ihm zur Genehmigung unterbreiteten Gemeindeerlasse in Bausachen jedenfalls frei und nicht - wie in der Beschwerde anscheinend behauptet wird - nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür auf ihre Rechtmässigkeit überprüfen (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 20. März 1963 i.S. Einwohnergemeinde Bellach Erw. 3). c) Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass in den von § 30 NBR vorgesehenen Fällen der Regierungsrat die Bauerlasse der Gemeinden nach freiem Ermessen auf ihre Zweckmässigkeit hin überprüfen darf. Sie behauptet aber, die kantonale Instanz habe jene Bestimmung zu Unrecht und in willkürlicher Weise analog auf den speziellen Bebauungsplan angewendet. Die Ausnahmebewilligungen für über die Zonenvorschriften hinausgehende Bauhöhen prüft die kantonale Baudirektion gestützt auf § 30 Abs. 1 lit. d NBR insbesondere auch darauf, ob sie architektonisch, ortsbaulich und hygienisch eine gute Lösung darstellen. Hochbauten mit mehr als 7 Geschossen sind in keiner Zone vorgesehen (Umkehrschluss aus § 28 Abs. 1 NBR). Es sind für sie deshalb ein spezieller Bebauungsplan und gewisse besondere Vorschriften aufzustellen (§ 27 Abs. 3 NBR). Trotzdem handelt es sich auch dabei um Ausnahmen von vorgeschriebenen Bauhöhen. Daher war es jedenfalls nicht willkürlich, sondern entsprach dem Sinn und Zweck BGE 93 I 427 S. 436 des § 30 NBR, diese Vorschrift auch auf einen speziellen Bebauungsplan anzuwenden. Der Regierungsrat durfte demnach den speziellen Bebauungsplan "mittleres Blumenfeld" auf seine Zweckmässigkeit hin überprüfen, ohne dadurch die Autonomie der Beschwerdeführerin zu verletzen. 5. Nach dem in Erw. 3 c hievor Gesagten bleibt somit lediglich abzuklären, ob die kantonale Instanz die ihr zustehenden Kontrollbefugnisse willkürlich ausgeübt habe. Ist diese Frage schon für den Fall der gemäss § 30 Abs. 1 lit. d NBR vorgenommenen Ermessensprüfung zu verneinen, dann braucht nicht mehr entschieden zu werden, wie es sich damit hinsichtlich der vom Regierungsrat ausserdem vorgenommenen Rechtskontrollen verhalte: Eine Verletzung von § 30 NBR für sich allein hätte nämlich - übrigens auch nach Auffassung der kantonalen Instanz - genügt, um gemäss Art. 1 BauG dem speziellen Bebauungsplan "mittleres Blumenfeld" die Genehmigung zu verweigern. Die Beschwerdeführerin selber behauptet mit Recht nicht, der Regierungsrat habe das ihm nach § 30 NBR zustehende Ermessen missbraucht. Er durfte sehr wohl in den einschlägigen Fragen, insbesondere der Abstimmung der beiden Hochhäuser auf das bestehende Schulhaus und die anderen Bauten, der Lage der Wohnblöcke und der Lösung des Garagen- und Parkierungsproblems auf die begründete Auffassung der FK abstellen. Freilich wird dadurch - was die Beschwerdeführerin denn auch einwendet - ein Umlegungsverfahren nötig, während der Plan der Gemeinde auf die heute bestehenden Grundeigentumsverhältnisse Rücksicht nähme. Die Beschwerde tut indessen nicht dar, und es ist auch nicht glaubhaft, dass jenes Verfahren die Überbauung untragbar verzögern wird. Die von der FK gerügten Mängel sind wahrscheinlich gerade durch die Rücksichtnahme auf die heutigen Grundstücksgrenzen bedingt. Die Umlegung schafft in solchen Fällen die erforderliche Grundlage, und eine gewisse Verzögerung muss in Kauf genommen werden, zumal die zu errichtenden Häuser dann lange Zeit stehen werden. Hat der Regierungsrat aber sein Ermessen nicht missbraucht und somit die Autonomie der Beschwerdeführerin nicht verletzt, dann muss die Beschwerde abgewiesen werden. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Urteilskopf 136 III 232 35. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause Métropole Télévision contre Société suisse de radiodiffusion et télévision SSR (recours en matière civile) 4A_203/2009 du 12 janvier 2010
Regeste Grenzüberschreitendes Satellitenfernsehen; Urheberrecht (Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d URG); unlauterer Wettbewerb ( Art. 2 UWG ). Ausstrahlung eines Fernsehprogramms mittels Satellitensignal mit urheberrechtlich geschützten Werken sowie an das schweizerische Fernsehpublikum gerichteten Werbungen durch ein französisches Sendeunternehmen und von französischem Gebiet aus. Die SRG beruft sich auf den Schutz des schweizerischen Urheberrechts ( Art. 110 Abs. 1 IPRG ) (E. 5). Es bestehen keine urheberrechtlichen Gründe, die vorliegend eine Ausnahme vom Sendelandprinzip rechtfertigen würden, das auf Satellitenaustrahlungen anwendbar ist. Das URG findet auf die zu beurteilende Ausstrahlung daher keine Anwendung (E. 6). Fehlen besonderer Umstände, die das Verhalten des französischen Sendeunternehmens unabhängig von einer Verletzung des URG als unlauter im Sinne von Art. 2 UWG erscheinen liessen (E. 7).
Sachverhalt ab Seite 233 BGE 136 III 232 S. 233 A. Métropole Télévision, société anonyme de droit français, diffuse par satellite le programme de télévision M6 à partir et à destination du territoire français. Comme l'empreinte ou la zone de couverture du satellite ( footprint ) s'étend inévitablement au-delà des frontières, les téléspectateurs de Suisse romande reçoivent, depuis une quinzaine d'années, le programme M6, qu'il soit retransmis par des câblo-opérateurs suisses ou capté directement par le téléspectateur, au moyen d'une antenne parabolique. Depuis janvier 2002, Métropole Télévision émet un nouveau signal satellite; distinct de celui utilisé pour la diffusion vers la France, il peut être capté dans la même zone, couvrant en particulier la Suisse et la France. Ce signal comprend le programme M6, mais avec des messages publicitaires destinés spécifiquement aux téléspectateurs suisses; il est repris par certains câblo-opérateurs suisses, dont Cablecom dans le canton de Fribourg. Ainsi, Métropole Télévision émet, vers le satellite Atlantic Bird 3, un signal comportant le programme M6 avec une fenêtre publicitaire destinée au public français et, vers le satellite Eutelsat W3, un signal comprenant le même programme avec une fenêtre publicitaire destinée au public suisse. B. Le 17 novembre 2003, la Société suisse de radiodiffusion et de télévision (SSR), agissant par sa succursale, la Société suisse de radiodiffusion et télévision (SSR) - Télévision suisse romande (TSR), a ouvert action en constatation de droit, en interdiction, en cessation de trouble et en dommages-intérêts contre Métropole Télévision devant la Cour d'appel civil du Tribunal cantonal de l'État de Fribourg. Invoquant des dispositions relatives au droit d'auteur et à la concurrence déloyale, la SSR concluait tout d'abord à ce qu'il fût constaté que la défenderesse n'était pas en droit de procéder à une diffusion du programme M6 spécifiquement destinée au public suisse de langue française - notamment du fait de l'insertion dans ce programme de messages publicitaires spécifiquement destinés au public suisse -, sans y être autorisée par les titulaires des droits d'auteur sur les oeuvres ainsi diffusées. Elle demandait ensuite qu'il fût fait défense à Métropole Télévision de diffuser dans ce programme destiné au public suisse de langue française, en tout ou en partie, divers films ou séries télévisées produits par des producteurs déterminés, qu'elle énumérait, ou des sociétés qui étaient liées à ces derniers. Elle concluait enfin à ce que la défenderesse fût condamnée à lui verser des dommages-intérêts d'un montant à fixer, mais s'élevant au moins à 10 millions de francs. BGE 136 III 232 S. 234 Par décision du 21 mars 2005, le Président de la II e Cour d'appel civil a limité la procédure, dans un premier temps, "aux questions de principe de la violation ou non de la loi fédérale du 9 octobre 1992 sur le droit d'auteur et les droits voisins (...) et de la loi fédérale du 19 décembre 1986 contre la concurrence déloyale (...), ainsi que de la légitimation active de la demanderesse pour se prévaloir d'une telle violation, sans préjudice du droit des parties de compléter le cas échéant ultérieurement leurs écritures et offres de preuve en rapport avec l'existence d'un dommage et l'étendue de celui-ci." Par arrêt du 4 janvier 2007, la cour cantonale a rejeté l'action, faute de légitimation active de la SSR. La demanderesse a interjeté un recours en matière civile. Par arrêt du 29 août 2007 (cause 4A_55/2007), le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours, annulé l'arrêt attaqué et renvoyé la cause à l'autorité précédente. La cour cantonale a rendu un nouvel arrêt, en date du 12 février 2009. Elle a admis l'action introduite par la SSR "sur le principe et dans les limites définies par l'ordonnance présidentielle du 21 mars 2005" et, partant, a "constaté que la diffusion spécifiquement destinée au public suisse, notamment du fait de l'accompagnement de fenêtres publicitaires spécifiques, par Métropole Télévision dans son programme M6 d'oeuvres pour lesquelles elle n'a pas été autorisée à une telle diffusion par les titulaires de droits d'auteur sur elles, constitue une violation de la loi fédérale du 9 octobre 1992 sur le droit d'auteur et les droits voisins et une violation de la loi fédérale du 19 décembre 1986 contre la concurrence déloyale." C. Métropole Télévision a interjeté un recours en matière civile. Elle concluait principalement à l'annulation de l'arrêt cantonal et au rejet de l'action introduite par la SSR. Statuant en séance publique, la I re Cour de droit civil du Tribunal fédéral a admis le recours, annulé l'arrêt attaqué et rejeté l'action introduite le 17 novembre 2003 par la SSR contre Métropole Télévision. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 5. La recourante est une société anonyme de droit français qui diffuse un programme télévisé depuis la France. La cause revêt un aspect international, de sorte qu'il appartient au Tribunal fédéral d'examiner d'office la question du droit applicable au litige, à la lumière du droit BGE 136 III 232 S. 235 international privé du for ( ATF 133 III 323 consid. 2.1 p. 327/328 et les arrêts cités; cf. également ATF 135 III 614 consid. 4.1.1 p. 615). La demanderesse invoque tout d'abord le droit d'auteur à l'appui de son action. Aux termes de l' art. 110 al. 1 LDIP (RS 291), les droits de la propriété intellectuelle sont régis par le droit de l'État pour lequel la protection de la propriété intellectuelle est revendiquée. En prévoyant un rattachement à la lex loci protectionis ( Schutzlandprinzip ), la loi suisse permet au demandeur de choisir le droit sur lequel il base son action et ainsi de déterminer la lex causae . C'est la loi de l'État protecteur qui définira ensuite son champ d'application territorial et régira, plus généralement, toutes les questions juridiques qui se posent, comme celle de l'éventuelle violation des droits de propriété intellectuelle (BERNARD DUTOIT , Droit international privé, 4 e éd. 2005, n° 1 ad art. 110 LDIP ; FRANK VISCHER , in Zürcher Kommentar zum IPRG, 2 e éd. 2004, n° 3 ad art. 110 LDIP ; CATHERINE METTRAUX KAUTHEN , La loi applicable entre droit d'auteur et droit des contrats, 2002, p. 13-15; FRANÇOIS DESSEMONTET, Le droit d'auteur, 1999 [ci-après: op. cit. 1], n°1056 p. 646 et n° 1061 p. 649/650; MERCEDES NOVIER , La propriété intellectuelle en droit international privé suisse, 1996, p. 148-152). En l'espèce, la demanderesse a choisi le droit suisse. Il convient dès lors d'examiner, avant d'aborder la cause sous l'angle de la concurrence déloyale, si l'acte reproché à la recourante porte atteinte au droit d'auteur selon la loi fédérale du 9 octobre 1992 sur le droit d'auteur et les droits voisins (LDA; RS 231.1). 6. La problématique en jeu est la suivante. La recourante diffuse le programme télévisé M6 par satellite depuis la France. La zone couverte ne se limite pas à la France, mais comprend d'autres pays, dont la Suisse. Plus précisément, la diffusion s'effectue par plusieurs signaux, dont l'un, relayé par le satellite Eutelsat W3, transporte le programme M6 avec des fenêtres publicitaires spécifiquement destinées au public suisse (par simplification, ce signal sera désormais désigné sous l'appellation signal "suisse"); le satellite Eutelsat W3 couvre notamment les territoires suisse et français, à l'instar du satellite Atlantic Bird, qui relaie un signal porteur du programme M6 avec des fenêtres publicitaires s'adressant avant tout au public français (par simplification, ce signal sera désormais désigné sous l'appellation signal "français"). Le signal "suisse" est repris par plusieurs câblo-opérateurs suisses. BGE 136 III 232 S. 236 Le programme M6 comprend des oeuvres dont la recourante, d'après les contrats qu'elle a produits dans la procédure, a acquis les droits de diffusion pour la France métropolitaine, les départements et territoires d'outre-mer, Monaco et Andorre. La diffusion de ces oeuvres peut être interrompue, précédée ou suivie par des messages publicitaires, dont le contenu sera différent selon que le programme M6 est transmis par le signal "suisse" ou par le signal "français". A partir de là, il s'agit de déterminer si, comme la cour cantonale l'a admis, la diffusion d'oeuvres par le signal "suisse" nécessite, selon le droit suisse, l'autorisation des titulaires du droit exclusif d'utilisation desdites oeuvres, autorisation dont l'absence consacrerait une violation du droit d'auteur selon la LDA. 6.1 Aux termes de l' art. 10 al. 1 LDA , l'auteur a le droit exclusif de décider si, quand et de quelle manière son oeuvre sera utilisée. En particulier, il a le droit de la diffuser par la radio, la télévision ou des moyens analogues, soit par voie hertzienne, soit par câble ou autres conducteurs ( art. 10 al. 2 let . d LDA). L' art. 12 al. 1 ch. 5 aLDA accordait déjà à l'auteur le droit exclusif de radiodiffuser son oeuvre, l' art. 12 al. 2 aLDA précisant qu'à la radiodiffusion était assimilée toute communication publique de l'oeuvre par tout autre moyen servant à diffuser les signes, les sons ou les images. Si la rédaction change, nouveau et ancien droits correspondent matériellement sur ce point, de sorte que la jurisprudence rendue sous l'ancien droit reste valable (BARRELET/EGLOFF, Le nouveau droit d'auteur, 3 e éd. 2008, n° 3 ad art. 10 LDA p. 53/54; FRANÇOIS DESSEMONTET, Inhalt des Urheberrechts, in Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, SIWR vol. II/1, 2 e éd. 2006, p. 205/206; SVEN-UWE NEUMAIER, Grenzüberschreitender Rundfunk im internationalen Urheberrecht, Baden-Baden 2003, p. 84; Message du 19 juin 1989 concernant une loi fédérale sur le droit d'auteur et les droits voisins, FF 1989 III 514). Dans un arrêt rendu juste avant l'entrée en vigueur de la LDA, le Tribunal fédéral a eu l'occasion de préciser que la notion de radiodiffusion propre au droit d'auteur comprenait l'envoi par n'importe quel type de satellite de signaux accessibles techniquement et financièrement au public en général et destinés à être reçus directement ou indirectement par lui ( ATF 119 II 51 consid. 2c p. 60). Il ne fait dès lors aucun doute que la transmission télévisée d'une oeuvre, via un satellite, est soumise au droit exclusif de l'auteur selon le droit suisse. Il reste toutefois à rechercher ce qu'il faut entendre par une telle diffusion. En d'autres termes, il s'agit de déterminer si une transmission par BGE 136 III 232 S. 237 satellite partant d'un État étranger et atteignant le territoire suisse est appréhendée par le droit suisse. 6.2 Parallèlement à l'adoption de la nouvelle LDA, la Suisse a ratifié la Convention de Berne pour la protection des oeuvres littéraires et artistiques révisée à Paris le 24 juillet 1971 (RS 0.231.15; ci-après: CB), en vigueur pour notre pays depuis le 25 septembre 1993; cette convention garantit un niveau minimal de protection des oeuvres (FF 1989 III 496). Selon l'art. 11 bis al. 1 ch. 1 CB, les auteurs d'oeuvres littéraires et artistiques jouissent du droit exclusif d'autoriser la radiodiffusion de leurs oeuvres ou la communication publique de ces oeuvres par tout autre moyen servant à diffuser sans fil les signes, les sons ou les images. Cette formulation, qui date de la Convention de Berne révisée à Bruxelles le 26 juin 1948, n'a pas été modifiée depuis lors (CLAUDE MASOUYÉ, Guide de la Convention de Berne, publication OMPI, 1978, p. 77); elle avait été reprise quasi-textuellement à l' art. 12 al. 1 ch. 5 et al. 2 aLDA . Le texte de Bruxelles liait déjà la Suisse jusqu'à l'entrée en vigueur de la nouvelle version de la Convention de Berne (cf. FF 1989 III 495 ch. 145.111). Avant l'avènement de la radiodiffusion par satellite, la théorie classique, déduite de la Convention de Berne, soumettait la diffusion au droit de l'État d'émission ( Sendelandtheorie ). L'idée était en effet que, du point de vue du droit d'auteur, l'acte qui devait être autorisé contre rémunération était l'émission, à l'exclusion de la réception. Le pays d'émission correspondait en général à celui où résidait le public visé par l'émission, la radiodiffusion terrestre ne provoquant que des débordements marginaux. Dès lors, l'application exclusive du droit de l'État d'émission ne posait guère de problèmes (cf. ELSA DELIYANNI, Le droit de représentation des auteurs face à la télévision transfrontalière par satellite et par câble, Paris 1993, § 84 p. 130; ANDRÉ KEREVER, La radiodiffusion par satellite et le droit d'auteur, Bulletin du droit d'auteur 24 (1990) n° 3 p. 13/14; WALTER DILLENZ, La protection juridique des oeuvres transmises par satellites de radiodiffusion directe, Le droit d'auteur 1986 p. 347/348; URS PETER KÄLIN, Der urheberrechtliche Vergütungsanspruch bei der Werkverwertung mit Hilfe des Satellitenrundfunks und der Kabelweiterverbreitung, 1986, p. 74/75 et 120). Contrairement à la radiodiffusion terrestre, la transmission par satellite permet d'atteindre sans difficulté des publics résidant dans plusieurs États. Ainsi, un organisme de diffusion basé dans un petit pays, comme le Luxembourg, peut transmettre par satellite son BGE 136 III 232 S. 238 programme de télévision aux publics de pays environnants bien plusvastes, comme la France ou l'Allemagne; une des conséquences del'application exclusive du droit de l'État d'émission peut consisteralors en ce que la rémunération du droit d'auteur soit calculée uniquement en fonction du public - restreint - de ce pays-là. D'aucuns s'en sont émus et, dans les années 1980, la théorie Bogsch - du nomdu directeur général d'alors de l'OMPI - a vu le jour. Appelée également théorie de l'empreinte ou de la réception ( Empfangstheorie ), elle définit la radiodiffusion par satellite comme une opération complexe qui prend naissance avec le départ du signal et s'achève avec la réception des signaux par les publics résidant dans les États couverts par l'empreinte; la conséquence est que l'organisme de diffusion devra respecter les législations sur le droit d'auteur de tous les pays dans lesquels le signal émanant du satellite peut être capté, ce qui implique en particulier d'acquérir les droits d'auteur pour tous les États couverts par l'empreinte (THOMAS DREIER, Satelliten- und Kabel-Richtlinie, in Europäisches Urheberrecht, Vienne 2001, n° 10 p. 408/409 et n° 12 p. 420/421; KREILE/BECKER, Neuordnung des Urheberrechts in der Europäischen Union, GRUR Int. 1994 p. 910; KEREVER, op. cit., p. 16; DILLENZ, op. cit., p. 344). En matière de radiodiffusion par satellite, l'Union européenne a écarté la théorie Bogsch au profit de la théorie de l'État d'émission (KREILE/BECKER, op. cit., p. 909). En effet, la Directive 93/83/CEE du Conseil du 27 septembre 1993 relative à la coordination de certaines règles du droit d'auteur et des droits voisins du droit d'auteur applicables à la radiodiffusion par satellite et à la retransmission par câble (JO L 248 du 6 octobre 1993 p. 15) définit la "communication au public par satellite" comme l'acte d'introduction, sous le contrôle et la responsabilité de l'organisme de radiodiffusion, de signaux porteurs de programmes destinés à être captés par le public dans une chaîne ininterrompue de communication conduisant au satellite et revenant vers la terre (art. 1 er par. 2 let. a); elle précise que cette communication a lieu uniquement dans l'État membre dans lequel, sous le contrôle et la responsabilité de l'organisme de radiodiffusion, les signaux porteurs de programmes sont introduits dans une chaîne ininterrompue de communication conduisant au satellite et revenant vers la terre (art. 1 er par. 2 let. b). Il s'ensuit que le radiodiffuseur doit se conformer uniquement à la législation sur les droits d'auteur en vigueur dans l'État où la communication par satellite a lieu (considérants 4 et 5 de la Directive 93/83/CEE). L'ayant droit peut uniquement BGE 136 III 232 S. 239 décider s'il autorise ou non le radiodiffuseur à transmettre l'oeuvre par satellite et, une fois cette autorisation donnée, il ne peut juridiquement empêcher la réception de l'oeuvre dans les États couverts par l'empreinte du satellite; cela signifie également qu'une éventuelle violation du droit d'auteur ne peut avoir lieu que dans l'État d'émission (KREILE/BECKER, op. cit., p. 910; METTRAUX KAUTHEN, op. cit., p. 22). En contrepartie, la Directive 93/83/CEE impose aux États membres de prévoir le droit exclusif de l'auteur d'autoriser la communication au public par satellite d'oeuvres protégées par le droit d'auteur (art. 2), autorisation qui ne pourra être acquise que par contrat (art. 3 par. 1). Un autre aménagement de la théorie de l'État d'émission en faveur des auteurs consiste pour les parties à déterminer la rémunération des droits d'auteur en fonction de tous les paramètres de l'émission, tels que l'audience effective et l'audience potentielle (considérant 17 de la Directive 93/83/CEE). Le Conseil de l'Europe s'est également préoccupé de la problématique des droits d'auteur en rapport avec la transmission par satellite. Il a ainsi rédigé la Convention européenne du 11 mai 1994 concernant des questions de droit d'auteur et de droits voisins dans le cadre de la radiodiffusion transfrontière par satellite (Convention STE 153). Après avoir précisé qu'un acte de radiodiffusion par satellite comprend la liaison montante jusqu'au satellite et la liaison descendante jusqu'à terre (art. 2), la Convention STE 153 prévoit, à l'instar de la Directive 93/83/CEE, qu'une transmission d'oeuvres a lieu dans l'État partie sur le territoire duquel se situe l'origine de la transmission et qu'elle est, en conséquence, régie exclusivement par la loi de cet État (art. 3 par. 1). La protection du droit d'auteur est déterminée par la Convention de Berne, ce qui signifie en particulier que les droits pour la radiodiffusion transfrontière par satellite d'oeuvres au sens de cette convention doivent être acquis par contrat (art. 4 par. 1). La Convention STE 153 n'est pas entrée en vigueur. La Suisse l'a signée en date du 11 mai 1994. La majorité des organisations consultées à l'époque s'était prononcée en faveur d'une ratification (Huitième rapport sur la Suisse et les conventions du Conseil de l'Europe, FF 2004 3645 ch. 4.9.7). Aujourd'hui, le Conseil fédéral est toutefois d'avis qu'il convient de renoncer à une ratification. En effet, relevant les parallèles entre la Directive 93/83/CEE et la Convention STE 153, il observe que cette dernière n'est plus applicable parmi les États membres de la Communauté européenne et qu'une ratification ne présente dès lors quasiment plus d'intérêt pour la Suisse (Neuvième rapport BGE 136 III 232 S. 240 sur la Suisse et les conventions du Conseil de l'Europe, FF 2008 4126 ch. 4.9.7). La Convention STE 153 était censée compléter la Convention européenne sur la télévision transfrontière du 5 mai 1989, ratifiée par la Suisse et entrée en vigueur pour notre pays le 1 er mai 1993 (CETT; RS 0.784.405) (FF 2008 4126 ch. 4.9.7). Relevant du droit public de la télévision, la CETT a été amendée par le Protocole du 1 er octobre 1998, accepté par la Suisse le 1 er octobre 2000 et entré en vigueur pour notre pays le 1 er mars 2002 (RS 0.784.405.1). C'est le lieu de relever que la CETT ne prévoit en principe pas que les États parties puissent appliquer leur propre droit au motif que des services de programmes de télévision seraient captés sur leur territoire. L' art. 28 CETT amendée, qui a trait aux relations entre la convention et le droit interne, précise que les Parties ne sont pas empêchées d'appliquer des règles plus strictes ou plus détaillées que celles de la CETT aux services de programmes transmis par un radiodiffuseur relevant de leur compétence au sens de l' art. 5 CETT (cf. FRÉDÉRIC RIEHL, La Convention du Conseil de l'Europe sur la télévision transfrontière: Les nouveautés, Medialex 1998 p. 709). Or, selon l'art. 5 par. 2 et par. 3 al. a CETT amendée, relève de la compétence de l'État de transmission tout d'abord le radiodiffuseur qui a son siège social effectif dans cette Partie, lorsque les décisions relatives à la programmation sont prises dans cette Partie; si l'une et/ou l'autre de ces conditions ne sont pas réunies, la convention prévoit des cas en cascade, dont aucun ne prend en compte le critère de l'État de réception (cf. art. 5 par. 3 al. b à d et par. 4 CETT amendée). La convention réserve toutefois à une reprise le droit de l'État de réception; afin d'éviter des distorsions de concurrence et la mise en péril du système télévisuel d'une Partie, l' art. 16 par. 1 CETT amendée prévoit en effet que la publicité et le télé-achat dirigés spécifiquement et fréquemment vers l'audience d'une seule Partie autre que la Partie de transmission ne doivent pas contourner les règles relatives à la publicité télévisée et au télé-achat dans cette Partie. Pour la Suisse, les règles relatives à la publicité télévisée se trouvent essentiellement aux art. 9 ss de la loi fédérale sur la radio et la télévision du 24 mars 2006 (LRTV; RS 784.40); elles instituent certaines interdictions, comme, par exemple, en matière de boissons alcoolisées (pour quelque temps encore) ou de médicaments, qui sont plus larges que celles résultant de la CETT (cf. NOBEL/WEBER, Medienrecht, 3 e éd. 2007, p. 439 ss). BGE 136 III 232 S. 241 6.3 Plusieurs auteurs se sont penchés sur la définition, en droit suisse, de l'acte soumis à autorisation en matière de radiodiffusion par satellite. Se référant à la Convention de Berne, HERMANN J. STERN est d'avis que seule l'émission ( Ausstrahlen ) des signaux porteurs de programme est déterminante en droit d'auteur; comme il n'y a, dans le pays de réception, aucun acte d'utilisation de l'oeuvre, le droit de l'État d'émission est exclusivement applicable à la radiodiffusion par satellite (Sende- und Weitersenderecht - Rundfunk, Kabel und Satelliten, 100 Jahre URG, 1983, p. 203-207). En revanche, pour KASPAR SPOENDLIN, la transmission par satellite ne peut être définie en droit d'auteur que par rapport à sa finalité, qui est d'atteindre un public; l'acte de communication s'achève par conséquent dans le pays de réception. L'auteur qualifie ainsi une radiodiffusion transfrontalière non autorisée de "délit à distance", le lieu de l'action et le lieu du résultat étant situés dans des États différents (Der internationale Schutz des Urhebers, UFITA 107/1988 p. 37). Selon KÄLIN, la réception de la radiodiffusion par satellite et les circonstances qui l'accompagnent doivent être prises en compte en droit d'auteur; le risque de déplacement de radiodiffuseurs dans des pays offrant une protection réduite justifie la prise en considération des droits des États de réception, en particulier pour fixer l'ampleur de la rémunération due aux auteurs (op. cit., p. 120). Examinant la question après l'entrée en vigueur de la nouvelle LDA, NEUMAIER constate que la situation en droit suisse n'est pas claire. Il considère néanmoins que la LDA devrait être applicable en cas de débordement massif et intentionnel d'une radiodiffusion étrangère. En effet, contrairement à l'ancien droit, l' art. 10 LDA reconnaît largement le droit d'utilisation de l'oeuvre, la liste de droits exclusifs énumérés à l'al. 2 - dont le droit de diffusion - n'étant pas exhaustive; d'autre part, le principe de territorialité valable en droit suisse de la propriété intellectuelle a toujours été compris en ce sens que la protection du droit d'auteur pouvait s'étendre à des actes commis par des personnes à l'étranger (op. cit., p. 85). Après avoir affirmé sans ambages que la conception suisse de la radiodiffusion par satellite se fondait sur la théorie Bogsch (Das neue schweizerische Urheberrecht, UFITA 122/1993 p. 123), MANFRED REHBINDER s'est rallié plus récemment aux tenants de la théorie de l'État d'émission, en déclarant que la question de savoir pour quel pays le droit de diffusion devait être acquis se déterminait selon l'emplacement de l'entreprise de radiodiffusion (Schweizerisches BGE 136 III 232 S. 242 Urheberrecht, 3 e éd. 2000, p. 142; également REHBINDER/VIGANÒ, URG, Urheberrecht und verwandte Schutzrecht [...], 3 e éd. 2008, n° 22 ad art. 10 LDA p. 63). Pour leur part, BARRELET/EGLOFF, dans l'édition de leur ouvrage sortie en 2008, relèvent que, techniquement parlant, c'est la station terrestre à qui le satellite de télécommunication ou de service fixe transmet ses signaux ou alors le propriétaire du satellite de radiodiffusion directe qui procèdent à la diffusion et qui devraient donc y être autorisés par l'ayant droit. Comme cette manière de voir est difficile à traduire en pratique, la tendance aujourd'hui est de considérer la transmission par satellite comme un tout, englobant liaison montante ( uplink ) et liaison descendante ( downlink ). Le droit de diffusion porte ainsi sur toute la chaîne de communication jusqu'à son retour sur terre. L'envoi des signaux vers un satellite suppose déjà l'acquisition des droits correspondants, dont la rémunération sera fixée en fonction de l'étendue de la zone de réception. Les auteurs soulignent que cette conception est celle de la Directive 93/83/CEE et de la Convention STE 153, qui prévoient toutes deux que l'acte de transmission a lieu uniquement dans l'État où les signaux sont introduits dans la chaîne (op. cit., n° 28 ad art. 10 LDA p. 64; du même avis: REHBINDER/VIGANÒ, op. cit., n° 22 ad art. 10 LDA p. 63). 6.4 La Directive 93/83/CEE n'est certes pas applicable en tant que telle en Suisse. L'idée d'une harmonisation avec le droit européen n'était toutefois pas étrangère aux préoccupations du législateur lors de l'adoption du nouveau droit d'auteur en 1992 (cf. ATF 133 III 568 consid. 4.6 p. 576 et la référence aux déclarations de la conseillère aux États Meier, rapporteur, relevant le caractère "eurocompatible" de dispositions de la future LDA, in BO 1992 CE 381). La Directive 93/83/CEE apparaît dès lors comme l'un des éléments permettant de cerner, en matière de radiodiffusion par satellite, le fait générateur du droit d'auteur selon la LDA. Il en va de même de la Convention STE 153, étant précisé que la non-ratification de cet instrument tient à son caractère jugé désormais superflu, et non à des motifs de fond. Comme la doctrine la plus récente le relève, la tendance actuelle est d'admettre que la théorie de l'État d'émission s'applique à la radiodiffusion par satellite en droit d'auteur suisse. Ainsi, le droit de diffusion au sens de l' art. 10 al. 2 let . d LDA - dont l'auteur ou son ayant droit peut autoriser l'exercice contre rémunération - porte uniquement sur l'injection des signaux satellite porteurs de l'oeuvre dans la chaîne de communication; la réception n'est a priori pas un fait BGE 136 III 232 S. 243 appréhendé par le droit d'auteur suisse, sauf éventuellement à recourir à la clause générale de l' art. 10 al. 1 LDA , question qu'il n'est pas nécessaire de trancher pour les motifs exposés ci-après. 6.5 En l'espèce, l'intimée ne remet pas fondamentalement en cause la théorie de l'État d'émission, mais elle fait valoir que ce principe ne s'applique pas dans le cas présent. Elle ne prétend pas que la diffusion par satellite des oeuvres contenues dans le programme M6 nécessite de manière générale l'autorisation de leurs auteurs ou des ayants droit de ces derniers; en particulier, elle ne soutient pas que la diffusion des oeuvres par la recourante via le signal satellite "français", capté en Suisse, impliquerait une telle autorisation. De l'avis de l'intimée, suivi par la cour cantonale, seule est soumise à une autorisation relevant du droit d'auteur suisse la diffusion des oeuvres par un signal distinct transportant également des publicités destinées au public suisse. En d'autres termes, c'est parce que la recourante cible le public suisse en entrecoupant ou en accompagnant les oeuvres diffusées de messages publicitaires spécifiques que les auteurs desdites oeuvres ou leurs ayants droit devraient autoriser la diffusion par un signal distinct, faute de quoi celle-ci violerait la LDA. L'examen de ce raisonnement suppose de garder à l'esprit l'élément suivant. En tous les cas, une éventuelle exception au principe de l'État d'émission ne peut être justifiée, logiquement, que par des motifs relevant du droit d'auteur. On relèvera au passage que ce sont toujours des considérations liées à la protection des auteurs (reconnaissance ou non du droit exclusif, ampleur de la rémunération selon le public atteint) qui ont donné lieu aux prises de position défavorables à l'application exclusive du droit de l'État d'émission à la radiodiffusion par satellite. Il convient donc de rechercher en quoi la situation des auteurs ou de leurs ayants droit serait spécialement affectée par la diffusion du signal "suisse". Il n'est pas contesté que les oeuvres diffusées sur M6 par le signal "suisse" sont les mêmes que celles transportées par le signal "français" et que leur diffusion est simultanée quel que soit le satellite par lequel elles transitent. Par ailleurs, l'empreinte du satellite relayant le signal "suisse" et celle du satellite relayant le signal "français" comprennent les territoires suisse et français, de sorte que chaque signal peut être capté dans les deux pays. La différence entre les deux signaux réside dans le contenu des messages publicitaires qui entrecoupent, précèdent ou suivent les oeuvres diffusées. BGE 136 III 232 S. 244 Il est admis que les interruptions de publicité jalonnant la diffusion d'oeuvres audiovisuelles constituent des atteintes au droit à l'intégrité, lequel confère à l'auteur le droit exclusif de décider si, quand et de quelle manière l'oeuvre peut être modifiée (cf. art. 11 al. 1 let. a LDA ) (DESSEMONTET, op. cit. 1, n° 294 p. 221). L' art. 14 par. 1 CETT prévoit du reste que la publicité peut, sous réserve d'exceptions, être insérée pendant les émissions, mais "de façon à ne pas porter atteinte à l'intégrité et à la valeur des émissions et de manière qu'il ne soit pas porté préjudice aux droits des ayants droit", donc des auteurs et des créateurs (cf. Rapport explicatif relatif à la Convention européenne sur la télévision transfrontière, p. 41). L'atteinte résulte du fait que l'atmosphère créée par l'oeuvre ainsi que le rythme de la narration sont affectés par l'interruption (cf. KARL-NIKOLAUS PEIFER, Werbeunterbrechungen in Spielfilmen nach deutschem und italienischem Urheberrecht, GRUR Int. 1995 p. 28). Si le droit d'auteur est touché, c'est parce que l'oeuvre n'est pas diffusée d'une seule traite. En revanche, le contenu des messages publicitaires transmis pendant l'interruption apparaît dénué de toute pertinence. En l'espèce, le fait que les publicités entrecoupant les oeuvres diffusées soient destinées aux consommateurs suisses plutôt que français est sans incidence sur le droit à l'intégrité de l'oeuvre. A fortiori, il en va de même lorsque les messages publicitaires précèdent ou suivent la diffusion des oeuvres. On ne discerne dès lors pas en quoi la situation des auteurs ou de leurs ayants droit - en l'occurrence les producteurs de séries télévisées - serait affectée plus sévèrement par la diffusion de leurs oeuvres via le signal "suisse" que par la transmission via le signal "français". L'intimée fait grand cas des contrats conclus par la recourante avec les maisons de distribution ou de production, car ceux que le diffuseur français a produits n'incluent pas la Suisse dans les territoires de diffusion. En premier lieu, la question de savoir si le droit d'auteur suisse est applicable dans le cas présent ne saurait dépendre des contrats passés entre le radiodiffuseur étranger et les titulaires des droits d'auteur (cf. WERNER RUMPHORST, Satellitenfernsehen und Urheberrecht - Kritische Anmerkungen zur sogenannten Theorie des intendierten Sendegebietes, GRUR Int. 1992 p. 911). Au demeurant, la circonstance selon laquelle la Suisse ne figure pas dans la zone contractuelle de diffusion s'impose quel soit le signal satellite en jeu. En soi, elle ne peut donc justifier, dans le domaine du droit d'auteur, un traitement différencié de la diffusion via le signal "suisse" par rapport à la transmission via le signal "français". BGE 136 III 232 S. 245 En conclusion, on ne distingue aucun motif lié à la protection des auteurs ou de leurs ayants droit qui commanderait de traiter différemment la diffusion par le signal "suisse" et celle par le signal "français", en soumettant à autorisation, en vertu du droit suisse, la diffusion transfrontière d'oeuvres par le signal "suisse". En tout état de cause, une exception au principe de l'État d'émission ne saurait entrer en ligne de compte dans le cas particulier. 6.6 Sur le vu de ce qui précède, la LDA ne s'applique pas à la diffusion par satellite d'oeuvres depuis la France, même si le signal en cause contient également des publicités destinées aux téléspectateurs suisses. En particulier, une telle diffusion ne rentre pas dans les comportements qui, selon la LDA, nécessitent l'autorisation des titulaires des droits d'auteur; partant, l'acte incriminé ne porte pas atteinte au droit d'auteur selon la LDA. En conclusion, la cour cantonale a admis à tort que la diffusion d'oeuvres dans le programme M6 par le signal "suisse", sans l'autorisation des titulaires de droits d'auteur, constituait une violation de la LDA. Le recours est bien fondé sur ce point. 7. Il convient encore d'examiner la cause sous l'angle du droit de la concurrence déloyale. 7.1 Aux termes de l' art. 136 al. 1 LDIP , les prétentions fondées sur un acte de concurrence déloyale sont régies par le droit de l'État sur le marché duquel le résultat s'est produit. Comme le programme M6 est capté en Suisse, il s'agit en l'occurrence du droit suisse. 7.2 L'art. 2 de la loi fédérale du 19 décembre 1986 contre la concurrence déloyale (LCD; RS 241) qualifie de déloyal et illicite notamment tout comportement qui contrevient aux règles de la bonne foi et qui influe sur les rapports entre concurrents ou entre fournisseurs et clients. Cette clause générale peut trouver application notamment lorsqu'un comportement tombe sous le coup d'une loi protégeant un bien immatériel, comme la LDA (DAVID/JACOBS, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 4 e éd. 2005, n° 70 p. 22). A l'inverse, un acte qui n'est contraire à aucune de ces lois spéciales n'est en principe pas déloyal au sens de la LCD (VON BÜREN/MARBACH/DUCREY, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 3 e éd. 2008, p. 232 n° 1082; IVAN CHERPILLOD, Urheberrecht, in Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, SIWR vol. II/1, 2006, p. 24; PEDRAZZINI/PEDRAZZINI, Unlauterer Wettbewerb UWG, 2 e éd. 2002, p. 33 n° 3.05). Pour que l'acte, en soi licite, soit BGE 136 III 232 S. 246 qualifié de concurrence déloyale, il faut, en plus, des circonstances particulières qui le fassent apparaître comme contraire aux règles de la bonne foi (VON BÜREN/MARBACH/DUCREY, op. cit., p. 232 n° 1083). Ainsi, ne constitue pas, en règle générale, un acte de concurrence déloyale l'imitation d'un produit qui n'est protégé ni en droit des brevets, ni en droit d'auteur, ni en droit des modèles; mais il y aura procédé déloyal si, par exemple, le client est induit en erreur de façon évitable à propos du fabricant du produit imité ( ATF 116 II 471 consid. 3a/aa p. 472 ss et les arrêts cités). Dans le même ordre d'idées, le Tribunal fédéral a reconnu que, si des importations parallèles en marge d'un réseau de distribution sélective ne violaient pas le droit des marques, cette exploitation par un tiers d'une violation d'obligations contractuelles n'était pas déloyale non plus, sauf si des circonstances particulières la faisaient apparaître comme contraire à la bonne foi ( ATF 122 III 469 consid. 10 p. 485). 7.3 Sous l'angle de la concurrence déloyale, l'intimée s'est vu reconnaître la qualité pour agir en tant que preneur de licence. En effet, la violation de droits immatériels de tiers est un comportement qui peut contrevenir aux règles de la bonne foi et influer sur les rapports entre le preneur de licence et ses clients (arrêt 4A_55/2007 du 29 août 2007 consid. 7.1, in sic! 3/2008 p. 209; DAVID/JACOBS, op. cit., n° 71 p. 22). En l'espèce, comme on l'a vu (consid. 6 supra), le comportement reproché à la recourante ne constitue toutefois pas une violation des droits des donneurs de licence selon la LDA. A ce titre, il ne saurait non plus tomber sous le coup de l' art. 2 LCD . L'intimée a toujours fait valoir que la recourante agissait contrairement aux règles de la bonne foi au sens de l' art. 2 LCD parce qu'elle violait les droits des auteurs des oeuvres diffusées via le signal "suisse" ou de leurs ayants droit. Elle n'a jamais invoqué de circonstances particulières qui, indépendamment d'une violation de la LDA, rendraient déloyal le comportement incriminé (cf. ATF 119 II 51 consid. 3b p. 63 i.f.). A ce propos, il faut constater que la recourante utilise une possibilité technique - la diffusion nécessairement transfrontalière des oeuvres litigieuses - sans qu'un acte illicite puisse lui être imputé par ailleurs. Un acte contraire aux règles de la bonne foi selon la LCD ne peut dès lors être retenu à la charge de la recourante. 7.4 En admettant que la diffusion incriminée violait la LCD, la cour cantonale a méconnu le droit fédéral de sorte que le recours est également fondé à cet égard.
null
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2,010
CH_BGE
CH_BGE_005
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Federation
96dd8981-ee3e-408d-9d9a-9b4e4416040d
Urteilskopf 112 Ib 241 40. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 17 octobre 1986 dans la cause Voeffray et consorts c. Tribunal administratif du canton du Valais (recours de droit administratif)
Regeste Grundstückerwerb durch Personen im Ausland. Art. 21 Abs. 3 BewG : Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Verletzung selbständigen kantonalen Rechts. Die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts ist auf Willkür beschränkt (E. 1). Art. 13 Abs. 1 BewG : weitergehende kantonale Beschränkungen. Bei Art. 6 Abs. 1 des Dekrets des Walliser Grossen Rates vom 1. Februar 1985, wonach für ausserhalb der Bauzone gelegene Grundstücke keine Kontingente erteilt werden dürfen, handelt es sich um eine zulässige kantonale Beschränkung nach Art. 13 Abs. 1 BewG (E. 2). Die Annahme der Behörde, die Bauzone werde durch den kommunalen Zonenplan definiert, stellt keine willkürliche Anwendung dieser kantonalen Bestimmung dar (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 242 BGE 112 Ib 241 S. 242 Raymond Voeffray est propriétaire, à titre fiduciaire, d'un complexe immobilier constitué en propriété par étages, issu de la transformation de l'Hôtel d'Evolène et de ses dépendances. Bernard Mariéthoz, Jacques et Michel Fournier en sont les fiduciants. Ces bâtiments sont situés sur les parcelles Nos 214, 215, 216 (folio 26), 729 et 730 (folio 29) du cadastre communal d'Evolène, soit en zone sans affectation spéciale au sens de l'art. 72 lettre a du règlement communal sur la police des constructions. La transformation de l'Hôtel d'Evolène en appartements de vacances a été autorisée par le Service cantonal des constructions et la commune d'Evolène les 2 juillet 1984 et 16 janvier 1985, après la décision du Conseil d'Etat valaisan du 25 avril 1984 qui annulait le refus de la commune de délivrer le permis de bâtir. Le 15 mai 1985, Raymond Voeffray a requis en son nom, et pour le compte des fiduciants, l'attribution de dix unités d'autorisation de vente d'immeubles à des personnes à l'étranger. Par décision du 21 juin 1985, le Service juridique du registre foncier a rejeté la requête. Il a estimé que la demande d'autorisation concernait des logements de vacances situés à l'extérieur de la zone à bâtir de la commune d'Evolène, ce qui, en vertu de l'art. 6 al. 1 du décret cantonal du 1er février 1985 réglant provisoirement l'application de la LFAIE, excluait l'octroi d'une unité de contingent. Raymond Voeffray, agissant pour lui-même et pour le compte des fiduciants, a recouru contre cette décision auprès du Tribunal administratif du canton du Valais qui, par arrêt du 5 décembre 1985, a rejeté le recours. Raymond Voeffray, Bernard Mariéthoz, Jacques et Michel Fournier ont formé un recours de droit public contre l'arrêt du Tribunal administratif du 5 décembre 1985 et conclu à son annulation. BGE 112 Ib 241 S. 243 Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable en tant que recours de droit public et l'a rejeté dans la mesure où il était recevable en tant que recours de droit administratif. Erwägungen Considérant en droit: 1. a) Aux termes de l'art. 21 al. 3, 1re phrase de la loi fédérale du 16 décembre 1983 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger, entrée en vigueur le 1er janvier 1985 (LFAIE; RS 211.412.41), la voie du recours de droit administratif est aussi ouverte contre les décisions fondées sur le droit public cantonal. Dans le cas particulier, la décision attaquée a été prise en application du décret cantonal du 1er février 1985 réglant provisoirement l'application de la LFAIE dans le canton du Valais. Ce décret contient les dispositions d'exécution et les dispositions législatives complémentaires que les cantons peuvent arrêter provisoirement par voie d'ordonnance non sujette au référendum, en application de l' art. 36 al. 2 LFAIE . Il est entré en vigueur le 15 avril 1985, après avoir été approuvé par le Conseil fédéral ( art. 36 al. 3 LFAIE ). En vertu de l' art. 21 al. 3 LFAIE , la voie du recours de droit administratif est donc ouverte contre l'arrêt du Tribunal administratif du 5 décembre 1985, de sorte que le présent recours n'est pas recevable comme recours de droit public ( art. 84 al. 2 OJ ). La désignation erronée d'un moyen de recours ne devant toutefois pas nuire à son auteur ( ATF 110 Ia 69 consid. 2, ATF 110 Ib 65 , ATF 109 Ib 143 , 182), il y a lieu de traiter l'acte des recourants comme un recours de droit administratif. b) En vertu de l' art. 103 lettre a OJ , la qualité pour recourir appartient à quiconque est atteint par la décision attaquée et a un intérêt digne de protection à ce qu'elle soit annulée. Dans le cas particulier, les recourants sont liés entre eux par un contrat de fiducie du 30 octobre 1982, selon lequel Raymond Voeffray a acheté l'Hôtel d'Evolène pour le compte des fiduciants, dans le but de le transformer en appartements et de procéder à la constitution de la propriété par étages. Les fiduciants n'ont donc, en principe, aucun droit juridiquement protégé à obtenir des autorisations de vendre à des personnes domiciliées à l'étranger. Compte tenu de leur situation, ils ont cependant un intérêt digne de protection, au sens de l' art. 103 lettre a OJ , à ce que de telles autorisations soient accordées. Il y a lieu dès lors d'admettre BGE 112 Ib 241 S. 244 qu'aussi bien le fiduciaire que les fiduciants ont qualité pour agir par la voie du recours de droit administratif. c) Lorsqu'il est saisi d'un recours de droit administratif dirigé contre une décision émanant d'un tribunal cantonal ou d'une commission indépendante de l'administration, le Tribunal fédéral est lié par les faits constatés dans la décision attaquée, sauf s'ils sont manifestement inexacts ou incomplets ou s'ils ont été établis au mépris de règles essentielles de procédure ( art. 105 al. 2 OJ ). En droit, il n'est pas lié par les motifs que les parties ont, ou n'ont pas, fait valoir ( art. 114 al. 1 OJ ) et il revoit d'office l'application du droit fédéral ( art. 104 lettre a OJ ). Le Tribunal fédéral peut donc annuler la décision attaquée pour d'autres motifs que ceux invoqués dans le mémoire de recours ou rejeter le recours pour d'autres raisons que celles retenues dans la décision entreprise ( ATF 108 Ib 275 consid. 2b, ATF 107 Ib 91 consid. 1). En outre, si le recours est formé pour violation d'une disposition du droit cantonal autonome en matière d'acquisition d'immeubles par les personnes à l'étranger, le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral est limité à l'arbitraire (art. 21 al. 3, 2e phrase LFAIE). d) Les moyens tirés de la violation des droits constitutionnels sont en principe recevables dans le cadre d'un recours de droit administratif ( ATF 110 Ib 257 , 105 Ib 403/404 consid. 4 et les arrêts cités). Toutefois, en l'espèce, les recourants se prévalent de la violation des art. 22ter et 31 Cst. , moyens qui ne peuvent en aucun cas être soulevés en matière d'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger. Dans ce domaine, toute la législation a en effet pour but de prévenir l'emprise étrangère sur le sol suisse ( art. 1er LFAIE ). Or ce but d'intérêt public s'oppose précisément aux intérêts privés des particuliers. Le Tribunal fédéral ne saurait donc, par le biais de l'examen des dispositions cantonales prises en application de l' art. 36 al. 2 LFAIE , remettre en cause la constitutionnalité de la loi fédérale elle-même ( art. 113 al. 3 Cst. ). Il lui appartient uniquement, dans cette hypothèse, d'examiner si les cantons ont respecté les compétences législatives et juridictionnelles que leur attribue la nouvelle loi. Les moyens tirés des art. 22ter et 31 Cst. sont dès lors irrecevables dans le cadre d'un recours de droit administratif fondé sur l' art. 21 al. 3 LFAIE . e) Les limites du pouvoir d'examen du Tribunal fédéral étant ainsi définies, il y a lieu d'entrer en matière sur le présent recours qui, pour le reste, satisfait aux exigences des art. 97 ss OJ . BGE 112 Ib 241 S. 245 2. Les recourants font valoir en premier lieu que la mesure restrictive de l'art. 6 al. 1 du décret du Grand Conseil valaisan du 1er février 1985 sort du cadre fixé au législateur cantonal par la base légale de droit fédéral, telle qu'elle est prévue à l' art. 13 al. 1 LFAIE . L'art. 6 al. 1 du décret du 1er février 1985 exclut l'attribution de contingents aux immeubles sis en dehors de la zone à bâtir, à l'exception du cas de rigueur ( art. 8 al. 3 LFAIE ). Contrairement à ce que les recourants prétendent dans leur argumentation au fond, il ne s'agit pas d'une disposition d'exécution de la LFAIE, mais bien d'une disposition législative que les cantons ont la compétence d'édicter lorsque la loi le prévoit. Sur le plan formel, l' art. 36 al. 2 LFAIE permet aux cantons d'adopter immédiatement ces dispositions par voie d'ordonnance non sujette au référendum, puis par la voie législative dans les trois ans qui suivent l'entrée en vigueur de la LFAIE. Quant au contenu de la délégation, l' art. 3 al. 2 LFAIE pose le principe général que les cantons peuvent, pour sauvegarder les intérêts qui leur sont propres, prévoir des motifs supplémentaires d'octroi de l'autorisation et des restrictions plus sévères. Cette dernière faculté leur est accordée par l' art. 13 al. 1 LFAIE qui dispose: "Les cantons peuvent soumettre, par la voie législative, l'acquisition de logements de vacances et d'appartements dans les apparthôtels à des restrictions plus sévères, notamment: a. Introduire un blocage des autorisations; b. N'autoriser l'acquisition de logements de vacances que sous forme de la propriété par étages ou dans le cadre d'un autre ensemble de logements de vacances; c. N'autoriser, pour un ensemble de logements de vacances et d'appartements dans un apparthôtel, l'acquisition qu'à concurrence d'une quote-part déterminée des locaux d'habitation; d. Prévoir un droit de préemption, à la valeur vénale, en faveur de personnes non assujetties au régime de l'autorisation; e. Limiter l'acquisition à un droit de superficie, d'habitation ou d'usufruit." Le texte de cette disposition a été modifié par rapport au projet initial du Conseil fédéral (art. 10; voir FF 1981 III, p. 625/626); la Commission chargée de l'examen du projet de loi a, en particulier, ajouté l'adverbe "notamment", avant de mentionner les mesures typiques que les cantons peuvent adopter. L'art. 10 al. 1 du projet n'a cependant donné lieu à aucune discussion aux Chambres fédérales, seul l'al. 3 de cette norme - qui permet aux communes d'introduire elles-mêmes les restrictions plus sévères BGE 112 Ib 241 S. 246 - ayant été débattu (voir BO CN 1983 vol. I, p. 184 ss; BO CE 1983, p. 414). Il ressort ainsi clairement du texte de l' art. 13 al. 1 LFAIE que les mesures sont énumérées à titre exemplatif et que les cantons - ou les communes (al. 2) - ont la faculté de prévoir d'autres restrictions par voie législative. Cette interprétation de l' art. 13 al. 1 LFAIE ne laisse subsister aucun doute, si l'on se réfère au texte de l' art. 9 LFAIE qui donne une liste exhaustive des motifs supplémentaires d'autorisation que les cantons peuvent introduire dans leur législation (voir KRAUSKOPF et MAÎTRE, Acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger, in Droit de la construction 1986/1, p. 3 ss). Au contraire de l' art. 9 LFAIE qui délimite de façon précise les cas où l'autorisation peut être accordée, l' art. 13 LFAIE donne aux cantons un large pouvoir d'appréciation pour restreindre, selon leurs besoins, l'acquisition de logements de vacances et d'appartements dans des apparthôtels. Ils ont donc la possibilité, sur la base de l' art. 13 al. 1 lettre a LFAIE , d'introduire un blocage total des autorisations ou de limiter ce blocage à une partie du territoire communal, suivant la politique de développement touristique qu'ils désirent poursuivre (voir PATRY, Les fondements de la nouvelle loi fédérale sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger, in Revue suisse du notariat et du registre foncier 1984/6, p. 339). En l'espèce, la restriction prévue par l'art. 6 al. 1 du décret du 1er février 1985, qui consiste à refuser l'octroi d'une unité de contingent en dehors de la zone à bâtir, revient à introduire un blocage des autorisations sur une partie du territoire des communes valaisannes. Ce blocage partiel s'inscrit parfaitement dans le cadre de l' art. 13 al. 1 lettre a LFAIE . Partant, le Grand Conseil valaisan n'a pas outrepassé la compétence que lui attribue la loi fédérale en édictant cette disposition. Le recours doit dès lors être rejeté dans la mesure où il porte sur le défaut de base légale de l'art. 6 al. 1 du décret du 1er février 1985. 3. a) Les recourants prétendent ensuite que le Tribunal administratif aurait donné à la notion de zone à bâtir, contenue à l'art. 6 al. 1 du décret, une interprétation que le législateur n'a pas voulue, en particulier parce que celui-ci s'est référé à la notion de zone à bâtir, telle qu'elle était définie à l'art. 14 de l'ordonnance sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger du 21 décembre 1973, modifiée au 11 février 1976 (aOAIE; RO 1976, p. 612). En outre, rien n'indiquerait, dans les travaux préparatoires, que le législateur ait eu l'intention d'exclure BGE 112 Ib 241 S. 247 l'octroi d'une autorisation dans le cas d'un immeuble situé, comme en l'espèce, à proximité du centre d'une agglomération villageoise fortement bâtie. De son côté, le Tribunal administratif fait observer que le Conseil d'Etat devait, d'après les travaux préparatoires du Grand Conseil, prendre en considération les plans de zones communaux comme critère pour l'établissement de la liste des lieux touristiques (Bulletin des séances du Grand Conseil valaisan, session prorogée de novembre 1984, janvier/février 1985, p. 202; en abrégé: BSGC). Il maintient ainsi son point de vue, selon lequel la notion de zone à bâtir de l'art. 6 al. 1 est identique à celle du droit de l'aménagement du territoire et de la police des constructions, et en déduit qu'en l'absence de lacune de la loi cantonale, il y avait lieu de refuser les autorisations sollicitées. b) Le Tribunal fédéral examine sous l'angle restreint de l'arbitraire la violation d'une disposition du droit cantonal autonome (art. 21 al. 3, 2e phrase LFAIE). Selon la jurisprudence, une décision est arbitraire lorsqu'elle viole gravement une norme ou un principe juridique clair et indiscuté, ou lorsqu'elle contredit d'une manière choquante le sentiment de la justice et de l'équité; à cet égard, le Tribunal fédéral ne s'écarte de la solution adoptée par l'autorité cantonale de dernière instance que si celle-ci apparaît insoutenable, en contradiction manifeste avec la situation effective, adoptée sans motifs objectifs et en violation d'un droit certain ( ATF 111 Ia 19 , 109 Ia 22 et les arrêts cités). En outre, il ne suffit pas que les motifs de la décision critiquée soient insoutenables; encore faut-il que cette dernière soit arbitraire dans son résultat ( ATF 106 Ia 314 /315, ATF 103 Ia 581 consid. 5). c) Dans son message sur le projet de décret réglant provisoirement l'application de la LFAIE, le Conseil d'Etat valaisan a repris la proposition de la Fédération économique du Valais qui tendait à limiter l'acquisition de logements de vacances à la zone à bâtir (BSGC p. 201). Par la mesure d'exclusion prévue à l'art. 6 al. 1, il s'agissait, en premier lieu, "d'encourager la concentration du développement dans les zones destinées réellement au tourisme". Cette proposition n'a pas été discutée par la Commission du Grand Conseil (BSGC p. 218), ni par les députés (BSGC p. 232). Il ressort aussi du Message (ad art. 2 du projet BSGC p. 202) que par "zones destinées au tourisme", il faut comprendre les lieux que le Conseil d'Etat est chargé de déterminer BGE 112 Ib 241 S. 248 tous les deux ans par voie d'ordonnance, en tenant compte des objectifs quantitatifs de développement concernant l'augmentation de l'offre de lits, ainsi que du plan de zone de chaque commune ou région touristique. Au vu de cet examen, rien n'indique que le législateur cantonal ait voulu se référer à l' art. 14 al. 1 aOAIE qui, s'il prévoyait que la zone à bâtir était délimitée par un plan de zone (lettre a), considérait aussi comme zone à bâtir "un immeuble précédemment construit qui doit servir de séjour personnel à l'acquéreur" (lettre c). Il faut d'ailleurs relever que la nouvelle ordonnance sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger du 1er octobre 1984 (OAIE; RS 211.412.411) ne contient plus de définition de la zone à bâtir; cette notion relève en effet des dispositions sur l'aménagement du territoire, depuis l'entrée en vigueur de la LAT le 1er janvier 1980. Dans ces conditions, le Tribunal administratif a considéré à juste titre que la notion de zone à bâtir contenue à l'art. 6 al. 1 du décret du 1er février 1985 recouvrait celle définie par les plans de zones communaux. d) Dans l'annexe à l'ordonnance du Conseil d'Etat du 27 mars 1985 désignant les lieux où l'acquisition de logements de vacances ou d'appartements dans un apparthôtel par des personnes à l'étranger est nécessaire au développement du tourisme ( art. 9 al. 3 LFAIE ), figure la commune d'Evolène, dont la totalité de la zone à bâtir est ouverte à la vente aux étrangers. Il n'est toutefois pas contesté qu'en l'espèce, l'immeuble des recourants est situé hors de la zone à bâtir et que l'autorisation de construire dont ils ont bénéficié leur a été accordée sur la base d'une dérogation, en application des art. 24 al. 2 LAT et 16 de l'ordonnance cantonale réglementant provisoirement l'introduction de la LAT, qui fixent précisément les conditions posées pour l'octroi de dérogations hors de la zone à bâtir. Si l'Hôtel d'Evolène, construit en 1890, se trouve certes au centre de l'agglomération villageoise, le Tribunal fédéral ne peut toutefois pas revoir un plan de zones communal dans le cadre d'un cas d'application de la LFAIE. Du moment que son pouvoir d'examen est limité à l'arbitraire, il doit admettre que la solution retenue par les autorités cantonales, qui consiste à appliquer de manière stricte l'art. 6 al. 1 du décret du 1er février 1985, n'est pas insoutenable. On ne saurait au demeurant considérer que cette solution a été adoptée sans motifs objectifs, dans la mesure où le contingent initial du canton du Valais pour la période 1985/1986 a été fixé à 475 unités (voir annexe de BGE 112 Ib 241 S. 249 l'OAIE), ce qui ne permet guère de prendre en considération les situations exceptionnelles. Les griefs des recourants, tirés de l'interprétation et de l'application arbitraire de l'art. 6 al. 1 du décret du 1er février 1985, doivent dès lors être rejetés.
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1,986
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Urteilskopf 103 II 220 38. Arrêt de la Ire Cour civile du 17 mai 1977 dans la cause Murer S.A. contre Max Schmidt et consorts
Regeste Art. 25 BZP . Nichteintreten auf eine Feststellungsklage mangels eines rechtlichen Interesses an sofortiger Feststellung (E. 2 bis E. 4).
Sachverhalt ab Seite 220 BGE 103 II 220 S. 220 L'entreprise de travaux publics Murer AG a ouvert action devant le Tribunal fédéral, conformément à l'art. 41 litt. c OJ, en prenant les conclusions suivantes: "La répartition finale des comptes de la société simple City-Blécherette composée de Murer S.A. et de Max Schmidt, Gérard Wurlod, Hans Gerber, les hoirs de feu Ernest George, Jean Moret, Stanislas Liberek, Pierre Thomas, Michel Liberek, Jean-Pierre Crottaz, Bernard Buchs devra tenir compte de la perte subie par la société Murer S.A. dont le montant sera arrêté d'entente entre parties à défaut par le Tribunal fédéral dans une procédure ultérieure." La demanderesse fait valoir que Mobag S.A., chargée en tant qu'entrepreneur général de la construction de plusieurs BGE 103 II 220 S. 221 immeubles pour le compte de la société simple City-Blécherette, lui a confié les travaux de béton armé et de génie civil. Elle s'est heurtée, dans l'exécution d'une partie de ces travaux, à des difficultés extraordinaires tenant à la qualité du sol, qui ont retardé et renchéri la construction, et a dès lors demandé à la société simple le règlement du problème financier créé par ces difficultés. Après avoir obtenu un supplément de 725'000 fr. à la suite d'une transaction avec Mobag S.A., elle a informé la société simple qu'elle avait subi une perte de 1'941'949 fr. 50. La société simple a refusé d'entrer en matière sur cette revendication, alors même qu'elle est en mesure de distribuer à ses membres, après remboursement de leur mise de fonds, un bénéfice de 1'500'000 fr. environ. En droit, la demanderesse invoque la promesse que la société simple lui a faite de couvrir ses pertes éventuelles ( art. 97 ss CO ), ainsi que les art. 531 et 537 al. 1 CO . Erwägungen Considérant en droit: 1. La demanderesse invite le Tribunal fédéral à constater que les pertes qu'elle a subies en exécutant le contrat d'entreprise conclu avec Mobag S.A. doivent être comprises dans la "répartition finale des comptes de la société simple City-Blécherette". Elle indique à combien s'élèvent ces pertes mais ne justifie pas le montant donné, se réservant "de soumettre à nouveau au Tribunal fédéral la solution d'un éventuel litige sur les chiffres". La demande ne renferme pas de conclusions en paiement d'une somme d'argent. Elle tend seulement à la constatation du rapport de droit dont la demanderesse déduit ses prétentions. 2. Une action ne peut être intentée, devant le Tribunal fédéral en instance unique, à l'effet de faire constater l'existence ou l'inexistence d'un rapport de droit, que lorsque le demandeur a un intérêt juridique à une constatation immédiate ( art. 25 PCF ). La procédure civile fédérale subordonne donc la recevabilité de l'action en constatation de droit aux mêmes conditions que celles qui, en procédure cantonale, doivent amener les tribunaux à entrer en matière, en vertu du droit fédéral ( ATF 96 II 131 consid. 2 et les citations). Statuant comme juridiction unique, le Tribunal fédéral ne peut donc pas examiner quant au fond une action en constatation BGE 103 II 220 S. 222 de droit en l'absence d'un intérêt juridique du demandeur à une constatation immédiate. Peu importe que le droit cantonal de procédure admette la recevabilité d'une telle action à des conditions moins strictes, lorsque le droit fédéral ne l'interdit pas expressément ou par analogie ( ATF 92 II 108 , 84 II 495, 691). 3. L'exigence d'un intérêt juridique à une constatation immédiate ne signifie pas que l'action en constatation de droit doit être intentée aussitôt après la constitution du rapport juridique litigieux. Les termes "constatation immédiate" veulent simplement dire que le demandeur doit avoir un intérêt juridique à la constatation anticipée, lorsqu'une action postérieure tendant à l'obtention d'une prestation entre en considération ( ATF 91 II 410 consid. 4 c). Un tel intérêt fait en principe défaut, lorsque les prétentions du demandeur sont totalement exigibles et pourraient dès lors d'ores et déjà faire l'objet d'une action condamnatoire ( ATF 99 II 173 s., ATF 97 II 375 , ATF 96 II 131 consid. 2). Le Tribunal fédéral a fait exception à cette règle dans l'arrêt ATF 97 II 375 consid. 2: il est entré en matière sur une action tendant à faire constater que la défenderesse devait assumer les frais de déplacement d'une conduite en considérant que les deux parties étaient des corporations de droit public, ce qui permettait d'admettre que les obligations résultant d'un jugement déclaratoire de droit seraient exécutées. 4. La demanderesse déduit l'obligation de la société simple d'assumer la perte alléguée d'une promesse que cette société lui aurait faite. Elle ne précise toutefois pas quel jour et par quelle personne cette promesse aurait été donnée, ni quelle en était la teneur exacte. Le procès-verbal No 16 du 20 décembre 1971, que la demanderesse invoque comme moyen de preuve à l'appui de son affirmation selon laquelle une solution a été trouvée au sein de la société simple, ne contient pas de déclarations qui pourraient être interprétées comme une promesse de répondre de la perte subie par la demanderesse. Ce procès-verbal fait seulement état, sous ch. 2, des pourparlers menés le 20 décembre 1971 avec les représentants de la demanderesse, pourparlers à l'issue desquels la société simple s'est déclarée prête à contribuer par 275'000 fr. aux frais supplémentaires invoqués par la demanderesse, de sorte que celle-ci devait toucher 725'000 fr., soit 450'000 fr. de BGE 103 II 220 S. 223 Mobag S.A. et 275'000 fr. de la société simple (par les crédits de construction). L'ingénieur Monod s'est déclaré d'accord avec cette somme, pour le compte de la demanderesse. Une convention (non datée) est dès lors intervenue entre Mobag S.A. et la demanderesse par laquelle la première promettait à la seconde une augmentation du prix des travaux de 725'000 fr. Le procès-verbal du 20 décembre 1971 ne contient pas trace d'une obligation contractée par la société simple d'assumer la perte de la demanderesse, bien que l'ingénieur Monod ait déclaré alors que la demanderesse réclamerait au moins 1'250'000 fr. en cas de procès. La demanderesse ne prétend pas que la promesse alléguée aurait été donnée à l'issue de pourparlers ultérieurs. Elle ne requiert l'audition d'aucun témoin à l'appui de son allégation selon laquelle elle a continué les travaux "sur la foi des promesses faites". A supposer même que l'on puisse admettre l'existence de la promesse alléguée, l'obligation de la société simple d'assumer la perte de la demanderesse est devenue exigible au plus tard lorsque cette perte s'est produite dans sa totalité (art. 75, combiné avec l' art. 151 CO ). Une convention contraire n'est pas alléguée. Etant donné que la demanderesse a terminé ses travaux, qu'elle indique avec précision et au centime près le montant de la perte prétendue et qu'elle ne dit pas que cette perte s'accroîtra encore à l'avenir, elle n'a pas d'intérêt juridique à ne demander en justice que la constatation du rapport de droit, en se réservant d'ouvrir plus tard une action condamnatoire. On ne se trouve pas non plus dans un cas d'exception tel que celui de l'arrêt ATF 97 II 371 ss. Un simple jugement déclaratoire de droit ne garantirait pas l'exécution de la prestation par les défendeurs. Les parties ne considèrent d'ailleurs le jugement qu'elles sollicitent que comme une décision préliminaire. La Convention de procès direct prévoit en effet que "les parties pourraient, sur la base de ce jugement préliminaire, tenter de trouver un accord financier sur le quota des pertes imputables à la société simple, à défaut de quoi elles s'engagent d'ores et déjà à soumettre le montant que Murer S.A. est en droit de mettre en compte à la société simple au Tribunal fédéral, dans un deuxième temps". L'intérêt de la demanderesse à pouvoir éventuellement conclure une transaction après le jugement de la présente action est un simple intérêt de fait, qui ne suffit pas pour que BGE 103 II 220 S. 224 l'action en constatation de droit soit recevable. La demanderesse ne justifie d'ailleurs pas d'un intérêt juridique à la constatation du rapport de droit dont elle se prévaut. Au surplus, les allégations sommaires de la demande ne sauraient permettre au Tribunal fédéral d'admettre avec certitude l'existence d'un engagement tacite de la société simple d'assumer les pertes de la demanderesse. Il faudrait, pour juger selon les règles de la bonne foi, connaître l'ensemble des circonstances, notamment la nature, les causes et le détail des pertes invoquées; ces éléments sont en effet déterminants pour que l'on puisse dire si et dans quelle mesure la demanderesse peut réclamer à Mobag S.A. une augmentation du prix de l'ouvrage, selon l' art. 373 al. 2 CO . 5. La jurisprudence permet d'appliquer par analogie l' art. 60 OJ à des actions dont le Tribunal fédéral est saisi comme juridiction unique. Il peut ainsi décider à l'unanimité, sans recueillir de réponse, sans débats préparatoires ni délibérations publiques, de ne pas entrer en matière ( ATF 92 II 214 consid. 5, ATF 96 II 351 consid. 7) ou de rejeter l'action ( ATF 101 II 303 ). En l'espèce, la demande doit être déclarée irrecevable (art. 60 al. 1 litt. a OJ), sans qu'il soit nécessaire de recueillir une réponse; un exemplaire du mémoire de demande est communiqué au mandataire des défendeurs pour information. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Déclare la demande irrecevable.
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1,977
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CH_BGE_004
CH
Federation
96dfd547-2a95-4d6d-8c44-8113a7480ce7
Urteilskopf 101 Ia 182 32. Urteil vom 17. Juni 1975 i.S. Ammann und Mitbeteiligte gegen Grosser Rat des Kantons Freiburg.
Regeste Art. 4 BV ; Freiburger Gesetz vom 25. September 1974 über die Besteuerung der Schiffe. Rechtliche Natur der Schiffssteuer (E. 1). Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes, der die Steuer für ausserhalb des Kantons ansässige Schiffshalter auf das Doppelte erhöht, verstösst gegen den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung (E. 2). Eingeschränkte Befugnis des Verfassungsrichters zur Überprüfung des Steuertarifs an sich (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 182 BGE 101 Ia 182 S. 182 Der Kanton Freiburg erliess am 25. September 1974 (publiziert am 8. November 1974) ein Gesetz über die Besteuerung der Schiffe, die im Kanton Freiburg ihren Heimathafen haben. Die Steuer beträgt für Ruderboote Fr. 20.--, für Segelboote (je nach Segelfläche und Ausrüstung mit oder ohne Motor) Fr. 20.-- bis Fr. 70.--, für Motorboote bis 10 PS Nutzlast Fr. 40.-- mit einem Zuschlag von je Fr. 5.-- für zusätzliche Voll- oder Teil-PS. Gemäss Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes wird die Steuer für Schiffshalter, die ausserhalb des Kantons Wohnsitz haben, auf das Doppelte erhöht. Gegen den Gebührentarif und Art. 2 Abs. 3 des Gesetzes erheben 20 Schiffshalter mit Wohnsitz in anderen Kantonen BGE 101 Ia 182 S. 183 staatsrechtliche Beschwerde. Sie behaupten einerseits, es handle sich bei der umstrittenen Abgabe entgegen der irreführenden Bezeichnung des Gesetzes nicht um eine Steuer, sondern um eine Verwaltungsgebühr; diese sei daher nach den für Gebühren geltenden Bemessungsgrundsätzen zu erheben. Andererseits machen sie geltend, die Verdoppelung der Abgabe für die Schiffshalter mit Wohnsitz in anderen Kantonen verletze die in Art. 4 BV garantierte Rechtsgleichheit. Selbst wenn die Abgabe als Steuer zu betrachten wäre, müssten alle Bootshalter ohne Rücksicht auf ihren Wohnsitz innerhalb oder ausserhalb des Kantons rechtsgleich belastet werden. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführer bestreiten in erster Linie den Steuercharakter der von den Schiffshaltern erhobenen Abgabe. Es stellt sich daher zunächst die Frage nach der rechtlichen Natur dieser Schiffssteuer. Nach dem Gesetz betreffend die Besteuerung der Schiffe vom 25. September 1974 wird die umstrittene Abgabe von den Schiffshaltern voraussetzungslos erhoben; die Leistungspflicht trifft unabhängig von einer Gegenleistung des Staates oder von der Einräumung eines besonderen Vorteils all jene Personen, die den vom Gesetz als abgabepflichtig bezeichneten Sachverhalt erfüllen, das heisst all diejenigen, die Halter eines Schiffes sind, dessen Heimathafen Sich im Kanton Freiburg befindet. Dieses Merkmal der Voraussetzungslosigkeit stempelt die Abgabe zur Steuer, und zwar, da sie an den Besitz eines Schiffes angeknüpft wird, zur Objektsteuer oder Besitzessteuer auf Schiffen. Der Ertrag der Abgabe wird denn auch nicht für einen besonderen Staatszweck vorbehalten. Die Tatsache, dass der Kanton Freiburg die betreffenden Einnahmen zur Deckung der Unkosten verwenden will, die dem Kanton aus der Schiffahrt erwachsen, macht die Schiffssteuer nicht zur Gebühr, sondern lässt sie als Zwecksteuer erscheinen (vgl. BGE 90 I 94 f. mit Hinweis auf weitere Urteile). - In der von den Schiffshaltern erhobenen Abgabe sind jedoch auch Elemente einer Gebühr enthalten. Sie schliesst einerseits ein Entgelt für die polizeiliche Überwachung der Schiffe ein, andererseits eine Gebühr für die Bewilligung, die Schiffe auf den öffentlichen Gewässern ständig zu stationieren, was als gesteigerter BGE 101 Ia 182 S. 184 Gemeingebrauch oder, je nach kantonalem Recht, als konzessionspflichtige Sondernutzung betrachtet werden kann (vgl. BGE 95 I 249 ). Damit qualifiziert sich die fiskalische Belastung von Schiffshaltern - ähnlich wie die kantonale Motorfahrzeugsteuer - als eine Gemengsteuer, die nach ihren überwiegenden Merkmalen rechtlich als Steuer zu behandeln ist ( BGE 99 Ia 540 , BGE 99 Ia 240 mit Literaturhinweisen; BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. A. S. 162). 2. Der Freiburger Gesetzgeber hat die Steuern für die Schiffshalter, die ausserhalb des Kantons Freiburg wohnen, verdoppelt. Er trifft die Unterscheidung damit nicht nach dem Bürgerrecht der Steuerpflichtigen, was gegen Art. 60 BV verstossen würde ( BGE 99 Ia 632 ), sondern nach dem Wohnsitz. Mit dieser Differenzierung hat sich das Bundesgericht in jüngster Zeit verschiedentlich auseinandergesetzt. Es hat dabei festgestellt, dass sich ein Unterschied in der steuerlichen Belastung nur dann vor Art. 4 BV rechtfertigen lässt, wenn der rechtlichen Ungleichbehandlung eine tatsächliche Verschiedenheit der zu regelnden Verhältnisse zu Grunde liegt. So hat es in BGE 99 Ia 355 und BGE 100 Ia 75 Kurtaxengesetze als verfassungswidrig erklärt, die ausserkantonale Eigentümer von Ferienhäusern trotz gleichen tatsächlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen schlechter stellten als die im Kanton ansässigen Hauseigentümer. Es stellt sich auch hier die Frage, ob in den tatsächlichen Verhältnissen vernünftige Gründe vorhanden sind, um vom Grundsatz der Allgemeinheit und Gleichheit der Besteuerung abzuweichen. In der Botschaft an den Grossen Rat hat der Staatsrat die gerügte Differenzierung wie folgt begründet: "Dieser Zuschlag rechtfertigt sich. Er wird auch in anderen Bereichen zugelassen. Der Preis eines Fischer- oder Jagdpatents ist z.B. um 100% höher, wenn der Fischer oder Jäger nicht mindestens seit 6 Monaten im Besitz einer Niederlassungsbewilligung unseres Kantons ist. Die Schulgebühren sind ebenfalls erhöht, wenn der Schüler ausserhalb des Kantons wohnt. Die Entwicklung der Schiffahrt auf unseren Seen brachte Ausrüstungs- und Interventionskosten mit sich. Die Kantonspolizei musste sich entsprechend ausrüsten. Auf administrativer und technischer Ebene musste das Amt für Strassenverkehr und Schiffahrt eine ganze Organisation einführen. Daraus entstanden natürlich Kosten, die durch Erhebung von Steuern und Gebühren gedeckt werden müssen. Man darf aber nicht nur von den freiburgischen Steuerzahlern eine grössere finanzielle Leistung verlangen. Eine erhöhte Beteiligung, in BGE 101 Ia 182 S. 185 Form von differenzierten Steuerbeträgen von Seiten der ausserkantonalen Bootsinhaber ist angebracht. Die Neuenburger Behörden haben sich kürzlich in einem neuen Gesetz das gleiche System zu eigen gemacht. Im Jahre 1973 brachten die Steuern für Schiffe 19'453 Franken (richtig gemäss französischem Text: 200'700 Franken) ein. Der Tarif, den wir Ihnen vorschlagen, wird Einnahmen von 470'000 Franken mit sich bringen." Diese Ausführungen vermögen die Ungleichheit in der Behandlung der Steuerpflichtigen jedoch nicht zu begründen. Die Kantone können auf Grund ihrer Hoheit über die öffentlichen Gewässer das Stationieren von Ruder-, Segel- und Motorbooten als bewilligungs- oder konzessionspflichtig erklären, je nachdem, ob man dieses Stationieren nur als gesteigerten Gemeingebrauch oder als Sondernutzung betrachtet. Bestünde nun die Gefahr, dass die Anzahl der Schiffe auf einem kantonalen Gewässer derart gross würde, dass die kantonseigenen Einwohner in der Ausübung der Schiffahrt eingeschränkt würden, so stellte sich die Frage, ob ein Kanton befugt sei, die Zahl der auf einem Gewässer zugelassenen Schiffe im öffentlichen Interesse mit fiskalischen Mitteln zu begrenzen, ähnlich wie es für zulässig erachtet wurde, durch erhöhte Fischereigebühren für ausserkantonale Fischer eine "Überfischung" der kantonalen Gewässer zu bekämpfen ( BGE 95 I 499 ). Solches wird aber vom Kanton Freiburg nicht geltend gemacht. Es erschiene im übrigen auch sinnvoller, die Zahl der Anlageplätze zu beschränken, um eine Überbelegung der Seen mit Schiffen zu verhindern. Im Kanton Freiburg kann jedoch gemäss Art. 10 der interkantonalen Verordnung betreffend die Schiffahrt jedermann eine Bewilligung zur Schiffahrt erlangen. Der Kanton verfolgt mit seinem Gesetz keinerlei durch das öffentliche Interesse gebotene Beschränkung der Schiffahrt. Der Hinweis auf das Fischerei- und Jagdrecht in der Botschaft an den Grossen Rat geht deshalb fehl. Auch der Vergleich mit den erhöhten Schulgebühren für ausserkantonale Schüler geht an der Sache vorbei. Der Kanton erbringt sehr erhebliche Aufwendungen für die Ausbildung der im Kanton wohnhaften Jugend, die die öffentlichen Schulen unentgeltlich oder gegen sehr geringe Gebühren besuchen kann. Die Schulen sind grundsätzlich auf die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung ausgerichtet. Es verstösst deshalb nicht gegen BGE 101 Ia 182 S. 186 Art. 4 BV , wenn ausserkantonale Kinder oder Jugendliche, die ausnahmsweise zu diesen Schulen zugelassen werden, erhöhte Schulgebühren bezahlen müssen. Die hier zu beurteilende Steuer soll aber, auch wenn sie nicht ausdrücklich als Zwecksteuer ausgestaltet ist, vor allem die Kosten decken, die mit der Entwicklung der Schiffahrt auf den Seen des Kantons verbunden sind. Diese Kosten werden von den Auswärtigen und den Kantonseinwohnern in gleicher Weise verursacht. Es wird denn auch mit Recht nicht geltend gemacht, die Schiffe ausserkantonaler Halter verursachten mehr Kosten und Umtriebe als die Schiffe der Halter mit Wohnsitz im Kanton. Auch unter dem Gesichtspunkt des Gewässerschutzes liesse sich eine Differenzierung der Steuer zulasten der ausserkantonalen Schiffshalter nicht rechtfertigen. Falls Massnahmen gegenüber Motorbooten wegen Verschmutzung - oder auch wegen Lärm - zu treffen sind, haben sie sich in gleicher Weise gegen alle Schiffshalter zu richten. Somit fehlt jedes sachliche Motiv dafür, die Kosten zu einem überproportionalen Teil auf die ausserkantonalen Schiffshalter zu verlegen. Soweit die Steuer über die Kosten der Seepolizei hinaus zu zusätzlichen Einnahmen führt oder führen sollte, ist ebenfalls nicht einzusehen, weshalb von der Gleichbehandlung aller Steuersubjekte abgewichen werden dürfte. Richtig ist zwar, dass die im Kanton domizilierten Schiffshalter auf ihren Schiffen zusätzlich noch eine Vermögenssteuer bezahlen, die bei den ausserkantonalen Schiffshaltern entfällt. Dies rechtfertigt indessen keine Ungleichbehandlung, ist es doch den Kantonen gemäss der Rechtsprechung zu Art. 46 Abs. 2 BV nicht gestattet, auf beweglichem Vermögen ausserkantonaler Steuerpflichtiger, das im Kanton deponiert oder stationiert ist, eine Vermögenssteuer zu erheben (konstante Praxis seit BGE 1 S. 13). Es kann deshalb auch nicht unter Berufung auf die begrenzte kantonale Steuerhoheit von ausserkantonalen Steuersubjekten eine erhöhte Besitzessteuer als Ersatz für die nicht zulässige Vermögenssteuer erhoben werden. Selbst wenn die Schiffssteuer die Kosten der Seepolizei nicht mehr voll deckt, wenn auch die ausserkantonalen Halter nur noch die einfache Steuer bezahlen, lässt sich daraus nichts zu Gunsten der vom Kanton Freiburg getroffenen Regelung ableiten. Vielmehr ist es Sache des Gesetzgebers, die Höhe der BGE 101 Ia 182 S. 187 Steuer so zu bemessen, dass sie die Kosten auch dann voll deckt, wenn alle Schiffshalter rechtsgleich behandelt werden. Es liegt demnach kein vertretbarer Grund vor, um die ausserkantonalen Schiffshalter schwerer zu belasten als die im Kanton ansässigen. Art. 2 Abs. 3 des Freiburger Gesetzes über die Besteuerung der Schiffe ist deshalb aufzuheben. 3. Insofern die Beschwerdeführer den Gebührentarif für die Besteuerung der Schiffe an sich als übersetzt und daher willkürlich anfechten, ist die Beschwerde dagegen abzuweisen. Die Kantone sind auf Grund ihrer Finanzhoheit frei, auf Schiffen, die auf ihren Gewässern ihren Heimathafen haben, nicht nur Gebühren, sondern auch Steuern zu erheben, deren Ertrag über den für die Kontrolle der Schiffahrt benötigten Aufwand hinausgeht. Dieses Recht wird übrigens im Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt (Botschaft in BBl 1974 I 1549) ausdrücklich anerkannt (Art. 59). Innerhalb der Schranken, die durch die Grundsätze der Allgemeinheit und der Gleichheit der Besteuerung gegeben sind, verfügt der kantonale Gesetzgeber bei der Festlegung der Steuern über eine grosse Gestaltungsfreiheit ( BGE 96 I 566 f., BGE 99 Ia 653 f.). Das Bundesgericht hat sich daher bei der Würdigung der kantonalen Steuertarife Zurückhaltung aufzuerlegen. Als verfassungswidrig könnte das Freiburger Gesetz über die Besteuerung der Schiffe nur bezeichnet werden, wenn es sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen liesse, sinn- und zwecklos wäre oder neben der Verdoppelung der Steuern für Ausserkantonale weitere rechtliche Unterscheidungen treffen würde, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich wäre. Dies wird aber von den Beschwerdeführern nicht dargetan. Die Rüge, die neufestgesetzte Abgabe für Motorboote sei gegenüber den bisher geltenden Ansätzen geradezu prohibitiv, ist unbehelflich. Das Verbot der sog. Prohibitivsteuern bezieht sich nur auf die eigentlichen Gewerbesteuern, zu welchen die Schiffssteuer im Kanton Freiburg, die - wie bereits erwähnt - eine Besitzes- oder Objektssteuer darstellt, nicht gezählt werden kann (AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, S. 692 ff., insbes. Ziff. 1945, 1948; BURCKHARDT, Kommentar, S. 247 ff.; BLUMENSTEIN, a.a.O. S. 164). BGE 101 Ia 182 S. 188 Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und Art. 2 Abs. 3 des freiburgischen Gesetzes vom 25. September 1974 über die Besteuerung der Schiffe aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
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96e040f3-7300-4841-8aef-19e29dd90909
Urteilskopf 89 III 41 9. Entscheid vom 11. Juli 1963 i.S. Bruhin.
Regeste Verteilung von Verzugszinsen. Art. 112 VZG . Vom Ersteigerer bezahlte Verzugszinsen sind Ertrag des unverteilten Verwertungserlöses und stehen der Gesamtheit der Gläubiger zu.
Sachverhalt ab Seite 41 BGE 89 III 41 S. 41 A.- Am 15. November 1962 wurden die dem Franz Tutzer in Neuhausen am Rheinfall gehörenden Liegenschaften vom Betreibungsamt Schaffhausen in öffentlicher Versteigerung zum Preis von Fr. 870'000.-- Dr. Rittmeyer zugeschlagen. Der Ersteigerer hatte unmittelbar vor dem Zuschlag eine Anzahlung von Fr. 50'000. - zu leisten und den Rest des Kaufpreises, soweit er ihm nicht durch ungekündigte Hypotheken überbunden wurde, innerhalb Monatsfrist zu bezahlen. Da Dr. Rittmeyer dieser letzteren Verpflichtung erst am 2., 7. und 9. Februar 1963 durch Leistung von drei Teilzahlungen in Höhe von insgesamt Fr. 312'105.30 nachkam, hatte er für die Zeit vom 15. November 1962 bis zu jenen Zahlungen einen Verzugszins von Fr. 4830. - zu entrichten. Dieser Betrag wurde in der Folge vom Betreibungsamt zusammen mit dem Steigerungserlös und dem Überschuss der Verwaltungsrechnung unter die Einnahmen des Verteilungsplanes eingesetzt. B.- Am 22. März 1963 erhoben die Grundpfandgläubiger Armin und Eugen Bruhin bei der Aufsichtsbehörde des Kantons Schaffhausen über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen Beschwerde mit dem Begehren, es sei die Verbuchung des vom Ersteigerer bezahlten Verzugszinses in die allgemeinen Einnahmen dahin abzuändern, dass ihnen aus dem genannten Betrag Fr. 1791 . - als Zins auf ihre Forderung vergütet werde. BGE 89 III 41 S. 42 Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde am 26. April 1963 ab. C.- Armin und Eugen Bruhin rekurrieren gegen diesen Entscheid an das Bundesgericht. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch der Gläubiger auf Verzinsung ihrer Forderungen über den Steigerungstag hinaus weder gesetzlich vorgesehen ist noch durch die Rechtsprechung je anerkannt wurde, und dass im übrigen die vom Ersteigerer bezahlten Verzugszinse sich nicht auf die gesamte Kaufsumme, soweit sie in bar zu bezahlen war, sondern nur auf den in den Steigerungsbedingungen gestundeten Teil bezogen. Insoweit aber sahen diese Bedingungen keine Zuteilung der Zinse an die Beschwerdeführer vor, und dies mit Recht nicht. Verzugszinse sind Ertrag des unverteilten Verwertungserlöses und bilden damit Bestandteil des letzteren. Als solche stehen sie der Gesamtheit der Gläubiger zu und sind nach Art. 112 VZG gemäss dem Ergebnis des Lastenbereinigungsverfahrens zu verteilen (vgl. den nicht veröffentlichten Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 11 . Mai 1962 i.S. Löhrer). Die Rekurrenten haben daher kein Vorrecht auf die fraglichen Zinsen, das durch eine besondere Verteilung (Zuweisung von Zinsquoten) zu berücksichtigen wäre. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
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Federation
96e0a8cc-f9be-4760-85fc-9805baa51bb0
Urteilskopf 114 III 49 16. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 16 septembre 1988 dans la cause T. SA (recours LP)
Regeste Art. 12 Abs. 2 und Art. 85 SchKG . Die Aufsichtsbehörden können prüfen, ob die Zahlung des Schuldners an das Betreibungsamt die Betreibung zum Erlöschen gebracht hat (E. 1).
Sachverhalt ab Seite 49 BGE 114 III 49 S. 49 A.- Dans la poursuite No 277476 de l'Office des poursuites de Lausanne-Est, SOS a obtenu contre sa débitrice T. SA la mainlevée définitive de l'opposition à concurrence de 1'812'294 fr. avec intérêts à 15% dès le 16 juillet 1981, et de 1'267 fr. 60 avec intérêts à 15% dès le 29 septembre 1983. La sentence arbitrale justifiant la créance faisait courir les intérêts sur le capital "jusqu'à la date de la présente sentence", rendue le 29 septembre 1983. La divergence sur l'échéance du cours des intérêts n'a pas été invoquée devant les autorités cantonales, ni dans le recours de droit public que T. SA a formé sans succès contre le prononcé de mainlevée devant le Tribunal fédéral. T. SA ne s'acquitta d'abord que de son dû au 29 septembre 1983; la créancière requit dès lors la faillite de la débitrice qui versa alors, le 4 février 1988, la somme de 580'334 fr. 10 à l'Office des poursuites. Celui-ci lui délivra une quittance indiquant "règlement de la poursuite No 277476". SOS a formé une plainte contre la délivrance de cette quittance, faisant valoir que le montant versé ne constituait qu'un acompte à valoir sur le règlement de la poursuite. Par décision du 24 mars 1988, le Président du Tribunal civil du district de Lausanne, BGE 114 III 49 S. 50 agissant en qualité d'autorité inférieure de surveillance, a admis la plainte et dit que la quittance délivrée par l'Office des poursuites valait comme acompte sur le montant de la poursuite. Par arrêt du 23 août 1988, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours formé par T. SA contre le prononcé de l'autorité inférieure de surveillance. C.- T. SA exerce en temps utile un recours à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral. Elle conclut à ce qu'il soit dit que la plainte formée par SOS est irrecevable, subsidiairement rejetée. Erwägungen Extrait des considérants: 1. Comme elle le soutenait devant les autorités cantonales, la recourante fait valoir que la plainte de SOS était irrecevable, car les litiges portant sur l'annulation d'une poursuite relèvent du seul juge civil, à l'exclusion des autorités de surveillance. Le moyen n'est pas fondé. La délivrance de la quittance est un acte de l'office ( art. 12 al. 1 LP ), qui a libellé le document en ce sens que la poursuite est éteinte, en capital et intérêts, par le second paiement de la débitrice. Or les actes de l'office peuvent être attaqués par une plainte à l'autorité de surveillance, sauf dans les cas où la loi prescrit la voie judiciaire ( art. 17 al. 1 LP ), ce qui n'est pas le cas en l'espèce. En effet, il est certes loisible au débiteur de prouver par titre qu'il s'est acquitté de la dette. Il peut et doit le faire devant le juge de la faillite ( art. 172 ch. 3 LP ), dès l'instant où celle-ci a été requise (GILLIERON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, p. 155). S'agissant du moyen de l' art. 85 LP , c'est encore au débiteur qu'il incombe de l'invoquer ( ATF 24 I 144 , ATF 30 I 182 /183). Mais cette disposition vise le paiement qui intervient en dehors de la procédure suivie par l'office. Lorsque, comme en l'espèce, le versement est fait en mains de l'office, il appartient aux autorités de surveillance d'en connaître ( ATF 38 I 59 ). C'est à tort que la recourante fonde son argumentation sur la doctrine (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, No 6 p. 275). Ces auteurs admettent que l'extinction de la poursuite relève de l' art. 85 LP , et exclusivement. Ils relèvent que les voies de fond sont réservées et qu'elles ne ressortissent pas à la compétence des autorités de poursuite (cf. ATF 30 I 182 ); tel est le cas de l'action ordinaire ou BGE 114 III 49 S. 51 de celle en répétition de l'indu ( art. 86 LP ). Mais en l'espèce, il n'y a à l'évidence aucun jugement rendu qui eût dû s'imposer à l'office. Ce n'est d'ailleurs que le 18 août 1988 que la recourante a ouvert une action en répétition de l'indu devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois.
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96e5da56-462d-498c-abe3-b10aa0b0df35
Urteilskopf 101 IV 288 66. Urteil des Kassationshofes vom 21. Juli 1975 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste Art. 153, 154 StGB . Warenfälschung und Inverkehrbringen gefälschter Waren durch Nachahmung und Abänderung von Briefmarken zu Täuschungszwecken und durch Verkauf solcher Waren. Art. 61, 153 Abs. 2, Art. 154 Abs. 2 StGB . Wird die Veröffentlichung des Urteils angeordnet, weil der Täter gewerbsmässig handelte, so sind allfällige Schuldsprüche des Urteils wegen anderer Delikte nicht in die Veröffentlichung einzubeziehen, soweit hiefür kein i.S. von Art. 61 StGB wesentliches Interesse besteht.
Sachverhalt ab Seite 288 BGE 101 IV 288 S. 288 A.- Im Jahre 1971 schnitt X. zu verschiedenen Malen in seiner Wohnung in Littau aus einem Briefmarkenkatalog Reproduktionen von Briefmarken aus, rauhte teilweise deren BGE 101 IV 288 S. 289 Rückseite auf, klebte sie auf Briefe oder versah sie mit Klebstoff, ergänzte Stempel oder brachte Zeichen an, die auf Echtheit schliessen liessen. Ferner nahm er an echten Marken Änderungen vor, indem er Stempel ergänzte bzw. Kreuzeinfassungen nachzog. In der Zeit zwischen Oktober und Dezember 1971 bot X. die in oben beschriebener Weise hergerichteten Marken zum Verkaufe an. In einigen Fällen gelang es ihm, sie als echt zu verkaufen. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahre 1971 oder zu Beginn des Jahres 1972 liess X. durch eine Bekannte auf zwei Briefbogen, die die Unterschrift des W. trugen, im übrigen jedoch unbeschrieben waren, nach seinem Diktat einen angeblich zwischen ihm und W. zustande gekommenen Kaufvertrag über eine Anzahl echter und gefälschter Briefmarken aufsetzen. X. trachtete ohne Wissen des W. danach, mit dem fingierten Vertrag der Untersuchungsbehörde zu beweisen, dass W. und nicht er selbst die falschen oder verfälschten Marken in Verkehr gebracht habe. B.- Am 22. November 1974 verurteilte das Bezirksgericht Winterthur X. wegen gewerbsmässiger Warenfälschung, gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter Waren und wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung zu 7 Monaten Gefängnis und einer Busse von Fr. 1'500.--. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde aufgeschoben und die Probezeit auf drei Jahre angesetzt. Sodann ordnete das Gericht die Einziehung der gefälschten Marken und die Veröffentlichung des Urteils in der Schweizer Briefmarkenzeitung an. Auf Berufung des Verurteilten hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 6. Mai 1975 den erstinstanzlichen Entscheid. C.- X. führt eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Freisprechung von Schuld und Strafe, eventuell Absehen von der Veröffentlichung des Urteils. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der obergerichtliche Entscheid wird hinsichtlich der Verurteilung wegen wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung nicht angefochten. Insoweit ist das Urteil der Vorinstanz rechtskräftig geworden. BGE 101 IV 288 S. 290 2. Der Beschwerdeführer behauptet, die Herstellung von Faksimiles sei nicht strafbar. Dieser Auffassung ist insoweit beizupflichten, als die Anfertigung von Faksimiles und die Nachbildung von Briefmarken in entsprechenden Katalogen zulässig ist, sofern damit nicht vorgetäuscht werden soll, es handle sich dabei um echte Stücke. Briefmarkenkataloge, die Nachbildungen von Marken enthalten, werden gehandelt und stellen als solche - entgegen der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung - eine Ware im Sinne der Art. 153 und 154 StGB dar. Wie die Vorinstanz indessen bereits ausgeführt hat, geht es im vorliegenden Fall nicht darum, zu entscheiden, ob Katalogausschnitte Waren seien, sondern darum, ob die vom Beschwerdeführer angefertigten Briefmarken Waren seien. 3. Für den Kassationshof steht verbindlich fest ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ), dass der Beschwerdeführer aus einem Briefmarkenkatalog Reproduktionen von Briefmarken ausgeschnitten, teilweise deren Rückseite aufgerauht, sie auf Briefe geklebt oder mit Klebstoff versehen sowie Stempel ergänzt oder Zeichen angebracht hat, die auf Echtheit schliessen lassen. Sodann hat er an echten Marken Änderungen vorgenommen, indem er Stempel ergänzte bzw. Kreuzeinfassungen nachzog. Dass in diesem Vorgehen eine Verfälschung der Ware vorliegt, indem durch die erwähnten Eingriffe in die Materie und deren äusserliche Abänderung der Eindruck erweckt wurde, es handle sich um echte alte Marken, also um solche, die einen höheren als den wirklichen Handelswert besitzen, kann keinem Zweifel unterliegen. 4. Endlich stellt die Vorinstanz verbindlich fest, dass die Fälschung mit Täuschungsabsicht durchgeführt wurde. Die Beschwerde bestreitet diesen Vorsatz zwar nicht, behauptet aber, objektiv sei keine Täuschung erfolgt. Der Einwand geht fehl. Eine Täuschung im Sinne des Art. 153 StGB liegt objektiv schon vor, wenn der Käufer nicht ohne weiteres sieht, dass ihm gefälschte Ware angeboten wird, d.h. eine Ware, deren natürliche Beschaffenheit unerlaubterweise verändert worden ist ( BGE 78 IV 93 E. 2). Dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist, steht verbindlich fest. Ebenso ist festgestellt, dass der Beschwerdeführer die nachgemachten oder verfälschten Briefmarken im Sinne von Art. 154 StGB als echt zum Verkauf angeboten und zum Teil auch verkauft hat. Er BGE 101 IV 288 S. 291 ist deshalb zu Recht nach Art. 153 und 154 StGB schuldig erklärt worden. Daran ändert nichts, dass die dem M. angebotenen Marken von diesem bzw. einem beigezogenen Experten als Fälschungen entlarvt wurden. 5. Die Beschwerde rügt eine Verletzung von Art. 61 StGB mit der Begründung, die angeordnete Veröffentlichung des Urteils sei rechtswidrig, weil das Obergericht den gesamten von ihm gefällten Entscheid, also auch die Bestrafung wegen wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung, in der Schweizer Briefmarkenzeitung erscheinen lassen wolle. Die Publikation des Schuldspruchs hinsichtlich der Urkundenfälschung liege nicht im öffentlichen Interesse. Aus den Erwägungen des angefochtenen Urteils ergibt sich eindeutig, dass die Veröffentlichung des Entscheids nur deshalb angeordnet wurde, weil der Beschwerdeführer gewerbsmässig im Sinne der Art. 153 Abs. 2 und 154 Ziff. 1 Abs. 2 StGB gehandelt hat und in solchen Fällen die Publikation des Strafurteils zwingend vorgeschrieben ist. Bei der Frage der Veröffentlichung des Urteils erwähnt die Vorinstanz die Urkundenfälschung mit keinem Wort. Auch deutet in den Erwägungen des vorinstanzlichen Urteils nichts darauf hin, dass der Entscheid in diesem Punkt zu veröffentlichen sei. Von der Urkundenfälschung war in diesem Zusammenhang auch nicht die Rede. Insbesondere wurde nicht behauptet, auch insoweit sei das Urteil zu veröffentlichen, da hiefür ein öffentliches Interesse im Sinne von Art. 61 StGB bestehe. Allerdings geht aus dem Urteilsdispositiv selbst die Beschränkung der Publikation auf den Schuldspruch bezüglich der gewerbsmässigen Warenfälschung und des gewerbsmässigen Inverkehrbringens gefälschter Waren nicht hervor. Demgemäss wird bei der Veröffentlichung des Dispositivs der Satz "- sowie der wiederholten und fortgesetzten Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB ;" nicht aufzuführen, sondern durch "- ..." zu ersetzen sein. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
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Urteilskopf 89 IV 1 1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 31. Januar 1963 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste Art. 53 Abs. 1 StGB . 1. Die Nebenstrafe des Entzuges der elterlichen Gewalt trifft den Verurteilten im Verhältnis zu allen Kindern. Sie hängt nicht davon ab, ob der Verurteilte sich zur Ausübung der Gewallt nicht mehr eigne und wenn ja, gegenüber welchen Kindern er sich nicht mehr eigne. 2. Die Entziehung der elterlichen Gewalt durch die Vormundschaftsbehörde steht dem strafweisen Entzug der Gewalt nicht im Wege.
Erwägungen ab Seite 1 BGE 89 IV 1 S. 1 Aus den Erwägungen: Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, ihm die elterliche Gewalt über alle Kinder entzogen zu haben, obschon er sich nur an der ältesten Tochter verfehlte und Anhaltspunkte für eine Gefährdung der andern Kinder aus erster und zweiter Ehe nicht bestünden. Die elterliche Gewalt über H. sei ihm übrigens schon durch die Vormundschaftsbehörde BGE 89 IV 1 S. 2 gestützt auf Art. 285 ZGB entzogen worden; insoweit sei der Entzug durch das Obergericht überhaupt gegenstandslos. Der Beschwerdeführer verkennt, dass die Entziehung der elterlichen Gewalt nach Art. 53 StGB Strafe ist. Schon das spricht dafür, dass sie auch ausgesprochen werden kann, wenn der Entzug sachlich nicht nötig ist, d.h. das Wohl des Kindes ihn nicht verlangt. Art. 53 StGB macht denn auch die Zulässigkeit der Strafe nicht davon abhängig, dass das Wohl des Kindes ihn erfordere oder dass der Täter unfähig sei, die elterliche Gewalt auszuüben. Voraussetzung des Entzuges ist bloss, dass der Täter durch ein Verbrechen oder Vergehen, für das er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, seine elterlichen Pflichten verletzt hat. Das trifft hier zu. Zudem ist mit dem Entzug der elterlichen Gewalt gemäss Art. 53 StGB notwendigerweise verbunden, dass der Verurteilte unfähig erklärt werde, sie auszuüben. Auch das gehört zur Nebenstrafe. Diese trifft den Verurteilten nicht nur im Verhältnis zu einem Kinde, dem gegenüber er sich charakterlich nicht eignet, die elterliche Gewalt auszuüben, sondern im Verhältnis zu allen Kindern, gleichviel ob er ihnen gegenüber ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat und sich zur Ausübung der Gewalt nicht mehr eignet. Die Unfähigkeit, die elterliche Gewalt auszuüben, ist Rechtsfolge der Nebenstrafe, nicht deren Voraussetzung. Sie wird namentlich auch ausgesprochen im Hinblick auf Kinder, die noch nicht geboren sind; ob der Verurteilte diesen ein guter oder schlechter Vater sein wird, kann man noch nicht wissen. Daraus geht deutlich hervor, dass die Nebenstrafe des Entzuges der elterlichen Gewalt und der Unfähigkeit zu deren Ausübung unabhängig davon ausgesprochen wird, ob der Verurteilte sich zur Ausübung der elterlichen Gewalt nicht mehr eigne und wenn ja, gegenüber welchen Kindern er sich nicht mehr eigne. Dasselbe folgt aus Art. 78 StGB . Nach dieser Bestimmung hängt die Wiedereinsetzung in die elterliche Gewalt nicht davon ab, ob der Verurteilte imstande ist, BGE 89 IV 1 S. 3 die Gewalt wieder pflichtgemäss auszuüben, sondern davon, ob sein Verhalten die Wiedereinsetzung rechtfertigt und ob der Verurteilte den Schaden ersetzt hat. Auch daraus erhellt, dass der Strafrichter nach andern Gesichtspunkten urteilt als die zuständige zivile Behörde, wenn sie die elterliche Gewalt entzieht oder wieder herstellt. Ob es zulässig gewesen wäre, die Strafe lediglich im Verhältnis zu einem einzigen oder einzelnen Kindern auszusprechen, braucht nicht entschieden zu werden. Immerhin ist zu bemerken, dass es ein Widerspruch wäre, den Verurteilten unfähig zu erklären, die elterliche Gewalt auszuüben, ihm aber diese Gewalt über einzelne von mehreren Kindern zu belassen. Wenn sie im vorliegenden Fall gegenüber allen Kindern entzogen wurde, so lässt sich jedenfalls nicht sagen, die Vorinstanz habe dadurch ihr Ermessen überschritten. Eine andere Frage ist, ob der strafweise Entzug gegenüber H. zulässig war, nachdem schon die Vormundschaftsbehörde die elterliche Gewalt entzogen hatte. Das ist zu bejahen. Durch die Massnahme der Vormundschaftsbehörde wurde die strafgerichtliche Entziehung nicht gegenstandslos, wie der Beschwerdeführer behauptet. Das ergibt sich schon daraus, dass die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in die elterliche Gewalt als Massnahme der Rehabilitation ( Art. 78 StGB ) strenger sind als die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Wiederherstellung der Gewalt ( Art. 287 ZGB ).
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96e65984-e374-424c-9851-166224cd00a2
Urteilskopf 102 IV 42 12. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 9 mars 1976, dans la cause B. contre Ministère public du canton de Vaud.
Regeste 1. Art. 33 Abs. 1 VO vom 27. August 1969 über Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge; Art. 57 Abs. 3 VRV . Die nächtliche Fahrt mit einem Motorfahrzeug, dessen Geschwindigkeitsmesser wegen eines Beleuchtungsdefekts nicht ablesbar ist, stellt keine Verkehrsregelverletzung dar, wenn der Führer so langsam fährt, dass er auch ohne Kontrollinstrument sicher ist, die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht zu überschreiten. 2. Art. 90 Ziff. 2 SVG . a) Diese Bestimmung ist auch anwendbar, wenn die Sicherheit anderer abstrakt gefährdet wird, vorausgesetzt dass es sich um eine ernstliche Gefahr handelt (Erw. 2). b) Ob die Geschwindigkeit nachts der Sichtweite angepasst ist, beurteilt sich nach der Gesamtheit der Umstände. Wird die Fahrbahn ausschliesslich durch die Scheinwerfer des Fahrzeuges beleuchtet, so muss innerhalb ihrer Reichweite angehalten werden können; das gilt auch bei Fahren mit Abblendlicht (Erw. 2). c) Eine Geschwindigkeit, die nicht den Sichtverhältnissen angepasst ist, kann auf einer Autobahn eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln bedeuten (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 43 BGE 102 IV 42 S. 43 A.- Le 18 février 1975, vers 22 h, sur l'autoroute Genève-Lausanne, chaussée lac, une patrouille de police, à bord d'une Volvo dont le compteur est étalonné, a constaté en suivant la Maserati pilotée par B., que ce véhicule circulait à une vitesse de 162 km/h au moins, feux de croisement enclenchés. Après l'avoir intercepté, elle a encore observé que l'éclairage du tableau de bord était en panne. Dénoncé au préfet de Nyon et condamné à une amende de 220 fr., B. a formé une opposition qu'il a retirée devant le juge BGE 102 IV 42 S. 44 informateur. Ce magistrat a toutefois décidé de poursuivre d'office. B.- Le Tribunal de police du district de Rolle a condamné B. le 23 octobre 1975 à la peine de cinq jours d'arrêts et de 500 fr. d'amende pour violation grave des règles de la circulation. Le recours déposé par le condamné a été rejeté le 22 décembre 1975 par la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois. Celle-ci a considéré que l'art. 90 ch. 2 LCR est applicable aussitôt qu'un usager a créé de manière abstraite un sérieux danger pour la sécurité d'autrui et que tel est le cas du conducteur roulant de nuit à une vitesse qui ne lui permettrait pas de s'arrêter le cas échéant sur la distance éclairée par ses phares. Elle a de plus estimé que la peine fixée par le premier juge n'était pas arbitrairement sévère. C.- B. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Il conclut à la fixation de la peine en application de l'art. 90 ch. 1 LCR et à l'octroi du sursis. Erwägungen Considérant en droit: 1. En vertu de l'art. 33 al. 1 OCF du 27 août 1969 sur la construction et l'équipement des véhicules routiers, les voitures automobiles doivent être munies d'un compteur de vitesse, placé dans le champ visuel du conducteur, lisible également la nuit et indiquant la vitesse en km/h. L'inobservation de cette prescription n'est manifestement pas en soi la source d'un danger particulier d'accident ou d'une violation des règles de la circulation. On ne saurait toutefois reprocher à l'autorité cantonale d'avoir imputé au recourant, dans l'application globale du cas, le fait qu'il a roulé à une allure dépassant largement les 130 km/h autorisés par l'arrêté fédéral du 11 mars 1974, alors qu'il ne disposait d'aucun contrôle de sa vitesse. Dans ces conditions, le recourant aurait dû en effet prendre la précaution que commande l'art. 57 al. 3 OCR - dont il se réclame pourtant - et régler sa vitesse de façon à être certain de respecter la loi. 2. C'est à juste titre que l'autorité cantonale a rejeté l'opinion du premier juge selon laquelle l'art. 90 ch. 2 LCR n'est applicable que si des usagers de la route ont été concrètement mis en danger. Un risque abstrait suffit, pourvu qu'il BGE 102 IV 42 S. 45 soit sérieux. Ce serait en revanche aller trop loin que d'estimer schématiquement - comme elle semble le faire - que toute vitesse ne permettant pas à un véhicule de s'arrêter sur la distance éclairée par ses phares est excessive et constitue une violation grave des règles de la circulation. Si l'on devait admettre un tel principe, on ne voit pas ce qui pourrait justifier le comportement de la police in casu, qui a poursuivi le recourant, qui n'était pourtant pas soupçonné d'un crime, sur 17 km à une vitesse de 180 km/h, alors qu'elle aurait pu le faire intercepter à la sortie de l'autoroute. Il n'est pas nécessaire de faire un grand effort d'imagination pour discerner de nombreuses hypothèses dans lesquelles le principe en cause serait erroné. En réalité, la vitesse ne doit pas être adaptée à la distance sur laquelle porte l'éclairage du véhicule, mais à celle sur laquelle s'étend la visibilité. Lorsque celle-ci est satisfaisante sur une plus grande étendue, la vitesse peut être plus élevée, ainsi lorsque les feux de route du véhicule qui dépasse conjuguent leurs effets avec ceux du véhicule rattrapé, lorsque l'éclairage public est suffisant, ou lorsque l'on suit à une distance adéquate un véhicule rapide, comme la police l'a fait dans le cas présent. En l'occurrence, il n'existait - le recourant ne soutient pas le contraire - aucune circonstance spéciale permettant de conclure à la présence d'un éclairage, autre que celui de la voiture, qui aurait pu autoriser le conducteur de celle-ci à accélérer son allure. Dès lors celui-ci, en roulant à une vitesse qui ne lui aurait manifestement pas permis de s'arrêter sur la distance où portait sa visibilité, a violé les dispositions des art. 32 LCR et 4 OCR (RO 100 IV 282). Une telle faute, sur une autoroute où les conséquences d'un accident sont rendues plus lourdes par la vitesse élevée des usagers, est grave (RO 92 IV 145/6, 99 IV 280/1; cf. item RO 93 IC 117, 95 IV 2, 100 IV 284) et ne saurait d'une manière générale être constitutive d'une simple contravention au sens de l'art. 90 ch. 1 LCR, même si la peine infligée n'excède en fin de compte pas la sanction prévue dans cette dernière disposition. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le pourvoi.
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Urteilskopf 141 III 241 34. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Versicherung B. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_25/2015 vom 29. Mai 2015
Regeste Art. 8 ZGB ; Krankentaggeldversicherung; Schadensversicherung; Beweis des Erwerbsausfalls bei Arbeitslosigkeit. Beansprucht eine arbeitslose Person Krankentaggelder und hat sie keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung, so hat sie zum Beweis eines Erwerbsausfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. War die versicherte Person im Zeitpunkt ihrer Erkrankung noch nicht arbeitslos, profitiert sie von der tatsächlichen Vermutung, dass sie ohne Krankheit erwerbstätig wäre (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3).
Erwägungen ab Seite 242 BGE 141 III 241 S. 242 Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin (Versicherte) rügt eine Verletzung von Art. 8 ZGB durch eine falsche Beweislastverteilung. Da es beim Einstellen der Taggelder um eine leistungsaufhebende Tatsache gehe, trage entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht die Beschwerdeführerin die Beweislast, sondern die Beschwerdegegnerin (Versicherung). Zudem sei die Vorinstanz zu Unrecht von einer tatsächlichen Vermutung ausgegangen, wonach eine versicherte Person, die während bestehender Arbeitslosigkeit erkranke, auch bei gesunder Verfassung weiterhin keiner Erwerbstätigkeit nachgehen würde. 3.1 Nach Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Demgemäss hat die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen, während die Beweislast für die rechtsaufhebenden bzw. rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei liegt, die den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder Durchsetzbarkeit bestreitet. Der Eintritt des Versicherungsfalls ist nach diesen Grundsätzen vom Anspruchsberechtigten zu beweisen ( BGE 130 III 321 E. 3.1 S. 323). Ist eine Krankentaggeldversicherung als Schadensversicherung ausgestaltet, setzt der Eintritt des Versicherungsfalls einen Schaden - namentlich einen Erwerbsausfall - voraus. Dabei gilt das herabgesetzte Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ( BGE 130 III 321 E. 3.3 S. 325; BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 276). Auch eine arbeitslose Person, die keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung besitzt, kann einen Erwerbsausfall erleiden, der Anspruch auf Krankentaggelder verleiht. Voraussetzung für den Leistungsanspruch ist allerdings, dass die versicherte Person eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachweist, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde (Urteile 4A_138/2013 vom 27. Juni 2013 E. 4.1; 9C_311/2010 vom 2. August 2010 E. 1.3 mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat somit Art. 8 ZGB nicht verletzt, indem sie die Beweislast für den Nachweis eines Erwerbsausfalls der Beschwerdeführerin auferlegt hat. Diese hat mithin (mit dem Beweismass der BGE 141 III 241 S. 243 überwiegenden Wahrscheinlichkeit) zu beweisen, dass sie eine Erwerbstätigkeit ausüben würde, wenn sie nicht krank wäre. Daran ändert entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nichts, dass die Beschwerdegegnerin zunächst Taggelder ausbezahlt hat. Ändern sich die relevanten Umstände, so hat die Beschwerdeführerin zu beweisen, dass sie (weiterhin) Anspruch auf Taggelder wegen Erwerbsausfalls hat. Die Rüge der bundesrechtswidrigen Beweislastverteilung erweist sich damit als unbegründet. 3.2 Die Beweislastverteilung regelt die Folgen der Beweislosigkeit. Gelangt ein Gericht dagegen in Würdigung der Beweise zum Schluss, eine Tatsachenbehauptung sei bewiesen oder widerlegt, ist die Beweislastverteilung gegenstandslos ( BGE 138 III 359 E. 6.3 S. 365; BGE 134 III 235 E. 4.3.4 S. 241; BGE 131 III 646 E. 2.1 S. 649; BGE 130 III 591 E. 5.4 S. 602). Tatsächliche Vermutungen lassen den Schluss auf das Vorhandensein oder das Fehlen bestimmter Tatsachen zu und bilden Teil der Beweiswürdigung ( BGE 135 II 161 E. 3 S. 166; BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 486; BGE 120 II 248 E. 2c S. 250). Dazu gehört auch die von der Beschwerdeführerin beanstandete Vermutung, wonach sie auch bei gesunder Verfassung keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre. 3.2.1 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil die bundesgerichtliche Rechtsprechung wiedergegeben, wonach im Falle von Arbeitslosigkeit grundsätzlich zwei Fallkategorien zu unterscheiden sind: Verliert die versicherte Person ihre Stelle durch Kündigung zu einem Zeitpunkt, in welchem sie bereits zufolge Krankheit arbeitsunfähig ist, so gilt die Vermutung, dass sie - wie vor der Erkrankung - erwerbstätig wäre, wenn sie nicht erkrankt wäre. Erkrankt die versicherte Person demgegenüber erst, nachdem sie arbeitslos geworden ist, gilt nach der Rechtsprechung die Vermutung, dass die versicherte Person auch ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde; diese Vermutung kann nach der Rechtsprechung durch den Nachweis widerlegt werden, dass die versicherte Person mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine konkret bezeichnete Stelle angetreten hätte, wenn sie nicht erkrankt wäre (Urteile 4A_138/2013 vom 27. Juni 2013 E. 4.1; 9C_311/2010 vom 2. August 2010 E. 1.3; 9C_332/2007 vom 29. Mai 2008 E. 2.1 und K 16/03 vom 8. Januar 2004 E. 2.3.2). Vorliegend ist die zweite Fallkategorie einschlägig, da die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Erkrankung bereits arbeitslos war. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die soeben dargelegte BGE 141 III 241 S. 244 (tatsächliche) Vermutung, wonach die versicherte Person ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde. Sie macht geltend, eine solche Vermutung verletze in verschiedener Hinsicht Bundesrecht. 3.2.2 Die beweisbelastete Partei kann den ihr obliegenden Beweis unter Berufung auf eine tatsächliche Vermutung erbringen, denn diese mildert ihre konkrete Beweisführungslast. Gelingt jedoch dem Vermutungsgegner der Gegenbeweis, so greift die tatsächliche Vermutung nicht mehr und der Beweis ist gescheitert. Es liegt Beweislosigkeit vor und deren Folgen treffen die beweisbelastete Partei (vgl. BGE 135 II 161 E. 3 S. 166; HANS PETER WALTER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 474 und 476 zu Art. 8 ZGB ). Die Vermutung, wonach die versicherte Person ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde, ist somit missverständlich, da sie den Interessen der Versicherung dient und mithin zum falschen Schluss verleiten könnte, diese trage die Beweislast. Dies trifft indessen nicht zu; vielmehr trägt stets die versicherte Person die Beweislast für ihren Erwerbsausfall. Wenn zudem ausgeführt wird, die Vermutung könne durch den Nachweis widerlegt werden, dass die versicherte Person ohne Krankheit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine konkret bezeichnete Stelle angetreten hätte, so entspricht dies der ohnehin geltenden Grundregel (vgl. soeben E. 3.1: Die versicherte Person hat eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde). Die Vermutung, wonach die versicherte Person ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde, hat somit jedenfalls im Anwendungsbereich der Verhandlungsmaxime keinen Zweck und kann ersatzlos gestrichen werden. 3.2.3 Die Rechtsprechung ist daher wie folgt zu präzisieren: Beansprucht eine arbeitslose Person, die keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung hat, Krankentaggelder, so obliegt ihr der Beweis eines Erwerbsausfalls. Die versicherte Person hat mithin eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. Dies gilt namentlich, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Erkrankung bereits arbeitslos war. War die versicherte Person im Zeitpunkt ihrer Erkrankung noch nicht arbeitslos, so profitiert sie von der tatsächlichen Vermutung, dass sie ohne Krankheit erwerbstätig wäre; die Versicherung kann diesbezüglich den Gegenbeweis antreten, der sich gegen die Vermutungsbasis oder die Vermutungsfolge richten kann. BGE 141 III 241 S. 245 3.2.4 Damit erübrigt sich eine nähere Prüfung der einzelnen Rügen der Beschwerdeführerin, die sich gegen die (aufgehobene) Vermutung richten. 3.2.5 Nach den dargelegten Grundsätzen hat die Beschwerdeführerin somit - da sie im Zeitpunkt ihrer Erkrankung bereits arbeitslos war - eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. Nachdem ihr dieser Beweis nicht gelungen ist, hat die Vorinstanz ihre Klage zu Recht abgewiesen.
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Urteilskopf 109 V 262 46. Auszug aus dem Urteil vom 18. Oktober 1983 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Solothurn gegen Ingold und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn
Regeste Art. 87 IVV . Prüfung des Eintretens bei einem Revisionsgesuch nach Art. 87 Abs. 1 IVV : Die zur Neuanmeldung ( Art. 87 Abs. 4 IVV ) entwickelten Grundsätze gelten sinngemäss (Erw. 3). Art. 41 IVG . Zeitliche Vergleichsbasis, wenn eine Rente revidiert wird, nachdem die ursprüngliche Rente bereits in einem früheren Revisionsverfahren geändert worden ist (Erw. 4a).
Sachverhalt ab Seite 262 BGE 109 V 262 S. 262 A.- Monique Ingold bezog seit November 1975 bei einem Invaliditätsgrad von 100% eine ganze Invalidenrente (Verfügung BGE 109 V 262 S. 263 der Ausgleichskasse des Kantons Bern vom 21. Januar 1977), die anlässlich eines Revisionsverfahrens aufgrund einer Neubemessung der Invalidität (nunmehr 50%) auf eine halbe herabgesetzt wurde (Verfügung der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn vom 24. Januar 1978; rechtskräftiger Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 18. September 1978). Mit Eingabe vom 17. Oktober 1978 ersuchte die Versicherte um erneute medizinische Abklärung und um Neuprüfung des Rentenanspruchs. Nach Einholen verschiedener Berichte beschloss die Invalidenversicherungs-Kommission Nichteintreten auf das Gesuch, da eine 50%ige Erwerbstätigkeit zumutbar sei und daher nach wie vor lediglich der Anspruch auf eine halbe Rente bestehe. Dies eröffnete die Ausgleichskasse der Versicherten mit Verfügung vom 23. September 1980. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher die Versicherte eine ganze Rente anbegehrte, hiess das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn insofern gut, als es die Sache zu weitern Abklärungen und zum Erlass einer neuen Verfügung an die Ausgleichskasse zurückwies. C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Ausgleichskasse die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Ändert sich der Grad der Invalidität eines Rentenbezügers in einer für den Anspruch erheblichen Weise, so ist die Rente für die Zukunft entsprechend zu erhöhen, herabzusetzen oder aufzuheben ( Art. 41 IVG ). Eine solche Rentenrevision erfolgt entweder von Amtes wegen oder auf Gesuch hin; dabei ist im Revisionsgesuch glaubhaft zu machen, dass sich der Grad der Invalidität des Versicherten in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat ( Art. 87 Abs. 1 und 3 IVV ). 2. a) Die Verwaltung erledigte das Gesuch der Beschwerdegegnerin vom 17. Oktober 1978 formell durch Nichteintreten. Aus den Akten ergibt sich indessen, dass die Verwaltung neue Abklärungen vornahm, indem sie bei Dr. T., Dr. M. sowie der Regionalstelle Berichte einholte, und dass sie den Anspruch auf eine ganze Rente neu prüfte und verneinte. Entgegen der im Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission und in der Kassenverfügung vom 23. September 1980 verwendeten Formulierung wurde demnach BGE 109 V 262 S. 264 nicht eine Nichteintretensverfügung, sondern eine (abweisende) materielle Verfügung getroffen. b) Die Beschwerdegegnerin bezeichnete ihre Eingabe vom 17. Oktober 1978 als "Wiedererwägungsgesuch". Wie ihr Vertreter schon in der vorinstanzlichen Beschwerde mit Recht geltend machte und - in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Sozialversicherung - auch im letztinstanzlichen Verfahren ausführt, ist die erwähnte Eingabe als Revisionsgesuch im Sinne von Art. 41 IVG und Art. 87 Abs. 1 IVV zu betrachten. 3. Die Verwaltung ist stillschweigend davon ausgegangen, dass das Revisionsgesuch vom 17. Oktober 1978 samt beigelegtem Arztzeugnis den Anforderungen des Art. 87 Abs. 3 IVV genüge. Es fragt sich, ob der Richter diesen Punkt zu überprüfen hat. In diesem Zusammenhang ist auf Art. 87 Abs. 4 IVV hinzuweisen. Er bezieht sich ausdrücklich auf Art. 87 Abs. 3 IVV und regelt den Fall einer Neuanmeldung nach vorangegangener Rentenverweigerung (was für die Beschwerdegegnerin insofern nicht zutrifft, als sie aufgrund der Verfügung vom 24. Januar 1978 eine halbe Rente bezog). Art. 87 Abs. 4 IVV beruht auf dem Grundgedanken, dass die Rechtskraft der früheren Verfügung einer neuen Prüfung so lange entgegensteht, als der seinerzeit beurteilte Sachverhalt sich in der Zwischenzeit nicht verändert hat. Es soll damit verhindert werden, dass sich die Verwaltung immer wieder mit gleichlautenden und nicht näher begründeten, d.h. keine Veränderung des Sachverhalts darlegenden Rentengesuchen befassen muss. Nach Eingang einer Neuanmeldung ist sie daher zunächst zur Prüfung verpflichtet, ob die Vorbringen des Versicherten überhaupt glaubhaft sind; verneint sie dies, so erledigt sie das Gesuch ohne weitere Abklärungen durch Nichteintreten. Dabei wird sie u.a. zu berücksichtigen haben, ob die frühere Verfügung nur kurze oder schon längere Zeit zurückliegt, und dementsprechend an die Glaubhaftmachung höhere oder weniger hohe Anforderungen stellen. Insofern steht ihr ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, den der Richter zu respektieren hat. Dieser prüft die Behandlung der Eintretensfrage durch die Verwaltung daher nur, wenn das Eintreten streitig ist, d.h. wenn die Verwaltung gestützt auf Art. 87 Abs. 4 IVV Nichteintreten beschlossen hat und der Versicherte deswegen Beschwerde führt; hingegen unterbleibt eine richterliche Beurteilung der Eintretensfrage, wenn die Verwaltung auf die Neuanmeldung eingetreten ist ( BGE 109 V 108 ). Diese Rechtsprechung ist in analoger Weise auch auf Revisionsgesuche BGE 109 V 262 S. 265 anwendbar. Da die Verwaltung auf das Gesuch vom 17. Oktober 1978 eingetreten ist und es materiell geprüft hat, ist vom Eidg. Versicherungsgericht nicht zu beurteilen, ob die Verwaltung die Eintretensfrage richtig beantwortet hat. 4. a) Hingegen ist vorliegend zu prüfen, ob überhaupt eine gewisse Änderung des Invaliditätsgrades eingetreten ist seit der massgebenden Verfügung, ansonst eine Revision jener Verfügung im Sinne von Art. 41 IVG , welche Bestimmung eine seitherige Änderung des Invaliditätsgrades voraussetzt, zum vorneherein ausgeschlossen wäre. Nach der Rechtsprechung ist dabei als zeitliche Vergleichsbasis einerseits der Sachverhalt im Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenverfügung und anderseits derjenige zur Zeit der streitigen Revisionsverfügung zu berücksichtigen ( BGE 106 V 87 Erw. 1a, BGE 105 V 30 ); allerdings wird in BGE 105 V 30 beigefügt, dass einer Verfügung, welche die ursprüngliche Rentenverfügung bloss bestätigt, bei der Bestimmung der zeitlichen Vergleichsbasis keine Rechtserheblichkeit zukommt. Diese Umschreibung zielt insbesondere auf jene Fälle ab, wo die ursprüngliche Rentenverfügung in späteren Revisionsverfahren nicht geändert, sondern bloss bestätigt worden ist. Anderseits liegt der Sinn dieser Praxis darin, dass eine Revisionsverfügung dann als Vergleichsbasis gilt, wenn sie die ursprüngliche Rentenverfügung nicht bestätigt, sondern die laufende Rente aufgrund eines neu festgesetzten Invaliditätsgrades geändert hat. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Beschwerdegegnerin bezog zunächst aufgrund eines Invaliditätsgrades von 100% ab November 1975 eine ganze Rente (Verfügung vom 21. Januar 1977). Sie wurde im ersten Revisionsverfahren nicht bestätigt, sondern bei einem neu auf 50% festgelegten Invaliditätsgrad auf eine halbe herabgesetzt (Verfügung vom 24. Januar 1978). Ob der Invaliditätsgrad in der Folge eine Änderung erfahren hat, beurteilt sich im Falle der Beschwerdegegnerin somit durch Vergleich des Sachverhalts, wie er zur Zeit der Revisionsverfügung vom 24. Januar 1978 bestanden hat, mit demjenigen, der bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Kassenverfügung (23. September 1980) eingetreten ist.
null
nan
de
1,983
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
96f6bcb3-1ad9-4757-8c03-e129ad40fb5e
Urteilskopf 98 Ia 395 64. Urteil vom 17. November 1972 i.S. Karl Vögele AG gegen Stadtrat von Zug und Regierungsrat des Kantons Zug.
Regeste Kantonale Ladenschlussvorschriften. Handels- und Gewerbefreiheit; derogatorische Kraft des Bundesrechtes. 1. Staatliche Ladenschlussordnungen haben nicht Verfügungs-, sondern Rechtssatzcharakter und sind von Amtes wegen in entsprechender Form zu publizieren (E. 1). 2. Rechtsetzungskompetenzen der Kantone auf dem Gebiete des Ladenschlusses seit dem Inkrafttreten des eidg. Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (Bestätigung der neuesten Rechtsprechung) (E. 3). 3. Die Ladenschlussordnung der Stadt Zug, welche den Schuhgeschäften die Schliessung während eines vollen Werktages vorschreibt, verstösst gegen Art. 31 BV (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 396 BGE 98 Ia 395 S. 396 A.- Das am 9. März 1950 erlassene Einführungsgesetz des Kantons Zug zum Bundesgesetz über den unlauteren Wett bewerb (EG) bestimmt in § 7: "In einer Ortschaft können zwei Drittel der Geschäftsinhaber aller oder einzelner Geschäftszweige eine bestimmte Regelung des Ladenschlusses vorschlagen oder einer solchen zustimmen. Der zuständige Einwohnerrat hat diese Ordnung zu genehmigen und verbindlich zu erklären, sofern keine öffentlichen Interessen entgegenstehen." B.- Gestützt auf diese Vorschrift beschloss der Stadtrat von Zug am 26. Oktober 1971, dass alle Schuhgeschäfte in der Stadtgemeinde Zug jeweils am Montag grundsätzlich den BGE 98 Ia 395 S. 397 ganzen Tag geschlossen zu halten seien. Dem Beschluss lag ein entsprechendes Begehren von acht der zehn in Zug niedergelassenen Schuhgeschäfte zugrunde. Nicht befragt und nicht in die Regelung miteinbezogen wurden die Migros und die Nordmann AG, die in ihren Warenhäusern ebenfalls eine Schuhabteilung führen; die Migros schliesst ihr gesamtes Geschäft am Mittwochnachmittag, die Nordmann AG am Montagmorgen. Der Stadtrat verpflichtete die Gesuchsteller, den Beschluss zu veröffentlichen; die Publikation erfolgte im nichtamtlichen Teil des kantonalen Amtsblattes vom 5. November 1971. C.- Die Firma Karl Vögele AG Uznach, die verschiedene Schuhgeschäfte betreibt und am 10. März 1971 in Zug eine Filiale eröffnet hatte, führte gegen den Beschluss des Stadtrates Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Zug. Sie machte geltend, beim angefochtenen Beschluss handle es sich um einen Rechtssatz, der als solcher ordnungsgemäss zu publizieren sei, um Rechtskraft zu erlangen; vorliegend fehle es an einer rechtsgenüglichen Veröffentlichung. Materiell verstosse die angeordnete Ladenschliessung an Montagen gegen Art. 31 BV . Der Regierungsrat wies die Beschwerde mit Entscheid vom 18. Januar 1972 ab. Er führt aus, der Stadtrat habe durch den angefochtenen Beschluss keinen Rechtssatz erlassen, sondern eine Gesetzesbestimmung vollzogen; die Ladenschlussordnung richte sich nicht an unbestimmt viele Personen, sondern bloss an den geschlossenen Kreis aller Geschäftsinhaber der Schuhbranche. Der Einwand der mangelnden amtlichen Publikation sei daher nicht stichhaltig. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ( BGE 91 I 98 ff.) sei es vor Art. 31 BV zulässig, während einer bestimmten Zeitspanne an Werktagen die Schliessung der Ladengeschäfte vorzuschreiben, um den Ladeninhabern und dem Personal die nötige Freizeit zu verschaffen. Der Beschluss des Stadtrates verstosse auch nicht gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes könnten Warenhäuser nicht verhalten werden, ihren Betrieb abteilungsweise zu schliessen, da ein Warenhaus als ein Ganzes betrachtet werden müsse. Die Schuhabteilungen der Migros und der Nordmann AG seien im Rahmen dieser Betriebe nur unbedeutende Nebenabteilungen, die bei der Festlegung der Ladenschlussordnung ausser Betracht fielen. BGE 98 Ia 395 S. 398 D.- Die Karl Vögele AG führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 31 BV mit dem Antrag, der Entscheid des Regierungsrates und die vom Stadtrat Zug erlassene Ladenschlussordnung für die Schuhgeschäfte seien aufzuheben. Zur Begründung wird geltend gemacht, bei der angefochtenen Ladenschlussordnung handle es sich, entgegen der Auffassung des Regierungsrates, nicht um eine Verfügung, sondern um einen Rechtssatz, und ihre Inkraftsetzung ohne amtliche Publikation sei daher willkürlich. Übrigens müssten auch Verfügungen ordnungsgemäss eröffnet werden; daran fehle es, weil der Beschwerdeführerin die neue Ordnung nicht durch die Behörde, sondern durch den Inhaber eines Schuhgeschäftes eröffnet worden sei. Die angefochtene Ladenschlussordnung verstosse sodann gegen die Handels- und Gewerbefreiheit. Die angeordnete Ladenschliessung an Montagen sei durch kein schützenswertes öffentliches Interesse gedeckt; sie diene nur dem Bestreben einzelner Geschäftsinhaber, sich vor der Konkurrenz anderer Geschäfte zu schützen, deren Inhaber nicht ebenfalls zu gewissen Zeiten schliessen wollten. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts seien die Kantone nicht mehr befugt, Vorschriften zum Schutz solcher Arbeitnehmer zu erlassen, welche dem eidg. Arbeitsgesetz vom 13. März 1964 unterstünden. Ob eine Ladenschlussordnung auch dazu dienen könne, den Ladeninhabern die nötige Freizeit zu verschaffen, sei fraglich. Es sei deren eigene Sache, zu entscheiden, wieviel Freizeit sie sich gönnen wollten. Dass die vorliegende Ladenschlussordnung dem letzterwähnten Zweck diene, behaupte der Regierungsrat zu Recht nicht. Nur in wenigen der in Zug niedergelassenen Betriebe arbeiteten die Ladeninhaber selber mit. In den meisten Fällen stünden die Geschäftsleiter im Angestelltenverhältnis und seien daher dem eidg. Arbeitsgesetz unterstellt. Es gebe in Zug keinen Einmannbetrieb, der lediglich vom Geschäftsinhaber geführt werde. Die Geschäftsinhaber könnten sich daher die Fünftagewoche gönnen, ohne den Laden an einem Werktag schliessen zu müssen. Der Regierungsrat habe im übrigen in keiner Weise dargetan, weshalb nur die Inhaber und das Personal der Schuhgeschäfte einen ganzen freien Werktag benötigten, während für die meisten andern Detailgeschäfte nur ein halber freier Werktag vorgeschrieben sei. Es sei auch unzulässig, den freien Werktag für alle Geschäfte auf den selben Tag festzulegen. BGE 98 Ia 395 S. 399 Schliesslich verletze die angefochtene Ordnung das Gebot der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen, da die Regelung auf die Nordmann AG und die Migros, die ebenfalls Schuhe verkauften, nicht anwendbar sei. E.- Der Regierungsrat des Kantons Zug und der Stadtrat Zug beantragen Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die vom Stadtrat Zug am 26. Oktober 1971 beschlossene Ladenschlussordnung für die Schuhgeschäfte erfüllt die Merkmale eines Rechtssatzes. Wenn auch gemäss § 7 EG eine solche Ordnung nur erlassen werden darf, wenn zwei Drittel der betroffenen Geschäftsinhaber ihr zustimmen, so handelt es sich doch um eine von der Gemeindebehörde ausgehende Regelung. Sie gilt sodann nicht nur für die derzeitigen Geschäfte, sondern auch für allfällige neue Schuhgeschäfte, die in Zug eröffnet werden, und sie enthält eine Verhaltensvorschrift nicht bloss für die jetzigen und künftigen Betriebsinhaber, sondern darüber hinaus für alle weiteren Personen, denen zu irgendeinem Zeitpunkt die Geschäftsleitung obliegt. Die getroffene Anordnung erweist sich damit klarerweise als generellabstrakte, d.h. als rechtssatzmässige Norm. Das Bundesgericht hat denn auch seit jeher Ladenschlussordnungen Gesetzes- oder Verordnungscharakter zuerkannt, gleichgültig, ob sie auf Antrag von interessierten Geschäftsinhabern ergangen waren oder nicht ( BGE 97 I 513 E. 3, BGE 89 I 30 ; nicht publ. Entscheid vom 17.12.1952 i.S. Jenny & Kons. gegen Stadt Chur, E. 1; IMBODEN, Verwaltungsrechtsprechung, 4. A., Bd. I, Nr. 212, IV). Die gegenteilige Auffassung der kantonalen Behörden, wonach es sich bei der fraglichen Ladenschlussordnung um eine blosse Verfügung handle, die nur den derzeit betroffenen Geschäftsinhabern zu eröffnen und von diesen selber dem weiteren Publikum bekanntzugeben sei, ist nicht haltbar. Der Stadtrat Zug war vielmehr verpflichtet, die Ladenschlussordnung von Amtes wegen in der Form zu publizieren, welche in der Stadtgemeinde Zug für Gemeindegesetze und allgemeinverbindliche Reglemente vorgesehen ist. Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob die neue Ordnung mangels genügender Publikation unverbindlich war, kann indessen dahingestellt bleiben. Da der staatsrechtlichen Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt wurde und die angefochtene BGE 98 Ia 395 S. 400 Regelung wegen inhaltlicher Verfassungswidrigkeit ohnehin aufgehoben werden muss, besteht kein aktuelles Interesse mehr, darüber zu befinden, ob die Ladenschlussordnung auch ohne amtliche Publikation hätte in Kraft treten können. 2. Art. 31 BV gewährleistet die Handels- und Gewerbefreiheit, behält aber in Abs. 2 kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerbe vor. Wie das Bundesgericht in BGE 97 I 504 ff. klargestellt hat, umfasst dieser Vorbehalt nicht nur rein polizeiliche Massnahmen, sondern auch solche sozialen oder sozialpolitischen Charakters. Untersagt sind den Kantonen hingegen wirtschaftspolitische Massnahmen, d.h. solche, die einen Eingriff in die freie Konkurrenz bezwecken. In jedem Fall muss der Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen; ausserdem ist das Gebot der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen zu beachten. 3. Die kantonalen und kommunalen Ladenschlussvorschriften verfolgen herkömmlicherweise einen doppelten Zweck. Sie dienen zunächst der öffentlichen Ordnung, nämlich der Wahrung der Nacht- und Sonntagsruhe, und sind insoweit rein polizeilicher Natur. Darüber hinaus aber soll durch die Beschränkung der Öffnungszeit mittelbar auch die Arbeitszeit der im Verkaufsbetrieb tätigen Personen, insbesondere des angestellten Personals, beeinflusst werden. Das Bundesgericht hat in langjähriger Rechtsprechung derartige Regelungen als mit Art. 31 BV grundsätzlich vereinbar bezeichnet ( BGE 97 I 502 E. 3 mit Hinweisen auf frühere Entscheide). Mit dem Inkrafttreten des eidgenössischen Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (ArG) hat sich indessen die Rechtslage geändert. Durch dieses Bundesgesetz wurde der Arbeitnehmerschutz in bestimmten Bereichen einheitlich und abschliessend geordnet. Die Kantone sind nicht mehr befugt, Vorschriften zum Schutze solcher Arbeitnehmer zu erlassen, welche dem ArG unterstellt sind, und in Art. 73 Abs. 1 lit. a ArG werden denn auch kantonale Vorschriften, welche vom ArG geregelte Sachgebiete betreffen, ausdrücklich als aufgehoben erklärt ( BGE 97 I 503 /4; AUBERT, Komm. zu Art. 71-73 ArG , N. 19 ff). Zu den durch das ArG geschützten Arbeitnehmern gehört grundsätzlich auch das Personal der Verkaufsgeschäfte. Es hat, sofern mehr als fünf Tage in der Woche gearbeitet wird, Anspruch auf einen freien BGE 98 Ia 395 S. 401 Halbtag wöchentlich ( Art. 21 Abs. 1 ArG ), und die Höchstarbeitszeit je Woche beträgt 50 Stunden (bzw. 46 Stunden für das Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels; Art. 9 ArG ). Mit dem Schutz des Personals lassen sich daher kantonale und kommunale Ladenschlussvorschriften seit dem Inkrafttreten des ArG nicht mehr begründen, und soweit sie einen dahingehenden Zweck verfolgen, verstossen sie gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechtes. Daraus folgt jedoch nicht, dass den Kantonen auf dem Gebiet des Ladenschlusses keine Rechtsetzungskompetenzen mehr zustünden. In Art. 71 lit. c ArG werden u.a. kantonale "Polizeivorschriften... über die Sonntagsruhe und über die Öffnungszeiten" von Detailverkaufsbetrieben ausdrücklich vorbehalten. Innerhalb der durch Art. 31 BV gesetzten Schranken können die Kantone nach wie vor aus Gründen der öffentlichen Ruhe und Ordnung vorschreiben, dass Ladengeschäfte am Abend sowie an Sonn- und Feiertagen zu schliessen sind ( BGE 97 I 503 E. 3 b). Neben diesem rein polizeilichen Zweck dürfen kantonale Ladenschlussvorschriften im Rahmen von Art. 31 BV auch öffentliche Interessen sozialen Charakters verfolgen, sofern damit nicht in ein durch das ArG geregeltes Sachgebiet eingegriffen wird. Als zulässiges Motiv erscheint insbesondere der Schutz derjenigen Personen, die ebenfalls im Verkaufsbetrieb tätig sind, aber nicht dem ArG unterstehen (Ladeninhaber, deren Familienangehörige, leitende Angestellte, vgl. Art. 3 lit. d und Art. 4 ArG ). Zu dieser Gruppe gehören in der Regel auch die Filialleiter der Detailhandelsunternehmen (ZWAHLEN, Komm. zu Art. 3 ArG , N. 14). An welche Schranken die Kantone dabei gebunden sind, bleibt noch zu prüfen. 4. Zur Begründung des angefochtenen Beschlusses des Stadtrates wurde lediglich angeführt, dass der neuen Ladenschlussordnung keine öffentlichen Interessen entgegenstünden. Auch in der dem Bundesgericht eingereichten Vernehmlassung vertritt der Stadtrat die Auffassung, er habe nicht zu begründen, welches öffentliche Interesse für die streitige Beschränkung spreche, sondern es genüge, festzustellen, dass kein entgegenstehendes öffentliches Interesse vorliege. Diese Auffassung entspricht zwar dem Wortlaut von § 7 EG, doch lässt sie sich verfassungsrechtlich nicht halten. Wie jeder Eingriff in die Freiheit des Einzelnen muss auch ein Eingriff in die Handels-und Gewerbefreiheit - und um einen solchen handelt es sich hier - BGE 98 Ia 395 S. 402 auf einem positiven öffentlichen Interesse beruhen; das blosse Fehlen entgegenstehender öffentlicher Interessen genügt keineswegs. Die Frage, welchem öffentlichen Zweck die vorliegend angefochtene Ladenschlussordnung überhaupt dient, wurde auch im Beschwerdeentscheid des Regierungsrates nicht näher untersucht. Der Regierungsrat verwies lediglich in allgemeiner Weise auf die - die Rechtslage vor Inkrafttreten des ArG betreffende - Rechtsprechung des Bundesgerichtes, wonach Ladenschlussvorschriften, welche den Ladeninhabern und dem Personal die nötige Freizeit verschaffen wollten, vor Art. 31 BV zulässig seien. Offenbar ging er stillschweigend davon aus, dass die angefochtene Ordnung zumindest teilweise dem Schutz des Personals diene. Insoweit verstösst sein Entscheid nach dem Gesagten gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, den die Beschwerdeführerin neben Art. 4 und 31 BV sinngemäss ebenfalls angerufen hat. 5. In BGE 97 I 502 ff. hat das Bundesgericht eine kantonale Vorschrift, die dem Ladeninhaber eine halbtägige Schliessung je Woche auferlegt, als mit Art. 31 BV und dem ArG vereinbar betrachtet. Vorliegend beträgt die vorgeschriebene Schliessungsdauer nicht einen halben, sondern einen ganzen Werktag. Eine derartige Regelung erweist sich als verfassungswidrig. a) Selbst wenn man annimmt, der obligatorische Ladenschluss während eines vollen Werktages bezwecke nicht den Schutz des Personals, sondern diene lediglich dazu, die Freizeit der dem ArG nicht unterstellten Personen sicherzustellen, so stellt sich doch die Frage, ob dadurch nicht in unzulässiger Weise in ein durch das ArG geregeltes Sachgebiet eingegriffen wird. Gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. b ArG beträgt die wöchentliche Höchstarbeitszeit für das in Kleinbetrieben des Detailhandels angestellte Personal 50 Stunden. Zwingt man den Arbeitgeber, sein Geschäft ausser am Sonntag auch während eines ganzen Werktages zu schliessen, also einen Fünftagebetrieb einzuführen, so besitzt er praktisch wohl kaum mehr die Möglichkeit, sein Personal während der gemäss ArG zulässigen 50 Stunden je Woche einzusetzen. Zwar ist zu beachten, dass Öffnungszeit und Betriebszeit nicht notwendigerweise identisch sind. Das Personal kann auch ausserhalb der Ladenöffnungszeiten zu internen Tätigkeiten herangezogen werden (Aufräumungsarbeiten, Auffüllen von Regalen usw.). In der Regel werden aber solche Arbeiten täglich vor und nach der Öffnungszeit oder BGE 98 Ia 395 S. 403 zu Tageszeiten, in denen ein geringer Kundenbetrieb herrscht, durchgeführt. Eine Beschäftigung des Personals an einem Wochentag, an dem ein ganztägiger Ladenschluss vorgeschrieben ist, dürfte in den meisten Fällen kaum in Frage kommen. Der obligatorische Ladenschluss während eines ganzen Werktages hat somit mittelbar, wenigstens in der Regel, zur Folge, dass der Ladeninhaber seinem Personal eine längere wöchentliche Ruhezeit gewähren muss, als das ArG sie vorschreibt. Ob dies mit der vom Bundesgesetzgeber getroffenen Regelung vereinbar ist, erscheint fraglich, kann aber offen bleiben, da die angefochtene Ladenschlussordnung ohnehin schon gegen Art. 31 BV verstösst (die Frage wurde beiläufig bejaht in BGE 91 I 106 ; vgl. dazu aber AUBERT, Komm. zu Art. 71-73 ArG , N. 24). b) Um vor Art. 31 BV Bestand zu haben, muss eine Ladenschlussordnung u.a. auf einem hinreichenden öffentlichen Interesse beruhen, wobei der Gedanke des Personalschutzes als Motiv nicht mehr herangezogen werden kann. Ein zulässiger öffentlicher Zweck ist jedoch, wie dargelegt, der Schutz der dem ArG nicht unterstellten Personen (Ladeninhaber, mitarbeitende Familienangehörige, leitende Angestellte); um ihnen die nötige Freizeit sicherzustellen, können die Kantone einen halbtägigen Ladenschluss je Woche vorschreiben. Ein obligatorischer Ladenschluss während eines ganzen Werktages hielte vor Art. 31 BV nur stand, wenn man annähme, dass für die dem ArG nicht unterstellten Personen eine längere Freizeit notwendig ist, als sie das ArG für das Personal vorsieht. Zwar ist der kantonale oder kommunale Gesetzgeber in der Frage, welches die aus sozialen Gründen sicherzustellende minimale Freizeit sei, an die Auffassung des Bundesgesetzgebers nicht unbedingt gebunden. Vorliegend kann er sich aber über sie nicht hinwegsetzen, da ein obligatorischer Ladenschluss während eines vollen Werktages, der sich einzig mit dem Schutz der dem ArG nicht unterstellten Personen begründen liesse, im Hinblick auf die im ArG für das Personal getroffene Regelung dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit widerspräche. Gegen die Zulässigkeit eines ganztägigen Ladenschlusses sprechen im konkreten Fall noch weitere Gründe. Nach unwidersprochener Darstellung der Beschwerdeführerin haben die meisten Detailgeschäfte der Stadt Zug nur während eines halben Werktages zu schliessen. Es ist, wie in der staatsrechtlichen BGE 98 Ia 395 S. 404 Beschwerde zu Recht geltend gemacht wird, kaum einzusehen, weshalb in der Schuhbranche wesentlich andere Verhältnisse herrschen sollen, die es rechtfertigen würden, eine längere Schliessungsdauer anzuordnen. Dass die Mehrheit der Ladenbesitzer der Schuhbranche einen ganztägigen Ladenschluss befürwortet hat, vermag das Vorhandensein eines hinreichenden öffentlichen Interesses an einer solchen Regelung noch nicht darzutun; der Wille dieser Mehrheit begründet lediglich ein privates Verbandsinteresse. Zu beachten ist weiter, dass zwei in Zug befindliche Warenhäuser, nämlich die Nordmann AG und die Migros, ihren Betrieb lediglich einen halben Tag je Woche zu schliessen haben. Diese Warenhäuser, welche ebenfalls je eine Schuhabteilung führen, sind aus der Sicht der stadtzugerischen Schuhgeschäfte direkte Konkurrenzbetriebe (vgl. WYSS, Die Handels- und Gewerbefreiheit und die Rechtsgleichheit, Diss. Zürich 1971, S. 22 ff, insb. S. 27). Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen dürfen sie daher nicht bessergestellt werden. Eine solche Besserstellung liegt aber vor, wenn die Warenhäuser im Gegensatz zu den Schuhgeschäften ihren Betrieb nur einen halben Tag zu schliessen haben. Wenn auch nicht verlangt werden kann, dass Warenhäuser gleichzeitig mit den betreffenden Fachgeschäften ihren Betrieb abteilungsweise schliessen ( BGE 88 I 236 ff; nicht publ. Urteil vom 18.11.1964 i.S. Billeter & Kons. c. Thurgau), so ist es doch nicht angängig, den Spezialgeschäften eine längere Schliessungsdauer aufzuerlegen als jene, die für die Warenhäuser generell gilt. Die angefochtene Ladenschlussordnung, welche den Schuhgeschäften die Schliessung während eines vollen Werktages vorschreibt, verstösst daher gegen Art. 31 BV . 6. Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, es gehe auch nicht an, zu verlangen, dass alle Geschäfte einer bestimmten Branche am gleichen Tag zu schliessen hätten. Es trifft zu, dass der mit der Ladenschlussordnung verfolgte öffentliche Zweck an sich auch erreicht wäre, wenn es dem einzelnen Ladenbesitzer überlassen bliebe, an welchem Halbtag der Woche er sein Geschäft schliessen will. Diese Wahlmöglichkeit darfnur soweit beschränkt werden, als es aus anderweitigen Gründen des öffentlichen Interesses notwendig erscheint. Eine gewisse Einschränkung drängt sich wohl schon deshalb auf, um überhaupt eine staatliche Kontrolle zu ermöglichen bzw. um BGE 98 Ia 395 S. 405 diese zu erleichtern. Sodann ist nicht zu übersehen, dass eine Übersichtlichkeit der Ladenschlussordnung auch im Interesse des Publikums liegt. Ob und wieweit eine gleichzeitige Schliessung der Ladengeschäfte angeordnet werden kann, hängt demnach stark von den konkreten Verhältnissen ab; die gegeneinander abzuwägenden Interessen können auch von Branche zu Branche verschieden sein (vgl. BGE 96 I 366 ff). Im vorliegenden Fall braucht die Frage nicht entschieden zu werden, da die angefochtene Ordnung ohnehin gesamthaft aufgehoben werden muss und nicht feststeht, welche neue Regelung im Rahmen des in § 7 EG vorgesehenen Verfahrens allenfalls zustandekommen wird. Es wäre zunächst Sache des Stadtrates, zu prüfen, ob die Festsetzung eines einheitlichen Schliessungshalbtages einem öffentlichen Bedürfnis entspricht. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und die vom Stadtrat Zug am 26. Oktober 1971 beschlossene Ladenschlussordnung sowie der Beschwerdeentscheid des Regierungsrates des Kantons Zug vom 18. Januar 1972 werden aufgehoben.
public_law
nan
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1,972
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CH
Federation
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Urteilskopf 113 Ia 22 4. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Juni 1987 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste § 178 Abs. 1 StPO -SO; Verwirkung des Appellationsrechts, wenn der Beschuldigte an der dem Gericht zuletzt angegebenen Adresse nicht vorgeladen werden kann. Es ist sachlich nicht vertretbar, aus dem Umstand, dass sich der Beschuldigte zur Zeit nicht an der dem Gericht zuletzt angegebenen Adresse aufhält, zu schliessen, dass damit eine Vorladung an dieser Adresse nicht möglich sei, und deshalb die Appellation als verwirkt zu erklären. Die Vorladung kann möglicherweise Drittpersonen ausgehändigt werden; durch die allfällige Entgegennahme der Vorladung durch diese Drittpersonen ist die Zustellung vollendet (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 23 BGE 113 Ia 22 S. 23 X. wurde vom Amtsgerichtspräsidenten von Olten-Gösgen am 14. Oktober 1986 der Verletzung von Verkehrsregeln und des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall schuldig gesprochen und zu einer Busse von Fr. 500.-- verurteilt. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1986 erklärte sein Rechtsvertreter vollumfänglich die Appellation. Am 1. Dezember 1986 teilte ihm das Obergericht des Kantons Solothurn mit, der Präsident der Strafkammer erachte die Appellation aufgrund der vorliegenden Akten und nach vorläufiger Prüfung als aussichtslos, weshalb ihm der Rückzug der Appellation empfohlen werde. Gleichzeitig wurde ihm Frist bis 29. Dezember 1986 angesetzt, um einen allfälligen Rückzug zu erklären oder andernfalls Entlastungsbeweisanträge zu stellen. Der Verteidiger ersuchte am 24. Dezember 1986 um Erstreckung dieser Frist bis 27. Januar 1987, da es ihm noch nicht möglich gewesen sei, die Sache mit seinem Klienten zu besprechen. Der Präsident der Strafkammer entsprach diesem Gesuch. Am 27. Januar 1987 teilte der Verteidiger indessen mit, er habe vernehmen müssen, dass sich X. in Frankreich in Haft befinde. Er könne ihn deshalb nicht erreichen und es fehle ihm auch eine nähere Adresse. Er ersuche daher um vorläufige Sistierung des Verfahrens. Daraufhin erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn die Appellation mit Beschluss vom 2. Februar 1987 als verwirkt. Es stützte sich hiebei auf § 178 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Solothurn vom 7. Juni 1970 (StPO), der wie folgt lautet: "Hat der Beschuldigte appelliert und kann er an der dem Gericht zuletzt angegebenen Adresse nicht vorgeladen werden oder bleibt er trotz gehöriger Vorladung in der Hauptverhandlung des Obergerichts aus, gilt die Appellation eine halbe Stunde nach dem Verhandlungstermin als verwirkt, ausser wenn das Obergericht den Beschuldigten auf Gesuch hin aus wichtigen Gründen vom Erscheinen dispensiert hat." Das Obergericht erwog, aus dem Schreiben des Verteidigers vom 27. Januar 1987 gehe hervor, dass der Aufenthaltsort des Beschuldigten nicht bekannt sei. Eine Vorladung an "der dem Gericht zuletzt angegebenen Adresse" im Sinne von § 178 Abs. 1 StPO sei deshalb nicht möglich und die Appellation als verwirkt zu erklären. Eine gegen diesen Entscheid von X. erhobene staatsrechtliche Beschwerde heisst das Bundesgericht gut. BGE 113 Ia 22 S. 24 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Nach § 178 Abs. 1 StPO verwirkt der Beschuldigte, der trotz gehöriger Vorladung in der Hauptverhandlung des Obergerichts unentschuldigt ausbleibt, grundsätzlich sein Appellationsrecht. Dass diesem Tatbestand derjenige gleichgestellt wird, bei dem der Beschuldigte an der dem Gericht zuletzt angegebenen Adresse nicht vorgeladen werden kann, ist folgerichtig. In diesem Fall wird der Beschuldigte, dem rechtsgültig überhaupt keine Kenntnis vom Hauptverhandlungstermin gegeben werden kann, regelmässig unentschuldigt nicht an der Hauptverhandlung erscheinen; insoweit ist dem Obergericht beizupflichten, wenn es unter Hinweis auf seinen Entscheid vom 23. September 1971 die Auffassung vertritt, in diesem Fall könne die Appellation ohne weiteres abgeschrieben werden, ohne dass der Termin aufrecht erhalten und die Wartefrist von einer halben Stunde gemäss § 178 Abs. 1 StPO eingehalten werden müsste. b) Die Regelung von § 178 Abs. 1 StPO dispensiert das Obergericht nach ihrem klaren Wortlaut davon, im Falle der Appellation des Beschuldigten bei der Vorladung zur Hauptverhandlung seinerseits nach dessen aktuellem Aufenthalt zu forschen. Der Beschuldigte kann vielmehr an seiner dem Gericht zuletzt angegebenen Adresse gehörig vorgeladen werden. Wie das Obergericht zutreffend ausführt, geht diese Regelung davon aus, es könne vom Beschuldigten als Appellanten erwartet werden, dass er dem Gericht einen allfälligen Adresswechsel mitteile. Unterlässt er dies, so hat er die daraus entstehenden Folgen zu tragen. Namentlich hat er es sich selber zuzuschreiben, wenn er infolge einer unterlassenen Benachrichtigung des Gerichts über eine Adressänderung von der an die zuletzt angegebene Adresse zugestellten Vorladung keine Kenntnis erhält, deshalb in der angesetzten Hauptverhandlung unentschuldigt nicht erscheint und die Appellation in der Folge als verwirkt erklärt wird. c) Das Obergericht geht davon aus, eine Vorladung an die zuletzt angegebene Adresse sei im vorliegenden Fall gar nicht möglich, weil der Aufenthaltsort des Beschuldigten, der sich offenbar in Frankreich in Haft befinde, nicht bekannt sei. Diese Auffassung ist näher zu prüfen. Gemäss § 23 StPO werden Vorladungen in Strafsachen soweit als möglich durch die Post, allenfalls durch den Weibel oder die Polizei zugestellt. Kann der Adressat vom zustellenden Beamten BGE 113 Ia 22 S. 25 nicht angetroffen werden, ist eine Ersatzzustellung zulässig. Bei der Zustellung durch die Post gelten als bezugsberechtigt die im gleichen Haushalt lebenden erwachsenen Familienangehörigen (Art. 147 lit. b und 148 lit. b PVV). Bei Zustellung durch den Weibel oder die Polizei kann die Vorladung verschlossen einem volljährigen Angehörigen oder Hausgenossen ausgehändigt werden ( § 23 Abs. 2 StPO ). Zudem kann der Adressat einer Postsendung eine Drittperson zum Empfang der an ihn adressierten Postsendungen bevollmächtigen (Art. 149 PVV). Auch bei Zustellung durch den Weibel oder die Polizei ist allenfalls eine Zustellbevollmächtigung zu beachten (vgl. KLAUS BEAT LÄMMLI, Die Strafverfügung nach solothurnischem Prozessrecht, Diss. Bern 1983, S. 151/152). Durch die Entgegennahme der Vorladung durch diese Drittpersonen ist die Zustellung vollendet; ob der Beschuldigte selber vom Inhalt wirklich Kenntnis nimmt oder nicht, ist unerheblich. d) Dem Obergericht war der bisherige Wohnort des Beschuldigten bekannt. Dafür, dass er diesen Wohnort endgültig verlassen hätte, liegen keine Anhaltspunkte vor. Nach dem Gesagten bestand deshalb durchaus die Möglichkeit, dass er an dieser Adresse gehörig hätte vorgeladen werden können. Zwar hält sich der Beschwerdeführer offenbar zur Zeit im Ausland auf und es hätte demnach die Gefahr bestanden, dass er vom Verhandlungstermin keine oder verspätet Kenntnis erhalten hätte. Indessen wäre es ohne weiteres möglich gewesen, dass er hierüber von der Drittperson, die allenfalls die Vorladung in Empfang genommen hätte, rechtzeitig orientiert worden wäre. Jedenfalls konnte diese Möglichkeit nach der Aktenlage nicht mit Grund schlechthin ausgeschlossen werden. Insofern lässt sich der vorliegende Fall nicht mit dem oben erwähnten vergleichen, in dem eine Vorladung überhaupt nicht möglich ist. Unter diesen Umständen war es sachlich nicht vertretbar, dass das Obergericht die Appellation als verwirkt erklärt hat, und der angefochtene Beschluss ist schon deshalb aufzuheben. Darüber hinaus liesse sich fragen, ob eine gehörige Vorladung nicht auch an die Adresse des Verteidigers hätte erfolgen können. Zwar vertritt die solothurnische Praxis offenbar die Auffassung, die Vorladung in Strafsachen sei dem Beschuldigten persönlich zuzustellen (MICHAEL BEGLINGER, Der Friedensrichter im solothurnischen Recht, Diss. Basel 1985, S. 181). Es erscheint indessen unter dem Gesichtswinkel des Anspruchs auf rechtliches Gehör als fraglich, ob eine Appellation gestützt auf § 178 Abs. 1 BGE 113 Ia 22 S. 26 StPO auch dann als verwirkt erklärt werden kann, wenn der Beschuldigte zwar tatsächlich nicht an der zuletzt angegebenen Adresse vorgeladen werden kann, eine Vorladung am Domizil seines Verteidigers aber ohne weiteres möglich ist. Dies ist jedoch hier nicht abschliessend zu entscheiden. Beizufügen ist immerhin, dass auch bei der Zustellung an den Verteidiger aus dem Umstand, dass diesem der Aufenthalt des Beschuldigten zur Zeit nicht bekannt war, nicht hätte geschlossen werden dürfen, eine rechtzeitige Benachrichtigung über den angesetzten Termin sei schlechthin unmöglich.
public_law
nan
de
1,987
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
96f99235-260d-4697-b471-3d1074a1d47d
Urteilskopf 113 Ib 183 31. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 16 septembre 1987 dans la cause C. contre Office fédéral de la police (recours de droit administratif)
Regeste Auslieferungsersuchen von Belgien für eine mit Todesstrafe bedrohte Tat; Art. 37 Abs. 2 IRSG . Die Bestimmung von Art. 37 Abs. 1 IRSG (wonach nur ausgeliefert wird, wenn der ersuchende Staat Gewähr bietet, dass der Verfolgte nicht hingerichtet wird) kann im vorliegenden Verfahren nicht angerufen werden, da der Vertrag zwischen der Schweiz und Belgien über gegenseitige Auslieferung von Verbrechern vom 13. Mai 1874 keinen Vorbehalt hinsichtlich der für Auslieferungsdelikte angedrohten Strafen enthält. Auch der internationale Ordre public verbietet die Auslieferung im Falle einer möglichen Todesstrafe nicht (E. 3). Gleichzeitige Auslieferungsersuchen von Belgien und Italien für verschiedene Handlungen; Art. 17 EAUe . Auch wenn die gleichzeitig um Auslieferung ersuchenden Staaten nicht alle mit der Schweiz durch einen Staatsvertrag verbunden sind, der eine Art. 17 EAUe ähnliche Prioritätenregelung enthält, hat man sich von den völkerrechtlichen und landesrechtlichen Prinzipien leiten zu lassen, die in Art. 17 EAUe und Art. 40 IRSG festgehalten sind (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 184 BGE 113 Ib 183 S. 184 L'ambassade de Belgique à Berne a demandé l'extradition du ressortissant italien C. faisant l'objet de sept mandats d'arrêt décernés successivement du 14 novembre 1986 au 9 mars 1987 par le Juge d'instruction près le Tribunal de première instance de Liège. Ces mandats d'arrêt se rapportent à la participation de l'intéressé à une longue série d'attaques à main armée dirigées contre des établissements bancaires et des bureaux de poste de la grande banlieue de Liège ainsi qu'à une prise d'otage et au vol d'un BGE 113 Ib 183 S. 185 véhicule avec violence et menace au préjudice du détenteur, commis le 8 février 1987 pour assurer son évasion de la prison de Lantin en compagnie de plusieurs codétenus. L'ambassade d'Italie à Berne a également requis l'extradition de C. sur la base d'un mandat d'arrêt décerné le 13 novembre 1986 par le Juge d'instruction près le Tribunal de Turin, concernant une attaque à main armée perpétrée contre une bijouterie à Gênes. C. s'est opposé à son extradition à la Belgique; il n'a fait en revanche aucune objection à sa remise aux autorités italiennes. Par décision du 15 juin 1987, l'Office fédéral de la police a accordé l'extradition de C. à la Belgique. Il l'a refusée à l'Italie mais il a indiqué que sa décision "ne saurait faire obstacle à une demande de réextradition de la Belgique à l'Italie". Agissant par la voie du recours de droit administratif, C. a demandé au Tribunal fédéral d'annuler la décision de l'Office fédéral de la police, de refuser l'extradition requise par la Belgique et d'accorder celle demandée par l'Italie. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en précisant qu'une éventuelle réextradition à l'Italie est autorisée. Erwägungen Extrait des considérants: 1. a) L'extradition entre la Confédération suisse et le Royaume de Belgique fait l'objet de la Convention belgo-suisse sur l'extradition réciproque des malfaiteurs conclue à Berne le 13 mai 1874 (RS 0.353.917.2; ci-après: le Traité bilatéral). L'extradition entre la Suisse et la République italienne est régie par la Convention européenne d'extradition conclue à Paris le 13 décembre 1957, entrée en vigueur pour l'Italie le 4 novembre 1963 et pour la Suisse le 20 mars 1967 (RS 0.353.1; ci-après: la Convention multilatérale ou CEExtr.). Le droit fédéral autonome, c'est-à-dire la loi du 20 mars 1981 sur l'entraide pénale internationale et son ordonnance d'exécution du 24 février 1982 (EIMP et OEIMP), demeure réservé pour des questions que le Traité bilatéral ou la Convention multilatérale ne règlent pas exhaustivement. 3. L' art. 37 al. 2 EIMP prescrit notamment que l'extradition ne sera pas accordée si l'Etat requérant ne donne pas la garantie que la personne poursuivie ne sera pas exécutée. Or l'art. 347bis al. 4 et 5 du code pénal belge punit de mort l'auteur d'une prise d'otage si l'arrestation, la détention ou l'enlèvement de la victime a causé soit une maladie paraissant incurable, soit une incapacité BGE 113 Ib 183 S. 186 permanente physique ou psychique, soit la perte complète de l'usage d'un organe, soit une mutilation grave, soit la mort (al. 4), ou encore si les malfaiteurs l'ont soumise à des tortures corporelles (al. 5). Poursuivi sur la base de ces dispositions, le recourant soutient qu'il court le risque d'être condamné à mort et d'être exécuté pour les actes commis le 8 février 1987. Cette objection n'est pas valable, car le droit autonome doit s'incliner devant le droit conventionnel, conformément au principe rappelé au consid. 1a ci-dessus. Le Traité bilatéral n'est assorti d'aucune réserve quant aux peines applicables aux délits extraditionnels. Chacun des Etats contractants doit donc accorder à l'autre l'extradition requise, aux conditions fixées dans ce Traité, sans se préoccuper de la peine qui sera infligée à la personne livrée. Tel est manifestement le cas de la peine de mort puisque le Traité bilatéral, conclu à une époque où les législations des deux Etats connaissaient ce châtiment, n'a été ni dénoncé ni modifié après l'abolition de la peine de mort en Suisse au moment de l'entrée en vigueur du code pénal (1er janvier 1942). L'objection du recourant ne pourrait être accueillie que si une norme supérieure adoptée par les deux Etats ou l'ordre public international prohibait la peine de mort. Une telle norme existe certes à l'art. 11 de la Convention multilatérale, mais cet acte n'a actuellement pas été ratifié par la Belgique. On ne saurait davantage se fonder sur l'ordre public international dès lors que la Convention européenne de sauvegarde des droits de l'homme et des libertés fondamentales, qui en traduit dans une large mesure le contenu actuel, admet à son art. 2 ch. 1 que l'exécution d'une sentence capitale, prononcée par un tribunal au cas où le délit est puni de cette peine par la loi, ne constitue pas une violation du droit fondamental à la vie. La Suisse ne peut ainsi se fonder sur l'éventualité d'une condamnation du recourant à la peine de mort et de son exécution pour refuser l'extradition; elle n'a pas davantage à exiger une garantie au sens de l' art. 37 al. 2 EIMP de l'Etat requérant auquel elle est liée par un traité bilatéral. C'est à l'autorité politique qu'il appartiendra de se prononcer, si elle en est requise, sur l'opportunité d'adresser à l'Etat requérant une recommandation en ce sens au moment de la remise de l'extradé (cf. ATF 100 Ia 416 /417 consid. 4 lettre e, ATF 87 I 141 consid. 3). 5. L'Office fédéral de la police a été saisi par les autorités italiennes d'une autre demande d'extradition concernant le recourant, dont il n'est pas contesté qu'elle remplisse les conditions BGE 113 Ib 183 S. 187 posées par la Convention multilatérale. Il y a donc en l'espèce concours de requêtes pour des faits différents. Selon l' art. 17 CEExtr ., en pareil cas, l'Etat requis statue compte tenu de toutes les circonstances et notamment de la gravité relative et du lieu des infractions, des dates respectives des demandes, de la nationalité de l'individu réclamé et de la possibilité d'une extradition ultérieure à un autre Etat. Cette règle a été reprise intégralement par le législateur fédéral à l' art. 40 al. 2 EIMP qui ajoute simplement les perspectives de reclassement social aux circonstances propres à déterminer le choix de l'Etat requis. Le Traité bilatéral ne contient en revanche aucune règle semblable qui permettrait à l'un des Etats contractants de donner en pareil cas, selon les circonstances, la priorité à la demande d'un Etat tiers. Dans l'hypothèse de deux demandes d'extradition acceptables, dont l'une a été formée par un Etat conventionnel et l'autre par un Etat non conventionnel, la Suisse doit en principe exécuter la première pour respecter les engagements qu'elle a pris en signant le traité qui l'emporte sur le droit autonome. Il en va différemment en cas de pluralité de demandes formées par des Etats auxquels la Suisse est liée par des traités dont certains ne contiennent pas une règle semblable à celle des art. 17 CEExtr . et 40 EIMP (cf. ATF 103 Ia 624 ). On se trouve alors en présence d'une lacune qu'il y a lieu de combler en s'inspirant des principes du droit des traités, ou des règles du droit interne qui en sont l'expression, telles que les art. 17 CEExtr . et 40 EIMP. Les critères énumérés dans ces textes ne sont ni exhaustifs ni classés par ordre d'importance. L'Etat requis dispose donc d'une liberté d'appréciation assez large pour déterminer dans chaque espèce les circonstances propres à faire opter en faveur de l'extradition à l'un des Etats concernés, sous réserve d'une extradition ultérieure à un autre Etat (cf. CURT MARKEES, Entraide internationale en matière pénale, fiche juridique suisse No 422, p. 33/34). En l'espèce, l'autorité intimée a mis avec raison l'accent sur la gravité et le nombre des infractions commises en Belgique, le recourant n'étant recherché en Italie que pour un seul délit, analogue, commis deux ans plus tôt. La nationalité du recourant et les perspectives de reclassement social qu'il invoque ne seraient propres à atténuer la prépondérance manifeste du critère précité que si la Belgique s'était déclarée disposée à déléguer la poursuite des infractions commises sur son territoire aux autorités italiennes. Mais, interpellées à ce sujet, les autorités belges ont souligné BGE 113 Ib 183 S. 188 qu'elles entendent que la priorité soit accordée à leur demande d'extradition. Elles se sont, dans la même écriture, engagées à réextrader le recourant à l'Italie si cet Etat le demandait après qu'il aura "satisfait à la justice belge". On ne saurait perdre de vue à ce propos qu'une réextradition de l'Italie à la Belgique n'entrerait pas en ligne de compte, le premier de ces Etats n'extradant pas ses nationaux. A cela s'ajoute le fait que le recourant s'est évadé d'un établissement pénitentiaire de Belgique où il était détenu dans l'attente d'être jugé par les autorités de ce pays. Son extradition aux autorités italiennes, qui seraient de toute façon difficilement en mesure de le juger en toute connaissance de cause du chef des délits commis en Belgique, reviendrait à lui attribuer un avantage du fait de son évasion et ne serait pour le moins pas conforme au fondement des principes qui s'appliquent en cas de pluralité des demandes d'extradition. L'art. 9 al. 3 du Traité bilatéral prévoit que la réextradition de la personne recherchée à un Etat tiers ne peut être, en règle générale, ordonnée par l'Etat requérant sans le consentement de l'Etat requis. La décision attaquée dit au point 3 de son dispositif que l'extradition du recourant à la Belgique ne saurait faire obstacle à une demande de réextradition à l'Italie dans le sens des considérants. Ce consentement préalable doit être confirmé pour tous les délits énumérés dans le mandat d'arrêt délivré le 13 novembre 1986 par le Juge d'instruction près le Tribunal de Turin; ces délits sont extraditionnels au sens de la Convention multilatérale.
public_law
nan
fr
1,987
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
97063eb7-97b3-4746-84a2-5100d0731c91
Urteilskopf 81 IV 236 52. Urteil des Kassationshofes vom 25. November 1955 i. S. Bläsi gegen Jegge.
Regeste Art. 173 Ziff. 3 StGB . Wer vorwiegend darauf ausgeht, jemandem Übles vorzuwerfen, äussert sich weder zur Wahrung des öffentlichen Interesses noch sonstwie auf begründete Veranlassung hin und ist daher von den Entlastungsbeweisen der Ziff. 2 ausgeschlossen.
Erwägungen ab Seite 236 BGE 81 IV 236 S. 236 Erwägungen: Art. 173 Ziff. 3 StGB schliesst die in Ziff. 2 vorgesehenen Beweise aus "für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonstwie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen". Wie der Kassationshof schon wiederholt entschieden hat (Urteile vom 16. Juni 1955 i.S. Klinger und vom 14. Juli 1955 i.S. Steiger), schliesst diese Bestimmung den Entlastungsbeweis ohne weiteres aus, wenn der Täter vorwiegend in der Absicht gehandelt BGE 81 IV 236 S. 237 hat, dem anderen Übles vorzuwerfen; denn wer in dieser Absicht sich ehrverletzend äussert, tut es immer ohne begründete Veranlassung; solche kann nur haben, wer nicht oder nicht vorwiegend darauf ausgeht, jemandem Übles vorzuwerfen. Die Feststellung des Obergerichts, der Beschwerdeführer habe die Tat vorwiegend in dieser Absicht begangen, schliesst daher den Wahrheitsbeweis aus. Sie ist tatsächlicher Natur und bindet somit das Bundesgericht ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ). Anders wäre es nur, wenn das Obergericht von einem unzutreffenden Begriff des Üblen oder des Vorwiegens ausgegangen wäre. Hiefür liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, was auch der Beschwerdeführer nicht behauptet. Dass das ehrverletzende Inserat vor der Wahl der Kirchenpfleger der römisch-katholischen Kirchgemeinde erschienen ist, ändert nichts. Der Beschwerdeführer konnte den Beschwerdegegner im Hinblick auf diese Wahl ebenso vorwiegend um der Anschwärzung willen in seiner Ehre verletzen, wie er es unter anderen Umständen auch hätte tun können. Angesichts der Feststellung, dass der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner vorwiegend Übles hat vorwerfen wollen, versagt auch die Rüge, der Wahrheitsbeweis liege im öffentlichen Interesse, womit der Beschwerdeführer offenbar sagen will, die ehrverletzenden Äusserungen hätten im öffentlichen Interesse gelegen. Nach Art. 173 Ziff. 3 StGB kommt es nicht darauf an, ob die Äusserungen objektiv im öffentlichen Interesse liegen, sondern entscheidend ist, ob der Täter dieses Interesse hat wahren wollen (StenBull NatR 1950 459 f., StR 1950 257). Der Ehrverletzer, der vorwiegend darauf ausgeht, jemandem Übles vorzuwerfen, ist nicht um die Wahrung des öffentlichen Interesses besorgt.
null
nan
de
1,955
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
97171ee0-7fec-4e46-913d-f6fb2b13f578
Urteilskopf 134 III 547 86. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE) gegen X. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_170/2008 vom 19. August 2008
Regeste Art. 2 lit. a MSchG ; dreidimensionale Marke; massgebender Adressatenkreis. Unterschiedliche Beurteilung der Schutzvoraussetzungen im Marken- und Designrecht (E. 2.3.1). Für allgemeine Konsumgüter bilden die Endverbraucher in der Schweiz den massgebenden Adressatenkreis; er ist nicht nach Qualität oder Preis einzuschränken (E. 2.3.2).
Sachverhalt ab Seite 548 BGE 134 III 547 S. 548 A. X. (Gesuchstellerin, Beschwerdegegnerin) ersuchte am 14. Juni 2004 beim Institut für Geistiges Eigentum (IGE) unter der Nr. 53900/2004 um Markenschutz für Waren der Klasse 20 (Möbel und Stühle) für folgende dreidimensionale Form: Nach Beanstandungen, welche die Gesuchstellerin bestritt, gab das IGE mit Verfügung vom 11. Juli 2007 dem Markeneintragungsgesuch Nr. 53900/2004 (dreidimensionale Marke) gestützt auf Art. 2 lit. a i.V.m. Art. 30 Abs. 2 lit. c MSchG (SR 232.11) in Bezug auf alle beanspruchten Waren (Klasse 20) nicht statt (Ziffer 1). B. Mit Urteil vom 20. Februar 2008 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Gesuchstellerin gut, hob Ziffer 1 der Verfügung des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum vom 11. Juli 2007 auf und wies das Institut an, die Marke gemäss Gesuch Nr. 53900/2004 für Stühle in Klasse 20 im schweizerischen Markenregister einzutragen. Das Bundesverwaltungsgericht vertrat im Gegensatz zum IGE die Ansicht, die beanspruchte Form werde vom massgebenden schweizerischen Durchschnittsabnehmer für Stühle als markenrechtlich originär unterscheidungskräftig wahrgenommen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des IGE teilweise gut, hebt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2008 auf und weist die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung zurück. BGE 134 III 547 S. 549 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der "Panton"-Stuhl, dessen Form von der Beschwerdegegnerin als Marke für Stühle beansprucht wird, war nach unbestrittener Darstellung der Beteiligten als Designermöbel für die Formgebung bestimmter Stühle in den 1960er Jahren prägend. Als Design ist eine Gestaltung von Erzeugnissen schutzfähig, die namentlich durch die Anordnung von Linien, Flächen, Konturen oder Farben oder durch das verwendete Material charakterisiert wird, soweit sie neu ist und Eigenart aufweist (Art. 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 2001 über den Schutz von Design [Designgesetz, DesG; SR 232.12]). Der "Panton"-Stuhl dürfte zudem die Voraussetzungen für den Urheberrechtsschutz erfüllen, denn Möbelstücke können insbesondere dann Werke im Sinne von Art. 2 (lit. f) URG (SR 231.1) sein, wenn sie sich von bisherigen Stilrichtungen klar abheben und eine neue Richtung einleiten oder wesentlich mitbestimmen ( BGE 113 II 190 E. 2a S. 197). 2.1 Das IGE vertritt in der Begründung der Beschwerde die Ansicht, der vorliegende Entscheid sei deshalb von prinzipieller Tragweite, weil der von der Vorinstanz zugesprochene Markenschutz für die beanspruchte dreidimensionale Form letztlich dazu führen würde, dass jede Form, welche die Schutzvoraussetzungen als Design erfüllt, damit auch den - grundsätzlich zeitlich unlimitierten - Schutz der Formmarke beanspruchen könne. Diese Befürchtung erscheint nicht unbegründet, wenn berücksichtigt wird, dass Warenformen Gestaltungen von Erzeugnissen im Sinne von Art. 1 DesG sein können, die als dreidimensionale Form im Sinne von Art. 1 Abs. 2 MSchG grundsätzlich auch als Marke schutzfähig sind. In der Lehre wird mehrheitlich vertreten, dass unter den einzelnen Immaterialgüterrechten keine Hierarchie besteht und ein kumulativer Rechtsschutz daher nicht ausgeschlossen ist, wenn die Schutzvoraussetzungen für mehrere Immaterialgüterrechte erfüllt sind (STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, Handkommentar Designgesetz, Bern 2006, Teil A: Grundlagen, N. 41 ff. und 57 ff.; STAUB/CELLI, Designrecht, Zürich 2003, N. 6 f. und 8 ff. zu Art. 1 DesG ; MARBACH, Markenrecht, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Bd. III, Basel 1996, S. 12 f.; CHRISTOPH WILLI, Kommentar zum Markenschutzgesetz, Zürich 2002, N. 199 zu Art. 2 MSchG ; vgl. auch MARKUS INEICHEN, Die Formmarke im Lichte der absoluten Ausschlussgründe nach dem BGE 134 III 547 S. 550 schweizerischen Markenschutzgesetz, in: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil [GRUR Int.] 2003, S. 193 sowie PETER HEINRICH, DesG/HMA: Kommentar, Zürich 2002, Rz. 0.36 ff.). Nach der Rechtsprechung kann etwa eine Gestaltung nach dem Design- bzw. nach dem früheren Muster- und Modellgesetz geschützt werden, auch wenn sie gleichzeitig als Werk den Schutz des Urheberrechts beanspruchen kann ( BGE 113 II 190 E. 2a S. 197). Ausserdem wird in der neueren Rechtsprechung die Eigenständigkeit des Schutzes der Lauterkeit im Wettbewerb gegenüber dem Markenschutz anerkannt ( BGE 129 III 353 E. 3.3 S. 358; BGE 127 III 33 E. 3a S. 38). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die jeweils spezifischen Schutzvoraussetzungen für jedes beanspruchte Recht eigenständig zu beurteilen sind und keine Abgrenzung der Immaterialgüterrechte in dem Sinne angebracht ist, dass jeweils ein Normbereich ausschliesslich gelten würde. Allerdings widerspräche es der Kohärenz der Rechtsordnung, wenn die für ein Recht ausdrücklich definierten Grenzen mit einer zu weit gezogenen Definition des Schutzes für ein anderes Recht unterlaufen werden könnten. 2.2 Das Designgesetz bezweckt die Förderung der ästhetisch ansprechenden Formgebung gewerblicher und industrieller Erzeugnisse (HEINRICH, a.a.O., Rz. 0.11; STAUB/CELLI, a.a.O., N. 34 zu Art. 1 DesG ); es schützt die geistige Leistung, die in der Gestaltung eines Erzeugnisses liegt (STUTZ/BEUTLER/KÜNZI, a.a.O., N. 41; HEINRICH, a.a.O., Rz. 0.10). Für den Schutz als Design ist nach Art. 2 Abs. 1 DesG erforderlich, dass die Form neu ist und Eigenart aufweist, was zutrifft, wenn sich der Gesamteindruck der beanspruchten Form in der Beurteilung der an einem Kauf der entsprechend gestalteten Produkte unmittelbar interessierten Personen vom Vorbekannten massgeblich abhebt ( BGE 133 III 189 E. 5.1.1 S. 193 f.; BGE 134 III 205 E. 5 und 6 S. 209 ff.). Der Schutz als Design kann für eine beschränkte Zeit beansprucht werden, während nach deren Ablauf die neue und ursprünglich eigenartige Gestaltung grundsätzlich nachgemacht oder nachgeahmt werden darf. Die Marke soll dagegen die Produkte eines Unternehmens im Verkehr kennzeichnen und von den Produkten anderer Unternehmen abheben ( Art. 1 Abs. 1 MSchG ). Sie ist grundsätzlich zeitlich unbeschränkt so lange gegen die Verwendung verwechselbarer Zeichen für gleichartige Waren geschützt, als sie im Register eingetragen ist und die damit gekennzeichneten Produkte auf dem Markt angeboten werden. Formen von Waren, die gleichzeitig als Marke die Zugehörigkeit zu einem Unternehmen BGE 134 III 547 S. 551 kennzeichnen, dürfen wegen dieser Funktion als Kennzeichen von Mitbewerbern in gleicher oder ähnlicher Gestaltung für gleichartige Waren nicht verwendet werden, solange der Markenschutz besteht. Erforderlich ist dafür, dass die Form von den Adressaten als Marke wahrgenommen wird. 2.3 Das Zeichen, das als Marke beansprucht wird, soll den Adressaten ermöglichen, die damit gekennzeichneten Produkte eines bestimmten Unternehmens aus der Fülle des Angebots jederzeit wieder zu erkennen ( BGE 122 III 382 E. 1 S. 383 mit Hinweis). Das Zeichen muss daher in der Erinnerung der Adressaten so haften bleiben, dass es diese Funktion im beanspruchten Warensegment oder Dienstleistungsangebot erfüllt. Die Unterscheidungskraft fehlt insbesondere Zeichen, die dem Gemeingut angehören und die sich im Verkehr nicht als Hinweis auf ein bestimmtes - wenn auch dem Publikum nicht unbedingt namentlich bekanntes - Unternehmen durchgesetzt haben ( Art. 2 lit. a MSchG ). Ob die massgebenden Adressaten ein Zeichen für die beanspruchten Produkte als Hinweis auf ein Unternehmen wahrnehmen, ist vor dem Hintergrund der gesamten Umstände zu beurteilen (vgl. entsprechend für die Verwechslungsgefahr BGE 122 III 382 E. 1 S. 384 f.). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich als Rechtsfrage frei, wie der massgebende Kreis der Adressaten für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen abzugrenzen ist und - bei Gütern des allgemeinen Bedarfs - wie die Adressaten aufgrund der erwarteten Aufmerksamkeit das Zeichen wahrnehmen ( BGE 128 III 96 E. 2 S. 97 f.; BGE 126 III 315 E. 4b S. 317 f.). 2.3.1 Ob ein Zeichen als Marke in Frage kommt, beurteilt sich nach dem Gesamteindruck, den es bei den massgebenden Adressaten in der Erinnerung hinterlässt ( BGE 133 III 342 E. 4 S. 346; BGE 122 III 382 E. 1 S. 384 f., je mit Hinweisen). Die erforderliche Unterscheidungskraft einer Marke hat ein Kennzeichen nur, wenn es sich derart in der Erinnerung einprägt, dass es dem Adressaten auch langfristig erlaubt, das gekennzeichnete Produkt eines bestimmten Unternehmens in der Menge des Angebots wiederzufinden. Damit sich die Form einer Ware als solche vom Gemeingut abhebt, muss sie in der Wahrnehmung der massgebenden Adressaten daher als so originell erscheinen, dass sie in ihrem Gesamteindruck längerfristig in der Erinnerung haften bleibt. Die Neuheit und Eigenart, die einer Form den Schutz als Design verschafft, ist demgegenüber nach dem Eindruck zu beurteilen, den die prägenden Hauptelemente hinterlassen, wenn sie beim Kauf eines Gebrauchsgegenstands BGE 134 III 547 S. 552 kurzfristig im Gedächtnis haften bleiben ( BGE 129 III 545 E. 2.3 S. 551). Diese der jeweiligen Funktion der immateriellen Rechte entsprechende unterschiedliche Beurteilung der Schutzvoraussetzungen schliesst auch unabhängig von der möglicherweise abweichenden Definition des Kreises der massgebenden Adressaten aus, dass jede als Design geschützte Gestaltung auch als Marke eingetragen werden kann. 2.3.2 Die umstrittene dreidimensionale Form wird im vorliegenden Fall als Marke für Stühle beansprucht. Gegenstände für die Wohnungseinrichtung, namentlich Stühle, gehören zu den allgemeinen Konsumgütern. Der massgebende Kreis der Adressaten für Kennzeichen von Waren im beanspruchten Segment ist für Konsumgüter durch die Endverbraucher in der Schweiz zu bestimmen, die als Abnehmer dieser Waren in Frage kommen. Die Vorinstanz hat insofern im angefochtenen Entscheid zutreffend abgelehnt, den Kreis der Adressaten für Möbel einer bestimmten Preisklasse oder mit Designcharakter enger zu definieren und insbesondere auf mögliche Käufer von "Designmöbeln" zu beschränken. Denn Stühle gehören ihrer Art nach grundsätzlich zum Bedarf eines jeden Endverbrauchers in der Schweiz. Eine Einschränkung des Adressatenkreises nach Qualität und Preis ist für derartige Waren nicht angezeigt. Es ist vielmehr von Endverbrauchern auszugehen, die sich im gesamten Angebot auf dem Markt orientieren und ihre Wahl erst in Kenntnis des gesamten Angebots einschränken auf ihre konkreten Bedürfnisse und finanziellen Möglichkeiten. Zur Beurteilung der Unterscheidungskraft von Kennzeichen für Möbel, insbesondere von Formen der Möbel selbst, ist die Wahrnehmung aller Endverbraucher in der Schweiz massgebend. 2.3.3 An die Aufmerksamkeit, welche die Endverbraucher von Konsumgütern der Kennzeichnung von Produkten durch Marken widmen, sind keine übertriebenen Anforderungen zu stellen; es ist von einer durchschnittlichen Aufmerksamkeit auszugehen ( BGE 133 III 342 E. 4.1 S. 347; BGE 122 III 382 E. 1 S. 384 mit Hinweis). Dies gilt unbesehen darum, ob das massgebende Warensegment aus eher langlebigen Gütern oder aus zum kurzfristigen Verbrauch bestimmten Waren besteht. Denn wenn der Erwerber von eher langlebigen Gegenständen wie Möbeln bei der Auswahl etwas mehr Aufmerksamkeit aufwenden wird, dürften anderseits geringfügigere Unterschiede in der Kennzeichnung von Waren eher in der Erinnerung wachbleiben, wenn sie zum kurzfristigen Verbrauch bestimmt sind und deshalb regelmässig und häufig erworben werden. Bei BGE 134 III 547 S. 553 durchschnittlicher Aufmerksamkeit der massgebenden Adressaten ist erforderlich, dass sich die Form der Ware im beanspruchten Warensegment von ähnlichen Formen durch ihre Originalität so abhebt, dass sie in der Erinnerung nicht nur als besondere Gestaltung der Ware, sondern als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen haften bleibt. 2.3.4 Damit eine Warenform als Herkunftshinweis im Sinne des Markenrechts verstanden werden kann, muss sich die Form von sämtlichen im beanspruchten Warensegment im Zeitpunkt des Entscheids über die Eintragung im Markenregister üblichen Formen auffällig unterscheiden ( BGE 133 III 342 E. 3.3 S. 346 mit Hinweisen). Dabei ist zu beachten, dass Warenformen primär anderen Funktionen dienen als dem Hinweis auf eine betriebliche Herkunft (STREULI-YOUSSEF, Zur Schutzfähigkeit von Formmarken, in: sic! 11/2002 S. 796 f.). Das Publikum nimmt daher konkrete Formen von Waren in der Regel nicht als Hinweis auf ein Unternehmen, sondern nur als besondere Gestaltung wahr. Damit einer konkreten Warenform ursprüngliche Unterscheidungskraft zukommen kann, muss ihre auffällige Eigenart auch als Herkunftshinweis taugen, was insbesondere bei grosser Formenvielfalt im beanspruchten Warensegment regelmässig zu verneinen ist, sofern sich die als Marke beanspruchte dreidimensionale Form nicht vollständig von den im Zeitpunkt der Eintragung vorhandenen Gestaltungen unterscheidet (vgl. im Ergebnis übereinstimmend auch die Praxis des EuGH, Urteil vom 8. April 2003 in den verbundenen Rechtssachen C-53/01 bis C-55/01, Linde AG, Winward Industries Inc. und Rado Uhren AG, Slg. 2003, I-3177; a.M. wohl RUTH ARNET, Markenschutz für Formen, in: sic! 11/2004 S. 839). 2.3.5 Die Vorinstanz beschreibt die als Marke beanspruchte Form des "Panton"-Stuhls in der Ausgestaltung des Fusses als ungewöhnlich, weil dessen Gestaltung als breite, nach hinten abgerundete Form an eine am Boden nachgezogene Schleppe erinnere. Ausserdem verleihe der fliessende Übergang des Sockels, d.h. des Fusses, in die Sitzschale sowie die nach hinten gerichtete Spitze der Rückenlehne der Form des beanspruchten Stuhls als Ganzes einen dynamischen, skulpturalen Charakter. Die Vorinstanz charakterisiert die umstrittene Form als exzentrisches Design, das im Unterschied zu bloss ästhetischen Gestaltungen nicht nur Anklang finden dürfte, weil der schleierförmige Stuhlfuss der Form einerseits eine feminine Note verschaffe und der Sockel im Gegensatz zu der BGE 134 III 547 S. 554 scheinbar schwerelos darüber schwebenden, feingliedrigen Sitzschale sehr solide erscheine. Die Vorinstanz hält im Ergebnis die angemeldete Form für genügend auffällig, um aus Sicht des durchschnittlichen schweizerischen Abnehmers auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Formenvielfalt an Stühlen vom Gewohnten und Erwarteten des betreffenden Marktsegments abzuweichen. Die Vorinstanz verkennt den Massstab der Beurteilung, wenn sie annimmt, die beanspruchte Form werde von den Endverbrauchern in der Schweiz originär als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrgenommen, so dass sie trotz der notorischen Vielfalt von Gestaltungen der Stuhlformen langfristig wieder als Produkt desselben Unternehmens erkannt werde. Die Formgebung von Stühlen zeichnet sich durch eine reiche Vielfalt aus. Die Grundformen von Fuss, Sitzgelegenheit und Lehne sind als solche und in ihrer Kombination nicht nur fast unbeschränkt gestaltbar, sondern in entsprechend vielfältigen Abwandlungen auch im Markt vorhanden. Die Vorinstanz stellt insofern zunächst auch fest, dass sich die "ergonomisch gestaltete Sitzschale" durch nichts von gängigen Formen unterscheide, sondern im Gegenteil zum Grundschatz der Formen für Stühle gehöre. Sie hält jedoch zu Unrecht dafür, dass der solide, nach hinten abgerundete Fuss sowohl als Teil wie in seinem Zusammenwirken mit den anderen Elementen als derart originell erscheine, dass er auch ohne Nachweis der Verkehrsdurchsetzung als Marke geschützt werden könne. Angesichts der vielfältigen Formen von Stühlen im Markt hebt sich die beanspruchte Gestaltung des Fusses in der Wahrnehmung des durchschnittlich aufmerksamen Endverbrauchers von anderen Gestaltungen keineswegs so sehr ab, dass die Form des Fusses als solche oder in ihrer Verbindung mit den anderen, üblichen Elementen als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrgenommen würde. Da die Endverbraucher an eine Vielfalt von Gestaltungen im Segment der Stühle gewohnt sind, die teilweise durchaus auch exzentrisch anmuten können, ist nicht anzunehmen, dass die von der Vorinstanz als überraschend qualifizierte Fussform als solche oder im Zusammenwirken mit der gesamten Form des Stuhls derart vom Gewohnten abweicht, dass sie in der längerfristigen Erinnerung der Endverbraucher bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit als Hinweis auf ein Unternehmen haften bleibt. Die beanspruchte Form hält sich im Rahmen der auf dem Markt vorhandenen Formen für Stühle und ist damit als Gemeingut nicht originär unterscheidungskräftig. BGE 134 III 547 S. 555 2.4 Die Beschwerde ist begründet, soweit das IGE die Qualifikation der beanspruchten dreidimensionalen Form für Stühle als originär unterscheidungskräftiges Zeichen beanstandet. Es wird jedoch weder behauptet noch ist ersichtlich, dass an der beanspruchten Form für Stühle ein absolutes Freihaltebedürfnis im Sinne von Art. 2 lit. b MSchG bestünde. Die dem Gemeingut zuzurechnende Form kann daher bei Durchsetzung im Verkehr als Marke geschützt werden. Die Vorinstanz hat jedoch zur Frage der von der Beschwerdegegnerin ebenfalls behaupteten Verkehrsdurchsetzung der als Marke beanspruchten Form für Stühle keine Feststellungen getroffen. Die Angelegenheit ist daher in teilweiser Gutheissung der Beschwerde an die Vorinstanz zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung zurückzuweisen.
null
nan
de
2,008
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
971e2236-a727-4038-b89c-f73b18616a8e
Urteilskopf 80 II 247 41. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 5 octobre 1954 dans la cause La Neuchâteloise, Compagnie suisse d'assurances, contre Gini et Durlemann.
Regeste Art. 41 OR . Die Unterlassung genügender Instruktion und Überwachung seiner Arbeiter durch den Geschäftsherrn bildet den in Art. 55 OR vorgesehenen Haftungsgrund und zieht nicht eine Deliktshaftung gemäss Art. 41 OR nach sich (Erw. 4 a). Deliktshaftung des Geschäftsherrn, der seinen Arbeiter anweist, eine Arbeit in einer Art und Weise auszuführen, die eine Gefährdung Dritter bewirken kann (Erw. 4 b). Art. 51 OR . Diese Bestimmung räumt dem Geschädigten nicht die Befugnis ein, durch Abtretung seines Anspruches gegen einen Haftpflichtigen an einen der andern darüber zu entscheiden, welcher von ihnen letzten Endes den Schaden zu tragen habe. Art. 51 OR ist auch anwendbar bei Haftung Mehrerer für denselben Schaden aus gleichartigen Rechtsgründen. In solchem Falle entscheidet der Richter, ob unter den verschiedenen Haft.. pflichtigen ein Rückgriffsrecht besteht. Über das Rückgriffsrecht des Versicherers gegen den aus Vertragsverletzung für den Schaden Haftbaren (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 248 BGE 80 II 247 S. 248 A.- Au début de 1949, Joseph Peroni a chargé l'entre preneur Jérôme Gini de repeindre une dépendance de sa BGE 80 II 247 S. 249 villa d'Anières. Gini confia cette tâche à une équipe dont faisait partie l'ouvrier Francis Durlemann. Le 15 mars 1949, celui-ci décapait, au moyen d'une lampe à souder, l'extérieur d'une paroi en bois de la dépendance, pour en enlever la vieille peinture. A la hauteur du premier étage, la paroi était percée d'une porte, qui s'ouvrait sur le vide. Alors que Durlemann décapait cette porte, qui était restée fermée, le feu prit à l'intérieur du bâtiment et le détruisit complètement. Le dommage, montant à environ 45 000 fr., fut réparé par les trois compagnies qui assuraient l'immeuble contre l'incendie. En particulier, La Neuchâteloise paya 21 083 fr., somme à concurrence de laquelle Peroni lui céda tous ses droits contre les tiers responsables. B.- Par exploits du 12 septembre 1949, La Neuchâteloise a assigné Durlemann et Gini devant les tribunaux genevois, en concluant à ce que les défendeurs soient condamnés solidairement à lui payer en principal 21 083 fr. pour l'indemnité versée à Peroni et 556 fr. 65 pour des frais d'expertise. Elle fondait son action contre Durlemann sur les art. 72 LCA et 41 CO et sa demande contre Gini sur les art. 72 LCA, 41, 101, 51 al. 2 et 363 CO. Déboutée de ses conclusions par le Tribunal de première instance du canton de Genève, la demanderesse a déféré la cause à la Cour de justice. Celle-ci a, par arrêt du 6 avril 1954, rejeté l'action intentée à Gini et condamné Durlemann à payer à La Neuchâteloise des indemnités, réduites en vertu de l'art. 44 al. 2 CO, de 5000 fr. pour les dommages-intérêts payés à Peroni et de 100 fr. pour les frais d'expertise, ces deux montants portant intérêt à 5% dès le 10 février 1950. C.- Contre cet arrêt, La Neuchâteloise recourt en réforme au Tribunal fédéral; elle reprend les conclusions qu'elle a formulées dans l'instance cantonale. Durlemann recourt également, en concluant principalement à ce que La Neuchâteloise soit déboutée des fins de l'action qu'elle lui a intentée et subsidiairement à ce BGE 80 II 247 S. 250 que l'indemnité allouée à la demanderesse soit réduite dans une forte proportion. Gini conclut au rejet du recours de La Neuchâteloise. Erwägungen Considérant en droit: I. - Sur l'action intentée à Durlemann: 1. En fait, la juridiction cantonale a constaté que la flamme projetée par la lampe à souder de Durlemann avait pénétré par un interstice à l'intérieur du bâtiment et enflammé de la paille de bois amassée contre la porte. .. 2, 3. - (Durlemann a commis un acte illicite (art. 41 et suiv. CO) en négligeant de s'assurer que l'intérieur du bâtiment ne contenait aucune matière facilement combustible qui risquât d'être atteinte par la flamme de la lampe. Dès lors, La Neuchâteloise est, en vertu de l'art. 72 al. 1 LCA, subrogée aux droits de Peroni contre Durlemann dans la mesure où elle a réparé le dommage. Toutefois, la faute de l'ouvrier est légère et celui-ci tomberait dans la gêne s'il devait payer intégralement le montant du préjudice (art. 44 al. 2 CO). Aussi l'indemnité à laquelle il est tenu envers La Neuchâteloise doit-elle être fixée à 4000 fr.). II. - Sur l'action intentée à Gini: 4. La Neuchâteloise prétend en premier lieu que Gini n'encourt pas seulement une responsabilité contractuelle, mais qu'il répond également du dommage en vertu de l'art. 41 CO. En effet, dit-elle, il a commis un acte illicite en négligeant d'instruire et de surveiller son ouvrier et en lui ordonnant de décaper les battants de la porte sur place, sans les décrocher, procédé qui était propre à causer un incendie. a) Sur le premier point, le Tribunal fédéral a jugé que, dans les rapports extra-contractuels, l'omission d'instruire et de surveiller suffisamment ses ouvriers constituait exclusivement la cause de responsabilité prévue à l'art. 55 CO (RO 77 II 248). Une telle négligence n'entraîne BGE 80 II 247 S. 251 donc pas une responsabilité aquilienne fondée sur l'art. 41 CO. D'ailleurs, d'après les constatations du juge du fait, le travail confié à Durlemann n'avait rien d'exceptionnel; il s'agissait d'une intervention banale selon un procédé absolument courant. Gini pouvait dès lors se reposer sur son employé, qui était un ouvrier expérimenté. Cela étant, les conditions exigées par l'art. 55 CO ne sont même pas remplies. A plus forte raison ne peut-on, sur ce point, reprocher à Gini un acte illicite selon l'art. 41 CO. b) La juridiction cantonale constate effectivement que l'entrepreneur a ordonné à son ouvrier, en l'envoyant à Anières, de décaper la porte sans en ouvrir ou en décrocher les battants. Ces instructions pourraient fonder la responsabilité délictuelle de l'intimé si elles étaient contraires à un principe général de l'ordre légal (RO 67 II 136) ou à une disposition particulière. La recourante invoque à cet égard l'art. 1er ch. 9 du règlement genevois du 15 août 1945, aux termes duquel il est interdit d'utiliser des lampes à souder sans s'être assuré qu'on ne risque pas de provoquer un commencement d'incendie. Mais, pour qu'on pût retenir un acte illicite à la charge de Gini, il faudrait que celui-ci eût commis une faute. Cette condition n'est pas remplie. Comme le côté extérieur de la porte devait seul être décapé, l'entrepreneur pouvait ordonner qu'on procédât à ce travail sur place, tout en laissant implicitement à l'ouvrier expérimenté qu'était Durlemann le soin de prendre les précautions nécessaires. En agissant ainsi, il n'aurait commis une négligence que s'il avait connu la présence de matières inflammables à l'intérieur du bâtiment. Or La Neuchâteloise ne prétend pas qu'il ait été renseigné sur ce point. Dès lors, l'intimé n'est pas responsable du dommage ex delicto. 5. En revanche, Gini est tenu, selon l'art. 101 CO, du préjudice que Durlemann a causé dans l'accomplissement de son travail. Cette prétention de Peroni n'étant BGE 80 II 247 S. 252 pas de nature délictuelle, elle n'a pas passé de plein droit à La Neuchâteloise en vertu de l'art. 72 LCA. Mais elle a fait l'objet d'une cession en faveur de cet assureur. La juridiction cantonale n'en a pas moins rejeté également l'action dans la mesure où elle était fondée sur l'art. 101 CO. Le droit de recours de l'assureur contre les tiers responsables du dommage - a-t-elle dit - est réglé par l'art. 51 CO, dont les effets ne sauraient être modifiés par un acte du lésé; or, l'assureur étant tenu du dommage en vertu du contrat, l'art. 51 al. 2 CO ne lui donne aucun droit de recours contre celui qui ne répond du même préjudice qu'aux termes de la loi, comme c'est le cas de l'employeur recherché en vertu de l'art. 101 CO; du reste, on n'arriverait pas à un autre résultat si l'on considérait cette dernière responsabilité comme contractuelle; car l'équité commanderait alors de refuser à l'assureur, qui a reçu des primes en échange de sa prestation, tout droit de recours contre un tiers qui, tel Gini, n'a commis aucune faute personnelle et répond seulement d'une négligence légère de son auxiliaire. La Neuchâteloise conteste cette argumentation. Se fondant sur l'arrêt RO 74 II 81, elle prétend en premier lieu que l'art. 51 al. 2 CO n'empêche pas le lésé de céder à son assureur les droits qu'il a contre le tiers responsable du dommage en vertu d'un contrat. Elle allègue d'autre part que la responsabilité découlant de l'art. 101 CO est de nature contractuelle et que, fondée sur une faute, elle doit prévaloir sur celle de l'assureur, qui répond du préjudice sans avoir commis de faute. A l'appui de sa thèse, le recourante invoque en vain l'arrêt RO 74 II 81. Dans cette espèce, en effet, le Tribunal fédéral n'a pas appliqué l'art. 51 CO. C'est en vertu du droit italien qu'il a admis que l'assureur était subrogé aux droits du lésé à l'égard du tiers tenu du préjudice en vertu d'un contrat. Contrairement à ce que croit la recourante, le Tribunal fédéral n'a donc pas modifié sa jurisprudence antérieure, selon laquelle le lésé ne saurait BGE 80 II 247 S. 253 déroger à l'art. 51 CO en décidant laquelle des personnes responsables supportera en définitive le dommage (RO 45 II 645). La cession que Peroni a consentie à La Neuchâteloise est ainsi inopérante. Dès lors, le droit de recours que l'assureur pourrait avoir contre Gini ne saurait être fondé que sur l'art. 51 CO. A ce propos, la juridiction cantonale a considéré à tort que la responsabilité fondée sur l'art. 101 CO était encourue "aux termes de la loi" au sens de l'art. 51 al. 2 CO. Cette expression ne désigne que les cas de responsabilité causale et ne vise pas la responsabilité qui frappe l'employeur en vertu de l'art. 101 CO. Celui qui recourt à des auxiliaires répond de leurs actes comme des siens propres. En particulier, l'entrepreneur est tenu d'exécuter avec soin l'ouvrage promis (art. 364 et 328 CO). S'il en charge ses employés, l'exécution n'en doit pas moins être faite avec la diligence qu'on pouvait attendre de lui et il est tenu de leur manque de soins ou de connaissances techniques comme s'il avait agi lui-même (RO 46 II 130, 70 II 221). Aussi la responsabilité que Gini assume en vertu de l'art. 101 CO est-elle contractuelle, ainsi que celle de La Neuchâteloise. Interprété littéralement, l'art. 51 CO ne paraît pas viser le cas où, comme en l'espèce, plusieurs personnes répondent du même dommage en vertu de causes semblables. Mais la ratio legis impose une autre solution. L'art. 51 CO procède du principe que le lésé ne doit pas s'enrichir du fait qu'il peut demander la réparation du dommage à plusieurs responsables. Or cette possibilité d'enrichissement existe non seulement lorsque ceux-ci répondent du préjudice en vertu de causes différentes mais aussi quand ils en sont tenus pour des causes semblables. On doit en conclure que ce dernier cas est également réglé par l'art. 51 CO. Du reste, le Tribunal fédéral s'est déjà prononcé dans ce sens (RO 77 II 248 consid. 3). En revanche, l'art. 51 al. 2 CO, qui fixe quel est, en règle générale, l'ordre des responsabilités, n'est pas BGE 80 II 247 S. 254 applicable lorsqu'on ne se trouve pas en présence de causes de caractères différents. Dans ce cas, on ne peut se fonder que sur les art. 51 al. 1 et 50 al. 2 CO, en vertu desquels le juge apprécie librement si les personnes responsables ont un droit de recours les unes contre les autres (RO 77 II 248 consid. 3). L'intimé invoque différents arrêts du Tribunal fédéral dont il ressortirait que l'assureur peut recourir, en vertu de l'art. 51 CO, contre celui-là seul qui a commis une faute personnelle; or cette condition ne serait pas remplie lorsque la personne recherchée par l'assureur n'est responsable que selon l'art. 101 CO. Mais cette argumentation ne peut être accueillie. L'art. 101 CO impute à l'employeur la faute de ses auxiliaires, comme si celui-ci l'avait commise lui-même. On ne saurait donc, même dans le cas de l'art. 51 CO, distinguer entre la faute dont le tiers responsable est tenu en vertu de l'art. 97 CO et celle dont il répond selon l'art. 101. Au surplus, dans la plupart des espèces citées par l'intimé, il s'agissait de recours des assureurs contre des tiers dont la responsabilité était uniquement causale. Seul l'arrêt Hauser (RO 55 II 118) traite d'un cas où les deux responsabilités concurrentes étaient contractuelles; et l'intimé soutient que ce prononcé a posé le principe que l'assureur n'avait pas de droit de recours contre le tiers responsable en vertu d'un contrat. Cette allégation est erronée. Comme le Tribunal fédéral l'a laissé entendre plus tard (RO 77 II 249), l'arrêt Hauser n'a pas la valeur d'un précédent. Dans cette espèce, le Tribunal fédéral n'a refusé tout droit de recours à l'assureur qu'en raison des circonstances concrètes et en vertu du pouvoir d'appréciation que lui conférait la loi. Pour statuer sur le droit de recours de l'assureur contre les tiers responsables contractuellement, il faut considérer qu'un tel droit déroge à la réglementation de l'art. 72 LCA. En effet, par cette disposition, on a refusé à l'assureur toute subrogation aux droits contractuels du lésé, attendu que les compagnies d'assurances calculaient leurs primes BGE 80 II 247 S. 255 sans tenir compte de la possibilité qu'elles avaient de se retourner contre les tiers responsables. Or, en édictant ultérieurement l'art. 51 CO, le législateur n'a nullement voulu améliorer la situation des assureurs; au contraire, il a disposé, dérogeant ainsi à l'art. 72 LCA, que la responsabilité de l'assureur devait, en règle générale, prévaloir sur celle de la personne tenue du dommage en vertu d'un quasi-délit, sans faute de sa part. Dès lors, il n'a pu, d'un autre côté, avoir l'intention de donner à l'assureur, à l'égard du tiers responsable contractuellement, des droits plus étendus que ceux qui découlaient de l'art. 72 LCA. Cette disposition, il est vrai, n'excluait que la subrogation légale de l'assureur dans les droits qu'avait le lésé contre la personne tenue du préjudice en vertu d'un contrat; elle permettait en revanche la cession d'une telle prétention, ce dont les compagnies d'assurances usaient abondamment. Mais l'art. 51 CO règle maintenant le droit de recours en le soustrayant à la volonté du lésé. Or, vu la tendance qu'avait le législateur lorsqu'il a édicté cette disposition, on ne saurait admettre en définitive, à titre de solution légale, un droit de recours que l'art. 72 LCA n'accordait pas lui-même à l'assureur. Certes, cette considération ne permet pas, si l'on tient compte qu'une cession était possible autrefois, d'exclure tout droit de l'assureur contre la personne responsable du dommage pour inexécution de ses obligations conventionnelles. Mais elle oblige à garder une certaine mesure dans l'octroi de ce recours. En tout cas; il s'impose de le refuser lorsque le tiers répond seulement d'une faute contractuelle légère, qu'il l'ait commise lui-même ou qu'elle soit le fait de ses employés. On peut du reste invoquer en faveur de cette solution un argument dont l'arrêt RO 55 II 118 était déjà inspiré (cf. également YUNG, Le recours de l'assureur contre le tiers responsable du dommage en vertu d'un contrat, dans Recueil de travaux publiés par la Faculté de droit de l'Université de Genève, 1952, p. 252 ch. 12 litt. a). Aux termes de l'art. 14 al. 4 LCA, la responsabilité BGE 80 II 247 S. 256 de l'assureur demeure entière même si le sinistre est dû à une faute légère du preneur d'assurance ou de l'ayant droit. Dès lors, l'assureur tient compte, en calculant la primé, de l'augmentation du risque provoquée par cette disposition. Mais, si la compagnie d'assurances ne peut réduire sa prestation en raison d'une négligence légère commise par le lésé, on ne voit pas pour quel motif il en serait autrement lorsque ce même lésé a chargé un tiers de s'occuper de sa chose et que celui-ci a fait une faute contractuelle légère. Il n'y a aucune raison que l'assureur ne supporte pas en définitive le dommage qu'il devrait couvrir si l'assuré avait commis lui-même la négligence dont son cocontractant s'est rendu coupable en exécutant ses obligations conventionnelles. Dès lors, Gini n'étant tenu que d'une faute légère de son employé, La Neuchâteloise n'a aucun droit de recours contre lui. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce: 1.- Le recours formé par La Neuchâteloise est rejeté. 2.- Le recours formé par Durlemann est admis partiellement et l'arrêt attaqué est réformé en ce sens que le montant que Durlemann est condamné à payer à La Neuchâteloise est fixé à 4000 fr. Pour le surplus, l'arrêt rendu le 6 avril 1954 par la Cour de justice civile de Genève est confirmé.
public_law
nan
fr
1,954
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
97237d60-facf-4336-be2e-55e0c8a78552
Urteilskopf 125 I 417 39. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. November 1999 i.S. B. gegen Anwaltskammer des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 6 Ziff. 1 EMRK , Art. 10 EMRK und Art. 14 EMRK ; Art. 4 BV , Art. 31 BV und Art. 55 BV sowie Meinungsäusserungsfreiheit; Werbebeschränkung für Rechtsanwälte. Die Disziplinierung eines Rechtsanwalts mit einer Busse wegen standeswidriger Werbung ist weder straf- noch zivilrechtlicher Natur im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (E. 2). Auf einem Interview basierendes Zeitungsporträt eines Rechtsanwalts als verbotene indirekte Werbung: Verfassungsrechtliche Würdigung im Lichte der Handels- und Gewerbefreiheit sowie der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit (E. 3 - 5) und hinsichtlich des Gleichbehandlungsgebots (E. 6) sowie des rechtlichen Gehörs (E. 7).
Sachverhalt ab Seite 418 BGE 125 I 417 S. 418 A.- Der Berner Fürsprecher B. ist als Rechtsanwalt tätig; die Kanzlei B. & Partner beschäftigt in Bern und Zürich insgesamt ca. 40 Personen. B. amtet überdies als Verwaltungsratspräsident der V. AG. Auf den 1. Oktober 1997 hat diese das Hotel "P." in Luzern übernommen. Der Hotelzusammenschluss war im März und April 1997 Thema mehrerer Berichte in der Tagespresse; B. wurde regelmässig namentlich erwähnt und teilweise auch auf Fotografien abgebildet. B.- Am 24. Juli 1997 erschien in der Handelszeitung ein Artikel über Fürsprecher B. Dessen Inhalt und Aufmachung veranlassten den Präsidenten der Standeskommission des Bernischen Anwaltsverbandes zu einer Intervention bei der Anwaltskammer des Kantons Bern. Diese eröffnete ein Disziplinarverfahren gegen B., dem ein Verstoss gegen Art. 14 des Gesetzes vom 6. Februar 1984 über die Fürsprecher des Kantons Bern (Fürsprechergesetz; FG/BE) vorgeworfen wurde (Verfügung vom 24. März 1998). Am 20. Oktober 1998 verurteilte die Anwaltskammer Fürsprecher B. wegen Widerhandlung gegen das Verbot aufdringlicher Werbung ( Art. 14 FG /BE und Ziff. 5 f. der am 22. Oktober 1938 beschlossenen Standesregeln des Bernischen Anwaltsverbandes [Fassung vom 15. September 1995]) zu einer Busse von Fr. 500.--. Sie warf ihm vor, durch "aufdringliche Anpreisungen" der eigenen Person und seiner Kanzlei das standesrechtlich zulässige Mass an Werbung in quantitativer und qualitativer Hinsicht überschritten zu haben. BGE 125 I 417 S. 419 C.- Hiergegen hat B. am 8. März 1999 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Er rügt eine Verletzung des Willkürverbots, des Rechtsgleichheitsgebots und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (je Art. 4 Abs. 1 BV ) sowie einen Verstoss gegen Art. 31 und Art. 55 BV , gegen die Meinungsäusserungsfreiheit (ungeschriebenes verfassungsmässiges Recht und Art. 10 EMRK [SR 0.101]), Art. 6 Ziff. 1 und Art. 14 EMRK . Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer macht vorab geltend, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Die Anwaltskammer nehme in weitem Umfang Aufsichtsfunktionen wahr, so dass sie eher als Verwaltungsbehörde denn als Gericht zu bezeichnen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass Disziplinarbussen grundsätzlich nicht unter den Geltungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK fallen (vgl. MARK VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, Zürich 1993, S. 234); diese Bestimmung ist nur auf Streitigkeiten über "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" und auf Verfahren betreffend "strafrechtliche Anklagen" anwendbar. Hier liegt weder das eine noch das andere vor: a) Die Frage, ob eine Anklage strafrechtlich im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist, beurteilt sich nach drei Kriterien: der landesrechtlichen Qualifikation der Widerhandlung, der wahren Natur der Widerhandlung unter Berücksichtigung ihrer Folgen sowie der Schwere der Sanktion (vgl. BGE 121 I 379 E. 3a S. 380; VILLIGER, a.a.O., S. 232 f.; JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, Kehl am Rhein 1996, Rz. 36 zu Art. 6). Vorliegend ist keines dieser Kriterien erfüllt: Die Disziplinaraufsicht gemäss Fürsprechergesetz hat nicht pönalen, sondern administrativen Charakter; sie dient nicht dazu, begangenes Unrecht zu vergelten, sondern soll das rechtsuchende Publikum schützen und die anwaltliche Standeswürde wahren (MARTIN STERCHI, Kommentar zum bernischen Fürsprechergesetz, Bern 1992, S. 93). Bei der Anwaltskammer, welcher die Beurteilung des angeblichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers oblag, handelt es sich denn auch nicht um eine Strafverfolgungsbehörde: Die einzige Strafbestimmung, welche das Fürsprechergesetz enthält (Art. 45), wird vom BGE 125 I 417 S. 420 Strafrichter gehandhabt. Die Verfehlung, welche dem Beschwerdeführer vorgeworfen wird, weist im Übrigen offensichtlich keinen strafrechtlichen Charakter auf. Auch die Höhe der ausgefällten Busse (Fr. 500.--) führt zu keinem anderen Schluss (vgl. BGE 121 I 379 E. 3d S. 383); hieran ändert nichts, dass der gesetzliche Sanktionsrahmen Bussen bis zu einem Betrag von Fr. 10'000.-- erlauben würde (vgl. Art. 34 lit. b FG /BE). b) Disziplinarrechtsstreitigkeiten, welche zur Einstellung oder zum Entzug der Berufsausübungsbewilligung führen, gelten in der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention als zivilrechtlich im Sinne von Art. 6 EMRK (vgl. Urteil vom 19. Mai 1998, in: ZBl 100/1999 S. 76). Nicht zivilrechtlicher Natur ist jedoch nach konstanter Praxis die Ausfällung einer Busse wegen Verletzung von Berufspflichten - dies grundsätzlich unabhängig von der Höhe der ausgesprochenen Busse; es wird einzig als entscheidend betrachtet, ob das Recht des Betroffenen, seinen Beruf auszuüben, eingeschränkt wird (vgl. RUTH HERZOG, Art. 6 EMRK und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Diss. Bern 1995, S. 202). Allfällige mittelbare Auswirkungen des Verfahrens auf zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen führen nicht zur Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ( BGE 118 Ia 64 E. 1b/aa S. 68 mit Hinweisen). Deshalb ist unerheblich, dass eine lockerere Handhabung der standesrechtlichen Werbeschranken dem Beschwerdeführer allenfalls einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen vermöchte; auch wenn insoweit pekuniäre Interessen mit im Spiele liegen, macht dies den vorliegenden Disziplinarfall nicht zu einer zivilrechtlichen Streitigkeit im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK . c) Nach dem Gesagten kann offen bleiben, ob sich die Anwaltskammer des Kantons Bern als Gericht im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK einstufen lässt. 3. In der Sache beruft sich der Beschwerdeführer auf die Meinungsäusserungsfreiheit (die sowohl als ungeschriebenes Verfassungsrecht des Bundes als auch durch Art. 10 EMRK garantiert ist) und auf die Pressefreiheit ( Art. 55 BV ). Zusätzlich rügt er eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit ( Art. 31 BV ). a) Die Meinungsäusserungsfreiheit schützt als Freiheitsrecht den Anspruch des Einzelnen, jegliche Gedankenvorgänge sowohl öffentlich als auch privat kundzutun. Allerdings werden vom Schutzbereich grundsätzlich nur ideelle Inhalte erfasst; Äusserungen, welche kommerziellen Zwecken dienen, fallen nach der Rechtsprechung BGE 125 I 417 S. 421 des Bundesgerichts in den Geltungsbereich der Handels- und Gewerbefreiheit (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Auflage, Bern 1999, S. 204 u. 253, mit Hinweisen). In der Meinungsäusserungsfreiheit ist der Anspruch mitenthalten, sich zur Verbreitung der Meinung aller zweckmässigen Mittel zu bedienen. In diesem Sinne garantiert die Pressefreiheit dem Einzelnen das Recht, seine Meinung in der Form von Druckerzeugnissen kundzutun. Die Rügen, es sei einerseits die Presse- und andererseits die Meinungsfreiheit verletzt, fallen insoweit grundsätzlich zusammen (Urteil vom 22. Dezember 1983, in: ZBl 85/1984 S. 310 f. mit Hinweisen). b) Der Beschwerdeführer betont wiederholt, Anlass für den Bericht der Handelszeitung habe der Umstand gegeben, dass die von ihm geführte Gesellschaft das Hotel "P." übernommen habe. Dies habe zu einem erhöhten Interesse an seiner Person und einem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit geführt. Wie es sich damit tatsächlich verhält, kann dahingestellt bleiben. Die Anwaltskammer hat nämlich zutreffend erkannt, dass diesem Ereignis im beanstandeten Artikel nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Zumindest ist der entsprechende Zusammenhang für den Leser schwer erkennbar. In dieser Beziehung hebt sich der Artikel der Handelszeitung deutlich von jenen Berichten ab, die zuvor in der Tagespresse erschienen waren. Die Anwaltskammer durfte zulässigerweise annehmen, bei den werbewirksamen Ausführungen im fraglichen Zeitungsartikel handle es sich nicht bloss um die nützliche Nebenerscheinung einer Berichterstattung aus aktuellem Anlass. Die vom Beschwerdeführer vertretene gegenteilige Auffassung, der Artikel stelle - trotz ausführlicher Darstellung seiner Anwaltstätigkeit und Kanzlei - keine (kommerzielle) Werbung dar, sondern verfolge als Porträt vorab einen Informationszweck, überzeugt nicht. Im Übrigen widerspricht sich der Beschwerdeführer mit dieser Argumentation selbst: An anderer Stelle hat er - um die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK zu begründen - die Beeinträchtigung seines Geschäftserfolgs durch das "Werbeverbot" beklagt und dessen wirtschaftliche Bedeutung betont. Weiter spricht er auch im Zusammenhang mit der "Umsetzung seiner eigenen Marketingstrategie" und "der Bestimmung seiner Klientenstruktur" selber von Werbung. Unter diesen Umständen trifft die Verhaltensnorm, welche der angefochtenen Disziplinarbusse zugrunde liegt, den Beschwerdeführer in erster Linie in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als Rechtsanwalt. Ihre Zulässigkeit ist daher vorab aufgrund der Handels- und Gewerbefreiheit ( Art. 31 BV ) zu beurteilen, deren Schutz auch Anwälte BGE 125 I 417 S. 422 geniessen ( BGE 123 I 12 E. 2a S. 15). Werbebeschränkungen der vorliegenden Art berühren aber auch den Schutzbereich der Meinungsäusserungs- und der Pressefreiheit. Auf diese Grundrechte kann sich der Beschwerdeführer auch als Anwalt insoweit berufen, als es ihm um das rein persönliche bzw. ideelle, nicht kommerziell motivierte Bedürfnis geht, sich in einem Zeitungsartikel porträtieren zu lassen ( BGE 108 Ia 316 E. 2 S. 318; BGE 106 Ia 100 E. 6a S. 103 f.). Die Sinngehalte von Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit sind insofern bei der vorzunehmenden Interessenabwägung mitzuberücksichtigen ( BGE 106 Ia 100 E. 6a S. 103). Die zusätzlich angerufene Garantie von Art. 10 EMRK bietet vorliegend neben den erwähnten Grundrechten keinen weitergehenden Schutz (vgl. BGE 123 I 12 E. 2e S. 18; BGE 117 Ia 472 E. 3b S. 477 mit Hinweisen; Urteil vom 22. Dezember 1983, in: ZBl 85/1984 S. 311). 4. a) Art. 31 Abs. 1 BV gewährleistet im Rahmen der Bundesverfassung die Handels- und Gewerbefreiheit, behält indes in Abs. 2 "kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben" vor; diese dürfen ihrerseits jedoch den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen. Unzulässig sind wirtschaftspolitische oder standespolitische Massnahmen, die den freien Wettbewerb behindern, um gewisse Gewerbezweige oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu begünstigen. Zulässig sind dagegen andere im öffentlichen Interesse begründete Massnahmen, wie namentlich polizeilich motivierte Eingriffe zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit sowie von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr oder sozialpolitisch begründete Einschränkungen. Diese bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit sowie der Rechtsgleichheit (namentlich im Sinne der Wettbewerbsneutralität) wahren ( BGE 123 I 12 E. 2a S. 15 mit Hinweisen). b) Art. 14 Abs. 1 FG /BE verbietet dem Fürsprecher "aufdringliche Werbung" (französisch: "Toute publicité excessive est interdite à l'avocat."). Gemäss Abs. 3 derselben Bestimmung hat er zu vermeiden, "Aufsehen zu seinen Gunsten zu erregen" (franz.: "Il évitera de rechercher toute sensation pouvant lui profiter"). Das Fürsprechergesetz untersagt damit den Rechtsanwälten nicht generell, für ihre Berufstätigkeit zu werben. Jedoch wird von ihnen verlangt, dass sie Ansehen und Erfolg nicht durch Reklame zu erlangen suchen; als Vertreter eines wissenschaftlichen Monopolberufs sollen sie ihre Reputation mittels Tüchtigkeit begründen. Dieser Eingriff BGE 125 I 417 S. 423 in die Handels- und Gewerbefreiheit ist nicht wirtschaftspolitisch, sondern polizeilich motiviert: Hinter der Beschränkung der Werbefreiheit stehen vorab Interessen der Rechtsuchenden. Es soll gewährleistet werden, dass sich jene Rechtsanwälte im Markt behaupten, welche durch qualitativ einwandfreie Berufsausübung zu überzeugen vermögen, nicht solche, die sich durch eine intensive oder spezielle Werbung hervorheben (vgl. STERCHI, a.a.O., S. 63). Art. 14 Abs. 3 FG /BE bringt in diesem Zusammenhang zum Ausdruck, dass das "Verbot aufdringlicher Werbung" (so das Marginale) nicht nur Werbung im engeren Sinn des Wortes beschlägt; der Rechtsanwalt darf auch nicht auf andere Art öffentliches Aufsehen zu seinen Gunsten erregen. Dies betrifft insbesondere Auftritte in den Medien. Entscheidend ist dabei, ob es dem Anwalt in erster Linie darum geht, sich dem Publikum als fähiger Vertreter seines Berufsstandes ins Bewusstsein zu rücken; ist dies nicht der Fall und die Reklame bloss ein (nicht direkt angestrebter) Nebeneffekt, so liegt kein Verstoss gegen Art. 14 FG /BE vor (STERCHI, a.a.O., S. 65 f.). c) Der Beschwerdeführer anerkennt ausdrücklich, dass Art. 14 FG /BE als Eingriffsnorm an sich einen genügenden Bestimmtheitsgrad aufweist. Er macht jedoch geltend, die Anwaltskammer habe diese Vorschrift willkürlich ausgelegt und angewandt. Wenn - wie hier - kein besonders schwerer Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit vorliegt, prüft das Bundesgericht die Auslegung des kantonalen Gesetzesrechts nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür ( BGE 124 I 25 E. 4a S. 32 mit Hinweis): Der Beschwerdeführer wird weder in seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt noch in seiner Äusserungsfreiheit empfindlich eingeschränkt, wenn er auf Publikationen wie den umstrittenen Zeitungsartikel verzichten muss. Die Art und Weise, wie die Anwaltskammer Art. 14 FG /BE auslegt, führt im Übrigen - entgegen den Befürchtungen des Beschwerdeführers - nicht "zu einem Verbot, über die eigene Person anwaltsrelevante Presseinformationen zu verbreiten". Erscheint in der Presse aus begründetem Anlass ein Artikel, der sachlich abgefasst ist und keine ungehörigen Anpreisungen des betreffenden Rechtsanwalts enthält, so wäre darin auch nach der Praxis der Anwaltskammer keine Verletzung von Art. 14 FG /BE zu sehen. In dieser Beziehung kann beispielhaft darauf verwiesen werden, wie die Tagespresse über den Zusammenschluss der beiden Hotels berichtet hat; der Beschwerdeführer wurde dabei in den wenigsten Fällen als Rechtsanwalt bezeichnet, sondern fast ausschliesslich in seiner Funktion als Verwaltungsratspräsident erwähnt. BGE 125 I 417 S. 424 d) aa) Der Beschwerdeführer lässt sich im beanstandeten Artikel, der auf einem Interview beruht und den Titel "Als Anwalt suchen, raten, warnen" trägt, porträtieren. Seine Berufstätigkeit als Rechtsanwalt (mit Kanzleien in Bern und Zürich) bildet - wie schon der Titel zeigt - das Hauptthema des ganzseitigen Berichts und sein Brustbild nimmt einen Viertel der ganzen Seite in Anspruch. In einem als "Seitenblick" betitelten, am unteren linken Rand eingefügten Kasten wird ferner über die Akquisition des Hotels "P." in Luzern berichtet; dabei wird die Stellung des Beschwerdeführers als Verwaltungsratspräsident der V. AG betont. Am Rande kommt auch noch sein Privatleben zur Sprache. Als Verletzung von Art. 14 FG /BE qualifiziert hat die Anwaltskammer, dass der Beschwerdeführer seine Kanzlei einer "überdurchschnittlichen Klientel" als besonders kompetent und leistungsfähig anpreisen lasse. Sie hat dabei auf verschiedene in den Text eingestreute Zitate abgestellt; weiter hat sie das sogenannte "Lead" (die auffällig gestaltete, geraffte Inhaltsübersicht am Textanfang, welche den Leser zum Weiterlesen bewegen soll) und einen besonders hervorgehobenen Zwischentitel als unzulässige Werbung betrachtet. bb) Im "Lead" wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sehe sich "als kreativer Geist, dem es immer wieder gelingt, sich einen Pfad durch das Dickicht des Gesetzesdschungels zu bahnen." Der Leser vernimmt ferner, "vor allem bekannte Schweizer Fünfsternhotels bau[t]en auf den Berner Wirtschaftsanwalt". Im Text wird die Kanzlei des Beschwerdeführers, in welcher 40 Personen beschäftigt würden, als die grösste in Bern bezeichnet, die - wenn der interne Austausch an Wissen funktioniere - "bei den Besten" sei. Sie wird einem "Ein-Mann-Büro in Schwiegermutters Küche" gegenübergestellt, und es wird daraus abgeleitet, dass "Durchschnittsbürger" mit "Alltagsproblemen" beim Beschwerdeführer "an der falschen Adresse" seien. Weiter wird dieser als Spezialist der "Lex Friedrich" bezeichnet, der so zu "verschiedenen Tourismusmandaten" gekommen sei, welche dann "halt ein `Ämtchen' im Verwaltungsrat zur Folge gehabt" hätten. Letzteres wird zusätzlich in einem zwei Zeilen hohen, fett und kursiv gedruckten Zwischentitel prominent hervorgehoben: "Als Spezialist der Lex Friedrich zu den Tourismusmandaten gekommen". cc) Die Anwaltskammer legt das kantonale Recht nicht willkürlich aus, wenn sie Anpreisungen der genannten Art als aufdringliche Werbung im Sinne von Art. 14 FG /BE qualifiziert. Es mag zwar zutreffen, dass das Publikum bei oberflächlichem Lesen keinen BGE 125 I 417 S. 425 wesentlichen Unterschied sieht zwischen einem (nach kantonaler Praxis erlaubten) Hinweis auf "bevorzugte Gebiete" des Anwalts und der Bezeichnung als "Spezialist" eines Rechtsgebiets. Bei genauerer Betrachtung der beiden Umschreibungen ist jedoch ersichtlich, dass die blosse Angabe, in welchen Rechtsgebieten ein Anwalt bevorzugt tätig wird, wertungsfrei ist; der Bezeichnung als "Spezialist" ist demgegenüber ein Hinweis auf besondere Kenntnisse und Befähigungen immanent. Wenn wie hier lediglich eine "Selbstdeklaration" vorliegt, fehlt es an objektivierbaren Kriterien (z.B. einer Zusatzausbildung), welche für die Qualifikation im entsprechenden Bereich Gewähr böten. Unter diesen Umständen ist es zumindest nicht willkürlich, wenn die Anwaltskammer vorliegend die Bezeichnung als "Spezialist" gestützt auf Art. 14 FG /BE für unzulässig erachtet. Letztlich ist dies jedoch nicht entscheidend, weil die Ausführungen, welche im fraglichen Artikel über die beruflichen Fähigkeiten des Beschwerdeführers gemacht werden, generell nicht mehr als sachliche und objektive Information bezeichnet werden können. Dem Leser wird insbesondere der Eindruck vermittelt, für die Lösung bedeutender und schwieriger Rechtsprobleme sei die Kanzlei des Beschwerdeführers die grösste und (was mit etwas rhetorischer Bescheidenheit maskiert wird) auch die beste in Bern. Solche Aussagen können - unabhängig davon, ob und wieweit sie sachlich zutreffen - ohne Willkür als aufdringlich im Sinne von Art. 14 FG /BE bezeichnet werden. Entsprechendes gilt für die despektierlichen Äusserungen des Beschwerdeführers über Kleinkanzleien. Was der Beschwerdeführer zu seiner Stellung als Verwaltungsratspräsident der V. AG vorbringt, ist unerheblich: Er ist nicht in dieser Eigenschaft, sondern vorab - und in reklamehafter Weise - als erfolgreicher Anwalt dargestellt worden. Inwiefern er damit einer angeblichen Verpflichtung als Präsident der Gesellschaft nachgekommen sein soll, dieser "ein Profil zu verleihen", ist nicht ersichtlich. 5. Ob das willkürfrei ausgelegte kantonale Recht mit dem angerufenen Grundrecht vereinbar ist, prüft das Bundesgericht frei ( BGE 124 I 25 E. 4a S. 32 mit Hinweis). Dies betrifft die Rüge des Beschwerdeführers, es fehle an einem überwiegenden öffentlichen Interesse, welches die anwaltsrechtlichen Werbeschranken rechtfertigen könne, wie auch die Frage, ob der Eingriff in die Freiheitsrechte verhältnismässig sei. a) Das Publikum soll darauf vertrauen können, dass Rechtsanwälte, wenngleich Gewerbetreibende, sich in ihrer Berufsausübung BGE 125 I 417 S. 426 nicht vor allem von Gewinnstreben beherrschen lassen, sondern in erster Linie ihre Verantwortung im Rahmen der Rechtspflege wahrnehmen. In dieser Funktion sollen sie die Rechtsuchenden bei der Verfolgung ihrer subjektiven Rechtsschutzinteressen beraten und unterstützen, sie gegebenenfalls aber auch davon abhalten, aussichtslose Prozesse zu führen ( BGE 123 I 12 E. 2c/aa S. 16 f.; vgl. auch: ALAIN WURZBURGER, L'avocat et la publicité, in: François Chaudet/Oliver Rodondi [Hrsg.], L'avocat moderne, Basel 1998, S. 236). Der Wettbewerb zwischen den Berufskollegen soll auf fachlicher Ebene und nicht über die Werbung geführt werden (vgl. oben E. 4b). Ein Verbot aufdringlicher Werbung liegt daher im Interesse des Schutzes von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr und dient der Erhaltung von Vertrauenswürdigkeit und Unabhängigkeit des Anwaltsstandes (vgl. BGE 123 I 12 E. 2c/aa S. 16 f.). Das Argument, bei Art. 14 FG /BE gehe es nicht hierum, vielmehr werde Konkurrenzschutz - also eine unzulässige Lenkung des Wettbewerbs (vgl. oben E. 4a) - bezweckt, ist nicht stichhaltig; die fragliche Werbebeschränkung gilt für alle Rechtsanwälte gleichermassen und wirkt sich daher wettbewerbsneutral aus. b) Zwar hat das Bundesgericht ein striktes Werbeverbot für Rechtsanwälte stets abgelehnt, es andererseits aber als zulässig erachtet, deren Werbetätigkeit besonderen Schranken zu unterwerfen, insbesondere aufdringliche und irreführende Werbung zu untersagen. Eine entsprechende Beschränkung der Werbefreiheit ist sowohl geeignet als auch erforderlich, um die dargelegten öffentlichen Interessen zu schützen. Erst kürzlich hat das Bundesgericht diese Grundsätze bekräftigt; dabei hat es betont, dass anwaltliche Werbung, auch wenn sie - sofern sachlich zutreffend - dem Bedürfnis des Publikums nach Information entgegenkommt, zurückhaltend zu sein hat. Sie dürfe keine unrichtigen Erwartungen wecken, habe auf sensationelles und reklamehaftes Sich-Herausstellen gegenüber Berufskollegen zu verzichten und müsse von hohem Informationsgehalt sein ( BGE 123 I 12 E. 2c/aa S. 16 f. mit zahlreichen Hinweisen). Die (indirekte) Werbung, welche der Beschwerdeführer mit dem in der Handelszeitung erschienenen Artikel betrieben hat, entspricht diesen Anforderungen nicht (vgl. oben E. 4d). Deshalb lässt sich nicht beanstanden, dass die Anwaltskammer dagegen vorgegangen ist. Es mag zwar zutreffen, dass die Werbebeschränkungen für Rechtsanwälte generell eine gewisse Lockerung erfahren haben (vgl. hiezu: Der Schweizer Anwalt, 168/1997 S. 15 ff.; 169/1997 S. 4 ff.); dies gilt primär für die direkte Werbung BGE 125 I 417 S. 427 in zulässigen Veröffentlichungen (Briefkopf, Inserate, Branchenregister usw.). Es obliegt aber - nach heutiger Rechtslage - den einzelnen Kantonen, die zu beachtenden Schranken zu bestimmen, wobei sie über einen gewissen Ermessensspielraum verfügen. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von solchen Werbebeschränkungen ist auch den bisherigen Gebräuchen im betreffenden Kanton sowie den dort geltenden Standesregeln Rechnung zu tragen ( BGE 123 I 201 E. 6b S. 209 f. mit Hinweisen). Es ist einem Kanton nicht verwehrt, dagegen einzuschreiten, dass die Grundsätze, welche für die direkte Werbung gelten, durch indirekte Reklame - sei es solche der vorliegenden Art oder auf andere Weise - umgangen werden. Im Bereich der Werbeschranken haben die revidierten Standesregeln des Bernischen Anwaltsverbandes keine Änderung erfahren: Sowohl in Art. 6 lit. c der alten, vorliegend noch anwendbaren Fassung wie auch in Art. 5 lit. c der neuen, ab 1. Januar 1999 in Kraft stehenden Regeln sind öffentlichkeitswirksame Auftritte, welche in der Absicht erfolgen, die eigene Person oder Kanzlei anzupreisen, gleichermassen als Beispiel für aufdringliche Werbung aufgeführt. Dies zeigt, dass die vorliegend in Frage stehende Werbebeschränkung auch von der betroffenen kantonalen Standesorganisation nach wie vor als geboten und sachgerecht angesehen wird. Weder die erwähnten eigenen Anliegen des Beschwerdeführers noch der Umstand, dass allenfalls auch seitens des Publikums eine Nachfrage nach entsprechendem "Infotainment" besteht, vermögen die dem angefochtenen Entscheid zugrundeliegenden öffentlichen Interessen aufzuwiegen. c) Allerdings dürfen die Schranken für indirekte Werbung nicht derart hoch sein, dass sich Rechtsanwälte, deren Person in sonstiger Eigenschaft - z.B. als Politiker, Wissenschaftler, Wirtschaftsführer oder Künstler - für die Öffentlichkeit von Interesse ist, überhaupt nicht von der Presse (oder in sonstigen Medien) porträtieren lassen können. Dies wäre mit den Grundrechten der Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit nicht vereinbar. Vom Betroffenen darf jedoch verlangt werden, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren darauf zu achten, dass die standesrechtlichen Werbebeschränkungen nicht durch übermässige Anpreisungen unterlaufen werden (vgl. hiezu: WURZBURGER, a.a.O, S. 240 f.). In einer derartigen Darstellung soll grundsätzlich die andere, nicht anwaltliche Tätigkeit, derentwegen der Porträtierte besonders bekannt ist, klar im Vordergrund stehen (vgl. E. 7b). BGE 125 I 417 S. 428 d) Nach dem Gesagten durfte die Anwaltskammer den Artikel über den Beschwerdeführer ohne Verletzung der angerufenen Freiheitsrechte als standeswidrig einstufen. 6. Der Beschwerdeführer rügt ferner, die Anwaltskammer habe das Gleichbehandlungsgebot von Art. 4 BV (vgl. BGE 123 I 1 E. 6a S. 7) sowie Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) verletzt: Er macht geltend, über andere - ebenfalls im Kanton Bern zugelassene Anwälte - seien zahlreiche Zeitungsberichte erschienen, welche mit dem vorliegend interessierenden Artikel vergleichbar seien. Im Unterschied zu diesem hätten die fraglichen Berichte jedoch bei ihrem Erscheinen nicht zum Einschreiten der Aufsichtsbehörde geführt. Diese habe damit gleichartige Sachverhalte unterschiedlich behandelt. a) Der Beschwerdeführer beruft sich hauptsächlich auf verschiedene Artikel, die sich mit drei Berufskollegen befassen. Diese Berichte lassen in der Tat erkennen, mit welchen Schwierigkeiten die Aufsichtsbehörde bei der Anwendung der standesrechtlichen Werbeschranken im Bereich der indirekten Werbung konfrontiert ist. Was die Beurteilung der Präsentation bekannter Persönlichkeiten in der Presse betrifft, muss ihr deshalb ein gewisser Beurteilungsspielraum zugestanden werden; die Abgrenzung der Darstellungen, bei welchen der Informationsgehalt bzw. das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt und die Werbewirkung zugunsten des betroffenen Rechtsanwalt in Kauf genommen werden muss, von jenen Publikationen, bei denen der standesrechtlich verpönte Werbeeffekt dominiert, hat von Fall zu Fall in Würdigung aller Umstände zu erfolgen. Es kann für die Aufsichtsbehörde auch eine Rolle spielen, ob der betreffende Anwalt seine Hauptniederlassung in ihrem Zuständigkeitsbereich hat, oder ob er im betreffenden Kanton lediglich zur Berufsausübung zugelassen ist; es ist sachlich vertretbar, wenn das Einschreiten gegen eine allfällig unzulässige Werbung in schweizerischen Zeitungen der Aufsichtsbehörde im Domizilkanton überlassen wird. b) Die angerufenen Vergleichsfälle unterscheiden sich vom streitigen Artikel vorab insofern, als der Umstand, dass die Porträtierten als Rechtsanwälte tätig sind, jeweils nicht im Vordergrund steht. Die Betroffenen werden hauptsächlich als Verwaltungsräte, Wirtschaftsführer oder Rechtsgelehrte dargestellt; teilweise werden sie noch zu ihrem Privatleben befragt. Sodann dürften die betreffenden Anwälte in der Öffentlichkeit (noch) bekannter sein als der Beschwerdeführer, weshalb vermutlich auch das allgemeine Interesse BGE 125 I 417 S. 429 an ihrer Person entsprechend grösser ist. Letztlich braucht jedoch nicht weiter untersucht zu werden, wie es sich mit den vorgelegten Zeitungsberichten verhält: Die Anwaltskammer hat zu den Vergleichsfällen nicht konkret Stellung genommen. Sie hat sich mit dem Hinweis begnügt, dass sie ein Disziplinarverfahren in der Regel erst auf Meldung von Behörden oder auf Beschwerde eines Betroffenen hin eröffne. Im Übrigen hat sie festgestellt, eine Disziplinarverfolgung verjähre drei Jahre nach der mutmasslichen Pflichtverletzung (vgl. Art. 36 FG /BE). Dieses Argument ist zwar nicht stichhaltig, soweit es um Zeitungsberichte geht, die jüngeren Datums sind; hier wäre eine disziplinarische Verfolgung noch möglich gewesen. So oder anders übersieht der Beschwerdeführer jedoch, dass ein Rechtsanwalt nicht für jeden Artikel disziplinarrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, der über ihn erscheint oder in dem er - neben anderen erfolgreichen Anwälten - mehr oder weniger ausführlich beschrieben wird (vgl. z.B. die 1998 im Magazin "Facts" erschienene "Anwalts-Serie", auf welche sich der Beschwerdeführer vor Bundesgericht ebenfalls beruft). Je nach Art und Zweck kann ein Zeitungsartikel auch ohne Zutun - oder jedenfalls ohne entscheidende Mitwirkung - des Betroffenen erscheinen. Eine disziplinarrechtliche Verantwortung besteht nur soweit, als der Anwalt mit der Publikation und ihrem wesentlichen Inhalt einverstanden war. Davon ist aufgrund der Umstände insbesondere dann auszugehen, wenn der Betroffene den Inhalt des Artikels - wie dies bei einem Interview der Fall ist - weitgehend selber bestimmen konnte. Erforderlich ist weiter, dass der werbewirksame Teil im Vergleich mit den sonstigen Informationen im Vordergrund steht. Der Beschwerdeführer unterlässt es, darzutun, dass und inwiefern eines der angerufenen Vergleichsbeispiele in diesen Punkten wirklich seinem Fall entspricht. Insoweit genügt die staatsrechtliche Beschwerde den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht (vgl. BGE 119 Ia 197 E. 1d S. 201 mit Hinweisen). Im Übrigen vermag der Beschwerdeführer keine Entscheide der Anwaltskammer anzugeben, in denen gleichgelagerte Sachverhalte anders bzw. günstiger beurteilt worden wären. Aus den Erwägungen der Anwaltskammer muss vielmehr geschlossen werden, dass diese eine bisher ungeklärte Frage aufgegriffen hat und gewillt ist, ihre Praxis in Zukunft auch gegenüber anderen Anwälten durchzusetzen. Die Rüge der rechtsungleichen Behandlung vermöchte deshalb ohnehin nicht durchzudringen. c) Nicht einzutreten ist ferner auf die Rüge, das Diskriminierungsverbot gemäss Art. 14 EMRK sei verletzt. Der Beschwerdeführer BGE 125 I 417 S. 430 legt nicht dar, inwieweit der angefochtene Entscheid überhaupt den Schutzbereich dieser Konventionsgarantie tangiert. Seiner Eingabe fehlt es auch diesbezüglich an einer rechtsgenüglichen Begründung. 7. a) Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, die Anwaltskammer habe zu Unrecht darauf verzichtet, die Journalistin, welche den beanstandeten Artikel verfasst habe, als Zeugin zu befragen. Damit rügt er eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör; er beruft sich aber nicht auf kantonale Verfahrensvorschriften, sondern direkt auf die Bundesverfassung. Es ist deshalb einzig - mit freier Kognition - zu prüfen, ob die verfahrensrechtlichen Mindestgarantien, wie sie unmittelbar aus Art. 4 BV abgeleitet werden, missachtet worden sind (vgl. BGE 118 Ia 17 E. 1b S. 18; BGE 122 I 153 E. 3 S. 158 mit Hinweisen). b) Die Anwaltskammer durfte - mangels Erheblichkeit dieses Beweismittels - ohne Verletzung von Art. 4 BV davon absehen, die Verfasserin des Artikels zu befragen ( BGE 119 Ia 260 E. 6a S. 261 mit Hinweisen): Nach der geschilderten Rechtslage ergibt sich der entscheidwesentliche Sachverhalt bereits aus den Akten. Was die Journalistin allenfalls über ihren Einfluss auf die Gestaltung des Artikels hätte aussagen können, ist unerheblich, macht doch der Beschwerdeführer nicht geltend, der publizierte Text gehe über das hinaus, was er tatsächlich gesagt habe. Er bringt auch nicht vor, die interviewende Journalistin auf die standesrechtlichen Schranken aufmerksam gemacht oder erfolglos Einsicht in die Endfassung des publizierten Interviews verlangt zu haben. Damit aber hat der Beschwerdeführer eine Verletzung der Standespflichten zumindest in Kauf genommen. Nichts zur Sache tut deshalb, ob der Text von der Journalistin in eigener Verantwortung verfasst oder vom zuständigen Redaktor überarbeitet worden ist.
public_law
nan
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CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
97239f81-ad0c-4e07-8f79-d12d7b766d35
Urteilskopf 119 Ia 35 7. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Januar 1993 i.S. Dr. S. gegen Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Zulassung zum Anwaltsberuf; Handels- und Gewerbefreiheit, Freizügigkeitsgarantie. 1. Tragweite der Freizügigkeitsgarantie von Art. 5 ÜbBest. BV (E. 1). 2. In der Schweiz niedergelassene ausländische Staatsangehörige können sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen (E. 2, Bestätigung der neueren Rechtsprechung). 3. Das Bürgerrechtserfordernis ist mit der Handels- und Gewerbefreiheit vereinbar, soweit damit die Vertrautheit mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen des Landes sichergestellt werden soll (Präzisierung der Rechtsprechung); diese Vertrautheit kann auch bei einem ausländischen Staatsangehörigen gegeben sein, diesfalls erweist sich das Bürgerrechtserfordernis als unverhältnismässig (E. 3-5).
Sachverhalt ab Seite 36 BGE 119 Ia 35 S. 36 Dr. S., polnische Staatsangehörige, kam 1982 als Flüchtling in die Schweiz und erhielt 1987 die Niederlassungsbewilligung. Am 22. Dezember 1987 erteilte ihr das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft gestützt auf die bestandene Fähigkeitsprüfung die Bewilligung (Befähigungsausweis) zur Ausübung der Advokatur im Kanton Basel-Landschaft. Am 19. Februar 1988 gewährte ihr auch das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt die Bewilligung zur Ausübung der Advokatur in diesem Kanton, und am 12. Dezember 1990 erhielt sie (nach Ergreifung eines kantonalen Rechtsmittels, ZBl 92/1991, S. 207 ff.) die entsprechende Bewilligung im Kanton Aargau. Am 25. Februar 1992 stellte Dr. S. das Gesuch um Erteilung der Bewilligung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs im Kanton Zürich. Mit Beschluss vom 15. April 1992 wies das Obergericht des Kantons Zürich dieses Gesuch ab, mit der Begründung, Dr. S. könne als ausländische Staatsangehörige die Bewilligung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes nicht erlangen. Zur Begründung verwies das Obergericht auf § 1 in Verbindung mit § 3 des Anwaltsgesetzes des Kantons Zürich vom 3. Juli 1938, wonach das Schweizerbürgerrecht Voraussetzung für die Ausübung des Anwaltsberufs ist, sowie auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts, welche das Erfordernis der schweizerischen Staatsangehörigkeit als mit der Verfassung vereinbar erachtet ( BGE 116 Ia 237 ff.). Mit Eingabe vom 26. Mai 1992 hat Dr. S. staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Das Bundesgericht heisst diese gut Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. Die Beschwerdeführerin macht vorab eine Verletzung der Freizügigkeitsgarantie von Art. 5 ÜbBest. BV geltend. Diese BGE 119 Ia 35 S. 37 Bestimmung steht im Zusammenhang mit Art. 33 BV . Nach dessen Abs. 1 ist den Kantonen anheimgestellt, die Ausübung der wissenschaftlichen Berufsarten von einem Ausweise der Befähigung abhängig zu machen; gemäss Abs. 2 ist auf dem Wege der Bundesgesetzgebung dafür zu sorgen, dass derartige Ausweise für die ganze Eidgenossenschaft gültig erworben werden können. Solange eine solche bundesrechtliche Regelung fehlt, und so verhält es sich für den Anwaltsberuf bis heute, soll gemäss Art. 5 ÜbBest. BV der in einem Kanton erlangte Befähigungsausweis zur Berufsausübung in der ganzen Eidgenossenschaft berechtigen. Diese Freizügigkeitsgarantie erstreckt sich nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auf die beruflichen Fachkenntnisse, belässt den Kantonen aber die Kompetenz zu prüfen, ob die nach ihren Vorschriften erforderlichen weiteren Voraussetzungen für die Zulassung zum Anwaltsberuf erfüllt sind ( BGE 111 Ia 104 ; BGE 80 I 151 E. 1, mit Hinweisen). Unzulässig ist es unter dem Gesichtspunkt von Art. 5 ÜbBest. BV nur, eine weitere theoretische oder praktische Prüfung zu verlangen, oder, was dem Sinn der Freizügigkeit direkt entgegenstehen würde, die Bewilligung für ausserkantonale Anwälte von Voraussetzungen abhängig zu machen, welche deren Berufsausübung in unzumutbarer Weise erschweren. So verhält es sich etwa dann, wenn dauerhafte örtliche Beziehungen zum Kantonsgebiet verlangt werden ( BGE 80 I 151 E. 3 mit Hinweisen) oder die Erteilung der Bewilligung im Einzelfall mit der Verpflichtung verbunden wird, armenrechtliche Fälle zu übernehmen ( BGE 67 I 335 ). Vorliegend stellt das Obergericht nicht in Frage, dass die Beschwerdeführerin über den erforderlichen Fähigkeitsausweis verfügt. Die Erteilung der Bewilligung wird auch nicht von einer anderen Voraussetzung abhängig gemacht, welche die Freizügigkeit im dargestellten engeren Sinn tangiert. Das Obergericht hat die Bewilligung vielmehr deshalb verweigert, weil die Beschwerdeführerin nicht über das Schweizerbürgerrecht verfügt. Ob dies verfassungsrechtlich zulässig sei, misst sich an der Handels- und Gewerbefreiheit. 2. Nach der früheren bundesgerichtlichen Rechtsprechung konnte sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit nur berufen, wer Schweizerbürger ist ( BGE 55 I 223 E. 1; BGE 48 I 285 E. 1; BGE 47 I 50 E. 1). Der Ausländer war damit vom persönlichen Schutzbereich des Grundrechts ausgenommen. In BGE 108 Ia 148 hat das Bundesgericht diese Praxis dahin präzisiert, dass sich der Ausländer auf die Handels- und Gewerbefreiheit berufen könne, soweit er nicht BGE 119 Ia 35 S. 38 gerade wegen seiner Ausländerqualität besonderen wirtschaftspolizeilichen Einschränkungen unterworfen sei. Der Ausländer konnte somit Grundrechtsträger sein, hingegen blieben ausländerspezifische Einschränkungen der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit, auch und gerade auf Grundlage kantonaler Gesetzgebung, generell vom Schutz durch die Handels- und Gewerbefreiheit ausgenommen. Dies erachtete das Bundesgericht in einem Urteil vom 12. Oktober 1990 als problematisch, weil damit der Geltungsbereich eines verfassungsmässigen Rechts nicht durch die Bundesverfassung selbst, sondern durch die jeweilige kantonale Gesetzgebung bestimmt würde. Das Bundesgericht konkretisierte daher den Schutzbereich der Handels- und Gewerbefreiheit im Lichte der Verfassung, wobei es auf Art. 69ter BV abstellte, wonach die Gesetzgebung über Ein- und Ausreise, Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer dem Bunde zusteht. Das Bundesgericht kam zum Schluss, diese Verfassungsbestimmung lasse mit ihrer demographischen und arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung für einen grundrechtlichen Schutz privatwirtschaftlicher Erwerbstätigkeit bei Anwendung des Fremdenpolizeirechts keinen Raum. Es bestehe anderseits aber kein verfassungsrechtlicher Grund, dem Ausländer, der über eine Niederlassungsbewilligung verfügt und deshalb hinsichtlich seiner Erwerbstätigkeit keinerlei fremdenpolizeilichen Schranken unterliegt, die Berufung auf die Handels- und Gewerbefreiheit zu verweigern ( BGE 116 Ia 238 E. 2). Die Beschwerdeführerin, die im Besitz der Niederlassungsbewilligung ist, kann damit geltend machen, die Nichterteilung der Berufsausübungsbewilligung im Kanton Zürich verstosse gegen die Handels- und Gewerbefreiheit. Ob es zulässig ist, sie als Ausländerin von der Ausübung des Anwaltsberufs auszuschliessen, ist Frage der materiellen Beurteilung. Zu prüfen ist, ob diese Einschränkung der Erwerbstätigkeit, welche sich nicht auf das Fremdenpolizeirecht des Bundes stützt, vor der Handels- und Gewerbefreiheit standhält, d.h. ob sie auf gesetzlicher Grundlage (im kantonalen Recht) beruht, im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. 3. a) Die Erteilung des Fähigkeitszeugnisses auf Grund der zürcherischen Rechtsanwaltsprüfung bzw. der Berufsausübungsbewilligung gestützt auf einen ausserkantonalen Ausweis ist im Kanton Zürich an die Voraussetzung des Schweizerbürgerrechts geknüpft (§ 1 und § 3 Anwaltsgesetz). Die gesetzliche Grundlage für die Verweigerung der Bewilligung ist damit gegeben und wird von BGE 119 Ia 35 S. 39 der Beschwerdeführerin auch nicht in Zweifel gezogen. Sie macht vielmehr geltend, für den Ausschluss von Ausländern vom Anwaltsberuf lasse sich kein überwiegendes öffentliches Interesse namhaft machen. b) Dazu hat das Bundesgericht im zitierten Urteil vom 12. Oktober 1990, wo die Nichtzulassung eines deutschen Staatsangehörigen zur bernischen Fürsprecherprüfung angefochten war, Stellung genommen. Dabei musste die Ausweitung des Geltungsbereichs der Handels- und Gewerbefreiheit zur Folge haben, dass das Bürgerrechtserfordernis nicht mehr - wie zuvor noch unter dem Gesichtswinkel von Art. 4 BV (Urteil vom 24. Februar 1984, in ZBl 85/1984 S. 460) - mit dem Schutz der einheimischen Anwälte vor ausländischer Konkurrenz gerechtfertigt werden konnte. Die Handels- und Gewerbefreiheit verbietet den Kantonen gerade wirtschafts- und standespolitische Massnahmen, die der Abschirmung vor Konkurrenz dienen. c) Dennoch hat das Bundesgericht ein überwiegendes öffentliches Interesse am Ausschluss ausländischer Staatsangehöriger vom Anwaltsberuf anerkannt. Es hat dabei auf die berufsnotwendige enge Vertrautheit des Anwalts mit den Verhältnissen des Landes hingewiesen, sodann darauf, dass der Anwalt als "Mitarbeiter der Rechtspflege" in enger Beziehung zum Staat stehe, weshalb es jedenfalls zurzeit herrschender Rechtsanschauung entspreche, dass der Anwalt mit diesem Staat durch das Bürgerrecht verbunden sein solle. Schliesslich hat das Bundesgericht einen Bezug des Anwaltsberufs zu den Rechten und Pflichten des Aktivbürgers hergestellt, indem es die Erwartung aussprach, dass sich der Anwalt einerseits an der Rechtsfortbildung beteilige und er anderseits im Interesse des Klienten dem Richter oder (im Verwaltungsverfahren) dem Beamten als gleichberechtigter Bürger gegenübertreten könne ( BGE 116 Ia 241 /42). 4. Diese Argumentation kann nicht in vollem Umfang aufrechterhalten werden. Sie erfasst das öffentliche Interesse, das für das Bürgerrechtserfordernis namhaft gemacht werden kann, teilweise zu wenig präzis. Mit dem Argument, der Anwalt stehe als "Mitarbeiter der Rechtspflege" in enger Beziehung zum Staat, wird eine Verbindung zum Grundsatz hergestellt, dass die Beschäftigung im öffentlichen Dienst und insbesondere die Ausübung hoheitlicher Befugnisse regelmässig den Staatsbürgern vorbehalten ist. Der Anwalt ist aber "Mitarbeiter der Rechtspflege" nur insofern, als er die Rechtsuchenden bei BGE 119 Ia 35 S. 40 der Verfolgung ihrer subjektiven Rechtsschutzinteressen unterstützt und damit mittelbar zur Verwirklichung der Rechtsordnung beiträgt ( BGE 106 Ia 104 ). Staatliches Organ ist er gerade nicht; seine Funktion gebietet gegenteils Unabhängigkeit vom Staat ( BGE 106 Ia 105 ). Der Anwalt unterliegt als "Mitarbeiter der Rechtspflege" zwar bestimmten Berufspflichten. Diese können aber auch von einem Ausländer erfüllt werden. Fragwürdig ist auch, inwiefern zwischen politischen Rechten und Anwaltstätigkeit ein Zusammenhang bestehen soll. Schon den Frauen ist ursprünglich der Zugang zum Anwaltsberuf mit der Begründung verweigert worden, ihnen fehle das Stimm- und Wahlrecht (BGE 13 S. 1 ff.); obgleich aber die politischen Rechte weiterhin den Männern vorbehalten blieben, entschied das Bundesgericht im Jahre 1929, es sei verfassungswidrig und mit der Handels- und Gewerbefreiheit unvereinbar, der Frau die Tätigkeit als Anwältin länger zu verwehren ( BGE 49 I 14 ). Politische Rechte üben im übrigen auch Anwälte mit Schweizerbürgerrecht nicht in allen Kantonen aus, in denen sie über eine Berufsausübungsbewilligung verfügen. 5. Hingegen ist daran festzuhalten, dass es im öffentlichen Interesse liegt, sicherzustellen, dass der Anwalt mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen des Landes vertraut sei. Dieses Erfordernis ist nicht identisch mit jenem der umfassenden Rechtskenntnisse, welche mit dem Anwaltsexamen überprüft werden. Das Bürgerrechtserfordernis erfüllt insofern eine ergänzende Funktion. Allerdings ist zu beachten, dass ein Ausländer die Verhältnisse der Schweiz ebenso gut kennen und mit ihnen verbunden sein kann wie ein Schweizerbürger. Ist dies der Fall, so erschiene es unverhältnismässig, die Erteilung der Berufsausübungsbewilligung dennoch zu verweigern. Der Ausländer muss daher zum Nachweis zugelassen werden, dass er - gleichsam wie ein Schweizerbürger - mit den hiesigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen vertraut sei. Die Beschwerdeführerin ist 1982 als Flüchtling in die Schweiz gekommen. Sie hat nach ihrem ersten juristischen Studium, das sie an der Universität Katowice in Polen mit dem Doktorat abgeschlossen hatte, zusätzlich an der Universität Basel studiert und dort das Lizentiat erworben, und sie übt seit fünf Jahren in den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt die Tätigkeit als Advokatin aus. Das bringt zwangsläufig vertiefte Kenntnisse der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse mit sich. Aus den Akten ergibt sich ferner, dass die Beschwerdeführerin zahlreiche Zeitungsartikel BGE 119 Ia 35 S. 41 verfasst und in der Schweiz veröffentlicht hat, in denen sie zu rechtspolitischen wie auch zu allgemeinpolitischen Fragen Stellung bezieht. Unter solchen Umständen am Bürgerrechtserfordernis festzuhalten, geht über die damit legitimerweise verfolgte Zielsetzung hinaus und ist unverhältnismässig. Die Verweigerung der Berufsausübungsbewilligung im Kanton Zürich ist aus diesem Grund mit der Handels- und Gewerbefreiheit unvereinbar.
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Urteilskopf 103 V 60 15. Arrêt du 22 septembre 1977 dans la cause P. contre Caisse cantonale genevoise de compensation et Commission cantonale genevoise de recours en matière d'assurance-vieillesse et survivants
Regeste Art. 30 und Art. 31 AHVG . Berechnung der einer geschiedenen Frau zukommenden einfachen Altersrente; Fall einer Versicherten, die eine solche Rente bereits vor ihrer Scheidung bezog und hierauf an einer Ehepaar-Altersrente beteiligt war.
Sachverhalt ab Seite 60 BGE 103 V 60 S. 60 A.- Rosa P., née le 27 mars 1909, a été mise dès le 1er avril 1971 au bénéfice d'une rente ordinaire de vieillesse simple. Cette rente, calculée sur la base d'un revenu annuel moyen déterminant de 15'600 fr., s'élevait au départ à 352 fr. par mois; à la suite des diverses adaptations consécutives aux révisions légales, elle se montait à 820 fr. depuis le 1er janvier 1975. Le mari de l'intéressée ayant accompli sa 65e année en avril 1975, la rente de vieillesse simple de l'épouse a été supprimée et remplacée dès le 1er mai 1975 par une demi-rente de vieillesse pour couple, d'un montant de 750 fr. Mais les conjoints, déjà séparés de corps, ont divorcé; le jugement de divorce, du 30 avril 1975, est devenu définitif le BGE 103 V 60 S. 61 21 mai 1975. Aussi Rosa P. a-t-elle été mise derechef au bénéfice d'une rente de vieillesse simple dès le 1er juin 1975. Procédant au calcul de cette rente selon les dispositions alors en vigueur, la Caisse cantonale genevoise de compensation en a fixé le montant à 760 fr. par mois (décision du 9 juin 1975). B.- L'assurée a recouru. Elle invoquait les assurances que lui avait données la caisse de compensation quant au droit à la rente après divorce, estimait anormal que la rente soit d'un montant inférieur à ce qu'il était auparavant et concluait au calcul de cette rente sur les mêmes bases que précédemment. La Commission cantonale genevoise de recours en matière d'assurance-vieillesse et survivants a constaté que le calcul effectué par la caisse était conforme aux dispositions légales et que la décision prise ne contredisait pas les assurances données. Considérant que, bien que la situation puisse paraître choquante, aucun correctif n'était possible, elle a rejeté le recours (jugement du 16 mars 1976). C.- Rosa P. interjette recours de droit administratif. Elle se réfère aux explications fournies devant le premier juge, fait valoir en bref qu'on ne saurait la priver du droit à la rente de vieillesse simple acquis en 1971 et conclut plaise au Tribunal fédéral des assurances réformer le jugement cantonal et dire qu'elle a droit à une rente basée sur ses cotisations jusqu'au 31 mars 1971, avec suite de dépens pour la procédure cantonale et fédérale. Tandis que la caisse intimée conclut au rejet du recours, en l'état actuel de la législation, l'Office fédéral des assurances sociales en propose l'admission. Erwägungen Considérant en droit: 1. La rente de vieillesse simple à laquelle l'assurée avait droit dès le 1er avril 1971 a été calculée au départ sur la base d'un revenu annuel moyen déterminant de 15'600 fr. Conformément aux dispositions transitoires prévues pour l'adaptation des rentes en cours lors de la première et de la deuxième étape de la 8e révision de la LAVS, ce revenu a été revalorisé à 19'800 fr. au 1er janvier 1973 (ch. VIII/1 lettre b al. 2 de la novelle du 30 juin 1972) puis à 25'200 fr. au 1er janvier 1975 (ch. IV al. 1 de la novelle du 28 juin 1974). Il en résultait depuis le 1er janvier 1975 une rente de 820 fr. par mois. BGE 103 V 60 S. 62 Mais le droit à cette rente de vieillesse simple s'est éteint dès le 1er mai 1975, par l'ouverture du droit à une rente de vieillesse pour couple (art. 21 al. 2 LAVS). Le divorce intervenu en mai 1975 a entraîné à son tour extinction du droit à la rente de couple (art. 22 al. 3 LAVS). Et cette extinction a ouvert à la recourante, dès le 1er juin 1975, un droit nouveau à une rente de vieillesse simple (art. 21 al. 2 LAVS). Les dispositions transitoires précitées concernent uniquement l'adaptation des rentes en cours lors de l'entrée en vigueur des normes légales nouvelles. Elles sont sans effet aucun sur le calcul des rentes qui prennent naissance postérieurement à cette entrée en vigueur; ces rentes sont fixées selon les normes introduites par la novelle au 30 juin 1972 (pour celles ayant pris naissance en 1973 ou 1974) et par la novelle du 28 juin 1974 (pour celles prenant naissance dès le 1er janvier 1975). La pratique administrative suivie à partir de 1975, dont la jurisprudence a maintes fois reconnu qu'elle était strictement conforme aux dispositions légales (voir p.ex. arrêts non publiés Eyen du 4 mars 1977, Bonhôte et Miazza du 26 juillet 1976, Akermann du 3 mai 1976 et Koller du 26 septembre 1975), considère comme nouvelle toute rente dont le genre subit une modification. C'est dire que la rente de vieillesse simple qui, dans l'espèce, a succédé dès le 1er juin 1975 à une rente de couple doit être calculée selon les normes entrées en vigueur le 1er janvier 1975. Or il découle de l'application de ces normes (art. 30 LAVS, en particulier al. 4 et 31 LAVS) un revenu annuel moyen déterminant de 21'600 fr., dont résulte une rente de vieillesse simple de 760 fr. par mois. Le calcul de la caisse se révèle par conséquent exact. 2. L'Office fédéral des assurances sociales propose il est vrai une dérogation à la stricte application des dispositions légales. Il estime que, dans les cas où le droit existant à la rente de vieillesse simple a été "interrompu" par l'octroi d'une rente de couple, il est justifié d'admettre que, lorsque le droit à la rente de couple s'éteint, la rente antérieure de vieillesse simple "renaît" sur la base des mêmes éléments de calcul qu' antérieurement. On ne saurait toutefois suivre l'office sur cette voie. D'une part, pareille thèse ne peut s'appuyer sur les termes de la loi. D'autre part, si elle est propre à corriger certaines conséquences BGE 103 V 60 S. 63 que l'on peut qualifier de choquantes et qui sont liées à la stricte application des nouvelles dispositions instituées dans le cadre des révisions légales, la solution proposée ne fait que déplacer le problème sans résoudre d'autres situations pour le moins aussi peu satisfaisantes que celle dans laquelle se trouve la recourante. Elle présente en outre un risque non négligeable d'inégalité de traitement. Dans ces conditions, la Cour de céans n'a pas de motif de s'écarter du texte clair de la loi pour substituer à la solution actuelle - qui n'est certes pas parfaite - une thèse qui ne l'est en définitive guère plus. C'est au législateur qu'il appartient de régler mieux les choses - si tant est que cela soit possible. A cet égard, on pourrait concevoir de laisser à l'administration une certaine liberté pour trouver une solution équitable dans des situations exceptionnelles - qu'on ne saurait faire grief au Parlement de ne pas avoir envisagées lors de l'élaboration de la loi ou qui ne sont guère susceptibles d'être réglées de manière satisfaisante en appliquant strictement les principes aptes à fournir une solution adéquate dans l'immense majorité des cas. Il n'est enfin peut-être pas inutile de rappeler qu'il sera parfois possible d'apporter certains correctifs lors du règlement des effets accessoires du divorce. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: Le recours est rejeté.
null
nan
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