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8bf3d11b-5454-464e-9c67-d14c23a60fab | Urteilskopf
120 II 197
37. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Juni 1994 i.S. H. gegen U. AG (Berufung). | Regeste
Stellvertretung; Vertrauenshaftung (
Art. 33 Abs. 3 OR
).
Kriterien der normativ zurechenbaren, auf Rechtsschein beruhenden Vollmacht (E. 2a). - Voraussetzungen der Vertrauenshaftung nach
Art. 33 Abs. 3 OR
(E. 2b). - Tatsächlicher oder objektiver Vertretungswille des Vertreters (E. 2b/aa; Präzisierung der Rechtsprechung).
Verneinung einer kaufmännischen Rechtsscheinvollmacht im vorliegenden Fall (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 197
BGE 120 II 197 S. 197
A.-
A. H. ist Inhaber der im Handelsregister eingetragenen Einzelfirma "Sport H." in J. Mitarbeiter im Betrieb ist sein Sohn G. H., der registermässig über keine Unterschriftsberechtigung verfügt.
Am 21. Dezember 1990 unterzeichnete G. H. unter dem Firmenstempel "H. Sport" einen als "Einrichtungsauftrag" benannten
BGE 120 II 197 S. 198
Vertrag mit der U. AG über die Einrichtung eines neuen Sportgeschäfts in J. zu approximativen Kosten von Fr. 200'000.-. Die rückseitig auf dem Vertragsformular vorgedruckten Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen der Klägerin sehen für den Fall einer akzeptierten Annullierung des Vertrags durch den "Käufer" eine Entschädigung von 25% der "Kaufsumme" als Ersatz für die Planungs- und Verkaufskosten, entgangenen Gewinn etc. vor.
Am 11. Januar 1991 gab die Lieferantin eine "provisorische Auftragsbestätigung" mit Terminplan ab. Auf Geschäftspapier der Einzelfirma ersuchte G. H. sie indessen mit Schreiben vom 24. Januar 1991, bis zur Klärung noch offener Fragen keine weiteren Schritte zu unternehmen. Unter privatem Briefkopf trat er in der Folge am 25. März 1991 vom Vertrag zurück, da es nicht gelungen sei, die Finanzierung des Vorhabens sicherzustellen.
B.-
Mit Klage vom 5. März 1992 belangte die U. AG die "H. Sport, Einzelfirma des Herrn G. H." auf Fr. 50'000.-- nebst Zins als Entschädigung für die Vertragsannullierung. Mit Vorentscheid vom 18. Juni 1992 trat das Handelsgericht des Kantons St. Gallen auf die Klage unter Berichtigung der beklagtischen Parteibezeichnung in "A. H." ein. Am 17. März 1993 hiess es die Klage im Teilbetrag von Fr. 30'000.-- nebst Zins gut.
Das Bundesgericht heisst eine dagegen eingelegte Berufung des Beklagten gut und weist die Klage ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beklagte ist vertraglich gebunden, wenn sein Sohn den Vertrag in seinem Namen als Fremdgeschäft abgeschlossen hat und dazu bevollmächtigt war, oder wenn die Klägerin aus seinem Verhalten in guten Treuen auf eine solche Vollmacht schliessen durfte, oder wenn er den Vertrag nachträglich genehmigt hat. Im Falle der Genehmigung wäre er der ihn beanspruchenden Klägerin selbst dann vertraglich verpflichtet, wenn sein Sohn als angemasster Firmeninhaber an sich ein Eigengeschäft abgeschlossen hätte (BK-ZÄCH, N. 86 zu
Art. 32 OR
).
Eine ausdrückliche kaufmännische oder bürgerliche Bevollmächtigung des Sohnes ist nicht erstellt, ebensowenig eine Genehmigung des Vertrags durch den Beklagten. In antizipierter Beweiswürdigung stellt das Handelsgericht sodann fest, dass der Sohn des Beklagten sich auf ein Eigengeschäft beruft, was zwangsläufig bedeutet, dass dieser für sich auch keine Anscheins- oder Duldungsvollmacht in
BGE 120 II 197 S. 199
Anspruch nimmt (dazu BK-ZÄCH, N. 46 ff. zu
Art. 33 OR
; OR-WATTER, N. 16 zu
Art. 33 OR
). Zu prüfen ist damit einzig, ob die Klägerin Schutz ihres guten Glaubens beanspruchen kann, mit dem Beklagten den Einrichtungsvertrag geschlossen zu haben, ob mit andern Worten ihr guter Glaube das Fehlen einer normativ zwar kundgegebenen, tatsächlich aber nicht erteilten Vollmacht heilt.
a) Der Tatbestand wird vom Regelungsgedanken von
Art. 33 Abs. 3 OR
erfasst (
BGE 53 III 171
E. 2) und terminologisch uneinheitlich etwa als externe Anscheins- oder Duldungsvollmacht (
BGE 107 II 105
E. 6a S. 115; VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, S. 154; GUHL/MERZ/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Aufl. 1991, S. 158; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 612; KOLLER, Der gute und der böse Glaube im allgemeinen Schuldrecht, S. 70 Rz. 231), als Rechtsscheinvollmacht (Nachweise bei GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1991, Band I, S. 263 Rz. 1410), als Quasivollmacht (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Band I, S. 359; KELLER/SCHÖBI, Allgemeine Lehren des Vertragsrechts, 3. Aufl. 1988, S. 74) oder schlicht als Schutz des gutgläubigen Dritten vor fehlender Vertretungsmacht des Vertreters bezeichnet (BK-ZÄCH, N. 8 ff., N. 46 und N. 128 ff. zu
Art. 33 OR
; OR-WATTER, N. 29 ff. zu
Art. 33 OR
; zum Gesamten GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S. 260 ff. Rz. 1390 ff.). Unbesehen dieser uneinheitlichen Terminologie beruht die Bindung des ungewollt Vertretenen jedenfalls auf dem Vertrauensprinzip, wonach die normativ zurechenbare der tatsächlich ungewollten rechtsgeschäftlichen Bindung derogiert. Danach ist der Erklärende im rechtsgeschäftlichen Bereich nicht gebunden, weil er einen bestimmt gearteten inneren Willen hatte, sondern weil er ein Verhalten an den Tag gelegt hat, aus dem die Gegenseite in guten Treuen auf einen bestimmten Willen schliessen durfte (
BGE 69 II 319
/322). Das bedeutet im Vertretungsrecht, dass der Vertretene auf einer bestimmt gearteten Äusserung zu behaften ist, wenn der gutgläubige Dritte, demgegenüber der Vertreter ohne Vollmacht handelt, sie in guten Treuen als Vollmachtskundgabe verstehen durfte und darauf vertraute. Wer auf einen Rechtsschein vertraut, darf nach Treu und Glauben verlangen, dass dieses Vertrauen demjenigen gegenüber geschützt wird, der den Rechtsschein hervorgerufen oder mitveranlasst und damit zu vertreten hat (SOERGEL/LEPTIEN, N. 15 zu § 167 BGB; RGRK-STEFFEN, N. 10 zu § 167 BGB).
BGE 120 II 197 S. 200
b) Im einzelnen setzt diese Vertrauenshaftung - soweit hier von Interesse - folgendes voraus:
aa) Der Vertreter muss dem Dritten gegenüber in fremdem Namen handeln. Ob dies zutrifft, entscheidet sich wiederum nach den Regeln zur Auslegung empfangsbedürftiger Erklärungen. Erforderlich ist daher entweder, dass der Vertreter den Vertretungswillen hat und der Dritte dies erkennt, oder dass er zwar keinen Vertretungswillen hat, der Dritte jedoch nach Treu und Glauben auf einen solchen schliessen darf und tatsächlich auch schliesst (KOLLER, a.a.O., S. 56 Rz. 191). Mithin kommt es nicht auf den inneren tatsächlichen, sondern auf den nach aussen kundgegebenen und vertrauenstheoretisch sowie tatsächlich als solchen verstandenen Vertretungswillen an (STAUDINGER/DILCHER, N. 39 zu § 167 BGB; RGRK-STEFFEN, N. 13 zu § 167 BGB). Insoweit ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu präzisieren, wonach der vollmachtlose Vertreter einen tatsächlichen Vertretungswillen haben müsse (
BGE 100 II 200
E. 8a S. 211 mit Hinweisen). Hinreichend ist auch hier der objektiv geäusserte Wille (BK-ZÄCH, N. 40 zu
Art. 33 OR
; KOLLER, a.a.O.).
Demgegenüber entfällt die Annahme einer Vertretungswirkung, wenn jemand nicht in, sondern unter fremdem Namen handelt, sich beispielsweise der Angestellte als Geschäftsinhaber ausgibt. Hier wird äusserlich ein Eigen- und nicht ein Fremdgeschäft abgeschlossen, was eine Anwendung der vertretungsrechtlichen Gutglaubensvorschriften von vornherein ausschliesst (KOLLER, a.a.O., S. 57 Rz. 194; NEUMAYER, Vertragsschluss unter fremdem Namen, Mélanges Pierre Engel, S. 221 ff.).
bb) Das Handeln des Vertreters in fremdem Namen vermag allerdings für sich allein eine Vertrauenshaftung des Vertretenen nie zu begründen, denn aus erwecktem Rechtsschein ist nur gebunden, wer diesen Rechtsschein objektiv zu vertreten hat. Dies folgt bereits daraus, dass das Geschäft nicht durch den Vertreter, sondern durch den Vertretenen mittels des Vertreters abgeschlossen wird, denn dieser ist Vertragspartei, und ihn trifft dessen gesamte Rechtswirkung (MÜLLER-FREIENFELS, Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, S. 212; anders noch
BGE 42 II 648
E. 1b). Die objektive Mitteilung der Vollmacht muss daher vom Vertretenen ausgehen. Entscheidend ist allein, ob das tatsächliche Verhalten des Vertretenen nach Treu und Glauben auf einen Mitteilungswillen schliessen lässt. Dieses Verhalten kann in einem positiven Tun bestehen, indessen auch in einem passiven Verhalten, einem bewussten oder normativ zurechenbaren Unterlassen oder Dulden (
BGE 85 II 22
E. 1; BK-ZÄCH,
BGE 120 II 197 S. 201
N. 35 ff. und N. 144 zu
Art. 33 OR
; OR-WATTER, N. 31 zu
Art. 33 OR
; KOLLER, a.a.O., S. 70 Rz. 231). Hat der Vertretene dabei Kenntnis vom Auftreten des Vertreters, schreitet aber dagegen nicht ein, wird ihm nach einem anschaulichen, wenngleich für das schweizerische Recht ungenauen Ausdruck eine sogenannte externe Duldungsvollmacht unterstellt (zur Terminologie BK-ZÄCH, N. 46 und N. 130 zu
Art. 33 OR
). Kennt er das Verhalten des Vertreters nicht, könnte er es aber bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit kennen und verhindern, liegt nach derselben Terminologie eine externe Anscheinsvollmacht vor (KOLLER, a.a.O., S. 70 Rz. 231; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S. 264 Rz. 1411 f.) In einem Teil der Lehre wird allerdings diese externe Anscheinsvollmacht als vertragsbegründender Tatbestand abgelehnt und allein der culpa-Haftung auf das (negative) Vertrauensinteresse unterstellt (KELLER/SCHÖBI, a.a.O., S. 74 f.). Indessen ist zum mindesten die Auffassung nicht von der Hand zu weisen, dass das Institut der Anscheinsvollmacht im hier verwendeten Sinne jedenfalls im kaufmännischen Verkehr seine Rechtfertigung hat, indem der Geschäftspartner nicht mit den für ihn undurchschaubaren Organisationsrisiken der Unternehmung belastet werden soll (CANARIS, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 48 ff., insbesondere S. 52, S. 191 ff.; KOLLER, a.a.O., S. 79 Rz. 252 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Allerdings sind in diesem Zusammenhang auch die Schranken zu beachten, welche einem leichtfertigen Vertrauen des Geschäftspartners aus der Publizitätswirkung des Handelsregisters gesetzt sind. Zudem wird mit beachtlichen Gründen weitergehend darauf hingewiesen, dass sich auf der Grundlage des Vertrauensgrundsatzes eine unterschiedliche rechtliche Behandlung von Duldungs- und Anscheinsvollmacht im Aussenverhältnis, eine Differenzierung des Gutglaubensschutzes nach bewusst geduldetem oder nachlässig nicht vermiedenem Rechtsschein, nicht leicht begründen lässt (SOERGEL/LEPTIEN, N. 17 zu § 167 BGB). Namentlich ist nicht ohne weiteres einzusehen, weshalb die normative Wirkung des erweckten Rechtsscheins vom Kenntnisstand desjenigen abhängen soll, der ihn objektiv zu vertreten hat, wenn der Vertrauensgrundsatz gerade dazu angerufen wird, rechtsgeschäftliche Bindung auch dort zu begründen, wo sie nach dem tatsächlichen Wissen und Willen des Erklärenden nicht gewollt ist.
Art. 33 Abs. 3 OR
begründet richtig verstanden eine Verkehrsschutzregelung des Inhalts, dass nach Massgabe des Vertrauensschutzes der Vertretene und nicht der Geschäftsgegner das Risiko
BGE 120 II 197 S. 202
fehlender Vollmacht trägt (analog für das deutsche Recht FROTZ, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 300). Im Vordergrund steht nicht das Verschulden des Erklärenden, sondern die Gefährdung des auf den Vollmachtswillen gerichteten Vertrauens des Dritten (VON CRAUSHAAR, Die Bedeutung der Rechtsgeschäftslehre für die Problematik der Scheinvollmacht, AcP 174/1974, S. 2 ff., S. 20). Klarzustellen ist indessen, dass die Bindungswirkung nicht bereits dann eintritt, wenn der Dritte auf den Bestand einer Vollmacht schliessen darf, sondern bloss dann, wenn das Unterlassen des Vertretenen objektiv als drittgerichtete Mitteilung, als Vollmachtskundgabe zu werten ist (FROTZ, a.a.O., S. 297; KOLLER, a.a.O., S. 71 Rz. 231).
Wie für die Willenserklärung gilt für die Kundgabe der Vollmacht, dass sie auch ohne Erklärungsbewusstsein wirksam werden kann (BK-ZÄCH, N. 41 zu
Art. 33 OR
mit Hinweisen).
Dagegen muss die Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein dem Erklärenden objektiv zurechenbar sein, was u.a. voraussetzt, dass er sich der ihm unterstellten Bedeutung seines Verhaltens auf Grund der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände hätte bewusst sein können (
BGE 85 II 22
; BK-KRAMER, N. 50 zu
Art. 1 OR
; BK-ZÄCH, N. 42 zu
Art. 33 OR
).
cc) Schliesslich tritt die Vertretungswirkung trotz fehlender Vollmacht nur bei berechtigter Gutgläubigkeit des Dritten ein (
BGE 99 II 39
E. 1 S. 42; BK-ZÄCH, N. 155 zu
Art. 33 OR
; OR-WATTER, N. 35 zu
Art. 33 OR
; KOLLER, a.a.O., S. 88 ff. Rz. 273 ff.). Rechtstheoretisch rechtfertigt allein der gute Glaube des Mitteilungsempfängers, den Vollmachtsmangel zu heilen (
BGE 107 II 105
E. 6a S. 115; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S. 261 Rz. 1393).
3.
Das Handelsgericht schliesst auf eine (externe) Anscheinsvollmacht, weil der Sohn des Beklagten objektiv in dessen Namen gehandelt und dieser den erweckten Rechtsschein nicht zerstört habe, mithin gegenüber der gutgläubigen Klägerin rechtsgeschäftlich verpflichtet worden sei.
a) Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass der Sohn des Beklagten, welcher die Vertragsverhandlungen mit der Klägerin im Geschäftslokal des Vaters führte, den Vertrag unter dessen Firmenstempel zeichnete und für die Korrespondenzen dessen Geschäftspapier benutzte, nach Treu und Glauben den Eindruck erweckte, er handle in fremdem Namen.
Die Klägerin ist in ihrem Rechtsstandpunkt indessen von vornherein nur zu schützen, wenn sie auf diesen objektiven Anschein
BGE 120 II 197 S. 203
auch vertraute, das heisst tatsächlich von einem Fremdgeschäft des Sohnes ausging. War sie dagegen der Meinung, mit ihm ein Eigengeschäft abzuschliessen, entfällt zwangsläufig eine Vertrauenshaftung des Beklagten. Der angefochtene Entscheid äussert sich zu diesem inneren Tatbestand auf seiten der Klägerin nicht und ist insoweit lückenhaft, zumal aus den vom Handelsgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellten Urteilsgrundlagen nicht unzweideutig hervorgeht, die Klägerin sei in Tat und Wahrheit von einem Fremdgeschäft ausgegangen. Bereits der Umstand, dass die Klägerin im Prozess ursprünglich G. und nicht A. H. als Geschäftsinhaber belangte, deutet indessen eher darauf hin, dass sie sich in der Person des Geschäftsinhabers geirrt, nicht aber ein Vertretungsverhältnis angenommen hatte. Diesfalls aber wäre von einem Eigengeschäft des Sohnes auszugehen, und entfiele die beanspruchte Haftung des Beklagten. Eine Ergänzung des Sachverhalts im Sinne von
Art. 64 OG
erübrigt sich indessen, wenn die Auffassung des Handelsgerichts, die Klägerin habe gutgläubig auf eine Vollmachtskundgabe durch den Vater schliessen dürfen, vor dem Bundesrecht nicht standhält.
b) Nach dem Gesagten wird der Vertrauensschutz des Dritten zwar durch die Vollmachtskundgabe begründet. Besteht diese Kundgabe indessen in einem passiven Verhalten des Vertretenen, müssen zusätzlich hinreichende objektive Umstände gegeben sein, aus denen der Dritte auf die Bevollmächtigung des Vertreters zum Abschluss des in Frage stehenden Geschäfts schliessen darf. Obliegt dem Vertretenen mit andern Worten, einen Rechtsschein zu zerstören, muss dieser bereits hervorgerufen worden sein. Dabei kann nicht allein auf das Verhalten des Vertreters ankommen, der Dritte muss dieses nach Treu und Glauben, mithin nach objektiven Anzeichen, auch als rechtmässig werten dürfen.
Das Handelsgericht lastet dem Beklagten an, er hätte den durch das Vertreterhandeln seines Sohnes erweckten Anschein erkennen können und sei dagegen nicht eingeschritten. Die Erkennbarkeit leitet es daraus ab, dass die Verhandlungen im Geschäftslokal des Beklagten stattfanden und als Fortsetzung früherer Umbaupläne mit nunmehr neuem Standort wirkten. Die Feststellung, die Parteien hätten bereits früher verhandelt, allerdings nicht um eine zweig- oder ersatzbetriebliche Neueröffnung, sondern um eine Neuausstattung des bestehenden Geschäfts an der ...strasse in J., entnimmt das Handelsgericht entsprechenden Ausführungen des Beklagten in der Klageantwort. Daraus geht allerdings hervor, dass damals der
BGE 120 II 197 S. 204
Beklagte selbst und nicht sein Sohn Verhandlungspartner der Klägerin war. Mithin lässt sich eine Vertragshaftung des Beklagten jedenfalls nicht mit der Begründung halten, er habe in früheren Verhandlungen seinen Sohn wirken lassen und damit eine Duldungsvollmacht begründet, die er nicht widerrufen habe und daher weiterhin gegen sich gelten lassen müsse (
Art. 34 Abs. 3 OR
). Eine normative Vollmachtskundgabe ist im Umstand früherer, vom Vertretenen selbst geführten Vertragsverhandlungen nicht zu erblicken.
Aus dem Umstand, dass die Vertragsverhandlungen im Geschäft des Beklagten stattfanden, schliesst das Handelsgericht offenbar, dem Sohn sei eine betriebliche Stellung eingeräumt worden, mit der üblicherweise eine Vollmacht verbunden sei. Diese Auffassung, welche namentlich in kaufmännischen Verhältnissen, wie sie auch hier gegeben sind, ihre grundsätzliche Berechtigung hat, ist in der Rechtsprechung bereits dem Gutglaubensschutz des Dritten zugrunde gelegt worden (Nachweise bei BK-ZÄCH, N. 159 ff. zu
Art. 33 OR
; KOLLER, a.a.O., S. 77 ff. Rz. 246 ff., BUCHER, a.a.O., S. 614 Fn. 54). Allerdings vermag die Klägerin sich nicht auf einen Rechtsschein zu berufen, wie das Gesetz ihn im Rahmen der besonders normierten Vertretungsmacht kaufmännischer Vertreter für den Umfang deren Vertretungsmacht begründet (vgl. etwa
Art. 458 ff.,
Art. 462 und
Art. 348b OR
), wurde G. H. doch eine solche interne Bevollmächtigung nicht erteilt, und wird eine solche von ihm auch nicht aus Duldung oder Anschein beansprucht. Zu prüfen ist daher bloss, ob der kaufmännische Rechtsschein der Klägerin erlaubte, auf eine solche Vertretungsmacht zu schliessen. Dabei ist auch hier weniger entscheidend, ob der Kaufmann die rechtsgeschäftliche Tätigkeit seines Vertreters im einzelnen kennt und billigt, als vielmehr, wie die mit seinem Vertreter kontrahierenden Dritten sein Verhalten auffassen müssen. Dürfen sie in guten Treuen annehmen, dass ihm das rechtsgeschäftliche Handeln seines Vertreters bei Beachtung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt nicht entgangen sein konnte und daher von ihm gedeckt werde, so muss er sich auf diesem Verhalten behaften lassen (
BGE 74 II 149
E. 2). Indessen darf, wie im bürgerlichen Bereich, der Dritte eine solche Ermächtigung nicht leichthin annehmen (
BGE 99 II 39
E. 1 S. 42). Da die kaufmännische Stellvertretung in jeder Erscheinungsform auf Dauer ausgelegt ist, ist für deren allfällige vertrauenstheoretische Begründung ein Verhalten des Scheinbevollmächtigten erforderlich, welches seinerseits auf Dauer und Kontinuität ausgerichtet ist. Bloss einmaliges Handeln vermag im Regelfall den Rechtsschein nicht zu begründen.
BGE 120 II 197 S. 205
Zudem darf der Dritte nach der ihm obliegenden Aufmerksamkeit im allgemeinen aus dem betrieblichen Rechtsschein bloss auf eine Handlungsvollmacht, nicht aber weitergehend auf eine Prokura schliessen (vgl. BK-GAUTSCHI, N. 6b zu
Art. 462 OR
). Mit der Stellung in einem Betrieb ist zwar häufig und typischerweise eine bestimmte Vollmacht verbunden, zumal ohne sie der Inhaber der Stellung die mit ihr verbundenen Aufgaben gar nicht ordnungsgemäss erfüllen könnte (SOERGEL/LEPTIEN, N. 30 zu § 167 BGB). Vermutungsweise heisst dies aber gleichzeitig, dass diese Vollmacht inhaltlich auf die mit der Stellung verbundenen Aufgaben beschränkt ist und der loyale Geschäftspartner nicht ohne zusätzliche Gründe, die auf eine entsprechende Mitteilung schliessen lassen, von einer weiterreichenden Vertretungsmacht ausgehen darf. Auch für das schweizerische Recht ist - analog § 56 HGB - davon auszugehen, dass derjenige, der in einem Laden angestellt ist, bloss zu Rechtshandlungen ermächtigt gilt, die in einem derartigen Laden gewöhnlich geschehen (VON TUHR/PETER, a.a.O., S. 358 Fn. 25). Der so begründete Rechtsschein deckt daher allein die branchenüblichen Geschäfte des jeweiligen Handelsgewerbes (
BGE 76 I 338
E. 5 S. 353; STAUB/JOOST, N. 30 ff. zu § 56 HGB; HEYMANN/SONNENSCHEIN, N. 9 ff. zu § 56 HGB). Die Bestellung einer Ladeneinrichtung zum Preise von ca. Fr. 200'000.-- für ein Verkaufsgeschäft der Sportbranche liegt jedoch klarerweise ausserhalb dieses üblichen Geschäftsgangs und ist daher durch die allgemeine Rechtsscheinvollmacht des Angestellten nicht gedeckt. Umstände einer weitergehenden Vollmachtskundgabe sind nicht festgestellt. Die Klägerin durfte mithin auch nicht aus der betrieblichen Stellung ihres Verhandlungspartners dessen Vollmacht folgern, den streitigen Vertrag mit ihr einzugehen. Ebenfalls die Verwandtschaft des Vertretenen zum Vertreter reicht sodann nicht aus, den Rechtsschein einer umfassenden Bevollmächtigung im privaten oder geschäftlichen Bereich zu begründen (STAUDINGER/DILCHER, N. 36 zu § 167 BGB; SOERGEL/LEPTIEN, N. 36 zu § 167 BGB).
Nichts anderes gilt schliesslich für die Verwendung von Geschäftspapier in der dem Vertragsschluss folgenden Korrespondenz und namentlich des Firmenstempels auf dem Vertragsdokument durch den Sohn des Beklagten. Zwar ist der Auffassung durchaus beizupflichten, dadurch könne in besonderem Masse eine rechtsgeschäftliche Vertrauenshaftung des Vertretenen begründet werden (STAUDINGER/DILCHER, N. 35 zu § 167 BGB). Indessen hat das Bundesgericht bereits im Jahre 1913 darauf hingewiesen, dass die
BGE 120 II 197 S. 206
Firmenstempel in den meisten Geschäften auch subalternen Angestellten zugänglich sind, und u.a. gerade diesen die Benutzung des Stempels obliegt (
BGE 39 II 91
E. 3). Nichts anderes gilt für den betrieblichen Briefkopf.
All die genannten Anzeichen vermögen daher das gutgläubige Vertrauen des Dritten in eine Vertretungsmacht nicht weiter zu schützen, als es die branchenübliche Geschäftsabwicklung erheischt. In der bisherigen Rechtsprechung ist denn soweit ersichtlich Gutglaubensschutz stets bloss in diesem beschränkten Umfang gewährt worden (
BGE 105 II 110
,
BGE 76 I 338
E. 5,
BGE 53 III 171
E. 2,
BGE 31 II 667
E. 3, SJ 1966, S. 537; NJW 1976, S. 1673). Im vorliegenden Fall ging die eingegangene Verpflichtung indessen wesentlich über den normalen Geschäftsbetrieb hinaus, so dass die Klägerin ohne weitere vertrauensbildende Umstände nicht davon ausgehen durfte, der Sohn vermöge insoweit den Beklagten rechtsgeschäftlich zu verpflichten. Solche weiteren Umstände aber hat das Handelsgericht in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt. Schliesslich reichen die genannten Umstände auch in ihrer Gesamtwürdigung nicht aus, einen Gutglaubensschutz der Klägerin zu begründen. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8bf41de1-4866-4470-bb2a-bef04b3c9620 | Urteilskopf
109 Ia 88
17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. März 1983 i.S. Schenker gegen Bergner und Handelsgericht des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 86 Abs. 2 und 87 OG
.
Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges nach der bernischen Zivilprozessordnung. | Erwägungen
ab Seite 88
BGE 109 Ia 88 S. 88
Aus den Erwägungen:
2.
Wegen Verletzung von
Art. 4 BV
ist die staatsrechtliche Beschwerde erst zulässig, nachdem der Beschwerdeführer von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht hat, mit denen die in der Beschwerde vorgebrachten Rügen ebenfalls geltend gemacht werden können (
Art. 86 Abs. 2 OG
;
BGE 105 Ia 18
E. 2). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers braucht es sich dabei nicht um ein ordentliches Rechtsmittel zu handeln (
BGE 100 Ia 33
,
BGE 96 I 90
/91).
Gegen Urteile des bernischen Handelsgerichts wie gegen Urteile der Zivilkammern kann beim Plenum des Appellationshofes Nichtigkeitsklage erhoben werden (
Art. 7 Abs. 3 ZPO
/BE; LEUCH N. 8 dazu). Mit dieser Klage kann zwar nicht willkürliche Beweiswürdigung (
Art. 360 Ziff. 2 ZPO
), aber Verweigerung des rechtlichen Gehörs gerügt werden (
Art. 359 Ziff. 3 ZPO
). Als Gehörsverweigerung gilt auch die Nichtabnahme beantragter Beweise (ZBJV 94/1958 S. 290 entgegen LEUCH N. 6 zu
Art. 359 ZPO
; ebenso unveröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. März 1982 i.S. Seeblick gegen Wenger).
Der Beschwerdeführer wirft dem Handelsgericht vor allem vor, von ihm beantragte Beweise nicht abgenommen zu haben; dabei spricht er ausdrücklich und wiederholt von Verweigerung des rechtlichen Gehörs. Er versucht nicht darzulegen, dass und inwiefern die Ablehnung von Beweisanträgen auf vorweggenommener Beweiswürdigung beruhe und die Nichtigkeitsklage insoweit ausgeschlossen wäre; im Zusammenhang einzelner Vorwürfe macht er vielmehr geltend, das Handelsgericht habe ausserdem Beweise willkürlich gewürdigt.
Auf die Rüge der Gehörsverweigerung ist deshalb mangels Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges im Sinne von
Art. 87 OG
nicht einzutreten. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
8bf44da8-3abf-411c-a645-a85a1215e537 | Urteilskopf
96 IV 42
10. Urteil des Kassationshofes vom 15. Januar 1970 i.S. Schmidt gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Art. 15 Abs. 3 SSV
.
In einer bloss dem Zubringerdienst geöffneten Strasse ist das Parkieren nur Fahrzeugführern erlaubt, die als Zubringer die Strasse befahren dürfen. | Sachverhalt
ab Seite 42
BGE 96 IV 42 S. 42
A.-
Am Oberen Auberg in Basel zweigt von der Holbeinstrasse die Aubergstrasse ab, die in der Schertlingasse ihre Fortsetzung findet und zusammen mit dieser in einer Schlaufe in die Holbeinstrasse zurückführt. Auf dem Strassenstück Aubergstrasse/Schertlingasse besteht in dieser Richtung Einbahnverkehr. Nebst dem entsprechenden Signal Nr. 314 ist zu Beginn der Aubergstrasse ausserdem das Signal "Allgemeines Fahrverbot" (Nr. 201) mit der Zusatztafel "Nur Zubringerdienst gestattet" aufgestellt.
Als Werner Schmidt am 17. Mai 1969 seinen Personenwagen im Steinengraben, wo er wohnt, nicht parkieren konnte, fuhr er, um einen Parkplatz zu finden, in die Aubergstrasse und stellte dort seinen Wagen vor der Liegenschaft Oberer Auberg 11 ab. Er wurde deswegen von der Polizei verzeigt.
B.-
Der Polizeigerichtspräsident des Kantons Basel-Stadt verfällte Schmidt zunächst durch Strafbefehl und auf Einsprache durch Urteil wegen Nichtbeachtung des Fahrverbots in Anwendung der
Art. 27 Abs. 1 und
Art. 90 Abs. 1 SVG
in eine Busse von Fr. 20.-.
Gegen dieses Urteil erhob Schmidt Beschwerde, die vom Ausschuss des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt am 12. November 1969 abgewiesen wurde.
C.-
Schmidt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er macht geltend, in der Aubergstrasse sei das Parkieren an sich gestattet; die Einfahrt zu diesem Zwecke sei daher nicht verboten, sondern erlaubter Zubringerdienst.
BGE 96 IV 42 S. 43
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Die Kantone sind gemäss
Art. 3 SVG
unter gewissen Voraussetzungen befugt, für bestimmte Strassen Fahrverbote und andere Verkehrsbeschränkungen anzuordnen. Solche Anordnungen unterstehen, soweit sie zur Regelung des Motorfahrzeug- und Fahrradverkehrs getroffen werden, nicht dem kantonalen, sondern dem eidgenössischen Recht (
Art. 3 Abs. 5 SVG
).
Es ist unbestritten, dass das für die Aubergstrasse verfügte beschränkte Fahrverbot rechtlich verbindlich ist, d.h. von der zuständigen kantonalen Behörde formgültig erlassen und vorschriftsgemäss signalisiert worden ist (
Art. 5 Abs. 3 SVG
,
Art. 14 Abs. 2 SSV
).
2.
Nach
Art. 15 Abs. 3 SSV
bedeutet der bei einem Fahrverbot angebrachte Vermerk "Zubringerdienst gestattet", dass Fahrten zum Abliefern oder Abholen von Waren und Fahrten von Anwohnern und Personen, die Anwohner zu treffen oder auf anliegenden Grundstücken Arbeiten zu verrichten haben sowie die Beförderung solcher Personen durch Dritte erlaubt sind.
Der Ausdruck Zubringerdienst umfasst demnach nur Fahrten, die dazu bestimmt sind, auf der gesperrten Strecke Waren abzuliefern oder abzuholen oder Personen zu befördern, die dort wohnen oder Anwohner besuchen oder auf einem anliegenden Grundstück zu tun haben. Es genügt also nicht, dass die Fahrt innerhalb der mit einem Fahrverbot belegten Strasse beendet und diese nicht für den Durchgangsverkehr benützt wird. Soweit sich der Beschwerdeführer für seine gegenteilige Auffassung auf SCHULTZ (Die strafrechtliche Rechtsprechung zum neuen Strassenverkehrsrecht, S. 302 Ziff. 3) beruft, stösst sein Hinweis schon deswegen ins Leere, weil SCHULTZ an der angegebenen Stelle keine eigenen Ausführungen macht, sondern nur kantonale Entscheidungen wiedergibt, die überdies ergangen waren, bevor die heute geltende Verordnung vom 31. Mai 1963 erlassen wurde. Nach dieser aber ist eindeutig, dass nicht alle Zufahrten, die ihr Ziel in der Sperrzone haben, unter den Begriff der Zubringung fallen, sondern nur Fahrten, die im Sinne von Art. 15 Abs. 3 mit einem Anwohner oder Anliegergrundstück in Beziehung stehen. Der Wortlaut der Bestimmung und die ausdrückliche Aufzählung der einzelnen Fahrten, die als Zubringerdienst gelten, machen zudem klar, dass die Umschreibung abschliessenden
BGE 96 IV 42 S. 44
Charakter hat. Sie entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch. Wer ausschliesslich zum Zwecke des Parkierens in eine nur dem Zubringerdienst geöffnete Strasse einfährt, ist nicht Zubringer. Der Beschwerdeführer, der weder Anwohner war, noch mit einer angrenzenden Liegenschaft oder dort befindlichen Person etwas zu tun hatte, sondern seinen Wagen einzig zum Abstellen in die Aubergstrasse verbrachte, hat daher dem Fahrverbot zuwidergehandelt.
Zu einer anderen Auslegung führt auch nicht der Einwand, dass die Anwohner einer für den Zubringerdienst geöffneten Strasse, die dort parkieren können, gegenüber Dritten bevorzugt würden, wenn die Zufahrt zu Parkierungszwecken nicht jedermann erlaubt werde. Dem ist entgegenzuhalten, dass eine unterschiedliche Behandlung gewisser Fahrzeugarten oder Fahrzeugführer im Interesse der Verkehrssicherheit oder aus verkehrspolizeilichen Gründen im Strassenverkehr unvermeidlich ist und hingenommen werden muss. Ein Fahrverbot mit erlaubtem Zubringerdienst heisst übrigens nicht, dass den Anwohnern das Parkieren auf dieser Strecke immer gestattet sei; die Bewilligung zum Parkieren kann im Einzelfall je nach den Verhältnissen auch zeitlich oder örtlich beschränkt oder gänzlich entzogen sein. Soweit das Parkieren erlaubt ist, steht es aber nur solchen Verkehrsteilnehmern zu, welche die Strasse überhaupt befahren dürfen. Gleich verhält es sich, wenn ein allgemeines Fahrverbot für bestimmte Fahrzeugkategorien aufgehoben ist; auch in diesem Falle bleibt den Fahrzeugen verbotener Kategorien die Zufahrt schlechthin untersagt, folglich auch zum blossen Parkieren, ohne dass dies durch ein Signal noch besonders angezeigt werden müsste. Hätten beschränkte Fahrverbote im Sinne der Beschwerde die Bedeutung, dass solche Strassen von den an sich nicht zugelassenen Fahrzeugen wenigstens zum Zwecke des Parkierens allgemein befahren werden dürften, so wären nicht nur Missbräuchen Tür und Tor geöffnet, sondern es würde bei der heutigen Parkplatznot auch der Durchgangsverkehr in einem Masse zunehmen, dass solche Verbote ihren Zweck nicht mehr erfüllen könnten und die Wirksamkeit der Verkehrsordnung in Frage gestellt wäre. Dieser grundsätzliche Standpunkt gilt auch für Strassen, die nur dem Zubringerdienst offen stehen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8bf5b4cb-071a-42db-a22b-ae560d0a5a7b | Urteilskopf
124 III 219
41. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 4 mai 1998 dans la cause X. Corporation contre C. et Cour de justice du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG
; genügender Bezug zur Schweiz.
Ein "genügender Bezug zur Schweiz" ist gegeben, wenn die Forderung, für die ein neues Arrestbegehren gestellt worden ist, bereits Gegenstand einer Klage auf Prosequierung eines früheren Arrestes bildet, der unter der Herrschaft des alten Rechts bewilligt worden war. Das gilt selbst dann, wenn die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte für die Beurteilung der Klage einzig gestützt auf
Art. 4 IPRG
bejaht worden ist. | Sachverhalt
ab Seite 219
BGE 124 III 219 S. 219
Donnant suite à une réquisition de la société X. Corporation, le Président du Tribunal de première instance de Genève a ordonné le 18 août 1994, en application de l'
art. 271 al. 1 ch. 4 LP
, un séquestre au préjudice de C. La procédure en validation est actuellement pendante devant les tribunaux genevois.
Se fondant sur la même créance, X. Corporation a sollicité le 26 août 1997 un nouveau séquestre. Autorisée le lendemain, la mesure a été, sur opposition du débiteur, révoquée le 27 octobre 1997 par la Vice-Présidente du Tribunal de première instance de Genève. Par arrêt du 29 janvier 1998, la Cour de justice du canton de Genève a confirmé cette décision.
Agissant par la voie du recours de droit public, X. Corporation demande l'annulation de cet arrêt.
Le Tribunal fédéral a admis le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
A juste titre, la Cour de justice a appliqué le nouveau droit à l'espèce (art. 2 al. 1 Disp. fin. LP; sur ce point: STOFFEL, Das neue
BGE 124 III 219 S. 220
Arrestrecht, AJP 1996 p. 1414/1415 ch. 2). La recourante n'étant au bénéfice ni d'un jugement exécutoire ni d'une reconnaissance de dette, la créance invoquée doit avoir un "lien suffisant avec la Suisse" (
art. 271 al. 1 ch. 4 LP
). Cette condition, dont l'examen est limité à la seule vraisemblance (
art. 272 al. 1 ch. 2 LP
), ne doit pas être interprétée restrictivement (
ATF 123 III 494
consid. 3a p. 496 et les références).
b) De l'avis de la cour cantonale, la procédure en validation du premier séquestre pendante devant les tribunaux genevois en raison de l'art. 4 de la loi fédérale sur le droit international privé (LDIP; RS 291) (
ATF 117 II 90
consid. 3 p. 91) ne crée pas davantage un rattachement suffisant. C'est avec raison que la recourante se plaint ici d'arbitraire.
aa) Les parties s'accordent à dire que la créance pour laquelle le second séquestre a été autorisé fait l'objet de l'action en reconnaissance de dette validant le premier séquestre. Les cas de séquestre prévus exhaustivement par la loi doivent être réalisés non seulement lorsque la mesure est requise sans poursuite ou action préalable, mais aussi lorsque l'action est pendante; ce principe vaut également pour le cas de séquestre litigieux en l'espèce (GILLIÉRON, Une alerte centenaire: La volonté de restreindre le cas de séquestre de l'
art. 271 al. 1 ch. 4 LP
, RSJ 82/1986 p. 124 ch. 3). La cour cantonale n'est, dès lors, pas tombée dans l'arbitraire en procédant à l'examen de cette condition; la recourante ne le prétend d'ailleurs pas.
bb) L'existence d'un lien suffisant avec la Suisse doit être reconnue lorsque les juridictions suisses, que ce soit en vertu des règles de compétence de la LDIP ou d'une élection de for, sont compétentes ratione loci pour connaître de l'action (GAILLARD, Le séquestre des biens du débiteur domicilié à l'étranger, in Le séquestre selon la nouvelle LP, p. 38 et les références; REEB, Les mesures provisoires dans la procédure de poursuite, RDS 116/1997 II p. 440). Comme le souligne la recourante elle-même, cette compétence ne saurait toutefois se fonder uniquement sur l'
art. 4 LDIP
; en d'autres termes, le rattachement exigé par la loi ne peut résulter de la seule circonstance que l'action en validation subséquente devrait être ouverte au forum arresti suisse (OTTOMANN, Der Arrest, RDS 115/1996 I p. 251; STAEHELIN, Die internationale Zuständigkeit der Schweiz im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, AJP 1995 p. 269).
Ces considérations ne sont, cependant, décisives que lorsque le séquestre a été requis sans action ou poursuite préalable ou que l'action pendante, consécutive ou non à une première ordonnance, a pour
BGE 124 III 219 S. 221
objet une autre créance que celle en raison de laquelle un nouveau séquestre est sollicité. Or, ces conditions ne sont pas réalisées en l'espèce. Le séquestre litigieux est fondé sur la prétention déduite en justice dans le cadre de l'action en reconnaissance de dette validant le premier séquestre. Les juridictions genevoises étant déjà saisies du procès au fond, fût-ce en vertu de l'
art. 4 LDIP
, l'existence d'un lien suffisant ne pouvait être déniée. Cette conclusion s'impose d'autant plus que, en admettant même que des mesures de sûreté soient susceptibles d'être reconnues en Suisse sur la base des
art. 25 ss LDIP
(BERTI/SCHNYDER, in Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, IPR, n. 10 et 11 ad
art. 25 LDIP
et les références), on ne voit pas qu'elles puissent être ordonnées - à défaut d'une disposition analogue à l'
art. 10 LDIP
- par une autorité étrangère qui n'est pas saisie du fond (GAILLARD, op.cit., p. 38; s'agissant de la compétence indirecte, voir également: GRUNDMANN, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer einstweiliger Massnahmen nach IPRG und Lugano-Übereinkommen, thèse Bâle 1995, p. 92/93). La garantie des prétentions de la recourante ne paraît pas mieux sauvegardée devant le tribunal étranger qui serait alors compétent pour connaître du litige, car il est douteux qu'il le soit aussi, au regard des normes de la LDIP (pour les causes relevant de la Convention de Lugano: GILLIÉRON, Le séquestre dans la LP révisée, BlSchK 59/1995 p. 128/129), pour ordonner un séquestre portant sur les avoirs de l'intimé localisés en Suisse (sur cette question: WALDER-BOHNER/MEIER, Vorsorgliche Massnahmen ausländischer Gerichte unter dem neuen IPR-Gesetz, RSJ 83/1987 p. 238 ss et la référence à GULDENER). | null | nan | fr | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8bff1b86-bac0-4bc1-ad57-1ca543792f61 | Urteilskopf
136 III 196
30. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause H.X. et F.X. contre Y. (recours en matière civile)
4A_551/2009 du 10 février 2010 | Regeste
Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG
,
Art. 282 OR
; Pachtvertrag, Streitwert, Inhalt der Kündigungsandrohung.
Streitwertgrenze bei Streitigkeiten aus Pachtrecht (E. 1.1).
Gemäss
Art. 282 OR
muss das Schreiben, mit welchem die Kündigung angedroht wird, ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Pachtverhältnis gekündigt wird, wenn binnen der angesetzten Frist keine Zahlung erfolgt. Ein Verweis auf
Art. 282 OR
oder auf eine Vertragsklausel, welche den Gesetzestext übernimmt, genügt nicht (E. 2.4). | Erwägungen
ab Seite 196
BGE 136 III 196 S. 196
Extrait des considérants:
1.
1.1
Compte tenu des prestations convenues en l'espèce, il n'est pas douteux que le contrat conclu entre les parties doit être qualifié de
BGE 136 III 196 S. 197
bail à ferme non agricole (
art. 275 CO
). Les parties ne le contestent d'ailleurs pas. La règle de l'
art. 74 al. 1 let. a LTF
visant le contrat de bail à loyer (
art. 253 CO
), elle ne s'applique pas dans le cas d'un bail à ferme (BERNARD CORBOZ, in Commentaire de la LTF, n° 25 ad
art. 74 LTF
; BEAT RUDIN, in Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, n° 12 ad
art. 74 LTF
et la référence). Le recours n'est donc recevable que si la valeur litigieuse s'élève au moins à 30'000 fr. (
art. 74 al. 1 let. b LTF
).
En cas de bail de durée déterminée, la valeur litigieuse équivaut au loyer pendant la durée convenue (PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 4
e
éd. 1996, n° 28 ad
art. 273 CO
; DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, n. 6.7 p. 759, note de pied 235). Pour un bail de durée indéterminée, elle est égale au loyer de la période minimum pendant laquelle le contrat subsiste si la résiliation n'est pas valable, période qui s'étend jusqu'à la date pour laquelle un nouveau congé peut être donné. En principe, la durée déterminante pour le calcul de la valeur litigieuse ne saurait être inférieure à la période de trois ans pendant laquelle l'
art. 271a al. 1 let
. e CO (auquel renvoie l'
art. 300 al. 1 CO
) consacre l'annulabilité d'une résiliation (arrêt 4C.167/2002 du 8 octobre 2002 consid. 1.1; arrêt 4C.310/1996 du 16 avril 1997 consid. 2, in SJ 1997 p. 493 et les références citées).
En l'espèce, les parties sont convenues que "le contrat sera reconduit d'année en année (...) ce, jusqu'à un total de 5 années". Il s'agit donc d'un contrat avec une durée maximale de cinq ans. La doctrine considère ce cas de figure comme un contrat de durée indéterminée (cf. HIGI, op. cit., n
os
28 et 30 ad
art. 273 CO
). Il n'en demeure pas moins qu'en l'espèce, le contrat arrivera à échéance le 30 avril 2011, soit avant la fin de la période de trois ans prévue à l'
art. 271a al. 1 let
. e CO. Comme les loyers, gérances et charges s'élevaient mensuellement à 4'175 fr., la limite de 30'000 fr. fixée par l'
art. 74 al. 1 let. b LTF
est néanmoins sans conteste atteinte même si l'on prend en compte, pour le calcul de la valeur litigieuse, la durée du bail jusqu'à l'échéance convenue dans le contrat du 23 mars 2006.
Interjeté par la partie qui a succombé dans ses conclusions en validation du congé et en évacuation (
art. 76 al. 1 LTF
) et dirigé contre un arrêt final (
art. 90 LTF
) rendu en matière civile (
art. 72 al. 1 LTF
) par une autorité cantonale de dernière instance (
art. 75 LTF
), le recours est en principe recevable, puisqu'il a été déposé dans le délai (art. 100 al. 1 et 45 al. 1 LTF) et la forme (
art. 42 LTF
) prévus par la loi.
BGE 136 III 196 S. 198
(...)
2.4
La seule question litigieuse est de savoir si la mise en demeure, qui ne contient aucune menace de résiliation mais se borne à renvoyer à l'art. 4 al. 2 du contrat du 23 mars 2006, permettait aux recourants de résilier valablement le contrat de bail à ferme.
2.4.1
En vertu de l'
art. 282 CO
, lorsque, après la réception de la chose, le fermier a du retard pour s'acquitter d'un terme ou de frais accessoires échus, le bailleur peut lui fixer par écrit un délai de 60 jours au moins et lui signifier qu'à défaut de paiement dans ce délai, il résiliera le bail (al. 1). Faute de paiement dans le délai fixé, le bailleur peut résilier le contrat avec effet immédiat; les baux à ferme portant sur des habitations ou des locaux commerciaux peuvent être résiliés moyennant un délai de congé minimum de 30 jours pour la fin d'un mois (al. 2).
Selon la jurisprudence et la doctrine s'exprimant sur l'
art. 257d CO
, le courrier contenant l'avis comminatoire doit expressément indiquer qu'à défaut de paiement dans le délai imparti, le bail sera résilié (
ATF 119 II 147
consid. 3 p. 150;
ATF 117 II 415
consid. 3 p. 416; TERCIER/FAVRE, Les contrats spéciaux, 4
e
éd. 2009, n. 2393 p. 347; LACHAT, op. cit., p. 667; PIERRE WESSNER, L'obligation du locataire de payer le loyer et les frais accessoires, in 9
e
Séminaire sur le droit du bail, 1996, p. 19; ROGER WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 4
e
éd. 2007, n° 4 ad
art. 257d CO
; PETER ZIHLMANN, Das Mietrecht, 2
e
éd. 1995, p. 59). Il se justifie de retenir la même exigence pour l'
art. 282 CO
qui est, excepté pour la seule question de la durée du délai comminatoire de paiement, identique à l'
art. 257d CO
(cf. HIGI, op. cit., n° 9 ad
art. 282 CO
; BENNO STUDER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 4
e
éd. 2007, n° 1 ad
art. 282 CO
). A la lecture du courrier contenant l'avis comminatoire, le locataire (cf.
art. 257d CO
) - ou le fermier (cf.
art. 282 CO
) - doit clairement comprendre que le bailleur se réserve la faculté de mettre un terme au bail, si le montant n'est pas payé à temps (cf. LACHAT, op. cit., p. 667; TERCIER/FAVRE, op. cit., n. 2393 p. 347). Il ne suffit pas pour le bailleur de renvoyer, dans son courrier, à l'
art. 257d CO
(ou à l'
art. 282 CO
) (cf. WESSNER, op. cit., p. 17 et les références). A défaut d'une telle menace de congé, le bailleur ne pourra valablement résilier le contrat (LACHAT, op. cit., p. 667 et les références; HIGI, op. cit, n° 34 ad
art. 257d CO
; RICHARD PERMANN, Mietrecht, Kommentar, n° 9 ad
art. 257d CO
).
BGE 136 III 196 S. 199
2.4.2
En l'occurrence, il est patent que le courrier du 4 mai 2007 ne contient aucune menace expresse de résiliation. Dans la même mesure qu'un renvoi à l'
art. 282 CO
n'est pas suffisant, le renvoi à l'art. 4 al. 2 du contrat - qui rappelle simplement, en substance, les conditions de la résiliation prévue à l'
art. 282 CO
, et qui ne contient d'ailleurs en soi aucune formulation pouvant s'apparenter à une menace concrète de résiliation - ne permet pas non plus de retenir que le courrier contenant l'avis comminatoire réalise l'exigence stricte de l'
art. 282 CO
. Sur la base du courrier du 4 mai 2007, la gérante n'était donc pas à même de comprendre qu'à défaut de paiement de sa part, les recourants se réservaient la faculté de mettre un terme au contrat de bail à ferme. Ceux-ci ne pouvaient dès lors valablement résilier ce contrat le 16 juillet 2007.
On ne peut ainsi reprocher à la cour cantonale d'avoir mal appliqué l'
art. 282 CO
. A fortiori, on ne saurait lui faire grief d'avoir rendu une décision manifestement insoutenable ou qui violerait le sentiment de justice. Sous cet angle également, le moyen est infondé, pour autant qu'il fût, au regard de la motivation sommaire des recourants, recevable. | null | nan | fr | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8c0256c9-16d9-4284-bebf-aed2b2b04435 | Urteilskopf
88 III 1
1. Kreisschreiben, Circulaire, Circolare No 36. (23.1.1962.) | Regeste
Verwertung von Grundstücken; Verfahren bei Steigerungsangeboten durch Personen mit Wohnsitz im Ausland (Bundesbeschluss vom 23. März 1961). | Erwägungen
ab Seite 1
BGE 88 III 1 S. 1
Text auf Deutsch
Wir sehen uns veranlasst, Sie auf den Bundesbeschluss (BB) vom 23. März 1961 über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland sowie auf die Vollziehungsverordnung des Bundesrates vom 30. Mai 1961 (Amtliche Gesetzessammlung S. 203 und S. 427) aufmerksam zu machen und die folgenden Erläuterungen und Anweisungen beizufügen.
I. Die Vorschriften des Bundesbeschlusses gelten auch für den Erwerb von Grundeigentum bei Zwangsverwertung. Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland (Art. 3 BB) können ein Grundstück oder eines der in Artikel 2 des Bundesbeschlusses genannten Rechte nur ersteigern, wenn
BGE 88 III 1 S. 2
sie die behördliche Bewilligung besitzen. Andernfalls ist der Zuschlag nichtig und der Eigentumsantritt dem Ersteigerer auch strafrechtlich untersagt (Art. 11 und 14 BB). Der Steigerungsbeamte hat daher, wenn er weiss oder Grund zur Vermutung hat, dass es sich um eine der Bewilligungspflicht unterstellte Person handle, vor dem Zuschlag eine rechtskräftige Bewilligung oder den Nachweis des schweizerischen Wohnsitzes oder Sitzes zu verlangen. Kann eine Person mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland die Bewilligung nicht vorlegen, so hat der Zuschlag zu unterbleiben oder fällt, wenn schon erteilt, dahin, und die Steigerung ist in gleicher Weise fortzusetzen, wie es Artikel 60 VZG beim Fall der Nichtleistung von Barzahlung oder Sicherheit vorschreibt.
II. Auf diese Rechtslage ist in den Steigerungsbedingungen wie folgt hinzuweisen:
"Es wird ausdrücklich auf den Bundesbeschluss vom 23. März 1961 über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland aufmerksam gemacht, wobei als Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland gelten:
a. natürliche Personen mit Wohnsitz und juristische Personen mit Sitz im Ausland;
b. vermögensfähige Personengesellschaften ohne juristische Persönlichkeit, die ihren Sitz im Ausland haben;
c. juristische Personen und vermögensfähige Personengesellschaften ohne juristische Persönlichkeit, die ihren Sitz in der Schweiz haben, aber mit beherrschender finanzieller Beteiligung von Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland.
Rechtsgeschäfte auf bewilligungspflichtigen Erwerb von Grundstücken im Sinne von Artikel 1 und 2, Absatz 1, des Bundesbeschlusses sind ohne rechtskräftige Bewilligung nichtig. Ein Zuschlag an Personen im Ausland im Sinne von Artikel 3 des Bundesbeschlusses kann nur erfolgen, sofern solche Personen anlässlich der Steigerung,
BGE 88 III 1 S. 3
unmittelbar vor dem Zuschlag, eine Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde mit Bescheinigung der Rechtskraft oder gegebenenfalls den rechtskräftigen Entscheid einer obern Behörde vorlegen."
III. Wird ein ersteigerter Eigentumserwerb im Grundbuch nicht eingetragen oder nachträglich als ungültig erklärt (Art. 12 und 13 BB), so fällt der Zuschlag dahin, und es ist eine neue Steigerung anzuordnen. Gelangt das Betreibungs- oder Konkursamt selbst zur Ansicht, es sei möglicherweise zu Unrecht ein Zuschlag ohne Vorlage der Bewilligung erfolgt, so soll es dies dem zuständigen Grundbuchamte unverzüglich mitteilen.
Ob und wieweit der ausländische Ersteigerer, wenn der Zuschlag nachträglich dahinfällt, für Mehrkosten und Mindererlös einer zweiten Steigerung schadenersatzpflichtig wird, hängt von den Umständen, z.B. von der Frage seines guten oder bösen Glaubens, ab und ist im Streitfall durch den Richter zu entscheiden.
Texte en français
Nous estimons utile d'attirer votre attention sur l'arrêté fédéral (AF) du 23 mars 1961 instituant le régime de l'autorisation pour l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger et sur l'ordonnance d'exécution du Conseil fédéral du 30 mai 1961 (RO 1961, 209, 437), et nous vous donnons les explications et instructions suivantes:
I. Les prescriptions de l'arrêté fédéral visent aussi l'acquisition de la propriété immobilière au cours d'une réalisation forcée. Les personnes ayant leur domicile ou leur siège à l'étranger (art. 3 AF) ne peuvent acquérir aux enchères un immeuble ou l'un des droits mentionnés à l'article 2 de l'arrêté fédéral que si elles sont au bénéfice de l'autorisation officielle. Si elle fait défaut, l'adjudication est nulle et il est interdit à l'adjudicataire, sous peine de sanction
BGE 88 III 1 S. 4
pénale, d'exercer le droit de propriété (art. 11 et 14 AF). S'il sait ou a des raisons de présumer qu'un enchérisseur est soumis au régime de l'autorisation, le préposé aux enchères doit dès lors, avant l'adjudication, exiger la production d'une autorisation entrée en force ou la preuve du domicile ou du siège en Suisse. Si une personne domiciliée ou ayant son siège à l'étranger ne peut produire l'autorisation, l'adjudication n'a pas lieu ou, le cas échéant, devient caduque, et les enchères seront continuées comme il est prévu à l'article 60 ORI pour le défaut de paiement comptant ou de prestations de sûretés.
II. Les conditions d'enchères feront allusion à cette question de la manière suivante:
"On attire expressément l'attention des intéressés sur l'arrêté fédéral du 23 mars 1961 instituant le régime de l'autorisation pour l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger. Sont considérées comme personnes ayant leur domicile ou leur siège à l'étranger:
a. Les personnes physiques ayant leur domicile et les personnes morales ayant leur siège à l'étranger;
b. Les sociétés de personnes dépourvues de la personnalité juridique, mais ayant la capacité d'acquérir, qui ont leur siège à l'étranger;
c. Les personnes morales, ainsi que les sociétés de personnes dépourvues de la personnalité juridique et ayant la capacité d'acquérir, qui ont leur siège en Suisse, mais auxquelles des personnes ayant leur domicile ou leur siège à l'étranger participent financièrement dans une mesure prépondérante.
Les actes juridiques portant sur une acquisition d'immeubles soumise au régime de l'autorisation dans le sens des articles 1er et 2, alinéa 1 de l'arrêté fédéral sont nuls si une autorisation entrée en force fait défaut. On ne peut donc procéder à une adjudication en faveur d'une personne domiciliée à l'étranger dans le sens de l'article 3 de l'arrêté fédéral que si elle produit lors de l'enchère, immédiatement
BGE 88 III 1 S. 5
avant l'adjudication, une autorisation délivrée par l'autorité cantonale compétente et l'attestation qu'elle est entrée en force ou, le cas échéant, la décision définitive d'une autorité supérieure."
III. Si l'acquisition d'un immeuble aux enchères n'est pas inscrite au registre foncier ou si elle est déclarée nulle après coup (art. 12 et 13 AF), l'adjudication est sans effet et de nouvelles enchères seront ordonnées. Lorsque l'office des poursuites ou des faillites lui-même vient à penser qu'une adjudication a peut-être eu lieu à tort, sans autorisation, il doit en aviser sans délai le conservateur du registre foncier compétent.
Les circonstances déterminent si et dans quelle mesure l'adjudicataire étranger répond, lorsque l'adjudication se révèle nulle après coup, des frais supplémentaires et d'une diminution du produit des secondes enchères; cette responsabilité dépendra par exemple de la bonne ou mauvaise foi de l'adjudicataire; en cas de litige, le juge tranchera.
Testo in italiano
Riteniamo utile richiamare la vostra attenzione sul decreto federale (DF) 23 marzo 1961 concernente l'autorizzazione per l'acquisto di fondi da parte di persone all'estero, nonchè sull'ordinanza d'esecuzione 30 maggio 1961 del Consiglio federale, (Raccolta delle leggi federali p. 213 e p. 447), e vi diamo i chiarimenti e le istruzioni seguenti:
I. Le prescrizioni del DF concernono anche l'acquisto di proprietà fondiaria nel corso di una realizzazione forzata. Le persone con domicilio o sede all'estero (art. 3 DF) possono partecipare all'incanto di un fondo o di uno dei diritti enumerati nell'articolo 2 DF, soltanto se sono in possesso dell'autorizzazione ufficiale. Se quest'autorizzazione manca, l'aggiudicazione è nulla e all'aggiudicatario è vietato di acquisire la proprietà, sotto comminatoria di pena (
art. 11 e 14
DF). Se viene a conoscenza o se ha motivo di presumere che l'offerente è persona soggetta
BGE 88 III 1 S. 6
ad autorizzazione, l'ufficiale preposto all'incanto deve quindi esigere, prima dell'aggiudicazione, la produzione di un'autorizzazione cresciuta in giudicato o la prova del domicilio o della sede in Svizzera. Se una persona con domicilio o sede all'estero non è in grado di produrre l'autorizzazione, l'aggiudicazione non può aver luogo o, se è già fatta, diventa caduca, e l'incanto dev'essere continuato nel modo prescritto nell'articolo 60 RFF per i casi di mancato pagamento in contanti della somma o prestazione della garanzia.
II. Nel capitolato d'incanto, si farà riferimento a questa situazione giuridica come segue:
"Si richiama espressamente l'attenzione deglì interessati sul decreto federale 23 marzo 1961 concernente l'autorizzazione per l'acquisto di fondi da parte di persone all'estero; al riguardo sono considerate persone con domicilio o sede all'estero:
a. le persone fisiche con domicilio all'estero e le persone giuridiche con sede all'estero;
b. le società di persone senza personalità giuridica ma con capacità patrimoniale, che hanno sede all'estero;
c. le persone giuridiche e le società di persone senza personalità giuridica ma con capacità patrimoniale, che hanno sede in Svizzera e alle quali partecipano finanziariamente in misura preponderante persone con domicilio o sede all'estero.
Gli atti giuridici aventi per oggetto l'acquisto di fondi sottoposto ad autorizzazione nel senso degli articoli 1 e 2, capoverso 1, del decreto federale, sono nulli se vi fa difetto un'autorizzazione cresciuta in giudicato. L'aggiudicazione a persone domiciliate all'estero, nel senso dell'articolo 3 del decreto federale, può aver luogo soltanto se l'acquirente ha prodotto all'atto dell'incanto, immediatamente prima dell'aggiudicazione, un'autorizzazione rilasciata dalla competente autorità cantonale con l'attestazione che è cresciuta
BGE 88 III 1 S. 7
in giudicato o, se è il caso, la decisione esecutiva di un'autorità superiore."
III. Se un acquisto di fondi all'incanto non è iscritto nel registro fondiario o è successivamente dichiarato nullo (
art. 12 e 13
DF), l'aggiudicazione è caduca e devesi ordinare un nuovo incanto. Se l'ufficio d'esecuzione e fallimenti reputa esso medesimo possibile che un'aggiudicazione sia avvenuta a torto, senza autorizzazione, deve avvisarne senz'indugio il competente ufficiale del registro fondiario.
Il quesito se e in quale misura l'aggiudicatario estero, quando l'aggiudicazione diventi posticipatamente caduca, sia obbligato a risarcire le spese suppletive e il minor ricavo di un secondo incanto, dipende dalle circostanze, per esempio dalla buona o mala fede del medesimo; nei casi controversi deciderà il giudice. | null | nan | fr | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8c034bed-7141-47fd-85c9-d2942f7e8698 | Urteilskopf
98 IV 219
43. Estratto della sentenza 4 settembre 1972 della Corte di cassazione penale nella causa Gianola contro Sostituto procuratore pubblico sottocenerino. | Regeste
Art. 31 Abs. 1 SVG
; Beherrschen des Fahrzeuges.
Der Fahrzeugführer, welcher in seiner Reaktion gegen einen Windstoss links über die Strasse hinausfährt, kann nicht geltend machen, er habe seinen Vorsichtspflichten genügt, wenn er die Verkehrsverhältnisse rechtzeitig wahrnehmen konnte. | Erwägungen
ab Seite 219
BGE 98 IV 219 S. 219
Secondo l'art. 31 cpv. 1 LCStr., il conducente deve costantemente padroneggiare il suo veicolo in modo da potersi conformare ai suoi doveri di prudenza.
BGE 98 IV 219 S. 220
La Corte cantonale ha accertato che quel giorno, già alcune ore prima della partenza del Gianola, soffiava, a raffiche, un vento fortissimo. In tale situazione, le condizioni della circolazione non sono di regola proibitive per un esperto automobilista; sono tuttavia difficili. Il ricorrente, come accertato nella sentenza impugnata, doveva comunque rendersene conto; doveva inoltre tener presenti le sue limitate esperienze di guida e il fatto che si sarebbe trovato a pilotare una macchina leggera. Doveva pertanto intraprendere il viaggio solo se poteva legittimamente ritenere di essere sempre in condizione di padroneggiare l'autoveicolo; altrimenti, piuttosto che creare i pericoli poi verificatisi, doveva rinunciare alla macchina. Essendosi deciso a valersi dell'autoveicolo doveva tenersi costantemente pronto a reagire adeguatamente agli spostamenti causati dalle raffiche di vento.
Lo sbandamento della sua macchina dimostra che non si è attenuto a questi doveri di prudenza. Egli spiega di aver reagito sterzando a sinistra ad una folata di vento proveniente dalla stessa direzione e di essere andato a finire fuori strada, sempre a sinistra, per effetto della sua reazione al repentino cessare della folata di vento. Una siffatta giustificazione avrebbe potuto essere valida se non avesse potuto rendersi conto per tempo della situazione. Ora, come accertato dalla Corte cantonale, il vento soffiava a raffiche già da alcune ore, ed egli non può pretendere di esserne stato sorpreso. Nelle anzidette condizioni della circolazione, un attento automobilista si sarebbe tenuto pronto a dosare le sue reazioni, evitando brusche manovre. Il ricorrente ha pertanto trasgredito l'art. 31 cpv. 1 CP.
Il riferimento esposto nel ricorso alla sentenza pubblicata nella RU 95 IV 172 non è pertinente. In tal caso l'infortunio si è verificato a seguito di uno spegnimento improvviso del motore, a cui neppure un guidatore sperimentato è sempre in condizione di reagire tempestivamente. | null | nan | it | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8c03b408-88cc-46a9-988a-37ff261e845c | Urteilskopf
110 V 30
6. Urteil vom 17. April 1984 i.S. Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen Stadlin und Versicherungsgericht des Kantons Aargau | Regeste
Art. 51 und 52 Abs. 1 AVIG
.
Die Insolvenzentschädigung deckt nur Lohnforderungen, die sich auf geleistete Arbeit beziehen, nicht aber Ansprüche bei ungerechtfertigter fristloser Entlassung des Arbeitnehmers. | Sachverhalt
ab Seite 30
BGE 110 V 30 S. 30
A.-
Urban Stadlin arbeitete als kaufmännischer Leiter in der Firma X. Am 16. Dezember 1982 wurde er fristlos aus dem Arbeitsverhältnis entlassen, weil bei der Unternehmung Liquiditätsschwierigkeiten bestanden. Gleichentags besuchte er die Stempelkontrolle. Am 23. Dezember 1982 erhielt er einen Teil seines noch ausstehenden Lohnguthabens und unterzeichnete eine entsprechende Quittung per Saldo aller Ansprüche. Diese Vereinbarung focht er später beim Arbeitsgericht wegen Mängeln des Vertragsabschlusses an (Eingabe vom 14. Januar 1983). Am 24. Februar 1983 wurde über die Firma X der Konkurs eröffnet.
Mit Verfügung vom 12. Januar 1983 wies die Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau das Begehren um Ausrichtung von Arbeitslosentaggeldern für den Zeitraum vom 15. Dezember 1982 bis zum 28. Februar 1983 ab, weil dem Versicherten unbestrittene Lohnforderungen (Kündigungslohn) zustünden, auf die er nicht verzichten dürfe, um statt dessen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zu
BGE 110 V 30 S. 31
erheben. Diese Verfügung ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
Am 7. März 1983 stellte der Versicherte den Antrag auf Ausrichtung einer Insolvenzentschädigung. Mit Verfügung vom 15. April 1983 lehnte die Arbeitslosenkasse dieses Begehren ab mit der Begründung, als Lohnforderung gemäss
Art. 51 AVIG
gelte grundsätzlich nur das vom zahlungsunfähigen Arbeitgeber geschuldete Entgelt für die vom Versicherten erbrachte Arbeitsleistung; im vorliegenden Fall sei die Voraussetzung für den Bezug von Insolvenzentschädigung deshalb nicht erfüllt.
B.-
Gegen die Verfügung vom 15. April 1983 liess Urban Stadlin Beschwerde führen mit den Anträgen, es sei ihm für die Zeit vom 15. Dezember 1982 bis 24. Februar 1983 eine Insolvenzentschädigung und vom 25. bis 28. Februar 1983 Arbeitslosenentschädigung zuzusprechen. Eventuell sei ihm vom 15. Dezember 1982 bis 28. Februar 1983 Arbeitslosenentschädigung zu entrichten.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau fand, der Versicherte habe mit der Vereinbarung vom 23. Dezember 1982 nicht rechtswirksam auf die Ansprüche aus Arbeitsvertrag verzichten können (
Art. 337c Abs. 1, 341 und 362 OR
). Da er aufgrund der ungerechtfertigten fristlosen Entlassung einen Lohnanspruch gegenüber dem Arbeitgeber habe, stehe ihm eine Insolvenzentschädigung zu, und zwar vom Datum der Entlassung (17. Dezember 1982) bis zur Konkurseröffnung (24. Februar 1983). Auf das Begehren um Zusprechung von Arbeitslosenentschädigung vom 25. bis 28. Februar 1983 trat das kantonale Gericht nicht ein, weil die Arbeitslosenkasse den entsprechenden Anspruch rechtskräftig abgewiesen habe und Gegenstand der Verfügung vom 15. April 1983 allein der Anspruch auf eine Insolvenzentschädigung sei (Entscheid vom 23. August 1983).
C.-
Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen, die Verfügung vom 15. April 1983 sei wiederherzustellen; die Akten seien an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen, damit sie "der durch den Eintritt des Konkurses veränderten Situation mit einer Wiedererwägung ihrer Verfügung vom 12. Januar 1983 betreffend Anspruchsberechtigung für die Arbeitslosenversicherung Rechnung trage".
Der Beschwerdegegner lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
BGE 110 V 30 S. 32
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Gemäss
Art. 28 Abs. 1 AlVG
(in der Fassung vom 22. Juni 1951) ist der Verdienstausfall nicht anrechenbar während Arbeitstagen, für welche dem Versicherten Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber aus Dienstvertrag zustehen. Bestehen über den Anspruch des Versicherten gegenüber dem Arbeitgeber Zweifel, so ist die Kasse nach Abs. 2 zur Ausrichtung der Arbeitslosenentschädigung ermächtigt.
Mit der am 25. Juni 1982 in Kraft gesetzten Neufassung des
Art. 28 Abs. 2 AlVG
wird die Kasse zur Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung zusätzlich auch dann ermächtigt, wenn über die Einbringlichkeit des Anspruchs Zweifel bestehen.
Die am 1. Januar 1984 in Kraft getretene Neuordnung (vgl.
Art. 121 Abs. 2 AVIG
; Verordnung über die vollständige Inkraftsetzung des AVIG vom 31. August 1983) enthält folgende Regelung:
Art. 11 Abs. 3 AVIG
: "Nicht anrechenbar ist ein Arbeitsausfall, für
den dem Arbeitslosen Lohnansprüche oder wegen vorzeitiger Auflösung des
Arbeitsverhältnisses Entschädigungsansprüche zustehen."
Art. 29 Abs. 1 AVIG
: "Hat die Kasse begründete Zweifel darüber, ob der
Arbeitslose für die Zeit des Arbeitsausfalls gegenüber seinem bisherigen
Arbeitgeber Lohn- oder Entschädigungsansprüche im Sinne von Artikel 11
Absatz 3 hat oder ob sie erfüllt werden, so zahlt sie
Arbeitslosenentschädigungen aus."
b) Das 5. Kapitel des AVIG, "Insolvenzentschädigung" (
Art. 51 ff. AVIG
), wurde auf den 1. Januar 1983 in Kraft gesetzt (vgl.
Art. 121 Abs. 2 AVIG
; Beschluss des Bundesrates vom 6. Dezember 1982).
Art. 51 AVIG
bestimmt:
"Beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz
der Zwangsvollstreckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer
beschäftigen, haben Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn:
a. gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und ihnen in
diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen oder
b. sie gegen ihren Arbeitgeber für Lohnforderungen das
Pfändungsbegehren gestellt haben."
Gemäss
Art. 52 Abs. 1 AVIG
deckt die Insolvenzentschädigung Lohnforderungen für die letzten drei Monate vor der Konkurseröffnung oder vor dem Pfändungsbegehren, für jeden Monat
BGE 110 V 30 S. 33
jedoch nur bis zum Höchstbetrag für die Beitragsbemessung. Als Lohn gelten auch die geschuldeten Zulagen.
2.
In der Botschaft zum neuen Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 2. Juli 1980 (BBl 1980 III 606) wird u.a. zur Anspruchsberechtigung auf Insolvenzentschädigung ausgeführt: "Die Lohnansprüche, die sich immer auf geleistete Arbeit beziehen, werden voll gedeckt. Ein Gleichziehen mit dem Konkursprivileg, welches u.a. die Lohnforderungen für sechs Monate und auch Entschädigungen für vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses umfasst, ist hier nicht angezeigt, da die Insolvenzentschädigung eigentlich dem System der Arbeitslosenversicherung fremd ist."
Zur Anrechenbarkeit des Verdienstausfalls bei Zweifeln über Ansprüche aus Arbeitsvertrag führte der Bundesrat aus: "In der Regel geht es dabei um die Einhaltung von Kündigungsfristen, jedenfalls aber von Ansprüchen für Zeiten, während denen der Versicherte nicht mehr gearbeitet hat und der Vermittlung zur Verfügung stand. Darin liegt der Unterschied zur Insolvenzentschädigung, die Ansprüche für geleistete Arbeit ersetzt" (BBl 1980 III 588). Die gleiche Auffassung bekräftigte der Bundesrat in seinen Ausführungen zum vorgeschlagenen neuen Abs. 2 des
Art. 28 AlVG
in der Botschaft vom 21. April 1982 betreffend Änderung des Bundesbeschlusses über die Einführung der obligatorischen Arbeitslosenversicherung (Übergangsordnung) und des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung (BBl 1982 I 1379). Diese Erklärungen haben mit aller Deutlichkeit im Wortlaut des AVIG ihren Niederschlag gefunden. Im Zusammenhang mit der Anrechenbarkeit von Arbeitsausfall (Art. 11 Abs. 3) sowie mit der Ausrichtung von Taggeldern bei Zweifeln über Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag (Art. 29 Abs. 1) werden ausdrücklich sowohl Lohn- wie Entschädigungsansprüche erwähnt, welch letzteren auch Forderungen wegen ungerechtfertigter Entlassung eines Arbeitnehmers zugerechnet werden. Demgegenüber nennt
Art. 52 Abs. 1 AVIG
als Gegenstand der Insolvenzentschädigung lediglich Lohnforderungen.
Aus den zitierten Texten der Botschaften sowie dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass Entschädigungen für vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wie sie vorliegend dem Beschwerdegegner infolge ungerechtfertigter fristloser Entlassung zustehen, nicht durch die Insolvenzentschädigung gedeckt werden sollen. Im Unterschied zur Insolvenzentschädigung, die den Lohnanspruch
BGE 110 V 30 S. 34
für geleistete Arbeitszeit deckt, während welcher der Arbeitnehmer der Vermittlung nicht zur Verfügung steht, handelt es sich im Falle der ungerechtfertigten fristlosen Entlassung um Ansprüche des Beschwerdegegners für eine Periode, während der er wie jeder andere Arbeitslose der Vermittlung voll zur Verfügung stand. Er ist daher dem vermittlungsfähigen Arbeitnehmer gleichzustellen, der nach Eröffnung des Konkurses die Arbeit einstellen muss und Anspruch auf den Kündigungslohn hat. Bestehen über die Erfüllung der Ansprüche begründete Zweifel, ist daher die Ausrichtung der Arbeitslosenentschädigung zwar nach
Art. 28 Abs. 2 AlVG
bzw.
Art. 29 Abs. 1 AVIG
möglich, nicht aber als Insolvenzentschädigung gestützt auf
Art. 52 Abs. 1 AVIG
.
Im Hinblick auf das Gesagte ist davon auszugehen, dass die dem Beschwerdegegner zustehenden Ansprüche wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung nicht durch die Insolvenzentschädigung gedeckt werden. Die Arbeitslosenkasse hat daher zu Recht das Begehren um Ausrichtung von Insolvenzentschädigung abgewiesen.
3.
Mit Verfügung vom 12. Januar 1983 wies die Arbeitslosenkasse das Begehren des Beschwerdegegners auf Arbeitslosenentschädigung für den Zeitraum vom 15. Dezember 1982 bis zum 28. Februar 1983 ab. Nach dem in Erwägung 2 Gesagten ist jedoch nicht auszuschliessen, dass der Beschwerdegegner unter den Voraussetzungen des
Art. 28 Abs. 2 AlVG
(in der hier anwendbaren, am 25. Juni 1982 in Kraft getretenen Fassung) Anspruch auf eine Arbeitslosenentschädigung gehabt hätte. Mangels Beschwerdeführung ist diese fragliche Kassenverfügung in Rechtskraft erwachsen. Da sie jedoch nicht Gegenstand einer materiellen richterlichen Beurteilung gebildet hat, besteht für die Arbeitslosenkasse die Möglichkeit der Wiedererwägung, falls sich ergeben sollte, dass die Verfügung zweifellos unrichtig ist. Zu einer solchen Wiedererwägung kann allerdings die Arbeitslosenkasse gemäss geltender Praxis weder vom Beschwerdegegner noch vom Richter gezwungen werden (vgl.
BGE 107 V 85
mit Hinweisen). Dagegen steht diese Möglichkeit dem BIGA kraft seines Weisungsrechtes offen (
Art. 47 Abs. 1,
Art. 49 Abs. 3 AlVG
- neu Art. 76 Abs. 2,
Art. 110 Abs. 2 und 3 AVIG
). Aus der Vernehmlassung des BIGA geht hervor, dass das Amt beabsichtigt, von diesem Recht Gebrauch zu machen, sofern die Arbeitslosenkasse die Frage der Wiedererwägung nicht von sich aus prüfen sollte.
BGE 110 V 30 S. 35
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 23. August 1983 aufgehoben. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
8c07b0e3-bc2f-4d34-b980-3807ce214c78 | Urteilskopf
123 IV 84
13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Dezember 1996 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 2 Abs. 2 StGB
;
Art. 27 Abs. 1 SVG
,
Art. 90 Ziff. 1 SVG
und
Art. 102 Ziff. 1 SVG
; Aufhebung einer Geschwindigkeitsbeschränkung; Grundsatz der lex mitior.
Die Aufhebung einer Geschwindigkeitsbeschränkung führt nicht dazu, dass eine vor der Aufhebung erfolgte Missachtung nicht mehr bestraft werden dürfte (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 84
BGE 123 IV 84 S. 84
A.-
G. fuhr am 10. April 1995 am Steuer seines Personenwagens auf der Autobahn N2 im Gemeindegebiet Emmen in Richtung Basel und überschritt dabei die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 27 km/h (nach Abzug der Sicherheitsmarge von 6 km/h).
Die hier gegebene Geschwindigkeitsbeschränkung beruht auf folgender Grundlage: Am 26. Mai 1992 verfügte der Regierungsrat des Kantons Luzern im Raum Luzern auf bestimmten Streckenabschnitten der Nationalstrassen N2 und N14 Geschwindigkeitsbeschränkungen, unter anderem die hier in Frage stehende. Am 25. Juni 1992 genehmigte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Verfügung, worauf sie am 4. Juli 1992 im Luzerner Kantonsblatt veröffentlicht wurde. Allfälligen Beschwerden wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Gegen die Verfügung des Kantons Luzern erhoben zahlreiche juristische und natürliche Personen fristgerecht Beschwerde beim Schweizerischen Bundesrat. Ein Antrag auf Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung wurde vom Eidgenössischen Finanzdepartement als Instruktionsinstanz mit Verfügung vom 1. September 1992 abgewiesen. Am 4. Dezember 1992 erliess der Regierungsrat des Kantons Luzern eine neue Verfügung über Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Nationalstrassen N2
BGE 123 IV 84 S. 85
und N14 im Raum Luzern. Die hier in Frage stehende Geschwindigkeitsbeschränkung wurde beibehalten.
Am 19. Juni 1995 hob der Schweizerische Bundesrat die Verfügungen des Regierungsrates des Kantons Luzern vom 26. Mai und vom 4. Dezember 1992 auf.
Bereits am 12. April 1995 hatte der Bundesrat in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass die von den Luzerner Behörden verfügten Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht mehr gerechtfertigt seien. Aufgrund dieser Pressemitteilung beschloss die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern am 3. Mai 1995, nur noch die bis und mit 11. April 1995 wegen Verstosses gegen die angefochtene Höchstgeschwindigkeit fehlbaren Fahrzeuglenker strafrechtlich zu verfolgen.
B.-
Das Amtsgericht Hochdorf bestrafte G. am 7. März 1996 wegen Überschreitens der signalisierten Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn in Anwendung von
Art. 90 Ziff. 1 SVG
(SR 741.01) mit einer Busse von Fr. 280.--.
C.-
Das Obergericht des Kantons Luzern wies am 25. September 1996 eine Kassationsbeschwerde des G. ab, soweit es darauf eintrat.
D.-
G. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Obergerichtes und das Urteil des Amtsgerichtes aufzuheben; er sei vom Vorwurf des Überschreitens der signalisierten Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn freizusprechen bzw. die Sache sei zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von
Art. 4 BV
geltend, weil die Vorinstanz ihn wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung, begangen am 10. April 1995, bestrafte, obwohl entsprechende Geschwindigkeitsüberschreitungen mit Wirkung ab 12. April nicht mehr verfolgt wurden. Darin liege eine vor der Verfassung nicht haltbare Ungleichbehandlung.
Auf die Beschwerde ist auch insoweit nicht einzutreten. Denn die Frage, ob der Beschwerdeführer aus Gründen der Gleichbehandlung ebenfalls nicht hätte verfolgt werden dürfen, ist nicht ein Frage des eidgenössischen Rechtes; sie hätte dem Bundesgericht mit
BGE 123 IV 84 S. 86
staatsrechtlicher Beschwerde vorgelegt werden müssen (vgl.
BGE 115 Ia 81
betreffend Gleichbehandlung im Unrecht).
b) Die Beschwerde wäre im übrigen in diesem Punkte, auch wenn man sie insoweit als staatsrechtliche Beschwerde entgegennehmen würde, unbegründet, da die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf sachlichen Gründen beruht. Wenn die Öffentlichkeit durch die Presse am 12. April 1995 über den Entscheid des Bundesrates orientiert wurde, dann war es sachlich gerechtfertigt, auf dieses Datum abzustellen, wenn man bereits vor der formellen Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung und der Entfernung der Signaltafeln von einer Strafverfolgung absehen wollte. Ob es im übrigen angebracht war, vor der Entfernung der Signaltafeln auf eine Verfolgung von Geschwindigkeitsüberschreitungen zu verzichten, und ob nicht im Interesse der Rechtssicherheit damit bis zum Vollzug des Beschwerdeentscheides des Bundesrates hätte zugewartet werden müssen, kann bei dieser Sachlage offenbleiben.
3.
Der Beschwerdeführer bringt vor, seine Bestrafung verletze den Grundsatz der lex mitior (
Art. 2 Abs. 2 StGB
).
a) Nach
Art. 102 Ziff. 1 SVG
sind die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches auch auf das Strassenverkehrsgesetz anwendbar, soweit dieses keine abweichenden Vorschriften enthält. Da dies nicht der Fall ist, findet
Art. 2 StGB
Anwendung (vgl.
BGE 116 IV 258
E. 3b). Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist das neue mildere Recht auf Taten anzuwenden, die noch vor Inkrafttreten des neuen Rechtes begangen wurden. Eine zum Zeitpunkt ihrer Begehung strafbare Verhaltensweise kann also strafrechtlich nicht mehr erfasst werden, wenn ihre strafrechtliche Beurteilung erst nach der Abschaffung der Strafbestimmung erfolgt.
So konnte beispielsweise ein zum Zeitpunkt der Begehung strafbarer Ehebruch gemäss Art. 214 aStGB nach Aufhebung dieser Bestimmung am 1. Januar 1990 nicht mehr bestraft werden. Entsprechendes gilt für den im alten Recht weiter gefassten Tatbestand der unzüchtigen Veröffentlichungen gemäss Art. 204 aStGB: Verhaltensweisen, die zum Zeitpunkt ihrer Begehung noch von Art. 204 aStGB erfasst waren, konnten mit dem Inkrafttreten des neuen Sexualstrafrechtes nur noch bestraft werden, wenn sie auch nach neuem Recht unter die Strafbestimmung der Pornographie gemäss
Art. 197 StGB
fielen. Wer also im September 1992 eine nach dem damals noch gültigen alten Recht strafbare unzüchtige Veröffentlichung vornahm, konnte mit dem Inkrafttreten des neuen Rechtes am 1. Oktober 1992 nicht mehr bestraft werden, wenn
BGE 123 IV 84 S. 87
die Verhaltensweise nicht unter die neue Pornographiebestimmung fiel.
b)
Art. 2 Abs. 2 StGB
ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar. Der Beschwerdeführer wurde bestraft wegen Verletzung von Verkehrsregeln nach
Art. 90 Ziff. 1 SVG
. Danach macht sich strafbar, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. Der Beschwerdeführer wurde bestraft, weil er eine signalisierte Höchstgeschwindigkeit missachtet hat (
Art. 27 Abs. 1 SVG
). Die Pflicht, Signale zu befolgen, wurde durch den Beschwerdeentscheid des Bundesrates, mit welchem die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben wurde, nicht in Frage gestellt. Ebenso wurde mit dem Entscheid des Bundesrates die Verfügung des Regierungsrates des Kantons Luzern nicht rückwirkend aufgehoben, nachdem insbesondere das Eidgenössische Finanzdepartement Begehren um aufschiebende Wirkung abgewiesen hatte. Im vorliegenden Zusammenhang kann im übrigen offenbleiben, ob die Verkehrsteilnehmer verpflichtet waren, bis zur Entfernung der Signalisation die ursprünglich angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung zu beachten oder ob die Missachtung der Signalisation nach dem Entscheid des Bundesrates strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden konnte, wogegen immerhin spricht, dass sich alle Verkehrsteilnehmer grundsätzlich auf die Gültigkeit von signalisierten Höchstgeschwindigkeiten verlassen dürfen (
BGE 113 IV 123
).
Die Aufhebung einer Verkehrsbeschränkung bedeutet deshalb nicht, dass eine vor der Aufhebung erfolgte Missachtung der Beschränkung nach der Aufhebung in Anwendung der lex mitior nicht mehr bestraft werden dürfte.
Grundgedanke des lex-mitior-Prinzips ist, dass die Tat zufolge Änderung der Rechtsanschauung nicht mehr bzw. weniger strafwürdig erscheint (
BGE 89 IV 113
E. 1a), wie dies bei den oben erwähnten Beispielen der Aufhebung der Strafbestimmung betreffend den Ehebruch und der Änderung der Pornographiebestimmung gezeigt wurde. Die Aufhebung einer Geschwindigkeitsbeschränkung ändert nichts daran, dass nach der Rechtsanschauung eine von der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit abweichende signalisierte Höchstgeschwindigkeit beachtet werden muss.
c) Auch aus der vom Beschwerdeführer angerufenen Rechtsprechung ergibt sich nichts anderes. So wurde in
BGE 116 IV 258
E. 4e ausdrücklich bestätigt, dass nur eine geänderte Rechtsauffassung zur Anwendung von
Art. 2 Abs. 2 StGB
führen kann. Aus diesem Grunde
BGE 123 IV 84 S. 88
wurde angenommen, der Verstoss gegen eine nur vorübergehend geltende Sondervorschrift betreffend die Anwendbarkeit des Warenumsatzsteuerbeschlusses bleibe auch dann strafbar, wenn zum Zeitpunkt der Beurteilung die Sondervorschrift wieder aufgehoben war. Auch aus
BGE 97 IV 233
lässt sich nichts anderes herleiten. Wenn das Bundesgericht in jener Entscheidung angenommen hat, eine Einschränkung des Anwendungsbereiches der Ausverkaufsverordnung führe dazu, dass ein vor der Änderung begangener Verstoss gegen die Ausverkaufsverordnung nun nach dem neuen milderen Recht zu beurteilen sei, dann offenbar deshalb, weil es davon ausgegangen ist, diese Änderung beruhe auf einer Änderung der Rechtsanschauung. | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8c0a11d2-75da-4d83-81fb-dea2fea0c38d | Urteilskopf
90 I 217
34. Urteil vom 8. Juli 1964 i.S. X. A.-G. gegen Zürich, Kanton und Verwaltungsregicht. | Regeste
Kantonales Steuerrecht. Wirtschaftliche Betrachtungsweise, Willkür.
Im Falle der Steuerumgehung dürfen die Steuerbehörden ohne Willkür auf den wirtschaftlichen Sachverhalt statt auf die zivilrechtliche Form abstellen. Ein Darlehen, das eine A.-G. bei der Gründung von dem sie beherrschenden Aktionär erhält, darf daher dem steuerbaren Kapital zugerechnet werden, wenn die A.-G. zum Zwecke der Steuerumgehung mit einem unzureichenden Grundkapital ausgestattet worden ist (Erw. 2).
Anwendung dieser Grundsätze auf eine Immobiliengesellschaft (Erw. 3).
Rechtsungleiche Behandlung? (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 217
BGE 90 I 217 S. 217
A.-
Nach dem Zürcher Steuergesetz vom 8. Juli 1951 (StG) haben die juristischen Personen den Ertrag und das Kapital zu versteuern (§ 1 lit. b). Als steuerbares Kapital gelten bei Aktiengesellschaften das einbezahlte Grundkapital und die als Ertrag versteuerten Reserven (§ 47 lit. a). Die Kapitalsteuer beträgt 1,5‰ des steuerbaren Kapitals, die Ertragssteuer halb so viele Prozente des steuerbaren Ertrages, als dieser Prozente des steuerbaren Kapitals beträgt, jedoch mindestens 2% und höchstens
BGE 90 I 217 S. 218
10% des steuerbaren Ertrages (§ 48). Ferner bestimmt § 44:
"Juristische Personen, deren Gründung oder Bestand lediglich der Steuerumgehung oder Steuerverschiebung dient, haben keinen Anspruch auf steuerrechtliche Anerkennung; ihre Einkünfte und Vermögenswerte können demjenigen Steuerpflichtigen zugerechnet werden, welchem sie tatsächlich zustehen."
B.-
Die X. A.-G. wurde im Dezember 1955 mit einem Grundkapital von Fr. 60'000. - gegründet, hat ihren Sitz in Zürich, bezweckt den Erwerb, die Verwaltung und die Verwertung von Liegenschaften und kaufte wenige Tage nach der Gründung zum Preis von Fr. 2'250,000. - ein mit einer Hypothek von Fr. 1'800,000. - zugunsten einer Bank belastetes Wohn- und Geschäftshaus in Zürich. Zur Bezahlung des in bar zu entrichtenden Teils des Kaufpreises erhielt sie bei der Gründung von ihrem (Allein- oder Haupt-)Aktionär, als welchen sie im Rekursverfahren einen in Italien wohnhaften Y. bezeichnete, ein Darlehen von Fr. 390'000. -, so dass sich folgende Eröffnungsbilanz ergab:
Liegenschaften Fr. 2'250,000.-- Aktienkapital Fr. 60'000.--
Hypotheken " 1'800,000.--
Darlehen " 390'000.--
Fr. 2'250,000.-- Fr. 2'250,000.--
Ein weiteres Darlehen von Fr. 50'000. - gewährte ihr der gleiche Aktionär nach der Gründung, um ihr die Bezahlung der zusammen Fr. 55'268.-- betragenden Gründungs- und Liegenschaftserwerbskosten zu ermöglichen. In den Jahren 1956/57 wurden dem Aktionär Fr. 21'200. - bzw. Fr. 19'150. - als Darlehenszinsen zu 5% gutgeschrieben und Fr. 51'000.-- bzw. Fr. 70'000. - ausbezahlt, so dass das Darlehen Ende 1956 mit Fr. 410'200.-- und Ende 1957 mit Fr. 361'350.-- zu Buch stand. Nach der Gewinn- und Verlustrechnung erzielte die X. A.-G. im ersten Geschäftsjahr einen Gewinn von Fr. 3582.--, während sich für 1957 ein Verlust von Fr. 1247.-- ergab.
Bei den Veranlagungen für die Jahre 1955 bis 1958
BGE 90 I 217 S. 219
behandelte das kantonale Steueramt das der X. A.-G. von ihrem Aktionär gewährte Darlehen als steuerbares Kapital und die Darlehenszinsen als steuerbaren Gewinn und setzte demnach das steuerbare Kapital für 1955/56 auf Franken 450'000.--, für 1957 auf Fr. 473'000. - und für 1958 auf Fr. 423'000. -, den steuerbaren Gewinn für 1955/56 sowie 1957 auf Fr. 21'200. - und für 1958 auf Fr. 18'700. - fest.
Einen Rekurs hiegegen hiess die Rekurskommission I in dem Sinne teilweise gut, dass sie nur einen Teil des Aktionärdarlehens als Eigenkapital und nur die für diesen Betrag entrichteten Darlehenszinsen als Dividenden behandelte.
Gegen diesen Entscheid erhoben sowohl die X. A.-G. als auch der Steuerkommissär Beschwerde.
Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde der X. A.-G. ab, hiess dagegen diejenige des Steuerkommissärs gut und stellte die ursprüngliche Veranlagung wieder her. Die Begründung dieses Entscheids, die teilweise auf Erwägungen eines in der gleichen Sache ergangenen Zwischenentscheids des Verwaltungsgerichts vom 22. November 1962 (ZBl 64 S. 478) verweist, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Da das StG bei der Besteuerung der A.-G. an das einbezahlte Grundkapital anknüpfe (§ 47 lit. a), dürfe ein Aktionärdarlehen grundsätzlich nicht zum Grundkapital gerechnet werden. Wenn jedoch gemäss
§ 44 StG
eine A.-G., deren Gründung und Bestand lediglich der Steuerumgehung oder -verschiebung diene, keinen Anspruch auf steuerrechtliche Anerkennung habe, so müsse dies auch für die finanzielle Struktur gelten; im Grösseren sei das Geringere eingeschlossen. Haben die Aktionäre bei der Selbstfinanzierung ihrer A.-G. das Grundkapital nur zum Zwecke der Steuerumgehung oder -verschiebung klein gehalten und ihre weiteren Mittel als Aktionärdarlehen investiert, so brauche dieses Vorgehen steuerlich nicht anerkannt zu werden. Vorliegend seien die Voraussetzungen der Steuerumgehung erfüllt. Ohne das Darlehen
BGE 90 I 217 S. 220
hätte die A.-G. das Betriebsgrundstück nicht erwerben können, da ihr nur das Grundkapital von Fr. 60'000. - zur Verfügung stand, also mindestens Fr. 390'000. - fehlten. Diesen Betrag aber hätte sie, da sie aus eigenen Kräften keine andere Sicherheit als die Liegenschaft bieten konnte, weder ganz noch teilweise von einem fernstehenden Dritten erhältlich machen können. Da sie die das Aktionärdarlehen betreffenden Nebenabreden trotz wiederholter Aufforderung und Mahnung nicht bekannt gegeben habe, müsse sie sich sodann entgegenhalten lassen, dass derartige Abreden nicht ausdrücklich vereinbart und Zinshöhe, Fälligkeit des Zinses, Rückzahlung des Darlehens usw. von dem die A.-G. beherrschenden Aktionär und Darlehensgeber entsprechend den jeweils verfügbaren Mitteln festgelegt worden seien. Das Darlehen habe somit die A.-G. nicht wie eine Fremdschuld belastet, sondern in Wirklichkeit verdecktes Grundkapital dargestellt.
C.-
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt die X. A.-G. den Antrag, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 20. Februar 1964 sei zu kassieren. Sie macht geltend, die Behandlung des Aktionärdarlehens als steuerbares Kapital sei willkürlich und verletze
Art. 4 BV
. Die nähere Begründung dieser Rüge ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
D.-
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Der Regierungsrat des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Wie schon im kantonalen Verfahren, macht die Beschwerdeführerin auch vor Bundesgericht geltend, dass die klare Vorschrift von
§ 47 lit. a StG
, wonach bei der A.-G. das einbezahlte Grundkapital und die als Ertrag versteuerten Reserven als steuerbares Kapital gelten, es schlechterdings ausschliesse, zu diesem Kapital auch ein ihr von ihrem Allein- oder Hauptaktionär gewährtes Darlehen
BGE 90 I 217 S. 221
zu rechnen. Das Verwaltungsgericht dagegen ist der Auffassung, dass ein solches Darlehen dann ausnahmsweise als steuerbares Kapital behandelt werden dürfe, wenn der Tatbestand der Steuerumgehung erfüllt sei. Es fragt sich, ob diese Betrachtungsweise dem Vorwurfe der Willkür standhält.
2.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die von den Beteiligten gewählte Gestaltung der zivilrechtlichen Verhältnisse für die Besteuerung nicht ohne weiteres massgebend. Vielmehr darf unter gewissen Voraussetzungen auf den wirtschaftlichen Sachverhalt abgestellt werden. Aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des
Art. 4 BV
(Willkür) ist nur erforderlich, dass triftige, sachliche Gründe für die sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise bestehen (
BGE 79 I 19
und
BGE 85 I 279
/80 je mit Verweisungen auf frühere Urteile), während dort, wo dem Bundesgericht freie Prüfung zustand, d.h. bei Doppelbesteuerungskonflikten und Streitigkeiten über bundesrechtliche Abgaben, die wirtschaftliche Betrachtungsweise beschränkt wurde auf Fälle, in denen die Gestaltung der zivilrechtlichen Verhältnisse ungewöhnlich, sachwidrig oder absonderlich war und lediglich der Steuerumgehung diente (
BGE 80 I 34
mit Verweisungen,
BGE 83 I 343
). Das Zürcher Verwaltungsgericht betrachtet die Behandlung eines Aktionärdarlehens als steuerbares Kapital im Sinne von
§ 47 lit. a StG
dann als zulässig, wenn der Tatbestand der Steuerumgehung erfüllt ist. Dass in diesem Falle ein triftiger sachlicher Grund dafür vorliegt, auf den wirtschaftlichen Sachverhalt statt auf die zivilrechtliche Form abzustellen, kann nach dem Gesagten nicht zweifelhaft sein, betrachtet doch das Bundesgericht dort, wo ihm freie Prüfung zusteht, in Übereinstimmung mit der Rechtslehre (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts S. 22, GEERING, Von Treu und Glauben im Steuerrecht, Festschrift für Blumenstein S. 138, KÄNZIG N. 6 ff. zu Art. 2 WStB) den Tatbestand der Steuerumgehung regelmässig als hinreichenden Grund, nicht auf die zivilrechtlichen Verhältnisse, sondern
BGE 90 I 217 S. 222
auf den wirtschaftlichen Sachverhalt abzustellen (vgl.
BGE 60 I 294
,
BGE 70 I 274
,
BGE 80 I 34
,
BGE 83 I 343
). Fraglich kann nur sein, ob, wie die Beschwerde geltend macht, nach der Vorschrift von
§ 47 lit. a StG
nur die zivilrechtliche Betrachtungsweise zulässig und die wirtschaftliche Betrachtungsweise, welche ein Aktionärdarlehen als steuerpflichtiges Grundkapital behandelt, gänzlich ausgeschlossen sei. Das ist zu verneinen.
§ 44 StG
bestimmt, dass juristische Personen, deren Gründung oder Bestand lediglich der Steuerumgehung dienen, keinen Anspruch auf steuerrechtliche Anerkennung haben und dass ihre Einkünfte und Vermögenswerte demjenigen Steuerpflichtigen zugerechnet werden können, welchem sie tatsächlich zustehen. Dass das StG nur für diesen häufigsten und wichtigsten Fall von Steuerumgehung bei juristischen Personen eine ausdrückliche Regelung enthält, bedeutet nicht ohne weiteres, dass es den Steuerbehörden in andern Fällen von Steuerumgehung verwehrt wäre, der zivilrechtlichen Form die Anerkennung zu versagen. Jedenfalls aber folgt dies nicht zwingend aus
§ 44 StG
noch daraus, dass die §§ 47 lit. a und 45 keinen Vorbehalt zugunsten der wirtschaftlichen Betrachtungsweise machen. Vielmehr lässt sich mit guten Gründen der vom Verwaltungsgericht eingenommene Standpunkt vertreten, wenn
§ 44 StG
es gestatte, über die Existenz der zivilrechtlich selbständigen juristischen Person im Falle der Steuerumgehung gänzlich hinwegzugehen und ihre Einkünfte und Vermögenswerte beim sie beherrschenden Aktionär zu erfassen, so müsse es (als minus in maiore) auch zulässig sein, bei grundsätzlicher Anerkennung der juristischen Person die Beziehungen zwischen ihr und dem beherrschenden Aktionär unter dem Gesichtspunkt der Steuerumgehung zu überprüfen und im Falle einer solchen statt auf die zivilrechtliche Gestaltung dieser Beziehungen auf den wirtschaftlichen Sachverhalt abzustellen. Zu diesen Beziehungen gehört aber auch die Finanzierung der A.-G. durch den sie beherrschenden Aktionär. Da es diesem,
BGE 90 I 217 S. 223
von den Vorschriften über das Mindestkapital abgesehen, zivilrechtlich frei steht, inwieweit er seine Mittel der A.-G. als Eigenkapital oder als Fremdkapital zur Verfügung stellen will, können Mittel, die zivilrechtlich als Darlehen des Aktionärs erscheinen, wirtschaftlich Eigenkapital sein und dürfen daher im Falle einer Steuerumgehung als solches behandelt werden. Das Bundesgericht hat denn auch bereits in einem das Wehropfer und die Wehrsteuer betreffenden Urteil vom 24. Februar 1950 (ASA 19 S. 90) eine solche Steuerumgehung festgestellt und deshalb Darlehen von Aktionären an die A.-G. nicht als Passiven und die darauf entrichteten Zinsen nicht als Unkosten anerkannt, sondern entschieden, dass die eingebrachten Werte als Einlagen auf das Aktienkapital, ihr Ertrag als Bestandteil des Reingewinns und die Darlehenszinsen gleich wie Dividenden zu behandeln seien. Im gleichen Sinne hat die eidgenössische Steuerverwaltung in einem die Couponabgabe betreffenden Einspracheentscheid vom 16. Juli 1958 (ASA 27 S. 230) entschieden und dabei auf den Bericht der Expertenkommission für die Motion Piller vom 14. Februar 1955 hingewiesen, wo ebenfalls die Erscheinung "verdeckten Eigenkapitals" festgestellt und die Auffassung vertreten wird, dieses könne schon auf dem Wege der Steuerpraxis steuerlich erfasst werden (Vgl. auch KUTTLER, Die Bodenverteuerung als Rechtsproblem, ZSR 1964 II S. 278/80).
3.
Ist es demnach mit dem StG vereinbar und nicht willkürlich, dass die Veranlagungsbehörden bei der Besteuerung der A.-G. Mittel, die dieser vom Aktionär in der Form von Darlehen zur Verfügung gestellt werden, im Falle einer Steuerumgehung als Eigenkapital behandeln, so fragt sich weiter, unter welchen Voraussetzungen von einer Steuerumgehung gesprochen werden darf und ob diese Voraussetzungen vorliegend als erfüllt betrachtet werden dürfen.
a) Das Verwaltungsgericht nimmt in Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der
BGE 90 I 217 S. 224
Rechtslehre an, zur Steuerumgehung gehöre, dass das gewählte Vorgehen objektiv ungewöhnlich, dem wirtschaftlichen Sachverhalt nicht gemäss sei, effektiv eine erhebliche Steuerersparnis zur Folge habe und subjektiv nur aus Gründen der Steuerersparnis gewählt worden sei. Diese Begriffsbestimmung wird in der Beschwerde nicht beanstandet, geschweige denn als willkürlich bezeichnet. Das Verwaltungsgericht nimmt sodann an, dass diese Merkmale der Steuerumgehung dann zutreffen und ein der A.-G. vom Aktionär bei der Gründung gewährtes Darlehen dann als Eigenkapital erscheinen liessen, wenn
"a) die AG die statutarische Aufgabe ohne das Darlehen nicht hätte aufnehmen konnen,
b) die entsprechende Mittel verkehrsüblich von einem fernstehenden Dritten nicht erhältlich gewesen wären,
c) das Darlehen dem Risiko des Geschäftserfolges ausgesetzt worden sei, und
d) sich das ungewöhnliche Vorgehen lediglich daraus erkläre, dass der Aktionär am Reinertrag der Gesellschaft zum Zwecke der Steuerersparnis in der Form des Passivzinses statt der Dividende beteiligt sein wollte."
Auch diese Voraussetzung werden in der Beschwerde nicht als willkürlich angefochten. Nicht beanstandet wird ferner, dass das Verwaltungsgericht angenommen hat, drei der genannten vier Voraussetzungen, nämlich diejenigen nach lit. a, c und d seien vorliegend erfüllt. Als willkürlich bezeichnet die Beschwerde den angefochtenen Entscheid einzig in Bezug auf lit. b, d.h. insoweit, als er annimmt, es wäre der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen, den ihr vom Aktionär geliehenen Betrag ganz oder zum Teil von einem ihr fernstehenden Dritten erhältlich zu machen. Nur diese Frage bedarf somit der Prüfung.
b) Da die Beschwerdeführerin bei dem wenige Tage nach ihrer Gründung erfolgten, in den Statuten vorgesehenen Erwerb der Liegenschaft X. in Zürich den die übernommene Hypothek übersteigenden, Fr. 450'000. - betragenden Teil des Kaufpreises in bar zu erlegen hatte, ihr einbezahltes Aktienkapital aber nur Fr. 60'000. - betrug, benötigte sie unmittelbar nach der Gründung einen
BGE 90 I 217 S. 225
Betrag von Fr. 390'000.--, der ihr unbestrittenermassen von ihrem (Allein- oder Haupt)Aktionär zur Verfügung gestellt worden ist. Ebenfalls um diese Zeit waren die Gründungs- und Handänderungskosten von zusammen Fr. 55'268. - zu bezahlen, wofür ihr der Aktionär nach ihrer Darstellung weitere Fr. 50'000. - zur Verfügung stellte (während der Rest offenbar aus den ersten Mietzinseingängen gedeckt werden konnte). Die Beschwerdeführerin benötigte demnach zur Aufnahme ihrer statutarischen Aufgabe (Erwerb der genannten Liegenschaft) unmittelbar nach der Gründung neben dem einbezahlten Aktienkapital von Fr. 60'000.-- weitere Fr. 440'000.--. Nun war aber die erworbene Liegenschaft bereits mit Fr. 1'800,000.-- oder 80% des Kaufpreises hypothekarisch belastet. Bei dieser Sachlage leuchtet es ein und erscheint es jedenfalls nicht als willkürlich, wenn das Verwaltungsgericht es als ausgeschlossen betrachtet, dass ein der Beschwerdeführerin fernstehender Dritter (Bank, Versicherungsgesellschaft oder Privater) ihr die erforderlichen Mittel ganz oder auch nur teilweise ohne eine zusätzliche Sicherheit (welche die Beschwerdeführerin unbestrittenermassen aus eigenen Kräften nicht bieten konnte) lediglich gegen eine nachstellige Hypothek auf der Liegenschaft als Darlehen zur Verfügung gestellt hätte. Das Verwaltungsgericht verweist mit Recht darauf, dass die Gewährung dieses Darlehens mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden war, weil nach der eigenen Darstellung der Beschwerdeführerin ihr Hauptmieter, ein Garagist, schon im Jahre 1957 in Konkurs geriet, dies einen grossen Mietzinsausfall zur Folge hatte und der Mietzins für die Garage hierauf von Fr. 40'000.-- auf Fr. 25'000.-- jährlich herabgesetzt werden musste. Ferner darf in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt werden, dass das erste Geschäftsjahr mit einem Gewinn von bloss Fr. 3582.-- und das zweite sogar mit einem Verlust von Fr. 1274. - abgeschlossen haben. Die Beschwerdeführerin beschränkt sich demgegenüber auf die blosse Behauptung, dass ausser
BGE 90 I 217 S. 226
den vom Verwaltungsgericht ins Auge gefassten noch "weitere Finanzierungsmöglichkeiten" bestanden hätten, gibt diese aber nicht näher an und tut insbesondere in keiner Weise dar, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts ein fernstehender Dritter wirklich bereit gewesen wäre, ihr die Fr. 440'000. - ohne weitere Sicherheit lediglich gegen eine nachstellige Hypothek zu leihen, sodass sich der Vorwurf der Willkür als unbegründet erweist.
4.
Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, das Vorgehen der Zürcher Steuerbehörden stelle eine rechtsungleiche Behandlung dar, da in andern Fällen Aktionärdarlehen nicht als Eigenkapital behandelt würden und z.B. eine Firma N. A.-G. bei einem Liegenschaftsbesitz in Zürich von ca. 4 Millionen Franken für 1957 oder 1958 mit einem Kapital von Fr. 50'000. - eingeschätzt worden sei. Das Verwaltungsgericht ist auf diesen schon vor ihm erhobenen, vom Steueramt bestrittenen Einwand nicht eingetreten, da es sich um ein neues, nach
§ 95 Abs. 4 StG
unzulässiges Vorbringen handle. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies, behauptet aber nicht und tut noch weniger dar, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts willkürlich sei. Von Willkür kann auch nicht die Rede sein, da die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe an die Rekurskommission, auf die sie verweist, wohl allgemein behauptet hat, dass bei Immobiliengesellschaften das Kapital notorisch klein sei und dass in andern, gleichgelagerten Fällen keine Aufrechnungen vorgenommen würden, aber keinen solchen Fall angegeben und insbesondere die N. A.-G. nicht erwähnt hat.
Davon abgesehen würde darin, dass in den in Frage stehenden Veranlagungsjahren gegen die eine oder andere Immobiliengesellschaft nicht in gleicher Weise wie gegen die Beschwerdeführerin vorgegangen worden sein sollte, keine rechtsungleiche Behandlung liegen, da nicht behauptet wird, dass das Verwaltungsgericht, gegen dessen Entscheid sich die staatsrechtliche Beschwerde richtet, in
BGE 90 I 217 S. 227
gleichartigen Fällen anders entschieden hat (
BGE 90 I 8
Erw. 2), und da zu erwarten ist, dass die Veranlagungsbehörden die nun im angefochtenen Entscheid der obersten kantonalen Rechtsmittelinstanz in Steuersachen aufgestellten Grundsätze gegenüber allen Immobiliengesellschaften gleichmässig zur Anwendung bringen werden. Nur wenn die Veranlagungsbehörden dies ablehen sollten, könnte die Beschwerdeführerin verlangen, dass auch bei ihr von der Behandlung des Aktionärdarlehens als steuerbares Grundkapital abgesehen werde (vgl.
BGE 90 I 167
Erw. 3).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c0acd70-4e40-46c3-a91a-246767054a8b | Urteilskopf
85 II 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. Januar 1959 i.S. Schmidhauser gegen Schmidhauser. | Regeste
Scheidungsklage nach Trennung,
Art. 147 Abs. 2 und 3 ZGB
.
Klageausschliessungsgrund der Wiedervereinigung.
Wiedervereinigung liegt nicht vor, wenn die Ehefrau vorübergehend in die Wohnung des Mannes - unter ausdrücklichem Ausschluss der Wiederaufnahme ehelicher Beziehungen - zurückkehrt, nur um die Kinder zu betreuen. | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 85 II 1 S. 1
A.-
Im Jahre 1954 erhob die Ehefrau Klage auf Scheidung wegen tiefer Zerrüttung. Mit Urteil vom 15. Juni 1955 sprach das Bezirksgericht Zürich in Anwendung von
Art. 142 und 146 ZGB
die Trennung der Ehe für die Dauer eines Jahres aus, welches Urteil in Rechtskraft erwuchs. Während der Dauer dieser gerichtlichen Trennung, ab 5. September 1955, kam die Ehefrau vorübergehend täglich in die eheliche Wohnung, um morgens und abends die Kinder zu betreuen, und blieb dann vom 15. Dezember 1955 bis Ende August 1956, also während rund 8 Monaten, ständig dort und besorgte den Haushalt und die beiden 8- bezw. 4jährigen Kinder; die Eheleute schliefen jedoch in getrennten Zimmern, und es kam nie mehr zu intimem Verkehr zwischen ihnen.
BGE 85 II 1 S. 2
Nachdem die Ehefrau Ende August 1956 die eheliche Wohnung wieder verlassen hatte, leitete sie beim Bezirksgericht Zürich Klage aufScheidung auf Grund von Art. 147 und 148, eventuell
Art. 142 ZGB
ein.
Der Ehemann widersetzte sich der Scheidung.
Das Bezirksgericht wies die Scheidungsklage ab, weil in dem Zusammenleben der Klägerin mit Mann und Kindern, auch ohne intimen Verkehr, eine Wiedervereinigung im Sinne von
Art. 147 Abs. 2 und 3 ZGB
zu erblicken sei.
In Gutheissung der Berufung der Klägerin hat dagegen das Obergericht dies verneint, die Scheidung gestützt auf Art. 147/148 ausgesprochen und die Kinder der Mutter zugeteilt.
B.-
Mit der vorliegenden Berufung beantragt der Beklagte Abweisung der Scheidungsklage. Er macht geltend, wer, wie die Klägerin, in den ehelichen Haushalt zurückkehre, hier schlafe, den Haushalt besorge, koche, wasche, die Kinder ernähre und kleide, für die Familie einkaufe und sogar Haushaltschulden begründe, kurz sämtliche Pflichten und Rechte einer Hausfrau, Gattin und Mutter übernehme und ausübe, nehme in allen Teilen wieder die der gesetzlichen Ehefrau zugewiesene Stellung in der ehelichen Gemeinschaft ein. Daran ändere das Fehlen des intimen Verkehrs nichts, den ihm die Klägerin schon seit 1951 verweigere. Würde aber die Wiedervereinigung verneint, so wäre doch die Klägerin an der Zerrüttung ausschliesslich schuldig und daher nach
Art. 148 ZGB
nicht klageberechtigt.
Die Berufungsbeklagte trägt auf Abweisung der Berufung an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 147 Abs. 2 ZGB
fällt, wenn die Ehe auf bestimmte Zeit getrennt war, nach Ablauf dieser Zeit die Trennung dahin, und es kann - ebenso wie bei Trennung auf unbestimmte Zeit nach dreijähriger Dauer
BGE 85 II 1 S. 3
derselben - jeder Ehegatte die Scheidung verlangen, "wenn eine Wiedervereinigung nicht erfolgt ist". Zwischen letzterem und dem von den romanischen Texten verwendeten Begriffe "réconciliation", "riconciliazione" besteht zweifellos ein deutlicher Unterschied, indem von einer "Wiedervereinigung" schon dann gesprochen werden kann, wenn die getrennten Eheleute das äusserliche Zusammenleben wieder aufgenommen haben, d.h. wieder in gemeinsamer Wohnung leben und damit nach aussen das Bild einer Familie darbieten; während "réconciliation" = Aussöhnung weiter geht, nämlich die innere Überwindung und Beseitigung des Trennungsgrundes, die Wiederherstellung des Ehefriedens in sich schliesst. Kann hiemit freilich nicht eine wirkliche, dauernde Aussöhnung gemeint sein - denn in diesem Falle käme es nicht mehr zur Scheidungsklage der einen Partei -, so genügt anderseits als Wiedervereinigung nicht die Wiederaufnahme des bloss äusserlichen Zusammenlebens, selbst wenn es nach aussen als eheliche Gemeinschaft in Erscheinung tritt. Wenn dies in einem ältern Urteil als zum Ausschluss der Scheidungsklage ausreichend bezeichnet wurde, so ist zu beachten, dass die Parteien dort trotz ausgesprochener Trennung überhaupt nicht auseinandergegangen, sondern beisammen geblieben waren und weiterhin im gleichen Zimmer geschlafen hatten, sodass die Trennung nie effektiv geworden war (
BGE 56 II 156
f.). Es kann nicht darauf ankommen, wie das wiederaufgenommene Zusammenleben nach aussen in Erscheinung tritt; denn anders als etwa hinsichtlich der Rechtswirkungen von Besitz und Gewahrsam ist es hier ohne Belang, welchen Schein das nach aussen sichtbare Verhältnis der getrennt gewesenen Eheleute bei Dritten zu erwecken geeignet ist. Wie die Vorinstanz annimmt, ist massgebend der Wille, der dem Entschluss zur Rückkehr eines Ehegatten in die eheliche Wohnung zu Grunde liegt. "Die rechtliche Bedeutung, die der Wiedervereinigung zukommt - nämlich eben der Ausschluss der Scheidungsklage - erfordert,
BGE 85 II 1 S. 4
dass beiderseits der ernste Wille - der Entschluss - auf dauernde Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft gerichtet sei" (EGGER, Art. 147/48 N. 3), und zwar der vollen, uneingeschränkten Gemeinschaft. Dass nur dies der Inhalt der "Wiedervereinigung" sein kann, geht auch daraus hervor, dass sich die genau gleichen Ausdrücke - Wiedervereinigung und réconciliation - auch in
Art. 146 Abs. 3 ZGB
finden, wo ohne weiteres einleuchtet, dass bei gegebenem Scheidungsgrund statt der verlangten Scheidung nur dann blosse Trennung ausgesprochen werden kann, wenn Aussicht auf volle, vorbehaltlose Wiederherstellung des ehelichen Verhältnisses, nicht bloss des äussern Scheins eines solchen besteht; die Aussicht, dass die Ehefrau wieder einmal, wenn die Kinder sich in einer Notlage befänden, vorübergehend zur Besorgung des Haushaltes in die Wohnung käme, würde zweifellos nicht genügen. Nun stellt die Vorinstanz - und zwar, da es sich dabei um einen innern Tatbestand handelt, für das Bundesgericht verbindlich - fest, dass die Klägerin bei ihrer Intervention im Haushalt des Beklagten nicht die Absicht hatte, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen oder sich auch nur auf einen dahingehenden Versuch einzulassen, sondern nur ihren infolge Wegzugs der ältern Tochter des Beklagten in Not befindlichen Kindern zu Hilfe kam. Über diesen strikte limitierten, eheliche Beziehungen und die Hoffnung auf Wiederherstellung solcher ausschliessenden Sinn ihrer Anwesenheit liess die Klägerin den Mann nicht im Zweifel und wies Annäherungsversuche desselben beharrlich ab. Die vom Berufungskläger als nur einer Ehefrau zustehend aufgezählten Funktionen, auch das Einkaufen auf Kredit, könnten ohne weiteres auch einer Haushälterin zukommen. So wie die Doktrin es ablehnt, schon die geringste Annäherung als Wiedervereinigung genügen zu lassen, weil dies eine Aussöhnung der Ehegatten zu erschweren, ja zu verhindern geeignet sei (EGGER a.a.O.), so wäre es in casu unbillig, die Klägerin für ihre Hilfsbereitschaft für die Kinder mit dem Verlust
BGE 85 II 1 S. 5
des durch das Trennungsurteil gesetzmässig erworbenen Anspruchs auf erleichterte Scheidung büssen zu lassen, was darauf hinausliefe, eine Mutter in dieser Lage vor eine unzumutbare Alternative zu stellen. Unter den vorliegenden Umständen war zwischen den Parteien klargestellt, dass die Klägerin, indem sie in den Haushalt zurückkehrte, nicht in eine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft oder auch nur in einen Versuch einer solchen einwilligte, und die tatsächliche Durchführung des "Zusammenlebens" widersprach diesem Vorbehalt nicht. Es ist daher mit der Vorinstanz eine Wiedervereinigung zu verneinen.
2.
Ebensowenig steht der Klage der Ehefrau der Ausschliessungsgrund des alleinigen Verschuldens an der Zerrüttung entgegen...
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Urteil bestätigt. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8c10009d-9953-4df7-999a-fbbb4609569b | Urteilskopf
101 Ib 462
76. Urteil vom 19. Dezember 1975 i.S. Börsen-Informations AG und Mitbeteiligte gegen Generaldirektion PTT | Regeste
Konzessionsgebühr für den Empfang nicht öffentlicher Fernsehsendungen.
- Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1).
- Zuständigkeit zum Erlass von Gebührenordnungen (E. 2).
- Grundsätze der Gebührenerhebung (E. 3).
- Die Erhebung einer monatlichen Regalgebühr von Fr. 80.-- für die Fernsehkonzession IIIa verletzt Bundesrecht nicht (E. 4 + 5). | Sachverhalt
ab Seite 463
BGE 101 Ib 462 S. 463
In Ausführung von
Art. 36 BV
bestimmt das Bundesgesetz betreffend den Telegrafen- und Telefonverkehr vom 14. Oktober 1922 (TVG) in Art. 1, dass die Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe das ausschliessliche Recht haben, Sende- und Empfangseinrichtungen sowie Anlagen jeder Art, die der elektrischen oder radioelektrischen Zeichen-, Bild- oder Lautübertragung dienen, zu erstellen und zu betreiben. Nach
Art. 3 TVG
können jedoch zur Erstellung und zum Betrieb von Einrichtungen für elektrische und radioelektrische Zeichen-, Bild- und Lautübertragung Konzession erteilt werden. Derartige Konzessionen unterstehen der in der Verordnung (1) zum TVG vom 10. Dezember 1973 (V (I) zum TVG) enthaltenen, auf den 1. Januar resp. 1. Juli 1974 in Kraft gesetzten Konzessionsordnung. Aus den allgemeinen Konzessionsvorschriften ergibt sich, dass mit einer Konzession eine Regalgebühr für die Verleihung von Regalrechten erhoben werden kann. Als Regalgebühren gelten namentlich die Sende- und Empfangsgebühren für elektrische und radioelektrische Anlagen. Am 11. Dezember 1973 erliess das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) eine Vollzugsverordnung zur V (1) zum TVG. Ferner erliess die Generaldirektion der PTT-Betriebe am 17. Dezember 1973 die Verwaltungs- und Betriebsvorschriften B 101 zur V (1) zum TVG und zur Vollziehungsverordnung des EVED. Darin ist unter Ziffer 641 die Fernsehempfangskonzession IIIa geregelt. Diese berechtigt, eine Anlage für den radioelektrischen Empfang von Börsenkursen und Börsenkommentaren, die als nichtöffentliche Fernsehsendungen ausgestrahlt werden, zu betreiben. Der Konzessionär darf auf Grund der nämlichen Konzession im gleichen Gebäude mehrere Empfangsanlagen betreiben. Die monatliche Regalgebühr beträgt Fr. 80.--. Die die Fernsehkonzession IIIa betreffenden Vorschriften sind auf den 1. Januar 1974 in Kraft getreten.
Am 18. Juni 1970 erteilte die Generaldirektion PTT der von Mitgliedern der Basler Börsenkammer gegründeten Börsen-Informations AG eine Konzession zur Erstellung und zum Betrieb eines Fernsehsenders für die drahtlose Übermittlung von Börsenkursen und Börsenkommentaren. Für die Konzession war eine jährliche Regalgebühr zu entrichten, ebenso für das im Jahre 1971 errichtete Relais, mit dem Liestal in das Netz einbezogen wurde. Die Abonnenten der Börsen-Informations AG, vorwiegend Banken in den Kantonen Basel-Stadt
BGE 101 Ib 462 S. 464
und Basel-Landschaft, waren verpflichtet, eine Fernsehempfangskonzession II zu erwerben. Die jährliche Regalgebühr für einen Empfänger betrug Fr. 60.--, die Gebühr für jeden weiteren Empfänger im gleichen Gebäude Fr. 30.--.
Mit Schreiben vom 16. April 1974 teilte die Telefondirektion Basel den Abonnenten der Börsen-Informations AG mit, sie benötigten nunmehr eine Fernsehempfangskonzession IIIa, für die eine monatliche Regalgebühr von Fr. 80.-- zu bezahlen sei. Der Konzessionär dürfe aufgrund der nämlichen Konzession im gleichen Gebäude mehrere Empfangsanlagen betreiben. Am 12. Juni 1974 teilten die PTT-Betriebe der Börsen-Informations AG ferner mit, aufgrund der neuen Konzessionsordnung würden auch die Regalgebühren für Sender und Relais von bisher je Fr. 3'000.-- pro Jahr auf je Fr. 6'000.-- jährlich erhöht.
Gegen die Erhöhung der Regalgebühr für die Fernsehempfangskonzession - nicht aber gegen die Erhöhung der Gebühr für Sender und Relais - erhoben die Börsen-Informations AG und ihre Abonnenten Beschwerde, die von der Generaldirektion PTT abgewiesen wurde.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht verlangen die Börsen-Informations AG und ihre Abonnenten, der Entscheid der Generaldirektion PTT sei aufzuheben. Sie machen im wesentlichen geltend, die Erhöhung der Regalgebühren verstosse einerseits gegen
Art. 36 BV
und
Art. 46 Abs. 2 TVG
, anderseits gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Die Generaldirektion der PTT schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der angefochtene Entscheid der Generaldirektion PTT stellt eine letztinstanzliche Verfügung eines autonomen eidgenössischen Betriebes im Sinne von
Art. 98 lit. d OG
dar, gegen welche die Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich zulässig ist. Keiner der Unzulässigkeitsgründe von
Art. 99-101 OG
trifft im vorliegenden Falle zu; insbesondere steht
Art. 99 lit. b OG
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde nicht zulässig gegen Verfügungen über Tarife. Dies bedeutet jedoch nur, dass der Erlass oder die Genehmigung von Tarifen
BGE 101 Ib 462 S. 465
nicht angefochten werden kann; dagegen steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen gegen Verfügungen im Einzelfall, in denen der Tarif angewendet wird (
BGE 101 Ib 72
f. mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, dass sie für den Empfang der nichtöffentlichen Börsenfernseh-Sendungen eine Gebühr von Fr. 960.-- jährlich entrichten müssen. Sie fechten somit eine einzelne Tarifbestimmung an, die auf sie angewendet worden ist. Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten.
2.
a) Den Beschwerdeführern ist das Recht verliehen worden, eine Anlage für den radioelektrischen Empfang von Börsenkursen und Börsenkommentaren, die als nicht öffentliche Fernsehsendungen ausgestrahlt werden, zu betreiben. Die PTT-Betriebe haben den Beschwerdeführern ein Regalrecht eingeräumt, und die dafür erhobene Taxe stellt sich als Regalgebühr im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. a V (1) zum TVG dar. Die Regalgebühr wird nicht für eine bestimmte Leistung der PTT-Betriebe erhoben, sondern stellt ausschliesslich ein Entgelt für das dem Konzessionär verliehene Recht dar.
b) Es ist zu prüfen, ob die Generaldirektion PTT befugt war, die Regalgebühr selber festzusetzen. Sie hat sich für den Erlass der Verwaltungs- und Betriebsvorschriften B 101 auf Art. 5 Abs. 4 lit. a der Vollziehungsverordnung vom 22. Juni 1970 zum OG PTT gestützt. Nach dieser Vorschrift steht der Generaldirektion der Erlass nicht allgemeinverpflichtender Ausführungsbestimmungen sowie der Verwaltungs- und Betriebsvorschriften zu. Dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit von Abgaben gemäss, der auch für die Gebühren - mit Ausnahme blosser Kanzleigebühren - gilt, ist ein Gebührentarif in der Form eines allgemeingültigen, generell-abstrakten Rechtssatzes zu erlassen. Da Art. 5 Abs. 4 der Vollziehungsverordnung zum OG PTT die Generaldirektion nur ermächtigt, nicht allgemeinverbindliche Ausführungsbestimmungen zu erlassen, vermag diese Bestimmung als gesetzliche Grundlage für den Erlass eines Gebührentarifs nicht zu genügen.
Das will jedoch nicht heissen, dass die Generaldirektion PTT nicht befugt war, den Gebührentarif zu erlassen, und dass dieser deshalb nicht verbindlich wäre. Nach
Art. 14
BGE 101 Ib 462 S. 466
Abs. 1 lit. k OG
PTT ist es grundsätzlich Sache des Bundesrates, Taxen festzusetzen, soweit sie nicht durch Gesetz festgelegt werden.
Art. 14 Abs. 2 OG
PTT ermächtigt den Bundesrat, die Festsetzung von Taxen dem EVED, dem Verwaltungsrat oder der Generaldirektion PTT zu übertragen, soweit er nicht gesetzlich selber als zuständig bezeichnet wird. Diese Vorschrift wird in Art. 12 Abs. 3 und Art. 14 Abs. 2 V (1) zum TVG in gesetzeskonformer Weise näher ausgeführt. Nach Art. 12 Abs. 3 bleibt für alle in den besonderen Konzessionsvorschriften nicht aufgeführten Konzessionen die Festsetzung der Gebühren durch die Konzessionsbehörde vorbehalten, und Art. 14 Abs. 2 bezeichnet die Generaldirektion PTT als Konzessionsbehörde für die vorliegend in Frage stehende Konzession. Daraus erhellt, dass die Generaldirektion zuständig war, die angefochtene Gebührenordnung zu erlassen. Ob diese Zuständigkeitsordnung verfassungsmässig ist und den Anforderungen entspricht, die das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zur Gesetzmässigkeit von Abgaben aufgestellt hat, ist nicht zu prüfen, da der Bundesgesetzgeber im OG PTT - anders als im Giftgesetz (
BGE 101 Ib 73
f.) - die Delegations- und Kompetenzordnung selber erlassen hat, und das Bundesgericht an diese Ordnung nach
Art. 114 bis Abs. 3 BV
gebunden ist.
3.
a) Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass die Gebührenordnung im gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren erlassen worden ist. Ebenso ist nicht streitig die Auslegung von Ziffer 641 der Verwaltungs- und Betriebsvorschriften B 101; danach ist für die Einräumung der Fernsehempfangskonzession IIIa eine monatliche Regalgebühr von Fr. 80.-- geschuldet, wobei der Konzessionär berechtigt ist, aufgrund einer einzigen Konzession im gleichen Gebäude mehrere Empfangsanlagen zu betreiben. Nach Ansicht der Beschwerdeführer steht die Gebühr, wie sie festgesetzt worden ist, mit
Art. 36 BV
und
Art. 46 Abs. 2 TVG
in Widerspruch und ist aus diesem Grunde bundesrechtswidrig. Nach
Art. 36 BV
werden die Tarife im ganzen Gebiet der Eidgenossenschaft nach den gleichen, möglichst billigen Grundsätzen bestimmt, und nach
Art. 46 Abs. 2 TVG
können für Leistungen der Post-, Telefon- und Telegrafenbetriebe, die im Gesetz nicht besonders erwähnt sind, angemessene Gebühren erhoben werden.
BGE 101 Ib 462 S. 467
b) Das Bundesgericht ist befugt und verpflichtet, Ausführungsverordnungen des Bundesrates und ihm nachgeordneter Behörden auf ihre Gesetzmässigkeit und gegebenenfalls auf ihre Verfassungsmässigkeit hin zu überprüfen (
BGE 99 Ib 165
E. 1 mit Hinweisen). Diese Befugnis hat das Gericht grundsätzlich auch dann, wenn eine in einem Vollziehungserlass enthaltene Gebührenordnung als "Tarif" bezeichnet ist (
BGE 101 Ib 72
). Aus
Art. 99 lit. b OG
folgt jedoch, dass das Bundesgericht die gesamte Tarifstruktur der PTT-Betriebe im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit
Art. 36 Abs. 3 BV
einerseits,
Art. 42 lit. b BV
anderseits nicht zu überprüfen hat. Zu prüfen ist nur, ob die angefochtene Tarifbestimmung sich in vertretbarer Weise in die Ordnung der Fernmeldegebühren einfügt.
Gebühren sind Entgelte für besondere staatliche Leistungen. Sie sind nach Massgabe des Kostendeckungsprinzips und des Äquivalenzprinzips festzusetzen (
BGE 99 Ia 539
f.,
BGE 97 I 204
f., 334 f., je mit Hinweisen; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 120; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 4. Aufl., Nr. 412 III-V; ferner BVerwGE 12, 164 ff., 26, 308 ff.; SALZWEDEL in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 312 ff.; WOLFF-BACHOF, Verwaltungsrecht I, S. 308 ff.). Nach dem Kostendeckungsprinzip soll der Ertrag der Gebühren die gesamten Kosten des betreffenden Verwaltungszweiges nicht übersteigen. Bei der Gebührenbemessung können somit auch die allgemeinen Unkosten des Verwaltungszweiges in Rechnung gestellt werden, und die Gesamtkosten müssen nicht unbedingt so auf die einzelnen Verrichtungen verteilt werden, wie es dem durch sie verursachten Arbeits- und Kostenaufwand entsprechen würde. Es ist zulässig, die mit einer bestimmten Verrichtung verbundene Verantwortung, das Interesse des Pflichtigen an der Amtshandlung und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit so zu berücksichtigen, dass die Gebühren für bedeutendere Geschäfte den Ausfall für Verrichtungen ausgleichen, für welche wegen der Geringfügigkeit des Interesses keine kostendeckende Entschädigung verlangt werden kann (
BGE 97 I 204
, 334 f.). Ob das Kostendeckungsprinzip nur dann zu beachten ist, wenn es gesetzlich statuiert ist (so die Auffassung des deutschen Bundesverwaltungsgerichtes, BVerwGE 12, 167, ebenso SALZWEDEL, a.a.O., S. 313; a.M. WOLFF-BACHOF,
BGE 101 Ib 462 S. 468
a.a.O., S. 309), kann offen bleiben. Jedenfalls findet es keine Anwendung auf Gebühren, die für die Einräumung eines Regalrechts oder einer Konzession erhoben werden und denen keine staatliche Leistung gegenübersteht. Diese Gebühren sind jedoch dem Äquivalenzprinzip unterworfen, das die gebührenrechtliche Ausgestaltung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes darstellt und für sämtliche Gebühren gilt. Es setzt der Verteilung der gesamten Kosten eines Verwaltungszweiges auf die einzelnen Verrichtungen Schranken, indem es bestimmt, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung stehen darf (
BGE 97 I 335
; IMBODEN, a.a.O., Nr. 412 V in fine). Dabei bemisst sich der Wert der Leistung entweder nach dem volkswirtschaftlichen Nutzen, den sie dem Pflichtigen bringt, oder nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten Verwaltungsaufwand des Verwaltungszweiges (SALZWEDEL, a.a.O., S. 313).
Den Regalgebühren oder Konzessionsabgaben der PTT steht in der Regel keine oder bloss eine unbedeutende staatliche Leistung gegenüber; nach dem Gesagten unterstehen sie somit nicht dem Kostendeckungsprinzip, wohl aber dem Äquivalenzprinzip, wobei sich bei der angefochtenen Gebühr nur die Frage nach dem für die Beschwerdeführerinnen resultierenden wirtschaftlichen Nutzen stellt. Das Bundesgericht hat nicht zu überprüfen, ob die Gebühr angemessen ist; es hat nur zu prüfen, ob die PTT-Betriebe bei der Festsetzung der Gebühr für die Fernsehempfangskonzession IIIa ihr Ermessen überschritten oder missbraucht haben, das heisst, ob Gebühr und eingeräumtes Recht in keinem vernünftigen Verhältnis stehen, ob die Gebühr gegenüber anderen, vergleichbaren Regalgebühren offensichtlich übersetzt ist, oder ob sie den Gebührencharakter sprengt und eine eigentliche Steuer darstellt.
4.
Die Beschwerdeführer behaupten zunächst, es fehle an einer sachlichen Begründung für die Erhöhung der Regalgebühr auf monatlich Fr. 80.--.
a) Wie die Generaldirektion PTT in ihrem Entscheid vom 24. Februar 1975 und in ihrer Vernehmlassung ausgeführt hat, war Ziel der neuen Gebührenordnung, eine harmonische Tarifstruktur zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden die Gebühren für abonnierte Leitungen und für konzessionierte Fernmeldeanlagen zu den Tarifen für den öffentlichen
BGE 101 Ib 462 S. 469
Telefonverkehr in Verbindung gebracht. Als Ausgangspunkt wurde die Telefonverbindung zwischen verschiedenen Rechtssubjekten innerhalb des nämlichen Telefonnetzes, die sogenannte Leitungskonzession, gewählt, für welche eine monatliche Regalgebühr von Fr. 50.-- angesetzt wurde. Verschiedene Kriterien, darunter insbesondere die Übertragungsgeschwindigkeit, führten für Leitungen zur Datenübermittlung oder zur Übertragung von Fernsehbildern zur Wahl eines Multiplikatorfaktors von 1,6, was die den Beschwerdeführern in Rechnung gestellte monatliche Regalgebühr von Fr. 80.-- ergibt. Nach Ansicht der PTT-Betriebe lässt sich eine unterschiedliche Taxierung der drahtgebundenen gegenüber den drahtlos betriebenen Anlagen, die dem gleichen Zwecke dienen, regalrechtlich nicht begründen. Bei drahtgebundenen Fernsehanlagen hat der Konzessionär im übrigen zusätzlich zur Regalgebühr eine Abonnementsgebühr im Betrag von Fr. 3'600.-- je Kilometer und Jahr für die ihm überlassenen Fernsehkanäle zu entrichten. Zu unterscheiden von der Regalgebühr für den Fernsehempfang ist ferner die - nicht angefochtene - Regalgebühr für die Sendekonzession von heute Fr. 12'000.--, die den Verkehrsausfall in keiner Weise erfasst, sondern als Entschädigung für das verliehene Recht zur Benützung einer bestimmten Frequenz und als Beitrag an die Kosten des Frequenzschutzes und der Frequenzüberwachung zu verstehen ist.
Bei den von den PTT-Betrieben gewählten Berechnungskriterien, die auf umfangreichen Abklärungen beruhen, überzeugt vor allem die Gleichstellung von drahtlosen und drahtgebundenen Anlagen. Für die Konzessionsbehörde bedeutet es unter dem massgebenden Gesichtspunkt des Verkehrsausfalles keinen Unterschied, ob die private Nachrichtenübertragung über drahtgebundene oder drahtlose Anlagen abgewickelt wird. Im einen wie im andern Falle spart der Private, der eine vom öffentlichen Netz unabhängige Anlage benützt, einen Betrag ein, den er für die Nachrichtenübermittlung über das öffentliche Netz entrichten müsste. Der Tatsache, dass die Beschwerdeführer eigene Anlagen betreiben, wird dadurch Rechnung getragen, dass einzig eine Regal-, jedoch keine Abonnementsgebühr erhoben wird.
b) Nun ist den Beschwerdeführern allerdings zuzugeben, dass die vorgenommene Erhöhung der Regalgebühr beträchtlich ist. Vor der Neuordnung des Gebührentarifs hatten sie
BGE 101 Ib 462 S. 470
aufgrund einer Fernsehempfangskonzession II, d.h. einer Konzession für den öffentlichen radio- und drahtelektrischen Empfang der öffentlichen in- und ausländischen Fernsehsendungen, eine jährliche Regalgebühr von Fr. 60.-- für den ersten, und Fr. 30.-- jährlich für jeden weiteren Empfänger im gleichen Gebäude entrichten müssen. Die Neuordnung des Tarifs hat dazu geführt, dass die Regalgebühr nunmehr nach anderen, einheitlichen Grundsätzen berechnet wird und dass damit gewisse, bisher gewährte Vorteile wegfallen. Durch die bessere Unterscheidung der verschiedenen eingeräumten Rechte sind neue Konzessionsarten geschaffen worden; insbesondere ist gerade für das Börsenfernsehen eine adäquatere Lösung getroffen worden. Börsensendungen sind an sich nicht öffentliche, sondern private Sendungen, die teils privat, teils öffentlich empfangen werden. Die Schaffung einer neuen Konzessionsart für das Börsenfernsehen drängte sich deshalb auf, und die zu entrichtende Regalgebühr wurde, dem erhöhten wirtschaftlichen Nutzen der privaten Nachrichten entsprechend, richtigerweise höher angesetzt als bei öffentlichen Fernsehsendungen. Der für den Verkehrsausfall berechnete Betrag von monatlich Fr. 80.-- für das erste und alle weiteren Geräte im gleichen Gebäude ist, verglichen mit den Telefontaxen, die eingespart werden können, nicht unangemessen, auch wenn in Betracht gezogen wird, dass den Beschwerdeführern aus dem Betrieb der Sender und dem Unterhalt der Anlagen weitere Kosten erwachsen oder von der Börsen-Informations AG belastet werden. Auch die neue, erhöhte Gebühr kann noch als Regalgebühr im Sinne des Gesetzes bezeichnet werden, und sie steht mit dem Äquivalenzprinzip in Einklang, obwohl sie an der oberen Grenze des Zulässigen liegt, und eine weitere Erhöhung kaum zu verantworten wäre. Es kann nicht bestritten werden, dass die Regalgebühr vor der Anpassung gegenüber anderen Gebühren äusserst niedrig angesetzt war, und dass sich die PTT-Betriebe in einem finanziellen Engpass befinden, der Tariferhöhungen in ihren sämtlichen Geschäftszweigen unumgänglich macht.
Zusammenfassend ergibt sich damit, dass für die neue Tarifberechnung sachliche Gründe angeführt werden können und keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Konzessionsgebühren der Beschwerdeführer in keinem vernünftigen Verhältnis zum eingeräumten Recht stünden. Hält
BGE 101 Ib 462 S. 471
sich die Regalgebühr im gesetzlichen Rahmen, so kann nicht davon gesprochen werden, dass die Behörde, die den Tarif anwendet, gegen Treu und Glauben verstosse. Den Beschwerdeführern wurden im übrigen bei der Konzessionserteilung keine Zusicherungen gemacht, dass die Konzessionsbedingungen in absehbarer Zeit nicht geändert werden würden, vielmehr wurde eine Änderung jederzeit - und nicht bloss für den Fall, dass ein Koaxialkabelnetz zur Verfügung gestellt würde - vorbehalten.
5.
Die Beschwerdeführer bringen schliesslich vor, es sei nicht einzusehen, weshalb eine Bank mit nur einem Empfangsgerät gleichviel bezahlen müsse, wie eine Bank mit 26 Apparaten. Wie die Generaldirektion PTT in ihrer Vernehmlassung zutreffend ausführt, liegt der Grund dafür darin, dass dem Fernmelderegal nur Anlagen unterliegen, deren Verbindungsleitungen öffentliches Gebiet oder Grundeigentum Dritter beanspruchen oder über die Landesgrenze hinausgehen. Anlagen innerhalb eines Grundstückes sind dagegen regalfrei. Deshalb steht es im Belieben des Konzessionärs, innerhalb des gleichen Gebäudes mehrere Empfangsgeräte zu betreiben, ohne dass eine erhöhte Regalgebühr erhoben würde. Auch diese gegenüber den früher geltenden Vorschriften geänderte und nunmehr für alle Fernsehkonzessionen geltende Ordnung ist sachgemäss und entspricht der gesetzlichen Regelung von
Art. 2 Abs. 1 lit. b TVG
.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
8c120472-acd7-415d-8249-a416699c1f1e | Urteilskopf
100 IV 52
14. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 28 janvier 1974 dans la cause Udry contre Ministère public du canton de Vaud | Regeste
Art. 186 und 292 StGB
.
Da
Art. 292 StG
B eine subsidiäre Bestimmung enthält, muss ausschliesslich Art. 186 angewendet werden, wenn die zuständige Behörde gleichzeitig der Berechtigte ist, der einem Dritten verboten hat, in seine Gebäulichkeiten einzudringen (Erw. 2).
Art. 186 StGB
.
Es ist Sache des kantonalen Rechtes zu bestimmen, welches die Organe sind, durch die der Kanton über Räumlichkeiten verfügt, die ihm gehören (Erw. 3). | Erwägungen
ab Seite 52
BGE 100 IV 52 S. 52
2.
L'art. 292 CP est une règle subsidiaire, qui s'applique seulement en l'absence d'une disposition spéciale réprimant
BGE 100 IV 52 S. 53
l'insoumission elle-même (RO 88 IV 119, 90 IV 207). Lorsque, contrairement à l'hypothèse envisagée dans le dernier arrêt cité, l'autorité compétente est également l'ayant droit qui a manifesté la volonté d'interdire à un tiers de pénétrer dans les lieux assimilés à son domicile au sens de la loi pénale, l'art. 186 CP constitue une disposition spéciale par rapport à l'art. 292 et s'applique à sa place. En l'espèce, en effet, l'art. 186 CP réprime l'insoumission elle-même, puisque celui qui a signifié la décision interdisant au recourant de pénétrer dans les locaux universitaires est précisément l'ayant droit habilité à prendre une telle décision et à en faire sanctionner la transgression en se fondant sur cette disposition.
L'art. 292 CP n'étant ainsi pas applicable, il n'y a lieu ni d'examiner si l'Université de Lausanne, son recteur ou un vicerecteur sont des autorités compétentes pour prononcer des injonctions assorties de la commination prévue à cette disposition, ni d'entrer en matière sur la question de l'opportunité de la décision d'interdiction prise par le rectorat.
3.
Le recourant soutient qu'il a été condamné à tort pour violation de domicile et fait valoir que l'Université de Lausanne, au nom de laquelle a agi le rectorat, n'avait pas qualité pour déposer valablement une plainte.
Toutefois, l'Université de Lausanne constituant une institution autonome du canton de Vaud, l'Etat dispose des locaux par l'intermédiaire des organes directeurs compétents. C'est le droit cantonal qui détermine quels sont ces organes. Les premiers juges ont donc reconnu souverainement (art. 273 al. 1 litt. b PPF) à l'Université de Lausanne et à son rectorat le droit de réclamer la condamnation du recourant pour violation de domicile (RO 90 IV 76). Le moyen doit donc être écarté et la condamnation pour infraction à l'art. 186 CP maintenue. | null | nan | fr | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8c1278bf-ca92-4047-9288-84e9aafe3b37 | Urteilskopf
87 IV 23
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. März 1961 i.S. Dürig gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | Regeste
Art. 26 Abs. 1 MFG.
Auf breiten Strassen darf die Strassenmitte nur benützt werden, wenn die Strecke vollständig frei und übersichtlich ist. | Sachverhalt
ab Seite 23
BGE 87 IV 23 S. 23
Aus dem Tatbestand:
Dürig lenkte am 25. Oktober 1959 nach Einbruch der Dunkelheit ein Personenauto auf der geraden, 6,2 m breiten Hauptstrasse, die zwischen Jegenstorf und Grafenried durch den Hambühlwald führt. Er benützte bei einer Geschwindigkeit von 60 km/Std. die Strassenmitte, indem sein 1,64 m breites Fahrzeug 70 cm links der Leitlinie fuhr. Wegen eines andern Wagens, der 100 bis 200 m vor ihm in der gleichen Richtung rollte, hatte er seine Scheinwerfer abgeblendet, die eine Strecke von 35 m erhellten. Plötzlich tauchte in einer Entfernung von 30-35 m ein entgegenkommender Roller auf, der in der ihm zukommenden Strassenhälfte, aber unweit der Leitlinie entlang fuhr und dessen Licht infolge eines technischen Fehlers erst
BGE 87 IV 23 S. 24
in diesem Augenblick wieder zu leuchten begann. Dürig konnte den Zusammenstoss mit dem Rollerfahrer, der während der Anfahrt offenbar mit der Behebung des Scheinwerferdefektes beschäftigt war, nicht verhindern.
Das Obergericht des Kantons Bern warf Dürig unter anderem vor, er habe pflichtwidrig die Strassenmitte überfahren. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten wurde in diesem Punkt abgewiesen.
Erwägungen
Erwägungen:
Das Gebot des Rechtsfahrens (Art. 26 Abs. 1 MFG) gilt nach der Rechtsprechung nicht absolut. Wo nicht besondere Verhältnisse vorliegen, die das Fahren am äussersten Strassenrand erfordern (vgl.
BGE 81 IV 172
), darf der Motorfahrzeugführer im eigenen Interesse und mit Rücksicht auf allenfalls plötzlich auftauchende Fussgänger oder Radfahrer einen den örtlichen Verhältnissen angemessenen Abstand vom rechten Strassenrand einhalten. Auf Strassen, die breit genug sind, muss aber nach der Regel des Art. 26 Abs. 1 grundsätzlich innerhalb der rechten Strassenhälfte gefahren und die linke Hälfte für den Gegenverkehr frei gehalten werden; die Strassenmitte darf in solchen Fällen nur benützt werden, wenn die Strecke vollständig frei und übersichtlich ist (
BGE 76 IV 61
,
BGE 77 II 258
,
BGE 79 IV 71
).
Der Beschwerdeführer war weder genötigt noch berechtigt, die Strassenmitte zu benutzen. Die asphaltierte Strasse war genügend breit und ihre Beschaffenheit hinreichend gut, um ohne Schwierigkeit in der rechten Hälfte fahren zu können. Hätte der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug nahe an die Leitlinie gehalten, so wären zu seiner Rechten immer noch mindestens 1,40 m offen geblieben. Diesen Abstand durch Überfahren der Strassenmitte auf 2,16 m zu verbreitern, wie es der Beschwerdeführer getan hat, war bei den gegebenen Sichtverhältnissen unstatthaft. Der Beschwerdeführer hätte sich darüber Rechenschaft geben müssen, dass er in der Dunkelheit,
BGE 87 IV 23 S. 25
jedenfalls bei abgeblendetem Licht und hinter einem vorausfahrenden Wagen nur eine beschränkte Übersicht über die zu befahrende Strecke hatte und dass nicht bloss am rechten Strassenrand, sondern auch in der linken Strassenhälfte unvermutet Hindernisse auftauchen konnten. Unter solchen Umständen geht die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht, die dem Gegenverkehr vorbehaltene Fahrbahn frei zu lassen, dem Bedürfnis, auf der rechten Seite gegen Überraschungen möglichst gesichert zu sein, vor. Der Beschwerdeführer hätte nötigenfalls die Scheinwerfer auf Vollicht einschalten oder die Geschwindigkeit herabsetzen können, wenn ihm ein Abstand von 1,40 m zum rechten Strassenrand ungenügend erschien. Auch der bei der Unfallstelle am rechten Strassenrand befindliche Abstellplatz vermag die Abweichung von der Regel des Art. 26 Abs. 1 nicht zu rechtfertigen; der Beschwerdeführer war gegenüber allfälligen aus diesem Platz ausfahrenden Fahrzeugen vortrittsberechtigt, und er durfte sich darauf verlassen, dass deren Führer die zu ihrem Schutze notwendige Vorsicht walten lassen (
BGE 83 IV 34
,
BGE 84 IV 109
). | null | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8c133ba1-3212-4ee4-b1b1-1b99a132d41a | Urteilskopf
120 Ib 189
28. Extrait de l'arrêt de la Ière Cour de droit public du 8 juillet 1994 dans la cause G. contre Office fédéral de la police (recours de droit administratif) | Regeste
Auslieferung an die Republik Malta; Übernahme des 1880 zwischen der Schweiz und Grossbritannien abgeschlossenen Vertrags durch Malta.
Staatennachfolge bei Auslieferungsverträgen; die Schweiz hat durch schlüssiges Verhalten klar zum Ausdruck gebracht, den zwischen ihr und Grossbritannien am 26. November 1880 abgeschlossenen Auslieferungsvertrag gegenüber der Republik Malta anwenden zu wollen (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 189
BGE 120 Ib 189 S. 189
G., ressortissant néerlandais, a été interpellé à Malte le 23 décembre 1989 et invité sous caution à y rester à la disposition des autorités pénales maltaises pour les besoins d'une enquête ouverte contre lui pour détournement de fonds et escroquerie. G. a cependant quitté Malte et ne s'est pas présenté à une audience fixée le 12 mars 1991.
BGE 120 Ib 189 S. 190
Le 29 avril 1994, l'Office fédéral de la police a accordé à la République de Malte l'extradition de G., qui avait été arrêté à Lausanne le 8 février 1994.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours de droit administratif formé contre cette décision.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) La Grande-Bretagne et la Confédération suisse ont conclu, le 26 novembre 1880, un traité d'extradition (ci-après: le Traité; RS 0.353.936.7), dont l'article II énumère les crimes et les délits pour lesquels l'extradition doit être accordée. Ce traité a été complété par une convention additionnelle du 19 décembre 1934 (ci-après: la Convention additionnelle; RS 0.353.936.71), dont l'article 1 prévoit que "l'extradition pourra également être obtenue, si la partie requise y consent, pour tout autre crime ou délit pour lesquels les lois en vigueur sur le territoire de l'une et de l'autre des hautes parties contractantes prévoient la possibilité d'une extradition". La République de Malte est une ancienne possession britannique qui a accédé à l'indépendance le 21 septembre 1964. Elle n'est pas partie à la Convention européenne d'extradition, conclue à Paris le 13 décembre 1957 et entrée en vigueur pour la Suisse le 20 mars 1967 (CEExtr.; RS 0.353.1). De même, elle n'a pas conclu avec la Confédération suisse un traité bilatéral d'extradition.
b) Selon la doctrine et la pratique ancienne du droit international, les traités bilatéraux, et notamment les traités d'extradition, cessaient de produire leurs effets en cas de succession d'Etats (doctrine dite de la "table rase"; cf. CHARLES ROUSSEAU, Droit international public, tome III, Paris, 1977, no 362; MARIO GIULIANO/TULLIO SCOVAZZI/TULLIO TREVES, Diritto internazionale, Milan, 1991, p. 401/402). Selon les conceptions nouvelles, il est admis que les traités bilatéraux restent en vigueur si l'Etat nouvellement indépendant et l'autre Etat partie au traité en conviennent, expressément ou implicitement (ALFRED VERDROSS/BRUNO SIMMA, Universelles Völkerrecht, Berlin, 1976, p. 487/488, NGUYEN QUOC DINH/PATRICK DAILLIER/ALAIN PELLET, Droit international public, 4ème éd., Paris, 1992 no 364; Giuliano/Scovazzi/Treves, op.cit., p. 404-406). C'est aussi la solution consacrée par l'art. 24 par. 1 de la Convention sur la succession d'Etats en matière de traités, conclue à Vienne le 23 août 1978, non encore entrée en vigueur, aux termes duquel un traité bilatéral qui, à la date d'une succession d'Etats, était en vigueur à l'égard du territoire auquel
BGE 120 Ib 189 S. 191
se rapporte la succession d'Etats est considéré comme étant en vigueur entre un Etat nouvellement indépendant et l'autre Etat partie, s'ils en sont expressément convenus ou si, en raison de leur conduite, ils doivent être considérés comme en étant ainsi convenus. En matière d'extradition, la Suisse partage désormais cette conception moderne (
ATF 111 Ib 53
/55 consid. 2, 105 Ib 289-291 consid. 1a-c; contra:
ATF 79 IV 49
).
Le 28 janvier 1992, le Ministère maltais des affaires étrangères a communiqué au gouvernement suisse une note aux termes de laquelle le Traité est applicable à Malte (RS 0.353.954.5). Cette manifestation unilatérale de la volonté de la République maltaise d'être liée à la Suisse par le Traité conclu par la Grande-Bretagne diffère de la procédure suivie par d'autres possessions britanniques devenues indépendantes qui ont repris à leur compte le Traité au terme d'un échange de notes par laquelle la Confédération suisse donnait expressément son consentement à la succession de l'Etat nouvellement indépendant au traité préexistant (cf. les échanges de notes intervenus entre la Suisse et le Kenya, des 19 mai et 21 septembre 1965, RS 0.353.947.2; la Suisse et le Malawi, des 6 janvier et 19 décembre 1967, RS 0.353.953.2; la Suisse et l'Ouganda, des 14 janvier et 21 septembre 1965, RS 0.353.961.8; la Suisse et le Pakistan, des 11 décembre 1954 et 28 novembre 1955, RS 0.953.962.3; la Suisse et la Papouasie-Nouvelle Guinée, des 22 septembre 1976 et 25 février 1977, RS 0.353.963.0; la Suisse et la Tanzanie, des 25 août et 28 septembre 1967, RS 0.353.973.2). Il n'en demeure pas moins qu'en acceptant la note maltaise et en la publiant dans le Recueil systématique des lois fédérales, la Confédération suisse a clairement manifesté, par actes concluants, sa volonté de maintenir l'application du Traité dans ses rapports avec la République de Malte. Il sied de relever toutefois que la note maltaise ne se réfère pas à la Convention additionnelle; il en résulte que les relations extraditionnelles entre la Confédération suisse et la République de Malte sont régies exclusivement par le Traité.
La Suisse est ainsi tenue d'accorder une extradition demandée par Malte lorsque les conditions posées par le Traité sont réunies. En l'absence d'une clause conventionnelle réservant expressément le droit suisse autonome et notamment l'ordre public interne, seuls l'ordre public international et les principes généraux du droit des gens en pourraient motiver le rejet (
ATF 110 Ib 176
consid. 2;
106 Ib 298
consid. 1, 105 Ib 296 consid. 1a et les arrêts cités). L'existence d'un traité ne prive toutefois pas la Suisse de la faculté d'accorder l'extradition en vertu de
BGE 120 Ib 189 S. 192
règles éventuellement plus larges de son droit autonome, soit en particulier l'EIMP et l'OEIMP. En effet, les traités d'extradition sont destinés à favoriser la coopération internationale; ils ne s'opposent donc pas à un octroi plus large de l'extradition. Au demeurant, dans la mesure où elle n'est pas liée par un traité, la Suisse se doit d'appliquer sa loi à tous les cas d'extradition; de plus il serait inconséquent qu'elle refuse l'extradition à des Etats qui lui sont liés par une convention, dans des situations où elle l'accorderait à d'autres Etats sur la seule base de son droit autonome (arrêts non publiés S. du 23 novembre 1989 et D. du 7 février 1989; cf. aussi
ATF 113 Ib 185
consid. 1, 109 Ib 168 consid. 5, 106 Ib 345 consid. b). | public_law | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
8c136f7c-90ae-404d-89f1-f25ad41129bf | Urteilskopf
125 I 253
23. Estratto della sentenza del 20 gennaio 1999 della I Corte di diritto pubblico nella causa X. c. Gran Consiglio del Cantone dei Grigioni (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Art. 88 OG
; Entscheid eines kantonalen Parlamentes, mit welchem die Aufhebung der strafrechtlichen Immunität gegenüber Kantonsrichtern und einem Gerichtsschreiber verweigert wird: Beschwerdelegitimation zur Anfechtung des Entscheides.
Abgesehen vom Anwendungsbereich des eidgenössischen Opferhilfegesetzes hat der Strafanzeiger oder der Geschädigte kein eigenes rechtlich geschütztes Interesse an der materiellrechtlichen Überprüfung eines parlamentarischen Entscheides über die Verweigerung der Immunitätsaufhebung gegenüber den Mitgliedern höherer Verwaltungs- und Gerichtsbehörden. Ein solcher Entscheid ist ähnlich zu beurteilen wie richterliche Verfügungen, in denen die Einstellung oder Nichteröffnung eines Strafverfahrens angeordnet wird. | Sachverhalt
ab Seite 254
BGE 125 I 253 S. 254
In data 5 novembre 1997 l'avv. X. ha presentato alla Procura pubblica dei Grigioni una denuncia penale per delitti contro l'onore (
art. 173 e 177 CP
), eventualmente in connessione con vie di fatto (
art. 126 CP
), come pure per abuso di autorità (
art. 312 CP
) contro i membri della Commissione del Tribunale cantonale dei Grigioni giudici A., B. e C., nonché contro l'attuario D. La denuncia ha per oggetto una decisione pronunciata dalla Commissione su ricorso di Y., patrocinato dal denunciante. Secondo quest'ultimo, i giudici cantonali e l'attuario si sarebbero sfogati esprimendo rimproveri offensivi nei suoi confronti.
In applicazione dell'art. 67 cpv. 2 della legge sulla giustizia penale dell'8 giugno 1958 (LGP), la Procura pubblica ha chiesto al Gran Consiglio del Cantone dei Grigioni l'autorizzazione a procedere penalmente contro i denunciati. Con decreto del 27 gennaio 1998 il Gran Consiglio, seguendo la proposta della Commissione di giustizia, non ha revocato l'immunità dei giudici e non ha rilasciato l'autorizzazione a perseguirli penalmente. Esso ha applicato l'art. 67 cpv. 2 LGP pure all'attuario, negando anche nei suoi confronti l'autorizzazione a procedere penalmente.
X. presenta un ricorso di diritto pubblico, fondato sull'asserita lesione degli
art. 4, 58 Cost.
e 6 n. 1 CEDU, e chiede al Tribunale federale di annullare l'impugnato decreto.
Il Gran Consiglio e il Tribunale cantonale chiedono di respingere il ricorso in quanto ammissibile, l'attuario di respingerlo. La Procura pubblica e i giudici querelati hanno rinunciato a presentare osservazioni.
Il Tribunale federale ha respinto, in quanto ammissibile, il gravame.
Erwägungen
Dai considerandi:
1.
a) Il Tribunale federale esamina d'ufficio e liberamente l'ammissibilità dei ricorsi che gli vengono sottoposti, senza essere vincolato, in tale ambito, dagli argomenti delle parti o dalle loro conclusioni (
DTF 125 I 14
consid. 2a;
DTF 124 I 11
consid. 1, 159 consid. 1).
b) La veste per proporre ricorso di diritto pubblico spetta, giusta l'
art. 88 OG
, ai privati che si trovano lesi nei loro diritti da decisioni che li riguardano personalmente, indipendentemente dalla circostanza
BGE 125 I 253 S. 255
ch'essi avessero qualità di parte nella sede cantonale (
DTF 123 I 279
consid. 3b;
DTF 121 I 267
consid. 2).
Secondo costante giurisprudenza, il denunciante, la parte lesa o la parte civile non sono legittimati a impugnare nel merito decisioni concernenti procedimenti penali nei quali essi abbiano - come il ricorrente - tale qualità. Essi non sono segnatamente legittimati a impugnare i giudizi con cui è stato pronunciato l'abbandono di un procedimento penale o è stata respinta la loro istanza d'apertura dell'istruzione formale. La pretesa punitiva spetta infatti unicamente allo Stato ed essi non possono quindi prevalersi di un interesse giuridico ai sensi dell'
art. 88 OG
(
DTF 121 IV 317
consid. 3b;
DTF 120 Ia 101
consid. 1a, 220 consid. 2a): ciò vale anche nel caso di delitti contro l'onore (
DTF 108 Ia 97
consid. 1;
DTF 114 Ia 275
consid. 1 inedito su ricorso del qui ricorrente). Le citate persone non possono pertanto far valere che l'autorità cantonale avrebbe violato la costituzione, segnatamente il divieto dell'arbitrio nell'applicare la legge, nell'accertare i fatti, nel valutare le prove o nell'apprezzarne la rilevanza.
c) Il ricorrente non si esprime, se non in termini assolutamente generici, sulla sua legittimazione di denunciante a ricorrere, contravvenendo al suo obbligo (cfr.
DTF 120 Ia 369
consid. 1a;
DTF 120 Ib 27
consid. 3a). Quest'obbligo gli incombeva tanto più visto ch'egli non è leso nella sua integrità fisica o psichica. Nessuno dei reati da lui prospettati rientra infatti nel campo di applicazione della legge federale del 4 ottobre 1991 concernente l'aiuto alle vittime di reati (LAV; RS 312.5), che gli avrebbe conferito, quale «lex specialis» per rapporto all'
art. 88 OG
, la capacità di agire (art. 8 cpv. 1;
DTF 120 Ia 157
consid. 2a-d). Non vi rientrano, tranne semmai casi di eccezionale gravità - circostanza non addotta dal ricorrente né ravvisabile nella fattispecie - i delitti contro l'onore (
DTF 120 Ia 157
consid. 2d/aa; FF 1990 II 725). Di massima, neppure l'abuso di autorità conferisce veste di vittima giusta la LAV a chi pretende di averlo subito; del resto, il ricorrente nemmeno afferma che la sua integrità fisica o psichica sarebbe stata direttamente pregiudicata dal comportamento dei denunciati (
DTF 120 Ia 157
consid. 2d/aa). Infine, anche le vie di fatto (su questa nozione v.
DTF 119 IV 25
) non fondano la qualità di vittima (cfr.
DTF 120 Ia 157
consid. 2d/aa; sentenze inedite del 2 settembre 1998 in re B., consid. 3b/aa, del 16 marzo 1998 in re J., consid. 2, e del 7 luglio 1994 in re B., consid. 1).
2.
a) La costante prassi del Tribunale federale, che nega la legittimazione del denunciante a impugnare con un ricorso di diritto pubblico
BGE 125 I 253 S. 256
i giudizi con cui è stato pronunciato l'abbandono di un procedimento penale o è stata respinta l'istanza d'apertura dell'istruzione formale - prassi che, come si è visto, vale anche in materia di delitti contro l'onore - si applica pure al rifiuto di un Parlamento cantonale di revocare l'immunità a membri di autorità amministrative e giudiziarie superiori. Anche in tal caso il ricorso tende in realtà unicamente al perseguimento penale del detentore dell'immunità (sentenze inedite del 4 marzo 1986 in re J., consid. 2, del 2 febbraio 1987 in re A., consid. 1, del 20 marzo 1987 in re L., consid. 1b/aa, del 3 aprile 1989 in re K., consid. 1c, del 4 settembre 1989 in re M., consid. 4a/bb, del 13 settembre 1990 in re M., consid. 2, del 14 maggio 1992 in re E., consid. 2a, e dell'8 gennaio 1996 in re S., consid. 2c; v. anche KARL SPÜHLER, Die Praxis der staatsrechtlichen Beschwerde, Berna 1994, pag. 39 n. 55; nella sentenza inedita del 20 novembre 1979 in re M., concernente una causa grigione, la questione di sapere se un siffatto rifiuto costituiva una violazione di un vero e proprio diritto di parte era stata lasciata aperta perché il ricorso era comunque infondato nel merito, consid. 2b).
Certo, il rifiuto parlamentare di revocare l'immunità non può essere senz'altro parificato al giudizio penale con cui viene respinta l'istanza d'apertura dell'istruzione formale o viene abbandonato il procedimento penale. Le due fattispecie sono tuttavia assimilabili, visto che anche nel primo caso si tende, in definitiva e unicamente, a far perseguire penalmente gli autori del presunto reato, laddove la pretesa punitiva spetta esclusivamente allo Stato. Ne segue che anche nella presente fattispecie al danneggiato può essere riconosciuto solo un mero interesse di fatto, e non giuridico, al perseguimento dei magistrati e dell'attuario. Il mantenimento di tale giurisprudenza si giustifica a maggior ragione dopo l'entrata in vigore della LAV. | public_law | nan | it | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c13c9e1-353e-46de-b461-bf2c38804c50 | Urteilskopf
100 Ib 277
46. Auszug aus dem Urteil vom 31. Mai 1974 i.S. Zollagentur Öschger AG gegen Eidg. Zollrekurskommission. | Regeste
Zollgesetz:
1. Die Unterbrechung der Verjährung von Zollforderungen beurteilt sich, selbst wenn ein Zollvergehen vorliegt, einzig nach
Art. 64 Abs. 3 ZG
(Erw. 3).
2. Unterbrechung oder Ruhen der Verjährung im vorliegenden Falle? (Erw. 4.) | Sachverhalt
ab Seite 277
BGE 100 Ib 277 S. 277
Sachverhalt:
A.-
Die Zollagentur Öschger AG, Basel, hat in der Zeit vom 9. Mai bis 23. Dezember 1969 bei Basler Zollämtern
BGE 100 Ib 277 S. 278
insgesamt 83 Sendungen Damenkleider für die Firmen Spengler AG, Basel, und Steiner AG, Aarburg, zur Einfuhr angemeldet. Die Ware wurde gestützt auf EFTA-Ursprungserklärungen der Firma Ric Rac Ltd., London, zollfrei als EFTA-Zonenware abgefertigt.
Am 22. Januar 1970 ersuchte die Eidg. Oberzolldirektion die zuständige britische Zollbehörde um Überprüfung von insgesamt 44 EFTA-Erklärungen der Firma Ric Rac Ltd. Die britische Behörde antwortete am 9. Februar 1972, ein Teil der von den Erklärungen erfassten Ware müsse als ausserhalb der Freihandelszone erzeugt gelten, sei es, weil für ihre Fabrikation ausserzonale Materialien verwendet worden seien, sei es, weil die Firma Ric Rac Ltd. nicht in der Lage gewesen sei, einen Nachweis ihrer Unterlieferanten vorzulegen, wonach die verarbeiteten Materialien aus dem Gebiet der Freihandelsassoziation stammten. Der Antwort lag eine Liste bei, in der angegeben war, welche Waren sich nicht als EFTA-Zonenwaren qualifizierten.
Auf Weisung der Eidg. Oberzolldirektion eröffnete die Zollkreisdirektion Basel der Zollagentur Öschger AG am 22. März 1972 das Ergebnis der Überprüfung des Warenursprungs durch die britische Zollbehörde und stellte ihr die Nacherhebung des entgangenen Zolles von Fr. 38236.25 für die Sendungen an die Spengler AG und Fr. 1168.05 für die an die Steiner AG gegangene Ware in Aussicht. Sie bemerkte, auf die Einleitung eines Strafverfahrens werde verzichtet, da die Zollagentur Öschger AG nicht die Möglichkeit gehabt habe, den Warenursprung zu überprüfen. Die beiden angekündigten Nachforderungsverfügungen ergingen am 6. April 1972.
B.-
Auf Beschwerde der Zollagentur Öschger AG setzte die Eidg. Zollrekurskommission am 5. September 1973 die Zollforderung für die Sendungen an die Spengler AG auf Fr. 34 189.90 herab, bestätigte im übrigen aber die Verfügungen der Zollkreisdirektion.
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Zollagentur Öschger AG, die Zollforderung von Fr. 34 189.90 aufzuheben oder angemessen herabzusetzen. Sie macht im wesentlichen geltend, die Zollnachforderungen seien bereits verjährt gewesen, als die Zollkreisdirektion Basel sie ihr am 22. März 1972 eröffnet habe. Das Ersuchen der Eidg. Oberzolldirektion an die britische Zollbehörde habe die Verjährung
BGE 100 Ib 277 S. 279
nicht unterbrochen. Nur eine gegen den Zahlungspflichtigen gerichtete Handlung vermöge gemäss
Art. 64 Abs. 3 ZG
die Verjährung zu unterbrechen. Nach
Art. 83 Abs. 3 ZG
setze die Unterbrechung der Verjährung eine "gegen den Täter gerichtete Verfolgungshandlung" voraus. Die Verjährung könne also nicht ohne Wissen des Zahlungspflichtigen unterbrochen werden jedenfalls nicht, solange dieser nicht einmal wisse, dass gegen ihn ein Verfahren laufe. Übrigens verjährten Zollnachforderungen bereits in einem Jahr, falls, wie hier, kein strafbares Zollvergehen vorliege. Die Vorinstanz habe zu Unrecht die zweijährige Verjährungsfrist des
Art. 83 OG
zur Anwendung gebracht.
D.-
Die Eidg. Zollrekurskommission und die Eidg. Oberzolldirektion beantragen, die Beschwerde unter Kostenfolge abzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
...
2.
Die Parteien sind sich darüber einig, dass am 22. Januar 1970, als die Eidg. Oberzolldirektion ihr Überprüfungsgesuch an die britische Zollbehörde richtete, die Verjährungsfristen für die hier im Streite liegenden Zollnachforderungen bereits liefen. Fest steht ausserdem, dass der Beschwerdeführerin erstmals mit Schreiben vom 22. März 1972 von dieser Überprüfung und ihrem Ergebnis sowie der Absicht der schweizerischen Zollbehörden, Zoll nachzufordern, Kenntnis gegeben wurde. Die Eidg. Oberzolldirektion hat die britische Zollbehörde, wie sich aus den Akten ergibt, erstmals am 12. Februar 1971, also mehr als ein Jahr nach Zustellung des Überprüfungsgesuchs, zur Antwort auf das Gesuch gemahnt. Die Verjährungseinrede der Beschwerdeführerin wäre demnach jedenfalls dann begründet, wenn den Schreiben der Eidg. Oberzolldirektion an die britische Zollbehörde keine die Verjährung unterbrechende Wirkung zukäme.
3.
Die Unterbrechung der Verjährung von Zollforderungen ist in
Art. 64 Abs. 3 ZG
geregelt. Sie beurteilt sich selbst wenn ein Zollvergehen vorliegt nicht nach
Art. 83 Abs. 3 ZG
, bzw.
Art. 284 Abs. 3 BStP
, verweist
Art. 64 Abs. 2 ZG
doch für diesen Fall einzig auf die Absätze 1 und 2 von
Art. 83 ZG
.
Anzunehmen, die Unterbrechung der Verjährung der Zollforderungen
BGE 100 Ib 277 S. 280
aus Zollvergehen sei bloss aus Versehen nicht auch den für die Verfolgungsverjährung geltenden Regeln unterstellt worden, verbietet sich. Art. 64 Abs. 2 des bundesrätlichen Entwurfs zum Zollgesetz lautete: "Werden Zölle und andere Abgaben durch Widerhandlungen gegen Zollvorschriften hinterzogen, so gelten hinsichtlich ihrer Verjährung die für die Verfolgungsverjährung (Art. 82 dieses Gesetzes) vorgesehenen Bestimmungen" (BBl 1924 I 94). Dieser Wortlaut hätte zum Schlusse verführen können, nicht nur der Beginn und die Dauer, sondern auch die Unterbrechung der Verjährung von Zollforderungen richteten sich nach den für die Verfolgungsverjährung aufgestellten Regeln; dies obschon in Absatz 3 derselben Bestimmung bereits die heute in
Art. 64 Abs. 3 ZG
enthaltene Norm über die Unterbrechung der Verjährung von Zollforderungen vorgesehen war. Wenn die heute geltende Fassung von
Art. 64 Abs. 2 ZG
nur noch für den Beginn und die Dauer der Verjährung von Zollforderungen auf die Bestimmung über die Verfolgungsverjährung verweist, so will sie damit offenbar klarstellen, dass sich die Unterbrechung der Forderungsverjährung in jedem Falle nach
Art. 64 Abs. 3 ZG
beurteilt (vgl. Urteil vom 29. November 1963 i.S. Wolff, Erw. 7). Ob ein Zollvergehen vorliegt, braucht somit in diesem Zusammenhange hier nicht geprüft zu werden.
4.
Nach
Art. 64 Abs. 3 ZG
wird die Verjährung von Zollforderungen durch jede zur Geltendmachung des Anspruchs gegen einen Zahlungspflichtigen gerichtete Handlung unterbrochen. Sie ruht während des Laufes eingeräumter Zahlungsfristen.
a) Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführerin weder das Überprüfungsgesuch noch die beiden Mahnungen der Eidg. Oberzolldirektion an die britische Zollbehörde zur Kenntnis gebracht worden sind. Amtshandlungen, von denen der Zahlungspflichtige keine Kenntnis erlangt, können aber in der Regel nicht als Handlungen betrachtet werden, die im Sinne von
Art. 64 Abs. 3 ZG
zur Geltendmachung des Anspruchs gegen den Zahlungspflichtigen gerichtet sind, mithin die Verjährung der Zollforderung unterbrechen. Analog der Regelung, die auf Grund von
Art. 135 ff. OR
für zivilrechtliche Forderungen gilt, kann auch die Verjährung von Zollforderungen grundsätzlich nur durch Handlungen unterbrochen werden, die dem Zahlungspflichtigen zur Kenntnis gelangen.
BGE 100 Ib 277 S. 281
Wie im Zivilrecht, ist eine Ausnahme von diesem Grundsatz im wesentlichen nur bei echter Solidarität zwischen mehreren Zahlungspflichtigen anzunehmen (vgl. zit. Urteil i.S. Wolff, Erw. 7).
Gegen diese Auslegung führt die Vorinstanz insbesondere an,
Art. 64 Abs. 2 ZG
habe den Zweck, sicherzustellen, dass hinterzogene Zölle solange nacherhoben werden könnten, als auch ein Strafanspruch geltend gemacht werden könnte. Die Verfolgungsverjährung werde aber nach der bundesgerichtlichen Praxis (
BGE 73 IV 258
,
BGE 90 IV 63
) durch jede amtliche Handlung unterbrochen, die geeignet sei, das Verfahren zu fördern und nicht, wie Aktenstudium, etc., rein interner Natur sei. Die Vorinstanz verkennt dabei, dass mit der ausdrücklichen Beschränkung der Tragweite von
Art. 64 Abs. 2 ZG
auf Beginn und Dauer der Verjährung klargestellt worden ist, dass sich die Unterbrechung der Forderungsverjährung nach anderen Regeln richtet, als die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung, der Eintritt der Forderungsverjährung somit gar nicht immer mit dem Eintritt der Verfolgungsverjährung zusammenfallen muss. Sie übersieht auch die schweren praktischen Nachteile, die ihre Auslegung zur Folge hätte. Es versteht sich, dass es für den Zahlungspflichtigen von grösster Wichtigkeit ist, zu wissen, ob die Verjährung einer Zollforderung unterbrochen worden ist, dies insbesondere, wenn er, wie im vorliegenden Falle die Beschwerdeführerin, den Zollbetrag an sich auf Dritte überwälzen könnte. Einer Handlung der Zollbehörde, die dem Zahlungspflichtigen nicht zur Kenntnis gelangt, generell verjährungsunterbrechende Wirkung zuerkennen, hiesse, in diesem Gebiete die Rechtssicherheit aufheben.
Die Verjährung der Zollnachforderungen ist im vorliegenden Falle somit nicht gültig unterbrochen worden. Verjährungsunterbrechende Wirkung hätte dem Überprüfungsgesuch und den Mahnungen der Eidg. Oberzolldirektion an die britische Zollbehörde nur zuerkannt werden können, wenn diese Schreiben und ihre möglichen Folgen (Nacherhebung von Zoll) der Beschwerdeführerin unverzüglich zur Kenntnis gebracht worden wären, was übrigens ohne weiteres möglich gewesen wäre.
b) Die Eidg. Oberzolldirektion fragt sich in ihrer Vernehmlassung, ob nicht in Anlehnung an
Art. 64 Abs. 3 ZG
zweiter Satz anzunehmen sei, die Verjährung habe in der Zeit zwischen
BGE 100 Ib 277 S. 282
dem Abgang des Überprüfungsgesuchs und dem Eintreffen des Untersuchungsberichts geruht. Für eine solche Annahme lässt sich der Umstand anführen, dass die Eidg. Zollbehörden in jener Zeit tatsächlich gar nicht in der Lage waren, die Abgabeforderungen geltend zu machen und auch, abgeshen von Mahnungen, nichts vorkehren konnten, um das Eintreffen des Untersuchungsberichts der britischen Zollbehörde zu beschleunigen (vgl. Urteil vom 13. April 1962 i.S. Natural AG). Im Interesse der Rechtssicherheit kann aber nur in besonderen Ausnahmefällen ein Ruhen der Forderungsverjährung angenommen werden (vgl.
BGE 90 II 228
ff.). Im vorliegenden Falle hätte diese Annahme höchstens getroffen werden können, wenn die Forderungsverjährung mit dem Überprüfungesuch der Eidg. Oberzolldirektion an die britische Zollbehörde gültig unterbrochen worden wäre. Aus
Art. 101 Abs. 3 ZG
hat das Bundesgericht geschlossen, dass die Verfolgungsverjährung während des Beschwerdeverfahrens über die Abgabefestsetzung ruhe (
BGE 88 IV 93
,
BGE 89 IV 163
). Für die Forderungsverjährung lässt sich weder aus dieser Bestimmung noch aus den bundesgerichtlichen Entscheiden dazu etwas herleiten.
Die gegen die Beschwerdeführerin geltend gemachten Zollnachforderungen sind somit verjährt. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
8c14604f-52df-4491-831f-c2fb11ce883d | Urteilskopf
101 III 58
12. Arrêt du 26 février 1975 dans la cause Libyan National Oil Corporation. | Regeste
Arrestverfahren.
1. Das Betreibungsamt, das mit einem Arrestbegehren befasst ist, hat Dritte aufzufordern, über die bei ihnen zu arrestierenden Gegenstände Auskunft zu erteilen. Darauf hat es zu entscheiden, ob der Arrest erfolglos war oder ob er zum Ziel geführt hat oder zum Ziel geführt haben kann (E. 1, Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Fällt die Arrestprosequierungsklage in die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes, so hat der Gläubiger innert zehn Tagen die ersten Schritte zur Bestimmung der Schiedsrichter zu unternehmen. Er hat die Klage sodann innert zehn Tagen nach Bestellung des Schiedsgerichtes einzuleiten (E. 2).
3. Banken sind verpflichtet, dem Betreibungsamt Auskunft zu erteilen über die Arrestgegenstände, die in ihren Besitze sind; sie können sich nicht auf das Bankengeheimnis berufen. Verweigern sie ihre Mitwirkung gleichwohl, so haften sie für allfälligen Schaden; hingegen können Banken in dieser Verfahrensstufe keine strafrechtlichen Sanktionen angedroht werden, wenn ein Arrest zur Sicherung einer Forderung dienen soll, deren Bestand im Zeitpunkt der Anordnung noch ungewiss ist (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 59
BGE 101 III 58 S. 59
A.-
Le 26 octobre 1970, Wetco Ltd, société pétrolière londonienne, a passé avec la Libyan National Oil Corporation (ci-après: LINOCO) un contrat portant sur la fourniture de pétrole.
Le 3 septembre 1971, le Tribunal de première instance de Genève a rendu une ordonnance de séquestre, à la requête de Wetco Ltd, au préjudice de la LINOCO. Ce séquestre a porté sur les avoirs déposés au nom ou pour le compte de la LINOCO auprès de l'Union de banques suisses, de la Société de banque suisse et du Crédit suisse à Genève; il a été notifié le 6 septembre 1971 à ces établissements. Ceux-ci ne se sont pas déterminés.
Le 17 septembre 1971, Wetco Ltd a introduit une poursuite en validation du séquestre. Le commandement de payer ayant été frappé d'opposition, Wetco Ltd a ouvert, le 4 mai 1972, une action au fond, au for de Genève, pour faire reconnaître sa créance. Sur la base des déclarations faites par les établissements bancaires à la mission permanente de la République arabe de Libye auprès de l'ONU, la LINOCO, estimant avoir établi l'absence de tous biens séquestrés, a demandé l'annulation du commandement de payer notifié le 23 mars 1972 et conclu à l'incompétence de l'Office des poursuites de Genève pour exécuter des actes de poursuites contre elle. Toutefois, vu l'absence de la détermination des tiers séquestrés, l'Office a décidé qu'il n'était pas possible de dire si le séquestre était effectif ou inopérant, parce que l'on ne pouvait pas savoir s'il existait ou non a Genève des biens appartenant à la séquestrée.
BGE 101 III 58 S. 60
Sur plainte de la LINOCO, l'autorité cantonale de surveillance a confirmé la décision de l'Office des poursuites de Genève.
La LINOCO a recouru contre cette décision. La Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral, par arrêt du 4 juin 1974, a annulé la décision attaquée et invité l'autorité cantonale à compléter l'instruction, à prendre position sur le point de savoir si le séquestre avait échoué ou abouti, puis à rendre une nouvelle décision (RO 100 III 25 ss).
B.-
L'Office des poursuites de Genève a invité les trois établissements bancaires à dire expressément s'ils détenaient ou non des biens pour la LINOCO. Invoquant le secret professionnel, deux des banques ont refusé de répondre. La troisième n'a pas répondu. L'Office des poursuites de Genève a alors informé les parties et l'autorité cantonale de surveillance de l'insuccès de ses démarches, toujours sans prendre position sur le point de savoir s'il admettait ou non que des actifs tombant sous le coup du séquestre existaient ou pouvaient exister et partant si le séquestre avait abouti ou non.
La LINOCO s'est adressée le 10 septembre 1974 à l'autorité de surveillance en demandant que de nouvelles démarches, assorties de la menace prévue à l'art. 292 CP, soient entreprises par l'Office des poursuites auprès des banques; en outre, elle a informé l'autorité cantonale de surveillance que le Jugement rendu le 30 mai 1974, par lequel le Tribunal de première instance de Genève s'était déclaré incompétent ratione materiae pour connaître de l'action en validation du séquestre introduite par Wetco Ltd, avait acquis force de chose jugée, de sorte que le séquestre aurait de toute manière cessé de produire des effets pour n'avoir pas été validé comme la loi l'exige.
De son côté, Wetco Ltd a contesté que les séquestres fussent devenus caducs, exposant que, parallèlement à l'introduction des actions en validation de séquestre devant les tribunaux ordinaires de Genève, elle avait entrepris les démarches nécessaires en vue de la constitution du tribunal arbitral prévu par l'art. 12 du contrat conclu entre les parties le 26 octobre 1970; que, dans ces conditions, elle avait renoncé à recourir contre le jugement d'incompétence rendu le 30 mai 1974 par le tribunal de Genève; qu'au surplus, elle avait accompli pour sa part les obligations que la convention d'arbitrage lui imposait.
BGE 101 III 58 S. 61
C.-
Le 27 novembre 1974, l'autorité cantonale de surveillance a rendu une décision par laquelle elle ordonnait à l'Office des poursuites de Genève de déterminer en particulier si:
a) la créancière séquestrante avait réellement entrepris, dans les dix jours à partir de la réception du commandement de payer frappé d'opposition, les premières démarches en vue de la désignation des arbitres;
b) les démarches entreprises par la créancière séquestrante pouvaient être considérées comme diligentes et ininterrompues en vue de la constitution du Tribunal arbitral; et de rendre une décision motivée, susceptible de recours sur la caducité éventuelle du séquestre;
c) dans la mesure où le séquestre ne serait pas caduc, de procéder à l'inscription au procès-verbal de saisie des réponses reçues des tiers séquestrés ou de leur silence et de se déterminer sur l'existence ou l'inexistence de biens tombant sous le coup du séquestre.
D.-
La LINOCO a recouru au Tribunal fédéral contre cette décision. Elle conclut à son annulation et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale de surveillance. Elle requiert qu'il soit donné à cette autorité "l'ordre précis et formel de sommer les banques auprès desquelles les séquestres ont été pratiqués de répondre de façon complète à toutes les questions permettant à l'autorité de surveillance de dire si oui ou non des biens saisissables appartenant à la recourante avaient été séquestrés, les sommations aux banques devant être assorties de la menace prévue à l'art. 292 CP".
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le créancier qui requiert un séquestre est tenu de justifier sa créance et le cas de séquestre (art. 272 LP); cependant, une preuve stricte de la créance n'est pas exigée; une simple vraisemblance suffit (JAEGER, n. 7 ad art. 272 LP; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schuldbetreibungsrechts, p. 837; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, 2e éd., p. 217; FAVRE, Cours de droit des poursuites, 3e éd., p. 360).
Par son arrêt du 4 juin 1974, le Tribunal fédéral a invité l'autorité cantonale de surveillance à compléter ou faire compléter l'instruction en interpellant les banques auprès desquelles
BGE 101 III 58 S. 62
les séquestres avaient été requis, et à prendre position sur le point de savoir si le séquestre avait échoué, avait abouti ou pouvait avoir abouti.
A la suite de cet arrêt, l'Office des poursuites de Genève a sommé derechef les trois banques de lui "faire une déclaration complète concernant les biens séquestrés". Le Crédit suisse s'est retranché derrière le secret bancaire et a estimé qu'il n'était pas tenu de faire une déclaration au stade de la procédure de séquestre. La SBS s'est refusée à donner les renseignements demandés, faisant valoir que la jurisprudence de l'arrêt publié au RO 75 III 108 ss n'était pas modifiée par l'arrêt du 4 juin 1974. L'UBS n'a pas répondu du tout.
Au lieu de prendre position sur le point de savoir si les séquestres avaient échoué, abouti ou pouvaient avoir abouti, l'Office des poursuites a communiqué à l'autorité cantonale de surveillance, le 21 août 1974, qu'il maintenait son procès-verbal de séquestre et qu'il ne pourrait faire figurer les réponses des banques au procès-verbal que lorsqu'elles auraient donné suite à ses demandes. Par là, l'Office des poursuites ne s'est pas conformé à l'arrêt du 4 juin 1974.
L'autorité cantonale de surveillance a ainsi jugé avec raison que l'Office des poursuites devait apprécier les informations qu'il avait pu recueillir et dire dans le procès-verbal s'il en concluait que des actifs tombant sous le coup du séquestre existaient ou pouvaient exister et si le séquestre avait abouti ou échoué. Elle a dès lors décidé à juste titre d'inviter l'Office des poursuites ä se prononcer, ä porter sa détermination au procès-verbal et à en informer les parties. Ces instructions correspondent à l'arrêt du 4 juin 1974.
2.
Devant l'autorité cantonale de surveillance, la recourante a fait valoir que la créancière n'avait pas validé le séquestre par une action en justice introduite dans le délai de dix jours de l'art. 278 al. 2 LP et que, dès lors, le séquestre était devenu caduc. L'intimée prétend pour sa part avoir procédé aux démarches nécessaires pour la constitution du tribunal arbitral prévu par la convention liant les parties.
Le séquestre serait caduc et ne produirait plus d'effets, si l'action en validation n'avait pas été introduite en temps utile. Comme l'a relevé avec raison l'autorité cantonale de surveillance, lorsque l'action en validation du séquestre est de la compétence d'un tribunal arbitral, le créancier, si ce tribunal
BGE 101 III 58 S. 63
n'est pas déjà constitué, doit entreprendre dans les dix jours les démarches en vue de la désignation des arbitres; à cet égard, il est tenu de faire diligence; de son côté, le débiteur ne doit pas agir d'une manière contraire à la bonne foi (cf. SJ 1942 p. 539; RO 56 III 236/237); le tribunal arbitral une fois constitué, le créancier doit introduire son action dans les dix jours, afin d'assurer, dans le temps, le lien organique entre la poursuite consécutive au séquestre et le procès en validation.
L'autorité cantonale a ainsi enjoint avec raison à l'Office des poursuites de déterminer d'abord si le créancier avait entrepris les démarches nécessaires à valider le séquestre. En effet, si le séquestre est devenu caduc, l'Office des poursuites le constatera et le communiquera aux parties; il ne sera alors pas nécessaire qu'il se prononce sur le le point de savoir si le séquestre a échoué, abouti ou peut avoir abouti, et mentionne sa décision au procès-verbal.
3.
Les banques sont tenues de renseigner l'Office des poursuites sur les biens séquestrés qu'elles détiennent et ne peuvent pas se retrancher derrière le secret bancaire pour refuser de se déterminer; elles engagent leur responsabilité civile envers le créancier séquestrant si elles lui causent un dommage par leur attitude (RO 75 III 108-110;
100 III 29
). En revanche, lorsque le séquestre est ordonné en garantie d'une créance dont l'existence est encore incertaine au moment où il est exécuté, une banque ne peut pas être menacée de sanctions pénales (art. 292 CP), à ce stade préliminaire de la poursuite, pour le cas où elle refuse de prêter son concours à l'Office (RO 75 III 110).
Cette jurisprudence a soulevé des controverses. Elle est approuvée par certains auteurs, tels VON ARX (Über die Auskunftpflicht der Banken im Arrestverfahren, SJZ 1948 p. 369 ss = BlSchK 1949 p. 33 ss), WOLF (Zur Auskunftpflicht der Banken im Arrestverfahren, BlSchK 1949 p. 65 ss) et FRITZSCHE (Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, 2e éd., pp. 222/223); elle est en revanche critiquée notamment par HEGETSCHWEILER (Über die Auskunftpflicht der Banken im Arrestverfahren, SJZ 1949 p. 38 ss), PERRIN (Les banques dans la procédure de séquestre, SJZ 1950 p. 187 ss) et SCHAEFER (Das Bankgeheimnis, SJZ 1953 p. 338).
Il n'est toutefois pas nécessaire de prendre position sur les
BGE 101 III 58 S. 64
critiques dirigées contre la jurisprudence précitée, qui n'a pas été modifiée par l'arrêt du 4 juin 1974. Dans l'espèce, en effet, les banques se retranchent derrière le secret bancaire, ainsi que cela ressort de leurs déterminations. Si la recourante tient, comme elle le prétend, à ce que les banques fournissent à l'Office les renseignements demandés, il lui appartient de lever l'incertitude, de délier ces établissements du secret bancaire et de les inviter à donner suite aux sommations de l'Office des poursuites.
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites:
Rejette le recours. | null | nan | fr | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8c1601f7-8171-4465-bf18-e9008438f970 | Urteilskopf
91 II 146
22. Beschluss der I. Zivilabteilung vom 22. Juni 1965 i.S. Ramseier gegen Kauer. | Regeste
Berufung.
Prozesserledigung und Kostenregelung bei Rückung der Klage durch den Berufungsbeklagten während des Berufungsverfahrens.
Art. 54, 156, 159 OG
;
Art. 72 BZP
. | Sachverhalt
ab Seite 146
BGE 91 II 146 S. 146
A.-
Mit Urteil vom 6. Mai 1964 hat der Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer, erkannt:
"1. Im Sinne von
Art. 49 Abs. 2 OR
wird als Genugtuung für den Kläger gerichtlich festgestellt, dass die in dem vom Beklagten erlassenen Zirkular vom 23. Mai 1961 enthaltenen Ausdrücke "der intrigante Chefredakteur" und "Nachrichtenzuhälter" unbefugt und widerrechtlich waren. Sie werden missbilligt." (Dispositiv 1).
BGE 91 II 146 S. 147
Die weitergehenden Begehren (mit denen der Kläger u.a. die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung einer Genugtuungssumme und von Schadenersatzleistungen in der Höhe von insgesamt ca. Fr. 800 000.-- gefordert hatte) wurden abgewiesen (Dispositiv 2) und die gesamten Prozesskosten wettgeschlagen (Dispositiv 3).
B.-
Gegen dieses Urteil, das den Parteien am 5. Mai 1965 zugestellt wurde, hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage.
C.-
Mit Eingabe vom 26. Mai 1965 hat der Kläger dem Bundesgericht mitgeteilt, er ziehe die Klage vollumfänglich zurück. Hiezu sah er sich aus folgenden Gründen veranlasst: Wegen der gleichen Ausdrücke, auf die er seine zivilrechtlichen Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche stützte, hatte der Kläger gegen den Beklagten auch Strafanzeige wegen Ehrverletzung erstattet. Die Strafkammer des Obergerichts Bern erklärte den Beklagten mit Urteil vom 23. Dezember 1964 der Beschimpfung schuldig. Auf Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten hin hat jedoch der Kassationshof des Bundesgerichts mit Entscheid vom 9. April 1965 diese Verurteilung aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beklagten an die Vorinstanz zurückgewiesen. Auf Grund dieses Sachverhaltes ist der Kläger nach seinen Ausführungen zum Schlusse gelangt, es stehe heute fest, dass kein Straftatbestand vorliege, weshalb die strafrechtliche Verjährungsfrist (
Art. 60 Abs. 2 OR
) nicht mehr in Frage komme. Nach dem somit massgebenden
Art. 60 Abs. 1 OR
aber sei der geltendgemachte Schadenersatz- und Genugtuungsanspruch verjährt, da die Klage erst nach Ablauf der Jahresfrist seit Kenntnis des Anspruchs erhoben worden sei. Die Streitsache sei daher infolge Klagerückzugs als erledigt abzuschreiben, wobei die Verjährungsfrage zu berücksichtigen und die kantonalen Kosten dementsprechend zu liquidieren seien. Da der Beklagte von den kantonalen Strafgerichten wegen Beschimpfung verurteilt und erst vom Kassationshof freigesprochen worden sei, habe sich der Kläger in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst sehen dürfen.
D.-
Mit Eingabe vom 31. Mai 1965 vertritt der Beklagte die Auffassung, durch den vollständigen Klagerückzug habe der Berufungsbeklagte im Verfahren vor Bundesgericht den Abstand erklärt und sich damit dem Berufungsbegehren des
BGE 91 II 146 S. 148
Berufungsklägers mit Ausnahme der Kostenfrage angeschlossen. Gestützt hierauf beantragt der Berufungskläger:
"1. Es sei festzustellen, dass der Berufungsbeklagte im Berufungsverfahren die Klage gegen den Berufungskläger vollumfänglich zurückgezogen und damit den Abstand erklärt hat.
2. Das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern vom 6. Mai 1964 sei aufzuheben und die Sache zur Bestimmung der Prozesskosten an die kantonale Instanz zurückzuweisen.
3. Der Berufungsbeklagte sei zu den Prozesskosten des Berufungsklägers im Verfahren vor Bundesgericht zu verurteilen."
E.-
Der Kläger nimmt demgegenüber mit Eingabe vom 1. Juni 1965 den Standpunkt ein, infolge seines Klagerückzuges sei das mit der Berufung angefochtene Urteil gegenstandslos geworden und die Berufungssache deshalb am Protokoll abzuschreiben. Die bundesgerichtlichen Kosten seien nach Gesetz zu liquidieren, während bezüglich der kantonalen Kosten die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen sei.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 54 Abs. 2 OG
wird durch zulässige Berufung der Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils im Umfang der Berufungsanträge gehemmt.
Die Berufung des Beklagten hatte somit zur Folge, dass das Urteil des Appellationshofs Bern vom 6. Mai 1964, soweit es zuungunsten des Beklagten lautete, d.h. in Bezug auf Dispositiv 1, nicht in Rechtskraft erwuchs. Hinsichtlich der Frage, ob dem Kläger der mit dem angefochtenen Urteil zugesprochene, im Berufungsverfahren allein noch streitige Genugtuungsanspruch zustehe, blieb die Streitsache somit rechtshängig.
Solange die Rechtshängigkeit dauert, steht dem Kläger das freie Verfügungsrecht über den von ihm mit der Klage geltend gemachten Anspruch zu (
BGE 82 II 83
; LEUCH, Kommentar zur bernischen ZPO, 3. Aufl., Art. 397 N. 6; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., § 34 Ziff. 1). Im vorliegenden Falle war der Kläger daher befugt, noch im Verfahren vor Bundesgericht die Klage zurückzuziehen, d.h. auf sie und damit materiellrechtlich auf den eingeklagten Anspruch zu verzichten. Dass nicht er die Berufung erklärt, sondern sich mit dem vorinstanzlichen Urteil abgefunden hat, ändert nichts.
Der Klagerückzug beendet den Prozess unmittelbar (LEUCH, a.a.O.). Das noch nicht rechtskräftig gewordene Urteil einer
BGE 91 II 146 S. 149
unteren Instanz fällt mit dem in der oberen Instanz erklärten Klagerückzug ohne weiteres dahin. Einer besonderen Feststellung dieses Dahinfallens, wie der Beklagte sie verlangt, bedarf es daher auch dann nicht, wenn der Kläger im kantonalen Verfahren obgesiegt hat und die Berufung vom Beklagten erhoben worden ist. Die Streitsache ist deshalb als durch Klagerückzug erledigt abzuschreiben.
Die Auffassung des Beklagten, die Abschreibung habe deshalb zu erfolgen, weil sich der Kläger dem Berufungsbegehren des Beklagten angeschlossen habe, trifft nicht zu. Massgebend ist, dass der Kläger mit seiner Abstandserklärung in Ausübung seines Verfügungsrechtes auf den im Berufungsverfahren noch streitigen Anspruch verzichtet hat.
Durch den Klagerückzug ist der Rechtsstreit entgegen der Meinung des Klägers auch nicht gegenstandslos geworden im Sinne von
Art. 72 BZP
, der nach
Art. 40 OG
auch auf das Berufungsverfahren anwendbar ist (nicht publ. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Dezember 1953 i.S. Fuchs c. Ruf, Erw. 2). Gegenstandslosigkeit im Sinne von
Art. 72 BZP
liegt vor, wenn der eingeklagte Anspruch aus einem vom Willen des Anspruchsberechtigten unabhängigen Grunde erlischt, wie z.B. bei Erfüllung durch den Beklagten oder einen Solidarschuldner, Ablauf der Schutzfrist bei Patentnichtigkeitsklage (weitere Beispiele bei LEUCH, op.cit. Art. 203 N. 2).
Nach der Praxis wird allerdings ein Berufungsverfahren auch dann als gegenstandslos abgeschrieben, wenn das angefochtene Urteil infolge Gutheissung einer gleichzeitig erhobenen kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde aufgehoben wird. Ein solches Dahinfallen des angefochtenen Urteils ist aber dem durch Klagerückzug im Berufungsstadium bewirkten nicht gleichzusetzen. Denn während der Klagerückzug den Rechtsstreit beendet, nimmt er bei Aufhebung des angefochtenen Urteils durch die kantonale Nichtigkeitsinstanz seinen Fortgang. Das Berufungsverfahren kann lediglich deswegen nicht weitergeführt werden, weil kein anfechtbarer Entscheid mehr vorhanden ist und das kantonale Verfahren daher bis zum Vorliegen eines solchen weitergeführt werden muss.
2.
Nach
Art. 156 Abs. 1 OG
werden die bundesgerichtlichen Verfahrenskosten in der Regel der vor Bundesgericht unterliegenden Partei auferlegt; dasselbe gilt gemäss
Art. 159 Abs. 2 OG
für die Parteientschädigung. Als unterliegende
BGE 91 II 146 S. 150
Partei ist auch der Kläger zu betrachten, der seine Klage im Berufungsstadium zurückzieht und damit die Unbegründetheit des von ihm eingeklagten Anspruchs anerkennt.
Unter Hinweis auf
Art. 156 Abs. 3 und
Art. 159 Abs. 3 OG
meint der Kläger, die Kosten seien zum Teil dem Beklagten aufzuerlegen; da dieser von den kantonalen Zivil- und Strafgerichten der Beschimpfung schuldig befunden worden sei, habe der Kläger sich in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst sehen dürfen.
Der Umstand, dass eine obere Instanz einen Streitfall anders beurteilt als die untere, rechtfertigt indessen für sich allein nicht, von der regelmässigen Ordnung der Kostenpflicht abzuweichen. Hiefür bedarf es ganz besonderer, aussergewöhnlicher Verhältnisse. Solche sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die bundesgerichtlichen Kosten sind daher dem Kläger aufzuerlegen, wobei die Gerichtsgebühr gestützt auf
Art. 153 Abs. 2 OG
zu ermässigen ist. Ebenso ist bei der Festsetzung der Parteientschädigung zu berücksichtigen, dass die Sache durch Klagerückzug erledigt wird und die Abfassung der Berufungsschrift keinen besonderen Aufwand erforderte.
3.
Vom Dahinfallen des kantonalen Urteils, soweit es Gegenstand der Berufung bildete, wird auch der kantonale Kostenspruch erfasst. Die Sache ist daher zur Vornahme einer neuen, dem Prozessausgang entsprechenden Kostenregelung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eine Neuverlegung der kantonalen Kosten durch das Bundesgericht, wie der Kläger sie zunächst beantragt hatte, kommt nicht in Betracht, da sie gemäss
Art. 157 und
Art. 159 Abs. 6 OG
nur zulässig ist, wenn das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid auf Grund materieller Beurteilung abändert (
BGE 85 II 291
). | public_law | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8c1b3e79-5347-45bb-99f2-094ee8c3eb24 | Urteilskopf
124 III 418
72. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour civile du 20 octobre 1998 dans la cause commune de Lausanne contre Ingenieurbüro Dr. Ludwig Silberring AG (recours en réforme) | Regeste
Art. 55 ZGB
,
Art. 59 Abs. 1 ZGB
,
Art. 33 Abs. 1 und 3 OR
. Privatrechtliches Handeln und Stellvertretung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts.
Im privatrechtlichen Rechtsverkehr wird eine juristische Person des öffentlichen Rechts durch die Rechtshandlungen ihrer öffentlichrechtlich bestimmten Organe sowie durch das Verhalten von Personen verpflichtet, denen gemäss
Art. 55 ZGB
Organeigenschaft zukommt (E. 1a-b).
Eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann auch durch eine auf Rechtsschein beruhende Vollmacht im Sinne von
Art. 33 Abs. 3 OR
verpflichtet werden, selbst wenn der Vertreter ihr gegenüber in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis steht (E. 1c). | Sachverhalt
ab Seite 419
BGE 124 III 418 S. 419
Dès 1971, avec l'autorisation du Conseil communal, la Municipalité de Lausanne a entrepris l'étude d'une nouvelle usine de production d'électricité et de chaleur pour le chauffage à distance. Le projet ressortissait à la Direction des services industriels. Celle-ci est placée sous l'autorité d'un conseiller municipal; elle comprend notamment, dans le cadre de son service de l'électricité, la division chaleur-force.
De sa propre initiative, oralement, le chef de la division chaleur-force a confié à l'ingénieur Ludwig Silberring, puis, par la suite, à la société anonyme fondée par celui-ci, des travaux relatifs aux études préliminaires et à l'avant-projet de la future usine. La Municipalité confirma ces commandes pour un montant total de 280'000 fr. Cependant, d'entente avec le fonctionnaire précité, l'ingénieur travailla au delà des prestations formellement commandées; il remit le projet général d'une première étape, prêt pour une mise à l'enquête publique, et un avant-projet de l'extension finale. La Municipalité n'en fut pas informée, bien que le Directeur des services industriels eût signé certains documents du projet général, tels que des plans destinés aux enquêtes publiques. Elle commanda encore des travaux d'étude, en fait déjà accomplis, pour un montant supplémentaire de 300'000 fr. Peu après, le projet fut abandonné et les prétentions du bureau d'ingénieurs, qui tendaient à la rétribution de toutes les prestations fournies, furent rejetées.
Ayant ouvert action contre la commune de Lausanne, le bureau d'ingénieurs a obtenu 592'581 fr., avec suite d'intérêts, à titre d'honoraires encore dus. Statuant sur le recours en réforme de la défenderesse, le Tribunal fédéral a réduit cette somme de moitié. Il a retenu que les prestations concernées n'avaient certes pas été commandées de façon à obliger la commune, mais que celle-ci les avait partiellement utilisées et qu'elle devait ainsi une indemnité fondée sur le rapport contractuel de fait.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Il convient de déterminer préalablement, au regard des faits de la cause, les règles applicables à l'exercice des droits civils et à la représentation de la commune défenderesse.
a) Celle-ci est une personne morale instituée par le droit public cantonal. Il appartient dès lors exclusivement à ce droit de désigner les organes habilités à exprimer la volonté de la personne morale et à accomplir ainsi des actes juridiques en son nom, y compris des actes
BGE 124 III 418 S. 420
juridiques soumis au droit civil fédéral (
ATF 110 II 196
consid. 2 p. 198; RIEMER, Commentaire bernois, 1993, n. 130 in partie systématique ad
art. 52-59 CC
; CLAIRE HUGUENIN JACOBS, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bâle 1996, n. 11 ad
art. 59 CC
). Il ressort de l'arrêt attaqué que, dans cette acception, d'après la législation vaudoise sur les communes, seule la Municipalité a qualité d'organe.
b) Entrant en relation avec un bureau d'ingénieurs tel que la société demanderesse, pour faire étudier un projet d'équipement industriel, la défenderesse n'exerce aucune prérogative particulière qui lui serait conférée par le droit public, inhérente à ses attributions étatiques (cf.
ATF 117 Ia 107
consid. 2d p. 113); elle se trouve au contraire dans une position juridique identique à celle de l'autre partie, équivalant à celle d'une personne physique ou d'une personne morale de droit civil fédéral; leur relation est donc soumise à ce droit. En pareil contexte, nonobstant la réserve en faveur du droit public prévue par l'
art. 59 al. 1 CC
, la collectivité publique peut éventuellement être obligée non seulement par les actes juridiques de la Municipalité, mais aussi, conformément à l'art. 55 al. 2 in fine CC, par le comportement d'autres personnes qui ont qualité d'organe au sens de cette disposition (
ATF 101 II 177
consid. 2b p. 184/185; RIEMER, loc.cit. n. 131; HUGUENIN JACOBS, op.cit. n. 12 ad
art. 59 CC
; voir aussi
ATF 113 II 426
consid. 1a;
ATF 111 II 149
consid. 2a p. 151, de même que PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4e éd., p. 203, où l'on se réfère au contexte de l'"exercice d'une industrie" au sens de l'
art. 61 al. 2 CO
; celui-ci est toutefois équivalent:
ATF 102 II 45
consid. 2a p. 47; ANTON SCHNYDER, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bâle 1996, n. 9 ad
art. 61 CO
).
En particulier, lorsqu'une personne ayant qualité d'organe acquiert la connaissance de certains faits, cette connaissance devient - en principe - opposable à la personne morale (RIEMER, op.cit., n. 47 et ss ad art. 54/55 CC; HUGUENIN JACOBS, op.cit., n. 19 ad art. 54/55 CC); cela s'applique en tous cas au sein d'un organe collégial tel que la Municipalité, où la connaissance acquise par l'un de ses membres est censée partagée par tous (RIEMER, op.cit., n. 49 ad art. 54/55 CC). De même, tout acte accompli en sa qualité par l'organe, même s'il n'a pas été agréé par les autres organes, est censé être accompli par la personne morale (
ATF 120 II 58
p. 64 in initio;
ATF 115 Ib 274
p. 281 in medio).
La qualité d'organe, au sens de l'
art. 55 CC
, appartient à toute personne physique qui, d'après la loi, les statuts ou l'organisation
BGE 124 III 418 S. 421
effective de la personne morale, prend part à l'élaboration de sa volonté et jouit en droit ou en fait du pouvoir de décision correspondant (
ATF 122 III 225
consid. 4b p. 227;
ATF 117 II 570
consid. 3 p. 571); elle ne dépend pas du pouvoir de représentation (
ATF 105 II 289
consid. 5a p. 292).
En sa qualité de membre de la Municipalité et de chef hiérarchique d'un important secteur de l'administration communale, le Directeur des services industriels était de toute évidence, dans cette acception-ci, un organe de la défenderesse.
Le chef de la division chaleur-force se trouvait, lui, dans une position subordonnée et il n'exerçait d'activité, d'après ce qui ressort de l'arrêt attaqué, que dans le domaine purement technique et spécifique de cette division. Néanmoins, il gérait de façon entièrement indépendante un projet industriel considérable, dont la première étape était estimée à environ 27'000'000 de fr. En novembre 1982, le service de l'électricité l'a expressément désigné, à l'égard des bureaux d'architectes et d'ingénieurs civils qui ont été alors mandatés, comme la personne chargée de traiter l'affaire. Il était le représentant de la défenderesse pour toutes les questions d'ordre technique et il prenait seul toutes les décisions, même les plus importantes, qui incombent au maître de l'ouvrage dans un tel contexte. Cette situation s'est prolongée durant plusieurs années. Dans ces conditions, le chef de la division chaleur-force doit être considéré lui aussi comme un organe de la défenderesse, en ce qui concerne ledit projet (
ATF 87 II 184
p. 188 in initio).
c) Les droits et les obligations dérivant d'un contrat fait au nom d'une autre personne, par un représentant autorisé, passent au représenté (
art. 32 al. 1 CO
). Le pouvoir de représentation, en tant qu'il se fonde sur des rapports de droit public, est réglé par le droit public de la Confédération ou des cantons (
art. 33 al. 1 CO
). Si un pouvoir de représentation a été porté par le représenté à la connaissance d'un tiers, son étendue est déterminée envers ce dernier par les termes de la communication qui lui a été faite (
art. 33 al. 3 CO
).
D'après l'arrêt attaqué, la Municipalité a laissé se créer l'apparence qu'un pouvoir de représentation était conféré au chef de la division chaleur-force, de telle façon que celui-ci fût habilité à commander des travaux d'ingénieur excédant ceux formellement commandés par elle-même; en vertu de l'
art. 33 al. 3 CO
, la collectivité publique était donc liée par les commandes effectivement passées et devait acquitter la rétribution correspondante. La défenderesse tient ce jugement pour contraire à l'
art. 33 al. 1 CO
. A son avis, la
BGE 124 III 418 S. 422
Municipalité ne pouvait conférer un pouvoir de représentation que conformément au droit public, dès lors que les rapports de fonction du chef de la division chaleur-force étaient soumis à ce droit.
L'
art. 33 al. 1 CO
concerne le pouvoir de représentation inhérent, le cas échéant, à un rapport de droit public (cf.
ATF 110 II 196
consid. 2 p. 198). Cette disposition n'exclut aucunement qu'une personne morale de droit public confère un pouvoir de représentation sur la base d'un rapport juridique de droit civil fédéral; une commune peut, par exemple, attribuer un mandat comportant ce pouvoir. La disposition précitée n'exclut pas non plus que, dans le cadre d'un rapport de droit civil fédéral, la personne morale de droit public communique à l'autre partie qu'elle confère un pouvoir de représentation à une tierce personne; en pareil cas, cette communication doit avoir, entre les parties, les effets prévus par l'
art. 33 al. 3 CO
. On ne discerne pas pourquoi il en serait autrement lorsque le représentant ainsi désigné est, comme en l'espèce, un agent public (cf.
ATF 25 II 1009
et arrêt du 11 juillet 1995 in Praxis 1996 p. 420, concernant les cantons de Berne et de Zurich, où le pouvoir de représentation a été admis); en effet, la communication faite au partenaire de droit civil est un acte autonome de la personne morale, juridiquement indépendant des rapports de fonction du représentant. Par ailleurs, dans ses relations de droit civil, la collectivité publique répond du comportement de ses organes selon l'
art. 55 al. 2 CC
, sans égard aux règles du droit public; il est donc logique qu'elle ne puisse pas non plus invoquer ce droit pour échapper aux conséquences des procurations qu'elle émet, expresses, tacites ou apparentes; elle doit au contraire être tenue, le cas échéant, selon l'
art. 33 al. 3 CO
(cf. GUHL/KOLLER/DRUEY, Das schweizerische Obligationenrecht, 8e éd., p. 161; ZÄCH, Commentaire bernois, 1990, n. 18 ad
art. 33 CO
; SCHWAGER, Die Vertretung des Gemeinwesens beim Abschluss privatrechtlicher Verträge, thèse, Fribourg 1974, p. 351 et ss).
Le moyen que la défenderesse tire de l'
art. 33 al. 1 CO
est ainsi privé de fondement. Une autre question sera d'examiner si l'
art. 33 al. 3 CO
a été correctement appliqué par les premiers juges. | null | nan | fr | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8c1ebdd8-cc07-40d2-9a28-9ba030d99c42 | Urteilskopf
89 I 381
55. Arrêt du 6 novembre 1963 dans la cause Chappuis contre Conseil d'Etat du Canton de Vaud. | Regeste
Eigentumsgarantie. Materielle Enteignung.
Kantonaler Überbauungsplan, welcher aus Gründen des Landschaftsschutzes eine Bauverbotszone um einen See vorsieht. Abweisung des von einem betroffenen Grundeigentümer gestellten Entschädigungsbegehrens durch die kantonale Behörde.
1. Das Bundesgericht prüft frei, ob gegenüber einem Grundeigentümer eine materielle Enteignung vorliegt (Erw. 1).
2. Begriff der materiellen Enteignung. Ist, wenn bloss ein Teil einer Parzelle von einem totalen Bauverbot betroffen wird, die Frage, ob eine materielle Enteignung vorliege, im Hinblick auf das ganze Grundstück oder nur im Hinblick auf den mit dem Bauverbot belasteten Teil zu beurteilen? (Erw. 2).
3. Prüfung eines Falles mit dem Ergebnis, dass eine materielle Enteignung anzunehmen ist. Pflicht des Staates, den betroffenen Grundeigentümer in irgend einer Form zu entschädigen (Erw. 3 und 4). | Sachverhalt
ab Seite 382
BGE 89 I 381 S. 382
A.-
La loi vaudoise du 5 février 1941 sur la police des constructions (LPC) prévoit des plans d'extension communaux et des plans d'extension cantonaux. L'art. 53 LPC autorise l'Etat à établir des plans d'extension cantonaux pour diverses régions du territoire vaudois, notamment pour les rives du lac de Bret. Un certain nombre de règles concernant les plans communaux sont applicables par analogie aux plans cantonaux. Ainsi en va-t-il de l'art. 30 al. 1 LPC, aux termes duquel "la commune peut être tenue d'exproprier sitôt après l'approbation du plan toute parcelle non bâtie dont la valeur dépend principalement de la possibilité d'y construire, lorsque l'utilisation en est rendue impossible ou gênée dans une trop large mesure par l'interdiction de construire".
BGE 89 I 381 S. 383
B.-
François Chappuis est propriétaire d'un domaine agricole formé, pour l'essentiel, d'une vaste parcelle sise le long de la rive est du lac de Bret, et qui n'est séparée de celui-ci que par une bande de terrain très étroite, appartenant à la commune de Lausanne. Cette parcelle comprend deux zones séparées par une crête, l'une inclinée vers l'est, l'autre vers l'ouest, c'est-à-dire en direction du lac.
A la fin de 1960, Chappuis décida de vendre un morceau de son fonds regardant le lac, soit 13 000 m2 environ. Il fit établir un projet de lotissement prévoyant la construction de plusieurs maisons de week-end. Au début de 1961, il offrit le terrain à vendre par des annonces publiées dans la presse. Plusieurs amateurs s'intéressèrent à l'affaire. Le projet souleva cependant des oppositions, notamment de la part du Département des travaux publics du canton de Vaud. Ce dernier décida de préparer un plan d'extension, qui fut adopté par le Conseil d'Etat vaudois le 11 décembre 1961. Ce plan interdit ou restreint les constructions dans toute la région entourant le lac de Bret. Il divise la parcelle du recourant en deux parties. L'une comprend précisément la zone pour laquelle Chappuis avait fait un projet de lotissement. Elle englobe les pentes inclinées vers le lac, ainsi que la crête et une petite bande de terrain à l'est de celle-ci. Elle est une zone de non bâtir. L'autre, qui s'étend à tout le solde du fonds (incliné vers l'est), ne peut recevoir que des constructions en rez-de-chaussée. L'espace actuellement occupé par la ferme du domaine pourrait recevoir un bâtiment d'un étage sur rez-de-chaussée.
C.-
Le 5 octobre 1962, Chappuis, qui ne s'était pas opposé au plan d'extension, s'adressa au Conseil d'Etat du canton de Vaud en lui demandant d'exproprier, conformément à l'art. 30 LPC, la portion de son terrain frappée d'une interdiction totale de construire. Le 28 novembre 1962, le Conseil d'Etat écarta cette requête. Il considéra que les conditions de l'art. 30 LPC n'étaient
BGE 89 I 381 S. 384
pas remplies, que la parcelle était dans une zone agricole où la valeur des fonds ne dépendait pas principalement de la possibilité d'y construire, que les avantages du plan pour l'ensemble du domaine en compensaient les inconvénients et que d'ailleurs une partie importante de ce dernier demeurait constructible.
D.-
Agissant par la voie du recours de droit public, Chappuis requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision du Conseil d'Etat. Il se plaint d'un acte arbitraire et d'une atteinte à la garantie de la propriété. Il avait également déféré cette décision à la Commission cantonale de recours en matière de police des constructions, qui a déclaré son recours irrecevable.
Le Conseil d'Etat conclut au rejet du recours de droit public.
Une délégation du Tribunal fédéral a procédé à une inspection locale.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le plan d'extension relatif aux rives du lac de Bret constitue une restriction de droit public à la propriété foncière au sens de l'art. 702 CC. Les restrictions de ce genre sont admissibles à la condition qu'elles reposent sur une base légale, qu'elles soient dans l'intérêt public et que, lorsqu'elles équivalent à une véritable expropriation, elles donnent lieu au paiement d'une indemnité (RO 89 I 104, 88 I 83/84, 175). Ni la base légale ni l'intérêt public du plan ne sont en cause ici. La question de l'indemnité est seule litigieuse. Sur ce point, le recourant ne pouvait attaquer le plan directement. Conformément à la jurisprudence, il devait au préalable demander l'expropriation prévue par l'art. 30 LPC (RO 84 I 176/177). C'est aussi bien ce qu'il a fait. Toutefois, il a été débouté par une décision du Conseil d'Etat, qui est sans recours et, partant, épuise les instances cantonales. Il s'agit de savoir s'il est victime d'une expropriation matérielle sans indemnité. Le Tribunal fédéral peut juger cette question
BGE 89 I 381 S. 385
avec un plein pouvoir d'examen. Pour la trancher, il n'a besoin de savoir ni si l'art. 30 LPC -est en soi conforme à la garantie de la propriété ni s'il a été appliqué en l'espèce de façon arbitraire.
2.
En règle générale, la jurisprudence admet l'existence d'une expropriation matérielle lorsque le propriétaire se voit interdire l'usage qu'il était en droit de faire jusqu'alors de sa chose ou l'utilité économique qu'il avait le pouvoir d'en tirer; l'expropriation matérielle est aussi réalisée quand l'interdiction restreint l'utilisation de la chose d'une manière particulièrement sensible et qu'elle frappe un propriétaire unique ou quelques propriétaires seulement, et cela dans une mesure telle que, s'ils ne recevaient pas d'indemnité, ils devraient supporter un sacrifice par trop considérable en faveur de la collectivité (RO 82 I 164, 81 I 346, 69 I 241/242). Dans la première éventualité, la jurisprudence protège surtout l'utilisation actuelle du bien. Dans la seconde, elle vise à sauvegarder également l'utilisation possible de l'immeuble à l'avenir.
Lorsqu'une parcelle n'est frappée qu'en partie d'une interdiction totale de bâtir, le Tribunal fédéral considère qu'il faut examiner la question d'une éventuelle expropriation matérielle au regard non seulement de la zone frappée de la défense absolue de construire, mais du fonds tout entier (RO 82 I 165). Dans de nombreux cas, cette règle est justifiée par le motif notamment que lorsqu'une partie d'un terrain est inconstructible, le solde de la parcelle peut souvent encore être utilisé pour y bâtir dans des conditions assez voisines. Toutefois, le principe posé par la jurisprudence ne saurait être absolu. Il convient de réserver les situations particulières. Ainsi, il arrive qu'en raison des circonstances, par exemple de la configuration des lieux, un terrain ne puisse être utilisé à des fins de construction que sur la partie frappée de l'interdiction. En pareille hypothèse, le propriétaire grevé est entièrement privé des avantages - généralement très appréciables - qu'offre la possession d'un terrain à bâtir.
BGE 89 I 381 S. 386
C'est uniquement la surface frappée de l'interdiction totale qu'il faut alors prendre en considération pour décider si, du fait de la mesure prise, le propriétaire est victime d'une expropriation matérielle.
3.
Jusqu'à l'adoption du plan d'extension relatif aux rives du lac de Bret, le recourant a constamment utilisé son terrain à des fins agricoles. Le plan ne l'empêche pas de continuer à en faire cet usage. La première hypothèse envisagée par la jurisprudence n'est donc pas réalisée.
Quant à la seconde, il s'agit de rechercher d'abord si elle doit être examinée en ne tenant compte que du fonds grevé de la défense absolue de construire. Il n'est pas douteux à cet égard que l'espace dont le recourant envisageait le lotissement et qui est frappé par l'interdiction, constitue une parcelle à bâtir. Le terrain est incliné vers l'ouest. Si une villa y était construite, elle jouirait d'une vue imprenable sur le site - d'une grande beauté - que constitue la nappe d'eau et son cadre de prairies et de forêts. La zone qui offre cet attrait particulier est d'ailleurs située dans une région encore tranquille et à faible distance de l'agglomération lausannoise, à laquelle elle est reliée par d'excellentes routes. Elle est ainsi un emplacement particulièrement approprié à la construction de maisons de week-end. Le plan de lotissement établi par le recourant et le succès des annonces qu'il a publiées dans la presse montrent que ses projets eussent été rapidement réalisables. En revanche, le reste du domaine n'offre pas pour la construction un attrait comparable à celui de la zone d'où tout bâtiment est proscrit. Il est incliné vers l'est, soit dans une direction opposée à celle du lac, dont il est séparé par une crête. Les paysages n'y sont guère différents de ceux de toute la région. C'est dès lors de la seule surface grevée d'une interdiction totale qu'il faut tenir compte pour rechercher si le recourant est victime d'une expropriation matérielle.
A cet égard, l'interdiction de construire décrétée par le Conseil d'Etat a mis les projets du recourant à néant.
BGE 89 I 381 S. 387
D'une parcelle à bâtir spécialement bien située, elle a fait un simple fonds agricole. Ce fonds est du reste de faible valeur: en raison de la pente et de l'humidité due à la proximité du lac, il se prête mal à la culture et peut tout au plus être utilisé comme pâturage. Ainsi, le recourant, qui ne s'est pas livré au moindre acte de spéculation, est empêché d'utiliser rationnellement une surface de quelque 13 000 m2, qui, sur le plan agricole, ne représente pour son domaine qu'un maigre avantage. Il est privé de la sorte d'un profit très important et voit son terrain subir une moins-value considérable. Il est dès lors atteint d'une manière particulièrement sensible. Si quelques parcelles voisines de la sienne et se trouvant dans une situation analogue sont peut-être touchées de même façon, il est en tout cas certain qu'un nombre très restreint de propriétaires est lésé aussi gravement que le recourant. Supposé que ce dernier ne soit pas dédommagé sous une forme ou sous une autre, il subirait un sacrifice par trop considérable en faveur de la collectivité. Il s'ensuit qu'il est victime d'une expropriation matérielle.
Peu importe que le fonds litigieux soit séparé du lac par une mince bande de terrain appartenant à la commune de Lausanne. En effet, l'attrait de la parcelle pour d'éventuels constructeurs réside dans la vue sur le lac et non dans l'accès à celui-ci. D'ailleurs, selon toute vraisemblance, cet accès aurait pu faire l'objet d'une convention entre les constructeurs et la commune.
Rien ne servirait non plus d'objecter que l'interdiction de bâtir est propre à augmenter la valeur du domaine dans son ensemble. En effet, cet avantage, même s'il est incontestable, ne compense de loin pas les inconvénients découlant de la mesure prise. Peut-être en aurait-il été autrement si la configuration des lieux avait été différente et si des constructions avaient pu être élevées ailleurs sur le domaine du recourant dans des conditions à peu près analogues à celles relatives aux bâtiments que le plan entend proscrire. Mais cette condition n'est pas remplie,
BGE 89 I 381 S. 388
ce qui distingue précisément la situation réalisée en l'espèce de celle qui existait dans les affaires Le Fort (arrêt non publié du 3 juin 1946) et Egger (RO 82 I 157 ss.). Comme on l'a dit, la partie du domaine où des maisons pourraient être bâties n'offre nullement un attrait comparable à celui de la zone interdite. L'implantation naturelle de ces maisons serait telle que, de leur logis, les propriétaires ne verraient rien ou presque rien du site très particulier du lac de Bret. C'est pourquoi le recourant ne saurait remédier aux inconvénients du plan en adjoignant à la zone qu'il voulait vendre une bande de terrain prise sur la partie de son domaine où des constructions restent possibles. Les parcelles qu'il aurait pu ainsi constituer auraient eu la forme d'un dos d'âne et n'auraient pu recevoir de constructions qu'à l'endroit sans vue sur le lac. Elles auraient alors perdu l'essentiel de leur attrait.
4.
La décision prise équivaut à une expropriation matérielle. Elle n'accorde pas de dédommagement au recourant, sous quelque forme que ce soit. Elle est donc contraire à la garantie de la propriété. Pour ce motif déjà, elle doit être annulée. Il est dès lors inutile de rechercher si l'art. 30 LPC, sur lequel elle est fondée, est conforme à cette garantie, ni s'il a été appliqué en l'espèce d'une manière arbitraire.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
Admet le recours et annule la décision attaquée. | public_law | nan | fr | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c2568b2-16fb-4b4d-8627-fda11213cb78 | Urteilskopf
138 I 468
40. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Gemeinde Wangen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_518/2012 vom 23. November 2012 | Regeste
Art. 49 Abs. 1 und
Art. 91 Abs. 1 BV
; Art. 5, 6, 14 und 22 StromVG,
Art. 4 StromVV
;
Art. 7a EnG
; Bundesrechtswidrigkeit von kommunalen (oder kantonalen) Preisbestimmungen bzw. eines Genehmigungsvorbehalts nach Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes.
Mit der neuen Stromversorgungsgesetzgebung ist die in einem Konzessionsvertrag festgehaltene Kompetenz des Gemeinderates Wangen, die Tarife für die Energielieferung einer privatrechtlichen Netzbetreiberin zu genehmigen, bundesrechtswidrig geworden; die Festlegung der Elektrizitätstarife ist mit Ausnahme der Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen abschliessend bundesrechtlich geregelt (E. 2.3-2.8). | Sachverhalt
ab Seite 469
BGE 138 I 468 S. 469
A.
Die Gemeinde Wangen/SZ als Konzessionsgeberin und die X. AG als Konzessionärin schlossen am 30. Mai 1996 einen Konzessionsvertrag ab betreffend teilweise Versorgung der Gemeinde Wangen mit elektrischer Energie. Die X. AG erhält dadurch das Recht und die Pflicht, ein festgelegtes Gebiet der Gemeinde Wangen mit elektrischer Energie zu erschliessen und zu beliefern. Art. 12 des Konzessionsvertrags regelt die Tarifordnung. Danach erstellt die X. AG eine Tarifordnung, für welche hinsichtlich aller Bezügergruppen und Tarifarten die Prinzipien der Rechtsgleichheit, der Kostendeckung, der Äquivalenz und der Verhältnismässigkeit gelten. Das Werk ist berechtigt, nach dieser Tarifordnung von den Strombezügern Anschlusskosten, Netzanschlussgebühren und wiederkehrende Gebühren zu verlangen. Die Tarifordnung des Werks unterliegt nach Art. 12 Abs. 4 des Konzessionsvertrags der Genehmigung durch den Gemeinderat.
B.
Mit Eingabe vom 30. Juni 2011 beklagten sich Strombezüger der X. AG beim Gemeinderat Wangen, dass die Stromtarife der X. AG über 25 % höher seien als die Stromtarife des EW Wangen. Der Gemeinderat holte eine Stellungnahme der X. AG ein und verfügte am 1. Dezember 2011 wie folgt:
BGE 138 I 468 S. 470
"Die Tarife der X. AG für das Jahr 2012 werden mit folgender Änderung genehmigt: Alle Endpreise vor Mehrwertsteuer sind so zu berechnen, dass die Tarife der X. AG maximal nur noch 15 Prozent höher liegen als diejenigen des EW Wangen. Liegen die von der X. AG eingereichten Tarife bereits jetzt unter dieser Marke, so gelten diese tieferen Ansätze."
C.
Die X. AG erhob dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Sie beantragte, der Gemeinderatsbeschluss vom 1. Dezember 2011 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass eine Genehmigungs- und Preisbildungspflicht ihrer Strom- und Netznutzungspreise durch den Gemeinderat Wangen gemäss Art. 12 des Konzessionsvertrags mit Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes am 1. Januar 2008 nicht mehr zulässig sei.
Das Verwaltungsgericht nahm mit Urteil vom 18. April 2012 die Eingabe als Klage aus Konzessionsverhältnis entgegen und wies sie im Sinne der Erwägungen ab. Es erwog, auch nach dem Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes sei der Konzessionsvertrag nicht bundesrechtswidrig, was auch für die Tarifgenehmigungskompetenz des Gemeinderates gelte.
D.
Mit Eingabe vom 29. Mai 2012 erhebt die X. AG Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht und wiederholt die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.3
Im Folgenden näher zu prüfen ist die Frage, ob mit der neuen Stromversorgungsgesetzgebung die im Konzessionsvertrag festgelegte Kompetenz des Gemeinderates Wangen, die Tarife der Beschwerdeführerin zu genehmigen, bundesrechtswidrig geworden ist.
2.3.1
Der Grundsatz des Vorrangs von Bundesrecht nach
Art. 49 Abs. 1 BV
schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend regelt, eine Rechtssetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln. Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts kann als verfassungsmässiges Individualrecht angerufen werden. Das Bundesgericht prüft mit freier
BGE 138 I 468 S. 471
Kognition, ob die kantonale Norm mit dem Bundesrecht im Einklang steht (
BGE 137 I 31
E. 4.1 S. 41 mit Hinweis).
2.3.2
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, mit dem Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes sei die Festlegung der Elektrizitätstarife abschliessend bundesrechtlich geregelt, so dass für die Anwendung kantonaler und kommunaler Preisbestimmungen und Genehmigungsvorbehalte kein Raum mehr bleibe.
2.3.3
Die Vorinstanz, der sich auch die Beschwerdegegnerin anschliesst, hat demgegenüber erwogen, der Konzessionsvertrag sei hinsichtlich der Preise für die Energielieferung nach wie vor gültig: Mit dem Konzessionsvertrag werde die Beschwerdeführerin beauftragt, im Sinne des Bau- und Planungsrechts (
Art. 19 RPG
[SR 700]; § 38 des Planungs- und Baugesetzes [des Kantons Schwyz] vom 14. Mai 1987 [SRSZ 400.100]) das entsprechende Gebiet mit Elektrizität zu erschliessen. Damit werde zugleich auch das Netzgebiet im Sinne von Art. 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 23. März 2007 über die Stromversorgung (Stromversorgungsgesetz, StromVG; SR 734.7) bezeichnet. Eine kantonale Kompetenz bezüglich Tarifen bestehe aufgrund von
Art. 14 Abs. 4 StromVG
weiterhin. Nach der gesetzgeberischen Absicht bestehe somit bezüglich der Tarife weiterhin eine kantonale Kompetenz, die auch an die Gemeinden weiterdelegiert werden könne. Mit der Netzzuteilung gemäss
Art. 5 Abs. 1 StromVG
seien Anschluss- und Betriebspflichten des Netzbetreibers verbunden, die sich mit denjenigen Pflichten, die bisher durch Konzessionsverträge überbunden wurden, überschneiden würden. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Konzessionsvertrag widerspreche (abgesehen vom Teilbereich des Netznutzungsentgelts) nicht der Stromversorgungsgesetzgebung. Neben der Tarifüberwachung durch die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) könne deshalb auch die Genehmigungspflicht des Gemeinderates bestehen bleiben.
2.3.4
Die ElCom bringt vor, die eidgenössische Stromversorgungsgesetzgebung regle sowohl die Netz- als auch die Energiekomponente der Elektrizitätstarife umfassend und abschliessend. Die Massnahmen nach
Art. 14 Abs. 4 StromVG
seien durch die Kantone und nicht durch die Gemeinden zu treffen. Die Tarifordnung gemäss Art. 12 des Konzessionsvertrags widerspreche in verschiedener Hinsicht der eidgenössischen Stromversorgungsgesetzgebung; namentlich orientiere sich der Tarif nicht an den Gestehungskosten, sondern knüpfe an den Referenzpreis eines anderen Werkes an, was
BGE 138 I 468 S. 472
möglicherweise dazu führen könnte, dass die Beschwerdeführerin ihre eigenen Kosten nicht mehr decken könne, was bundesrechtswidrig wäre. Zudem könnte die Tarifgenehmigung durch den Gemeinderat in Konflikt treten mit der Zuständigkeit der ElCom im Bereich der Elektrizitätstarife.
2.3.5
Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Energie und Kommunikation (UVEK) geht davon aus, dass das Genehmigungsrecht des Gemeinderates gemäss Konzessionsvertrag die Überprüfungsbefugnis der ElCom nicht ersetze, sondern dieser in zeitlicher Hinsicht vorausgehe und nicht bundesrechtswidrig sei. Materiellrechtlich seien die Vorschriften der Stromversorgungsgesetzgebung in Bezug auf die Energielieferung nicht abschliessend. Es verbleibe daher Raum für ergänzende kantonale Regelungen.
2.4
Das Bundesgericht hat in
BGE 138 I 454
E. 3.6.3-3.6.5 erkannt, die Stromversorgungsgesetzgebung regle sowohl das Netznutzungsentgelt (mit Ausnahme der Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen) als auch den Energiepreis abschliessend. Mehrkosten, die sich daraus ergäben, dass das Versorgungsunternehmen den Strom infolge von Abnahme- und Vergütungspflichten zu höheren als den Marktpreisen einkaufen müsste, hätten in diesem neuen System idealtypisch keinen Raum mehr; solche seien daher nur zulässig, soweit das Bundesrecht selber (vgl. Art. 7a des Energiegesetzes vom 26. Juni 1998 [EnG; SR 730.0]) sie vorsehe, nicht aber aufgrund darüber hinausgehender kantonaler Vergütungspflichten. Im Übrigen bestünden kantonale Zuständigkeiten nur noch, soweit das Stromversorgungsrecht entsprechende Vorbehalte enthalte (vgl.
Art. 5 sowie
Art. 14 Abs. 4 StromVG
).
2.5
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin ist somit auch der Energiepreis durch die Stromversorgungsgesetzgebung des Bundes grundsätzlich abschliessend geregelt. Die einzige Strompreiskomponente, welche nicht bundesrechtlich geregelt ist und nicht der Regulierung durch die ElCom unterliegt, sind die Abgaben und Leistungen an Gemeinwesen (
Art. 14 Abs. 1 StromVG
): Diese richten sich nach den einschlägigen Gesetzen von Bund und Kantonen (vgl.
BGE 138 II 70
) und müssen transparent ausgewiesen werden (
Art. 12 Abs. 2 StromVG
; BBl 2005 1678 f.;
BGE 138 I 454
E. 3.6.3 S. 463).
Vorliegend geht es aber nicht um eine solche Abgabe, sondern um den Tarif für die Energielieferung. Zwar sind in Bezug auf den Energiepreis die Vorschriften der Bundesgesetzgebung nicht so
BGE 138 I 468 S. 473
detailliert wie in Bezug auf die Netznutzung. Insbesondere legt das Bundesrecht nicht eindeutig fest, was unter einem "angemessenen" Tarif zu verstehen ist (WEBER/MANNHART, Neues Strompreisrecht, ZBl 109/2008 S. 463 f.; WEBER/KRATZ/MANNHART, Stromversorgungsrecht, Ergänzungsband Elektrizitätswirtschaftsrecht, 2009, S. 25 f.). Vorgeschrieben ist nur, aber immerhin, dass für feste Endverbraucher mit gleichartiger Verbrauchscharakteristik ein einheitlicher Tarif festzulegen ist (
Art. 6 Abs. 3 StromVG
), für den Tarifbestandteil der Energielieferung eine Kostenträgerrechnung zu führen ist (
Art. 6 Abs. 4 Satz 2 StromVG
) und sich der Tarif an den Gestehungskosten einer effizienten Produktion und an langfristigen Bezugsverträgen, maximal aber am Marktpreis, orientiert (Art. 4 Abs. 1 der Stromversorgungsverordnung vom 14. März 2008 [StromVV; SR 734.71]). Materiell stehen diese Grundsätze zwar nicht unbedingt im Widerspruch zu den Kriterien, die in Art. 12 Ziff. 1 des Konzessionsvertrags festgelegt sind (Rechtsgleichheit, Kostendeckung, Äquivalenz und Verhältnismässigkeit). Auch die Stossrichtung ist durchaus vergleichbar, geht es doch in beiden Regelungen darum, überhöhte Elektrizitätspreise zu verhindern. Ein Konflikt kann sich aber insbesondere in Bezug auf die Zuständigkeiten ergeben: Nach Bundesrecht unterliegen die Elektrizitätstarife der Aufsicht der ElCom. Der Verteilnetzbetreiber muss gegenüber Endverbrauchern mit Grundversorgung Erhöhungen oder Senkungen der Elektrizitätstarife begründen (
Art. 4 Abs. 2 StromVV
); er muss Erhöhungen der Tarife auch der ElCom mit der den Endverbrauchern mitgeteilten Begründung melden (
Art. 4 Abs. 3 StromVV
). Die ElCom kann die Tarife überprüfen (zu den Prüfkriterien und -methoden vgl. WEBER/MANNHART, a.a.O., S. 462 ff.) und Absenkungen verfügen oder Erhöhungen untersagen (
Art. 22 Abs. 2 lit. b StromVG
). Eine zusätzliche Tarifaufsicht durch eine kantonale Behörde würde hier zu Doppelspurigkeiten und potenziellen Widersprüchen führen, wie die ElCom mit Recht ausführt.
2.6
Trotz grundsätzlich abschliessender bundesrechtlicher Regelung bestehen kantonale Zuständigkeiten weiterhin, soweit sie in der einschlägigen Bundesgesetzgebung ausdrücklich vorgesehen sind. So hat das Bundesgericht im erwähnten
BGE 138 I 454
E. 3.6.3 S. 463 auf den Vorbehalt von
Art. 14 Abs. 4 StromVG
hingewiesen, wonach die Kantone die geeigneten Massnahmen zur Angleichung unverhältnismässiger Unterschiede der Netznutzungstarife in ihrem Gebiet treffen. Indessen betrifft
Art. 14 Abs. 4 StromVG
nur Unterschiede in den Netznutzungstarifen, die vorliegend gar nicht
BGE 138 I 468 S. 474
Streitgegenstand bilden (vgl. nicht publ. E. 1), nicht aber die hier zur Diskussion stehenden Energiepreise.
2.7
Das UVEK bringt vor, das Genehmigungsrecht der Gemeinde könne zeitlich der Überprüfung durch die ElCom vorangehen und in diesem Sinne weiterhin zulässig sein. Zwar trifft es zu, dass in den Fällen, wo die Netzbetreiber kommunale Elektrizitätswerke sind, die dem Netzeigentümer obliegende Aufgabe der Tariffestsetzung durch die nach kantonalem oder kommunalem Recht zuständigen Gemeindeorgane erfolgt (MAHAIM, L'Etat et les entreprises électriques, in: SVVOR-Jahrbuch 2008, S. 107). Die Gemeinde handelt dabei als Eigentümerin ihres eigenen Netzes. Vorliegend beansprucht die Gemeinde hingegen eine Tarifaufsicht über die Tarife einer anderen, privatrechtlichen Netzbetreiberin, was eine wesentlich andere Konstellation ist.
2.8
Die Vorinstanz begründet eine solche Zuständigkeit mit dem Konzessionsverhältnis. Richtig ist zwar, dass der Konzessionsvertrag als solcher mit dem Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes nicht hinfällig geworden ist, sieht doch
Art. 5 Abs. 1 StromVG
vor, dass die Kantone Netzgebiete bezeichnen und zuteilen, was mit einem Leistungsauftrag verbunden werden kann (RECHSTEINER/WALDNER, Netzgebietszuteilung und Konzessionsverträge für die Elektrizitätsversorgung, Aktuelle Fragen und kommende gesetzliche Vorgaben, AJP 2007 S. 1289 f.). Diese Netzzuteilung kann mit bestehenden Konzessionen oder mit einer Sondernutzungskonzession für die Benützung des öffentlichen Grundes kombiniert werden (vgl. BBl 2005 1678 f. Ziff. 5.4; RECHSTEINER/WALDNER, a.a.O., S. 1293; TRÜEB/ZIMMERLI, Keine Ausschreibungspflicht für Sondernutzungskonzessionen der Verteilnetzbetreiber, ZBl 112/2011 S. 126 ff.; FUCHS/MORGENBESSER, Besteht eine Ausschreibungspflicht für die Erteilung von Verteilnetzkonzessionen?, AJP 2010 S. 1099 ff.). Der Vorinstanz ist somit insofern zuzustimmen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Konzessionsvertrag mit dem Inkrafttreten der Stromversorgungsgesetzgebung nicht generell bundesrechtswidrig geworden ist. Gestützt auf den Vertrag ist die Beschwerdeführerin nach wie vor Netzbetreiberin im Sinne von
Art. 5 Abs. 1 StromVG
auf dem darin bezeichneten Gebiet. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz bedeutet dies aber nicht, dass auch die Tarifgenehmigungskompetenzen weiterhin unverändert bestehen bleiben. Der von der Vorinstanz zitierte
Art. 5 Abs. 4 StromVG
bezieht sich nur auf die Bedingungen und Kosten des Anschlusses, nicht aber auf die Energietarife. Diese sind nach der heutigen Rechtslage - wie bereits oben
BGE 138 I 468 S. 475
dargelegt - bundesrechtlich durch die Stromversorgungsgesetzgebung und die ElCom reguliert, womit eine parallele kantonale oder kommunale Tarifgenehmigungskompetenz ausgeschlossen ist.
Grundsätzlich zulässig bleiben weiterhin auch vertragliche Beziehungen zwischen Netzbetreibern und Dritten. So kann etwa ein kommunales Werk, das selber keinen Strom produziert, einen Stromlieferungsvertrag mit einem anderen, Strom produzierenden Werk abschliessen und darin einen Preis festlegen; dieser vertraglich festgelegte Strompreis präjudiziert (unter Vorbehalt der Kontrolle der ElCom) dann den Preis, den das einkaufende Werk von seinen Kunden verlangt. | public_law | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c30a790-f2d6-49cc-837e-79d8251d0481 | Urteilskopf
110 Ib 173
29. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Juli 1984 i.S. C. und L. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG).
Gegenrechtsprinzip (E. 3a). Grundsatz der Spezialität (E. 3b). Formerfordernisse gemäss
Art. 28 IRSG
(E. 4). Beidseitige Strafbarkeit (E. 5). Kein Anwendungsfall von
Art. 2 IRSG
(E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 173
BGE 110 Ib 173 S. 173
Am 23. März 1983 übermittelte die mexikanische Botschaft in Bern dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten ein Rechtshilfebegehren der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Mexiko vom 9. März 1983 zur Weiterleitung an das Bundesamt für Polizeiwesen (im folgenden: Bundesamt). Das Begehren bestand einzig aus einem Schreiben von zwei Seiten und war ausschliesslich in spanischer Sprache abgefasst. Es betrifft ein Strafverfahren, das in Mexiko gegen elf Personen, darunter C. und L., wegen Betruges (fraude maquinado) und rechtswidriger Vereinigung (asociación delictuosa), begangen in den Jahren 1978 und 1979 zum Nachteil der staatlichen mexikanischen Ölfirma "Petroleos Mexicanos" (Pemex), eingeleitet wurde. Verlangt wird die Mithilfe der Schweiz zwecks Ermittlung der Kontoinhaber bei der Schweizerischen Volksbank in Zürich, an die in den Jahren 1978
BGE 110 Ib 173 S. 174
und 1979 die im Ersuchen angeführten Banktratten überwiesen worden seien. Es soll sich dabei um Schmiergelder gehandelt haben, welche die amerikanische Aktiengesellschaft Crawford Enterprises Inc. mit Sitz in Houston (Texas) den leitenden Angestellten der Pemex, insbesondere C. und L., bezahlt habe als Gegenleistung dafür, dass sie ihr Grossaufträge der Pemex (Lieferung von Anlagen für den Bau einer Erdgasleitung) verschafften.
Mit Verfügung vom 6. April, die am 15. April 1983 ergänzt wurde, traf die Bezirksanwaltschaft Zürich als ausführende Behörde die dem Ersuchen entsprechenden Anordnungen. Sie hob diese Verfügung jedoch am 1. Juli 1983 auf, nachdem das Bundesamt die mexikanische Botschaft darauf aufmerksam gemacht hatte, dass das Rechtshilfebegehren den Formerfordernissen des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG) nicht genüge. In der Folge erhielt das Bundesamt eine deutsche Übersetzung des Ersuchens vom 9. März 1983 und - je mit einer französischen Übersetzung - einen vom 29. April 1983 datierten Nachtrag der Generalstaatsanwaltschaft sowie einen ausführlich begründeten Haftbefehl vom 9. März 1983, erlassen vom Richter in Strafsachen beim II. Bezirksgericht des Bundesdistrikts. Nachtrag und Haftbefehl wurden später ebenfalls in die deutsche Sprache übersetzt. Mit Note vom 7. Juli 1983 liess die mexikanische Botschaft dem Bundesamt eine Erklärung der Generalstaatsanwaltschaft betreffend Gegenrecht und Spezialität zukommen. Schliesslich wurde dem Bundesamt ein weiterer Nachtrag dieser Behörde vom 10. Juli 1983 zugestellt.
Der Sachverhalt im mexikanischen Ersuchen und den Nachträgen deckt sich - allgemein betrachtet - mit jenem, den das amerikanische Justizdepartement in seinem Rechtshilfebegehren vom 9. August 1982 und den Ergänzungen vom 14. September 1982 und 14. März 1983 angeführt hat, welches Begehren Gegenstand der bundesgerichtlichen Urteile vom 22. Dezember 1983 und 2. Mai 1984 bildete. Er lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die amerikanische Firma Crawford Enterprises Inc. verkaufte in den Jahren 1978 und 1979 Kompressionsanlagen an die mexikanische Ölfirma Pemex. Diese Geschäfte sollen sich in der Weise abgewickelt haben, dass die Firma Crawford nach Erhalt jedes Auftrages der Pemex für Kompressionsgeräte einen Prozentsatz der Auftragssumme, nämlich 4,5%, an die leitenden Angestellten der Pemex, C. und L. - damals stellvertretende Direktoren der Abteilungen für Produktion und für den Einkauf -, bezahlte und
BGE 110 Ib 173 S. 175
mit der mexikanischen Gesellschaft Grupo Industrial Delta S.A. ein scheinbares Vertretungsverhältnis errichtete, diese Firma jedoch in Wirklichkeit nur die Bestechungszahlungen habe weiterleiten müssen und als Gegenleistung 2,5% der Auftragssumme erhalten habe. Die gesamte "Kommission" sei jeweils in dem von der Pemex zu entrichtenden Kaufpreis inbegriffen gewesen. Nach den Angaben der mexikanischen Behörden soll die Pemex durch die "betrügerischen Handlungen" ihrer leitenden Funktionäre (unrechtmässige Heraufsetzung der Preise etc.) einen Verlust von rund 28 Millionen US-Dollars erlitten haben. Ein Teil der Schmiergelder soll für den Kauf von internationalen Banktratten verwendet worden sein. Im mexikanischen Ersuchen werden insgesamt zwölf Überweisungen angeführt, die in der Zeit zwischen dem 13. Juli 1978 und dem 7. Juli 1979 auf dem Weg über die Schweizerische Bankgesellschaft in Zürich an die Schweizerische Volksbank, Zürich, erfolgt seien.
Die Bezirksanwaltschaft Zürich erliess am 22. Juli 1983 eine Verfügung, mit welcher die Schweizerische Bankgesellschaft und die Schweizerische Volksbank ersucht wurden, über den gesamten Ablauf des Geschäftsverkehrs im Zusammenhang mit den im Begehren angeführten Banktratten Auskunft zu geben, insbesondere die exakten Namen oder Firmenbezeichnungen der Begünstigten zu nennen und anzugeben, welchen Konten die Beträge gutgeschrieben worden seien, und die zugehörigen Unterlagen in Fotokopie herauszugeben. Die Schweizerische Volksbank wurde ausserdem ersucht, die von der Bezirksanwaltschaft am 15. April 1983 gestützt auf das amerikanische Rechtshilfebegehren vom 9. August 1982 vorsorglich gesperrten Guthaben aus den genannten Bankgiros nunmehr gemäss dem Begehren der mexikanischen Behörden in Anwendung von
Art. 74 IRSG
gesperrt zu halten.
C. und L. zogen diese Verfügung mit einem Rekurs an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich weiter. Mit Entscheid vom 17. November 1983 wies die Staatsanwaltschaft den Rekurs ab. Sie hielt in Ziffer 3 des Dispositivs fest, es sei dem Rechtsvertreter der Rekurrenten nach Prüfung der Bankunterlagen Gelegenheit zu geben, zu deren Beweiseignung Stellung zu nehmen. In Ziffer 4 des Dispositivs wurden die mexikanischen Behörden ausdrücklich auf den Grundsatz der Spezialität hingewiesen.
C. und L. erhoben am 21. November 1983 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung der
BGE 110 Ib 173 S. 176
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 17. November 1983.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Zwischen der Schweiz und Mexiko besteht kein Vertrag oder Abkommen über die Zusammenarbeit in Strafsachen. Das vorliegende Ersuchen ist somit ausschliesslich nach dem einschlägigen internen Recht der Schweiz, also aufgrund des IRSG und der dazugehörigen Ausführungsverordnung vom 24. Februar 1982 zu beurteilen. Dabei sind selbstverständlich die allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts zu beachten, denen beim Entscheid über ein Rechtshilfebegehren Rechnung zu tragen ist, unabhängig davon, ob zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Staat ein Abkommen über die Zusammenarbeit in Strafsachen besteht oder nicht.
3.
Es sind zunächst jene Rügen der Beschwerdeführer zu behandeln, die das Gegenrecht, den Grundsatz der Spezialität und den Schutz des Geheimbereichs betreffen.
a) Das Gegenrechtsprinzip ist ein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts, der einem Staat gestattet, ein bestimmtes Verhalten gegenüber einem andern Staat davon abhängig zu machen, dass sich dieser ihm gegenüber in der gleichen Situation ebenso verhält (
BGE 109 Ib 168
E. 5). Nach
Art. 8 Abs. 1 IRSG
wird einem Rechtshilfeersuchen in der Regel nur entsprochen, wenn der ersuchende Staat Gegenrecht gewährt. Die Bestimmung sieht weiter vor, das Bundesamt habe eine Zusicherung des Gegenrechts einzuholen, wenn dies geboten erscheine. Dem Bundesamt steht beim Entscheid darüber ein weiter Ermessensspielraum zu. Diesem Umstand hat das Bundesgericht bei der Überprüfung Rechnung zu tragen. Eine Gegenrechtserklärung ist nach
Art. 8 Abs. 2 lit. a IRSG
dann nicht erforderlich, wenn die Ausführung eines Ersuchens im Hinblick auf die Art der Tat oder die Notwendigkeit der Bekämpfung bestimmter Taten geboten erscheint. Man kann wohl davon ausgehen, das Bundesamt habe im zu beurteilenden Fall mit Rücksicht auf die Art und Schwere der den Beschwerdeführern zur Last gelegten Taten ohne Verletzung des Rechtshilfegesetzes auf eine Zusicherung verzichten dürfen. Wie dem auch sei, der ersuchende Staat hat im vorliegenden Fall eine Gegenrechtserklärung vorgelegt, und zwar wurde sie vom Ersten Stellvertreter des Generalprokurators der Republik Mexiko abgegeben.
BGE 110 Ib 173 S. 177
Die Beschwerdeführer machen geltend, diese Zusicherung sei ungenügend, da sie durch einen hiefür "offensichtlich nicht zuständigen" Beamten erfolgt sei. Sie sind der Meinung, die Erklärung hätte von der mexikanischen Regierung ausgehen müssen.
Die Rüge ist unbegründet. Wer für die Zusicherung des Gegenrechts zuständig ist, bestimmt sich nach dem internen Recht des Staates, der sie abgibt. Die Beschwerdeführer bringen nichts vor, was den Schluss zuliesse, die hier in Frage stehende Erklärung sei von einer unzuständigen Behörde abgegeben worden. Es ist darauf hinzuweisen, dass die mexikanische Botschaft in Bern die Gegenrechtserklärung des Ersten Stellvertreters des Generalprokurators in ihre an das Bundesamt gerichtete Note vom 7. Juli 1983 aufgenommen hat. Bei dieser Sachlage kann von einer ungenügenden Zusicherung nicht die Rede sein. Im übrigen wird vom Bundesamt in der Vernehmlassung bestätigt, dass nach den bisherigen Erfahrungen die schweizerischen Rechtshilfeersuchen in Mexiko erledigt worden seien. Es besteht daher kein Grund zur Annahme, der ersuchende Staat werde sich nicht an die hier abgegebene Zusicherung halten.
b) Nach
Art. 67 Abs. 1 IRSG
dürfen die durch Rechtshilfe erhaltenen Auskünfte im ersuchenden Staat in Verfahren wegen Taten, derentwegen Rechtshilfe nicht zulässig ist, weder für Ermittlungen benützt noch als Beweismittel verwendet werden. Die Staatsanwaltschaft hat in der angefochtenen Verfügung (Ziffer 4 des Dispositivs) einen solchen Spezialitätsvorbehalt angebracht. Er wurde genügend klar formuliert (
BGE 107 Ib 271
E. 4b). Das Bundesamt erklärt in der Beschwerdeantwort, es werde entsprechend der Verfügung der Staatsanwaltschaft die mexikanischen Behörden bei der Übermittlung der Akten auf den Spezialitätsvorbehalt aufmerksam machen. Die Beschwerdeführer halten das für ungenügend in Anbetracht des Umstandes, dass zwischen der Schweiz und Mexiko kein Rechtshilfeabkommen bestehe. Sie verlangen, es sei von den mexikanischen Behörden eine ausdrückliche Zusicherung der Spezialität einzuholen.
Diese Kritik geht offensichtlich fehl. Die mexikanische Botschaft in Bern hat dem Bundesamt mit Note vom 7. Juli 1983 mitgeteilt, der Erste Stellvertreter des mexikanischen Generalprokurators verpflichte sich, die aus der Schweiz erhaltenen Auskünfte in keinem Verfahren wegen Verletzung von Steuer-, Zoll- oder Währungsvorschriften zu verwenden. Es ist klar, dass mit dieser
BGE 110 Ib 173 S. 178
Zusicherung und dem in der Verfügung der Staatsanwaltschaft angebrachten Spezialitätsvorbehalt der Vorschrift des
Art. 67 IRSG
hinreichend Rechnung getragen wurde.
c) Die Beschwerdeführer machen geltend, die kantonalen Behörden hätten über das Ersuchen nicht entscheiden dürfen, ohne zuvor entsprechend
Art. 10 Abs. 3 IRSG
die Stellungnahme des Bundesamtes zur Frage einzuholen, ob die Gewährung der Rechtshilfe im vorliegenden Fall nicht im Hinblick auf den Schutz des Bankgeheimnisses (
Art. 10 Abs. 2 IRSG
) unzulässig sei. Das Bankgeheimnis gehöre zu den "wesentlichen Interessen" der Schweiz, denen bei der Anwendung des Rechtshilfegesetzes Rechnung zu tragen sei (
Art. 1 Abs. 2 IRSG
). Das Bundesamt weist in der Vernehmlassung darauf hin, den Beschwerdeführern werde eine schwerwiegende Tat vorgeworfen, und bei Gewährung der Rechtshilfe sei kein erheblicher Nachteil für die schweizerische Wirtschaft zu befürchten. Die Zürcher Behörden seien daher nicht verpflichtet gewesen, nach
Art. 10 Abs. 3 IRSG
vorzugehen.
Auch in diesem Punkt ist die Kritik der Beschwerdeführer offensichtlich unbegründet. Auf die erwähnte Vorschrift, wonach die ausführende Behörde vor ihrem Entscheid die Stellungnahme des Bundesamtes einzuholen hat, können sich nur jene Personen berufen, die nach dem Ersuchen am Strafverfahren im Ausland nicht beteiligt sind. Das ergibt sich klar aus dem Titel zur Vorschrift des
Art. 10 IRSG
und aus dem gesamten Inhalt der Bestimmung, die ausschliesslich den Geheimbereich der am Strafverfahren nicht Beteiligten schützen will. Da die Beschwerdeführer am Strafverfahren in Mexiko beteiligt sind, konnte die genannte Vorschrift nicht zur Anwendung kommen.
4.
Die Beschwerdeführer rügen, das Rechtshilfeersuchen genüge den Formerfordernissen des Gesetzes nicht.
a) Nach
Art. 28 Abs. 5 IRSG
sind ausländische Ersuchen und ihre Unterlagen in deutscher, französischer oder italienischer Sprache oder mit Übersetzung in eine dieser Sprachen einzureichen, wobei die Übersetzungen amtlich als richtig bescheinigt sein müssen. Diesen Anforderungen wurde entsprochen, nachdem das Bundesamt die mexikanischen Behörden auf die Mängel des Ersuchens vom 9. März 1983 aufmerksam gemacht hatte. Die wesentlichen Unterlagen, d.h. der Nachtrag vom 29. April 1983 und der ausführlich begründete Haftbefehl vom 9. März 1983, wurden je mit einer amtlich beglaubigten französischen Übersetzung vorgelegt. Zwar wurde diese nicht mustergültig verfasst, doch kann sie durchaus
BGE 110 Ib 173 S. 179
als verständlich bezeichnet werden, was unter dem Gesichtspunkt von
Art. 28 Abs. 5 IRSG
genügt.
b) Hingegen fehlte zur Zeit, als die Staatsanwaltschaft ihren Entscheid traf, die gemäss
Art. 76 lit. c IRSG
erforderliche Bestätigung der mexikanischen Behörden, dass die verlangte und von der Bezirksanwaltschaft Zürich angeordnete Sperre der Konten im ersuchenden Staat zulässig sei. Dieser Mangel wurde jedoch geheilt. Der ersuchende Staat hat den schweizerischen Behörden mit Schreiben vom 1. März 1984 die entsprechende Bestätigung eingereicht. Wohl geschah das erst, als die Verwaltungsgerichtsbeschwerde schon beim Bundesgericht hängig war. Die Bestätigung darf aber, wie sich aus
Art. 28 Abs. 6 IRSG
ergibt, dennoch berücksichtigt werden, dies um so mehr, als die mexikanischen Behörden nicht vorher auf den betreffenden Mangel aufmerksam gemacht wurden.
c) Die Beschwerdeführer sind zu Unrecht der Ansicht, die Staatsanwaltschaft hätte das Ersuchen als unzulässig erklären sollen, weil nach dem 1. Juli 1983 vom ersuchenden Staat keine neuen Tatsachen vorgebracht worden seien, die eine Änderung der ablehnenden Verfügung der Bezirksanwaltschaft vom 1. Juli 1983 gerechtfertigt hätten. Es braucht hier nicht auf die sehr eingeschränkte Bedeutung der Rechtskraft auf dem Gebiet der Rechtshilfe eingegangen zu werden (vgl. dazu
BGE 109 Ib 157
E. 3b, 161/162;
BGE 106 Ib 265
E. 3b/aa;
BGE 103 Ia 212
E. 7). Entscheidend ist, dass die Bezirksanwaltschaft am 1. Juli 1983 das Ersuchen nicht definitiv abgelehnt, sondern die Rechtshilfe lediglich vorläufig verweigert hat, da sie zunächst die von den mexikanischen Behörden in Aussicht gestellten Nachträge und Präzisierungen zum Ersuchen abwarten wollte.
d) Im weitern behaupten die Beschwerdeführer, das Ersuchen genüge den Anforderungen des
Art. 28 Abs. 3 IRSG
nicht. Sie bezeichnen die Sachverhaltsdarstellung als unvollständig, widersprüchlich und unglaubwürdig.
Gemäss
Art. 28 Abs. 3 lit. a IRSG
muss das Ersuchen eine kurze Darstellung des wesentlichen Sachverhaltes enthalten, die dem ersuchten Staat die rechtliche Beurteilung der Tat ermöglichen soll. Es kann indes von den Behörden des ersuchenden Staates nicht verlangt werden, dass sie den Sachverhalt, der Gegenstand der Strafuntersuchung in ihrem Land bildet, lückenlos und ohne einen Widerspruch darstellen. Das wäre mit dem Sinn und Zweck des Rechtshilfeverfahrens unvereinbar, ersucht doch ein Staat
BGE 110 Ib 173 S. 180
einen andern gerade deswegen um Mithilfe, damit er die bisher im dunkeln gebliebenen Punkte klären kann aufgrund von Unterlagen, die im Besitz des ersuchten Staates sind. Es reicht daher unter dem Gesichtspunkt der erwähnten Vorschrift aus, wenn die Angaben im Ersuchen den schweizerischen Behörden die Prüfung ermöglichen, ob und allenfalls in welchem Umfang dem Rechtshilfegesuch entsprochen werden muss, oder ob ein Verweigerungsgrund vorliegt. Diesen Anforderungen genügt das vorliegende Ersuchen, werden doch im Nachtrag vom 29. April 1983 und im Haftbefehl vom 9. März 1983 die den Beschwerdeführern vorgeworfenen Handlungen in einlässlicher und detaillierter Weise geschildert.
Die schweizerische Behörde hat sich beim Entscheid über ein Rechtshilfebegehren nicht über das Bestehen der angeführten Tatsachen auszusprechen. Sie ist an die Darstellung des Sachverhaltes im Begehren des ersuchenden Staates gebunden, soweit diese nicht offensichtliche Fehler, Lücken oder Widersprüche enthält (
BGE 107 Ib 254
E. 2b/aa, 267 E. 3a;
BGE 105 Ib 425
f. E. 4b). Diese Grundregel ergibt sich aus der Natur und dem dargelegten Zweck des Rechtshilfeverfahrens. Sie gilt deshalb entgegen der Meinung der Beschwerdeführer auch dann, wenn zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Staat kein Rechtshilfeabkommen besteht. Die Beschwerdeführer vermögen nicht darzutun, dass die Sachverhaltsdarstellung des ersuchenden Staates offensichtlich falsch, lückenhaft oder widersprüchlich wäre. Sie stellen in ihrer Beschwerde im wesentlichen einfach den Sachverhalt, in den sie verwickelt sind, anders dar, als er im Ersuchen beschrieben wird. Nach der erwähnten Regel hat das Bundesgericht von den im Ersuchen angeführten Tatsachen auszugehen. Ob diese glaubwürdig sind, hat der Rechtshilferichter nicht zu beurteilen. Der Entscheid hierüber steht ausschliesslich dem Sachrichter zu.
Die Rügen, welche in formeller Hinsicht gegen das Ersuchen erhoben wurden, und die entsprechenden Eventualanträge erweisen sich demnach als unbegründet.
5.
Die Beschwerdeführer bestreiten, dass die im Ersuchen genannten Handlungen in beiden Staaten unter Strafe gestellt seien.
Die kantonalen Behörden haben mit den angefochtenen Verfügungen Zwangsmassnahmen angeordnet. Gemäss
Art. 64 IRSG
ist das nur zulässig, wenn aus der Darstellung des Sachverhalts hervorgeht, dass die im Ausland verfolgte Handlung die objektiven Merkmale eines Straftatbestandes des schweizerischen Rechts
BGE 110 Ib 173 S. 181
aufweist. Der aus dieser Vorschrift in Verbindung mit
Art. 1 IRSG
folgende Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit verlangt indessen nicht, dass die fragliche Handlung in den Gesetzen des ersuchenden und des ersuchten Staates unter demselben rechtlichen Gesichtswinkel als Straftatbestand erfasst wird. Die Normen brauchen nicht identisch zu sein; es genügt, wenn die im Ersuchen umschriebenen Handlungen nach jedem der beiden Rechte strafbar sind (
BGE 109 Ib 53
E. 4b).
a) Nach den Ausführungen im Rechtshilfeersuchen werden die den Beschwerdeführern vorgeworfenen Handlungen von zwei Bestimmungen des mexikanischen Strafgesetzbuches erfasst, nämlich von Art. 386 Ziff. 3, der den Betrug (fraude maquinado) unter Strafe stellt, und von Art. 164 in Verbindung mit Art. 13 Ziff. 1 und 3, der die rechtswidrige Vereinigung (asociacion delictuosa) mit Strafe bedroht. Der Betrugstatbestand des mexikanischen Rechts scheint etwas weiter gefasst zu sein als Art. 148 des schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB). Es kann daher mit Grund angenommen werden, dass die im Ersuchen umschriebenen Handlungen, sofern sie erstellt sind, den Tatbestand des Betruges im Sinne von Art. 386 des mexikanischen Rechts erfüllen. Die Beschwerdeführer bringen kein stichhaltiges Argument vor, das gegen diese Annahme spräche.
b) Die Beschreibung des kriminellen Vorgehens der Beschwerdeführer im Ersuchen Mexikos deckt sich mit jener, welche die amerikanischen Behörden in ihrem Rechtshilfebegehren an die Schweiz in der Strafuntersuchung gegen die Firma Crawford Enterprises Inc. und deren Präsidenten D. gegeben hatten. Die Beschwerdeführer machten seinerzeit in ihrer Einsprache gegen das Ersuchen der USA geltend, die von den amerikanischen Behörden angeführten Handlungen seien nach schweizerischem Recht nicht strafbar. Das Bundesgericht hatte sich auf eine erste Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin im Urteil vom 22. Dezember 1983 mit dieser Frage zu befassen. Es gelangte zum Schluss, die im amerikanischen Strafverfahren dem Angeklagten D. zur Last gelegten Handlungen würden nach schweizerischem Recht als Gehilfenschaft zu der von den Beschwerdeführern zum Nachteil der Pemex begangenen ungetreuen Geschäftsführung qualifiziert. Das wurde wie folgt begründet: "Selbst wenn man entsprechend dem von den Beschwerdeführern vorgelegten Gutachten des mexikanischen Anwalts T. annähme, ein Angestellter der Pemex sei nicht als Beamter im Sinne von
Art. 110 Ziff. 4 StGB
zu betrachten und D. könnte
BGE 110 Ib 173 S. 182
daher in der Schweiz nicht wegen Bestechung gemäss
Art. 288 StGB
bestraft werden, wäre sein Verhalten nach schweizerischem Recht gleichwohl strafbar. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als stellvertretende Direktoren einer Handelsgesellschaft verpflichtet waren, die Interessen der Gesellschaft zu wahren. Dadurch, dass sie D. Grossaufträge der Pemex verschafften und als Gegenleistung Schmiergelder erhielten, die in den von der Pemex bezahlten Kaufpreisen inbegriffen waren, haben sie diese Gesellschaft finanziell geschädigt. Ihr Verhalten würde daher unter den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung im Sinne von
Art. 159 StGB
fallen."
Die Beschwerdeführer bringen nichts vor, was das Bundesgericht veranlassen könnte, von diesen Erwägungen abzuweichen. Beizufügen ist, dass sich mit Grund auch die Auffassung vertreten liesse, die den Beschwerdeführern vorgeworfenen Handlungen würden die Tatbestandsmerkmale des Betruges im Sinne von
Art. 148 StGB
erfüllen.
In Mexiko wird das Verfahren gegen die Beschwerdeführer auch wegen rechtswidriger Vereinigung geführt, und ein solches Verhalten ist nach schweizerischem Recht nicht strafbar. Dieser Umstand ist indes unerheblich, da es für die Gewährung der Rechtshilfe - im Gegensatz zur Auslieferung - genügt, wenn die im Ersuchen angeführten Handlungen die Merkmale eines Straftatbestandes des schweizerischen Rechts erfüllen (
BGE 107 Ib 268
E. 3c).
6.
Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, die Rechtshilfe müsse aufgrund von
Art. 2 IRSG
verweigert werden. Sie scheinen ferner auch geltend zu machen, es liege ein Anwendungsfall des
Art. 3 Abs. 1 und 3 IRSG
vor.
a) Die Einrede des politischen Charakters der Tat (
Art. 3 Abs. 1 IRSG
) kann hier nicht erhoben werden. Es handelt sich bei den Taten, die den Beschwerdeführern zur Last gelegt werden, klarerweise nicht um ein absolut oder ein relativ politisches Delikt (oder eine mit einem solchen zusammenhängende Tat) im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (
BGE 109 Ib 71
f.). Auch eine Berufung auf
Art. 3 Abs. 3 IRSG
kommt nicht in Betracht, da Gegenstand des ausländischen Strafverfahrens keine Fiskalsache bildet. Für ein Steuerverfahren dürfen die Auskünfte nicht verwendet werden.
b) Gemäss
Art. 2 IRSG
wird einem Ersuchen um Zusammenarbeit in Strafsachen nicht entsprochen, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass das Verfahren im Ausland
BGE 110 Ib 173 S. 183
"a. den Verfahrensgrundsätzen der Europäischen Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht entspricht oder
b. durchgeführt wird, um eine Person wegen ihrer politischen Anschauungen, wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder aus Gründen der Rasse, Religion oder Volkszugehörigkeit zu verfolgen oder zu bestrafen oder
c. dazu führen könnte, die Lage des Verfolgten aus einem unter Buchstabe b angeführten Grund zu erschweren oder
d. andere schwere Mängel aufweist."
Die Beschwerdeführer behaupten, das Strafverfahren sei im Rahmen einer vom Präsidenten der Republik Mexiko, Miguel de la Madrid, inszenierten Kampagne betreffend "Moralisierung der Administration" gegen sie eingeleitet worden. Der wahre Zweck dieser Kampagne bestehe indes darin, die politischen Gegner des Präsidenten auszuschalten, darunter vor allem den frühern Senator und Chef der Pemex, Jorge Diaz Serrano, Mitbewerber um das Amt des Präsidenten bei den letzten Wahlen. Sie, die Beschwerdeführer, könnten als "Parteigänger" von Diaz Serrano in Mexiko nicht mit einem fairen Prozess rechnen.
Den bei den Akten befindlichen Zeitungsausschnitten lässt sich entnehmen, dass die Pemex-Affäre in der mexikanischen Öffentlichkeit grosses Aufsehen erregt hat. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass hier ein bedeutendes staatliches Erdölunternehmen in eine Korruptionsaffäre von aussergewöhnlichem Ausmass verwickelt ist, die bei der Verschlechterung der Wirtschaftslage Mexikos eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben könnte. Auch ist es, wie das Bundesamt in der Vernehmlassung zutreffend ausführt, durchaus zulässig, wenn ein demokratisch gewählter Staatspräsident der Korruptionsbekämpfung höchste Priorität einräumt und sich zum Ziel setzt, die Schuldigen zu bestrafen. Diese Zielsetzung der Regierung und das grosse Echo, das die Pemex-Affäre in der lokalen Presse ausgelöst hat, lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass die Beschwerdeführer wegen ihrer politischen Anschauungen, die von jenen der Regierung abweichen, in einem mexikanischen Strafverfahren der Gefahr einer Erschwerung ihrer Lage ausgesetzt wären. Es besteht vor allem deswegen kein Grund für die Annahme, das Verfahren sei gegen die Beschwerdeführer aus politischen Gründen eingeleitet worden, weil wegen des gleichen Sachverhaltes auch in den USA ein Strafverfahren geführt wird, und zwar gegen den amerikanischen Geschäftspartner der Beschwerdeführer. Ebensowenig kann aus dem
BGE 110 Ib 173 S. 184
Aufsehen, das ein Strafverfahren in der Öffentlichkeit erregt, oder aus dem Umstand, dass die Regierung an der Verfolgung bestimmter Taten ein besonderes Interesse hat, geschlossen werden, die Verfahrensgrundsätze der Europäischen Menschenrechtskonvention würden im ausländischen Strafverfahren nicht eingehalten. Die Beschwerdeführer vermögen nicht darzutun, dass Gründe für die Annahme bestünden, es liege ein Anwendungsfall des
Art. 2 lit. a oder d IRSG
vor. Sie berufen sich somit zu Unrecht auf
Art. 2 IRSG
.
7.
Die Beschwerdeführer machen geltend, das Rechtshilfebegehren sei unverhältnismässig, denn die verlangten Auskünfte seien nicht nötig, um in der Pemex-Affäre die Wahrheit zu finden. Es bestehe im übrigen kein Zusammenhang zwischen den fraglichen Checks und den im Ersuchen behaupteten strafbaren Handlungen. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die mexikanischen Behörden haben ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, welchen Konten bei der Schweizerischen Volksbank die im Ersuchen genannten Beträge gutgeschrieben wurden, und welches die Empfänger dieser Gelder waren, die während eines Jahres an die genannte Bank überwiesen wurden und insgesamt einen Betrag von rund 5 Millionen US-Dollars ausmachten. Von einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit kann nicht gesprochen werden. | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
8c313bb1-a556-4e47-91d7-f8c54c3bf1be | Urteilskopf
118 II 199
41. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 11 mars 1992 dans la cause P. contre société S. (demande de revision) | Regeste
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Revision von Schiedsentscheiden.
1. Beim Fehlen von Bestimmungen betreffend die Revision von internationalen Schiedsentscheiden im IPRG handelt es sich um eine Gesetzeslücke, die durch den Richter auszufüllen ist (E. 2).
2. Das Bundesgericht ist die zuständige Gerichtsbehörde, um über die Revision internationaler Schiedsentscheide zu befinden (E. 3).
3. Was die Revisionsgründe und das Revisionsverfahren anbelangt, so sind die Art. 137 bzw. 140-143 OG analog anzuwenden (E. 4).
4. Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Fall (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 199
BGE 118 II 199 S. 199
A.-
Par sentence arbitrale du 1er mai 1991 rendue en application des
art. 176 ss LDIP
, l'arbitre unique a condamné P. à payer à S. 480'455 £ plus intérêts. Un recours de droit public formé par P. contre cette sentence pour violation de l'ordre public a été rejeté dans la mesure où il était recevable par arrêt du 30 septembre 1991.
B.-
P. forme un "recours en revision" par écriture du 22 novembre 1991. Il conclut à l'annulation de la sentence précitée et au renvoi de la cause à un tribunal arbitral pour qu'il statue à nouveau. A l'appui de sa requête, il fait valoir qu'un des témoins entendus était, en réalité, intéressé à l'issue du litige, cet élément constituant un fait nouveau au sens de l'
art. 137 let. b OJ
, applicable par analogie.
BGE 118 II 199 S. 200
S. propose l'irrecevabilité du recours en revision, éventuellement son rejet. L'arbitre unique prend, pour le moins implicitement, les mêmes conclusions.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
a) La LDIP ne contient aucune disposition relative à la revision des sentences arbitrales. Ni le Message du Conseil fédéral (FF 1983 I p. 255 ss, spéc. 442 ss), ni les débats parlementaires n'abordent la question. Rien ne permet cependant d'admettre qu'il s'agit d'un silence qualifié du législateur, qui lierait le juge (MEYER-HAYOZ, n. 255 ss ad
art. 1er CC
; voir aussi
ATF 116 II 5
consid. 4a). Cette réserve du législateur tient moins à une absolue nécessité qu'à une certaine réticence à légiférer en matière d'arbitrage international eu égard à la constitutionnalité d'une telle réglementation par le droit fédéral (FF 1983 I p. 284; voir aussi EUGEN BUCHER, Die Regeln betreffend Schiedsgerichtsbarkeit im neuen IPRG und deren verfassungsrechtlicher Hintergrund, RJB 124bis/1988 p. 265 ss, spéc. 295). Cette intention du législateur de restreindre son intervention en matière d'arbitrage international, et notamment au niveau des voies et moyens de recours (
ATF 116 II 374
/375,
ATF 115 II 296
consid. 3), n'exclut pas l'existence d'une lacune de la loi. Et malgré cette restriction au niveau des possibilités de recours, la partie qui accepte de se soumettre à un arbitrage ne s'accommodera pas pour autant d'une sentence influencée par un crime ou un délit ou rendue dans l'ignorance de faits essentiels ou de preuves décisives. En définitive, aucun élément déterminant ne parle en faveur d'un silence qualifié du législateur.
b) Le comblement d'une lacune suppose qu'une règle est nécessaire pour apporter une solution à une question juridique (
ATF 103 Ia 503
et l'arrêt cité; DESCHENAUX, Le titre préliminaire du code civil, p. 90). En l'occurrence, la revision d'une sentence arbitrale internationale ne peut donc être admise que dans la mesure où, à la lumière de l'ordre juridique déterminant, elle apparaît indispensable.
aa) Sous l'empire de la loi d'organisation judiciaire du 27 juin 1874, le Tribunal fédéral a admis la revision de ses arrêts en l'absence de toute base légale, appliquant par analogie les dispositions de la loi fédérale du 22 novembre 1850 sur la procédure à suivre par devant le Tribunal fédéral en matière civile; il admettait ainsi l'annulation ou la modification d'arrêts entachés de graves irrégularités
BGE 118 II 199 S. 201
(ATF 3, 552 consid. 1; 4, 632 consid. 1; 16, 745 consid. 1; voir aussi le Message du Conseil fédéral à l'Assemblée fédérale concernant le projet d'une nouvelle loi fédérale sur l'organisation judiciaire fédérale du 5 avril 1892, FF 1892 II 95ss, 163). De même, en matière d'impôt fédéral, la revision d'une taxation définitive a été admise par la jurisprudence en l'absence de toute base légale (principe admis à l'
ATF 70 I 170
et dans des arrêts plus récents:
ATF 105 Ib 251
,
ATF 103 Ib 88
). De manière générale, les décisions administratives sont susceptibles de revision indépendamment de toute base légale, cela en particulier à la lumière des motifs prévus à l'
art. 137 OJ
ou de dispositions de procédure cantonales (
ATF 86 I 173
,
ATF 115 Ib 155
consid. 3a et les références; pour la procédure cantonale, voir, par exemple, ZBl. 1983, p. 141, LGVE 1988 II n. 11, SHOG 1982, p. 148); en procédure de poursuite également, un agissement délictueux peut constituer un motif de revision (
ATF 75 III 43
). Enfin, en droit administratif fédéral, notamment en droit fiscal et en droit des assurances sociales, doctrine et jurisprudence ont développé le principe selon lequel, à certaines conditions, l'autorité est obligée de réviser ses décisions même sans base légale (
ATF 113 Ia 151
et les références). S'agissant du droit cantonal, le Tribunal fédéral y a déduit la même obligation directement de l'
art. 4 Cst.
(
ATF 113 Ia 151
/152).
Par contre, le Tribunal fédéral a refusé de transposer sans autre cette jurisprudence à la procédure civile; en particulier, les mêmes principes ne sont pas valables pour l'autorité de la chose jugée des décisions administratives et pour celle des jugements civils. Il n'a donc pas admis que, indépendamment des possibilités de revision prévues par le droit cantonal de procédure, il en existe encore d'autres découlant directement de l'
art. 4 Cst.
; ainsi, dans le cadre d'une poursuite pour effets de change, il a considéré que la revision ne pouvait entrer en ligne de compte en raison de l'existence de l'action en répétition de l'indu, même si ce moyen ne pouvait pallier tous les inconvénients pouvant en résulter pour les parties (
ATF 109 Ia 105
consid. 2 et 3).
bb) En matière d'arbitrage international, les auteurs sans exception envisagent la possibilité d'une revision des sentences en l'absence de base légale par l'application analogique de l'
art. 137 OJ
(HINDERLING, Probleme der privaten Schiedsgerichtsbarkeit, SJZ 75/1979, p. 321 ss, 331; KNOEPFLER/SCHWEIZER, L'arbitrage international et les voies de recours, in: Mélanges Guy Flattet, p. 491 ss, 504/505; HABSCHEID, Rechtsstaatliche Aspekte des internationalen Schiedsverfahrens mit Rechtsmittelverzicht nach dem IPR-Gesetz,
BGE 118 II 199 S. 202
p. 16 ss; LALIVE, Le chapitre 12 de la loi fédérale sur le droit international privé: L'arbitrage international, in: Le nouveau droit international privé suisse, Travaux des Journées d'études organisées par le CEDIDAC, p. 209 ss, 226/227; BRINER, Die Anfechtung und Vollstreckung des Schiedsentscheids, in: Böckstiegel, Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, vol. II, p. 99 ss, 109; LALIVE/POUDRET/REYMOND, n. 5 ad
art. 191 LDIP
; WALTER, Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz - offene Fragen zu Kapitel 12 des IPR-Gesetzes, RJB 126/1990 p. 161 ss, 180/181). Seul ANDREAS BUCHER paraît exclure la possibilité d'une revision en se fondant sur le silence de la loi (Das Kapitel 11 des IPR-Gesetzes über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, in: FS Rudolf Moser, p. 193 ss, 299; et aussi: Les voies de recours, Revue de droit des affaires internationales 1989, p. 771, note de pied 2; plus nuancé par contre in: Die neue internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, p. 147 n. 409, où le droit à la revision pourrait découler de l'
art. 6 par. 1 CEDH
).
cc) La loi fédérale d'organisation judiciaire (
art. 137 OJ
), de même que toutes les législations cantonales (voir VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2e éd., p. 291, n. 96), permettent de corriger une décision en force reposant sur des constatations fausses ou influencées par un crime ou un délit. Le concordat suisse sur l'arbitrage, à son art. 41, prévoit également la revision des sentences arbitrales. Ce moyen constitue un compromis entre, d'une part, la sécurité du droit au niveau de la validité des décisions et, d'autre part, la justice à ne pas maintenir un jugement vicié dans ses fondements (KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4e éd., p. 209). La force de chose jugée rattachée à un jugement doit pouvoir être remise en cause lorsque, sans la faute des parties, les constatations de fait apparaissent fausses, et que la connaissance des faits exacts aurait conduit à une appréciation juridique différente. Mais la sécurité des relations juridiques doit aussi être prise en considération; la possibilité d'attaquer une décision entrée en force doit être limitée dans le temps. En définitive, une décision fondée sur un état de fait erroné ou incomplet, alors même que la responsabilité des parties ne peut être d'une façon ou d'une autre mise en cause, viole d'une manière grave le sentiment de la justice et réalise l'arbitraire au sens de l'
art. 4 Cst.
Le principe de la bonne foi en procédure, qui découle également de l'
art. 4 Cst.
, ne permet pas non plus, en pareille hypothèse, d'exclure tout simplement la revision. Quant à l'ordre public en matière de procédure, il n'est pas transgressé, alors même qu'aucun contrôle de
BGE 118 II 199 S. 203
la décision arbitrale par une autorité de recours n'est aménagé (
ATF 101 Ia 158
; HANS CONRAD SCHULTHESS, Der verfahrensrechtliche ordre public in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, thèse Zurich 1981, p. 20). En revanche, si une sentence repose sur un état de fait faussé par un comportement délictueux ou constaté inexactement et en méconnaissance non fautive de la situation réelle, l'absence de tout réexamen consacrerait alors une violation claire de principes fondamentaux de procédure (dans le même sens WALTER/BOSCH/BRÖNIMANN, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, p. 247). L'exécution d'une sentence affectée d'un vice aussi grave apparaîtrait, en effet, choquante. D'ailleurs, comme cela a été relevé à juste titre en doctrine (LALIVE/POUDRET/REYMOND, eod.loc.), un tel défaut affectant une sentence pourrait violer l'ordre public au sens de l'art. IV al. 2 let. b de la Convention de New York pour la reconnaissance et l'exécution des sentences arbitrales étrangères (RS 0.277.12).
Enfin, les arrêts du Tribunal fédéral statuant sur recours de droit public sont, à certaines conditions, susceptibles de revision au sens de l'
art. 137 OJ
(
ATF 107 Ia 191
consid. 2b); cela vaut également pour les arrêts pris en application de l'
art. 85 let
. c OJ. Dans les cas où le Tribunal fédéral jouit d'un libre examen (voir notamment
ATF 117 II 94
), il peut aussi revoir les constatations de fait, ce qui pourra conduire à la revision de l'arrêt et, le cas échéant, à une nouvelle sentence arbitrale. Aussi, sans qu'elle puisse reposer sur des motifs objectifs, une différence pourrait-elle apparaître, au niveau des voies de recours, entre sentences arbitrales selon qu'elles auront ou non été attaquées par la voie du recours de droit public au sens de l'
art. 85 let
. c OJ.
c) Pour tous ces motifs, la revision des sentences arbitrales au sens de l'
art. 176 ss LDIP
s'impose comme une conséquence indispensable de l'état de droit. Il y a dès lors lieu de combler une lacune de la loi.
3.
Doit cependant encore être résolue la question de la compétence.
Moyen extraordinaire, la revision n'a pas, en droit judiciaire privé suisse, un effet dévolutif; la requête n'est pas portée devant une juridiction supérieure, mais elle est adressée à l'instance qui a statué (POUDRET, COJ, Titre VII n. 3; VOGEL, op.cit., p. 279 n. 31). Certains codes de procédure cantonaux admettaient cette même règle de compétence également pour la revision des sentences arbitrales (LALIVE/POUDRET/REYMOND, n. 1 ad art. 42 CIA). En revanche,
BGE 118 II 199 S. 204
le concordat suisse sur l'arbitrage désigne l'autorité judiciaire compétente au siège du Tribunal arbitral (art. 42). La solution d'une instance étatique convainc. Les tribunaux arbitraux n'étant, en règle générale, pas institutionnalisés, leur mission prend fin au terme de la procédure. Dans certaines circonstances, il ne pourra plus être fait appel au tribunal arbitral initial, ses membres étant ou décédés ou inatteignables ou alors se refusant tout simplement à se saisir une nouvelle fois de la cause. Or, la juridiction étatique offre précisément cette garantie de rendre une décision sur demande de revision (JOLIDON, n. 25 ad art. 41-43 CIA). Cette solution est également celle qui respecte le mieux la règle de l'
art. 1er al. 2 CC
. Aussi, sous réserve de l'option de l'
art. 191 al. 2 LDIP
, se justifie-t-il de désigner le Tribunal fédéral comme autorité judiciaire compétente pour connaître de la revision, la doctrine préconisant, au demeurant, une telle solution (HABSCHEID, op.cit., p. 18; LALIVE/POUDRET/REYMOND, n. 5 ad
art. 191 LDIP
; WALTER, op.cit., p. 181). La désignation du Tribunal fédéral tient notamment compte de la volonté du législateur de limiter les voies de recours; si une juridiction cantonale statuait comme instance de revision, ses décisions seraient alors susceptibles d'être attaquées au Tribunal fédéral par la voie du recours de droit public.
De toute façon, en cas d'admission de la revision, il n'appartient pas au Tribunal fédéral de statuer lui-même à nouveau sur le fond. A l'exemple de l'art. 43 CIA, la cause doit être renvoyée au tribunal arbitral qui a statué ou à un nouveau tribunal arbitral à constituer.
4.
S'agissant des motifs de revision et de la procédure, les art. 137 et 140 à 143 OJ doivent, respectivement, s'appliquer par analogie. Certes le motif de l'
art. 137 let. b OJ
aurait pu, comme en droit allemand, être exclu (voir HABSCHEID, op.cit., p. 18). Cependant un tel motif de revision est généralement reconnu en droit judiciaire suisse; il doit ainsi être maintenu, ne serait-ce déjà que parce que, s'agissant de combler un silence de la loi, il a été fait emprunt au droit en vigueur par le procédé de l'analogie (KNOEPFLER/SCHWEIZER, eod.loc., et LALIVE/POUDRET/REYMOND, n. 5 ad
art. 191 LDIP
, arrivent au même résultat). En revanche, les motifs de l'
art. 136 OJ
ne peuvent être retenus, contrairement à ce que paraissent préconiser LALIVE/POUDRET/REYMOND (eod.loc.). Expressément prévus à l'
art. 190 al. 2 LDIP
, ces griefs doivent exclusivement être invoqués dans la procédure de recours.
5.
A l'appui de sa demande de revision, P. fait seulement valoir qu'un des témoins entendus par l'arbitre avait un intérêt dans l'issue du litige, état de chose dont il aurait eu connaissance seulement après
BGE 118 II 199 S. 205
la clôture de la procédure. Indépendamment de savoir si le requérant ne l'a pas plutôt su déjà avant le début de la procédure, ainsi que le soutiennent tant l'arbitre que la partie intimée, la circonstance invoquée ne constitue pas un motif valable de revision. En effet, sont seuls importants au sens de l'
art. 137 let. b OJ
les faits qui, en tant que tels, sont propres à entraîner une modification de l'état de fait à la base du jugement; de même, peuvent être qualifiées de concluantes les preuves de nature à provoquer une modification du jugement dans un sens favorable au requérant; cela suppose qu'elles se rapportent à des faits décisifs et qu'elles soient propres à les établir (
ATF 110 V 141
consid. 1 et l'arrêt cité). En revanche, de nouveaux faits ou moyens de preuve qui - comme en l'espèce - se rapportent seulement à l'authenticité d'un témoignage n'entrent pas dans la définition de l'
art. 137 let. b OJ
. Dès lors que le requérant ne peut invoquer qu'un fait se rapportant à la validité d'un témoignage pour tenter d'en faire modifier l'appréciation, sa requête ne peut qu'être rejetée. Au demeurant, seul l'
art. 137 let. a OJ
définit les conditions auxquelles les assertions d'un témoin peuvent conduire à une revision. Cette disposition n'est toutefois pas invoquée en l'occurrence. | public_law | nan | fr | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8c327c0c-85bb-44fa-a628-be4e565db5e6 | Urteilskopf
87 II 117
17. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Februar 1961 i.S. Schweizerische Bundesbahnen gegen Brenzikofer. | Regeste
Haftung der Bahn beim Transport lebender Tiere, ETrG Art. 48 Abs. 3, TrRegl Art. 122.
Beschränkung der Haftung wegen der besonderen Gefahren des Tiertransports. Beweislast. (Erw. 3).
Begriff der besonderen Gefahr (Erw. 4).
Wegfall der Haftungsbeschränkung beim Nachweis einer andern Schadensursache (Erw. 5).
Frage des adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen der Verletzung eines Pferdes und nachheriger Notschlachtung wegen Tetanus (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 118
BGE 87 II 117 S. 118
A.-
Der Kläger Brenzikofer liess am 22. Juni 1958 durch die SBB zwei Springpferde, die von zwei Wärtern begleitet waren, von La Chaux-de-Fonds nach Biel befördern. Beim Rangieren des Wagens im Bahnhof Biel versagten die Bremsen, weil, wie sich nachträglich herausstellte, ein Bremsgestängebolzen herausgefallen war. Der auf dem Güterwagen befindliche Rangierarbeiter verlor die Herrschaft über diesen und sprang ab. Der Führer der bereitstehenden Rangierlokomotive versuchte den Wagen fahrend aufzufangen. Dies gelang ihm, doch prallte der Güterwagen heftig gegen die Lokomotive. Die beiden Pferde wurden gegeneinander und gegen die Wagenwand geworfen, kamen zu Fall und erlitten leichte Verletzungen. In der Folge stellte sich beim einen von ihnen, dem Springpferd "Alpenperle", akuter Starrkrampf ein, und es musste am 30. Juni 1958 abgetan werden.
B.-
Der Eigentümer Brenzikofer belangte die SBB auf Schadenersatz. Die Beklagten bestritten ihre Haftpflicht.
C.-
Der Appellationshof des Kantons Bern, III. Zivilkammer, schützte mit Urteil vom 23. Mai 1960 die Klage im Betrage von Fr. 29 785.80 nebst 5% Zins seit 1. Juli 1958.
D.-
Mit der vorliegenden Berufung beantragen die Beklagten die Abweisung der Klage.
Der Kläger stellt den Antrag auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Transport auf Eisenbahnen und Schiffen (ETrG) vom 11. März
BGE 87 II 117 S. 119
1948 (AS 1949 I S. 563 ff.), sowie des in Ausführung des genannten Gesetzes erlassenen Transportreglements (Tr-Regl) vom 24. Juni 1949 (AS 1949 I S. 581 ff.) massgebend. Da die in diesen Erlassen getroffene Haftungsregelung im wesentlichen mit der im internationalen Abkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM) vom 25. Oktober 1952 (AS 1952 S. 200 ff.) vorgesehenen Ordnung übereinstimmt, können für die Beurteilung auch das Schrifttum und die Rechtsprechung zu diesem Abkommen herangezogen werden.
2.
Nach Art. 34 ETrG gelten für die Beförderung von lebenden Tieren die Bestimmungen über die Beförderung von Gütern, soweit das Transportreglement dafür keine besonderen Bestimmungen enthält.
Bei der Beförderung von Gütern haftet gemäss Art. 48 Abs. 1 ETrG die Eisenbahn "für den Schaden, der durch gänzlichen oder teilweisen Verlust oder durch Beschädigung des Gutes... entsteht, wenn sie nicht beweist, dass der Schaden durch ein Verschulden oder durch eine nicht von ihr verschuldete Anweisung des Verfügungsberechtigten, durch besondere Mängel des Gutes (innerer Verderb, Schwinden, gewöhnlicher Rinnverlust usw.) oder durch Umstände herbeigeführt worden ist, die sie nicht abzuwenden und denen sie auch nicht abzuhelfen vermochte".
Bei dieser Haftung der Bahn handelt es sich nach allgemein anerkannter Auffassung um eine Kausalhaftung, von der sich die Bahn nur durch den in der genannten Vorschrift vorbehaltenen Entlastungsbeweis befreien kann.
Art. 48 Abs. 3 ETrG sodann bestimmt, dass im Transportreglement bei besonderen Gefahren eine Einschränkung der Haftung der Bahn angeordnet werden soll.
Für den Gütertransport im allgemeinen wird die Haftung der Bahn in Art. 174 ff. TrRegl geordnet, und in Art. 178 wird insbesondere in Ausführung von Art. 48 Abs. 3 ETrG die Einschränkung der Haftung bei besonderen Gefahren umschrieben.
In den Sondervorschriften des Transportreglements über
BGE 87 II 117 S. 120
die Beförderung lebender Tiere (Art. 102 ff.) wird bezüglich der Haftung der Bahn in Art. 122 Abs. 1 zunächst auf die oben genannten allgemeinen Vorschriften der Art. 174 ff. hingewiesen und sodann in Abs. 2 bestimmt:
"Die Eisenbahn haftet nicht für Schäden, die aus der einen oder der beiden nachgenannten Ursachen entstehen:
a) aus der für lebende Tiere mit ihrer Beförderung verbundenen besonderen Gefahr;
b) aus der Gefahr, deren Abwendung durch die Begleitung bezweckt wird, wenn die Tiere nach den Bestimmungen dieses Reglements oder des Tarifs oder nach einer in den Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung begleitet werden müssen."
Art 122 Abs. 3 TrRegl. endlich lautet:
"Konnte nach den Umständen des Falles ein Schaden aus einer oder beiden der in Abs. 2 erwähnten Ursachen entstehen, so wird bis zum Nachweis des Gegenteils durch den Berechtigten vermutet, dass der Schaden hieraus entstanden ist."
3.
Da es sich im vorliegenden Falle um den Transport lebender Tiere handelte, haben die Beklagten auf Grund der zu ihren Gunsten in Art. 122 Abs. 3 TrRegl aufgestellten Vermutung lediglich zu beweisen, dass der eingetretene Schaden durch die besondere Gefahr, die für lebende Tiere mit der Beförderung verbunden ist, verursacht worden sein konnte. Dass ein solcher Kausalzusammenhang tatsächlich besteht oder auch nur wahrscheinlich ist, braucht die Bahn dagegen nicht darzutun; es genügt der Nachweis der blossen Möglichkeit, dass nach den Umständen des Falles die besondere Transportgefahr als Schadenursache in Betracht kommt (NANASSY, Das internationale Eisenbahnfrachtrecht, 1956, Art. 28 § 2, S. 569 f.). Gelingt der Bahn dieser Nachweis, so ist sie von der Haftung befreit, soweit der Ansprecher nicht seinerseits zu beweisen vermag, dass der Schaden in Wirklichkeit auf eine andere Ursache zurückzuführen ist, also nicht auf der Verwirklichung einer mit dem Transport lebender Tiere verbundenen besonderen Gefahr beruht (NANASSY, S. 570 Ziff. 3). Erbringt der Ansprecher den Beweis für eine solche anderweitige Schadensverursachung, so fällt die zu Gunsten der
BGE 87 II 117 S. 121
Bahn aufgestellte Vermutung dahin und es greift ihre grundsätzliche Kausalhaftung uneingeschränkt Platz.
4.
Die Voraussetzung, dass nach den Umständen die mit der Beförderung lebender Tiere verbundene besondere Gefahr als Schadensursache in Betracht kommen könnte, ist im vorliegenden Fall erfüllt.
Die in Art. 122 Abs. 2 TrRegl vorgesehene Haftungsbeschränkung beruht auf dem Gedanken, dass Tiere wegen ihrer Natur als Lebewesen bei der Beförderung von besonderen Gefahren bedroht werden, denen leblose Güter nicht ausgesetzt sind. Die Tiere müssen, um am Leben zu bleiben, atmen können, ernährt und gewartet werden, und bedürfen auch einer gewissen Bewegungsmöglichkeit. Diese elementaren Lebenssbedingungen müssen ihnen auch während der Beförderung mit der Bahn gesichert sein. Wegen der Möglichkeit, dass die hierfür notwendigen Vorkehren unterbleiben könnten, besteht die Gefahr, dass die Tiere durch Erkrankung, Ersticken, Verhungern oder Verdursten zu Grunde gehen. Sodann machen die ungewohnten Eindrücke des Transportes die Tiere scheu und unruhig, was sich für sie selbst und für andere mitbeförderte Tiere verhängnisvoll auswirken kann; es besteht die Gefahr, dass sie sich losreissen und entspringen, oder durch Beissen, Stossen, Ausschlagen, Zertreten sich selbst oder einander verletzen können. Endlich verfügen lebende Tiere über eine geringere Standfestigkeit als leblose Güter, die entsprechend gesichert werden können; die Tiere sind daher in vermehrtem Masse als andere Güter der Gefahr ausgesetzt, durch Erschütterungen, die sich beim Bahnbetrieb allgemein und insbesondere beim Rangieren nicht vermeiden lassen, zu Fall zu kommen, wobei sie Verletzungen erleiden oder gar getötet werden können (NANASSY, Art. 27 § 3 S. 560 f.). Vor allem Pferde können wegen ihres schlechten Stehvermögens schon durch einen verhältnismässig leichten Stoss zum Umfallen gebracht werden (Zeitschrift für den internationalen Eisenbahnverkehr [ZIE] Bd. 51 [1943] S. 271).
BGE 87 II 117 S. 122
Da im vorliegenden Falle der streitige Schaden im Zusammenhang mit einem Rangiermanöver eingetreten ist, können die Beklagten zunächst für sich die Vermutung in Anspruch nehmen, die in der mangelnden Standfestigkeit im allgemeinen bestehende besondere Tiergefahr habe die Schadensursache gebildet.
5.
Die zu Gunsten der Beklagten bestehende Vermutung, die, bliebe sie aufrecht, zur Haftbefreiung führen würde, fällt hier jedoch dahin, weil feststeht, dass der Schaden auf eine andere Ursache als eine der im Wesen der beförderten Tiere liegende besondere Gefahr zurückzuführen ist.
a) Beim Anprall, der zum Sturze der im Güterwagen befindlichen beiden Pferde führte, handelte es sich nicht um einen blossen Rangierstoss, wie er auch beim normalen Rangierverkehr häufig vorkommt, sondern um einen eigentlichen Rangierunfall. Ausgangspunkt der Kausalreihe, die schliesslich zum Schadenseintritt führte, bildete nämlich, wie nicht streitig ist, die Tatsache, dass am Güterwagen, in welchem die Pferde befördert wurden, ein Bremsgestängebolzen herausfiel. Dieser technische Defekt hatte zur Folge, dass die Bremsen, die bei der vor dem Abstossen des Wagens vorgenommenen Bremskontrolle noch einwandfrei funktioniert hatten, versagten, als der Rangierarbeiter sie bei der Annäherung an die bereitstehende Rangierlokomotive betätigen wollte. Der Arbeiter verlor daher nach den Feststellungen der Vorinstanz die Herrschaft über den Wagen und sprang ab, um sich vor dem drohenden Zusammenstoss in Sicherheit zu bringen. Dessen Heftigkeit konnte nun zwar durch das geistesgegenwärtige Eingreifen anderer Bahnbeamter einigermassen gemildert werden. Der Sous-Chef Staub, der das Rangiermanöver beaufsichtigte, vermutete ein Versagen der Bremsen, als er den Wagen mit unverminderter Geschwindigkeit, d.h. mit ca. 10-15 km, auf die Rangierlokomotive zufahren sah; er gab deshalb dem Führer der Lokomotive den Befehl, wegzufahren und den entlaufenen Wagen fahrend
BGE 87 II 117 S. 123
aufzufangen. Dieses Manöver gelang an sich; aber nach den Feststellungen der Vorinstanz prallte der Wagen gleichwohl "sehr brüsk", also mit grosser Wucht, auf die Lokomotive auf.
b) Der eingetretene Schaden ist somit letzten Endes auf den geschilderten Bremsdefekt zurückzuführen. Das lässt die Berufungsschrift der Beklagten völlig ausser acht, indem sie von einer blossen "Rangierunregelmässigkeit", einem "sog. Rangierstoss" spricht. Im weiteren setzt sich die Berufungsschrift mit dem durch die Vorinstanz verbindlich festgestellten Sachverhalt in Widerspruch, wenn sie ausführt, die "Alpenperle" sei nicht das Opfer eines besonders heftigen Rangierstosses, sondern nur eines leichteren Aufpralls geworden. Nach den Feststellungen der Vorinstanz prallte der Güterwagen "sehr brüsk" mit der Lokomotive zusammen. Die Beklagten berufen sich für ihre Darstellung, wonach es sich lediglich um einen "leichteren Anprall" gehandelt hätte, auf die Geringfügigkeit der Verletzungen der Tiere, auf den Umstand, dass keine Entgleisung erfolgte und auf das Fehlen von Schäden am Güterwagen und an der ihn auffangenden Lokomotive. Diese Ausführungen bedeuten jedoch eine nach
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
unzulässige Diskussion des Sachverhalts. Welche Schlussfolgerungen aus den von den Beklagten genannten Umständen hinsichtlich der Stärke des Zusammenstosses zu ziehen seien, hatte der kantonale Richter auf dem Wege der ihm vorbehaltenen Beweiswürdigung zu entscheiden, und seine Feststellung, es habe sich um einen "sehr brüsken", d.h. wuchtigen Zusammenstoss gehandelt, ist daher für das Bundesgericht verbindlich und muss auch von den Beklagten hingenommen werden.
c) Da der geschilderte Bremsdefekt die massgebende Ursache für den heftigen Zusammenstoss und den dadurch herbeigeführten Sturz der beförderten Pferde bildete, ist den Beklagten jede Berufung auf die besondere Gefahr des Transportgutes verwehrt; denn für Materialfehler und deren Folgen hat die Bahn nach den Grundsätzen der Kausalhaft
BGE 87 II 117 S. 124
uneingeschränkt einzustehen, da sie in den von ihr zu vertretenden Gefahrenbereich fallen.
Mit dieser Betrachtungsweise steht auch die ausländische Rechtsprechung im Einklang. So hat das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 14. März 1940 (veröffentlicht in ZIE Bd. 53 [1945] S. 262 ff.) eine Haftung der Bahn verneint, weil der Kläger (im Gegensatz zum vorliegenden Fall) nicht beweisen konnte, dass der durch einen Rangierstoss herbeigeführte Schaden aufeine andere Ursache als die besondere Transportgefahr von lebenden Tieren zurückzuführen war. Besonders instruktiv ist sodann das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 1942 (ZIE Bd. 50 [1942] S. 418 ff.). In dem dort zu beurteilenden Falle waren zwei Pferde je mit einem Hinterfuss durch die Bodendiele des Güterwagens durchgebrochen. Das Gericht bezeichnete die Frage nach der Ursache des Durchbrechens der Diele als ausschlaggebend. Auf Grund des Beweisergebnisses stellte das Gericht fest, es sei nicht dargetan, dass die Dielen morsch, zu dünn oder an sich untauglich gewesen seien. Dagegen bezeichnete es das Gericht als naheliegend, dass die durch den Bahntransport aufgeregten Pferde heftig gestampft haben könnten; die Wucht eines solchen ein- oder mehrmaligen Aufstampfens sei ausserordentlich stark und vermöge unter Umständen auch ein dickes Brett zu durchbrechen. Wegen der Möglichkeit einer solchen Verwirklichung der besonderen Transportgefahr von Pferden wurde die Schadenersatzklage des Pferdeeigentümers abgewiesen. Aus der dargelegten Begründung erhellt, dass die Bahn beim Vorliegen technischer Mängel des Wagens (Morschheit oder ungenügende Dicke der Diele) ohne Rücksicht auf die nach der Natur des Transportgutes bestehende Möglichkeit des Durchschlagens auch einer mängelfreien Diele ersatzpflichtig erklärt worden wäre.
d) Da wegen des Nachweises einer anderen Ursache (Bremsdefekt) eine Haftbefreiung der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der besonderen Transportgefahr lebender Tiere grundsätzlich ausscheidet, können die Beklagten
BGE 87 II 117 S. 125
auch nicht einwenden, der von ihnen zu vertretende Zusammenstoss sei nicht heftiger gewesen als ein gewöhnlicher Rangierstoss, für dessen Folgen sie nach Lehre und Rechtsprechung nicht einzustehen hätten. Ebenso kann bei dieser Rechtslage die in Schrifttum und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete Frage dahingestellt bleiben, ob die Bahn sich nur bei Schäden aus gewöhnlichen Rangierstössen auf den Haftbefreiungsgrund der besonderen Tiergefahr berufen könne, oder ob dies selbst bei Rangierstössen von aussergewöhnlicher Stärke zulässig sei.
e) Der Entscheid der Vorinstanz, dass die Beklagten dem Kläger grundsätzlich haften, verstösst somit entgegen der Meinung der Berufung nicht gegen Bundesrecht.
6.
Die Beklagten machen weiter geltend, die Vorinstanz habe Bundesrecht dadurch verletzt, dass sie das Bestehen eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen den vom Unfall vom 22. Juni 1958 herrührenden Verletzungen des Pferdes "Alpenperle" und dessen Eingehen bejahte.
a) Die Vorinstanz nahm auf Grund des von ihr bei Prof. Leemann, Zürich, eingeholten Gutachtens und der vom Experten dazu gemachten mündlichen Ergänzungen an, dass sich das Pferd "Alpenperle" anlässlich des Sturzes beim Manövrierunfall eine Ballenhornverletzung zuzog. Vom Ballenhornabriss sei dann eine Tetanusinfektion ausgegangen. Die Tetanuserkrankung hätte trotz sorgfältiger kunstgerechter Behandlung und Pflege des Pferdes seit der Verletzung bis zur Einlieferung in das Tierspital nicht erkannt oder durch Impfung in ihrem Verlauf gehindert werden können. Der Tetanus habe dann unbestrittenermassen zur Notschlachtung des Pferdes geführt; sie sei die gegebene Massnahme gewesen, weil das Tier nicht mehr hätte gerettet werden können.
Gestützt auf die Erklärungen des Sachverständigen hat die Vorinstanz entschieden, dass die adäquate Kausalitätskette zwischen dem Manövrierunfall und der Abschlachtung des Pferdes als lückenlos und geschlossen betrachtet werden müsse.
BGE 87 II 117 S. 126
b) Die dieser Schlussfolgerung der Vorinstanz notwendigerweise zu Grunde liegende Annahme des natürlichen Kausalzusammenhangs ist, weil es sich dabei um eine Tatfrage handelt, für das Bundesgericht verbindlich. Vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsfrage ist dagegen, ob die Notschlachtung des Pferdes zu dem von der Beklagten zu vertretenden Rangierunfall in einem adäquaten Verhältnis stehe und darum auch rechtserheblich sei (
BGE 83 II 410
f.,
BGE 80 II 342
).
Die Beklagten bestreiten dies. Sie führen aus, von verschiedenen Unfallursachen seien Ursachen, welche nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge neben anderen wichtigeren Ursachen in den Hintergrund träten, nicht mehr adäquat. Vorliegend trete die Betriebsgefahr der Eisenbahn als Schadenursache im Vergleich zur Schadensselbstzufügung des Tieres (Ballenriss) und der sich daraus entwickelnden Krankheit (Tetanus) derart in den Hintergrund, dass der adäquate Kausalzusammenhang nicht mehr als gegeben erscheine.
Es handelt sich jedoch nicht darum, zwischen "verschiedenen Unfallursachen" zu unterscheiden und zu wählen. Unfallursache war das durch einen technischen Defekt bedingte Versagen der Bremsen; dieser Mangel des Materials hat zum Unfall und der dadurch bewirkten Körperverletzung des Pferdes "Alpenperle" geführt. Bei Unfällen, welche Leebewesen betreffen, bilden sodann Körperverletzung und Tötung regelmässige Unfallfolgen und sind in der Regel auch adäquat.
Vorliegend ist zur Frage der Adäquanz zu bemerken, dass die Tetanusinfektion eine bekannte Komplikation der Gelegenheitswunde bildet (DUBOIS/ZOLLINGER, Unfallmedizin, S. 400 ff.); auch beim Tier verhält es sich nicht anders. Damit erscheint die Tetanusinfektion, generell besehen, als adäquate Unfallfolge. Der Entscheid darüber, ob sie es auch im Einzelfall war, hängt von der medizinischen Beurteilung der Kausalität ab. Der Gerichtsexperte, auf den die Vorinstanz für das Bundesgericht
BGE 87 II 117 S. 127
verbindlich abstellt, hat die Kausalität bejaht. Mit der medizinischen Frage aber ist hier (weil mit ihr untrennbar verbunden) wegen der generell gegebenen Adäquanz auch diejenige für den konkreten Einzelfall beantwortet.
c) Die Beklagten wenden ein, auch bei an und für sich tetanusanfälligen Pferden seien Tetanusinfektionen äusserst selten, weshalb die Adäquanz ohne weiteres entfalle. Diese Auffassung ist irrtümlich. Adäquat sind gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht nur solche Folgen, die als gewöhnliche erscheinen, so wie sie angesichts des Unfallherganges und dessen körperlicher Einwirkungen zu erwarten waren. Vielmehr ist von den tatsächlichen Auswirkungen auszugehen und rückblickend zu entscheiden, ob und inwiefern der Unfall noch als deren wesentliche Ursache erscheint (
BGE 70 II 177
). Selbst singuläre, d.h. aussergewöhnliche Folgen können unter Umständen adäquate Unfallfolgen darstellen (
BGE 80 II 343
f.). Dieser für das Gebiet der Unfallversicherung aufgestellte Grundsatz gilt auch für das Haftpflichtrecht.
Die Beklagte beruft sich darauf, nach einer häufigen Formulierung sei auf die Lebenserfahrung und den gewöhnlichen Lauf der Dinge abzustellen. Das ist an sich richtig. Aber auch dies besagt lediglich, dass ein Ereignis an sich geeignet sein muss, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen (
BGE 81 II 444
f.). Mit andern Worten bedeutet das, es komme für die Adäquanz auf die generelle Eignung der fraglichen Ursachen an, Wirkungen der eingetretenen Art herbeizuführen (OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Aufl. Bd. I S. 59). Es ist aber unbestreitbar, dass Körperverletzungen, wie eine solche von den Beklagten zu verantworten ist, generell geeignet sind, Starrkrampf herbeizuführen. Diese Unfallfolge ist nicht einmal singulär, während das Bundesgericht sogar Singularität der Auswirkungen im konkreten Fall nicht als haftbefreiend ansieht (
BGE 80 II 344
).
Ebenso kommt es für die Adäquanz nicht darauf an, ob die Unfallfolge vorausgesehen werden konnte, bzw. nach
BGE 87 II 117 S. 128
dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Lebenserfahrung zu erwarten war, wie die Beklagten weiter einwenden. Entscheidend ist vielmehr, ob der eingetretene Erfolg objektiv geeignet ist, als Wirkung einer bestimmten Ursache betrachtet zu werden (OFTINGER, S. 60 vor N. 12).
Damit erweisen sich die hinsichtlich des adäquaten Kausalzusammenhanges von der Beklagten erhobenen Einwendungen ebenfalls als unstichhaltig.
7.
Da die Beklagten somit schon nach den Grundsätzen der Kausalhaftung für den vollen Schaden des Klägers aufzukommen haben, kann die Frage, ob sie am Unfall ein Verschulden treffe, mit der Vorinstanz offen gelassen werden.
Die Höhe des von der Vorinstanz zugesprochenen Schadenersatzes ist nicht streitig.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern, III. Zivilkammer, vom 23. Mai 1960 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8c32f25c-9fb5-44ae-853b-a35d422efeef | Urteilskopf
109 II 452
96. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Dezember 1983 i.S. Adolf Forster AG gegen Hanspeter Krattiger (Berufung) | Regeste
Gültigkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen, Ungewöhnlichkeitsregel; Vertretungsbefugnis des bauleitenden Architekten nach SIA-Norm 118, Ausgabe 1977.
1. Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel, Voraussetzungen:
- Schutz der schwachen oder unerfahrenen Vertragspartei (E. 5a).
- Beurteilung der Ungewöhnlichkeit nach subjektivem und objektivem Massstab (E. 5b).
2. Art. 154 Abs. 3 und Art. 155 Abs. 1 der SIA-Norm 118 sind für einen branchenfremden, "einmaligen" Bauherrn ungewöhnlich und daher unverbindlich (E. 5c). | Sachverhalt
ab Seite 453
BGE 109 II 452 S. 453
Die Adolf Forster AG plante 1980 den Bau eines Hühnerstalles in Bürglen für etwa 20'000 Legehennen nach einer in der Schweiz neuartigen Konzeption. Am 14. März 1980 schloss sie mit Hanspeter Krattiger zwei Werkverträge; der eine betraf Zimmerarbeiten für Fr. 116'500.--, der andere den Einbau der Stalleinrichtung für Fr. 64'700.--. Unterzeichnet wurden die Verträge von Helfenstein, dem Geschäftsführer der Adolf Forster AG, sowie von Krattiger und Architekt Engler, den die Bauherrin mit der Bauleitung beauftragte.
Beide Werkverträge enthalten insbesondere folgende Bestimmung:
"4. Bestandteile des Werkvertrages
...
"Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten des SIA, Norm 118, die in allen Teilen als bekannt vorausgesetzt werden und denen sich beide Parteien, Bauherr und Unternehmer, ausdrücklich unterwerfen."
Nach Ausführung der Arbeiten sandte Krattiger dem Architekten einen Entwurf der Schlussabrechnung, in welchem auch die Ausmasse aufgeführt waren. Engler korrigierte die Rechnung, überprüfte mit Krattiger die Ausmasse und schickte den Entwurf zur Reinschrift an Krattiger zurück. Dieser liess darauf dem Architekten zuhanden der Adolf Forster AG drei detaillierte Rechnungen zukommen, die alle das Datum des 10. Februar 1981 tragen. Sie berücksichtigten sämtliche Korrekturen, die Engler am Entwurf vorgenommen hatte, und lauteten auf insgesamt Fr. 288'420.45. Die Rechnung für Zimmerarbeiten belief sich auf
BGE 109 II 452 S. 454
Fr. 179'701.70, diejenige für die Stalleinrichtung auf Fr. 43'535.20, und mit der dritten forderte Krattiger Fr. 45'183.55 für die zusätzlichen Arbeiten. Engler visierte die Rechnungen und gab sie am 12. Februar 1981 zur Zahlung an die Adolf Forster AG weiter.
Die Adolf Forster AG, die im Juni und Juli 1980 Akontozahlungen von insgesamt Fr. 150'000.-- erbracht hatte, leistete den verbleibenden Betrag von Fr. 138'420.45 nicht und teilte, nachdem sie von Krattiger gemahnt worden war, diesem schriftlich mit, sie werde vorläufig nicht bezahlen, weil der Bau noch kontrolliert werden müsse und die Rechnungen in vielen Punkten nicht mit den Werkverträgen übereinstimmten.
Im Juni 1981 erhob Krattiger beim Bezirksgericht Weinfelden Klage gegen die Adolf Forster AG mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung von Fr. 138'420.45 nebst Zins zu verpflichten. Da die Beklagte im Laufe des Verfahrens eine Abschlagszahlung von Fr. 94'115.-- erbrachte, reduzierte der Kläger seine Forderung entsprechend. Mit Urteil vom 22. Juli 1982 sprach das Bezirksgericht dem Kläger Fr. 44'305.45 nebst Zins zu.
Die Beklagte appellierte an das Obergericht des Kantons Thurgau, das am 16. Dezember 1982 das erstinstanzliche Urteil bestätigte.
Die Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingelegt mit dem Antrag, es aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt das Urteil des Obergerichts auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die Parteien haben in den Werkverträgen vom 4. März 1980 auf die SIA-Norm 118 (Ausgabe 1977) über "Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten" verwiesen und festgehalten, diese werde in allen Teilen als bekannt vorausgesetzt. Die Beklagte hat die grundsätzliche Geltung der SIA-Norm schon vor den kantonalen Gerichten nicht bestritten und ihre Haltung im Berufungsverfahren nicht geändert. Sie ist jedoch der Auffassung, unter den gegebenen Umständen verstosse die Anwendung einzelner Vorschriften, nämlich von Art. 154 und 155, gegen Bundesrecht, insbesondere gegen die Bestimmungen des Obligationenrechts über die
BGE 109 II 452 S. 455
Stellvertretung und den einfachen Auftrag sowie gegen
Art. 2 ZGB
. Zur Begründung führt sie aus, die der Bauleitung in den Art. 154 und 155 verliehene Befugnis zur Vertretung des Bauherrn gegenüber dem Unternehmer laufe auf eine Generalbevollmächtigung in finanzieller Hinsicht hinaus, die im Vertragsverhältnis zwischen Bauherr und bauleitendem Architekten offensichtlich nicht Bestand habe, was der Unternehmer regelmässig wisse. Die gegenteilige Meinung des Obergerichts sei um so stossender, als die beiden Bestimmungen über die Vertretungsbefugnis des Architekten im hinteren Drittel der umfangreichen SIA-Norm 118 für Bauarbeiten ständen, ohne dass die SIA-Norm 102 für Arbeiten des Architekten eine analoge Klausel und Generalvollmacht enthalte. Der Bauherr werde auf diese Weise an der Nase herumgeführt.
a) Das Obergericht legt zu dieser Frage dar, Art. 154 Abs. 3 der SIA-Norm 118 gebe der Prüfung der Schlussrechnung durch den Bauleiter eine Tragweite, die sie ausserhalb der Vertragsnormalien nicht habe. Denn ergäben sich bei der Prüfung keine Differenzen, so gelte die Schlussabrechnung mit dem Prüfungsbescheid der Bauleitung als beidseitig anerkannt und werde gemäss Art. 155 Abs. 1 zur Zahlung fällig. SCHWAGER (Der Umfang der Architektenvollmacht, Baurecht 1980/3, S. 42) weise zwar darauf hin, dass wohl die wenigsten Bauherren, die in den Werkverträgen die SIA-Norm 118 als anwendbar erklärten, sich bewusst seien, wieweit sie sich nach deren Wortlaut in finanzieller Hinsicht dem Architekten auslieferten; aufgrund der Ungewöhnlichkeitsregel müsse deshalb häufig gegenüber dem branchenunkundigen, "einmaligen" Bauherrn die Anwendung von Art. 154/155 abgelehnt werden. Nach Ansicht des Obergerichts kann sich die Beklagte jedoch nicht auf die Ungewöhnlichkeitsregel berufen, da sie weder branchenunkundig sei noch als einmalige Bauherrin betrachtet werden könne.
b) Die von der Beklagten beanstandeten Art. 154 und 155 der SIA-Norm 118 bestimmen insbesondere, die vom Unternehmer der Bauleitung eingereichte Schlussabrechnung sei innerhalb Monatsfrist von diesem zu prüfen und das Ergebnis der Prüfung unverzüglich dem Unternehmer mitzuteilen; ergäben sich bei der Prüfung keine Differenzen, so gelte die Schlussabrechnung mit dem Prüfungsbescheid der Bauleitung als beidseitig anerkannt; die durch die Schlussrechnung ermittelte Forderung des Unternehmers werde mit dem Prüfungsbescheid der Bauleitung fällig und sei innert dreissig Tagen zu bezahlen. Von der Beklagten nicht
BGE 109 II 452 S. 456
erwähnt werden Art. 33 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1, welche die Vertretungsbefugnis des Bauleiters allgemein umschreiben und deshalb ebenfalls von Bedeutung sind. Danach vertritt die Bauleitung den Bauherrn gegenüber dem Unternehmer, soweit im Werkvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt wird; ferner sind alle das Werk betreffenden Willensäusserungen der Bauleitung für den Bauherrn rechtsverbindlich, insbesondere Weisungen, Bestellungen, Bestätigungen und Planlieferungen; zudem nimmt die Bauleitung Mitteilungen und Willensäusserungen für den Bauherrn rechtsverbindlich entgegen (Art. 33 Abs. 2). Endlich obliegt der Bauleitung gemäss Art. 34 Abs. 1 die Prüfung der Rechnungen und des Werkes.
Zweck der SIA-Norm 118 ist die Regelung des Vertragsverhältnisses zwischen Bauherrn und Werkunternehmer. Das vom Schweizerischen Ingenieur- und Architekten-Verein herausgegebene Regelwerk ist ein Schriftstück von 51 Druckseiten. Es umfasst insgesamt 190 Artikel, von denen die meisten in mehrere Absätze unterteilt sind. Die Norm wurde von einer Kommission ausgearbeitet, der vor allem Architekten und Ingenieure angehörten. Gemäss ihrer Präambel soll sie den Abschluss und die Gestaltung von Verträgen erleichtern und zudem bewirken, dass im Bauwesen möglichst einheitliche Vertragsbedingungen verwendet werden.
4.
Mit der Frage, ob der Richter die schwache oder unerfahrene Partei vor allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie nicht gelesen oder in ihrer Tragweite nicht begriffen hat, schützen soll, hat sich das Bundesgericht in drei neuen, veröffentlichten Urteilen auseinandergesetzt. In
BGE 108 II 418
E. 1b hielt es als Grundsatz fest, wer einen Vertragstext unterzeichne, der auf allgemeine Geschäftsbedingungen verweise, sei in gleicher Weise gebunden wie derjenige, der seine Unterschrift unter den Text der allgemeinen Bedingungen selbst setze. Es komme deshalb nicht darauf an, ob die betreffende Partei die allgemeinen Geschäftsbedingungen tatsächlich gelesen habe. Dieser Grundsatz bedürfe indessen der Einschränkung für den Fall, dass die Gegenpartei wisse oder nach der allgemeinen Lebenserfahrung wissen müsse, dass der Erklärungsinhalt nicht gewollt sei. Aus dieser Einschränkung, die sich auf das Vertrauensprinzip stütze, habe ein Teil der Lehre die sogenannte Ungewöhnlichkeitsregel abgeleitet, wonach von der pauschalen Zustimmung zu allgemeinen Geschäftsbedingungen alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen seien, insbesondere solche, deren Inhalt von dem abweicht, was vernünftigerweise
BGE 109 II 452 S. 457
erwartet werden dürfe. In jenem Fall wurde die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel indessen abgelehnt, im wesentlichen mit der Begründung, die Partei, welche den Einbezug der allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag veranlasst habe, habe aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung nicht erkennen müssen, dass eine oder mehrere der darin enthaltenen Vorschriften von der Gegenpartei nicht gewollt seien. Zu beachten ist, dass es sich in jenem Fall, auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt wurde, nicht um "Kunden-AGB", sondern um "Unternehmer-AGB" gehandelt hat.
In einem späteren Urteil (
BGE 109 II 118
E. 2) hat das Bundesgericht nach einem Hinweis auf die Literatur zur Ungewöhnlichkeitsregel deren Anwendung in Würdigung der konkreten Umstände wiederum abgelehnt. Schliesslich hat es sich in
BGE 109 II 216
E. 2 ausführlich mit den zum Teil voneinander abweichenden Lehrmeinungen befasst, ohne dazu Stellung zu nehmen, weil diese Unterschiede keinen Einfluss auf den Verfahrensausgang hatten.
Auch im vorliegenden Fall erübrigt sich eine Stellungnahme zur Frage, ob und inwieweit der Richter neben der Geltungs- eine Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen vornehmen kann, wie dies von der Lehre teilweise gefordert wird (dazu zuletzt CARL BAUDENBACHER, Wirtschafts-, schuld- und verfahrensrechtliche Grundprobleme der allgemeinen Geschäftsbedingungen, Zürich 1983, S. 282 ff.). Vielmehr ist auf Grund der Besonderheit des vorliegenden Falles zu entscheiden, ob sich die Beklagte auf die Ungewöhnlichkeitsregel berufen darf. Inhaltliche Gesichtspunkte können dabei insofern eine Rolle spielen, als eine Anwendung dieser Regel um so eher berechtigt ist, je stärker eine Klausel die Rechtsstellung des Vertragspartners beeinträchtigt.
5.
a) Wie bereits erwähnt, kann sich in der Regel nur die schwache oder unerfahrene Partei auf die Ungewöhnlichkeitsregel berufen. Dass die Beklagte in wirtschaftlicher oder anderer Hinsicht im Vergleich zum Kläger als schwächere Partei zu betrachten ist, wird von der Vorinstanz nicht festgestellt und ergibt sich nicht aus den Akten. Als schwächere Partei muss allerdings auch diejenige gelten, welche unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder anderen Umständen, die sie als stärkere Partei erscheinen lassen, gezwungen ist, allgemeine Geschäftsbedingungen als Vertragsbestandteil zu akzeptieren, weil sie andernfalls kaum einen Vertragspartner findet. Da es in der Baubranche üblich ist, beim Abschluss von Werkverträgen über umfangreiche
BGE 109 II 452 S. 458
Arbeiten die SIA-Norm 118 als anwendbar zu erklären, wäre das auch im vorliegenden Fall denkbar. Darüber fehlen indessen tatsächliche Feststellungen des Obergerichts; zudem behauptet die Beklagte nicht, sie habe sich in einer solchen Lage befunden. Damit wird entscheidend, ob die Beklagte als unerfahrene Partei gelten kann. Da die gleiche Frage auch bei der Prüfung, ob die angefochtenen Artikel der SIA-Norm 118 als für die Beklagte ungewöhnlich zu betrachten sind, eine Rolle spielt, ist sie im Zusammenhang damit zu beantworten.
b) In der Lehre wird die Meinung vertreten, die Ungewöhnlichkeit sei individuell, das heisst aus der Sicht des Zustimmenden zur Zeit des Vertragsabschlusses zu beurteilen; für einen Branchenfremden könnten deshalb auch branchenübliche Klauseln ungewöhnlich sein (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 499 zu
Art. 1 OR
; GIGER, Geltungs- und Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, S. 35; GAUCH, Vorgeformte Baubedingungen, Baurecht 1979/1, S. 5). Dem ist grundsätzlich beizustimmen. Auf die individuellen Vorstellungen des Zustimmenden darf jedoch nur soweit abgestellt werden, als sie der Gegenpartei erkennbar sind, denn wie bereits dargelegt muss bei der Beurteilung der Frage das Vertrauensprinzip wegleitend sein. In der Literatur wird denn auch mit Recht gefordert, die Ungewöhnlichkeitsregel nur dann anzuwenden, wenn neben der subjektiven Voraussetzung des Fehlens von Branchenerfahrung die betreffenden Klauseln objektiv beurteilt einen geschäftsfremden Inhalt aufweisen (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 499 zu
Art. 1 OR
; GIGER, a.a.O., S. 34). Dabei sind unter geschäftsfremden Bestimmungen solche zu verstehen, die zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters führen oder in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus fallen.
Nach diesem objektiven Massstab beurteilt sind die von der Beklagten beanstandeten Vorschriften ungewöhnlich. Da mit einem Werkvertrag die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Bauherrn und Unternehmer geregelt werden sollen, erscheint eine damit der Bauleitung verliehene umfassende Vollmacht in bezug auf finanzielle Verpflichtungen verglichen mit dem gesetzlichen Vertragstypus als geschäftsfremd. Im vorliegenden Fall drängt sich jedoch in Anbetracht des Umstandes, dass in den Werkverträgen auf die Vertretung der Beklagten durch den bauleitenden Architekten hingewiesen wird, eine differenzierte Betrachtungsweise auf. Damit erweiterte die Beklagte den Vertragsinhalt und gab
BGE 109 II 452 S. 459
dem Kläger zu erkennen, dass der Bauleiter zur Vornahme von Handlungen in ihrem Namen berechtigt sei. Daraus durfte der Kläger indessen nicht auf eine Generalvollmacht des Architekten für jede beliebige Rechtshandlung im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben schliessen, denn der Umfang der Vertretungsbefugnis wurde damit nicht festgelegt (vgl. SCHWAGER, Der Architekt als Vertreter des Bauherrn, Baurecht 1980/2, S. 23/24). Soweit mit der SIA-Norm 118 die Vollmacht des bauleitenden Architekten zur Vornahme von Handlungen, welche die eigentliche Bauleitung betreffen, näher geregelt wird, können deren Bestimmungen nicht als geschäftsfremd beurteilt werden. Dagegen sind die Art. 154 Abs. 3 und Art. 155 Abs. 1, in welchen der Bauleitung umfassende Vertretungsbefugnis in finanziellen Belangen verliehen wird, mit der in den Werkverträgen vom 14. März 1980 festgehaltenen Vertragserweiterung nicht mehr vereinbar und daher geschäftsfremd.
c) Zu entscheiden bleibt somit, ob auch die subjektiven Voraussetzungen für die Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel gegeben sind. Von Bedeutung ist dabei vor allem die Frage, ob die Beklagte vor dem Abschluss der Werkverträge mit dem Kläger über Erfahrungen in Bausachen verfügte. Denn wie SCHWAGER zutreffend festhält, muss ein branchenfremder, "einmaliger" Bauherr nicht damit rechnen, dass der bauleitende Architekt aufgrund der SIA-Norm 118 befugt ist, ihn durch die Anerkennung der Schlussabrechnung zur Zahlung des vom Unternehmer damit geforderten Betrages zu verpflichten (Baurecht 1980/2 S. 24 und 1980/3 S. 42). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn die Bauabrechnung den im Werkvertrag festgelegten Preis um nahezu zwei Drittel bzw. um mehr als Fr. 100'000.-- übersteigt, wie das im vorliegenden Fall geschehen ist. Bei dieser Sachlage kann auch der Unternehmer nicht in guten Treuen annehmen, der Bauherr sei damit einverstanden, dass der bauleitende Architekt die Abrechnung genehmigt, ohne ihn über die Kostenüberschreitung und deren Ursachen auch nur zu orientieren. Das Obergericht führt dazu mit Recht aus, der Bauherr ziehe den Architekten zu als Fachmann für die Planung und Projektierung sowie für die Leitung und Überwachung der Bauausführung durch die Unternehmer; den Entscheid über finanzielle Verpflichtungen behalte er sich aber im Normalfall selbst vor, da es dazu nicht das besondere Fachwissen des Architekten brauche; als Grundsatz gelte deshalb, dass der Architekt für rechtsgeschäftliche Erklärungen im Namen des Bauherrn, die diesem erhebliche finanzielle Verpflichtungen
BGE 109 II 452 S. 460
auferlegen, einer ausdrücklichen Ermächtigung bedürfe (vgl. dazu neben SCHWAGER, Baurecht 1980/3 S. 36/37, auch REBER, Rechtshandbuch, 4. Aufl., S. 259/60 und 261). Ein Bauherr ohne Bauerfahrung, der nicht auf die besondere Regelung der Art. 154 und 155 der SIA-Norm 118 aufmerksam gemacht worden ist, wird deshalb davon ausgehen, die Vertretungsbefugnis des Bauleiters sei in diesem Sinne beschränkt.
d) Das Obergericht stellt zur Frage der Bauerfahrung der Beklagten vor Abschluss der Werkverträge fest, sie sei nicht branchenunkundig und könne auch nicht als "einmalige" Bauherrin betrachtet werden, wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt worden sei. An der betreffenden Stelle führt es aus, der Geschäftsführer der Beklagten sei in Bausachen nicht unerfahren; wollte man nicht auf ihn abstellen, so wäre der Beklagten entgegenzuhalten, dass sie als versierte Handelsfirma die Usanzen des Baugewerbes kenne. Mit der Berufung wird gerügt, diese Annahmen fänden in den Akten nicht die geringste Stütze. Die Stallbaute Bürglen sei der erste Neubau gewesen, den die Beklagte an die Hand genommen habe; sie sei eine reine Produktionsgesellschaft, der nicht weitergehende Baufachkenntnisse als einer Normalbauherrschaft entgegengehalten werden könnten; gegenteilige Behauptungen seien im Prozess nicht vorgebracht worden. Nach Auffassung der Beklagten sind die Feststellungen des Obergerichts unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen und verstossen zudem gegen die Dispositionsmaxime.
Auf die Rüge der Verletzung der Dispositionsmaxime kann nicht eingetreten werden. Deren Geltung wird ausschliesslich vom kantonalen Prozessrecht geregelt, dessen Anwendung im Berufungsverfahren nicht überprüfbar ist (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
;
BGE 89 II 62
mit Hinweisen,
BGE 81 II 147
). An die tatsächliche Feststellung der Vorinstanz, der Geschäftsführer der Beklagten sei in Bausachen nicht unerfahren, ist das Bundesgericht grundsätzlich gebunden (
Art. 55 Abs. 1 lit. c und
Art. 63 Abs. 2 OG
). Diese Feststellung trifft das Obergericht indessen im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage, ob es Sache der Beklagten gewesen sei, für die Einholung von Nachtragsofferten zu sorgen. Sie bezieht sich auf die Behauptung des Geschäftsführers der Beklagten, er habe wohl das Werk sowie die Zusatzarbeiten gekannt und sie auch gewünscht, sich über die Kosten aber keine Gedanken gemacht und diese auch nicht einschätzen können. Deshalb darf daraus nicht gefolgert werden, dass Helfenstein über Branchenkenntnisse
BGE 109 II 452 S. 461
verfügte und ihm die Art. 154 und 155 der SIA-Norm 118 bekannt sein mussten.
Ebenfalls tatsächliche Verhältnisse betrifft die Feststellung des Obergerichts, die Beklagte sei eine versierte Handelsfirma. Der daraus gezogene Schluss, sie kenne die Usanzen des Baugewerbes, beruht dagegen auf allgemeiner Lebenserfahrung und kann deshalb überprüft werden (
BGE 107 II 274
/5 mit Hinweisen). Er lässt sich in dieser absoluten Form offensichtlich nicht halten. Nicht jede "versierte" Handelsfirma verfügt zwangsläufig über Bauerfahrung und kennt darum die Usanzen des Baugewerbes. Aus dem Gesellschaftszweck der Beklagten, der gemäss Handelsregistereintrag in der Produktion von und dem Handel mit landwirtschaftlichen Gütern, insbesondere im Betrieb von Geflügelfarmen besteht, ist nichts Gegenteiliges abzuleiten. Im übrigen wird auch nicht ersichtlich, warum das Obergericht annimmt, die Beklagte könne nicht als "einmalige" Bauherrin betrachtet werden. Auf die allgemeine Lebenserfahrung lässt sich diese Feststellung jedenfalls nicht stützen.
e) Demnach steht weder fest, dass Helfenstein, dessen Wissen und Erfahrung der Beklagten anzurechnen sind, in Bausachen erfahren war, noch ist bekannt, ob die Beklagte als "einmalige" Bauherrin betrachtet werden muss und deshalb die Usanzen des Baugewerbes nicht kennt. Unter diesen Umständen kann nicht abschliessend beurteilt werden, ob die Beklagte sich darum nicht auf die Ungewöhnlichkeitsregel berufen darf, weil in den Werkverträgen ausdrücklich festgehalten ist, die Bestimmungen der SIA-Norm 118 seien den Parteien bekannt. Das müsste sich die Beklagte, sollte sie schon vor Abschluss der Verträge über Erfahrung in Bausachen verfügt haben, entgegenhalten lassen. Andernfalls wäre wegen dem Umfang und der Gestaltung der SIA-Norm 118 eine differenzierte Betrachtungsweise angebracht. Obschon die Norm vorwiegend Vorschriften über das Verhältnis zwischen Bauherrn und Unternehmer enthält, muss auch einer damit nicht vertrauten Vertragspartei allein schon bei der Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses in die Augen springen, dass sie daneben auch Bestimmungen über die Vertretung des Bauherrn durch die Bauleitung umfasst. Aus den Art. 33 bis 36, die im Inhaltsverzeichnis unter dem Titel "Vertretung der Vertragsparteien" aufgeführt werden, geht allerdings nur hervor, dass die Bauleitung den Bauherrn bezüglich Handlungen, welche die Leitung und Überwachung der Bauausführung betreffen, mit unbeschränkter Vollmacht vertritt (Art. 33 und 34).
BGE 109 II 452 S. 462
Dagegen lassen diese Vorschriften nicht erkennen, dass die Bauleitung auch die Befugnis haben soll, den Bauherrn in finanzieller Hinsicht zu verpflichten. Denn in Art. 34 Abs. 1 wird lediglich bestimmt, der Bauleitung obliege die Prüfung der Rechnungen. Die wesentlich weiter gehenden Bestimmungen von Art. 154 Abs. 2 und Art. 155 Abs. 1, deren genauer Inhalt aufgrund des Inhaltsverzeichnisses nicht erkennbar ist, müssten für eine Partei ohne Bauerfahrung als ungewöhnlich beurteilt werden.
Für die Rechtsauffassung der Beklagten sprechen schliesslich die konkreten Umstände des Falles. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, welcher den Bauleiter daran hinderte, die Schlussabrechnung von der Beklagten genehmigen zu lassen. Wegen der massiven Kostenüberschreitung hätten im Gegenteil sowohl Architekt Engler wie auch der Kläger selbst erkennen müssen, dass sich die Einholung der Genehmigung aufdrängte. Zu beachten ist schliesslich, dass das SIA-Regelwerk in sich widersprüchlich ist, weil in der SIA-Norm 102 betreffend die Beziehungen zwischen Bauherrn und Architekt keine den Art. 154 und 155 der SIA Norm 118 entsprechende Ermächtigung des Architekten vorgesehen ist. Auch wenn im vorliegenden Fall offen ist, ob zwischen Architekt Engler und der Beklagten die Anwendung der SIA-Norm 102 vereinbart und ob die Beklagte durch die mangelnde Kongruenz der beiden SIA-Ordnungen irregeführt worden ist, ist das Fehlen einer entsprechenden Klausel in der SIA-Norm 102 doch ein Indiz dafür, dass sie für den Bauherrn ungewöhnlich sein kann. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8c34af9e-4c50-4b36-9ba3-b79ad47e0dc6 | Urteilskopf
97 I 881
127. Arrêt du 15 septembre 1971 dans la cause Bessard contre Celcot SA et consorts, Commune de Bagnes et Conseil d'Etat du canton du Valais. | Regeste
Baubewilligungsverfahren. Anspruch auf rechtliches Gehör. Willkür.
1. Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs; aktuelles praktisches Interesse an der Beschwerde (Erw. 1).
2. Legitimation des Nachbarn zur Ergreifung kantonaler Rechtsmittel; rechtlich geschütztes Interesse (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 881
BGE 97 I 881 S. 881
Résumé des faits:
A.-
Le "Règlement d'application du plan d'aménagement de Verbier-Station" (en abrégé: le règlement) prévoit, pour la zone de base de Verbier-Station (comprenant hôtels, restaurants, magasins, bâtiments à but commercial et d'habitation), des limitations de hauteur formulées de la façon suivante aux alinéas 3 et 4 de l'art. 13:
"La hauteur de chaque bâtiment ne dépassera pas 75 % de la largeur, avec un maximum de 13 m 00.
Il est fait exception pour les hôtels qui pourront avoir 3 étages sur
BGE 97 I 881 S. 882
rez, avec une hauteur maximum de 15.50 m, le rapport hauteurlargeur restant le même."
B.-
Celcot SA a déposé une demande de permis en vue de construire, sur la parcelle no 49 située dans la zone de base, un "apparthôtel" dénommé "Majestic" qui devait comprendre d'une part des locaux à destination d'hôtel, d'autre part des appartements destinés à être vendus à des particuliers.
Mis à l'enquête publique par annonce dans le "Bulletin officiel du canton du Valais" du 20 février 1970, ce projet a suscité des oppositions, notamment celle déposée le 2 mars 1970 par Edouard Bessard, qui exploite un hôtel à proximité du futur bâtiment projeté. L'opposant s'en prenait à la dérogation de hauteur sollicitée, alléguant que la partie hôtel ne présentait pas les caractéristiques requises pour un hôtel conventionnel et que la construction de cette partie n'était qu'un prétexte pour obtenir une dérogation de hauteur pour le bâtiment; il motivait également son opposition par le fait qu'il avait dû acheter une parcelle contiguë, uniquement pour s'assurer un droit de vue.
D'autre part, une lettre commune de Jean Latapie et Edouard Bessard, du 25 février 1970, attirait l'attention de l'autorité communale sur la question du niveau actuel de terrain, surélevé par rapport au niveau naturel. Enfin une opposition de Latapie soulevait la question de la distance au fonds voisin.
C.-
Le Conseil communal de Bagnes a examiné la demande de permis le 19 février 1970 déjà et a décidé de l'accueillir favorablement. Mais l'administration communale a attendu l'échéance du délai d'opposition avant de transmettre l'affaire au service cantonal des constructions. La transmission du dossier et des oppositions s'est faite par lettre du 20 avril 1970, qui relevait à propos de la notion d'hôtel soulevée par Bessard dans son opposition: "La Commune n'étant pas très au clair sur ce point précis, nous vous laissons le soin de prendre position dans cette affaire".
La Commission cantonale des constructions a accordé l'autorisation de construire l'appartement-hôtel Majestic le 25 mai 1970, en précisant ce qui suit:
"L'exploitation d'un hôtel étant subordonnée à l'obtention d'une concession cantonale, nous vous recommandons de ne pas commencer les travaux de construction avant d'avoir obtenu cette concession. Veuillez, à ce sujet, vous mettre en rapport avec le Département des Finances."
BGE 97 I 881 S. 883
Cependant, le 15 mai 1970, la même Commission avait écrit à la Commune pour lui signaler qu'elle permettait la mise en chantier anticipée des travaux afin d'éviter que les promoteurs ne tombent sous l'interdiction de mise en chantier durant les mois de juillet et août prévue au règlement de police de la commune.
Le 8 juin 1970, la Commune de Bagnes a délivré à son tour l'autorisation de construire, sans toutefois donner de réponse à l'opposant Bessard.
D.-
Le 23 juin 1970, Edouard Bessard et Jean Latapie ont adressé au Conseil d'Etat, par l'intermédiaire d'un avocat, une requête tendant principalement à faire interdire au propriétaire de la parcelle no 49 de Verbier de continuer les travaux sur ladite parcelle, jusqu'à ce que la procédure de mise à l'enquête et d'autorisation de construire soit close, et tendant subsidiairement, pour le cas où une autorisation valable en la forme aurait été délivrée, à faire annuler l'autorisation accordée par le Conseil communal de Bagnes et notifiée le 8 juin 1970. Ils fondaient leur requête sur le fait que la hauteur du bâtiment n'aurait pas été calculée à partir du sol naturel, mais d'un sol remblayé, que l'immeuble à construire ne serait pas un véritable hôtel et ne pouvait bénéficier de la dérogation de hauteur de 15 m 50, enfin que la distance au fonds voisin ne serait pas suffisante.
Traitant ladite requête comme un recours contre "l'autorisation de bâtir délivrée à la Société anonyme Celcot SA, à Verbier, les 25 mai/8 juin 1970, pour la construction de l'hôtel Majestic", le Conseil d'Etat a rejeté le recours par décision du 20 janvier 1971.
E.-
Le 10 février 1971, le Conseil d'Etat a accordé d'autre part à Flurin Andeer une concession pour un hôtel garni de trente lits à exploiter dans le bâtiment litigieux; la demande formelle de concession avait été déposée le 27 octobre 1970, après discussion avec le service compétent et modification - demandée par lui - des plans déposés.
F.-
Agissant par la voie du recours de droit public, Edouard Bessard conclut à l'annulation de la décision du Conseil d'Etat du 20 janvier 1971 en tant qu'elle le concernait. Il allègue la violation du droit d'être entendu, l'arbitraire, la violation de la garantie de la propriété, ainsi que la violation de l'art. 31ter Cst. Ses moyens seront repris ci-dessous, dans la mesure utile.
BGE 97 I 881 S. 884
Le Conseil d'Etat, Celcot SA ainsi que les copropriétaires de l'immeuble concluent au rejet du recours dans la mesure où il est recevable.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Que le recourant ait ou n'ait pas la qualité pour recourir sur le fond, on doit lui reconnaître la qualité pour se plaindre de la violation d'un droit essentiel de partie: le droit d'être entendu (cf. RO 94 I 554 ss. consid. 2 et les arrêts cités).
a) Le recourant voit une violation de son droit d'être entendu dans le fait que le Conseil communal de Bagnes a donné l'autorisation de construire le 19 février 1970 déjà, soit avant la mise à l'enquête publiée au Bulletin officiel du canton du Valais le 20 février 1970; il se plaint ainsi de n'avoir pu former son opposition qu'à un moment où la décision était déjà prise.
Dans l'arrêt attaqué, le Conseil d'Etat a répondu à ce grief en disant que l'essentiel est que la mise à l'enquête ait eu lieu et que les oppositions des voisins aient été prises en considération par l'autorité communale, ce qui était le cas: celle de Latapie a provoqué une convocation de l'intéressé sur les lieux pour explication au sujet de la distance à la limite du fonds; celle de Bessard a été transmise le 20 avril 1970 aux autorités cantonales, qui en ont eu connaissance avant d'octroyer l'autorisation cantonale.
Quant à l'autorité communale, elle a déclaré, au cours de la procédure cantonale de recours, que cette pratique "est très courante": n'ayant aucune raison de s'opposer à la construction, le Conseil communal a ratifié la décision de la Commission locale des constructions le 19 février 1970, mais ses services n'ont adressé l'autorisation définitive communale qu'après réception de l'autorisation cantonale, soit le 8 juin 1970.
Or la procédure de mise à l'enquête publique, prévue par l'art. 53 du règlement communal, n'a de sens que si la décision communale est prise après l'expiration du délai utile pour formuler des oppositions et après examen de ces oppositions par l'autorité de décision. En effet, cette procédure a pour but de révéler aux autorités tous les éléments utiles pour apprécier la demande de permis et statuer sur elle en pleine connaissance de cause. D'ailleurs, l'ordonnance cantonale du 13 janvier 1967 "sur l'organisation et les attributions de la commission cantonale
BGE 97 I 881 S. 885
des constructions" prévoit expressément que l'autorité communale doit soumettre la demande de permis à une enquête publique de 10 jours au moins (art. 7), se déterminer sur le projet après l'expiration du délai d'opposition (art. 8) et, lorsqu'elle écarte les oppositions, en motiver le rejet (art. 9). C'est également ce qui ressort de l'art. 53 du règlement communal.
Ainsi la pratique "très courante" du Conseil communal est inadmissible, d'une part parce qu'elle prive de sa portée, au niveau communal, la procédure d'enquête publique, d'autre part parce qu'elle viole des dispositions expresses cantonales et communales. Le Conseil communal a non seulement pris sa décision avant l'ouverture de la procédure d'opposition, mais il n'a pas non plus statué sur les oppositions - ce qu'il aurait au moins pu faire plus tard - ni avisé les opposants, ni motivé par écrit le rejet de leurs oppositions. Sa manière de faire constitue également une violation du droit d'être entendu, garanti par l'art. 4 Cst.
b) La jurisprudence admet cependant que la violation du droit d'être entendu peut être réparée dans certains cas, lorsque le recourant, non entendu avant la décision de première instance, a eu la possibilité de s'exprimer devant une autorité cantonale de recours; mais il faut alors qu'une telle autorité ait eu, dans le cas litigieux, la faculté d'examiner librement le fait et le droit (RO 96 I 188, 94 I 108 consid. 3).
aa) En l'espèce, si le Conseil d'Etat s'est saisi de la requête de Bessard et de Latapie du 23 juin 1970 et l'a considérée comme un recours, il a cependant, sur le principal grief soulevé par Bessard (opposition à la qualification d'hôtel donnant droit à une hauteur de 15 m 50 au lieu de 13 m), dénié à ce dernier la qualité pour recourir, faute d'une atteinte à ses intérêts juridiquement protégés. Il a d'ailleurs indiqué dans sa décision que l'appréciation de la notion d'hôtel relève de l'administration compétente pour délivrer la concession, que l'octroi d'une telle concession est précédée d'une enquête publique au cours de laquelle tous les intéressés peuvent faire leurs observations, qu'enfin la décision cantonale peut faire l'objet d'un recours auprès des autorités fédérales pour arbitraire. Relevant - à la suite du Tribunal fédéral dans l'arrêt Syz et Effront c. Hacin et Oberson, du 2 septembre 1970 - que la notion d'hôtel devait être tranchée par l'autorité seule, le Conseil d'Etat n'a
BGE 97 I 881 S. 886
pas examiné le fond du recours, sur ce point; tout au plus s'est-il borné à reproduire encore la remarque suivante de l'arrêt Syz: "Au demeurant, on ne voit pas en quoi un hôtel d'une nouvelle conception serait plus gênant pour les voisins qu'un bâtiment de même capacité exploité selon les méthodes pratiquées jusqu'ici".
Estimant n'avoir pas à examiner le fond du recours, sur ce point, le Conseil d'Etat a donc limité son pouvoir d'appréciation, de sorte que la procédure qui s'est déroulée devant lui n'a pas pu réparer la violation du droit d'être entendu commise par l'autorité communale.
bb) Il est vrai qu'entre la décision communale du 19 février 1970 et la décision rendue sur recours par le Conseil d'Etat le 20 janvier 1971 est encore intervenue la décision de la Commission cantonale des constructions, qui a accordé l'autorisation cantonale de construire, en date du 25 mai 1970. Cette autorité a eu connaissance de l'opposition de Bessard, qui lui a été transmise avec le dossier de l'affaire; mais elle n'a pas non plus examiné le grief relatif à la notion d'hôtel. Elle a simplement attiré l'attention du constructeur sur ce point par le passage suivant du permis: "L'exploitation d'un hôtel étant subordonnée à l'obtention d'une concession cantonale, nous vous recommandons de ne pas commencer les travaux de construction avant d'avoir obtenu cette concession. Veuillez, à ce sujet, vous mettre en relation avec le Département des Finances". Ainsi la procédure devant ladite commission n'a pas non plus réparé la violation du droit d'être entendu commise par l'autorité communale.
c) La violation du droit d'être entendu, commise par la Commune et sanctionnée par le Conseil d'Etat qui a rejeté le recours de Bessard, devrait entraîner l'annulation de la décision attaquée, ce qui impliquerait logiquement que le Conseil d'Etat devrait à son tour annuler l'autorisation de construire délivrée par la Commune.
Or, en l'espèce, on se trouve en présence du cas spécial où un acte administratif a conféré aux intimés des droits subjectifs dont ils ont fait usage; dans un tel cas, les exigences de la sécurité juridique doivent l'emporter sur le postulat de l'application correcte du droit (cf. RO 94 I 343 consid. 4, 91 I 96). Ces exigences, ainsi que le principe de la proportionnalité des actes administratifs, ne permettraient à l'autorité de revenir sur
BGE 97 I 881 S. 887
l'autorisation accordée que si celle-ci lésait de façon particulièrement grave des intérêts publics importants (RO 96 I 694 et les arrêts cités), ce qui n'est pas le cas en l'espèce.
Il n'y a dès lors pas lieu d'annuler l'arrêt attaqué.
2.
S'il est vrai que le Conseil d'Etat est entré en matière sur le recours formé le 23 avril 1970 par Bessard et Latapie, il ne l'a fait cependant que sur certains points, comme on l'a déjà relevé ci-dessus. Bien que le dispositif ne l'exprime pas (il dit simplement "Le recours est écarté", sans préciser "dans la mesure où il est recevable"), il ressort cependant des considérants que le Conseil d'Etat n'est pas entré en matière sur le grief tiré de la notion d'hôtel donnant droit à une hauteur de 15 m 50. Il s'agit dès lors d'examiner si c'est à tort que le Conseil d'Etat a considéré que le recourant n'avait pas qualité pour soulever un tel grief.
a) Le Conseil d'Etat relève, dans la décision attaquée, que le recourant Bessard n'est pas atteint dans ses intérêts juridiquement protégés par la dérogation de hauteur accordée à Celcot SA: la vue dont il bénéficie n'est qu'un pur intérêt de fait et il n'est garanti que dans les limites prévues par les dispositions réglementaires concernant les distances et les hauteurs. Celles-ci sont respectées en l'occurrence. L'autorité compétente a accordé la dérogation en partant de l'idée que le bâtiment est partiellement un hôtel et en réservant expressément l'obtention de la concession.
b) Selon l'art. 20 al. 1 de l'arrêté du 11 octobre 1966 concernant la procédure administrative par-devant le Conseil d'Etat et ses départements (APA), "le droit de recours appartient à quiconque est atteint par la décision et a personnellement un intérêt digne de protection à ce qu'elle soit annulée ou modifiée". La jurisprudence du Conseil d'Etat interprète cette règle en ce sens que seule la violation d'un intérêt juridiquement protégé confère au lésé la qualité pour agir (VON WERRA, Handkommentar zum Walliser Verwaltungsverfahren, p. 110 ss., nos 3 et 5 ad art. 20). Dans le cas du propriétaire, qui recourt contre une décision autorisant un voisin à construire, cette jurisprudence correspond à celle que le Tribunal fédéral a développée à propos de l'art. 88 OJ (RO 91 I 413, 92 I 208, 95 I 197 consid. 1, 96 I 547) et ne reconnaît la qualité pour agir qu'au propriétaire qui peut invoquer des règles édictées dans l'intérêt des voisins également (ATF du 31 décembre 1969 Walther c. Barras
BGE 97 I 881 S. 888
et du 2 septembre 1970 Syz et Effront, non publiés). Ainsi que la Cour de céans l'a reconnu dans les arrêts précités, cette jurisprudence échappe au reproche d'arbitraire.
c) En l'espèce, l'autorité cantonale ne paraît pas contester que la réglementation communale relative à la hauteur des constructions est destinée à protéger, non seulement des intérêts publics, mais aussi certains intérêts privés, notamment ceux des voisins. Elle soutient cependant que, dans la mesure où la réglementation communale autorise une hauteur de 15 m 50 pour les bâtiments à destination d'hôtels, il n'appartient pas aux voisins de contester la qualification d'hôtels donnée à ces immeubles. Le Conseil d'Etat se réfère à ce sujet à l'arrêt Syz précité, où un problème semblable avait été soulevé: une dérogation de hauteur avait été admise, sur la base du règlement des constructions de la Commune de Lens, alors que l'hôtel à construire devait combiner des chambres d'hôtels et des appartements propriété de tiers. Le Tribunal fédéral a admis à cette occasion que "l'interprétation que les autorités cantonales donnent à la notion d'hôtel ne touche pas les recourants dans leur situation juridique". On ne peut que s'y tenir en l'espèce, où les circonstances sont sensiblement les mêmes: tout au plus le bâtiment litigieux présente-t-il ici cette particularité que les dimensions des locaux prévus pour les services généraux de l'hôtel semblent - d'après ce qui ressort du dossier - n'avoir pas été établies en fonction de l'ensemble du bâtiment, mais seulement en fonction des pièces destinées à l'hôtel proprement dit. Le Conseil d'Etat relève à ce sujet, dans sa réponse au recours, que le règlement des constructions de Verbier "ne précise pas que tout l'immeuble bénéficiant de la dérogation doive être exploité comme un hôtel". Une telle interprétation est sans doute discutable; elle n'est cependant pas insoutenable. Le Conseil d'Etat pouvait donc considérer sans arbitraire que le recourant ne faisait pas valoir un intérêt juridiquement protégé, partant lui dénier la qualité pour recourir sans violer l'art. 4 Cst.
3.
Considérant que le Conseil d'Etat était entré en matière également sur le grief tiré de la notion d'hôtel, le recourant développe deux arguments pour soutenir qu'il a qualité pour former le présent recours de droit public: l'un fondé sur sa qualité de voisin, l'autre fondé sur sa qualité d'hôtelier concurrent. Comme le Conseil d'Etat n'est pas entré en matière sur
BGE 97 I 881 S. 889
ledit grief, il n'y a pas lieu d'examiner ces deux arguments, la qualité pour soulever les griefs de violation du droit d'être entendu et de déni de justice ayant été reconnue dans les considérant ci-dessus.
Qu'il suffise de relever que, contrairement à ce que pense le recourant, la qualité pour recourir fondée sur l'art. 31 ter Cst. n'existe que dans les cantons qui ont fait usage de la faculté prévue par cette disposition, introduite dans la constitution fédérale lors de la revision de 1947. Cette faculté ne peut être adoptée par un canton qu'au moyen d'une disposition légale expresse (cf. RO 79 I 159, 82 I 151, 95 I 121 consid. 1), et non pas par simple interprétation extensive d'une disposition légale antérieure (RO 78 I 212 consid. 5). Or le législateur valaisan n'a pas fait usage de cette faculté; ainsi la qualité pour recourir que l'hôtelier Bessard voudrait fonder sur des dispositions cantonales prises en vertu de l'art. 31 ter Cst. devrait lui être déniée (cf. arrêt non publié du 9 juin 1971, Berclaz c. Clivaz et Commune de Randogne, consid. 1 d).
Le recourant semble vouloir également fonder sa qualité pour recourir en tant que concurrent sur l'art. 13 al. 3 du règlement des constructions de Verbier. Or, si cette disposition de faveur vise "à promouvoir et à consolider l'industrie hôtelière", comme le prétend Bessard, elle ne peut pas fonder pour un concurrent le droit de s'opposer à l'ouverture d'un hôtel, ce qui irait à fin contraire de l'objectifvisé par une telle disposition. Au surplus, le présent recours s'en prend à l'octroi du permis de bâtir, et non pas à l'octroi de la patente d'hôtel.
Ainsi, même si le Conseil d'Etat était entré en matière sur le grief tiré de la notion d'hôtel, Bessard n'aurait pu fonder sa qualité pour former le présent recours, en tant qu'hôtelier, sur aucune disposition destinée à protéger ses intérêts particuliers.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c377344-24a8-4e02-9b00-8f5d5732c0e8 | Urteilskopf
127 I 44
5. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Dezember 2000 i.S. Schmid gegen Kälin, Gemeinderat Wollerau und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
; "zivilrechtliche Ansprüche" von Nachbarn im Bau- und Planungsrecht, Anspruch auf öffentliche Verhandlung.
Nachbarn eines Gestaltungsplangebiets, die sich über die Verletzung von Normen beschweren, welche unter anderem auch ihrem Schutz dienen, berufen sich auf "zivilrechtliche Ansprüche" im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(E. 2c und d). Sie haben Anspruch auf eine öffentliche Verhandlung (E. 2e). | Sachverhalt
ab Seite 44
BGE 127 I 44 S. 44
Am 22. Juni 1998 erliess der Gemeinderat Wollerau einen Gestaltungsplan "Becki Ost" mit Sonderbauvorschriften für zwei im Eigentum von Josef Kälin stehende Grundstücke in Wollerau. Zugleich wies er eine Einsprache von Heinz und Amanda Schmid ab. Eine dagegen erhobene Verwaltungsbeschwerde wurde vom Regierungsrat des Kantons Schwyz im Sinne der Erwägungen gutgeheissen. Der Regierungsrat hob den angefochtenen Beschluss auf und wies die Sache zur Reduktion des Gestaltungsplanperimeters und zur Vornahme zusätzlicher Abklärungen an den Gemeinderat zurück.
BGE 127 I 44 S. 45
Am 8. November 1999 genehmigte der Gemeinderat Wollerau den geänderten Gestaltungsplan "Becki Ost" und wies zugleich eine Einsprache von Heinz und Amanda Schmid ab.
Heinz und Amanda Schmid erhoben am 6. Dezember 1999 Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Schwyz mit dem Antrag, den Beschluss des Gemeinderats Wollerau aufzuheben und den Gestaltungsplan nicht zu erlassen. Der Regierungsrat überwies die Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz. Dieses wies das Rechtsmittel mit Entscheid vom 14. April 2000 ab.
Heinz und Amanda Schmid erheben staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(SR 0.101). Das Verwaltungsgericht habe keine öffentliche Verhandlung durchgeführt, obwohl sie auf die aus
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
fliessenden Verfahrensrechte ausdrücklich nicht verzichtet hätten.
a) Nach
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
besteht in Verfahren über zivilrechtliche Streitigkeiten ein Anspruch auf öffentliche Verhandlung, sofern die Parteien nicht ausdrücklich oder stillschweigend darauf verzichten (
BGE 125 II 417
E. 4f S. 426;
BGE 123 I 87
E. 2b/c S. 89;
BGE 121 I 30
E. 5f S. 37 f., und E. 6a S. 40 f.). Ein Entscheid über zivilrechtliche Ansprüche im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
liegt unter anderem vor, wenn eine bau- oder planungsrechtliche Massnahme direkte Auswirkungen auf die Ausübung der Eigentumsrechte der Grundeigentümer hat (
BGE 122 I 294
E. 3e S. 300;
BGE 121 I 30
E. 5c S. 34 f.).
b) Die Beschwerdeführer machen als Nachbarn des Gestaltungsplangebiets geltend, die Terrassenbauweise sowie die Erhöhung der Ausnützungsziffer und der Gebäudelängen hätten zur Folge, dass z.B. der Lichteinfall auf ihr Grundstück beeinträchtigt werde. Zudem würden die nachbarlichen Immissionen (Lärm und Geruch) durch das verdichtete Bauen erheblich steigen. Insbesondere kritisieren die Beschwerdeführer, dass die Einfahrt in die geplante zentrale Tiefgarage direkt auf Höhe ihres Wohnzimmers liegen soll, obwohl eine andere, weniger störende Anordnung der Einfahrt problemlos möglich wäre.
c) Nach der Strassburger Rechtsprechung ist
Art. 6 EMRK
bei Drittinterventionen gegen die Erteilung einer Bau- oder sonstigen behördlichen Genehmigung anwendbar, soweit auf das Eigentum gegründete Abwehrrechte geltend gemacht werden (FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., 1996, S. 187). Nicht anwendbar ist
Art. 6 EMRK
, wenn lediglich die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen
BGE 127 I 44 S. 46
verfolgt wird (FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., S. 191). Im Urteil Ortenberg c. Österreich vom 25. November 1994, in welchem ebenfalls eine Nachbarbeschwerde gegen eine Terrassenhausüberbauung zur Diskussion stand, führte der Strassburger Gerichtshof aus, die Beschwerdeführerin stütze sich zwar auf öffentliches Recht; indem sie dies tue, wünsche sie trotzdem, die Verletzung ihrer Vermögensrechte zu verhindern, weil sie befürchte, dass die Arbeiten auf der benachbarten Liegenschaft die Achtung ihres Eigentums gefährdeten und dessen Marktwert verringerten. Ziehe man den engen Bezug zwischen dem von Frau Ortenberg angestrengten Verfahren und den Auswirkungen des Ausgangs dieses Verfahrens für ihre Besitzrechte in Betracht, dann sei das in Rede stehende Recht ein "ziviles".
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
fand demgemäss Anwendung (Ziff. 28 des genannten Urteils, Serie A Nr. 295-B). Entscheidend war dabei, dass das anwendbare österreichische Recht dem Nachbarn die Möglichkeit gab, im Baubewilligungsverfahren die Verletzung subjektiver Rechte geltend zu machen. Hingegen führt noch nicht jede rein faktische oder erst potenzielle Beeinträchtigung in der Ausübung von Rechten zur Anwendbarkeit von
Art. 6 EMRK
(
BGE 125 I 7
E. 4a S. 13). So erachtete der Strassburger Gerichtshof am 26. August 1997 in seinem Urteil i.S. Balmer-Schafroth etc. c. Schweiz
Art. 6 EMRK
als nicht anwendbar, da die Gefahr der Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführer durch das Kernkraftwerk Mühleberg nicht sehr wahrscheinlich war und damit der erforderliche nahe Bezug der befürchteten gesundheitlichen Beeinträchtigung zu den Betriebsbedingungen des Kraftwerks fehlte (VPB 61/1997 Nr. 103 Ziff. 40).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu
Art. 88 OG
ist ein Nachbar zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert, wenn er die Verletzung von Normen geltend macht, die auch seinem Schutz dienen, weil er insoweit in seinen eigenen Nutzungsbefugnissen beschränkt wird (
BGE 119 Ia 362
E. 1b S. 364 f.). Diese Normen umschreiben - nebst anderen - den Umfang der Nutzungsrechte des Nachbarn. Soweit solche Normen verletzt werden, ist der Nachbar in seinen "civil rights" im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
berührt und kann sich auf diese Bestimmung berufen.
d) Vorliegend steht ein Gestaltungsplan zur Diskussion, der die künftige Bebauung des Nachbargrundstücks der Beschwerdeführer detailliert festlegt (Gebäudevolumen, Bauabstände, zentrale Parkierungsanlage, Lage der Einfahrt etc.). Die Beschwerdeführer verlangen nicht lediglich die Einhaltung rein öffentlich-rechtlicher Bestimmungen auf dem Baugrundstück, sondern berufen sich zumindest
BGE 127 I 44 S. 47
teilweise auf Normen, die auch ihrem Schutz dienen (Baudichte, Bauabstände, Immissionen). Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass Bestimmungen über den Immissionsschutz, die Ausnützungsziffern und die zulässigen Baumasse und -abstände auch dem Schutz der Nachbarn dienen. Die damit geschützten rechtlichen Interessen der Nachbarn bilden auch die Grundlage für deren Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen Baubewilligungen und Planerlasse (
Art. 88 OG
;
BGE 125 II 440
E. 1c S. 443;
BGE 119 Ia 362
E. 1b S. 364 f.;
BGE 118 Ia 112
E. 2a S. 116;
BGE 115 Ib 456
E. 1e S. 461 f.; s. auch Kasuistik bei WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994, S. 249 f.; PIERRE MOOR, RPG-Kommentar, Art. 14 Rz. 18).
Die Liegenschaft der Beschwerdeführer grenzt unmittelbar an den Perimeter des umstrittenen Gestaltungsplans. Die darin vorgesehene Überbauung ist geeignet, direkte Auswirkungen auf die Vermögens- und Eigentumsrechte der Beschwerdeführer zu entfalten, da der Gestaltungsplan in Bezug auf nachbarschützende Bestimmungen verschiedene Abweichungen von der für dieses Gebiet bisher geltenden Normalbauweise und damit eine intensivere Nutzung des Plangebiets zulässt. Die Beschwerdeführer können den Inhalt des Gestaltungsplans nach dessen rechtskräftiger Genehmigung grundsätzlich nicht mehr in Frage stellen. Der Rechtsschutz gegen den Gestaltungsplan wird auch gegenüber den Nachbarn im Zeitpunkt des Planerlasses und nicht bei seiner Anwendung gewährt (
Art. 33 RPG
;
§ 30 Abs. 3 PBG
; vgl.
BGE 120 Ia 227
E. 2c S. 232, mit Hinweisen; THIERRY TANQUEREL, RPG-Kommentar, Art. 21 Rz. 26; HEINZ AEMISEGGER/STEPHAN HAAG, RPG-Kommentar, Art. 33 Rz. 63 ff.). Es liegt somit eine Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche im Sinne der Strassburger Rechtsprechung zu
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
vor (Urteil Ortenberg c. Österreich vom 25. November 1994, Ziff. 28, Serie A Nr. 295-B; s. auch RUTH HERZOG,
Art. 6 EMRK
und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Diss. Bern 1995, S. 150 f. und S. 46).
e) Die Bestimmung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
räumt jedermann einen Anspruch darauf ein, dass seine zivil- oder strafrechtliche Angelegenheit von einem Gericht öffentlich gehört werde. Dieser Öffentlichkeitsgrundsatz stellt ein fundamentales Prinzip dar, bedeutet eine Absage an jegliche Form der Kabinettsjustiz und soll dem Betroffenen wie der Allgemeinheit ermöglichen, Prozesse unmittelbar zu verfolgen und Kenntnis davon zu erhalten, wie das Recht verwaltet und die Rechtspflege ausgeführt wird (vgl.
BGE 119 Ia 99
S. 104;
BGE 122 V 47
S. 51 mit Hinweisen).
BGE 127 I 44 S. 48
aa) Die Rechtsprechung des Bundesgerichts und der Strassburger Organe anerkennt, dass auf die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung verzichtet werden kann. Der Verzicht muss - ausdrücklich oder stillschweigend erfolgt - eindeutig und unmissverständlich sein. Ein Verzicht wird insbesondere angenommen, wenn kein Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gestellt wird, obwohl das Gericht in der Regel nicht öffentlich verhandelt (vgl.
BGE 122 V 47
E. 2d S. 52 mit zahlreichen Hinweisen).
bb) Die Beschwerdeführer haben im kantonalen Verfahren ausdrücklich erklärt, dass sie nicht auf die aus
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
fliessenden Verfahrensrechte verzichteten. Das Verwaltungsgericht führt im bundesgerichtlichen Verfahren aus, die Äusserung der Beschwerdeführer habe keinen konkreten Antrag auf Durchführung einer mündlichen öffentlichen Verhandlung enthalten, weshalb eine solche habe unterbleiben dürfen, zumal die kantonale Verordnung über die Rechtspflege keine mündliche Verhandlung vorschreibe.
Dieser Sichtweise des Verwaltungsgerichts kann nicht gefolgt werden. Auch wenn die Äusserung der Beschwerdeführer keinen konkreten Antrag auf öffentliche Anhörung enthielt, kann daraus jedenfalls nicht geschlossen werden, auf die Durchführung einer öffentlichen Anhörung sei eindeutig und unmissverständlich im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verzichtet worden. Das Verwaltungsgericht hätte bei Zweifeln über den Antrag nachfragen können und müssen, ob die Beschwerdeführer eine öffentliche Verhandlung wünschten. Unter den gegebenen Umständen lässt sich das Absehen von einer öffentlichen Verhandlung mit der Garantie von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nicht vereinbaren. Die Beschwerde erweist sich daher als begründet. Sie ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben (vgl.
BGE 121 I 30
E. 5j S. 40). | public_law | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c3d7bc4-6c5b-4007-b308-758eed2b6fda | Urteilskopf
87 I 91
14. Auszug aus dem Urteil vom 1. Februar 1961 i.S. Hofer gegen Schweizerische Bundesbahnen. | Regeste
Rückforderungsrecht.
Art. 102 lit. c EntG
gewährt dem Enteigneten kein zeitlich unbeschränktes Rückforderungsrecht. Hat der Enteignete von seinem 5 bzw. 25 Jahre nach der Enteignung entstehenden Rückforderungsrecht gemäss Art. 102 lit. a oder b keinen Gebrauchgemacht, sondern dieses Recht verjähren lassen, so ist eine spätere Rückforderung auf Grund von Art. 102 lit. c ausgeschlossen. | Sachverhalt
ab Seite 92
BGE 87 I 91 S. 92
Aus dem Tatbestand:
A.-
Im Jahre 1909 bauten die SBB die Station Brittnau-Wikon aus. Dabei wurde die Kreuzung der Strasse mit der Bahnlinie nach Süden verlegt. Da geplant war, die neue Strasse auf einer Brücke über das Bahngeleise zu führen, enteigneten die SBB auf Grund des Expropriationsgesetzes vom 1. Mai 1850 (ExprG) neben dem für die Strasse auch das für die Böschungen nötige Land, darunter einen 1142 m2 haltenden Abschnitt des Grundstücks Nr. 19 der Erben Alfred Hofer. Indessen erklärten die SBB schon im Schätzungsverfahren, vorläufig werde die Strasse auf Schienenhöhe über die Bahn geführt und die geplante Brücke nicht erstellt.
B.-
In den Jahren 1926/27 und 1931/36 ersuchte Hans Hofer die SBB wiederholt um Rückgabe des für die Überführung enteigneten Landes. Er erhielt jeweils zur Antwort, dass die Frage der Überführung noch nicht endgültig entschieden sei und die Rückgabe daher abgelehnt werde.
Am 22. August 1959 fragte Hofer die SBB an, ob sie nun bereit seien, ihm das für die nicht erstellte Überführung enteignete Land zurückzugeben. Als die SBB wiederum ablehnten, stellte Hofer mit Eingabe vom 12. November 1959 bei der Eidg. Schätzungskommission V das Gesuch um Rückgabe des im Jahre 1909 enteigneten Landes,
BGE 87 I 91 S. 93
soweit es bis jetzt nicht bestimmungsgemäss verwendet worden sei.
Mit Entscheid vom 10. Mai 1960 wies die Eidg. Schätzungskommission V das Rückforderungsbegehren "für dermalen" ab. Zur Begründung führte sie aus: Soweit der Rückforderungsanspruch sich auf
Art. 102 lit. a oder b EntG
stütze, sei er verjährt, und zwar sei die Verjährung in dem für den Gesuchsteller günstigsten Falle, nämlich bei Anwendung der 25-jährigen Frist von lit. b und Berechnung derselben vom Inkrafttreten des EntG an, am 1. Januar 1958 eingetreten. Soweit sich der Anspruch dagegen auf
Art. 102 lit. c EntG
stütze, sei er verfrüht, da nicht dargetan sei, dass die SBB bereits heute eine nicht bestimmungsgemässe Verwendung des in Frage stehenden Landes beabsichtigten.
C.-
Diesen Entscheid haben beide Parteien an das Bundesgericht weitergezogen. Hofer hält an seinem Rückforderungsbegehren fest, während die SBB beantragen, dieses Begehren sei vollumfänglich, nicht bloss "für dermalen" abzuweisen.
Das Bundesgericht hat in Abweisung der Beschwerde Hofers und in Gutheissung derjenigen der SBB festgestellt, dass das Rückforderungsrecht endgültig verjährt ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
(Es wird zunächst festgestellt, dass es sich um eine vorsorgliche Enteignung handelte, dass Hofer daher die Rückforderung auf Grund von
Art. 102 lit. b EntG
verlangen konnte, dass dieses Rückforderungsrecht spätestens am 1. Januar 1935 entstand und nach
Art. 105 Abs. 1 EntG
zu verjähren begann (vgl.
BGE 82 I 58
Erw. 4) und dass die einjährige Verjährungsfrist am 1. Januar 1936 unbenutzt abgelaufen ist.)
Die Schätzungskommission hat sich nicht mit der Feststellung begnügt, dass der Rückforderungsanspruch nach
Art. 102 lit. a oder b EntG
heute verjährt ist. Sie hat weiter geprüft, wie es sich mit der Rückforderung nach
BGE 87 I 91 S. 94
Art. 102 lit. c verhalte. Dabei ist sie zum Schlusse gelangt, dass ein Rückforderungsbegehren auf Grund von lit. c heute verfrüht sei, aber möglicherweise später in Frage komme. Im Hinblick hierauf hat sie das vorliegende Begehren nicht schlechthin, sondern nur "für dermalen" abgewiesen. Da die SBB diese Einschränkung beanstanden und ein Interesse daran haben, zu wissen, ob sie endgültig Eigentümer des 1909 erworbenen Landes sind oder immer noch mit einer Rückforderung zu rechnen haben, ist zu prüfen, ob die Auffassung der Schätzungskommission zutrifft.
Art. 102 EntG
umschreibt die Voraussetzungen der Rückforderung und zählt in lit. a bis c die Gründe, aus denen die Rückübertragung enteigneter Rechte verlangt werden kann, abschliessend auf. Die beiden ersten Gründe (die in den Vorentwürfen wie auch in Art. 98 des bundesrätlichen Entwurfes in einer einzigen Bestimmung zusammengefasst waren) lassen das Rückforderungsrecht entstehen, wenn das enteignete Recht zu dem Zwecke, wozu es enteignet wurde, nicht verwendet wird innert einer vom Erwerb des Rechtes an berechneten Frist, die in lit. a für den Normalfall auf 5 Jahre (mit der Möglichkeit der Erstreckung) und in lit. b für den Fall der vorsorglichen Enteignung auf 25 Jahre festgesetzt ist. Wären nur diese Rückforderungsgründe vorgesehen, so könnte der Enteigner die Ausübung des Rückforderungsrechts dadurch illusorisch machen, dass er das enteignete Recht vor Ablauf der Fristen von lit. a oder b veräussert oder zu einem andern als dem Enteignungszweck verwendet (Botschaft zum EntG, BBl 1926 II 104). Für diesen Fall ist der Rückforderungsgrund von lit. c geschaffen worden. Der Umstand, dass lit. c die Rückforderung nicht befristet, könnte zur Annahme verleiten, dass sie in diesem Falle keiner zeitlichen Beschränkung unterliege. Damit würde aber der Bestimmung eine Tragweite gegeben, die ihr nach ihrem Zweck und nach dem Zusammenhang nicht zukommen kann. Lit. c dient der Ergänzung von lit. a
BGE 87 I 91 S. 95
und b und regelt nicht einen von den andern völlig verschiedenen Tatbestand, sondern nur einen Spezialfall. Allen drei Rückforderungsgründen ist gemein, dass das enteignete Recht nicht für den Enteignungszweck verwendet worden ist und die Enteignung sich als unnötig erwiesen hat. Während jedoch lit. a und b das Rückforderungsrecht mit dem für den Enteigneten leicht feststellbaren unbenützten Ablauf einer Frist entstehen lassen, knüpft lit. c an einen Tatbestand an, von dem der Enteignete unter Umständen nichts erfährt (Veräusserung) oder nur dann, wenn er sich ständig darum kümmert (zweckwidrige Verwendung). Um den sich hieraus ergebenden Unzukömmlichkeiten zu begegnen, auferlegt das EntG im Falle von lit. c dem Enteigner eine besondere Anzeigepflicht, deren Missachtung ihn schadenersatzpflichtig macht (Art. 104); ferner sieht es besondere Verjährungsfristen vor (Art. 105 Abs. 2). Dagegen verbietet sich die Annahme, das Rückforderungsrecht nach lit. c könne auch noch nach Ablauf der in lit. a und b vorgesehenen Fristen ohne zeitliche Beschränkung zur Entstehung gelangen. Das Bundesgericht hat schon für die entsprechende Bestimmung in Art. 47 ExprG ausgeführt, es könne kaum angenommen werden, dass der Gesetzgeber ein Rückforderungsrecht für alle Zukunft habe aufstellen wollen (BGE 5 S. 257 und 366). Dafür, dass dies bei Erlass des EntG beabsichtigt war, bieten die Gesetzesmaterialien keinerlei Anhaltspunkte, wenn man von einer Bemerkung des französischen Berichterstatters im Nationalrat zu lit. c ("Là, pas de délai, bien entendu"; StenBull 1928 S. 826) absieht. Diese vereinzelte, nicht näher ausgeführte und begründete Bemerkung, die auch dahin verstanden werden kann, dass im Falle der Veräusserung oder nicht bestimmungsgemässen Verwendung des enteigneten Rechtes der Ablauf der Fristen von lit. a und b nicht abgewartet werden müsse, genügt nicht als Grundlage für die mit der Rechtssicherheit schwer vereinbare Annahme, lit. c gewähre dem Enteigneten ein Rückforderungsrecht, das an keine Frist
BGE 87 I 91 S. 96
gebunden sei, also gegebenenfalls noch nach Jahrhunderten geltend gemacht werden könnte. Aus den Fristen von Art. 102 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 1 und 2 EntG
ist vielmehr zu schliessen, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass der Übergang des enteigneten Rechts, gleichgültig was mit diesem geschehe, einmal endgültig sein müsse und nicht mehr in Frage gestellt werden könne. Gegen ein zeitlich unbeschränktes Rückforderungsrecht spricht ferner, dass lit c im Anschluss an die frühere Praxis des Bundesgerichts (BGE 5 S. 257 Erw. 6, 366
;
41 I 345
, 47 I 541 Erw. 4) die Rückforderung selbst im Falle der Veräusserung oder der Verwendung zu einem andern als dem Enteignungszweck dann ausschliesst, wenn das enteignete Recht zu einem öffentlichen Zwecke verwendet worden ist. Entfällt aber die Rückforderung nach lit. c, wenn das enteignete Recht auch nur vorübergehend bestimmungsgemäss verwendet worden ist, so ist nicht einzusehen, warum sie dann zulässig sein soll, wenn der Enteignete Gelegenheit hatte, sie nach 5 bzw. 25 Jahren seit der Enteignung zu verlangen, hievon jedoch keinen Gebrauch machte, sondern sein Recht verjähren liess.
Im vorliegenden Falle war Hofer, wie oben dargelegt, gemäss
Art. 102 lit. b EntG
während des Jahres 1935 berechtigt, das für die Dammböschungen enteignete Land zurückzuverlangen. Er hat dieses Recht indes nicht ausgeübt, sondern verjähren lassen. Da dies jede spätere Rückforderung nach lit. c ausschliesst, hätte die Schätzungskommission sein Rückforderungsbegehren vorbehaltlos und nicht bloss "für dermalen" abweisen sollen. Die Beschwerde der SBB ist daher gutzuheissen und festzustellen, dass das Rückforderungsrecht Hofers endgültig verjährt ist. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c3d8555-5436-434c-b08a-aa1c8a808607 | Urteilskopf
105 Ia 36
8. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Mai 1979 i.S. Clausen gegen Staat Wallis (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Staats- und Beamtenhaftung.
Zeitlicher Geltungsbereich der durch den revidierten Art. 21 der Walliser Kantonsverfassung neu eingeführten direkten Staatshaftung. | Sachverhalt
ab Seite 36
BGE 105 Ia 36 S. 36
Art. 21 der Walliser Kantonsverfassung vom 8. März 1907 (KV) lautete in seiner bisherigen, bis zum 31. Dezember 1976 geltenden Fassung wie folgt:
"1 Die Behörden und öffentlichen Beamten sind für ihre Amtsverrichtungen
verantwortlich.
2 Für die Amtsverrichtungen der vom Staate ernannten Beamten ist dieser
subsidiarisch haftbar.
3 Das Gesetz bezeichnet die Beamten, welche eine Amtsbürgschaft zu
leisten haben."
Ein Gesetz vom 21. Mai 1840 regelte die straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Staatsrates. Die externe Haftung der übrigen Beamten richtete sich nach dem OR.
In einer Volksabstimmung vom 26. September 1976 nahmen die kantonalen Stimmbürger folgende neue Fassung von Art. 21 KV an:
"1 Der Staat, die Gemeinden und die mit Rechtspersönlichkeit
ausgestatteten Gemeindeverbände des öffentlichen Rechts haften
gegenüber Dritten für die Handlungen ihrer Agenten.
BGE 105 Ia 36 S. 37
2 Der Agent haftet gegenüber dem öffentlichen Gemeinwesen, in dessen
Dienst er sich befindet, für den Schaden, den er ihm in Ausübung seiner
amtlichen Tätigkeit durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung
seiner Dienstpflicht direkt oder indirekt zufügt.
3 Das Gesetz regelt die Anwendung dieser Grundsätze."
Mit Beschluss vom 22. Dezember 1976 setzte der Staatsrat des Kantons Wallis den revidierten Art. 21 KV auf den 1. Januar 1977 in Kraft.
Am 10. Mai 1978 beschloss der Grosse Rat des Kantons Wallis ein Gesetz über "die Verantwortlichkeit der öffentlichen Gemeinwesen und ihrer Amtsträger" (im folgenden: Verantwortlichkeitsgesetz), das die im revidierten Art. 21 KV vorgesehene Regelung näher ausführt. Art. 22 lit. b des neuen Gesetzes hebt das frühere Gesetz vom 21. Mai 1840 auf. Im übrigen fehlt es an einer Übergangsregelung. Das neue Verantwortlichkeitsgesetz wurde in der kantonalen Volksabstimmung vom 24. September 1978 angenommen und am 1. Januar 1979 in Kraft gesetzt.
Im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich im Jahre 1975 im Kanton Bern ereignet hatte, entzog das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Wallis mit Verfügung vom 15. Oktober 1975 dem Beschwerdeführer Leo Clausen den Führerausweis für einen Monat. Der Staatsrat des Kantons Wallis wies eine hiegegen erhobene Beschwerde am 5. Mai 1976 ab. Clausen focht diesen Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an. Nachdem in der Zwischenzeit der zuständige bernische Strafrichter mit Urteil vom 14. Juli 1976 Clausen vom Vorwurf der Verletzung von Verkehrsregeln freigesprochen hatte, weil dieser durch eine falsch angebrachte Signalisation und Markierung irregeführt worden sei, widerrief der Staatsrat des Kantons Wallis am 3. November 1976 seinen Beschwerdeentscheid vom 5. Mai 1976 und hiess die gegen den Führerausweisentzug erhobene Beschwerde gut. Das bundesgerichtliche Verfahren wurde daraufhin abgeschrieben.
Am 14. Juli 1978 reichte Leo Clausen beim Instruktionsrichter des Bezirkes Sitten gegen den Staat Wallis wegen der ihm durch den Führerausweisentzug entstandenen Nachteile eine Schadenersatzklage ein. Der Staat Wallis erhob die Einrede der fehlenden Passivlegitimation, die vom Instruktionsrichter mit Entscheid vom 14. November 1978 geschützt wurde. Das Kantonsgericht des Kantons Wallis bestätigte diesen
BGE 105 Ia 36 S. 38
Entscheid auf Berufung hin am 5. Februar 1979 und wies die Klage mangels Passivlegitimation des Staates ab, im wesentlichen mit der Begründung, dass der vorliegende Schadensfall noch nach dem bisherigen Art. 21 KV zu beurteilen sei, der keine direkte Staatshaftung vorsehe.
Leo Clausen erhebt gegen dieses Urteil des Kantonsgerichtes staatsrechtliche Beschwerde. Er rügt, das Kantonsgericht habe Art. 21 KV willkürlich angewendet und dadurch
Art. 4 BV
verletzt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Der formell auf den 1. Januar 1977 in Kraft gesetzte revidierte Art. 21 KV, der für schädigende Handlungen von Staatsorganen nunmehr eine direkte Staatshaftung vorsieht, spricht sich über die Frage der zeitlichen Anwendbarkeit der neuen Regelung nicht aus. Es obliegt nach Art. 21 Abs. 3 KV dem kantonalen Gesetzgeber, die zur Anwendung der neuen Ordnung erforderlichen Vorschriften zu erlassen. Auch die Schaffung allfälliger Übergangsbestimmungen ist nach Art. 21 Abs. 3 KV Sache des Gesetzgebers. Das inzwischen erlassene und am 1. Januar 1979 in Kraft gesetzte kantonale Verantwortlichkeitsgesetz vom 10. Mai 1978 enthält indessen keinerlei intertemporale Regelung. Wie es sich mit der zeitlichen Geltung dieses Gesetzes verhält, kann im Sinne der folgenden Erwägungen offen bleiben.
2.
Der bereits zwei Jahre vor dem Verantwortlichkeitsgesetz in Kraft gesetzte revidierte Art. 21 KV stellt wohl den Grundsatz auf, dass ein durch Handlungen staatlicher Organe geschädigter Dritter nunmehr direkt den Staat belangen kann (Abs. 1), dem unter gewissen Voraussetzungen ein Rückgriffsrecht auf den fehlbaren Funktionär zusteht (Abs. 2). Die Frage, wann eine solche Schadenshaftung des Gemeinwesens besteht (Kausal- oder Verschuldenshaftung, allenfalls Grad des Verschuldens), wird jedoch durch Art. 21 Abs. 1 KV nicht beantwortet. Ihre Regelung wurde dem Gesetzgeber überlassen (vgl. auch Botschaft zur bundesrechtlichen Gewährleistung der Verfassungsänderung, BBl 1977 II 260). Solange nicht wenigstens diese elementare Frage durch Art. 4 des Verantwortlichkeitsgesetzes verbindlich geregelt war, konnte das System
BGE 105 Ia 36 S. 39
der direkten Staatshaftung noch keine Anwendung finden. Erst das gestützt auf Art. 21 Abs. 3 KV erlassene Verantwortlichkeitsgesetz vom 10. Mai 1978 (in Kraft seit 1. Januar 1979) ermöglicht die Durchführung der neuen Regelung. Bis zu dessen Inkrafttreten galt das frühere Gesetz vom 21. Mai 1840, das erst durch Art. 22 lit. b des Verantwortlichkeitsgesetzes formell aufgehoben worden ist. Schon aus diesem Grunde liegt die Annahme nahe, dass die vorliegende Haftungsstreitigkeit noch nach bisherigem Recht zu beurteilen sei. Sowohl der behauptete Schaden als auch die Klageeinreichung fallen in die Zeit vor Inkraftsetzung des Verantwortlichkeitsgesetzes, das erst die Durchführung des neuen Systems der direkten Staatshaftung ermöglicht. Es bedeutet daher im Ergebnis keine Verletzung von
Art. 4 BV
, wenn das Kantonsgericht die am 14. Juli 1978 erhobene Klage mangels Passivlegitimation des Staates abwies.
Dass die rückwirkende Anwendbarkeit der neuen Haftungsordnung auf den vorliegenden Tatbestand aus dem inzwischen erlassenen Verantwortlichkeitsgesetz hervorgehe und dass das Kantonsgericht verpflichtet gewesen wäre, dies bei der Beurteilung der noch vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erhobenen Klage zu berücksichtigen, wird nicht geltend gemacht, so dass sich diesbezügliche Erörterungen erübrigen. Der Beschwerdeführer stützt seine Beschwerde einzig auf die These, dass das Kantonsgericht dem neuen Art. 21 KV zu Unrecht keine rückwirkende Geltung zuerkannt habe, und dieser Einwand ist nach dem Gesagten unbehelflich.
Wie es sich verhielte, wenn die fragliche Klage unter der Geltung des am 1. Januar 1979 in Kraft gesetzten Verantwortlichkeitsgesetzes eingereicht worden wäre bzw. ob eine solche Klage gegen den Staat heute nochmals eingereicht werden könnte, ist hier nicht zu prüfen.
3.
Selbst wenn man mit dem Kantonsgericht davon ausgehen wollte, die im revidierten Art. 21 KV vorgesehene neue Ordnung der Staats- und Beamtenhaftung sei schon mit der Inkraftsetzung dieser Verfassungsbestimmung unmittelbar anwendbar gewesen, hätte es sich, mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen Regelung, ohne Willkür vertreten lassen, die Passivlegitimation des Staates für Schäden, die sich vor Inkraftsetzung der neuen Ordnung ereignet haben, zu verneinen.
Es sind in einem Fall der vorliegenden Art verschiedene Übergangsregelungen denkbar. Das eidgenössische Verantwortlichkeitsgesetz
BGE 105 Ia 36 S. 40
vom 14. März 1958 sieht in Art. 26 Abs. 2 vor, dass die (neu eingeführte) Haftung des Bundes auch für Schäden gilt, die vor Inkrafttreten des Gesetzes entstanden sind. Eine gegenteilige Regelung findet sich im zürcherischen Haftungsgesetz vom 14. September 1969 (§ 35 Abs. 3); danach sind vor dem Inkrafttreten des Gesetzes verursachte Schäden noch nach bisherigem Recht zu beurteilen, das nur eine Beamtenhaftung vorsah (vgl. dazu SCHWARZENBACH, Die Staats- und Beamtenhaftung in der Schweiz, S. 72 f. und S. 170). Unter dem Gesichtswinkel von
Art. 4 BV
lassen sich beide Lösungen vertreten. Soweit eine neue Haftungsordnung für den Bürger und den beteiligten Beamten gegenüber der bisherigen Regelung keine Nachteile bringt, steht es dem Gesetzgeber frei, sie auch rückwirkend zur Anwendung zu bringen; die rückwirkende Inkraftsetzung einer begünstigenden Regelung ist grundsätzlich zulässig (IMBODEN/RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 16, S. 106;
BGE 99 V 203
). Ein dahingehender Anspruch besteht aber nur, wenn die einschlägigen Normen dies vorsehen, was hier nicht dargetan ist. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
8c472450-758d-4b6d-9c78-c52f5f9a0a02 | Urteilskopf
90 IV 94
20. Urteil des Kassationshofes vom 1. Mai 1964 i.S. Oes gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 91 Abs. 3 SVG
; Anordnung der Blutprobe.
1. Diese Bestimmung setzt für den Fall, dass der Täter die Feststellung seiner Angetrunkenheit vereitelt, nicht voraus, dass die Blutprobe oder die zusätzliche ärztliche Untersuchung bereits amtlich angeordnet worden sei.
2. Der angetrunkene Fahrer, der nach einem Unfall die Flucht ergreift, weil er eine Blutprobe befürchtet, macht sich nicht nur nach Art. 92, sondern auch nach
Art. 91 Abs. 3 SVG
strafbar. | Sachverhalt
ab Seite 94
BGE 90 IV 94 S. 94
A.-
Oes fuhr am 17. Februar 1963 gegen Mitternacht am Steuer eines Volkswagens auf der Werdstrasse in
BGE 90 IV 94 S. 95
Zürich stadtauswärts. Auf der Kreuzung mit der Stauffacherstrasse stiess er mit einem von links kommenden Personenwagen zusammen, der abgedreht wurde und gegen einen Baum prallte. Oes, der angetrunken war, hielt nicht an. Er befürchtete, sich einer Blutprobe unterziehen zu müssen, und ergriff deshalb die Flucht. Die Nacht verbrachte er auswärts.
B.-
Das Bezirksgericht Zürich fand Oes des pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall (
Art. 92 Abs. 1 SVG
) schuldig und bestrafte ihn mit zwanzig Tagen Haft. Von der Anklage, den Zweck einer Blutprobe vereitelt zu haben (
Art. 91 Abs. 3 SVG
), sprach es ihn frei.
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin erklärte das Obergericht des Kantons Zürich Oes am 25. November 1963 dieses Vergehens ebenfalls schuldig und verurteilte ihn zu einem Monat Gefängnis und Fr. 100.-- Busse.
C.-
Oes führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei von der Anschuldigung, sich gemäss
Art. 91 Abs. 3 SVG
strafbar gemacht zu haben, freizusprechen. Er macht geltend, diese Bestimmung setze in jedem Falle eine amtlich angeordnete Massnahme voraus; an einer solchen fehle es hier. Wer fliehe, mache sich zudem nur strafbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimme. Dies treffe nach Art. 92, nicht aber nach
Art. 91 Abs. 3 SVG
zu.
Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die Oes gegen das gleiche Urteil eingereicht hat, ist vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 20. März 1964 abgewiesen worden.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Nach
Art. 91 Abs. 3 SVG
wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bestraft, wer sich vorsätzlich einer amtlich angeordneten Blutprobe oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt.
BGE 90 IV 94 S. 96
1.
Nach ihrem Wortlaut scheint sich die Bestimmung nur auf Blutproben und zusätzliche ärztliche Untersuchungen zu beziehen, die bereits amtlich angeordnet worden sind ("ordonnés par l'autorité", "ordinati dall'autorità"). Eine solche Auslegung würde dem wahren Sinn der Norm jedoch nicht gerecht und kann deshalb nicht massgebend sein (vgl.
BGE 87 IV 118
Erw. b und dort angeführte Lehre und Rechtsprechung).
Art. 91 Abs. 3 SVG
beruht auf der Überlegung, dass namentlich Fahrzeugführer, bei denen Anzeichen von Angetrunkenheit vorliegen, geeigneten Untersuchungen zu unterziehen sind (
Art. 55 Abs. 1 SVG
) und dass sie bestraft werden sollen, wenn sie sich solchen Untersuchungen widersetzen oder entziehen oder deren Zweck, d.h. die Feststellung, ob und allenfalls in welchem Grade sie angetrunken seien, vereiteln. Diese Feststellung kann ein Fahrer unter Umständen schon verunmöglichen, bevor die Polizei sich überhaupt darüber Rechenschaft geben kann, ob eine Blutprobe anzuordnen sei. Das trifft z.B. zu, wenn er noch vor Eintreffen der Polizei weitern Alkohol zu sich nimmt oder wenn er, wie der Beschwerdeführer, nach dem Unfall flüchtet und erst am folgenden Tag aufgegriffen werden kann. Dass sich in solchen Fällen eine nachträgliche Anordnung der Blutprobe oft als zwecklos erweisen muss, ist dem Gesetzgeber nicht entgangen (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Strassenverkehr vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II S. 39 und 63). Die Zulässigkeit der Strafe kann folglich im Falle der Vereitelung nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Massnahme bereits amtlich angeordnet worden sei. Die gegenteilige Auffassung wäre mit dem Bestreben des Gesetzes, den Führer, der die Feststellung der Angetrunkenheit verunmöglicht, gleich zu bestrafen wie denjenigen, der des Fahrens in angetrunkenem Zustande überführt ist, nicht vereinbar.
Dass blosse Flucht nur in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen bestraft werden darf, hilft dem Beschwerdeführer
BGE 90 IV 94 S. 97
nicht.
Art. 91 Abs. 3 SVG
frägt nicht danach, mit welchen Mitteln der Täter den Zweck der Massnahmen vereitelt. Die Bestimmung verlangt auch nicht, dass er besondere Vorkehren treffen müsse, wie der Beschwerdeführer anzunehmen scheint. Es genügt, dass dem Täter ein Verhalten zur Last gelegt werden muss, das auf Vereitelung des Nachweises angelegt ist, in angetrunkenem Zustande ein Fahrzeug geführt zu haben. Der angetrunkene Fahrer, der nach einem Unfall die Flucht ergreift und sich, wie der Beschwerdeführer, dem Zugriff der Polizei solange entzieht, bis die Angetrunkenheit abgeklungen und damit nicht mehr feststellbar ist, macht sich deshalb nicht nur nach Art. 92, sondern auch nach
Art. 91 Abs. 3 SVG
strafbar.
2.
Der Beschwerdeführer war nach dem angefochtenen Urteil angetrunken, als er sich am 17. Februar 1963 gegen Mitternacht in Zürich ans Steuer seines Personenwagens setzte und stadtauswärts fuhr. Das Obergericht stellt zudem in eingehender Würdigung des Beweises fest, dass Oes nach dem Zusammenstoss weiterfuhr, weil er eine Blutprobe befürchtete. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und binden deshalb den Kassationshof. Sie können nur dahin verstanden werden, dass Oes mit der Massnahme rechnete und sich ihr für den Fall, dass sie angeordnet würde, entziehen wollte. Er hat deshalb zumindest eventualvorsätzlich gehandelt und somit den Tatbestand der Vereitelung im Sinne von
Art. 91 Abs. 3 SVG
auch subjektiv erfüllt.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8c48ba07-f1c3-4a2c-ad38-8ffb6add0e04 | Urteilskopf
101 IV 381
88. Urteil des Kassationshofes vom 2. Oktober 1975 i.S. M. c. S. und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 270 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 BStP
.
Der Geschädigte, der eine schwere Körperverletzung erlitten hat, ist weder als Antragsteller noch als Privatstrafkläger befugt, gegen einen Einstellungsbeschluss der Zürcher Strafbehörden Nichtigkeitsbeschwerde zu führen. | Sachverhalt
ab Seite 382
BGE 101 IV 381 S. 382
A.-
Am 25. Oktober 1974 um 17.15 Uhr fuhr S. mit seinem Lieferwagen durch die Brandschenkestrasse in Zürich stadtauswärts. In der Absicht, auf der Höhe der Liegenschaft Brandschenkestrasse 25 nach links in den Hof der Post abzubiegen, spurte er gegen die Fahrbahnmitte ein und hielt bei jener Liegenschaft an, da ihm eine auf der Gegenfahrbahn wegen Rotlichts stillstehende Fahrzeugkolonne den Weg versperrte. Als das Grünlicht aufleuchtete, setzte sich die Kolonne in Bewegung. A., der mit seinem Kastenwagen auf der Höhe der Einfahrt zur Post stand, gab S. ein Handzeichen zum Durchfahren. Als dieser nach links abbog, stiess rechts hinter dem Kastenwagen A.s der Motorradfahrer M. vor und prallte gegen den Lieferwagen, wobei er erheblich verletzt wurde.
B.-
Eine auf Strafantrag M.s gegen S. eröffnete Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde von der Bezirksanwaltschaft Zürich mangels Nachweises eines strafrechtlich erheblichen Verschuldens eingestellt.
Einen Rekurs M.s wies die Rekurskommission der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich am 10. Juni 1975 ab.
C.-
M. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der Staatsanwaltschaft sei aufzuheben und S. wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und Verletzung von Verkehrsregeln zu bestrafen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Verletzte M. ist weder als Antragsteller noch als Privatstrafkläger zur Nichtigkeitsbeschwerde befugt.
a) Dem Privatstrafkläger steht die Nichtigkeitsbeschwerde zu, wenn er nach den Vorschriften des kantonalen Rechts allein, ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers, die Anklage vertreten hat (
Art. 270 Abs. 3 BStP
). Der öffentliche Ankläger ist an der Sache auch beteiligt, wenn er nicht formell in Parteistellung auftritt, sondern selber über die Anklage entscheidet (
BGE 71 IV 111
). So verhält es sich hier.
b) In den Fällen, die nur auf Antrag des Verletzten verfolgt werden, steht die Nichtigkeitsbeschwerde auch dem Antragsteller zu (
Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP
).
Ob im Sinne dieser Bestimmung ein nur auf Antrag zu verfolgender Fall vorliegt, hat der Kassationshof vorfrageweise
BGE 101 IV 381 S. 383
zu entscheiden, ohne an die von den Parteien vertretene Auffassung oder an den Entscheid der kantonalen Behörde gebunden zu sein (Urteile vom 29. September 1953 i.S. Nicklès c. Bandi und vom 17. September 1954 i.S. Lüscher c. Schwarz).
Weil der Kassationshof kein eigenes Beweisverfahren durchführen und die Sache auch nicht zur Prüfung dieser Frage an die Vorinstanz zurückweisen kann, da diese damit nicht befasst war und deshalb ihr Urteil insoweit nicht Bundesrecht verletzt, muss die vorfrageweise Prüfung aufgrund des Sachverhalts erfolgen, wie er sich dem angefochtenen Urteil und den Akten entnehmen lässt.
Der Begriff der schweren Körperverletzung in Art. 125 Abs. 2 entspricht demjenigen nach
Art. 122 StGB
(
BGE 68 IV 84
,
BGE 93 IV 12
). Danach macht sich der schweren Körperverletzung schuldig, wer einen Menschen lebensgefährlich verletzt, einen Körperteil, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, siech oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt oder eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit des Menschen verursacht.
Nach dem bei den Akten liegenden Arztzeugnis vom 21. Januar 1975 erlitt M. eines Hirnerschütterung, einen Schädelbruch verbunden mit teilweisem Gehörsverlust und Ohrensausen beidseits sowie verschiedene Schnittwunden im Gesicht. Die Gesichtsverletzungen werden aller Wahrscheinlichkeit nach nie mehr ein 100%ig kosmetisch befriedigendes Resultat ergeben. Zu allfälligen Restfolgen bezüglich des Gehörs konnte der Arzt damals noch nichts aussagen. M. war vom 25. Oktober bis 7. November 1974 hospitalisiert, stand im Januar 1975 noch in Nachbehandlung und war vom 25. Oktober bis 25. November 1974 zu 100%, vom 26. November bis 9. Dezember 1974 zu 50% arbeitsunfähig.
Die Hirnerschütterung, der Schädelbruch, die bleibende Entstellung des Gesichts und das mögliche Bestehenbleiben des teilweisen Gehörsverlusts sowie der Spitalaufenthalt und die Arbeitsunfähigkeit von mehreren Wochen erscheinen gesamthaft als "andere" schwere Schädigung des Körpers im Sinne des Gesetzes. Folgerichtig hat M. selbst im Beschwerdeantrag die Aufhebung des Entscheides und die Bestrafung
BGE 101 IV 381 S. 384
S.s. wegen schwerer Körperverletzung gefordert. Er verlangt demnach eine Bestrafung wegen einer von Amtes wegen zu verfolgenden Tat. Dazu ist er nicht befugt.
2.
Kann somit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden, so ist es dem Bundesgericht versagt, sich materiell zum angefochtenen Entscheid und dessen Begründung zu äussern.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten. | null | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8c4bb030-51ac-4e0e-a6f2-871d6ea559d6 | Urteilskopf
139 I 57
6. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit social dans la cause E. contre Etat de Neuchâtel, Service des ressources humaines de l'Etat (recours en matière de droit public)
8C_358/2012 du 18 janvier 2013 | Regeste
Art. 9 BV
;
Art. 336c Abs. 1 lit. c OR
; Art. 12 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Neuenburg vom 28. Juni 1995 über das öffentliche Dienstrecht; Auflösung des Dienstverhältnisses bei Schwangerschaft.
Soweit das öffentliche Dienstrecht des Kantons Neuenburg keinen Kündigungsschutz bei Schwangerschaft einer mit einer Probezeit von zwei Jahren angestellten Inhaberin eines öffentlichen Amtes vorsieht, enthält es keine (echte) Lücke, welche das Bundesgericht in Anwendung von
Art. 336c Abs. 1 lit. c OR
zu füllen gehalten wäre (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 58
BGE 139 I 57 S. 58
A.
A.a
Depuis le 1
er
mars 2009, E. a été engagée à titre provisoire en qualité de secrétaire-comptable à temps partiel auprès de X. Informée par le Service des ressources humaines de l'Etat de Neuchâtel qu'une résiliation des rapports de travail pendant la période provisoire était envisagée (courrier du 18 janvier 2011), elle lui a indiqué être enceinte de quatorze semaines, si bien qu'un éventuel congé serait entaché de nullité (lettre du 1
er
février 2011). Par décision du 14 février 2011, le Service des ressources humaines de l'Etat de Neuchâtel a résilié l'engagement provisoire de E. au 30 avril 2011, en raison de l'insuffisance de ses prestations; il a considéré que l'intéressée ne bénéficiait d'aucune protection particulière excluant une résiliation durant la grossesse.
A.b
Saisi d'un recours de l'intéressée contre cette décision, le Département de la justice, de la sécurité et des finances du canton de Neuchâtel l'a rejeté, le 9 août 2011.
B.
E. a déféré cette décision au Tribunal cantonal de la République et canton de Neuchâtel, Cour de droit public, qui l'a déboutée par jugement du 16 mars 2012.
C.
Agissant par la voie du recours en matière de droit public, E. demande au Tribunal fédéral, sous suite de dépens, d'annuler le jugement cantonal, ainsi que les décisions administratives des 9 août et 14 février 2011.
Le Service des ressources humaines de l'Etat neuchâtelois conclut au rejet du recours.
D.
La I
re
Cour de droit social a tenu une délibération publique le 18 janvier 2013.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
4.1
Sous le titre "Engagement provisoire", l'art. 12 de la loi cantonale neuchâteloise du 28 juin 1995 sur le statut de la fonction publique (LSt; RSN 152.510) prévoit ceci:
BGE 139 I 57 S. 59
1
La nomination est précédée d'un engagement provisoire d'une durée de deux ans qui constitue la période probatoire.
2
La période probatoire peut être abrégée ou supprimée lorsque l'autorité de nomination estime qu'elle ne se justifie pas.
3
Durant la période probatoire, chaque partie peut signifier son congé à l'autre moyennant un avertissement donné par écrit au moins deux mois à l'avance pour la fin d'un mois. Le congé ne doit pas être abusif, au sens de l'article 336 du Code des obligations.
4
La durée de l'engagement provisoire peut être prolongée à cinq ans pour le personnel enseignant dont l'activité est partielle; le Conseil d'Etat fixe les modalités.
5
Sont réservées les dispositions spéciales prévues par d'autres lois.
4.2
Aux termes de l'
art. 336c al. 1 let
. c CO, après le temps d'essai, l'employeur ne peut pas résilier le contrat pendant la grossesse et au cours des seize semaines qui suivent l'accouchement.
La protection en cas de maternité assurée par l'interdiction pour l'employeur de licencier une travailleuse enceinte prévue par l'
art. 336c al. 1 let
. c CO trouve sa justification dans le fait qu'une femme enceinte ne jouit pas, et ce pour une période s'étendant à seize semaines suivant l'accouchement, d'une capacité concurrentielle intacte sur le marché de l'emploi. Un engagement par un nouvel employeur à la fin du délai de congé ordinaire paraît en effet improbable en raison de son état (cf. DENIS WEBER, La protection des travailleurs contre les licenciements en temps inopportun, 1992, p. 121; voir aussi GABRIELA RIEMER-KAFKA, Der neurechtliche Kündigungsschutz bei Schwangerschaft und Niederkunft [Art. 336c Abs. 1 lit. c OR], RSJ 85/1989 p. 57).
Cette protection est limitée à la période postérieure au temps d'essai (art. 336c, première phrase, CO). Le temps d'essai prévu par le CO, qui ne peut pas dépasser trois mois (
art. 335b al. 2 CO
), est aménagé afin de permettre aux parties de préparer l'établissement de rapports de travail destinés à durer, en leur donnant l'occasion d'éprouver leurs relations de confiance, de déterminer si elles se conviennent mutuellement et de réfléchir avant de s'engager pour une plus longue période. Si les rapports contractuels qu'elles ont noués ne répondent pas à leur attente, les parties doivent pouvoir s'en libérer rapidement (
ATF 136 III 562
consid. 3 p. 563).
5.
5.1
Les rapports de travail de droit public ne sont en principe pas soumis aux dispositions du Code des obligations, à l'exception des
BGE 139 I 57 S. 60
art. 331 al. 5 et 331a à 331e CO, relatifs aux rapports juridiques avec l'institution de prévoyance (
art. 342 al. 1 let. a CO
). Aussi bien le statut de la fonction publique peut-il être librement organisé par les cantons (arrêts 2P.219/2006 du 23 novembre 2006 consid. 2.2; 1P.37/2000 du 17 mai 2000 consid. 2b). Ce statut, qui, pour être en général globalement plus favorable, peut comporter par rapport au Code des obligations des contraintes plus sévères sur certains points (arrêts 2P.121/2005 du 19 juillet 2005 consid. 4.2; 2P.82/1994 du 19 août 1994 consid. 3d; 2P.336/1992 du 31 août 1993 consid. 3c). Les règles relatives au contrat de travail sont seulement applicables à titre subsidiaire, en cas de lacunes dans la réglementation ou si celle-ci le prévoit (
ATF 138 I 232
consid. 6.1 p. 238 et les références)
.
Le droit fédéral n'oblige donc pas les cantons à régler la résiliation en temps inopportun pendant la grossesse de la même manière que l'
art. 336c al. 1 let
. c CO. Pour que cette disposition soit applicable, il faudrait que la loi cantonale présente une lacune qu'il conviendrait de combler en l'appliquant à titre de droit cantonal supplétif. Par ailleurs, l'application du droit privé à titre de droit cantonal supplétif n'oblige en principe pas le juge administratif à interpréter les normes concernées comme elles le sont en droit privé; il peut tenir compte des spécificités du droit public (
ATF 138 I 232
consid. 6.1 p. 238 et arrêt 2C_860/2008 du 20 novembre 2009 consid. 3.2).
5.2
L'interprétation de la loi peut conduire à la constatation d'une lacune. Une lacune proprement dite suppose que le législateur s'est abstenu de régler un point qu'il aurait dû régler et qu'aucune solution ne se dégage du texte ou de l'interprétation de la loi. Une telle lacune peut être occulte. Tel est le cas lorsque le législateur a omis d'adjoindre, à une règle conçue de façon générale, la restriction ou la précision que le sens et le but de la règle considérée ou une autre règle légale imposent dans certains cas (
ATF 135 IV 113
consid. 2.4 p. 116). En d'autres termes, il y a lacune occulte lorsque le silence de la loi est contraire à son économie (
ATF 117 II 494
consid. 6a p. 499 et la référence citée). En revanche, si le législateur a renoncé volontairement à codifier une situation qui n'appelait pas nécessairement une intervention de sa part, son inaction équivaut à un silence qualifié. Quant à la lacune improprement dite, elle se caractérise par le fait que la loi offre certes une réponse, mais que celle-ci est insatisfaisante. D'après la jurisprudence, seule l'existence d'une lacune proprement dite (apparente ou occulte) appelle l'intervention du juge, tandis qu'il lui est en principe interdit, selon la conception traditionnelle qui découle notamment du principe de la séparation des
BGE 139 I 57 S. 61
pouvoirs, de corriger les lacunes improprement dites, à moins que le fait d'invoquer le sens réputé déterminé de la norme ne constitue un abus de droit ou ne viole la Constitution (
ATF 131 II 562
consid. 3.5 p. 367 et les arrêts cités).
Selon la jurisprudence (arrêt 2C_818/2009 du 9 juillet 2010 consid. 4.6), savoir si l'on est en présence d'une lacune proprement dite occulte, que le juge peut et doit combler en raison de l'économie de la loi, ou d'une lacune improprement dite relevant de considérations de politique législative qui sortent du champ de compétence du pouvoir judiciaire, est une question d'interprétation parfois délicate, car la frontière entre ces deux notions peut se révéler relativement ténue. Lorsqu'il est saisi d'une telle question d'interprétation dans une affaire où, comme en l'espèce, son pouvoir d'examen est limité à l'arbitraire, le Tribunal fédéral ne s'écarte de la solution retenue par l'autorité cantonale de dernière instance, selon la formule consacrée par la jurisprudence, que si la décision attaquée apparaît insoutenable, en contradiction manifeste avec la situation effective, adoptée sans motifs objectifs ou en violation d'un droit certain (
ATF 134 I 140
consid. 5.4 p. 148;
ATF 133 I 149
consid. 3.1 p. 153;
ATF 132 I 13
consid. 5.1 p. 17).
6.
6.1
Les premiers juges ont nié l'existence d'une lacune proprement dite, en retenant que le législateur cantonal avait, le 28 juin 1995, consciemment fait le choix de protéger tant le fonctionnaire engagé provisoirement (art. 12 LSt) que le fonctionnaire nommé (art. 45 LSt) d'une résiliation abusive au sens de l'
art. 336 CO
, mais pas d'une résiliation en temps inopportun au sens de l'
art. 336c CO
, dont il ne pouvait ignorer l'existence, cette disposition ayant été introduite dans le CO en 1971. Se fondant sur la jurisprudence cantonale (Recueil de jurisprudence neuchâteloise [RJN] 1998 p. 204) et fédérale (
ATF 124 II 53
), ils ont considéré que l'
art. 336c al. 1 let
. c CO ne s'appliquait qu'au contrat de droit privé et que les rapports de service de droit public pouvaient renoncer à instituer des périodes de protection contre la résiliation en temps inopportun.
6.2
Le jugement entrepris repose en l'occurrence sur une interprétation de la loi cantonale qui ne peut être considérée comme arbitraire. L'absence de référence, dans la LSt, à la protection contre la résiliation en temps inopportun en raison de la grossesse d'une employée de l'Etat engagée à titre provisoire ne relève en effet pas d'une lacune proprement dite, comme il résulte de ce qui suit.
BGE 139 I 57 S. 62
6.2.1
En ce qui concerne le congé donné durant la période probatoire, l'art. 12 al. 3 LSt se réfère aux règles du CO en renvoyant uniquement à l'
art. 336 CO
sur la protection contre les congés abusifs. Constitue ainsi un congé abusif la résiliation qui serait prononcée à l'égard d'une employée de l'Etat engagée à titre probatoire, parce qu'elle aurait annoncé être enceinte (art. 12 al. 3 LSt en relation avec l'
art. 336 let
. c CO).
Il ressort des travaux préparatoires que la protection contre les congés abusifs a été mentionnée par le Conseil d'Etat neuchâtelois, sans qu'elle ait prêté à discussion lors des débats parlementaires, tandis que la protection contre la résiliation en temps inopportun n'a pas du tout été évoquée (Rapport du Conseil d'Etat au Grand Conseil du 3 mai 1995 relatif à la politique du personnel de l'Etat et à l'appui d'un projet de loi sur le statut de la fonction publique, BO/NE 1995-1996, tome I, séance du 27 juin 1995, p. 814 s. et séance du 28 juin 1995, p. 894 ss). Malgré l'absence de mention de la protection contre les congés sous l'angle temporel, on peut partir de l'idée, comme l'ont admis les premiers juges, que le législateur neuchâtelois avait également envisagé cette possibilité, mais qu'il a sciemment renoncé à introduire une disposition y relative dans le droit cantonal de la fonction publique. Au regard de la systématique du CO (III. Protection contre les congés, 1. Résiliation abusive [a. Principe: art. 336, b. Sanction: art. 336a, c. Procédure: art. 336b], 2. Résiliation en temps inopportun: art. 336c), selon laquelle la protection contre les congés est accordée dans deux cas de figure (résiliation abusive et en temps inopportun), il n'est en effet guère concevable que le législateur neuchâtelois ait pris en considération et intégré l'une des éventualités, sans avoir envisagé la seconde.
6.2.2
S'ajoute à cela que la LSt comporte plusieurs dispositions par lesquelles le législateur cantonal a tenu compte de la protection particulière dont ont besoin les titulaires de fonction publique (au sens de la LSt, soit toute personne faisant l'objet d'un engagement provisoire ou d'une nomination à temps complet ou à temps partiel; cf. art. 8 LSt) de sexe féminin en cas de maternité (qui comprend la grossesse et l'accouchement, ainsi que la convalescence qui s'ensuit pour la mère; cf.
art. 5 LPGA
[RS 830.1]). A son art. 74 al. 1, la LSt prévoit qu'en cas de grossesse, un congé de quatre mois est accordé à la mère avec maintien du traitement. L'art. 75b LSt porte sur le temps consacré par la mère à l'allaitement: le temps consacré à l'allaitement par la mère sur son lieu de travail est réputé temps de travail (al. 1), tandis que si elle quitte son lieu de travail pour allaiter son
BGE 139 I 57 S. 63
enfant, la moitié du temps consacré à l'allaitement est réputé temps de travail (al. 2). Les normes d'exécution précisent la durée du congé de maternité (art. 32 du Règlement général du 9 mars 2005 d'application de la loi sur le statut de la fonction publique [RSt; RSN 152.511]) et prévoient la possibilité pour le chef de service de la future mère de lui accorder, durant les derniers mois de la grossesse, un assouplissement de l'horaire ou la possibilité d'effectuer une tâche différente (art. 15 RSt).
Ces différentes règles montrent que le législateur cantonal a accordé une importance particulière à la maternité et à sa protection. On peut aussi en déduire qu'il a examiné de manière complète les différents aspects de cette protection et qu'il s'est consciemment abstenu d'édicter des règles sur la protection sociale de la maternité, singulièrement une norme prévoyant l'impossibilité de résilier les rapports de service pendant la grossesse, pour privilégier les aspects relatifs à la protection de la santé de la mère et de l'enfant (à naître).
6.2.3
On précisera encore qu'il peut apparaître contradictoire, de la part du législateur neuchâtelois, de régler les effets de la maternité en faveur de la titulaire de fonction publique de manière détaillée (droit à un congé de quatre mois et maintien du traitement, temps consacré à l'allaitement, assouplissement de l'horaire ou possibilité d'effectuer une tâche différente), sans lui assurer aussi une protection contre une résiliation pendant la grossesse et une période déterminée suivant l'accouchement. Une protection étendue de la maternité ne semble en effet pouvoir être mise en oeuvre de manière complète que si elle comporte également la garantie pour l'intéressée de maintenir son emploi durant une certaine période qualifiée d'inopportune (cf. Message du 17 novembre 1982 sur l'initiative populaire "pour une protection efficace de la maternité", FF 1982 III 805, 826 s. ch. 426).
Une telle contradiction ne suffit cependant pas à retenir que la solution adoptée par l'organe législatif neuchâtelois est insoutenable. Ni le droit fédéral - on peut penser ici aux art. 8 al. 3, 10 al. 2, 41 ou 116 Cst. -, ni le droit cantonal n'imposent en effet à celui-ci de codifier la situation en cause en prévoyant une règle semblable à l'
art. 336c al. 1 let
. c CO ou en renvoyant à cette disposition, comme le voudrait la recourante. Le seul fait que l'option choisie par le législateur cantonal - absence de règle du droit de la fonction publique sur le licenciement en cas de grossesse - est insatisfaisante au regard de l'importance de la protection de la maternité ne justifie pas une intervention du juge (supra consid. 5.2). Seul le législateur cantonal pourrait remédier à cette situation. | public_law | nan | fr | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c513460-ce54-47c7-9c99-0579af829e51 | Urteilskopf
136 III 142
20. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause F.X. et Y. contre Z. (recours en matière civile)
4A_394/2009 du 4 décembre 2009 | Regeste
Vollstreckung eines wegen Formmangels nichtigen Schenkungsversprechens.
Unterscheidung zwischen einem Schenkungsversprechen und einer Handschenkung (E. 3.3).
Ein wegen Formmangels nichtiges Schenkungsversprechen, das durch eine Vermögensübertragung erfüllt wurde, ist gemäss
Art. 243 Abs. 3 OR
als gültige Schenkung von Hand zu Hand zu beurteilen (E. 3.3 und 3.4). | Sachverhalt
ab Seite 142
BGE 136 III 142 S. 142
A.
Depuis le début des années 1970, l'avocat Z., domicilié à Genève, a été le conseil et l'ami de H.X., qui était domicilié à N. Ce dernier était à la tête d'une fortune estimée à 500'000'000 US$.
Au cours de l'année 2000, H.X. a épousé, en sixièmes noces, F.X.
BGE 136 III 142 S. 143
Le 7 septembre 2001, H.X. et Z. ont ouvert auprès de A. Bank à Genève un compte en dollars n° xxx dénommé "U.". Selon les documents d'ouverture du compte, chacun d'eux en était titulaire et disposait de la signature individuelle. Selon deux témoins, H.X. destinait ce compte à sa fille. (...) Le compte a été utilisé pour payer différentes factures et a donné lieu à de nombreuses opérations.
Le 19 juillet 2002, H.X. a donné l'ordre à la société B. Corporation de verser 1'000'000 US$ sur le compte "U." qui a été crédité de ce montant le 23 juillet 2002. Selon Z., H.X. lui a dit qu'il s'agissait d'un don qu'il lui faisait pour marquer tant d'années d'amitié.
Par courrier du 4 juin 2003, Z. a donné l'ordre à A. Bank de transférer 1'500'000 US$ sur un de ses comptes personnels auprès de la banque C., transfert qui a été effectué. Ce transfert n'est litigieux qu'à concurrence d'un million de dollars, correspondant à la donation alléguée. (...)
Les rapports entre H.X. et Z. se sont dégradés en mai 2004, le premier reprochant au second de l'avoir mal conseillé dans le cadre de la constitution d'un nouveau trust appelé "... Trust". Par courrier du 8 juin 2004, H.X. a résilié tous les mandats confiés à Z. Par la suite, il lui a demandé, par voie judiciaire, de rendre compte.
H.X. est décédé le 23 janvier 2005.
B.
Le 11 mai 2006, F.X. et la société Y., en qualité d'exécuteurs testamentaires de la succession H.X., ont déposé devant le Tribunal de première instance de Genève une demande en restitution de 1'000'000 US$ à l'encontre de Z., contestant l'existence d'une donation valable.
Par jugement du 6 novembre 2008, le Tribunal de première instance a rejeté la demande (...), admettant l'existence d'une donation.
Par arrêt du 19 juin 2009, la Cour de justice du canton de Genève a confirmé le jugement attaqué (...).
C.
F.X. et la société Y. exercent un recours en matière civile au Tribunal fédéral contre l'arrêt du 19 juin 2009. Invoquant l'arbitraire dans l'appréciation des preuves et l'établissement des faits, ainsi qu'une violation des art. 1, 18, 19, 20, 239 et 242 CO, les recourantes concluent à l'annulation de l'arrêt attaqué et à ce que l'intimé soit condamné à leur verser la somme de 1'000'000 US$ avec intérêts à 5 % dès le 30 mars 2006 (...).
L'intimé a conclu au rejet du recours (...).
(extrait)
Erwägungen
BGE 136 III 142 S. 144
Extrait des considérants:
3.
3.1
Les recourantes invoquent la violation de diverses dispositions du droit fédéral, à savoir les art. 1, 18, 19, 20, 239 et 242 CO.
Ces griefs se chevauchent partiellement et il paraît plus expédient - le Tribunal fédéral appliquant le droit d'office (
art. 106 al. 1 LTF
) - de reprendre l'analyse juridique du cas ab ovo.
3.2
La question litigieuse est de savoir si une donation est valablement intervenue.
En raison du domicile à N. du donateur (cf.
ATF 110 II 156
consid. 2b p. 158), la cause revêt un caractère international et la question du droit applicable doit être examinée d'office par le Tribunal fédéral (
ATF 132 III 609
consid. 4 p. 614,
ATF 132 III 626
consid. 2 p. 629).
La question doit être tranchée selon le droit international privé du for (
ATF 132 III 661
consid. 2 p. 663). La qualification du rapport juridique litigieux doit être effectuée selon le droit interne du for (
ATF 132 III 609
consid. 4 p. 615).
En l'absence de convention internationale, il faut donc appliquer, pour le fond, les
art. 116 et 117 LDIP
(RS 291) et, pour la forme, l'
art. 124 LDIP
.
En l'espèce, la cour cantonale a retenu que les parties, représentées par des avocats, avaient, par actes concluants, choisi d'appliquer le droit interne suisse. Comme la question du droit applicable a été expressément soulevée par la cour cantonale et que les avocats des parties continuent de se référer exclusivement au droit suisse, il n'est pas douteux que les parties ont choisi d'appliquer ce droit comme le leur permet l'
art. 116 LDIP
. En ce qui concerne la forme, ce n'est que si le contrat apparaissait comme nul selon le droit suisse qu'il faudrait se demander s'il n'est pas valable selon le droit N. (
art. 124 al. 2 LDIP
). Quant à la question de la capacité du donateur, elle ne se poserait que s'il était établi - ce qui n'est pas le cas - que le donateur n'avait pas la capacité selon le droit N. (cf.
art. 35 et 36 al. 1 LDIP
).
3.3
Selon l'
art. 239 al. 1 CO
, la donation est la disposition entre vifs par laquelle une personne cède tout ou partie de ses biens à une autre sans contre-prestation correspondante.
La donation est un contrat (TERCIER/FAVRE, Les contrats spéciaux, 4
e
éd. 2009, n. 1760 p. 260; PIERRE ENGEL, Contrats de droit suisse,
BGE 136 III 142 S. 145
2
e
éd. 2000, p. 110; MARGARETA BADDELEY, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2003, n° 4 ad
art. 239 CO
). Il suppose donc un accord des parties sur un transfert patrimonial à titre gratuit (
art. 1 al. 1 CO
). En conséquence, la donation doit être acceptée (
ATF 110 II 156
consid. 2d p. 161). L'acceptation peut intervenir par actes concluants (
art. 1 al. 2 CO
) et, comme la donation ne présente que des avantages pour le donataire, elle peut être tacite (
art. 6 CO
).
Ce contrat peut revêtir deux formes: la donation manuelle (
art. 242 CO
) ou la promesse de donner (
art. 243 CO
) (arrêt 5C.273/2005 du 14 mars 2006 consid. 5.1).
Lorsque le donateur s'engage envers le donataire à lui remettre gratuitement un bien et que le donataire accepte, le contrat est parfait. Il donne naissance à une obligation dont le donataire peut exiger l'exécution. Pour protéger le donateur contre des promesses faites à la légère, le législateur exige qu'il s'engage par écrit ou, s'il s'agit de donner un immeuble ou un droit réel immobilier, par acte authentique (
art. 243 al. 1 et 2 CO
). Seul le donateur doit signer l'acte écrit (
ATF 110 II 156
consid. 2d p. 161;
ATF 105 II 104
consid. 3b p. 107 s.). On parle alors, selon le titre marginal de l'
art. 243 CO
, d'une "promesse de donner", expression qui n'est pas entièrement satisfaisante, parce qu'elle fait croire à tort qu'il ne s'agit pas d'un contrat, mais d'un acte unilatéral.
Il arrive que le donateur exprime sa volonté de faire une libéralité en remettant directement le bien au donataire qui l'accepte. Dans ce cas, la conclusion de la donation a lieu en même temps que son exécution, de sorte que la naissance du contrat coïncide avec son extinction par l'exécution (
ATF 105 II 104
consid. 3a p. 107). On parle alors d'une "donation manuelle" selon l'expression figurant à l'
art. 242 al. 1 CO
. Cette dénomination non plus n'est pas entièrement satisfaisante, parce qu'elle suggère l'idée d'une chose mobilière que le donateur remet au donataire de la main à la main. Or, la "donation manuelle" peut revêtir, s'il s'agit d'une chose mobilière, toutes les formes de transfert de la propriété mobilière (
ATF 105 II 104
consid. 3a p. 107). La donation peut aussi porter sur un immeuble ou un droit réel immobilier, auquel cas le transfert s'opère par l'inscription au registre foncier (
art. 242 al. 2 CO
). Elle peut également porter sur une créance ou un autre droit transmissible ayant une valeur patrimoniale; une "donation manuelle" peut donc également intervenir par une cession de créance (
art. 164 et 165 CO
; NEDIM PETER VOGT, in Basler
BGE 136 III 142 S. 146
Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 4
e
éd. 2007, n° 8 ad
art. 239 CO
; ENGEL, op. cit., p. 112) ou par une assignation (
ATF 105 II 104
consid. 3c p. 108). Une "donation manuelle" peut donc intervenir par un virement d'un compte bancaire à un autre (VOGT, op. cit., n° 20
art. 239 CO
). Ce qui est décisif est que le bien sorte du patrimoine du donateur et entre dans celui du donataire (TERCIER/FAVRE, op. cit., n. 1769 p. 261).
Une promesse de donner qui ne revêt pas la forme écrite est sans effet juridique (
ATF 117 II 382
consid. 2a p. 385). Un ordre bancaire (qui n'exprime pas l'intention de donner) ne peut constituer une promesse valable (
ATF 117 II 382
consid. 2b p. 385). Cependant, si une promesse nulle pour vice de forme est ensuite exécutée sous la forme d'un transfert du bien d'un patrimoine à l'autre, il faut, en vertu de la règle spéciale de l'
art. 243 al. 3 CO
, considérer qu'il s'agit d'une donation manuelle valable (TERCIER/FAVRE, op. cit., n. 1829 p. 269; VOGT, op. cit., n° 6 ad
art. 243 CO
; BADDELEY, op. cit., n° 50 ad
art. 239 CO
et n° 21 ad
art. 243 CO
; ENGEL, op. cit., p. 118).
3.4
En l'espèce, il ressort des constatations cantonales - qui lient le Tribunal fédéral (
art. 105 al. 1 LTF
) - que le défunt avait l'intention de transférer un million de dollars à l'intimé sans contre-prestation, pour lui exprimer sa reconnaissance après une trentaine d'années de conseils et d'amitié. Dans ce but, il a fait transférer la somme par une assignation sur le compte dénommé "U.". Dès ce moment, les fonds étaient à disposition de l'intimé, puisque celui-ci disposait d'une signature individuelle sur ce compte; le défunt n'en avait cependant pas totalement perdu la maîtrise, puisqu'il pouvait aussi disposer de ce compte avec une signature individuelle (sur cette question: cf.
ATF 52 II 284
consid. 2 p. 289 s.); on peut donc se demander si la donation manuelle était déjà parfaite au moment où les fonds sont arrivés sur ce compte; il n'est cependant pas nécessaire d'approfondir cette question. En effet, par une seconde assignation, l'intimé a fait transférer les fonds sur un compte personnel auprès d'une autre banque. Dès ce moment, les fonds sont clairement sortis du patrimoine du défunt et sont entrés dans celui de l'intimé. En donnant cet ordre, l'intimé a manifesté sa volonté d'accepter la donation. Le transfert de valeur ayant été opéré, il faut raisonner avec la notion de donation manuelle et l'absence de promesse en la forme écrite est sans importance (art. 242 al. 1 et 243 al. 3 CO). Le transfert ayant été opéré avant la mort du donateur, la question examinée à l'
ATF 105 II 104
(consid. 3c p. 108 s.) ne se pose pas.
BGE 136 III 142 S. 147
Il n'apparaît donc pas que la cour cantonale ait violé les art. 1, 18, 239 ou 242 CO.
3.5
Les recourantes tentent enfin de soutenir que la libéralité serait contraire aux bonnes moeurs en raison de la qualité d'avocat de l'intimé.
Il est vrai que la jurisprudence a admis qu'une libéralité en faveur d'une personne de confiance, telle qu'un avocat, pouvait, dans des circonstances particulières, être contraire aux bonnes moeurs, lorsque la personne de confiance a exercé une influence déloyale sur la volonté du donateur ou lorsqu'elle a violé des règles professionnelles élémentaires (
ATF 132 III 455
consid. 4 p. 458 ss).
Il faut tout d'abord observer qu'aucune règle juridique n'interdit de façon absolue à un avocat de recevoir un cadeau de l'un de ses clients. Ensuite, il faut rappeler que le Tribunal fédéral est lié par les faits constatés par la cour cantonale (
art. 105 al. 1 LTF
). Or, il ne ressort nullement de l'état de fait cantonal que l'intimé aurait sollicité ce don, qu'il aurait exercé une quelconque pression sur le donateur, qu'il aurait, d'une quelconque façon, trahi la confiance placée en lui ou abusé d'une situation de dépendance. Il ressort au contraire des constatations cantonales que le donateur, personne très fortunée, a décidé librement, de sa propre initiative, de faire une libéralité en faveur de son ami et avocat, pour le gratifier après une trentaine d'années de conseils et d'amitié. Même si le montant paraît élevé, une telle libéralité ne peut pas être qualifiée de contraire aux bonnes moeurs. Il n'y a donc pas eu davantage de violation des
art. 19 et 20 CO
.
On ne se trouve dans aucun des cas qui permettrait de revenir sur la donation valablement exécutée (cf.
art. 247 et 249 CO
).
Le recours doit donc être rejeté. | null | nan | fr | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8c595f9d-1dd4-4004-9fdc-6d3d3a0cb468 | Urteilskopf
117 II 449
83. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 17 octobre 1991 dans la cause T. N. contre Autorité de surveillance du registre foncier du canton de Genève (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 4 Abs. 2 BBSG
. Erwerbspreis.
Der Erwerbspreis umfasst die Gesamtheit der für den Erwerb der Liegenschaft vereinbarten Leistungen des Erwerbers (E. 5a).
Dazu gehört insbesondere auch die vom Erwerber einem Dritten für die Abtretung eines Kaufsrechts ausgerichtete Entschädigung (E. 5b). | Sachverhalt
ab Seite 449
BGE 117 II 449 S. 449
A.-
En 1988, A et B conclurent une promesse de vente immobilière, doublée d'un pacte d'emption en faveur du promettant-acquéreur B, convenu cessible et soumis aux mêmes clauses et conditions que la vente, notamment au prix de 274'500 fr.
B s'engagea à se substituer C dans cette promesse. C s'obligeait, pour lui et ses nommables, à acheter la parcelle pour le prix de 274'500 fr. Dans le même contrat, B cédait à C, moyennant une indemnité de 325'000 fr., le droit d'emption concédé par A.
Puis C s'obligea à se substituer T. N. dans la promesse conclue avec A. T. N. s'obligeait à acquérir l'immeuble pour le prix de 274'500 fr. et s'engageait à payer à C, en sus du prix dû à A, une indemnité de 640'000 fr. sur laquelle 325'000 fr. étaient destinés à B et le solde de 315'000 fr. à C. T. N. devenait ainsi cessionnaire du droit d'emption.
BGE 117 II 449 S. 450
En 1989, A vendit l'immeuble à B, qui en paya le prix et le revendit immédiatement à T. N. C intervint à l'acte de revente pour l'approuver. B reçut 599'500 fr. correspondant au prix versé à A (274'500 fr.) et à l'indemnité de cession du droit d'emption en faveur de C (325'000 fr.). C reçut 315'000 fr. à titre d'indemnité de cession du droit d'emption en faveur de T. N. qui paya au total 914'500 fr.
B.-
En 1990, T. N. requit l'autorisation de vendre l'immeuble avant l'expiration du délai d'interdiction prévu par l'art. 1 al. 1 AFIR.
Le conservateur du registre foncier autorisa l'aliénation anticipée au prix de 655'860 fr., correspondant au prix de vente, à l'indemnité payée à B, aux frais de notaire et à l'indexation de 3%. L'autorité cantonale de surveillance du registre foncier a rejeté le recours formé contre la décision du conservateur.
C.-
T. N. exerce un recours de droit administratif.
Erwägungen
Extrait des considérants:
5.
L'autorité cantonale a refusé d'inclure le montant de 315'000 fr. dans le prix de l'acquisition. Le recourant soutient qu'il n'y a pas de raison de l'exclure.
a) Il faut tout d'abord constater que les termes employés par le législateur - "coût de production", "prix de l'acquisition", "frais accessoires" - n'excluent pas une interprétation large.
Ensuite, selon le message du Conseil fédéral, l'aliénation anticipée sans bénéfice peut être exceptée de l'interdiction parce qu'elle ne manifeste pas un dessein de spéculation (FF 1989 III 197), contre lequel le législateur voulait lutter en empêchant la revente à court terme d'immeubles n'ayant acquis entre-temps aucune plus-value (Message, p. 182 et 184). Peu importe en revanche le prix accepté par le requérant avant l'entrée en vigueur de l'arrêté urgent, qui ne déploie pas d'effet rétroactif (art. 9 AFIR). Au demeurant, les sols utilisables pour la construction, tant par leur raréfaction qu'en raison de la conjoncture favorable et des faibles taux hypothécaires, avaient très fortement augmenté de valeur ces dernières années (Message, p. 170), en l'espèce de 1986 à 1989. Lors des débats parlementaires, la commission du Conseil national proposa de définir le bénéfice, au sens de l'art. 4 al. 1 let. a, comme la différence entre le produit de l'aliénation et la valeur d'investissement (BO 1989 CN 1343). Ainsi, vu le but visé par le législateur
BGE 117 II 449 S. 451
et la teneur du texte légal, on peut admettre que le coût de production au sens de l'art. 4 al. 2 AFIR correspond à l'ensemble des investissements consentis, notamment pour acquérir l'immeuble.
Cette interprétation n'est pas contredite par les auteurs, qui ne sont guère explicites sur la notion de prix de l'acquisition, litigieuse en l'espèce (GAJA, Il divieto temporaneo di alienazione di fondi, in Repertorio di giurisprudenza Patria, 122/1989, p. 315; ZULLIGER, Verbot der Veräusserung nicht landwirtschaftlicher Grundstücke, in RNRF 70/1989, p. 338/339; RICHARD, in Les arrêts fédéraux urgents contre la spéculation foncière, Lausanne 1991, p. 51/52; TRAUFFER et DECURTINS, Praxis der Bewilligungsbehörde zum Bundesbeschluss über eine Sperrfrist für die Veräusserung nicht landwirtschaftlicher Grundstücke, in ZGRG, p. 56/57; GREGORC et JEANRENAUD, L'arrêté fédéral concernant un délai d'interdiction de revente des immeubles non agricoles: quelques problèmes particuliers d'interprétation et d'application, in SJ 112/1990, p. 348/349; BISANG, Welche sind die Bewilligungsgründe für eine vorzeitige Veräusserung? in Dringliches Bodenrecht, Zürich 1990, p. 61). Un auteur souligne toutefois que l'art. 4 al. 2 AFIR ne permet pas de se demander si le prix de l'acquisition était normal ou non: on doit admettre même un prix manifestement surfait; quant à l'indemnité concédée pour un droit d'emption, de préemption ou de réméré, elle n'est prise en compte que si et dans la mesure où les parties l'ont imputée sur le prix, comme une partie de celui-ci (SCHÖBI, Erläuterungen zur Sperrfrist, Bern et Stuttgart 1990, p. 91).
En l'espèce, l'indemnité de 315'000 fr. versée par le recourant est un élément de l'investissement total consenti, comme partie du prix, pour l'acquisition de la parcelle: elle doit donc être incluse dans le prix de l'acquisition au sens de l'art. 4 al. 2 AFIR.
b) L'autorité cantonale de surveillance a objecté que l'indemnité de 315'000 fr. ne peut être englobée dans le prix de l'acquisition, car les parties à l'acte de vente - B et le recourant - ont expressément déclaré dans l'acte que le prix de 599'500 fr. (274'500 fr. + 325'000 fr.) constituait l'intégralité du prix et que celui-ci n'était modifié par aucun autre arrangement quelconque.
Cet argument, purement formel, n'est pas déterminant. En effet, si le prix versé à B était bien de 599'500 fr., C intervint à l'acte pour libérer le recourant de tout engagement à son égard, moyennant le versement, nullement contesté, d'une indemnité de 315'000 fr. Pour acquérir la parcelle, le recourant devait s'assurer que C
BGE 117 II 449 S. 452
n'exercerait pas son droit d'emption. La cession (onéreuse) du droit d'emption de C était donc le moyen d'obtenir la propriété de la parcelle. L'indemnité versée pour cette cession est donc bien une part de l'investissement concédé pour l'acquisition. | public_law | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8c5b9d34-64aa-4ac7-82e1-acb2079ee138 | Urteilskopf
111 II 458
88. Estratto della sentenza del 19 novembre 1985 della I Corte civile nella causa S.I.L., Società Immobiliare Lugano S.A. contro Comunione dei comproprietari del "Condominio Roccalta" (ricorso per riforma) | Regeste
Partei- und Prozessfähigkeit einer Stockwerkeigentümergemeinschaft in einem Prozess über Gewährleistung für Mängel am Gebäude (
Art. 712l ZGB
).
1. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft kann Sachgewährleistungsansprüche aus Kaufverträgen in eigenem Namen nur dann geltend machen, wenn von seiten der einzelnen Stockwerkeigentümer die Forderungen vertraglich an die Gemeinschaft abgetreten worden sind (
Art. 164 ff. OR
) (Präzisierung der Rechtsprechung).
2. Vorgehen bei einer solchen Abtretung und deren Grenzen? Frage offengelassen. | Sachverhalt
ab Seite 458
BGE 111 II 458 S. 458
A.-
Il 27 maggio 1982 la Comunione dei comproprietari del "Condominio Roccalta" (particella n. 1204 RFD di Lugano) ha deciso di adire la via giudiziale nei confronti della S.I.L., Società Immobiliare Lugano S.A., per ottenere la rifusione del minor valore relativo ai difetti del complesso edilizio venduto da tale società. La causa è stata iniziata il 31 agosto 1982 da Maria Allevi-Rampini, Renato Antonini, Enrica Bellini, Enio Fontana, Lina Fontana, Luigi Fontana, Augusta
BGE 111 II 458 S. 459
Ghirlanda-Ithem, Giuseppe Maria Perrone, Gianna e Domenico Polito, Gaspare Sacco, Ignazia Sacco, Bruno Stopper, Anna Donina Cicogna-Toeplitz, Carlo e Adele Valdettaro, Ester Wolff che, "quale Comunione dei Condomini del 'Condominio Roccalta', Via Casserinetta 14 e 14a, Lugano", hanno chiesto la condanna della S.I.L. S.A. al risarcimento di Fr. 150'000.-- più interessi al 5% dal 4 settembre 1979, oltre alle spese esecutive, in base ai contratti di compravendita stipulati con la società fra il 1974 e il 1980 (Enrica Bellini, tuttavia, era già la seconda proprietaria dell'appartamento). La convenuta ha opposto che la parte attrice non era legittimata ad agire e che l'azione era prescritta; nel merito ha contestato la petizione in quanto i difetti non sarebbero stati accertati da una perizia.
B.-
L'istruttoria del processo è stata limitata alle eccezioni sollevate dalla convenuta. Statuendo il 6 luglio 1984 con un decreto interlocutorio, il Pretore di Lugano-Città ha stabilito che l'azione era intentata dai singoli comproprietari e non dalla Comunione dei condomini; riguardo al termine di cinque anni per la notifica dei difetti, esso era stato interrotto il 4 settembre 1979, dai comproprietari, con un precetto esecutivo. La parte attrice ha impugnato il decreto alla II Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino. La convenuta si è aggravata a sua volta con un ricorso adesivo. Il 21 marzo 1985 la corte ha parzialmente accolto quest'ultimo rimedio e respinto l'appello principale, osservando che la lite era stata promossa dalla Comunione dei condomini, abilitata ad agire in giudizio, e che quindi gli atti dovevano essere rinviati al Pretore per decidere l'eventuale prescrizione e svolgere gli ulteriori incombenti di causa.
C.-
Insorta il 7 maggio 1985 al Tribunale federale con un ricorso per riforma, la S.I.L. S.A. propone di annullare il sindacato d'appello e di constatare la carente legittimazione attiva della Comunione dei comproprietari del "Condominio Roccalta". La parte attrice postula il rigetto di ogni censura.
Erwägungen
Dai considerandi:
1.
(Ammissibilità del ricorso per riforma sotto il profilo dell'
art. 50 OG
.)
2.
La corte cantonale ha rilevato che, in virtù dell'
art. 712l CC
, la capacità processuale della comunione dei condomini è data
BGE 111 II 458 S. 460
allorché l'assemblea autorizza la medesima a stare in giudizio. Poco importa che, nella specie, l'atto introduttivo della causa o la procura esibita dal legale non contenessero il nome di tutti i comproprietari; la comunione agisce infatti per proprio conto a tutela di pretese che interessano la totalità dei condomini e che concernono elementi comuni dello stabile, sui quali ogni comproprietario ha un diritto personale. Certo, tale prerogativa non eccede - per principio - l'ordinaria amministrazione del condominio, ma la giurisprudenza ha già avuto modo di precisare che - per motivi di natura pratica, di sicurezza giuridica e di economia processuale - la comunione può far valere anche diritti di garanzia nei confronti di chi ha venduto le singole quote, purché i vizi attengano a parti e infrastrutture comuni dell'edificio. Simile presupposto si verificava in concreto. La deduzione cui sono giunti i magistrati ticinesi si richiama essenzialmente a una sentenza del Tribunale di appello del Canton San Gallo (apparsa in: SJZ 80/1984 pag. 166 seg.) che, inspirandosi a un saggio di WEBER (Zur Prozessfähigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft, in: SJZ 75/1979 pag. 117 segg.), ha scorto nell'ordinamento della proprietà per piani una lacuna impropria; ne ha desunto che la comunione dei condomini è la sola legittimata, in forza di una cessione legale, a promuovere azioni per difetti alle parti comuni dell'immobile.
3.
La ricorrente contesta l'opinione dell'autorità di secondo grado e la prassi menzionata. Sostiene che le azioni di garanzia per difetti alle parti comuni dell'opera traggono origine dai vari contratti di compravendita conclusi con i condomini e non spettano dunque alla comunione, bensì al singolo comproprietario. Una cessione convenzionale, nell'evenienza specifica, non è mai stata asserita né è avvenuta. Quanto alla prospettata cessione legale, essa non trova il minimo conforto giuridico e permetterebbe anzi al venditore che, per cinque anni (
art. 219 cpv. 3 CO
), conserva la maggioranza delle quote, di impedire qualsiasi azione di garanzia (
art. 647b e 712p CC
).
a) È indubbio che la comunione dei condomini può, giusta l'
art. 712l CC
, acquisire e far valere in giudizio eventuali pretese di garanzia inerenti alle parti comuni della proprietà per piani (
DTF 109 II 423
; LIVER in: ZBJV 121/1985 pag. 139 segg.). Ciò non significa che, nel caso in esame, la parte attrice adempia questi requisiti. Del resto il Tribunale federale non ha determinato, finora, a che premesse la comunione divenga titolare di diritti sgorganti dagli
art. 219 o 368 CO
.
BGE 111 II 458 S. 461
In
DTF 106 II 11
la comunione risultava legittimata ad agire grazie a un obbligo esplicito assunto nei suoi confronti dalla società edile. Nella sentenza inedita dell'11 dicembre 1981 in re Stockwerkeigentümergemeinschaft Block G, Adlikon (citata in
DTF 109 II 425
consid. 1c), la legittimazione è stata negata perché la garanzia era stata concessa da un terzo (l'imprenditore generale) a favore degli acquirenti, senza essere stata ceduta alla comunione. In
DTF 108 II 194
il problema non si è posto, i comproprietari avendo iniziato la causa personalmente accanto alla comunione (consid. 2b, non pubblicato). In
DTF 109 II 423
, da ultimo, la venditrice aveva ceduto alla comunione i suoi diritti, donde la facoltà per la stessa di convenire la ditta costruttrice per i vizi dell'immobile.
b) Le pretese di garanzia per difetti della cosa (art. 197 segg., 219 e 221 CO; rispettivamente art. 367 segg. CO) scaturiscono da un rapporto giuridico bilaterale e pertengono quindi al solo compratore o committente. I contratti relativi alla vendita delle quote in proprietà per piani sono stipulati con i diversi condomini, non con la comunione. Ne discende che questa può vantare diritti di garanzia a mero titolo derivato, nella misura in cui sia al beneficio di una cessione legale (si vedano per esempio gli
art. 401 e 1053 cpv. 1 CO
, come pure l'
art. 560 cpv. 2 CC
) o convenzionale (art. 164 segg. CO). Nella fattispecie è pacifico che i condomini non hanno sottoscritto cessione alcuna. Rimane da chiarire se, individuando nell'
art. 712l CC
una lacuna impropria (sul concetto cfr. MEIER-HAYOZ in: Berner Kommentar, note 275 segg. ad
art. 1 CC
), possano ravvisarsi gli estremi di una cessione legale; al proposito è necessario che la normativa, incompleta nei suoi valori e nelle sue finalità, richieda di essere integrata (
DTF 107 Ib 106
consid. 6b,
DTF 102 Ib 225
consid. 2 con riferimento). L'ipotesi potrebbe sorreggersi ad argomenti di carattere pratico, giacché un'azione collettiva di garanzia per difetti alle parti comuni dell'immobile, affrancata dalle scelte dei vari condomini, risulterebbe più semplice e impedirebbe il concorso di processi miranti a fini diversi (cause redibitorie, estimatorie, di risarcimento per danni ulteriori e - in materia di appalto - di riparazione gratuita). Resta la circostanza che una lacuna impropria non si giustifica esclusivamente con criteri di opportunità. Essa gioverebbe, inoltre, ove taluni comproprietari dovessero ostare alla causa, ma non ove i contratti di compravendita dovessero prevedere una rinuncia alla
BGE 111 II 458 S. 462
garanzia. Per di più, una cessione legale ridurrebbe i diritti dei singoli condomini ed è quanto meno dubbio che permetterebbe alla comunione di avanzare pretese nei riguardi dell'alienante originario se le quote, nel frattempo, sono state rivendute a terzi (questioni accennate in: GROSSEN, La qualité pour exercer l'action en garantie en raison des défauts de la chose vendue ou de l'ouvrage sous le régime français et sous le régime suisse de la copropriété par étages, in: Mélanges Guy Flattet, Losanna 1985, pag. 285 seg.; ZOBL in: Baurecht, 1985, pag. 18, nota alla sentenza n. 14). Dal lato pratico, per evitare azioni di garanzia concorrenti, basterebbe che nell'atto formatore della proprietà per piani (
art. 712d cpv. 2 e 3 CC
) o nel regolamento (
art. 712g cpv. 3 CC
) i condomini cedessero le loro pretese alla comunione; ciò vincolerebbe anche i successori in diritto. È vero che la comunione non acquisirebbe, neppure in questo modo, prerogative maggiori di quelle riconosciute ai comproprietari. La tesi di una cessione legale, comunque sia, non appare indispensabile né per colmare una lacuna giuridica né per ovviare a problemi di natura pratica.
c) Giovi aggiungere che la concomitanza di azioni per difetti alle parti comuni dello stabile implicherebbe difficoltà concrete nel solo caso in cui un condominio esigesse la riparazione gratuita dell'opera (
art. 368 cpv. 2 CO
;
DTF 110 II 52
). Detta pretesa, indivisibile a mente dell'
art. 70 CO
, non è contemplata però dalla disciplina sulla garanzia in tema di compravendita (
art. 205 e 221 CO
). Per contro, le prestazioni chieste con una causa estimatoria, redibitoria, o per danni ulteriori sono individuali e competono a ogni comproprietario, sulla scorta del rispettivo contratto di acquisto, in proporzione alla singola quota (
art. 712e CC
). La parte attrice si limita, nel processo in esame, a rivendicare il minor valore dell'immobile (causa estimatoria). Simile facoltà spetta, come si è illustrato, ai condomini personalmente. Anzi, secondo certi autori (GAUCH, Die Abtretung der werkvertraglichen Mängelrechte, in: Baurecht, 1984, pag. 25; GAUTHIER, Copropriété par étages et malfaçons, in: Mélanges Guy Flattet, pag. 231), la cessione di pretese estimatorie e redibitorie sarebbe nulla, i diritti costitutivi non potendo essere trasferiti. Dato che, nella specie, non è avvenuta alcuna cessione, è inutile vagliare tale assunto, così come non occorre definire se tutti i condomini debbano cedere le loro prerogative perché la comunione possa invocare diritti di garanzia. Nell'ambito attuale è sufficiente constatare che la parte attrice non è legittimata ad agire e
BGE 111 II 458 S. 463
che pertanto l'azione dev'essere respinta in ordine.
4.
Accertato che solo i comproprietari sono abilitati a proporre una causa estimatoria nei riguardi della società convenuta, v'è da domandarsi se i condomini non possano essere ritenuti litisconsorti in conformità a quanto stabilito dal Pretore. La corte d'appello non ha risolto l'interrogativo, limitandosi ad affermare che la comunione aveva la capacità di stare in giudizio; non ha escluso però che la petizione del 31 agosto 1982 potesse essere interpretata nel senso che i comproprietari figurassero alla stregua di attori, sia a titolo esclusivo, sia accanto alla comunione. La causa, dunque, potrebbe essere ritornata all'autorità di secondo grado per appurare tale circostanza alla luce della procedura cantonale. Se non che, la parte attrice ha sempre sostenuto di agire quale comunione, tant'è che in ossequio a simile convincimento era insorta contro il decreto del Pretore; davanti alla giurisdizione federale essa conferma l'identico punto di vista e non assevera nemmeno in via subordinata di gestire la causa per i condomini personalmente. Ne consegue che un nuovo giudizio della corte cantonale può esimersi, gli atti processuali non potendosi manifestamente interpretare contro la volontà della stessa parte attrice. | public_law | nan | it | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8c5cd906-d96f-4a8d-ac84-a322e6961f7b | Urteilskopf
110 Ia 145
31. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 5 septembre 1984 dans la cause Haug contre Etat de Vaud et Commission centrale des améliorations foncières du canton de Vaud (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 BV
. Landumlegungsverfahren. Nationalstrasse. Gutachten.
1. Landumlegungsverfahren zum Erwerb des für den Bau einer Nationalstrasse erforderlichen Landes: Entschädigung für Nachteile, die trotz Neuzuteilung von Land bestehen; Verfahren; Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 1).
2. Anordnung eines Gutachtens durch das Bundesgericht im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren wegen Verletzung von
Art. 4 BV
(E. 4).
3. Wert des Heimwesens vor und nach dem Umlegungsverfahren: Aufrechnung der Gesamtheit aller Vor- und Nachteile (E. 5).
4. Prüfung der verschiedenen zu berücksichtigenden Elemente und des eventuellen Minderwertes des gesamten Landwirtschaftsbetriebes (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 146
BGE 110 Ia 145 S. 146
Ernst Haug est propriétaire d'un domaine agricole de 30 ha formé de six parcelles, dont quatre (Nos 1065, 1068, 1175 et 1177 AE) sont situées à Aigle, dans le périmètre du Syndicat d'améliorations foncières autoroute 27 B, et deux (Nos 577 et 594 AE) à Ollon, dans le périmètre du Syndicat d'améliorations foncières autoroute 27 C. Les parcelles contiguës 1177 (sur laquelle se trouvent les bâtiments agricoles et l'habitation) et 1175 AE, d'une surface totale de 68'947 m2, se trouvent à l'ouest du Grand Canal, tandis que les parcelles 1065 et 1068 AE, d'une surface totale de 84'531 m2, se trouvent à l'est de ce même canal. Les parcelles 577 AE (de 132'418 m2) et 594 AE (de 14'834 m2) sises à Ollon se trouvent aussi à l'est du Grand Canal, à une distance de plus de 2 km de la ferme.
La route nationale No 9 a été construite à l'est du canal: à la hauteur de la ferme de Haug, elle se trouve à peu de distance du canal, dont elle se rapproche vers le sud, déterminant ainsi un triangle très allongé entre les deux. Il n'est pas possible de la traverser - pour se rendre à Aigle - à la hauteur de la ferme de Haug; le plus proche passage inférieur se trouve à environ 900 m des bâtiments, au sud. C'est cette situation qui a déterminé les attributions prévues dans le projet du nouvel état.
Le projet du nouvel état laisse pratiquement intactes les deux parcelles (1175 et 1177 AE et NE), sises à l'ouest du canal, où se trouvent les bâtiments.
D'importants changements ont en revanche été nécessaires à l'est du canal. Le projet prévoit l'attribution à Haug de trois parcelles allongées, de forme trapézoïdale, qui se succèdent dans l'aire triangulaire formée par le canal et la route nationale. Ces trois parcelles (Nos 1065, 1066 et 1067 NE) longent la route nationale sur 950 m environ et mesurent respectivement 37'966, 36'572 et 30'042 m2, soit au total 104'580 m2.
Le projet prévoit en outre l'attribution à Haug de la parcelle 1148 NE de 17'828 m2 sise sur le territoire d'Aigle, en remplacement de la parcelle 594 AE sise sur le territoire d'Ollon; cette parcelle se trouve à environ 750 m des bâtiments, à l'est de l'autoroute, mais attenante à celle-ci, près du passage inférieur. Seule l'ancienne parcelle 577 AE, laissée à Haug, se trouve encore sur le territoire d'Ollon; sise à l'est de l'autoroute et portant le
BGE 110 Ia 145 S. 147
même numéro dans le projet de nouvelle répartition (577 NE), elle a cependant été réduite de 132'418 m2 à 115'044 m2.
Compte tenu des prétentions transférées du périmètre d'Ollon à celui d'Aigle (32'208 m2), la comparaison entre l'ancien et le nouvel état de propriété d'Ernest Haug dans le Syndicat d'Aigle fait ressortir les éléments suivants: - une attribution supplémentaire de 5669 m2, évaluée à 4'933 francs, - un crédit de 5'710 francs pour la dépréciation des parcelles 1065, 1066 et 1067 NE, en raison de leurs limites non parallèles déterminant des triangles, montant diminué de 700 francs pour les limites non parallèles de la parcelle 1175 NE, d'où un solde de 5'010 francs en faveur de Haug, - d'autres crédits pour servitudes, poteaux et regards qui grèvent le nouvel état pour un montant total de 7'342 francs, sous déduction de 2'088 francs qui grevaient déjà l'ancien état à ce même titre, - ces différents postes font finalement ressortir une soulte de 5'331 francs en faveur de Haug.
Haug s'est opposé au projet de nouvel état; son opposition ayant été rejetée par la Commission de classification, il a recouru auprès de la Commission centrale des améliorations foncières du canton de Vaud, laquelle a admis partiellement le recours et décidé, ex aequo et bono, de doubler l'indemnité de 5'010 francs prévue dans le projet de nouvel état.
Contre la décision de la Commission centrale, Haug a formé un recours de droit public, pour violation de l'
art. 4 Cst.
Lors d'une inspection locale effectuée par une délégation du Tribunal fédéral, il a paru utile de faire établir par un expert la dépréciation totale subie par le domaine du recourant. Après avoir procédé sur place aux constatations nécessaires et conféré avec la délégation du Tribunal fédéral, l'expert a informé les parties du résultat de ses investigations, lors d'une audience au cours de laquelle les parties ont pu lui poser des questions et soulever des objections. Finalement, l'expert est arrivé à la conclusion que la dépréciation nette subie par le domaine, compte tenu des avantages patrimoniaux découlant de l'augmentation de la surface et de la réduction des parcours, s'élevait à un montant de 79'611 francs ou de 83'280 francs selon que l'on prenait comme base de calcul une valeur vénale de 3 francs ou 5 francs le m2.
BGE 110 Ia 145 S. 148
Un délai a été accordé aux parties en vue de la recherche d'une éventuelle solution amiable. Les pourparlers n'ayant pas abouti, le Tribunal fédéral a statué sur le recours et l'a admis, annulant la décision attaquée.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Il n'est pas contesté que la législation vaudoise en matière de remaniements parcellaires, notamment l'art. 55 de la loi du 29 novembre 1961 sur les améliorations foncières (LAF) respecte en soi les principes découlant de la garantie constitutionnelle de la propriété, notamment le principe de la compensation réelle. Le recourant soutient en revanche que ladite législation a été mal appliquée; c'est donc avec raison qu'il allègue uniquement la violation de l'
art. 4 Cst.
: en effet, le Tribunal fédéral n'examine un tel recours que sous l'angle du déni de justice formel et matériel et de l'inégalité de traitement, selon les critères développés par sa jurisprudence en la matière et rappelés dans l'arrêt Heri c. Soleure du 19 décembre 1979 (
ATF 105 Ia 324
ss). A ces critères de portée générale s'ajoutent ceux qui découlent de la législation fédérale en matière de remembrement pour l'acquisition des terrains nécessaires à la construction des routes nationales, au sens notamment de l'art. 30 al. 1 de la loi fédérale sur les routes nationales (LRN).
Comme la jurisprudence l'a relevé, le canton occupe une position spéciale lorsqu'il participe à une entreprise de remaniement aux fins de se procurer les terrains nécessaires à la construction d'une route nationale: d'une part il peut imposer une réduction générale de la surface des biens-fonds compris dans le périmètre, d'autre part ses prétentions en terrains dans le nouvel état ne dépendent de ses propres apports ni quant à leur superficie, ni quant à leur valeur, ni quant à leur situation, mais sont prédéterminées par le projet d'exécution de la route, aux exigences prioritaires de laquelle le projet de nouvelle répartition doit s'adapter (
ATF 105 Ib 12
consid. 3b,
ATF 99 Ia 497
consid. 4b). Il découle de cette situation particulière que le canton doit non seulement payer à leur valeur vénale les terrains ainsi obtenus (
art. 31 al. 2 lettre b LRN
), mais doit encore indemniser les membres du syndicat pour "les inconvénients subsistant malgré l'attribution de nouveau terrain" (art. 21 de l'ordonnance sur les routes nationales, ORN); ces inconvénients peuvent être comparés
BGE 110 Ia 145 S. 149
à ceux que mentionnent les lettres b et c de l'art. 19 de la loi fédérale sur l'expropriation. Les indemnités dues à ce titre par le canton se déterminent également en fonction de la valeur vénale des terrains et en fonction des préjudices effectifs (
art. 31 lettre b LRN
, 21 ORN;
ATF 105 Ib 334
ss, 104 Ib 82,
ATF 99 Ia 498
consid. 3c; dans le cas où la législation cantonale ne permet pas, pour des motifs de procédure ou de fond, l'application de ces principes et la fixation de ces indemnités dans la procédure cantonale de remembrement, une procédure d'expropriation complémentaire doit être ouverte en vertu de l'
art. 23 ORN
en vue d'assurer la sauvegarde des droits du propriétaire (
ATF 105 Ib 334
,
ATF 104 Ib 82
,
ATF 99 Ia 498
consid. 3c).
En l'espèce, il résulte de la décision attaquée elle-même et de la réponse du canton de Vaud que la législation vaudoise permet d'appeler en cause le canton en sa qualité de propriétaire-expropriant et d'accorder en procédure de remembrement des indemnités pour tous les préjudices découlant de la nouvelle répartition, dans la mesure où cette dernière est déterminée par les exigences de l'implantation de la route nationale. Dans le système du droit vaudois, le recours à une procédure d'expropriation complémentaire selon l'
art. 23 ORN
n'est prévu que pour les prétentions à indemnité qui seraient fondées sur les émissions provenant de l'exploitation de la route nationale (cf.
ATF 105 Ib 6
ss).
En matière d'indemnités accordées dans la procédure de remembrement, le Tribunal fédéral dispose du même pouvoir d'examen que lorsqu'il contrôle les indemnités d'expropriation fixées en application du droit cantonal. Si, comme en l'espèce, le recourant ne conteste pas la conformité du droit cantonal avec le principe de la juste indemnité garantie par l'art. 22 ter Cst., le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral est restreint à l'arbitraire, au déni de justice et à l'inégalité de traitement.
4.
Lorsqu'il est saisi de recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
, le Tribunal fédéral ne recourt à une expertise que dans des cas exceptionnels. En matière de remaniements parcellaires ou d'expropriation selon le droit cantonal, il n'y recourt que s'il subsiste au sujet de la décision cantonale des doutes sérieux sur des questions techniques qui ne peuvent être résolues que grâce à l'aide de spécialistes. L'expertise est destinée à aider le Tribunal fédéral à déterminer si la solution adoptée par les autorités cantonales est non seulement insatisfaisante, mais encore
BGE 110 Ia 145 S. 150
procède d'un excès de leur pouvoir d'appréciation; elle pourra aussi, le cas échéant, amener le Tribunal fédéral à substituer d'autres motifs à la décision attaquée et éviter ainsi de l'annuler.
En l'espèce, le recours à un expert - accepté d'ailleurs par les parties - s'est révélé d'autant plus nécessaire que la Commission de classification a produit de nouveaux calculs à l'appui de ses observations sur le recours de droit public.
5.
b) Il faut examiner si, compte tenu des avantages découlant du remaniement parcellaire, l'exploitation agricole du recourant subit, par rapport à l'ancien état, une diminution de valeur qui serait imputable aux exigences prioritaires de la route nationale et qui devrait être indemnisée par le canton, comme la Commission centrale l'admet d'ailleurs en principe, alors que l'Etat de Vaud le conteste. Le fait que cet examen entre, selon le droit cantonal, dans la compétence de la Commission de classification puis de la Commission centrale - et qu'il pourrait aussi être fait par la Commission fédérale d'estimation si elle était appelée à se prononcer en application de l'
art. 23 ORN
- n'entraîne aucune différence quant aux principes à appliquer par ces autorités: la différence ne concerne que la procédure devant le Tribunal fédéral, dont le pouvoir d'examen diffère selon qu'il est saisi d'un recours de droit public, dans le premier cas, ou d'un recours de droit administratif, dans le second cas.
c) Il n'est pas contesté que la formation des nouvelles parcelles 1065, 1066 et 1067 NE, de forme irrégulière et de proportions inusitées, a été déterminée exclusivement par la nécessité d'attribuer à l'Etat de Vaud le terrain nécessaire à la construction de la route nationale, dont le tracé coupe de biais les anciennes parcelles 1065 et 1068 du recourant. On peut même dire que l'attribution de ces parcelles au recourant était une solution obligée, car on ne voit pas à quel autre propriétaire elles auraient pu être attribuées: dans la mesure où elles dépassaient déjà les prétentions de Haug dans le périmètre du remaniement parcellaire d'Aigle, cela entraînait le transfert de la prétention que le recourant avait dans le remaniement parcellaire d'Ollon. Il apparaît donc que ce transfert aussi a été opéré dans l'intérêt de l'entreprise de remaniement et du canton, et non seulement dans celui du recourant.
d) Il n'est pas contesté non plus que les trois parcelles en cause ne donnent pas satisfaction et ne répondent pas aux exigences d'un remaniement rationnel, pas plus quant à leur forme, irrégulière,
BGE 110 Ia 145 S. 151
que quant à leur insertion dans le domaine du recourant; la Commission centrale l'a elle-même constaté. Il n'est pas douteux qu'en ce qui concerne les terrains proches des bâtiments agricoles, l'ancien état, formé des deux parcelles 1068 et 1065 AE (la première, presque carrée - 270x225 m - et la seconde, contiguë, de 320x70 m), était préférable à l'attribution d'une série de trois parcelles de forme irrégulière, se succédant sur une longueur d'environ un kilomètre. De ce point de vue, la décision de la Commission centrale, admise par le recourant, n'est pas non plus critiquée dans son principe par l'Etat de Vaud; ce dernier se borne à affirmer que les inconvénients du nouvel état sont largement compensés par un gain appréciable de surface et par des avantages patrimoniaux non portés en compte et que l'indemnité supplémentaire accordée par la Commission centrale constitue pratiquement une libéralité.
Enfin, aucune contestation n'a été soulevée au sujet de la constatation faite par la Commission centrale, selon laquelle le recourant est le seul à subir un inconvénient d'une telle importance, d'où la nécessité de corriger l'inégalité de traitement dont il fait l'objet.
e) Fondant sa décision sur les constatations ci-dessus, la Commission centrale n'a cependant pas procédé à un décompte - même pas approximatif - des inconvénients et des avantages qui devraient se compenser. Elle s'est bornée pratiquement à contrôler le calcul de l'indemnité pour les triangles; trouvant ce calcul exact, elle s'est cependant fondée sur des critères d'équité, imprécis eux aussi, pour doubler le montant de l'indemnité accordée à ce titre au recourant. Mais elle n'a pas expliqué en quoi le doublement de cette indemnité rétablissait l'équilibre rompu par la nouvelle répartition, reconnue insatisfaisante.
Il est vrai que dans ses observations sur le recours de droit public, la Commission centrale s'est référée aux calculs de la Commission de classification relatifs aux avantages de la diminution des parcours et de l'augmentation des surfaces; mais cette simple référence aux calculs effectués par la Commission de classification et présentés à la Commission centrale en vue de la réponse à donner au recours de droit public ne peut remplacer l'examen approfondi des éléments essentiels à prendre en considération pour la décision de dernière instance cantonale (
ATF 99 Ia 495
consid. 3,
ATF 99 Ia 524
consid. 4; l'autorité cantonale doit notamment examiner s'il y a diminution de la valeur vénale
BGE 110 Ia 145 S. 152
de l'ensemble du domaine et dans quelle mesure cette diminution est compensée par les avantages découlant du remaniement. Pour ce motif déjà, la décision attaquée doit être annulée pour déni de justice.
6.
Le Tribunal fédéral pourrait à la rigueur renoncer à annuler la décision attaquée - bien qu'elle ne soit pas satisfaisante - si le résultat auquel est parvenue la Commission centrale pouvait se justifier par une autre motivation qui ferait apparaître acceptable, sous l'angle de l'
art. 4 Cst.
, l'indemnité en argent accordée au recourant.
Pour procéder à cet examen, il faut prendre en considération d'une part les critiques soulevées par le recourant, d'autre part l'estimation faite par l'expert désigné par le Tribunal fédéral, d'entente entre les parties.
a) (Indemnité pour les fausses lignes: 5'010 francs.)
b) (Indemnité pour l'augmentation du périmètre total des parcelles du nouvel état: 3'750 francs.)
c) (Pas d'indemnité pour l'augmentation des parcours entre le centre d'exploitation et les parcelles du nouvel état; au contraire, compte tenu de l'ensemble du domaine, diminution des parcours présentant un avantage chiffré à 23'000 francs.)
d) (Pas d'indemnité pour l'ombre projetée par une rangée de peupliers le long des nouvelles parcelles; pas de grief du recourant sur ce point.)
e) La Commission de classification et l'Etat de Vaud font observer avec raison qu'il faut aussi prendre en considération l'avantage patrimonial découlant de l'augmentation de surface dont bénéficie le recourant: 5669 m2. A ce sujet, l'expert ne s'est pas prononcé sur le point de savoir s'il fallait retenir une valeur vénale de 3 francs le m2 (valeur retenue dans le cas V., semble-t-il) ou de 5 francs le m2, comme l'indiquent dans leur réponse l'Etat de Vaud et la Commission de classification: dans le premier cas, l'avantage que le recourant devrait laisser imputer serait de 1 franc le m2 (compte tenu d'un montant d'environ 2 francs le m2 fixé par l'entreprise de remaniement), soit 5'669 francs, tandis que dans le second cas cet avantage serait de 3 francs le m2, soit au total 17'000 francs en chiffre rond.
f) Il faut encore examiner si, par rapport à l'ancien état, il subsiste une dépréciation de l'exploitation dans son ensemble.
Sur ce point, l'expert est explicite; la nouvelle répartition entraîne pour l'exploitation du recourant une perte de valeur
BGE 110 Ia 145 S. 153
vénale agricole pour les trois raisons supplémentaires suivantes: augmentation du nombre des parcelles de 6 à 7; augmentation sensible des limites le long d'une route, d'où risque accru de mauvaises herbes; manque de vue d'ensemble sur le domaine à partir du centre d'exploitation, alors que l'ancien état présentait un mas important proche de ce centre. Dans son appréciation, l'expert n'a pas tenu compte des éventuelles émissions provenant du trafic de l'autoroute, ni de l'isolement accru du domaine par rapport à la localité d'Aigle, dont il est désormais séparé par l'autoroute, deux inconvénients qui proviennent non pas de l'entreprise de remembrement, mais de la construction de l'autoroute. Si l'on retient comme valeur vénale agricole le montant minimum de 3 francs le m2 (ce qui donne, pour un domaine de 30 ha, une valeur totale de 900'000 francs), l'expert estime la diminution de valeur à 10%, soit à 90'000 francs; si l'on retient le montant de 5 francs le m2, l'expert estime cette diminution à 7%, ce qui ferait 105'000 francs. De ces montants, il déduit 23'050 francs pour l'avantage découlant de la diminution des parcours et 5'669 francs, respectivement 17'000 francs, pour l'augmentation des surfaces, selon que l'on retient 3 francs ou 5 francs le m2 pour la valeur vénale agricole. La dépréciation d'ensemble serait ainsi de 61'300 francs dans le premier cas et de 65'000 francs dans le second. A ces montants devrait s'ajouter celui de 3'570 francs pour l'allongement des périmètres, tandis que le poste de 5'010 francs pour les triangles doit être considéré comme étant déjà compris dans l'indemnité pour la dépréciation d'ensemble, calculée en fonction de la valeur vénale. On a déjà relevé ci-dessus qu'il n'y a pas lieu de tenir compte du montant de 9'750 francs pour l'ombre portée par les peupliers.
L'Etat de Vaud a vivement critiqué l'estimation de l'expert, la jugeant arbitraire; il a notamment relevé qu'il serait inadmissible de calculer la dépréciation en pour-cent sur l'ensemble du domaine (30 ha), au lieu de ne le faire que sur les trois parcelles irrégulières de 104'000 m2 au total, sises en face du centre d'exploitation. Un tel reproche n'est pas fondé. Il est tout à fait admissible et opportun de comparer le complexe organique formé par l'ensemble de l'exploitation avant le remembrement et celui qu'il forme après le remembrement, à la condition d'adopter, cela va de soi, des taxes de dépréciation adéquates. Une telle manière de faire est non seulement justifiée par le fait que l'exploitation forme un tout, mais elle est encore d'autant plus nécessaire quand il faut
BGE 110 Ia 145 S. 154
aussi prendre en considération, comme en l'espèce, les avantages que présentent pour l'ensemble de l'exploitation les opérations de remembrement touchant les terrains sis à Ollon. L'expert observe avec raison que le facteur déterminant est le prix inférieur que paierait un acquéreur pour l'achat de l'exploitation après remaniement. Quoi qu'il en soit, le rapport d'expertise ne contient ni lacunes, ni contradictions, ni erreurs (cf.
ATF 101 Ib 408
consid. 3b, 94 I 291): ses conclusions - présentées délibérément comme un ordre de grandeur - ne prétendent pas être définitives; mais elles suffisent, selon le but que vise une expertise dans le cadre d'un recours pour arbitraire, à confirmer que la solution adoptée par l'autorité cantonale sur la base d'un examen insuffisant du cas est non seulement inappropriée, mais inadmissible quant à son résultat. Même la comparaison avec le cas V. ne permet pas de conclure à l'existence de différences inadmissibles dans les critères d'estimation retenus par l'expert, d'autant qu'il se révèle - et cela n'a pas été contesté - que l'indemnité allouée par la Commission de classification pour cette exploitation de 19 ha a été sensiblement supérieure, en ce qui concerne la dépréciation globale (100'000 francs), à la proposition faite par les experts (58'000 francs).
On ajoutera que le Tribunal fédéral a fait appel au même expert (M. Wächli) dans des procédures d'expropriation fondées sur l'
art. 23 ORN
et dans lesquelles se posaient des problèmes analogues - mais dans le cadre de recours de droit administratif - et s'appliquaient des principes identiques (
ATF 104 Ib 82
consid. 1c).
Il faut en conclure que le recours doit être admis dans la mesure où il est recevable et que la décision attaquée doit être annulée. Il appartiendra à la Commission centrale de rendre une nouvelle décision et de fixer l'indemnité due au recourant en se fondant sur les considérants développés ci-dessus. | public_law | nan | fr | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
8c5e2764-74a7-44f1-901a-682a8a4f02fb | Urteilskopf
122 IV 289
44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. September 1996 i.S. C. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB
; nachträgliche Einweisung in eine Anstalt für Rauschgiftsüchtige.
Die nachträgliche Anordnung einer ambulanten Massnahme unter Aufschub des Strafvollzugs ist unzulässig (E. 1a). | Sachverhalt
ab Seite 289
BGE 122 IV 289 S. 289
A.-
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte C. am 24. Juni 1993 wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 12 Monaten Gefängnis (unbedingt). Am 30. September 1993 stellte C. ein Gesuch um Aufschub des Strafvollzuges zugunsten einer Massnahme für Rauschgiftsüchtige gemäss
Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB
.
Am 18. März 1996 verurteilte das Kriminalgericht des Sensebezirks C. wegen Vermögensdelikten und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 20 Monaten Gefängnis, als Zusatzstrafe zum Urteil des Obergerichtes. Der Vollzug der Strafe wurde zugunsten der laufenden ambulanten Massnahme aufgeschoben.
B.-
Mit Beschluss vom 16. April 1996 wies das Obergericht des Kantons Bern das Gesuch von C. ab, im wesentlichen mit der Begründung, der Wortlaut von
Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB
ermögliche
BGE 122 IV 289 S. 290
lediglich den Aufschub einer rechtskräftigen Strafe zugunsten der Einweisung in eine Anstalt für Rauschgiftsüchtige, d.h. zugunsten einer stationären Massnahme. Der nachträgliche Aufschub zugunsten einer ambulanten Massnahme sei deshalb nicht möglich. Offen bleibe ein allfällig im Kanton Freiburg einzuleitendes Verfahren nach
Art. 2 und 3 der Verordnung 1 zum Schweizerischen Strafgesetzbuch (VStGB 1; SR 311.01)
.
C.-
C. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
D.-
Das Obergericht führt in seinen Gegenbemerkungen aus, es gehe um eine grundsätzliche Auslegungsfrage zu
Art. 44 Ziff. 6 StGB
. Der vorliegende "Konflikt" sei nach
Art. 2 und 3 VStGB 1
über die Behörden des Kantons Freiburg zu lösen, wie dies in der Urteilsbegründung dargelegt worden sei.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
a) Erweist sich ein zu einer Strafe verurteilter Rauschgiftsüchtiger nachträglich als behandlungsbedürftig, behandlungsfähig und behandlungswillig, so kann ihn der Richter auf sein Gesuch hin in eine Anstalt für Rauschgiftsüchtige einweisen und den Vollzug der noch nicht verbüssten Strafe aufschieben (
Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB
).
Diese Bestimmung wurde durch Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 mit Wirkung auf den 1. Januar 1992 in das Strafgesetzbuch aufgenommen, und zwar auf Vorschlag von Ständerat Jagmetti hin. Dieser begründete seinen Vorstoss im wesentlichen wie folgt (Amtl.Bull. 1987 S 407):
Bei der Drogendelinquenz liegt ein Problem vor, das sich seit längerer Zeit gestellt hat und das bei dieser Gelegenheit gelöst werden könnte. Es geht um folgendes: Nach
Art. 44 StGB
kann der Richter bei Drogenabhängigen entscheiden, ob an die Stelle der Strafe eine Massnahme, also eine Behandlung des Drogendelinquenten, treten soll. Diese Entscheidung kann am Anfang getroffen werden. Wird auf Massnahme entschieden, so kann der Richter später den Vollzug der Strafe anordnen. Das ist vorgesehen. Nachher aber nicht mehr möglich ist der umgekehrte Weg von der Strafe zur Massnahme. Nun sind Drogendelinquenten ja häufig selber Drogenabhängige, es werden also Täter bestraft, die ihrerseits drogenabhängig sind. Das zeigt sehr wohl die Bedeutung der Behandlung als Massnahme, die zu einer Besserung der Situation des Betroffenen führen kann. Die Sache
BGE 122 IV 289 S. 291
hat um so grösseres Gewicht, als es bei den Drogendelikten zum wesentlichen Teil junge Täter sind; die Resozialisierung ist demgemäss von besonderem Gewicht. Der Antrag, dem sich die Kommission anschliessen konnte und der dann durch das Departement freundlicherweise formuliert worden ist, erlaubt nun, in Zukunft auch den umgekehrten Weg zu gehen und dort wieder zu einer Massnahme zu wechseln, wo der Richter ursprünglich die Strafe für richtig gehalten hat. Das ist aus mehreren Gründen sinnvoll. Erstens kann sich die Notwendigkeit der Massnahme erst nachher richtig manifestieren, und zweitens bedingt ja eine Entzugsbehandlung bei den Drogenabhängigen das Einverständnis des Betroffenen, wenn sie echten Erfolg haben soll. Dieses Einverständnis liegt vielleicht am Anfang nicht vor, kann aber durch Einsicht gewonnen werden; dann sollte der Weg nicht versperrt bleiben.
Beide Räte stimmten diesem Antrag diskussionslos zu.
Die Begründung von Ständerat Jagmetti ist zwar so allgemein gehalten, dass man daraus auf die Zulässigkeit der nachträglichen Anordnung auch einer ambulanten Massnahme schliessen könnte. Nach dem klaren Wortlaut von
Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB
kommt jedoch nur die Einweisung in eine Anstalt für Rauschgiftsüchtige in Betracht. Auch im Vorentwurf der Expertenkommission zum Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches (Bern 1993) ist in Art. 69 Abs. 1 nur von der nachträglichen Anordnung einer stationären Behandlung oder Pflege nach Art. 61-64 VE die Rede, nicht aber von der Anordnung einer ambulanten Behandlung nach Art. 67 VE. Ebenso sah der Vorentwurf SCHULTZ in Art. 82 nur die nachträgliche Einweisung in eine Anstalt für Rauschgiftsüchtige vor (Bericht und Vorentwurf zur Revision des Allgemeinen Teils [...] des Schweizerischen Strafgesetzbuches, Bern 1987, S. 208 f. und 309).
Die nachträgliche Anordnung einer ambulanten Massnahme unter Aufschub des Strafvollzuges ist deshalb nicht zulässig.
b) Einzuräumen ist allerdings, dass in einer Konstellation wie hier, wo in einem zweiten Urteil die Freiheitsstrafe zugunsten einer ambulanten Massnahme aufgeschoben wurde, der damit angestrebte Zweck unter Umständen in Frage gestellt würde, wenn die ursprüngliche Strafe von 12 Monaten verbüsst werden müsste, nicht aber die Zusatzstrafe von 20 Monaten. Der Sache nach ist allerdings, wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, ein vernünftiges Ergebnis auch in Anwendung von
Art. 2 und
Art. 3 VStGB 1
zu erzielen, also auf der Ebene des Vollzuges. Trifft eine Massnahme, wie hier vom Kriminalgericht des Sensebezirks angeordnet, im Vollzug mit einer Freiheitsstrafe, wie hier von der Vorinstanz ausgesprochen, zusammen, so ist von der zuständigen Behörde vorerst die am dringlichsten
BGE 122 IV 289 S. 292
oder zweckmässigsten erscheinende Massnahme oder Strafe zu vollziehen und der Vollzug der andern aufzuschieben. Ob und wieweit die aufgeschobene Massnahme oder Strafe später noch vollstreckt werden soll, entscheidet der Richter, der auf die zum Vollzug gelangte Massnahme oder Strafe erkannt hat (vgl.
Art. 2 Abs. 8 VStGB 1
). Es liegt also an der zuständigen Vollzugsbehörde zu entscheiden, ob die ambulante Massnahme, die vom Kriminalgericht des Sensebezirkes angeordnet wurde, vollzugsrechtlich den Vorrang hat.
Art. 3 Abs. 5 VStGB 1
präzisiert dazu, dass bei der Konkurrenz von Sanktionen aus verschiedenen Kantonen sich die zuständigen Behörden der Urteilskantone darüber verständigen, welche Sanktion gemäss
Art. 2 Abs. 8 VStGB 1
als erste zu vollziehen ist.
2.
(Kostenfolgen). | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8c5fff77-ab5e-4dd6-a717-bb105dba1e53 | Urteilskopf
122 IV 17
3. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 16 janvier 1996 dans la cause G. contre O., Y. et Ministère public du Bas-Valais (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 125 StGB
; fahrlässige Körperverletzung, adäquate Kausalität; Sorgfaltspflicht des Skifahrers.
Skifahrer müssen immer damit rechnen, dass sie in unübersichtlichen Streckenabschnitten auf Hindernisse stossen wie z.B. auf dem Boden sitzende oder hingefallene Pistenbenützer, und ihre Geschwindigkeit so herabsetzen, dass sie an ihnen vorbeifahren können (E. 2b).
Wer eine unübersichtliche Pistenkuppe zu schnell überfährt, so dass er dahinter sich befindenden Personen nicht mehr ausweichen kann, riskiert nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung, schuldhaft einen Unfall zu verursachen (E. 2c).
Der Umstand, dass sich - aus welchem Grund auch immer - mehrere Personen unterhalb einer Pistenkuppe befinden, stellt nicht ein derart aussergewöhnliches, abwegiges und unvorhersehbares Verhalten dar, das alle anderen Unfallursachen, insbesondere das Auftauchen eines Skifahrers, der zu schnell fährt und nicht mehr anhalten oder ausweichen kann, völlig in den Hintergrund treten lässt (E. 2c). | Sachverhalt
ab Seite 18
BGE 122 IV 17 S. 18
Le 6 février 1993 vers 13 heures, une première collision entre deux skieurs, Y. et P., eut lieu sur la piste "Jean-Bernard", qui est bleue, aux Crosets (VS). O. se porta à leur secours, de même que les personnes qui les accompagnaient. Il se forma ainsi un groupe de skieurs qui, en raison d'une bosse située en amont, n'était visible d'un skieur descendant qu'à une distance d'environ 30 à 35 mètres. G., qui skiait en compagnie de son fils et de F., s'élança sur la piste, après s'être assuré qu'elle lui paraissait libre; il effectua d'abord quelques virages, puis se mit en position de recherche de vitesse. Il arriva ainsi en schuss sur la bosse et fut surpris, tout de suite après celle-ci, par la présence du groupe de skieurs; il ne parvint ni à s'arrêter ni à les éviter et provoqua une violente collision avec les skieurs qui rechaussaient leurs skis et discutaient en vue de trouver un arrangement à la suite de la première collision. O. subit une fracture des côtes, une tétraplégie par canal cervical étroit et une contusion splénique, ainsi qu'un hémothorax gauche complet; son taux d'incapacité est de 90 % et il doit utiliser un fauteuil roulant pour des déplacements supérieurs à 200 mètres. Y., qui a déposé plainte en temps utile, a subi des douleurs aux côtes, une luxation du pouce gauche et des douleurs au poignet droit, entraînant une incapacité de travail de 30 jours.
Statuant sur appel d'un jugement rendu le 10 juin 1994 par le Juge de district II du district de Monthey, le Tribunal du IIIe arrondissement pour le district de Monthey, par jugement du 5 mai 1995, a réduit la peine prononcée en première instance; il a condamné G., pour lésions corporelles par négligence (
art. 125 al. 1 et 2 CP
), à la peine de 20 jours d'emprisonnement avec sursis pendant 2 ans, renvoyant les parties civiles au for civil et statuant sur les frais. L'autorité cantonale a retenu que G. avait commis une négligence en ne maîtrisant pas ses skis de manière à pouvoir s'arrêter sur sa distance de visibilité et qu'il avait ainsi causé
BGE 122 IV 17 S. 19
des lésions corporelles graves à O. et des lésions corporelles simples à Y. Il a été constaté qu'il n'était pas possible d'affirmer que le groupe de skieurs avait stationné à l'endroit de l'accident plus longtemps qu'il n'était nécessaire pour rassembler le matériel perdu. Au stade de la fixation de la peine, il a été relevé, à la décharge de l'accusé, qu'il ne s'était lancé que lorsque la piste lui a paru libre; il a été observé, à sa charge, qu'il connaissait bien les lieux et qu'il est un skieur chevronné, étant moniteur de Jeunesse et Sport de niveau 1 dans la discipline du ski alpin. Il a été signalé qu'il avait été condamné, en 1982, pour refus de servir. A la décharge de l'accusé, il a été tenu compte du fait qu'il a été lui-même blessé dans l'accident, ayant subi une fracture de la hanche, et qu'il a été extrêmement affecté par ce qui s'est passé.
Contre ce jugement, G. s'est pourvu en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral. Invoquant une violation des art. 63, 64, 66bis et 125 CP, mais plus précisément une rupture du rapport de causalité adéquate, il conclut, avec suite de frais et dépens, à l'annulation de la décision attaquée et sollicite par ailleurs l'effet suspensif.
Statuant le 16 janvier 1996, la Cour de céans a rejeté, dans la mesure où il était recevable, le recours de droit public formé parallèlement contre le jugement du 5 mai 1995.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Recevabilité).
2.
a) Le recourant a été reconnu coupable de lésions corporelles par négligence au sens de l'
art. 125 CP
.
Selon cette disposition, "celui qui, par négligence, aura fait subir à une personne une atteinte à l'intégrité corporelle ou à la santé sera, sur plainte, puni de l'emprisonnement ou de l'amende". L'
art. 125 al. 2 CP
prévoit que si la lésion est grave, l'auteur sera poursuivi d'office. L'
art. 18 al. 3 CP
donne une définition de la négligence: "celui-là commet un crime ou un délit par négligence, qui, par une imprévoyance coupable, agit sans se rendre compte ou sans tenir compte des conséquences de son acte. L'imprévoyance est coupable quand l'auteur de l'acte n'a pas usé des précautions commandées par les circonstances et par sa situation personnelle".
b) Pour qu'il y ait lésions corporelles par négligence, il faut tout d'abord, d'une part, que l'auteur ait violé les règles de prudence que les circonstances lui imposaient pour ne pas excéder les limites du risque admissible et, d'autre part, qu'il n'ait pas déployé l'attention et les
BGE 122 IV 17 S. 20
efforts que l'on pouvait attendre de lui pour se conformer à son devoir (cf.
ATF 121 IV 207
consid. 2a,
ATF 116 IV 306
consid. 1a et les références citées).
aa) Pour déterminer plus précisément quels étaient les devoirs imposés par la prudence, on peut se référer à des normes édictées par l'ordre juridique pour assurer la sécurité et éviter les accidents (
ATF 121 IV 207
consid. 2a, 118 IV 130 consid. 3a,
ATF 116 IV 306
consid. 1a,
ATF 114 IV 173
consid. 2a). A défaut de dispositions légales ou réglementaires, on peut se référer à des règles analogues qui émanent d'associations privées ou semi-publiques lorsqu'elles sont généralement reconnues (
ATF 121 IV 207
consid. 2a,
ATF 118 IV 130
consid. 3a,
ATF 115 IV 189
consid. 3b p. 192 s.) En particulier, la jurisprudence admet de se référer aux règles établies par la Fédération internationale de ski (
ATF 106 IV 350
consid. 3a). La violation des devoirs de la prudence peut aussi être déduite des principes généraux, si aucune règle spéciale de sécurité n'a été violée (STRATENWERTH, Allgemeiner Teil I, Berne 1982, p. 406 no 24; DONATSCH, Sorgfaltsbemessung und Erfolg beim Fahrlässigkeitsdelikt, Zurich 1987, p. 296 ss).
En l'espèce, il est reproché au recourant une action, soit d'avoir descendu la piste de manière imprudente. Il n'y a donc pas à examiner les règles particulières applicables en cas d'omission, à savoir l'exigence d'une position de garant (cf.
ATF 121 IV 10
consid. 2b,
ATF 117 IV 130
consid. 2a,
ATF 115 IV 199
consid. 2b et c p. 204).
bb) S'agissant d'un accident de ski, c'est à juste titre, au vu des principes rappelés, que l'autorité cantonale s'est référée aux règles établies par la Fédération internationale de ski.
Il semble cependant que l'autorité cantonale et le recourant n'aient connu que les règles adoptées en 1967 (que l'on trouve dans le texte de LOUIS DALLÈVES, Responsabilité du skieur, FJS 583, version 1981, p. 2 ss), et non pas les règles adoptées en 1990, qui les ont remplacées et qui étaient évidemment applicables au moment de l'accident (on peut lire ces nouvelles dispositions dans l'article de HANS-KASPAR STIFFLER, Die FIS-Verhaltensregeln für Skifahrer - Fassung 1990 -, RSJ 87/1991 p. 7 ss, 8 s.; celles-ci ont également été reprises dans les "Directives pour le comportement des skieurs", Commission suisse pour la prévention des accidents sur les descentes à ski et les pistes de ski de fond, Berne 1991).
Tranchant une question naguère controversée (DALLÈVES, op.cit., p. 3; LOUIS DALLÈVES, La responsabilité civile du skieur et des personnes chargées de l'entretien des pistes de ski, JT 1967 I p. 322 ss, 327 et les
BGE 122 IV 17 S. 21
références citées), la nouvelle règle no 2 de la Fédération internationale de ski exige que le skieur descende "à vue", par quoi on entend qu'il doit adapter sa vitesse à sa distance de visibilité et skier de telle manière qu'il puisse s'arrêter ou effectuer une manoeuvre d'évitement en présence d'un obstacle prévisible survenant dans son champ de vision (STIFFLER, op.cit., p. 8; HANS-KASPAR STIFFLER, Schweizerisches Skirecht, Derendingen 1991, p. 30 no 121 et 122). Cette formulation consacre la solution qui était déjà préconisée par l'auteur cité par le recourant (DALLÈVES, op.cit., FJS 583 p. 3; Dallèves, op.cit., JT 1967 I p. 327 s.).
La règle no 2 est considérée comme essentielle (STIFFLER, op.cit., Derendingen 1991, p. 31 no 123); elle implique que le skieur puisse, sur sa distance de visibilité, s'arrêter ou effectuer un évitement de manière à préserver autrui (STIFFLER, op.cit., Derendingen 1991, p. 31 no 124), le cas échéant en se laissant tomber (STIFFLER, op.cit., Derendingen 1991, p. 31 no 125). La règle est également applicable dans les passages où la visibilité est très restreinte, parce que ce sont souvent des passages difficiles où les skieurs chutent fréquemment sans pouvoir libérer rapidement la piste (STIFFLER, op.cit., Derendingen 1991, p. 31 no 124).
Même lorsqu'aucune règle de sécurité n'a été édictée, la jurisprudence a déduit des principes de la prudence que celui qui exploite un dispositif dangereux doit prendre les mesures de précaution commandées par les circonstances (
ATF 110 IV 68
consid. 3); en particulier, celui qui pilote un engin mobile doit regarder dans le sens de marche, se montrer attentif et maître des commandes, de manière à éviter de heurter les personnes ou les biens appartenant à autrui qui peuvent s'y trouver. On peut déduire des principes généraux de la prudence que celui qui emploie un moyen de locomotion présentant, par son volume, son poids ou sa vitesse un danger pour autrui doit le maîtriser de manière à ne pas heurter des personnes ou des biens appartenant à autrui qui se trouvent dans la zone du déplacement, en utilisant normalement celle-ci.
cc) L'autorité cantonale a observé que le recourant ne pouvait s'exonérer du devoir découlant de la règle no 2 en invoquant une règle de priorité, parce qu'il était le skieur amont et que celui-ci est débiteur de la priorité selon la règle no 3 de la Fédération internationale de ski (STIFFLER, op.cit., RSJ 87/1991 p. 8). Cette remarque est de peu d'importance, puisque l'on ne se trouve de toute manière pas dans l'hypothèse où les trajectoires de deux skieurs en mouvement se coupent.
BGE 122 IV 17 S. 22
dd) Le recourant tente d'invoquer en sa faveur la règle no 6 de la Fédération internationale de ski qui exige d'éviter les arrêts sans nécessité aux endroits sans visibilité et de libérer la piste, en cas d'accident, le plus rapidement possible (STIFFLER, op.cit., RSJ 87/1991 p. 8). La doctrine observe à juste titre que la règle no 6 ne libère pas les autres skieurs des obligations découlant pour eux notamment de la règle no 2; en effet, c'est généralement aux endroits de peu de visibilité que les skieurs chutent ou se heurtent, sans pouvoir immédiatement réunir leur matériel et dégager la piste, en particulier si le skieur est blessé; celui qui descend la piste doit toujours compter avec la possibilité de trouver, dans les passages sans visibilité, des obstacles tels que des skieurs à terre et il doit réduire sa vitesse de manière à pouvoir les éviter (STIFFLER, op.cit., Derendingen 1991, p. 40 no 164; cf. également DALLÈVES, op.cit., JT 1967 I 327 s.).
En l'espèce, le recourant, qui connaissait bien les lieux, s'est élancé sur une bosse à grande vitesse, alors qu'il ne pouvait lui échapper qu'elle lui masquait une partie de la piste; il devait s'attendre à ce que le passage de cette bosse ait provoqué, par exemple, la chute d'un skieur et que d'autres se soient portés à son secours, comme le prescrit la règle no 9 de la Fédération internationale de ski (STIFFLER, op.cit., RSJ 87/1991 p. 9). En présence des skieurs qui se trouvaient derrière la bosse, à la suite d'une première collision, le recourant s'est révélé incapable, lorsqu'il les a vus, de s'arrêter ou de les éviter, provoquant ainsi une violente collision. Il n'a ainsi pas été en mesure de maîtriser son moyen de locomotion sur sa distance de visibilité, de sorte qu'il a violé les devoirs de la prudence que les circonstances lui imposaient.
ee) Lorsqu'il y a eu violation des devoirs de la prudence, il faut encore que celle-ci puisse être imputée à faute, c'est-à-dire que l'on puisse reprocher à l'auteur, compte tenu de ses circonstances personnelles, d'avoir fait preuve d'un manque d'effort blâmable (CORBOZ, L'homicide par négligence, SJ 1994 p. 169 ss, 196; STRATENWERTH, op.cit., p. 409 s. no 34). Il ne ressort nullement des faits retenus - qui lient la Cour de cassation - que des circonstances particulières auraient empêché le recourant de se conformer à son devoir. Il faut donc conclure qu'il a commis une négligence.
c) Pour qu'il y ait lésions corporelles par négligence, il ne suffit pas de constater la violation fautive d'un devoir de prudence d'une part et l'existence des lésions corporelles d'autre part, il faut encore qu'il existe un rapport de causalité entre cette violation et les lésions subies (
art. 125 al. 1 CP
).
BGE 122 IV 17 S. 23
aa) Un comportement est la cause naturelle d'un résultat s'il en constitue l'une des conditions sine qua non (
ATF 121 IV 207
consid. 2a p. 212,
ATF 116 IV 306
consid. 2a et les arrêts cités). La constatation du rapport de causalité naturelle relève du fait, ce qui la soustrait au contrôle de la Cour de cassation (
ATF 121 IV 207
consid. 2a p. 212,
ATF 117 IV 130
consid. 2a p. 133 s.,
ATF 115 IV 100
consid. 2a, 241 consid. 3 et les arrêts cités). Il y a toutefois violation du droit fédéral si l'autorité cantonale méconnaît le concept même de la causalité naturelle (
ATF 121 IV 207
consid. 2a p. 212,
ATF 117 IV 130
consid. 2a p. 134,
ATF 101 IV 149
consid. 2b).
En l'espèce, si le recourant avait skié plus lentement, comme l'exigeait le manque de visibilité, il aurait pu et dû, en maîtrisant correctement ses skis, s'arrêter en temps utile ou effectuer un virage et éviter le choc; le manque de prudence fautif est la cause du choc, lequel a entraîné des lésions corporelles, comme cela a été constaté en fait d'une manière qui lie la Cour de cassation. On ne saurait donc dire que l'autorité cantonale a méconnu le concept de la causalité naturelle.
bb) Lorsque la causalité naturelle est retenue, il faut encore se demander si le rapport de causalité peut être qualifié d'adéquat, c'est-à-dire si le comportement était propre, d'après le cours ordinaire des choses et l'expérience de la vie, à entraîner un résultat du genre de celui qui s'est produit (
ATF 121 IV 10
consid. 3 p. 15, 207 consid. 2a p. 212,
ATF 120 IV 300
consid. 3e p. 312,
ATF 118 IV 130
consid. 3c,
ATF 115 IV 100
consid. 2b, 199 consid. 5c et les arrêts cités). Il s'agit-là d'une question de droit que la Cour de cassation revoit librement (
ATF 121 IV 207
consid. 2a p. 213,
ATF 117 IV 130
consid. 2a p. 134). La causalité adéquate peut cependant être exclue, l'enchaînement des faits perdant sa portée juridique, si une autre cause concomitante, par exemple une force naturelle, le comportement de la victime ou d'un tiers, constitue une circonstance tout à fait exceptionnelle ou apparaît si extraordinaire, que l'on ne pouvait pas s'y attendre; l'imprévisibilité d'un acte concurrent ne suffit pas en soi à interrompre le rapport de causalité adéquate; il faut encore que cet acte ait une importance telle qu'il s'impose comme la cause la plus probable et la plus immédiate de l'événement considéré, reléguant à l'arrière-plan tous les autres facteurs qui ont contribué à l'amener et notamment le comportement de l'auteur (
ATF 121 IV 10
consid. 3, 207 consid. 2a p. 213,
ATF 120 IV 300
consid. 3e p. 312 et les arrêts cités).
Le skieur qui franchit une bosse trop rapidement de telle sorte qu'il n'est pas en mesure d'éviter les skieurs qui se trouvent derrière cet obstacle
BGE 122 IV 17 S. 24
commet une faute qui, selon le cours ordinaire des choses et l'expérience de la vie, est de nature à entraîner un accident du genre de celui qui s'est produit. La doctrine cite d'ailleurs un exemple analogue (DALLÈVES, op.cit., JT 1967 I p. 326 s.). Il n'y a rien d'extraordinaire et d'imprévisible à trouver, derrière une bosse qui masque la visibilité, un skieur tombé à terre (DALLÈVES, op.cit., JT 1967 I p. 327; STIFFLER, op.cit., Derendingen 1991, p. 40 no 164). Il n'est pas non plus extraordinaire et imprévisible qu'il y ait un groupe de skieurs derrière la bosse, puisque la règle no 9 de la Fédération internationale de ski prescrit de se porter au secours de ceux qui sont tombés (cf. STIFFLER, op.cit., RSJ 87/1991 p. 9).
Partant, la question de savoir si, dans le cas d'espèce, les victimes ont elles-mêmes commis une faute concomitante en s'arrêtant sur la piste à l'endroit de l'accident n'est pas pertinente. D'une part, il n'y a pas compensation des fautes au pénal. D'autre part, le fait pour un groupe de skieurs de s'arrêter sous une bosse, quelle qu'en soit la cause, ne constitue pas un comportement si extraordinaire, insensé et imprévisible au point de reléguer à l'arrière-plan tous les autres facteurs qui ont contribué à l'avènement du résultat, en particulier la survenance d'un skieur qui, ne maîtrisant pas sa vitesse, ne parvient pas à s'arrêter ou à éviter l'obstacle. Il appartient en effet à celui-ci soit de choisir une trajectoire où la visibilité est bonne, soit de réduire sa vitesse au passage de la bosse de manière à pouvoir réagir de façon adéquate en présence d'un ou de plusieurs skieurs masqués par celle-ci.
Il convient de relever qu'indépendamment de l'obligation d'adapter sa vitesse à la distance de visibilité, il n'est désormais plus possible de descendre à grande vitesse des pistes très fréquentées. Il se produit, pour le ski, un phénomène comparable à celui observé en matière de circulation routière: passé une certaine limite, plus l'usage d'un bien s'accroît, plus les possibilités d'utilisation de celui-ci se réduisent. Ainsi, une augmentation de la mobilité peut conduire à l'immobilité (cf. SCHUBARTH, Unsere tägliche Bedrohung im Strassenverkehr - ein Problem der "äusseren" Sicherheit?, Sécurité intérieure - Insécurité intérieure? Schweizerische Arbeitsgruppe für Kriminologie 1995 vol. 13, p. 153 ss, 162).
En estimant qu'il n'y avait pas de rupture du rapport de causalité adéquate l'autorité cantonale n'a donc pas violé le droit fédéral.
d) Il a été établi en fait - d'une manière qui lie la Cour de cassation (
art. 277bis al. 1 PPF
) - que la collision provoquée par l'imprudence du recourant a entraîné des lésions corporelles; celles-ci doivent être
BGE 122 IV 17 S. 25
qualifiées de graves dans le cas de l'un des skieurs (sur cette notion:
ATF 109 IV 18
consid. 2a) et de simples dans le cas de l'autre skieur qui a déposé plainte en temps utile.
La condamnation du recourant pour lésions corporelles par négligence au sens de l'
art. 125 CP
ne viole donc pas le droit fédéral. | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8c69211a-e4ba-44b6-9ca7-ce422d6788cc | Urteilskopf
83 I 250
34. Urteil vom 23. Oktober 1957 i.S. N. gegen Regierungsrat des Kantons Appenzell a.Rh. | Regeste
Art. 4 und 31 BV
.
1. Personen, die eine wissenschaftliche Berufsart im Sinne des
Art. 33 BV
ausüben, geniessen die Handels- und Gewerbefreiheit. Sie dürfen von den Kantonen nur den Beschränkungen unterworfen werden, die sich aus
Art. 31 Abs. 2 und
Art. 33 BV
ergeben.
2. Darf die Bewilligung zur Ausübung des Berufs eines Zahnarztes von der Niederlassung im Kanton abhängig gemacht werden? | Sachverhalt
ab Seite 251
BGE 83 I 250 S. 251
A.-
Die Landsgemeinde von Appenzell a.Rh. erliess am 30. April 1871 "Gesetzliche Bestimmungen betreffend die Freigebung der ärztlichen Praxis". Art. 1 lautet:
"In der Praxis herrscht, was den ärztlichen oder tierärztlichen Beruf betrifft, mit Ausnahme der im nachstehenden Art. 3 bezeichneten Fälle volle Freiheit und können die in bürgerlichen Ehren und Rechten stehenden Kantonseinwohner, welche die gesetzliche Niederlsssung haben, an der Ausübung dieses Berufes nicht gehindert werden."
Entsprechend bestimmt § 15 der Verordnung über das Gesundheitswesen vom 30. Mai 1924/25. Mai 1944:
"Die Ausübung der Heiltätigkeit ist nur den in bürgerlichen Ehren und Rechten stehenden Kantonseinwohnern gestattet, welche die gesetzliche Niederlassung haben."
Als ärztlicher Beruf bzw. Heiltätigkeit im Sinne dieser Rechtssätze gilt auch der Beruf eines Zahnarztes.
B.-
N. mietete 1948 in Herisau eine Vierzimmerwohnung, in der er seither eine zahnärztliche Praxis betreibt. Seme Ehefrau wohnte nur kurze Zeit mit ihm an diesem Ort, angeblich, weil sie das dortige Klima nicht erträgt. Seither wohnt sie in einem ihr gehörenden Einfamilienhaus in Zürich. N. begibt sich in der Regel am Freitagabend nach Zürich, um das Wochenende mit seiner Frau zu verbringen.
Am 31. Dezember 1956 teilte ihm die Sanitätskommission von Appenzell a.Rh. mit, als Kantonseinwohner im
BGE 83 I 250 S. 252
Sinne der eingangs erwähnten Bestimmungen gelte nur, wer "regelrecht mit seiner Familie im Kanton" wohne, "d.h. hier den Mittelpunkt seiner Lebensgewohnheiten" habe. Das treffe für ihn nicht zu. Die Ausübung des zahnärztlichen Berufs werde ihm mit Wirkung ab 30. April 1957 verboten, sofern bis dahin seine "Wohnverhältnisse" nicht den Vorschriften entsprechend geordnet seien.
Eine Beschwerde, die N. dagegen führte, wìes der Regierungsrat des Kantons Appenzell a.Rh. am 23. Juli 1957 mit der Begründung ab, der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse und damit der Wohnsitz des Beschwerdeführers befinde sich eindeutig in Zürich. Eine ärztliche Untersuchung habe ergeben, dass sich seine Ehefrau zwar in Zürich wohler fühle, weil sie dort weniger nervösen Anspannungen ausgesetzt sei als am Arbeitsort ihres Ehemannes, dass sie das Klima von Herisau aber durchaus ertragen würde.
C.-
Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde beantragt N. die Aufhebung dieses Entscheids. Er rügt eine Verletzung der Art. 4 (Verweigerung des rechtlichen Gehörs, rechtsungleiche Behandlung, Willkür), 31, 45 und 54 BV, des Art. 2 Üb.Best. BV sowie der Art. 11 Abs. 1 und 12 KV.
D.-
Der Regierungsrat des Kantons Appenzell a.Rh. schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht in materieller Hinsicht vornehmlich geltend, Art. 1 der "Gesetzlichen Bestimmungen" vom 30. April 1871 und § 15 der Verordnung über das Gesundheitswesen verstiessen insofern, als sie die ärztliche (zahnärztliche) und tierärztliche Praxis nur den (in bürgerlichen Ehren und Rechten stehenden) Kantonseinwohnern, nicht aber den Einwohnern anderer Kantone freigeben, gegen
Art. 4 und 31 BV
; sie dürften deshalb nicht auf ihn angewendet werden. Können auch jene kantonalen Rechtssätze selbst nicht mehr mit staatsrechtlicher
BGE 83 I 250 S. 253
Beschwerde angefochten werden, weil die Frist dazu längst abgelaufen ist, so kann doch ihre Verfassungswidrigkeit noch in jedem einzelnen Anwendungsfall gerügt und verlangt werden, dass der sie anwendende Entscheid deswegen aufgehoben werde (
BGE 83 I 113
/114 und dort angeführte Urteile).
2.
Der Beruf eines Zahnarztes gehört zu den wissenschaftlichen Berufsarten (
BGE 42 I 35
,
BGE 70 I 73
), deren Ausübung die Kantone gemäss
Art. 33 BV
von einem Ausweis der Befähigung abhängig machen dürfen. Unter Vorbehalt dieser besonderen Befugnis der Kantone - von der Appenzell a.Rh. keinen Gebrauch gemacht hat - geniessen auch die wissenschaftlichen Berufe den Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit (
BGE 59 I 193
;
BGE 67 I 87
, 198;
BGE 79 I 121
).
Der Regierungsrat ist der Ansicht, wenn der Kanton die Ausübung der zalmärztlichen Tätigkeit von einem Ausweis der Befähigung abhängig machen dürfe, so müsse es ihm frei stehen, an Stelle dieser Anforderung das bedeutend weniger weit gehende Erfordernis des Wohnsitzes im Kanton aufzustellen. Diese Beweisführung verkennt, dass die zweite Anforderung auf einer anderen Ebene liegt als die erste.
Art. 33 BV
ermächtigt die Kantone, nur solche Angehörige wissenschaftlicher Berufsarten zur Berufsausübung zuzulassen, die sich über bestimmte berufliche Fähigkeiten ausgewiesen haben. Die (zugegebenermassen nur auf Berufsleute ohne eidgenössisches Diplom anwendbare) Vorschrift des Kantons Appenzell a.Rh., wonach Ärzte (Zahnärzte) und Tierärzte im Kanton Wohnsitz haben müssen, dient demgegenüber nicht der Prüfung und Überwachung der beruflichen Fähigkeiten des Heilkundigen (an die das kantonale Recht keine Anforderungen stellt), sondern der Kontrolle seiner persönlichen Eigenschaften.
Die Befugnisse, die den Kantonen auf diesem Gebiet zustehen, ergeben sich indes nach dem Gesagten nicht aus
Art. 33 BV
; sie beruhen vielmehr auf
Art. 31 Abs. 2 BV
,
BGE 83 I 250 S. 254
der die Kantone allgemein zum Erlass gewerbepolizeilicher, d.h. durch Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigter Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerbe ermächtigt, die ihrerseits jedoch den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung können die Kantone auf Grund des
Art. 31 Abs. 2 BV
die Zulassung zu den ärztlichen Berufen (ausser vom Befähigungsausweis) von bestimmten persönlichen Eigenschaften wie insbesondere dem Besitz der bürgerlichen Rechte, einem guten Leumund, Ehrenhaftigkeit und Zutrauenswürdigkeit abhängig machen. Die Anforderungen, die in dieser Hinsicht gestellt werden, dürfen jedoch nicht höher sein, als zum Schutze des Publikums vor unfähigen oder gewissenlosen Ärzten bzw. Zahnärzten und zur Aufrechterhaltung des Ansehens der Heilkunde und des Vertrauens in deren Vertreter notwendig ist (
BGE 79 I 121
). Es gilt somit auch hier der Grundsatz der Verhältnismässigkeit der polizeilichen Beschränkungen: diese dürfen nicht weiter gehen, als es zur Wahrung des öffentlichen Wohls notwendig ist. Aus dem Grundsatz der Rechtsgleichheit aller Bürger (
Art. 4 BV
) und insbesondere aller Angehörigen eines unter dem Schutze der Handels- und Gewerbefreiheit stehenden Berufes (
Art. 31 BV
) ergibt sich ferner, dass die gewerbepolizeilichen Beschränkungen keine Unterscheidungen zwischen den einzelnen Berufsgenossen treffen dürfen, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist.
3.
Wenn Art. 1 der "Gesetzlichen Bestimmungen" und § 15 der Verordnung über das Gesundheitswesen nur Kantonseinwohner zur freien ärztlichen Betätigung zulassen, so hält diese Einschränkung demnach nur dann vor
Art. 4 und 31 BV
stand, wenn der Wohnsitz innerhalb oder ausserhalb des Kantons eine unter dem Gesichtswinkel des öffentlichen Wohls für die Berufsausübung wesentliche Verschiedenheit begründet.
a) Die Vernehmlassung des Regierungsrats sucht die
BGE 83 I 250 S. 255
getroffene Unterscheidung in erster Linie mit dem Hinweis darauf zu stützen, dass unlautere Elemente von der ärztlichen bzw. zahnärztlichen Tätigkeit fernzuhalten seien; eine wirksame Überwachung sei aber nur möglich, wenn diese Berufsleute im Kanton Wohnsitz hätten. Der polizeiliche Zweck dieser an sich zweifellos gerechtfertigten Kontrolle kann indes nur im Schutz der öffentlichen Gesundheit liegen. Um zu prüfen, ob ein Heilkundiger die öffentliche Gesundheit gefährde, ist jedoch vor allem seine Heiltätigkeit zu überwachen, während es auf seine übrigen Lebensverhältnisse höchstens mittelbar ankommen kann. Die Kontrolle ist daher zur Hauptsache nicht am Wohnort, sondern am Arbeitsort auszuüben. Unter dem hier massgebenden Gesichtspunkt muss es daher jedenfalls genügen, wenn ein (nicht eidgenössisch diplomierter) Arzt, Zahnarzt oder Tierarzt den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit (und nicht seiner gesamten Lebensverhältnisse) im Kanton hat. Das aber ist beim Beschwerdeführer eindeutig der Fall. Als Zahnarzt übt er seinen Beruf während fünf Tagen in der Woche in einer eigens dafür eingerichteten Praxis in Herisau aus. Seine Berufstätigkeit kann dementsprechend an jenem Orte vollständig überblickt werden. Dass er allenfalls seinen Wohnsitz nicht in dieser Gemeinde, sondern ausserhalb des Kantons hat, erschwert diese Kontrolle in keiner Weise.
b) Um das Erfordernis des Wohnsitzes innerhalb des Kantons zu rechtfertigen, macht der Regierungsrat ferner geltend, um den Patienten die Durchsetzung allfälliger Schadenersatzansprüche aus nicht fachgerechter ärztlicher Tätigkeit zu erleichtern, müsse der Heilkundige im Kanton vor Gericht gezogen werden können. Wenn der Gläubiger auf diese Weise geschützt werden soll, so entspricht dies aber einem rein privaten Interesse; mit dem öffentlichen Interesse, insbesondere mit der Wahrung der öffentlichen Gesundheit, hat dieser Schutz nichts zu tun. Dass die in Betracht gezogenen Forderungen Schadenersatzansprüche aus kunstwidriger Heiltätigkeit betreffen, ändert daran
BGE 83 I 250 S. 256
nichts. Ebensowenig vermag der Einwand zu helfen, die leichtere Belangbarkeit könne einen nicht sachverständigen Heilkundigen davon zurückhalten, eine Heiltätigkeit aufzunehmen oder eine bestehende Praxis weiterzuführen. Sollte sich die Schaffung eines Gerichtsstandes im Kanton je in diesem Sinne auswirken, so stände dieses Ergebnis in keinem vertretbaren Verhältnis zu der Schwere der Einschränkung, die der Gesamtheit der Berufsgenossen aus dem Erfordernis des Wohnsitzes im Kanton erwächst.
c) Der Regierungsrat sucht die angefochtene Anforderung schliesslich damit zu begründen, dass die mit der Übersiedelung in den Kanton verbundenen Kosten und Risiken manche ungeeignete Anwärter davon abschrecke, eine Heiltätigkeit im Kanton Appenzell a.Rh. aufzunehmen. Die Frage der Fernhaltung ungeeigneter Elemente stellt sich jedoch in ebendem Masse mit Bezug auf die im Kanton niedergelassenen Anwärter. Es besteht somit auch in dieser Hinsicht keine Verschiedenheit in den tatsächlichen Verhältnissen, die eine unterschiedliche Behandlung von Kantonseinwohnern und Auswärtigen rechtfertigen würde.
Andere polizeiliche Gründe für das Wohnsitzerfordernis werden in der Vernehmlassung nicht geltend gemacht; sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Es verhält sich somit bei Freigabe der Heilpraxis nicht anders, als wo die Ausübung einer ärztlichen Tätigkeit an den Besitz eines Fähigkeitszeugnisses gebunden ist, für welchen Fall das Bundesgericht das Erfordernis der Wohnsitznahme im Kanton bereits in
BGE 67 I 200
als verfassungswidrig erklärt hat. Art. 1 der "Gesetzlichen Bestimmungen" und § 15 der Verordnung über das Gesundheitswesen verstossen deshalb, soweit sie nur Kantonseinwohner zur freien ärztlichen Praxis zulassen, gegen
Art. 4 und 31 BV
.
4.
Der angefochtene Entscheid ist mithin, weil in Anwendung verfassungswidrigen Rechts ergangen, aufzuheben. Bei diesem Ausgang erübrigt sich die Prüfung der weiteren Rügen des Beschwerdeführers. Insbesondere besteht
BGE 83 I 250 S. 257
kein Anlass, auf die Beschwerde wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs einzutreten, hätte deren Gutheissung doch nur eine Rückweisung zu neuer Entscheidung zur Folge. Dazu liegt aber bei der gegebenen Sachlage kein Grund vor (vgl.
BGE 83 I 85
).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Appenzell a.Rh. vom 23. Juli 1957 wird aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c71d02a-fc3e-4c5f-a6ee-1f527ea912df | Urteilskopf
126 I 26
5. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Januar 2000 i.S. B. gegen Bezirksanwaltschaft I für den Kanton Zürich und Haftrichter des Bezirksgerichts Horgen (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Persönliche Freiheit (
Art. 10 Abs. 2 BV
) und
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
(
Art. 31 Abs. 4 BV
); § 66 Zürcher Strafprozessordnung (StPO/ZH): Sperrfrist für vom Untersuchungsgefangenen selbst verfasste Haftentlassungsgesuche.
Ein gänzlicher Ausschluss von Haftentlassungsgesuchen für drei Monate hält im vorliegenden Falle vor der geltenden Rechtsprechung zu
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
, auch im Lichte von
Art. 31 Abs. 4 BV
, nicht stand (E. 2 und 3).
Eine Sperrfrist allein für Haftentlassungsgesuche, die der Untersuchungsgefangene selbst und nicht sein amtlicher Verteidiger verfasst, kann sich auf
§ 66 StPO
/ZH als gesetzliche Grundlage stützen (E. 4a). Sie liegt auch im öffentlichen Interesse, ist jedoch unverhältnismässig, da aufgrund der vergangenen Gesuche keine genügenden Anzeichen für häufige, missbräuchliche, trölerische oder offensichtlich unzulässige oder unbegründete Haftentlassungsgesuche bestanden (E. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 27
BGE 126 I 26 S. 27
B. wurde am 9. Juli 1999 vom Haftrichter des Bezirksgerichts Horgen in Untersuchungshaft versetzt. Am 7. Oktober 1999 wurde deren Fortsetzung für drei Monate angeordnet. Ein erstes Haftentlassungsgesuch vom 1. November 1999 hat der Haftrichter am 9. November 1999 abgewiesen. Obwohl er amtlich verteidigt wird, stellte B. am 6. Dezember 1999 selbst ein erneutes Haftentlassungsgesuch, welches der Haftrichter am 17. Dezember 1999 wegen dringenden Tatverdachts sowie Flucht- und Kollusionsgefahr abwies. Der Haftrichter verfügte gleichzeitig die Fortsetzung der Untersuchungshaft bis zum 17. März 2000 und ordnete in Ziffer 3 des Dispositivs seines Entscheids an, dass bis dahin auf von B. selbst verfasste Entlassungsgesuche nicht mehr eingetreten werde.
Gegen Ziffer 3 des Dispositivs des haftrichterlichen Entscheids führt B. staatsrechtliche Beschwerde und verlangt deren Aufhebung, eventualiter die Verkürzung der Sperrfrist auf einen Monat. Er rügt eine Verletzung der persönlichen Freiheit und von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Anordnung, die sein Recht einschränkt, jederzeit ein Haftentlassungsgesuch zu stellen. Dieses Recht ist in
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
garantiert, fliesst aus dem ungeschriebenen verfassungsmässigen Recht auf persönliche Freiheit und findet sich jetzt auch in Art. 31 Abs. 4 der
BGE 126 I 26 S. 28
Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV), die am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist (vgl. AS 1999 2555). Der Beschwerdeführer hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung der angefochtenen Verfügung (
Art. 88 OG
). Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.
2.
Die angefochtene Verfügung stützt sich auf § 66 des Zürcher Gesetzes betreffend den Strafprozess vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH, LS 321). Nach dieser Vorschrift kann der Haftrichter bei Abweisung eines Gesuches um Aufhebung der Haft einen Zeitpunkt bestimmen, bis zu welchem kein neues Gesuch zugelassen wird. Der Beschwerdeführer hält
§ 66 StPO
/ZH für unvereinbar mit
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ist die Ansetzung einer Sperr- bzw. Ausschlussfrist von einem Monat für die Einreichung neuer Haftentlassungsgesuche grundsätzlich zulässig (
BGE 123 I 31
E. 4c und d S. 37 ff. mit Hinweisen auf Urteile des EGMR und die Lehre, auf die sich auch der Beschwerdeführer beruft).
§ 66 StPO
/ZH schliesst auch längere Sperrfristen nicht aus. Sperrfristen zwischen einem und drei Monaten sind jedoch nur ausnahmsweise zulässig, falls den sich wandelnden tatsächlichen Verhältnissen (mit Blick auf die Haftgründe oder die Haftdauer) auch so ausreichend Rechnung getragen werden kann. Das Bundesgericht erachtete es als mit
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
unvereinbar, eine zweimonatige Sperrfrist allein damit zu begründen, der Inhaftierte habe innerhalb eines Monats drei Haftentlassungsgesuche gestellt und damit die Strafuntersuchung unnötig behindert (
BGE 123 I 31
E. 4 S. 37 ff.). Es führte in jenem Urteil aus, diese Begründung nehme keinen Bezug auf den Stand der Strafuntersuchung. Auch lasse sich daraus nicht entnehmen, ob die weiteren noch erforderlichen Untersuchungshandlungen frühestens nach zwei Monaten abgeschlossen sein würden und ob die Flucht- oder die Kollusionsgefahr noch so lange andauern würden. Die Sperrfrist von zwei Monaten für die Einreichung eines neuen Gesuchs erweise sich unter diesen Umständen als übersetzt.
Das Recht des ohne gerichtliches Urteil Inhaftierten, jederzeit ein Gericht anzurufen, gewährleistet einen spezifischen Aspekt der bisher als ungeschriebenes verfassungsmässiges Recht geschützten und neu in
Art. 10 Abs. 2 BV
garantierten persönlichen Freiheit. Diese Verfahrensgarantie ist jetzt auch ausdrücklich in
Art. 31 Abs. 4 BV
BGE 126 I 26 S. 29
enthalten. Einschränkungen eines Grundrechts und damit der zu seiner Durchsetzung dienenden Verfahrensgarantie sind zulässig, wenn sie eine gesetzliche Grundlage haben, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind sowie nicht in den Kerngehalt des Grundrechts eingreifen (vgl.
BGE 125 I 369
E. 5d S. 379 mit Hinweisen und
Art. 36 BV
).
§ 66 StPO
/ZH bietet eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Zu Gunsten des Funktionierens der Strafjustiz und aus Gründen der Verfahrensökonomie besteht auch ein öffentliches Interesse an der Nichtzulassung von rechtsmissbräuchlichen, trölerischen oder zum Vornherein unzulässigen Haftentlassungsgesuchen (Urteil des Bundesgerichts vom 8. April 1994 i.S. A. in: EuGRZ 1994 S. 492). Schliesslich ist der Eingriff verhältnismässig, wenn die Sperrfrist den erwähnten Anforderungen der bundesgerichtlichen Praxis an eine solche standhält. In diesem Falle greift die Anordnung auch nicht in den Kerngehalt des Grundrechts ein.
3.
Im vorliegenden Fall würde die dreimonatige Sperrfrist im Lichte der Rechtsprechung nicht vor
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
(vgl. auch
Art. 31 Abs. 4 BV
) standhalten, wenn sie Haftentlassungsgesuche gänzlich ausschliessen würde. Auch der Haftrichter führt aus, das Verhalten des Beschwerdeführers könne noch nicht als derart rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden, dass sich eine solche Sperrfrist rechtfertigen würde. Die angefochtene Massnahme wird nur damit begründet, der Beschwerdeführer habe, ohne Rücksprache mit seinem amtlichen Verteidiger, zum zweiten Mal ein Haftentlassungsgesuch gestellt, ohne dass veränderte Verhältnisse vorlägen. Dieser Begründung lässt sich - ebenso wie im Fall, der in
BGE 123 I 31
beurteilt wurde - nicht entnehmen, ob die weiteren noch erforderlichen Untersuchungshandlungen frühestens nach drei Monaten abgeschlossen sein werden und ob die Flucht- und Kollusionsgefahr mit Sicherheit noch so lange andauern werden.
Der Haftrichter hat jedoch nicht verfügt, er werde für drei Monate keine Haftentlassungsgesuche des Beschwerdeführers zulassen, sondern nur, er werde während dieses Zeitraums auf keine von diesem selbst und nicht von seinem amtlichen Verteidiger verfassten mehr eintreten. Es ist im Folgenden zu prüfen, ob eine solche Einschränkung der Verteidigungsrechte und der Verfahrensrechte zum Schutz der persönlichen Freiheit vor der BV und der EMRK standhält.
4.
Der Beschwerdeführer bringt gegen die ihm auferlegte Sperrfrist vor, der Inhaftierte habe ein Recht, eine Haftentlassung zu
BGE 126 I 26 S. 30
verlangen, und er könne nicht verpflichtet werden, dieses ausschliesslich durch seinen Verteidiger wahrzunehmen. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Inhaftierte durch einen Pflichtverteidiger vertreten werde, müsse er sich auf sein Recht auf persönliche Freiheit auch gegen die Ratschläge und den Willen des Verteidigers berufen können.
a) Der Haftrichter ruft als gesetzliche Grundlage für den angefochtenen Entscheid
§ 66 StPO
/ZH an. Dessen Wortlaut sieht zwar nicht ausdrücklich vor, dass auch nur vom Inhaftierten selbst verfasste Gesuche während einer Sperrfrist ausgeschlossen werden dürfen. Dies kann aber - verglichen mit der nach dem Gesetzeswortlaut zulässigen generellen Nichtzulassung von Haftentlassungsgesuchen - als mildere und daher ebenfalls zulässige Massnahme angesehen werden. Somit beruht die angefochtene Anordnung selbst bei freier Prüfung auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage. Daher kann offen bleiben, ob es sich überhaupt um einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit handelt; andernfalls wären die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür zu prüfen (vgl.
BGE 125 I 257
E. 3a S. 259 mit Hinweisen).
b) In jedem Falle prüft das Bundesgericht frei, ob die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts mit den Minimalgarantien der BV und der EMRK vereinbar sind (vgl. für Verfahrensgarantien etwa
BGE 125 I 257
E. 3a S. 259 mit Hinweisen). Es fragt sich, ob das öffentliche Interesse an der angefochtenen Sperrfrist von drei Monaten gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers überwiegt, während dieser Zeit auch ohne seinen Verteidiger sein Recht auf jederzeitige Haftprüfung auszuüben.
aa) Das Interesse des Beschwerdeführers, selbst Haftentlassungsgesuche einzureichen, ist grundsätzlich nicht gross. Sein Verteidiger kann jederzeit solche Gesuche stellen, muss dies aufgrund seiner Verteidigerpflichten auch tun, wenn eine Aussicht auf Erfolg besteht, und vorliegend bestehen - wie die staatsrechtliche Beschwerde zeigt - auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich der Verteidiger nicht voll für den Beschwerdeführer einsetzen würde.
Anderseits ist zu berücksichtigen, dass ein Angeschuldigter grundsätzlich seine Rechte auch dann selbst wahrnehmen kann, wenn er verteidigt ist (vgl. Entscheid der EKMR i.S. X. c. Schweiz vom 6. Oktober 1981, Décisions et Rapports, Band 26 (1982), S. 239; JOCHEN ABR. FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2. Auflage, 1996, S. 301). Dies muss insbesondere für unverzichtbare
BGE 126 I 26 S. 31
und unverjährbare Grundrechte wie die persönliche Freiheit gelten. Für die Möglichkeit, selbst handeln zu können, spricht auch, dass ein Verteidiger nicht bloss Sprachrohr des Beschuldigten ist und dass ein Offizialverteidiger nur erschwert ausgewechselt werden kann (vgl.
BGE 116 Ia 102
E. 4b S. 105 mit Hinweisen).
bb) Es entspricht dem erwähnten öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Strafjustiz, wenn die Behörden während dreier Monate nur Beschwerden zu behandeln haben, die vom dem Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten amtlichen Verteidiger verfasst werden. Wie der Beschwerdeführer unter Berufung auf Rechtsprechung und Lehre ausführt, ist jedoch selbst das Interesse, überhaupt keine Haftentlassungsgesuche behandeln zu müssen, grundsätzlich gering zu bewerten. Es steht dem Haftrichter frei, auf rechtsmissbräuchliche, trölerische oder offensichtlich unzulässige Gesuche nicht einzutreten oder offensichtlich unbegründete Gesuche mit bloss summarischer Begründung abzuweisen (vgl. das Urteil des Bundesgerichts vom 8. April 1994 i.S. A., E. 3b, in: EuGRZ 1994 S. 492; ANDREAS DONATSCH/NIKLAUS SCHMID, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, 1996, § 66, N. 9).
Auch im Strafprozessrecht gilt das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot. Ein Angeschuldigter darf mit der Ausübung seiner Rechte keine verfahrensfremden oder verfahrenswidrigen Zwecke verfolgen. In einem solchen Fall darf der Richter auch ohne besondere gesetzliche Grundlage anordnen, dass ein Angeschuldigter bestimmte Rechte nur durch seinen Verteidiger ausüben dürfe (vgl. ein Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs in Strafsachen vom 7. November 1991 in: Neue Juristische Wochenschrift 1992 S. 1245 f.). Dass der Beschwerdeführer nicht eigentlich seine Freilassung erreichen wollte, sondern bloss oder hauptsächlich das Verfahren behindern oder verzögern wollte, wirft ihm der Haftrichter hier hingegen nicht vor, und dies ist auch nicht ersichtlich.
cc) Vorliegend hat der Beschwerdeführer in den ersten fünf Monaten seiner Haft zwei Haftentlassungsgesuche gestellt. Zwischen dem Ersten vom 1. November 1999 und dem Zweiten vom 6. Dezember 1999, das Anlass zur angefochtenen Verfügung gab, verstrich mehr als ein Monat, also mehr als der Zeitraum, während dem neue Haftentlassungsgesuche nach der Rechtsprechung der Strassburger Organe und des Bundesgerichts grundsätzlich ausgeschlossen werden dürfen. Das zweite Gesuch wurde gestellt, nachdem der Haftrichter in seinem Entscheid vom 9. November 1999
BGE 126 I 26 S. 32
eine Sperrfrist für weitere Gesuche ausdrücklich abgelehnt hatte, wenn er eine solche Anordnung in der Zukunft auch nicht ausschloss. Das die angefochtene Verfügung veranlassende Gesuch umfasste anderthalb Seiten und war - wie schon das erste Haftentlassungsgesuch - weder weitschweifig noch unflätig. Obwohl es von einem Laien verfasst wurde, enthielt es Ausführungen zum dringenden Tatverdacht, zum speziellen Haftgrund der Fluchtgefahr und zur Möglichkeit von Ersatzmassnahmen, also zu den für eine Haftentlassung relevanten Fragen. Zum dringenden Tatverdacht stellte der Beschwerdeführer - soweit ersichtlich zum ersten Mal - die Behauptung auf, es werde ihm nicht mehr Betrug, sondern nur noch arglistige Vermögensschädigung vorgeworfen. Träfe dies zu, könnte dies in der Tat zu einer Haftentlassung führen. Offenbar traf dies nicht zu, was die Behörden jedoch ohne irgendwelche Umtriebe feststellen konnten. Zur Fluchtgefahr brachte der Beschwerdeführer vor und belegte, dass er bei seiner Verlobten in der Schweiz wohnen könne. Obwohl diese Vorbringen nicht zu einer Gutheissung der Beschwerde führen konnten, sind sie weder rechtsmissbräuchlich, noch trölerisch oder offensichtlich unzulässig. Die Untersuchungshaft stellt einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit dar, die ein unverjährbares und unverzichtbares Grundrecht ist. Daher können Haftentlassungsgesuche, die in Abständen von mehr als einem Monat gestellt werden, grundsätzlich auch nicht bloss deswegen als missbräuchlich angesehen werden, weil sie materiell keine Aussicht auf Erfolg haben.
dd) Zusammenfassend bot die Eingabe vom 6. Dezember 1999 keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in nächster Zeit häufige, missbräuchliche, trölerische, offensichtlich unzulässige oder unbegründete Haftentlassungsgesuche abfassen werde, wenn er solche selbst einreichen könnte. Die angefochtene Sperrfrist ist daher unverhältnismässig. Auch wenn der Beschwerdeführer im übrigen Strafverfahren trölerisches oder missbräuchliches Verhalten an den Tag legen sollte, kann dies die angefochtene Sperrfrist nicht rechtfertigen, solange sich solches Verhalten nicht in Haftentlassungsgesuchen äussert. Die Sperrfrist ist keine Sanktion für das Verhalten des Angeschuldigten in der Strafuntersuchung, sondern kann einzig dazu dienen, die Behörden von missbräuchlichen Haftentlassungsgesuchen zu entlasten. | public_law | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c7d6adb-07fa-4bb3-89c9-fe242da0c6b6 | Urteilskopf
110 Ib 148
26. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Juli 1984 i.S. Kanton Zürich und Waldzusammenlegungsgenossenschaft Weinland-Süd gegen Eidg. Departement des Innern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 99 lit. h und 103 lit. a OG
;
Art. 26 und 42 Abs. 1 lit. c FPolG
; Rechtsanspruch auf Bundessubventionen an Parzellarzusammenlegungen.
Art. 42 Abs. 1 lit. c FPolG
räumt grundsätzlich einen Anspruch auf Bundessubventionen ein (E. 1b).
Die Waldzusammenlegungsgenossenschaften sind zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (E. 1c).
Die Weigerung, angesichts der angespannten Lage der Bundesfinanzen einem bestimmten Waldzusammenlegungsprojekt einen Bundesbeitrag zuzusprechen, verstösst gegen Bundesrecht. Die Verwaltung muss die vorhandenen Kredite nach dem Grundsatz der Rechtsgleichheit und willkürfrei auf die einzelnen Projekte aufteilen (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 149
BGE 110 Ib 148 S. 149
Mit Schreiben vom 28. April 1978 erklärte sich das Bundesamt für Forstwesen mit dem Vorprojekt der Waldzusammenlegung Weinland-Süd einverstanden und stellte einen Bundesbeitrag von 27% in Aussicht. Am 14. Dezember 1979 beschlossen die beteiligten Grundeigentümer die Durchführung der Waldzusammenlegung. Mit Beschluss vom 5. Mai 1982 genehmigte der Regierungsrat des Kantons Zürich das Projekt der Waldzusammenlegung Weinland-Süd und stellte fest, dass die Waldungen im Beizugsgebiet im Sinne von Art. 26 des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902 (FPolG; SR 921.0; Fassung vom 22. Juni 1945/23. September 1955) zusammenlegungsbedürftig sind. Es wurde die Ausrichtung von Staatsbeiträgen an die subventionsberechtigten Kosten von
BGE 110 Ib 148 S. 150
4 Mio. Franken zugesichert und die Direktion der Volkswirtschaft wurde eingeladen, beim Bundesamt für Forstwesen um Zuerkennung eines entsprechenden Bundesbeitrages nachzusuchen.
Am 2. Juni 1982 reichte die Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich beim Bundesamt für Forstwesen die Subventionsakten ein und beantragte gestützt auf
Art. 26 und
Art. 42 FPolG
:
"1. das Projekt der Waldzusammenlegung Weinland-Süd technisch zu genehmigen,
2. vom Kostenvoranschlag des Unternehmens von Fr. 4 Mio. Kenntnis zu nehmen,
3. an die Kosten von Fr. 250'000.- der ersten Bauetappe den entsprechenden Bundesbeitrag zuzusichern."
Mit Schreiben vom 1. November 1982 teilte das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich mit, die heutige Finanzlage des Bundes verlange, dass der Bund Prioritäten setze und seine Mittel auf Projekte beschränke, die ohne Bundesmittel nicht mit erträglichen Restkosten für den Waldeigentümer zu realisieren sind. Projekte im Mittelland, in Gebieten mit verhältnismässig einfachen Geländebedingungen und mit den höchsten Zuwachskräften könnten daher in absehbarer Zeit in finanzstarken Kantonen nicht mehr mit Bundesbeiträgen unterstützt werden. Obwohl die Notwendigkeit der geplanten Arbeiten ausgewiesen sei, könne das Departement dem Projekt heute keine Dringlichkeit zuweisen und sehe sich deshalb gezwungen, dem Waldzusammenlegungsprojekt Weinland-Süd im heutigen Zeitpunkt keinen Bundesbeitrag zuzuerkennen.
Gegen das - nicht als Verfügung bezeichnete und nicht mit Rechtsmittelbelehrung versehene - Schreiben des Departements erhoben die Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich und die Waldzusammenlegungsgenossenschaft Weinland-Süd am 29. November 1982 Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag:
"der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und an das Waldzusammenlegungsprojekt Weinland-Süd sei ein Bundesbeitrag zu gewähren; eventuell sei vorerst ein Bundesbeitrag an die Kosten von Fr. 250'000.- der ersten Bauetappe zu gewähren."
Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht, es bestehe ein Rechtsanspruch auf Bundesbeiträge für Waldzusammenlegungen; wenn aber ein solcher Rechtsanspruch bestehe, könne der Beitrag nicht mangels verfügbarer Bundesmittel und mit dem Hinweis auf eine geplante Neuverteilung der Mittel abgelehnt oder
BGE 110 Ib 148 S. 151
auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben werden; dafür fehle eine Rechtsgrundlage.
Das EDI beantragt in der Vernehmlassung vom 25. Februar 1983
"1. auf die Beschwerde sei nicht einzutreten;
2. eventualiter sei den Beschwerdeführern, trotz unbestrittenem Rechtsanspruch auf einen Bundesbeitrag, infolge der knappen zur Verfügung stehenden Bundesmittel, der sich daraus ergebenden Prioritätensetzung durch den Bund sowie der besonderen Situation bezüglich Waldzusammenlegungsprojekte im Kanton Zürich im heutigen Zeitpunkt kein Bundesbeitrag zuzusichern;
3. subeventualiter sei das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) zu verpflichten, dem Eventualantrag der Beschwerdeführer auf Zusicherung eines Bundesbeitrages (an die Kosten) von Fr. 250'000.- für die erste Etappe im Rahmen des vom Parlament bewilligten Jahreszusicherungskredites und des jährlichen Kreditkontingents für den Kanton Zürich zu entsprechen"
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist das EDI an, das Gesuch innert nützlicher Frist zu behandeln und einen Bundesbeitrag festzusetzen.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
a) Gemäss
Art. 97 OG
beurteilt das Bundesgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG); als Verfügung gilt auch das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Verfügung.
Das EDI begründet den Nichteintretensantrag damit, dass es sich beim angefochtenen Schreiben vom 1. November 1982 nicht um eine Ablehnung des Subventionsgesuches und mithin nicht um eine beschwerdefähige Verfügung im Sinne von
Art. 97 Abs. 1 OG
/
Art. 5 VwVG
, sondern um eine bloss vorläufige Rückstellung des Gesuchs handle. Auch der Vorwurf der unrechtmässigen Verweigerung oder Verzögerung könne nicht erhoben werden.
Wie die Beschwerdeführer mit Recht ausführen, bedeutet die Behandlung durch das EDI praktisch, dass ein Beitrag auf absehbare Zeit nicht ausgerichtet wird. Das EDI geht selbst davon aus, dass nach dem von ihm angenommenen Kontingent von jährlich einer Million Franken der Kanton Zürich noch Projekte für mehr als 25 Jahre in Vorbereitung respektive die Bundessubventionen für diese Zeitspanne ausgeschöpft habe. Da zudem eine wesentliche
BGE 110 Ib 148 S. 152
Kürzung des Kontingents für den Kanton Zürich für die Zukunft nicht zu umgehen sei, müsse mit einer Durchführungszeit aller in Vorbereitung befindlicher Projekte von annähernd 50 Jahren gerechnet werden.
Was dies für die Waldzusammenlegung Weinland-Süd konkret bedeutet, kann offenbleiben. Geht man davon aus, dass das EDI mit den inskünftig noch verknappten Mitteln gemäss einer Prioritätenliste nur Projekte im zürcherischen Berggebiet und in Gebieten mit erschwerten Bewirtschaftungsverhältnissen, nicht dagegen Projekte wie das vorliegende im zürcherischen Mittelland unterstützen will, kann eine Beitragszusicherung in absehbarer Zeit nicht, oder gemäss Berechnung der Beschwerdeführer frühestens in 42 Jahren erwartet werden. Darum wird denn auch im angefochtenen Schreiben vorgeschlagen, "vorläufig" im Kanton Zürich die Aufwendungen zwischen Kanton/Gemeinde/Grundeigentümer neu aufzuteilen bzw. die Restkostenbelastung für die Waldeigentümer zu prüfen.
Ob man das Schreiben des EDI als Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
bezeichnen kann, die besagt, dass eine nach Bundesrecht anbegehrte Subvention auf unbestimmt lange Zeit hinaus nicht gewährt werden kann, oder ob vielmehr von einem unrechtmässigen Verzögern oder Verweigern einer Verfügung gesprochen werden muss, braucht nicht geprüft zu werden. Im ersten Fall steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 97 Abs. 1, im zweiten Fall nach
Art. 97 Abs. 2 OG
offen.
b) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist allerdings nur zulässig, wenn es sich bei den fraglichen Bundesbeiträgen um solche handelt, auf die das Bundesrecht einen Anspruch einräumt (
Art. 99 lit. h OG
). Das EDI anerkennt, dass grundsätzlich ein Anspruch auf die anbegehrte Subvention besteht; das Bundesgericht hat jedoch die Voraussetzungen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Amtes wegen zu prüfen und ist nicht an die Stellungnahme des Departements gebunden.
Ein auf Bundesrecht gestützter Anspruch auf einen Beitrag ist dann zu bejahen, wenn das Bundesrecht selber die Bedingungen umschreibt, unter welchen ein Beitrag zu gewähren ist, ohne dass es im Ermessen der gesetzesanwendenden Behörde läge, ob sie einen Beitrag gewähren will oder nicht (
BGE 100 Ib 342
E. 1b,
BGE 99 Ib 422
/3; RENÉ A. RHINOW, Wesen und Begriff der Subvention in der Schweizerischen Rechtsordnung, 1971, S. 168). Dabei kann es keine Rolle spielen, ob der anspruchsbegründende Erlass ein
BGE 110 Ib 148 S. 153
Gesetz oder eine Verordnung ist, oder ob die Berechtigung sich aus mehreren Erlassen ergibt, etwa aus einem Bundesgesetz und der dazugehörenden Vollziehungsverordnung (RHINOW, a.a.O. S. 167/8).
Gemäss
Art. 42 Abs. 1 lit. c FPolG
leistet der Bund Beiträge an Parzellarzusammenlegungen von Privatwaldungen (Art. 26) bis 45%. Art. 22 Abs. 5 der Vollziehungsverordnung zum FPolG vom 1. Oktober 1965 (FPolV; SR 921.01) sieht vor, dass der Bund die Unterstützung einer Parzellarzusammenlegung ablehnen kann, wenn der mittlere Flächenanspruch der Eigentümer sehr klein ist und die Erschliessung der einzelnen Parzellen ein überdurchschnittlich dichtes und kostspieliges Wegnetz erfordern würde; in diesem Fall wäre eine korporative Zusammenlegung anzustreben. Schon der Wortlaut von
Art. 42 Abs. 1 lit. c FPolG
spricht eher für die Auffassung, dass ein fester Anspruch auf Bundesbeiträge besteht, heisst es doch nicht: "Der Bund kann Beiträge leisten", sondern: "Der Bund leistet ferner Beiträge." In Verbindung mit der einschränkenden Bedingung von
Art. 22 Abs. 5 FPolV
, unter der allein die Leistung von Beiträgen abgelehnt werden kann, ergibt sich, dass die zuständige Behörde an sich eine Subvention gewähren muss. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass im Gesetz selber oder in einer Verordnung kein Mindestbeitrag, sondern nur ein Maximalbeitrag (von 45%) vorgesehen ist. Welche Bedeutung dieser Ausgestaltung der Subventionsordnung im vorliegenden Fall zukommt, ist nicht im Rahmen der Eintretensfrage zu prüfen, vielmehr handelt es sich dabei um eine materiellrechtliche Frage (vgl.
BGE 99 Ib 423
2. Absatz); dies gilt auch für die Frage, welche Auswirkungen die Lage der Bundesfinanzen auf die Subventionspraxis der zuständigen Behörde haben kann, wenn grundsätzlich ein Anspruch auf Bundesbeiträge besteht.
c) Ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde somit zulässig, ist weiter zu prüfen, ob die Beschwerdeführer zur Beschwerde legitimiert sind. Gemäss
Art. 103 lit. a OG
ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Die Waldzusammenlegungsgenossenschaft Weinland-Süd ist durch die Verweigerung der Bundessubvention für die durch sie vorzunehmende Parzellarzusammenlegung ohne Zweifel betroffen. Sie ist eine Genossenschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 ihrer Statuten vom 14. Dezember 1979, vom Regierungsrat am 25. Juni 1980 genehmigt). Als öffentlichrechtliche
BGE 110 Ib 148 S. 154
Körperschaft ist sie durch die (vorläufige) Verweigerung des Bundesbeitrages für die Durchführung der im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe vorerst als Trägerin hoheitlicher Gewalt betroffen. Erforderlich für ihre Legitimation ist aber, dass sie durch die angefochtene Verfügung bzw. die beanstandete Rechtsverweigerung oder -verzögerung wie ein Privater betroffen ist (
BGE 108 Ib 207
mit Hinweisen). Sie verfolgt nun mit ihrer Beschwerdeführung nicht nur ein allgemeines öffentliches Interesse (an der richtigen Anwendung von Bundesrecht), sondern wie ein Privater ein bestimmtes, eigenes finanzielles Interesse. Daher ist sie zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (
BGE 105 Ib 359
E. 5a mit Hinweisen; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. 1983, S. 170/1, Ziff. 6.2.2 und 6.3).
Ob auch auf die Beschwerde des durch die Volkswirtschaftsdirektion vertretenen Kantons Zürich eingetreten werden kann, ist nicht von vornherein klar. Der Kanton bezieht die Bundessubventionen nicht für sich selber, sondern zuhanden der Waldzusammenlegungsgenossenschaften, denen sie letztlich zur Erfüllung ihrer Aufgaben zukommen sollen. Ob der Kanton schon darum im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
legitimiert sei, weil er sich allenfalls gezwungen sehen könnte, einen Teil des verweigerten Bundesbeitrags zu übernehmen, steht nicht ohne weiteres fest. Indessen mag diese Frage offenbleiben; auf die in der Beschwerde aufgeworfenen materiellrechtlichen Fragen ist, da jedenfalls die Waldzusammenlegungsgenossenschaft Weinland-Süd zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert ist, ohnehin einzutreten.
2.
a) Gemäss
Art. 26 FPolG
ist vor Beginn der Grundbuchvermessung stets die Parzellarzusammenlegung von Privatwaldungen vorzunehmen, sofern diese zusammenlegungsbedürftig sind, worüber die Kantonsregierung entscheidet; wenn eine gute Bewirtschaftung wegen übermässiger Parzellierung nicht möglich ist, kann die kantonale Regierung die Zusammenlegung auch unabhängig von der Grundbuchvermessung verfügen. Im vorliegenden Fall ist die Zusammenlegungsbedürftigkeit durch den Regierungsrat festgestellt (Regierungsratsbeschluss vom 5. Mai 1982) und seitens der Bundesbehörden nicht bestritten; zum Teil befinden sich im Beizugsgebiet auch unvermessene Waldungen. Da auch keine Ausnahme im Sinne von
Art. 22 Abs. 5 FPolV
geltend gemacht wird und ersichtlich wäre, sind die Voraussetzungen für die Gewährung eines Bundesbeitrags damit grundsätzlich gegeben.
b) Bei durch das Gesetz selber vorgesehenen Subventionsverhältnissen
BGE 110 Ib 148 S. 155
sind verschiedene Stufen von Berechtigungen auseinanderzuhalten (RHINOW, a.a.O. S. 169). Im einfachsten Fall regelt die Norm alle Subventionsvoraussetzungen abschliessend; insbesondere erstreckt sich der Anspruch aus dem Gesetz auch auf die Höhe des Beitrags (Bsp.: Art. 33 und 44 Gewässerschutzgesetz in Verbindung mit Art. 39 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung und deren Anhänge 2 und 3). Daneben gibt es Erlasse, die eine staatliche Zuwendung an sich fest zusichern, ohne dass die Höhe der Beiträge oder jedenfalls deren Mindesthöhe fixiert wird. Es entsteht dennoch eine subjektive Berechtigung, die allerdings auf das "ob" beschränkt ist (RHINOW, a.a.O.). Ein so begründeter gesetzlicher Anspruch kann ohne gesetzliche Begrenzung oder Verweise nicht durch einen Erlass niedrigerer Stufe entzogen werden (Rhinow, a.a.O. S. 174). Es steht bloss im Ermessen des Bundesrats bzw. der Verwaltung, die Höhe der Zuwendungen festzulegen.
In
Art. 38 Abs. 1 FPolV
stellte der Bundesrat Bemessungsgrundsätze für die an Parzellarzusammenlegungen zu gewährende Subventionen auf. Danach sind neben der Finanzkraft der Kantone und der Bauherrschaft die Bedeutung und die Kosten der in Frage stehenden Projekte, deren Schwierigkeiten sowie Lage im Berggebiet zu berücksichtigen. Das EDI macht zu Recht nicht geltend, dass aufgrund dieser Bestimmung in Einzelfällen die Ausrichtung einer Subvention verweigert werden könnte. Gestützt auf
Art. 38 FPolV
erliess es am 21. Februar 1978 Vorschriften für forstliche Projekte und ihre Unterstützung durch den Bund, und entsprechend setzte das Bundesamt für Forstwesen die Subventionssätze zwischen 24% (finanzstarke Kantone, Waldzusammenlegung ausserhalb des Berggebiets, keine gemeinsame Bewirtschaftung vorgesehen) und 45% (finanzschwache Kantone, Waldzusammenlegung im Berggebiet, vollständige gemeinsame Bewirtschaftung vorgesehen) fest. Wie die Beschwerdeführer unwidersprochen dartun, hat der Bund von den seit 1948 im Kanton Zürich beschlossenen Waldzusammenlegungen bisher 69 Projekte materiell beurteilt und denn auch an alle - das vorliegende ausgenommen - einen Bundesbeitrag von 26-40% geleistet. Aber auch für das vorliegende Projekt bestünde nach dem Gesagten ein Rechtsanspruch auf Zuwendungen des Bundes.
Das EDI beruft sich jedoch auf die knappen Bundesmittel und die zur Verfügung stehenden Kredite, die in absehbarer Zeit für die Subventionierung sämtlicher Werke nicht genügten und eine
BGE 110 Ib 148 S. 156
Prioritätsordnung erforderlich machten. Die vorgesehene Prioritätsordnung (zugunsten von Berggebieten und Gebieten mit erschwerter Bewirtschaftung) hat aber zur Folge, dass an die vorliegende Parzellarzusammenlegung auf absehbare Zeit keine Bundesbeiträge ausbezahlt werden sollen. Es ist somit im folgenden zu fragen, ob der Bund trotz Bestehens eines entsprechenden öffentlichrechtlichen Anspruchs die Auszahlung von Beiträgen allein mit dem Argument verweigern kann, er verfüge nicht über die nötigen Mittel, bzw. die erforderlichen Kredite seien nicht gesprochen.
c) Die Bundesversammlung erstellt jährlich den Voranschlag (
Art. 85 Ziff. 10 BV
). Soweit es um Ausgaben für Bundesbeiträge geht, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht, ist das Parlament nicht frei, Kredite zu sprechen oder nicht vorzusehen (Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz vom 2. Mai 1980 in VPB 44 Nr. 119 S. 564). Dem Budget kommt nicht rechtssetzender Charakter zu (IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. II, Nr. 154, B III S. 1117). Die Bundesversammlung erlässt den Voranschlag denn auch bloss in Form des einfachen Bundesbeschlusses. Der Voranschlag selber kann somit nicht als gesetzliche Grundlage für die Aufhebung einer gesetzlich vorgesehenen Verpflichtung des Bundes dienen.
Nach
Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den eidgenössischen Finanzhaushalt vom 18. Dezember 1968 (FHG; SR 611.0)
führen die Bundesversammlung, der Bundesrat und die Verwaltung den Finanzhaushalt des Bundes nach den Grundsätzen der Gesetzmässigkeit, der Dringlichkeit sowie der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Bindung an den Grundsatz der Gesetzmässigkeit bedeutet, dass sämtliche Ausgaben in das Budget aufzunehmen sind, zu deren Tätigung das Gemeinwesen rechtlich verpflichtet ist. Es handelt sich dabei um die sogenannten notwendigen Ausgaben. Hierzu zählen zunächst alle Ausgaben, welche in bestehenden Rechtsvorschriften ausdrücklich geregelt sind (anspruchsbegründende Subventionsgesetze, Besoldungsordnungen usw.), Ausgaben, die sich aus zivilrechtlichen Verpflichtungen ergeben wie beispielsweise Schadenersatzleistungen, sowie vorgeschriebene Aufwendungen für Amortisationen und Abschreibungen (KLAUS A. VALLENDER, Finanzhaushaltsrecht, Bund - Kantone - Gemeinden, 1983, S. 33). Reicht der ursprünglich im Budget vorgeschriebene Betrag nicht aus, so ist vom Parlament ein Nachtragskredit zu bewilligen, damit die Verpflichtungen eingehalten werden können (RHINOW, a.a.O. S. 174; vgl.
Art. 8 FHG
).
BGE 110 Ib 148 S. 157
Im Bereich von Subventionen, deren Höhe im Gesetz nicht vorgesehen ist, hat die Bundesversammlung ohne Zweifel die Möglichkeit, den Gesamtkredit für entsprechende subventionsberechtigte Projekte je nach Zustand der Bundesfinanzen tiefer oder höher anzusetzen. Immerhin wird sie dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass selbst bei einer sinnvollen Abstufung der Beitragshöhen durch die Verwaltung nach einer Prioritätsordnung auch für solche Projekte noch ein ins Gewicht fallender Beitrag abfällt, die zuunterst auf der Prioritätsliste stehen; ein bloss "symbolischer" Beitrag liesse sich mit dem festen Rechtsanspruch auf eine Zuwendung des Bundes nur schwerlich vereinbaren. Weitergehende Subventionskürzungen bedürften jedenfalls einer besonderen gesetzlichen Grundlage.
Im Begleitbrief zum Entwurf 1981 des Eidgenössischen Finanzdepartements für ein Subventionsgesetz wird u.a. folgendes ausgeführt: Die Subventionsausgaben des Bundes machten ungefähr ein Drittel seiner Ausgaben aus. Angesichts dieses hohen Anteils stelle sich die Frage, inwieweit die Aufwendungen für Subventionen als über Kredite steuerbare Ausgaben auszugestalten seien. Diese Steuerbarkeit sei von vornherein nur gegeben, wenn man auf die Einräumung genau umschriebener Rechtsansprüche verzichte und damit höchstens noch im Grundsatz, aber nicht mehr der Höhe nach gebundene Ausgaben schaffe. Finanz- und konjukturpolitische Gründe (vgl. Art. 2 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den eidgenössischen Finanzhaushalt) sprächen für eine Ordnung, bei welcher der Ausgabenumfang durch das Budget festgelegt werden kann. Wo das geschehen soll, habe der Gesetzgeber nach Art. 4 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 3 des Entwurfs in den Einzelerlassen jeweils vorzusehen, dass Subventionen nur im Rahmen der bewilligten Kredite gewährt werden dürfen. Als eine solche gesetzgeberische Massnahme sah denn auch der Entwurf einen Art. 44a (neu) des FPolG mit folgendem Wortlaut vor:
"Beiträge an Bauten nach Art. 9, 10 und 41 sowie Beiträge nach den Art. 25, 26bis, 37, 37bis, 42 und 42bis werden nur im Rahmen der bewilligten Kredite gewährt."
Solange aber eine derartige Rechtsgrundlage nicht besteht, ist es nicht angängig, Bundesbeiträge, auf die ein Rechtsanspruch besteht, mangels vorhandener Kredite auf Jahre hinaus aufzuschieben, insbesondere wenn dies wie im vorliegenden Fall bedeutet, dass das vom Bundesgesetzgeber als förderungswürdig erachtete
BGE 110 Ib 148 S. 158
Werk während mindestens einer Generation nicht mit Bundeshilfe erstellt werden kann.
Die Erlasse, die im Rahmen der Sparmassnahmen des Bundes bisher ergingen, stellen keine genügende gesetzliche Grundlage dar. Dass es bei der bisherigen Subventionsregelung für Parzellarzusammenlegungen in
Art. 42 Abs. 1 lit. c FPolG
vielmehr bleiben sollte, ergibt sich indirekt aus der Neufassung von
Art. 42 Abs. 1 lit. d FPolG
durch Ziff. I.11.11 des Bundesgesetzes über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushalts vom 5. Mai 1977 (SR 611.04). Danach werden sogar an die Zusammenlegung von Privatwaldungen zu gemeinsamer Bewirtschaftung (
Art. 26bis FPolG
; sogenannte korporative Zusammenlegung im Sinne von
Art. 22 Abs. 5 FPolV
) Beiträge geleistet, soweit die Aufwendungen des Bundes die Beitragssumme nicht übersteigen, die die Parzellarzusammenlegung ausgelöst hätte.
d) Es steht somit fest, dass die Verwaltung im vorliegenden Fall nicht berechtigt war, den Entscheid über einen Bundesbeitrag auf unbestimmte Zeit hinaus zu verschieben und damit eine Zuwendung faktisch zu verweigern. Dies hätte zur Folge, dass die Ausführung eines nach dem Willen des Bundesgesetzgebers mit Bundesbeiträgen zu fördernden Werks in Frage gestellt würde. Das EDI hat daher Bundesrecht verletzt.
Es ist richtig, dass gemäss
Art. 31 Abs. 2 FHG
die Dienststellen nur im Rahmen bewilligter Kredite Verpflichtungen eingehen und Zahlungen leisten dürfen. Hingegen müssen sie bei der Bundesversammlung Nachtragskredite zu erwirken suchen, wenn der im Budget vorgesehene Betrag auch für eine minimale Unterstützung aller geplanter beitragsberechtigter Werke nicht ausreichen sollte. Vorab aber haben sie die gebilligten Kredite sinnvoll auf die einzelnen Projekte aufzuteilen. Wenn das Parlament angesichts der Bundesfinanzlage Kredite kürzt, hat die Verwaltung Richtlinien aufzustellen, die eine Aufteilung der zur Verfügung stehenden Gelder auf alle Projekte erlauben. Es wird nicht zu umgehen sein, dass für alle noch nicht unterstützten Projekte Kürzungen in Aussicht genommen werden. Unzulässig ist es, wenn die Verwaltung trotz Verknappung der Mittel an Beitragsrichtlinien festhält, die dazu führen, dass einzelne Projekte mangels vorhandener Mittel überhaupt auf die Bundesunterstützung verzichten müssen: Das Ermessen der Verwaltung bei der Festsetzung der Beitragshöhen findet seine Grenze in
Art. 4 BV
(VPB 44 Nr. 119 S. 565). Am Beitragsrahmen, wie ihn das Bundesamt für Forstwesen festlegte
BGE 110 Ib 148 S. 159
(vgl. vorne E. 2b), darf darum nicht festgehalten werden, wenn vom Parlament nicht die nötigen Nachtragskredite erlangt werden können, um alle gesetzlich anspruchsberechtigten Gesuchsteller innert angemessener Frist zu berücksichtigen.
Die Sache ist deshalb an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Verwaltung wird ihre Beitragspraxis aufgrund neuer Richtlinien den geänderten finanziellen Umständen anpassen müssen, und das EDI wird entweder aus Nachtragskrediten oder aufgrund angepasster Richtlinien auch das vorliegende Beitragsgesuch innert nützlicher Frist behandeln und einen Bundesbeitrag zusprechen müssen. | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
8c81ed34-8ac1-4709-a22c-394725509d2f | Urteilskopf
122 III 57
12. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 20 février 1996 dans la cause S. SA contre L. (recours en réforme) | Regeste
Sachliche Zuständigkeit; Zulässigkeit der Berufung.
Klausel eines Arbeitsvertrags, welche für die vom Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber zugeführte Kundschaft eine Entschädigung vorsieht, die zum Einkauf von Versicherungsjahren in die Pensionskasse des Arbeitgebers verwendet wird. Diese Klausel gründet im vorliegenden Fall nicht auf dem Recht der beruflichen Vorsorge. Der Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Auslegung und Anwendung der genannten Klausel ist daher nicht vor den Behörden gemäss
Art. 73 BVG
auszutragen (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 58
BGE 122 III 57 S. 58
Par contrat du 12 août 1987, S. SA, à Zollikofen (ci-après: S.), a engagé L. en qualité de collaborateur de sa direction générale.
L'art. 4 de ce contrat avait la teneur suivante:
"Für die von ihm in der S. eingebrachte Kundschaft erhält Herr L. einen
einmaligen Betrag, der einem Prozentsatz von 25% dieses Jahresumsatzes
entspricht. Dieser Betrag wird für den Rückkauf in der Pensionskasse S.
verwendet."
Par lettre du 26 avril 1991, S. a congédié L. conformément à l'art. 9 du contrat prévoyant un délai de résiliation de six mois.
S. n'a pas versé à la caisse de prévoyance les fonds destinés à L. Le 15 décembre 1991, l'institution de prévoyance de S. a versé, en faveur de L., 34'153 fr. 10 sur un compte de libre passage auprès de la caisse G., à Berne.
Le 5 août 1992, L. a introduit, devant le Tribunal des prud'hommes du canton de Genève, une action tendant à ce que S. soit condamnée à payer, à lui-même ou, subsidiairement, à sa caisse de retraite, 394'615 fr., plus intérêts, représentant le montant qui lui est dû selon le contrat de travail après déduction de celui versé en sa faveur le 15 décembre 1991 sur un compte de libre passage. La défenderesse a notamment excipé de l'incompétence ratione materiae de cette juridiction.
Ce tribunal s'est déclaré compétent et a condamné la défenderesse à payer 95'758 fr. 75, plus intérêts, au demandeur par jugement du 28 juin 1993.
BGE 122 III 57 S. 59
Statuant sur appel de chaque partie, la Chambre d'appel de la juridiction des prud'hommes du canton de Genève a, par arrêt du 7 juillet 1994, condamné la défenderesse à payer au demandeur la somme de 125'750 fr., plus intérêts, sous déduction du montant de 34'153 fr. 10 versé par l'institution de prévoyance de la défenderesse.
La question de la compétence pour connaître du litige a donné lieu à un échange de vues avec le Tribunal fédéral des assurances.
Le Tribunal fédéral a rejeté dans la mesure où il était recevable le recours en réforme interjeté par la défenderesse et a confirmé l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
La défenderesse conteste que la Chambre d'appel ait été compétente pour connaître de la difficulté, la cause ne ressortissant pas au contrat de travail mais au droit de la prévoyance professionnelle, voire de la juridiction civile compétente pour trancher un différend relevant de la vente d'une clientèle.
a) Aux termes de l'
art. 73 al. 1 LPP
(RS 831.40), chaque canton désigne un tribunal qui connaît, en dernière instance cantonale, des contestations opposant institutions de prévoyance, employeurs et ayants droit. Les décisions des tribunaux cantonaux peuvent être déférées au Tribunal fédéral des assurances par la voie du recours de droit administratif (
art. 73 al. 4 LPP
).
Les autorités visées par l'
art. 73 LPP
sont compétentes, ratione materiae, pour trancher les contestations qui portent sur des questions spécifiques de la prévoyance professionnelle, au sens étroit ou au sens large. Une contestation entre un employeur et un ayant droit peut porter, en particulier, sur le versement des cotisations par l'employeur à l'institution de prévoyance (
art. 66 al. 2 et 3 LPP
). Dans un tel cas, ce ne sont pas les juridictions des prud'hommes qui sont compétentes, mais le juge désigné en vertu de l'
art. 73 LPP
, même si la question de l'existence d'un contrat de travail entre les parties doit être tranchée à titre préjudiciel (
ATF 120 V 26
consid. 2 et les références). En revanche, les voies de droit de l'
art. 73 LPP
ne sont pas ouvertes lorsque la contestation a un fondement juridique autre que le droit de la prévoyance professionnelle, même si elle devait avoir des effets relevant du droit de la prévoyance (sur l'ensemble de cette question, cf. MEYER-BLASER, Die Rechtsprechung von Eidgenössischem Versicherungsgericht und Bundesgericht zum BVG, in SZS 39/1995 p. 105 ss).
BGE 122 III 57 S. 60
b) En l'espèce, le litige oppose un travailleur à son ancien employeur. Nonobstant les conclusions subsidiaires tendant au paiement de la somme réclamée à la caisse de retraite du demandeur, celle-ci n'est pas mise en cause dans la présente procédure (cf. aussi
ATF 118 V 229
). Le litige se distingue en cela de celui qui a fait l'objet de l'
ATF 114 V 102
. Contrairement aussi à ce qui était le cas dans cet arrêt, le différend ne porte pas sur l'application d'une disposition de droit cantonal en matière de prévoyance (cf. consid. 1b). Il ne trouve pas non plus son fondement dans les statuts ou dans un règlement de la caisse de prévoyance. Convenu dans le cadre d'un contrat de travail, l'art. 4 réglait la reprise par l'employeur de la clientèle apportée par son nouveau travailleur. Cette convention n'a pas sa source dans le droit de la prévoyance professionnelle, plus spécialement de la LPP. Elle n'avait pour objet ni une obligation du demandeur, ni une obligation de la défenderesse envers la caisse de retraite. Il ressort du texte même du contrat que le créancier du montant dû en contrepartie de l'apport de la clientèle était le demandeur. L'adjonction, aux termes de laquelle ce montant serait utilisé pour le rachat dans la caisse de pensions de la défenderesse, n'y change rien. Elle n'est pas l'expression d'une obligation de l'une ou de l'autre des parties envers l'institution de prévoyance. Elle apparaît bien plutôt comme une modalité d'exécution permettant de tenir compte de l'intention du demandeur d'utiliser ce montant afin d'améliorer les conditions de sa retraite. Sous l'angle de la compétence, l'imputation sur le montant de 125'750 fr. de la somme de 34'153 fr. 10, versée par l'institution de prévoyance de la défenderesse au titre de remboursement des prestations du demandeur, n'y change rien. La cour cantonale y a procédé pour des motifs de procédure, le demandeur ayant offert ce montant en déduction. C'est, dès lors, à tort que la défenderesse tente de tirer argument de l'
art. 73 LPP
.
Enfin, la question de savoir si la cause devait être soumise à la juridiction civile ordinaire plutôt qu'à la juridiction des prud' hommes relève de l'organisation judiciaire cantonale (
ATF 115 II 237
consid. 1c). La défenderesse devait la soulever dans son recours de droit public (cf.
ATF 102 II 53
consid. 1 a contrario), ce qu'elle n'a pas fait. | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8c82bb90-c700-4d2b-ad1c-8e0055394baf | Urteilskopf
122 I 53
10. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. März 1996 i.S. X. gegen X. und Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
; rechtliches Gehör.
Es genügt der Verfassung, wenn die Eltern zum Ergebnis des Gesprächs, das der Richter im Verfahren nach
Art. 145 ZGB
von sich aus und unter vier Augen mit ihrem Kind geführt hat, vor dem Entscheid über die Kinderzuteilung Stellung nehmen können (E. 4a). Die Einzelheiten des Gesprächsinhalts müssen den Eltern nicht zugänglich gemacht werden (E. 4c). Daher ist auch ein Protokoll überflüssig (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 54
BGE 122 I 53 S. 54
Mit Urteil vom 23. November 1994 schied das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt die Eheleute X. und übertrug die elterliche Gewalt über die Kinder E. (geboren 1979) und M. (geboren 1987) der Mutter; der 1981 geborene Sohn R. wurde derjenigen des Vaters unterstellt. Nach Einreichung der Appellation gegen dieses Urteil erwirkte Sohn E. ein Gespräch unter vier Augen mit dem erstinstanzlichen Instruktionsrichter, dem er den Wunsch vortrug, dem Vater statt der Mutter zugeteilt zu werden. Dem darauf abzielenden Gesuch des Vaters gab der Richter mit Verfügung vom 20. Februar 1995 statt mit der Begründung, Sohn E. habe anlässlich des Gesprächs überzeugend glaubhaft gemacht, er wolle lieber beim Vater als bei der Mutter sein; dieser Wille sei angesichts des Alters von Sohn E. zu respektieren.
Frau X. stellte ein Wiedererwägungsgesuch, das vom Instruktionsrichter des Zivilgerichts des Kantons Basel-Stadt am 7. März 1995 mit etwas ausführlicherer Begründung abgewiesen wurde. Den von Frau X. gleichzeitig mit dem Wiedererwägungsgesuch eingereichten Rekurs gegen die Verfügung vom 20. Februar 1995 wies die II. Kammer des Zivilgerichts des Kantons Basel-Stadt nach Anhörung beider Parteien am 16. November 1995 ohne Begründung ab.
Die von Frau X. gegen den Rekursentscheid eingereichte staatsrechtliche Beschwerde weist das Bundesgericht ab, soweit es auf sie eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Die Beschwerdeführerin begründet die Verletzung der Verfassung damit, das Zivilgericht hätte ihr das rechtliche Gehör nur gewähren können, wenn es den Instruktionsrichter verpflichtet hätte, den Inhalt des Gesprächs zwischen ihm und Sohn E. festzuhalten und den Parteien zugänglich zu machen. Die Unterlassung der Erstellung eines ausführlichen Protokolls erwecke den Eindruck von Geheimjustiz und habe ihren Anspruch auf Stellungnahme und Beweisführung illusorisch gemacht.
BGE 122 I 53 S. 55
a) Das durch
Art. 4 BV
gewährleistete rechtliche Gehör dient der Sachaufklärung und garantiert dem Betroffenen ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht im Verfahren. Er soll sich vor Erlass des Entscheids zur Sache äussern, erhebliche Beweise beibringen, Einsicht in die Akten nehmen und an der Erhebung von Beweisen mitwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis äussern können, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (
BGE 121 III 331
E. 3b,
BGE 119 Ia 260
E. 6a,
BGE 117 Ia 262
E. 4b). Aus triftigen Gründen kann das Recht auf umfassende Information und Mitwirkung ohne Verletzung der Verfassung eingeschränkt werden (
BGE 113 Ia 81
E. 3a S. 83,
BGE 112 Ia 5
E. 2c). Insbesondere im Bereich des Kindesschutzes, wo die uneingeschränkte Offizialmaxime gilt, kann die zuständige Behörde nach eigenem Ermessen auf unübliche Art Beweise erheben und von sich aus Berichte einholen, auch wenn das im kantonalen Verfahrensrecht nicht ausdrücklich vorgesehen ist; massgebend ist in erster Linie das Wohl des Kindes (vgl.
Art. 307 Abs. 1 ZGB
). Daraus kann sich, wie in allen persönlichkeitsbezogenen Angelegenheiten, eine Einschränkung des Rechts auf Teilnahme an Beweiserhebungen ergeben, die freilich immer aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein muss (nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 21. November 1994 i.S. St., E. 3d). Als verfassungskonform erachtet das Bundesgericht gerade auch die formlose Anhörung des Kindes in Abwesenheit der Eltern und ihrer Vertreter im Zusammenhang mit der Regelung von Kinderzuteilung und Besuchsrecht (nicht veröffentlichte Urteile vom 27. Juli 1995 i.S. M., E. 3, und vom 10. Juni 1991 i.S. St., E. 5). In solchen Fällen genügt es, wenn die Parteien nachträglich Gelegenheit bekommen, sich zum Beweisergebnis zu äussern (
BGE 119 Ia 260
E. 6d). Inwieweit sie von der Beweisaufnahme ausgeschlossen werden, entscheidet der Richter in Würdigung der auf dem Spiel stehenden Interessen, hier insbesondere des Kindeswohles, nach Ermessen (
BGE 119 Ia 260
E. 6c; CYRIL HEGNAUER, Die Wahrung der Interessen des Kindes im Scheidungsprozess, AJP/PJA 1994, S. 890; OSCAR VOGEL, Freibeweis in der Kinderzuteilung, in: FS C. HEGNAUER, Bern 1986, S. 614 f., 617 f. und 626 f.; INGEBORG SCHWENZER, Die UN-Kinderrechtskonvention und das schweizerische Kindesrecht, in AJP/PJA 1994, S. 823 f.; vgl. auch Botschaft über die Änderung des schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995, BBl 1996 I, S. 144 zu Art. 144 des Entwurfes).
b) (Ausführungen dazu, dass allenfalls vor dem 20. Februar 1995 vorgekommene Verfahrensmängel spätestens im Rekursverfahren geheilt worden
BGE 122 I 53 S. 56
sind und dass die Beschwerdeführerin auch zum im Wiedererwägungsentscheid ausführlicher begründeten Beweisergebnis hatte Stellung nehmen können, wozu Detailkenntnisse über den Gesprächsinhalt nicht erforderlich waren).
c) Streitig ist weiter, ob es
Art. 4 BV
verletzt, die bloss summarische Eröffnung des Gesprächsinhaltes an die Parteien durch die Erwartung des Sohnes E. und das objektiv beurteilte Kindeswohl zu rechtfertigen. Nur darauf kann sich der sehr knapp begründete Vorwurf (
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
) der Beschwerdeführerin beziehen, das Gespräch hätte aktenkundig gemacht werden müssen. Sie beruft sich dafür auf PATRICK STACH, der den Entscheid des Bundesgerichts vom 10. Juni 1991 i.S. St. kommentiert und verlangt, dass solche Gespräche auf Tonband aufgezeichnet werden (AJP/PJA 1992 S. 130; vgl. VOGEL, a.a.O., S. 628). Dabei übersieht sie jedoch, dass sich der Sachverhalt in jenem Entscheid ganz wesentlich vom hier zu beurteilenden Fall unterscheidet. Während dort bei zwei Augenscheinen jeweils nur eine Partei anwesend war (a.a.O., E. 3a), hat hier kein Elternteil am Gespräch zwischen Sohn E. und dem Instruktionsrichter teilgenommen; das Gespräch hat auch nicht bei einer Partei zu Hause stattgefunden. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass eine Beweisaufnahme, an der nur die eine Partei anwesend sein konnte, wegen des Gebotes der Waffengleichheit zu Gunsten der abwesenden Partei ausführlich dokumentiert werden muss. Wie das im einzelnen zu geschehen hat, braucht hier nicht erörtert zu werden. Wenn im vorliegenden Fall das Zivilgericht, wie es in der Vernehmlassung ausführt, den Wunsch des Sohnes E. nach Vertraulichkeit, die ihm die unverfälschte freie Darlegung seiner Motive und Wünsche sowie ferner die Aufrechterhaltung eines ungetrübten Verhältnisses zu beiden Elternteilen ermöglichen sollte, als schützenswert erachtete, handelte es im Interesse der Verwirklichung des materiellen Rechts verfassungskonform.
5.
Die Beschwerdeführerin macht weiter erfolglos geltend, es sei nicht einzusehen, wieso der Inhalt des genannten Gesprächs stärker unterdrückt werden müsse als die Unterhaltungen, die in den Gutachten des psychologischen Dienstes ihren Niederschlag fänden. Nach der für Gutachten geltenden Praxis in Basel-Stadt hätte zumindest dem Vertreter der Beschwerdeführerin der Inhalt des Gesprächs offenbart werden müssen. Der von der Beschwerdeführerin zitierte Revers verpflichtet den unterzeichnenden Rechtsvertreter nur dazu, den Inhalt eines Gutachtens nicht seinem Mandanten weiterzugeben (STAEHELIN/SUTTER, Zivilprozessrecht, § 11 Rz. 57 S. 121). Daraus lässt sich kein Anspruch auf Einsicht in
BGE 122 I 53 S. 57
allfällige Gesprächsprotokolle ableiten, die Grundlage des Gutachtens gebildet hatten.
Wenn die Beschwerdeführerin schliesslich die Aufzeichnung des Gespräches verlangt mit der Begründung, was nicht in den Akten enthalten sei, existiere für das Verfahren nicht, bleibt sie ebenfalls erfolglos. Hat das Zivilgericht ohne Verletzung von
Art. 4 BV
die Geheimhaltung des Gesprächsinhalts geschützt und die Wiedergabe des Ergebnisses genügen lassen, macht es keinen Sinn, von Instruktionsrichter die Erstellung eines Wortprotokolls zu verlangen. Diese Rüge spielt für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens keine Rolle (
BGE 120 Ia 220
E. 3d, 119 II 193 E. 3e). | public_law | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c835dba-d796-4597-89eb-dc80f6e3347c | Urteilskopf
92 IV 54
14. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 4 mai 1966 dans la cause Hofstetter contre Bettex. | Regeste
Art. 268 Ziff. 1 BStP
.
Nichteintreten auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Antragstellers gegen ein Urteil eines waadtländischen Bezirksgerichts. | Sachverhalt
ab Seite 54
BGE 92 IV 54 S. 54
A.-
L'avenue de Mon-Repos et l'avenue du Tribunal fédéral, à Lausanne, forment une croisée. Le 20 novembre 1964, vers 13 h. 55, le piéton Hofstetter, qui traversait la première, à l'est de la croisée, sur le passage de sécurité, dans la direction nord-sud, fut renversé par une voiture qui venait de droite et que pilotait Wilma Bettex.
Hofstetter, qui a eu le fémur et l'humérus droits fracturés et qui a subi une commotion cérébrale, a porté plainte, contre la conductrice, pour lésions corporelles.
B.-
Le 4 mars 1966, le Tribunal de simple police du district de Lausanne a libéré Wilma Bettex de toute peine et laissé les frais de la cause à la charge de l'Etat.
C.-
Contre ce jugement, le plaignant se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Il conclut à la condamnation de l'intimée.
Erwägungen
Considérant en droit:
Selon l'art. 268 ch. 1 nouveau PPF, introduit par la loi fédérale du 25 juin 1965 entrée en vigueur le 1er janvier 1966, le pourvoi en nullité est recevable contre les jugements qui ne peuvent pas donner lieu à un recours de droit cantonal pour violation du droit fédéral; font toutefois exception les jugements des tribunaux inférieurs statuant en instance cantonale unique.
BGE 92 IV 54 S. 55
Aux termes de l'art. 426 du code de procédure pénale vaudois, la réforme d'un jugement pour fausse application de la loi pénale n'est prononcée que si le recours émane soit du Ministère public, soit d'une partie frappée d'une condamnation pénale, ou chargée totalement ou partiellement des frais de la cause. Il s'ensuit que, lorsqu'il n'est pas condamné aux frais, le plaignant n'est pas habile à porter devant la Cour vaudoise de cassation pénale, en invoquant une fausse application du droit fédéral, un jugement qui acquitte le prévenu. A l'égard de Hofstetter, la décision du 4 mars 1966 est donc un jugement qui ne peut pas donner lieu à un recours de droit cantonal pour violation du droit fédéral au sens de l'art. 268 ch. 1, 1re phrase, PPF.
Il reste à examiner si le Tribunal de simple police a statué en instance cantonale unique. Si l'on entend par là une décision qui n'est susceptible d'aucun recours cantonal, il faut répondre négativement. En effet, le Ministère public aurait pu déférer la cause à la Cour vaudoise de cassation, pour violation du droit fédéral. Le plaignant avait aussi la faculté de recourir à cette autorité, mais seulement pour violation de certaines règles de procédure cantonale et pour insuffisance de l'état de fait (art. 406 ch. 2 CPP vaud.). L'art. 268 ch. 1, 2e phrase, PPF a toutefois une portée plus large. Il tend à exclure le pourvoi en nullité contre tout jugement d'un tribunal inférieur qui ne prononce pas comme juridiction de recours. Tel était en effet le but de la revision adoptée par le législateur le 25 juin 1965.
Avant le 1er janvier 1966, certains jugements de première instance pouvaient être déférés directement à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Il en était ainsi, par exemple, du pourvoi en nullité formé par le plaignant contre un jugement rendu par un tribunal de district vaudois concernant une infraction poursuivie sur plainte seulement (RO 89 IV 72 consid. 1). Cette situation était, relève le message gouvernemental, "entièrement contraire aux principes de l'organisation judiciaire cantonale et fédérale" (FF 1964 II 923). Aussi l'art. 268 PPF a-t-il été revisé dans le sens de l'art. 48 al. 2 lettre a OJ. Le message cité précise, plus bas, qu'il n'est pas question d'exclure le pourvoi en nullité contre les jugements des tribunaux suprêmes des cantons "ni contre ceux des tribunaux inférieurs qui ont statué en seconde et dernière
BGE 92 IV 54 S. 56
instance cantonale". Cette dernière précision montre que les "tribunaux inférieurs statuant en instance cantonale unique" que vise l'art. 268 ch. 1, 2e phrase, PPF s'opposent aux tribunaux inférieurs statuant en seconde et dernière instance cantonale. Telle est également l'opinion qui se dégage des délibérations parlementaires. Le rapporteur de langue française a exposé, lui aussi, qu'il est contraire au principe de l'organisation judiciaire cantonale et fédérale de pouvoir attaquer devant le tribunal suprême du pays des jugements rendus en première instance cantonale, sans qu'ils aient passé par une seconde juridiction cantonale (Bull. stén. CN 1965, p. 284). Selon son collègue de langue allemande, la revision de l'art. 268 voulait atteindre "dass inskünftig nur noch zweitinstanzliche kantonale Urteile durch Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden können" (p. 285). Détachée du contexte, cette assertion pourrait prêter à confusion. Mais elle est complétée et précisée par les remarques qui suivent, d'après lesquelles le pourvoi en nullité est recevable, notamment, contre les décisions des autorités suprêmes des cantons, même si elles ont statué en instance cantonale unique (loc. cit., 2e colonne). N'émanant pas d'une seconde juridiction cantonale, le jugement attaqué a été rendu en instance cantonale unique dans l'acception de l'art. 268 ch. 1 PPF.
La possibilité qu'aurait eue l'accusateur public de le déférer à la Cour vaudoise de cassation ne change rien. En appliquant, avant la revision de 1965, l'art. 268 al. 2 PPF (auquel correspond l'actuel ch. 1, 1e phrase), la Cour de céans, pour apprécier la recevabilité d'un pourvoi formé par le plaignant contre un jugement vaudois de première instance libérant le prévenu, ne tenait pas compte du droit qui appartenait au Ministère public de recourir à la Cour cantonale (arrêts Freymond du 3 décembre 1957 consid. 2; Cemin du 22 mai 1958 consid. 1; RO 89 IV 72 consid. 1). On ne voit pas pourquoi il en irait autrement dans l'interprétation de la nouvelle phrase introduite par la revision de 1965. De même que, dans la cause Cemin par exemple, la Cour de cassation pénale a admis que, pour le plaignant auteur du pourvoi, le jugement du Tribunal de simple police du district de Nyon constituait un jugement rendu en dernière instance cantonale selon l'art. 268 PPF, de même il faut admettre que pour Hofstetter le Tribunal de simple police du district de Lausanne, en rendant son jugement
BGE 92 IV 54 S. 57
du 4 mars 1966, a statué en instance cantonale unique. Il s'ensuit que ce jugement n'est pas susceptible de pourvoi au Tribunal fédéral.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Déclare le pourvoi irrecevable. | null | nan | fr | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8c8706ba-d6d2-4eff-bb75-222ee100d031 | Urteilskopf
111 II 356
69. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 26 novembre 1985 dans la cause G. contre D. (recours en réforme) | Regeste
Lohnanspruch bei ungerechtfertigter Entlassung (
Art. 337c Abs. 1 OR
)
Der Arbeitnehmer, der ohne wichtigen Grund fristlos entlassen worden ist, hat nur insoweit Anspruch auf den Lohn für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, als er diesen Anspruch auch hätte geltend machen können, wenn er nicht entlassen worden wäre. | Sachverhalt
ab Seite 356
BGE 111 II 356 S. 356
A.-
Dès septembre 1976, D. a travaillé, en qualité de chauffeur livreur, au service de G. En dernier lieu, son salaire mensuel brut s'élevait à 3'150 francs.
A la suite d'un accident de travail survenu en 1983, D. s'est trouvé incapable de travailler durant une partie de ladite année
BGE 111 II 356 S. 357
et dès le 15 mars 1984. Des prestations d'assurance lui ont été allouées jusqu'à fin octobre 1984.
Par lettre recommandée du 20 novembre 1984, G. a informé D. qu'il résiliait le contrat du fait de cette incapacité de travail durable.
B.-
D. a assigné G. en paiement de 9'450 francs, représentant le salaire de novembre 1984 à janvier 1985.
Le 26 février 1985, le Tribunal des prud'hommes du canton de Genève a condamné G. à payer à D. 11'450 francs sous déduction des charges sociales. Ce montant a été ramené à 9'450 francs par la Chambre d'appel de la juridiction des prud'hommes statuant, le 4 juin 1985, sur appel du défendeur.
C.-
G. recourt en réforme au Tribunal fédéral en concluant au rejet de la demande et, subsidiairement, au renvoi de la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision.
Le Tribunal fédéral admet partiellement le recours, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouveau jugement dans le sens des considérants.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
a) Selon l'
art. 337c al. 1 CO
, lorsque l'employeur résilie le contrat immédiatement sans justes motifs, le travailleur a droit au salaire pour la durée du contrat si elle est déterminée, sinon jusqu'à l'expiration du délai de congé; il a en outre droit au remplacement des avantages résultant du contrat de travail.
Il est, à juste titre, incontesté qu'en l'espèce il n'existait pas de motif de résiliation immédiate et que la déclaration de résiliation du 20 novembre 1984 portait effet au 31 janvier 1985 (
art. 336b CO
, 336e al. 1 lettre b CO a contrario).
b) Pour motiver son jugement, la cour cantonale s'est fondée exclusivement sur la considération que la lettre de résiliation impliquerait une résiliation immédiate du contrat de travail et que, s'agissant d'une résiliation injustifiée, l'employeur devrait le plein salaire selon l'
art. 337c al. 1 CO
.
Ce faisant, la cour cantonale a mal interprété cette disposition en admettant implicitement qu'elle donnait au travailleur invalide incapable d'accomplir le travail promis un droit inconditionnel à un salaire complet, même dans l'hypothèse où, en l'absence de résiliation, le travailleur n'aurait pu réclamer aucun salaire selon la réglementation des
art. 324a et 324b CO
. La Chambre d'appel
BGE 111 II 356 S. 358
a ainsi conféré - pour cette hypothèse - à l'
art. 337c al. 1 CO
un caractère pénal qu'il ne revêt pas.
En cas de résiliation injustifiée, le contrat continue à courir en droit et la prétention du travailleur est une prétention contractuelle en paiement de son salaire, à savoir dans la mesure où le prévoit le contrat (
ATF 103 II 274
,
ATF 78 II 441
; SJ 1979 p. 33 s.; cf. par ex. STREIFF, Leitfaden zum neuen Arbeitsvertrags-Recht p. 143; REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 7e éd., p. 100; VISCHER, Le contrat de travail, in Traité de droit privé suisse VII/1 (traduction française), p. 165).
Dès lors, le travailleur, dont le contrat de travail a été résilié, ne peut prétendre un salaire pour la période correspondant au délai de congé que pour autant qu'il ait aussi pu le demander en l'absence de résiliation.
Aussi est-il sans incidence sur le sort de la cause de déterminer quelle était, en l'espèce, la nature de la résiliation (résiliation immédiate injustifiée, selon l'
art. 337c CO
, ou résiliation ordinaire, selon l'
art. 336b CO
). | public_law | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8c89a973-1e99-464c-bc59-6c11356ff98e | Urteilskopf
105 Ia 151
31. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Februar 1979 i.S. Initiativkomitee der Initiative "Für eine bessere medizinische Versorgung" gegen Regierungsrat des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 85 lit. a OG
; behördlicher Abstimmungsbericht.
1. Grundsätze für die Erläuterung einer Volksinitiative im behördlichen Abstimmungsbericht (E. 3).
2. Wann ist eine unzulässige Erläuterung als erheblicher Mangel zu erachten und die Abstimmung zu kassieren? (E. 5b). | Sachverhalt
ab Seite 151
BGE 105 Ia 151 S. 151
Die Progressiven Organisationen (POCH) reichten dem luzernischen Grossen Rat am 6. April 1976 eine mit rund 4200 Unterschriften versehene Initiative ein auf Erlass eines Gesetzes für eine bessere medizinische Versorgung. Die Initiative war
BGE 105 Ia 151 S. 152
in die Form des ausgearbeiteten Entwurfs gekleidet und verlangte, dass der Kanton an näher bestimmten Orten staatliche Polikliniken und staatliche Allgemeinpraxen errichte. § 3 Ziff. 2 des vorgeschlagenen Gesetzes lautete wie folgt:
"Staatliche Allgemeinpraxen werden an folgenden Orten errichtet: In allen Gemeinden, in denen eine Ärztedichte von 1 Arzt/1500 Einwohner nicht erreicht ist, so dass in allen Gemeinden des Kantons mindestens eine Ärztedichte von 1 Arzt/1500 Einwohner erreicht wird."
Der Grosse Rat beschloss in seiner Sitzung vom 9. Mai 1977, die Initiative abzulehnen und sie dem Volk ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten. Der Regierungsrat stellte den Stimmbürgern einen Bericht zur Abstimmungsvorlage zu, der bezüglich der Errichtung staatlicher Allgemeinpraxen folgende Ausführungen enthielt:
"Nach diesem Wortlaut (sc. demjenigen von § 3 Ziff. 2 der Initiative) wären im Kanton Luzern 55 staatliche Arztpraxen zu errichten. Davon würden 23 allein auf die Agglomeration Luzern entfallen, wo gesamthaft gesehen bereits heute eine gute Ärztedichte zu verzeichnen ist. 18 ländliche Gemeinden, in denen bereits ein oder mehrere frei praktizierende Ärzte tätig sind, erhielten eine zusätzliche und sieben Gemeinden, in denen bisher kein Arzt niedergelassen war, sogar zwei staatliche Arztpraxen. Demgegenüber würden alle Gemeinden mit weniger als 1500 Einwohnern - es sind dies 63 von 107 Gemeinden - leer ausgehen.
Daraus ist ersichtlich, dass die Annahme der Initiative zu einer schwerwiegenden rechtsungleichen Behandlung der luzernischen Gemeinden führen würde.
Wenn man entgegen dem Wortlaut der Initiative restanzliche Einwohnerzahlen von unter 1500 nicht berücksichtigte, so müssten im Kanton Luzern immer noch 25 staatliche Praxen errichtet werden." (Es folgen weitere Ausführungen darüber.)
Das Initiativkomitee der Initiative "Für eine bessere medizinische Versorgung" erhebt staatsrechtliche Beschwerde und macht geltend, die Stimmbürger würden durch den Bericht des Regierungsrates irregeführt, da die Initiative nur in dem Sinne verstanden werden könne, dass auch in den Gemeinden mit weniger als 1500 Einwohnern staatliche Allgemeinpraxen eingerichtet werden müssten, wenn dort noch keine Arztpraxis bestehe.
Da der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung erteilt wurde, fand die Abstimmung am 4. Dezember 1977 statt. Dabei wurde die Initiative mit 54'400 Nein gegen 11'620 Ja verworfen.
BGE 105 Ia 151 S. 153
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete Stimmrecht gibt dem Bürger unter anderem Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Das Abstimmungsergebnis kann insbesondere durch eine unerlaubte Beeinflussung der Willensbildung der Stimmbürger verfälscht werden; das ist namentlich der Fall, wenn die Behörde, die zu einer Sachabstimmung amtliche Erläuterungen verfasst, ihre Pflicht zur objektiven Information verletzt und über den Zweck und die Tragweite der Vorlage falsch orientiert (
BGE 102 Ia 268
mit Hinweisen). Wie das Bundesgericht wiederholt ausgeführt hat, folgt aus der Pflicht zur objektiven Information aber nicht, dass sich die Behörde in der Abstimmungserläuterung mit jeder Einzelheit der Vorlage zu befassen habe und dass sie insbesondere sämtliche Einwendungen erwähnen müsse, die gegen die Vorlage erhoben werden könnten. Das ist schon deshalb entbehrlich, weil der behördliche Bericht keineswegs die einzige Informationsquelle darstellt und die Stimmbürger von den für und gegen die Abstimmungsvorlage sprechenden Argumenten auch noch durch andere Publikationsmittel Kenntnis erhalten (
BGE 98 Ia 622
E. 4a mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn sich die behördliche Erläuterung nicht auf eine vom kantonalen Parlament beschlossene Vorlage bezieht, sondern eine Volksinitiative zum Gegenstand hat. Es steht der Behörde in diesem Falle zu, in der Abstimmungserläuterung auf allfällige Mängel des Begehrens hinzuweisen und den Stimmbürgern dessen Annahme oder Verwerfung zu empfehlen. Sie kann dabei auch zu den durch das Volksbegehren aufgeworfenen Ermessens- oder Wertungsfragen Stellung nehmen und ihre Abstimmungsempfehlung auf Argumente stützen, die sich nicht oder nicht ohne weiteres durch Tatsachen belegen lassen (nicht publiziertes Urteil Bräm vom 18. November 1977, E. 2b). Die Behörde ist aber verpflichtet, bei der Erläuterung des Volksbegehrens in korrekter Weise vorzugehen und grundsätzlich gleich zu verfahren, wie wenn eine vom kantonalen Parlament beschlossene Vorlage zur Abstimmung gelangen würde. Soweit sich das Volksbegehren als interpretationsbedürftig oder unklar erweist, ist im Rahmen der anerkannten
BGE 105 Ia 151 S. 154
Interpretationsgrundsätze jene Auslegungsmöglichkeit zu wählen, die dem Sinn und Zweck der Initiative am besten entspricht und zu einem vernünftigen Ergebnis führt. Dabei wird die Behörde eine allfällige Begründung des Begehrens zu Hilfe ziehen, ferner können Meinungsäusserungen der Initianten im Parlament oder in der Presse ein taugliches Hilfsmittel der Auslegung sein. Grundsätzlich ist der Initiativtext aber nicht nach dem subjektiven Willen der Initianten, sondern aus sich selber auszulegen.
b) Ist die Auslegung einer Volksinitiative streitig, so entscheidet das Bundesgericht mit freier Kognition. Das gilt nicht nur, wenn die Auslegung der Initiative für den Entscheid über ihre Gültigkeit massgebend ist (vgl.
BGE 101 Ia 232
), sondern in gleicher Weise, wenn sich fragt, ob die Behörde die Initiative im Bericht an die Stimmberechtigten richtig erläutert habe.
4.
c) Der Initiative ist in klarer Weise zu entnehmen, dass sie die Verbesserung der medizinischen Versorgung in jenen Gegenden des Kantons bezweckt, in denen diese bisher unbefriedigend war. Staatliche Allgemeinpraxen sind nach dem Sinn und Zweck des Volksbegehrens demnach dort zu schaffen, wo die bestehende Ärztedichte im Vergleich zum übrigen Kantonsgebiet schlecht ist. Wie im beanstandeten Abstimmungsbericht dargelegt wird, wäre die Errichtung von staatlichen Allgemeinpraxen bei der vom Regierungsrat gewählten Auslegung in 63 der insgesamt 107 luzernischen Gemeinden zum vorneherein ausgeschlossen. Das bedeutet, dass das Volksbegehren gerade den kleinen Gemeinden und den ländlichen Kantonsteilen keine direkte Verbesserung bringen würde, obwohl dort die ärztliche Versorgung weit weniger gut ist als in den städtischen Gebieten. Demgegenüber müssten in der Agglomeration Luzern 23 staatliche Allgemeinpraxen errichtet werden. Zieht man dies in Betracht, so ist offenkundig, dass die vom Regierungsrat gewählte Auslegung dem Sinn der Initiative nicht entsprechen kann. Die Abstimmungserläuterung ist aber nicht nur aus diesem, sondern noch aus einem weiteren Grunde zu beanstanden. Es war nämlich widersprüchlich, wenn der Regierungsrat einerseits davon ausging, in den kleinen Gemeinden gäben Einwohnerzahlen von weniger als 1500 keinen Anspruch auf die Schaffung einer staatlichen Allgemeinpraxis, und wenn er anderseits annahm, in den Gemeinden mit mehr als 1500 Einwohnern müssten solche Praxen nach dem Wortlaut der
BGE 105 Ia 151 S. 155
Initiative selbst für Einwohnerrestzahlen geschaffen werden. Für eine solche unterschiedliche Beurteilung sind keine stichhaltigen Gründe ersichtlich, und es ändert an dieser unzulässigen Darstellung nichts, dass der Regierungsrat beifügte, es könne offen bleiben, wieviele Allgemeinpraxen geschaffen werden müssten, "wenn man entgegen dem Wortlaut der Initiative restanzliche Einwohnerzahlen ... nicht berücksichtigte".
5.
b) ... Wie es sich mit den Auswirkungen der beanstandeten Erläuterungen verhält, entzieht sich einer ziffernmässigen Festlegung. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Mangel schon deswegen als erheblich zu erachten und die Abstimmung zu kassieren sei. Steht ein Fehler allgemeiner Natur in Frage, dessen Auswirkungen ziffernmässig nicht feststellbar sind, so ist nach den gesamten Umständen zu beurteilen, ob eine Beeinflussung des Abstimmungsergebnisses möglich sei oder nicht (vgl. dazu PICENONI, Die Kassation von kantonalen Volkswahlen und Volksabstimmungen, Diss. Zürich 1945, S. 147 ff.). Dabei ist insbesondere auf die Grösse des Stimmenunterschieds, die Schwere des festgestellten Mangels und auf dessen Bedeutung im Rahmen der gesamten Abstimmung abzustellen. Erscheint die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre, nach den gesamten Umständen als derart gering, dass sie nicht mehr ernsthaft in Betracht kommt, so kann von der Aufhebung des Urnenganges abgesehen werden. Rechtfertigt sich eine solche Beurteilung jedoch nicht, so ist der Mangel als erheblich zu erachten und die Abstimmung zu kassieren (vgl. Urteil vom 4. Oktober 1978 i.S. Progressive Organisationen der Schweiz, Sektion Solothurn; Urteil vom 17. Februar 1965 i.S. Müller, in ZBl. 66/1965, S. 282).
c) Im hier zu beurteilenden Fall fällt vorab ins Gewicht, dass die Initiative mit einem Stimmenverhältnis von beinahe 5 zu 1 abgelehnt wurde und dass sich eine annehmende Mehrheit in keiner einzigen der 107 luzernischen Gemeinden fand. Selbst in der Gemeinde mit dem grössten Anteil an Ja-Stimmen (Emmen), in welcher nach Annahme der Initiative bei elf bestehenden Arztpraxen vier (ev. drei) staatliche Allgemeinpraxen hätten geschaffen werden müssen, wurde das Begehren mit 3535 Nein zu 1295 Ja verworfen. Es kommt hinzu, dass die Mehrzahl der Gründe, gestützt auf welche der Regierungsrat den Stimmbürgern die Ablehnung der Initiative empfahl, ihre
BGE 105 Ia 151 S. 156
Gültigkeit auch bei richtiger Auslegung von § 3 Ziff. 2 behalten hätte. Der Regierungsrat führte in den Schlussfolgerungen des Abstimmungsberichtes folgendes aus:
"Die Einrichtungen und Dienste des bestehenden medizinischen Versorgungssystems bieten Gewähr für eine ausreichende ärztliche Grundversorgung. Die Ärztedichte darf nicht schematisch berechnet werden, wie es die Initiative tut. Patienten aus Randgemeinden suchen häufig die in der Stadt oder regionalen Zentren praktizierenden Ärzte auf. Auch in kleineren Landgemeinden, wo ein entsprechendes Bedürfnis besteht, werden laufend neue Praxen eröffnet. Ab ca. 1980 dürfte infolge des grossen Ärztenachwuchses die ärztliche Versorgung auch in den wenigen bisher noch unterdotierten Gegenden genügend sein. Die Eröffnung von staatlichen Allgemeinpraxen und Polikliniken in der geforderten Art und Zahl entspricht keinem ausgewiesenen Bedürfnis und wäre für den Staat finanziell ohne Steuererhöhungen nicht tragbar, personell nicht zu verantworten und innerhalb von drei Jahren nicht realisierbar."
Es ist anzunehmen, dass die grosse Mehrheit der Stimmbürger die an der Abstimmung vom 4. Dezember 1977 teilnahmen, die Initiative aus den in den Schlussfolgerungen des Abstimmungsberichts dargelegten Gründen ablehnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine zustimmende Mehrheit gefunden hätte, wenn die Initiative richtig erläutert worden wäre, erscheint bei Würdigung aller Umstände als so gering, dass sie nicht ernsthaft in Betracht kommen kann. Erscheint eine Beeinflussung des Abstimmungsergebnisses durch die festgestellten Mängel des Abstimmungsberichts nicht als möglich, so ist von einer Aufhebung des Urnenganges abzusehen und die Beschwerde abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
8c90b2b8-6aec-498f-95ed-0bf9200fb89b | Urteilskopf
91 I 348
56. Auszug aus dem Urteil vom 1. Oktober 1965 i.S. X. gegen Kantonale Rekurskommission Basel-Stadt für eidg. Abgaben. | Regeste
Wehrsteuer vom Einkommen natürlicher Personen: Besteuerung einer Kapitalabfindung für den Anspruch auf Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft. | Sachverhalt
ab Seite 348
BGE 91 I 348 S. 348
Aus dem Tatbestand:
A.-
Der Beschwerdeführer X. war früher in der Bankfirma Y., einer Kommanditgesellschaft, tätig gewesen. Im Jahre 1945 gab er diese Stellung auf und trat als Direktor in die Unternehmung Z. ein. Es wurde ihm das Recht eingeräumt, "jederzeit in der Firma Y. eine stille Beteiligung in Höhe von Fr. ...... zu pari zu erwerben". Im Jahre 1958 trat er aus der Unternehmung Z. aus. Er wollte nun von seinem Recht auf Beteiligung an der Firma Y. Gebrauch machen, doch lehnte diese sein Begehren ab. In der Folge wurde ein Vergleich abgeschlossen, wonach sie ihn für seine Beteiligungsansprüche mit einer Kapitalsumme abfand.
B.-
Diese Summe wurde bei der Veranlagung des Beschwerdeführers für die Wehrsteuer der 11. Periode als Einkommen
BGE 91 I 348 S. 349
angerechnet. Er verlangte, dass die Abfindung - entsprechend der Steuererklärung - von der Wehrsteuer auszunehmen sei, doch wurde das Begehren abgewiesen, zuletzt von der kantonalen Rekurskommission. Diese nahm an, der Beschwerdeführer hätte, falls die Gesellschaft Y. ihm die versprochene und von ihm beanspruchte Beteiligung eingeräumt hätte, als Gesellschafter ein Erwerbseinkommen und Gewinnanteile, allenfalls auch einen Anteil am Liquidationsgewinn, bezogen und wäre für diese Einkünfte nach Art. 21 Abs. 1 lit. a, c und d WStB steuerpflichtig geworden; die für den Wegfall dieser Einnahmen ausgerichtete Abfindung bilde Ersatzeinkommen, für das er nach Art. 21 ebenfalls steuerpflichtig sei.
C.-
Gegen den Entscheid der Rekurskommission erhebt X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde, in welcher er an seinem Standpunkte festhält. Er macht geltend, die Abfindung könne nicht als Entschädigung für die Nichtausübung einer Tätigkeit betrachtet werden. Im Optionsvertrag sei ihm lediglich eine Beteiligung im Sinne eines partiarischen Darlehens zugesichert worden; ein Mitspracherecht sei damit nicht verbunden gewesen. Gegenstand der Option sei ein reines Finanzgeschäft gewesen. Der umstrittene Betrag sei ein Kapitalgewinn, welcher der Wehrsteuer nicht unterliege, da er nicht im Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens entstanden sei (Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB).
D.-
Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht folgt diesem Antrag.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer hat die umstrittene Leistung von der Firma Y. nach dem Wortlaut des mit ihr abgeschlossenen Vergleichs als Abfindung für den Anspruch auf Beteiligung an dieser Gesellschaft erhalten, den er unter Berufung auf das ihm eingeräumte Optionsrecht - ohne Erfolg - geltend gemacht hatte. Die kantonale Rekurskommission führt aus, dass er, falls die Firma Y. die von ihm in Ausübung dieses Rechts erklärte Option angenommen hätte, als Gesellschafter ein Erwerbseinkommen und Gewinnanteile, allenfalls auch einen Anteil am Liquidationsgewinn, bezogen hätte. Wenn diese Betrachtungsweise zutrifft, so ist offensichtlich auch der daraus von der Rekurskommission gezogene Schluss richtig, dass der
BGE 91 I 348 S. 350
Beschwerdeführer für diese Einkünfte nach Art. 21 Abs. 1 lit. a, c und d WStB steuerpflichtig geworden wäre. Ebenso ist dann ihrer Folgerung zuzustimmen, dass die für den Wegfall dieser Einnahmen ausgerichtete Abfindung Ersatzeinkommen bilde, welches vom Beschwerdeführer gemäss Art. 21 ebenfalls zu versteuern sei. In der Tat erfasst diese Bestimmung nach Abs. 1 lit. a jedes Einkommen aus einer (auf Erwerb gerichteten) Tätigkeit "mit Einschluss der Ersatzeinkommen (wie ... Entschädigung für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit)" und nach lit. c jedes Einkommen aus beweglichem Vermögen, "namentlich ... Gewinnanteile aus Guthaben und Beteiligungen aller Art sowie besondere Entgelte oder geldwerte Vorteile, die neben diesen Einkünften oder an deren Stelle gewährt werden". Soweit die streitige Leistung eine Abfindung für einen Anteil des Beschwerdeführers an einem bei der Liquidation der Firma Y. allfällig sich ergebenden Gewinn (Liquidationsgewinn im Sinne der lit. d) bildet, fällt sie nach Art. 21 Abs. 1 ebenfalls in die Steuerberechnung, obwohl die lit. d solches Ersatzeinkommen nicht ausdrücklich aufführt. Die Aufzählung in Art. 21 Abs. 1 lit. a - f ist nicht abschliessend, sondern nennt nur Beispiele. Einkommen, das an die Stelle eines Anteils an einem Liquidationsgewinn im Sinne der lit. d tritt, kann von der Besteuerung, welcher nach der Einleitung des Art. 21 Abs. 1 das "gesamte Einkommen" unterliegt, ebensowenig ausgenommen sein wie das in lit. a und c ausdrücklich erwähnte Ersatzeinkommen.
Der Beschwerdeführer wendet vergeblich ein, dass ihm im Optionsvertrag nicht eine gesellschaftliche Beteiligung, sondern lediglich eine Beteiligung im Sinne eines partiarischen Darlehens zugesichert worden sei. Ob diese Darstellung zutrifft, kann offen gelassen werden. Wäre die Frage zu bejahen, so hätte man es doch mit einer Abfindung für wegfallende Gewinnanteile aus Guthaben oder Beteiligung (partiarischem Darlehen), also mit Ersatzeinkommen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. c, zu tun. Anders wäre es, wenn die Leistung als Tilgung einer Kapitalschuld oder als Rückzahlung von Kapitalanteilen anzusehen wäre, da sie in diesem Falle nicht als Einkommen angerechnet werden könnte, wie die gleiche Bestimmung bestätigt. Allein es wird nicht behauptet und es fehlen auch Anhaltspunkte dafür, dass eine Kapitalrückzahlung vorliegt.
Sodann macht der Beschwerdeführer geltend, der umstrittene Betrag sei ein Kapitalgewinn, welcher der Wehrsteuer
BGE 91 I 348 S. 351
nicht unterliege, da er nicht im Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens entstanden sei (Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB). Aber auch dieser Standpunkt ist unbegründet. Kapitalgewinne setzen einen Kapitaleinsatz voraus (
BGE 88 I 302
am Ende). Daran fehlt es hier; die Firma Y. hat ja die Abfindung gerade deswegen entrichtet, weil sie dem Beschwerdeführer einen (gewinnbringenden) Kapitaleinsatz verwehrt hatte. Es liegt auch nicht eine "Veräusserung" oder "Verwertung" eines "Vermögensstückes" im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB vor. Das Optionsrecht des Beschwerdeführers war persönlicher und obligatorischer Natur und hätte daher nicht Gegenstand eines Veräusserungs- oder Verwertungsgeschäftes bilden können.
Die Abfindung fällt auch nicht unter die Eingänge, die nach ausdrücklicher Anordnung des Art. 21 Abs. 3 WStB nicht als steuerbares Einkommen gelten. Insbesondere fehlen Anhaltspunkte für die Annahme einer Schenkung. Der Beschwerdeführer behauptet nicht das Gegenteil.
Auf jeden Fall stellt die umstrittene Leistung Einkommen des Beschwerdeführers aus einer Einnahmequelle im Sinne des Art. 21 Abs. 1 WStB dar. Sie unterliegt der nach der gesetzlichen Ordnung grundsätzlich alle Quellenerträgnisse erfassenden Wehrsteuer für Einkommen, da ein Grund, sie davon auszunehmen, nicht ersichtlich ist. | public_law | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8c910842-11cc-42dd-90cb-612198d45c57 | Urteilskopf
120 II 237
44. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Juli 1994 i.S. Jost R. gegen X. Hotel AG (Berufung) | Regeste
Gastaufnahmevertrag; Auslegung (
Art. 18 OR
).
Auf den Gastaufnahmevertrag als Innominatkontrakt können die Regeln der einzelnen enthaltenen Vertragstypen nicht unbesehen angewendet werden. Konkret bestimmt sich der Inhalt der Abrede nach ihrem Wortlaut oder dem Ergebnis der Vertrauensauslegung (E. 4a u. b). Erwartung des Gastes, im Hauptgebäude untergebracht zu werden; Anforderungen an die Offertstellung und die angebotenen Räumlichkeiten (E. 4c). | Sachverhalt
ab Seite 237
BGE 120 II 237 S. 237
Jost R., der über Weihnachten/Neujahr 1989/90 eine Suite der X. Hotel AG bewohnt hatte, bestellte im September 1990 für den Jahreswechsel 1990/91 wiederum eine Suite. Mit der Reservationsbestätigung für die Zeit vom 27. Dezember 1990 bis zum 10. Januar 1991 wurde der Preis der Suite mit Fr. 3'000.-- pro Tag angegeben und eine Anzahlung von Fr. 9'000.-- verlangt, welche Jost R. leistete.
BGE 120 II 237 S. 238
Bei seiner Ankunft am 27. Dezember 1990 wurde ihm nicht eine Suite im Hauptgebäude, sondern eine Apartwohnung im Nebentrakt zugewiesen. Diese lehnte er wegen des Standortes sowie wegen Art und Beschaffenheit der Einrichtung ab. Noch gleichentags reiste er ab.
In der Folge klagte Jost R. gegen die X. Hotel AG auf Rückzahlung der Anzahlung. Die X. Hotel AG verlangte widerklageweise die Zusprechung des Entgelts für die vereinbarte Aufenthaltsdauer, nämlich Fr. 42'000.--, abzüglich der Anzahlung von Fr. 9'000.--. Das Bezirksgericht wies die Klage vollumfänglich ab und sprach die Widerklage im Betrage von Fr. 33'000.-- gut. Auf Berufung des Klägers hin änderte das Kantonsgericht das bezirksgerichtliche Urteil dahingehend, dass unter Berücksichtigung einer zugestandenen Reduktion der Kläger zur Zahlung von Fr. 32'000.-- verpflichtet wurde.
In der eidgenössischen Berufung verlangt der Kläger die Aufhebung des Urteils des Kantonsgerichts, die Gutheissung der Klage und die Abweisung der Widerklage.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
a) Die Vorinstanz qualifiziert die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung zutreffend als Gastaufnahmevertrag; dieser ist ein Innominatkontrakt mit Elementen verschiedener Vertragstypen (OR-SCHLUEP, Einleitung vor
Art. 184 ff. OR
, S. 938 ff. mit N. 320 und weiteren Literaturhinweisen). Das bedeutet indessen nicht, dass auf diese Vereinbarung die Regeln der verschiedenen Vertragstypen, insbesondere des Mietvertrages, unbesehen anwendbar wären. Vielmehr gelten in erster Linie die konkreten Absprachen nach Massgabe ihres Wortlautes oder des Ergebnisses ihrer Auslegung nach dem Vertrauensprinzip.
b) Es ist dem Kantonsgericht darin beizupflichten, dass für die Auslegung der Vereinbarung darauf abzustellen ist, wie die Beklagte die Reservation des Klägers verstehen durfte und musste. Richtigerweise hat es für die Beurteilung der Frage, ob die bestellte Suite gleichwertig oder schöner sein sollte, als Vergleichsobjekt jene betrachtet, die dem Kläger im Vorjahr zur Verfügung gestanden hatte. Zuzustimmen ist der Vorinstanz auch darin, dass der Begriff der Schönheit ein subjektiver ist, der für die allein massgebliche qualitative Bewertung kaum Hilfe bietet und folglich hinter den "objektiven Kriterien wie Komfort, Luxus, Platzangebot, Lage,
BGE 120 II 237 S. 239
Aussicht und Ähnlichem" zurückzustehen hat. Aus diesem Grund hätte es das Kantonsgericht nicht mit einem Verweis auf das Urteil des Bezirksgerichts Maloja bewenden lassen dürfen, welches die Suite einzig an ihrer begrifflichen Definition und ihrer Gebrauchstauglichkeit als Mietobjekt gemessen hatte. Nicht zu beanstanden ist hingegen, dass von einem konkreten Vergleich der Räume und ihrer Einrichtung abgesehen wurde, da nicht Gleichheit, sondern Gleichwertigkeit und Preiskonformität gefordert sind. Beide Kriterien sind gegeben, wenn die zugewiesenen Räume nach Massgabe der Erwartungen, die der Kläger in guten Treuen hegen durfte, der im Vorjahr bewohnten Suite insgesamt nicht nachstanden; von dieser Suite genügt zu wissen, dass sie unbestrittenermassen einen hohen Standard aufweist.
c) Bietet ein Hotel ausser im Hotelgebäude auch Räume in anderen Bauten an, so darf der Gast entsprechende Offertstellung und einvernehmliche Zuteilung erwarten. Der Beherberger hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bei Fehlen einer anderweitigen Abmachung auf seiten des Gastes häufig, wenn nicht mehrheitlich, die Vorstellung wie auch der objektiv oder subjektiv begründete Wunsch besteht, im Hauptgebäude, wo sich der Empfang und die Gemeinschaftsräume befinden, untergebracht zu sein. Hingegen werden gewisse Entfernungen zu Schwimmbad oder Fitnessräumen und auch umständliche Zugänge zu diesen Anlagen eher in Kauf genommen, wenn nicht gar bevorzugt.
Vorliegend war der Kläger im Winter 1989/90 in einer Suite im Hauptgebäude untergebracht. Seiner Reservation für den kommenden Jahreswechsel lag als Vergleichsobjekt eben diese Suite zugrunde. Nach dem Vertrauensgrundsatz ergibt sich aus seiner telefonischen Bestellung und deren Bestätigung durch die Beklagte, dass der Kläger eine gleichwertige oder eine schönere Suite im ursprünglichen Hoteltrakt wünschte. Die Unterbringung in einem anderen Gebäudeteil als dem Hauptgebäude hätte die Beklagte zu einer entsprechenden Offenbarung verpflichtet. Des weiteren durfte der Kläger aufgrund des verlangten Preises an die ihm zustehende Suite allerhöchste Ansprüche stellen. Mit der Gebrauchstauglichkeit allein musste er sich entgegen der Auffassung der kantonalen Instanzen nicht zufrieden geben. Entstand die Suite durch Abtrennung der ihr zugeordneten Wohnräume von den für die hotelmässige Nutzung nicht benötigten Teilen einer Apart- oder Mietwohnung, so war die Abgrenzung derart vorzunehmen und die dadurch entstandene Suite so einzurichten, dass sie anderen Suiten der gehobenen Klasse in
BGE 120 II 237 S. 240
nichts nachstand. Das traf hier offensichtlich nicht zu. Die unverkleideten Bohrlöcher für Schlüssel und Türfallen, die teilweise verschlossenen Schränke und der von acht Stühlen umgebene Esstisch in einer für zwei Personen bestimmten Suite vermitteln allzu sehr den Eindruck einer mit mässiger Sorgfalt kaschierten Notlösung, als dass Gäste mit berechtigten hohen Ansprüchen sich darin in gleichem Masse hätten wohlfühlen können wie in der gemäss Reservation zum Vergleichsobjekt erhobenen Suite im Hauptgebäude.
Da die angebotenen Räume nicht vertragskonform waren und ein akzeptabler Ersatz nicht angeboten werden konnte, war der Kläger zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Daraus folgt, dass die von ihm entrichtete Anzahlung zurückzuerstatten ist und die Widerklage auf Bezahlung des Pensionspreises abgewiesen wird. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8c92d2f4-ab59-4774-a04c-60b1ab017e17 | Urteilskopf
96 IV 30
7. Urteil des Kassationshofes vom 13. April 1970 i.S. Schweiz. Bundesanwaltschaft gegen Rey. | Regeste
Art. 360 lit. b StGB
. Eintragung in das Strafregister.
Die Ermächtigung des Bundesrates zur Bezeichnung der eintragungspflichtigen Übertretungen ist auf Tatbestände beschränkt, die ihrer Strafdrohung nach der Umschreibung in
Art. 101 StGB
entsprechen (Erw. 1).
Bei der Einreihung einer strafbaren Handlung in eine der in
Art. 9 und 101 StGB
genannten Deliktskategorien ist die auf den betreffenden Tatbestand angedrohte Höchststrafe massgebend (Erw. 2).
Art. 320 Abs. 1 BStP
. Prozesskostenvergütung durch den Bund.
Unter die im Gesetz aufgezählten Ausnahmen von der Kostentragung durch den Bund fallen auch Gerichtsgebühren (Erw. 4).
Eine durch Entscheid des kantonalen Richters vorgenommene Kostenauflage an den Bund verstösst nicht gegen Bundesrecht (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 31
BGE 96 IV 30 S. 31
A.-
Am 19. Dezember 1969 verurteilte das Obergericht des Kantons Aargau Vinzenz Rey wegen Zollübertretung (Art. 74 Ziff. 11, 75 Abs. 2 und 82 Ziff. 2 ZG) und Hinterziehung der Warenumsatzsteuer (
Art. 52 Abs. 1 und 3 WUStB
) zu einer Busse von Fr. 800.--. Es ordnete an, dass der Eintrag der Verurteilung zu einer Busse im Strafregister zu löschen sei, wenn sich Rey bis zum Ablauf einer einjährigen Probezeit bewähre, und erkannte schliesslich, dass die obergerichtlichen Verfahrenskosten, bestehend aus einer Staatsgebühr von Fr. 200.--, einer Kanzleigebühr sowie den Auslagen von Fr. 86.- vom Angeklagten und vom Bund je zur Hälfte mit Fr. 143.-- zu bezahlen seien.
B.-
Die Schweizerische Bundesanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei insoweit aufzuheben, als damit die bedingt vorzeitige Löschung der Busse vorgesehen und dem Bund Kosten auferlegt worden seien, und es sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Einleitung des administrativen Verfahrens betreffend die Kostenvergütung durch den Bund.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 360 StGB
sind u.a. in die Strafregister aufzunehmen:
a) die Verurteilungen wegen Verbrechen und Vergehen;
b) die Verurteilungen wegen der durch Verordnung des Bundesrates zu bezeichnenden Übertretungen dieses oder eines andern Bundesgesetzes.
Indem diese Bestimmung Strafurteile nicht schlechthin als eintragungspflichtig erklärt, sondern darauf Rücksicht nimmt, ob es sich um Verurteilungen wegen Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen handelt, schliesst sie unmittelbar an die in den
Art. 9 und 101 StGB
getroffene Unterscheidung der Deliktskategorien nach der Art der Strafdrohung an; umschreibt ein Gesetz in seinem allgemeinen Teil bestimmte Begriffe, so spricht
BGE 96 IV 30 S. 32
die Vermutung dafür, dass es sie auch in den Vorschriften der übrigen Abschnitte mit dem gleichen Sinngehalt verwendet. Tatsächlich liegt denn auch nichts vor, was darauf schliessen liesse, der Gesetzgeber habe die Begriffe des Verbrechens, des Vergehens und der Übertretung in
Art. 360 StGB
anders verstanden als in den
Art. 9 und 101 StGB
. Vielmehr weist der Umstand, dass Art. 360 sich im dritten Teil des StGB findet, der von der "Einführung und Anwendung des Gesetzes" handelt, auf die inhaltliche Übereinstimmung der genannten Begriffe hin. Das Gesagte wird endlich durch die Tatsache bestätigt, dass Buchstabe b des
Art. 360 StGB
ausdrücklich die Verurteilungen wegen Übertretungen dieses oder eines andern Bundesgesetzes erwähnt.
Ist dem aber so, kann keinem Zweifel unterliegen, dass auch die in
Art. 360 lit. b StGB
enthaltene Ermächtigung des Bundesrates zur Bezeichnung der eintragungspflichtigen "Übertretungen" auf Tatbestände beschränkt ist, die nach ihrer Strafdrohung der Umschreibung in
Art. 101 StGB
entsprechen.
2.
Was die Einreihung einer strafbaren Handlung in eine der drei genannten Deliktskategorien anbelangt, so ist die auf den betreffenden Tatbestand angedrohte Höchststrafe massgebend, ohne Rücksicht auf die nach den Grundsätzen der Strafzumessung (
Art. 63 ff. StGB
) im gegebenen Fall verwirkte Sanktion (
BGE 74 IV 16
,
BGE 72 IV 51
E. 2). Bei qualifizierten Tatbeständen ist zudem von der auf diese angedrohten Höchststrafe auszugehen, nicht von der Strafandrohung des Grundtatbestandes (
BGE 74 IV 78
E. 2).
3.
Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdegegner wegen Zollübertretung nach
Art. 74 Ziff. 11 und 82 Ziff. 2 ZG
verurteilt worden. Da es sich hiebei um einen qualifizierten Tatbestand handelt, für welchen
Art. 75 Abs. 2 ZG
als Höchststrafe Gefängnis bis zu 6 Monaten vorsieht, hat man es mit einer nach
Art. 360 lit. a StGB
eintragungspflichtigen Verurteilung wegen eines Vergehens zu tun. Die im angefochtenen Urteil für den Fall des Wohlverhaltens des Beschwerdegegners bedingt angeordnete vorzeitige Löschung der Busse ist demnach gerechtfertigt und verstösst nicht gegen
Art. 49 Ziff. 4 StGB
.
Dem hält die Bundesanwaltschaft allerdings entgegen, Art. 13 Ziff. 4 der vom Bundesrat erlassenen Verordnung über das Strafregister schliesse die wegen Übertragung fiskalischer Bundesgesetze ausgesprochenen Bussen vom Eintrag ins Strafregister
BGE 96 IV 30 S. 33
aus. Dabei sei der Ausdruck der Übertretung nicht im Sinne des
Art. 101 StGB
zu verstehen, sondern als Widerhandlung schlechthin aufzufassen.
Die Möglichkeit, dass der Bundesrat bei Erlass dieser Bestimmung von einem andern Begriff der Übertretung ausgegangen ist, als er dem
Art. 360 lit. b StGB
zu Grunde liegt, lässt sich tatsächlich nicht ohne weiteres von der Hand weisen, wird doch der Ausdruck der Übertretung auf dem Gebiete des Fiskalstrafrechtes nicht selten auch zur Bezeichnung von Vergehen verwendet (siehe beispielsweise den Ausdruck der "Zollübertretung" in den vorgenannten Bestimmungen des ZG sowie Art. 281 Abs. 1, 292 Abs. 1 und 317 BStP). Für den Fall, dass der Bundesrat mit Art. 13 Ziff. 4 der Strafregisterverordnung auf dem Umweg eines solcherweise erweiterten Übertretungsbegriffes Bussenurteile wegen fiskalrechtlicher Vergehen vom Eintrag ins Strafregister hätte ausschliessen wollen, müsste die genannte Verordnungsvorschrift als gesetzwidrig erachtet werden, weil sie insoweit den Rahmen der Delegationsnorm des
Art. 360 lit. b StGB
überschritte. Dann aber läge auch im Umstand, dass das angefochtene Urteil Art. 13 Ziff. 4 der genannten Verordnung widerspräche, keine Verletzung von Bundesrecht.
4.
Nach
Art. 320 Abs. 1 BStP
vergütet die Bundeskasse in Fiskalstrafsachen dem Kanton die Prozess- und Vollzugskosten, zu denen der Beschuldigte nicht verurteilt worden ist oder die der Verurteilte nicht bezahlen kann. Besoldungen und Taggelder von Beamten sowie Gebühren und Stempel sind ausgenommen. Absatz 2 der genannten Vorschrift bestimmt des weitern, dass Anstände zwischen dem Bund und einem Kanton über die Vergütung der Kosten die Anklagekammer des Bundesgerichts entscheidet.
a) Zuständig zur Erledigung des vorliegenden Anstandes wäre somit grundsätzlich die Anklagekammer. Da indessen die Kostenfrage zusammen mit einer solchen des materiellen Strafrechtes zur Entscheidung gestellt wurde, das Schwergewicht auf der letztern liegt und diese in die Zuständigkeit des Kassationshofes fällt, ist auch der Anstand über die Verteilung der Kosten von dieser Abteilung des Bundesgerichts zu entscheiden (Art. 9 Abs. 1 des Reglementes für das Schweizerische Bundesgericht).
b) Die Bundesanwaltschaft macht mit Recht geltend, dass
BGE 96 IV 30 S. 34
nach
Art. 320 Abs. 1 BStP
Gerichtsgebühren nicht auf den Bund überwälzt werden können. Zwar spricht Satz 1 der genannten Bestimmung allgemein von den Prozesskosten, zu denen Art. 245 des gleichen Gesetzes ausser den Barauslagen auch die Gerichtsgebühr und die Kanzleigebühren rechnet. Indessen sieht Satz 2 des
Art. 320 Abs. 1 BStP
ausdrücklich eine Ausnahme von der Regel vor, indem Gebühren vom Bund nicht zu vergüten sind. Dass darunter auch die Gerichtsgebühren fallen, erhellt zweifelsfrei aus der Entwicklungsgeschichte dieser Bestimmung. Während nämlich der Bundesrat in seinem Entwurf eines Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege vom 10. September 1929 nicht alle Gebühren, sondern nur die Stempelgebühren von der Kostentragung durch den Bund ausnehmen wollte (BBl 1929 II 633, 721), beantragte die Kommission des Nationalrates dem Parlament, den Art. 322 des Entwurfes (entspricht dem späteren Art. 320) dahin abzuändern, dass sämtliche Gerichtsgebühren von der Vergütung ausgeschlossen werden (Prot. Kom. NatR 25. - 28. August 1930 S. 26 in Verbindung mit S. 5). Die diesem Antrag entsprechende Fassung wurde in der Folge zum Gesetz erhoben.
Ziffer 3 des Dispositivs des angefochtenen Urteils widerspricht infolgedessen der Vorschrift des
Art. 320 Abs. 1 BStP
, soweit darin der Bund mit einer Gerichtsgebühr belastet wurde.
5.
Die Bundesanwaltschaft macht schliesslich geltend, der angefochtene Entscheid verletze auch insofern Bundesrecht, als die Frage der Kostenvergütung durch den Bund durch Urteilsspruch und nicht gemäss bisheriger Praxis auf administrativem Wege erledigt worden sei. Damit übersieht jedoch die Beschwerdeführerin, dass
Art. 320 BStP
den kantonalen Richter nicht hindert, die Kostenaufteilung in seinem Entscheid vorzunehmen. Zwar ist zur Erledigung allfälliger Anstände über die Kostenvergütung grundsätzlich die Anklagekammer zuständig. Unter der Herrschaft des
Art. 156 OG
vom 22. März 1893, der für Strafprozesse, welche vom Bundesrat an die kantonalen Gerichte gewiesen wurden, eine dem
Art. 320 Abs. 1 BStP
ähnliche Regelung vorsah, waren Anstände der genannten Art mit der staatsrechtlichen Beschwerde vor das Bundesgericht zu tragen, was in jedem Fall einen kantonalen Endentscheid voraussetzte (sieheBGE 54 I 68, 183 E. 2). Indem der Staatsgerichtshof als letzte Instanz zur Beurteilung von Kostenverlegungskonflikten in
Art. 320 Abs. 2 BStP
durch die Anklagekammer
BGE 96 IV 30 S. 35
ersetzt wurde, wollte einzig das Verfahren vereinfacht werden (BBl 1929 II 633). Damit war jedoch nur das Verfahren vor Bundesgericht gemeint. Hätte der Gesetzgeber insoweit auch das kantonale Verfahren regeln wollen, so hätte er dies ebenso ausdrücklich tun müssen, wie er den übrigen kantonalen Verfahrensgang in Fiskalstrafsachen in den
Art. 300 ff. BStP
geordnet hat. Da dies nicht geschehen ist, bleibt es dem kantonalen Gesetzgeber anheimgestellt, zu bestimmen, in welcher verfahrensrechtlichen Form die Kostenverlegung auf den Bund zu geschehen hat.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 19. Dezember 1969 insoweit aufgehoben, als es in Ziff. 3 des Dispositivs den Bund mit einer Gerichtsgebühr von Fr. 200.-- belastet. Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. | null | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8c9bc816-9517-4289-a48a-045a96485f88 | Urteilskopf
82 III 51
18. Entscheid vom 14. Juni 1956 i.S. Speck. | Regeste
1. Beginn der Rekursfrist gegen einen während der Betreibungsferien oder des Rechtsstillstandes zugestellten Beschwerdeentscheid (
Art. 56 SchKG
).
2. Eine nur hinsichtlich der Höhe angefochtene Lohnpfändung kann von der Aufsichtsbehörde auch nach ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit überprüft und allenfalls aufgehoben werden.
3. Reihenfolge der Pfändung der Vermögensobjekte. Unter "Forderungen" im Sinne von
Art. 95 Abs. 1 SchKG
sind nicht Lohnguthaben usw. gemäss Art. 93 zu verstehen; solche sind vielmehr erst nach bzw. in Ermangelung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen zu pfänden. | Sachverhalt
ab Seite 51
BGE 82 III 51 S. 51
In der Betreibung seines Kindes für rückständige Alimente wurde dem Schuldner 20% von seinem Lohne = 52 Rp. pro Arbeitsstunde gepfändet. Hiegegen führte der Gläubiger Beschwerde, mit der er die Richtigkeit der Angaben des Schuldners über sein Einkommen und die Berechnung des Existenzminimums beanstandete und beantragte, es seien unbeschadet der bestehenden Lohnpfändung auch die übrigen Aktiven sowie die Liegenschaft des Schuldners zu pfänden.
Die Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde dahin gut, dass sie die Pfändungsurkunde aufhob und das Betreibungsamt
BGE 82 III 51 S. 52
anwies, vorerst das pfändbare bewegliche Vermögen und nötigenfalls auch die Liegenschaft zu pfänden. Sie führt aus, künftige Lohnforderungen gehörten nicht zu den nach
Art. 95 Abs. 1 SchKG
vorab zu pfändenden Forderungen, sondern seien nach dem beweglichen und unbeweglichen Vermögen zu pfänden. Daher sei die verfügte Lohnpfändung aufzuheben und vorerst zu prüfen, ob das bewegliche, eventuell mit dem unbeweglichen Vermögen zur Deckung der Betreibungsforderung ausreiche. Erst wenn dies nicht zutreffe, sei auf den Lohn zu greifen.
Mit dem vorliegenden Rekurs verlangt der Gläubiger Abänderung des angefochtenen Entscheides in dem Sinne, dass die vom Betreibungsamt vollzogene Lohnpfändung in erster Linie und neben der eventuell angeordneten Liegenschaftspfändung bestehen bleibe. Er führt aus, die Lohnpfändung sei weder vom Schuldner noch von ihm angefochten worden; er habe neben derselben noch Pfändung der Liegenschaft verlangt. Die Aufsichtsbehörde habe daher die Lohnpfändung, weil weder angefochten noch nichtig, nicht aufheben dürfen. Deren Aufhebung hätte zur Folge, dass der Schuldner ein weiteres Jahr keine Alimente zahlen würde und der Gläubiger bei der Verwertung der Liegenschaft leer ausgehen könnte.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Die vorschriftswidrig während der Pfingstbetreibungsferien (am 25. Mai 1956) erfolgte Zustellung des angefochtenen Entscheides entfaltete ihre Wirkung erst am 1. Tage nach Ablauf der Ferien, also am 28. Mai, so dass der am 7. Juni aufgegebene Rekurs rechtzeitig war (
BGE 49 III 76
,
BGE 67 III 69
; JAEGER zu Art. 56 N. 3).
2.
Da der Gläubiger mit seiner Beschwerde vom 28. März 1956 nicht nur weitere Sachpfändungen neben der Lohnpfändung verlangte, sondern diese selbst hinsichtlich ihrer Berechnungsgrundlagen (Verdienst, Existenzminimum)
BGE 82 III 51 S. 53
beanstandete, konnte sie nicht in Rechtskraft erwachsen, auch nicht was den Grundsatz bezw. den vom Betreibungsamt gewählten Minimalbetrag betrifft. Die Aufsichtsbehörde konnte daher die Lohnpfändung nach ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit überprüfen und sie, wenn sie mit dem Gesetz nicht in Einklang stand, aufheben.
3.
Im weiteren beanstandet der Rekurrent die Auffassung der Vorinstanz, dass gemäss
Art. 95 Abs. 1 SchKG
eine Lohnpfändung erst nach der Pfändung von beweglichem Vermögen und eventuell Liegenschaften verfügt werden könnte. Der Sinn der in Art. 95 aufgestellten Reihenfolge der zu pfändenden Vermögenswerte ist der, dass zuerst die dem Schuldner leichter entbehrlichen und rasch verwertbaren Werte herangezogen werden sollen, vor denjenigen, deren er weniger leicht entraten kann; Liegenschaften sind nur zu pfänden, soweit das bewegliche Vermögen zur Deckung nicht ausreicht, oder im Einverständnis von Gläubiger und Schuldner. In der Praxis ist indessen anerkannt, dass unter "Forderungen" nicht Lohnguthaben usw. im Sinne von
Art. 93 SchKG
zu verstehen und diese vielmehr in letzter Linie, nach bezw. in Ermangelung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen zu pfänden sind (JAEGER zu Art. 95 N. 1 S. 290, Art. 93 N. 5 i.f.). Diese Praxis ist berechtigt, denn eigentlich ist die Lohnpfändung nur eine bedingte Pfändung, bedingt nämlich durch die künftige Entstehung der Lohnforderung und durch die Einschränkung gemäss Art. 93, d.h. nur so weit letztere das Existenzminimum übersteigen wird. Auch bei Alimentenbetreibungen, denen das Existenzminimum nur beschränkt entgegengehalten werden kann, ist jene Regel begründet. Es sollen nicht erst künftig entstehende Forderungen ergriffen werden, solange primär pfändbare Werte zur Verfügung stehen. Die Vorinstanz stellte nun fest, dass der Schuldner eine Liegenschaft besitzt, allenfalls auch Mobilien. Diese Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich. Es sind daher zuerst diese Vermögenswerte
BGE 82 III 51 S. 54
heranzuziehen; erst wenn sie sich als unzureichend erweisen, kann auf den Lohn gegriffen werden.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8ca00d19-dfca-4622-b37b-73982e42ddbf | Urteilskopf
112 II 167
29. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. April 1986 i.S. Eidgenössische Alters- und Hinterlassenenversicherung gegen Basler Versicherungs-Gesellschaft (Direktprozess) | Regeste
Motorfahrzeughaftpflicht. Regressrecht der Sozialversicherung.
Art. 48ter Satz 2 AHVG
enthält entgegen seinem Wortlaut und Äusserungen zu seiner Entstehung keinen blossen Vorbehalt, sondern eine Haftungsbeschränkung zugunsten der in
Art. 129 Abs. 2 KUVG
(nun in
Art. 44 Abs. 1 UVG
) erwähnten Familienangehörigen.
Die Beschränkung kann einer Regressforderung der Sozialversicherung entgegengehalten werden, gleichviel ob der vom Unfall Betroffene bei der SUVA versichert gewesen sei oder nicht. | Sachverhalt
ab Seite 167
BGE 112 II 167 S. 167
A.-
Antonio Carrieri wohnte 1982 in Neuenstadt (BE) und war Halter eines VW-Lieferwagens, der mit schweizerischen Kontrollschildern versehen war. Für seine Halterhaftpflicht war er bei der "Basler" versichert.
BGE 112 II 167 S. 168
Am 10. Juli 1982 fuhr er in Begleitung seiner Ehefrau sowie der Tochter Orietta mit dem Wagen durch das Aostatal. Im Gebiet von Gignod brach am Wagen eine Stabilisierungsstange. Carrieri verlor daraufhin die Herrschaft über das Fahrzeug, das über die Strasse hinaus geriet und sich überschlug. Seine Frau kam beim Unfall ums Leben. Ein Strafverfahren gegen Carrieri wurde vom "Tribunale di Aosta" am 21. Dezember 1982 mangels Verschuldens eingestellt.
Orietta Carrieri, die am 28. November 1971 geboren ist, bezieht von der Eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung seit dem 1. August 1982 eine "Mutterwaisenrente" (
Art. 48 AHVV
). Das Deckungskapital der Rente beträgt Fr. 28'249.--.
B.-
Am 20. September 1985 klagte die Eidgenössische Alters- und Hinterlassenenversicherung, vertreten durch das Bundesamt für Sozialversicherung, beim Bundesgericht gegen die "Basler" auf Zahlung von Fr. 28'249.-- nebst 5% Zins seit 1. August 1982. Die Klägerin berief sich in der Sache auf
Art. 48ter AHVG
.
Das Bundesgericht weist die Klage gemäss Antrag der Beklagten ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 48ter AHVG
tritt die Alters- und Hinterlassenenversicherung bis auf die Höhe ihrer gesetzlichen Leistungen in die Ansprüche ein, die der Versicherte und seine Hinterlassenen gegen den haftpflichtigen Dritten haben (Satz 1);
Art. 129 KUVG
"bleibt vorbehalten" (Satz 2). Hier kommt einzig
Art. 129 Abs. 2 KUVG
in Frage, der durch
Art. 44 UVG
ersetzt worden ist, weshalb nun diese Bestimmung als vorbehalten gilt (SCHAER, Grundzüge des Zusammenwirkens von Schadenausgleichsystemen, Randziffer (Rz.) 967; BOLLER, La limitation de la responsabilité civile des proches et de l'employeur à l'égard du travailleur, Diss. Freiburg 1984, S. 70). Nach
Art. 44 Abs. 1 UVG
steht dem obligatorisch Versicherten und seinen Hinterlassenen ein Haftpflichtanspruch gegen den Ehegatten, einen Verwandten in auf- und absteigender Linie oder eine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebende Person nur zu, wenn der Belangte den Unfall absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat. Streitig ist vorliegend, ob diese Einschränkung der Haftpflicht auch einer Regressforderung der Sozialversicherung gemäss
Art. 48ter AHVG
entgegengehalten werden kann, wenn es um Ansprüche unter Familienangehörigen
BGE 112 II 167 S. 169
wie hier geht. Die Beklagte bejaht die Frage, zumal ein Fall reiner Kausalhaftung vorliege; die Klägerin verneint sie dagegen, weil die Verstorbene nicht bei der SUVA versichert gewesen sei.
a) Satz 2 von
Art. 48ter AHVG
war im Entwurf des Bundesrates nicht enthalten. Er geht auf einen Antrag Hefti in der ständerätlichen Kommission zurück, die Haftung des Dritten fallenzulasen, soweit eine Institution, der er Prämien zahle, die Haftung übernehme. Der Antrag wurde in der Folge dahin abgeändert, dass
Art. 129 KUVG
vorbehalten bleibe. Damit sollte laut Protokoll der Subkommission für Regressfragen (S. 3) sichergestellt werden, dass die Haftungsbeschränkung des Arbeitgebers und der Familienglieder nach KUVG grundsätzlich auch für den Rückgriff der Sozialversicherungen gelte, weshalb
Art. 129 KUVG
ähnlich wie in
Art. 80 SVG
ausdrücklich zu erwähnen sei. Zusammenfassend stellte die Subkommission fest, dass die gleiche Beschränkung "in jedem Fall auch für AHV/IV gilt", auf
Art. 129 KUVG
"daher an sich nicht besonders verwiesen" werden müsste, es aber nicht schaden könne, diese Bestimmung zu erwähnen. Der Vorschlag der Subkommission ist sodann ohne weitere Begründung nicht nur von der ständerätlichen Kommission (Prot. vom 26. April 1977 S. 6/7) und vom Ständerat selber (Sten.Bull. StR 1977 S. 263), sondern im Differenzbereinigungsverfahren auch vom Nationalrat (Sten.Bull. NR 1977 S. 748) angenommen worden.
Die Äusserungen der Entstehungsgeschichte zu Satz 2 von
Art. 48ter AHVG
sind unklar, ja widersprüchlich und ergeben daher keine schlüssigen Anhaltspunkte für die Frage, wie der Vorbehalt in Fällen wie hier zu verstehen ist. Die vermeintliche Ähnlichkeit zur Fassung des
Art. 80 SVG
vor Inkrafttreten des UVG besteht nicht, weil darin ausdrücklich jenen Geschädigten, die bei der SUVA versichert sind, die Ansprüche aus dem SVG unter Vorbehalt von
Art. 129 KUVG
gewahrt blieben. Gilt die Haftungsbeschränkung gemäss
Art. 129 Abs. 2 KUVG
"in jedem Fall auch" für die Sozialversicherungen, wie die Subkommission angenommen hat, so kommt nichts darauf an, ob der Verletzte oder Getötete bei der SUVA versichert gewesen ist, wie dies Art. 80 aSVG verlangte. Wird die Haftungsbeschränkung dagegen nicht von einer bestehenden Versicherung bei der SUVA abhängig gemacht, so musste auf
Art. 129 KUVG
verwiesen, konnte folglich entgegen der Annahme der Subkommission auf den Hinweis nicht verzichtet werden. Ein besonderer Hinweis erübrigte sich nur,
BGE 112 II 167 S. 170
wenn die Vorschrift des
Art. 129 Abs. 2 KUVG
im Bereich der Sozialversicherungen bloss unter den in ihr genannten Voraussetzungen anwendbar sein sollte; dazu gehörte insbesondere, dass der Unfall einen bei der SUVA Versicherten traf.
b) Eine Gesetzesbestimmung ist in erster Linie aus sich selbst, d.h. nach ihrem Wortlaut, Sinn und Zweck sowie nach den ihr zugrunde liegenden Wertungen auszulegen. Die Vorarbeiten sind weder verbindlich noch für die Auslegung unmittelbar entscheidend (
BGE 103 Ia 290
E. 2c mit Hinweisen); denn ein Gesetz entfaltet, wie in
BGE 67 II 236
E. 2d gerade zu
Art. 129 Abs. 2 KUVG
ausgeführt worden ist, ein eigenständiges, vom Willen des Gesetzgebers unabhängigen Dasein, sobald es in Kraft getreten ist. Das heisst nicht, die Gesetzesmaterialien seien methodisch unbeachtlich; sie können namentlich dann, wenn eine Bestimmung unklar ist oder verschiedene, sich widersprechende Auslegungen zulässt, ein wertvolles Hilfsmittel sein, den Sinn der Norm zu erkennen (
BGE 100 II 57
mit Hinweisen). Das ist hier allerdings nicht der Fall, da die Äusserungen der Subkommission zu Satz 2 von
Art. 48ter AHVG
die Schwierigkeit, wie der streitige Vorbehalt zu verstehen ist, nicht beseitigen, sondern erhöhen. Fragen kann sich daher bloss, ob der an sich klare Wortlaut den Sinn, den Satz 2 von
Art. 48ter AHVG
in Verbindung mit Satz 1 vernünftigerweise haben muss, wirklich wiedergibt oder ob er ihm gar zuwiderläuft. Diesfalls darf auch von einem klaren Text abgewichen werden (
BGE 105 II 138
E. 2a und
BGE 101 Ia 207
mit Hinweisen).
Wortlaut und Einordnung des streitigen Vorbehaltes ermöglichen, wie SCHAER (Rz. 835) und STOESSEL (Das Regressrecht der AHV/IV gegen den Haftpflichtigen, Diss. Zürich 1982, S. 48/49) aufzeigen, verschiedene Auslegungen. Nach den Äusserungen zu ihrer Entstehung könnte angenommen werden, dass die Bestimmung nur das vorbehalte, was bereits in
Art. 129 Abs. 2 KUVG
gesagt sei. Diese Auslegung hat zwar den Wortlaut für sich, entbehrt aber jeder Rechtfertigung; Satz 2 von
Art. 48ter AHVG
wäre sinn- und zwecklos, hielte er bloss fest, was auch ohne einen solchen Hinweis bereits aufgrund von
Art. 129 Abs. 2 KUVG
gilt (STOESSEL, S. 49; SCHAER, Rz. 835). Abzulehnen ist auch die Auffassung, das in
Art. 129 Abs. 2 KUVG
enthaltene Haftungsprivileg sei anzuwenden, wenn der Verletzte oder Getötete nicht bei der SUVA, sondern nur bei der AHV/IV versichert ist. Die Sozialversicherungen decken den Versorgerschaden in den allerwenigsten Fällen ausreichend; da sie nur das notwendige Mindesteinkommen
BGE 112 II 167 S. 171
sicherstellen wollen, müssen die bei ihnen Versicherten sehr oft sogar zusätzliche Bedingungen erfüllen, um in den Genuss der vollen Leistungen zu kommen. Es kann daher nicht der Sinn des Gesetzes sein, den Geschädigten durch eine weiterreichende Haftungsbeschränkung noch mehr zu benachteiligen; das widerspräche nicht nur dem System, sondern liefe auch den Grundgedanken des Gesetzes stracks zuwider (STOESSEL, S. 49; GEISER, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre Schranken, Diss. Bern 1982, S. 118/19).
Im Schrifttum wird Satz 2 von
Art. 48ter AHVG
durchwegs dahin ausgelegt, dass Regresse der Sozialversicherung gegenüber den in
Art. 129 Abs. 2 KUVG
genannten Familienangehörigen auszuschliessen sind, weshalb man diese Bestimmung in jener nicht bloss hätte vorbehalten, sondern für sinngemäss anwendbar erklären müssen (SCHAER, Rz. 967; STOESSEL, S. 49/50; BOLLER, S. 70; GEISER, S. 118). Das eine wie das andere leuchtet ein. Die Einschränkung der Haftpflicht von Familienangehörigen gemäss
Art. 129 Abs. 2 KUVG
ist Ausfluss der Idee, dass die Sozialversicherung nicht mit der linken Hand zurücknehmen soll, was sie mit der rechten gegeben hat, weil dies als stossend bezeichnet werden müsste. Das ist zu Recht bereits in der bundesrätlichen Botschaft zum Entwurf des KUVG von 1906 hervorgehoben worden (
BGE 67 II 235
) und heute mehr denn je als allgemein gültige Überlegung zu beachten, wenn der soziale Zweck der AHV gegenüber Familienangehörigen, die eine wirtschaftliche Einheit bilden, nicht in Frage gestellt werden soll (MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, S. 355; SCHAER, Rz. 966 ff. mit Hinweisen). Eine harmonisierende Betrachtungsweise in dem Sinne, dass der Familienangehörige unbekümmert um die Herkunft der Leistungen allgemein privilegiert wird, drängt sich um so mehr auf, als
Art. 72 Abs. 3 VVG
ebenfalls ein solches Privileg für Personen enthält, die mit dem Anspruchsberechtigten in häuslicher Gemeinschaft leben. Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten gelangt, allerdings im Wege der Lückenfüllung, zum gleichen Ergebnis.
c) Aus diesen Gründen ist vorliegend ein Recht der Klägerin, gemäss
Art. 48ter AHVG
auf haftpflichtige Dritte zurückzugreifen, wegen der allgemeingültigen Privilegierung von Familienangehörigen zu verneinen, gleichviel ob das vom Unfall betroffene Opfer bei der SUVA versichert gewesen sei oder nicht. Damit fehlt der Klage die rechtliche Grundlage. | public_law | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8ca78712-9912-4e0f-b65d-320b6959075f | Urteilskopf
86 IV 65
18. Entscheid der Anklagekammer vom 8. April 1960 i.S. Pache gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Untersuchungsrichter des Kantons Waadt. | Regeste
Art. 264 BStP
.
Bis zu welchem Zeitpunkt kann der Beschuldigte die Anklagekammer zur Bestimmung des Gerichtsstandes anrufen, wenn dem Begehren ein kantonales Verfahrehren vorausgegangen ist, in welchem über die Zuständigkeitsfrage entschieden wurde (Erw. 1)?
Art. 346 Abs. 1 Satz 2,
Art. 348 StGB
.
1. Gerichtsstand des Erfolgsortes bei Wucher, begangen durch Gewährung von Darlehen seitens eines im Ausland befindlichen Kreditinstituts an in der Schweiz wohnhafte Personen (Erw. 2).
2. Der Gerichtsstand des Erfolgsortes geht den Gerichtsständen aus
Art. 348 StGB
vor (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 66
BGE 86 IV 65 S. 66
A.-
Pache, vormals in Vaduz, nunmehr in der Waadt wohnhaft, wird beschuldigt, im Jahre 1958 durch die von ihm geleitete Firma Etablissement Transcrédit in Vaduz zum Nachteil verschiedener Personen in Zürich wucherische Darlehensgeschäfte getätigt zu haben. So sollen drei Personen, die sich auf Grund von Prospekten oder Inseraten um Darlehen an die genannte Firma gewandt hatten, nach Ausstellung der von dieser verlangten Schuldanerkennungen und (verbürgten) Darlehenswechsel Beträge von Fr. 1000.--, Fr. 1500.-- und Fr. 2000.-- erhalten haben, die zu ungefähr 30% jährrlich zu verzinsen waren. Die Verhandlungen zwischen der Firma und den Borgern waren nach den Akten ausschliesslich auf dem Korrespondenzweg geführt worden.
B.-
Von der Bezirksanwaltschaft Zürich aufgefordert, sich zur Sache vernehmen zu lassen, bestritt Pache die örtliche Zuständigkeit der Zürcher Behörden, indem er geltend machte, die Darlehensverträge seien in Vaduz abgeschlossen worden und dort sei auch der Erfolg eingetreten.
BGE 86 IV 65 S. 67
Die Einrede der Unzuständigkeit wurde in zweiter Instanz von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Verfügung vom 9. Dezember 1959 abgewiesen.
C.-
Mit Eingabe vom 19. Februar/11. März 1960 ersucht Pache die Anklagekammer des Bundesgerichtes um Bestimmung des Gerichtsstandes. Er beantragt, es sei den Behörden des Kantons Zürich die örtliche Zuständigkeit abzusprechen, eventuell sei der Kanton Waadt gemäss
Art. 348 Abs. 1 StGB
als Wohnsitzkanton mit der Sache zu befassen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt im Einvernehmen mit dem Untersuchungsrichter der Waadt Abweisung des Gesuches.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1.
Das Gesuch um Bestimmung des Gerichtsstandes nach
Art. 264 BStP
ist an keine gesetzliche Frist gebunden. Der Beschuldigte hat daher formell das Recht, bis zu seiner Aburteilung die Anklagekammer anzurufen (
BGE 85 IV 209
); dies auch dann, wenn dem Begehren ein kantonales Verfahren vorausgegangen ist, in welchem die Einrede der örtlichen Zuständigkeit Gegenstand einer besonderen Entscheidung der mit der Strafuntersuchung befassten oder einer dieser übergeordneten Behörde (Rekursinstanz) bildete. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass der Beschuldigte mit dem Weiterzug des über die Zuständigkeitsfrage ergangenen kantonalen Entscheides beliebig lange zuwarten dürfe. Die Anklagekammer hat gegenteils stets verlangt, dass der Beschuldigte, der den Gerichtsstand bestreiten will, das in einem Zeitpunkt tue, in dem das Verfahren noch nicht soweit gediehen ist, dass sich eine Änderung des Gerichtsstandes mit dem Erfordernis einer raschen Abwicklung der Strafverfolgung nicht mehr verträgt (
BGE 72 IV 194
,
BGE 85 IV 209
).
In Anwendung dieser Grundsätze könnte sich fragen, ob das vorliegende Gesuch, das erst drei Monate nach dem Rekursentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich bei der Anklagekammer eingereicht wurde, nicht
BGE 86 IV 65 S. 68
verspätet sei. Indessen wird eine solche Verspätung weder von den beteiligten kantonalen Behörden geltend gemacht, noch ist den dem Bundesgericht eingereichten Akten zu entnehmen, dass die Untersuchung in der Zwischenzeit bereits soweit vorangeschritten sei, dass sie unmittelbar vor dem Abschluss stehe und sich aus diesem Grunde ein Wechsel des Gerichtsstandes nicht mehr verantworten liesse. Es ist daher zu prüfen, ob das Gesuch nach den gesetzlichen Normen begründet sei.
2.
Nach
Art. 346 Abs. 1 StGB
sind für die Verfolgung und Beurteilung einer strafbaren Handlung die Behörden des Ortes zuständig, wo die strafbare Handlung ausgeführt wurde. Liegt nur der Ort, wo der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig.
Dass die strafbaren Handlungen, deren Pache beschuldigt wird, in der Schweiz ausgeführt worden seien, hat die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich in ihrer Verfügung vom 9. Dezember 1959 nicht angenommen. Sie hielt jedoch dafür, dass der deliktische Erfolg in Zürich eingetreten sei. Der Wortlaut des Gesetzes (
Art. 157 StGB
) lasse deutlich erkennen, dass die Erfüllung des Tatbestandes durch das "Gewährenlassen" oder "Versprechenlassen" von Vermögensleistungen eine Tätigkeit des Bewucherten voraussetze. So hätten denn im vorliegenden Fall die ausgebeuteten Personen die ihnen auf dem Korrespondenzweg aus Vaduz zugestellten Unterlagen prüfen, die Darlehensverträge unterzeichnen und die Vertragsinstrumente dem Beschuldigten zurücksenden müssen. Ihre Tätigkeit sei, auch wenn zivilrechtlich die Darlehensverträge damit nicht als zustandegekommen betrachtet werden könnten, dem strafrechtlich relevanten Erfolg zuzurechnen. Dieser sei zumindest sowohl in Zürich als auch in Vaduz eingetreten.
Demgegenüber wendet der Gesuchsteller ein, die Staatsanwaltschaft gehe von einem unrichtigen Begriff des Erfolges im Sinne des
Art. 346 Abs. 1 StGB
aus. Sie übersehe,
BGE 86 IV 65 S. 69
dass in der Tatbestandsumschreibung des
Art. 157 StGB
nichts davon stehe, dass der Bewucherte dem Wucherer etwas gewähre oder verspreche; vielmehr gehöre zum Wesen des Wucherdeliktes, dass der Täter sich etwas gewähren oder versprechen lasse, er somit die Offerte des Opfers annehme.
Des Wuchers macht sich gemäss
Art. 157 StGB
schuldig, wer die Notlage, die Abhängigkeit, die Geistesschwäche, die Unerfahrenheit, die Charakterschwäche oder den Leichtsinn einer Person ausbeutet, um sich oder einem andern für eine Vermögensleistung Vermögensvorteile gewähren oder versprechen zu lassen, die mit der Leistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen. Danach genügt, dass die Ausbeutung zum Mittel gemacht werde, um einen auf Austausch von Vermögensleistungen gerichteten Vertrag, in welchem Leistung und Gegenleistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen, zustande zu bringen (
BGE 80 IV 18
). Vollendet ist das Verbrechen mit dem Abschluss des wucherischen Geschäftes. Vorher kann, was auch der Gesuchsteller anerkennt, Versuch gegeben sein, indem sich beispielsweise die Verhandlungen über den abzuschliessenden Vertrag zerschlagen, weil sich der Auszubeutende noch rechtzeitig eines Besseren besinnt (THORMANN/v. OVERBECK, Kommentar, N. 11 und LOGOZ, Kommentar, N. 5 zu Art. 157). In jedem Falle wird der Tatbestand entscheidend durch das Merkmal der Ausbeutung geprägt, die notwendigerweise ein Opfer voraussetzt, von dem sich der Täter die wucherischen Vermögensvorteile gewähren oder versprechen lässt. Durch diese Ausbeutung wird der Bewucherte nicht bloss im Sinne einer "Fernwirkung", sondern unmittelbar betroffen, unbekümmert darum, ob er mit dem Geschädigten identisch sei oder nicht (vgl.
BGE 80 IV 18
). Entsprechend tritt denn auch der verbrecherische Erfolg mindestens teilweise schon dort ein, wo der Bewucherte auf Veranlassung des Wucherers tätig wird, von wo aus er die von diesem ausbedungenen Vermögensleistungen gewährt oder verspricht
BGE 86 IV 65 S. 70
(anderer Auffassung, HAFTER, Lehrbuch, Bes. Teil I S. 303 und LOGOZ, Kommentar, N. 5 zu Art. 157; vgl. ferner für die unerlaubte Handlung auf dem Gebiete des ZivilrechtesBGE 76 II 111). Dass im vorliegenden Fall die wucherischen Darlehensverträge zivilrechtlich erst mit der Entgegennahme der Willenserklärung der Bewucherten durch den Gesuchsteller zustandekamen, steht der Bestimmung des Gerichtsstandes nach
Art. 346 Abs. 1 Satz 2 StGB
nicht entgegen. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist lediglich, dass die Strafverfolgung einer Tat in Frage steht, die - auch als Distanzdelikt - gemäss
Art. 7 StGB
im Inland verübt wurde. Das ist bei den dem Gesuchsteller vorgeworfenen strafbaren Handlungen, deren Erfolg, wie ausgeführt, nach der Aktenlage zumindest teilweise in der Schweiz eingetreten ist, der Fall.
3.
Für die Anwendung von
Art. 348 StGB
bleibt daher kein Raum. Diese Bestimmung gilt bloss subsidiär, nämlich dann, wenn der Tatort sich im Ausland befindet oder nicht ermittelt werden kann. Der Gerichtsstand des in der Schweiz gelegenen Erfolgsortes geht somit wie derjenige des Ausführungsortes den Gerichtsständen aus
Art. 348 StGB
vor (vgl.
BGE 68 IV 54
,
BGE 73 IV 59
).
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Gesuch wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8cad71dc-4010-4a3a-ba9e-3f4661e65b58 | Urteilskopf
125 II 192
18. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Januar 1999 i.S. Eidgenössische Alkoholverwaltung und Eidgenössisches Finanzdepartement gegen X. AG und Eidgenössische Alkoholrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 28 Abs. 4 AlkG
, Art. 2 Abs. 2 der Verordnung über die Alkoholmonopolgebühren (AlkMGV);
Art. 103 OG
; Bestimmung der Branntweinverschnitte, die der erhöhten Monopolgebühr unterliegen.
Die Eidgenössische Alkoholverwaltung ist gestützt auf
Art. 103 lit. a OG
legitimiert, einen Entscheid der Alkoholrekurskommission anzufechten, mit dem von ihr geltend gemachte Monopolabgaben aufgehoben werden (E. 2).
Grammatikalische, historische, systematische, teleologische sowie geltungszeitliche Auslegung von
Art. 28 Abs. 4 AlkG
und
Art. 2 Abs. 2 AlkMGV
(E. 3).
Branntweine, die falsch deklariert wurden und deren Rohstoffe erst durch komplexe Analysen ermittelt werden können, haben im Sinne von
Art. 2 Abs. 2 AlkMGV
als «Branntweine, die aus unbestimmten Rohstoffen hergestellt wurden», zu gelten (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 193
BGE 125 II 192 S. 193
Die Eidgenössische Alkoholverwaltung leitete 1994 gegen den damaligen Direktor der X. AG sowie gegen deren heutigen Vizedirektor eine Verwaltungsstrafuntersuchung ein. In deren Rahmen stellte sie fest, dass verschiedene Sendungen von Williamsbrand, Pflaumen-Brandy sowie Pflaumenwasser durch die X. AG als reine Obstbrände deklariert und zur Entrichtung der ordentlichen Monopolgebühr angemeldet worden waren. Analysen des Labors Eurofins in Nantes, Frankreich, ergaben indessen, dass die Lieferungen zu einem überwiegenden Teil aus Feinsprit und nur zu einem geringen Teil aus Obstdestillat bestanden haben sollen. Die Eidgenössische Alkoholverwaltung verfügte deshalb am 9. September 1996, dass die X. AG die Differenz zwischen der einfachen und der erhöhten Monopolgebühr von Fr. 240'041.65 zuzüglich Zins von Fr. 44'979.90, total Fr. 285'021.55, nachzuentrichten sowie die Verfahrenskosten zu bezahlen habe. Nach ihrer Ansicht hätten die umstrittenen Einfuhren als der erhöhten Monopolgebühr unterliegende Verschnitte deklariert werden müssen.
Die Eidgenössische Alkoholrekurskommission hiess die von der X. AG hiergegen erhobene Beschwerde am 11. Dezember 1997 gut. Die in Art. 2 Abs. 2 der Verordnung vom 21. August 1991 über die Alkoholmonopolgebühren (AlkMGV; SR 682.21) für Verschnitte vorgesehene erhöhte Monopolgebühr beziehe sich ausschliesslich auf Verschnitte der in Abs. 1 genannten gebrannten Wasser (Whisky, Gin, Wodka, Rum usw.); andere Verschnitte fielen demgegenüber lediglich unter die ordentliche Monopolgebühr von
Art. 1 AlkMGV
.
Die Eidgenössische Alkoholverwaltung und das Eidgenössische Finanzdepartement haben hiergegen je Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, diesen Entscheid aufzuheben.
BGE 125 II 192 S. 194
Die X. AG beantragt, auf die Beschwerden nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Die Eidgenössische Alkoholrekurskommission hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Mit Verfügung vom 8. Oktober 1998 hat der Instruktionsrichter den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben, sich zur Frage zu äussern, ob falsch deklarierte Branntweine der erhöhten Monopolgebühr deshalb unterliegen könnten, weil sie aus «unbestimmten Rohstoffen» im Sinne von
Art. 2 Abs. 2 AlkMGV
hergestellt sind.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerden gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache an die Vorinstanz zurück
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
a) aa) Das Bundesrechtspflegegesetz unterscheidet die allgemeine Beschwerdelegitimation (
Art. 103 lit. a OG
) von der besonderen Behördenbeschwerde nach
Art. 103 lit. b oder c OG
, zu deren Erhebung die Eidgenössische Alkoholverwaltung mangels einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage vorliegend nicht befugt ist. Nach
Art. 103 lit. a OG
kann Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen, wer durch die angefochtene Verfügung berührt wird und ein schutzwürdiges eigenes Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Diese Befugnis ist herkömmlicherweise auf Private zugeschnitten. Ein Gemeinwesen ist gestützt hierauf jedoch ebenfalls beschwerdelegitimiert, soweit es gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen wird, was insbesondere dann der Fall ist, wenn seine vermögensrechtlichen Interessen in Frage stehen (
BGE 123 II 371
E. 2c S. 374 f., 542 E. 2d S. 544 f., je mit Hinweisen). Im Übrigen ist das Gemeinwesen gestützt auf
Art. 103 lit. a OG
beschwerdebefugt, wenn es durch die angefochtene Verfügung zwar in seinen hoheitlichen Befugnissen berührt wird, jedoch ein schutzwürdiges eigenes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (
BGE 124 II 293
E. 3b S. 304;
BGE 123 II 371
E. 2c S. 374, 542 E. 2d S. 545, je mit Hinweisen; PETER KARLEN, in: Geiser/Münch, Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., Basel u. Frankfurt a.M. 1998, Rz. 3.46). Allein die blosse Absicht, die richtige Anwendung des objektiven Bundesrechts durchzusetzen, genügt hierzu jedoch nicht, insbesondere ist eine Vorinstanz nicht bereits wegen eines allfälligen Unterliegens in einem Rechtsmittelverfahren bzw. allein wegen der Tatsache beschwerdebefugt, dass sie in einem Bereich, in dem sie zur Rechtsanwendung zuständig ist,
BGE 125 II 192 S. 195
eine bestimmte Rechtsauffassung vertritt, die in Widerspruch zu jener einer anderen zuständigen oder übergeordneten Behörde oder Instanz steht. Nach
Art. 103 lit. a OG
legitimiert sind sodann grundsätzlich nur Gemeinwesen als solche, nicht hingegen auch einzelne Behörden oder Verwaltungszweige ohne eigene Rechtspersönlichkeit (
BGE 123 II 371
E. 2d S. 375, 542 E. 2f S. 545 f.).
bb) Die Eidgenössische Alkoholverwaltung ist eine selbständige öffentlichrechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit (Art. 71 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser [Alkoholgesetz, AlkG; SR 680]; Häfelin/Müller, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Aufl., Zürich 1998, Rz. 1047; Jean-François Aubert in Kommentar BV, Art. 32bis, Rz. 106) und nicht lediglich eine Behörde oder ein Zweig der Zentralverwaltung, so dass ihrer Legitimation insofern nichts entgegensteht (unveröffentlichte E. 2c von
BGE 114 Ib 94
ff.). Die für öffentliche Gemeinwesen entwickelten Legitimationsgrundsätze sind auf sie analog anwendbar, weshalb sie zur vorliegenden Beschwerde legitimiert ist, falls sie durch den umstrittenen Entscheid in den in ihren Wirkungskreis fallenden spezifischen öffentlichen Interessen in besonderem Mass berührt wird, was zu bejahen ist: Nach
Art. 71 Abs. 1 AlkG
besorgt die Alkoholverwaltung die sich aus der Durchführung der Alkoholgesetzgebung ergebenden Geschäfte, wozu sie eine eigene Rechnung führt (
Art. 71 Abs. 3 AlkG
). Sie erwirtschaftet aus dem Verkauf und der fiskalischen Belastung gebrannter Wasser einen Reinertrag, der zu 90 Prozent an den Bund und zu 10 Prozent an die Kantone geht (
Art. 44 AlkG
), wobei der Anteil des Bundes seinerseits wieder für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung zu verwenden ist (
Art. 45 Abs. 1 AlkG
). Die Erhebung von Alkoholmonopolgebühren hat damit nicht nur einen gesundheitspolitischen Zweck, indem der Alkoholismus bekämpft werden soll, sondern auch einen unmittelbar fiskalischen (vgl. AUBERT, a.a.O., Rz. 91 ff. u. 113 ff.), weshalb die Einnahmen der Alkoholverwaltung nicht nur Reflexwirkung der von ihr zu vollziehenden Gesetzgebung sind, wie dies in
BGE 105 Ib 348
ff. (bezüglich einer Verfügung der Nationalbank) der Fall war. Die Eidgenössische Alkoholverwaltung ist deshalb - in Übereinstimmung mit dem Urteil vom 3. Juni 1988 (unveröffentlichte E. 2c von
BGE 114 Ib 94
ff.), wo ihre Legitimation nur deshalb offen gelassen wurde, weil sich die Beschwerdebegehren nicht auf die erhobenen Abgaben, sondern auf eine Zuständigkeitsfrage bezogen - gestützt auf
Art. 103 lit. a OG
legitimiert, einen Entscheid
BGE 125 II 192 S. 196
der Rekurskommission anzufechten, mit dem von ihr geltend gemachte Monopolgebühren aufgehoben werden (so auch Peter Uebersax, in: Moser/Uebersax, Prozessieren vor eidgenössischen Rekurskommissionen, Basel u. Frankfurt a.M. 1998, Rz. 6.57).
b) Das Eidgenössische Finanzdepartement überwacht die Amtsführung der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (
Art. 70 Abs. 2 AlkG
). Es ist damit das in der Sache zuständige Departement und deshalb gestützt auf
Art. 103 lit. b OG
ohne weiteres befugt, gegen Entscheide der Alkoholrekurskommission Beschwerde zu führen, ohne dass es - im Unterschied zur Beschwerdebefugnis nach
Art. 103 lit. a OG
- hierfür noch eines besonderen schutzwürdigen Interesses bedürfte; es genügt insofern jenes an der richtigen Durchsetzung des Rechts (vgl. KARLEN, a.a.O., Rz. 3.48). Das Eidgenössische Finanzdepartement hat seine Beschwerde nicht lediglich «bedingt» eingereicht, für den Fall, dass das Bundesgericht auf jene der Eidgenössischen Alkoholverwaltung nicht eintreten sollte. Es hat die entsprechende Unsicherheit vielmehr nur als Motiv für die parallele Beschwerdeführung von Alkoholverwaltung und Departement genannt und sein Interesse an der Klärung der Frage nach der Beschwerdebefugnis der Alkoholverwaltung bekundet. Ob und wie weit eine bedingte Beschwerdeführung zulässig wäre (vgl.
BGE 101 Ib 216
E. 2;
BGE 100 Ib 351
E. 1 S. 353), braucht deshalb nicht weiter geprüft zu werden.
3.
a) Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente; dabei kommt es namentlich auf den Zweck der Regelung, die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf den Sinnzusammenhang an, in dem die Norm steht. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, den Sinn der Norm zu erkennen (
BGE 123 II 595
E. 4a S. 600;
BGE 122 V 362
E. 4a S. 364;
BGE 121 III 219
E. 1d/aa S. 224;
BGE 118 Ib 187
E. 4 S. 190;
BGE 116 II 411
E. 5b S. 415).
b) Die Beschwerdegegnerin hat Waren eingeführt, für die, so wie sie deklariert wurden, die ordentliche Monopolgebühr gemäss
Art. 1 Abs. 1 AlkMGV
für «Branntweine» (Fassung vom 21. August 1991, AS 1991 1862) bzw. «gebrannte Wasser» (Terminologie der Fassung vom 15. Januar 1997) zu entrichten war (und auch entrichtet wurde). In Wahrheit soll es sich dabei allerdings nicht um reine Obstbrände, sondern um Verschnitte mit Trinksprit gehandelt haben.
BGE 125 II 192 S. 197
Die Eidgenössische Alkoholverwaltung wollte deshalb die erhöhte Monopolgebühr nach
Art. 2 Abs. 2 AlkMGV
erheben, was die Alkoholrekurskommission ablehnte, weil sich die erhöhte Monopolgebühr für Verschnitte gemäss
Art. 2 Abs. 2 AlkMGV
nur auf solche der in
Art. 2 Abs. 1 AlkMGV
genannten Branntweine, nicht aber auf Verschnitte von Obstbranntweinen schlechthin beziehe.
c)
Art. 2 AlkMGV
in der hier massgebenden Fassung vom 21. August 1991 lautet wie folgt:
«Art. 2 Erhöhte Monopolgebühr
1 Bei der Einfuhr von Whisky, Gin, Wodka, Rum und anderen Branntweinen aus Getreide, Kartoffeln und Melasse oder Zucker sowie von Weinbrand (einschl. Cognac und Armagnac) ist, anstelle der ordentlichen Monopolgebühr, eine erhöhte Monopolgebühr zu entrichten. Sie beträgt ...
2 Die erhöhte Monopolgebühr gilt auch für Verschnitte und Mischungen der in Absatz 1 genannten Branntweine untereinander und mit anderen gebrannten Wassern sowie für Branntweine, die aus unbestimmten Rohstoffen hergestellt wurden.»
Die erhöhte Monopolgebühr wurde ursprünglich mit dem Bundesratsbeschluss vom 25. September 1964 über die Entrichtung einer erhöhten Monopolgebühr auf bestimmten Branntweinen (AS 1964 868) eingeführt. Die damals massgebende Bestimmung (Art. 1) hatte dabei folgenden Wortlaut:
«1 Bei der Einfuhr von Whisky, Gin, Wodka, Rum und anderen Branntweinen aus Getreide, Kartoffeln und Zuckerrohr sowie von Cognac und Armagnac ist, anstelle der ordentlichen Monopolgebühr, eine erhöhte Monopolgebühr zu entrichten.
2 Die erhöhte Monopolgebühr gilt auch für Verschnitte und für Mischungen der in Absatz 1 genannten Branntweine untereinander und mit anderen gebrannten Wassern.»
d) aa) Es fragt sich vorweg, was unter dem Ausdruck «Verschnitt» zu verstehen ist: In der heutigen Lebensmittelverordnung (LMV; SR 817.02) findet sich der Begriff bei den Spirituosen nicht mehr (Art. 399 ff.). Hingegen definierte die alte Lebensmittelverordnung vom 26. Mai 1936 (BS 4 469) den Branntweinverschnitt (Weinbrandverschnitt, Kirschwasserverschnitt usw.) bis zum 1. Januar 1988 als ein Erzeugnis, das in der Maische oder im fertigen Zustand einen Zusatz von Alkohol in Form von Feinsprit oder Extrafeinsprit erhalten hat, wobei in Branntweinverschnitten aber mindestens die Hälfte des vorhandenen Alkohols von echten Branntweinen der betreffenden Art herrühren musste (
Art. 394 Abs. 1 und 4 aLMV
). Mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung darf davon ausgegangen
BGE 125 II 192 S. 198
werden, dass der Begriff «Verschnitt» für die Erhebung der Alkoholmonopolgebühren in Übereinstimmung mit dem Lebensmittelrecht im selben Sinne (Zusatz von Trinksprit) verstanden werden sollte, auch wenn die Branntweinverschnitte heute lebensmittelrechtlich nicht mehr geregelt sind, nachdem für sie - jedenfalls in neuerer Zeit - in der Schweiz kein Markt mehr bestand. Unter diesen Umständen können sich die Begriffe «Verschnitte» und «Mischungen» in
Art. 2 Abs. 2 AlkMGV
sprachlich aber - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nicht beide auf den folgenden Satzteil «in Absatz 1 genannten Branntweine untereinander und mit anderen gebrannten Wassern» beziehen. Denn wenn der Ausdruck «Verschnitte» an die «in Absatz 1 genannten Branntweine» gebunden wäre, müsste dies auch für das Wort «untereinander» gelten, was keinen Sinn ergäbe, da Verschnitte Branntweine mit Zusatz von Trinksprit sind und nicht Mischungen von verschiedenen Branntweinen. Auch wenn sich demnach der Begriff «Verschnitte» nicht auf den Satzteil «in Absatz 1 genannte Branntweine» beziehen lässt, steht damit allerdings noch nicht fest, dass Verschnitte von gebrannten Wassern jeglicher Art, also auch von Obstbranntweinen, gemeint sind. Vielmehr lässt der Wortlaut des deutschen Textes die Frage offen. Das Gleiche gilt für die französische Fassung, die sich mit der deutschsprachigen deckt («... est aussi applicable aux coupages et aux mélanges entre elles des boissons distillées désignées au 1er alinéa ou avec d'autres boissons distillées...»). Was in der deutschen und der französischen Fassung offen bleibt, wird allerdings in der italienischen entschieden: «...è applicata parimenti alle bevande distillate, menzionate al capoverso 1, tagliate o miscelate tra loro o con altre bevande distillate ...». Hier bezieht sich der Begriff «verschnitten» (tagliate) nur auf die in Absatz 1 erwähnten gebrannten Wasser. Ob der italienische Text den wahren Sinn der Norm wiedergibt, ist anhand der weiteren Auslegungselemente zu prüfen.
bb) Die Gesetzessystematik schafft dabei keine Klarheit: Zwar ist die Vorinstanz der Meinung, dass sich die Regelung von
Art. 2 Abs. 2 AlkMGV
systematisch auf jene von Abs. 1 und damit auf die dort genannten gebrannten Wasser beziehen müsse, denn wenn auch Verschnitte jener gebrannten Wasser gemeint gewesen wären, die der ordentlichen Monopolgebühr nach
Art. 1 AlkMGV
unterliegen, wäre diesem Artikel ein zusätzlicher Absatz über Verschnitte beigefügt oder aber ein eigenständiger Artikel geschaffen worden, der sämtliche Verschnitte erfasst hätte. Dem lässt sich jedoch entgegenhalten,
BGE 125 II 192 S. 199
dass
Art. 1 AlkMGV
die ordentliche Monopolgebühr regelt,
Art. 2 AlkMGV
hingegen allgemein die erhöhte. Auch aus dem Umstand, dass die ordentlichen und die erhöhten Monopolgebühren ursprünglich in zwei verschiedenen Erlassen erfasst wurden (Bundesratsbeschluss vom 25. September 1964 über die Entrichtung einer erhöhten Monopolgebühr auf bestimmten Branntweinen und Bundesratsbeschluss vom 24. Februar 1959 über die Entrichtung von Monopolgebühren [AS 1959 124]), lässt sich nichts ableiten. Wenn der Verordnungsgeber im deutschen und französischen Text von «Verschnitten» spricht, braucht sich dies nicht zwingend auf Branntweine zu beziehen, die in demselben Erlass erwähnt sind, sondern kann auch bedeuten, dass sämtliche Verschnitte, d.h. Brände mit Spritzusatz, erfasst werden sollten.
e) aa) Die Erhebung von erhöhten Monopolgebühren beruht auf
Art. 28 Abs. 4 AlkG
. Danach kann die Monopolgebühr für «bestimmte Arten gebrannter Wasser zu Trinkzwecken, die in der Vollziehungsverordnung näher zu bezeichnen sind», bis um die Hälfte erhöht werden. Die Botschaft des Bundesrats hält dazu fest, diese Bestimmung, welche von Kreisen, die einen hohen Ertrag der Alkoholgesetzgebung wünschten, mit aller Bestimmtheit gefordert worden sei, solle ermöglichen, besonders teure Branntweine und Liköre mit ausgesprochenem Luxuscharakter mit einer erhöhten Abgabe belasten zu können (BBl 1931 I S. 762 f.). Von der entsprechenden Befugnis hat der Bundesrat allerdings erst im Jahre 1964 Gebrauch gemacht. Bis dahin wurde unterschiedslos auf der Einfuhr gebrannter Wasser lediglich die ordentliche Monopolgebühr erhoben.
bb) Dem Bundesrat ging es bei der Wahrnehmung seiner Kompetenz in der Folge nicht in erster Linie darum, Luxusprodukte zu bezeichnen und diese einer erhöhten Monopolgebühr zu unterwerfen: Aus dem Bericht vom 1. September 1964 des damaligen Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartements ergibt sich vielmehr, dass generell die massive Zunahme des Imports ausländischer gebrannter Wasser (Verdoppelung in den 4 Jahren zuvor) den Bundesrat zur Einführung der erhöhten Monopolgebühr veranlasste. Eine allgemeine Erhöhung der Monopolgebühren sei nicht möglich, da sonst auch die inländischen Branntweinsteuern erhöht werden müssten, ansonsten die EFTA-Partner geltend machten, ihre Exporte würden diskriminiert. Eine Erhöhung der Inlandsteuern sei überdies umso weniger angezeigt, als die Zunahme des Alkoholkonsums auf die Einfuhren zurückgehe, während die Inlandproduktion habe stabil
BGE 125 II 192 S. 200
gehalten werden können. Es sei daher sachgerecht, eine erhöhte Monopolgebühr gestützt auf
Art. 28 Abs. 4 AlkG
einzuführen, und zwar für Branntweine aus Getreide (Whisky, Gin, Kornbranntwein usw.) und aus Zuckerrohr (wie Rum) sowie Kartoffelbranntwein, weil die Herstellung dieser Erzeugnisse in der Schweiz aus volksgesundheitlichen Gründen untersagt sei und es darum nicht angehe, dass dieselben Produkte unbegrenzt und ohne besondere Belastung aus dem Ausland eingeführt würden. Gegen eine derart begründete Erhöhung liessen sich seitens der EFTA keine ernsthaften Einwände erheben. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die einheimischen Brenner noch insofern benachteiligt seien, als das Brennen von Getreide und Zuckerrohr bei billigen Rohstoffpreisen eine weit höhere Alkoholausbeute ergebe als das Brennen hiesiger Früchte. Und schliesslich gehe es darum, die in Mode gekommenen Getränke Whisky und Gin, deren Einfuhr massiv zugenommen habe, zu erfassen und ihren Konsum zu dämpfen. Da auch der Import von Weinbrand stark angestiegen sei, solle Cognac und Armagnac ebenfalls in die Regelung einbezogen werden, was aussenhandelspolitisch insofern einen gewissen Ausgleich schaffe, als damit nicht nur die EFTA-Partner als Exporteure von Whisky und Gin sowie die Bundesrepublik Deutschland als Exporteurin von Kornbranntwein und Steinhäger, sondern auch Frankreich betroffen werde.
cc) Diese Begründung für die Einführung von erhöhten Monopolgebühren zeigt, dass sich der Bundesrat sowohl von gesundheitspolitischen, aussenhandelspolitischen als auch agrarpolitischen überlegungen leiten liess. Die Intentionen des historischen Gesetzgebers, Besteuerung von Luxusprodukten, spielten dabei demgegenüber keine Rolle. Es geht deshalb am Sachverhalt vorbei und wirkt künstlich, wenn die Rekurskommission annimmt, der Bundesrat habe mit der Verordnung aus dem Jahre 1964 diejenigen Brände bezeichnet, welche er für Luxusprodukte gehalten habe. Demgemäss überzeugt auch ihre Überlegung nicht, verschnittene Produkte könnten nicht gemeint gewesen sein, weil sie alles andere als Luxusprodukte seien. Die Delegationsnorm von
Art. 28 Abs. 4 AlkG
beschränkt den Bundesrat nicht darauf, Luxusprodukte zu bezeichnen; der Gesetzestext enthält keine entsprechende Beschränkung, sondern ist - für das Bundesgericht verbindlich (
BGE 122 II 411
E. 3b S. 416 f., mit Hinweisen) - offen gehalten. Zudem ist dabei zu beachten, dass eine Ausscheidung von gebrannten Wassern mit Luxusqualität auf Grund der veränderten Realien heute kaum mehr möglich wäre (und auch schon zu Beginn der 60er Jahre nicht mehr
BGE 125 II 192 S. 201
möglich war), weshalb der Delegationsnorm insofern eine gewandelte Bedeutung beigemessen werden müsste (
BGE 121 III 125
E. 1c/bb in fine S. 131;
BGE 116 II 525
E. 2b S. 527 f.), falls sie überhaupt so eng verstanden werden könnte, wie dies die Vorinstanz tut.
f) Damit ist allerdings lediglich gesagt, dass der Zweck der erhöhten Monopolgebühren einer Erfassung von Verschnitten jeglicher Art (namentlich auch von Obstbranntweinverschnitten) nicht zum Vornherein entgegensteht. Dass diese von
Art. 2 Abs. 2 AlkMGV
tatsächlich auch erfasst werden, ergibt sich daraus noch nicht. Der erwähnte Bericht des Finanz- und Zolldepartements, auf den sich die Einführung erhöhter Monopolgebühren stützt, hält in diesem Zusammenhang fest: «Die erhöhte Monopolgebühr ist nicht nur auf den in Frage stehenden reinen Branntweinen zu erheben, sondern, um Umgehungen zu vermeiden, auch auf den Verschnitten und den Mischungen mit anderen Branntweinen». Bei der entsprechenden Regelung ging es somit darum, Umgehungen zu vermeiden, indessen nicht, eine eigenständige Kategorie «Verschnitte» zu erfassen, zumal gerade auf die «in Frage stehenden» reinen Branntweine Bezug genommen wurde. Die Vermeidung von Umgehungen dürfte sich folglich auf diese beziehen. Wohl liesse sich argumentieren, der agrarpolitische Zweck, den der Bundesrat verfolgt habe, verlange, dass alle Erzeugnisse aus billigen Ausgangsprodukten mit einer erhöhten Monopolgebühr belegt würden. Der Bundesrat folgte bei Erlass der Verordnung im Jahre 1964 indessen nicht ausschliesslich diesem Kriterium, sondern liess sich von einer Vielzahl von Überlegungen - gesundheits-, agrar- und handelspolitischer Art - leiten und legte gestützt hierauf die gebrannten Wasser fest, die der erhöhten Gebühr unterworfen werden sollten. Gerade handelspolitische Gründe hätten damals dagegen sprechen können, Verschnitte von Branntweinen zu erfassen, die auch in der Schweiz hergestellt werden durften, sollte gegenüber den EFTA-Partnern doch geltend gemacht werden, dass sich die erhöhte Monopolgebühr für jene Erzeugnisse rechtfertige, deren Herstellung in der Schweiz untersagt sei. Die Erläuterungen des Finanz- und Zolldepartements aus dem Jahre 1964 bestätigen daher eher den Normsinn, wie er sich aus dem italienischen Wortlaut von
Art. 2 Abs. 2 AlkMGV
ergibt (und auch mit dem deutschen und französischen Text vereinbar erscheint), nämlich, dass die Verschnitte der in
Art. 2 Abs. 1 AlkMGV
aufgeführten gebrannten Wasser der erhöhten Monopolgebühr unterworfen sein sollten, ohne dass auch Verschnitte der übrigen gebrannten Wasser erfasst würden.
BGE 125 II 192 S. 202
g) aa) Die Auslegung einer Norm kann nun allerdings nicht bei den Intentionen des historischen Verordnungsgebers stehen bleiben. Zum einen sind die Materialien nicht unmittelbar und allein entscheidend (E. 3a hievor). Zum andern gewinnen Normen ihre Bedeutung auch aus dem Zusammenhang, in dem sie stehen, weshalb sich ihr Rechtssinn mit diesem ändern kann (vgl.
BGE 122 I 222
E. 1b/aa S. 224). Die Regelung über die erhöhten Alkoholmonopolgebühren hat seit 1964 verschiedene Anpassungen erfahren: In der Fassung vom 23. Dezember 1968 (AS 1969 43) kam zu Cognac und Armagnac Weinbrand schlechthin hinzu, vor allem aber ist nicht mehr nur von Branntweinen aus Zuckerrohr, sondern aus «Melasse oder Zucker» die Rede. Die Verordnung vom 20. Dezember 1972 (AS 1973 11) erweiterte sodann die Umgehungsnorm auf Branntweine, «bei denen nicht feststeht, aus welchen Rohstoffen sie hergestellt sind» (in der Fassung vom 21. August 1991: «Branntweine, die aus unbestimmten Rohstoffen hergestellt wurden»). Diese Ergänzungen - «Melasse oder Zucker» und Branntweine aus unbestimmten Rohstoffen - verstärken die schon in der ursprünglichen Verordnung angelegte Tendenz, Branntweine aus billigen Rohstoffen der erhöhten Monopolgebühr zu unterwerfen. Sie akzentuieren die damit verfolgte Zielsetzung, aus gesundheitspolitischen Gründen zu verhindern, dass billige Branntweine auf den Markt kommen, und zugleich die teurere schweizerische Branntweinproduktion aus Früchten vor billig produzierten Branntweinen aus minderwertigen Rohstoffen zu schützen.
bb) Der den Obstdestillaten beigemischte Trinksprit wird aus billigen Rohstoffen hergestellt. Vorliegend wurden - nach den Feststellungen der Eidgenössischen Alkoholverwaltung - Zuckerrüben, Zuckerrohr und Mais verwendet. Branntweine aus diesen Rohstoffen unterlägen ohne weiteres der erhöhten Alkoholmonopolgebühr nach
Art. 2 Abs. 1 AlkMGV
. Die im Laufe der Zeit aus gesundheits- und agrarpolitischen Gründen zusehends verstärkte Tendenz, gebrannte Wasser aus billigen Rohstoffen der erhöhten Monopolgebühr zu unterstellen, legt es nahe, Verschnitte in jedem Fall - und nicht nur Verschnitte bestimmter Brände - mit dieser erhöhten Gebühr zu erfassen. Nachdem Branntweinverschnitte seit 1988 in der Schweiz nicht mehr verkehrsfähig sind, lassen sich gegen eine solche Auslegung auch keine handelspolitischen Gründe mehr einwenden. Vielmehr entspricht diese nunmehr gerade den Intentionen des Verordnungsgebers, die erhöhte Monopolgebühr auf denjenigen gebrannten Wassern zu erheben, die im Inland nicht hergestellt
BGE 125 II 192 S. 203
werden dürfen. Der deutsche und französische Wortlaut schliesst, wie schon dargelegt, dieses weite Verständnis der Verordnung nicht aus. Es entspricht dem geltungszeitlich verstandenen agrar-, gesundheits- und handelspolitischen Zweck der Regelung. Demnach sprechen gewichtige Gründe dafür, Verschnitte von Williamsbrand, Pflaumen-Brandy und Pflaumenwasser, wie sie hier nach den Feststellungen der Alkoholverwaltung importiert wurden, mit der erhöhten Monopolgebühr zu belasten.
4.
Die entsprechenden Importe unterliegen dieser aber letztlich auch aus einem anderen Grund:
a) Die Eidgenössische Alkoholrekurskommission hat es unterlassen, die Frage zu prüfen, ob Branntweine, die falsch deklariert wurden und deren Rohstoffe erst durch Analysen haben ermittelt werden können, im Sinne von
Art. 2 Abs. 2 AlkMGV
nicht als «Branntweine, die aus unbestimmten Rohstoffen hergestellt wurden», zu qualifizieren sind und aus diesem Grund der erhöhten Monopolgebühr unterliegen. Der Instruktionsrichter hat den Parteien Gelegenheit gegeben, sich hierzu noch zu äussern. Die entsprechenden rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen der Eidgenössischen Alkoholverwaltung und des Eidgenössischen Finanzdepartements sind - entgegen den Einwendungen der Beschwerdegegnerin - beachtlich: Das Bundesgericht ist an unvollständige Sachverhaltsfeststellungen der Alkoholrekurskommission, was hier - mangels Prüfung der entscheidenden Frage - ohne weiteres der Fall ist, nämlich nicht gebunden (vgl.
Art. 105 Abs. 2 OG
); die sich stellenden Rechtsfragen prüft es im Rahmen der Anträge losgelöst von den Ausführungen der Vorinstanz (vgl. Art. 114 Abs. 1 in fine OG;
BGE 117 Ib 114
E. 4a S. 117).
b) aa) Die Alkoholmonopolgebühr wird, soweit an der Grenze eingezogen, von den Zollorganen auf Rechnung der Eidgenössischen Alkoholverwaltung erhoben, wobei auf Veranlagung, Bezug und Sicherstellung die Vorschriften der Zollgesetzgebung entsprechende Anwendung finden (
Art. 34 Abs. 1 und 2 AlkG
). Bei der Einfuhr von Spirituosen machen die Zollorgane systematisch von der Möglichkeit der materiellen Überprüfung der Ware Gebrauch (Art. 36 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 [ZG; SR 631.0]). Das Zollamt erhebt hierfür zwei unverzollte Muster, wobei das eine bei ihm aufbewahrt und das andere der Oberzolldirektion zugestellt wird, welche dieses der Eidgenössischen Alkoholverwaltung zur Festlegung der Monopolgebühr unterbreitet. Die Eidgenössische Alkoholverwaltung kontrolliert primär die Gradstärke analytisch,
BGE 125 II 192 S. 204
während die Überprüfung der Brandsorte lediglich organoleptisch, d.h. nach Geschmack und Geruch erfolgt.
bb) Die hier nachträglich durchgeführten Analysen des Labors Eurofins in Nantes beruhen dagegen auf der sogenannten SNIF-NMR-Methode (Spezifische Natürliche Isotopenfraktionierung gemessen durch Nuklear-Magnetische Resonanz). Diese basiert darauf, dass das Isotopenmuster bei der Vergärung des Zuckers zu Alkohol in ähnlicher Form an das Ethanolmolekül vererbt wird. Als Referenzwert bei der Unterscheidung dient authentisches Material (Ethanol aus der Frucht eines bestimmten Gebietes). Auf Grund der festgestellten Abweichungen der Isotopenverhältnisse lassen sich Verfälschungen ausmachen. Die genaue Zusammensetzung der Rohstoffe (Rüben, Zuckerrohr, Mais) des den Obstbränden zugesetzten Fremdanteils kann hingegen nicht ermittelt werden.
c) Die von der Beschwerdegegnerin eingeführten Obstbrände bestehen aus bestimmten Rohstoffen, soweit es sich um jene handelt, welche das entsprechende Destillat bezeichnen und als das es deklariert wurde. Hingegen sind die Rohstoffe des zugesetzten Sprits nicht bestimmt, weil auch mit der aufwendigen Analysemethode, die hier zur Anwendung kam, deren genaue Zusammensetzung nicht festgestellt werden kann. Der Einwand, dass Trinksprit kein Branntwein sei, weil ihm das Aroma und der Geschmack der Ausgangsrohstoffe entzogen ist (Art. 1 Abs. 1 lit. e der Verordnung zum Alkohol- und zum Hausbrennereigesetz; SR 680.11), ändert hieran schon deshalb nichts, weil jedenfalls ein Branntwein auf Grund der bestimmten Rohstoffe vorliegt, die das Destillat bezeichnen. Der Spritzusatz, dessen Ausgangsrohstoffe nicht bestimmt sind, führt dazu, dass der Branntwein teilweise aus unbestimmten Rohstoffen besteht und deshalb entsprechend zu qualifizieren ist. Es kann nicht vom Stand der Analysemethoden abhängen, ob Rohstoffe als bestimmt oder unbestimmt zu gelten haben. Der Importeur darf nicht beliebige Angaben machen, während es Sache der Verwaltung wäre, herauszufinden, welches die verwendeten Rohstoffe sind. Kann die Alkoholverwaltung nachweisen, dass die für die Herstellung des Trinkbranntweins verwendeten Rohstoffe nicht den deklarierten entsprechen, so sind die Rohstoffe bei diesem Stand der Ermittlungen als «unbestimmt» zu bezeichnen. Gelingt es mit aufwendigen und feinen Methoden darüber hinaus noch, die Ausgangsrohstoffe schliesslich auszumachen, so ändert dies nichts mehr daran, dass ein Branntwein aus «unbestimmten Rohstoffen» eingeführt wurde, der dementsprechend der erhöhten Gebühr unterliegt.
BGE 125 II 192 S. 205
5.
a) Die von der Eidgenössischen Alkoholverwaltung und dem Eidgenössischen Finanzdepartement erhobenen Beschwerden erweisen sich deshalb so oder anders als begründet. Da seitens der Beschwerdegegnerin gegen die Erhebung der erhöhten Monopolgebühr im konkreten Fall zahlreiche weitere Einwände erhoben wurden, die bisher ungeprüft geblieben sind, rechtfertigt es sich, die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen (
Art. 114 Abs. 2 OG
). | public_law | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8caf62a6-f881-44a4-b8c4-ea47ff436513 | Urteilskopf
124 V 75
12. Auszug aus dem Urteil vom 13. Januar 1998 i.S. B. gegen Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern, und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 38 Abs. 1 AVIG
.
Die dreimonatige Frist zur Geltendmachung des Anspruchs auf Kurzarbeitsentschädigung beginnt nach Ablauf der jeweiligen Abrechnungsperiode, und zwar unabhängig davon, ob die kantonale Amtsstelle oder die Rekursinstanz bereits einen Entscheid über die Auszahlung gefällt hat. | Sachverhalt
ab Seite 75
BGE 124 V 75 S. 75
A.-
B., Inhaber eines Ingenieurbüros für Hoch- und Tiefbau, hatte im Jahre 1993 für seine Arbeitnehmer Kurzarbeitsentschädigung bezogen. Am 17. Dezember 1993 meldete seine Firma dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA), Bern, die Weiterführung der Kurzarbeit ab 1. Januar bis Ende März 1994 an. Am 10. Februar 1994 erhob das KIGA Einspruch gegen die Auszahlung der Entschädigung. Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern gut und hob die Einspruchsverfügung auf (Entscheid vom 23. Juni 1995). Gestützt darauf teilte das KIGA der Arbeitslosenkasse am 12. Juli 1995 mit, dass für Januar bis März 1994 nunmehr Kurzarbeitsentschädigung ausgerichtet werden könne. Am 20. Juli 1995 liess die Firma dem KIGA die entsprechenden Abrechnungsformulare zukommen. Mit Verfügung vom 28. September 1995 lehnte die Arbeitslosenkasse die Auszahlung der Entschädigung für die Monate Januar bis März 1994 ab, weil die Geltendmachung nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen dreimonatigen Frist erfolgt sei.
B.-
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 10. Juni 1996 ab.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B. beantragen, in Aufhebung von kantonalem Gerichtsentscheid und Verfügung des KIGA vom 28. September 1995 sei die Anspruchsberechtigung auf Kurzarbeitsentschädigung für die Zeit ab
BGE 124 V 75 S. 76
Januar bis März 1994 zu bejahen.
Die Arbeitslosenkasse verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA; ab 1. Januar 1998: Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit, nachfolgend: BWA) beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die vom Beschwerdeführer für die Monate Januar bis März 1994 beantragte Kurzarbeitsentschädigung rechtzeitig geltend gemacht wurde. (...).
2.
Die Gesetzgebung über die Arbeitslosenversicherung enthält in verschiedenen Bereichen Regelungen über die Fristen, deren Befolgung für die Wahrung der einzelnen Leistungsansprüche von erheblicher Bedeutung ist. Zu unterscheiden sind dabei einerseits die zeitliche Limitierung für die Meldung von Arbeitsausfällen und anderseits diejenige für die Geltendmachung der Entschädigungsansprüche.
b) Beabsichtigt ein Arbeitgeber, für seine Arbeitnehmer Kurzarbeitsentschädigung geltend zu machen, so muss er dies der kantonalen Amtsstelle grundsätzlich mindestens zehn Tage vor Beginn der Kurzarbeit schriftlich melden (
Art. 36 Abs. 1 AVIG
). Der Bundesrat kann für Ausnahmefälle kürzere Anmeldefristen vorsehen (Satz 2). Die Meldung ist zu erneuern, wenn die Kurzarbeit länger als 6 Monate dauert (Satz 3). Hat der Arbeitgeber die Kurzarbeit ohne entschuldbaren Grund verspätet angemeldet, so wird der Arbeitsausfall erst anrechenbar, wenn die für die Meldung vorgeschriebene Frist abgelaufen ist (
Art. 58 Abs. 4 AVIV
).
Art. 36 Abs. 2 AVIG
bestimmt, welche Angaben der Arbeitgeber in der Voranmeldung zu machen hat. Dazu gehören u.a. die Zahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer (lit. a) sowie das Ausmass und die voraussichtliche Dauer der Kurzarbeit (lit. b). Der Arbeitgeber muss gemäss
Art. 36 Abs. 3 AVIG
in der Voranmeldung die Notwendigkeit der Kurzarbeit begründen und anhand der durch den Bundesrat bestimmten Unterlagen glaubhaft machen, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach den Art. 31 Abs. 1 und 32 Abs. 1 lit. a AVIG erfüllt sind. Die kantonale Amtsstelle kann weitere zur Prüfung nötige Unterlagen einverlangen. Hält die kantonale Amtsstelle eine oder mehrere Anspruchsvoraussetzungen für nicht erfüllt, erhebt sie durch Verfügung gegen die Auszahlung der Entschädigung Einspruch (
Art. 36 Abs. 4 AVIG
).
BGE 124 V 75 S. 77
Gemäss
Art. 38 Abs. 1 AVIG
macht der Arbeitgeber den Anspruch seiner Arbeitnehmer auf Kurzarbeitsentschädigung innert drei Monaten nach Ablauf jeder Abrechnungsperiode gesamthaft für den Betrieb bei der von ihm bezeichneten Kasse geltend. Als Abrechnungsperiode gilt ein Zeitraum von einem Monat oder von vier zusammenhängenden Wochen (
Art. 32 Abs. 5 AVIG
). Die Frist für die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs beginnt mit dem ersten Tag nach der Abrechnungsperiode (
Art. 61 AVIV
). Bezüglich der Form der Geltendmachung bestimmt
Art. 38 Abs. 3 AVIG
, dass der Arbeitgeber der Kasse die für die weitere Beurteilung der Anspruchsberechtigung und die Berechnung der Entschädigung erforderlichen Unterlagen (lit. a), eine Abrechnung über die an seine Arbeitnehmer ausgerichtete Kurzarbeitsentschädigung (lit. b) sowie eine Bestätigung einzureichen hat, dass er die Verpflichtung zur Fortzahlung der Sozialversicherungsbeiträge übernimmt (lit. c). Die Kasse kann wenn nötig weitere Unterlagen verlangen. Entschädigungen, die der Arbeitgeber nicht fristgemäss geltend macht, werden ihm nicht vergütet (
Art. 39 Abs. 3 AVIG
).
3.
a) Das kantonale Verwaltungsgericht ist zur Auffassung gelangt, dass sich das Verfahren zur Geltendmachung der Kurzarbeitsentschädigung nicht von jenem der Schlechtwetterentschädigung unterscheide. Die in
BGE 119 V 370
angestellten Überlegungen liessen sich auch auf die Kurzarbeitsentschädigung übertragen. Folglich habe der Arbeitgeber den Anspruch auf Entschädigung innert drei Monaten nach Ablauf der Abrechnungsperiode geltend zu machen, und zwar unabhängig davon, ob die kantonale Amtsstelle bereits einen Entscheid im Sinne von
Art. 36 Abs. 4 AVIG
gefällt habe. Da vorliegend der Entschädigungsanspruch nicht fristgerecht erfolgt sei, sei er verwirkt.
b) Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, die Verfahren zur Geltendmachung der Schlechtwetter- und Kurzarbeitsentschädigung seien einander nicht gleichzusetzen. Während bei der Schlechtwetterentschädigung zwei verschiedene Behörden parallel und unabhängig voneinander die Anspruchsvoraussetzungen prüften, bilde bei der Kurzarbeitsentschädigung das Einspruchsverfahren die Haupthürde; in diesem Rahmen werde eingehend abgeklärt, ob die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Bejahendenfalls umfasse das nachfolgende Verfahren bei der Kasse nur noch die Berechnung und Auszahlung der dem Ansprecher zukommenden Kurzarbeitsentschädigung und sei somit weitaus weniger aufwendig und komplex als die vorangehende Prüfung. Anders als bei der
BGE 124 V 75 S. 78
Schlechtwetterentschädigung, wo sich die nachträgliche Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen oftmals als schwierig gestalte, spiele der Zeitfaktor bei der späteren Abrechnung über die Kurzarbeitsentschädigung kaum eine Rolle. Die betreffenden Arbeitnehmer sowie die Höhe ihrer Saläre liessen sich auch im nachhinein, allenfalls anhand der AHV-Abrechnungen, ohne weiteres ermitteln.
c) Das BWA äussert sich auf Veranlassung des Eidg. Versicherungsgerichts zur Frage der Gesetzmässigkeit von Rz. 140 des Kreisschreibens über die Kurzarbeitsentschädigung, welche wie folgt lautet: "Wurde die Zustimmung zur Kurzarbeit (Entscheid der kantonalen Amtsstelle, ev. Rekursinstanz) erst nach Ablauf der Abrechnungsperiode erteilt, in welcher sie angefallen ist, beginnt die Frist zur Geltendmachung am Tag nach der Zustellung des Entscheides". Seit der Ausarbeitung des betreffenden Kreisschreibens hätten sich einige Änderungen ergeben, weshalb nun in Abweichung von der erwähnten Weisung auch bei der Geltendmachung von Kurzarbeitsentschädigung analog den Überlegungen in
BGE 119 V 370
zu entscheiden sei.
4.
a) Das Eidg. Versicherungsgericht hatte im von der Vorinstanz erwähnten
BGE 119 V 370
zu beurteilen, ob die hinsichtlich der Kurskosten (
Art. 59 ff. AVIG
) gezogene Schlussfolgerung - nämlich dass die Frist für die Geltendmachung des Anspruchs nicht zu laufen beginnt, solange der Grundsatzentscheid der kantonalen Amtsstelle nicht gefällt ist (Urteil B. vom 6. Dezember 1985, Erw. 2 publiziert in
BGE 111 V 398
ff.) - auch auf den Fall der Schlechtwetterentschädigung (
Art. 45 ff. AVIG
) zu übertragen sei. Im einzelnen hielt das Gericht fest, die Verfahren für die Geltendmachung der beiden Entschädigungen stimmten insoweit miteinander überein, als hier wie dort zwei Behörden oder Organe beteiligt seien, die beide tätig werden müssten, bevor dem Ansprecher eine Entschädigung ausgerichtet werde. Hingegen bestünden Unterschiede in zwei wesentlichen Punkten:
"Beim Kursbesuch steht der Entscheid über die Zustimmung zu demselben durch die kantonale Amtsstelle klar im Mittelpunkt. Dies ist die eigentliche Hürde, die der Ansprecher zu nehmen hat. Die Kasse hat hierauf nur noch weitgehend die Funktion einer Zahlstelle. Gestützt auf die ihr einzureichenden Unterlagen vergütet sie dem Kursteilnehmer die Auslagen. Bei dieser Ausgestaltung des Verfahrens liegt es auf der Hand, dass der Versicherte nicht gezwungen sein soll, die Unterlagen für die letzteren einzureichen, wenn der eigentliche Entscheid, ob er überhaupt auf Kosten der Arbeitslosenversicherung am Kurs teilnehmen kann, noch gar nicht rechtsgültig gefallen ist.
BGE 124 V 75 S. 79
Anders liegen die Verhältnisse bei einer Schlechtwetterentschädigung. Den beiden Entscheiden der kantonalen Amtsstelle und der Kasse kommt je eine eigene spezifische und für das Erlangen der Schlechtwetterentschädigung ähnlich wichtige Bedeutung zu. Jedes der beiden Organe hat die Erfüllung der vorstehend erwähnten Voraussetzungen (...) zu prüfen. Die erste zu nehmende Hürde bei der kantonalen Amtsstelle ist keineswegs gewichtiger. Im Gegenteil. Es wird nicht ihre "Zustimmung" verlangt, sondern nur, dass sie nicht durch einen "Einspruch" das Verfahren hemmt. Dieser Ausdruck weist darauf hin, dass im Normalfall keine Einwendungen der kantonalen Amtsstelle erwartet werden. Ist aber der Entscheid der kantonalen Amtsstelle nicht als im Mittelpunkt liegend zu betrachten, so rechtfertigt sich nicht, die Frist für die Geltendmachung der Entschädigung bei der Kasse erst beginnen zu lassen, wenn die kantonale Amtsstelle entschieden hat (..). Hinzu kommt der Umstand, dass die Geltendmachung von Schlechtwetterentschädigungen von der Natur der Sache her kein zeitliches Hinausschieben erträgt, weil die Erfüllung der Voraussetzungen durch die Kasse nicht mehr genügend sicher geprüft werden kann. Dieses Anliegen ist denn auch der Grund, dass das Eidg. Versicherungsgericht die Dreimonatsfrist als Verwirkungsfrist versteht (
BGE 114 V 123
Erw. 3a mit Hinweisen)." (Erw. 4a und b)
b) aa) Wie bei der Schlechtwetterentschädigung besteht auf dem Gebiet der Kurzarbeitsentschädigung eine Kompetenzaufteilung zwischen der kantonalen Amtsstelle und der Arbeitslosenkasse. Die Amtsstelle prüft, ob die in
Art. 31 Abs. 1 und
Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG
genannten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl.
Art. 36 Abs. 3 AVIG
). Die Kasse ihrerseits vergütet die Kurzarbeitsentschädigung nur dann, wenn bestimmte weitere Voraussetzungen gegeben sind. Sie prüft das Vorliegen der in
Art. 31 Abs. 3 und
Art. 32 Abs. 1 lit. b AVIG
festgelegten Voraussetzungen (
Art. 39 Abs. 1 AVIG
). Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben nach
Art. 31 Abs. 3 AVIG
insbesondere die Arbeitnehmer, deren Arbeitsausfall nicht bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist (lit. a), der mitarbeitende Ehegatte des Arbeitgebers (lit. b) und die Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten (lit. c). Ferner ist gemäss
Art. 32 Abs. 1 lit. b AVIG
ein Arbeitsausfall nur anrechenbar, wenn er je Abrechnungsperiode mindestens 10 Prozent der Arbeitsstunden ausmacht, die von den Arbeitnehmern des Betriebes normalerweise insgesamt geleistet werden.
BGE 124 V 75 S. 80
bb) Daraus erhellt, dass die Arbeitslosenkasse keineswegs nur mit der Berechnung und Auszahlung der Kurzarbeitsentschädigung befasst ist. Vielmehr hat sie vorgängig der Vergütung selber einen Teil der Anspruchsvoraussetzungen, nämlich die persönliche Anspruchsberechtigung eines Versicherten (im Sinne von
Art. 31 Abs. 3 AVIG
) und das Vorhandensein eines anrechenbaren Arbeitsausfalles (
Art. 32 Abs. 1 lit. b AVIG
) zu überprüfen (vgl. hiezu BEATRICE BRÜGGER, Die Kurzarbeitsentschädigung als arbeitslosenversicherungsrechtliche Präventivmassnahme, Diss. Bern 1991, S. 48 f; GERHARDS, Kommentar zum AVIG, Bd. I, N. 28 ff. zu Art. 38-39; NICOLAS SAVIAUX, Les rapports de travail en cas de difficultés économiques de l'employeur et l'assurance-chômage, Diss. Lausanne 1993, S. 230; STAUFFER, Die Arbeitslosenversicherung, 1984, S. 168 f.). Dieses Verfahren unterscheidet sich somit wesentlich von jenem zur Vergütung von Auslagen für einen Kursbesuch, wo der Arbeitslosenkasse weitgehend nur noch die Funktion einer Zahlstelle zukommt. Nach den zutreffenden Ausführungen des BWA in der Vernehmlassung bestehen indes enge Parallelen zwischen der Geltendmachung von Schlechtwetter- und Kurzarbeitsentschädigung. Das zeigt sich vorab darin, dass die jeweiligen gesetzlichen Vorschriften (
Art. 38 Abs. 1 und
Art. 47 Abs. 1 AVIG
) praktisch wörtlich miteinander übereinstimmen. Ferner wird in der bundesrätlichen Botschaft zum AVIG vom 2. Juli 1980 die dreimonatige Frist zur Geltendmachung des Anspruchs in beiden Fällen mit der Notwendigkeit einer rechtzeitigen Überprüfung der Verhältnisse begründet (BBl 1980 III 600 und 604). Zwar dürften bei der Kurzarbeitsentschädigung im Unterschied zur Schlechtwetterentschädigung die Anspruchsvoraussetzungen auch nach Ablauf der dreimonatigen Frist in der Regel noch überprüfbar sein. Doch muss auch hier die Abklärung, ob die Voraussetzungen für die Vergütung der Entschädigung erfüllt sind, fristgemäss erfolgen, damit die Kontrollmöglichkeiten der Kasse hinreichend gewährleistet bleiben. Denn es kann sich beispielsweise später bei Missbrauchsverdacht eine Überprüfung aufdrängen, ob tatsächlich zu den angegebenen Zeiten nicht gearbeitet worden ist, was allenfalls eine - möglichst frühzeitige - Einsicht in die Lohnbücher notwendig macht (vgl. BBl 1980 III 596). Deshalb betrachtet das Eidg. Versicherungsgericht die Dreimonatsfrist zur Geltendmachung der Kurzarbeitsentschädigung (
Art. 38 Abs. 1 AVIG
) denn auch - entsprechend jener bei der Schlechtwetterentschädigung (
BGE 119 V 373
Erw. 4b) - als Verwirkungsfrist,
BGE 124 V 75 S. 81
deren Nichtwahrung das Erlöschen des Anspruchs zur Folge hat.
Wie das Eidg. Versicherungsgericht bereits in bezug auf die Schlechtwetterentschädigung erkannt hat (Erw. 4a hievor), ist bei der Kurzarbeitsentschädigung die erste zu nehmende Hürde bei der kantonalen Amtsstelle nicht gewichtiger, wird doch ebenfalls nicht deren "Zustimmung" verlangt, sondern nur, dass sie nicht durch einen "Einspruch" das Verfahren hemmt, was darauf hinweist, dass im Normalfall keine Einwendungen der kantonalen Amtsstelle erwartet werden. Mit der Ordnung von
Art. 36 AVIG
(Voranmeldung von Kurzarbeit und Überprüfung der Voraussetzungen) wollte der Gesetzgeber nicht ein Bewilligungsverfahren für jeden Einzelfall einführen (BBl 1980 III 595). Liegt aber der Entscheid der kantonalen Amtsstelle bei der Kurzarbeitsentschädigung ebensowenig im Mittelpunkt wie bei der Schlechtwetterentschädigung, rechtfertigt es sich nicht, die Dreimonatsfrist zur Geltendmachung des Anspruchs erst laufen zu lassen, wenn die Amtsstelle darüber entschieden hat, dass sie gegen die Ausrichtung der Entschädigung keinen Einspruch erhebt. Für die gegenteilige Betrachtungsweise besteht auch bei einem Einspruch kein Anlass. Im Beschwerdefall ist der Richter zwar verpflichtet, von Amtes wegen - und gegebenenfalls unter Mitwirkung der kantonalen Amtsstelle - den Sachverhalt umfassend und gründlich abzuklären (unveröffentlichtes Urteil R. vom 15. November 1985), was indes nichts daran ändert, dass die Arbeitslosenkasse ihrerseits selber das Vorliegen weiterer Anspruchsvoraussetzungen zu überprüfen hat. Zusammengefasst beginnt die dreimonatige Frist von
Art. 38 Abs. 1 AVIG
somit nach Ablauf der jeweiligen Abrechnungsperiode zu laufen, und zwar unabhängig davon, ob die kantonale Amtsstelle oder die Rekursinstanz bereits einen Entscheid über die Auszahlung der Entschädigung gefällt hat. Der Rz. 140 des BWA-Kreisschreibens über die Kurzarbeitsentschädigung ist daher - weil bundesrechtswidrig - die Anwendung zu versagen.
Nachdem vorliegend die Geltendmachung der Kurzarbeitsentschädigung für den Zeitraum von Januar bis März 1994 erst am 20. Juli 1995 und nicht spätestens Ende Juni 1994 erfolgte, ist der Anspruch verwirkt. Dabei ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers unerheblich, dass er den Anspruch bereits im Dezember 1993 angemeldet hatte, weil klar zwischen der Voranmeldung einerseits und der Geltendmachung des Anspruchs anderseits zu unterscheiden ist (GERHARDS, a.a.O., N. 25 zu Art. 38-39). | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
8cafbfde-ab70-4d18-b283-378c30f4e85c | Urteilskopf
121 III 246
48. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 7 avril 1995 dans la cause dame P. B. contre P. B. (recours en réforme) | Regeste
Art. 15 IPRG
,
Art. 43a Abs. 1 lit. a und Abs. 2 OG
; Ausnahmeklausel, Kognition des Bundesgerichts im Bereiche des ausländischen Rechts.
Die Ausnahmeklausel von
Art. 15 IPRG
ist einschränkend anzuwenden (E. 3c).
Wo das ausländische Recht, auf welches das schweizerische Internationale Privatrecht verweist, nicht angewendet worden ist, kann das Bundesgericht einzig den angefochtenen Entscheid aufheben und die Sache an die kantonale Instanz zurückweisen, damit diese in Anwendung des ausländischen Rechts neu entscheide (E. 3d). | Erwägungen
ab Seite 247
BGE 121 III 246 S. 247
Extrait des considérants:
3.
c) Dans l'arrêt paru aux
ATF 118 II 79
, le Tribunal fédéral a appliqué le droit suisse, au lieu du droit national commun des époux, en se fondant sur l'
art. 15 al. 1 LDIP
(RS 291), aux termes duquel le droit désigné par la présente loi n'est exceptionnellement pas applicable si, au regard de l'ensemble des circonstances, il est manifeste que la cause n'a qu'un lien très lâche avec ce droit et qu'elle se trouve dans une relation beaucoup plus étroite avec un autre droit, le droit suisse en l'occurrence.
Cette disposition est une règle d'exception, partant d'application stricte (
ATF 118 II 79
consid. 3 p. 82 et les références), à laquelle on ne peut se référer en l'espèce. En effet, les conjoints étaient domiciliés en Italie au moment du mariage, le mari y a conservé son domicile et l'épouse y réside actuellement; la cause n'a donc pas un lien très lâche avec le droit italien, droit national commun des parties. La célébration du mariage à Genève et la naissance dans cette ville des quatre enfants ne sont pas des éléments suffisants pour qu'on puisse en déduire une relation étroite de la présente cause avec le droit suisse. Le fait que la recourante soit à nouveau retournée vivre en Italie démontre également le sérieux de son rattachement à ce pays. L'application du droit suisse au cas présent, dont les circonstances ne sont nullement comparables à celles qui se trouvent à la base de l'arrêt précité (
ATF 118 II 79
consid. 3a et b p. 82/83), ne saurait dès lors se fonder sur l'
art. 15 al. 1 LDIP
.
Il est vrai que, devant le Tribunal de district, la recourante a invoqué l'
art. 142 CC
. Ce fait n'est toutefois pas déterminant, car il n'y a pas d'élection de droit possible en matière de divorce, contrairement à ce qui est prévu dans d'autres domaines (art. 37 al. 2, 52, 90 al. 2, 104, 110 al. 2, 116, 119 al. 2, 121 al. 3, 122 al. 2, 128 al. 2 et 132 LDIP; cf. VISCHER, Introduction générale, in Le nouveau droit international privé suisse, Publication Cedidac no 9, p. 18 ch. IV). On ne saurait non plus lui objecter un abus de droit qu'elle aurait commis pour avoir aussi conclu au divorce en première instance; cela reviendrait en effet à éluder l'
art. 61 LDIP
. Au reste, la "clause échappatoire" de l'
art. 15 al. 1 LDIP
concrétise en partie l'effet correcteur assigné à l'
art. 2 al. 2 CC
(cf. KELLER/GIRSBERGER, in IPRG-Kommentar, n. 5 ad
art. 15 LDIP
et les références).
d) Il résulte de ce qui précède que l'action en divorce doit être examinée au regard du droit italien.
BGE 121 III 246 S. 248
Lorsqu'on est en présence, comme en l'espèce (JUNOD, Le recours en réforme au Tribunal fédéral, in L'organisation judiciaire et les procédures fédérales, Publication Cedidac no 22, p. 45 ch. 2), d'une contestation civile de nature non pécuniaire, le Tribunal fédéral peut revoir lui-même l'application du droit étranger désigné par le droit international privé suisse (
art. 43a al. 2 OJ
). Cela suppose toutefois que ce droit ait été effectivement, mais mal appliqué, par la juridiction cantonale. La cour cantonale n'ayant, en l'espèce, pas appliqué le droit étranger - italien - désigné par l'
art. 61 al. 2 LDIP
, le Tribunal fédéral ne peut qu'annuler l'arrêt entrepris et renvoyer l'affaire à l'autorité cantonale pour qu'elle statue en application de ce droit (POUDRET, n. 1.6.2 ad art. 43, n. 3 ad art. 43a, n. 1.1 et 2.1 ad
art. 65 OJ
et les références; idem, in JdT 1988 I p. 604 ss, spéc. 612/613 et 617/618). Le renvoi à l'autorité cantonale s'impose aussi pour des considérations tirées du droit d'être entendu: en appliquant directement le droit italien, le Tribunal fédéral priverait le demandeur d'un degré de juridiction au sujet de l'application de ce droit (POUDRET, n. 3 ad
art. 65 OJ
). | null | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8cba3883-d33f-4ae6-ba2a-10cb9ff6d36c | Urteilskopf
93 I 471
59. Urteil vom 12. September 1967 i.S. Goldfarb gegen Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit. | Regeste
Unterstellung unter die besonderen Vorschriften des Arbeitsgesetzes für industrielle Betriebe.
1. Die Verfügung, mit welcher die Unterstellung eines Betriebes aufgehoben wird, unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).
2. Der Arbeitgeber ist zur Beschwerde gegen die Aufhebungsverfügung legitimiert (Erw. 2).
3. Aufhebung der Unterstellung einer Kürschnerei, deren Tätigkeit nicht durch Verwendung von Maschinen oder durch serienmässige Verrichtungen bestimmt ist (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 472
BGE 93 I 471 S. 472
A.-
Victor Goldfarb betreibt in Basel eine Kürschnerei, die durch Verfügung des Bundesamts für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) vom 20. Oktober 1937 dem Fabrikgesetz unterstellt worden ist. Im Jahre 1953 hat er in Zürich ein Zweiggeschäft eröffnet, das durch Verfügung des BIGA vom 7. Oktober 1954 ebenfalls dem Fabrikgesetz unterstellt worden ist. Diese Unterstellungsverfügungen sind nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (des Arbeitsgesetzes) vom 13. März 1964 weiterhin in Kraft geblieben (Art. 90 Abs. 1 der Allgemeinen Verordnung zum Arbeitsgesetz, vom 14. Januar 1966).
Indessen hat das BIGA durch Verfügung vom 9. Juni 1967, gemäss einem vom Industrie- und Gewerbeamt des Kantons Zürich unterstützten Antrag des eidgenössischen Arbeitsinspektorates, die Unterstellung der Filiale Zürich unter die besonderen Vorschriften des Arbeitsgesetzes für industrielle Betriebe aufgehoben, mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 dieses Gesetzes nicht erfüllt seien.
B.-
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Goldfarb die Aufhebung der Verfügung vom 9.. Juni 1967. Er macht geltend, seine beiden Betriebe in Basel und Zürich bildeten eine Einheit und tauschten zeitweise Mitarbeiter aus, so dass in ihnen nicht zweierlei Bestimmungen angewendet werden könnten. Vor 30 Jahren, als sein Basler Betrieb ungeachtet seines Einspruchs dem Fabrikgesetz unterstellt worden sei, habe er nur 6 Arbeitskräfte beschäftigt, während heute in beiden Betrieben zusammen deren 45 tätig seien. Er fabriziere jährlich, zum Teil in Serien und mit Hilfe verschiedener Maschinen, einige Hundert Pelzmäntel, -paletots und -jacken.
C.-
Das BIGA schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
BGE 93 I 471 S. 473
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach Art. 55 Abs. 1 des Arbeitsgesetzes ist gegen Verfügungen des BIGA "über die Unterstellung industrieller Betriebe" die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig. Dasselbe bestimmt
Art. 99 Ziff. IX lit. a OG
(in der Neufassung gemäss Art. 70 des Arbeitsgesetzes), wonach die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Entscheide des BIGA "betreffend die Unterstellung einzelner industrieller Betriebe unter die Sondervorschriften des Arbeitsgesetzes" gegeben ist. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht nur Verfügungen, durch die ein Betrieb jenen Sondervorschriften des Arbeitsgesetzes unterstellt wird, sondern auch Verfügungen, durch die eine Unterstellung abgelehnt oder aufgehoben wird (vgl.
BGE 71 I 282
und
BGE 86 I 306
, betreffend die alte Fassung von
Art. 99 Ziff. IX lit. a OG
, wonach der Verwaltungsgerichtsbeschwerde Entscheide des BIGA "über die Unterstellung unter das Fabrikgesetz" unterlagen). Im vorliegenden Fall, in dem eine Aufhebungsverfügung angefochten wird, ist daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig.
2.
Art. 55 Abs. 1 des Arbeitsgesetzes lässt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen des BIGA über die Unterstellung industrieller Betriebe "nach Massgabe der Bundesgesetzgebung über die Organisation der Bundesrechtspflege" zu. Aus dieser Verweisung kann geschlossen werden, dass auch
Art. 103 OG
, welcher die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde betrifft, anwendbar ist. Nach
Art. 103 Abs. 1 OG
ist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, "wer in dem angefochtenen Entscheide als Partei beteiligt war oder durch ihn in seinen Rechten verletzt worden ist". Indessen findet sich im Arbeitsgesetz am Schluss des Abschnitts "5. Verwaltungsrechtspflege", in dem Art. 55 steht, noch die besondere Bestimmung des Art. 58 Abs. 1, wonach "ausser den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern deren Verbände sowie Personen, die ein unmittelbares Interesse nachweisen", zur Beschwerde berechtigt sind. Diese Bestimmung gilt offenbar für alle in den vorausgehenden Vorschriften jenes Abschnitts erwähnten Beschwerden, insbesondere auch für die in Art. 55 Abs. 1 vorgesehene Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Art. 58 Abs. 1 des Arbeitsgesetzes
BGE 93 I 471 S. 474
zu der allgemeinen Bestimmung des
Art. 103 Abs. 1 OG
steht. Sie kann jedoch hier offen gelassen werden, wenn sich ergibt, dass der Beschwerdeführer Goldfarb nach
Art. 103 Abs. 1 OG
zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert ist; denn in diesem Falle ist er auch im Sinne des Art. 58 Abs. 1 des Arbeitsgesetzes "beteiligt" ("intéressé", "interessato").
Da er in dem angefochtenen Entscheide als Partei beteiligt war, ist er im Sinne des
Art. 103 Abs. 1 OG
zur Beschwerde formell legitimiert. Auf seine - rechtzeitig und in richtiger Form eingereichte - Beschwerde ist daher nach dieser Bestimmung einzutreten.
Die Beschwerde wäre jedoch nach der Auslegung, welche derselben Bestimmung nach der Rechtsprechung zu geben ist, ohne weitere Prüfung abzuweisen, wenn der Beschwerdeführer nicht auch sachlich legitimiert. d.h. durch den angefochtenen Entscheid - dessen objektive Rechtswidrigkeit vorausgesetzt - "in seinen Rechten verletzt", in seinen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt wäre (
BGE 87 I 433
, 436, 476;
BGE 91 I 74
).
Die besonderen Vorschriften des Arbeitsgesetzes für industrielle Betriebe sind an sich nicht dazu bestimmt, die Interessen der Arbeitgeber zu schützen; vielmehr belasten sie die Arbeitgeber mit zusätzlichen Verpflichtungen. Indessen ist zu beachten, dass die Unterstellung eines Betriebes unter diese Vorschriften nach
Art. 60 Abs. 1 Ziff. 2 KUVG
(in der Fassung gemäss Art. 65 Ziff. 1 des Arbeitsgesetzes) die obligatorische Versicherung seiner Belegschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt zur Folge hat. Diese Versicherung kommt zwar in erster Linie der Belegschaft zugute, doch ist sie auch für den Arbeitgeber vorteilhaft. In der Tat vermeidet er durch Zahlung der zu seinen Lasten fallenden Versicherungsprämien mancherlei Misshelligkeiten und Streitigkeiten, die sonst seine Beziehungen zur Arbeiterschaft belasten würden (BBl 1906 VI 313), und infolge der Versicherung wird seine Verantwortlichkeit gegenüber den Arbeitnehmern gemildert (
Art. 129 Abs. 2 und
Art. 130 Abs. 2 KUVG
). Insofern schützt die Unterstellung unter die besonderen Vorschriften des Arbeitsgesetzes für industrielle Betriebe doch auch die Interessen des Arbeitgebers. Ist somit die Aufhebung der Unterstellung geeignet, rechtlich geschützte Interessen der Unternehmung zu verletzen, so ist diese zur Beschwerde gegen die Aufhebungsverfügung sachlich legitimiert.
Besitzt somit der Beschwerdeführer Goldfarb nicht nur die
BGE 93 I 471 S. 475
formelle, sondern auch die materielle Beschwerdelegitimation, so ist seine Beschwerde einlässlich zu prüfen (vgl.
BGE 71 I 282
und
BGE 86 I 306
, betreffend Beschwerden von Unternehmungen gegen die Ablehnung oder die Aufhebung ihrer Unterstellung unter das Fabrikgesetz).
3.
Die Einwendungen, die der Beschwerdeführer gegen die angefochtene Aufhebungsverfügung erhebt, sind unbegründet.
Wenn seine beiden Geschäftsniederlassungen in Basel und Zürich eine Einheit bilden, wie er behauptet, so ist dies unerheblich. Nach Art. 5 Abs. 1 des Arbeitsgesetzes sind die besonderen Vorschriften für industrielle Betriebe nicht nur auf ganze Betriebe, sondern auch auf Betriebsteile anwendbar. Kann somit ein Betriebsteil gesondert diesen Vorschriften unterstellt werden, so kann er auch für sich allein von der Unterstellung befreit werden.
Daraus, dass das Zweiggeschäft in Zürich seinerzeit dem Fabrikgesetz unterstellt worden ist, folgt nicht ohne weiteres, dass es einen industriellen Betrieb im Sinne des Arbeitsgesetzes darstellt. Die Begriffe der Fabrik und des industriellen Betriebes decken sich nicht (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a der Vollzugsverordnung vom 3. Oktober 1919 zum Fabrikgesetz und Art. 5 Abs. 2 des Arbeitsgesetzes). Deshalb wird in einem durch Art. 65 Ziff. 5 des Arbeitsgesetzes in das KUVG eingefügten neuen Art.132 für eine Übergangszeit die Stellung des Personals von Betrieben geordnet, die bisher als Fabriken der obligatorischen Versicherung unterstellt waren, nun aber als nicht industrielle Betriebe nicht mehr unter die Versicherungspflicht fallen.
Vergeblich macht der Beschwerdeführer geltend, dass er in seinen beiden Niederlassungen Pelzwaren zum Teil serienmässig und mit Hilfe von Maschinen herstellen lasse. Selbst wenn diese Darstellung zutrifft, ergibt sich daraus nicht notwendig, dass die Zürcher Niederlassung ein industrieller Betrieb im Sinne des Arbeitsgesetzes ist. Nach Art. 5 Abs. 2 lit. a daselbst wäre ausserdem erforderlich, dass die Arbeitsweise oder die Arbeitsorganisation in diesem Zweiggeschäft durch die Verwendung von Maschinen oder durch serienmässige Verrichtungen "bestimmt" wird. Der Beschwerdeführer bringt jedoch nichts vor, was darauf schliessen lässt, dass diese Voraussetzung erfüllt ist. Nach den Ausführungen in dem der Vernehmlassung des BIGA beigelegten Mitbericht des eidgenössischen Arbeitsinspektorates
BGE 93 I 471 S. 476
fehlt sie; denn dort wird darauf hingewiesen, dass in der Zürcher Niederlassung die Handarbeit gegenüber der Verwendung von Maschinen überwiegt und Pelzwaren fast ausschliesslich nach Mass angefertigt werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8cbfd171-a278-4305-a5ac-488e331be323 | Urteilskopf
86 IV 32
11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Februar 1960 i.S. Weibel gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 26 Abs. 4 MFG,
Art. 46 Abs. 1 MFV
.
Vorsichtspflicht des Führers, der zwischen zwei kreuzenden Autokolonnen überholt, die bloss Raum für die Durchfahrt eines Fahrzeuges lassen. | Sachverhalt
ab Seite 33
BGE 86 IV 32 S. 33
Am 11. August 1958, um 20.30 Uhr, herrschte auf der 12 m breiten Industriestrasse zwischen Schlieren und Zürich reger Verkehr. Eine lange Fahrzeugkolonne bewegte sich mit 70-80 km/Std. stadtauswärts und kreuzte bei der Einmündung des Ostweges in der Nähe des Gaswerkes Schlieren mit drei bis fünf aufeinanderfolgenden Wagen, die mit 60-70 km/Std. gegen Zürich fuhren. Den Schluss der Richtung Schlieren fahrenden Kolonne bildete der von Sandmeier gesteuerte Wagen, dem in einigem Abstand Rüetschi folgte.
Als die beiden Fahrzeugkolonnen aneinander vorbeifuhren, überholte Weibel zunächst den Wagen Rüetschis, fuhr sodann mit 90-100 km/Std. am Auto Sandmeiers vorbei und schickte sich an, auch das diesem vorausfahrende Fahrzeug zu überholen. Während des Manövers, bei welchem Weibel etwas über die Strassenmitte hinausfuhr, bog der den Schluss der entgegenkommenden Kolonne bildende Suter wegen am Strassenrand stehender Burschen nach links aus und stiess seitlich mit dem Fahrzeug Weibels zusammen. Suter verlor die Herrschaft über seinen Wagen, geriet auf die linke Strassenseite und stiess dort frontal mit dem inzwischen herangefahrenen Auto Rüetschis zusammen. Rüetschi und Frau Suter kamen bei dem Unfall ums Leeben, während Frau Rüetschi schwer und drei weitere Insassen der beiden Unfallwagen leicht verletzt wurden.
Am 22. Juni 1959 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich Weibel wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger schwerer Körperverletzung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 300.--.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
(Ausführungen darüber, dass die Industriestrasse an sich als Vierbahnstrasse angelegt sei, dass aber nach dem angefochtenen
BGE 86 IV 32 S. 34
Urteil die beiden Autokolonnen ungefähr in der Mitte der Fahrbahnhälften fuhren, wie wenn die Strasse drei bis vier Meter schmäler gewesen wäre.) Ist demnach davon auszugehen, dass der Raum zwischen den kreuzenden Kolonnen auf ungefähr eine Einerbahn verengt war, dann fallen die Überlegungen des Beschwerdeführers, soweit sie auf die Verhältnisse auf einer Vierbahnstrasse angelegt sind, als gegenstandslos ausser Betracht. Das will indessen nicht heissen, dass ein Überholen zwischen zwei Autokolonnen, die bloss Raum für die Durchfahrt eines Fahrzeuges lassen, in jedem Fall unzulässig sei. Sofern die Strecke übersichtlich und frei und die zwischen den Kolonnen befindliche Bahn breit genug ist, um einen angemessenen Abstand einzuhalten, darf auch hier vorgefahren werden. Dass dabei höchste Vorsicht geboten ist, versteht sich von selbst. Denn unter solchen Umständen muss stets damit gerechnet werden, dass eines der entgegenkommenden Fahrzeuge sich aus irgendeinem Grunde veranlasst sehen könnte, seinerseits die mittlere Fahrbahn in Anspruch zu nehmen. Der Führer darf sich daher nicht darauf verlassen, dass die Bahn auf eine unbestimmt lange Strecke zum Überholen frei bleiben werde. Entschliesst er sich, trotz der erhöhten Gefahren mehreren Fahrzeugen nacheinander vorzufahren, dann muss er sich während des Überholens eines jeden von ihnen vergewissern, dass die zum Überholen des nächstfolgenden erforderliche Strecke bis zum Abschluss des Manövers frei bleiben werde und dass er, wenn nötig, nach jedem überholten Fahrzeug wieder nach rechts werde einbiegen können. Das hat der Beschwerdeführer nicht getan. Nach dem angefochtenen Urteil konnte Weibel beim Überholen des ersten Wagens nicht die ganze Überholstrecke frei überblicken und wusste er daher nicht, wo er wieder werde einbiegen können. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und binden den Kassationshof (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
). Sie können mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden, auch nicht auf dem Umweg über die Beweiswürdigung
BGE 86 IV 32 S. 35
(
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
). Was der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, erschöpft sich jedoch in der Bemängelung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung und ist daher nicht zu hören. Nach dem festgestellten Sachverhalt aber steht ausser Zweifel, dass Weibel, indem er mit 90-100 km/Std. mehrere Fahrzeuge in einem Zuge zu überholen versuchte, ohne die Gewissheit zu haben, dass er nach einem jeden von ihnen wieder werde einbiegen können, höchst unvorsichtig handelte und damit gegen Art. 26 Abs. 4 MFG und
Art. 46 Abs. 1 MFV
verstiess.
Es fällt ihm infolgedessen Fahrlässigkeit im Sinne von
Art. 18 Abs. 3 StGB
zur Last (
BGE 71 IV 99
unten). | null | nan | de | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8cc6986c-278b-48c2-a9c8-bbe51b7c41bc | Urteilskopf
100 IV 129
32. Urteil des Kassationshofes vom 21. Oktober 1974 i.S. Silvestrini gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 11 StGB
; verminderte Zurechnungsfähigkeit.
Fall eines unintelligenten banalen kriminellen Psychopathen (Mörders). | Sachverhalt
ab Seite 129
BGE 100 IV 129 S. 129
A.-
Am 3. April 1974 erklärte das Geschwornengericht des Kantons Aargau Casimiro Silvestrini des Mordes, des Raubes, des wiederholten Diebstahls, des wiederholten Betrugs, des fortgesetzten Hausfriedensbruchs sowie Widerhandlungen gegen das SVG schuldig und verurteilte ihn zu lebenslänglichem Zuchthaus und Landesverweisung für 15 Jahre.
B.-
Wegen Mordes und Raubes wurde Silvestrini verurteilt, weil er in der Nacht vom 31. Juli 1972 zusammen mit seinem Bruder Antonio in der Wohnung des ferienabwesenden Michele Oliveri in Wettingen den homosexuellen Beat Gmür tötete und beraubte.
Durch Aufwerfen einer Münze fielen dem Bruder Antonio die eigentlichen Tötungshandlungen zu. Dieser verfolgte das fliehende Opfer durch mehrere Räume der Wohnung und versetzte ihm 27 Messerstiche am ganzen Körper, bis es im Bad tot zusammenbrach. Dabei half ihm Silvestrini, indem er das
BGE 100 IV 129 S. 130
Opfer aufs Bett stiess und mit der Bettdecke zu überwältigen suchte, es durch Zuhalten des Mundes am Schreien und Telefonieren hinderte und es festhielt, damit sein Bruder die Messerstiche führen konnte. Die Leiche verscharrten die beiden im Wald. Silvestrini hatte die Idee zur Tat ausgeheckt, Gmür, dem er schon gelegentlich als Strichjunge gedient hatte, telefonisch in die Wohnung Oliveri gelockt und die Türen der Wohnung verriegelt, um eine Flucht Gmürs zu verhindern.
C.-
Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt Silvestrini Rückweisung der Sache an das Geschwornengericht zur Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit und entsprechende Herabsetzung der Strafe.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Wie in
BGE 98 IV 154
ausgeführt wurde, bedeutet Psychopathie in der Sprache der Psychiater nichts anderes als vom Durchschnitt abweichende Persönlichkeitsveranlagung, weshalb nicht jede derartige Anlage das auch im rechtlichen Sinne Abnorme erreicht. Neben den banalen Typen krimineller Psychopathen, aus denen sich die Mehrheit der Rechtsbrecher zusammensetzt und die regelmässig voll zurechnungsfähig sind, gibt es Psychopathen, deren Geistesverfassung nach Art und Grad so stark vom Durchschnitt nicht nur der Rechts-, sondern auch der Verbrechensgenossen abweicht, dass ihre Träger als nicht oder nicht voll verantwortlich erscheinen. Der Beschwerdeführer macht geltend, er gehöre zur zweiten Kategorie und sei daher vermindert zurechnungsfähig.
Das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe in alkoholisiertem Zustand gehandelt, ist irrig. Nicht er hat nach Feststellung des Geschwornengerichts vor der Tat ein halbes Glas Wein und einen Becher Bier getrunken, sondern sein Bruder Antonio.
Die Umstände der Tat, insbesondere die Geldbeschaffung als ihr Zweck, die Ausnützung einer "Freundschaft", das Auslosen des Täters, das unbekümmerte Verhalten nach der Tat, sowie der asoziale, verwahrloste Zustand des Beschwerdeführers sollen dartun, dass er nicht ein banaler krimineller Psychopath, sondern in seiner geistigen Gesundheit beeinträchtigt
BGE 100 IV 129 S. 131
sei. Was Silvestrini anführt, beweist nicht einen kranken Geist, sondern Schlechtigkeit und Gewissenlosigkeit. Diese Eigenschaften mögen einen Menschen in den Augen des Psychiaters als Psychopathen, als willensschwache, gemütsarme (moralisch defekte) Person erscheinen lassen, stellen aber nicht eine Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit im Sinne des
Art. 11 StGB
dar (
BGE 77 IV 215
/216,
BGE 98 IV 154
).
Schliesslich legt der Beschwerdeführer dar, die Vorinstanz nehme bei ihm eine "knappe Intelligenz" an; da sie sich auf das psychiatrische Gutachten stütze, sei anzunehmen, dass sie dessen Schlussfolgerung, es werde ein Intelligenzquotient von 69% errechnet, als richtig voraussetze; was unter 70% sei, bedeute aber Debilität. Es trifft zu, dass der Psychiater erklärt, mit einem Intelligenzquotienten von 69% wäre rein zahlenmässig der Beginn pathologischen Schwachsinns, der Debilität, erfüllt. Er führt indessen weiter aus, die Intelligenzprüfung sei aus sprachlichen und charakterlichen Gründen ungünstiger ausgefallen als den Tatsachen entspreche. Sodann sei der Angeschuldigte bei Arbeitgebern und Drittpersonen nirgends als schwachsinnig empfunden worden. Seine Fähigkeit, Wesentliches vom Unwesentlichen zu unterscheiden, zu definieren, zu kombinieren, zu assoziieren, sei keinesfalls derart vermindert, wie dies bei regelrecht Schwachsinnigen unerlässlich zu sein pflege. Gerade die Planung der Tat und deren Durchführung, wobei sich der Angeschuldigte glaubhaft als spiritus rector bekenne, imponiere bei aller Primitivität und Brutalität nicht als das Werk eines Schwachsinnigen. Dem Angeschuldigten sei am ehesten gerecht zu werden, wenn man ihn als bis zu gewissem Grade schwachbegabt, als mässig intelligent, als in landläufigem Sprachgebrauch bei unverkennbarer Bauernschläue "dumm" bezeichne, nicht aber als schwachsinning. Nun seien aber Beraubung und Tötung eines Menschen Verbrechen, deren Gewichtigkeit auch einem möglicherweise intellektuell nicht ganz vollbegabten Menschen jederzeit gegenwärtig seien.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8cc9271d-fab6-4360-bb0b-de352a4b7f91 | Urteilskopf
83 IV 59
15. Entscheid der Anklagekammer vom 7. Mai 1957 i.S. Goldsmith gegen ausserordentlichen eidgenössischen Untersuchungsrichter. | Regeste
Art. 55 BV
, Art. 74, 77, 79 und 88 Abs. 1 BStP,
Art. 27 Ziff. 3 Abs. 2 und Ziff. 6 StGB
.
1. Hat der Journalist ein Recht, als Zeuge in einem Bundesstrafverfahren die Bekanntgabe seiner Informationsquelle zu verweigern? (Pressefreiheit, Berufsgeheimnis, Benachteiligung der Ehre) (Erw. 1, 2 und 3).
2. Rechtliche Natur der vom eidg. Untersuchungsrichter gegen einen Zeugen wegen ungerechtfertigter Verweigerung der Aussage verhängten Zwangshaft; Überprüfungsbefugnis der Anklagekammmmer (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 59
BGE 83 IV 59 S. 59
A.-
In der wegen Verdachts der Verletzung des Amtsgeheimnisses (
Art. 320 StGB
), der passiven Bestechung (
Art. 315 StGB
) und allenfalls wegen politischen Nachrichtendienstes (
Art. 272 StGB
) oder militärischen Nachrichtendienstes gegen fremde Staaten (
Art. 301 StGB
) hängigen Voruntersuchung gegen Max Ulrich und Unbekannt lud der ausserordentliche eidgenössische Untersuchungsrichter
BGE 83 IV 59 S. 60
Michael Goldsmith, Korrespondent der Associated Press in Genf, auf den 26. April 1957 als Zeugen vor. Das geschah, damit Goldsmith Auskunft gebe, wann, durch wen und auf welche Weise er die in der von ihm verfassten Agenturmeldung vom 20. März 1957 enthaltenen Angaben erhalten habe, wonach ein Funktionär der Bundesanwaltschaft im Verdacht stehe, vertrauliche Nachrichten an eine ausländische Botschaft verraten zu haben. Goldsmith leistete der Vorladung Folge, verweigerte aber die Aussage, indem er unter Berufung auf
Art. 55 BV
und
Art. 27 StGB
geltend machte, als Journalist seine Informationsquelle nicht preisgeben zu können. Einen Grund zur Zeugnisverweigerung im Sinne der
Art. 75, 77 oder 79 BStP
führte er zunächst nicht an. Nachträglich berief er sich auf
Art. 79 BStP
mit der Begründung, seine Ehre als Journalist und Mensch würde in höchstem Masse betroffen, wenn er die Namen seiner Gewährsleute bekannt gäbe, denen er ehrenwörtlich versprochen habe, sie geheim zu halten.
B.-
Der ausserordentliche eidgenössische Untersuchungsrichter verhängte am 26. April 1957, um 20.30 Uhr, über Goldsmith wegen ungerechtfertigter Verweigerung des Zeugnisses die Zwangshaft nach
Art. 88 Abs. 1 BStP
und ordnete den sofortigen Vollzug an. Am 27. April 1957, um 19.00 Uhr, wurde Goldsmith wieder entlassen.
C.-
Mit Eingaben vom 27. und 29. April 1957 beschwert sich Goldsmith bei der Anklagekammer des Bundesgerichtes gegen die Haftverfügung des Untersuchungsrichters mit dem Antrag, sie sei aufzuheben, und es sei dem Beschwerdeführer eine angemessene Entschädigung für die von ihm "verbüsste Haftzeit" zuzubilligen.
D.-
Der Untersuchungsrichter beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1.
Aus dem Grundsatz der Pressefreiheit, auf den sich der Beschwerdeführer beruft, ergibt sich nicht ohne
BGE 83 IV 59 S. 61
weiteres ein Recht des Journalisten, als Zeuge in einem Strafverfahren die Aussage zu verweigern; dies selbst dann nicht, wenn anzunehmen wäre, das durch
Art. 55 BV
gewährleistete Freiheitsrecht schliesse den Schutz der Anonymität als eines notwendigen Elementes zur Erfüllung der der Presse obliegenden besonderen Aufgabe (vgl.
BGE 70 IV 24
E. 2) in sich. Vielmehr werden Inhalt und Umfang der Pressefreiheit durch die jeweilige Bundesgesetzgebung bestimmt und begrenzt. Diese Umschreibung ist für das Bundesgericht gemäss
Art. 113 Abs. 3 BV
verbindlich. Danach allein ist somit zu entscheiden, ob und allenfalls in welchem Masse die Pressefreiheit dem Einzelnen besondere Rechte verleiht (
BGE 43 I 42
;
BGE 70 IV 24
, 151;
BGE 73 IV 15
;
BGE 77 IV 99
;
BGE 80 II 41
).
2.
Nach
Art. 74 BStP
ist in der Regel jedermann verpflichtet, Zeugnis abzulegen. Dieser Pflicht ist nur enthoben, wer gemäss
Art. 75 oder 79 BStP
berechtigt ist, das Zeugnis zu verweigern, oder wer ein Amts- oder Berufsgeheimnis im Sinne der
Art. 77 oder 78 BStP
zu wahren hat.
Art. 77 BStP
, dessen Aufzählung abschliessend ist, nennt weder den Journalisten im allgemeinen noch den Korrespondenten einer Nachrichtenagentur oder den Zeitungsredaktor im besondern. Das ist, wie die Entstehungsgeschichte zeigt, nicht auf ein Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen, sondern bewusst unterblieben (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege vom 10. September 1929, BBl. 1929, II, S. 601).
Zwar hat diese Ordnung durch
Art. 27 Ziff. 3 Abs. 2 StGB
eine Änderung erfahren, indem dem Redaktor die Befugnis eingeräumt wurde, den Namen des Verfassers einer in dem von ihm redigierten Blatt erschienenen strafbaren Äusserung unter bestimmten Voraussetzungen zu verschweigen. Allein hieraus lässt sich für den vorliegenden Fall nichts ableiten. Da kein Pressedelikt in Frage steht, scheidet eine unmittelbare Anwendung von
Art. 27 Ziff. 3 Abs. 2 StGB
zum vorneherein aus.
BGE 83 IV 59 S. 62
Auch ist dieser Bestimmung durch Analogieschluss nichts zugunsten des Beschwerdeführers zu entnehmen. Das Recht auf Anonymität, welches
Art. 27 StGB
der Presse einräumt (vgl.
BGE 82 IV 3
), ist kein uneingeschränktes. Vielmehr findet, wie die Freiheit der Presse im allgemeinen, so auch die Anerkennung des Redaktionsgeheimnisses ihre Grenzen an den lebenswichtigen Interessen, d.h. den Existenzgrundlagen des Staates. Das Interesse des Staates an der eigenen Sicherheit geht in diesem Fall dem Interesse an der freien Meinungsäusserung vor. Da die Einvernahme Goldsmiths als Zeugen unmittelbar mit der Frage zusammenhing, ob der Beschuldigte Ulrich oder eine andere noch unbekannte Person verbotenen politischen Nachrichtendienst (
Art. 272 StGB
), also ein die Sicherheit des Staates berührendes Delikt (
Art. 27 Ziff. 6 StGB
) begangen habe, beruft sich der Beschwerdeführer in jedem Fall vergeblich auf
Art. 27 Ziff. 3 Abs. 2 StGB
. Ist dem so, kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung auf den Korrespondenten einer Nachrichtenagentur Anwendung finde (vgl.
BGE 82 IV 81
).
3.
Dem Beschwerdeführer ist auch insoweit nicht zu folgen, als er zur Begründung seines Antrages
Art. 79 BStP
heranzieht. Diese Vorschrift will verhüten, dass die Pflicht, Zeugnis abzulegen, zum Zwang gegen den Zeugen führe, die eigene Schuld oder Schande zu gestehen oder einem Angehörigen derart zu schaden (Botschaft des Bundesrates, a.a.O., S. 602). Das hat indessen nicht den Sinn, dass sich der Zeuge schon dann seiner Aussagepflicht entziehen könne, wenn er durch Ablegung des Zeugnisses ein freiwillig gegebenes Versprechen zur Geheimhaltung bräche und sich dadurch einen Ehrennachteil zuzöge. Die Benachteiligung der Ehre muss nach
Art. 79 BStP
unmittelbar aus dem Inhalt des Zeugnisses und nicht bloss aus der Tatsache der Aussage folgen, wie das angeblich der Fall gewesen wäre, wenn der Beschwerdeführer Zeugnis abgelegt hätte. Was in der Beschwerde unter Berufung auf
Art. 79 BStP
vorgebracht wird, hält daher nicht stand.
BGE 83 IV 59 S. 63
4.
Nach
Art. 88 Abs. 1 BStP
kann der Richter den Zeugen, der ohne gesetzlichen Grund die Aussage verweigert, auf höchstens vierundzwanzig Stunden in Haft setzen. Dabei handelt es sich nicht um eine Strafe, sondern um ein dem Richter in die Hand gegebenes prozessuales Zwangsmittel gegen renitente Zeugen. Ob diese Massnahme anzuwenden sei, entscheidet er nach pflichtgemässem Ermessen. Hierin hat die Anklagekammer nicht einzugreifen, es sei denn die Haftverfügung stelle eine Ermessensüberschreitung dar (vgl.
BGE 77 IV 56
). Darüber zu befinden wird jedoch das Bundesgericht mit der vorliegenden Beschwerde nicht angerufen.
5.
Hält nach dem Gesagten die Entscheidung des Untersuchungsrichters vor dem Gesetz stand und ist sie auch nicht als unangemessen angefochten, erweist sich das Entschädigungsbegehren des Beschwerdeführers ohne weiteres als gegenstandslos. Dabei bleibt dahingestellt, ob ein solcher Anspruch - analog zu
Art. 122 BStP
- überhaupt bei der Anklagekammer des Bundesgerichtes geltend gemacht werden kann.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8cce437b-2bba-43c7-af98-ff16f9b895ad | Urteilskopf
109 IV 5
2. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Februar 1983 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
1.
Art. 122 Ziff. 2 StGB
.
Voraussehbarkeit der Todesfolge bei Messerstichen in die Brust- und Bauchgegend bejaht (E. 2).
2.
Art. 33 Abs. 2 StGB
.
Wer durch deliktisches Verhalten selber schuldhaft den Angriff verursacht, kann sich für seine unangemessene Abwehr nicht auf entschuldbare Aufregung berufen (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 5
BGE 109 IV 5 S. 5
A.-
In der Nacht vom 15./16. Juli 1981 liess sich M. zusammen mit einem Kollegen in der Stadt Zürich durch ein Taxi zur Liegenschaft In der Wässeri 6 führen. Am Bestimmungsort rannten die beiden Taxibenützer gemäss getroffener Abmachung davon, ohne den Fahrpreis zu bezahlen. Der Taxichauffeur B. verfolgte M. und schlug mit einem Kabelstück auf ihn ein. M. griff darauf zu seinem Klappmesser und versetzte dem Angreifer drei Stiche in Bauch und Brust. B. brach zusammen. Er starb infolge der Messerstiche auf dem Transport ins Spital.
B.-
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach M. wegen dieser Tat mit Urteil vom 10. Mai 1982 der schweren Körperverletzung im Sinne von
Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 StGB
(voraussehbare Todesfolge) schuldig und bestrafte ihn dafür sowie wegen weiterer Verfehlungen mit siebeneinhalb Jahren Zuchthaus.
C.-
Gegen die Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung hat M. kantonale und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht. Am 2. November 1982 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich die kantonale Kassationsbeschwerde ab. Ein
BGE 109 IV 5 S. 6
hiegegen erhobener staatsrechtlicher Rekurs wurde vom Kassationshof des Bundesgerichts am 9. Februar 1983 abgewiesen.
Mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde wird beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 10. Mai 1982 sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Verletzte ist infolge der ihm vom Beschwerdeführer zugefügten Messerstiche gestorben. Das Obergericht hat im Sinne von
Art. 122 Ziff. 2 StGB
die Voraussehbarkeit der Todesfolge bejaht.
Die qualifizierte Begehungsform von Ziff. 2 stellt die Verbindung zwischen der vorsätzlichen Haupttat - schwere Körperverletzung - mit der dadurch fahrlässig verursachten, nicht gewollten, aber voraussehbaren Todesfolge dar (
BGE 97 IV 89
ff.). Der Täter muss den Tod nicht als sehr wahrscheinliche oder sichere Folge vorausgesehen haben, sonst würde sich ja die Frage des Tötungsvorsatzes stellen. Nach der hier nicht zu überprüfenden Beweiswürdigung der Vorinstanz fehlt im vorliegenden Fall der Nachweis, dass der Beschwerdeführer den Tod des Verletzten zumindest in Kauf nahm. Ziff. 2 von
Art. 122 StGB
ist anwendbar, wenn der Täter die Möglichkeit des Todes als Folge seiner Handlungen bei pflichtgemässer Überlegung hätte erkennen können. Ob er tatsächlich an das Risiko tödlicher Folgen gedacht hat, wird sich oft nicht feststellen lassen. Das Tatbestandsmerkmal der Voraussehbarkeit ist jedoch erfüllt, sobald der Täter nach den gesamten Umständen und den persönlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Todesfolge bei pflichtgemässer Vorsicht erkennen musste.
Diese objektivierte Voraussehbarkeit der Todesfolge hat das Obergericht in richtiger Anwendung der bundesrechtlichen Bestimmungen bejaht. Ein junger Mann bedarf keiner besonderen Intelligenz, um zu erkennen, dass ungezielte Messerstiche in Brust und Bauch eines Menschen den Tod zur Folge haben können. Weder Mängel des Schulwissens und fehlende Schreibgewandtheit, noch die momentane Erregung über einen Angriff schliessen das Erkennen des mit dem Einsatz des Messers verbundenen erheblichen Todesrisikos aus. Was im übrigen zur Annahme einer Verminderung der Zurechnungsfähigkeit führt oder in anderer Weise die Herabsetzung von Schuld und Strafe rechtfertigt, ist nicht geeignet, den Entscheid über die nach objektiven Massstäben zu
BGE 109 IV 5 S. 7
beurteilende Frage der Voraussehbarkeit zu beeinflussen. Die Subsumtion der Tat unter
Art. 122 Ziff. 1 Abs. 1 und Ziff. 2 StGB
erscheint daher als richtig.
3.
Das Obergericht hat in zutreffender Anwendung von
Art. 33 StGB
festgehalten, dass der betrogene Taxichauffeur zwar berechtigt war, den Beschwerdeführer zu verfolgen, um von ihm - nötigenfalls auch handgreiflich - das Fahrgeld zu fordern, dass aber anderseits der konkrete Angriff von hinten, der nach den unwiderlegbaren Aussagen von M. sehr massiv und gänzlich unkontrolliert erfolgte, vorwiegend den Charakter einer privaten Strafaktion hatte und die Grenzen einer angemessenen Notwehr klar überschritt. Gegenüber der nicht mehr durch
Art. 33 Abs. 1 StGB
gedeckten gewalttätigen Attacke des Taxichauffeurs befand sich der Beschwerdeführer seinerseits in einer Notwehrsituation; er war zu einer verhältnismässigen Abwehr befugt. Lebensgefährliche Stiche in Brust und Bauch des Angreifers stellen jedoch keine angemessene Abwehr von schmerzhaften, aber nicht gefährlichen Schlägen dar. In der Nichtigkeitsbeschwerde wird denn auch nicht geltend gemacht, das Vorgehen des Beschwerdeführers sei gemäss
Art. 33 Abs. 1 StGB
gerechtfertigt. Hingegen vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, er habe in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung gehandelt und sein Notwehrexzess bleibe daher gemäss
Art. 33 Abs. 2 2
. Satz straflos. Ein gewalttätiger Angriff in der Nacht wird den Angegriffenen immer in eine besondere Spannungslage versetzen. Nicht jede noch so exzessive, gefährliche Abwehrreaktion kann wegen der durch den Angriff verursachten Aufregung straflos bleiben; an eine die Straflosigkeit von schweren Notwehrüberschreitungen rechtfertigende Emotion sind besondere Anforderungen zu stellen. Dabei müssen Art und Ausmass der unangemessenen Abwehr sowie die gesamten Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden. Wer - wie der Beschwerdeführer - selber schuldhaft durch deliktisches Verhalten die Ursache des Angriffs gesetzt hat, kann nicht geltend machen, eine unangemessene Abwehr sei auf eine entschuldbare Aufregung oder Bestürzung zurückzuführen. Ob er den Angriff erwartete oder durch die Notwehrhandlung des Opfers überrascht wurde, ist für die Frage der Entschuldbarkeit nicht entscheidend. Eine Aufregung, die zu einer für den Angreifer lebensgefährlichen Reaktion führte, war unter den konkreten Umständen nicht entschuldbar. Auch die in diesem Punkt vorgebrachte Rüge erweist sich somit als unbegründet. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8cdd7654-108e-459e-ad8e-eb2f88b96f26 | Urteilskopf
107 Ib 391
69. Estratto della sentenza 3 aprile 1981 della II Corte di diritto pubblico nella causa Associazione ticinese per le corse dei levrieri contro Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso di diritto amministrativo) | Regeste
Bewilligung für die Organisation einer Wette.
1. Verzicht auf das Erfordernis eines aktuellen Interesses für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
2. Die Aufzählung der Veranstaltungen, in deren Rahmen Wetten nach
Art. 33 Abs. 1 LG
verboten sind, ist nicht abschliessend. Das entscheidende Kriterium ist die Gewerbsmässigkeit.
3. Für die Auslegung des Begriffs der gewerbsmässigen Wetten ist es notwendig, auf die analogen Begriffe in den
Art. 31 BV
und
Art. 52 Abs. 3 HRegV
zurückzugreifen. | Sachverhalt
ab Seite 391
BGE 107 Ib 391 S. 391
Il 10 maggio 1979 il Dipartimento di giustizia del Cantone Ticino ha respinto la domanda presentata dall'Associazione ticinese per le corse dei levrieri (ATCL) intesa ad ottenere l'autorizzazione per l'organizzazione di scommesse al totalizzatore su corse di levrieri. Il Consiglio
BGE 107 Ib 391 S. 392
di Stato ticinese ha confermato questa decisione il 4 settembre 1979.
Con tempestivo ricorso di diritto amministrativo l'ATCL ha impugnato la decisione dell'esecutivo cantonale chiedendo che fosse annullata e che le fosse riconosciuto il diritto di organizzare manifestazioni con scommesse al totalizzatore. Il Consiglio di Stato e il Dipartimento federale di giustizia e polizia hanno chiesto la reiezione. Il Tribunale federale ha respinto il ricorso.
Erwägungen
Considerato in diritto:
1.
La ricorrente non può più prevalersi di un interesse attuale all'annullamento della decisione del Consiglio di Stato, che riguarda scommesse che avrebbero dovuto avere luogo nei mesi di aprile, maggio e ottobre 1979. Cionondimeno, essendo le manifestazioni litigiose suscettibili d'essere organizzate ad altre date, il Tribunale federale rinuncia all'esigenza dell'interesse attuale, che praticamente, in queste circostanze, gli impedirebbe sempre di esaminare la questione (Rep. 1981 pag. 28 e riferimenti; cfr. per il ricorso di diritto pubblico
DTF 104 Ia 487
). L'ATCL ha quindi il diritto di ricorrere secondo l'
art. 103 lett. a OG
.
2.
Il Consiglio di Stato ha fondato la decisione di rifiuto dell'autorizzazione sull'art. 33 della legge federale concernente le lotterie e le scommesse professionalmente organizzate (LLS), che proibisce l'offerta, la senseria e la conclusione, esercitate professionalmente, di scommesse relative a corse di cavalli, regate, gare di gioco del calcio e manifestazioni analoghe, come pure l'esercizio di queste imprese di scommesse (cpv. 1). La ricorrente contesta in primo luogo che tale norma si applichi anche alle scommesse sulle corse dei levrieri, perché, se così fosse, il legislatore lo avrebbe detto esplicitamente.
Questa censura, benché nuova, è ammissibile: il Tribunale federale applica d'ufficio il diritto e non è vincolato dai motivi delle parti (
art. 114 cpv. 1 OG
; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, pag. 191). Essa è però manifestamente infondata. È ovvio che il legislatore ha inteso proibire non le scommesse sulle corse di un certo tipo di animali i cavalli appunto ma in genere tutte le scommesse organizzate professionalmente, qualunque sia il pretesto. L'elenco delle manifestazioni contenuto nell'
art. 33 cpv. 1 LLS
non è esauriente; lo prova il fatto ch'esso non proibisce solo le manifestazioni espressamente menzionate, ma anche quelle
BGE 107 Ib 391 S. 393
"analoghe". Ciò significa che a mente del legislatore il criterio decisivo dev'essere la professionalità delle scommesse e non il genere di manifestazione nell'ambito della quale esse sono organizzate. L'importanza di questo criterio emerge dal messaggio del Consiglio federale del 13 agosto 1918, sia nelle considerazioni d'ordine generale sia in quelle riguardanti in particolare le scommesse (FF 1918/I pag. 991 segg. in part. 1010).
3.
È appunto sulla nozione di professionalità che si è dibattuto nella procedura cantonale. Nella decisione qui impugnata il Consiglio di Stato ha considerato che la ricorrente, con l'organizzazione di scommesse, intende ottenere un maggior afflusso di pubblico alle corse di levrieri e quindi assicurarsi un maggior profitto, per cui si tratta di scommesse professionali; tenuto conto che la legislazione ticinese non ha autorizzato la senseria e la conclusione professionale di scommesse al totalizzatore in virtù della delega di poteri dell'
art. 34 LLS
il Consiglio di Stato ha quindi rifiutato l'autorizzazione chiesta dall'ATCL. Quest'ultima adduce nel ricorso di diritto amministrativo che nel suo caso la professionalità non è ravvisabile negli scopi dell'associazione, nella ripetizione delle scommesse e neppure nella volontà di conseguire un lucro; il Consiglio di Stato avrebbe pertanto abusato del suo potere d'apprezzamento e violato il diritto federale. Nelle osservazioni il Dipartimento federale di giustizia e polizia pone l'accento sulla ricerca di un profitto da parte dell'organizzatore; il Consiglio di Stato aggiunge ai motivi della decisione impugnata l'importanza della probabile ripetizione nel tempo delle scommesse.
La legge non precisa come debba essere interpretato l'aggettivo "professionale"; neppure il messaggio del 13 agosto 1918 contiene indicazioni a questo proposito, se non quella che si intende proibire il "mestiere" di allibratore. Questo concetto è però analogo a quelli utilizzati in altri campi del diritto positivo svizzero, come ad esempio all'
art. 31 Cost.
, che garantisce il diritto di esercitare un'attività privata tendente al conseguimento di un guadagno (
DTF 105 Ia 71
;
DTF 102 Ia 542
), e all'art. 52 cpv. 3 dell'ordinanza sul registro di commercio del 7 giugno 1973 (ORC), che definisce l'impresa soggetta all'obbligo d'iscrizione "un'attività economica indipendente diretta a conseguire direttamente un guadagno" (cfr. PATRY, Schweizerisches Privatrecht, VIII/1, pag. 86). L'industria ai sensi dell'
art. 52 cpv. 3 ORC
presuppone un'attività organizzata suscettibile d'essere ripetuta più volte,
BGE 107 Ib 391 S. 394
indipendente e tendente a un guadagno durevole (PATRY, op.cit. pag. 72 segg.).
Questi criteri distintivi possono essere considerati anche nell'ambito dell'applicazione dell'
art. 33 LLS
, in particolare per esaminare se le scommesse progettate dalla ricorrente verrebbero organizzate professionalmente o no. Ora, il progetto dell'ATCL necessita di una certa organizzazione, che consenta la ripetizione dell'attività, e la ricorrente intende metterlo in atto a titolo indipendente. Quanto al requisito del guadagno durevole, esso non deve necessariamente consistere in un beneficio, ossia in un aumento del patrimonio, ma può costituire un semplice ricavo o incasso (PATRY, op.cit. pagg. 75/76); per essere durevole ai sensi dell'
art. 52 cpv. 3 ORC
esso non deve ripetersi per tempo indeterminato o durante un periodo relativamente lungo: secondo la giurisprudenza la durata non è un elemento indipendente, ma serve solo a definire il genere d'attività dell'impresa in quanto insita nella ripetizione degli atti di commercio e nell'organizzazione necessaria (
DTF 104 Ib 262
;
84 I 189
consid. 2). Nella fattispecie appare in modo chiaro che le scommesse permetterebbero alla ricorrente d'incassare soldi e di conseguire un guadagno nel senso precisato sopra, indipendentemente dal fatto che il ricavo sarebbe destinato in parte alla copertura delle spese e in parte a scopi di beneficenza. Inoltre, indirettamente l'ATCL otterrebbe un sicuro beneficio poiché le scommesse, organizzate a suo dire per pubblicizzare le corse di levrieri, attirerebbero alle manifestazioni canine un maggior numero di spettatori paganti il biglietto d'entrata. Il guadagno è infine durevole ai sensi dell'
art. 52 cpv. 3 ORC
poiché l'organizzazione di scommesse, sia pure sporadica, avverrebbe con una certa intermittenza: lo provano le richieste d'autorizzazioni presentate per le manifestazioni del 14 e 15 ottobre 1978 e del 15 aprile, 27 maggio e 7 ottobre 1979.
Pertanto, le considerazioni esposte dal Consiglio di Stato nella decisione impugnata sono corrette: l'esecutivo cantonale non ha violato il diritto federale e non ha abusato o ecceduto nell'apprezzamento considerando che l'ATCL intendeva organizzare scommesse sulle corse dei levrieri, in modo professionale ai sensi dell'
art. 33 cpv. 1 LLS
. Dal momento che il legislatore ticinese non ha istituito eccezioni alla regola della proibizione in applicazione dell'
art. 34 LLS
, l'autorizzazione chiesta dalla ricorrente non poteva essere rilasciata. | public_law | nan | it | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
8cde87f5-5677-42a2-b6cc-51d7564891c4 | Urteilskopf
107 Ib 334
59. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Dezember 1981 i.S. Fischer gegen Gemeinde Marthalen und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4, 22ter BV
. Auszonung zur Verkleinerung des Baugebiets.
1. Massgebende Gesichtspunkte für die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Verkleinerung der Bauzone und den entgegenstehenden Interessen eines von der Auszonung betroffenen Grundeigentümers (E. 2 u. 3).
2. Bedeutung der Rechtsgleichheit mit Bezug auf die nicht ausgezonten Grundstücke. Verletzung des Gleichheitsprinzips im konkreten Fall bejaht (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 334
BGE 107 Ib 334 S. 334
Mit Beschluss vom 28. März 1977 erliess die Gemeindeversammlung Marthalen eine neue Bauordnung mit einem neuen Zonenplan und genehmigte zugleich einen Siedlungs- und Landschaftsrichtplan. Die Walter Fischer gehörenden Grundstücke Nrn. 605, 606, 607 und 608 im Gebiet "auf der Breiten", welche in der Wohn- und Gewerbezone für zweigeschossige Bauten (WG 2) lagen, wurden ins übrige Gemeindegebiet ausgezont. Gegen diese Auszonung rekurrierte Walter Fischer erfolglos an den
BGE 107 Ib 334 S. 335
Bezirksrat Andelfingen. Er zog dessen Entscheid an den Regierungsrat des Kantons Zürich weiter, der die Beschwerde am 20. August 1980 abwies.
Walter Fischer führt gegen den Entscheid des Regierungsrats staatsrechtliche Beschwerde. Er erblickt in der Auszonung einen Verstoss gegen die Eigentumsgarantie und das Willkürverbot. Sinngemäss rügt er ausserdem eine Verletzung der Rechtsgleichheit.
Der Regierungsrat des Kantons Zürich, der Bezirksrat Andelfingen und der Gemeinderat Marthalen beantragen die Abweisung der Beschwerde. Eine Delegation des Bundesgerichts nahm am 26. August 1981 einen Augenschein vor.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
2.
a) Die Eigentumsgarantie steht einer nachträglichen Änderung oder Beschränkung der aus einer bestimmten Zoneneinteilung folgenden Nutzungsmöglichkeit nicht grundsätzlich entgegen (
BGE 107 Ia 36
mit Hinweisen). Eine solche Massnahme stellt indessen eine Eigentumsbeschränkung dar, die gemäss
Art. 22ter BV
nur zulässig ist, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruht und im öffentlichen Interesse liegt.
b) Die gesetzliche Grundlage der Auszonung ist mit Recht nicht bestritten. Streitig ist nur, ob an der Auszonung der Parzellen des Beschwerdeführers ein hinlängliches öffentliches Interesse besteht. Die Gemeinde Marthalen beruft sich für die Massnahme einzig auf die Notwendigkeit, die im früheren Zonenplan viel zu grosszügig bemessene Bauzone zu verkleinern. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an Massnahmen, die das Entstehen überdimensionaler Bauzonen verhindern oder solche verkleinern (
BGE 105 Ia 235
E. 3c lit. cc;
BGE 103 Ia 252
E. 2b mit Hinweisen). In diesem Sinn gebietet das Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG), dass die Siedlungen nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten und in ihrer Ausdehnung zu begrenzen seien (
Art. 3 Abs. 3 RPG
). Demgemäss sollen die Bauzonen Land umfassen, das sich für die Überbauung eignet und voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird (
Art. 15 RPG
). Das geltende Zürcher Planungs- und Baugesetz vom 7. September 1975 (PBG) spricht den gleichen Grundsatz in § 47 Abs. 2 aus.
BGE 107 Ib 334 S. 336
Die Gemeinde Marthalen hat heute rund 1350 Einwohner. Seit 100 Jahren ist die Einwohnerzahl praktisch unverändert geblieben. Bei der Revision des Zonenplans zeigte es sich, dass die Baulandreserven - wie fast überall im Kanton (vgl. dazu den kantonsrätlichen Begleitbericht zum kantonalen Gesamtplan vom 10. Juli 1978, S. 10) - den erwarteten Bedarf um ein Vielfaches überstiegen und deshalb bedeutende Abstriche am eingezonten Baugebiet vorgenommen werden mussten. Beim Zonenplan von 1965 hatte die Gemeinde noch mit einem Baulandbedarf für rund 4500 Einwohner gerechnet. Angesichts der Einwohnerzahlen und der Bevölkerungsentwicklung lag eine Verkleinerung der Bauzone zweifellos im öffentlichen Interesse. Diese grundsätzliche Notwendigkeit der Redimensionierung und das öffentliche Interesse daran anerkennt auch der Beschwerdeführer. Er macht indessen geltend, mit Bezug auf seine Parzellen überwögen seine privaten Interessen das öffentliche Interesse an der Auszonung.
c) Ob die mit der Auszonung verbundene Eigentumsbeschränkung durch ein ausreichendes öffentliches Interesse gedeckt ist, hängt nicht nur davon ab, dass an der Massnahme ein solches besteht; dieses muss ausserdem die entgegenstehenden privaten Interessen überwiegen. Das Bundesgericht überprüft diese verfassungsrechtlich gebotene Interessenabwägung grundsätzlich frei. Es auferlegt sich lediglich Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von der Würdigung örtlicher Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen (
BGE 107 Ia 38
E. 3c;
BGE 104 Ia 126
E. 2a mit Hinweisen). Bei der Beurteilung sind namentlich das Ausmass und die konkrete Lage der umstrittenen Parzellen, deren Erschliessung sowie die Interessen des Beschwerdeführers zu würdigen.
3.
a) Die Überbauung der Parzellen des Beschwerdeführers als solche verstösst nicht gegen die Planungsabsichten der Gemeinde oder des Kantons. Aus dem gegenwärtigen Planungsstand geht vielmehr hervor, dass die Grundstücke in einem späteren Zeitpunkt eingezont werden sollen. Gemäss dem von der Gemeinde genehmigten Siedlungs- und Landschaftsrichtplan vom 28. März 1977 befinden sich die Parzellen im Baugebiet. Nach dem kantonalen Gesamtplan liegen sie im sog. Anordnungsspielraum, d.h. im Grenzgebiet zwischen Siedlungs- und Nichtsiedlungsgebiet, dessen parzellenscharfe Abgrenzung der nachgeordneten Planung
BGE 107 Ib 334 S. 337
überlassen ist. Eine Zuweisung der Parzellen in eine Bauzone würde somit den Grundsatz der Verbindlichkeit der Planungen gemäss
§ 16 PBG
nicht verletzen. Die Interessenabwägung reduziert sich daher praktisch auf die Frage, ob die Auszonung im Hinblick auf den voraussichtlichen Baulandbedarf innerhalb der für die Nutzungsplanung massgebenden Zeitspanne von 15 Jahren heute als gerechtfertigt bezeichnet werden darf.
b) Die Parzellen des Beschwerdeführers umfassen eine Fläche von rund 1 ha. Eine Überbauung ergäbe nach den vom kantonalen Amt für Raumplanung verwendeten Schätzungswerten Wohnraum für 40-50 Personen. Die ausgezonte Fläche ist verglichen mit dem eingezonten Gemeindegebiet und der Gesamteinwohnerzahl somit eher gering. Eine Überschreitung der im Hinblick auf die Änderung des Zonenplans ermittelten Baulandreserven um 1 ha fällt bei der Unsicherheit, die erfahrungsgemäss allen Prognosen anhaftet, nicht besonders schwer ins Gewicht. Die mit der Änderung des früheren Zonenplans beabsichtigte wesentliche Verkleinerung der Bauzone würde in dieser Hinsicht durch die Belassung der Grundstücke in der Bauzone nicht in Frage gestellt. Der Eignung des Landes als Siedlungsgebiet, seiner Lage im Verhältnis zum überbauten Gebiet und den Bauzonen sowie den Erschliessungsverhältnissen kommt unter diesen Umständen grösseres Gewicht zu.
c) Der Augenschein hat bestätigt, dass eine Überbauung der umstrittenen Fläche unter dem Gesichtspunkt der geordneten Siedlungsentwicklung keineswegs als unzweckmässig bezeichnet werden kann. Die Fläche stösst auf drei Seiten an Bauzonenland an, das zum Teil bereits überbaut ist. Es handelt sich um ein ebenes Areal, das sich für eine Überbauung nicht weniger eignet als die angrenzenden Flächen. Angesichts der Überbauung auf den Nachbargrundstücken lässt sich die Gefahr der Verhinderung der Streubauweise und der ungeordneten Überbauung nicht als Grund für die Auszonung anführen. Eine Belassung der Parzellen des Beschwerdeführers in der Bauzone kann auch unter diesem Gesichtspunkt als sachgerecht bezeichnet werden.
d) Die Groberschliessung, wie sie das kantonale Recht und die Gemeindebauordnung verlangen, ist vorhanden. Das Anliegen, die Infrastrukturanlagen rationell zu nutzen, spricht klarerweise für den baldigen Anschluss von Bauten, die auf dem grob erschlossenen Areal erstellt werden. Die Feinerschliessung obliegt dem
BGE 107 Ib 334 S. 338
Beschwerdeführer und belastet die Gemeinde nicht. Die bereits vorhandene infrastrukturelle Erschliessung vermindert das planerische Interesse an der Auszonung, da dadurch die sonst primär der Gemeinde obliegenden Erschliessungskosten wegfallen. Diese Betrachtungsweise entspricht auch den Überlegungen, die dem kantonalen Gesamtplan zugrunde liegen; danach sollen nur Bauzonen zurückgezont werden, in denen die Groberschliessung mindestens zur Hauptsache noch fehlt (vgl. den kantonsrätlichen Begleitbericht zum kantonalen Gesamtplan vom 10. Juli 1978, S. 11).
e) Der Verzicht auf die Auszonung der Parzellen des Beschwerdeführers hätte auch nicht zur Folge, dass eine Anzahl weiterer Grundstücke, die ebenfalls ausgezont wurden, aus Gründen der Rechtsgleichheit hätten eingezont bleiben müssen. Soweit die übrigen Gebiete die 1977 ausgezont wurden, ähnliche "Auszackungen" in der Bauzone zur Folge hatten wie die Grundstücke des Beschwerdeführers, gehen jene Auszonungen entweder auf Zustimmung der betroffenen Eigentümer zurück oder es konnte damit eine Grossüberbauung verhindert werden. Auch der in den Akten erwähnte Fall von S., dem die Parzelle Nr. 317 gehört, deren südlicher Teil dem übrigen Gemeindegebiet zugewiesen wurde, hat keine Berührungspunkte mit dem Fall des Beschwerdeführers; die Auszonung erfolgte dort aufgrund des Ortsbildschutzes und ist auch im übrigen nicht vergleichbar.
f) Der Beschwerdeführer beabsichtigt seit Jahren, seine Grundstücke zu überbauen. Der Gemeinde Marthalen war dies bekannt. Er liess verschiedene Projekte ausarbeiten. In zwei Vorentscheiden von 1972 nahm die Gemeinde dazu grundsätzlich positiv Stellung, unter ausdrücklichem Vorbehalt einer abschliessenden Stellungnahme bei Vorlegung des endgültigen Baugesuchs. In einem weiteren Entscheid vom 1974 trat sie auf ein erneutes Gesuch um einen Vorentscheid zu einem Überbauungsprojekt vor allem wegen der noch offenen Frage der Zufahrtsstrasse nicht ein; gleichzeitig lud sie den Beschwerdeführer ein, sein Baugesuch bis zum Vorliegen eines von der Gemeinde überarbeiteten Bebauungsplans zurückzustellen. Der Beschwerdeführer behauptet zwar zu Recht nicht, es liege eine verbindliche Zusicherung vor, die ihm bereits gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben einen Anspruch auf Belassung in der Bauzone gäbe. Angesichts der von ihm ausgearbeiteten Überbauungsprojekte, die nicht zuletzt wegen der inzwischen erfolgten strassenmässigen Erschliessung aufgeschoben wurden, ist aber durch die Vorgeschichte ein erhebliches konkretes
BGE 107 Ib 334 S. 339
Interesse an der Belassung der Parzellen in der Bauzone ausgewiesen.
4.
Alle diese Gesichtspunkte sprechen nicht für, sondern gegen eine Auszonung. Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt, der die Auszonung verfassungsrechtlich auf jeden Fall nicht mehr als zulässig erscheinen lässt. Im Unterschied zu den Parzellen des Beschwerdeführers hat die Gemeinde das südlich an seine Grundstücke angrenzende Gebiet Oberhausen nicht ausgezont. Der Beschwerdeführer hält die Auszonung seiner Parzellen aus diesem Grund für besonders ungerechtfertigt.
a) Dem Gleichheitsprinzip kommt bei Planungsmassnahmen nur eine abgeschwächte Bedeutung zu. Es liegt im Wesen der Ortsplanung, dass Zonen gebildet und irgendwo abgegrenzt werden müssen und das Grundstücke ähnlicher Lage und ähnlicher Art bau- und zonenrechtlich völlig verschieden behandelt werden können. Immerhin darf die Abgrenzung nicht willkürlich erfolgen; sie muss sich vielmehr durch vernünftige planerische Gründe rechtfertigen lassen (
BGE 103 Ia 257
E. 4 mit Hinweisen). Das ist namentlich nicht mehr der Fall, wenn die ungleiche Behandlung der betroffenen Parzellen jeder vernünftigen Planung widerspricht oder wenn dem Vorgehen der Behörde offensichtlich unzulässige sachfremde Überlegungen zugrunde liegen.
b) Das Gebiet von Oberhausen umfasst rund 9 ha. Davon gehören 2 ha der Gemeinde. Diese hat das Land gekauft, um Bauparzellen für Eigenheime bereitstellen zu können. Nach Angaben der Gemeindevertreter am Augenschein sollen diese vorzugsweise an Leute aus der Gemeinde abgegeben werden. Das Gebiet ist weiter vom Ortskern entfernt als die Parzellen des Beschwerdeführers. Unter dem Gesichtspunkt der geordneten Siedlungsentwicklung hätte es zweifellos näher gelegen, diese Fläche um 1 ha zu verkleinern, anstatt die an den Ortskern angrenzenden Grundstücke des Beschwerdeführers auszuzonen. Daran ändert auch der von der Gemeinde hervorgehobene Umstand nichts, dass das Gebiet mit Rücksicht auf den zur Zeit der Revision des Zonenplans vorliegenden Quartierplan in der Bauzone belassen worden sei. Angesichts der vom Beschwerdeführer ausgearbeiteten Projekte bestand in dieser Hinsicht planungsrechtlich kein wesentlicher Unterschied. Der weitere Umstand, dass die Gemeinde zufolge ihrer Stellung als Eigentümerin die sich in Oberhausen niederlassenden Personen in gewissem Mass auswählen kann während sie die Erwerber bzw. allfälligen Neuzuzüger im Gebiet des
BGE 107 Ib 334 S. 340
Beschwerdeführers nicht mitbestimmen kann, war kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Gebiete bei der Auszonung.
c) Aus dem Vergleich erhellt, dass die planerischen Gesichtspunkte eher mehr, jedenfalls aber nicht weniger für die Belassung der Parzellen des Beschwerdeführers in der Bauzone sprachen als für die Beibehaltung der Bauzone im Gebiet Oberhausen. Wenn die Gemeinde deshalb mit Rücksicht auf den Stand der Planung und die Überbauungsabsichten davon abgesehen hat, das Gebiet Oberhausen auszuzonen, so musste sie die gleiche Rücksicht auch gegenüber dem Beschwerdeführer walten lassen. Es war unter den geschilderten Umständen sachlich nicht haltbar, dass seine Grundstücke nicht ebenfalls eingezont blieben. Indem die Gemeinde keine Verkleinerung des angrenzenden Gebiets Oberhausen, wo sie selber über einen Landbesitz von rund 2 ha verfügt, vorgenommen hat, hat sie das Rechtsgleichheitsgebot verletzt. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen und der Entscheid des Regierungsrats aufzuheben. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
8ce28a74-e110-4e19-997a-adff8fd24606 | Urteilskopf
81 III 138
38. Auszug aus dem Entscheid vom 11. Oktober 1955 i. S. Schildknecht. | Regeste
Unpfändbarkeit von Berufswerkzeugen (
Art. 92 Ziff. 3 SchKG
). Begriff des Berufs. Berücksichtigung eines Saisonberufs (Fischerei).
Rekurs an das Bundesgericht. Unzulässige Nova (
Art. 79 Abs. 1 OG
). | Sachverhalt
ab Seite 138
BGE 81 III 138 S. 138
In den Betreibungen, die Schildknecht gegen Zeller führt, pfändete das Betreibungsamt Appenzell am 23.
BGE 81 III 138 S. 139
Juni 1955 nur das über den Schätzungswert hinaus belastete Wohnhaus des Schuldners. Mit rechtzeitiger Beschwerde verlangte der Gläubiger u.a., das Betreibungsamt sei anzuweisen, auch die Fischereiausrüstung des Schuldners zu pfänden. In Übereinstimmung mit der kantonalen Aufsichtsbehörde weist das Bundesgericht dieses Begehren ab.
Erwägungen
Begründung:
Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Schuldner während der Sommermonate der Fischerei obliege, die bestimmt seinen Haupterwerb darstelle, und sich im Winter mit Heimarbeit (Maskenformen) betätige. Diese Feststellung betrifft tatsächliche Verhältnisse und ist daher gemäss
Art. 63 Abs. 2 und 81 OG
für das Bundesgericht verbindlich (vgl.
BGE 63 III 82
Abs. 1). Auf Grund dieser Feststellung, die der Rekurrent mit seinen neuen Vorbringen vor Bundesgericht nicht umzustossen vermag, konnte die Vorinstanz ohne Bundesrechtsverletzung annehmen, bei der vom Schuldner ausgeübten Fischerei handle es sich um einen Beruf im Sinne von
Art. 92 Ziff. 3 SchKG
, d.h. um eine vorwiegend auf persönlicher Arbeit des Schuldners beruhende Erwerbstätigkeit, die für den Unterhalt des Schuldners notwendig ist und ihm regelmässige Einkünfte verschafft (
BGE 63 III 82
,
BGE 77 III 73
/74). Der Umstand, dass der Schuldner sich nur während der Sommermonate der Fischerei widmen kann, steht der Annahme, dass diese dem Schuldner regelmässige Einkünfte verschaffe, nicht entgegen. Eine Tätigkeit, die der Schuldner nur im Sommer ausübt, während er im Winter sein Brot auf andere Weise verdient, kann sehr wohl einen Beruf im Sinne von
Art. 92 Ziff. 3 SchKG
darstellen. Auf einen solchen Saisonberuf ist bei der Pfändung auch dann Rücksicht zu nehmen, wenn diese ausserhalb der Jahreszeit verlangt wird, während welcher der Schuldner ihn ausübt. Die genaue Höhe des Einkommens abzuklären, das der Schuldner aus der
BGE 81 III 138 S. 140
Fischerei zieht, war nicht unerlässlich. Die Vorinstanz konnte sich mit der Feststellung begnügen, dass dieses Einkommen im Sommer den Haupterwerb des Schuldners bilde. Gegen die Annahme, dass der Schuldner berufsmässig fischt, lässt sich auch die Tatsache nicht ins Feld führen, dass es in der fraglichen Landesgegend sonst keine Berufsfischer geben soll. Dieser Umstand vermag nichts daran zu ändern, dass der Schuldner während eines beträchtlichen Teils des Jahres zur Hauptsache aus der Fischerei lebt. Die für die Ausübung dieser Tätigkeit notwendigen Geräte sind daher gemäss
Art. 92 Ziff. 3 SchKG
unpfändbar.
Dass anhand eines Verzeichnisses, allenfalls unter Beizug eines Experten, abgeklärt werden sollte, wieweit die Fischereigeräte des Schuldners für seine Tätigkeit notwendig seien, hat der Rekurrent im kantonalen Verfahren nicht geltend gemacht. Vielmehr hat er damals gegen die Freigabe der Fischereiausrüstung nur den grundsätzlichen Einwand erhoben, es liege kein Beruf im Sinne von
Art. 92 Ziff. 3 SchKG
vor. Seine heutigen Ausführungen darüber, dass der Schuldner vielleicht entbehrliche Berufsgeräte besitze, sind daher nicht zu hören. | null | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8ce89bb8-fd34-4eb1-a0a4-9578ede347a3 | Urteilskopf
107 V 54
10. Auszug aus dem Urteil vom 9. Januar 1981 i.S. Gemeindekrankenkasse Kirchberg gegen Sennhauser und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen. | Regeste
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 2 KUVG
und Art. 23 Abs. 1 Vo III.
- Ob das Heilen oder das Pflegen im Vordergrund steht, ist für den Heilanstaltscharakter unerheblich.
- Die Differenzierung zwischen Akutspitälern, Chronischkrankenhäusern und Pflegeheimen mit spitalmässiger Einrichtung ist eine Tarifsache und berührt den Heilanstaltsbegriff als solchen nicht.
Art. 215 Abs. 3 AHVV
. Die Zusprechung von Baubeiträgen an ein Pflegeheim hat keine präjudizielle Bedeutung für die Beurteilung durch den Richter, ob ein Pflegeheim den Begriff der Heilanstalt erfüllt. | Erwägungen
ab Seite 55
BGE 107 V 54 S. 55
Aus den Erwägungen:
1.
Nach
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 2 KUVG
haben die Krankenkassen im Rahmen der Krankenpflegeversicherung bei Aufenthalt in einer Heilanstalt die zwischen dieser und der Kasse vertraglich festgelegten Leistungen zu gewähren, mindestens aber die ärztliche Behandlung, einschliesslich der wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen, der Arzneimittel und Analysen nach den Taxen der allgemeinen Abteilung sowie einen täglichen, in Art. 24 Abs. 1 der Verordnung III über die Krankenversicherung vom 15. Januar 1965 auf 9 Franken festgelegten Mindestbeitrag an die übrigen Kosten der Krankenpflege.
Als Heilanstalten im Sinne des
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 2 KUVG
gelten gemäss Art. 23 Abs. 1 Verordnung III Anstalten oder Abteilungen von solchen, die der Behandlung von Kranken unter ärztlicher Leitung dienen. Nach der Rechtsprechung betrifft das Erfordernis der ärztlichen Leitung nicht die Anstalt als solche, sondern die dort erbrachte ärztliche Behandlung, die nicht unbedingt durch fest angestellte Anstaltsärzte vorgenommen werden muss. Dass die Heilanstalt eine allgemeine Abteilung besitzt, ist nicht erforderlich. Unerlässlich ist hingegen, dass sie über genügend und fachgemäss ausgebildetes Krankenpflegepersonal sowie über medizinische Einrichtungen verfügt, die den ärztlichen bzw. therapeutischen Anforderungen genügen, welche die besondere Zwecksetzung der Anstalt stellt (vgl.
BGE 100 V 73
Erw. 1,
BGE 99 V 72
Erw. 2,
BGE 96 V 11
Erw. 3a; RSKV 1979 Nr. 391 S. 273, 1978 Nr. 312 S. 22, 1977 Nr. 298 S. 167). Wenn eine Anstalt neben Patienten, die auf ärztliche Anordnung hin gepflegt werden, auch - eventuell sogar zur Hauptsache - Personen aufnimmt, die sich dort bloss zur Erholung oder Wiedergenesung aufhalten, ist dies für sich allein genommen kein Grund zur Annahme, es handle sich nicht um eine Heilanstalt (
BGE 99 V 72
Erw. 2; RSKV 1977 Nr. 298 S. 167). An dieser Rechtsprechung ist gemäss einem Beschluss des Gesamtgerichts festzuhalten.
2.
a) Im Urteil vom 4. August 1978 hat das Eidg. Versicherungsgericht ausgeführt, dass das Alters- und Pflegeheim
BGE 107 V 54 S. 56
Ebnat-Kappel mit Dr. med. H. über einen Heimarzt verfügt, dem die ärztliche und administrative Leitung obliegt und der auch die ärztliche Behandlung der Insassen leitet. Die im Anschluss an die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz durchgeführten Abklärungen ergaben, dass das Pflegeheim die erforderlichen medizinischen Einrichtungen zur akut und chronisch geriatrischen Betreuung besitzt; insbesondere ist es für Notfallsituationen ausgerüstet, und es können auch verschiedene diagnostische Leistungen (wie EKG, Transaminase- und Blutzuckerbestimmungen, Blutbilder und Nierenfunktionsprüfungen) erbracht werden; des weitern wurde festgestellt, dass im 50 Betten umfassenden Pflegeheim drei Krankenschwestern und sieben Krankenpflegerinnen tätig sind und dass es eine Schulstation der Pflegerinnenschule Toggenburg-Linth ist. Somit verfügt das Pflegeheim sowohl über die erforderlichen medizinischen Einrichtungen als auch über genügend und fachgemäss ausgebildetes Krankenpflegepersonal, weshalb die Vorinstanz den Heilanstaltscharakter zu Recht bejahte.
b) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde weist die Kasse darauf hin, das Pflegeheim dürfe nicht mit dem Spital Wattwil verglichen werden, da dieses ein Akutspital sei, welches personell und einrichtungsmässig über ganz andere Behandlungsmöglichkeiten verfüge als ein Pflegeheim. Zudem legte Dr. med. H. in seinem Schreiben vom 25. September 1978 dar, das Pflegeheim habe keine Intensivstation; überdies macht er im Schreiben vom 7. August 1979 geltend, im Pflegeheim gehe es nicht um die Heilung der Patienten, sondern um die Pflege und Betreuung unheilbar Chronischkranker, weshalb nicht von einer Heilanstalt gesprochen werden könne. Zu diesen Einwendungen ist zunächst zu bemerken, dass es für das Bejahen bzw. Verneinen des Heilanstaltsbegriffes nicht auf das Vorhandensein oder Fehlen einer Intensivstation ankommt; nach dem in Erwägung 1 Gesagten ist vielmehr wesentlich, ob die Anstalt u.a. über die im Hinblick auf ihre besondere Zwecksetzung erforderlichen medizinischen Einrichtungen verfügt. Des weitern ist es unerheblich, ob das Heilen oder das Pflegen im Vordergrund steht; denn im Einzelfall dürfte es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein, zwischen Heilen und Pflegen klar abzugrenzen; ein derartiges Kriterium wäre daher unpraktikabel. Nicht massgebend für den Heilanstaltscharakter ist ferner auch die Unterscheidung zwischen Akutspitälern, Chronischkrankenhäusern
BGE 107 V 54 S. 57
und Pflegeheimen mit spitalmässiger Ausrüstung, wie sie mitunter in Krankenkassenstatuten zum Ausdruck kommt. Die differenzierte Behandlung der verschiedenen Anstalten durch die Krankenkassen ist eine Frage der tariflichen Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Heilanstalten; den Begriff der Heilanstalt als solchen vermag sie jedoch nicht zu beeinflussen.
Schliesslich macht die Kasse in formeller Hinsicht noch geltend, das Bundesamt für Sozialversicherung habe im Zusammenhang mit der Gewährung von Baubeiträgen an das Alters- und Pflegeheim Ebnat-Kappel festgestellt, das Pflegeheim sei keine Heilanstalt; andernfalls hätten solche Beiträge nicht bewilligt werden dürfen, da gemäss
Art. 215 Abs. 3 AHVV
Anstalten, die nach eidgenössischer oder kantonaler Gesetzgebung als Heilanstalten gelten, nicht beitragsberechtigt sind. In der Tat geht aus den Akten des Bundesamtes hervor, dass dem Pflegeheim mit Verfügung vom 23. Dezember 1977 Baubeiträge zugesprochen wurden. Die damit verbundene Feststellung, es handle sich nicht um eine Heilanstalt, vermag jedoch die Beurteilung durch den Richter, der in einem Streitfall zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse zum Entscheid über den Charakter einer Anstalt aufgerufen ist, nicht zu präjudizieren.
Somit ist festzuhalten, dass die gegen die Annahme des Heilanstaltscharakters erhobenen Einwendungen nicht geeignet sind, zu einem andern Ergebnis zu führen.
3.
Die Anerkennung einer Anstalt als Heilanstalt und die Tatsache des Aufenthalts darin genügen für sich allein genommen nicht zur Bejahung der Leistungspflicht der Krankenkasse. Nach der Rechtsprechung muss zusätzlich eine Krankheit vorliegen, welche eine Heilanstaltsbehandlung erfordert (
BGE 99 V 72
Erw. 3, RSKV 1977 Nr. 298 S. 167).
Beim Übertritt vom Spital Wattwil ins Pflegeheim lautete die Diagnose des Dr. med. H. auf Zustand nach apoplektischem Insult (Schlaganfall) mit Halbseitenlähmung und teilweiser Lähmung der Schluckmuskulatur, Schädigung des Sprachzentrums sowie Urin- und Stuhlinkontinenz. Gemäss Schreiben des Dr. med. H. vom 25. September 1978 benötigte der Versicherte wegen Komplikationsgefahren eine ständige ärztliche Überwachung. Auch das Spital Wattwil hob angesichts des Gesundheitszustandes die Notwendigkeit einer Betreuung
BGE 107 V 54 S. 58
unter spitalmässigen Bedingungen hervor. Die Bejahung der Heilanstaltsbedürftigkeit durch die Vorinstanz lässt sich daher nicht beanstanden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
8cf2700f-f5d4-44be-9d3e-6ba686efa4af | Urteilskopf
81 III 49
15. Entscheid vom 5. Mai 1955 i.S. Schrag. | Regeste
Betreibungsbegehren, Zahlungsbefehl.
Welche Angaben sind zur Bezeichnung von Zinsforderungen notwendig? Folgen der ungenügenden Bezeichnung einer solchen Forderung (
Art. 67 Ziff. 3 und
Art. 69 Ziff. 1 SchKG
). | Sachverhalt
ab Seite 49
BGE 81 III 49 S. 49
Mit Begehren vom 18. Oktober 1954 verlangte die Firma M. & H. Berger die Einleitung einer Betreibung gegen Felix Schrag in Bern für eine Forderung von "Fr. 48.05 nebst Zins zu 1 1/2% per Monat seit 1.9.50 von Fr. 545.--." Den Grund der Forderung bezeichnete sie wie folgt: "lt. Vertrag nebst vielen Mahnungen, Inkasso-Versuche, frühere Betreibungskosten und Spesen, wegen Nichteinhaltung des Vertrages." Das Betreibungsamt Bern 1
BGE 81 III 49 S. 50
erliess einen entsprechenden Zahlungsbefehl. Der Schuldner erhob weder Rechtsvorschlag, noch führte er Beschwerde.
Am 7. März 1955 stellte die Gläubigerin das Fortsetzungsbegehren. Das Betreibungsamt pfändete am 14. März 1955 einen Teppich im Schätzungswerte von Fr. 150.--. Mit der Abschrift der Pfändungsurkunde stellte es der Gläubigerin eine Verfügung vom 21. März 1955 mit folgendem Dispositiv zu:
"Die Pfändung wird für den Betrag von Fr. 48.05 nebst Zins zu 1 1/2 % per Monat seit 1.9.50 vollzogen. Die auf dem Betreibungs- und Fortsetzungsbegehren zur Forderungssumme und zum Zinsfussansatz zusätzlich angebrachte Bemerkung, von Fr. 545.--, ist ungültig."
Gegen diesen Verfügung führte die Gläubigerin Beschwerde mit dem Antrag:
"Das Betreibungsamt Bern 1 sei zu verpflichten, unser Fortsetzungsbegehren... umgehend wie folgt zu vollziehen:
1) 1 1/2 % Zins (Verzugsgebühr) von Fr. 545.-- seit 1.9.1950 bis zum Tage der Zahlung vorerwähnter Zinsen, d.h. bis heute oder wann der Schuldner dann eben bezahlt, bezw. die Pfändung vollzogen wird.
2) Zum Zins sind zu schlagen die separate Forderung von Fr. 48.05 und alle aufgelaufenen Betreibungskosten.
3) Die Verfügung des Betreibungsamtes Bern 1 vom 21.3.55 sei aufzuheben."
Am 20. April 1955 hat die kantonale Aufsichtsbehörde erkannt:
"Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Betreibungsamt Bern angewiesen wird, die Pfändung zu vollziehen für den Betrag von Fr. 48.05 nebst Zins zu 1 1/2 % per Monat seit 1.9.1950 von Fr. 545.--."
Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Begehren, die Verfügung des Betreibungsamtes sei wieder in Kraft zu setzen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 67 Ziff. 3 SchKG
ist im Betreibungs begehren, mit dem die Einleitung einer Betreibung auf
BGE 81 III 49 S. 51
Geldzahlung verlangt wird, die Forderungssumme in gesetzlicher Schweizerwährung anzugeben, bei verzinslichen Forderungen ausserdem der Zinsfuss und der Tag, von dem an der Zins gefordert wird. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass der Gläubiger, der Zinsen von einem bestimmten Kapital eintreiben will, diese dann nicht in einer Summe anzugeben braucht, wenn er sie neben der zu verzinsenden Kapitalsumme, d.h. als rein akzessorische Forderung, in Betreibung setzt. Verlangt er dagegen Zinsen von einem Kapitalguthaben, das nicht Gegenstand der Betreibung ist, so kann er sich nicht mit der Angabe der zu verzinsenden Summe, des Zinsfusses und des Anfangstermins des Zinsenlaufs begnügen, sondern muss die Zinsforderung, die in diesem Falle den Charakter eines Hauptanspruchs hat, bestimmt beziffern. Ähnlich verhält es sich auch dann, wenn der Gläubiger den noch ausstehenden Teil eines ursprünglich höhern, durch Abzahlungen nach und nach verminderten Kapitalguthabens in Betreibung setzt und Zinsen nicht nur von dem bei Einleitung der Betreibung noch geschuldeten Betrag, sondern - bis zum Zeitpunkt der Zahlung - auch von den abbezahlten Teilbeträgen verlangt. In einem solchen Falle ist dem Gläubiger zuzumuten, die geforderten Zinsen mit Ausnahme derjenigen, die auf dem noch ausstehenden Kapitalbetrag seit der letzten Abzahlung laufen, in einer Summe anzugeben. Will man hierin nicht ein unerlässliches Erfordernis sehen, so muss von ihm doch zum mindesten verlangt werden, dass er genau angibt, welche Summe ursprünglich und nach jeder einzelnen Abzahlung geschuldet war und von wann bis wann eine jede dieser Kapitalsummen zu verzinsen ist (vgl.
BGE 56 III 166
). Betreibungsbegehren, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind zurückzuweisen. Geschieht dies nicht, sondern erlässt das Betreibungsamt einen Zahlungsbefehl, der die Angaben des mangelhaften Betreibungsbegehrens wiederholt, so ist der Zahlungsbefehl wenigstens in Bezug auf die ungenügend bezeichnete Zinsforderung als nichtig anzusehen, da die
BGE 81 III 49 S. 52
auf die klare Bezeichnung der Forderung bezüglichen Bestimmungen wie z.B. diejenigen, die eine eindeutige Bezeichnung des Gläubigers verlangen (vgl.
BGE 80 III 9
Erw. 2), zwingender Natur sind. Es ist namentlich im Hinblick auf die Vorschriften über den Rechtsvorschlag (
Art. 74 SchKG
), den Umfang der Pfändung und der Verwertung (Art. 97 Abs. 2 und 119 Abs. 2 SchKG) und die Verteilung (
Art. 144 Abs. 3 SchKG
) absolut notwendig, dass der Schuldner und das Betreibungsamt anhand der Angaben des Zahlungsbefehls sich ohne Schwierigkeiten genau davon Rechenschaft geben können, wieviel die Betreibungsforderung einschliesslich der Zinsen ausmacht.
Nach diesen Grundsätzen ist der vorliegende Zahlungsbefehl nichtig, soweit er sich auf Zinsen "von Fr. 545.--" bezieht. Soll es sich dabei nach der Meinung der Gläubigerin um Zinsen von einem Kapital handeln, das mit der Forderung von Fr. 48.05 nichts gemein hat, was möglich ist, da die Gläubigerin diese Forderung in der Beschwerde an die Vorinstanz als "separate Forderung" bezeichnete, so durften die Zinsen im Betreibungsbegehren und im Zahlungsbefehl nicht ohne bestimmte Bezifferung, als Nebenanspruch zur Kapitalforderung von Fr. 48.05, aufgeführt werden. Ist die Bezeichnung der Forderung aber so zu verstehen, dass der geforderte Kapitalbetrag von Fr. 48.05 der Rest eines Guthabens von ursprünglich Fr. 545.-- sei und dass der Schuldner neben den Zinsen auf der Restanz von Fr. 48.05 für die Zeit zwischen Fälligkeit und Zahlung auch noch Zinsen auf den getilgten Teilsummen schulde, welche Auslegung durch. die (freilich nicht sehr klaren) Angaben des Betreibungsbegehrens über den Forderungsgrund und dadurch nahegelegt wird, dass die Gläubigerin die Zinsen in der Beschwerde als "Verzugsgebühr" bezeichnet hat, so sind die Angaben des Zahlungsbefehls über die Zinsforderung auf jeden Fall deshalb zu bemängeln, weil daraus Zeitpunkt und Höhe der einzelnen Abzahlungen nicht ersichtlich sind. Angenommen schliesslich, der Betrag von Fr. 48.05 werde als
BGE 81 III 49 S. 53
Rest eines Kapitalguthabens von Fr. 545.-- gefordert und die Gläubigerin wolle neben der Kapitalrestanz von Fr. 48.05 Zinsen vom ganzen ursprünglichen Kapitalbetrag verlangen, bis dieser vollständig getilgt ist, wofür die rein wörtliche Auslegung des Betreibungsbegehrens spricht, so ist der Zahlungsbefehl hinsichtlich der Zinsen "von Fr. 545.--" aus dem gleichen Grunde unwirksam wie in dem zuerst besprochenen Falle, dass die Forderung von Fr. 48.05 und der zu verzinsende Betrag von Fr. 545.-- überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Wer bis zur vollständigen Tilgung einer Forderung, die ratenweise abbezahlt wird, Zinsen vom ursprünglichen Kapitalbetrag verlangt, beansprucht damit in Wirklichkeit nicht Verzugszinsen, sondern eine - dazu noch äusserst rigorose - Konventionalstrafe. (18% pro Jahr von Fr. 545.-- sind mehr als 200% pro Jahr vom Restkapital von Fr. 48.05!) Eine solche lässt sich im Betreibungsverfahren keinesfalls als akzessorischer Zinsanspruch behandeln, der durch die Angabe des zu verzinsenden Betrags, des Zinsfusses und des Anfangstermins des Zinsenlaufs genügend bezeichnet wäre, sondern muss im Betreibungsbegehren und im Zahlungsbefehl bestimmt beziffert werden, was eben nicht geschehen ist. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Betreibungsamt angenommen hat, Zinsen "von Fr. 545.--" seien nicht wirksam in Betreibung gesetzt worden, sondern der eben wiedergegebene Zusatz zum Zinsbegehren sei ungültig.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Beschwerde der Gläubigerin abgewiesen. | null | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8cf895c1-7fa6-4658-b2cc-f1542ec3f749 | Urteilskopf
93 II 242
34. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. September 1967 i.S. Schwinger gegen Stauber. | Regeste
Art. 371 OR
.
Ist die Instandstellung der Fassaden eines Hauses (Malerarbeiten) als "Werk" oder "unbewegliches Bauwerk" zu betrachten? Verjährung der Gewährleistungsansprüche des Bestellers gegen den Unternehmer. | Sachverhalt
ab Seite 243
BGE 93 II 242 S. 243
A.-
Eugen Stauber übertrug Malermeister Max Schwinger gestützt auf dessen Angebot vom 5. Februar 1962 die Instandstellung des Äussern seines Hauses Hadlaubstrasse 36 in Zürich. Schwinger führte die Arbeiten, die im Reinigen und Anstreichen der Mauern, Balkone, Fensterrahmen, Rolladen usw. bestanden, aus und stellte dem Besteller dafür am 20. September 1962 mit Fr. 9228.85 Rechnung. Stauber rügte erstmals am 23. April und 22. September 1965 gewisse Mängel. Im ersten Schreiben beanstandete er nur bestimmte Einzelheiten, im zweiten machte er dagegen geltend, die Fassade sei teilweise abgeblichen und daher zweifarbig geworden. Schwinger wies die Rügen als unbegründet zurück und lehnte es ab, die Mängel zu beheben.
B.-
Stauber klagte beim Bezirksgericht Zürich gegen Schwinger. Er beantragte, diesen zu verpflichten, das ganze Haus (Fassade sowie Balkonuntersichten und -brüstungen) neu anzustreichen, eventuell dem Kläger Fr. 12 000.-- nebst Zins zu 5% seit 18. Oktober 1962 zu bezahlen.
Das Bezirksgericht schützte am 28. September 1966 die Verjährungseinrede des Beklagten auf Grund von
Art. 371 Abs. 1 OR
und wies die Klage ab.
Auf Appellation des Klägers hin verwarf das Obergericht am 3. Februar 1967 die Verjährungseinrede, hob das angefochtene Urteil auf und wies den Prozess zur Durchführung des Beweisverfahrens und zu neuer Entscheidung an die erste Instanz zurück.
Das Obergericht ist der Auffassung, die Gewährleistungsansprüche des Klägers seien nach
Art. 371 Abs. 2 OR
zu beurteilen. Diese Bestimmung sei "auf alle Werkleistungen anwendbar, für welche die Voraussetzungen erfüllt sind, dass sie einerseits zu einem unbeweglichen Bauwerk gehören und andererseits von jenem Umfang und jener Bedeutung sind, welche die Anwendung der fünfjährigen Verjährungsfrist nach deren Zweck als notwendig erscheinen lässt". Die Arbeiten des Beklagten hätten "einerseits nach dem Rechnungsbetrag, vor allem aber nach ihrem gesamten Ausmass und der Vielfalt der einzelnen Leistungen einen solchen Umfang, dass sie nicht leicht überblickbar und nicht leicht kontrollierbar sind".
C.-
Der Beklagte hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen.
BGE 93 II 242 S. 244
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das angefochtene Urteil ist ein selbständiger Vorentscheid über die Verjährung der eingeklagten Forderung, gegen den die Berufung nach
Art. 50 OG
ausnahmsweise zulässig ist. Die Gutheissung der Verjährungseinrede würde unter Vermeidung eines weitläufigen Beweisverfahrens unmittelbar zur Abweisung der Klage und damit zu einem Endentscheid führen (vgl.
BGE 91 II 62
Erw. 3 und dort erwähnte Entscheide).
2.
Die Ansprüche des Bestellers wegen Mängel des Werkes verjähren gleich den entsprechenden Ansprüchen des Käufers, also grundsätzlich mit Ablauf eines Jahres seit Ablieferung (
Art. 371 Abs. 1, 210 OR
). Eine Ausnahme gilt gemäss
Art. 371 Abs. 2 OR
für die Ansprüche des Bestellers eines "unbeweglichen Bauwerkes"; sie verjähren erst mit Ablauf von fünf Jahren seit dessen Abnahme.
a) Während Art. 362 aoR die längere Verjährungsfrist einfach dem Besteller eines "Bauwerkes" zugute kommen liess, spricht
Art. 371 Abs. 2 OR
verdeutlichend von einem unbeweglichen Bauwerk (construction immobilière, costruzione immobiliare). Das heisst nicht, jedes unbewegliche Arbeitsergebnis, das Gegenstand eines Werkvertrages ist, falle unter diese Bestimmung. Der Begriff des unbeweglichen Bauwerkes ist enger als der des unbeweglichen Werkes schlechthin.
Art. 371 Abs. 2 OR
unterscheidet sich in dieser Hinsicht vom österreichischen Recht, das in § 933 ABGB die längere Gewährleistungsfrist (drei Jahre) vorsieht, wenn das Werk "unbewegliche Sachen betrifft", was dahin ausgelegt wird, dassjede Arbeit an einem Grundstück dieser Frist unterstehe (KLANG/ADLER, § 1167 Anm. 4 d). Dagegen stimmt
Art. 371 Abs. 2 OR
mit dem deutschen Recht überein, denn auch dieses kennt die fünfjährige Verjährungsfrist nur für Ansprüche aus Arbeiten "bei Bauwerken" und lässt die Gewährspflicht aus "Arbeiten an einem Grundstück" in den übrigen Fällen nach einem Jahr verjähren (§ 638 BGB). Die schweizerische Lösung wurde wie die deutsche vom Dresdener Entwurf und mittelbar vom französischen Code civil beeinflusst. Letzterer trifft die verjährungsrechtliche Sonderregelung - sie besteht nicht in der Verlängerung, sondern in der Verkürzung der ordentlichen Verjährungsfrist von dreissig Jahren auf zehn Jahre - nicht schlechthin für Ansprüche aus Arbeiten an Grundstücken, sondern nur für Ansprüche aus der
BGE 93 II 242 S. 245
Herstellung von "gros ouvrages" (Art. 2270 Cc), zu denen er unter anderem die "édifices" rechnet (Art. 1792 Cc). Ungefähr auf gleichem Boden wie das französische, das deutsche und das schweizerische Recht steht Art. 1669 Cci, der die zehnjährige Verjährungsfrist für Ansprüche des Bestellers aus Werkverträgen nur anwendbar erklärt, "quando si tratta di edifici o di altre cose immobili destinate per loro natura a lunga durata".
Die Auffassung, der Unternehmer sei für alle Werkleistungen, für die er Anspruch auf Eintragung des in Art. 837 Ziff. 3 vorgesehenen Grundpfandrechtes hat, während fünf Jahren gewährspflichtig (GAUTSCHI, N. 12 a und b zu
Art. 371 OR
), hält nicht stand.
Art. 371 Abs. 2 OR
trifft nur zu, wenn der Gegenstand des Werkvertrages ein (unbewegliches) Bauwerk ist, während der Unternehmer das Pfandrecht beanspruchen kann, wenn er "zu Bauten oder andern Werken auf einem Grundstücke Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert" hat.
Art. 837 Ziff. 3 ZGB
dient der Sicherung der Forderung des Unternehmers,
Art. 371 Abs. 2 OR
will dagegen vermeiden, dass Ansprüche des Bestellers früher verjähren, als es die besondere Natur des Werkes und der Mängel, die es aufweisen kann, rechtfertigte. Zwischen den beiden Fällen besteht kein sachlicher Zusammenhang. Jeder Unternehmer hat Anspruch auf die Sicherung seiner Forderung, weil es ihm nicht möglich ist, das auf fremdem Boden errichtete Werk dem Besteller erst Zug um Zug gegen die Zahlung zu übertragen oder sich daran das Eigentum vorzubehalten. Dagegen rechtfertigt es sich nicht, jeden Unternehmer, der Arbeiten an einem Grundstück ausführt, während der fünfjährigen Frist für Mängel einstehen zu lassen. Der Grund, aus dem
Art. 371 Abs. 1 OR
die Gewährspflicht des Unternehmers auf ein Jahr beschränkt, trifft bei unbeweglichen Werken grundsätzlich in gleicher Weise zu wie bei beweglichen. Die kurze Verjährungsfrist soll verhüten, dass der Besteller seine Ansprüche erst in einem Zeitpunkt geltend mache, in dem der Unternehmer nicht mehr auf seine Gewährsleute, besonders auf die Materiallieferanten, zurückgreifen kann (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 27. November 1879, BBl 1880 I 197). Diese Überlegung hat nur bei (unbeweglichen)Bauwerken vor einer andern dahingehenden Erwägung zurückzutreten, dass oft erst nach längerer Zeit erkennbar wird, ob das Werk den Anforderungen der Festigkeit oder den geologischen und atmosphärischen Verhältnissen standhält. Das ist auch der Grund, weshalb
BGE 93 II 242 S. 246
Art. 219 Abs. 3 OR
die Pflicht des Verkäufers zur Gewährleistung für die Mängel eines Gebäudes erst mit dem Ablauf von fünf Jahren, vom Erwerb des Eigentums an gerechnet, verjähren lässt.
b) Der Grundgedanke des
Art. 371 Abs. 2 OR
verbietet auch, in jeder Arbeit an einem unbeweglichen Bauwerk ohne weiteres ein "unbewegliches Bauwerk" zu sehen, also die Ansprüche aus Mängeln von Arbeiten, die z.B. dem gewöhnlichen Unterhalt eines Gebäudes dienen, immer erst nach fünf Jahren verjähren zu lassen. Eine Leistung ist nur dann (unbewegliches) Bauwerk, wenn der Gegenstand des Werkvertrages, durch den sie versprochen wird, nach seiner Natur selber als Bauwerk angesprochen werden kann. Wer z.B. einen Neubau oder eine bedeutende Stützmauer einer Strasse erstellt, erhebliche Teile der Fundamente, der Mauern oder des Daches eines bestehenden Gebäudes erneuert oder ein Haus erweitert oder umbaut, hat allenfalls während fünf Jahren dafür einzustehen, dass das Ergebnis seiner Arbeit mängelfrei sei. Es hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab, ob eine werkvertragliche Leistung, die dem Umbau oder dem Unterhalte eines unbeweglichen Bauwerkes dient, selber als solches gelten kann. Der Wert der Leistung und die Höhe des Werklohnes sind dabei für sich allein nicht entscheidend. Nicht der Umfang des Schadens, den die Mängel dem Besteller verursachen können, sondern nur die Natur des Werkes kann die fünfjährige Verjährung rechtfertigen. Das ergibt sich daraus, dass bewegliche Werke, z.B. Maschinen, oft einen weit grössern Aufwand an Arbeit und Material erfordern als unbewegliche Bauwerke, aber dennoch der einjährigen Verjährungsfrist unterstehen.
3.
Gegenstand des vorliegenden Werkvertrages waren ausschliesslich Malerarbeiten zum Unterhalt der Aussenseiten eines Hauses. Sie können, obwohl an einem (unbeweglichen) Bauwerk ausgeführt, für sich allein nicht als Bauwerk betrachtet werden. Der Grundgedanke der längern Verjährungsfrist trifft auf sie nicht zu. Die in Frage stehenden Arbeiten sind nicht so beschaffen, dass in der Regel erst nach Ablauf der einjährigen Verjährungsfrist festgestellt werden könnte, ob sie den Anforderungen der Festigkeit oder den geologischen und atmosphärischen Bedingungen gewachsen seien; ihre Mangelhaftigkeit tritt gewöhnlich unabhängig von solchen Verhältnissen in Erscheinung.
BGE 93 II 242 S. 247
Malerarbeiten an einem Hause gelten denn auch nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht als Bauwerk.
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 3. Februar 1967 aufgehoben und die Klage abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8cfb00ce-559e-4a9a-b87d-4e302092d37f | Urteilskopf
114 V 332
61. Extrait de l'arrêt du 22 novembre 1988 dans la cause P. contre Caisse cantonale valaisanne de compensation et Tribunal cantonal valaisan des assurances | Regeste
Art. 7 EOG
,
Art. 10 Abs. 1 lit. b EOV
: Unterstützungszulage.
Der Dienstpflichtige hat auf eine Unterstützungszulage für unterhaltene oder unterstützte Personen nur Anspruch, wenn diese tatsächlich unterstützungsbedürftig sind, was - unter Vorbehalt von Vermögen - allein aufgrund der Einkommensgrenzen zu ermitteln ist.
Die Unterhaltspflicht kann eine rechtliche oder eine sittliche sein, so dass der Abschluss einer beruflichen Ausbildung den Fortbestand einer solchen Pflicht unter Geschwistern an sich nicht ausschliesst. | Erwägungen
ab Seite 332
BGE 114 V 332 S. 332
Extrait des considérants:
2.
a) Aux termes de l'art. 7 al. 1 de la loi fédérale sur le régime des allocations pour perte de gain en faveur des personnes astreintes au service militaire ou à la protection civile (LAPG), du 25 septembre 1952, dont la nouvelle teneur du titre a été introduite par la novelle du 3 octobre 1975, ont droit à l'allocation d'assistance
BGE 114 V 332 S. 333
les personnes astreintes au service qui, en vertu d'une obligation légale ou morale d'entretien ou d'assistance, viennent en aide à leurs parents en ligne directe ascendante ou descendante, à leurs frères et soeurs ou à leur conjoint divorcé, ainsi qu'à des parents nourriciers, à des beaux-parents, et aux père et mère du conjoint, autant que ces personnes ont besoin de cette aide et qu'elles ne donnent pas droit à une allocation pour enfant (version en vigueur avant l'introduction, le 1er janvier 1988, de la modification d'expressions par la novelle du 19 juin 1987).
Selon l'art. 7 al. 3 deuxième phrase LAPG, le Conseil fédéral fixera les conditions auxquelles une personne sera réputée avoir besoin d'aide. Sur cette base, le Conseil fédéral a édicté les art. 10 et 11 RAPG.
En vertu de l'art. 10 al. 1 let. b RAPG, dans le texte applicable avant l'entrée en vigueur, le 1er janvier 1988, de la modification du 27 octobre 1987, sont réputées avoir besoin d'aide les autres personnes que celles mentionnées sous let. a, qui sont entretenues ou assistées par la personne astreinte au service et dont le revenu mensuel ne dépasse pas 1'680 francs ou, si elles vivent avec la personne astreinte au service ou entre elles, n'atteint pas 1'400 francs pour la première personne, 980 francs pour la seconde et 560 francs pour chacune des autres personnes entretenues ou assistées.
D'après l'art. 11 al. 1 RAPG, dans sa version en vigueur jusqu'au 31 décembre 1987, constituent le revenu au sens de l'art. 10 al. 1 let. b RAPG le revenu net total du travail et de la fortune, ainsi que les rentes et les pensions, selon la dernière taxation de l'impôt pour la défense nationale ou d'une taxation fiscale cantonale correspondante sans qu'il soit tenu compte des déductions sociales. Peuvent être déduits du revenu déterminant les frais prouvés résultant de la maladie ou de l'infirmité de la personne entretenue ou assistée.
b) La LAPG est entrée en vigueur le 1er janvier 1953. Elle fait suite aux arrêtés concernant les régimes des allocations pour perte de salaire et de gain et des allocations aux étudiants, dont les effets ont cessé en vertu de l'arrêté fédéral du 18 décembre 1950 supprimant les pouvoirs extraordinaires du Conseil fédéral.
La dénomination d'allocation d'assistance a été introduite par la novelle du 18 décembre 1968 (RO 1969 318). Elle remplaçait l'expression "allocation pour assistance" figurant dans le titre marginal et au 1er alinéa de l'art. 7 LAPG. Ainsi que cela ressort
BGE 114 V 332 S. 334
du message du Conseil fédéral à l'Assemblée fédérale relatif au projet de loi fédérale sur les allocations aux militaires pour perte de salaire et de gain, du 23 octobre 1951, cette allocation a remplacé l'ancienne allocation supplémentaire (FF 1951 III 323). La Commission fédérale d'experts pour la préparation de cette loi voulait limiter le droit à l'allocation d'assistance aux personnes envers lesquelles le militaire remplit une obligation légale d'entretien ou d'assistance, tout en proposant néanmoins d'assimiler dans certains cas l'obligation morale d'assistance à l'obligation légale (cf. p. 40 et 61 du rapport du 15 janvier 1951).
Dans le message précité, le Conseil fédéral a, pour sa part, déclaré:
"Un examen plus approfondi de la question a montré qu'il était plus simple et plus équitable de ne pas distinguer entre ces deux sortes d'obligations... Par ailleurs, les conditions requises pour l'octroi d'allocations supplémentaires, telles qu'elles existent dans le régime des allocations pour perte de salaire et de gain, valent également pour l'octroi des allocations d'assistance. Comme jusqu'ici, les militaires ne pourront recevoir une telle allocation que s'ils assistent effectivement des proches et que si ceux-ci ont vraiment besoin d'aide. A cet égard, il semble indiqué de réserver au règlement d'exécution les normes sur les conditions dans lesquelles une personne assistée peut être réputée avoir besoin d'aide: ces règles doivent en effet pouvoir être adaptées à des conditions qui peuvent changer rapidement. Nous prévoyons de fixer, comme dans l'assurance-vieillesse et survivants, certaines limites de revenus pour déterminer l'état d'indigence" (FF 1951 III 324).
A cet égard, l'explication du Conseil fédéral relative à l'art. 7 du projet de loi donne les indications suivantes (FF 1951 III 359):
"(Le) critère le plus important sera constitué par des limites de revenu, adaptées le plus possible à celles qui sont prévues en matière de rentes transitoires de l'assurance-vieillesse et survivants. Il faudra toutefois examiner si, indépendamment de leur revenu, certaines personnes seront réputées n'avoir pas besoin d'aide. Nous pensons par exemple aux enfants de plus de 20 ans qui font un apprentissage ou des études. Dans les régimes des allocations pour perte de salaire et de gain, ces personnes ne donnent pas droit aux allocations supplémentaires."
c) Il découle de ce qui précède que le droit à l'allocation d'assistance n'existe que si les proches de l'assuré astreint au service sont effectivement entretenus ou assistés et s'ils ont vraiment besoin d'aide. Dans la mesure où ce besoin d'aide résulte d'un calcul comparatif sur la base du revenu des personnes entretenues ou assistées, le seul critère adopté par le Conseil fédéral est celui des limites de revenu, avec les aménagements prévus à
BGE 114 V 332 S. 335
l'art. 10 al. 2 RAPG, sous réserve du critère de la fortune inscrit à l'art. 10 al. 3 RAPG.
3.
a) En l'espèce, il n'est pas contesté que, du 2 février au 15 mai 1987, le recourant Emmanuel P. avait à l'égard de son père, de sa mère et de sa soeur une obligation d'assistance. Au demeurant, cette obligation doit être considérée comme reconnue, dans la mesure où l'on peut présumer que l'assuré l'a remplie régulièrement avant le service (art. 8 RAPG). En revanche, l'administration et les premiers juges ont nié tout devoir d'assistance du recourant vis-à-vis de sa soeur à partir du 16 mai 1987, celle-ci terminant ses études le 15 mai 1987. Toutefois, la Cour de céans ne saurait partager ce point de vue. En effet, l'achèvement d'une formation n'exclut pas, en soi, la persistance d'une obligation d'assistance entre frères et soeurs, laquelle peut être légale ou morale. Par ailleurs, l'art. 10 RAPG ne prévoit pas que, indépendamment de leurs revenus, les frères et soeurs sont réputés n'avoir pas besoin d'aide dès qu'ils ont fini leurs études, le seul critère déterminant étant, ainsi qu'on l'a vu, les limites de revenu, sous réserve de la fortune.
Dans ces conditions, l'obligation d'assistance du recourant à l'égard de sa soeur ne peut être d'emblée exclue à partir du 15 mai 1987; il se justifie de renvoyer la cause à l'administration pour qu'elle procède à une instruction complémentaire sur le point de savoir si ladite soeur a réalisé un revenu à partir du 16 mai 1987 et si elle avait, avec son père et sa mère, besoin d'aide, compte tenu du revenu de son père et d'une limite de revenu pour trois personnes assistées. Sur cette base, la caisse rendra une nouvelle décision, après avoir, le cas échéant, procédé au calcul de l'allocation d'assistance. | null | nan | fr | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
8d0947cb-363f-4921-8fa2-ac51a93320c8 | Urteilskopf
83 IV 65
16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. März 1957 i.S. Morger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 41 StGB
; Verhältnis zwischen Ziff. 1 und 2.
Die richterliche Weisung nach Ziff. 2 ist nur zur Unterstützung desjenigen zulässig, der die in Ziff. 1 abschliessend geregelten Voraussetzungen des bedingten Strafvollzuges erfüllt. | Erwägungen
ab Seite 65
BGE 83 IV 65 S. 65
Was der Beschwerdeführer vorbringt, vermag die Zweifel an seinem künftigen Wohlverhalten nicht zu beseitigen. Insbesondere seine Erklärung, er sei bereit, auf das Führen eines Motorfahrzeuges zu verzichten, ändert an der Beurteilung der Besserungsaussichten nichts. Das Versprechen enthält nicht schon die Gewährleistung, dass es eingehalten wird, und ebensowenig bildet es einen Ersatz. für die nach
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
auf Vorleben und Charakter gestützte ungünstige Voraussage, zumal es der Beschwerdeführer nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz aus Furcht vor dem Strafvollzug abgegeben hat, also nicht vorwiegend im Bestreben, sich zu bessern. Auch eine entsprechende richterliche Weisung, die das Versprechen des Beschwerdeführers wirkungsvoller und möglicherweise erfolgreicher gestalten würde, fällt ausser Betracht.
Art. 41 Ziff. 2 StGB
sieht die richterliche Weisung zur Unterstützung desjenigen vor, der die Bedingungen der Ziff. 1 bereits erfüllt. Sie kann daher nicht einem Täter
BGE 83 IV 65 S. 66
zum bedingten Strafvollzug verhelfen, der ihn subjektiv nicht verdient. Eine andere Betrachtungsweise könnte zur Unbilligkeit führen, dass der finanziell besser gestellte Täter, der sich den Verzicht leisten kann, gegenüber demjenigen bevorzugt würde, der auf das persönliche Führen eines Motorfahrzeuges angewiesen bleibt. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8d099aa0-7be6-4128-bc43-05178d53dbb0 | Urteilskopf
120 IV 25
6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Januar 1994 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 251 Ziff. 1 StGB
; Falschbeurkundung.
Die Errichtung einer inhaltlich falschen einfach-schriftlichen Vertragsurkunde stellt nur dann eine Falschbeurkundung dar, wenn besondere Garantien dafür bestehen, dass die beiden übereinstimmend abgegebenen Erklärungen dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entsprechen (E. 3f; Bestätigung der in
BGE 117 IV 35
begründeten Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 25
BGE 120 IV 25 S. 25
A.-
Am 14. Juni 1991 erklärte das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern K. schuldig des fortgesetzten und gewerbsmässigen Betrugs, der Urkundenfälschung sowie der Gewalt und Drohung gegen Beamte und verurteilte ihn zu sieben Jahren Zuchthaus, zu einer Busse von Fr. 10'000.--, zu 15 Jahren Landesverweisung und zur Bezahlung einer Ersatzforderung an den Staat Bern in der Höhe von Fr. 2,3 Mio.
B.-
Eine dagegen von K. erhobene eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde hiess das Bundesgericht am 18. September 1992, soweit es darauf eintrat, teilweise gut und hob das angefochtene Urteil in Anwendung von
Art. 277 BStP
(SR 312.0) auf. Die Rückweisung betraf die Verurteilung wegen Urkundenfälschung in zwei Punkten.
C.-
Am 3. Dezember 1992 sprach das Wirtschaftsstrafgericht K. in einem der beiden Punkte von der Anschuldigung der Urkundenfälschung frei. Im übrigen bestätigte es sein erstes Urteil, auch in bezug auf die Sanktionen.
D.-
K. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Urteile des Wirtschaftsstrafgerichts vom 3. Dezember 1992 und 14. Juni 1991
BGE 120 IV 25 S. 26
aufzuheben, sowie mit prozessualen Anträgen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die Vorinstanz verurteilte den Beschwerdeführer in ihrem neuen Entscheid in bezug auf Offerten/Bestellungen wegen Falschbeurkundung. Das Bundesgericht hatte ihr erstes Urteil insoweit in Anwendung von
Art. 277 BStP
aufgehoben, weil nicht ersichtlich war, welcher Sachverhalt dem Tatbestand der Urkundenfälschung zugrundegelegt wurde. In ihrem neuen Urteil verdeutlicht die Vorinstanz zunächst den Sachverhalt anhand eines Pilotfalles. Im Anschluss daran stellt sie - einer Weisung des Bundesgerichts folgend - klar, dass sie hier die Urkundenfälschung nicht unter dem Gesichtspunkt der Echtheit der Urkunden, sondern unter jenem der Wahrheit prüfe. Zu beurteilen sei, ob der Abschluss inhaltlich unrichtiger Kaufverträge durch schriftliche Offerten und gestützt darauf erfolgende schriftliche Bestellungen eine Falschbeurkundung darstelle. Die Vorinstanz stellt fest, die Verträge seien nur zum Schein geschlossen worden. Offerten und Bestellungen seien fiktiv gewesen. Der Beschwerdeführer, spiritus rector der betreffenden Firmen, habe weder die vertraglich vereinbarte hochwertige Software liefern noch die Kaufpreise bezahlen wollen. Die Offerten und die ihnen entsprechenden Bestellungen stellten eine Einheit dar und bildeten zusammen einen schriftlichen Vertrag. Insofern seien sie Urkunden.
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, bei den Offerten und Bestellungen handle es sich nicht um Urkunden. Die Verurteilung wegen Falschbeurkundung im vorliegenden Punkt verletze deshalb Bundesrecht.
3.
a) Eine Falschbeurkundung gemäss
Art. 251 Ziff. 1 StGB
begeht, wer eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen.
Urkunden sind unter anderem Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (
Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB
;
BGE 101 IV 278
).
b) Der Urkundencharakter eines Schriftstückes ist relativ. Es kann mit Bezug auf bestimmte Aspekte Urkundencharakter haben, mit Bezug auf andere
BGE 120 IV 25 S. 27
nicht. So können Rechnungen unabhängig davon, ob sie inhaltlich richtig sind, Urkunden für den Beweis der Tatsache darstellen, dass die entsprechende Erklärung durch den Rechnungssteller abgegeben worden ist. An solchen Rechnungen können deshalb prinzipiell Urkundendelikte begangen werden, etwa durch ihre unzulässige Veränderung (Urkundenfälschung) oder, je nach den Umständen, durch ihre Beseitigung (Urkundenunterdrückung;
BGE 119 IV 54
E. 2c/aa). Entsprechendes gilt für Geschäftskorrespondenzen wie hier. Einer schriftlichen Offerte kommt insoweit Urkundencharakter zu, als sich aus ihr ergibt, dass die unterzeichnete Person das in dem Schriftstück enthaltene Angebot gemacht hat; der schriftlichen Annahme einer Offerte kommt insoweit Urkundencharakter zu, als sich aus ihr ergibt, dass der Empfänger der Offerte eine Erklärung abgegeben hat, mit welcher er die Offerte annimmt.
Mit der Aussage, dass ein Schriftstück prinzipiell Urkundencharakter haben kann, ist jedoch noch keine Antwort darauf gegeben, ob eine Falschbeurkundung vorliegt, wenn Offerten schriftlich abgegeben und schriftlich angenommen werden, obwohl die Beteiligten keinen Vertrag schliessen wollen oder gegebenenfalls einen Vertrag, der vom Inhalt der Offerte und der Annahme abweicht.
c) Bei der Falschbeurkundung geht es allein darum, dass die in der Urkunde enthaltene Erklärung nicht mit der Wahrheit übereinstimmt, wobei nach allgemeiner Ansicht die einfache schriftliche Lüge keine Falschbeurkundung darstellt. Nach Lehre und Rechtsprechung darf eine Falschbeurkundung, also eine Art qualifizierte schriftliche Lüge, nur dann angenommen werden, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gewährleisten, wie sie u.a. in der Prüfungspflicht einer Urkundsperson und in gesetzlichen Vorschriften gefunden werden können, die, wie etwa die Bilanzvorschriften der
Art. 958 ff. OR
, gerade den Inhalt bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in gewissem Umfang auf die entsprechenden Angaben verlässt (
BGE 119 IV 54
E. 2c/bb mit Hinweisen).
In seiner neueren Rechtsprechung hat das Bundesgericht deshalb eine Falschbeurkundung in folgenden Fällen verneint: Erstellen einer Rechnung für nicht ausgeführte Arbeiten (
BGE 117 IV 35
); zuhanden einer Anlegerin ausgestellte inhaltlich unrichtige Bestätigung, wonach der Aussteller
BGE 120 IV 25 S. 28
einen von der Anlegerin einem Dritten übergebenen Geldbetrag auf treuhänderischer Basis verwalte und einen bestimmten Jahreszins entrichten werde (
BGE 117 IV 168
mit Hinweis); Erstellen von inhaltlich unwahren Regierapporten (
BGE 117 IV 165
); Ausstellung von Lohnabrechnungen auf den Namen einer Person, die nicht mit dem wirklichen Arbeitnehmer identisch war (
BGE 118 IV 363
).
Demgegenüber erfüllt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein Arzt, der einen unrichtigen Krankenschein erstellt, den Tatbestand der Falschbeurkundung. Mit einem Krankenschein macht der Arzt gegenüber der Krankenkasse Leistungen für sich oder den Patienten geltend. Aufgrund seiner besonderen Stellung ist er zur wahrheitsgetreuen Angabe verpflichtet und deshalb besonders glaubwürdig (
BGE 117 IV 169
f. mit Hinweis auf
BGE 103 IV 184
). Dem Krankenschein kommt somit eine über eine einfache schriftliche Erklärung hinausgehende qualifizierte Funktion zu. In
BGE 103 IV 184
f. wurde dies im wesentlichen begründet mit dem besonderen Vertrauensverhältnis, in welchem der Arzt zur Krankenkasse steht, sowie damit, dass sich die Ärzte vertraglich verpflichtet hatten, jeder unberechtigten Inanspruchnahme der Kasse entgegenzuwirken. Eine Falschbeurkundung begeht nach der neueren Rechtsprechung auch der bauleitende Architekt, der überhöhte Rechnungen der Unternehmer prüft und schriftlich genehmigt. Soweit er die Pflicht zur ordnungsgemässen Prüfung der Schlussabrechnung übernommen hat, befindet er sich in einer garantenähnlichen Stellung in bezug auf das Vermögen des Bauherrn. Die in der schriftlichen Genehmigung der Unternehmerrechnung liegende Erklärung des Architekten, die genehmigte Rechnung sei inhaltlich richtig, unterscheidet sich deshalb erheblich von einer einfachen schriftlichen Lüge (
BGE 119 IV 54
E. 2d). Den Tatbestand der Falschbeurkundung erfüllt ferner der Grossist, der afrikanisches Antilopenfleisch als europäisches Wildfleisch bezeichnet. Das Gesetz verlangt eine korrekte Bezeichnung von Wildfleisch bereits im Grosshandel. Der Grossist befindet sich damit in einer garantenähnlichen Stellung zum Schutz der Konsumenten vor Täuschungen (
BGE 119 IV 289
, E. 4).
d) Die Vorinstanz geht auf die neuere restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Tatbestand der Falschbeurkundung nicht ein, obwohl ihr
BGE 117 IV 35
und 117 IV 165 bekannt sein mussten. Sie stützt sich ausschliesslich auf frühere Entscheide. Soweit sie dabei auf Urteile verweist, wo der Urkundencharakter von Verträgen bejaht wurde im
BGE 120 IV 25 S. 29
Zusammenhang mit dem Tatbestand der Urkundenfälschung im engeren Sinne oder mit dem Tatbestand der Erschleichung einer Falschbeurkundung (
Art. 253 StGB
), ist diese Rechtsprechung aus den in Erwägung 3b dargelegten Gründen nicht einschlägig.
e) Zutreffend ist hingegen, dass in
BGE 100 IV 273
(E. 4) sowie
BGE 97 IV 210
(E. 5) angenommen wurde, der Tatbestand der einfachen Falschbeurkundung könne auch durch das Erstellen inhaltlich unrichtiger schriftlicher Verträge erfüllt werden. Jedenfalls
BGE 97 IV 210
(zurückdatierter fingierter Kaufvertrag) bezieht sich jedoch auf eine aus einem einzigen Schriftstück bestehende Vertragsurkunde im Sinne von
Art. 13 Abs. 1 OR
(SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Obligationenrecht, Zürcher Kommentar, Art. 13 N. 59). Derartige Vertragsurkunden haben hier nicht bestanden, sondern nur Geschäftskorrespondenzen. Schon deshalb kann man sich fragen, ob auf die genannten Entscheidungen zurückzugreifen war. Dies kann jedoch offenbleiben, weil die Voraussetzungen einer Falschbeurkundung aus den nachstehenden Gründen zu verneinen sind.
f) Eine einfach-schriftliche Vertragsurkunde beweist, dass zwei Personen übereinstimmend eine bestimmte Willenserklärung abgegeben haben. Dafür ist die Urkundeneigenschaft zu bejahen mit den in Erwägung 3b erwähnten Folgen. Eine einfach-schriftliche Vertragsurkunde beweist dagegen nicht, dass die beiden übereinstimmend abgegebenen Erklärungen dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entsprechen. Sie beweist insbesondere nicht, dass Willensmängel bei den Vertragsparteien auszuschliessen sind, und sie beweist nicht, dass keine Simulation gegeben ist. Für die inhaltliche Richtigkeit eines einfach-schriftlichen Vertrages bedarf es besonderer Garantien, wie sie von der neueren Rechtsprechung entwickelt worden sind. Die unterzeichneten Vertragspartner müssen sich gegenüber dem Getäuschten in einer garantenähnlichen Stellung befinden, vergleichbar mit jener in den in Erwägung 3c Abs. 3 erwähnten Fällen.
Dass dem Beschwerdeführer hier eine solche Stellung zugekommen wäre, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Andere Gesichtspunkte dafür, dass im Sinne der Rechtsprechung allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der Erklärung gewährleisten, sind nicht ersichtlich. Die Verurteilung wegen Falschbeurkundung im vorliegenden Punkt verletzt deshalb Bundesrecht. | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8d11662a-7dbc-4d4b-a306-a5747622afc2 | Urteilskopf
141 III 274
40. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_655/2014 vom 20. Mai 2015 | Regeste
Ernennung eines Schiedsgutachters.
Unterschied zwischen einem Schiedsgericht und einem Schiedsgutachter (E. 2.4 und 2.5);
Art. 356 ZPO
bildet keine gesetzliche Grundlage für die richterliche Ernennung eines Schiedsgutachters (E. 2.5). | Sachverhalt
ab Seite 274
BGE 141 III 274 S. 274
A.
A.a
A. (Gesuchsgegner und Beschwerdeführer) und B. (Gesuchsteller und Beschwerdegegner) sind zu je 50 % an der C. AG und D. AG beteiligt.
A.b
Am 22. März 2005 schlossen die Parteien einen Aktionärsbindungsvertrag betreffend diese Gesellschaften. Darin vereinbarten sie unter anderem, dass die Parteien ab dem Jahr 2010 das Recht haben, den übrigen Aktionären ihre Aktien anzudienen. (...) In Ziffer 7 unter dem Titel "Andienungspflicht - Vorhand- oder Optionsrechte der Mitaktionäre" vereinbarten sie, dass eine Partei, die ihre Aktien ganz oder teilweise veräussern will, diese zunächst der anderen Partei anzubieten hat, die zur Übernahme der Aktien im Verhältnis zu ihrem bisherigen Aktienbesitz berechtigt ist (Ziffer 7.1).
Ziffer 7.2 lautet wie folgt:
"Die verkaufswillige und die kaufsberechtigte Partei verhandeln gemeinsam über den Verkaufspreis des angebotenen Aktienpaketes. Eine Einigung kommt nur zustande, wenn die Zustimmung aller Parteien dieses Vertrages vorliegt.
Können sich die verkaufswilligen und die anderen Parteien innert zweier Monate ab Mitteilung der Verkaufsabsicht im Sinne von Ziffer 7.1 nicht über den Übernahmepreis einigen, kann die verkaufswillige Partei innert
BGE 141 III 274 S. 275
eines weiteren Monats eine fachmännische Bewertung des inneren Wertes der Aktien durch eine unabhängige Treuhandstelle, welche Mitglied in einem anerkannten Berufsverband sein muss, verlangen. Können sich die Parteien über die Bestellung des Schiedsgutachters nicht einigen, erfolgt dessen Ernennung analog zu Art. 12 des Schweizerischen Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit durch den Richter (...)."
A.c
Der Gesuchsteller diente dem Gesuchsgegner seine sämtlichen Aktien der beiden Gesellschaften an und legte ihm einen Bewertungsbericht der E. AG vor. Der Gesuchsgegner war mit der Übernahme der Aktien einverstanden, nicht aber mit deren Bewertung. (...) Die Parteien konnten sich darüber nicht einigen.
B.
Am 21. Oktober 2013 gelangte der Gesuchsteller an den Präsidenten des Obergerichts des Kantons Thurgau mit folgendem Begehren:
"1. Es sei im Sinne von Ziffer 7.2 i.V.m. Ziffer 10.1 des Aktionärsbindungsvertrages vom 22. März 2005 eine unabhängige Treuhandstelle zu bestimmen, welche den inneren Wert der Aktien der D. AG und der C. AG per 30. September 2013 fachmännisch bewertet.
2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Gesuchsgegners."
Der Präsident des Obergerichts des Kantons Thurgau verfügte am 30. September 2014 was folgt:
"1. Das Gesuch wird geschützt.
2. a) Im Sinn von Ziff. 7.2 des Aktionärbindungsvertrags der Parteien vom 22. März 2005 wird die Gesellschaft F. als Schiedsgutachterin bestimmt, welche den inneren Wert der Aktien der D. AG und der C. AG per 31. Dezember 2013 fachmännisch zu bewerten hat. (...)"
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen und eventualiter mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde beantragt der Gesuchsgegner dem Bundesgericht, der angefochtene Entscheid sei in dem Sinne abzuändern, dass auf das Gesuch vom 21. Oktober 2013 nicht eingetreten werde, eventualiter sei dieses Gesuch abzuweisen, subeventualiter sei das Gesuch in dem Sinne teilweise gutzuheissen, dass die Bewertung unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Kündigungen durch die G. AG und H. AG sowie der Einbrüche an Transportaufträgen seitens der I. AG, der J. AG und der K. SA im Sinne einer zukunftsgerichteten Bewertungsmethode zu erfolgen habe, subsubeventualiter seien die Verfahrenskosten hälftig zu teilen und subsubsubeventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 141 III 274 S. 276
Der Beschwerdegegner beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde, soweit Eintreten. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Obergerichtspräsident hat das Gesuch des Beschwerdegegners um Einsetzung eines Schiedsgutachters gestützt auf
Art. 356 Abs. 2 ZPO
beurteilt bzw. seine Zuständigkeit aufgrund von Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrages der Parteien bejaht. Der Beschwerdeführer bestreitet die sachliche Zuständigkeit des Obergerichtspräsidenten und beantragt primär sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Feststellung, dass die Vorinstanz sachlich unzuständig sei und deshalb auf das Gesuch nicht hätte eintreten dürfen.
2.1
Der Beschwerdegegner strebt mit seinem Gesuch die Durchsetzung seines vertraglichen Anspruchs gemäss Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrages an, wonach er eine fachmännische Bewertung des inneren Werts der Aktien durch eine unabhängige Treuhandstelle verlangen kann und dessen "Ernennung analog zu Art. 12 des Schweizerischen Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit durch den Richter" erfolgt, sofern sich die Parteien über die Bestellung des Schiedsgutachters nicht einigen. Die Vorinstanz ist im angefochtenen Entscheid zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien in Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrags ein Schiedsgutachten im Sinne von
Art. 189 ZPO
für den Fall vereinbart haben, dass sie sich über den Preis der Aktien nicht einigen können. Denn als Schiedsgutachtervertrag wird eine Vereinbarung bezeichnet, mit der ein Dritter beauftragt wird, für die Parteien eines Rechtsverhältnisses verbindlich bestimmte tatsächliche Feststellungen zu treffen oder bestimmte Rechtsfragen zu beantworten (
BGE 129 III 535
E. 2 S. 537;
BGE 117 Ia 365
E. 5 und 6). Es wird im Übrigen von keiner Partei in Frage gestellt, dass die Form nach
Art. 189 Abs. 2 ZPO
eingehalten ist.
2.2
Die Parteien haben eine vertragliche Regelung für den Fall getroffen, dass sie sich über die Ernennung des Schiedsgutachters nicht einigen können. Sie haben vereinbart, dass "der Richter [...] analog zu Art. 12 des Schweizerischen Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit" die Ernennung vornehmen solle.
Art. 12 des im Zeitpunkt des Abschlusses des Aktionärsbindungsvertrags geltenden Konkordats vom 27. März 1969 über die
BGE 141 III 274 S. 277
Schiedsgerichtsbarkeit (KSG; AS 1969 1093; mit Inkrafttreten der ZPO aufgehoben) bestimmte unter dem Marginale "Ernennung durch die richterliche Behörde":
"Können die Parteien sich über die Bestellung des Einzelschiedsrichters nicht einigen oder bestellt eine Partei den oder die von ihr zu bezeichnenden Schiedsrichter nicht, oder einigen die Schiedsrichter sich nicht über die Wahl des Obmanns, so nimmt auf Antrag einer Partei die in Artikel 3 vorgesehene richterliche Behörde die Ernennung vor, sofern nicht die Schiedsabrede eine andere Stelle hierfür vorsieht."
Art. 3 KSG
unter dem Marginale "Zuständige richterliche Behörde am Sitz des Schiedsgerichtes" sah namentlich in lit. a vor, dass das obere ordentliche Zivilgericht des Kantons, in dem sich der Sitz des Schiedsgerichts befindet, die zuständige richterliche Behörde sei, welche die Schiedsrichter ernennt, wenn diese nicht von den Parteien oder einer von ihnen beauftragten Stelle bezeichnet worden sind.
Die Vorinstanz hat diese vertragliche Vereinbarung im Ergebnis vertrauenstheoretisch zutreffend ausgelegt, wenn sie schloss, die Parteien hätten damit zur Bestellung des Schiedsgutachters das obere kantonale Gericht des Kantons Thurgau bestimmt. Denn die Behörde, die mit dem vertraglichen Verweis bezeichnet wird, ist nach Treu und Glauben ohne weiteres bestimmbar. Der Beschwerde ist keine Begründung zu entnehmen, weshalb die Parteien mit dem Verweis auf das für die Ernennung von Schiedsrichtern zuständige staatliche Gericht nicht sinngemäss das obere kantonale Gericht des Kantons zur Ernennung des Schiedsgutachters bestimmt haben sollten, dessen Gerichte sie in Ziffer 16.5 als Gerichtsstand bestimmten. Denn welche Bedeutung die Parteien dem Verweis auf
Art. 12 und 3 KSG
zugemessen haben sollten, wenn sie damit nicht die entsprechende Behörde für die Ernennung des Schiedsgutachters bezeichnen wollten, ist weder dargetan noch ersichtlich.
Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien in Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrags das obere staatliche Gericht des Kantons Thurgau für die Ernennung eines Schiedsgutachters zuständig erklärt haben.
2.3
Der Beschwerdeführer bringt indessen zu Recht vor, dass die Parteien die sachliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichte weder bestimmen noch abändern können, sofern das für die Gerichtsorganisation massgebende kantonale Recht (
Art. 3 und 4 ZPO
) diese Möglichkeit - im Rahmen der bundesrechtlich umschriebenen
BGE 141 III 274 S. 278
Grenzen - nicht ausdrücklich einräumt (
BGE 138 III 471
E. 3.1 S. 477; Urteil 4A_488/2014 vom 20. Februar 2015 E. 3.2). Den Erwägungen des angefochtenen Entscheids ist jedoch nicht zu entnehmen, dass das hier massgebende Recht des Kantons Thurgau den Parteien eine entsprechende Wahlmöglichkeit einräumen würde. Die Vorinstanz hat vielmehr ausschliesslich gestützt auf bundesrechtliche Normen ihre Zuständigkeit bejaht und in dieser Hinsicht namentlich angenommen, ihre Zuständigkeit lasse sich auf die - analog anwendbare - Norm von
Art. 356 Abs. 2 lit. a ZPO
bzw. die entsprechende Norm des KSG stützen. Es ist daher zu prüfen, ob diese bundesrechtliche Norm die sachliche Zuständigkeit zur Ernennung von Schiedsgutachtern begründet.
2.4
Das Schiedsgutachten gemäss
Art. 189 ZPO
ist gesetzessystematisch bei den Beweismitteln (
Art. 168 ff. ZPO
) aufgeführt. Von den Gutachten sachverständiger Personen (
Art. 183-188 ZPO
) unterscheidet sich das Schiedsgutachten dadurch, dass die vom Gutachter für das Bestehen oder Fehlen bestimmter Tatsachen gezogenen Schlüsse unter den Voraussetzungen von
Art. 189 Abs. 3 ZPO
für das Gericht verbindlich sind. Während die Beweiswürdigung im Allgemeinen dem Gericht obliegt und
Art. 157 ZPO
ausdrücklich vorschreibt, dass das Gericht sich seine Überzeugung nach freier Würdigung der Beweise zu bilden hat, ist das Gericht an die vom Schiedsgutachter getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, soweit die Parteien die Feststellung einer bestimmten streitigen Tatsache und damit auch die Würdigung der zur Feststellung dieser Tatsache erheblichen Tatsachen einem Schiedsgutachter übertragen haben (
Art. 189 Abs. 3 ZPO
).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann daher die Einholung eines Schiedsgutachtens der vorsorglichen Beweisführung im Sinne von
Art. 158 ZPO
nicht gleichgestellt werden. Denn abgesehen davon, dass das staatliche Gericht - und nicht ein privater Schiedsgutachter - nach
Art. 158 ZPO
die beantragten Beweise abnimmt, umfasst die vorsorgliche Beweisführung im Unterschied zum Schiedsgutachten die Würdigung der abgenommenen Beweise gerade nicht (Urteil 4A_342/2014 von 17. Oktober 2014 E. 5.2). Verbindliche Tatsachenfeststellung nach
Art. 189 ZPO
setzt demgegenüber Beweiswürdigung durch den Schiedsgutachter voraus und entzieht diese insoweit dem staatlichen Gericht.
2.5
Die ZPO regelt im 3. Teil über die interne Schiedsgerichtsbarkeit die Verfahren vor Schiedsgerichten in der Schweiz, sofern nicht
BGE 141 III 274 S. 279
die Bestimmungen des zwölften Kapitels des IPRG anwendbar sind (
Art. 353 Abs. 1 ZPO
). Ein Schiedsgericht kann für die Entscheidung einer bestimmten Streitigkeit eingesetzt werden (vgl.
Art. 357 ZPO
); mit einem Schiedsurteil wird verbindlich über streitige Ansprüche der Parteien entschieden, während ein Schiedsgutachten nach dem klaren Wortlaut von
Art. 189 Abs. 1 ZPO
die Feststellung "streitiger Tatsachen" zum Gegenstand hat. Die systematische Einordnung im Rahmen der Beweismittel zeigt denn auch, dass es beim Schiedsgutachten vorab um Tatsachenfeststellung geht. Die Ernennung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, die gemäss
Art. 356 Abs. 2 ZPO
der vom kantonalen Recht bestimmten zuständigen Behörde übertragen ist, kann insofern der Ernennung eines Schiedsgutachters nicht gleichgestellt werden. Die Parteien können im Rahmen privatautonomer Vereinbarung gemäss
Art. 189 ZPO
eine Person bestimmen, die sie mit der Ernennung des Schiedsgutachters für den Fall betrauen wollen, dass sie sich darauf nicht zu einigen vermögen. Aber wenn sie diese Person aufgrund ihrer Funktion bestimmen (z.B. den jeweiligen kantonalen Obergerichtspräsidenten), so bestimmen sie damit nicht die staatliche Justizbehörde, sondern eine Privatperson, die als solche - sofern sie dazu in der Lage und damit einverstanden ist - im privaten Auftragsverhältnis handelt. Die Intervention des staatlichen Gerichts gemäss
Art. 356 ZPO
ist auf die Tätigkeit im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit beschränkt und umfasst die Ernennung von Gutachtern zur Feststellung von Tatsachen auch dann nicht, wenn die Parteien eine Vereinbarung zur Einholung eines Schiedsgutachtens getroffen haben.
2.6
Die sachliche Zuständigkeit der Vorinstanz als staatliche Gerichtsbehörde lässt sich folglich nicht auf
Art. 356 ZPO
stützen (so auch ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 37 zu
Art. 189 ZPO
["Art. 356 ist nicht anwendbar"]). Vielmehr gelten - wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt - die allgemeinen Vorschriften zur sachlichen Zuständigkeit, wie sie im kantonalen Recht im Rahmen der
Art. 3 und 4 ZPO
festgelegt sind. Danach ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner einen streitigen Anspruch über die Ernennung eines Schiedsgutachters gegen den Beschwerdeführer durchzusetzen sucht, wobei er sich auf eine privatautonome Vereinbarung gestützt auf
Art. 189 ZPO
beruft (vgl. auch BERNHARD BERGER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 9 zu
Art. 189 ZPO
). Dafür sieht die ZPO weder eine einzige
BGE 141 III 274 S. 280
kantonale Instanz vor, noch schreibt sie ausdrücklich ein bestimmtes Verfahren vor (vgl. auch THOMAS WEIBEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 8b zu
Art. 189 ZPO
; HEINRICH ANDREAS MÜLLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 27 und 45 zu
Art. 189 ZPO
). Insbesondere ist die Ernennung eines Schiedsgutachters - im Unterschied etwa zur Bezeichnung einer sachverständigen Person zur Prüfung eines Werks (
Art. 250 lit. b Ziff. 4 ZPO
) - nicht ausdrücklich in das summarische Verfahren verwiesen. Immerhin gilt das summarische Verfahren für den Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 248 lit. b i.V.m.
Art. 257 ZPO
). Wie es sich damit verhält, kann letztlich offenbleiben. Der Obergerichtspräsident hat seine Zuständigkeit in sinngemässer Anwendung von
Art. 356 ZPO
jedenfalls zu Unrecht bejaht. | null | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8d11ae75-dc6b-4f40-a997-83cb04f6f93e | Urteilskopf
125 III 440
74. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom29. September 1999 i.S. A. gegen Obergericht des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Rekurs betreffend Entscheid über vorläufige Einstellung einer Betreibung im Sinn von
Art. 85a Abs. 2 SchKG
.
Die Frage, ob gegen einen Massnahmeentscheid nach
Art. 85a Abs. 2 SchKG
ein Rechtsmittel gegeben ist, beurteilt sich nach kantonalem Recht(E. 2b).
Nach dem Prozessrecht des Kantons Solothurn ist ein Rekurs gegen vorsorgliche Massnahmen - mithin auch gegen einen Entscheid nach
Art. 85a Abs. 2 SchKG
- zulässig (E. 2c und d). | Sachverhalt
ab Seite 440
BGE 125 III 440 S. 440
Gestützt auf
Art. 85a SchKG
beantragte A. dem Richteramt Dorneck-Thierstein mit Klage vom 6. April 1999, es sei festzustellen, dass die in der Betreibung Nr. ... gegen ihn erhobene Forderung nicht
BGE 125 III 440 S. 441
bestehe (Ziff. 1); ferner sei die Betreibung im Sinn einer vorsorglichen Massnahme für die Dauer des Prozesses vorläufig einzustellen (Ziff. 2). Mit Verfügung vom 27. April 1999 wies der Amtsgerichtspräsident das Begehren um vorläufige Einstellung der Betreibung ab. Auf einen dagegen erhobenen Rekurs trat das Obergericht des Kantons Solothurn mit Beschluss vom 23. Juni 1999 nicht ein. Eine gegen diesen Entscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde heisst das Bundesgericht gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Obergericht des Kantons Solothurn hat den Nichteintretensentscheid im Wesentlichen damit begründet, dass gegen Entscheide betreffend vorläufige Einstellung einer Betreibung kein Rechtsmittel vorgesehen sei. Das SchKG äussere sich nicht zur Frage der Zulässigkeit kantonaler Rechtsmittel, und weder in der solothurnischen ZPO noch im kantonalen Einführungsgesetz zum SchKG sei ein Rechtsmittel gegen Massnahmeentscheide nach
Art. 85a Abs. 2 SchKG
vorgesehen; ebenso wenig liege eine einstweilige Verfügung im Sinn von
§ 255 lit. a-d ZPO
/SO vor, in welchen Fällen ein Rekurs zulässig wäre. Aus diesen Gründen sei auf den Rekurs nicht einzutreten.
a) Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, zu Unrecht auf den Rekurs nicht eingetreten zu sein; dies stelle eine formelle Rechtsverweigerung und damit eine Verletzung von
Art. 4 BV
dar. Nach der Rechtsprechung kann mit der Rüge der formellen Rechtsverweigerung beanstandet werden, dass auf ein Rechtsmittel zu Unrecht nicht eingetreten worden sei (
BGE 120 Ia 220
E. 2a S. 222 m.w.H.).
b) Das SchKG schreibt den Kantonen weder vor, gegen Mass-nahmeentscheide nach
Art. 85a Abs. 2 SchKG
ein Rechtsmittel vorzusehen, noch verbietet es ihnen dies. Nach herrschender Lehrmeinung beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit eines Rechtsmittels somit nach kantonalem Recht (STAEHELIN/BAUER/STAEHELIN (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Basel 1998, N. 28 zu
Art. 85a SchKG
; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Lausanne 1999, N. 81 zu
Art. 85a SchKG
; JÜRGEN BRÖNNIMANN, Zur Klage nach
Art. 85a SchKG
, AJP 1996, S. 1398; a.M. JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 30 zu Art. 85a).
BGE 125 III 440 S. 442
c) Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob das Verfahrensrecht des Kantons Solothurn ein Rechtsmittel gegen den Massnahmeentscheid gemäss
Art. 85a Abs. 2 SchKG
vorsieht.
§ 300 Abs. 1 ZPO
/SO bestimmt, dass der Rekurs in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen zulässig ist. Gemäss
§ 243 Abs. 1 ZPO
/SO ist der Rekurs "gegen alle Verfügungen und Entscheide im summarischen Verfahren, mit Ausnahme der Beweisverfügungen" zulässig. Bei der vorläufigen Einstellung der Betreibung gestützt auf
Art. 85a Abs. 2 SchKG
handelt es sich um eine vorsorgliche Massnahme (anstatt aller STAEHELIN/BAUER/STAEHELIN (Hrsg.), a.a.O., N. 19 zu
Art. 85a SchKG
, m.w.H.). Vorsorgliche Massnahmen ergehen gemäss
§ 237 Abs. 2 lit. c ZPO
/SO im summarischen Verfahren. Wenn es sich aber bei der vorläufigen Einstellung einer Betreibung um einen Entscheid im summarischen Verfahren handelt, ist der Rekurs gegeben.
d) Daran ändert der Umstand nichts, dass der Entscheid gemäss
Art. 85a Abs. 2 SchKG
keinem der in
§ 255 lit. a d ZPO
/SO verzeichneten Anwendungsfälle entspricht. Die das summarische Verfahren regelnden Bestimmungen (
§
§ 255-266 ZPO
/SO) sind nämlich gemäss
§ 267 ZPO
/SO auch auf die in der Spezialgesetzgebung des Bundes und des Kantons vorgesehenen vorsorglichen Massnahmen sinngemäss anwendbar. Der Rekurs gegen einen im Rahmen von
Art. 85a Abs. 2 SchKG
getroffenen Massnahmeentscheid ist daher offensichtlich zulässig. Das Obergericht ist zu Unrecht auf den Rekurs nicht eingetreten. | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8d1686f4-5976-45aa-95d5-02de0a80a656 | Urteilskopf
106 Ia 70
16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Juli 1980 i.S. Lanfranconi gegen Einwohnergemeinde Worb und Regierungsrat des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
; formelle Rechtsverweigerung.
Kognition der Baudirektion und des Regierungsrates des Kantons Bern bei der Überprüfung der Zweckmässigkeit kommunaler Zonenpläne und Baureglemente. | Erwägungen
ab Seite 71
BGE 106 Ia 70 S. 71
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer wirft dem Regierungsrat formelle Rechtsverweigerung und Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.
a) Nach seiner Auffassung hat der Regierungsrat die Kognition, die ihm bei der Überprüfung der kommunalen Zonenpläne und Baureglemente zusteht, nicht voll ausgeschöpft, sondern rechtswidrig auf eine blosse Willkürprüfung eingeengt. Es trifft zu, dass die Behörde, welche eine umfassende Kognition besitzt, eine formelle Rechtsverweigerung begeht, wenn sie sich mit einer blossen Willkürprüfung begnügt (
BGE 101 Ia 57
E. 8). Das Bundesgericht hat jedoch bereits wiederholt entschieden, dass sich die kantonale Baudirektion als Genehmigungsinstanz und der Regierungsrat als Rekursbehörde mit Recht eine gewisse Zurückhaltung bei der ihnen zustehenden umfassenden Prüfungsbefugnis auferlegen, soweit sie die Zweckmässigkeit der Gemeindebaureglemente und der Nutzungspläne der Gemeinden überprüfen. Die kantonalen Behörden haben die den Gemeinden beim Erlass der Gemeindevorschriften und bei der Ausübung der Ortsplanung zustehende Autonomie zu wahren. Das bernische Baugesetz spricht in Art. 13 ausdrücklich von der Gemeindeautonomie und meint damit die relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit, die den Gemeinden bei der Ausübung der ihnen zustehenden Befugnisse und Pflichten gemäss dem Baugesetz zuzubilligen ist (ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, N. 2 Vorbem. zu Art. 13-40). Die Respektierung dieser Autonomie setzt der Überprüfung der Zweckmässigkeit Schranken. Der Regierungsrat als Rekursbehörde darf ebensowenig wie die Baudirektion als Genehmigungsinstanz das eigene Ermessen anstelle jenes der Gemeinde setzen (A. ZAUGG, a.a.O., N. 4 zu Art. 44 BauG; Urteil BKW vom 19. Dezember 1979, E. 2a, veröffentlicht in BVR 78/1980, S. 174; nicht veröffentlichte Urteile Frutiger Söhne AG vom 17. Oktober 1979, E. 2, Niesengarage AG vom 13. Februar 1980, E. 1a, und Berger vom
BGE 106 Ia 70 S. 72
7. Mai 1980, E. 1a). Der Regierungsrat hat daher im angefochtenen Entscheid zutreffend festgestellt, dass er nicht obere Planungsbehörde ist und daher seine Planung nicht an die Stelle jener der Gemeinde setzen kann. Es ist deren Sache, unter mehreren verfügbaren und zweckmässigen Lösungen zu wählen. Der Regierungsrat hat nur zu prüfen, ob die von der Gemeinde getroffene Lösung zweckmässig ist (vgl.
BGE 104 Ia 139
E. 3d zu dem im wesentlichen übereinstimmenden aargauischen Recht).
Der Beschwerdeführer missversteht den Hinweis des Regierungsrats auf die ihm nach dem kantonalen Planungsrecht gegenüber der Ortsplanung einzig zustehende Aufsichts- und Koordinationsfunktion (Art. 67 und 68 BauG). Aus dieser - den Planungsgrundsätzen des eidg. RPG vom 22. Juni 1979 entsprechenden - begrenzten Planungskompetenz der kantonalen Behörden hat der Regierungsrat keine gesetzwidrige Beschränkung seiner Kognition im Beschwerdeverfahren hergeleitet. Er hat vielmehr die angefochtene Einzonung auf ihre Recht- und Zweckmässigkeit hin überprüft, wie sich aus Ziffer 3 seines Entscheides deutlich ergibt. Aus diesem Grunde geht auch der Vorwurf des Beschwerdeführers fehl, die Praxis des Regierungsrats verstosse gegen die Anordnung des
Art. 33 Abs. 3 RPG
, wonach das kantonale Recht gegenüber Nutzungsplänen die volle Überprüfung durch wenigstens eine Beschwerdebehörde vorzusehen habe. Das bernische Recht entspricht dieser Anforderung im Falle von Beschwerden gegen Nutzungspläne der Gemeinden, wobei sich die erwähnte Zurückhaltung der kantonalen Instanzen bei der Ausübung der Zweckmässigkeitskontrolle - wie bereits erwähnt - mit dem Grundsatz deckt, dass die mit Planungsaufgaben betrauten Behörden darauf zu achten haben, den ihnen nachgeordneten Behörden den zur Erfüllung ihrer Aufgaben nötigen Ermessensspielraum zu lassen (
Art. 2 Abs. 3 RPG
). | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
8d17791d-e713-4b5c-9ca9-6d98885d3f52 | Urteilskopf
114 IV 34
12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. März 1988 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen M. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 293 StGB
; Behörden- und Geheimnisbegriff.
1. Aufgrund seiner Stellung, Aufgaben und Kompetenzen ist der Generalstabschef ein mit hoheitlichen Funktionen ausgestattetes staatliches Organ und somit eine Behörde im Sinne von
Art. 293 StGB
(E. 2a).
2. Dem Tatbestand von
Art. 293 StGB
liegt der formelle Geheimnisbegriff zugrunde (E. 2b; Bestätigung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 34
BGE 114 IV 34 S. 34
Im Januar 1987 fand für den Armeestab ein operatives Seminar statt, das der Generalstabschef in seiner Gesamtheit als "geheim"
BGE 114 IV 34 S. 35
erklärte. Er hielt auch ein Referat, welches den Teilnehmern mit dem Vermerk "vertraulich" abgegeben wurde. Aus diesem Referat zitierte M. in der Wochenzeitung vom 30. Januar 1987.
Das Statthalteramt des Bezirks Zürich stellte das Verfahren gegen M. wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen am 14. Dezember 1987 ein. Es gelangte zum Schluss, beim Generalstabschef handle es sich um keine Behörde im Sinne von
Art. 293 StGB
, noch sei dessen in Schriftform abgegebenes Referat als geheim bezeichnet worden.
Die Schweizerische Bundesanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Einstellungsverfügung aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Statthalteramt zurückzuweisen.
M. hat sich trotz Fristansetzung zur Sache nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 293 Abs. 1 StGB
wird mit Haft oder mit Busse bestraft, wer, ohne dazu berechtigt zu sein, aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch Beschluss der Behörde im Rahmen ihrer Befugnis als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt.
a) Was unter einer Behörde im Sinne von Art. 293 Abs. 1 oder auch anderer Bestimmungen des StGB (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 2, Art. 285 f., 288, 291 f., 303 StGB) zu verstehen sei, ist im Strafgesetzbuch nicht definiert. Im Bundesstaats- und Bundesverwaltungsrecht wird der Begriff der Behörde weit gefasst. Er trifft auf alle Bundesorgane zu, die kraft Bundesrecht mit hoheitlicher Zuständigkeit staatliche Funktionen ausüben, stellt also einen Sammelbegriff für alle Arten dieser Organe dar (vgl. HÄFELIN/HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 185; HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, S. 94; FLEINER-GERSTER, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, S. 449; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, S. 131); ob es sich um ein monistisches oder ein Kollegialorgan handle, ist dabei ohne Bedeutung (FLEINER-GERSTER, a.a.O., S. 450 f.). Soweit die Stafrechtsliteratur sich überhaupt zum Behördenbegriff äussert, wird er auch dort nicht anders oder enger gefasst (STRATENWERTH, BT II, S. 166 N. 34 und S. 280 N. 3; SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, S. 506 Nr. 774).
BGE 114 IV 34 S. 36
Werden Stellung, Aufgabe und Kompetenzen des Generalstabschefs in Betracht gezogen, der nicht dem Beamtengesetz untersteht (Art. 6 i.V.m. Art. 1 Rechtsstellungsverordnung/SR 510.22), wie sie sich aus den ihn betreffenden Bestimmungen ergeben (insbesondere
Art. 40, 42 und 168 MO
/SR 510.10; Art. 2, 3 und 23 f. DO/SR 510.21), dann kann keinem Zweifel unterliegen, dass es sich bei ihm um ein mit hoheitlichen Funktionen ausgestattetes staatliches Organ, mithin um eine Behörde im Sinne von
Art. 293 Abs. 1 StGB
handelt. Als solche ist bereits der Sekretär des Justizdepartements oder die Kantonspolizei betrachtet worden (
BGE 85 IV 83
E. 2).
b) Dem Tatbestand von
Art. 293 StGB
liegt der formelle Geheimnisbegriff zugrunde, so dass es einzig darauf ankommt, ob die Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen der Behörde durch Gesetz oder durch Verfügung derselben als geheim erklärt worden sind; dabei macht es keinen wesentlichen Unterschied ob sie als geheim oder als bloss vertraulich bezeichnet wurden, wenn nur klar ist, dass damit die Öffentlichkeit hatte ausgeschlossen werden wollen (
BGE 108 IV 187
E. 1a). Das aber ist vorliegend der Fall; durch die Bezeichnung des operativen Seminars als insgesamt "geheim" und jene des schriftlich abgegebenen Referats als "vertraulich" war dessen Kenntnis auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt und damit geheim im Sinne von
Art. 293 Abs. 1 StGB
. Dass dem Generalstabschef die Befugnis zu einer derartigen Anordnung zustand, kann nicht bestritten werden. Ergab sich der geheime Charakter des Schriftstücks bereits aus dem angebrachten Vermerk "vertraulich", so kommt nichts darauf an, ob der Beschwerdegegner um die Bezeichnung des Seminars als insgesamt "geheim" wusste. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8d1bfd91-baca-4cb4-aa73-23b4fabee95a | Urteilskopf
140 I 257
21. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause Union du personnel du domaine des EPF contre Conseil des Ecoles polytechniques fédérales (recours en matière de droit public)
2C_701/2013 du 26 juillet 2014 | Regeste
Art. 28 Abs. 1 BV
; Koalitionsfreiheit im öffentlichen Dienst; Kriterien zur Anerkennung einer Gewerkschaft als Sozialpartner im Bereich der ETH.
Eine Gewerkschaft kann die Koalitionsfreiheit anrufen, um Ansprüche auf Teilnahme an Tarifverhandlungen oder auf den Abschluss eines Tarifvertrags mit einem öffentlichen Arbeitgeber geltend zu machen (E. 5.1.1), soweit sie als Sozialpartner anerkannt werden kann. Dies setzt voraus, dass sie hinreichend repräsentativ ist und sich loyal verhält (E. 5.2.1 und 5.2.2).
Kriterien für die Beurteilung, ob eine Gewerkschaft als repräsentativ einzustufen ist (E. 6.1). Prüfung des Kriteriums der Loyalität, deren Vorhandensein vermutet werden muss (E. 6.2).
Im vorliegenden Fall Ermessensmissbrauch und Verletzung der Verhältnismässigkeit mit Bezug auf die Kriterien der Repräsentativität (E. 6.3.2-6.3.5). | Sachverhalt
ab Seite 258
BGE 140 I 257 S. 258
A.
L'Union du personnel du domaine des écoles polytechniques fédérales (ci-après: UP EPF) est une association qui a pour but de regrouper les salariés du domaine des écoles polytechniques fédérales (ci-après: le domaine des EPF), actifs ou retraités. Le domaine des EPF comprend l'Ecole polytechnique fédérale de Zurich (EPFZ), l'Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL), ainsi que quatre établissements de recherche. L'UP EPF est le résultat de la scission, entamée en avril 2010, de l'Association du personnel de la
BGE 140 I 257 S. 259
Confédération - Section EPFL (ci-après: APC EPFL) d'avec l'Association du personnel de la Confédération (ci-après: APC), organisation faîtière.
Le 14 juin 2011, l'UP EPF a demandé au Président du Conseil des écoles polytechniques fédérales (ci-après: le Conseil des EPF) d'être associée à tout projet ou toute mesure touchant le domaine des EPF en tant que partenaire social du domaine des EPF. Par décision incidente des 7 et 8 mars 2012, le Conseil des EPF a indiqué qu'il reportait sa décision jusqu'à ce que l'UP EPF lui fournisse des données étayées sur le nombre de ses membres, précisant que pour être reconnue comme partenaire social, elle devrait bénéficier d'une représentativité suffisante au sein du domaine des EPF, ce qui impliquait soit d'être déjà reconnue comme partenaire social de la Confédération, soit de compter 200 membres au moins dans l'une des institutions du domaine des EPF, ainsi que 20 membres au moins dans chacune de deux autres. Le 3 avril 2012, l'UP EPF a recouru devant le Tribunal administratif fédéral pour refus de statuer du Conseil des EPF et contre sa décision incidente des 7 et 8 mars 2012, concluant à ce que le Tribunal administratif fédéral ordonne au Conseil des EPF de la reconnaître comme partenaire social.
B.
Le 6 décembre 2012, le Conseil des EPF a rejeté la requête de l'UP EPF d'être reconnue comme partenaire social du domaine des EPF au motif qu'elle n'était pas suffisamment représentative, faute de compter au moins 20 membres dans chacune de deux autres institutions du domaine des EPF que l'EPFL. Il a également mis en doute la loyauté de l'association vu le manque de transparence avec lequel celle-ci lui avait communiqué le nombre de ses membres.
Par arrêt du 17 juillet 2013, le Tribunal administratif fédéral a rejeté le recours de l'UP EPF.
C.
Agissant par la voie du recours en matière de droit public devant le Tribunal fédéral, l'UP EPF conclut à titre principal, avec suite de frais et dépens, à ce qu'elle soit reconnue comme partenaire social du domaine des EPF.
Le recours a été admis.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Le litige porte sur la question de savoir si la recourante doit être reconnue comme partenaire social du domaine des EPF.
BGE 140 I 257 S. 260
Selon le Tribunal administratif fédéral, le droit d'un syndicat d'être reconnu, de participer à des consultations ou des négociations collectives et de conclure des conventions collectives, tel qu'il existe en droit privé, serait méconnu en droit de la fonction publique. La recourante ne pourrait donc pas tirer directement un tel droit de la liberté syndicale (
art. 28 Cst.
), de sorte que le fait de soumettre sa reconnaissance à des conditions tenant à sa représentativité et à sa loyauté ne constituerait pas une atteinte à cette liberté. Le Tribunal administratif fédéral retient ensuite que les critères de représentativité établis par l'autorité inférieure procèdent d'un correct exercice de son pouvoir d'appréciation en la matière. En particulier, l'exigence de compter au moins 240 membres en tout serait raisonnable et celle relative à la présence de membres dans trois institutions du domaine des EPF selon la règle "200 + 20 + 20" légitime et non excessive, s'agissant d'une association revendiquant une reconnaissance au niveau du domaine des EPF. Serait également raisonnable l'exigence de compter au moins 20 membres dans deux autres institutions que l'EPFL, cette condition prenant à la fois en compte la nécessité d'être actif au sein du domaine des EPF et la difficulté qu'une association du personnel peut rencontrer à bénéficier d'une assise dans plusieurs de ses institutions. Le Tribunal administratif fédéral en conclut que la recourante, dont les membres sont tous employés, à une exception, de l'EPFL, ne remplit pas le critère de représentativité, faute de compter au moins 20 membres dans deux autres institutions que l'EPFL, de sorte qu'elle ne peut pas être reconnue comme partenaire social du domaine des EPF. Les conditions de représentativité étant cumulatives, le Tribunal administratif fédéral a renoncé à examiner si la recourante remplissait au surplus la condition de loyauté.
5.
La recourante s'en prend en premier lieu à l'arrêt attaqué en tant qu'il violerait la liberté syndicale (
art. 28 Cst.
). Elle reproche au Tribunal administratif fédéral d'avoir nié sa capacité à invoquer directement la liberté syndicale collective du fait qu'elle est un syndicat de la fonction publique. Une telle conception reviendrait à limiter la titularité de la liberté syndicale collective aux seuls syndicats d'employés soumis au droit privé, ce qui ne serait pas compatible avec l'essence même des droits fondamentaux. La recourante soutient par ailleurs que la condition de représentativité numérique au sein de trois institutions du domaine des EPF selon la règle "200 + 20 + 20" constituerait une restriction importante à la liberté syndicale qui,
BGE 140 I 257 S. 261
pour être valable, aurait dû respecter les exigences des atteintes aux libertés prévues à l'
art. 36 Cst.
5.1
La liberté syndicale consacrée à l'
art. 28 al. 1 Cst.
prévoit que les travailleurs, les employeurs et leurs organisations ont le droit de se syndiquer pour la défense de leurs intérêts, de créer des associations et d'y adhérer ou non. Jurisprudence et doctrine distinguent la liberté syndicale individuelle de la liberté syndicale collective. La liberté syndicale individuelle donne au particulier le droit de contribuer à la création d'un syndicat, d'adhérer à un syndicat existant ou de participer à son activité (liberté syndicale positive), ainsi que celui de ne pas y adhérer ou d'en sortir (liberté syndicale négative), sans se heurter à des entraves étatiques. Quant à la liberté syndicale collective, elle garantit au syndicat la possibilité d'exister et d'agir en tant que tel, c'est-à-dire de défendre les intérêts de ses membres. Elle implique notamment le droit de participer à des négociations collectives et de conclure des conventions collectives (
ATF 129 I 113
consid. 1.3 p. 117; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4
e
éd. 2008, p. 1089 s.; VALLENDER/HETTICH, in Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2
e
éd. 2008, n
os
17-19 ad
art. 28 Cst.
; PASCAL MAHON, in Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, 2003, n
os
5-8 ad
art. 28 Cst.
; PIERRE GARRONE, La liberté syndicale, in Droit constitutionnel suisse, 2001, p. 798).
5.1.1
Un syndicat de la fonction publique peut également se prévaloir de la liberté syndicale collective. Cette position est clairement admise en doctrine (cf. notamment JÜRG BRÜHWILER, Gesamtarbeitsvertrag im öffentlichen Dienst, DTA 2001 p. 172; PETER HELBLING, Gesamtarbeitsverträge [GAV] für den Staatsdienst, PJA 1998 p. 903; MARKUS METZ, Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum kollektiven Arbeitsrecht, DTA 2006 p. 163). Le Tribunal fédéral limite toutefois la portée de cette liberté au droit d'être entendu sous une forme appropriée lorsqu'il s'agit de la question de l'implication du syndicat de la fonction publique dans la préparation d'une loi ou d'un règlement, sous peine de porter atteinte au monopole de l'Etat en la matière (
ATF 134 I 269
consid. 3.3.1 p. 274;
ATF 129 I 113
consid. 1.4 et 3.4 p. 124; arrêt 2P.42/2006 du 3 juillet 2006 consid. 2.1).
La limitation de la portée de la liberté syndicale au droit d'être entendu pour un syndicat de la fonction publique n'a pas de raison d'être si la question consiste à déterminer si et dans quelle mesure
BGE 140 I 257 S. 262
un syndicat peut revendiquer un droit de participer à des négociations collectives ou de conclure des conventions collectives avec l'employeur public, puisque cette liberté ne se heurte alors pas - contrairement à la participation du syndicat au processus législatif - à la souveraineté de l'Etat, ce dernier ayant alors précisément renoncé à une parcelle de sa souveraineté pour privilégier des solutions négociées (BRÜHWILER, op. cit., p. 172; HELBLING, op. cit., p. 903). Un syndicat de la fonction publique n'est donc pas par nature exclu de la titularité de l'
art. 28 Cst.
pour revendiquer le droit de participer à des négociations collectives, conclure une convention collective ou y adhérer, contrairement à ce qu'a retenu le Tribunal administratif fédéral.
5.1.2
Cette position est conforme à celle de la Cour européenne des droits de l'homme rendue en application de l'
art. 11 par. 1 CEDH
, selon laquelle les membres d'un syndicat de la fonction publique ont le droit à ce que leur syndicat soit entendu en vue de la défense de leurs intérêts, laissant toutefois à chaque Etat le choix des moyens à employer à cette fin (arrêts
Syndicat national de la police belge contre Belgique
du 27 octobre 1975, § 39;
Syndicat suédois des conducteurs de locomotives contre Suède
du 6 février 1976, § 40;
Schmidt et Dahlström contre Suède
du 6 février 1976, § 36). Elle va également dans le même sens de l'arrêt
Demir et Baykara contre Turquie
du 12 novembre 2008 où la Cour, revoyant sa jurisprudence sur ce point, a retenu que le droit de mener des négociations collectives avec l'employeur était l'un des éléments essentiels du "droit de fonder avec d'autres des syndicats et de s'affilier à des syndicats pour la défense de ses intérêts" énoncé à l'
art. 11 par. 1 CEDH
, les Etats demeurant libres d'organiser leur système de manière à reconnaître, le cas échéant, un statut spécial aux syndicats représentatifs, et que les fonctionnaires devaient également en bénéficier en principe, sans préjudice des effets des restrictions légitimes pouvant être imposées aux membres de l'administration de l'Etat au sens de l'
art. 11 par. 2 CEDH
.
5.2
Le droit d'exercer la liberté syndicale collective sous la forme d'une participation à des négociations collectives, de la conclusion de conventions collectives ou de l'adhésion à de telles conventions ne peut toutefois être d'emblée ouvert à tout syndicat sans restrictions. Une telle situation pourrait aboutir à une trop grande multiplication des acteurs sociaux, ce qui serait de nature à nuire à la qualité et à l'efficacité du dialogue social, ainsi qu'à la conclusion de
BGE 140 I 257 S. 263
conventions collectives, alors que cet instrument est considéré, avec l'autonomie des partenaires sociaux, comme un élément central du droit collectif du travail en Suisse (MÜLLER/SCHEFER, op. cit., p. 1090; VALLENDER/HETTICH, op. cit., n° 19 ad
art. 28 Cst.
; ARTHUR ANDERMATT, Liberté syndicale et droit de grève, in Droit collectif du travail, 2010, p. 13; GABRIEL AUBERT, Le droit de négocier ou d'adhérer à une convention collective de travail, in Mélanges Robert Patry, 1988, p. 29). C'est pour cette raison que seul un syndicat
reconnu
comme partenaire social peut se prévaloir d'un droit à entrer dans le dialogue social en invoquant l'
art. 28 Cst.
5.2.1
Les conditions de reconnaissance d'un syndicat ont été développées par la jurisprudence rendue en droit privé, selon laquelle un syndicat doit être reconnu comme partenaire social afin de participer à des négociations collectives, de conclure une convention collective ou d'y adhérer, même sans l'accord de l'employeur ou des autres partenaires sociaux, s'il est suffisamment représentatif et qu'il se comporte loyalement, sous peine de violer ses droits de la personnalité. En particulier, un syndicat minoritaire ne peut être écarté s'il est suffisamment représentatif (
ATF 125 III 82
consid. 2 p. 84 s. et la référence citée;
ATF 118 II 431
consid. 4a p. 433;
ATF 113 II 37
consid. 4c p. 45 s. et consid. 5 p. 47; AUBERT, op. cit., p. 28), à moins que l'auteur du refus ne fasse valoir un intérêt digne de protection, un tel intérêt n'existant pas lorsque le syndicat ne peut se voir reprocher une attitude déloyale ou qu'il se déclare prêt à respecter toutes les obligations découlant de la convention collective de travail (
ATF 118 II 431
consid. 4a p. 433;
ATF 113 II 37
consid. 5 p. 48).
La doctrine a systématisé cette jurisprudence en énonçant quatre conditions qu'un syndicat doit cumulativement remplir pour être reconnu comme partenaire social, à savoir: 1) avoir la compétence de conclure des conventions collectives ("Tariff?ähigkeit"), 2) avoir la compétence à raison du lieu et de la matière, 3) être suffisamment représentatif (condition de la représentativité) et 4) faire preuve d'un comportement loyal (condition de la loyauté) (BRÜHWILER, op. cit., p. 175 ss).
5.2.2
Sous l'angle de la liberté syndicale, la jurisprudence du Tribunal fédéral envisage également la représentativité et la loyauté comme des conditions qu'un syndicat doit remplir pour être reconnu comme partenaire social. Dans l'arrêt
ATF 129 I 113
, qui concernait un syndicat de la fonction publique vaudoise qui se plaignait d'une
BGE 140 I 257 S. 264
violation de la liberté syndicale en relation avec le refus, par l'autorité cantonale, de l'associer à l'élaboration d'une nouvelle loi cantonale sur le personnel, le Tribunal fédéral a ainsi relevé que "(...)
sous certaines conditions,
tenant en particulier à la représentativité des syndicats et à leur obligation de loyauté, ceux-ci sont en droit de représenter leurs membres employés de la fonction publique; de ce point de vue, ils apparaissent ainsi comme des interlocuteurs valables et 'obligatoires' des pouvoirs publics" (consid. 3.4 p. 123 s.).
Contrairement à ce que soutient la recourante, le fait de limiter la qualité de partenaire social aux syndicats qui remplissent des conditions de représentativité et de loyauté ne constitue pas une atteinte à la liberté syndicale qui emporterait l'obligation de respecter les exigences de l'
art. 36 Cst.
Les conditions de représentativité et de loyauté doivent au contraire être comprises comme des conditions inhérentes à la notion de partenaire social, qu'un syndicat doit remplir pour pouvoir revendiquer cette qualité.
Le même mécanisme de "condition inhérente" à l'exercice d'un droit constitutionnel se retrouve d'ailleurs à l'
art. 28 al. 3 Cst.
En effet, les conditions de licéité d'une grève contenues dans cette disposition constitutionnelle ne sont pas envisagées comme des atteintes au droit de grève, mais comme des conditions qui doivent être remplies pour que les personnes qui recourent à la grève puissent se prévaloir valablement de l'
art. 28 al. 3 Cst.
(VALLENDER/HETTICH, op. cit., n° 29 ad
art. 28 Cst.
; RÉMY WYLER, Droit du travail, 2
e
éd. 2008, p. 655; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, vol. II, 3
e
éd. 2013, p. 723).
6.
Les conditions de représentativité et de loyauté sont des notions juridiquement indéterminées, qui doivent être concrétisées dans chaque cas particulier par usage du pouvoir d'appréciation (AUBERT, op. cit., p. 28).
6.1
En ce qui concerne d'abord la condition de
représentativité
, le pouvoir d'appréciation est correctement mis en oeuvre si des critères adéquats et raisonnables sont utilisés. Ces critères doivent être suffisamment larges pour admettre dans le dialogue social des syndicats minoritaires, de manière à favoriser un certain pluralisme dans l'expression des voix syndicales, sans pour autant conduire à admettre tout syndicat minoritaire comme partenaire social, sous peine de nuire à l'efficacité du dialogue social (cf. ci-dessus consid. 5.2). Il est ainsi nécessaire que le syndicat soit le porte-parole d'une minorité et non
BGE 140 I 257 S. 265
pas constitué de membres isolés (
ATF 113 II 37
consid. 4c p. 46; AUBERT, op. cit., p. 28; BRÜHWILER, op. cit., p. 173). A cet égard, le Tribunal fédéral n'a pas fixé de seuil quantitatif minimal applicable de manière générale pour déterminer si un syndicat minoritaire est représentatif. Il a en revanche retenu, dans un cas d'espèce, qu'un syndicat comprenant 7 % des travailleurs de l'entreprise était suffisamment représentatif et que si l'on voulait le nier, ce syndicat devrait tout de même être reconnu de par son importance évidente au plan national (
ATF 113 II 37
consid. 5 p. 47 s.). Il ressort de cette jurisprudence que, d'une part, un syndicat n'a pas besoin de représenter une forte minorité pour être représentatif et que, d'autre part, un syndicat non représentatif dans l'entreprise concernée, mais qui jouit d'une représentativité suffisante au niveau cantonal ou fédéral doit également être reconnu comme partenaire social (cf. BRÜHWILER, op. cit., p. 177; AUBERT, op. cit., p. 28). La représentativité d'un syndicat doit également être examinée compte tenu de la structure particulière de l'entreprise ou de l'institution publique par laquelle il demande à être reconnu comme partenaire social.
Les critères de représentativité peuvent être codifiés par l'employeur dans un document de portée générale; si l'employeur est une collectivité publique ou un établissement de droit public, ils peuvent, même si cela n'est pas indispensable, être prévus dans une base légale, formelle ou matérielle. Tel n'est toutefois pas le cas en l'espèce. L'art. 33 de la loi du 24 mars 2000 sur le personnel de la Confédération (LPers; RS 172.220.1), qui règle la question de la participation du personnel de la Confédération au partenariat social, envisage les "associations" qui "représentent le personnel" sans les définir plus précisément ni exiger d'elles qu'elles remplissent certains critères pour être reconnues. Quant à l'ordonnance du 15 mars 2001 sur le personnel du domaine des EPF (OPers-EPF; RS 172.220.113), elle évoque les "partenaires sociaux" dans plusieurs de ses dispositions (cf. art. 13, 21, 28 al. 1 et
art. 52 al. 2 let
. n) sans définir non plus cette notion ni prévoir de critères de reconnaissance. Finalement, l'art. 107 al. 4 de l'ordonnance du 3 juillet 2001 sur le personnel de la Confédération (OPers; RS 172.220.111.3), qui n'est toutefois pas applicable au personnel du domaine des EPF en vertu de son
art. 1 al. 2 let
. c, se limite à prévoir que le Département fédéral des finances est le partenaire social des "associations de personnel reconnues" sans préciser quelles conditions de telles associations doivent remplir pour être reconnues.
BGE 140 I 257 S. 266
6.2
Concernant ensuite la condition de
loyauté
, elle implique que le syndicat concerné se déclare prêt à respecter toutes les obligations découlant de la convention collective de travail et, de manière générale, qu'il soit un partenaire social digne de confiance (cf. ci-dessus consid. 5.2.1; AUBERT, op. cit., p. 28; BRÜHWILER, op. cit., p. 177). Le syndicat doit ainsi se montrer comme un interlocuteur fiable et de bonne foi. Tel n'est en particulier pas le cas s'il entrave les négociations collectives de manière abusive ou s'il porte des accusations abusives à l'encontre des autres partenaires sociaux (cf. BRÜHWILER, op. cit., p. 174).
La condition de loyauté a trait au comportement du syndicat avec les autres partenaires sociaux; en particulier, un syndicat ne peut être qualifié de déloyal au seul motif qu'il est en litige avec certains de ses membres ou de ses anciens membres, de tels litiges n'ayant pas de lien avec le comportement du syndicat en tant que partenaire social.
Dans la règle, la condition de loyauté, qui est une des modalités de la bonne foi, doit être considérée comme présumée (cf. BRÜHWILER, op. cit., p. 177). En conséquence, si un syndicat demandant à être reconnu comme partenaire social se déclare prêt à respecter les obligations découlant de la convention collective de travail ou, plus largement, l'obligation de se comporter comme un partenaire social digne de confiance et qu'il remplit par ailleurs les autres conditions de reconnaissance, l'employeur ne peut alors en principe pas refuser de le reconnaître, sauf s'il apporte la preuve que la condition de loyauté n'est pas réalisée en raison de comportements passés de nature à faire sérieusement craindre qu'il n'agirait pas de manière loyale dans le dialogue social.
6.3
En l'espèce, la recourante soutient que le Tribunal administratif fédéral a abusé de son pouvoir d'appréciation, violé le principe de proportionnalité et est tombé dans l'arbitraire en retenant qu'elle ne pouvait pas être considérée comme suffisamment représentative du domaine des EPF parce qu'elle ne remplissait pas l'exigence de compter au moins 20 membres dans chacune de deux autres institutions du domaine des EPFL, ses membres étant tous, à une exception, employés de l'EPFL.
A l'appui de ces griefs, la recourante avance d'abord qu'elle est, dans les faits, l'ancien APC EPFL et qu'elle a simplement été rebaptisée "UP EPF" en avril 2011 à l'occasion de modifications statutaires
BGE 140 I 257 S. 267
destinées notamment à mettre un terme aux liens organiques l'unissant avec l'APC Suisse. Dès lors que l'APC EPFL était reconnue comme partenaire social tant par l'EPFL que par le Conseil des EPF, la reconnaissance de la recourante aurait dû n'être qu'une simple formalité, en application du principe de la proportionnalité et d'un correct exercice du pouvoir d'appréciation. Elle soutient ensuite, en relation avec les griefs d'arbitraire et d'abus du pouvoir d'appréciation, que la condition numérique de répartition selon la règle "20 + 20" est impossible à réaliser, les employés des autres institutions que l'EPFL n'ayant aucun intérêt à rejoindre les rangs d'une organisation syndicale qui n'est ni en mesure de les représenter ni de les défendre sur leur lieu de travail. La recourante relève encore que l'arrêt attaqué aboutirait au résultat insoutenable et, partant, arbitraire, qu'elle ne serait pas reconnue dès lors qu'elle comptait près de 850 membres sur 4'400 employés de l'EPFL au moment de sa demande de reconnaissance, alors que d'autres syndicats peu ou pas présents à l'EPFL seraient reconnus comme partenaires de négociation du domaine des EPF du simple fait qu'ils constituent des entités importantes au sein de l'administration fédérale.
Dans la mesure où la recourante fonde partiellement son raisonnement sur des faits non constatés par l'arrêt attaqué, le Tribunal fédéral ne peut en tenir compte (cf. consid. 3.2 non publié).
6.3.1
Lorsque l'autorité inférieure dispose, comme en l'espèce, d'un pouvoir d'appréciation, le Tribunal fédéral se limite à vérifier qu'elle a exercé ce pouvoir de manière conforme au droit ou si elle a au contraire commis un excès ou un abus du pouvoir d'appréciation (
ATF 137 V 71
consid. 5.1 p. 72 s.;
ATF 132 V 393
consid. 3.3 p. 399). Il y a en particulier abus du pouvoir d'appréciation lorsque l'autorité se fonde sur des considérations qui manquent de pertinence et sont étrangères au but visé par les dispositions légales applicables, ou lorsqu'elle viole des principes généraux du droit tels que l'interdiction de l'arbitraire, l'inégalité de traitement, le principe de la bonne foi et le principe de la proportionnalité (
ATF 137 V 71
consid. 5.1 p. 73;
ATF 123 V 150
consid. 2 p. 152 et les références citées; arrêt 5D_28/2014 du 26 mai 2014 consid. 2.1).
Le principe de proportionnalité, dont la violation peut être invoquée de manière indépendante dans un recours en matière de droit public (cf. art. 95 al. let. a LTF;
ATF 134 I 153
consid. 4.1 p. 156 s. et les références citées), commande que la mesure étatique soit nécessaire
BGE 140 I 257 S. 268
et apte à atteindre le but prévu et qu'elle soit raisonnable pour la personne concernée (
ATF 140 II 194
consid. 5.8.2 p. 199;
ATF 139 I 218
consid. 4.3 p. 224). Le Tribunal fédéral procède librement à l'examen du respect de ce principe dans la mesure où, comme en l'espèce, il s'agit de vérifier l'application du droit administratif fédéral (
ATF 140 II 194
consid. 5.8.2 p. 199 s.;
ATF 134 I 153
consid. 4.2 p. 157).
6.3.2
En l'espèce, la recourante remplit l'exigence numérique totale posée par le Conseil intimé lui-même, consistant à compter en tout au moins 240 membres, ainsi que l'exigence de compter au moins 200 membres à l'EPFL. En revanche, ses membres étant tous employés de l'EPFL à une exception près, elle ne remplit pas l'exigence de compter au moins 20 membres dans deux autres institutions du domaine des EPF. Il convient d'examiner la validité de cette exigence de répartition dans trois institutions au regard de la structure particulière du domaine des EPF.
6.3.3
Le domaine des EPF regroupe six institutions différentes: l'EPFZ, l'EPFL, ainsi que quatre établissements de recherche: l'Institut Paul Scherrer (qui s'occupe principalement de certains domaines de physique, des sciences de la vie, d'énergie nucléaire et des sciences de l'environnement liées à l'énergie), l'Institut fédéral de recherches sur la forêt, la neige et le paysage, le Laboratoire fédéral d'essai des matériaux et de recherche et l'Institut fédéral pour l'aménagement, l'épuration et la protection des eaux (art. 1 al. 1 de la loi du 4 octobre 1991 sur les EPF [RS 414.110]; art. 1 de l'ordonnance du 13 novembre 2003 sur les établissements de recherche du domaine des EPF [RS 414. 161]). Tant les EPF que les établissements de recherche sont des établissements autonomes de droit public de la Confédération, qui jouissent de la personnalité juridique (cf. art. 5 al. 1 et 21 al. 1 de la loi sur les EPF).
Alors que les EPF sont localisés à Zurich et Lausanne, les établissements de recherche sont situés à des endroits divers du pays. L'Institut Paul Scherrer est installé à Villigen (canton d'Argovie; cf.
www.psi.ch
); l'Institut fédéral de recherches sur la forêt, la neige et le paysage a son siège à Birmensdorf (canton de Zurich), mais comporte également des sites à Lausanne, Davos et Sion (cf.
www.wsl.ch/standorte/index_FR
); le Laboratoire fédéral d'essai des matérieux et de recherche est implanté sur trois sites, à Dübendorf (canton de Zurich), Saint-Gall et Thoune (cf.
www.empa.ch/plugin/template/empa/338/*/---/l=3
), alors que l'Institut fédéral pour l'aménagement,
BGE 140 I 257 S. 269
l'épuration et la protection des eaux est localisé à Dübendorf (cf.
www.eawag.ch
).
Les EPF et les établissements de recherche du domaine des EPF sont ainsi autonomes, actifs dans des domaines différents, disposent tous de la personnalité juridique et sont disséminés dans plusieurs communes de différents cantons. Par ailleurs et surtout, c'est au niveau global du domaine des EPF et non pas au sein de chacune de ses diverses institutions que les négociations importantes relatives à la politique du personnel et aux rapports de travail interviennent en priorité (cf. en particulier l'
art. 13 al. 2 et 3 OPers-EPF
).
Dans ces circonstances, demander d'un nouveau syndicat qu'il soit d'emblée présent dans trois institutions du domaine des EPF est une condition sinon impossible, comme le soutient la recourante, du moins objectivement très difficile à remplir, les employés des autres établissements du domaine des EPF n'ayant a priori aucun intérêt à s'affilier à un syndicat qui n'est implanté qu'à l'EPFL et qui n'est pas reconnu par le Conseil des EPF. A cela s'ajoute que les établissements de recherche sont également susceptibles d'avoir leur propre association du personnel (cf. art. 15 al. 3 de l'ordonnance sur les établissements de recherche), ce qui est également de nature à rendre difficile la représentation d'un syndicat émanant de l'EPFL dans un établissement de recherche qui en comprendrait déjà un. En conséquence, c'est également à tort que le Tribunal administratif fédéral retient que l'exigence de répartition géographique serait raisonnable en ce qu'il suffit que 20 membres seulement soient employés de deux autres institutions. L'exigence de compter au moins 20 membres dans deux autres institutions que l'EPFL pourrait en outre avoir pour conséquence de refuser de reconnaître un syndicat qui compterait par hypothèse plusieurs milliers de membres, tous employés de l'EPFL ou de l'EPFZ, au motif qu'il ne serait pas présent dans trois institutions dudit domaine, ce qui ne serait pas acceptable.
6.3.4
Il découle de ce qui précède que la subordination de la reconnaissance de la recourante comme partenaire social du domaine des EPF à l'exigence d'être représentée dans trois de ses institutions selon la règle "200 + 20 + 20" pour une association qui dépasse le nombre de 240 membres sur un seul site procède d'un abus du pouvoir d'appréciation et d'une violation du principe de proportionnalité. Les griefs de la recourante à cet égard étant admis, il n'est dès lors pas nécessaire de déterminer si l'arrêt attaqué est au surplus constitutif d'arbitraire sur ce point.
BGE 140 I 257 S. 270
6.3.5
Dès lors que la recourante remplit largement l'exigence numérique de compter au moins 240 membres en tout, ce qui n'était pas litigieux et qu'il n'y a dès lors pas lieu de discuter, celle-ci doit être considérée comme représentative du domaine des EPF.
6.4
La reconnaissance d'un syndicat comme partenaire social du domaine des EPF suppose encore que ce syndicat remplisse la condition de la loyauté (cf. ci-dessus consid. 5.2.1). Celle-ci n'a pas été examinée dans l'arrêt attaqué. La Cour de céans étant en mesure de trancher ce point, il n'est pas nécessaire de renvoyer la cause au Tribunal administratif fédéral.
Aucun élément figurant dans l'arrêt attaqué ne permet de conclure que la recourante ne serait pas un partenaire social loyal, étant rappelé qu'un comportement loyal et conforme à la bonne foi est présumé. D'une part, les litiges dans lesquels elle a été impliquée relèvent de ses rapports avec des anciens membres et non pas avec le Conseil des EPF ou d'autres partenaires sociaux. Ces litiges ne permettent donc pas de tirer de conclusion négative quant à la loyauté de la recourante. En outre, l'absence de transparence que lui reprochait l'autorité inférieure dans la communication de la liste de ses membres n'est, d'une part, pas démontrée et, d'autre part, ne serait de toute manière pas suffisante pour en déduire que la recourante ne serait pas un partenaire social digne de confiance. Dans ces circonstances, la Cour de céans retient, faute d'éléments probants de nature à démontrer l'inverse (cf. ci-dessus consid. 6.2), que la condition de loyauté est remplie. | public_law | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8d2081ea-8bd6-4931-aa6d-6e49cce34ccf | Urteilskopf
102 IV 1
1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 30. Januar 1976 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Art. 33, 186 StGB
.
1. Das rechtswidrige Verweilen in einem geschützten Raum i.S. von
Art. 186 StGB
stellt kein bloss passives Verhalten, sondern einen Angriff auf das notwehrfähige Rechtsgut des Hausrechts dar (E. 2).
2. Die Abgabe eines Warnschusses durch den Berechtigten in Richtung des Eindringlings ist eine unverhältnismässige Abwehr des Angriffs auf das Hausrecht (E. 3a).
3. Hat der Berechtigte die Grenzen der Notwehr infolge Aufregung überschritten, kann er nicht Straflosigkeit i.S. von Art. 33 Abs. 2 Satz 2 beanspruchen, wenn die Erregung durch andere Umstände als durch das blosse rechtswidrige Verweilen des andern im geschützten Raum hervorgerufen wurde (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 102 IV 1 S. 2
A.-
Am 5. Oktober 1973, kurz nach 09.00 Uhr, fuhr X. mit einem Personenwagen in Basel vom Voltaplatz durch die Elsässerstrasse stadtauswärts Richtung Zollamt "Lysbüchel", in der Absicht, in der von ihm geführten Wechselstube an der Elsässerstrasse 252 die Arbeit aufzunehmen. Im Streckenabschnitt zwischen dem Voltaplatz und der Kreuzung Elsässerstrasse/Hüningerstrasse überholte er den Personenwagen des in gleicher Richtung fahrenden A. und schwenkte, weil die die Kreuzung Elsässerstrasse/Hüningerstrasse absichernde Lichtsignalanlage mittlerweile auf Rot geschaltet hatte, in knappem Abstand vor dem Fahrzeug des A. wieder in dessen Fahrspur ein. Um eine Kollision zu vermeiden, war dieser gezwungen, seinen Wagen brüsk abzubremsen. X. fuhr daraufhin an seinen Arbeitsort, wobei ihm A. im Bestreben folgte, den Automobilisten wegen des riskanten und vorschriftswidrigen Überholmanövers zur Rede zu stellen.
Wenige Minuten nach dem Vorfall auf der Elsässerstrasse betrat A. die genannte Wechselstube und machte dem bereits hinter dem Schalterkorpus sitzenden X. sogleich heftige Vorwürfe wegen seines Verhaltens im Strassenverkehr. X. gab zu verstehen, dass ihm die Sache leid tue und er den begangenen Fehler einsehe. A. nahm indessen diese Äusserungen nicht zur Kenntnis und steigerte sich, X. stets wieder dessen unkorrekte Fahrweise vorwerfend, in eine masslose Erregung hinein. Im Verlaufe der nun beiderseits aussergewöhnlich lautstark geführten Auseinandersetzung forderte X. den A. mehrfach auf, das Lokal zu verlassen, da er sich nicht anschreien lasse. Als A. diesen Aufforderungen nicht nachkam und zu toben fortfuhr, behändigte X. seinen auf einem Ablagefach unter dem Schalterkorpus deponierten Revolver Marke Smith & Wesson, Kal. 38, richtete die mit insgesamt 5 Patronen geladene Waffe entsichert auf die rund 2 1/2 Meter von seinem Sitzplatz entfernte, gegenüberliegende Wand und gab auf diese einen Warnschuss ab. Das abgefeuerte Geschoss drang, ca. 80 cm vom Standort des A. entfernt, in die mit je einer Schicht Holz und Gips versehene Backsteinwand ein und blieb dort stecken.
BGE 102 IV 1 S. 3
Mit dieser Schussabgabe erreichte X., dass A. nunmehr fluchtartig die Wechselstube verliess.
B.-
Mit Urteil vom 20. Dezember 1974 sprach der Strafgerichtspräsident Basel-Stadt X. der Nötigung, des unerlaubten Schiessens sowie des vorschriftswidrigen Motorfahrens schuldig und verurteilte ihn zu 20 Tagen Gefängnis, mit bedingtem Strafvollzug, unter Auferlegung einer Probezeit von 2 Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 2'000.--.
A. wurde wegen Hausfriedensbruchs zu einer Busse von Fr. 30.-- verurteilt.
Auf Appellation des X. hat der Ausschuss des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt am 22. August 1975 das erstinstanzliche Urteil bestätigt.
C.-
X. führt eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung von der Anklage der Nötigung und des unerlaubten Schiessens in Anwendung von
Art. 33 Abs. 1 StGB
an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventuell habe das Appellationsgericht ihn in Anwendung von
Art. 33 Abs. 2 Satz 2 StGB
straflos zu erklären oder zumindest die Strafe gemäss
Art. 33 Abs. 2 Satz 1 StGB
zu mildern.
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt beantragt teilweise Gutheissung der Beschwerde. X. sei der Nötigung und des unerlaubten Schiessens, begangen im nichtentschuldbaren Notwehrexzess, schuldig zu erklären.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
Die kantonalen Gerichte verneinen eine Notwehrlage. Selbst wenn das Hausrecht des Beschwerdeführers als notwehrfähiges Gut betrachtet werde, könne
Art. 33 StGB
nicht zur Anwendung kommen, weil A. sich bereits im Laden befand, als er durch Nichtbefolgung der Aufforderung des Beschwerdeführers Hausfriedensbruch beging. Gegen seine nur passive Haltung gebe es keine Notwehr. A. habe zwar gebrüllt, den Beschwerdeführer aber nicht tätlich angegriffen oder anzugreifen gedroht. Bei dieser Sachlage wäre nur der Rechtfertigungsgrund der Selbsthilfe denkbar, nicht aber Notwehr, da diese einen Angriff voraussetze.
a) Der Hausfriedensbruch im Sinne von
Art. 186 StGB
ist ein persönliches Rechtsgut, das notwehrfähig ist. Die Frage,
BGE 102 IV 1 S. 4
ob und inwieweit die Notwehr i.S. von
Art. 33 StGB
auf persönliche Rechtsgüter beschränkt ist (vgl. SCHULTZ, Allg. T., 2. Aufl., S. 171), kann daher offen bleiben.
b) Die Handlung, gegen welche sich die Notwehr richtet, umschreibt
Art. 33 StGB
mit "Angriff" (attaque; aggressione), ebenso wie das deutsche Recht (der alte § 53, der neue
§ 32 StGB
), während das italienische Recht den etwas weitern Begriff "offesa" (Art. 52 CP) verwendet. Dem Angriff steht die Notwehrhandlung gegenüber, welche im Text des
Art. 33 StGB
mit "abwehren" (repousser; respingere) wiedergegeben wird, im Marginale des französischen und italienischen Textes mit "défense" bzw. "difesa", während im deutschen Text "Notwehr" an "Abwehr" erinnert.
Daraus wird der Unterschied zwischen der Notwehr i.e.S. des
Art. 33 StGB
zur Selbsthilfe (
Art. 52 Abs. 3 OR
, auch
Art. 57 OR
,
Art. 926 Abs. 2 ZGB
) abgeleitet, der nach Auffassung von HAFTER und GERMANN darin besteht, dass sich die Notwehr nur gegen ein Tun, nicht gegen ein Unterlassen, ein bloss passives Verhalten richten kann (HAFTER, Allg. T. 2 S. 145 oben; GERMANN, Das Verbrechen, Art. 33 N. 1/2, S. 215).
Das Wort "Angriff" wird indessen bei Notwehr nicht eng gefasst. Nach VON HIPPEL (Deutsches Strafrecht, Bd. 2 (1930), S. 204) ist blosses Nichtstun, z.B. Nichterfüllung von Verbindlichkeiten, kein Angriff. Dagegen stehe selbstverständlich hier wie sonst die rechtswidrige Begehung durch Unterlassung, also das Kommissivdelikt (mag es strafbar sein oder nicht, z.B. fahrlässige Freiheitsberaubung), der aktiven Tätigkeit gleich. Denn sie bedeute genau denselben Eingriff in fremdes Machtgebiet wie jene (im gleichen Sinne THORMANN/VON OVERBECK, Art. 33 N. 5; LOGOZ, Allg. T., Art. 33 N. 2b, S. 133; SCHÖNKE/SCHRÖDER, § 53 N. 5). Nach JESCHECK (2. Aufl. 1972, § 32 II 1, S. 252) stellt auch der Hausfriedensbruch durch unbefugtes Verweilen einen Angriff auf das Hausrecht dar, dagegen sei die Unterlassung der Räumung einer Wohnung nach Ablauf des Mietvertrages kein Angriff, weil der Mieter Besitzer der Mietsache bleibe (RG 19, 298), doch komme hier Selbsthilfe in Betracht.
Bedeutsam wird hier die Frage nach der Beendigung des Angriffs. Der begonnene, schon in Verletzung übergegangene Angriff bleibt solange gegenwärtig, als die Zufügung einer
BGE 102 IV 1 S. 5
neuen oder die Vergrösserung der bereits eingetretenen Verletzung durch das Verhalten des Angreifers unmittelbar bevorsteht.
Dieser Gesichtspunkt wird für die Dauerdelikte besonders hervorgehoben, deren Natur darin besteht, dass das strafbare Verhalten durch die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes nicht abgeschlossen (beendet) ist, dass das strafbare Verhalten vielmehr anhält, solange der Täter diesen Zustand aufrechterhält. Er endet erst mit der Aufhebung dieses Zustandes (vgl. SCHÖNKE/SCHRÖDER, N. 45 ff. vor § 73; JESCHECK, a.a.O., § 66 II 3, S. 541; SCHWANDER, Das schweiz. Strafgesetzbuch, 2. Aufl. Nr. 330b).
In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs hingewiesen. Er gilt mit Recht als Dauerdelikt, das solange anhält, bis der Täter die Wohnung verlassen hat (SCHÖNKE/SCHRÖDER; § 123, N. 2). Dasselbe trifft für die Begehungsform des Verweilens zu (STRATENWERTH, Bes. T., Bd. I, § 5 V 5, S. 104; VON HIPPEL, a.a.O.; JESCHECK, a.a.O., § 33 II 1a, S. 252).
Das Schwergewicht des Unrechts des Hausfriedensbruchs liegt nicht in der Pflicht, den Raum zu verlassen, sondern im Unrecht des Verweilens im Raum durch die unerwünschte Person. Dieses Verweilen stört in akuter und andauernder Weise den Hausfrieden. Der Eindringling sieht und hört, was im Raum vorgeht, er kann sich dort hin- und herbewegen, kann die Anwesenden ansprechen. Diese sind allfälligen weitern Eingriffen und Belästigungen durch den Eindringling ausgesetzt. Schon seine Anwesenheit hemmt die freie Betätigung der Berechtigten. Diese können nicht mehr ungehemmt ihre Konversation führen, ihrer gewohnten Beschäftigung, Arbeit oder Ruhe nachgehen. Sie fühlen sich weniger geborgen und sind oft verunsichert. Der Eingriff in das Wohnrecht ist daher kein blosses Unterlassen. Der unerwünscht Anwesende stört die Atmosphäre im befriedeten Raum. Seine blosse Anwesenheit strahlt aus und stellt einen fortdauernden Angriff auf die freie Lebensentfaltung der Berechtigten dar, ganz gleichgültig, ob der Täter den Raum schon rechtswidrig betreten hat oder ob sein Verweilen erst nachträglich durch die Wegweisung rechtswidrig geworden ist. Das gilt sowohl für die Wohnung im engern Sinne wie auch für die Arbeitsstätte und die übrigen in
Art. 186 StGB
geschützten Räume. Die Pflicht, den Raum
BGE 102 IV 1 S. 6
auf Geheiss zu verlassen, ist lediglich die Folge davon, dass der Täter den Hausfrieden solange stört, als er sich im befriedeten Raum aufhält und ihm, um den Angriff auf das Hausrecht zu beenden, nichts anderes übrig bleibt, als den geschützten Raum zu verlassen. Das ist aber nur die Folge des gesetzlichen Verbotes, im Raum zu verweilen. Verbote aber werden durch Begehung übertreten. Von einem rein passiven Verhalten, das einen Angriff im Sinne von
Art. 33 StGB
ausschliessen würde, kann daher beim "Verweilen" gemäss
Art. 186 StGB
nicht gesprochen werden.
Es wäre auch unnatürlich Notwehr dann anzuerkennen, wenn jemand schon rechtswidrig eingedrungen ist, sie aber zu verneinen, wenn jemand zwar eingelassen wurde, den Raum aber nach später erfolgter Aufforderung, wegzugehen, nicht verlässt. In beiden Fällen ist die Abwehr gleich berechtigt, der Exzess möglicherweise gleich entschuldbar. Von der Tatseite her betrachtet, besteht zwischen den beiden Varianten des Hausfriedensbruchs in der Regel kein Unterschied. Auch der, welcher in die Wohnung oder den Arbeitsraum eingelassen wird, greift de facto in die Sphäre der Anwesenden ein. Der Unterschied zur ersten Variante besteht lediglich darin, dass die Rechtswidrigkeit, infolge Änderung des Willens des Berechtigten, bei der zweiten Variante später eintritt.
3.
Befand sich der Beschwerdeführer somit in Notwehr, so stellt sich die Frage, ob er den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abgewehrt (Art. 33 Abs. 1) oder die Grenzen der Notwehr überschritten hat (Art. 33 Abs. 2), und ob er in diesem Fall in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung handelte.
a) Die Abwehrhandlung des Beschwerdeführers ging offensichtlich über das Zulässige hinaus. In diesem Zusammenhang erhält der Hinweis der kantonalen Gerichte Bedeutung, dass A. zwar das Hausrecht verletzte, herumbrüllte und den Beschwerdeführer reizte, ihn aber weder bedrohte noch angriff. Noch angemessen wäre die Abwehr gewesen, wenn der Beschwerdeführer versucht hätte, A. mit Brachialgewalt auf die Strasse zu stellen. Schon die Bedrohung mit einem geladenen und entsicherten Revolver war unverhältnismässig, wurde dadurch doch eine akute Gefahr geschaffen, zumal beide Antagonisten sehr erregt Waren. Vollends unzulässig war die Abgabe eines scharfen Schreckschusses mit der jedem Schützen
BGE 102 IV 1 S. 7
bekannten Gefahr von Prellschüssen und deren möglichen Folgen.
b) Nach
Art. 33 Abs. 2 Satz 2 StGB
bleibt straflos, wer einen rechtswidrigen Angriff abwehrt, wenn er "die Grenzen der Notwehr in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über den Angriff" überschreitet (si cet excès provient d'un état excusable d'excitation ou de saisissement causé par l'attaque). Diese durch Aufregung oder Bestürzung bewirkte Verminderung der Schuld, sowie der Umstand, dass der Verletzte selber durch seinen rechtswidrigen Angriff die Tat provoziert hat, haben den Gesetzgeber bewogen, in solchen Fällen von Strafe abzusehen.
Straflos ist der Täter also nur, wenn der rechtswidrige Angriff es war, welcher allein oder doch vorwiegend die Aufregung oder die Bestürzung des Täters verursacht hat. Überdies müssen Art und Umstände des Angriffs derart sein, dass sie die Aufregung oder die Bestürzung entschuldbar erscheinen lassen. Entschuldbar müssen also, analog wie bei Totschlag (
Art. 113 StGB
), Aufregung oder Bestürzung sein, nicht aber die deliktische Reaktion des Angegriffenen.
Über den Grad der Aufregung oder Bestürzung spricht sich das Gesetz nicht näher aus. Es verlangt beispielsweise nicht eine "heftige" Gemütsbewegung wie beim Totschlag. Doch kann es offensichtlich nicht Sinn des Gesetzes sein, schon an jede geringfügige Erregung oder Bestürzung Straflosigkeit zu knüpfen. Vielmehr muss der Richter von Fall zu Fall ermessen, ob die Aufregung oder die Bestürzung hinreichend erheblich war, um den Täter nicht mit Strafe zu belegen und ob Art und Umstände des Angriffs diesen Grad der Erregung entschuldbar erscheinen lassen. Er wird einen umso strengeren Massstab anlegen, d.h. einen umso höheren Grad entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung verlangen, je mehr die Reaktion des Täters den Angreifer verletzt oder gefährdet. Insoweit schliesst dieser Strafausschliessungsgrund trotz der absoluten Formulierung ein gewisses Ermessen ein. Indessen verlangt er, wie schon gesagt, nicht, dass die Reaktion des Abwehrenden schlechtweg schuldlos sein müsse. Sie ist lediglich nicht strafwürdig. | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8d208e19-02e1-4c73-a843-69ba39f1e02e | Urteilskopf
141 V 377
42. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_797/2014 vom 28. Mai 2015 | Regeste
Art. 10 Abs. 1 und 3 AHVG
;
Art. 14 DBG
;
Art. 29 Abs. 5 AHVV
; Beitragsfestsetzung bei nichterwerbstätigen nach Aufwand besteuerten Versicherten.
Art. 29 Abs. 5 AHVV
betreffend die Beitragsbemessung bei nichterwerbstätigen nach Aufwand besteuerten Versicherten ist verfassungs- und gesetzmässig (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 378
BGE 141 V 377 S. 378
A.
Gestützt auf die Angaben des in X. wohnhaften österreichischen Staatsangehörigen A. im Fragebogen zur Abklärung der Beitragspflicht AHV/IV/EO für Nichterwerbstätige vom 21. Mai 2010 und die entsprechende Steuermeldung setzte die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen (nachfolgend: Ausgleichskasse) vom Versicherten geschuldete Akonto-Beiträge für das Jahr 2012 in der Höhe von Fr. 9'495.10, einschliesslich Verwaltungskosten, fest, wobei der Beitragsverfügung ein Vermögen von Fr. 3'600'000.- zugrunde lag. Am 29. Juli 2013 meldete das Steueramt X. der Ausgleichskasse, der nach Aufwand besteuerte A. habe 2012 gemäss Einschätzung vom 28. Mai 2013 ein Renteneinkommen von Fr. 187'000.- erzielt und verfüge über ein beitragspflichtiges Vermögen (100 %) von Fr. 4'075'000.-. Aufgrund dieser Angaben der Steuerbehörde erliess die Ausgleichskasse am 23. August 2013 für das Jahr 2012 eine Nachtragsverfügung. Damit verpflichtete sie A. für das Jahr 2012 zur Bezahlung von Beiträgen in der Höhe von insgesamt Fr. 22'862.50, einschliesslich Verwaltungskosten, abzüglich der bereits verfügten Beiträge von Fr. 9'495.10, entsprechend einer Differenz von Fr. 13'367.40, einschliesslich Verwaltungskosten. Der Nachtragsverfügung lagen ein Renteneinkommen von Fr. 3'740'000.- (Fr. 187'000.- x 20) sowie ein Reinvermögen (am 31. Dezember 2012) von Fr. 4'075'000.-, total ein massgebendes Vermögen von Fr. 7'815'000.-, zugrunde. Auf Einsprache hin hielt die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 22. Oktober 2013 an ihrer Nachtragsverfügung fest.
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher A. beantragen liess, unter Aufhebung des Einspracheentscheides seien seine persönlichen Beiträge als Nichterwerbstätiger für das Jahr 2012 einzig auf der Grundlage seines Vermögens von Fr. 4'075'000.- zu
BGE 141 V 377 S. 379
bemessen, wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 18. September 2014 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A. das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern. Ferner ersucht er um Gewährung der aufschiebenden Wirkung.
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 10 Abs. 1 AHVG
in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung 15 vom 15. Oktober 2014 über Anpassungen an die Lohn- und Preisentwicklung bei der AHV/IV/EO (SR 831.108), in Kraft seit 1. Januar 2015, bezahlen Nichterwerbstätige einen Beitrag nach ihren sozialen Verhältnissen. Der Mindestbeitrag beträgt Fr. 392.- (bis 31. Dezember 2014: Fr. 387.-), der Höchstbeitrag entspricht dem 50-fachen Mindestbeitrag (Abs. 1 und 2). Gemäss
Art. 10 Abs. 3 AHVG
erlässt der Bundesrat nähere Vorschriften über den Kreis der Personen, die als Nichterwerbstätige gelten, und über die Bemessung der Beiträge. Die Beiträge der Nichterwerbstätigen, für die nicht der jährliche Mindestbeitrag vorgesehen ist, bemessen sich aufgrund ihres Vermögens und Renteneinkommens. Nicht zum Renteneinkommen gehören die Renten nach den
Art. 36 und 39 IVG
(
Art. 28 Abs. 1 AHVV
[SR 831.101]). Verfügt eine nicht erwerbstätige Person gleichzeitig über Vermögen und Renteneinkommen, so wird der mit 20 multiplizierte jährliche Rentenbetrag zum Vermögen hinzugerechnet (
Art. 28 Abs. 2 AHVV
). Der für die Besteuerung nach dem Aufwand nach Art. 14 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11), in Kraft seit 1. Januar 1995, geschätzte Aufwand ist dem Renteneinkommen gleichzusetzen. Die betreffenden Veranlagungen für die direkte Bundessteuer sind für die Ausgleichskassen verbindlich (
Art. 29 Abs. 5 AHVV
). Laut
Art. 14 Abs. 1 und 2 DBG
haben ausländische Staatsangehörige, die in der Schweiz keine Erwerbstätigkeit ausüben, anstelle der Einkommenssteuer eine Steuer nach dem Aufwand zu entrichten. Die Steuer wird nach dem Aufwand der steuerpflichtigen Person und ihrer Familie bemessen und erfasst u.a. den Bruttobetrag der Einkünfte aus dem in der Schweiz gelegenen
BGE 141 V 377 S. 380
unbeweglichen Vermögen (
Art. 14 Abs. 3 lit. a DBG
). Die Höhe der AHV/IV/EO-Beiträge der Nichterwerbstätigen ergibt sich aus
Art. 10 Abs. 1 AHVG
,
Art. 3 Abs. 1
bis
IVG
sowie
Art. 27 Abs. 2 EOG
(SR 834.1).
2.
2.1
Der Beschwerdeführer wird im Sinne von
Art. 14 DBG
nach Aufwand besteuert. Die Vorinstanz hat in Übereinstimmung mit der Ausgleichskasse die AHV/IV/EO-Beiträge, die er für 2012 als Nichterwerbstätiger schuldet, auf Fr. 22'862.50, einschliesslich Verwaltungskosten, festgesetzt. Den Beiträgen liegen ein Renteneinkommen (Aufwand) von Fr. 187'000.- sowie ein beitragspflichtiges Vermögen von Fr. 4'075'000.- zugrunde. Nach Multiplikation des Renteneinkommens mit 20 im Sinne von
Art. 28 Abs. 2 AHVV
resultierte ein massgebendes Vermögen von Fr. 7'815'000.- ([Fr. 187'000.- x 20] + Fr. 4'075'000.-).
2.2
Der Beschwerdeführer wendet im Wesentlichen ein, tatsächlich über kein Renteneinkommen zu verfügen. Beim Betrag von Fr. 187'000.-, der mit 20 multipliziert zum Vermögen hinzugerechnet wurde, handle es sich um einen fiktiven Wert. Mangels Renteneinkünften bestreite er seinen Lebensaufwand hauptsächlich durch Vermögensverzehr. Die Fiktion eines Renteneinkommens nach
Art. 29 Abs. 5 AHVV
verletze die Rechtsgleichheit, indem nicht danach unterschieden werde, ob ein Nichterwerbstätiger über ein tatsächliches Renteneinkommen verfügt oder nicht.
Art 29 Abs. 5 AHVV
sodann sei durch die Delegationsnorm des
Art. 10 Abs. 1 AHVG
nicht gedeckt.
(...)
4.
4.1
Wie erwähnt, bestreitet der Beschwerdeführer die Verfassungs- und Gesetzmässigkeit von
Art. 29 Abs. 5 AHVV
und bringt insbesondere vor, dass diese Verordnungsbestimmung für die Beitragsfestsetzung ein Renteneinkommen heranzieht, über das nicht alle nach Aufwand besteuerten Personen verfügten. So stehe auch ihm keine Rente zu. Dadurch würden unterschiedliche Sachverhalte (Bestreitung des Lebensunterhalts durch Renteneinkommen im einen Fall oder durch Vermögensverzehr im anderen Fall) beitragsrechtlich gleich behandelt; damit werde das Gebot rechtsgleicher Behandlung nach
Art. 8 Abs. 1 BV
verletzt. Weil verfassungswidrig, sei
Art. 29 Abs. 5 AHVV
nicht anwendbar. Fraglich sei des Weiteren, ob
Art. 10 Abs. 1 AHVG
eine genügende gesetzliche Grundlage für
BGE 141 V 377 S. 381
die Erhebung und Bemessung der Nichterwerbstätigenbeiträge bilde. Die Fiktion, dass der Lebensaufwand, den ein Pauschalbesteuerter zu Lasten seines Vermögens bestreitet, einem Renteneinkommen gleichzusetzen ist, sei durch die Delegationsnorm des
Art. 10 Abs. 1 und 3 AHVG
nicht gedeckt.
4.2
Die Delegationsnorm des
Art. 10 Abs. 3 AHVG
eröffnet dem Bundesrat einen weiten Spielraum zur Regelung der Beitragsbemessung bei nichterwerbstätigen Versicherten, indem sie von jeglicher Einschränkung der zu treffenden Ordnung absieht, den Erlass näherer Vorschriften über den Kreis der Personen, die als Nichterwerbstätige gelten, und die Bemessung der Beiträge dem Verordnungsgeber überlässt. In
BGE 125 V 221
E. 3c/aa S. 224 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in Bestätigung seiner früheren Rechtsprechung
Art. 28 Abs. 1 AHVV
, wonach Nichterwerbstätige die Beiträge auf Grund ihres Vermögens und Renteneinkommens zu bezahlen haben, als gesetzmässig erklärt. Die Verordnungsbestimmung halte sich im Rahmen von
Art. 10 Abs. 1 AHVG
, der die Bemessung der Beiträge der Nichterwerbstätigen nach ihren sozialen Verhältnissen vorsieht. Die beschwerdeweise als verfassungswidrig kritisierte Regelung der Beitragsbemessung bei nach Aufwand besteuerten Versicherten hält sich ebenso im Rahmen der dem Bundesrat zukommenden Rechtsetzungsbefugnis. Eine Verletzung der diesem eingeräumten Kompetenzen zum Erlass der entsprechenden Vorschriften ist nicht erkennbar.
Art. 29 Abs. 5 AHVV
verletzt weder das Willkürverbot noch das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (
Art. 9 und 8 Abs. 1 BV
), sondern stützt sich auf ernsthafte sachliche Gründe. Dass sich die Verordnungsnorm mangels näherer gesetzlicher Vorgaben inhaltlich eng an die steuerrechtlichen Bestimmungen anlehnt, ist sachlich gerechtfertigt, wenn nicht gar geboten. So zieht die Besteuerung nach dem Aufwand, wie sie
Art. 14 DBG
hauptsächlich für ausländische Staatsangehörige mit steuerrechtlichem Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz vorsieht, die hier keine Erwerbstätigkeit ausüben, als Bemessungsgrundlage den Aufwand der steuerpflichtigen Person und ihrer Familie heran (Abs. 3).
Art. 29 Abs. 5 AHVV
nimmt auf diese bundessteuergesetzliche Bestimmung Bezug, indem er anordnet, dass der für die Besteuerung nach dem Aufwand nach
Art. 14 DBG
geschätzte Aufwand dem Renteneinkommen gleichzusetzen ist, wobei die betreffenden Veranlagungen für die direkte Bundessteuer für die Ausgleichskassen verbindlich sind. Dass nebst dem Vermögen der Aufwand des Versicherten zur
BGE 141 V 377 S. 382
Beitragsberechnung heranzuziehen ist, hält sich an den in
Art. 10 Abs. 1 AHVG
vorgegebenen Rahmen, indem auch damit die sozialen Verhältnisse der beitragspflichtigen Person berücksichtigt werden, die sich auch und gerade in den Wohnverhältnissen, d.h. der Höhe des Eigenmietwerts oder des Mietzinses, widerspiegeln, welche die Höhe des anzurechnenden Aufwandes massgeblich oder allein bestimmen (E. 4.3 hienach).
4.3
Der Beschwerdeführer bestreitet letztlich einzig, dass als Grundlage für die Beitragsbemessung nebst dem Vermögen ein "fiktives" Renteneinkommen angerechnet werde. Bei dem für die Besteuerung nach Aufwand gemäss
Art. 14 DBG
geschätzten Aufwand, der nach
Art. 29 Abs. 5 AHVV
dem Renteneinkommen gleichzusetzen ist, dessen Mitberücksichtigung als Beitragsberechnungsgrundlage grundsätzlich gesetzmässig ist (
BGE 125 V 221
E. 3c/aa S. 224), handelt es sich, wie bereits festgehalten, um den nämlichen Betrag, der für die Steuerveranlagung nach Aufwand (Pauschalbesteuerung) massgebend ist (vgl.
Art. 14 Abs. 3 DBG
). Laut Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vom 15. März 1993 über die Besteuerung nach dem Aufwand bei der direkten Bundessteuer (SR 642.123) wird die Steuer nach dem Aufwand nach den jährlichen in der Bemessungsperiode entstandenen Lebenshaltungskosten der Steuerpflichtigen und der von ihnen unterhaltenen, in der Schweiz lebenden Personen berechnet. Sie beruht mindestens auf:
a) dem Fünffachen des Mietzinses oder des Mietwerts der Wohnung im eigenen Haus für Steuerpflichtige, die einen eigenen Haushalt führen.
b) (...)
Abs. 2 lautet:
Ergibt sich nach
Art. 14 Abs. 3 DBG
ein höherer Steuerbetrag, so geht dieser vor.
4.4
Wenn dem Beschwerdeführer gestützt auf Art. 1 dieser Verordnung für die direkte Bundessteuer Lebenshaltungskosten von Fr. 187'000.- angerechnet werden, ist seine Logik, dass der gleiche Betrag für die Belange der AHV eine blosse Fiktion darstellt, nicht nachvollziehbar. Dass es sich nicht so verhält, wie der Beschwerdeführer geltend macht, ist systemimmanent: Wenn
Art. 14 Abs. 3 DBG
die Steuer nach dem Aufwand der steuerpflichtigen Person und ihrer Familie bemisst (vgl. OLIVER ARTER, Die Aufwandbesteuerung, AJP 2007 S. 165 f.), wobei gemäss Art. 1 lit. a der Verordnung über die Besteuerung nach dem Aufwand in der Regel das Fünffache des Mietzinses oder des Mietwerts im eigenen Haus als
BGE 141 V 377 S. 383
Berechnungsgrundlage herangezogen wird und
Art. 29 Abs. 5 AHVV
diesen Wert dem für die AHV-Beiträge teilweise als Bemessungsgrundlage dienenden Renteneinkommen gleichsetzt, kann der identische Aufwand nicht steuerrechtlich als gesetzes- und verfassungskonform, AHV-rechtlich hingegen als verfassungswidrig gelten. Die Argumentation des Beschwerdeführers ist allein dem Wortlaut verhaftet, wenn er einzig die Wendung "Renteneinkommen" nach Art. 28 Abs. 1 bis 4 und
Art. 29 Abs. 5 AHVV
als massgebend erachtet. Als Bemessungsgrundlage nebst dem Vermögen dient der Aufwand im umschriebenen Sinn. Ob die nach Aufwand besteuerte Person nebst ihrem Vermögen über ein Renteneinkommen im engeren Sinn, das nach
Art. 14 Abs. 3 lit. e DBG
überdies aus schweizerischen Quellen fliessen müsste, verfügt, ist unerheblich. Da unter dem Begriff Renteneinkommen gemäss
Art. 29 Abs. 5 AHVV
der Aufwand im Sinne von
Art. 14 DBG
und Art. 1 der Verordnung über die Besteuerung nach dem Aufwand, d.h. in aller Regel das Fünffache des Eigenmietwerts, zu verstehen ist, kann keine AHV-rechtlich bedeutsame, gegen
Art. 8 Abs. 1 BV
verstossende Ungleichbehandlung der nach Aufwand besteuerten Personen mit Renteneinkommen im eigentlichen Sinn und jenen ohne solche Renteneinkünfte eintreten. Weil die Frage nach einem Renteneinkommen im engeren Sinn keine Auswirkungen auf die Höhe der geschuldeten Beiträge hat, ist der Behauptung des Beschwerdeführers, weil er keine Rente beziehe, müsse er beitragsrechtlich anders behandelt werden als die pauschal besteuerten Versicherten mit einem Rentenanspruch, die Grundlage entzogen. Eine Gleichbehandlung von in wesentlichen Aspekten unterschiedlichen Tatbeständen ohne Rücksicht auf deren Ungleichkeit liegt bei der gegebenen Rechtslage entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nicht vor. Eine Verletzung des Gebots rechtsgleicher Behandlung (
Art. 8 Abs. 1 BV
;
BGE 140 I 77
E. 5.1 S. 80;
BGE 134 I 23
E. 9.1 S. 42;
BGE 133 V 569
E. 5.1 S. 570 f.), das auch bei einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Konstellationen verletzt sein kann, ist damit nicht gegeben.
4.5
Die Unterscheidung wird in Gesetz und Verordnung an anderer Stelle getroffen: Nichterwerbstätige Versicherte ohne Sonderstatus als Pauschalbesteuerte bezahlen nach
Art. 10 Abs. 1 AHVG
und
Art. 28 Abs. 1 und 2 AHVV
Beiträge aufgrund ihres Vermögens und des tatsächlichen jährlichen Renteneinkommens, was, wie dargelegt, in Bezug auf das Substrat "tatsächliches" Renteneinkommen für diejenigen nichterwerbstätigen Personen, die nach Aufwand besteuert werden, nicht zutrifft. Mit andern Worten wird bei
BGE 141 V 377 S. 384
pauschalbesteuerten Personen in jedem Fall ein fiktives Renteneinkommen angenommen, welches durch den (Lebens-)aufwand bestimmt wird (
Art. 29 Abs. 5 AHVV
), währenddem beim Nichterwerbstätigen ohne Sonderstatus zusätzlich zum Vermögen ausschliesslich das effektive Renteneinkommen massgeblich ist. Was sodann die unterschiedlichen sozialen Verhältnisse betrifft, welche nach Auffassung des Beschwerdeführers innerhalb des Personenkreises bestehen, der von der Pauschalbesteuerung profitiert, wird diesem Umstand gemäss
Art. 29 Abs. 5 AHVV
durch das Abstellen auf einen unterschiedlich hohen Aufwand Rechnung getragen.
Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, für die Beitragsbemessung dürfe der Verordnungsgeber nebst dem Vermögen nicht auch noch den Aufwand als Bemessungsgrundlage heranziehen. Dies geschieht - wie erwähnt - in Anlehnung an das Steuerrecht. Auch bei der Festsetzung der Beiträge der Selbständigerwerbenden (
Art. 9 Abs. 3 AHVG
;
Art. 23 AHVV
) lehnt sich das AHV-Beitragsrecht an die Regelung im Steuerrecht an. Der Beschwerdeführer bringt keine einsichtigen Argumente vor, weshalb diese Parallelität nicht auch vorliegend massgeblich sein soll.
5.
5.1
Soweit sich die Rüge einer Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots sinngemäss auf die Höhe des von Ausgleichskasse und Vorinstanz festgelegten Aufwands (sog. "Renteneinkommen") und der darauf basierenden Beiträge im Vergleich zu den bis 2011 erhobenen Beiträgen sowie zur Beitragsfestsetzung aufgrund einer ordentlichen, nicht nach Aufwand erfolgten Steuerveranlagung, bezieht, was aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit der Beitragsfestsetzung für 2010 und 2011 offenbar einverstanden war, geschlossen werden könnte, ist sie ebenfalls unbegründet. Wie der Versicherte selbst erwähnt, ist der Höchstbetrag für Nichterwerbstätige nach
Art. 10 Abs. 1 AHVG
auf den 1. Januar 2012 mehr als verdoppelt worden, indem statt eines Fixbetrages (Fr. 8'400.-) nunmehr das 50-fache des Mindestbeitrages von Fr. 387.- (seit 1. Januar 2012: Fr. 392.-) massgebend ist. Falls der Beschwerdeführer zufolge dieser Gesetzesanpassung als Pauschalbesteuerter höhere AHV/IV/EO-Beiträge zu entrichten hat als im Falle einer Besteuerung auf der Grundlage des effektiven Einkommens und Vermögens, ist es ihm unbenommen, die im Hinblick auf den Wechsel zu einer ordentlichen Steuerveranlagung mangels weiterer Erfüllung der Voraussetzungen für die Pauschalbesteuerung (vgl. ARTER, a.a.O., S. 173 f.)
BGE 141 V 377 S. 385
erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten. Da die Besteuerung nach Aufwand, welche die Beitragsfestsetzung nach Massgabe von
Art. 29 Abs. 5 AHVV
nach sich zieht, freiwillig erfolgt, wie bereits die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, und namentlich wohl ein Rechtsanspruch, aber keine Pflicht besteht, sich bei Erfüllung sämtlicher (subjektiven und objektiven) Voraussetzungen pauschal besteuern zu lassen (ARTER, a.a.O., S. 160), kann der Versicherte diesen steuerrechtlichen Status auch wieder beenden.
5.2
Nicht möglich ist es hingegen, die sich nachträglich infolge der Festsetzung höherer AHV/IV/EO-Beiträge allenfalls ungünstig auswirkende Wahl der Besteuerung nach Aufwand im Beitragsbereich mittels Beschwerde gegen die Beitragsfestsetzung zu korrigieren, wie dies der Versicherte offenbar anstrebt. | null | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
8d2ef097-0b5f-4a44-9774-9849ec16be76 | Urteilskopf
121 III 38
12. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 16 janvier 1995 dans la cause Compagnie de Navigation et Transports SA contre MSC Mediterranean Shipping Company SA (recours en réforme) | Regeste
Art. II des New Yorker Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (nachfolgend: New Yorker Übereinkommen).
1. Der staatliche Richter, vor dem eine Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit gestützt auf Art. II Abs. 3 des New Yorker Übereinkommens erhoben wird, hat die formelle Gültigkeit der Schiedsvereinbarung mit voller Kognition zu prüfen (E. 2b). Die entsprechenden formellen Voraussetzungen von Art. II Abs. 2 des New Yorker Übereinkommens decken sich mit jenen von
Art. 178 IPRG
(E. 2c).
2. Unter besonderen Umständen kann eine Verhaltensweise nach Treu und Glauben die Einhaltung einer Formvorschrift ersetzen (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 39
BGE 121 III 38 S. 39
A.-
Par contrat de transport maritime (contract of carriage) concrétisé par un connaissement (bill of lading) établi le 21 décembre 1991 à l'ordre de Somatrans, Île de la Réunion, destinataire (consignee), Somatrans Z.A.E., dont le siège est à Vaulx-en-Velin (France), a confié en tant que chargeur (shipper ou merchant) à la société MSC Mediterranean Shipping Company SA (ci-après: le transporteur (carrier)), à Genève, le transport de Marseille à l'Île de La Réunion d'un conteneur de marchandises scellé par deux plombs. Au recto du connaissement sont imprimées des conditions générales dont le chiffre 2 a la teneur suivante:
"LAW AND JURISDICTION. Claims and disputes arising under or in connection with this B/L shall be referred to arbitration in London or such other place as the Carrier in his sole discretion shall designate, one arbitrator to be nominated by the Carrier a second by the Merchant and a third by the two so chosen. The arbitrators to be commercial men engaged in shipping English law shall be applied, unless some other law is compulsorily applicable, except the claims and disputes relating to cargo carried to or from the United States shall be subject to the sole jurisdiction of the U.S. in the U.S. District Court, Southern District of New York, and U.S. law shall be applied."
L'original du connaissement a été signé par MSC Mediterranean Shipping Company France SA en tant qu'agent et représentante du transporteur; mais il ne comporte pas la signature du chargeur à l'endroit prévu à cet effet. Une copie du titre représentatif de marchandises a été signée toutefois par le destinataire Somatrans, Île de la Réunion, sur le verso du document, sous la mention manuscrite "copie certifiée conforme à l'original". Lors de la réception de la marchandise à l'Île de La Réunion, le destinataire a en outre endossé le connaissement original en apposant sa signature sur la partie où figurent les conditions générales.
Au cours des opérations de déchargement de la marchandise, il est apparu que le conteneur avait été forcé, que 56 colis manquaient et que deux autres étaient endommagés. La Compagnie de Navigation et Transports SA (CNT), qui assurait la marchandise transportée, a indemnisé le chargeur Somatrans Z.A.E. pour les pertes et avaries constatées par le versement d'une somme de 72 206 FF 93.
BGE 121 III 38 S. 40
Par demande déposée le 19 janvier 1993, la CNT a assigné MSC Mediterranean Shipping Company SA devant le Tribunal de première instance de Genève en paiement de 19'532 fr. plus intérêts à 5 % dès le 2 août 1992 représentant l'indemnité d'assurance qu'elle affirme avoir dû verser au chargeur. A l'audience d'introduction tenue le 20 avril 1993, la défenderesse a excipé de l'incompétence de la juridiction étatique en invoquant la clause compromissoire qui figurait au chiffre 2 des conditions générales du connaissement. Par jugement incident du 7 septembre 1993, le Tribunal de première instance s'est déclaré compétent pour connaître du litige.
Saisie d'un appel de la défenderesse, la Cour de justice du canton de Genève, par arrêt du 18 mars 1994, a annulé le jugement du 7 septembre 1993, admis l'exception d'incompétence soulevée par MSC Mediterranean Shipping Company SA et déclaré irrecevable la demande en paiement formée par la CNT.
B.-
La Compagnie de Navigation et Transports SA exerce un recours en réforme au Tribunal fédéral contre l'arrêt cantonal, dont elle demande l'annulation.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Tant la France et la Suisse, Etats dans lesquels les plaideurs sont domiciliés, que la Grande-Bretagne, Etat dans lequel se trouve le siège prioritaire du tribunal arbitral institué par les conditions générales reproduites sur le connaissement en cause, sont parties à la Convention de New York pour la reconnaissance et l'exécution des sentences arbitrales étrangères du 10 juin 1958 (RS 0.277.12, ci-après: la Convention de New York), dont il n'est pas contesté qu'elle est applicable en l'espèce. L'art. II de cette convention a la teneur suivante:
"1. Chacun des Etats contractants reconnaît la convention écrite par laquelle les parties s'obligent à soumettre à un arbitrage tous les différends ou certains des différends qui se sont élevés ou pourraient s'élever entre elles au sujet d'un rapport de droit déterminé, contractuel ou non contractuel, portant sur une question susceptible d'être réglée par voie d'arbitrage.
2. On entend par "convention écrite" une clause compromissoire insérée dans un contrat, ou un compromis, signés par les parties ou contenus dans un échange de lettres ou de télégrammes.
3. Le tribunal d'un Etat contractant, saisi d'un litige sur une question au sujet de laquelle les parties ont conclu une convention au sens du
BGE 121 III 38 S. 41
présent article, renverra les parties à l'arbitrage, à la demande de l'une d'elles, à moins qu'il ne constate que ladite convention est caduque, inopérante ou non susceptible d'être appliquée."
Dans le cas présent, il convient de déterminer en premier lieu si le transporteur et le chargeur Somatrans Z.A.E. sont liés par une clause compromissoire valable. Il n'est toutefois pas contesté que, dans l'affirmative, la clause arbitrale litigieuse serait opposable à la demanderesse, laquelle est subrogée dans les droits du chargeur.
a) La défenderesse ne prétend pas que le tribunal arbitral institué par le chiffre 2 des conditions générales du connaissement a son siège en Suisse. L'
art. 178 LDIP
(RS 291) ne trouve donc pas application, de sorte qu'il n'y a pas lieu de débattre des relations entre cette disposition et l'art. II de la Convention de New York à propos de la forme que doit revêtir la convention d'arbitrage (
art. 176 al. 1 LDIP
; Handelsgericht Zürich in ZR 91/1992, n. 23 consid. 3.2; de la collision des normes cf. VOLKEN, IPRG-Kommentar, n. 12 ad art. 7 et n. 9 ad
art. 178 LDIP
; LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, n. 3 ad art. 7 et n. 6 ss ad
art. 178 LDIP
).
b) Le droit suisse attribue en priorité au tribunal arbitral le pouvoir de statuer sur sa propre compétence, lorsque celle-ci est contestée devant lui (système qualifié de "compétence de la compétence", "Kompetenzkompetenz"); mais la question de la compétence est tranchée en dernier ressort par le juge étatique pour autant qu'il soit valablement invité à le faire; il peut alors contrôler avec plein pouvoir d'examen la décision prise par les arbitres (art. 8 et 36 let. b CIA (RS 279);
art. 186 et 190 al. 2 let. b LDIP
;
ATF 120 II 155
consid. 3b/bb p. 164 et les références doctrinales citées). De l'avis de certains auteurs, le juge étatique n'a pas à trancher la question de la compétence si une procédure arbitrale est déjà pendante ou peut être engagée sans difficultés particulières (BUCHER, Le nouvel arbitrage international en Suisse, p. 55 n. 139) ou alors le juge, lorsqu'il est saisi d'une exception d'arbitrage, doit se limiter à examiner sommairement s'il existe prima facie une convention d'arbitrage, cela pour ne pas préjuger de la décision de compétence du tribunal arbitral (LALIVE/POUDRET/REYMOND, op.cit., n. 16 ad
art. 186 LDIP
). L'opinion de BUCHER - sortie du champ de la litispendance - ne peut être suivie; elle ne se concilie en effet pas avec le principe selon lequel l'autorité saisie, en vertu du droit à la garantie d'obtenir justice, est tenue de juger de la compétence propre qui est demandée, ni avec la réglementation posée par l'
art. 7 LDIP
, d'après laquelle le juge ordinaire doit statuer sur
BGE 121 III 38 S. 42
l'exception d'arbitrage et donc également examiner préjudiciellement la compétence d'un tribunal arbitral excluant la sienne, comme il le ferait pour un tribunal prorogé en matière de justice étatique (LALIVE/POUDRET/REYMOND, op.cit., n. 5 ad
art. 7 LDIP
; POUDRET, Une action en constatation de droit au sujet de l'existence ou la validité d'une clause arbitrale est-elle recevable en droit fédéral ou cantonal?, in: Recht und Rechtsdurchsetzung, Festschrift für Hans Ulrich Walder, p. 348; WALTER/BOSCH/BRÖNNIMANN, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, p. 94 ss). Quant à la thèse de LALIVE/POUDRET/REYMOND, inspirée de l'art. 1458 al. 2 du nouveau code de procédure civile français qui donne force à l'exception d'arbitrage déjà s'il y a apparence d'une convention d'arbitrage valable, elle s'accorde mal avec le devoir du juge étatique de procéder à un examen complet de sa compétence avant de passer au jugement au fond ainsi qu'avec les effets éventuels que déploierait l'entrée en force d'une décision étatique de non-entrée en matière. Cette conception ne trouve pas non plus appui à l'
art. 179 al. 3 LDIP
, (contrairement à ce qu'affirment LALIVE/POUDRET/REYMOND, op.cit., n. 16 ad
art. 186 LDIP
), dès l'instant où cette disposition a trait au concours du juge étatique dans le cadre d'une procédure arbitrale, alors qu'il est question des conditions de recevabilité d'un jugement étatique sur le fond. L'avis des auteurs en cause ne doit être partagé que dans la mesure où la question de la compétence est tranchée en dernier ressort par le juge ordinaire appelé à connaître du problème de la compétence du tribunal arbitral, ce qui implique que la procédure arbitrale réclamée soit soumise au Concordat suisse sur l'arbitrage ou à la Loi fédérale sur le droit international privé (VOLKEN, op.cit., n. 26/7 ad
art. 7 LDIP
). En revanche, si le tribunal arbitral a son siège à l'étranger, le juge étatique suisse, devant lequel une exception d'arbitrage est soulevée, doit statuer sur ce moyen de défense avec plein pouvoir d'examen quant aux griefs soulevés, et en particulier celui déduit de l'art. II al. 3 de la Convention de New York, sans pouvoir se limiter à un examen prima facie (SCHLOSSER, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, p. 302 ss, n. 400 ss). En d'autres termes, l'art. II al. 3 de la Convention de New York consacre l'obligation pour le juge ordinaire de statuer librement sur l'exception d'arbitrage invoquée à la lumière des critères de validité du traité international, mais lui interdit d'opposer à la convention d'arbitrage d'autres motifs d'invalidité, sortant du champ de l'ordre juridique international (SCHLOSSER, op.cit., p. 188 ss, n. 247 ss). Si le Tribunal
BGE 121 III 38 S. 43
fédéral, dans un arrêt Shobokshi, du 26 janvier 1987, publié in SJ 1987 p. 230/231 (Bull. ASA 1987 130), a considéré que l'autorité cantonale n'a pas méconnu la garantie du juge naturel au sens de l'
art. 58 Cst.
en n'examinant que prima facie une action en constatation de l'invalidité d'une clause compromissoire, il a expressément fait état de la réglementation divergente de la Convention de New York. On ne saurait donc suivre la cour cantonale et la défenderesse, lorsqu'elles n'attribuent qu'un pouvoir limité "à l'apparence" au juge de l'exception chargé d'examiner la validité relativement à un traité international de la convention d'arbitrage. Le problème de la validité formelle de la clause compromissoire litigieuse doit au contraire être examiné de manière complète et librement, sous l'angle juridique s'agissant d'une instance de réforme (
art. 63 al. 2 OJ
).
c) La convention d'arbitrage dont se prévaut la défenderesse n'est valable qu'à la condition de satisfaire à la forme écrite exigée par l'art. II al. 2 de la Convention de New York. A ce sujet, il convient d'observer que, d'après la teneur du traité international, cette exigence est, d'un côté, atténuée par rapport à celle de l'art. 6 CIA, qui doit se comprendre en appliquant par analogie l'
art. 13 CO
, de l'autre plus stricte que celle de l'
art. 178 LDIP
, disposition qui se contente de prescrire un mode de communications permettant d'établir la preuve de la convention d'arbitrage par un texte (LALIVE/POUDRET/REYMOND, op.cit., n. 5 ad
art. 178 LDIP
).
L'art. II al. 2 de la Convention de New York exige que la convention d'arbitrage soit signée par les parties ou contenue dans un échange de lettres ou de télégrammes. Le Tribunal fédéral a certes assimilé le télex à un télégramme, mais il faut toutefois que les parties aient manifesté par écrit leur volonté de se soumettre à l'arbitrage (
ATF 111 Ib 253
; également VAN DEN BERG, The New York Arbitration Convention of 1958, p. 204). Pour l'opinion majoritaire, la disposition précitée doit s'interpréter au regard de la loi modèle de la Commission des Nations-Unies pour le Droit Commercial International (CNUDCI = UNCITRAL "United Nations Commission on International Trade Law"), dont les auteurs ont voulu ainsi adapter le régime de la Convention de New York aux besoins actuels, sans devoir le modifier (BUCHER, op.cit., p. 49 n. 123; VOLKEN, op.cit., n. 12 ad
art. 7 LDIP
; SCHLOSSER, op.cit., p. 267 ss n. 368 ss). Cette loi modèle dispose ce qui suit à son art. 7 al. 2 in initio (cf. HUSSLEIN-STICH, Das UNCITRAL-Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, p. 38 ss et 238):
BGE 121 III 38 S. 44
[traduction de l'anglais]
"La convention d'arbitrage est passée en la forme écrite. Elle respecte la forme écrite si elle est contenue dans un document signé par les parties ou dans un échange de lettres, télex, télégrammes ou tous autres moyens de transmission d'informations qui permettent d'en établir la preuve ... ."
L'
art. 178 al. 1 LDIP
s'inspire manifestement de cette formulation. Celle-ci, qui a pris en compte le développement des moyens modernes de communication, doit donc également servir à l'interprétation de l'art. II al. 2 de la Convention de New York. Il suit de là que les exigences formelles posées par ce traité international se recoupent en définitive avec celles de l'
art. 178 LDIP
(VOLKEN, op.cit., n. 12 ad
art. 7 LDIP
). Il convient donc de contrôler, à la lumière de ces critères et avec un pouvoir d'examen libre en droit, si la clause compromissoire invoquée par la défenderesse a été adoptée par le chargeur et le transporteur selon les formes requises.
3.
La Cour de justice a constaté de manière à lier le Tribunal fédéral que tant les sociétés des groupes MSC que le chargeur Somatrans Z.A.E. sont spécialisés dans les transports maritimes internationaux, qu'ils entretiennent depuis plusieurs années des relations d'affaires et utilisent régulièrement à cet effet les connaissements imprimés à l'en-tête de MSC, de sorte que le chargeur a en tout cas une parfaite connaissance des conditions générales qui figurent au recto de ces documents. La cour cantonale a en outre retenu que le chargeur a rempli lui-même le connaissement établi le 21 décembre 1991. Elle en a déduit que Somatrans Z.A.E. a manifesté par écrit et son acceptation du connaissement et son adhésion à la clause compromissoire imprimée sur le document, si bien que la forme écrite exigée par la Convention de New York paraît respectée, quand bien même seul le transporteur, par l'intermédiaire d'un agent, a signé le connaissement. Au demeurant, poursuit l'autorité cantonale, le destinataire, qui est une entreprise du groupe Somatrans, a signé une copie du connaissement et a endossé le document original lors de la réception de la marchandise. Selon la demanderesse, la clause d'arbitrage n'est pas valable, du moment que la signature du chargeur ne figure pas sur le connaissement.
Dans l'
ATF 110 II 54
, le Tribunal fédéral a reconnu, s'agissant de deux sociétés commerciales rompues aux affaires, que le renvoi aux conditions d'une charte-partie (Frachtvertrag) - censées connues des parties et au nombre desquelles figure une clause arbitrale - contenu dans un connaissement signé par le transporteur et par le chargeur au nom d'une société appartenant au même groupe que l'affréteur, constituait une clause
BGE 121 III 38 S. 45
arbitrale valable (approuvé par LALIVE/POUDRET/REYMOND, op.cit., n. 13
art. 178 LDIP
). Le cas présent se différencie toutefois des circonstances à la base de cet arrêt; d'une part, la clause compromissoire litigieuse figure sur le connaissement lui-même et non dans un document auquel renvoie le titre représentatif de marchandises, d'autre part le chargeur n'a pas signé le connaissement établi le 21 décembre 1991 et n'y a pas renvoyé d'une autre manière par sa signature. Se pose donc la question de la validité de la convention d'arbitrage, compte tenu qu'aucun document afférent au transport de marchandises en cause ne porte la signature de Somatrans Z.A.E.
Selon les prescriptions de forme déterminantes en l'espèce, sont reconnues valables d'un côté les clauses compromissoires qui sont insérées dans un contrat signé, de l'autre celles qui sont contenues dans un échange de lettres, télégrammes, télex et autres moyens de communication. Autrement dit, il convient de différencier les conventions constatées dans un document, lequel doit en principe être signé, de celles qui résultent de l'échange de déclarations écrites, lesquelles ne sont pas soumises à l'exigence de la signature (SCHLOSSER, op.cit., p. 270 ss, n. 373 ss; VAN DEN BERG, op.cit., p. 192 ss). A considérer strictement cette distinction, la validité de la convention d'arbitrage devrait être niée, à moins d'admettre que la signature apposée par Somatrans, Île de la Réunion, tant sur l'original que sur la copie du connaissement lie le chargeur. Il ne faut toutefois pas perdre de vue qu'avec le développement des moyens modernes de communication, les écrits non signés ont une importance et une diffusion toujours plus grande, que l'exigence de la signature se relativise fatalement en particulier en matière de commerce international et que le traitement différent réservé aux documents signés et non signés est remis en cause. A cela s'ajoute que dans des situations particulières, un comportement donné peut suppléer en vertu des règles de la bonne foi à l'observation d'une prescription de forme (SCHLOSSER, op.cit., p. 272, n. 374). Or, précisément, on se trouve en l'espèce dans un tel cas de figure. De fait, les parties, qui sont depuis longtemps en relations d'affaires, leur donnent pour cadre juridique les conditions générales comportant, au chiffre 2, la clause compromissoire en litige. En outre, le chargeur a rempli lui-même le connaissement avant de le remettre au transporteur, qui l'a pour sa part signé. Abstraction faite que cette manière de procéder ne se différencie guère d'un échange de déclarations par télex ou documents similaires, le transporteur était en droit d'admettre de bonne foi que le
BGE 121 III 38 S. 46
chargeur, son partenaire en affaires depuis plusieurs années, approuvait les documents contractuels que ce dernier avait lui-même rempli, y compris les conditions générales en formant le verso dans lesquelles figure la clause compromissoire (cf. SCHLOSSER, op.cit., p. 272 s. n. 374). Partant, la Cour de justice n'a nullement violé le droit fédéral en déclarant valable, eu égard à l'ensemble des circonstances, la clause arbitrale précitée. | null | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8d3d2094-b576-4f22-bb2d-b4f9ba54dfd6 | Urteilskopf
85 II 57
12. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. März 1959 i.S. Eheleute L. | Regeste
Ehescheidung, Einrede der abgeurteilten Sache.
Wann ist der im zweiten Prozess eingeklagte Scheidungsanspruch mit dem im ersten Prozess abgewiesenen identisch, und wann ist er von ihm verschieden? | Sachverhalt
ab Seite 57
BGE 85 II 57 S. 57
A.-
Die Parteien heirateten einander am 19. Mai 1931. Aus ihrer Ehe gingen drei Söhne hervor, von denen zwei heute volljährig sind. Der Ehemann ist Obstbauberater und besitzt seit 1936 ein landwirtschaftliches Gewerbe, wo er Obstbauversuche durchführt.
B.-
Im Oktober 1955 wandte sich der Ehemann an den Eheschutzrichter, weil die Ehefrau ihn überall "verschimpfe", grundlos eifersüchtig sei und zuviel Geld brauche. Auf Rat des Eheschutzrichters liess er die Ehefrau durch Dr. F. psychiatrisch untersuchen. Gestützt auf ein Einweisungszeugnis dieses Arztes, der bereits am 27. November 1955 dem Gerichtspräsidenten einen Bericht abgegeben hatte, wurde die Ehefrau am 1. Juni 1956 zwangsweise in die Anstalt Hohenegg verbracht, weil sie an paranoider Schizophrenie leide. Seither leben die Parteien getrennt. Als die Ehefrau Ende November 1956 aus der Anstalt Hohenegg entlassen wurde, weigerte sich der Ehemann, sie wieder bei sich aufzunehmen. Am 9. Januar 1957 leitete er gegen sie Klage ein mit dem Begehren, die
BGE 85 II 57 S. 58
Ehe sei gemäss
Art. 141 und 142 ZGB
zu scheiden. Nachdem der Leiter der Anstalt Hohenegg in seinem Gutachten vom 28. Mai 1957 das Vorliegen einer Geisteskrankheit verneint und Dr. F. dieser Schlussfolgerung in einem Bericht vom 31. Mai 1957 zugestimmt hatte, berief sich der Ehemann nur noch auf den Scheidungsgrund der tiefen Zerrüttung. Mit Urteil vom 10. Juli 1957 wies das Bezirksgericht die Klage gemäss Antrag der Ehefrau ab. Der Ehemann appellierte am 19. August 1957 an das Obergericht, führte dann aber das Appellationsverfahren nicht weiter, so dass das Urteil vom 10. Juli 1957 rechtskräftig wurde.
C.-
Am 4. Dezember 1957 klagte der Ehemann neuerdings auf Scheidung. Die Beklagte erhob die Einrede der abgeurteilten Sache. Nach Durchführung eines Beweisverfahrens erkannte das Bezirksgericht am 4. Juni 1958, diese Einrede sei begründet und auf die Klage werde nicht eingetreten. Das Obergericht hat diesen Entscheid am 23. Oktober 1958 bestätigt.
D.-
Mit seiner Berufung an das Bundesgericht beantragt der Kläger, die Einrede der abgeurteilten Sache sei abzuweisen und der Prozess zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Der Kläger ficht den die Einrede der abgeurteilten Sache gutheissenden Entscheid der Vorinstanz nicht etwa deswegen an, weil das kantonale Prozessrecht diese Einrede nicht zulasse, sondern deswegen, weil die Vorinstanz zu Unrecht angenommen habe, der im zweiten Prozess eingeklagte Scheidungsanspruch sei mit dem im ersten Prozess geltend gemachten identisch. Damit behauptet er eine Bundesrechtsverletzung, die mit der Berufung an das Bundesgericht gerügt werden kann (vgl.
BGE 78 II 401
ff.
BGE 85 II 57 S. 59
und dortige Hinweise
;
80 I 261
, 81 II 146/47, 83 II 267).
2.
Bei Beurteilung der Frage, ob man es im ersten und im zweiten Prozess mit dem gleichen Scheidungsanspruch zu tun habe oder nicht, kommt es darauf an, welche Tatsachen in den beiden Prozessen zur Begründung der Klage vorgebracht worden sind. Welche gesetzlichen Bestimmungen der Kläger angerufen hat, ist für die Beurteilung dieser Frage nicht erheblich. Ebensowenig ist von Bedeutung, wieweit die vom Kläger angerufenen Tatsachen im ersten Prozess als bewiesen betrachtet worden sind. Beschränkt sich der Kläger darauf, schon im ersten Prozess vorgebrachte, aber damals vom Gericht als unbewiesen erachtete Tatsachen wiederum vorzubringen und dafür neue Beweismittel zu nennen oder eine neue Würdigung der im ersten Prozess angebotenen Beweise zu verlangen, oder macht er gar nur geltend, die im ersten Prozess als bewiesen betrachteten Tatsachen seien damals rechtlich nicht richtig beurteilt worden, so bleibt der im zweiten Prozess eingeklagte Scheidungsanspruch der gleiche wie der durch das Urteil im ersten Prozess abgewiesene (vgl.
BGE 78 II 404
/05).
Sobald dagegen im zweiten Prozess zur Begründung der Klage erhebliche Tatsachen vorgebracht werden, die im ersten Prozess noch nicht geltend gemacht worden sind, hat der zweite Prozess nicht mehr den gleichen Scheidungsanspruch zum Gegenstand wie der erste. Die neu vorgebrachten Tatsachen sind erheblich, wenn sie für sich allein oder zusammen mit den schon früher angerufenen Tatsachen zur Begründung des Scheidungsbegehrens tauglich sind (vgl.
BGE 78 II 403
).
Es kann sich dabei, wie im eben erwähnten Entscheid ausgeführt, sowohl um erst nach Abschluss des ersten Prozesses eingetretene als auch um schon früher vorhanden und bekannt gewesene, aber in jenem Prozess aus irgendwelchen Gründen (zumal zwecks Schonung des Gegners) nicht geltend gemachte Tatsachen handeln (gleicher Auffassung BÜRKLI, Rechtskraftprobleme in Eheprozessen,
BGE 85 II 57 S. 60
1952, S. 37, und BÜHLER, ZSR 1955 S. 430a ff., mit weitern Hinweisen). Wenn LEUCH findet, die Berücksichtigung von Tatsachen, die im früheren Prozess dem Richter "vorenthalten" wurden, sei mit dem Rechtskraftbegriff unvereinbar (Die ZPO für den Kanton Bern, 3. Aufl. 1956, N. 11 d zu Art. 192, S. 215; vgl. auch ZSR 1955 S. 672 a), so kann ihm nicht zugestimmt werden. Die materielle Rechtskraft eines Urteils, das eine Scheidungsklage abweist, bedeutet nur, dass der durch dieses Urteil als unbegründet erklärte Scheidungsanspruch nicht nochmals gerichtlich geltend gemacht werden kann, und dieser Anspruch wird eben durch die Tatsachen individualisiert, die zu seiner Begründung wirklich angeführt wurden, nicht durch die Gesamtheit der Tatsachen, die zu diesem Zweck geltend gemacht werden konnten. Wenn in Deutschland eine andere Ordnung gilt, so kraft der positiven Vorschrift von § 616 der deutschen ZPO, wonach der mit einer Scheidungsklage abgewiesene Kläger das Recht, die Scheidung zu verlangen, nicht mehr auf Tatsachen gründen kann, welche er im frühern Rechtsstreit geltend gemacht hat "oder welche er in dem frühern Rechtsstreit ... geltend machen konnte.". Diese Bestimmung hat im schweizerischen Recht kein Gegenstück (vgl. BÜRKLI S. 31). Was sie vorschreibt, lässt sich auch nicht etwa aus allgemeinen Grundsätzen des schweizerischen Scheidungsverfahrensrechts ableiten. Der durch sie bewirkte Zwang, zur Begründung einer Scheidungsklage bei Gefahr der Verwirkung alle bekannten Tatsachen vorzubringen, die sich zu diesem Zwecke eignen, steht vielmehr, wie in
BGE 78 II 404
dargelegt, mit den Bestrebungen des ZGB im Widerspruch, da er zu einer unnötigen und unerwünschten Verschärfung des Scheidungsstreites führen kann. An dem in
BGE 78 II 403
f. aufgestellten Grundsatze, dass Identität der Scheidungsansprüche nicht angenommen werden darf, wenn im zweiten Prozess vor dem frühern Urteil eingetretene Tatsachen neu vorgebracht werden, ist daher festzuhalten.
BGE 85 II 57 S. 61
Als neue erhebliche Tatsache kann aber auch der Umstand in Betracht kommen, dass ein Sachverhalt, der im ersten Prozess als Zerrüttungsursache geltend gemacht, aber vom Gericht nicht als ehezerstörend angesehen worden war, nach der Erledigung des ersten Prozesses trotz ehrlichem Bemühen der Parteien, darüber hinwegzukommen, das eheliche Verhältnis weiterhin ungünstig beeinflusst hat, und zwar in solchem Masse, dass den Parteien nunmehr die Fortsetzung der Ehe nicht mehr zugemutet werden kann. Insoweit ist der von STOCKER (SJZ 1951 S. 18) angeführten Praxis des zürcherischen Obergerichts bezüglich der Berücksichtigung von Nachwirkungen früherer Ereignisse (ZR 1949 Nr. 60 S. 103) beizupflichten (vgl. auch BÜHLER S. 434 a), während nicht als Grundsatz anerkannt werden kann, was STOCKER (a.a.O.) als voraussichtliche praktische Folge dieser Praxis bezeichnet hat: dass die Einrede der abgeurteilten Sache in Scheidungssachen nur noch dann Erfolg haben könne, "wenn ein neuer Scheidungsprozess in geradezu rechtsmissbräuchlicher Weise kurz nach Abschluss eines frühern angehoben wird."
3.
Im vorliegenden Falle hat der Kläger im zweiten Prozess keinerlei nach Abschluss des ersten eingetretene Tatsachen geltend gemacht, die für sich allein oder neben früher eingetretenen zur Begründung seines Scheidungsbegehrens dienen könnten. Er behauptet insbesondere nicht etwa (und kann offenbar auch nicht behaupten), dass die Beklagte seit der Abweisung der ersten Scheidungsklage fortgefahren habe, ihn zu "verschimpfen", oder dass ein ernsthafter Versuch, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen, infolge der Nachwirkung früherer Ereignisse, über die er bei bestem Willen nicht habe hinwegkommen können, oder aus andern Gründen gescheitert sei.
Die vor Beurteilung des ersten Prozesses eingetretenen Tatsachen, die der Kläger zur Begründung seiner heutigen zweiten Klage anruft, werden heute nicht zum ersten Mal geltend gemacht. Schon im frühern Prozess hat der Kläger die Beklagte beschuldigt, sie habe ihn seit Jahren bei
BGE 85 II 57 S. 62
Dritten schlecht gemacht, indem sie in lügenhafter Weise behauptet habe, er gehe mit andern Weibern, "hühnere" und saufe herum, komme selten vor nachts 12 Uhr heim und habe mit andern Frauen übernachtet; in dieser gemeinen Weise habe ihn die Beklagte nicht nur bei Verwandten, Pfarrer, Lehrer und Eheberater angeschwärzt, sondern auch bei seinem nächsten Vorgesetzten, seinen nächsten Mitarbeitern und sogar bei Vertretern chemischer Fabriken und an den Orten, wo er Kurse und Vorträge zu halten gehabt habe; sie habe ihn überall verunglimpft und ihm nachgeforscht (vgl. die zutreffende Wiedergabe seiner einzelnen Vorbringen in der Berufungsantwort). Die Begründung der zweiten Klage erschöpft sich im wesentlichen in einer Wiederholung dieser Beschuldigungen. Da sich der Kläger im ersten Prozess nicht mit dem allgemeinen Vorwurf des "Verschimpfens" bei Dritten begnügt, sondern damals schon im wesentlichen die gleichen Angaben wie heute darüber gemacht hatte, in welchem Sinne, in welchen Kreisen, seit wie lange, wie häufig und wie intensiv die Beklagte ihn verleumdet habe, kann ihm nicht etwa zugebilligt werden, er habe damit, dass er im zweiten Prozess zum Nachweis des der Beklagten vorgeworfenen Verhaltens ausser den bereits früher genannten noch einige weitere Zeugen anrief, implicite neue erhebliche Tatsachen geltend gemacht, d.h. die neue Behauptung aufgestellt, das "Verschimpfen" sei wesentlich weiter gegangen als im ersten Prozesse behauptet.
Waren die im zweiten Prozess gegen die Beklagte erhobenen Beschuldigungen nicht neu, so bedurfte es auch keiner Beweiserhebungen darüber, um abzuklären, ob der im zweiten Prozess eingeklagte Scheidungsanspruch von dem im ersten Prozess geltend gemachten verschieden sei oder nicht. Wenn das Beweisverfahren, welches das Bezirksgericht im zweiten Prozess vor Erhebung der Einrede der abgeurteilten Sache durchführte, die Behauptungen des Klägers in weiterm Umfang bestätigte, als die im ersten Prozess erfolgte Beweisaufnahme dies nach den Feststellungen
BGE 85 II 57 S. 63
im ersten Urteil zu tun vermochte, so ist dieser Umstand für die Beurteilung der erwähnten Einrede unerheblich, weil es hiebei entgegen der Ansicht des Klägers eben nur darauf ankommt, welche Tatsachen im einen und andern Prozess behauptet worden sind. Aus dem gleichen Grunde käme auch nichts darauf an, wenn die Beklagte im zweiten Prozess Tatsachen zugegeben haben sollte, die sie im ersten Prozess bestritten und die das Gericht damals als unbewiesen erachtet hatte.
An der Identität der beiden Scheidungsansprüche ändert nichts, dass der Kläger im zweiten Prozess neben
Art. 142 ZGB
auch noch
Art. 138 ZGB
angerufen hat. Ebenso wäre unerheblich, wenn der Kläger, wie er heute dartun will, das der Beklagten vorgeworfene Verhalten im ersten Prozess lediglich als Äusserung einer Geisteskrankheit im Sinne von
Art. 141 ZGB
oder eventuell als objektive Ursache der tiefen Zerrüttung im Sinne von
Art. 142 ZGB
geltend gemacht und es erst im zweiten Prozess als schuldhaft qualifiziert hätte (was übrigens nicht stimmt).
Dem Kläger kann auch nicht helfen, dass er im zweiten Prozess geltend gemacht hat, der Ortsvorsteher S. und weitere Personen hätten den von der Beklagten im ersten Prozess vorgelegten Unterschriftenbogen nur auf Drängen einiger Frauen hin bezw. aus Gefälligkeit unterschrieben und die Zeugin B., die im ersten Prozess zu seinen Ungunsten ausgesagt hatte, sei unzuverlässig. Damit hat der Kläger keine für die Anwendung des Scheidungsrechts erheblichen neuen Tatsachen vorgebracht. Vielmehr handelt es sich hier nur um Einwendungen gegen die Beweiskraft von Beweismitteln, welche die Beklagte im ersten Prozess verwendet hatte.
Von Geltendmachung neuer erheblicher Tatsachen durch den Kläger könnte schliesslich auch dann nicht die Rede sein, wenn sich aus den im zweiten Prozess durchgeführten Zeugenvernehmungen ergeben hätte, dass der Charakter des Klägers einwandfrei sei und dieser sich vor Dritten nicht ungünstig über die Beklagte geäussert habe, und
BGE 85 II 57 S. 64
wenn es aus diesem Grunde ungerechtfertigt wäre, dass das Bezirksgericht ihn im ersten Urteil als herrisch bezeichnete und annahm, er habe sich in einen krankhaften Hass gegen die Beklagte hineingesteigert und nach Gründen gesucht, um die Ehe unter allen Umständen zu lösen (welche Feststellungen übrigens durch den Nachweis korrekten Verhaltens im Beruf und in der Öffentlichkeit nicht widerlegt werden könnten).
Was der Kläger im zweiten Prozess vorgebracht hat, hätte demnach höchstens zur Begründung einer Appellation gegen das frühere Urteil oder allenfalls eines Revisionsgesuchs getaugt, lässt dagegen den heute streitigen Scheidungsanspruch nicht als vom früher eingeklagten verschieden erscheinen. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8d3da6c1-cdac-431e-8e07-420625d88cfe | Urteilskopf
114 V 298
55. Auszug aus dem Urteil vom 31. Oktober 1988 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen T. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt | Regeste
Art. 6 Abs. 2 UVG
,
Art. 9 Abs. 2 UVV
: Bedeutung und Auslegung des Begriffs "unfallähnliche Körperschädigung".
- Bei den in
Art. 9 Abs. 2 UVV
aufgezählten unfallähnlichen Körperschädigungen müssen mit Ausnahme der ungewöhnlichen äusseren Einwirkung sämtliche Unfallbegriffsmerkmale erfüllt sein, damit eine Leistungspflicht der obligatorischen Unfallversicherung besteht (Erw. 3b).
- Unter dieser Voraussetzung gelten die in
Art. 9 Abs. 2 lit. b bis h UVV
erwähnten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch dann als unfallähnliche Körperschädigungen, wenn sie im übrigen ganz oder teilweise auf Krankheits- oder Degenerationserscheinungen beruhen (Erw. 3c).
- Die Aufzählung der unfallähnlichen Körperschädigungen in
Art. 9 Abs. 2 UVV
ist abschliessend. Sehnenzerrungen lassen sich nicht unter den Begriff "sehnenrisse" subsumieren (Erw. 3d).
- Ausnahmebestimmungen sind weder restriktiv noch extensiv, sondern nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen der allgemeinen Regelung auszulegen. Eine Erweiterung der Liste der unfallähnlichen Körperschädigungen durch Analogieschlüsse ist nicht zulässig (Erw. 3e).
- Der Ausschluss der Sehnenzerrungen von der in
Art. 9 Abs. 2 UVV
enthaltenen Liste ist gesetzes- und verfassungskonform (Erw. 4).
- Sehnenzerrungen zählen so lange nicht zu den Sehnenrissen im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 lit. f UVV
, als eine Sehnenteilruptur nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist (Erw. 5). | Erwägungen
ab Seite 299
BGE 114 V 298 S. 299
Aus den Erwägungen:
3.
a)
Art. 6 Abs. 2 UVG
ermächtigt den Bundesrat, Körperschädigungen, die den Folgen eines Unfalles ähnlich sind, in die Versicherung einzubeziehen.
BGE 114 V 298 S. 300
Dem Bericht der Expertenkommission für die Revision der Unfallversicherung vom 14. September 1973 ist zu entnehmen, dass es sich im Interesse einer allgemein verständlichen Grenzziehung gegenüber der Krankenversicherung aufdrängte, auch Schädigungen mit Verletzungscharakter in den Bereich der obligatorischen Unfallversicherung einzubeziehen; gemeint waren Beeinträchtigungen, die zwar nicht alle Merkmale des Unfallbegriffes erfüllen, im Hinblick auf ihre Entstehungsart und ihr Beschwerdebild jedoch näher beim Unfall als bei der Krankheit liegen; als Beispiele erwähnte die Expertenkommission namentlich nicht durch eine äussere Einwirkung verursachte Sehnenrisse, Muskelzerrungen und Frakturen (S. 72). Solche Schädigungen wurden von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) bereits unter der Herrschaft des bis Ende 1983 massgeblich gewesenen KUVG freiwillig übernommen, sofern keine Krankheit mit beteiligt war (MAURER, Recht und Praxis der Schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2. Aufl., 1963, S. 99 f.; derselbe, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 201). Die Praxis, bei bestimmten unfallähnlichen Verletzungen trotz Fehlens eines Unfalles im Rechtssinne Leistungen auszurichten, wurde in
Art. 6 Abs. 2 UVG
gesetzlich verankert (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 18. August 1976, BBl 1976 III 165). Dabei wurde der bisher von der SUVA verwendete Begriff "Schädigung mit Verletzungscharakter" durch die Bezeichnung "unfallähnliche Körperschädigung" ersetzt.
b) Aufgrund der in
Art. 6 Abs. 2 UVG
enthaltenen Delegation stellte der Bundesrat in
Art. 9 Abs. 2 UVV
eine Liste der zu den unfallähnlichen Körperschädigungen zählenden Beeinträchtigungen auf. Auch ohne ungewöhnliche äussere Einwirkung sind den Unfällen danach gleichgestellt:
a. Knochenbrüche, sofern sie nicht eindeutig auf eine Erkrankung
zurückzuführen sind; b. Verrenkungen von Gelenken;
c. Meniskusrisse;
d. Muskelrisse;
e. Muskelzerrungen;
f. Sehnenrisse;
g. Bandläsionen;
h. Trommelfellverletzungen.
Aus
Art. 9 Abs. 2 UVV
ergibt sich a contrario, dass auch bei diesen Verletzungen - mit Ausnahme der ungewöhnlichen äusseren
BGE 114 V 298 S. 301
Einwirkung - sämtliche Unfallbegriffsmerkmale erfüllt sein müssen. Damit eine Leistungspflicht der Unfallversicherung entsteht, muss somit ein plötzliches, schädigendes und nicht beabsichtigtes Ereignis vorliegen (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 202).
c) Gemäss
Art. 9 Abs. 2 lit. a UVV
gelten Knochenbrüche dann nicht als unfallähnliche Schädigung, wenn sie eindeutig auf eine Erkrankung zurückzuführen sind. Für die übrigen in der Verordnungsbestimmung genannten Verletzungen ist eine solche Einschränkung nicht vorgesehen. Dem Wortlaut nach können somit die in
Art. 9 Abs. 2 lit. b bis h UVV
aufgezählten Läsionen auch dann eine unfallähnliche Körperschädigung darstellen, wenn sie ganz oder teilweise auf einer Krankheits- oder Degenerationserscheinung beruhen (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 203). Diese wörtliche Auslegung deckt sich mit dem Zweck der Bestimmung, welche einerseits dem Umstand, dass ein die aufgezählten Schädigungen auslösendes äusseres Moment häufig zu gering ist, um vom Versicherten wahrgenommen zu werden, Rechnung tragen und andererseits die oft schwierige Abgrenzung zwischen Unfall und Krankheit zugunsten des Unfallversicherten vermeiden soll.
Dagegen kann die ausschliesslich aufgrund eines pathologischen Prozesses erfolgte Läsion nicht als unfallähnliche Schädigung anerkannt werden. Aus dem Erfordernis, dass ausser dem ungewöhnlichen äusseren Faktor die üblichen Begriffsmerkmale eines Unfalles erfüllt sein müssen, folgt, dass auch bei einer auf Krankheits- oder Abnützungserscheinungen basierenden Beeinträchtigung eine plötzliche schädigende Einwirkung eintreten muss, welche die Verletzung verursacht. Der Auslösungsfaktor kann alltäglich und diskret sein; wesentlich ist, dass ein plötzliches Ereignis, beispielsweise eine heftige Bewegung oder das plötzliche Aufstehen aus der Hocke, einen der in
Art. 9 Abs. 2 lit. b bis h UVV
erwähnten Verletzungszustände hervorruft. Auch in zeitlicher Hinsicht ist dieses die Körperschädigung verursachende Moment als "Unfallereignis" zu betrachten. Fehlt es an einem solchen unmittelbaren Geschehen und ist die Läsion vielmehr wiederholten, im täglichen Leben erfolgten Mikrotraumata zuzuschreiben, die eine allmähliche Abnützung bewirkten, welche schliesslich das Ausmass einer eine Behandlung erfordernden Schädigung erreichte, liegt kein Unfall, sondern eine Krankheit vor.
BGE 114 V 298 S. 302
d) Das Eidg. Versicherungsgericht hat wiederholt festgehalten, dass der in
Art. 9 Abs. 2 UVV
enthaltenen Aufzählung der unfallähnlichen Körperschädigungen abschliessender Charakter zukommt (RKUV 1988 Nr. U 57 S. 372 und Nr. U 58 S. 375,; MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 202; HOPPLER, Krankenversicherung und unfallähnliche Körperschädigungen, SKZ 1988, S. 128).
Die Liste enthält nebst den Muskelrissen (lit. d) die Muskelzerrungen (lit. e), nebst den Sehnenrissen (lit. f) jedoch nicht auch die Sehnenzerrungen. Bezüglich der Bänderverletzungen (lit. g) verwendet sie den generellen Begriff "Läsion", worunter sowohl Risse als auch Zerrungen und blosse Dehnungen zu verstehen sind (RAMSEYER, Unfallähnliche Körperschädigungen, Therapeutische Umschau, 1985, S. 576). Nachdem Muskelzerrungen in der in
Art. 9 Abs. 2 UVV
enthaltenen Liste aufgeführt werden, hätte der Verordnungsgeber, sofern dies seinem Willen entsprochen hätte, auch die Sehnenzerrungen ausdrücklich erwähnt. Dass er dies unterliess, ist, wie die SUVA zutreffend darlegt, als qualifiziertes Schweigen zu interpretieren. Es lässt sich deshalb nicht rechtfertigen, Sehnenzerrungen unter den Begriff "Sehnenrisse" zu subsumieren. Angesichts der differenzierten Wortwahl für die unter den Begriff der unfallähnlichen Körperschädigungen fallenden Muskel-, Sehnen- und Bänderverletzungen kann das Fehlen der Sehnenzerrungen entgegen den Ausführungen des kantonalen Gerichts keineswegs auf eine "unsorgfältige Redaktion" der Verordnungsbestimmung zurückgeführt werden.
Dass sich der Verordnungsgeber der durch die präzise Formulierung in
Art. 9 Abs. 2 UVV
getroffenen Unterscheidungen durchaus bewusst war, zeigt auch die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung. Nach dem Vorentwurf vom 20. März 1980 hätten lediglich "Risse der Strecksehnen an Fingern oder der Achillessehne" in die Liste aufgenommen werden sollen (Art. 11 lit. f des Vorentwurfes). Diese Einschränkung wurde in der Folge auf Antrag der SUVA jedoch fallengelassen, womit die Sehnenrisse generell, nicht aber die Sehnenzerrungen als unfallähnliche Körperschädigungen bezeichnet wurden (Protokoll der Kommission zur Vorbereitung der Verordnung über die obligatorische Unfallversicherung, Sitzungen vom 29./30. April und vom 5. Mai 1981, S. 23).
e)
Art. 9 Abs. 2 UVV
kommt Ausnahmecharakter zu. Nach neuerer Lehre und Rechtsprechung sind Ausnahmebestimmungen
BGE 114 V 298 S. 303
weder restriktiv noch extensiv, sondern nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen der allgemeinen Regelung auszulegen (
BGE 99 Ia 744
Erw. 3;
BGE 99 Ib 395
Erw. 2a, IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., S. 132; GERMANN, Probleme und Methoden der Rechtsfindung, 2. Aufl., S. 61). Der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erwähnte Grundsatz, wonach Ausnahmebestimmungen restriktiv auszulegen seien (vgl. auch
BGE 110 V 246
Erw. 2b,
BGE 107 V 4
Erw. 4,
BGE 105 V 49
,
BGE 96 V 64
Erw. 1; ARV 1981 Nr. 20 S. 87 Erw. 2), ist überholt (RKUV 1988 Nr. U 45 S. 215 Erw. 3; vgl. auch
BGE 109 V 260
). Da die Aufzählung in
Art. 9 Abs. 2 UVV
als abschliessend gilt, ist es indessen nicht angängig, die Liste der unfallbedingten Körperschädigungen durch Analogieschlüsse zu erweitern (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 202).
4.
Können die Sehnenzerrungen somit unter keine der in
Art. 9 Abs. 2 UVV
aufgezählten Verletzungen subsumiert werden, so stellt sich die Frage, ob die Nichtaufnahme dieser Läsionen in die Liste der unfallähnlichen Körperschädigungen gesetz- und verfassungsmässig ist.
a) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen, und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen
Art. 4 BV
, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (
BGE 112 V 178
Erw. 4c,
BGE 111 V 284
Erw. 5a,
BGE 114 V 298 S. 304
395 Erw. 4a, 110 V 256 Erw. 4a und 328 Erw. 2d, je mit Hinweisen).
b) Gemäss
Art. 6 Abs. 2 UVG
wurde der Bundesrat ermächtigt, Körperschädigungen, die den Folgen eines Unfalles ähnlich sind, in die Versicherung einzubeziehen. Diese Delegationsnorm enthält keine Richtlinien über die Art und Weise, wie von der Ermächtigung Gebrauch zu machen sei. Mit einer solchen Delegation wurde dem Bundesrat ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsstufe und namentlich die Kompetenz eingeräumt, die unfallähnlichen Körperschädigungen unter Beachtung der durch das Willkürverbot gesetzten Grenzen in einer abschliessenden Liste zu umschreiben. Aufgrund dieser Befugnis war der Bundesrat frei, im Sinne einer Abgrenzung Körperschädigungen in die Liste aufzunehmen, "die juristisch nicht den Unfällen und medizinisch nicht den Krankheiten" (MAURER, Recht und Praxis der Schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2. Aufl., 1963, S. 100) zugezählt werden können. Dass er sich dabei aufgrund von Sinn und Zweck von
Art. 6 Abs. 2 UVG
, nämlich Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, auch von medizinischen Erkenntnissen und Erfahrungen leiten liess, erscheint als selbstverständlich.
c) In Anbetracht des dem Bundesrat eingeräumten Auswahlermessens (vgl. IMBODEN/RHINOW, a.a.O., S. 405) sowie des Umstandes, dass der Beachtung medizinischer Erfahrungen bei der Bezeichnung der unfallähnlichen Körperschädigungen wesentliche Bedeutung beizumessen war, übt das Eidg. Versicherungsgericht bei der Überprüfung von
Art. 9 Abs. 2 UVV
auf die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit grundsätzlich Zurückhaltung.
Aus den medizinischen Unterlagen ist ersichtlich, dass Sehnenzerrungen - im Gegensatz zu Sehnenrissen - schwierig zu diagnostizieren und namentlich kaum von Erkrankungen des Sehnenbegleitgewerbes zu unterscheiden sind. Zudem stellen sie, sofern sie nicht als Begleitaffektion ernsthafterer Verletzungen auftreten, relativ harmlose Erscheinungen dar. Der Bundesrat durfte daher im Rahmen der ihm in
Art. 6 Abs. 2 UVG
delegierten Kompetenz die streitige Körperschädigung, die auch Folge einer Erkrankung sein kann, im Hinblick auf die praktikable Anwendung von
Art. 9 Abs. 2 UVV
von der Liste ausnehmen. Eine unbegründete rechtliche Unterscheidung ist darin angesichts der medizinischen Fakten nicht zu erblicken. Die Nichtaufnahme der Sehnenzerrungen in die Liste der unfallähnlichen Körperschädigungen erweist sich somit
BGE 114 V 298 S. 305
entgegen der Auffassung der Vorinstanz weder als gesetzwidrig noch als rechtsungleich oder willkürlich.
5.
a) Gemäss den medizinischen Unterlagen liegt eine Sehnenzerrung sowohl bei überproportionaler Streckung bzw. Spannung der Sehne als auch bei Zerreissung einzelner Sehnenfaserbündel (Teilruptur) vor. Ein eigentlicher Sehnenriss besteht erst dann, wenn die Sehne vollständig gerissen ist. Nach der Praxis der SUVA werden indessen nicht nur vollständige Sehnenrisse als unfallähnliche Körperschädigungen übernommen, sondern auch Teilrupturen, sofern sie, was in der Regel nur operativ oder durch Kontrastmitteldarstellung geschehen kann, eindeutig nachgewiesen sind.
Im Hinblick auf diese Praxis der SUVA erkannte die Vorinstanz, solange in einem konkreten Fall eine medizinische Feststellung fehle, wonach das Vorliegen eines Teilrisses nicht wahrscheinlich, sondern allenfalls bloss möglich sei, müsse die Diagnose einer blossen Zerrung ebenfalls zur Annahme eines Sehnenrisses im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 lit. f UVV
führen. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Nach den zutreffenden Ausführungen der SUVA besteht zwar kein Anlass, die Sehnenteilruptur nicht als unfallähnliche Körperschädigung im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 lit. f UVV
zu qualifizieren. Weil die Diagnose eines Teilrisses mangels eines Funktionsausfalles jedoch klinisch schwierig zu stellen ist und nach Sehnenteilrupturen sehr rasch eine Irritation des Begleitgewerbes entsteht, so dass ein Teilriss nicht mehr von der Pathologie des Sehnenbegleitgewerbes unterschieden werden kann, sind an den Nachweis eines Teilrisses strenge Anforderungen zu stellen. Nur unter dieser Voraussetzung bleibt eine klare Abgrenzung der Sehnenteilrupturen von den Sehnenzerrungen gewährleistet.
b) Praxisgemäss sind die einzelnen Umstände des Unfallgeschehens vom Leistungsansprecher glaubhaft zu machen. Kommt er dieser Forderung nicht nach, indem er unvollständige, ungenaue oder widersprüchliche Angaben macht, die das Bestehen eines unfallmässigen Schadens als unglaubwürdig erscheinen lassen, besteht keine Leistungspflicht des Unfallversicherers. Im Streitfall obliegt es dem Richter, zu beurteilen, ob die einzelnen Voraussetzungen des Unfallbegriffes erfüllt sind. Der Untersuchungsmaxime entsprechend hat er von Amtes wegen die notwendigen Beweise zu erheben und kann zu diesem Zwecke auch die Parteien heranziehen. Wird aufgrund dieser Massnahmen das Vorliegen eines Unfallereignisses nicht wenigstens mit Wahrscheinlichkeit erstellt - die blosse Möglichkeit genügt nicht -, so hat dieses als
BGE 114 V 298 S. 306
unbewiesen zu gelten, was sich zu Lasten des Leistungsansprechers auswirkt (
BGE 111 V 201
Erw. 6b, 107 V 164 Erw. 3a, 103 V 66 Erw. 2a und 175 mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten auch bezüglich des Nachweises unfallähnlicher Körperschädigungen.
c) Zusammenfassend ergibt sich somit, dass sich die Leistungspflicht der obligatorischen Unfallversicherung für unfallähnliche Körperschädigungen aufgrund von
Art. 9 Abs. 2 lit. f UVV
nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift streng auf Sehnenrisse beschränkt (Erw. 5a). Ausgeschlossen ist insbesondere der Einbezug der übrigen Sehnenpathologie, einschliesslich der Krankheiten des Begleitgewerbes. Weil sich die partiellen Sehnenrisse in der Regel klinisch nicht von sekundären entzündlichen Reaktionen (Tendinitis, Peritendinitis, Paratenonitis, Tendovaginitis) unterscheiden lassen (RAMSEYER, a.a.O., S. 576), fällt eine Qualifikation als unfallähnliche Körperschädigung nur in Betracht, wenn die Teilruptur als solche medizinisch eindeutig festgestellt ist, sei dies intraoperativ oder durch Kontrastmitteldarstellung. Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden, so hat der Leistungsansprecher die Folgen zu tragen (Erw. 5b).
d) Vorliegend fehlt ein hinreichender Nachweis für einen am 3. September 1986 erfolgten Sehnenteilriss. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdegegners kann insbesondere das von ihm wahrgenommene "Geräusch" in seiner linken Ferse das Fehlen einer entsprechenden ärztlichen Diagnose nicht ersetzen. Da sich somit die Annahme einer unfallähnlichen Körperschädigung im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 UVV
nicht rechtfertigen lässt, lehnte die SUVA ihre Leistungspflicht zu Recht ab. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
8d421df0-bcc7-4b5c-9484-6a52f1ae89d2 | Urteilskopf
135 I 6
2. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_707/2008 vom 22. Dezember 2008 | Regeste
Art. 29a BV
, Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie
Art. 130 Abs. 1 und 4 BGG
, § 5 VO BGG/ZH; Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich als letzte kantonale Rechtsmittelinstanz in Straf- und Massnahmevollzugsstreitigkeiten.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich ist gestützt auf § 5 der Verordnung des Regierungsrats über die Anpassung des kantonalen Rechts an das Bundesgerichtsgesetz (VO BGG/ZH; in Kraft seit 1. Januar 2007) in Verbindung mit § 43 Abs. 1 lit. g und Abs. 2 VRG und
Art. 80 Abs. 2 BGG
sowie
Art. 130 Abs. 1 und 4 BGG
letzte kantonale Rechtsmittelinstanz in Straf- und Massnahmevollzugsstreitigkeiten. Es sind keine triftigen Gründe ersichtlich, weshalb die Regelung des Rechtswegs gemäss § 5 VO BGG/ZH während der in
Art. 130 Abs. 1 BGG
gewährten Übergangsfrist noch keine Geltung beanspruchen sollte. Indem das kantonale Verwaltungsgericht seine Zuständigkeit (derzeit) im angefochtenen Nichteintretensentscheid verneint, verletzt es sowohl Verfassungs- als auch Gesetzesrecht des Bundes (Bestätigung von
BGE 134 I 199
; E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 7
BGE 135 I 6 S. 7
A.
X. wurde am 18. April 2001 vom Bezirksgericht Zürich wegen mehrfacher Brandstiftung und weiterer Delikte zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde zugunsten einer stationären Massnahme (nach aArt. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB) aufgeschoben. Am 5. Juni 2001 wurde die Verurteilte zum Vollzug der stationären Massnahme in die Klinik Oberwil eingewiesen. Am 25. Februar 2002 wurde sie in die Psychiatrische Klinik Rheinau versetzt und am 1. Juni 2004 aus dem stationären Massnahmenvollzug probeweise entlassen.
B.
Am 25. Oktober 2005 wurde die probeweise Entlassung widerrufen und X. (gestützt auf aArt. 45 Ziff. 3 Abs. 3 StGB) in den stationären Massnahmenvollzug zurückversetzt. Am 25. August 2005 bzw. 24. März 2006 wurde sie erneut strafrechtlich schuldig gesprochen (wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, Widerhandlung gegen das Waffengesetz und weiterer Straftaten). Am 17. November 2005 wurde X. aus der Klinik Schlosstal/Winterthur ein weiteres Mal in die Klinik Rheinau eingewiesen. Am 19. September 2006 wurde sie aus einer sozialtherapeutischen Wohngruppe in A. (nach wie vor im Rahmen des stationären Massnahmenvollzuges) ins Psychiatriezentrum Hard/Embrach versetzt, nachdem sie zum wiederholten Mal gegen Vollzugsvorschriften verstossen hatte (eigenmächtiges Absetzen der Medikamente, Entweichen aus dem Massnahmenvollzug, Fremd- und Autoaggressionen etc.). Am 1. Januar 2007 erfolgte erneut eine notfallmässige Einweisung ins
BGE 135 I 6 S. 8
Psychiatriezentrum Hard, am 15. Januar 2007 eine weitere Verlegung in die geschlossene Abteilung der Klinik Rheinau.
C.
Gemäss Vollzugsakten wurde die Verurteilte letztmals am 20. Juni 2007 ins Psychiatriezentrum Hard zurückverlegt. Am 21. November 2007 verfügte das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich ihre erneute Versetzung von der Rehabilitationsabteilung des Psychiatriezentrums Hard in die geschlossene Massnahmestation (Abteilung B.) des Psychiatriezentrums Rheinau. Die Verlegung dränge sich angesichts des nach wie vor äusserst schwierigen Massnahmenvollzuges (Tablettenschmuggel, Drogenmissbrauch, Aufbrechen von Behältnissen, Zertrümmern von Einrichtungsgegenständen, unerlaubte Entfernungen, akute Suizidalität, massive Auto- und Fremdaggressionen, Persönlichkeitsstörung vom sog. Borderline-Typus, Dissozialität, fehlende Therapiebereitschaft, akute Gefahr weiterer Straftaten etc.) als Notfallmassnahme auf. Am 22. November 2007 wurde die Verurteilte durch die Kantonspolizei Zürich in die geschlossene Abteilung B. der Klinik Rheinau eingeliefert.
D.
Gegen die Einweisungsverfügung vom 21. November 2007 rekurrierte X. am 3. Dezember 2007 bei der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich (nachfolgend: JD). Sie beantragte die Aufhebung der erfolgten Einweisung in die geschlossene Abteilung B. der Klinik Rheinau, die sofortige Rückversetzung ins Psychiatriezentrum Hard sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Rechtsmittelwirkung. Letzteres lehnte die JD mit prozessleitender Verfügung vom 12. Dezember 2007 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde in Strafsachen blieb ohne Erfolg (Urteil des Bundesgerichts 1B_305/2007 vom 22. Januar 2008). Am 20. März wurde die Versetzung von X. in die geschlossene Massnahmestation (Abteilung C.) des Psychiatriezentrums Rheinau verfügt. Am 1. April 2008 wies die JD den bei ihr erhobenen Rekurs in der Sache ab, soweit er - aufgrund der zwischenzeitlich verfügten Versetzung in eine andere (geschlossene) Abteilung des Psychiatriezentrums Rheinau - nicht gegenstandslos geworden sei. X. gelangte dagegen mit Eingabe vom 7. Mai 2008 an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches auf die bei ihm eingereichte Beschwerde am 4. Juli 2008 mangels (derzeitiger) Zuständigkeit nicht eintrat und das Rechtsmittel an das Bundesgericht zur Behandlung weiterleitete. Dieses hat am 17. Juli 2008 das Verfahren betreffend Versetzung in die geschlossene Massnahmestation eröffnet. X. hat hierzu am 9. September 2008 unaufgefordert eine Beschwerdeergänzung eingereicht.
BGE 135 I 6 S. 9
Gleichzeitig hat sie mit separater Eingabe Beschwerde gegen die Nichteintretensverfügung des Verwaltungsgerichts erhoben. Am 30. Oktober 2008 hat die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht eine weitere Eingabe einschliesslich Unterlagen, u.a. den Jahresbericht des Psychiatriezentrums Rheinau vom 2. Oktober 2008 betreffend Prüfung der bedingten Entlassung, eingereicht.
E.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, die JD und das Amt für Justizvollzug haben mit Eingaben vom 11., 20. und 26. November 2008 auf eine Stellungnahme zur Beschwerde gegen die verwaltungsgerichtliche Nichteintretensverfügung vom 4. Juli 2008 verzichtet.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Verwaltungsgericht ist auf die bei ihm eingereichte Beschwerde gegen den Rekursentscheid der JD nicht eingetreten, weil es sich derzeit nicht als zuständig erachtet. Dagegen gelangt die Beschwerdeführerin an das Bundesgericht. Sie rügt, der angefochtene Nichteintretensentscheid verletze das Verbot der formellen Rechtsverweigerung und sei überspitzt formalistisch. Die durch die angerufene Instanz angenommene vorläufige Unzuständigkeit torpediere die Rechtsweggarantie im kantonalen Verfahren und erfolge zum blossen Selbstzweck, nämlich der Verringerung der Arbeitslast. Im Übrigen unterlaufe die Auffassung des Verwaltungsgerichts auch das BGG.
2.1
Eine formelle Rechtsverweigerung liegt nach der Praxis des Bundesgerichts vor, wenn eine Behörde auf eine ihr frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber befinden müsste (vgl.
BGE 117 Ia 116
E. 3a). Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung ist gegeben, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und damit dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (
BGE 132 I 249
E. 5;
BGE 130 V 177
E. 5.4.1). Ob eine solche Rechtsverweigerung vorliegt, prüft das Bundesgericht frei (
BGE 128 II 139
E. 2a;
BGE 127 I 31
E. 2a/bb;
BGE 125 I 166
E. 3a). Die Auslegung und Anwendung des einschlägigen kantonalen Rechts untersucht es hingegen nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (
BGE 131 I 217
E. 2.1,
BGE 131 I 467
E. 3.1).
BGE 135 I 6 S. 10
2.2
Gemäss
Art. 29a BV
hat jede Person bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Diese Bestimmung, die so genannte Rechtsweggarantie, ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1059 und 1243). Sie wird in strafrechtlichen Angelegenheiten durch
Art. 80 Abs. 2 BGG
konkretisiert. Danach setzen die Kantone als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Zur Anpassung ihrer Gesetzgebung werden den Kantonen allerdings Fristen eingeräumt. Sie sind nach
Art. 130 Abs. 1 BGG
(für Angelegenheiten in Strafsachen) verpflichtet, auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens einer schweizerischen Strafprozessordnung die erforderlichen Ausführungsbestimmungen über die Zuständigkeit, die Organisation und das Verfahren der Vorinstanzen in Strafsachen im Sinne von
Art. 80 Abs. 2 und
Art. 111 Abs. 3 BGG
zu erlassen. Ist sechs Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch keine schweizerische Strafprozessordnung in Kraft, so legt der Bundesrat die Frist zum Erlass der Ausführungsbestimmungen fest. § 43 Abs. 1 lit. g des Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG; LS 175.2) schliesst die Beschwerde an das kantonale Verwaltungsgericht gegen Anordnungen betreffend den Vollzug von Strafen und Massnahmen grundsätzlich aus. § 43 Abs. 2 VRG sieht jedoch vor, dass die Beschwerde an das Verwaltungsgericht auch in den Fällen von Abs. 1 gegeben ist, soweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offensteht oder wenn es sich um eine Angelegenheit gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
handelt. Mit dem Inkrafttreten des BGG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht abgeschafft. An ihre Stelle tritt grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (
Art. 82 ff. BGG
), bei Entscheiden über den Vollzug von Strafen und Massnahmen die Beschwerde in Strafsachen (
Art. 78 ff. BGG
). Nach § 5 der Verordnung des Regierungsrats vom 29. November 2006 über die Anpassung des kantonalen Rechts an das Bundesgerichtsgesetz (VO BGG/ZH; OS 61 480) ist unter Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht denn auch die "ordentliche Beschwerde an das Bundesgericht" zu verstehen. Gemeint sind damit die ordentlichen Rechtsmittel ans Bundesgericht und nicht die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach
Art. 113 ff. BGG
(vgl. Erläuterungen des Zürcher Regierungsrats zur VO BGG/ZH, Amtsblatt des Kantons Zürich Nr. 49 vom 8. Dezember 2006 1676 ff., 1680 und 1685). Die VO BGG/ZH trat gleichzeitig wie das Bundesgerichtsgesetz am 1. Januar 2007 in Kraft.
BGE 135 I 6 S. 11
2.3
Im angefochtenen Entscheid erklärt sich das angerufene Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund der genannten Rechtsgrundlagen zur Behandlung der vorliegenden Beschwerdesache als derzeit sachlich unzuständig. Es bringt dabei im Wesentlichen zum Ausdruck, dass die genannte regierungsrätliche Verordnung, insbesondere § 5 VO BGG/ZH, nicht die Zulässigkeit der Beschwerde u.a. gegen Rekursentscheide der JD in Straf- und Massnahmenvollzugssachen bei ihm begründe, sondern lediglich der Klarstellung diene, dass das kantonale Verwaltungsgericht nach Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes am 1. Januar 2007 in denjenigen Fällen zuständig bleibe, in welchen früher bereits die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss Art. 43 Abs. 2 VRG offen gestanden habe und neu eine ordentliche Beschwerde an dieses im Sinne von
Art. 72 ff. BGG
gegeben sei, unabhängig davon, ob die im Streite stehenden (vollzugsrechtlichen) Belange neu nunmehr bundesrechtlich geregelt würden oder nicht. Ein übergangsrechtliches Nichteintreten habe mithin keinen Abbau des gerichtlichen Rechtsschutzes zur Folge, sondern hindere vorläufig bloss dessen Ausbau. Selbst wenn die regierungsrätliche Verordnung indes bezwecken sollte, eine neue Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zu begründen, müsste ihr wenigstens vorderhand in gleichem Masse die Anwendung versagt bleiben, zumal es einstweilen an der Notwendigkeit im Sinne von
Art. 130 Abs. 4 BGG
fehle, die bundesrechtliche Anpassungsfrist mit einem nicht referendumspflichtigen Erlass zu wahren.
2.4
Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts, mit denen es seine sachliche Zuständigkeit (derzeit) verneint, können nicht geteilt werden. Sie stehen im Widerspruch mit dem klaren Wortlaut der regierungsrätlichen Verordnung, namentlich mit § 5 VO BGG/ZH, und mit der im Bundesgerichtsgesetz statuierten Regelung zu den kantonalen Ausführungsbestimmungen gemäss
Art. 130 Abs. 1 und 4 BGG
. Im Einzelnen ist Folgendes auszuführen:
In der Sache geht es vorliegend um eine Anordnung betreffend den Massnahmenvollzug, welche nach den Vorschriften des Bundesgerichtsgesetzes der Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht unterliegt (
Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG
). Wie erwähnt, ist gemäss § 5 VO BGG/ZH unter der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht die ordentliche Beschwerde an das Bundesgericht zu verstehen. Vorbehalte in Bezug auf die früher nicht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterworfenen
BGE 135 I 6 S. 12
kantonalen Rechtsmittelentscheide wurden nicht angebracht. Damit enthält das kantonale Recht in Verbindung mit § 43 Abs. 1 lit. g und Abs. 2 VRG eine Regelung, die den Rechtsweg in Straf- und Massnahmenvollzugsstreitigkeiten an das kantonale Verwaltungsgericht vorsieht. Dieses ist als einzige richterliche Behörde zur freien Sachverhaltsprüfung und zur Rechtsanwendung von Amtes wegen sowie zur Wahrung der Einheit des Verfahrens verpflichtet (Art. 110 f. BGG).
Dass und inwieweit § 5 VO BGG/ZH als kantonale Zuständigkeits- und Rechtsmittelregelung gegen höherrangiges Recht verstossen könnte, ist dabei nicht ersichtlich, stützt sich besagte Bestimmung doch gerade auf die dem Regierungsrat in
Art. 130 Abs. 4 BGG
in Verbindung mit Art. 67 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 (KV/ZH; SR 131.211) eingeräumte Befugnis, Ausführungsbestimmungen in die Form nicht referendumspflichtiger Erlasse zu kleiden, soweit dies zur Einhaltung der Übergangsfrist nötig ist. Dass diese bundesrechtliche Ermächtigung erst auf den Fristablauf hin eine entsprechende Kompetenz des Regierungsrats begründen würde, trifft entgegen der im angefochtenen Entscheid vertretenen Auffassung nicht zu.
Art. 130 Abs. 4 BGG
schliesst nämlich nicht aus, dass die nach dem Bundesrecht erforderlichen Anpassungen bereits vor Ablauf der Übergangsfrist vorgenommen werden. Ein solches Vorgehen kann sich aufdrängen, wenn bereits frühzeitig absehbar ist, dass die Übergangsfrist für die notwendigen Anpassungen im ordentlichen kantonalen Gesetzgebungsverfahren nicht ausreichen wird, oder wenn aufgrund des Rechtswechsels vom bisherigen Bundesrechtspflegegesetz (OG) zum geltenden BGG ein unverzüglicher Handlungsbedarf besteht. Das ist vorliegend der Fall. Der Regierungsrat musste sofort handeln, weil die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäss § 43 Abs. 2 VRG mit der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (vgl.
Art. 98a OG
) umschrieben wurde, ein Rechtsmittel, das es seit Inkrafttreten des BGG nicht mehr gibt und dessen Geltungsbereich ein anderer ist als derjenige der neuen Einheitsbeschwerde, namentlich was das bisherige Erfordernis der Verfügungsgrundlage im öffentlichen Recht des Bundes im Sinne von
Art. 5 VwVG
(SR 172.021) anbelangt.
Dass der Regierungsrat die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts insofern erweiterte, ist deshalb nicht zu beanstanden, weil nur auf diese Weise eine klare, mit übergeordnetem Recht im Einklang
BGE 135 I 6 S. 13
stehende Zuständigkeitsordnung sichergestellt werden konnte. Triftige Gründe dafür, weshalb die Regelung des Rechtswegs gemäss § 5 VO BGG/ZH während der in
Art. 130 Abs. 1 BGG
gewährten Übergangsfrist (noch) keine Geltung beanspruchen können sollte, lassen sich dem angefochtenen Entscheid nicht entnehmen und sind im Übrigen auch nicht erkennbar. Denn während der Übergangsfrist darf die bisherige gerichtliche Zuständigkeitsordnung jedenfalls nicht eingeschränkt werden, so dass die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts wenigstens weiterhin gegeben sein müsste, soweit sich die angefochtene Verfügung auf Bundesverwaltungsrecht stützt bzw. stützen sollte. Das allerdings zwingt angesichts der neu ins Schweizerische Strafgesetzbuch aufgenommenen Bestimmungen zum Sanktionenvollzug (vgl.
Art. 74-92 StGB
) zu Abgrenzungen, die bisher nicht erforderlich waren und die im Lichte des BGG, das nicht mehr auf die bundesrechtliche Verfügungsgrundlage als Anknüpfungskriterium abstellt, unnötig kompliziert wären. Würde im Übrigen die Auffassung des Zürcher Verwaltungsgerichts akzeptiert, führte dies im Ergebnis dazu, dass der Sachverhalt durch keine Gerichtsinstanz frei überprüft würde, was - soweit die Anwendung von Bundesrecht in Frage steht - hinter den Stand des gerichtlichen Rechtsschutzes gemäss OG zurückfiele (vgl. zum Ganzen für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
BGE 134 I 199
und Urteil 1C_183/2008 vom 23. Mai 2008 E. 1 betreffend die Stimmrechtssache Instandsetzung Hardbrücke).
2.5
Zusammenfassend ergibt sich, dass das kantonale Verwaltungsgericht zur Verneinung seiner Zuständigkeit vom klaren Wortlaut der regierungsrätlichen Verordnung und vom Sinn der Übergangsregelung gemäss
Art. 130 Abs. 1 und 4 BGG
abweicht, ohne hierfür triftige Gründe zu nennen. Der angefochtene Nichteintretensentscheid hält damit weder vor Verfassungs- noch vor Gesetzesrecht des Bundes stand. Daran ändert im Übrigen auch nichts, dass die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts bisher auf Beschwerden gegen Rekursentscheide der JD in Massnahmen- und Strafvollzugsstreitigkeiten eingetreten ist und diese behandelt hat. Das war zutreffend, weil sich das Verwaltungsgericht selber nicht als zuständig erachtete. Ob es dies allerdings zu Recht tat, war in diesen Fällen nicht zu prüfen. Vorliegend verhält es sich aber anders, weil ein entsprechender Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts vor Bundesgericht angefochten ist. | public_law | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8d42cc7d-84e2-4ca4-bf03-119421a248c6 | Urteilskopf
126 II 335
36. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. August 2000 i.S. X. gegen Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 8 EMRK
;
Art. 26 u.
Art. 8a aAsylG
;
Art. 44 Abs. 2,
Art. 51 Abs. 5 u.
Art. 54 AsylG
;
Art. 39 AsylV 1
;
Art. 14a ff. ANAG
; Anspruch eines vorläufig aufgenommenen Flüchtlings auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zwecks Familiennachzugs?
Der vorläufig aufgenommene Flüchtling verfügt gestützt auf das nationale Recht über kein gesichertes Anwesenheitsrecht, das ihm einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verschaffen würde (E. 1).
Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus
Art. 8 EMRK
, nachdem die Frage des Familiennachzugs heute nicht mehr von der Erteilung einer kantonalen Aufenthaltsbewilligung abhängt, sondern vom Gesetzgeber in Art. 51 Abs. 5 des Asylgesetzes bzw. Art. 39 der Asylverordnung 1 asylrechtlich geregelt wurde. Mit Blick auf
Art. 8 EMRK
ist allein entscheidend, dass der Ausländer faktisch die Möglichkeit hat, das Verhältnis zu seinen Familienangehörigen in angemessener Weise zu pflegen, wozu jede Anwesenheitsberechtigung genügt, welche dies zulässt (E. 2 u. 3). | Sachverhalt
ab Seite 336
BGE 126 II 335 S. 336
Der aus der Türkei stammende Kurde X. reiste am 3. Oktober 1988 in die Schweiz ein, wo er vergeblich um Asyl nachsuchte. Am 10. Februar 1993 nahm ihn das Bundesamt für Flüchtlinge aufgrund seiner hier ausgeübten politischen Aktivitäten wiedererwägungsweise vorläufig auf. Es anerkannte ihn als Flüchtling, versagte ihm aber wegen subjektiver Nachfluchtgründe das Asyl (vgl. Art. 8a des Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979; aAsylG, AS 1990 938).
X. bemühte sich in der Folge wiederholt, eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, um seine Familie nachziehen zu können. Die Fremdenpolizei des Kantons Graubünden wies letztmals ein entsprechendes Gesuch am 7. September 1998 ab. Das Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden bestätigten diesen Entscheid am 8. Dezember 1998
BGE 126 II 335 S. 337
bzw. 5. März 1999: Als vorläufig Aufgenommener habe X. nur jene Rechte, welche ihm das internationale Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention; SR 0.142.30) einräume. Ihm stehe weder ein konventionsrechtlicher noch ein gesetzlicher Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung zu. Da er über kein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfüge, berufe er sich vergeblich auf
Art. 8 EMRK
(SR 0.101); im Übrigen liege kein Härtefall im Sinne von
Art. 13 lit. f der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO, SR 823.21)
vor.
X. hat hiergegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Fremdenpolizei des Kantons Graubünden anzuweisen, ihm die Jahresaufenthaltsbewilligung zwecks Familiennachzugs zu erteilen. Nötigenfalls sei die Fremdenpolizei anzuhalten, die Zustimmung des Bundesamts für Ausländerfragen hierzu einzuholen und ihm die Jahresaufenthaltsbewilligung zu erteilen. Zur Begründung beruft er sich auf
Art. 8 EMRK
.
Mit Schreiben vom 22. Oktober 1999 fragte der Instruktionsrichter X. an, ob und inwiefern er mit Blick auf
Art. 39 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen (Asylverordnung 1, AsylV 1; SR 142.311)
, welcher neu die Familienvereinigung von vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen regle, an seiner Beschwerde festzuhalten wünsche. X. ersuchte hierauf, das Verfahren vorläufig zu sistieren. Am 14. Juni 2000 beantragte er, dieses wieder aufzunehmen. Angesichts der bisherigen Verfahrensdauer zur Behandlung des Gesuchs um Familienvereinigung beim Bundesamt für Flüchtlinge und der Tatsache, dass
Art. 39 AsylV 1
EMRK-widrig sei, halte er an seiner Eingabe fest.
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
a) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gegen die Erteilung oder Verweigerung von fremdenpolizeilichen Bewilligungen ausgeschlossen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG). Gemäss
Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20)
entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Der Ausländer bzw. seine
BGE 126 II 335 S. 338
allfällig in der Schweiz lebenden Angehörigen haben damit grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihnen eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausgeschlossen, soweit nicht eine Norm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags dem A-usländer oder seinen Angehörigen einen Anspruch auf eine fremdenpolizeiliche Bewilligung einräumt (
BGE 124 II 361
E. 1a S. 263 f.;
122 II 1
E. 1a S. 3 mit Hinweisen).
b) Für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde müssen die formellen Voraussetzungen an sich im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde gegeben sein. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG nennt zwar eine formelle Bedingung, basiert inhaltlich aber auf einer materiellrechtlichen Grundlage. Die hierfür massgeblichen Verhältnisse, seien sie rechtlicher oder tatsächlicher Natur, unterliegen dem Wandel. Das Bundesgericht stellt deshalb bei der Prüfung dieses Zulässigkeitserfordernisses grundsätzlich auf die konkreten Umstände im Zeitpunkt seines Entscheids ab (vgl.
BGE 120 Ib 257
E. 1f S. 262 f.;
BGE 118 Ib 145
E. 2b/c S. 148 f.;
BGE 114 Ib 1
E. 3b S. 4; PETER KARLEN, Verwaltungsgerichtsbeschwerde, in: GEISER/MÜNCH, Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1998, FN 123 zu Rz. 3.64). Massgebend sind im vorliegenden Fall somit die aktuellen Verhältnisse; in deren Rahmen ist der neuen Asylgesetzgebung (Asylgesetz vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31, AS 1999 2262] und der Asylverordnung 1 über Verfahrensfragen bzw. der Verordnung vom 11. August 1999 über den Vollzug der Weg- und Ausweisung von ausländischen Personen [VVWA; SR 142.281], alle am 1. Oktober 1999 in Kraft getreten) Rechnung zu tragen, auch wenn ausschliesslich die kantonale Verweigerung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung zur Diskussion steht.
c) aa) Der Beschwerdeführer macht neben einer Verletzung von
Art. 8 EMRK
auch eine falsche Anwendung von
Art. 13 lit. f BVO
geltend. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen kantonale Entscheide über die Verweigerung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung, auf deren Erteilung kein Anspruch besteht, ist indessen unzulässig, auch wenn die kantonale Behörde - wie hier - im Bewilligungsentscheid vorfrageweise über die Unterstellungsfrage entschieden bzw. im Rahmen ihres Ermessensentscheids die zu
Art. 13 lit. f BVO
entwickelten Grundsätze beigezogen hat (
BGE 122 II 186
ff.; ALAIN WURZBURGER, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in: RDAF 1997 1 S. 350).
BGE 126 II 335 S. 339
bb) Nach
Art. 26 aAsylG
hat der Flüchtling, dem Asyl gewährt wurde, "Anspruch auf Regelung seiner Anwesenheit" im Kanton, in dem er sich ordnungsgemäss aufhält; nach einem entsprechenden Aufenthalt von fünf Jahren erwirbt er, soweit kein Ausweisungsgrund vorliegt, die Niederlassungsbewilligung (
Art. 28 aAsylG
; vgl.
BGE 122 II 1
E. 1d S. 4 f.). Eine analoge Regelung kennt das neue Asylgesetz (SR 142.31): Danach haben Personen, denen Asyl gewährt wurde, "Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung" im Kanton, in dem sie sich ordnungsgemäss aufhalten (
Art. 60 Abs. 1 AsylG
); befinden sie sich seit mindestens fünf Jahren ordnungsgemäss in der Schweiz, können sie um die Niederlassungsbewilligung ersuchen, wenn gegen sie kein Ausweisungsgrund nach
Art. 10 Abs. 1 lit. a oder lit. b ANAG
(gerichtliche Bestrafung bzw. mangelhafte Eingliederung in die hiesige Ordnung) vorliegt (
Art. 60 Abs. 2 AsylG
).
Das Bundesamt für Flüchtlinge hat dem Beschwerdeführer das Asyl verweigert und ihn wegen subjektiver Nachfluchtgründe (
Art. 8a aAsylG
bzw.
Art. 54 AsylG
) lediglich vorläufig aufgenommen, da der Vollzug der Wegweisung in den Heimatstaat nicht zulässig und ein solcher in einen Drittstaat nicht möglich sei. Dem Beschwerdeführer erwächst aus seinem asylrechtlichen Status somit kein Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung; ein solcher ergibt sich auch nicht aus den allgemeinen Regeln des Fremdenpolizeirechts (
Art. 18 Abs. 1 aAsylG
und
Art. 44 Abs. 2 AsylG
; Botschaft des Bundesrats vom 4. Dezember 1995 zur Totalrevision des Asylgesetzes sowie zur Änderung des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung, BBl 1996 II 1 ff.). Es bleibt zu prüfen, ob er direkt gestützt auf
Art. 8 EMRK
über ein entsprechendes Recht verfügt.
2.
a)
Art. 8 EMRK
garantiert den Schutz des Familienlebens. Unter gewissen Umständen lässt sich daraus ein Anspruch auf Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung ableiten, denn es kann
Art. 8 EMRK
verletzen, wenn einem Ausländer, dessen Familienangehörige hier weilen, die Anwesenheit in der Schweiz untersagt und damit das Familienleben vereitelt wird (
BGE 118 Ib 145
E. 4 S. 152, 153 E. 3c S. 157;
BGE 116 Ib 353
E. 1b S. 355;
BGE 109 Ib 183
E. 2 S. 185 ff.). Voraussetzung ist indessen, dass zumindest ein Familienangehöriger hier über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügt; er muss grundsätzlich entweder das Schweizer Bürgerrecht oder eine Niederlassungsbewilligung besitzen. Eine blosse Aufenthaltsbewilligung genügt hierzu nur, soweit sie ihrerseits auf einem gefestigten
BGE 126 II 335 S. 340
Rechtsanspruch beruht (
BGE 122 II 1
E. 1e, 289 E. 1c, 385 E. 1c;
BGE 119 Ib 91
E. 1c; WURZBURGER, a.a.O., S. 286 mit Hinweisen; DENISE BUSER, Bemerkungen zu
BGE 122 II 11
, in AJP 1996 S. 621 f.; vgl. auch STEPHAN BREITENMOSER, Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens in der Schweizer Rechtsprechung zum Ausländerrecht, in EuGRZ 1993 S. 537 ff.; PETER MOCK, Convention européenne des droits de l'homme, immigration et droit au respect de la vie familiale, in AJP 1996 S. 543 f.; ders., Mesures de police des étrangers et respect de la vie privée et familiale, in ZSR 112/1993 I S. 104 f.). Für einen auf
Art. 8 EMRK
gestützten Anspruch auf eine fremdenpolizeiliche Bewilligung genügt nicht, dass ein Entscheid einer Fremdenpolizeibehörde lediglich geeignet ist, die Gestaltung des Familienlebens irgendwie zu beeinflussen. Wer selber keinen Anspruch auf längere Anwesenheit hat, vermag einen solchen auch nicht einer Drittperson zu verschaffen, selbst wenn eine gelebte familiäre Beziehung zur Diskussion stehen sollte (
BGE 119 Ib 91
E. 1c S. 94, mit Hinweis; WURZBURGER, a.a.O, S. 286).
b) Der Beschwerdeführer ersucht um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, da nur diese ihm erlaube, gestützt auf Art. 7 der Verordnung vom 25. November 1987 über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (AS 1987 1669 ff., 1995 5041) seine Familie gegebenenfalls nachzuziehen. Da er sein Familienleben nirgendwo sonst leben könne, sei das Ermessen der kantonalen Behörden durch
Art. 8 Ziff. 1 EMRK
beschränkt; ihm sei deshalb die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, damit er seine Familie nachziehen könne.
aa) Das Bundesgericht hat bisher angenommen, dass der vorläufig aufgenommene Ausländer - einschliesslich des Flüchtlings, dem wegen Asylausschlussgründen der Schutz nach dem nationalen Recht verweigert wird - über kein gefestigtes Anwesenheitsrecht verfügt, das ihm unter Berufung auf
Art. 8 EMRK
erlauben würde, seine Familie nachzuziehen (unveröffentlichte Urteile vom 18. Oktober 1999 i.S. Z., E. 1c/bb; vom 15. Mai 1996 i.S. E., E. 1c; vom 11. Januar 1996 i.S. F., E. 1e; vom 15. Dezember 1993 i.S. A., E. 1; vom 27. Februar 1990 i.S. M., E. 1; vom 14. August 1989 i.S. B., E. 2b; vgl. auch WURZBURGER, a.a.O., S. 286). Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers besteht kein Anlass, im vorliegenden Fall hierauf zurückzukommen bzw. seine faktisch geduldete Anwesenheit als derart gefestigt zu werten, dass ihm ein Anspruch auf Erteilung der Anwesenheitsbewilligung einzuräumen oder ihm direkt gestützt auf
Art. 8 EMRK
der Familiennachzug zu bewilligen wäre:
BGE 126 II 335 S. 341
bb) Der Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene war bis zum 1. Oktober 1999 in Art. 7 der bereits erwähnten Verordnung vom 25. November 1987 über die vorläufige Aufnahme (und die Internierung) von Ausländern geregelt. Diese Bestimmung machte die Bewilligung des Familiennachzugs unter anderem davon abhängig, dass die kantonale Fremdenpolizei vorgängig bereit war, dem Ausländer eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Sie knüpfte damit an die allgemeine Regel von
Art. 4 ANAG
an, wonach dem Ausländer bzw. seinen Angehörigen grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung zukommt. Nach
Art. 18 Abs. 1 aAsylG
regelte das Bundesamt für Flüchtlinge das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme von Ausländern, soweit der Vollzug der Wegweisung - wie hier - nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar war (Non-Refoulementverbot:
Art. 45 aAsylG
und Art. 33 Flüchtlingskonvention). Fallen diese Voraussetzungen, die im Wesentlichen auch heute noch gelten, dahin, ist die vorläufige Aufnahme aufzuheben; sie erlischt überdies von sich aus, wenn der Ausländer freiwillig ausreist oder eine Aufenthaltsbewilligung erhält (
Art. 14b Abs. 2 ANAG
). Die vorläufige Aufnahme eines Flüchtlings, dem das Asyl unter Wegweisung aus der Schweiz verweigert wurde und dessen Rechtsstellung sich deshalb ausschliesslich nach der Flüchtlingskonvention richtet, hat damit zum Vornherein bloss provisorischen Charakter (vgl. zur vorläufigen Aufnahme wegen Nachfluchtgründen den Grundsatzentscheid der Schweizerischen Asylrekurskommission vom 7. März 1995, in: VPB 60/1996 Nr. 32 S. 285). Sie besteht nur solange, als der Vollzug der angeordneten Wegweisung nicht zulässig, nicht möglich oder nicht zumutbar ist, und begründet als solche kein gefestigtes Anwesenheitsrecht im Sinne der Rechtsprechung zu
Art. 8 EMRK
(vgl. auch die Weisung des EJPD vom 22. Februar 1993 über die Regelung des Aufenthaltes, Ziff. 5.9.1).
cc) Das Bundesgericht hat bisher die Frage offen gelassen, wie es sich verhielte, wenn die - als Provisorium konzipierte (vgl.
Art. 14c ANAG
) - vorläufige Aufnahme über viele Jahre hinweg verlängert werden müsste und damit faktisch zu einem Dauerstatus würde; dem Betroffenen könnte unter diesen Umständen zwar nicht ein rechtliches, doch zumindest ein faktisches Anwesenheitsrecht zukommen, das allenfalls einen Familiennachzug zu rechtfertigen vermöchte bzw. die Schweiz verpflichten könnte, dem Beschwerdeführer ein Anwesenheitsrecht einzuräumen, welches es ihm erlauben
BGE 126 II 335 S. 342
würde, die für einen Familiennachzug diesbezüglich erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen zu erfüllen (unveröffentlichtes Urteil vom 11. Januar 1996 i.S. F., E. 1e; vgl. auch KÄLIN/CARONI, Diskriminierungsverbot und Familiennachzug, in: TANGRAM, Bulletin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Nr. 4, März 1998, S. 58). Der Beschwerdeführer ist nunmehr seit über sieben Jahren als anerkannter Flüchtling in der Schweiz, wobei er sein Familienleben weder in seinem Heimatstaat noch in einem anderen Land angemessen leben kann. Er verfügt heute offenbar wieder über eine Arbeitsstelle und scheint sich auch sonst integriert zu haben. Hinsichtlich seiner familiären Verhältnisse legt er - entgegen seiner grundsätzlichen Mitwirkungspflicht (vgl.
BGE 124 II 361
E. 2b S. 365) - jedoch nicht dar, ob und inwiefern er während seiner Anwesenheit die Beziehungen zu seiner Frau und seinen Kindern im Rahmen des Möglichen (brieflicher und telefonischer Verkehr, Besuche in der Schweiz usw.) trotz der räumlichen Trennung gepflegt hat. Aus den Akten ist ebenfalls nicht ersichtlich, ob durch die Verweigerung der Bewilligung tatsächlich in eine intakte, gelebte familiäre Beziehung (vgl.
BGE 122 II 1
E. 1e S. 5) eingegriffen wird.
3.
a) Weitere diesbezügliche Abklärungen erübrigen sich indessen:
Art. 8 EMRK
gilt nicht absolut. Die Europäische Menschenrechtskonvention verschafft grundsätzlich weder ein Recht auf Asyl noch ein solches auf Aufenthaltsbewilligung oder -verlängerung (HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S. 261 f.). Es kann daraus weder ein Recht auf eine bestimmte Bewilligungsart (vgl.
BGE 122 II 385
E. 1b mit Hinweisen) noch auf die Wahl des den Betroffenen für das Familienleben am geeignetsten erscheinenden Orts abgeleitet werden (MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 2. Aufl., Zürich 1999, Rz. 576, S. 370; ALEXANDRA GERBER/BÉATRICE MÉTRAUX, Le regroupement familial des réfugiés, requérants d'asile et des personnes admises provisoirement, in: WALTER KÄLIN, Droit des réfugiés, Fribourg 1991, S. 101). Entscheidend ist allein, dass der Ausländer faktisch die Möglichkeit hat, das Verhältnis zu seinen Familienangehörigen in angemessener Weise zu pflegen, wozu mit Blick auf
Art. 8 EMRK
jede Anwesenheitsberechtigung genügt, welche dies zulässt (
BGE 122 II 385
E. 1b; GERBER/MÉTRAUX, a.a.O., S. 111).
b) Das neue Asylrecht enthält mit
Art. 39 AsylV 1
nunmehr eine spezialgesetzliche Bestimmung, welche dies erlaubt, weshalb es sich
BGE 126 II 335 S. 343
- für den Familiennachzug aufgenommener Flüchtlinge - nicht mehr rechtfertigt, einen ausländerrechtlichen Bewilligungsanspruch aus
Art. 8 Ziff. 1 EMRK
abzuleiten: Nach
Art. 51 Abs. 5 AsylG
regelt der Bundesrat für Flüchtlinge, die vorläufig aufgenommen worden sind, die Voraussetzungen für die Vereinigung ihrer Familie in der Schweiz. Gestützt hierauf erliess er
Art. 39 AsylV 1
, wonach das Bundesamt für Flüchtlinge - nach Einreichung eines Asylgesuchs durch die Familienangehörigen von vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen bei einer schweizerischen Vertretung im Ausland - die Einreise in die Schweiz bewilligt, wenn ihr Angehöriger nicht innert dreier Jahre nach der vorläufigen Aufnahme als Flüchtling in einen Drittstaat weiterreisen kann. Das Bundesamt darf auf Grund der Stellungnahme der kantonalen Behörde die Einreise verweigern, wenn die sich in der Schweiz aufhaltenden vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge es offensichtlich unterlassen, ihre Lage zu verbessern, namentlich, falls sie eine ihnen zugewiesene zumutbare Arbeit nicht annehmen (
Art. 39 Abs. 2 lit. a AsylV 1
), ohne Absprache mit der zuständigen Stelle ein Arbeitsverhältnis auflösen oder dessen Auflösung verschulden und damit ihre Lage verschlechtern (
Art. 39 Abs. 2 lit. b AsylV 1
) oder mit ihrem allgemeinen Verhalten und ihren Handlungen erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder nicht fähig sind, sich in die hiesige Ordnung einzufügen (
Art. 39 Abs. 2 lit. c AsylV 1
). Die Familienmitglieder sind nach ihrer Einreise als Flüchtlinge anzuerkennen und - sofern sie nicht selber die Flüchtlingseigenschaft nach
Art. 3 AsylG
erfüllen - ebenfalls vorläufig aufzunehmen. Die durch
Art. 8 EMRK
geschützten familiären Beziehungen können damit, soweit völkerrechtlich geboten, in der Schweiz gelebt werden; ein Anspruch auf die Erteilung einer kantonalen Aufenthaltsbewilligung ist hierfür nicht erforderlich, weshalb sich die Frage, ob bei einem langjährigen faktischen Anwesenheitsrecht eines Flüchtlings ein fremdenpolizeirechtlicher Anspruch auf eine kantonale Bewilligung zu bejahen wäre, nicht mehr stellt. Der Beschwerdeführer hat beim Bundesamt für Flüchtlinge ein Gesuch um Familiennachzug eingereicht; ob die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, bildet zurzeit Gegenstand weiterer Abklärungen. Beim Entscheid, ob den Angehörigen des Beschwerdeführers die Einreise erlaubt werden kann und sie ebenfalls vorläufig aufzunehmen sind, wird das Bundesamt
Art. 8 EMRK
Rechnung tragen müssen, da diese Bestimmung nicht nur die Fremdenpolizei-, sondern auch die Asylbehörden bindet. Gegen einen allfällig negativen Entscheid
BGE 126 II 335 S. 344
steht der Rechtsweg an die Schweizerische Asylrekurskommission offen (vgl. Art. 25 in Verbindung mit Art. 44 u. 45 Abs. 1 lit. e und
Art. 105 Abs. 1 lit. c AsylG
), womit auch der Rechtsweggarantie von
Art. 13 EMRK
Genüge getan ist. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht bleibt ausgeschlossen (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziffern 1, 2, 4 und 5 OG).
c) Was der Beschwerdeführer hiergegen einwendet, überzeugt nicht:
aa) Entgegen seinen Ausführungen hat nicht jeder vorläufig Aufgenommene vorbehaltlos und sofort gestützt auf
Art. 8 Ziff. 1 EMRK
einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung und Familiennachzug.
Art. 8 EMRK
verbietet nicht, die Einwanderung und den Zugang zum Staatsgebiet zu regeln und an gewisse Bedingungen zu knüpfen, so lange die materiellen und prozessualen Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention beachtet sind (vgl. WILDHABER, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 8, Rz. 416 f.; MICHELE DE SALVIA, Compendium de la CEDH, Les principes directeurs de la jurisprudence relative à la Convention européenne des droits de l'homme, Kehl/Strassburg/Arlington 1998, Rz. 12 zu Art. 8; PETER ZIMMERMANN, Der Grundsatz der Familieneinheit im Asylrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz, Berlin 1991, S. 100 ff.; KÄLIN/CARONI, a.a.O., S. 52). Gestützt auf
Art. 8 EMRK
besteht kein absolutes Recht auf Einreise. Hat - wie hier - der Betroffene selber die Entscheidung getroffen, zumindest vorübergehend von seiner Familie getrennt zu leben (Nachfluchtgründe), so verstösst es nicht ohne weiteres gegen das Recht auf Schutz seines Familienlebens, wenn ihm die Einreise von Angehörigen untersagt oder diese an gewisse Bedingungen geknüpft wird (FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., Kehl/Strassburg/Arlington 1996, Rz. 26 zu Art. 8, S. 357). Die meisten europäischen Staaten gewähren ein Recht auf Nachzug der engeren Familie erst nach einer gewissen Zeit, wenn der Unterhalt gesichert erscheint und eine geeignete Wohnung vorhanden ist (FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 26 zu Art. 8). Entsprechende Einschränkungen sind umso berechtigter, wenn der Staat - wie hier - wegen Asylunwürdigkeit oder subjektiver Nachfluchtgründe davon absieht, dem nachzugswilligen Ausländer ein Anwesenheitsrecht zu gewähren, und sich in Respektierung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen darauf beschränkt, die angeordnete Wegweisung vorübergehend nicht zu vollziehen.
BGE 126 II 335 S. 345
bb) Zwar ist in der Literatur die bisherige, als zu streng empfundene Praxis mit Blick auf
Art. 8 EMRK
kritisiert worden (RUEDI ILLES, Das Recht auf Familienleben von Asylsuchenden und vorläufig aufgenommenen Ausländern, in: A-syl 2/99 S. 8 ff.; ZIMMERMANN, a.a.O., S. 251 ff.; ACHERMANN/HAUSAMMANN, Handbuch des Asylrechts, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1991, S. 46 ff. u. 127 f.; HANS HEGETSCHWEILER, Die Familienzusammenführung von vorläufig Aufgenommenen und anderen Personen, die kein Asyl und keine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz haben, in: Asyl 1/89 S. 7 ff.; MARC SPESCHA, Handbuch zum Ausländerrecht, Bern/Stuttgart/Wien 1999, S. 94 ff.). Den entsprechenden Einwänden hat der Gesetzgeber inzwischen aber in
Art. 51 Abs. 5 AsylG
Rechnung getragen, indem er dem Bundesrat die Kompetenz eingeräumt hat, für Flüchtlinge, die - wie der Beschwerdeführer - vorläufig aufgenommen sind, die Voraussetzungen für eine Vereinigung der Familie in der Schweiz zu regeln. In der Botschaft führte der Bundesrat aus:
"Bei Absatz 5 handelt es sich um die Ausnahmefälle, in denen einem Flüchtling nicht Asyl, sondern aufgrund des Vorliegens eines Asylausschlussgrundes eine vorläufige Aufnahme gewährt wurde. Auf diese Personenkategorie haben bisher in bezug auf die Familienzusammenführung die strengen Regeln der Verordnung vom 25. November 1987 über die vorläufige Aufnahme von Ausländern (SR 142.281; Änderung vom 22. November 1995) und der BVO Anwendung gefunden (vgl.
Art. 3 Abs. 2 AsylV 1
). Da diese Personen aufgrund ihrer Flüchtlingseigenschaft kaum aus der Schweiz ausreisen werden, soll der Bundesrat die Möglichkeit haben, differenzierte und abgestufte Voraussetzungen für eine Familienvereinigung in der Schweiz aufzustellen. Dabei können die in die Schweiz nachziehenden Familienmitglieder der vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge ebenfalls höchstens denselben Rechtsstatus erlangen, den die Flüchtlinge selbst besitzen" (BBl 1996 II 70).
cc) Gestützt hierauf erging
Art. 39 AsylV 1
, in dessen Rahmen der Beschwerdeführer - sollte er die entsprechenden Voraussetzungen, welche weniger streng sind als jene von
Art. 38 und 39 BVO
und für die er keine kantonale Aufenthaltsbewilligung erhältlich machen muss (vgl. für andere vorläufig Aufgenommene die Regelung in
Art. 24 VVWA
), erfüllen - seine Familie asylrechtlich wird nachziehen können. Den Einwand,
Art. 39 AsylV 1
sei als solcher mit
Art. 8 EMRK
unvereinbar, hat gegebenenfalls die Eidgenössische Asylrekurskommission zu prüfen, nachdem der Gesetzgeber die Familienvereinigung von vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen nunmehr spezialgesetzlich im Asylbereich geregelt
BGE 126 II 335 S. 346
hat (vgl. die Weisung 52.1 des Bundesamts für Flüchtlinge zum Asylgesetz vom 20. September 1999 über die Regelung des Aufenthaltes von asylsuchenden, schutzbedürftigen und vorläufig aufgenommenen Personen sowie Flüchtlingen, Ziff. 6.8.2). Erst bei einem allfälligen Vollzug der Wegweisung - in dessen Rahmen wiederum die Einheit der Familie zu respektieren sein wird (
Art. 44 Abs. 1 AsylG
) - wird sich die Frage eines Härtefalls erneut stellen können, die dannzumal asyl- (vgl.
Art. 105 Abs. 1 lit. e AsylG
) oder ausländerrechtlich zu beantworten sein wird (vgl. ANDREAS ZÜND, Schwerwiegende persönliche Notlage und fremdenpolizeilicher Härtefall in verfahrensrechtlicher Hinsicht, in: Asyl 2/00 S. 11 ff.).
dd) Die vom Bundesrat in die Asylverordnung aufgenommene Regelung trägt der in der Doktrin geübten Kritik an der bisher ausländerrechtlich verankerten Regelung des Familiennachzugs vorläufig aufgenommener Flüchtlinge in weiten Teilen Rechnung. So ist HEGETSCHWEILER in seinen Ausführungen etwa davon ausgegangen, dass, losgelöst von einer Aufenthaltsbewilligung, dann ein Anspruch auf Familiennachzug zu bejahen sei, wenn der Ausländer sich während dreier Jahre hier aufgehalten und vor der Einreise mit den betreffenden Familienangehörigen zusammengelebt habe, soweit keine konkreten Anzeichen für eine Rückkehrmöglichkeit in das Heimatland oder eine Ausreise in ein Drittland bestehen würden; zudem müsse der Betroffene gewisse minimale persönliche und wirtschaftliche Voraussetzungen erfüllen (HEGETSCHWEILER, a.a.O., S. 9; vgl. auch ZIMMERMANN, a.a.O., S. 252). Dies entspricht der neuen Regelung für vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. ILLES legt seinerseits dar, dass die der Rechtsprechung des Bundesgerichts zugrunde liegende Idee, wonach niemand mehr Rechte übertragen könne, als er selber habe, nicht tangiert werde, soweit die vorläufige Aufnahme eines Familienangehörigen lediglich zur vorläufigen Aufnahme des anderen führe. Auf diesem Konzept beruht wiederum
Art. 39 AsylV 1
, wenn er in Abs. 3 den Einbezug in die vorläufige Aufnahme als Flüchtling (abgeleitete Verfolgung) vorsieht, soweit der Betroffene nicht selber die Flüchtlingseigenschaft nach
Art. 3 AsylG
erfüllt.
Auf die vorliegende Beschwerde ist deshalb in Anwendung von Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG nicht einzutreten. Sollte das Bundesamt für Flüchtlinge das Gesuch des Beschwerdeführers nicht innert nützlicher Frist behandeln, wird er sich hiergegen wegen Rechtsverzögerung wehren können. Dabei wird mit Blick auf
Art. 8 EMRK
der Tatsache Rechnung zu tragen sein, dass er sich nunmehr
BGE 126 II 335 S. 347
bereits seit mehr als sieben Jahren als vorläufig aufgenommener Flüchtling in der Schweiz befindet.
d) Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob und inwiefern der Beschwerdeführer heute noch über ein aktuelles und praktisches Interesse an seiner Eingabe verfügt (
Art. 103 lit. a OG
), nachdem sich die von ihm beabsichtigte Familienzusammenführung asylrechtlich realisieren lässt und er ausschliesslich mit Blick hierauf um eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Graubünden nachgesucht hat. Unter welchen Umständen andere vorläufig aufgenommene Personen (vgl. zu diesen
Art. 24 VVWA
) allenfalls einen Anspruch auf eine ausländerrechtliche Bewilligung aus
Art. 8 Ziff. 1 EMRK
ableiten können, ist - weil nicht Verfahrensgegenstand - hier nicht weiter zu prüfen. | public_law | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8d4341f5-a140-47cb-868a-fd74c59819e6 | Urteilskopf
101 IV 359
85. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 12 novembre 1975 dans la cause F. D. et Cst. contre Ministère public du canton de Vaud. | Regeste
1.
Art. 2 Abs. 2 StGB
. Massgeblich für das zur Zeit anwendbare Gesetz ist der kantonale Entscheid (Erw. 1).
2.
Art. 24 BetMG
.
a) Die Verpflichtung zur Bezahlung des unrechtmässigen Vermögensvorteils an den Staat betrifft ohne Unterschied alle Täter, die sich gegen
Art. 19-22 BetMG
vergangen haben (Erw. 2b).
b) Diese Verpflichtung besteht auch dort, wo der Täter nicht gewinnsüchtig gehandelt hat (Erw. 3b).
c) Unrechtmässiger Vermögensvorteil ist alles, was sich der Täter durch die begangene Straftat verschafft hat, ohne Abzug der zur Erlangung der Drogen nötigen Auslagen (Erw. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 360
BGE 101 IV 359 S. 360
A.-
En 1973 et 1974, F. D. et J. B. ont acheté diverses quantités de stupéfiants, qu'ils ont en partie consommés eux-mêmes et en partie revendus à des tiers. Pour D., il s'agissait principalement de morphine, et pour B., de morphine, d'héroïne, d'opium et de "brown sugar".
Le 3 mai 1975, le Tribunal correctionnel du district d'Orbe a condamné D., pour complicité de vol et infraction à la loi sur les stupéfiants, à la peine de deux ans d'emprisonnement, sous déduction de 307 jours de préventive, et à la restitution à l'Etat de 25'000 fr. d'enrichissement illégitime. Il a condamné B., pour les mêmes infractions, à deux ans d'emprisonnement, sous déduction de 164 jours de préventive, et à la restitution à l'Etat de 25'000 fr. d'enrichissement illégitime.
Le 23 juillet 1975, le Tribunal cantonal du canton de Vaud a partiellement admis un recours des condamnés et réformé le jugement du Tribunal de district en ce sens que D. a été condamné à restituer à l'Etat de Vaud 20'000 fr. et B. 15'000 fr. L'arrêt retient que ces montants correspondent au prix obtenu par chacun des intéressés lors de la vente des stupéfiants.
B.-
D. et B. ont interjeté chacun un pourvoi en nullité au Tribunal fédéral. Ils concluent tous deux à la libération de l'obligation de restituer un montant quelconque du chef de l'enrichissement illégitime. D. demande, à titre subsidiaire, que la restitution ne porte que sur une somme de 8'100 fr.
Le Procureur général du canton de Vaud conclut au rejet des pourvois.
BGE 101 IV 359 S. 361
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les recourants n'attaquent l'arrêt cantonal que dans la mesure où il les condamne à restituer à l'Etat des sommes respectivement de 20'000 et 15'000 fr. du chef de l'enrichissement illégitime provenant de la vente des stupéfiants. Cette question sera examinée à la lumière de la loi sur les stupéfiants du 3 octobre 1951 dans la teneur qui était en vigueur à la date de l'arrêt cantonal, soit le 23 juillet 1975. L'arrêt cantonal constitue en effet le prononcé du juge de répression qui fixe l'application de la loi pénale dans le temps au sens de l'art. 2 al. 2 CP (cf. RO 97 IV 235, 76 IV 261). C'est ainsi l'ancien texte de la loi sur les stupéfiants qui sera interprété et appliqué et non pas les dispositions nouvelles entrées en vigueur le 1er août 1975.
L'art. 24 de la loi applicable dispose ce qui suit: "Celui qui se procure un enrichissement illégitime en commettant une infraction au sens des
art. 19 à 22
est condamné à restitution en faveur de l'Etat." Il n'est ni contesté ni contestable que les ventes de stupéfiants auxquelles se sont livrés les recourants constituent des infractions à l'art. 19 de la loi. L'art. 24 peut donc leur être appliqué.
2.
a) Le moyen principal du premier recourant tend à demander une application différenciée de l'art. 24 de la loi sur les stupéfiants selon que le vendeur de drogue est ou non également consommateur. Constatant que la jurisprudence du Tribunal fédéral a laissé ouverte la question de savoir si la dévolution à l'Etat était obligatoire ou laissée à l'appréciation du juge (RO 100 IV 107 consid. 4 in fine), le recourant voudrait que cette question soit tranchée non seulement dans le sens de la liberté laissée au juge mais également par la fixation de critères destinés à empêcher toute application de l'art. 24 dans certains cas. Il soutient que celui qui vend de la drogue parce qu'il est amené à ce commerce pour se procurer l'argent nécessaire à l'achat de la drogue dont il a lui-même besoin doit être traité différemment que le trafiquant dont le seul but est le lucre. Il invoque également l'obstacle à la réadaptation sociale que peut constituer l'obligation de rembourser une somme importante.
BGE 101 IV 359 S. 362
b) Les moyens et considérations du recourant ne peuvent être retenus. Il ne ressort ni du texte de la loi ni de son but qu'une quelconque différence doive être faite, dans le cadre de l'art. 24 s'entend, entre le vendeur de stupéfiants qui agit uniquement pour s'enrichir et celui qui ne veut que se procurer les moyens d'acquérir de la drogue pour son usage personnel. S'agissant de la fixation de la peine, le dessein de lucre - qui peut d'ailleurs parfaitement exister chez celui qui agit pour se procurer la drogue dont il a lui-même besoin - constitue certes une circonstance aggravante, de même que les mobiles peuvent justifier une atténuation, mais l'obligation de restitution de l'enrichissement illégitime en faveur de l'Etat s'applique sans distinction à tous les vendeurs ou délinquants tombant sous le coup des
art. 19 à 22
.
Cela posé, il n'est pas nécessaire de décider si le juge a ou non l'obligation impérative de faire application de l'art. 24. En effet, même si le principe de la restitution était laissé à son appréciation, on ne saurait en aucune manière considérer comme une violation du droit fédéral le fait pour le juge d'user de la faculté que l'art. 24 lui confère en tout cas.
3.
a) Le second recourant invoque les travaux préparatoires de la loi. Il se fonde en particulier sur le fait qu'une proposition du texte allemand de l'art. 24 contenait l'expression "aus Gewinnsucht" et que celle-ci n'a été retranchée du texte définitif que pour des motifs rédactionnels et pour ne pas alourdir le texte français (Bull.stén. CE 1951 p. 336). Il en conclut que l'intention du législateur était de ne prévoir la restitution à l'Etat qu'à l'égard des auteurs agissant dans le dessein de lucre (aus Gewinnsucht).
b) Ce moyen ne résiste pas à l'examen. Lorsque la loi entend subordonner l'application d'une disposition légale à l'existence d'un dessein spécial, elle doit le dire expressément. A défaut de précision et de mention expresse dans le texte légal, on ne saurait subordonner l'application d'une disposition à l'existence de conditions particulières. On peut d'autant moins retenir le moyen du recourant que le législateur n'a pas manqué de mentionner le dessein de lucre en toutes lettres lorsqu'il a voulu que le juge en tienne compte (cf. dans cette même loi à l'art. 19).
Ainsi, de lege lata, le principe de l'application de l'art. 24 aux recourants ne peut pas être critiqué.
BGE 101 IV 359 S. 363
4.
a) A titre subsidiaire, dans le cadre de l'application de l'art. 24, les deux recourants soutiennent que, pour fixer le montant correspondant à leur enrichissement illégitime, on ne doit tenir compte que du bénéfice qu'ils ont réalisé dans leurs ventes de stupéfiants, et que l'on doit déduire du produit de celles-ci les sommes dépensées pour l'acquisition de la marchandise, soit au premier chef le prix d'achat.
b) La jurisprudence a clairement posé que, dans l'application de l'art. 24 de la loi sur les stupéfiants, l'enrichissement illégitime est constitué par tout ce que l'auteur s'est procuré par la commission de l'infraction, sans que puissent être déduits les montants dépensés pour devenir détenteur de la drogue (RO 100 IV 266; ATF Münch, 30 janvier 1974; Valseriati, 11 octobre 1974). Le même principe a d'ailleurs été posé dans l'application de l'art. 59 CP, en ce sens que ce sont tous les avantages reçus, et non pas seulement le gain net qui sont acquis à l'Etat (RO 97 IV 252). Pour déterminer l'enrichissement illégitime, il faut comparer l'état du patrimoine des recourants tel qu'il existait immédiatement avant et immédiatement après la vente des stupéfiants. Avant ce moment, leur patrimoine était diminué des frais qu'ils avaient assumés et du prix d'achat. Comme il leur était interdit de par la loi de vendre la drogue, leur patrimoine ne s'était pas accru du moindre actif légitimement négociable; ainsi tout accroissement de ce patrimoine grâce à une vente illicite effectuée postérieurement constituait bien un enrichissement illégitime (RO 100 IV 266). Il y a d'autant moins de raison de revenir sur cette jurisprudence que le nouvel art. 58 CP, dorénavant applicable aux affaires de stupéfiants, se fonde sur la notion d'avantage illicite, qui correspond dans son principe à la notion définie à propos de l'art. 24 précité.
C'est donc en harmonie avec la jurisprudence que la cour cantonale a arrêté les montants devant être restitués à l'Etat.
Les pourvois doivent donc être rejetés. | null | nan | fr | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8d47cca5-1af1-4255-b3e8-8bcab27dc841 | Urteilskopf
141 III 495
66. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause République A. contre B. International (recours en matière civile)
4A_34/2015 du 6 octobre 2015 | Regeste
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; internationale Investitionsstreitigkeiten; Zuständigkeit des Schiedsgerichts (Art. 26 des Vertrags vom 17. Dezember 1994 über die Energiecharta [VEC];
Art. 178 und 190 Abs. 2 lit. b IPRG
).
Begriffe der
contract claims
,
treaty claims
und der
Schirmklausel
nach den Art. 10 Abs. 1 und Art. 26 VEC (E. 3.2). Formelle und materielle Gültigkeit einer aus dem VEC abgeleiteten Schiedsvereinbarung (E. 3.4). Grundsätze der Auslegung eines Staatsvertrags und eines Vorbehalts einer Vertragspartei hinsichtlich der Anwendbarkeit einer Schirmklausel (E. 3.5.1). Anwendung im konkreten Fall (E. 3.5.2-3.5.5). | Erwägungen
ab Seite 496
BGE 141 III 495 S. 496
Extrait des considérants:
3.
Dans un premier et principal moyen, fondé sur l'
art. 190 al. 2 let. b LDIP
(RS 291), la recourante soutient que le Tribunal arbitral s'est déclaré à tort compétent pour connaître de la demande qui lui était soumise.
3.1
Saisi du grief d'incompétence, le Tribunal fédéral examine librement les questions de droit, y compris les questions préalables, qui déterminent la compétence ou l'incompétence du Tribunal arbitral. Il n'en devient pas pour autant une cour d'appel. Aussi ne lui incombe-t-il pas de rechercher lui-même, dans la sentence attaquée, les arguments juridiques qui pourraient justifier l'admission du grief fondé sur l'
art. 190 al. 2 let. b LDIP
. C'est bien plutôt à la partie recourante qu'il appartient d'attirer son attention sur eux, pour se conformer aux exigences de l'
art. 77 al. 3 LTF
(
ATF 134 III 565
consid. 3.1 et les arrêts cités).
En revanche, le Tribunal fédéral ne revoit les constatations de fait que dans les limites usuelles, même lorsqu'il statue sur le moyen pris de l'incompétence du Tribunal arbitral (arrêt 4A_676/2014 du 3 juin 2015 consid. 3.1).
3.2
La bonne compréhension des motifs retenus par le Tribunal arbitral pour admettre sa compétence et des arguments avancés par les parties, qui pour la lui dénier, qui pour cautionner sa décision, nécessite que soient tracées, au préalable, les limites du cadre juridique dans lequel s'inscrit la problématique soulevée par la recourante.
3.2.1
L'art. 10 par. 1 du Traité du 17 décembre 1994 sur la Charte de l'energie (RS 0.730.0; ci-après: TCE; en anglais: Energy Charter Treaty ou ECT), inséré dans la partie III du traité, énonce ce qui suit, sous le titre "Promotion, protection et traitement des investissements":
"Chaque partie contractante encourage et crée, conformément aux dispositions du présent traité, des conditions stables, équitables, favorables et transparentes pour la réalisation d'investissements dans sa zone par les investisseurs des autres parties contractantes. Ces conditions comprennent l'engagement d'accorder, à tout instant, un traitement loyal et équitable aux investissements des investisseurs des autres parties contractantes. Ces investissements bénéficient également d'une protection et d'une sécurité les plus constantes possible, et aucune partie contractante n'entrave, en aucune manière, par des mesures déraisonnables ou discriminatoires, leur gestion, maintien, utilisation, jouissance ou disposition. En aucun cas, ces investissements ne peuvent être traités d'une manière moins
BGE 141 III 495 S. 497
favorable que celle requise par le droit international, y compris les obligations conventionnelles. Chaque partie contractante respecte les obligations qu'elle a contractées vis-à-vis d'un investisseur ou à l'égard des investissements d'un investisseur d'une autre partie contractante."
En tant qu'il intéresse la présente procédure, l'art. 26 TCE, consacré au "[r]èglement des différends entre un investisseur et une partie contractante", contient notamment les dispositions suivantes:
"1. Les différends qui opposent une partie contractante et un investisseur d'une autre partie contractante au sujet d'un investissement réalisé par ce dernier dans la zone de la première et qui portent sur un manquement allégué à une obligation de la première partie contractante au titre de la partie III sont, dans la mesure du possible, réglés à l'amiable.
2. Si un différend de ce type n'a pu être réglé conformément aux dispositions du paragraphe 1 dans un délai de trois mois à compter du moment où l'une des parties au différend a sollicité un règlement à l'amiable, l'investisseur partie au différend peut choisir de le soumettre, en vue de son règlement:
a) aux juridictions judiciaires ou administratives de la partie contractante qui est partie au différend; ou
b) conformément à toute procédure de règlement des différends applicable préalablement convenue; ou
c) conformément aux paragraphes suivants du présent article.
3. a) Sous réserve des seuls points b) et c), chaque partie contractante donne son consentement inconditionnel à la soumission de tout différend à une procédure d'arbitrage ou de conciliation internationale, conformément aux dispositions du présent article.
b) ...
c) Les parties contractantes énumérées à l'annexe IA ne donnent pas ce consentement inconditionnel pour les différends survenant au sujet de la disposition contenue dans la dernière phrase de l'art. 10, par. 1.
4. [énumération des différentes procédures d'arbitrage entrant en ligne de compte]
6. Un tribunal constitué selon les dispositions du par. 4 statue sur les questions litigieuses conformément au présent traité et aux règles et principes applicables de droit international."
A. est l'une des quatre parties contractantes énumérées à l'annexe IA, au sens de l'art. 26 par. 3 point c) TCE.
3.2.2
Le contentieux des investissements internationaux, phase procédurale de la protection des investisseurs étrangers contre les actes de l'Etat d'accueil portant atteinte à leurs droits, fait appel à une distinction fondamentale entre les
contract claims
et les
treaty claims
:
BGE 141 III 495 S. 498
les premières sont des réclamations que les investisseurs élèvent en se fondant sur le contrat qu'ils ont conclu avec l'Etat d'accueil ou avec une autre personne publique dépendant de cet Etat; les secondes sont celles qui se basent sur un traité conclu entre l'Etat national des investisseurs et l'Etat d'accueil pour la protection réciproque de leurs investisseurs (cf., parmi d'autres: PIERRE MAYER, Contract claims et clauses juridictionnelles des traités relatifs à la protection des investissements, Journal du Droit International, 2009, p. 71 ss, 72).
Les traités sur la protection des investissements, qu'ils soient bilatéraux ou multilatéraux, contiennent des engagements matériels repris de la pratique antérieure des juridictions internationales en matière de droit international général, tels que l'exigence d'un traitement loyal et équitable, la prohibition des mesures discriminatoires ou l'interdiction des expropriations et nationalisations sans indemnité. Ces traités contiennent surtout une clause juridictionnelle en vertu de laquelle chaque Etat accepte par avance, au profit des investisseurs nationaux de l'autre Etat ou des autres Etats qui investissent sur son territoire, que les litiges relatifs à l'investissement soient portés contre lui par l'investisseur devant un tribunal arbitral indépendant (MAYER, op. cit., p. 73 s. n. 3). Tel est le cas du TCE qui, à son art. 26 par. 2 point c), en liaison avec le par. 4, offre le choix à l'investisseur - il peut aussi porter l'affaire devant les juridictions judiciaires ou administratives de l'Etat d'accueil partie au différend ou recourir au mode de règlement des litiges préalablement convenu (art. 26 par. 2 points a) et b) TCE) - entre plusieurs types d'arbitrage pour faire trancher tout litige concernant des
treaty claims
(arbitrage du Centre international pour le règlement des différends relatifs aux investissements [CIRDI],arbitrage ad hoc selon le règlement CNUDCI ou arbitrage sous l'égide de l'Institut d'arbitrage de la Chambre de commerce de Stockholm).
Les
contract claims
, en revanche, sont exorbitantes du traité de protection des investissements et de ses clauses juridictionnelles. Elles relèvent des tribunaux nationaux de l'Etat d'accueil ou, si le contrat d'investissement contient une clause compromissoire, du tribunal arbitral désigné par cette clause.
Le risque est grand, pour l'investisseur qui se plaint d'une violation du contrat passé avec l'Etat d'accueil, de voir ses
contract claims
laissées sans réponse ou d'être éconduit par les tribunaux de ce même Etat, trop conciliants à l'égard d'une corporation de droit public dont
BGE 141 III 495 S. 499
ils sont un organe, voire d'être contraint d'agir devant un tribunal arbitral manquant d'indépendance. C'est la raison pour laquelle d'aucuns ont eu l'idée d'insérer dans les traités sur la protection des investissements une clause de respect des engagements, appelée aussi clause de couverture, clause ascenseur ou clause à effet miroir, mais le plus souvent dénommée clause parapluie(
umbrella clause
). Quel que soit son nom, cette clause désigne la disposition d'un traité d'investissement par laquelle chaque Etat partie s'engage, selon des formulations variables, à respecter toute obligation concernant des investissements réalisés par des ressortissants de l'autre Etat (GÉRARD CAHIN, La clause de couverture [dite
umbrella clause]
, Revue Générale de Droit International Public 2015 p. 103 ss, 103). En d'autres termes, la clause de couverture place le contrat conclu par l'investisseur avec l'Etat d'accueil directement sous la protection du traité bilatéral ou multilatéral touchant les investissements, lequel traité vient abriter en quelque sorte le contrat sous son parapluie, si bien que toute méconnaissance d'une obligation contractuelle se double, ipso facto, d'une violation d'un engagement international et que les
contract claims
en découlant peuvent être invoquées devant l'organe juridictionnel prévu par le traité (MAYER, op. cit., p. 80; CAHIN, op. cit., p. 127 ss). Ledit organe sera le plus souvent un tribunal arbitral statuant sous l'égide d'une institution d'arbitrage internationale, tel le CIRDI. Pour le surplus, la clause en question est entourée d'incertitudes, qu'il s'agisse de l'étendue des obligations protégées, de ses effets juridiques ou de sa fonction juridictionnelle (CAHIN, op. cit., p. 105), et les tribunaux arbitraux qui ont eu à l'examiner sont divisés sur sa portée (MAYER, op. cit., p. 80 et les sentences arbitrales citées en notes de pied 25-27). Ce n'est pas le lieu d'entrer dans cette controverse. On se contentera d'examiner, ci-après, les questions juridiques indispensables au traitement du cas concret.
La dernière phrase de l'art. 10 par. 1 TCE constitue indéniablement une clause parapluie. Il est tout aussi incontestable que A. a fait usage de la possibilité, réservée à l'art. 26 par. 3 point c) TCE, de ne pas donner son consentement inconditionnel à la soumission de tout différend à une procédure d'arbitrage ou de conciliation internationale pour les différends tombant sous le coup de cette clause parapluie. Le litige divisant les parties suppose que soit déterminée l'incidence de ladite clause et de la réserve qui l'affecte sur les prétentions élevées par l'intimée et, partant, sur la compétence du Tribunal arbitral.
BGE 141 III 495 S. 500
La Cour de céans procédera à cette recherche en se fondant sur le texte original de la sentence déférée, afin d'éviter les discussions pouvant résulter d'un éventuel désaccord entre les parties quant à la fidélité de la traduction des passages pertinents proposée dans leurs écritures respectives.
3.3
3.3.1
Dans sa sentence du 3 décembre 2014, le Tribunal arbitral, après avoir résumé les arguments développés par la recourante (n. 270 à 276) et par l'intimée (n. 277 à 279), respectivement défenderesse (
Respondent
) et demanderesse (
Claimant
) dans la procédure arbitrale, a motivé en ces termes sa décision d'admettre sa compétence pour connaître de la demande formée par l'intimée:
"280.
First, the Tribunal notes that the Claimant's primary request for relief, in its Claim (i), seeks a declaration "that Respondent has breached Article 10(1) of the ECT". This paragraph of Article 10 indeed includes the last sentence which is considered as the umbrella clause.
281.
However, in reply to the Respondent, the Claimant expressly states that it does not raise an umbrella clause claim under the last sentence of that provision. The Claimant's request for relief, therefore, is to be interpreted with that qualification and limitation. Consequently, the Claimant's argumentation for a breach does not in any way focus on a breach of the last sentence, but only on the earlier sentences of Article 10(1).
282.
In this context, the Respondent argues that, even though the Claimant invokes the language of FET [acronyme pour Fair and Equitable Treatment] and unreasonable impairment, what it really asserts is an umbrella clause claim falling within the last sentence of Article 10(1) ECT. The Tribunal is not persuaded by that argument. When considering the Respondent's conduct under the criteria of FET and unreasonable impairment, all of that conduct can be relied on. This conduct includes the PPAs [acronyme pour Power Purchasing Agreements] and other contractuel arrangements between the parties which are obviously a very relevant framework regarding the expectations of the Parties. Further, their implementation by each of the Parties is indeed relevant for the examination of whether there may be a breach of the provisions on FET and unreasonable impairment. That does not make them a claim under the umbrella clause.
283.
Accordingly, the Tribunal will not examine whether the umbrella clause has been breached, but concludes that this will not prevent it from accepting jurisdiction over the claims raised regarding alleged breaches of the earlier sentences of Article 10(1) ECT."
BGE 141 III 495 S. 501
3.3.2
Pour contester les motifs ainsi retenus par le Tribunal arbitral et la conclusion qu'il en a tirée quant à sa compétence, la recourante se lance dans une longue argumentation, souvent redondante, qu'elle est toutefois parvenue à résumer en quelques lignes. A l'en croire, les arbitres n'auraient pas procédé à une analyse approfondie de la véritable nature des demandes formulées par l'intimée, pour s'en tenir à la qualification, proposée par cette dernière, selon laquelle ses demandes étaient basées sur le devoir d'accorder un traitement juste et équitable à l'investisseur. Par cette qualification, l'intéressée aurait cherché uniquement à bénéficier du consentement à l'arbitrage donné par la recourante, alors que les demandes étaient, en réalité, fondées sur la clause parapluie pour laquelle cette partie avait exclu son consentement. Le Tribunal arbitral aurait donc statué sans convention d'arbitrage.
La Cour de céans examinera le grief tiré de l'incompétence du Tribunal arbitral en focalisant son attention sur son essence même, telle qu'elle ressort de ce résumé. Aussi ne se déterminera-t-elle pas sur l'ensemble des moyens développés dans les écritures de la recourante, dont elle a dûment pris connaissance, certains d'entre eux - agrémentés parfois de schémas explicatifs - méconnaissant d'ailleurs les règles susmentionnées touchant la réplique, mais se bornera-t-elle à analyser ceux qui lui paraissent objectivement pertinents au regard du grief considéré.
3.4
3.4.1
La convention d'arbitrage doit satisfaire aux exigences posées à l'
art. 178 LDIP
.
En vertu de l'art. 26 par. 3 point a) TCE, chaque partie contractante donne son consentement inconditionnel à la soumission de tout différend à une procédure d'arbitrage ou de conciliation internationale prévue par les dispositions du même article. Quant à l'art. 26 par. 4 TCE, il prévoit, en substance, que, si un investisseur choisit la voie arbitrale pour faire trancher le différend qui l'oppose à une partie contractante, il donne son consentement par écrit pour que le différend soit porté devant l'une des institutions d'arbitrage énumérées dans la suite de la clause. L'art. 26 par. 5 point a) let. ii) ajoute que le consentement prévu au par. 3 et le consentement écrit donné par l'investisseur en application du par. 4 sont considérés comme satisfaisant à l'exigence d'un accord par écrit aux fins de l'art. II de la Convention de New York du 10 juin 1958 pour la reconnaissance et
BGE 141 III 495 S. 502
l'exécution des sentences arbitrales étrangères (RS 0.277.12). Or, les exigences formelles posées à l'art. II al. 2 de cette convention ne sont en tout cas pas moins strictes que celles qui caractérisent la forme écrite simplifiée prescrite par l'
art. 178 al. 1 LDIP
(
ATF 121 III 38
consid. 2c p. 44; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, Arbitrage international, 2
e
éd. 2010, n. 212 et 212a). Aussi n'est-il pas contestable, ni contesté d'ailleurs, que les clauses citées du TCE satisfont à la forme requise par cette dernière disposition.
3.4.2
En vertu de l'
art. 178 al. 2 LDIP
, la convention d'arbitrage est valable, s'agissant du fond, si elle répond aux conditions que pose soit le droit choisi par les parties, soit le droit régissant l'objet du litige et notamment le droit applicable au contrat principal, soit encore le droit suisse. La disposition citée consacre trois rattachements alternatifs
in favorem validitatis
, sans aucune hiérarchie entre eux, à savoir le droit choisi par les parties, le droit régissant l'objet du litige (
lex causae
) et le droit suisse en tant que droit du siège de l'arbitrage (
ATF 129 III 727
consid. 5.3.2 p. 736).
Le Tribunal arbitral, dont le siège a été fixé à Zurich, a statué sur sa propre compétence et jugé la cause à la lumière du TCE, convention qui fait partie intégrante du droit suisse et qui ne renvoie pas au droit d'un autre Etat pour l'interprétation et l'application de sa clause juridictionnelle. Faute d'une élection de droit se rapportant à ladite clause, le droit suisse constitue donc à la fois la
lex causae
et la
lex fori
en l'occurrence. L'examen de la Cour de céans se limitera donc à la question de savoir si le Tribunal arbitral a méconnu le droit suisse - concrètement, le TCE - en admettant sa compétence.
Il sied de préciser, à cet égard, que la convention d'arbitrage résulte,
in casu
, d'un mécanisme particulier puisque son point d'ancrage se situe directement dans un traité multilatéral conclu par des Etats pour la protection des investissements, traité dont une disposition prévoit le recours à l'arbitrage pour régler les différends relatifs aux prétendues violations de ses clauses matérielles (appelées aussi substantielles). La pratique arbitrale assimile pareille disposition à une offre de chacun des Etats contractants de résoudre par l'arbitrage les litiges qui pourraient l'opposer aux investisseurs (non parties au traité) des autres Etats contractants. La convention d'arbitrage n'est conclue qu'au moment où l'investisseur accepte l'offre de l'Etat, ce qu'il fera le plus souvent par l'acte concluant que constitue le dépôt d'une requête d'arbitrage (KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, op. cit., n. 230 et note
BGE 141 III 495 S. 503
de pied 148). L'art. 26 par. 4 TCE exige, il est vrai, que l'investisseur donne son consentement par écrit. Cependant, la recourante n'allègue pas que l'intimée ne l'aurait pas fait, ni ne se prévaut d'un éventuel vice de forme susceptible d'invalider l'acceptation de l'offre. D'où il suit que l'existence d'une convention d'arbitrage doit être admise, sous cette modalité atypique que la jurisprudence a envisagé de rapprocher de la stipulation pour autrui au sens de l'
art. 112 CO
(arrêts 4P.114/2006 du 7 septembre 2006 consid. 4.1; 1P.113/2000 du 20 septembre 2000 consid. 1c).
3.5
Ainsi que l'art. 26 par. 3 point c) TCE l'y autorisait, la recourante, à l'instar de trois autres parties contractantes, n'a pas donné son consentement inconditionnel pour les différends survenant au sujet de la disposition contenue dans la dernière phrase de l'article 10 par. 1 de ce traité, c'est-à-dire la clause parapluie. Il y a lieu d'envisager la portée de cette manifestation de volonté unilatérale, faite en application de la clause topique du traité multilatéral en question, afin de déterminer si les prétentions élevées par l'intimée tombaient sous le coup de ladite clause. Si tel était le cas, les arbitres se seraient déclarés à tort compétents pour connaître du différend opposant les parties et le grief fondé sur l'
art. 190 al. 2 let. b LDIP
devrait être admis.
3.5.1
Comme tout traité, le TCE doit être interprété de bonne foi, suivant le sens ordinaire à attribuer aux termes du traité dans leur contexte et à la lumière de son objet et de son but (art. 31 al. 1 de la Convention de Vienne du 23 mai 1969 sur le droit des traités [CV; RS 0.111];
ATF 131 III 227
consid. 3.1 p. 229). Au demeurant, le principe de la bonne foi est intimement lié à la règle de l'effet utile, même si cette dernière n'apparaît pas expressément à l'
art. 31 CV
. L'interprète doit donc choisir, entre plusieurs significations possibles, celle qui permet l'application effective de la clause dont on recherche le sens, en évitant toutefois d'aboutir à une signification en contradiction avec la lettre ou l'esprit du traité (arrêt 4A_736/2011 du 11 avril 2012 consid. 3.3.4).
Il n'en va pas différemment de la réserve formulée par un Etat, qui doit être considérée comme faisant partie intégrante du traité (dernier arrêt cité, consid. 3.3.1). Par "réserve", on entend une déclaration unilatérale, quel que soit son libellé ou sa désignation, faite par un Etat quand il signe, ratifie, accepte ou approuve un traité ou y adhère, par laquelle il vise à exclure ou à modifier l'effet juridique de certaines dispositions du traité dans leur application à cet Etat
BGE 141 III 495 S. 504
(
art. 2 al. 1 let
. d CV). Aux termes de l'art. 4.2.6 du Guide de la pratique sur les réserves aux traités, dont le texte a été adopté le 11 août 2011 par la Commission du droit international des Nations Unies (sur l'origine et la nature de ce document, consultable sur le site internet
http://legal.un.org
, cf. ALAIN PELLET, The ILC Guide to Practice on Reservations to Treaties: A General Presentation by the Special Rapporteur, in European Journal of International Law, 24/2013 p.1061 ss), une réserve doit être interprétée de bonne foi, en tenant compte de l'intention de son auteur telle qu'elle est reflétée en priorité par le texte de la réserve, ainsi que de l'objet et du but du traité et des circonstances dans lesquelles la réserve a été formulée (p. 25). Le Commentaire officiel de ce guide souligne, entre autres précisions, que, si l'on excepte éventuellement le cas des traités des droits de l'homme, il n'y a pas lieu d'admettre qu'en règle générale, toute réserve devrait faire l'objet d'une interprétation restrictive (p. 496 n. 13).
3.5.2
Dans la partie théorique de son mémoire principal, la recourante insiste, tout d'abord, sur le fait que le consentement à l'arbitrage ne peut pas être admis à la légère (
ATF 140 III 134
consid. 3.2 p. 139). Rappelant ensuite certaines des règles susmentionnées relatives à l'interprétation des traités, elle y ajoute le principe
in dubio mitius
, qu'elle met en relation avec cette jurisprudence, pour en déduire que, dans le doute, il faut préférer l'interprétation du traité qui soit la moins onéreuse pour la partie qui s'oblige, autrement dit l'interprétation qui réduira autant que faire se peut la portée de l'acceptation de l'Etat à voir les différends l'opposant à un investisseur soumis à l'arbitrage. La recourante, références jurisprudentielles et doctrinales à l'appui (en particulier: CHRISTOPH H. SCHREUER, Fair and Equitable Treatment [FET]: interactions with other standards, in Investment Protection and the Energy Charter Treaty, Coop/Clarisse [éd.], Huntingdon: JurisNet 2008, p. 63 ss, 90), met encore l'accent sur la nécessité de distinguer entre les demandes basées sur la clause imposant un traitement loyal et équitable, d'une part, et celles qui reposent sur une clause parapluie, d'autre part, cette clause-là revêtant, à ses yeux, un caractère subsidiaire par rapport à cette clause-ci. Et de conclure en soulignant qu'en droit international de l'investissement, un tribunal arbitral ne peut pas s'en remettre simplement à la qualification que le demandeur donne à son action, mais a l'obligation de rechercher la véritable nature juridique des demandes qui lui sont soumises sur le vu des faits allégués pour les étayer.
BGE 141 III 495 S. 505
Appliquant ces principes au cas concret, la recourante précise, à titre liminaire, que la clause parapluie figurant à l'art. 10 par. 1 dernière phrase TCE, dont elle a expressément écarté l'application ainsi que le lui permettait la réserve de l'art. 26 par. 3 point c) TCE, ne concerne pas uniquement des obligations à caractère contractuel, mais n'importe quel engagement pris par l'Etat hôte envers des investisseurs d'un autre Etat partie au TCE. Cette précision apportée, elle envisage, en premier lieu, la question de savoir si les demandes de l'intimée entrent dans la catégorie de celles qui sont couvertes par la clause parapluie. A cet égard, elle reproche au Tribunal arbitral de s'être reposé sur les seules déclarations de l'intimée pour en juger. A la suivre, en effet, une analyse approfondie démontre que cette partie cherchait à être replacée dans la même situation financière que celle qui eût été la sienne si les CAE (acronyme pour Contrats d'Achat d'Energie) n'avaient pas pris fin; partant, quelle que fût l'étiquette que l'intimée tentait d'apposer sur ses demandes, ces dernières entraient bel et bien dans le champ d'application de la clause parapluie. En second lieu, la recourante fait grief aux arbitres d'avoir apparemment retenu que, si un même état de fait peut être rangé à la fois dans la catégorie des
treaty claims
et dans celle des
contract claims
, il suffit que leur compétence soit donnée à l'un ou l'autre titre. Selon l'intéressée, semblable approche, du reste contraire au principe
in dubio mitius
, prive de son sens la réserve faite par elle à l'art. 26 par. 3 point c) TCE, méconnaissant par là même le principe de l'effet utile, puisqu'aussi bien un investisseur pourrait se contenter de soutenir que sa demande repose sur ce double fondement à la seule fin de contourner la réserve émise au sujet des demandes découlant de la clause parapluie.
3.5.3
Il convient d'examiner les arguments ainsi développés par la recourante à la lumière des principes juridiques gouvernant l'interprétation des traités et des réserves qu'ils contiennent, en tenant compte des objections soulevées à leur égard dans la réponse de l'intimée. Avant d'y procéder (cf. consid. 3.5.4 ci-après), il se justifie, toutefois, d'émettre quelques considérations d'ordre théorique qui permettront de mieux comprendre les réponses apportées aux questions soulevées dans le présent recours.
3.5.3.1
On peut admettre, avec la recourante, que la clause parapluie de l'art. 10 par. 1, dernière phrase, TCE et les engagements matériels souscrits par les Etats parties au traité dans les phrases précédentes
BGE 141 III 495 S. 506
de la même disposition, tels que celui d'accorder, à tout instant, un traitement loyal et équitable aux investissements des investisseurs des autres parties contractantes, ne sont pas interchangeables. L'intimée en convient elle-même. C'est là, du reste, une constatation qui découle de la simple logique, sauf à dénier toute portée à la clause parapluie et, plus encore, à l'exclusion par une partie contractante de son consentement inconditionnel à voir les différends y relatifs soumis à la procédure d'arbitrage prévue par le traité. Pour étayer le grief de violation du standard du traitement juste et équitable contenu dans le traité, l'investisseur ne peut donc pas se contenter d'établir la seule méconnaissance, par l'Etat hôte, de ses obligations envers lui couvertes par la clause parapluie. Il lui faut, bien plutôt, démontrer, à tout le moins, que la manière dont cet Etat a traité son investissement était injuste et/ou inéquitable. Cela étant, il paraît néanmoins très difficile, pour ne pas dire exclu, de faire abstraction totale du contexte historique spécifique dans lequel l'investisseur étranger a réalisé des investissements sur le territoire de l'Etat hôte ainsi que du cadre juridique propre à ces investissements. Aussi la prise en compte de tels éléments, en particulier la référence au contrat conclu par l'investisseur avec l'Etat d'accueil, ne saurait-elle impliquer qu'une prétention fondée sur le non-respect de l'exigence d'un traitement correct et non discriminatoire doive nécessairement être rangée sous la clause parapluie de ce seul fait.
En outre, il ne va pas de soi, en ce qui concerne son champ d'application
ratione personae
, qu'une clause parapluie permette à un actionnaire étranger de se prévaloir des contrats qu'une société de droit local, objet de son investissement, a conclu avec l'Etat hôte ou avec une entreprise publique qui en dépend, la jurisprudence arbitrale étant partagée à ce sujet (cf., parmi d'autres: SOPHIE LEMAIRE, La mystérieuse Umbrella Clause [...], Revue de l'arbitrage 2009 p. 479 ss, 498-501; CAHIN, op. cit., p. 135 s., chacun avec des références jurisprudentielles). Posée autrement, la question revient à se demander si l'investisseur peut revendiquer le bénéfice d'un contrat auquel il n'est pas partie, sur le fondement de la clause parapluie. Le premier auteur cité y répond par l'affirmative, pour ce qui est du TCE, dès lors que l'art. 10 par. 1 in fine de ce traité se réfère aux obligations qu'un Etat a contractées non seulement vis-à-vis d'un investisseur, mais également "à l'égard des investissements" d'un investisseur d'une autre partie contractante, recouvrant ainsi deux réalités différentes (LEMAIRE, op. cit., p. 501 n. 51). C'est aussi l'interprétation que
BGE 141 III 495 S. 507
privilégie le document officiel établi par le Secrétariat de la Charte de l'Energie, d'après lequel "[t]his provision covers any contract thata host country has concluded with a subsidiary of the foreign investor in the host country or a contract between the host country and the parent company of the subsidiary" (The Energy Charter Treaty - A reader's guide, juin 2002, p. 26, cité par LEMAIRE, ibid.). Quant au champ d'application
ratione materiae
de la clause parapluie, la question - elle aussi controversée - se pose de savoir si toutes les sources formelles d'obligations peuvent être couvertes par cette clause, qu'elles soient contractuelles, unilatérales ou conventionnelles (cf. LEMAIRE, op. cit., p. 484 ss; CAHIN, op. cit., p. 119 ss;). LEMAIRE suggère, non sans pertinence, d'admettre que la violation d'une norme de portée générale, abstraite et hypothétique, édictée par l'Etat hôte, n'affecte pas la clause parapluie, tandis que, si la mesure contestée revêt un caractère concret et catégorique, elle constitue une décision à l'égard de laquelle l'investisseur pourra réclamer la protection de ladite clause (op. cit., p. 490 n. 26).
La déclaration unilatérale faite par la recourante en application de l'art. 26 par. 3 point c) TCE est une réserve au sens juridique du terme. Comme telle, elle doit être interprétée de bonne foi, conformément à l'intention de son auteur, qui ressort au premier chef de son texte, ainsi que de l'objet et du but du traité où elle figure, et compte tenu des circonstances dans lesquelles elle a été formulée. Quoi qu'en dise l'intimée, cette réserve ne doit pas forcément être interprétée restrictivement (cf. consid. 3.5.1, 2
e
par., ci-dessus). A l'inverse, il n'est pas possible d'entériner la démarche de la recourante qui consiste, indirectement, à élargir l'objet de la réserve en question par le truchement d'une interprétation extensive de la clause parapluie couplée avec la mise en oeuvre du principe
in dubio mitius
. Cela reviendrait à priver l'art. 10 par. 1 TCE (à l'exception de sa dernière phrase) et l'art. 26 par. 3 point a) TCE de toute portée, contrairement à la règle de l'effet utile, en ce sens que les
treaty claims
seraient assimilées aux
contract claims
et soustraites, par là même, au tribunal du traité. Pour reprendre l'image du parapluie, ce serait comme si le porteur de l'ombrelle protectrice cherchait à attirer le plus grand nombre possible de personnes sous celle-ci (interprétation extensive de la clause parapluie, alors que celle-ci vise pourtant à restreindre la souveraineté juridictionnelle de l'Etat hôte), puis fermerait brusquement le parapluie (invocation de la réserve) en laissant les infortunés sans défense face aux intempéries. Du reste, la présomption
in dubio mitius
n'est plus très appliquée (ROBERT
BGE 141 III 495 S. 508
KOLB, Interprétation et création du droit international, 2006, p. 659 note de pied 841), y compris pour l'interprétation des traités de protection des investissements (KATRIN MESCHEDE, Die Schutzwirkung von umbrella clauses für Investor-Staat-Verträge, 2014, p. 53 ss).
3.5.3.2
En vertu d'un principe général de procédure, pour trancher la question de la compétence, il faut se baser en premier lieu sur le contenu et le fondement juridique de la prétention élevée par le demandeur. L'objet de la demande est défini par celui qui la fait valoir en justice, si bien que la partie défenderesse n'a pas le pouvoir de le modifier ni de contraindre le demandeur à en changer le fondement. Le demandeur détermine la question qu'il pose au juge et celui-ci statue sur la réponse à donner à cette question. S'agissant de l'appréciation juridique des faits allégués à l'appui de la demande, le tribunal n'est cependant pas lié par l'argumentation du demandeur (
ATF 137 III 32
consid. 2.2; arrêt 4P.18/1999 du 22 mars 1999 consid. 2c).
Par ailleurs, lorsque les faits déterminants pour la compétence du tribunal le sont également pour le bien-fondé de l'action - on parle, dans ce cas, de faits doublement pertinents ou de double pertinence ("doppelrelevante Tatsachen";
ATF 141 III 294
consid. 5.1 p. 298) -, l'administration des preuves sur de tels faits est renvoyée à la phase du procès au cours de laquelle est examiné le bien-fondé de la prétention au fond. Ainsi en va-t-il notamment lorsque la compétence dépend de la nature de la prétention alléguée (même arrêt, consid. 5.2). Cependant, la théorie de la double pertinence n'entre pas en ligne de compte lorsque la compétence d'un tribunal arbitral est contestée, car il est exclu de contraindre une partie à souffrir qu'un tel tribunal se prononce sur des droits et obligations litigieux s'il n'est pas compétent pour le faire (même arrêt, consid. 5.3 et les précédents cités).
3.5.4
3.5.4.1
In casu
, c'est avec raison que le Tribunal arbitral s'est fondé au premier chef sur la demande, telle que l'intimée la lui avait présentée, pour trancher la question de sa compétence. Il n'a fait qu'obéir, de la sorte, à la règle générale qui vient d'être rappelée. Par conséquent, la recourante tente en vain de présenter cette demande sous un autre jour, de lui donner une coloration différente, bref de la remodeler à sa guise afin de la faire entrer dans les prévisions de la clause parapluie, dont la réserve formulée par elle paralyse l'application.
Au demeurant, quoi qu'en dise l'intéressée, les arbitres ne s'en sont pas remis aveuglément à la qualification juridique que l'intimée
BGE 141 III 495 S. 509
avait donnée à sa demande, s'agissant d'un point de droit à l'égard duquel ils jouissaient d'un plein pouvoir d'examen. Si l'on fait abstraction de ses conclusions en constatation de droit (i) et (ii), la demande de l'intimée, dans son dernier état, comportait quatre conclusions condamnatoires sur le fond, dirigées contre la recourante, plus précisément une conclusion principale et trois conclusions subsidiaires. La conclusion principale (iii) visait à la réparation du dommage résultant de la résiliation des CAE et de l'adoption du décret n° 50/2011. Elle a été écartée par le Tribunal arbitral, motif pris de ce que la résiliation incriminée ne constituait pas en soi une violation de l'art. 10 al. 1 TCE. Le même sort a été réservé à la première conclusion subsidiaire (iv), laquelle tendait à l'indemnisation du préjudice issu, outre de l'adoption dudit décret, de l'absence de mise en place, par la recourante, d'un mécanisme de compensation des coûts échoués propre à rétablir les bénéfices engendrés par les CAE. Pour les arbitres, qui se sont rangés sur ce point à l'avis de la recourante, suivre la théorie du dommage formulée dans cette conclusion eût été une manière d'admettre la tentative de l'intimée de réintroduire les CAE. En revanche, le Tribunal arbitral a considéré que les dommages-intérêts réclamés via la deuxième conclusion subsidiaire (v), au double titre de l'adoption du susdit décret, d'une part, et du défaut de mise en oeuvre d'un mécanisme de compensation des coûts échoués de nature à procurer à C. (société de l'Etat hôte, dont l'intimée avait acquis la quasi-totalité des actions) un retour sur investissement raisonnable, d'autre part, n'équivalaient pas à créer un CAE artificiel (
a synthetic PPA
), raison pour laquelle il est entré en matière sur cette conclusion-là. Quant à la troisième conclusion subsidiaire (vi), fondée exclusivement sur le préjudice lié à l'adoption du décret n° 50/2011, les arbitres ne s'y sont pas arrêtés parce qu'elle faisait double emploi, selon eux, avec une partie de la conclusion précédente.
Selon la recourante, ces explications n'auraient pas trait à la compétence du Tribunal arbitral, mais au calcul du dommage. Rien n'est moins sûr. Il en appert, au contraire, qu'elles s'inscrivent dans une démarche visant à distinguer les conclusions de la demande en fonction de leur nature juridique respective, et non à établir le quantum du préjudice, sans qu'importe, à cet égard, le fait qu'elles n'apparaissent pas dans le chapitre traitant spécifiquement de la compétence. En effectuant une telle démarche, les arbitres ne se sont donc pas reposés sur les seules allégations de l'intimée, comme si la théorie des faits de double pertinence eût été applicable. Ils ont, bien plutôt,
BGE 141 III 495 S. 510
cherché à découvrir à quoi correspondaient, juridiquement parlant, les faits avancés par cette partie pour étayer ses prétentions, faits dont l'existence en tant que telle n'était au demeurant pas litigieuse.
3.5.4.2
En l'occurrence, l'intimée, comme elle le relève à juste titre, n'a jamais prétendu que D. (société d'Etat avec qui C. avait conclu les CAE) aurait violé ses obligations contractuelles envers C. en résiliant prématurément les CAE. Elle aurait difficilement pu soutenir un tel point de vue, d'ailleurs, dès lors que cette résiliation avait été imposée à D., via la recourante, par une décision de la Commission européenne (CE) à laquelle il ne lui était pas possible de se soustraire. L'intimée n'a pas non plus fait valoir que l'une ou l'autre des clauses des CAE aurait été méconnue par D. Il sied d'observer, par ailleurs, encore que la chose ne devrait pas forcément constituer une objection dirimante à la mise en oeuvre de la clause parapluie (cf. consid. 3.5.3.1, 2
e
par., ci-dessus), que ni l'investisseur, i.e. l'intimée, ni l'Etat hôte, à savoir la recourante, n'étaient parties aux CAE. Ces derniers, qui plus est, avaient été conclus avant l'arrivée de l'investisseur. Aussi, vouloir ranger à tout prix dans la catégorie des
contract claims
la prétention élevée par l'intimée au moyen de sa conclusion (v) - la seule à avoir été accueillie par le Tribunal arbitral - est une démarche qui ne tient pas compte des circonstances du cas concret.
Le Tribunal arbitral a bien vu que ce qui était reproché à la recourante, à l'appui de ladite conclusion, c'était de ne pas avoir mis en place un système d'indemnisation raisonnable des coûts échoués de C., qui eût offert à cette filiale de l'intimée une compensation adéquate de tels coûts, alors que semblable compensation était non seulement permise par le droit de l'Union européenne (UE), mais encore encouragée par les conseillers étrangers de la recourante et la CE notamment. On ne peut que l'approuver d'avoir considéré que pareil reproche s'inscrivait dans le cadre des devoirs généraux, faits à l'Etat d'accueil par les premières phrases de l'art. 10 par. 1 TCE, d'accorder un traitement loyal et équitable aux investissements des investisseurs des autres parties contractantes et de ne point en entraver la jouissance ou le maintien par des mesures déraisonnables ou discriminatoires. Il n'était ainsi nullement contraire à cette norme conventionnelle de qualifier la demande liée à ce reproche de
treaty claim
et d'admettre, partant, qu'elle était exorbitante de la réserve affectant la clause parapluie.
BGE 141 III 495 S. 511
3.5.4.3
Si l'on comprend bien la recourante, le seul fait qu'il y ait pu y avoir un lien entre les attentes légitimes de l'intimée quant à la protection de ses investissements, d'une part, et l'existence ou le maintien des CAE, d'autre part, suffirait à faire des demandes fondées sur le prétendu non-respect des promesses génératrices de telles attentes des
contract claims
. Semblable thèse ne convainc pas. Poussée dans ses extrémités, elle reviendrait à interdire à un investisseur de dénoncer une violation du standard du traitement juste et équitable contenu dans le traité au seul motif qu'il a investi des fonds dans l'Etat d'accueil en vue de bénéficier des conditions avantageuses auxquelles une société contrôlée par cet Etat achetait l'énergie produite par le fournisseur objet de son investissement. Interprété de la sorte, l'art. 10 par. 1 TEC, qui impose le respect de ce standard, serait privé d'effet utile. Du reste et sur un plan plus général, on ne voit pas qu'il soit possible de faire abstraction totale du contexte factuel et du cadre juridique dans lesquels les investissements ont été opérés lorsqu'il s'agit de vérifier que l'auteur de ceux-ci a été traité par la suite de manière juste, équitable et non discriminatoire. Ce serait oublier que le fait même d'investir est déjà en soi un acte appréhendé par le droit.
Les remarques précédentes peuvent être opposées également,
mutatis mutandis
, à l'argument de la recourante selon lequel la clause parapluie ne serait pas limitée aux seuls engagements contractuels pris par l'Etat hôte, mais viserait encore d'autres sources formelles d'obligations, tels des actes gouvernementaux à caractère unilatéral (cf., sur ce point, le consid. 3.5.3.1, 2
e
par. in fine, ci-dessus).
3.5.4.4
Enfin, pour les raisons déjà exposées plus haut (consid. 3.5.3.1, 3
e
par.), les principes généraux en matière d'interprétation des traités et des réserves y figurant ne sont d'aucun secours à la recourante.
3.5.5
Il suit de là que le Tribunal arbitral s'est déclaré à bon droit compétent pour se prononcer sur la conclusion (v) que l'intimée lui avait soumise. Partant, le grief fondé sur l'
art. 190 al. 2 let. b LDIP
tombe à faux. | null | nan | fr | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8d4b8024-6c92-4ba1-a62e-ae5f28009e7f | Urteilskopf
91 IV 74
23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Juni 1965 i.S. Rominger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden. | Regeste
1. Verhältnis von
Art. 31 Abs. 1 SVG
zu
Art. 32 Abs. 1 SVG
. Die allgemeine Bestimmung des Art. 31 Abs. 1 ist neben Art. 32 Abs. 1 nicht anzuwenden, wenn die Nichtbeherrschung des Fahrzeuges einzig auf übersetzte Geschwindigkeit zurückzuführen ist (Erw. 2).
2.
Art. 32 Abs. 1 SVG
,
Art. 4 Abs. 1 VRV
. Bemessung der Geschwindigkeit nach der Sichtweite. Der Fahrzeugführer hat auf Strassen, deren Breite ein gefahrloses Kreuzen zulässt, nicht zum vorneherein damit zu rechnen, dass am Ende der Sichtweite auf seiner Fahrbahn ein entgegenkommendes Fahrzeug auftauchen könnte (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 75
BGE 91 IV 74 S. 75
A.-
Rominger kreuzte am Vormittag des 21. September 1963 in einer Linkskurve zwischen Fideris-Station und Küblis mit seinem Mercedes-Lastwagen einen 2,5 m breiten Sattelschlepper. Die Asphaltstrasse ist in der Kurve 6 m breit und war vom Regen nass. Der Führer des Sattelschleppers, Bacchetta, der sich auf der Bergseite befand, fuhr stark links in die Kurve, so dass für den Verkehr aus der Gegenrichtung nur noch ein Fahrbahnstreifen von 1,5 m Breite übrig blieb. Infolge der Unübersichtlichkeit der Kurve sah sich Rominger, der korrekt rechts fuhr, plötzlich auf ca. 20 m dem in der Mitte der Strasse daherkommenden Sattelschlepper gegenüber. Er bremste, kam dabei ins Schleudern und fuhr, während Bacchetta den Schlepper inzwischen wieder nach rechts gesteuert hatte, gegen die linke Vorderseite des Sattelanhängers. Durch den Zusammenstoss entstand besonders am Mercedes-Lastwagen bedeutender Sachschaden; Rominger wurde verletzt.
B.-
Der Kreispräsident von Jenaz büsste Rominger durch Strafmandat vom 30. Dezember 1964 wegen Nichtbeherrschung des Fahrzeuges und übersetzter Geschwindigkeit mit Fr. 60.-.
Der Kreisgerichtsausschuss Jenaz sprach Rominger am 3. April 1965 in Bestätigung des Strafmandates der Übertretung von
Art. 31 Abs. 1 und
Art. 32 Abs. 1 SVG
schuldig, setzte dagegen die Busse auf Fr. 40.- herab.
Bacchetta wurde durch Strafmandat des Kreispräsidenten wegen Widerhandlung gegen das Gebot des Rechtsfahrens (
Art. 34 Abs. 1 SVG
) mit Fr. 80.- gebüsst.
C.-
Rominger führt gegen das Urteil des Kreisgerichtsausschusses Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
BGE 91 IV 74 S. 76
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
.....
2.
Dem Beschwerdeführer wird nur vorgeworfen, er habe wegen übersetzter Geschwindigkeit der Gefahr eines Zusammenstosses nicht pflichtgemäss begegnen können, nicht auch, er habe sein Fahrzeug aus einem weitern Grunde, z.B. wegen zu später oder unrichtiger Reaktion, nicht beherrscht. Als verletzte Bestimmung kommt daher nur
Art. 32 Abs. 1 SVG
in Betracht, welche die Fahrgeschwindigkeit als eine der Voraussetzungen der Beherrschung des Fahrzeuges besonders regelt. Dass im angefochtenen Urteil sowohl die allgemeine Bestimmung des Art. 31 Abs. 1 wie die spezielle des
Art. 32 Abs. 1 SVG
im Urteilsspruch angeführt werden, hat jedoch auf die Bemessung der Busse offensichtlich keinen Einfluss gehabt. Der Irrtum der Vorinstanz ist infolgedessen unerheblich (
BGE 79 IV 89
).
3.
Nach
Art. 32 Abs. 1 SVG
ist die Geschwindigkeit stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Zur Anpassung der Geschwindigkeit an die Sichtverhältnisse bestimmt
Art. 4 Abs. 1 VRV
, dass der Fahrzeugführer imstande sein muss, innerhalb der überblickbaren Strecke anzuhalten. Diese Regel gilt auf Strassen, auf denen Fahrzeuge, wenn sie vorschriftsgemäss fahren, gefahrlos kreuzen können; wo dagegen die Breite der Fahrbahn erkennen lässt, dass ein Kreuzen schwierig ist, muss der Fahrzeugführer die Geschwindigkeit so bemessen, dass er auf halbe Sichtweite halten kann (
Art. 4 Abs. 1 Satz 2 VRV
).
a) Mit der Vorschrift, dass der Fahrzeugführer nicht schneller fahren darf, als dass er innerhalb der überblickbaren Strecke anhalten kann (
Art. 4 Abs. 1 VRV
), will verhindert werden, dass er am Ende der Sichtweite, z.B. in einer unübersichtlichen Biegung oder nach einer Kuppe, auf Hindernisse stosse, die in seiner Fahrbahn stille stehen oder sich in der gleichen Richtung bewegen. Mit Hindernissen dieser Art muss auf Strassen mit beschränkter Sicht allgemein gerechnet werden, weshalb sich der Führer nicht auf die Unvorhersehbarkeit solcher Gefahren berufen kann (
BGE 89 IV 25
). Dagegen muss er darauf, dass am Ende der Sichtstrecke auf seiner Fahrbahn ein aus der Gegenrichtung kommendes Fahrzeug auftauchen könnte, das
BGE 91 IV 74 S. 77
seinen Anhalteweg verkürzt, nicht zum vorneherein gefasst sein, ansonst die Vorschrift, er müsse auf Sichtweite anhalten können, keinen Sinn hätte. Ebenso hat schon die frühere Rechtsprechung entschieden mit der Begründung, dass andernfalls unübersichtliche Kurven nur noch im Schrittempo befahren werden könnten (
BGE 84 IV 106
/7).
Das Gegenteil wurde weder in
BGE 89 IV 23
ff. noch in
BGE 90 IV 32
ff. gesagt, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint. Die vorliegende Frage ist in diesen Entscheidungen nicht behandelt worden. Hingegen wurde dort darauf hingewiesen, dass der Führer bei der Bemessung der Geschwindigkeit allenfalls auch mit Hindernissen zu rechnen habe, die sich noch nicht auf der Fahrbahn befinden, aber innerhalb der Sichtweite plötzlich auf ihr erscheinen können, wie z.B. neben der Strasse spielende Kinder (
Art. 4 Abs. 3 VRV
;
BGE 89 IV 25
). Die Regel des
Art. 4 Abs. 1 VRV
gilt jedoch nur im Hinblick auf Hindernisse, die am Ende der Sichtstrecke auftreten können; sie setzt also voraus, dass die überblickbare Strecke frei ist, d.h. dass mit dem Auftauchen von Gefahren innerhalb der Sichtweite nicht gerechnet werden muss.
b) Nach der Feststellung der Vorinstanz sah sich der Beschwerdeführer auf ca. 20 m dem in der Kurve auftauchenden Sattelschlepper gegenüber. Die Sichtweite betrug demnach rund 20 m. Dafür, dass der Beschwerdeführer mit plötzlich auftretenden Hindernissen innerhalb dieser Strecke hätte rechnen müssen, liegt nichts vor. Er brauchte sich auf der 6 m breiten Strasse auch nicht darauf einzustellen, dass das Kreuzen mit andern Fahrzeugen im Sinne des
Art. 4 Abs. 1 VRV
schwierig sei. Das ist es selbst mit einem 2,5 m breiten Fahrzeug nicht, sofern jedes der kreuzenden Fahrzeuge sich gemäss
Art. 34 Abs. 1 SVG
möglichst an den rechten Strassenrand hält. Es ist Sache der Führer derart breiter Fahrzeuge, in Biegungen entsprechend langsam zu fahren, damit sie cinerseits auf ihrer Strassenhälfte bleiben und anderseits den Strassenrand und die ihn allfällig begrenzenden Mauern, Häge u. dgl. nicht berühren. Sind sie aber infolge der Enge der Biegung gezwungen, nahe an der Strassenmitte zu fahren oder sie sogar zu überschreiten, so haben sie nach
Art. 40 SVG
die übrigen Strassenbenützer zu warnen, was hier nicht geschehen ist. Der Beschwerdeführer musste unter diesen Umständen nicht erwarten, dass ihm in seiner Fahrbahn ein Motorwagen entgegenkomme.
BGE 91 IV 74 S. 78
Er fuhr daher mit angemessener Geschwindigkeit, wenn sie ihm erlaubte, auf die Sichtweite von 20 m sicher anzuhalten.
Nach den von der Vorinstanz nicht widerlegten Angaben des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass er sich mit einer Geschwindigkeit von 40 km/Std der Kurve näherte. Nach der Paravit-Tabelle, die beim Fahren auf nasser Strasse mit einer Bremsverzögerung von 3,0 m/sec2 rechnet, beträgt die Anhaltestrecke bei guten Bremsen und guten Reifen sowie einer Sekunde Reaktionszeit 31,6 m. Auch wenn eine Bremsverzögerung von 4 oder 4,5 m/sec2 zugrunde gelegt wird, wie sie nach BRÜDERLIN (Die Mechanik des Verkehrsunfalles, Tabelle II, S. 114) auf nasser, aber nicht schlüpfriger Strasse erreicht werden kann, hätte der Beschwerdeführer immer noch 26,5 oder 24,8 m zum Anhalten benötigt. Die Geschwindigkeit von 40 km/Std war somit auf jeden Fall zu gross, um auf der Sichtstrecke von 20 m halten zu können.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8d4c0a04-ee00-4c30-9b96-a93a837d212d | Urteilskopf
102 IV 100
25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. März 1976 i.S. Mischler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden. | Regeste
Art. 125 StGB
.
Bei Unterlassungsdelikten ist der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Täters und dem Erfolg zu bejahen, wenn die vom Täter erwartete, jedoch tatsächlich unterlassene Handlung mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit den Erfolg abgewendet hätte. | Sachverhalt
ab Seite 100
BGE 102 IV 100 S. 100
A.-
Am Nachmittag des 9. April 1973 wurde die fünfjährige Beatrice Regina Lange vom automatischen Garagetor der Liegenschaft Pulvermühlestrasse 11 in Chur eingeklemmt und so schwer verletzt, dass sie voraussichtlich dauernd querschnittgelähmt bleiben wird.
Beim Garagetor handelt es sich um ein von der Firma Bator AG in Herzogenbuchsee konstruiertes automatisches Falttor. Es verfügt über zwei Sicherheitsvorrichtungen, nämlich einen pneumatischen Sicherheitswulst aus Gummi am Ende des äusseren Torflügels, der, wenn er eingedrückt wird, den Schliessvorgang unterbrechen und ein sofortiges Wiederöffnen des Tores bewirken soll, sowie einen parallel und in einem Abstand von 40 cm zum geschlossenen Tor angebrachten, auf eine fotoelektrische Zelle gerichteten Lichtstrahl, dessen Unterbrechung durch einen nicht lichtdurchlässigen Körper ebenfalls unverzüglich das Anhalten und Wiederöffnen des Tores zur Folge haben soll. Sicherheitswulst und Sicherheitslichtstrahl sind am gleichen Stromkreis angeschlossen; sie werden beide durch ein Zeitrelais gesteuert, das die Sicherheitselemente nach einer gewissen Zeit ausser Funktion setzt.
Mischler bekleidet in der Firma Bator AG den Posten des Leiters des technischen Büros für Tore, welches aus der Abteilung
BGE 102 IV 100 S. 101
für Konstruktion und Normierung und der Abteilung für Auftragsbearbeitung besteht. Er ist verantwortlich für die Konstruktion der automatischen Tore, während das zur Anwendung gelangte Steuergerät von einer Drittfirma hergestellt wird. Mischler war bekannt, dass sich mit einem Falttor der gleichen Konstruktionsart bereits am 17. April 1971 in St. Gallen ein tödlicher Unfall ereignet hatte.
B.-
Am 13. März 1975 sprach der Kreisgerichtsausschuss Chur Mischler von der Anklage der fahrlässigen Körperverletzung frei.
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden verurteilte der Kantonsgerichtsausschuss am 22. September 1975 Mischler wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 1'000.--.
C.-
Mischler führt eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Freisprechung von Schuld und Strafe.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Unter dem Titel des "adaequaten Kausalzusammenhangs" führt der Beschwerdeführer aus, es werde ihm von der Vorinstanz vorgeworfen, bei der Konstruktion des Sicherheitssystems den Sicherheitsanforderungen ungenügend Beachtung geschenkt und insbesondere aus dem Unfall in St. Gallen nicht die nötigen Lehren gezogen zu haben. Damit werde ihm eine unechte Unterlassung zur Last gelegt. Unterlassungen seien indessen nur strafbar, wenn sie für den eingetretenen, strafrechtlich erheblichen Erfolg kausal gewesen seien. Dabei gehe es nicht um eine reale, sondern um eine hypothetische Kausalität, indem geprüft werden müsse, ob der verpönte Erfolg nach allgemeiner Erfahrung hätte abgewendet werden können, wenn der Täter die ihm gebotene Pflicht zu handeln beachtet hätte (
BGE 101 IV 31
E. 3a). Die Rechtsprechung verlange einen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit, an dem es hier jedoch fehle. Der Gutachter Nusbaumer habe festgestellt, es könne heute unmöglich nachgewiesen werden, ob der pneumatische Sicherheitswulst ursprünglich nach der Installation richtig funktioniert habe. Nach dem Experten Hirsig könne der Unfall auf eine unrichtige Einstellung des Druckwellenkontakts oder auf ein dem System anhaftendes Unvermögen
BGE 102 IV 100 S. 102
zurückgehen, und der Gutachter Fasnacht meine, es bestünden gute Gründe zur Annahme, dass das Versagen der Sicherheitsvorrichtung durch unbefugte Manipulationen unbekannter Nichtfachleute verursacht worden sei. Es könne daher nicht mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene unechte Unterlassung die Ursache des strafbaren Enderfolgs gewesen sei.
Die vom Beschwerdeführer damit unter dem Titel der Adäquanz aufgeworfene Frage ist, wenn man auf die neueste Rechtsprechung abstellt, eigentlich eine solche der natürlichen Ursachenfolge. Zwar ist nicht zu übersehen, dass der vom Beschwerdeführer herangezogene Entscheid des Kassationshofes (
BGE 101 IV 31
) diesbezüglich nicht völlig klar ist. Aus
BGE 101 IV 149
ff. erhellt jedoch zweifelsfrei, dass die Frage, ob ohne die Unterlassung der Enderfolg mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre, eine solche des natürlichen Kausalzusammenhangs ist. Indessen enthält auch dieser letzte Entscheid insoweit eine Ungereimtheit, als einerseits gesagt wird, es müsse das Verhalten des Täters mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad die Ursache des strafbaren Erfolgs sein, und andererseits bei der konkreten Prüfung danach gefragt wird, ob die erwartete, aber unterlassene Handlung den Eintritt des Erfolgs höchstwahrscheinlich verhindert hätte.
Da bei unechten Unterlassungsdelikten die natürliche Kausalität nur als eine hypothetische denkbar ist, ist es folgerichtig, die Frage nach ihrem Vorliegen danach auszurichten, welche Wirkung bezüglich des Enderfolgs die Handlung gehabt hätte, die vom Täter erwartet, jedoch tatsächlich unterlassen wurde. Die unterlassene Handlung stünde dann mit dem eingetretenen Erfolg in dem gesetzmässigen Zusammenhang, wenn das gedachte Tun mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit den Erfolg abgewendet hätte, mit andern Worten, wenn die erwartete Handlung nicht hinzugedacht werden könnte, ohne dass der Erfolg höchstwahrscheinlich entfiele (s. JESCHECK, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 468/469).
Auf den vorliegenden Fall angewendet, hätte also der kantonale Richter prüfen müssen, ob die schwere Körperverletzung der Beatrice Lange mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
BGE 102 IV 100 S. 103
eingetreten wäre, wenn der Beschwerdeführer die Handlungen welche von ihm aufgrund seiner Sorgfaltspflichten als Konstrukteur des Garagetors zu erwarten waren, gesetzt hätte. Die Vorinstanz hat sich hiezu nicht geäussert. | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
8d4c5049-b6cd-4c11-8977-56894353354b | Urteilskopf
107 III 52
13. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 3. Juli 1981 i.S. X. (Rekurs) | Regeste
Betreibung einer verheirateten Frau; Betreibungsort. | Erwägungen
ab Seite 52
BGE 107 III 52 S. 52
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 25 Abs. 1 ZGB
gilt der Wohnsitz des Ehemannes als Wohnsitz der Ehefrau. Die Ehefrau kann jedoch dann einen selbständigen Wohnsitz haben, wenn der Wohnsitz des Ehemannes nicht bekannt ist oder die Ehefrau berechtigt ist, getrennt zu leben (
Art. 25 Abs. 2 ZGB
). Letzteres ist der Fall, wenn die Ehe gerichtlich getrennt ist (
Art. 146 und 147 ZGB
), wenn als richterliche Eheschutzmassnahme im Sinne von
Art. 169 Abs. 2 ZGB
die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes angeordnet wurde, wenn durch das Zusammenleben die Gesundheit, der gute Ruf oder das wirtschaftliche Auskommen eines Ehegatten ernstlich gefährdet wäre (
Art. 170 Abs. 1 ZGB
) oder wenn eine Scheidungs- oder Trennungsklage eingereicht worden ist (
Art. 170 Abs. 2 ZGB
; dazu BUCHER, N. 25 zu
Art. 25 ZGB
). Bloss faktisches Getrenntleben vermag grundsätzlich auch dann keinen selbständigen Wohnsitz der Ehefrau zu begründen, wenn der Ehemann damit einverstanden ist (vgl.
BGE 79 II 125
E. 2; LEMP, N. 23 zu
Art.
BGE 107 III 52 S. 53
170 ZGB
). ob nach einer längeren Dauer des Getrenntlebens anders zu entscheiden sei (in diesem Sinne BUCHER, N. 28 zu
Art. 25 ZGB
; anderer Meinung HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, Zusatzband 1981, S. 140), braucht hier - wie sich noch ergeben wird - nicht erörtert zu werden.
2.
Die Vorinstanz führt aus, sie habe in ihrem Entscheid 37/81 (vom 25. März 1981) festgehalten, dass die Rekurrentin, von ihrem Ehemann getrennt, schon seit längerer Zeit in A. lebe und dort einen Damensalon betrieben habe, weshalb davon auszugehen sei, dass sich ihr Wohnsitz in A. befinde. Die Erwägungen im erwähnten früheren Entscheid beruhten ihrerseits auf dem noch älteren Entscheid Nr. 103/78 vom 9. Mai 1978 der Vorinstanz, worin festgehalten worden war, die Eheleute X. seien gemäss Auskunft des Betreibungsamtes B. gerichtlich getrennt. Worauf das Betreibungsamt B. sich bei seiner Auskunft stützte, ist nicht ersichtlich.
Die Feststellungen im angefochtenen Entscheid sind als Grundlage für die Beurteilung der Frage des Wohnsitzes der Rekurrentin unzureichend. Die Sache ist deshalb in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 81 OG
an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese im Lichte des in Erwägung 1 Ausgeführten die massgebenden tatsächlichen Verhältnisse genau abkläre. Sollte die Vorinstanz auch im neuen Entscheid davon ausgehen wollen, die Rekurrentin lebe von ihrem Ehemann gerichtlich getrennt, hätte sie Feststellungen darüber zu treffen, welche Art von Trennung vorliege und durch welchen Richter sie ausgesprochen worden sei. | null | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8d5657e4-6312-4746-878c-a21a44ce47b4 | Urteilskopf
109 II 445
93. Estratto della sentenza 11 ottobre 1983 della I Corte civile nella causa Rimpark S.A. contro Spar- und Leihkasse Lyss e Häfliger & Co. (ricorso per riforma) | Regeste
Art. 164 Abs. 1 OR
: Abtretung des Werklohns.
Die Natur des Rechtsverhältnisses steht in der Regel einer Abtretung der auf eine bestimmte Summe begrenzten Forderung des Unternehmers gegen den Besteller nicht entgegen. | Erwägungen
ab Seite 445
BGE 109 II 445 S. 445
Considerando in diritto:
2.
Il creditore può cedere ad altri il suo credito anche senza il consenso del debitore, se non vi osta la legge, la convenzione o la natura del rapporto giuridico (
art. 164 cpv. 1 CO
). Detta natura impedisce la cessione quando il credito è intensamente legato alla persona del creditore, la cui sostituzione implicherebbe un cambiamento del carattere, del contenuto o dello scopo dell'obbligazione (
DTF 63 II 158
e rif.; OSER/SCHÖNENBERGER, art. 164 n. 26; BECKER, art. 164 n. 21; GAUCH/SCHLUEP/TERCIER, Partie générale du droit des obligations, II, n. 2172; VON TUHR/ESCHER, Allg. Teil des schweizerischen OR, II, pag. 344; BUCHER, Schweizerisches OR, Allg. Teil, pag. 489); in particolare la cessione è esclusa quando il cambiamento del creditore comporta un aggravio della posizione del debitore (GAUCH/SCHLUEP/TERCIER e OSER/SCHÖNBERGER, loc.cit.). Di regola è cedibile anche l'insieme delle pretese derivanti da un contratto bilaterale: tuttavia, quando il negozio crea relazioni durevoli, la cessione deve essere limitata a singoli diritti, al fine di evitare appunto pregiudizi al debitore (OSER/SCHÖNENBERGER art. 164 n. 27; BECKER, art. 164 n. 22; VON TUHR/ESCHER, op.cit. pag. 346).
Il credito dell'imprenditore generale costituito dalla mercede dell'opera, come quello del semplice imprenditore, non è di per sé legato alla persona del creditore: la cessione, salvo casi eccezionali, non modifica quindi la natura dei rapporti contrattuali delle parti.
BGE 109 II 445 S. 446
Il credito pecuniario dell'appaltatore può pertanto essere ceduto come altre pretese pecuniarie derivanti da contratti bilaterali, senza il consenso del committente. Anche il credito della Häfliger & Co. nei confronti dell'attrice poteva essere ceduto, senza il consenso di quest'ultima, la quale non asserisce del resto di avere particolari relazioni personali con il creditore originario. Le riserve espresse dalla dottrina a proposito di contratti di lunga durata, come l'appalto, non hanno influenza nel caso concreto: esse si riferiscono alla cessione dell'insieme delle pretese contrattuali, mentre nella fattispecie l'appaltatore ha ceduto alla banca soltanto il credito riguardante la mercede, limitato a una somma precisa. Infondata è infine l'obiezione della ricorrente, secondo cui essa corre il rischio, in seguito alla cessione, di pagare la medesima mercede, oltre che alla banca, anche agli artigiani insoddisfatti, al fine di evitare l'iscrizione d'ipoteche legali. Questo rischio è infatti insito nell'istituto dell'ipoteca legale degli artigiani e degli imprenditori e non è per nulla aggravato dalla cessione: anche in assenza di un tale negozio il committente che intende evitare l'iscrizione di un'ipoteca legale può essere costretto a tacitare gli artigiani, pur avendo egli già pagato l'opera, ad esempio, all'imprenditore generale (
DTF 95 II 87
, in part. consid. 3, e 104 II 267; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, n. 489). Per ovviare al rigore della legge il committente può cautelarsi in diversi modi, sui quali non è necessario dilungarsi (cfr.
DTF 95 II 90
consid. 4 e SCHUMACHER, op.cit. n. 490 segg.). Basti infine rammentare che il debitore che teme le conseguenze della cessione può chiedere ch'essa sia esclusa per convenzione.
Il Tribunale di appello ha pertanto applicato correttamente il diritto federale, segnatamente l'
art. 164 cpv. 1 CO
, dichiarando valida la cessione convenuta il 22 novembre 1972 tra l'imprenditore generale e la banca, senza riguardo all'eventuale accordo e alle riserve della committente.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è respinto e la sentenza impugnata è confermata. | public_law | nan | it | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8d5f4d41-6baf-47cb-a7ee-b73c424fecaa | Urteilskopf
94 II 157
28. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Juni 1968 i.S. Hälg & Co. gegen Strässle Söhne & Co. | Regeste
Werkvertrag über die Erstellung einer Zentralheizungsanlage. Haftung des Unternehmers für Korrosionsschäden infolge der Verwendung ungeeigneten Wassers.
Der Unternehmer ist aufgrund der ihm nach
Art. 364 Abs. 1 OR
obliegenden Sorgfaltspflichten dafür verantwortlich, dass die Anlage mit geeignetem Wasser gefüllt wird (Erw. 5).
Bedeutung der Übung, wonach die Heizungsfirmen das Wasser nicht prüfen (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 158
BGE 94 II 157 S. 158
Aus dem Tatbestand:
Die Firma Strässle Söhne & Co. übertrug die Erstellung der Zentralheizungsanlage für den Neubau ihres Hotel- und Geschäftsgebäudes "Derby" in Wil (SG) der Firma Hälg & Co., Spezialfabrik für Zentralheizungen. Die Anlage war Ende 1958 fertig erstellt. In der Folge traten an zahlreichen Heizkörpern Korrosionsschäden auf, weil die Heizkörper nicht mit gewöhnlichem Leitungswasser, sondern mit enthärtetem Wasser gefüllt worden waren. Dieses enthält erhebliche Mengen an freier aggressiver Kohlensäure sowie an Sauerstoff, die durch den Zusatz korrosionshemmender Stoffe hätten neutralisiert werden müssen; diese Massnahme war jedoch nicht getroffen worden. Die Firma Hälg ersetzte die schadhaften Heizkörper und klagte sodann gegen die Bestellerin auf Bezahlung der Kosten dieser Reparaturarbeiten im Betrage von Fr. 33 914.95 nebst Zins.
Das Bezirksgericht Wil kam zum Schlusse, die Klägerin habe für die Einfüllung enthärteten Wassers in die Heizanlage und die dadurch verursachten Schäden nicht einzustehen. Es schützte daher die Klage.
Das Kantonsgericht St. Gallen bejahte nach Einholung mehrerer Gutachten von Sachverständigen die Verantwortlichkeit der Klägerin, weshalb diese keinen Anspruch auf Bezahlung der Reparaturarbeiten habe.
Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
a) Die Klägerin hat geltend gemacht, es bestehe in der Schweiz die Usanz, dass die Heizungsfirmen das für die von ihnen erstellten Heizungen zu verwendende Wasser nicht prüfen.
Das Kantonsgericht hat gestützt auf die eingeholten Gutachten zwar das Bestehen einer Übung dieses Inhalts festgestellt, sie aber, weil sie auch von den Sachverständigen missbilligt werde, als sachlich nicht begründet und innerlich nicht gerechtfertigt
BGE 94 II 157 S. 159
erachtet. Es hat deshalb nicht auf sie abgestellt, sondern entschieden, die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, das Heizwasser entweder selber zu prüfen oder doch dem Besteller der Anlage genaue und klare Anweisungen darüber zu geben, was für Wasser zur Füllung geeignet sei.
Mit der Berufung wendet die Klägerin ein, sie habe sich auf die bestehende Übung verlassen dürfen; diese sei richtig und sinnvoll und müsse daher auch vom Richter beachtet werden.
b) Die in
Art. 364 Abs. 1 OR
getroffene gesetzliche Haftungsordnung, wonach beim Werkvertrag der Unternehmer für die gleiche Sorgfalt haftet wie der Dienstpflichtige beim Dienstvertrag, ist nicht zwingend. Sie wird indessen nicht schon durch das blosse Bestehen der von der Klägerin behaupteten Übung ganz oder teilweise ausser Kraft gesetzt. Denn gemäss ständiger Rechtsprechung ist die Übung nur dann objektives Recht, wenn das Gesetz auf sie verweist (
Art. 5 Abs. 2 ZGB
). Die Verkehrssitte gilt aber auch nicht ohne weiteres als Vertragsinhalt; sie verpflichtet die Parteien bloss dann, wenn diese sich ihr durch übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung - sei es ausdrücklich, sei es stillschweigend, durch schlüssiges Verhalten - unterwerfen. Die Übung kann sodann auch als Hilfsmittel für die Auslegung der Parteierklärungen nach der Vertrauenstheorie in Betracht kommen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die durch die Verkehrssitte belastete Partei diese kannte oder doch wenigstens mit ihrem Bestehen rechnen musste (
BGE 91 II 358
Erw. 2,
BGE 90 II 101
Erw. 4 und dort erwähnte Rechtsprechung).
c) Im vorliegenden Falle hat das Kantonsgericht keine Willensäusserung der Parteien festgestellt, wonach die Frage, wer die Eignung des Wassers für die Heizanlage zu prüfen und die hiefür erforderlichen Vorkehren zu treffen habe, den in der Heizungsbranche geltenden Übungen unterstehen solle. Auch den Akten kann keine derartige Willensäusserung entnommen werden. Ebensowenig finden sich im angefochtenen Entscheid Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die in Frage stehende Übung gekannt habe oder nach den gegebenen Umständen mit ihr habe rechnen müssen. Letzteres behauptet selbst die Klägerin nicht. Sie bringt nur vor, sie habe sich auf die bestehende Übung der Heizungsfirmen verlassen dürfen. Nicht darauf kommt es jedoch an, sondern nur auf das Wissen oder Wissenmüssen des Bestellers, also der Beklagten.
BGE 94 II 157 S. 160
Die in Frage stehende Übung vermag daher eine allfällige Haftung der Klägerin nicht einzuschränken oder gar ganz aufzuheben, wenn die Prüfung des verwendeten Wassers zu den ihr nach
Art. 364 Abs. 1 OR
obliegenden Sorgfaltspflichten gehörte.
5.
Das Wasser als Wärmeübertragungsmittel bildet einen wesentlichen Bestandteil einer Heizanlage, worauf schon der erstinstanzliche Sachverständige mit Recht hingewiesen hat. Erfordert die normale Brauchbarkeit einer Heizanlage, dass das verwendete Wasser eine bestimmte Beschaffenheit aufweise, so ist deshalb die Erstellerin der Anlage dafür verantwortlich, dass diese mit geeignetem Wasser gefüllt wird. Daraus ergab sich für die Klägerin die Pflicht, das Wasser auf seine Eignung hin zu prüfen oder prüfen zu lassen, sowie die Beklagte über diesen Punkt aufzuklären und ihr genaue Weisungen zu geben, was für Wasser einzufüllen sei. Eine solche Pflicht der Erstellerin anzunehmen, drängt sich um so mehr auf, als nach den Ausführungen der Sachverständigen der Vorinstanz Schädigungen der Heizanlagen wegen der Verwendung ungeeigneten Wassers nicht selten sind und über diese Fragen eine umfangreiche Fachliteratur vorhanden ist. Die hier eingetretene Schädigung hat also nichts Aussergewöhnliches an sich, sondern sie betrifft ein in der Heizungsbranche bekanntes Problem, das nach den eigenen Vorbringen der Klägerin "wegen der Komplexität der Wasserchemie und der Behandlungsmethoden" grosse Schwierigkeiten bereitet. Die Klägerin hatte deshalb auf Grund der ihr durch
Art. 364 OR
überbundenen Sorgfaltspflichten die Massnahmen vorzukehren, die erforderlich waren, um eine Schädigung der hier eingetretenen Art zu verhüten.
Die Klägerin hat jedoch überhaupt nichts unternommen, um ein einwandfreies Funktionieren der von ihr erstellten Heizanlage durch die Verwendung geeigneten Wassers zu erreichen und sicherzustellen. Sie hat sich nicht einmal die Mühe genommen, bei der Beklagten oder der von dieser beigezogenen Sanitärinstallationsfirma Erkundigungen darüber einzuziehen, ob für die Füllung der Heizanlage gewöhnliches oder enthärtetes Wasser in Aussicht genommen sei. Ein solches Verhalten eines grossen Unternehmens, das sich als "Spezialfabrik für Zentralheizungen" bezeichnet und damit den Eindruck erweckt, über besonders umfassende Fachkenntnisse auf seinem Tätigkeitsgebiet zu verfügen, kann nicht als gehörige Erfüllung des Werkvertrags
BGE 94 II 157 S. 161
anerkannt werden. Die Vorinstanz hat daher mit Recht die Klägerin für die Korrosionsschäden und die der Beklagten aus diesen erwachsenen weiteren Schadensfolgen verantwortlich erklärt. | public_law | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8d5f7f4e-84f8-4fa7-871f-347af4ed2ed2 | Urteilskopf
89 I 448
64. Urteil vom 4. Dezember 1963 i.S. Theiler gegen Einwohnergemeinde Bern und Regierungsrat des Kantons Bern. | Regeste
Einführung des fakultativen Finanzreferendums in einer bernischen Gemeinde. Anfechtung durch einen Stimmberechtigten.
1. Legitimation und Frist zur Beschwerde; Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 1-3).
2. Auslegung der Bestimmung des kantonalen Gemeindegesetzes, wonach grössere Gemeinden befugt sind, für die Vorberatung sämtlicher die Kompetenz des Gemeinderates übersteigenden Gegenstände ein Gemeindeparlament zu bestellen und diesem auch die endgültige Erledigung bestimmter Geschäfte zu übertragen. Haben die Gemeinden auf Grund dieser Bestimmung nur die Möglichkeit, dem Gemeindeparlament entweder die Vo rberatung oder die definitive Erledigung von Geschäften zu übertragen, oder können sie ihm auch die Erledigung unter Vorbehalt des fakultativen Referendums übertragen? (Erw. 4).
3. Willkürliche Änderung der bisherigen Auslegungspraxis des Regierungsrats als kantonaler Aufsichtsbehörde über die Gemeinden? (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 449
BGE 89 I 448 S. 449
A.-
Nach Art. 65 der bernischen Staatsverfassung bestimmt das Gesetz die Organisation der Gemeinden. Das gestützt hierauf erlassene Gesetz über das Gemeindewesen vom 9. Dezember 1917 (GG) bestimmt in Art. 5:
"Die ordentlichen Organe der Gemeinde sind die Gemeindeversammlung und der Gemeinderat.
In grösseren Gemeinden kann für die Vorberatung sämtlicher Gegenstände, welche die Kompetenz des Gemeinderates übersteigen, ein Grosser Gemeinde- oder Stadtrat bestellt werden. Diesem kann auch die endgültige Erledigung bestimmter Geschäfte (Art. 11 und 12) übertragen werden."
Im Anschluss hieran enthält das GG in den Art. 10-12 Vorschriften über die "Kompetenzen der Gemeinde". In Art. 10 (Randtitel: "Unübertragbare Kompetenzen") werden unter Ziff. 1-6 die Gegenstände aufgezählt, die "von der Gemeinde selbst behandelt werden müssen und
BGE 89 I 448 S. 450
von derselben keinem andern Gemeindeorgan übertragen werden dürfen" (Wahl des Gemeinderates, Erlass der Gemeindereglemente, Festsetzung des jährlichen Voranschlags, Aufnahme von Anleihen usw.). Sodann werden in Art. 11 (Randtitel: "Übertragbare Kompetenzen") unter Ziff. 1-4 die Gegenstände aufgezählt, die "ordentlicherweise ebenfalls von der Gemeinde zu behandeln sind, aber durch Gemeindereglement einem Grossen Gemeinde- oder Stadtrat zur definitiven Erledigung übertragen werden können" (Erteilung des Gemeindebürgerrechts, Errichtung und Aufhebung von Beamtungen und Festsetzung ihrer Besoldungen, Genehmigung der Gemeinderechnungen usw.). Schliesslich bestimmt Art. 12 (Randtitel: "Kompetenzgrenzen"):
"Betreffend die Zuständigkeit der Gemeinde, des Grossen Gemeinde- oder Stadtrates und des Gemeinderates zur Erledigung sonstiger Geschäfte wird das Gemeindereglement die Kompetenzgrenzen festsetzen, namentlich für:
1. die Bewilligung von Nachkrediten;
2. die Übernahme von Aufgaben, welche den Gemeinden nicht vom Staate zugewiesen sind und die Bewilligung der hiefür notwendigen Geldmittel;
3. Rechtsgeschäfte über Eigentum und dingliche Rechte an Grundstücken;
4. die Ausführung von Bauten und Anlagen, sowie andere im Voranschlag nicht vorgesehene Ausgaben;
5. die Gewährung von Darlehen, soweit es sich nicht um sichere Kapitalanlagen im Sinne des Art. 48 handelt;
6. die Beschlussfassung über Anhebung und Beilegung von Zivilprozessen, oder die Übertragung derselben an ein Schiedsgericht, unter Vorbehalt dringlicher Fälle."
B.-
Die Einwohnergemeinde Bern hat seit dem Erlass des GG einen aus 7 Mitgliedern bestehenden Gemeinderat (als "Vollziehungs- und Polizeibehörde"; Art. 67 KV) und einen 80 Mitglieder umfassenden Stadtrat.
Nach der Gemeindeordnung von 1920 (aGO) waren die Kompetenzen für die in Art. 12 Ziff. 2-5 aufgezählten Geschäfte in der Weise abgegrenzt, dass der Gemeinderat Kredite bis zu Fr. 40'000. - und der Stadtrat solche von Fr. 40'000.-- bis 400'000. - bewilligen konnte, während über höhere Kredite die Gemeinde (durch Urnenabstimmung) zu beschliessen hatte (Art. 7, 48 und 55 aGO).
BGE 89 I 448 S. 451
Am 18 April 1963 beschloss der Stadtrat, der Gemeinde den Entwurf einer neuen Gemeindeordnung (nGO) zu unterbreiten. In dieser sind die Kompetenzgrenzen für die erwähnten Geschäfte wie folgt festgesetzt: Der Gemeinderat ist zuständig für Aufwendungen bis zum Betrage von Fr. 60'000.-- (Art. 28 Ziff. 11-14, 16, 17 nGO). Der Stadtrat entscheidet über Aufwendungen, welche Fr. 60'000.--, nicht aber Fr. 600'000.-- übersteigen, endgültig und über solche, welche mehr als Fr. 600'000.-- betragen, aber Fr. 2'000,000.-- nicht übersteigen unter Vorbehalt des fakultativen Referendums (Art. 18 Ziff. 16-18, 20, 21 nGO). Über Ausgaben von mehr als Fr. 2'000,000.-- befindet die Gemeinde (Art. 8 Ziff. 9-11, 13-15 nGO). Das fakultative Referendum gilt als zustandegekommen, wenn von mindestens 2 1/2% der in Gemeindeangelegenheiten Stimmberechtigten innerhalb von 3 Wochen seit der Veröffentlichung des Stadtratbeschlusses im "Anzeiger für die Stadt Bern" unterschriftlich beim Gemeinderat verlangt wird, dass das Geschäft der Gemeindeabstimmung zu unterbreiten sei (Art. 19 nGO).
Die neue Gemeindeordnung wurde in der Gemeindeabstimmung vom 30. Juni 1963 mit 11 911 gegen 2069 Stimmen angenommen und hierauf vom Regierungsrat des Kantons Bern mit Beschluss vom 9. August 1963 genehmigt. Der Gemeinderat setzte die nGO am 21. August 1963 - mit Ausnahme einiger Artikel - auf den 1. September 1963 in Kraft und veröffentlichte dies mit dem Genehmigungsbeschluss des Regierungsrates im "Anzeiger für die Stadt Bern" vom 28. August 1963.
C.-
Mit Eingabe vom 8. September 1963 führt Luzius Theiler staatsrechtliche Beschwerde gemäss
Art. 84 lit. a und 85 lit. a OG
mit dem Antrag, der Beschluss des Regierungsrates, die Gemeindeordnung der Stadt Bern vom 30. Juni 1963 zu genehmigen, sei ungültig zu erklären. Zur Begründung wird im wesentlichen geltend gemacht:
a) Nach Art. 12 GG könne das Gemeindereglement gewisse Geschäfte der Gemeinde oder dem Gemeinderat
BGE 89 I 448 S. 452
oder dem Stadtrat zur Erledigung zuweisen. Dass damit die endgültige Erledigung gemeint sei, gehe unzweifelhaft aus Art. 5 GG hervor. Aus diesen Bestimmungen ergebe sich klar, dass die Einführung des fakultativen Referendums unzulässig sei.
b.) Der Regierungsrat habe seit 45 Jahren den Standpunkt vertreten, dass das fakultative Referendum mit dem GG unvereinbar sei (MBVR 18 [1920] S. 17 ff. und 180 ff.). Selbst wenn man nach dem Text des GG noch Zweifel über den Willen des Gesetzgebers haben könnte, habe die über 40-jährige konstante Auslegungspraxis des Regierungsrates eine eindeutige Rechtslage geschaffen, die im Interesse der Rechtssicherheit nicht einfach durch eine andere Interpretation des GG, sondern nur durch eine Gesetzesrevision geändert werden könne. Der angefochtene Regierungsratsbeschluss sei deshalb willkürlich.
c) Durch die ungesetzliche Einführung des fakultativen Referendums würden Ausgaben zwischen Fr. 600'000. - und 2'000,000.--, gegen die das Referendum nicht ergriffen werde, der Volksabstimmung entzogen. Die Genehmigung der nGO durch den Regierungsrat habe also zur Folge, dass der Beschwerdeführer in seinem Stimmrecht erheblich eingeschränkt werde, was gegen
Art. 43 BV
verstosse.
D.-
Der Regierungsrat des Kantons Bern und der Gemeinderat der Stadt Bern beantragen Abweisung der Beschwerde. Auf ihre Ausführungen wird, soweit notwendig, in den nachstehenden Erwägungen zurückgekommen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Durch die in der Gemeindeabstimmung vom 20. Juni 1963 angenommene und am 9. August 1963 vom Regierungsrat genehmigte nGO der Stadt Bern sind nicht nur die Kompetenzgrenzen, die für die Erledigung der in Art. 12 Ziff. 1-6 aufgezählten Geschäfte festzusetzen sind, gegenüber der aGO erhöht, sondern es ist überdies das fakultative Finanzreferendum neu eingeführt worden. Der Beschwerdeführer ist unbestrittenermassen stimmberechtigter
BGE 89 I 448 S. 453
Einwohner der Stadt Bern. Als solcher ist er befugt, die Gemeindeordnung und den Genehmigungsbeschluss des Regierungsrates sowohl wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte (
Art. 84 lit. a OG
) als auch mit einer Abstimmungsbeschwerde (
Art. 85 lit. a OG
) anzufechten.
2.
Da die Gemeindeordnung der Genehmigung des Regierungsrates unterlag und diese Genehmigung Gültigkeitserfordernis ist (Art. 71 KV und 57 GG), wurde die Rechtsstellung des Beschwerdeführers erst durch den am 9. August 1963 ergangenen Genehmigungsentscheid berührt, und der Beschwerdeführer konnte daher erst im Anschluss an diesen Entscheid das Bundesgericht anrufen (
BGE 77 I 148
). Dabei begann die 30-tägige Beschwerdefrist des
Art. 89 OG
frühestens am 28. August 1963 zu laufen, an welchem Tage der Gemeinderat im "Anzeiger für die Stadt Bern" als dem amtlichen Publikationsorgan veröffentlicht hat, dass der Regierungsrat die Gemeindeordnung vom 30. Juni 1963 genehmigt habe. Die am 8. September 1963 zur Post gegebene Beschwerde ist demnach rechtzeitig. Sie wäre es selbst dann, wenn der Beschwerdeführer schon früher vom Genehmigungsbeschluss des Regierungsrates Kenntnis erhalten und dies als massgebende Eröffnung zu gelten hätte, da die Beschwerdefrist wegen der Gerichtsferien jedenfalls nicht vor dem 16. August 1963 zu laufen begann (
Art. 34 OG
).
3.
Bei Abstimmungsbeschwerden nach
Art. 85 lit. a OG
prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung des Bundesrechts und des kantonalen Verfassungsrechts, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften insoweit frei, als sie das Stimmrecht nach Inhalt und Umfang näher normieren (
BGE 75 I 245
mit Zitaten,
BGE 81 I 196
Erw. 3,
BGE 89 I 77
und 85 Erw. 3). Im vorliegenden Falle geht es auch um den Umfang des Stimmrechts, denn es ist streitig, ob eine Ordnung, nach welcher gewisse Ausgabenbeschlüsse des Stadtrates inskünftig nur im Falle des Zustandekommens des Referendums der Volksabstimmung
BGE 89 I 448 S. 454
unterliegen, eine mit dem GG vereinbare Einschränkung des Stimmrechts darstelle. Das Bundesgericht hat daher grundsätzlich frei zu prüfen, ob die angerufenen Bestimmungen des GG verletzt sind. Immerhin pflegt es der Auslegung kantonaler Verfassungsvorschriften durch die oberste dazu berufene Behörde besonderes Gewicht beizulegen und nicht ohne Not von ihr abzuweichen (
BGE 88 I 153
Erw. 3 und dort angeführte Urteile;
BGE 89 I 44
c, 375 Erw. 2). Diese Zurückhaltung ist erst recht geboten, wenn es, wie hier, um die Auslegung kantonalen Gesetzesrechtes geht.
4.
Die Art. 10 und 11 GG umschreiben die unübertragbaren und die übertragbaren Kompetenzen der Gemeinde, indem sie diejenigen Geschäfte aufzählen, die von der Gemeinde (in der Gemeindeversammlung oder durch Urnenabstimmung; Art. 6) selbst behandelt werden müssen (Art. 10) bzw. einem Grossen Gemeinde- oder Stadtrat (nachstehend kurz "Gemeindeparlament" genannt) zur definitiven Erledigung übertragen werden können (Art.11). Die Geschäfte, für welche die nGO das fakultative Referendum eingeführt hat, gehören nicht zu den in Art. 10 und 11, sondern zu den in Art. 12 GG genannten. Nach dieser Bestimmung wird das Gemeindereglement Kompetenzgrenzen betreffend die Zuständigkeit der Gemeinde, des Gemeindeparlaments und des Gemeinderates zur Erledigung "sonstiger", d.h. nicht unter Art. 10 und 11 fallender Geschäfte, von denen 6 Fälle "namentlich" genannt werden, festsetzen.
Im Gegensatz zu Art. 11 handelt Art. 12 nicht von der Übertragung an sich der Gemeindeversammlung zustehender Kompetenzen an das Gemeindeparlament, sondern von der Festsetzung von Kompetenzgrenzen, d.h. von der Kompetenzaufteilung unter die drei Gemeindeorgane. Ohne eine solche Aufteilung ausdrücklich vorzuschreiben, geht Art. 12 GG offensichtlich davon aus, dass die Erledigung der "sonstigen" Geschäfte auf die Gemeinde, den Gemeinderat und ein allfälliges Gemeindeparlament verteilt
BGE 89 I 448 S. 455
wird. Da es sich dabei um Geschäfte von finanzieller Tragweite handelt, ist anzunehmen, dass die Kompetenzgrenzen nach Massgabe dieser Tragweite wertmässig festzusetzen sind. Ferner ist aus Art. 12 GG zu schliessen, dass die Gemeinden für alle in Ziff. 1-6 aufgezählten Geschäfte Kompetenzgrenzen festzusetzen haben (ELMIGER, Die autonome Finanzkompetenzordnung der bern. Einwohnergemeinden, Diss. Bern 1962 S. 10/12). Im übrigen enthält Art. 12 keine Vorschriften über die Grenzziehung, überlässt sie also dem Ermessen der Gemeinden (ELMIGER a.a.O. S. 22). Aus Art. 12 GG ergeben sich insbesondere keine Beschränkungen in Bezug auf die Höhe der für die einzelnen Organe festzusetzenden Kompetenzen. Ebensowenig enthält er Anhaltspunkte dafür, dass es unzulässig wäre, die Kompetenzgrenze zwischen der Gemeinde und dem Gemeindeparlament in der Weise festzusetzen, dass Geschäfte von einer bestimmten finanziellen Tragweite an sich vom Gemeindeparlament zu erledigen, jedoch auf Begehren einer Anzahl Bürger (oder Mitglieder des Gemeindeparlaments) der Gemeinde zu unterbreiten sind. Ein solches fakultatives Referendum erscheint vielmehr mit dem Wortlaut und Sinn des Art. 12 GG durchaus vereinbar.
Der Beschwerdeführer leitet denn auch die Unzulässigkeit des fakultativen Referendums nicht allein aus Art. 12 GG, sondern aus Art. 5 und der dortigen Verweisung auf Art. 12 ab. Art. 5 GG bezeichnet in Abs. 1 die Gemeindeversammlung und den Gemeinderat als die ordentlichen Organe der Gemeinde und bestimmt in Abs. 2 weiter, dass die grösseren Gemeinden für die Vorberatung der die Kompetenz des Gemeinderates übersteigenden Gegenstände ein Gemeindeparlament bestellen und diesem "auch die endgültige Erledigung bestimmter Geschäfte (Art. 11 und 12) übertragen" können. Diese Umschreibung der Aufgaben des Gemeindeparlaments könnte in der Tat so verstanden werden, dass die Gemeinde nur die Wahl habe, die unter Art. 12 fallenden Geschäfte dem Gemeindeparlament
BGE 89 I 448 S. 456
entweder zur blossen Vorberatung oder aber zur endgültigen, nicht einem Referendum unterliegenden Erledigung zuzuweisen. Ob das der wirkliche Sinn von Art. 5 Abs. 2 und der dortigen Verweisung auf Art. 12 sei, ist indes zweifelhaft. Jedenfalls ist diese Auslegung nicht die einzig mögliche. Schon der Umstand, dass Art. 12 nicht von der Übertragung, sondern von der Aufteilung von Kompetenzen handelt, lässt es als fraglich erscheinen, ob der Gesetzgeber mit Art. 5 Abs. 2 die in Art. 12 weitgehend dem Ermessen der Gemeinde überlassene Kompetenzaufteilung beschränken wollte. Art. 5 Abs. 2 will, wie das zweimalige "kann" deutlich zum Ausdruck bringt, den grösseren Gemeinden Befugnisse einräumen. Sie werden ermächtigt, dem Gemeindeparlament die Vorberatung gewisser Geschäfte und die endgültige Erledigung eines Teils derselben zu übertragen. Von einer Ermächtigung kann aber, sofern sich daraus nichts Gegenteiliges ergibt, nicht nur in vollem, sondern auch in beschränktem Umfange Gebrauch gemacht werden (vgl.
BGE 88 I 76
/77). Dafür, dass dies für die Ermächtigungen in Art. 5 Abs. 2 GG nicht gelten sollte, dass also dem Gemeindeparlament nur entweder die Vorberatung oder die definitive Erledigung von Geschäften übertragen werden könnte und eine Zwischenlösung wie die Übertragung zur Erledigung unter Vorbehalt des fakultativen Referendums ausgeschlossen wäre, bestehen nach dem Wortlaut der Bestimmung keine Anhaltspunkte. Solche ergeben sich, wie der Regierungsrat in der Sitzung des Grossen Rates vom 8. September 1959 bei der Stellungnahme zum Postulat Dr. Achermann (vgl. Erw. 5 hienach) ausführte, auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des GG. Die Auffassung des Regierungsrates, die Gemeinde könne auch weniger weit, als Art. 5 Abs. 2 es ihr gestattet, gehen und dem Gemeindeparlament die Erledigung gewisser unter Art. 12 fallender Geschäfte unter Vorbehalt des fakultativen Referendums übertragen, lässt sich mit guten Gründen vertreten, und es besteht daher für das Bundesgericht kein Grund, von dieser Auffassung
BGE 89 I 448 S. 457
der obersten kantonalen Aufsichtsbehörde in Gemeindesachen (Art. 56 GG) abzuweichen.
Ist das fakultative Referendum aber mit dem GG vereinbar, so liegt darin auch keine unzulässige Einschränkung des politischen Stimmrechts, handelt es sich doch um eine in der Schweiz auch für Gemeindeangelegenheiten verbreitete Einrichtung (GIACOMETTI, Staatsrecht der schweiz. Kantone S. 412, 544/45). Die Stadt Bern hätte, ohne das GG zu verletzen, dem Gemeindeparlament die endgültige Erledigung auch der nun dem fakultativen Referendum unterstellten, d.h. mit Aufwendungen zwischen Fr. 600'000.-- und 2'000,000.-- verbundenen Geschäfte übertragen können. Möglicherweise hätten die Stimmberechtigten einer solchen Erhöhung der bisher auf Fr. 400'000. - begrenzten Kompetenz freilich nicht zugestimmt und ist dies der Grund, weshalb für solche Geschäfte das fakultative Referendum vorbehalten wurde. Diese Rücksichtnahme auf einen allfälligen Widerstand gegen eine zu weit gehende Erhöhung der Kompetenz des Gemeindeparlaments ist jedoch eine rein politische Erwägung und für den Entscheid über die Zulässigkeit des fakultativen Referendums unerheblich.
5.
Kurze Zeit nach Inkrafttreten des GG hat der Regierungsrat in einigen Entscheiden den Standpunkt eingenommen, dass die Einführung des fakultativen Referendums gegen das GG verstosse (MBVR 18 [1920] S. 17 ff. und 180 ff.). Unter Hinweis hierauf behauptet der Beschwerdeführer, die über 40-jährige konstante Auslegungspraxis des Regierungsrates habe eine eindeutige Rechtslage geschaffen, die aus Gründen der Rechtssicherheit nicht einfach durch eine andere Interpretation, sondern nur durch eine Revision des GG geändert werden könne.
Dass sich ein das fakultative Referendum ausschliessendes Gewohnheitsrecht gebildet hätte, behauptet der Beschwerdeführer mit Recht nicht, da jene Entscheide und der Umstand, dass seither keine Gemeinde mehr das fakultative Referendum einzuführen suchte, die strengen Voraussetzungen,
BGE 89 I 448 S. 458
die auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts für die Entstehung von Gewohnheitsrecht gelten (vgl.
BGE 84 I 95
Erw. 4), nicht erfüllen. Insbesondere wäre nicht dargetan, dass die diesen Entscheiden zugrunde liegende Auffassung zur allgemeinen Rechtsüberzeugung wurde.
Da sich der Regierungsrat seit 1920 während Jahrzehnten nicht mehr mit der Frage der Zulässigkeit des fakultativen Referendums zu befassen hatte, kann übrigens nicht einmal von einer Praxis und jedenfalls nicht von einer konstanten Praxis des Regierungsrates gesprochen werden (vgl.
BGE 89 I 90
). Davon abgesehen ist es einer Behörde nicht verwehrt, neuen Verhältnissen Rechnung zu tragen, ihre Praxis zu überprüfen und sie gegebenenfalls zu ändern (
BGE 78 I 101
Erw. 5). Das hat der Regierungsrat inbezug auf das fakultative Referendum getan, und zwar bereits im Jahre 1959. Durch ein am 12. Mai 1959 eingereichtes Postulat wurde er nämlich von Grossrat Dr. Achermann ersucht, der auf allzu häufige Urnengänge zurückzuführenden schlechten Stimmbeteiligung durch Revision des GG im Sinne der Einführung des fakultativen Referendums abzuhelfen. Hierauf antwortete der Gemeindedirektor in der Sitzung vom 8. September 1959, dass eine solche Gesetzesrevision nach Auffassung des Regierungsrates nicht nötig sei, da die Einführung des fakultativen Referendums, wie eine nähere Überprüfung durch die Justizdirektion ergeben habe, mit den heutigen Bestimmungen vereinbar sei. Dr. Achermann bezeichnete diese Auslegung des GG als durchaus vernünftig, wogegen sich kein Widerspruch erhob, und erklärte sich mit der Abschreibung seines Postulates einverstanden (Tagblatt des Grossen Rates 1959 S. 372, 400 ff.). Von einer willkürlichen Änderung einer konstanten Praxis kann demnach keine Rede sein.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
8d650dcd-888b-4e63-9370-c7b02fae3b8c | Urteilskopf
123 III 86
14. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour civile du 10 décembre 1996 dans la cause A. S.A. contre M. (recours en réforme) | Regeste
Arbeitsvertrag; fristlose Kündigung; Verwirkung.
Eine fristlose Kündigung, die auf denselben Umständen gründet wie die einige Tage zuvor ausgesprochene ordentliche Kündigung, ist nicht gültig (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 86
BGE 123 III 86 S. 86
A.-
A. S.A. exerce ses activités dans le domaine de l'enregistrement et s'occupe notamment du doublage de films et de séries télévisées. M. était son directeur artistique et percevait un salaire mensuel brut de 6'000 fr.
BGE 123 III 86 S. 87
Le 18 mars 1992, A. S.A. a été informée de la création, par M. et un tiers, d'une société concurrente. Par lettre du 23 avril 1992, elle a fait savoir à M. que les rapports de travail prendraient fin le 30 juin 1992. Le 23 avril 1992 également, A. S.A. a déposé une plainte pénale contre M. pour concurrence déloyale. Le lendemain, elle a formulé une requête de mesures provisionnelles à l'encontre de M.
Par lettre du 27 avril 1992, A. S.A. a signifié à M. son congé avec effet immédiat pour de justes motifs consistant dans le fait d'être administrateur d'une société concurrente et de s'être livré à des actes de concurrence déloyale.
B.-
M. a assigné A. S.A. en paiement de 30'000 fr., représentant cinq mois de salaire, et de 36'000 fr. à titre d'indemnité pour licenciement immédiat injustifié. La défenderesse s'est opposée à l'admission de l'action.
Le Tribunal des prud'hommes du canton de Genève a débouté le demandeur de toutes ses conclusions par jugement du 13 juin 1995.
Statuant par arrêt du 29 avril 1996, sur appel de M., la Chambre d'appel des prud'hommes, après avoir annulé ce jugement, a condamné la défenderesse à verser au demandeur la somme brute de 12'021 fr.40 et à la Caisse cantonale genevoise de chômage la somme nette de 11'183 fr.90, le tout avec intérêts.
C.-
La défenderesse interjette un recours en réforme au Tribunal fédéral. Elle conclut à l'annulation de l'arrêt cantonal et au rejet de la demande.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours et confirmé l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) La Chambre d'appel et les parties ont restreint l'examen de la cause à la question de la tardiveté du congé litigieux. Sans doute cette question revêt-elle une importance capitale en matière de licenciement immédiat, du moment qu'une jurisprudence constante du Tribunal fédéral impose à la partie qui résilie un contrat de travail pour de justes motifs l'obligation de les invoquer sans tarder, sous peine de forclusion (
ATF 112 II 41
consid. 3b p. 51,
ATF 97 II 142
consid. 2a p. 146,
ATF 93 II 18
, chacun avec des références). Cependant, dans la présente espèce, la réponse qui pourrait lui être apportée ne changerait rien au sort du litige, dans la mesure où une autre raison, exposée ci-après, s'oppose de toute façon à l'admission des conclusions de la défenderesse.
BGE 123 III 86 S. 88
b) Selon un principe général qui s'applique également à l'exercice de droits formateurs, tels que la résiliation d'un contrat, le créancier qui a le choix entre deux prétentions alternatives en perd le bénéfice, lorsque, faisant usage de cette faculté, il opte pour l'une d'entre elles; dès cet instant, la prétention écartée cesse d'exister (sur la question des obligations alternatives, cf. l'
ATF 50 II 40
consid. 1 et VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, vol. I, p. 80). Il n'en va pas autrement en matière de contrat de travail: la partie qui apprend l'existence d'un comportement répréhensible de son partenaire contractuel, propre à justifier la cessation immédiate des rapports de travail, et qui entend se séparer de son cocontractant pour ce motif, a le choix entre la résiliation ordinaire et la résiliation extraordinaire du contrat; si elle opte pour le premier terme de l'alternative, elle renonce définitivement au droit de résiliation immédiate, du moins en tant qu'il se fonde sur la même circonstance que celle ayant entraîné la résiliation ordinaire du contrat (SCHWEINGRUBER, Kommentar zum Arbeitsvertrag, 5e éd., n. 9 ad
art. 337 CO
; STREIFF/VON KAENEL, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 5e éd., n. 15 ad
art. 337 CO
; BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2e éd., n. 11 ad
art. 337 CO
).
En l'espèce, selon les constatations souveraines de la cour cantonale, la défenderesse connaissait déjà, le 23 avril 1992 au plus tard, tous les éléments pouvant fonder un licenciement pour justes motifs. Or, ce jour-là, elle a notifié au demandeur un congé ordinaire pour le 30 juin 1992. En faisant ce choix, elle a donc renoncé définitivement à un licenciement avec effet immédiat à raison des mêmes éléments. Dans ces conditions, la résiliation extraordinaire du contrat qu'elle a signifiée au demandeur par lettre du 27 avril 1992, en y formulant les mêmes griefs que ceux qu'elle avait énoncés quatre jours plus tôt, n'était pas valable, même si elle était intervenue en temps utile par rapport aux circonstances invoquées à son appui, question qui peut rester indécise. Partant, la Chambre d'appel n'a pas violé le droit fédéral en taxant d'injustifiée la résiliation litigieuse et en en tirant les conséquences pécuniaires prévues par la loi. | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8d67ae66-a446-4079-bd74-ac705744554f | Urteilskopf
137 III 255
41. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Y. GmbH (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_69/2011 vom 29. März 2011 | Regeste
Art. 697h Abs. 2 OR
; Einsichtsrecht des Gläubigers.
Voraussetzungen des Einsichtsrechts des Gläubigers einer Aktiengesellschaft (E. 4).
Anforderungen hinsichtlich des Nachweises der Gläubigerstellung sowie des schutzwürdigen Interesses an der Einsichtnahme (E. 4.1.2). Kriterien der Schutzwürdigkeit des geltend gemachten Interesses (E. 4.1.3). Beurteilung des Einsichtsinteresses im konkreten Fall (E. 4.2). | Sachverhalt
ab Seite 255
BGE 137 III 255 S. 255
A.
A.a
Im April 2008 schlossen die X. AG (Beschwerdeführerin) und die Y. GmbH (Beschwerdegegnerin) einen Rahmenvertrag mit verschiedenen Anhängen. Damit räumte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin für verschiedene Länder in Europa, Asien und Afrika ein Exklusivvertriebsrecht für ein in der Geburtshilfe verwendetes Medizinalprodukt ein.
BGE 137 III 255 S. 256
Der Rahmenvertrag sah in Anhang 4 eine Mindestabnahmeverpflichtung der Beschwerdeführerin vor, die zunächst im Laufe des Sommers 2008 zweimal revidiert wurde. In der Folge kam es zu Meinungsverschiedenheiten und die Beschwerdegegnerin machte gestützt auf die Mindestabnahmeverpflichtung eine Forderung über Fr. 1'589'026.60 gegen die Beschwerdeführerin geltend.
A.b
Mit Urteil vom 22. April 2010 erteilte das Obergericht des Kantons Zug der Beschwerdegegnerin in dem von ihr gegen die Beschwerdeführerin eingeleiteten Betreibungsverfahren die provisorische Rechtsöffnung für Fr. 1'268'307.60 nebst Zins zu 5 % seit 29. August 2009. Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin am 14. Mai 2010 beim Kantonsgericht Zug Aberkennungsklage gegen die Beschwerdegegnerin. Diese Klage ist noch vor dem Kantonsgericht hängig.
B.
B.a
Am 26. Juli 2010 stellte die Beschwerdegegnerin beim Kantonsgerichtspräsidium Zug den Antrag, es sei die Beschwerdeführerin zu verpflichten, ihr Einsicht in die Jahresrechnung 2009 sowie den Revisionsbericht 2009 zu gewähren, und sie sei aufzufordern, diese Unterlagen dem Kantonsgerichtspräsidium einzureichen.
Mit Entscheid vom 22. Oktober 2010 verpflichtete der Einzelrichter am Kantonsgericht Zug die Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin Einsicht in die Jahresrechnung 2009 und den Revisionsbericht 2009 zu gewähren und wies das Gesuch im Übrigen ab.
B.b
Mit Urteil vom 23. Dezember 2010 wies das Obergericht des Kantons Zug eine von der Beschwerdeführerin gegen den einzelrichterlichen Entscheid vom 22. Oktober 2010 erhobene Beschwerde ab.
Das Obergericht hielt die geltend gemachte Forderung der Beschwerdegegnerin angesichts der gewährten provisorischen Rechtsöffnung als mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgewiesen. Zudem sah es die Darstellung der Beschwerdegegnerin, wonach der die Mindestabnahmeverpflichtung der Beschwerdeführerin enthaltende Anhang 4 zum Rahmenvertrag hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten mehrmals aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten der Beschwerdeführerin habe geändert werden müssen, als sehr wahrscheinlich an. In Anbetracht der absoluten Höhe der erhobenen Forderung liess das Obergericht diesen Umstand genügen, um ein schutzwürdiges Einsichtsinteresse der Beschwerdegegnerin im Sinne von
Art. 697h Abs. 2 OR
zu begründen.
BGE 137 III 255 S. 257
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 31. Januar 2011 beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 23. Dezember 2010 aufzuheben und das Gesuch der Beschwerdegegnerin sei abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz eine unrichtige Anwendung von
Art. 697h Abs. 2 OR
vor.
4.1
4.1.1
Gemäss
Art. 697h Abs. 1 OR
ist eine Aktiengesellschaft verpflichtet, Jahresrechnung und Konzernrechnung nach Abnahme durch die Generalversammlung mit den Revisionsberichten offenzulegen, wenn sie Anleihensobligationen ausstehend hat oder die Aktien der Gesellschaft an einer Börse kotiert sind.
Die übrigen Aktiengesellschaften unterliegen keiner besonderen Offenlegungspflicht. Nach Abs. 2 von
Art. 697h OR
müssen sie jedoch den Gläubigern, die ein schutzwürdiges Interesse nachweisen, Einsicht in die Jahresrechnung, die Konzernrechnung und die Revisionsberichte gewähren.
4.1.2
Der Gesuchsteller, der gegenüber einer Gesellschaft Einsicht verlangt, die den Kapitalmarkt nicht in Anspruch nimmt, hat grundsätzlich sowohl seine Gläubigerstellung als auch ein schutzwürdiges Interesse nachzuweisen. Dem Entscheid über das Einsichtsrecht kommt, auch wenn er im summarischen Verfahren erfolgt, materielle Rechtskraft zu, weshalb es nicht ausreicht, die Anspruchsvoraussetzungen bloss glaubhaft zu machen (
BGE 120 II 352
E. 2b S. 355). Dennoch gilt es zu beachten, dass die Rechtsdurchsetzung nicht an Beweisschwierigkeiten scheitern darf, die typischerweise bei bestimmten Sachverhalten auftreten (vgl.
BGE 130 III 321
E. 3.2 S. 324;
BGE 128 III 271
E. 2b/aa S. 275), weshalb der Gesuchsteller seine Gläubigerstellung nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht strikte zu beweisen hat, sondern der Beweis als erbracht gilt, wenn diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgewiesen ist (Urteile 4C.129/2004 vom 6. Juli 2004 E. 4.2.1; 4C.244/1995 vom 17. November 1995 E. 3b/aa; 4C.222/1994 vom 1. Dezember 1994 E. 4a, in: SJ 1995 S. 306 f.; vgl. unter der Herrschaft von aArt. 704 OR bereits
BGE 137 III 255 S. 258
BGE 111 II 281
E. 2 S. 282). Andernfalls könnte die Gesellschaft die Durchsetzung des Einsichtsrechts einfach durch Bestreitung der Forderung des gesuchstellenden Gläubigers verhindern (vgl. bereits WOLFHART BÜRGI, Zürcher Kommentar, 1969, N. 6 zu aArt. 704 OR).
Für den Nachweis des schutzwürdigen Interesses gelten nach der Rechtsprechung grundsätzlich dieselben Anforderungen an das Beweismass (zit. Urteile 4C.129/2004 E. 4.2.1; 4C.222/1994 E. 4a, in: SJ 1995 S. 306 f.).
4.1.3
Wann ein vom Gesuchsteller geltend gemachtes Interesse als schutzwürdig zu betrachten ist, kann nicht abschliessend umschrieben werden. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der Umstände zu entscheiden, ob eine Interessenlage vorliegt, die eine Einsichtnahme des Gläubigers in die - ansonsten vertraulichen - Unterlagen im konkreten Fall rechtfertigt.
Nicht ausreichend ist zunächst ein allgemeines Interesse, das sich aus dem blossen Umstand der Gläubigereigenschaft ergibt, zumal
Art. 697h Abs. 2 OR
mit dem Nachweis des schutzwürdigen Interesses ausdrücklich eine zusätzliche Voraussetzung vorsieht. Der Gesuchsteller hat vielmehr konkret aufzuzeigen, wozu ihm die durch die beantragte Einsicht gewonnene Information dienen soll.
Nicht schützenswert wäre etwa eine Einsichtnahme lediglich zur Befriedigung der Neugierde, zur Kenntnisnahme von Geschäftsgeheimnissen (soweit dies aufgrund des beschränkten Umfangs der Einsicht überhaupt denkbar ist) oder zur Auskundschaftung von Konkurrenzverhältnissen. Demgegenüber liegt ein berechtigtes Einsichtsinteresse vor, wenn die Forderung gefährdet erscheint, also nicht fristgerecht beglichen wird, oder wenn andere Anzeichen vorliegen, die auf finanzielle Schwierigkeiten hindeuten (Botschaft vom 23. Februar 1983 über die Revision des Aktienrechts, BBl 1983 912; zit. Urteil 4C.129/2004 E. 4.2.1). Dabei muss der gesuchstellende Gläubiger nicht etwa Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft, geschweige denn die Uneinbringlichkeit seiner Forderung beweisen, ansonsten das Einsichtsrecht nach
Art. 697h Abs. 2 OR
, das letztlich dem Gläubiger- sowie dem Systemschutz dient, regelmässig zu spät greifen und damit seinen Zweck verfehlen würde. Vielmehr muss ausreichen, wenn er konkrete Umstände nachweist, die sein Informationsbedürfnis in objektiver Hinsicht als schutzwürdig erscheinen lassen. Dazu sollte es genügen, wenn die auf konkreten Anzeichen beruhenden Zweifel des Gläubigers an der Zahlungsfähigkeit
BGE 137 III 255 S. 259
der Gesellschaft als begründet zu erachten sind und sich nur durch die Einsicht in Jahresrechnung bzw. Konzernrechnung und Revisionsberichte (gegebenenfalls) beseitigen lassen.
Bei der Beurteilung des schützenswerten Interesses an der Einsichtnahme sind demnach keine allzu strengen Massstäbe anzuwenden (vgl. bereits Botschaft, a.a.O., S. 913). Als schutzwürdig zu betrachten ist die Einsichtnahme auch regelmässig nach Einleitung eines nicht offensichtlich aussichtslosen Forderungsprozesses gegen die Gesellschaft (Botschaft, a.a.O., S. 913; zit. Urteil 4C.129/2004 E. 4.2.1; ROLF H. WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, N. 7 zu
Art. 697h OR
; BIANCA PAULI, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 8 zu
Art. 697h OR
) oder bereits nachdem konkrete Schritte im Hinblick auf eine Klageeinreichung unternommen worden sind (zit. Urteil 4C.244/1995 E. 3c). Auch wenn solche Umstände keine Schlüsse hinsichtlich der Einbringlichkeit der Forderung zulassen, ist die Einsichtnahme unmittelbar auf die Beurteilung der finanziellen Verhältnisse der Schuldnerin gerichtet und erlaubt dem klagenden Gläubiger die Abschätzung des Kostenrisikos. Dem Gläubiger kann ein schützenswertes Interesse daran, zunächst die Zahlungsfähigkeit der schuldnerischen Gesellschaft zu prüfen, bevor er allenfalls weitere Mittel für die Durchsetzung seiner Forderung aufwendet, kaum abgesprochen werden.
Auch bei einer solchen Konstellation bedarf es jedoch einer Interessenabwägung im konkreten Fall. Bei einer blossen Bagatellforderung etwa wird ein schützenswertes Interesse an einer vorhergehenden Einsichtnahme tendenziell eher zu bezweifeln sein (vgl. PETER V. KUNZ, Transparenz für den Gläubiger der Aktiengesellschaft, SJZ 99/2003 S. 59 f.). Ebenso wenig würde die Einleitung eines Prozesses mit dem blossen Zweck, Einsicht in die Geschäftsunterlagen des Prozessgegners zu erlangen, einen Einsichtsanspruch begründen.
4.2
Die Gläubigereigenschaft der Beschwerdegegnerin ist im zu beurteilenden Fall nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Strittig ist nurmehr die Anspruchsvoraussetzung des schutzwürdigen Interesses nach
Art. 697h Abs. 2 OR
.
4.2.1
Die Beschwerdeführerin hat, nachdem der Beschwerdegegnerin für den Betrag von Fr. 1'268'307.60 nebst Zins provisorische Rechtsöffnung erteilt worden war, Aberkennungsklage gegen die Beschwerdegegnerin erhoben. Angesichts der Kosten, die bei einem
BGE 137 III 255 S. 260
ordentlichen Zivilprozess anfallen, der sich möglicherweise über mehrere Instanzen hinziehen kann, hat die Beschwerdegegnerin ein legitimes Interesse daran, ihr Kostenrisiko abschätzen zu können, zumal selbst eine allenfalls von der Beschwerdeführerin zu leistende Sicherheit für die zu erwartende Parteientschädigung kaum sämtliche Kosten decken würde, die für die Prozessführung anfallen. Die Beschwerdegegnerin hat ein schutzwürdiges Interesse daran, vorab abschätzen zu können, ob sie im Fall ihres Obsiegens überhaupt mit der Befriedigung ihrer Forderung rechnen kann. Entgegen dem, was die Beschwerdeführerin anzunehmen scheint, ist der Umfang der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Forderung bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung des schutzwürdigen Interesses immerhin insofern zu berücksichtigen, als dieser das Vorliegen einer blossen Bagatellforderung ausschliesst. Die Beschwerdeführerin hat zudem keine Umstände aufgezeigt, aus denen auf eine zweckwidrige Einsicht in die nach
Art. 697h Abs. 2 OR
vorgesehenen Geschäftsunterlagen zu schliessen wäre.
4.2.2
Die Vorinstanz hat zudem in tatsächlicher Hinsicht ohne Verletzung des Willkürverbots festgestellt, es sei als sehr wahrscheinlich zu betrachten, dass die wiederholte Anpassung der Zahlungsmodalitäten in Anhang 4 zum Rahmenvertrag im Verlauf des Jahres 2008 ihren Grund in den Zahlungsschwierigkeiten der Beschwerdeführerin hatte. Damit hat sich die Vorinstanz entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht mit einem blossen Glaubhaftmachen zufriedengegeben, sondern bewegt sich im Rahmen des vom Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung als massgeblich erachteten Beweismasses. Die Vorinstanz hat
Art. 697h Abs. 2 OR
nicht verletzt, wenn sie angesichts der festgestellten Zahlungsschwierigkeiten der Beschwerdeführerin - auch unabhängig vom hängigen Aberkennungsprozess - ein schutzwürdiges Einsichtsinteresse der Beschwerdegegnerin bejahte.
Insgesamt ist der Vorinstanz keine Verletzung von
Art. 697h Abs. 2 OR
vorzuwerfen, wenn sie dem Einsichtsgesuch der Beschwerdegegnerin stattgab. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8d6c01ba-f56f-48b9-ba6f-67f644acb45b | Urteilskopf
139 V 358
47. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen gegen B. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_20/2013 vom 26. Juni 2013 | Regeste
Art. 9 Abs. 1, Art. 9 Abs. 5 lit. h,
Art. 10 und 11 ELG
;
Art. 25a Abs. 1 ELV
; Heimdefinition.
Die Definition des Heimes in
Art. 25a Abs. 1 ELV
ist bundesrechtskonform. Ob ein Heimaufenthalt im Sinne des EL-Rechts gegeben ist, bestimmt sich danach, ob eine Einrichtung von einem Kanton als Heim anerkannt wird oder über eine kantonale Betriebsbewilligung verfügt (E. 2.3-5).
Die Rechtsprechung unter dem früheren EL-Recht (
BGE 118 V 142
) ist überholt (E. 4.5). | Sachverhalt
ab Seite 359
BGE 139 V 358 S. 359
A.
A.a
Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen (nachfolgend: SVA) sprach der 2004 geborenen B. ab 1. Mai 2004 eine monatliche Ergänzungsleistung (EL) zu (Verfügung vom 22. Juli 2004). Es handelte sich dabei um einen Teilanspruch der ihrer Mutter, Bezügerin einer Invalidenrente, zustehenden Ergänzungsleistungen. Die IV richtete der Mutter zudem für die in einem Heim lebende Tochter eine Kinderrente aus. Am 21. Februar 2006 übersiedelte B. zu Pflegeeltern. Die SVA berechnete die Ergänzungsleistungen ab März 2006 neu, dies in der Annahme, das Kind sei fortan eine Nichtheimbewohnerin. Im Januar 2009 verstarb die Mutter. Seit 1. Februar 2009 bezieht B. (deren Vater unbekannt ist) eine Vollwaisenrente der AHV und dazu eine EL.
A.b
Mit Verfügung vom 9. Juni 2011 setzte die SVA den EL-Anspruch ab 1. Mai 2011 auf monatlich Fr. 572.- fest. Der Vormund von B. erhob Einsprache. Die Durchführungsstelle drohte eine reformatio in peius an, da bei der Festsetzung der EL jeweils zu hohe Mietausgaben berücksichtigt worden seien. B. hielt an der Einsprache fest. Die SVA wies diese mit Entscheid vom 4. November 2011 ab. Sie legte den EL-Anspruch ab Mai 2011 auf monatlich Fr. 319.- fest.
B.
Soweit es darauf eintrat, hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die von B. hiegegen erhobene Beschwerde gut. Es hob den Einspracheentscheid auf und wies die Sache zur Neuberechnung des Anspruches ab 1. Mai 2011 an die SVA zurück. Dazu erwog es, eine Pflegefamilie mit behördlicher Bewilligung sei von Bundesrechts wegen als heimähnliche Institution zu betrachten; die
BGE 139 V 358 S. 360
SVA habe die ab Mai 2011 festzusetzende Ergänzungsleistung für B. als Heimbewohnerin zu berechnen (Entscheid vom 11. Dezember 2012).
C.
Die SVA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheides und Bestätigung des Einspracheentscheides.
B. schliesst auf Abweisung der Beschwerde und ersucht um unentgeltliche Prozessführung vor dem Bundesgericht. Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Nach
Art. 112a BV
richten Bund und Kantone Ergänzungsleistungen aus an Personen, deren Existenzbedarf durch die Leistungen der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung nicht gedeckt ist (Abs. 1). Das Gesetz legt den Umfang der Ergänzungsleistungen sowie die Aufgaben und Zuständigkeiten von Bund und Kantonen fest (Abs. 2).
2.2
Gemäss
Art. 2 Abs. 1 ELG
(SR 831.30) gewähren der Bund und die Kantone Personen, welche die Voraussetzungen nach den
Art. 4-6 ELG
erfüllen, Ergänzungsleistungen zur Deckung ihres Existenzbedarfs. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a
bis
ELG haben Personen mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn sie Anspruch auf eine Waisenrente der AHV haben. Aufgrund von
Art. 9 Abs. 1 ELG
entspricht die jährliche Ergänzungsleistung dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben (
Art. 10 ELG
) die anrechenbaren Einnahmen (
Art. 11 ELG
) übersteigen. Für in Heimen oder Spitälern wohnende Personen sind dazu in
Art. 10 Abs. 2 und
Art. 11 Abs. 2 ELG
spezielle Regelungen getroffen worden. So wird gemäss
Art. 10 Abs. 2 ELG
die Tagestaxe als Ausgabe anerkannt; die Kantone können die Kosten begrenzen, die wegen des Aufenthaltes in einem Heim oder Spital berücksichtigt werden; sie sorgen dafür, dass durch den Aufenthalt in einem anerkannten Pflegeheim in der Regel keine Sozialhilfe-Abhängigkeit begründet wird (lit. a).
2.3
Nach
Art. 9 Abs. 5 lit. h ELG
bestimmt der Bundesrat die Definition des Heimes. Auf dieser - weiten - Delegationsgrundlage hat er in
Art. 25a Abs. 1 ELV
(SR 831.301) geregelt, dass als Heim jede
BGE 139 V 358 S. 361
Einrichtung gilt, die von einem Kanton als Heim anerkannt wird oder über eine kantonale Betriebsbewilligung verfügt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat als Bezügerin einer Waisenrente der AHV einen gesetzlichen Anspruch auf EL zur Deckung ihres Existenzbedarfs (E. 2.2). Streitig und zu prüfen ist, ob die in einer Pflegefamilie betreute Bezügerin bei der Berechnung der Anspruchshöhe als zu Hause lebende Person (
Art. 10 Abs. 1 ELG
) oder als Person, die dauernd oder längere Zeit in einem Heim lebt (
Art. 10 Abs. 2 ELG
), zu betrachten ist.
3.1
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien können beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben (
BGE 136 III 23
E. 6.6.2.1 S. 37;
BGE 136 V 195
E. 7.1 S. 203;
BGE 135 V 50
E. 5.1 S. 53;
BGE 134 II 308
E. 5.2 S. 311). Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen (
BGE 137 V 167
E. 3.3 S. 170 f. mit Hinweisen).
3.2
Wie die Vorinstanz bei der Prüfung der konkreten Verhältnisse anhand der kantonalrechtlichen Gegebenheiten festgestellt hat, ist die Pflegefamilie vom Kanton nicht als Heim anerkannt und verfügt auch nicht über eine kantonale Betriebsbewilligung. Demnach lebe die Beschwerdegegnerin nicht in einem Heim nach
Art. 25a Abs. 1 ELV
. Jedoch sei der Bundesrat hier mit der Heimdefinition der gesetzgeberischen Vorgabe in
Art. 9 Abs. 5 lit. h ELG
(vorne E. 2.3) nicht nachgekommen. In der Botschaft vom 7. September 2005 zur Ausführungsgesetzgebung zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA; BBl 2005 6029 ff.) sei zum entsprechenden Artikel ausdrücklich festgehalten worden, es müsse einheitlich definiert sein,
BGE 139 V 358 S. 362
was ein Heim ist; denn dies sei wesentlich bei Kantonswechseln der EL-beziehenden Person (BBl 2005 6228 Ziff. 2.9.8.3 zu Art. 9 Abs. 5 Bst. h E-ELG). Bei dieser gesetzgeberischen Vorgabe könne es nicht angehen, in der Verordnung die Heimdefinition an die Kantone weiterzudelegieren und ihnen, ohne wenigstens grobe Rahmenbedingungen zu setzen, dabei gänzlich freie Hand zu lassen. Es werde damit in Kauf genommen, dass auch äusserst restriktive kantonale Regelungen toleriert würden, mit denen der verfassungsmässige Anspruch auf Existenzsicherung unterschritten werde.
Da die ELV - so die Vorinstanz weiter - die bundesrechtlich geforderte Definition des Heimbegriffs nicht ausreichend und in gesetzmässiger Art normiere, habe dies die Rechtsprechung zu tun. Dazu seien die unter dem früheren EL-Recht mit
BGE 118 V 142
höchstrichterlich vorgegebenen Leitlinien zur Abgrenzung der Heime oder heimähnlichen Institutionen nach wie vor tauglich. Entscheidend sei hier auf die Heimbedürftigkeit der betreuten Person und darauf abzustellen, ob die Institution jener in adäquater Weise zu genügen vermöge. Dies beurteile sich vorab danach, ob die erforderlichen organisatorischen, infrastrukturellen und personellen Voraussetzungen gegeben seien. Die Einstufung als Heim oder heimähnliche Institution im Sinne des Ergänzungsleistungsrechts könne auch dann erfolgen, wenn es (wie hier) an einer Anerkennung oder Bewilligung nach kantonalem Heimrecht fehle. Die Vorinstanz kam zum Schluss, die Pflegefamilie der Beschwerdegegnerin sei als Pflegefamilie mit dafür erforderlicher behördlicher Bewilligung von Bundesrechts wegen als heimähnliche Institution zu betrachten. Sie hob den Einspracheentscheid auf und wies die Verwaltung an, die ab Mai 2011 festzusetzende Ergänzungsleistung für die Beschwerdegegnerin als Heimbewohnerin zu berechnen.
3.3
Hiegegen wendet die Beschwerdeführerin ein, indem die Vorinstanz den vom Bundesrat erlassenen
Art. 25a ELV
als gesetzwidrig beurteile und den Begriff des Heims nach den Vorgaben von
BGE 118 V 142
auf den konkreten Fall bezogen auslege, verletze sie Bundesrecht. Diese Prüfung obliege seit dem Inkrafttreten von
Art. 25a ELV
nicht mehr den Gerichten. Sie hätten sich vielmehr an den Vorgaben der Kantone und deren Einstufungen zu orientieren. Im Bundesrecht gelte im Bereich der AHV zudem eine analoge Regelung, indem gemäss
Art. 66
bis
Abs. 3 AHVV
(SR 831.101) als Heim im Sinne von
Art. 43
bis
Abs. 1
bis
AHVG
jede Einrichtung gilt, die von einem Kanton als Heim anerkannt wird oder über eine
BGE 139 V 358 S. 363
kantonale Betriebsbewilligung als Heim verfügt. Das Bundesgericht habe mit Urteil 9C_177/2012 vom 3. Juli 2012 E. 3 diese (im Wortlaut gleich wie
Art. 25a ELV
ausgestaltete) Vorschrift als gesetzmässig geschützt und dabei festgehalten, dass es bei der unmissverständlichen Definition auf Verordnungsstufe nicht den Ausgleichskassen und Gerichten obliege, noch materielle Gesichtspunkte zu prüfen. Analog beurteile sich auch im EL-Recht allein nach formellen Kriterien, ob sich eine Person in einem Heim aufhält. Verwaltung und Sozialversicherungsgericht hätten sich daran zu orientieren, ob der Kanton eine Institution als Heim anerkannt oder dieser die Betriebsbewilligung erteilt habe.
4.
4.1
Die im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) auf den 1. Januar 2008 erfolgte Aufgabenentflechtung zwischen Bund und Kantonen hatte im Bereich der EL-Gesetzgebung zur Folge, dass das bisherige Subventionsgesetz durch ein Leistungsgesetz abgelöst wurde (BBl 2005 6031, Übersicht). Nach dem bis 31. Dezember 2007 in Kraft gestandenen Art. 196 Ziff. 10 Übergangsbestimmungen zu
Art. 112 BV
richtete der Bund den Kantonen Beiträge an die Finanzierung von Ergänzungsleistungen aus, solange die eidgenössische AHV/IV den Rentnerinnen und Rentnern den Existenzbedarf nicht deckte. Aufgrund des auf 1. Januar 2008 in Kraft gesetzten
Art. 112a BV
richten nun Bund und Kantone Ergänzungsleistungen aus an Personen, deren Existenzbedarf durch die Leistungen der AHV/IV nicht gedeckt ist, wobei das Gesetz den Umfang der Ergänzungsleistungen sowie die Aufgaben und Zuständigkeiten von Bund und Kantonen festlegt (E. 2.1).
4.2
Nach der Botschaft soll mit der Aufgabenneuverteilung die Deckung des allgemeinen Existenzbedarfs der EL-Bezügerinnen und -Bezüger zu fünf Achteln durch den Bund und zu drei Achteln durch die Kantone getragen werden. Die Finanzierung ist in
Art. 13 ELG
geregelt, in welchem der eben genannte Schlüssel mit Bezug auf die jährlichen Ergänzungsleistungen verankert ist (Abs. 1) und bestimmt wird, dass der Bund auch bei in Heimen oder Spitälern lebenden Personen fünf Achtel der jährlichen Ergänzungsleistungen übernimmt, soweit die in
Art. 10 ELG
vorgesehenen Beträge für den allgemeinen Lebensbedarf, den höchstmöglichen Mietzins und die anerkannten Ausgaben durch die anrechenbaren Einnahmen der EL-Bezügerinnen und -Bezüger nicht gedeckt sind (Abs. 2). Die
BGE 139 V 358 S. 364
mit dem Heim- oder Spitalaufenthalt in direktem Zusammenhang stehenden Einnahmen werden dabei nicht berücksichtigt. Den Rest tragen die Kantone. Es betrifft dies die EL zur Deckung zusätzlicher Heimkosten sowie der Krankheits- und Behinderungskosten, welche vollständig zu Lasten der Kantone gehen. Die Botschaft fasst die Teilentflechtung zwischen Bund und Kantonen wie folgt zusammen: Existenzsicherung: 5/8 Bund und 3/8 Kantone; Vergütung der Krankheits- und Behinderungskosten: 100 % Kantone. Dabei will der Bundesrat an minimalen Handlungsspielräumen der Kantone festhalten (BBl 2005 6223 Ziff. 2.9.8.1.6). Die Kantone bestimmen selbstständig die Höhe der anrechenbaren Heimtaxen und beeinflussen damit auch den von ihnen zu tragenden EL-Teil (BBl 2005 6224 Ziff. 2.9.8.2.2).
4.3
Nach der Botschaft muss einheitlich definiert sein, was ein Heim ist. Dies ist wesentlich bei Kantonswechseln der EL-beziehenden Person. Wichtig ist auch eine Koordination mit der Invalidenversicherung. Letzteres wird damit erreicht, dass eine Institution, die nach der Definition des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2006 über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG; SR 831.26) ein Heim ist - diese werden nach
Art. 4 Abs. 1 IFEG
durch den Kanton anerkannt -, auch nach dem ELG als Heim gelten soll (BBl 2005 6228 zu Art. 9 Abs. 5 Bst. h E-ELG).
4.4
Die Delegationsnorm von
Art. 9 Abs. 5 lit. h ELG
lässt dem Bundesrat eine weite Gestaltungsfreiheit in der Setzung unselbstständigen Verordnungsrechts; sie enthält keine Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen die Kantone Heime anzuerkennen oder ihnen eine Betriebsbewilligung zu erteilen haben. Nach den Materialien (Botschaft, Kommissionsprotokolle, AB) passierte die Regelung die Beratung der Gesetzesvorlage diskussionslos und unbestritten. Unter diesen Umständen hat sich das Bundesgericht nach
Art. 190 BV
auf die Prüfung zu beschränken, ob
Art. 25a Abs. 1 ELV
offensichtlich aus dem Rahmen der delegierten Kompetenz fällt oder aus anderen Gründen gesetzwidrig ist. Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung abzuweichen, befindet das Gericht auch über die Verfassungsmässigkeit der unselbstständigen Verordnung. Die vom Verordnungsgeber in
Art. 25a Abs. 1 ELV
getroffene Regelung ist unter sämtlichen genannten Aspekten rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, sich zu deren wirtschaftlichen oder politischen Sachgerechtigkeit zu äussern (vgl. auch
BGE 137 V 321
E. 3.3 S. 330 f. mit Hinweisen).
BGE 139 V 358 S. 365
4.5
Wenn eine wesentliche Funktion der einheitlichen Heimdefinition nach
Art. 9 Abs. 5 lit. h ELG
in Verbindung mit
Art. 25a Abs. 1 ELV
darin bestehen soll, dass EL-Bezügerinnen und -Bezüger beim Kantonswechsel wissen, ob sie EL-rechtlich neu in ein Heim eintreten oder in ein anderes Heim wechseln oder mit dem Wechsel aus einem Heim austreten (was auch kantonsintern von Relevanz ist), wird dieser gesetzlichen Vorgabe mit einer kantonalen Liste ohne weiteres Genüge getan. Flankierend hinzu kommen die Regelung in
Art. 25a Abs. 2 ELV
(bei IV-Hilflosenentschädigung) und die bereits genannte Koordination mit dem IFEG (vorne E. 4.3). Aufgrund des übergeordneten Rechts besteht kein zusätzlicher Regelungsbedarf durch Verwaltung und Gerichte. Die Rechtsprechung nach
BGE 118 V 142
ist durch die bundesrechtliche Neuregelung überholt. Ausgelegt nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihr zugrunde liegenden Wertungen ist die Regelung in
Art. 25a ELV
verfassungs- und gesetzeskonform. Wenn
Art. 9 Abs. 5 lit. h ELG
regelt, der Bundesrat bestimme die Definition des Heimes, kann dieser die Kompetenz an die Kantone weiterdelegieren. Es ist im Sinne der ratio legis, dass dafür die Kantone zuständig sind, soweit nicht ohnehin bundesrechtliche Regelungen Platz greifen.
5.
5.1
Damit wird entgegen der Befürchtung der Vorinstanz nicht in Kauf genommen, dass restriktive kantonale Regelungen zu tolerieren sind, mit denen der verfassungsmässige Anspruch auf Existenzsicherung unterschritten wird. Denn das aus den Materialien ersichtliche Postulat einer einheitlichen Heimdefinition ist von
Art. 25a ELV
in dem Sinne erfüllt, als die Verordnungsnorm die Anerkennungsvoraussetzungen klar und einheitlich definiert. Dass deren Erfüllung
in concreto
von einer kantonalen Heimzulassung abhängt, macht die bundesrechtlich geforderte Einheitlichkeit keineswegs rückgängig. Gemäss der Übersicht im kantonalen Entscheid über die einschlägigen kantonalrechtlichen Grundlagen sind im Kanton St. Gallen als Heime anerkannt die Leistungserbringer, welche in die gestützt auf
Art. 39 KVG
(im Hinblick auf Pflege, medizinische Betreuung und Rehabilitation von Langzeitpatienten) erstellte Pflegeheimliste der Kantonsregierung (sGS 381.181; Liste im Anhang) aufgenommen sind. Welche Einrichtungen eine Betriebsbewilligung für das Betreiben eines privaten Betagten- oder Pflegeheims mit mehr als fünf Plätzen gemäss Art. 32 des Sozialhilfegesetzes des Kantons St. Gallen vom 27. September 1998 (sGS 381.1; vgl. die Verordnung vom 3. Februar 2004 über private Betagten- und
BGE 139 V 358 S. 366
Pflegeheime [VBP; sGS 381.18]) erhalten haben, ist aus einem Verzeichnis des kantonalen Departements des Innern ersichtlich. Über eine kantonale Bewilligung können ferner private Behinderteneinrichtungen verfügen. Der Kanton St. Gallen führt für Einrichtungen der Heimpflege von Unmündigen und Kindern unter zwölf Jahren auf der Grundlage von
Art. 3 und 13 ff. der bundesrätlichen Verordnung vom 19. Oktober 1977 über die Aufnahme von Pflegekindern (Pflegekinderverordnung, PAVO; SR 211.222.338)
gemäss Art. 4 der kantonalen Verordnung vom 21. September 1999 über Kinder- und Jugendheime (KJV; sGS 912.4) ein Verzeichnis der Kinder- und Jugendheime und der sozial- und heilpädagogischen Pflegefamilien mit Betriebsbewilligung. Nach Art. 1 Abs. 1 KJV gilt die Verordnung für Einrichtungen der Heimpflege, die dazu bestimmt sind, wenigstens drei Unmündige tags- und nachtsüber aufzunehmen (lit. a) und wenigstens sechs Kinder unter zwölf Jahren regelmässig tagsüber zu betreuen (lit. b).
5.2
Damit ist es denn auch keineswegs ausgeschlossen, dass sich eine Pflegefamilie als Heim im EL-rechtlichen Sinne vom Kanton anerkennen lassen kann, womit die Voraussetzung nach
Art. 25a ELV
erfüllt wäre. Zeigt sich im Einzelfall, dass dieser Anspruch durch die bestehenden kantonalen Regelungen nicht gewährleistet wird, sind diese entsprechend zu korrigieren. Dabei kann es auch erforderlich sein, dass der Kanton im Heimbereich seine Anerkennungs- oder Bewilligungsgrundlagen anpasst. Eine allenfalls bestehende Lücke bei der Deckung des Existenzbedarfes wäre vorübergehend durch Sozialhilfeleistungen zu überbrücken. Nach der Botschaft ist dies nicht explizit ausgeschlossen, es soll aber nach Möglichkeit verhindert werden, dass zu den Ergänzungsleistungen noch Sozialhilfe beansprucht werden muss (BBl 2005 6226 Ziff. 2.9.8.3 zu Art. 2 E-ELG). Dem wird unter dem neuen EL-Recht bereits durch den Wegfall früherer Anspruchsbegrenzungen entgegengewirkt (BBl 2005 6224 Ziff. 2.9.8.2.2). Soweit der Bund nicht Regelungen getroffen hat (bspw. in der Koordination mit der Invalidenversicherung oder der Hilflosenentschädigung; oben E. 4.3 und 4.5), liegt der Handlungsbedarf im Heimbereich grundsätzlich beim Kanton; denn die Ergänzungsleistungen des Bundes dienen ungeachtet der Wohnsituation der Bezüger der (teilweisen) Deckung des allgemeinen Existenzbedarfes der Berechtigten. Die Ergänzungsleistungen zur Deckung der zusätzlichen Heimkosten sowie der Krankheits- und Behinderungskosten gehen hingegen vollständig zu Lasten der Kantone (BBl 2005 6223 Ziff. 2.9.8.2.1). | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
8d6ca09d-d719-42a9-ba9e-6190a5b05979 | Urteilskopf
112 II 79
15. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 10 mars 1986 dans la cause Continentale, Compagnie Générale d'Assurances S.A. contre C. (recours en réforme) | Regeste
Zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Fahrzeuglenkers. Verjährung des gegenüber dem Versicherer geltend gemachten Anspruchs des Verletzten (
Art. 83 Abs. 1 SVG
).
Die längere Verjährunsgfrist des Strafrechts gilt auch, wenn der Geschädigte direkt den Versicherer des Zivilanspruchs belangt (E. 3).
Rechtskraftwirkung einer Verurteilung wegen Verkehrsregelverletzung im Zivilprozess.
Die strafrechtliche Verurteilung wegen Verkehrsregelverletzung durch eine Behörde mit beschränkter Kompetenz hindert den Zivilrichter nicht, den gleichen Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt eines gemeinrechtlichen Straftatbestandes zu prüfen, es sei denn, der Strafrichter habe dies schon getan (Änderung der Rechtsprechung) (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 80
BGE 112 II 79 S. 80
A.-
Le 27 octobre 1974, une automobile, conduite par S., a renversé le piéton C., qui a été blessé. L'autorité de police genevoise a sanctionné les diverses violations des règles de la circulation ayant provoqué cet accident par une amende que la conductrice n'a pas contestée. Dame S. n'a pas fait l'objet d'une plainte pénale pour lésions corporelles par négligence.
C. prit contact avec Continentale, Compagnie Générale d'Assurances S.A. (ci-après: la Continentale), assureur en responsabilité civile de la détentrice du véhicule, dame J., aux fins d'obtenir la réparation de son préjudice qu'il estimait à 394'075 fr. 70. La Continentale contesta le montant du dommage allégué, mais renonça à se prévaloir de la prescription jusqu'au 15 mai 1979. Elle versa 100'000 francs au lésé, le 8 mai 1979, pour solde de tout compte.
Le 10 mai 1979, C. lui fit notifier un commandement de payer de 350'000 francs, qu'il renouvela le 30 avril 1981. Les deux poursuites furent frappées d'opposition.
B.-
C. a ouvert action le 27 avril 1984 contre la Continentale en paiement de 350'000 francs. La défenderesse a soulevé l'exception de prescription. Les parties ont alors requis l'autorité saisie de trancher cette question à titre préjudiciel.
Par jugement du 24 janvier 1985, le Tribunal de première instance du canton de Genève a admis l'exception et débouté le demandeur de toutes ses conclusions.
Statuant le 20 septembre 1985, sur appel de C., la Cour de justice du canton de Genève a annulé le jugement attaqué et rejeté l'exception de prescription.
C.-
Contre cet arrêt, la défenderesse interjette un recours en réforme en invitant le Tribunal fédéral à constater que l'action est prescrite et, partant, à rejeter la demande.
C. conclut au rejet du recours.
Le Tribunal fédéral rejette le recours et confirme l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le litige porte sur l'interprétation de l'
art. 83 al. 1 LCR
, dont la teneur est la suivante:
BGE 112 II 79 S. 81
"Les actions en dommages-intérêts et en réparation du tort moral qui découlent d'accidents causés par des véhicules automobiles ou des cycles se prescrivent par deux ans à partir du jour où le lésé a eu connaissance du dommage et de la personne qui en est responsable, mais en tout cas par dix ans dès le jour de l'accident. Toutefois, si les dommages-intérêts dérivent d'un acte punissable soumis par les lois pénales à une prescription de plus longue durée, cette prescription s'applique à l'action civile."
En l'occurrence, la prescription ordinaire (art. 83 al. 1, 1re phrase LCR) était acquise le 1er mai 1983, soit deux ans après la notification du dernier commandement de payer (
art. 83 al. 4 LCR
, qui renvoie à l'
art. 135 ch. 2 CO
). L'action en dommages-intérêts n'ayant été introduite qu'après l'échéance du délai de prescription ordinaire, elle devrait donc être rejetée. Il n'en irait autrement que si la prescription de plus longue durée du droit pénal lui était applicable (art. 83 al. 1, 2e phrase LCR); en pareille hypothèse, le délai de prescription serait, en effet, de cinq ans dans le cas particulier (art. 70 in fine et 125 CP).
A cet égard, la présente espèce soulève deux problèmes distincts. Il s'agit de savoir, d'une part, si la prescription du droit pénal vaut également pour l'action directe que le lésé peut intenter à l'assureur en responsabilité civile en vertu de l'
art. 65 al. 1 LCR
, et, d'autre part, si cette prescription prolongée est applicable en dépit du fait que l'autorité de police n'a retenu qu'une contravention à la charge de la conductrice, laquelle n'a fait l'objet ni d'une plainte pénale ni d'une condamnation pour lésions corporelles par négligence.
A la différence du premier juge, la Cour de justice a répondu affirmativement aux deux questions. Se rangeant à l'avis du demandeur, elle a en conséquence appliqué le délai de prescription prolongé du droit pénal à l'action en dommages-intérêts. La défenderesse lui reproche d'avoir violé le droit fédéral en agissant de la sorte.
3.
a) Le Tribunal fédéral n'a pas encore tranché la question de savoir si la prescription pénale de plus longue durée de l'
art. 83 al. 1 LCR
s'applique aussi à l'action que le lésé a le droit d'intenter directement à l'assureur en responsabilité civile en vertu de l'
art. 65 al. 1 LCR
. Il l'a laissée expressément ouverte dans son arrêt Bidenger du 5 décembre 1967 (
ATF 93 II 502
consid. 1 in fine). Quant à l'
art. 60 al. 2 CO
, dont la teneur est identique à celle de l'art. 83 al. 1, 2e phrase LCR, il ne l'a appliqué qu'à l'action visant l'auteur de l'acte punissable, mais pas à la prétention en dommages-intérêts dirigée contre des tiers dont seule la responsabilité civile était engagée (
ATF 55 II 28
). ans l'arrêt publié aux
ATF 107 II 151
s., il a toutefois fait état des objections
BGE 112 II 79 S. 82
que cette jurisprudence suscite depuis quelque temps en relevant la solidité des arguments des auteurs qui les ont formulées (p. 155), ce qui constitue déjà un abandon implicite de la position stricte qu'il avait adoptée par le passé. Dans ce cas également, la question de l'applicabilité de l'
art. 60 al. 2 CO
aux tiers responsables a cependant été laissée indécise.
Il n'est pas nécessaire de la résoudre aujourd'hui, car l'
art. 60 al. 2 CO
n'est pas applicable en l'espèce. Partant, la cour de céans se bornera à rechercher le sens et la portée de la disposition topique de la loi sur la circulation routière.
b) En plus des auteurs favorables à une large application de l'
art. 60 al. 2 CO
aux tiers responsables (BÄR et SPIRO, cités in
ATF 107 II 155
), plusieurs auteurs sont résolument partisans, s'agissant de l'
art 83 al. 1 LCR
, de l'application de la prescription du droit pénal à l'action directe intentée contre l'assureur (BUSSY/RUSCONI, Code suisse de la circulation routière annoté, 2e éd., n. 4.3 ad
art. 83 LCR
; GIGER/SCHLEGEL, Strassenverkehrsgesetz, 4e éd., n. 3 ad
art. 83 LCR
; DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, 2e éd., p. 204, n. 38; VOLKEN, Anwendung der längeren strafrechtlichen Verjährungsfristen auf die zivilrechtliche Haftung juristischer Personen, in RSJ 80 (1984), p. 282, à propos notamment d'un arrêt valaisan publié in RVJ 1975, p. 144 s. et confirmé par l'arrêt publié in RVJ 1984, p. 122 s.; CHÂTELAIN, L'action directe du lésé, thèse Lausanne 1961, p. 131, qui parle d'"une seule et même prescription" pour les actions contre le détenteur et contre l'assureur; SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, I, p. 209, ad. n. 17). Quelques auteurs sont cependant d'un avis contraire (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, II/2, p. 683/684, sans motivation particulière; JAEGER, La prescription des créances en dommages-intérêts, in Journées du droit de la circulation routière, Fribourg 1984, p. 21/22, parce que la prescription de longue durée ne devrait viser, selon lui, que l'auteur de l'acte punissable; SCHWANDER, in Journées du droit de la circulation routière, Fribourg 1984, p. 16/17, car il n'y a qu'une solidarité imparfaite entre les personnes répondant du dommage causé par un accident et leur assureur).
c) Avec la cour cantonale, le Tribunal fédéral se range à l'opinion de la doctrine dominante, suivant laquelle la prescription du droit pénal s'applique aussi à l'action directe du lésé contre l'assureur en responsabilité civile. Cette opinion est en effet la seule
BGE 112 II 79 S. 83
qui soit compatible avec le texte de la loi; celui-ci fait clairement dépendre l'application de la prescription de plus longue durée de la seule nature de l'acte générateur de la responsabilité et il ne contient aucune référence, même indirecte, à la personne de l'auteur de cet acte. Ce qui importe, selon ce texte, c'est que l'on ait affaire à un acte punissable soumis par les lois pénales à une prescription plus longue que la prescription ordinaire de l'art. 83 al. 1, 1re phrase LCR. Dès lors que l'on est en présence d'un tel acte, quel qu'en soit l'auteur, l'action civile, qui qu'elle vise, est soumise à la prescription du droit pénal.
Cette interprétation est au demeurant la seule qui soit conciliable avec le but d'uniformisation du délai de prescription ressortant de l'
art. 83 LCR
et parfaitement illustré par l'al. 2 de cette disposition, aux termes duquel "lorsque la prescription est interrompue à l'égard de la personne responsable, elle l'est aussi à l'égard de l'assureur, et vice versa". En adoptant cette disposition, le législateur a voulu étendre au concours des actions contre le responsable et son assureur (solidarité imparfaite) les effets que l'
art. 136 al. 1 CO
attache à la solidarité parfaite existant entre les personnes qui répondent du dommage causé par un accident (art. 60 al. 1 et 61 al. 3 LCR;
ATF 106 II 253
consid. 3). Du moment que la prescription interrompue à l'égard du responsable l'est également envers l'assureur, la logique veut qu'il en aille de même en ce qui concerne la prolongation du délai de prescription, faute de quoi le but d'uniformisation poursuivi par le législateur ne pourrait pas être atteint.
Force est donc d'admettre, au terme de cet examen, que la prescription de plus longue durée de l'art. 83 al. 1, 2e phrase LCR s'applique non seulement à l'action dirigée contre l'auteur pénalement responsable - ou contre le détenteur si l'accident est dû à la faute du conducteur non détenteur ou à celle d'un auxiliaire au service du véhicule (
art. 58 al. 4 LCR
) -, mais aussi à l'action directe que le lésé a le droit d'intenter à l'assureur en responsabilité civile en vertu de l'
art. 65 al. 1 LCR
.
4.
a) Estimant que les éléments constitutifs du délit de lésions corporelles par négligence (
art. 125 CP
) étaient réalisés en l'espèce, la cour cantonale a appliqué la prescription pénale de cinq ans (art. 70 in fine CP) à la présente action en dommages-intérêts, en dépit du fait que la conductrice du véhicule n'avait été condamnée que pour des contraventions aux règles de la circulation routière, qu'elle n'avait pas contesté l'amende qui lui avait été infligée de ce
BGE 112 II 79 S. 84
chef, et qu'elle n'avait fait l'objet ni d'une plainte pénale ni d'une condamnation pour lésions corporelles par négligence. Ce faisant, la Cour de justice s'est écartée de la jurisprudence du Tribunal fédéral rendue dans un cas analogue et publiée aux
ATF 93 II 502
consid. 1. Dans cet arrêt, que la défenderesse invoque à l'appui de son recours en réforme, le Tribunal fédéral considère que la condamnation d'un automobiliste pour contravention aux règles de la circulation routière, prononcée par une autorité administrative, fait obstacle, dès son entrée en force, à la condamnation ultérieure de cet automobiliste pour lésions corporelles par négligence. A son avis, une seconde condamnation serait en effet contraire au principe "ne bis in idem", qui ressortit au droit matériel. Il en vient alors à poser ce qui suit, pour écarter la prescription pénale de plus longue durée (ibid.): "Du moment que l'autorité pénale n'a retenu qu'une contravention à sa charge, (l'automobiliste) s'est donc trouvé libéré d'une poursuite éventuelle pour lésions corporelles par négligence. S'il s'en était rendu coupable, la situation ainsi acquise aurait correspondu à celle d'un acquittement, prononcé sans doute à tort, mais qui n'en lierait pas moins le juge civil."
Cette jurisprudence ne résiste toutefois pas à un nouvel examen. BUSSY/RUSCONI (op.cit., n. 4.4 ad
art. 83 LCR
) la critiquent à juste titre en relevant qu'il n'y avait pas matière à application de la règle "ne bis in idem" dans cette espèce, car la condamnation pour contravention de circulation laissait de côté les lésions corporelles occasionnées aux demandeurs et n'embrassait donc pas la totalité des faits. Il est vrai que si l'on poussait à l'extrême le raisonnement tenu dans l'arrêt controversé, on serait amené à nier la possibilité, pour le juge pénal compétent, de condamner un automobiliste pour homicide par négligence, du seul fait que cet automobiliste s'est déjà vu infliger une amende pour les contraventions aux règles de la circulation qu'il a commises. En pareille hypothèse, le délit prévu par le code pénal devrait donc être considéré comme absorbé par l'infraction de circulation. On aboutirait ainsi à un résultat non seulement choquant, mais, qui plus est, en parfaite contradiction avec les principes posés par le Tribunal fédéral en matière de concours entre l'
art. 90 LCR
et les dispositions du code pénal (
ATF 106 IV 396
No 95 et les arrêts cités). L'application du droit pénal ordinaire dépendrait, en définitive, de la célérité, pour ne pas dire du bon vouloir, de l'autorité chargée de la répression des seules contraventions aux règles de la circulation. Une telle
BGE 112 II 79 S. 85
solution n'est pas admissible (cf., à ce sujet, les arrêts cantonaux publiés in Extraits des principaux arrêts du Tribunal cantonal fribourgeois, 1964, p. 147 s. et 151/152; PKG 1958 No 14 p. 58/59 consid. 1; ZR 51 (1952) No 44, 42 (1943) No 130).
En réalité, l'autorité habilitée à réprimer les contraventions aux règles de la circulation doit examiner d'office, sous toutes les qualifications possibles, l'état de fait qui lui est soumis, et si cet examen révèle l'existence probable d'un délit, elle doit alors transmettre le dossier au juge d'instruction compétent, sous réserve du cas où l'infraction n'est poursuivie que sur plainte du lésé (cf. le second arrêt fribourgeois, op.cit., p. 152). Si elle ne le fait pas et rend néanmoins une sentence partielle restreinte aux violations des règles de la circulation, sa décision ne saurait jouir de l'autorité de la chose jugée et faire obstacle à une poursuite judiciaire ultérieure visant à sanctionner le délit que peut constituer le même acte, déjà réprimé comme contravention. En effet, n'est alors pas réalisée l'une des conditions cumulatives dont dépend l'autorité de la chose jugée (materielle Rechtskraft) d'une décision pénale, à savoir la compétence de jugement illimitée du premier juge (cf., sur ce point, HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2e éd., p. 243, lettre c, et p. 249, ch. IV; v. aussi: PIQUEREZ, Traité de procédure pénale bernoise et jurassienne, t. I, No 320; JOOS, Formelles Übertretungsstrafrecht im Kanton Graubünden, thèse Zurich 1979, p. 206/207; AEPPLI, Formelles Übertretungsstrafrecht im Kanton Zürich, thèse Zurich 1971, p. 63). Certains cantons ont du reste résolu expressément ce problème dans leur code de procédure en prévoyant l'annulation pure et simple de la première décision par la juridiction nouvellement saisie (cf., par ex.,
art. 227 al. 3 CPP
jur.,
art. 29 al. 2 CPP
app. R.-E., par. 139 al. 4 CPP thurg., par. 3 al. 2 CPP zoug.; voir aussi les art. 13 et 18, particulièrement explicites, de la loi vaudoise du 18 novembre 1969 sur les contraventions). La situation n'est évidemment pas différente dans les cantons qui n'ont pas codifié le principe susmentionné, puisque la règle "ne bis in idem" ressortit au droit matériel (
ATF 86 IV 52
). PONCET (Le nouveau code de procédure pénale genevois annoté, p. 296 ad. art. 215) le rappelle clairement à propos de la procédure genevoise ici en cause. Il en va de même en procédure pénale valaisanne, contrairement à ce que pourrait laisser croire l'arrêt Bidenger précité (
ATF 93 II 502
). Dans cet arrêt, le Tribunal fédéral a en effet considéré à tort que l'automobiliste fautif avait échappé à une condamnation pour
BGE 112 II 79 S. 86
lésions corporelles par négligence en raison de l'autorité de la chose jugée dont était revêtu le prononcé pénal du Département de justice et police du canton du Valais, alors que la libération de l'automobiliste tenait uniquement au fait que la juridiction pénale compétente n'avait pas été saisie du dossier, le cas ne lui ayant pas été dénoncé et les lésés n'ayant pas porté plainte.
En résumé, la décision rendue par une autorité pénale ne jouissant que d'un pouvoir d'examen limité ratione materiae ne donne lieu à application de la règle "ne bis in idem" que dans le cadre restreint de la sphère de compétence de cette autorité. Elle n'empêche pas qu'un nouveau jugement soit rendu à raison des mêmes faits, lorsque ceux-ci constituent également une autre infraction qu'il appartient à une autorité différente de sanctionner.
Il suit de là qu'une condamnation prononcée par une autorité dont la compétence de jugement est restreinte à une catégorie d'infractions (les contraventions, par exemple) ne saurait empêcher le juge civil d'examiner si les éléments constitutifs d'une infraction n'entrant pas dans cette catégorie (délit ou crime, par exemple) sont bien réalisés, lorsque cette question n'a pas été soumise à l'appréciation du juge pénal compétent. Peu importe, au demeurant, le motif pour lequel ce dernier n'a pas été saisi de l'affaire. S'agissant, comme en l'espèce, du défaut de plainte pénale, on rappellera que, selon la jurisprudence, cette circonstance n'empêche pas l'application du délai de prescription prolongé, car la plainte est une condition de l'exercice de l'action publique et non de punissabilité (
ATF 96 II 43
consid. 3a,
ATF 93 II 500
; v. aussi: SPIRO, op. cit., p. 208; GIRSBERGER, in RSJ 58 (1962), p. 215; STARK, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, Nos 1111 et 1112).
b) Sur le vu de ce qui précède, c'est à juste titre que la cour cantonale a décidé d'examiner si l'acte commis par la conductrice, et déjà réprimé en tant que contravention aux règles de la circulation, ne constituait pas aussi un délit pénal qui aurait été retenu à la charge de l'automobiliste fautive en cas de dépôt d'une plainte par le lésé. Comme la réalisation des conditions objectives et subjectives du délit de lésions corporelles par négligence était manifeste en l'occurrence, la Cour de justice n'a donc pas violé le droit fédéral en appliquant le délai de prescription pénal de cinq ans à l'action en dommages-intérêts du demandeur et en rejetant, par voie de conséquence, l'exception de prescription soulevée par la défenderesse.
Le recours se révèle dès lors mal fondé. | public_law | nan | fr | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8d6ebfee-140e-4ce0-898d-98c7cb2aa7a4 | Urteilskopf
136 III 583
86. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause X. SA contre Y. BV (recours en matière civile)
5A_225/2010 du 2 novembre 2010 | Regeste
Art. 82 und 84 SchKG
,
Art. 7, 9 und 177 IPRG
; Schiedseinrede im Rahmen eines provisorischen Rechtsöffnungsverfahrens, Rechtshängigkeit.
Die - provisorische oder definitive - Rechtsöffnung kann durch ein Schiedsgericht nicht ausgesprochen werden (E. 2.1). Unter Vorbehalt einer ausdrücklichen Klausel versagt die Schiedsvereinbarung dem Betreibenden nicht das Recht, beim staatlichen Gericht die provisorische Rechtsöffnung zu verlangen (E. 2.2). Das provisorische Rechtsöffnungsverfahren begründet im Verhältnis zur Klage auf Zahlung vor einem Schiedsgericht keine Rechtshängigkeit (E. 2.3). | Sachverhalt
ab Seite 583
BGE 136 III 583 S. 583
Le 31 janvier 2008, Y. BV et X. SA ont conclu un contrat de licence ayant pour objet le droit d'utilisation exclusif d'une marque, dont Y. BV est titulaire, dans certains pays européens. Les parties ont soumis leur convention au droit néerlandais et stipulé que "(t)out litige, controverse ou réclamation découlant du présent contrat et de toute modification ultérieure du présent contrat, ou s'y rapportant, et ayant trait notamment mais non exclusivement à sa formation, sa validité, ses effets obligatoires, son interprétation, son exécution, sa violation ou sa résolution, de même que toute réclamation extracontractuelle, sera soumis en cas de non accord amiable dans un délai de soixante jours, pour règlement définitif, à arbitrage conformément au Règlement d'arbitrage accéléré de l'OMPI. Le lieu de
BGE 136 III 583 S. 584
l'arbitrage sera désigné d'un commun accord (...) et à défaut d'accord à Genève". Le 28 janvier 2009, Y. BV a résilié le contrat de licence; cette résiliation a pris effet au 31 juillet 2009.
Le 31 juillet 2009, X. SA a déposé contre Y. BV, devant le Centre d'arbitrage et de médiation de l'OMPI, une demande en dommages-intérêts pour inexécution et rupture abusive du contrat.
Le 6 août 2009, Y. BV a fait notifier à X. SA deux commandements de payer portant sur les redevances dues en vertu du contrat de licence.
Par prononcés du 9 octobre 2009, le Président du Tribunal civil de la Veveyse a levé provisoirement les oppositions.
Statuant le 12 février 2010, la II
e
Cour d'appel civil du Tribunal cantonal de l'État de Fribourg a confirmé l'octroi de la mainlevée provisoire.
Le Tribunal fédéral a rejeté dans la mesure de sa recevabilité le recours en matière civile formé par X. SA.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Après avoir admis que les normes de la LDIP (RS 291) en matière d'arbitrage étaient applicables (
art. 176 al. 1 LDIP
), l'autorité précédente a retenu que la procédure de mainlevée de l'opposition (
art. 80 ss LP
) doit être réservée au juge étatique "en raison de la réserve de l'ordre public et de la participation obligatoire des autorités de poursuite pour des actes touchant un débiteur domicilié en Suisse, comme des effets nécessaires de ces actes vis-à-vis des tiers". Si les parties sont, en principe, libres de renoncer à demander la mainlevée provisoire et de s'obliger à introduire directement une procédure d'arbitrage, une telle convention doit être expresse; partant, "si les parties concluent une convention d'arbitrage sans exclure expressément la faculté de requérir la mainlevée provisoire, il ne faut pas y voir une renonciation à requérir celle-ci auprès du juge étatique". En l'occurrence, la présente cause n'est dès lors pas susceptible d'arbitrage; de surcroît, la clause compromissoire contenue dans le contrat de licence du 31 janvier 2008 ne fait aucune mention expresse d'une renonciation à agir par la voie de la mainlevée provisoire. Il s'ensuit que le premier juge était bien compétent pour se prononcer sur la requête. Enfin, l'exception de litispendance soulevée par la poursuivie est mal fondée, puisque la mainlevée
BGE 136 III 583 S. 585
provisoire peut être prononcée "même lorsqu'une action matérielle [...] concernant la créance en poursuite est pendante".
2.1
Selon la jurisprudence constante, l'arbitre ne peut pas prononcer la mainlevée définitive ou provisoire de l'opposition (arrêt 7B.95/2005 du 19 août 2005 consid. 3; 7B.25/2005 du 22 février 2005 consid. 6, in RtiD 2005 II p. 780; 5A_682/2009 du 20 avril 2010 consid. 4.2.3.3). Alors même que l'action en reconnaissance de dette au sens de l'
art. 79 LP
peut être jugée par un tribunal arbitral (
ATF 94 I 365
consid. 3 p. 370), celui-ci n'est pas non plus compétent - à l'opposé du tribunal étatique (cf.
ATF 107 III 60
) - pour lever définitivement l'opposition dans le dispositif de sa sentence (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, vol. I, 1999, n
o
9 ad
art. 79 LP
; RUEDIN, L'action en reconnaissance de dette, Fiches juridiques suisses [FJS] n° 979a [1986] p. 6; SCHMIDT, Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, n° 18 ad
art. 79 LP
; STAEHELIN, Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 1998, n° 19 ad
art. 79 LP
; VOCK, Kurzkommentar SchKG, 2009, n° 6 ad
art. 79 LP
). Contrairement à ce que pense la recourante - en se référant à DUTOIT qui admet d'une manière générale le caractère arbitrable des "litiges en relation avec la poursuite pour dette ou la faillite" (Droit international privé suisse, 4
e
éd. 2005, n° 2 ad
art. 177 LDIP
) -, la réponse est la même sous l'angle de l'
art. 177 LDIP
. Certes, cette disposition prévoit expressément que toute "cause patrimoniale" peut faire l'objet d'un arbitrage (al. 1). Toutefois, l'arbitrabilité peut se trouver exclue par des règles de compétence qui réservent impérativement à une autorité étatique la connaissance de certains différends; la doctrine quasiment unanime considère, à juste titre, que tel est le cas de la procédure de mainlevée de l'opposition (BERGER/KELLERHALS, Internationale und interne Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, 2006, n° 225; BRINER, in Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2
e
éd. 2007, n° 14 ad
art. 177 LDIP
; KNOEPFLER, note Revue de l'arbitrage 1993 p. 698; PERRET, Faillite et arbitrage international, Bull. ASA 2007 p. 37; POUDRET/BESSON, Droit comparé de l'arbitrage international, 2002, n° 363; VISCHER, in Zürcher Kommentar zum IPRG, 2
e
éd. 2004, n° 20 ad
art. 177 LDIP
; WALTER ET AL., Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, 1991, p. 60; de l'avis contraire: GEHRI, Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen in Angelegenheiten des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, ZZZ 2007 p. 427 [pour la mainlevée provisoire]).
BGE 136 III 583 S. 586
2.2
Faisant sienne l'opinion de certains auteurs, la recourante soutient que la procédure de mainlevée provisoire n'est plus ouverte lorsque les parties sont liées par une convention d'arbitrage; elles sont alors tenues d'agir directement au fond devant les arbitres (POUDRET/BESSON, ibidem; BESSON, Une exception d'arbitrage peut-elle être invoquée en procédure de mainlevée provisoire?, Bull. ASA 1999 p. 2 ss; SCHMID/KNECHT, Schiedsvereinbarung und provisorische Rechtsöffnung, RSJ 105/2009 p. 537 ss).
Les plaideurs peuvent exclure la procédure de mainlevée provisoire de l'opposition au profit de la seule procédure arbitrale (STAEHELIN, op. cit., n° 17 ad
art. 84 LP
). À défaut d'une telle clause
expresse
- à laquelle on peut appliquer par analogie les critères posés par le Tribunal fédéral sur la base de l'
art. 192 LDIP
(cf. sur ce point:
ATF 131 III 173
et les citations) -, on ne peut cependant interpréter la convention d'arbitrage comme emportant renonciation à en appeler au juge de la mainlevée provisoire (STAEHELIN, ibidem, et les nombreuses citations). On ne saurait d'autant moins l'admettre que le poursuivant perdrait alors le droit de requérir une saisie provisoire ou un inventaire des biens du poursuivi (
art. 83 al. 1 LP
), mesures conservatoires relevant de l'exécution forcée (SCHMIDT, op. cit., n
os
6-7 ad
art. 83 LP
et les citations) que l'arbitre n'est pas compétent pour ordonner (cf. pour le séquestre: BESSON, Arbitrage et mesures provisoires, 1998, n° 72). Il n'est donc pas indifférent pour le poursuivant de pouvoir obtenir la mainlevée provisoire de l'opposition (SCHMIDT, op. cit., n° 6 ad
art. 83 LP
).
2.3
Le moyen tiré de la "litispendance" ne résiste pas à l'examen. Le Tribunal fédéral a déjà jugé qu'il n'y a pas litispendance entre la procédure de mainlevée provisoire et l'action en reconnaissance de dette portée devant un tribunal arbitral (arrêt 5A_400/2009 du 12 novembre 2009 consid. 1). Si le poursuivant obtient la mainlevée, il peut requérir la saisie provisoire ou l'inventaire (
art. 83 al. 1 LP
), mais la mainlevée ne peut pas devenir définitive (
art. 83 al. 3 LP
) tant que le procès en reconnaissance de dette est pendant devant les arbitres (cf. STAEHELIN, op. cit., n° 9 ad
art. 84 LP
; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 4
e
éd. 2005, n° 805, ainsi que les réferences citées par ces auteurs).
L'argumentation de la recourante méconnaît, de surcroît, la nature du prononcé de mainlevée. Comme le Tribunal fédéral l'a jugé à maintes reprises, la procédure de mainlevée - provisoire ou définitive - est un incident de la poursuite; il s'agit d'une procédure sur
BGE 136 III 583 S. 587
pièces qui n'a pas pour objet de statuer sur la réalité de la prétention en poursuite, mais uniquement sur la force exécutoire du titre produit par le poursuivant (
ATF 133 III 645
consid. 5.3,
ATF 133 III 400
consid. 1.5;
ATF 132 III 141
consid. 4.1.1;
ATF 120 Ia 82
consid. 6b). Le jugement de mainlevée provisoire ne sortit que des effets de droit des poursuites (
ATF 100 III 48
consid. 3) et ne fonde pas l'exception de chose jugée quant à l'existence de la créance (STAEHELIN, op. cit., n° 82 ad
art. 84 LP
et les citations). Contrairement à ce qu'affirme la recourante, la procédure de mainlevée et la procédure arbitrale (initiée par l'intéressée avant l'introduction des poursuites) ont ainsi deux objets nettement distincts (
ATF 133 III 645
consid. 5.3). | null | nan | fr | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8d6fbe22-8018-4f0e-a107-19293be645cd | Urteilskopf
87 II 345
46. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. November 1961 i.S. Verband Schweiz. Gerbereien gegen Spörry & Schaufelberger A.-G. | Regeste
Täuschungsgefahr,
Art. 1 Abs. 2 lit. b und d UWG
.
Die Bezeichnung "Plasticleder" für ein Kunststofferzeugnis ist nicht geeignet, bei den in Betracht fallenden Abnehmerkreisen die Vorstellung zu erwecken, es handle sich um aus echtem Leder hergestellte Erzeugnisse. | Sachverhalt
ab Seite 345
BGE 87 II 345 S. 345
Aus dem Tatbestand:
Die beklagte Firma Spörry & Schaufelberger AG vertreibt seit über 10 Jahren einen von ihr hergestellten Plastic-Kunststoff unter der Bezeichnung "Plasticleder". Dieser Kunststoff dient unter anderem zur Herstellung von Artikeln, für welche auch Leder verwendet werden kann, wie Koffer, Taschen, Mappen, Möbelbezüge und dergleichen.
Der Kläger, der Verband Schweiz. Gerbereien, ein Verein mit Sitz in Zürich, ist der Auffassung, die Bezeichnung "Plasticleder" sei geeignet, die Kundschaft zu der Annahme zu verleiten, die damit bezeichneten Waren seien aus echtem Leder hergestellt. Seine deswegen erhobene Klage wegen unlauteren Wettbewerbs wurde vom Handelsgericht
BGE 87 II 345 S. 346
Zürich abgewiesen. Das Bundesgericht bestätigt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
In materiellrechtlicher Hinsicht hat die Berufung die Frage zum Gegenstand, ob der Gebrauch der Bezeichnung "Plasticleder" durch die Beklagte für ihre Erzeugnisse unlauteren Wettbewerb im Sinne des Gesetzes darstelle. Dies ist dann der Fall, wenn die genannte Bezeichnung bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Verwechslungsgefahr in dem Sinne schafft, dass sie zu der Annahme verleitet werden könnten, bei der so bezeichneten Ware handle es sich um echtes, d.h. aus tierischer Haut hergestelltes Leder.
Bei der Beurteilung dieser Frage ist davon auszugehen, dass das im Ausdruck "Plasticleder" enthaltene Wort "Leder" auf ein aus tierischer Haut erzeugtes, durch Gerben bearbeitetes Naturprodukt hinweist. Das Wort "Leder" als solches stellt somit eine Beschaffenheitsangabe des genannten Inhalts dar.
Die von der Beklagten unter der Bezeichnung "Plasticleder" vertriebene Ware ist dagegen nicht ein Ledererzeugnis im dargelegten Sinn, sondern ein Kunststofferzeugnis. Es ist daher zu untersuchen, ob diese Beschaffenheit der Ware der Beklagten durch die Verbindung des Wortes "Leder" mit dem Wort "Plastic" bei den Kreisen, die als Interessenten und Abnehmer in Betracht fallen, mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, d.h so, dass die Gefahr einer Verwechslung der Ware der Beklagten mit Erzeugnissen aus tierischem Leder behoben wird.
Wie der Kläger an sich zutreffend hervorhebt, ist der Begriff "Leder" älter als der Begriff "Plastic", und es kommt jenem im allgemeinen Sprachgebrauch daher vor diesem die Priorität zu. Die Wortverbindung "Plasticleder" besitzt somit die erforderliche Unterscheidungskraft im Verhältnis zwischen den konkurrierenden Waren der
BGE 87 II 345 S. 347
Beklagten und den echten Ledererzeugnissen nur, wenn der Zusatz "Plastic" geeignet ist, die Beschaffenheitsangabe des Wortes "Leder" zu entkräften. Ob diese Voraussetzung erfüllt sei, bemisst sich nach der Verkehrsauffassung, d.h. danach, wie die Abnehmerkreise der Ware der Beklagten die Wortverbindung "Plasticleder" auffassen (BAUMBACH/HEFERMEHL, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 8. Aufl., S. 388, N. 45). Dabei ist auf die gegenwärtigen tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Vor allem ist die Bedeutung massgebend, welche der heutige Sprachgebrauch und das heutige Sprachempfinden der angesprochenen Käuferkreise den Worten "Leder" und "Plastic" und ihrer Verbindung beimessen. Entgegen der Meinung des Klägers kommt es dabei jedoch nicht auf die Auffassungsgabe der "Einfachen und Beschränkten" an. Entscheidend ist vielmehr, wie der normalbegabte Durchschnittskäufer bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit im täglichen Geschäftsverkehr die fragliche Warenbezeichnung tasächlich versteht. Die vom Kläger namentlich im kantonalen Verfahren vorgetragenen sprachwissenschaftlichen und historischen Erörterungen sind der Käuferschaft von Leder- und Plasticwaren im allgemeinen fremd und für die Ermittlung des Sprachgebrauchs dieses Personenkreises daher unmassgeblich.
4.
Die rechtliche Wertung der angegriffenen Wettbewerbshandlungen der Beklagten führt zu folgenden Ergebnissen:
a) In erster Linie ist darauf hinzuweisen, dass das Wort "Leder" im Zeitpunkt, in dem die Beklagte mit der Verwendung der Bezeichnung "Plasticleder" begann, die Bedeutung einer Beschaffenheitsangabe für gegerbte tierische Haut bereits zum Teil eingebüsst hatte. Denn wie nicht streitig ist, sind seit ungefähr 1830 Werkstoffe, welche Leder imitieren, unter der Bezeichnung "Kunstleder" auf dem Markte. Der Kläger wendet ein, der Ausdruck "Kunstleder" habe sich eingebürgert; die Beifügung des Bestandteils
BGE 87 II 345 S. 348
"Kunst-" lasse deutlich erkennen, dass eben ein künstliches Leder vorliege. Hieraus folgt aber ohne weiteres die Unbegründetheit der in der Berufung erneut vertretenen Auffassung, dass zwangsläufig an das Leder aus der tierischen Haut gedacht werde, wenn das Wort "Leder" in irgendeiner Verbindung auftauche. Als die Beklagte vor über 10 Jahren für ihre Erzeugnisse die Bezeichnung "Plasticleder" wählte, war bereits seit langem die Wortverbindung "Kunstleder" als Beschaffenheitsangabe für Leder imitierende Kunststoffe gebräuchlich. Das Wort "Leder" war also schon damals zu einer "schwachen", zum mindesten zu einer nur beschränkt wirksamen Beschaffenheitsangabe geworden.
b) Zutreffend stellt sodann das Handelsgericht fest, "Plastic" sei in der Schweiz zu einer gebräuchlichen Sachbezeichnung geworden, die der breiten Öffentlichkeit geläufig ist. Der klägerische Einwand, auch heute noch gebe es in der Schweiz eine grosse Zahl von Leuten, welche den Begriff "Plastic" nicht kennen oder wenigstens nicht verstehen, widerspricht der Lebenserfahrung. Die Plastic-Werkstoffe haben im schweizerischen Wirtschaftsleben eine so ausgedehnte Verbreitung gefunden, dass praktisch jedermann, insbesondere auch das grosse Heer der Käufer von Gebrauchsartikeln des täglichen Lebens, das Wort "Plastic" als Bezeichnung für einen Kunststoff kennt. Diese Bezeichnung hat sich im Sprachgebrauch der Abnehmerkreise für Leder- und Kunstledererzeugnisse derart eingebürgert, dass es beim Leser oder Hörer stets eine gedankliche Assoziation mit einem Kunststoff auslöst. Dies trifft sowohl zu, wenn das Wort "Plastic" allein, wie auch wenn es als Bestandteil einer Wortverbindung (z.B. Plasticeimer, Plasticstoff, Plasticvorhang usw.) verwendet wird.
Es ist deshalb der Auffassung der Vorinstanz beizupflichten, dass dem Zusatz "Plastic" die Kraft zukommt, die durch den allgemein üblichen Gebrauch der Wortverbindung "Kunstleder" bereits geschwächte Beschaffenheitsangabe
BGE 87 II 345 S. 349
des Wortes "Leder" für ein gegerbtes tierisches Fell zu denaturieren. Damit entfällt die Gefahr, dass die Abnehmer von Waren, die als "Plasticleder" bezeichnet werden, diese mit Erzeugnissen aus echtem Leder verwechseln. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8d70c6ae-9a97-4ebe-9ad0-238e13fcf27a | Urteilskopf
116 III 49
11. Schreiben an die kantonalen Aufsichtsbehörden und an die Betreibungs- und Konkursämter 20.7.1990. | Regeste
Obligationenrecht (Miete und Pacht). Änderung vom 15. Dezember 1989. | Erwägungen
ab Seite 49
Text D
BGE 116 III 49 S. 49
Obligationenrecht (Miete und Pacht). Änderung vom 15. Dezember 1989.
1.-
Mit Schreiben vom 6.ds. haben wir Sie darauf hingewiesen, dass - gemäss Art. 3 der Schlussbestimmungen zum Achten Titel und zum Achten Titelbis des Obligationenrechts (AS 1990 I S. 832) - auch das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs von der am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Revision des Obligationenrechts betroffen wird:
a) Nach
Art. 282 Abs. 1 SchKG
konnte bei der Betreibung für Miet- und Pachtzinse mit dem Zahlungsbefehl die in den Art. 265 und 293 aOR vorgesehene Androhung verbunden werden, dass nach Ablauf der Nachfrist der Vertrag aufgelöst sei und der Gläubiger die sofortige Ausweisung des Mieters oder Pächters verlangen könne. Diese Verbindung der Betreibung mit der Ansetzung einer Nachfrist wird beseitigt.
Neu kann der Vermieter - gemäss
Art. 257d Abs. 1 OR
in der Fassung vom 15. Dezember 1989 - dem Mieter eine Zahlungsfrist von mindestens zehn Tagen, bei Wohn- und Geschäftsräumen von mindestens 30 Tagen ansetzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde. Bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter - gemäss
Art. 257d Abs. 2 OR
in der Fassung vom
BGE 116 III 49 S. 50
15. Dezember 1989 - fristlos, bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen. In analoger Weise, mit einer anzusetzenden Zahlungsfrist von 60 Tagen, kann der Verpächter gegenüber dem Pächter nach Massgabe von
Art. 282 OR
in der Fassung vom 15. Dezember 1989 vorgehen.
Zu beachten ist nun aber, dass die Androhung der Kündigung und der Ausweisung nicht mehr in den Zahlungsbefehl aufgenommen werden kann; vielmehr soll sie künftig getrennt von der Betreibung für Miet- und Pachtzinse ausgesprochen werden (Botschaft vom 27. März 1985, BBl 1985 I, S. 1477). Dieser Absicht entsprechend, sind die
Art. 23 Abs. 1 Ziff. 2 und
Art. 282 SchKG
aufgehoben worden.
b) Das Retentionsrecht des Vermieters und Verpächters, wie es Art. 272 und 286 Abs. 3 aOR für unbewegliche Sachen vorsahen, kann - gemäss Art. 268 Abs. 1 bzw.
Art. 299c OR
in der Fassung vom 15. Dezember 1989 - nur noch bei Miete oder Pacht von Geschäftsräumen ausgeübt werden. Entsprechend lautet nun
Art. 283 Abs. 1 SchKG
: "Vermieter und Verpächter von Geschäftsräumen können)..."
2.-
Diese Gesetzesänderungen rufen der Korrektur bzw. Ausscheidung von Betreibungsformularen:
Form. 1 (Betreibungsbegehren)
Ziff. 7 der Erläuterungen erhält folgenden Wortlaut:
Der Gläubiger, der Vermieter oder Verpächter von Geschäftsräumen ist und das Retentionsrecht ausüben will, muss gleichzeitig mit dem Betreibungsbegehren durch Einreichung des Form. 39 das Begehren um Aufnahme einer Retentionsurkunde stellen.
Form. 39 (Begehren um Aufnahme einer Retentionsurkunde)
In neuen Fussnoten wird darauf hingewiesen, dass das Retentionsrecht nur noch im Zusammenhang mit der Miete oder Pacht von Geschäftsräumen ausgeübt werden kann, und wird die (gegenüber Art. 272 Abs. 2 aOR geänderte) Vorschrift des revidierten Rechts betreffend die vom Untermieter eingebrachten Gegenstände wiedergegeben:
1 Das Retentionsrecht steht nur dem Vermieter oder Verpächter von Geschäftsräumen zu (
Art. 268 Abs. 1 und 299c OR
und
Art. 283 Abs. 1 SchKG
in der Fassung vom 15. Dezember 1989).
2 Das Retentionsrecht des Vermieters umfasst die vom Untermieter eingebrachten Gegenstände insoweit, als dieser seinen Mietzins nicht bezahlt hat (
Art. 268 Abs. 2 OR
in der Fassung vom 15. Dezember 1989).
BGE 116 III 49 S. 51
Form. 40 und 40a (Retentionsurkunde)
Anstatt des Hinweises auf Art. 272 aOR enthalten diese Formulare nun den Hinweis auf Art. 268 bzw. 299c in der Fassung vom 15. Dezember 1989.
Form. 41b (Zahlungsbefehl für die Betreibung von Miet- und Pachtzins nebst Androhung der Ausweisung)
Form. 41c (Zahlungsbefehl für die Betreibung von Miet- und Pachtzins nebst Androhung der Ausweisung (Familienwohnung))
Da die Androhung der Kündigung und der Ausweisung nicht mit dem Zahlungsbefehl verbunden werden kann, sind diese beiden Zahlungsbefehle nicht mehr zu benützen. Sie werden aus der Mustersammlung der Eidgenössischen Drucksachen- und Materialzentrale entfernt.
Texte F
Lettre aux autorités cantonales de surveillance et aux offices de poursuite et de faillite 20.7.90.
Code des obligations (Bail à loyer et bail à ferme) Modification du 15 décembre 1989
1.-
Par notre lettre du 6 courant, nous vous avons informés qu'à teneur de l'art. 3 des dispositions finales des titres huitième et huitièmebis du code des obligations (RO 1990 I p. 832), la revision du code des obligations entrée en vigueur le 1er juillet 1990 concernait également la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite:
a) D'après l'art. 282 al. 1 LP, lorsque la poursuite avait pour objet des loyers ou fermages, le commandement de payer pouvait être combiné avec l'avis comminatoire prévu aux art. 265 et 293a CO, signifiant qu'à l'expiration du délai de grâce le contrat serait résilié et que l'expulsion du locataire ou du fermier pourrait être requise. Cette combinaison de la poursuite avec la fixation d'un délai de grâce est supprimée. Selon l'art. 257d al. 1 CO dans sa teneur du 15 décembre 1989, le bailleur peut désormais fixer un délai de paiement au locataire et lui signifier qu'à défaut de paiement dans ce délai il résiliera le bail. Ce délai sera de dix jours au
BGE 116 III 49 S. 52
moins et, pour les baux d'habitations ou de locaux commerciaux, de 30 jours au moins. Faute de paiement dans le délai fixé, le bailleur peut, toujours selon l'art. 257d al. 2 CO dans sa teneur du 15 décembre 1989, résilier le contrat avec effet immédiat; les baux d'habitations et de locaux commerciaux peuvent être résiliés moyennant un délai de congé minimum de 30 jours pour la fin d'un mois. Le bailleur peut procéder de même à l'égard du fermier en application de l'art. 282 CO dans sa teneur du 15 décembre 1989, en fixant un délai de paiement de 60 jours.
Mais il convient de remarquer que le commandement de payer ne peut plus énoncer l'avis comminatoire de résiliation et d'expulsion; celui-ci doit au contraire être formulé à l'avenir séparément de la poursuite pour loyers et fermages (Message du 27 mars 1985, FF 1985 I, p. 1369). Les art. 23 al. 1 ch. 2 et 282 LP ont donc été abrogés.
b) Le droit de rétention, tel qu'il était prévu par les art. 272 et 286 al. 3a CO pour le bail d'un immeuble, n'est plus conféré - selon les art. 268 al. 1 et 299c CO dans leur teneur du 15 décembre 1989 - qu'au bailleur de locaux commerciaux. L'art. 283 al. 1 LP est donc désormais ainsi libellé: "Le bailleur de locaux commerciaux peut ...".
2.-
Ces modifications législatives appellent la correction, respectivement la suppression, des formules de poursuite suivantes:
Formule no 1: réquisition de poursuite
Le chiffre 7 des explications reçoit le contenu suivant:
7. Le créancier, qui est bailleur de locaux commerciaux et qui veut exercer le droit de rétention, doit simultanément à la réquisition de poursuite requérir la prise d'inventaire (formule no 39). Formule no 39: réquisition de prise d'inventaire
Il convient de signaler, dans de nouvelles notes en bas de page, que le droit de rétention ne peut plus être exercé qu'en relation avec le bail de locaux commerciaux et de reproduire la disposition (modifiée par rapport à l'art. 272 al. 2a CO) du droit revisé afférente aux meubles apportés par le sous-locataire:
1 Le droit de rétention n'est conféré qu'au bailleur de locaux commerciaux (art. 268 al. 1 et 299c CO et art. 283 al. 1 LP dans la teneur du 15 décembre 1989).
2 Le droit de rétention du bailleur grève aussi les meubles apportés par le sous-locataire dans la mesure où celui-ci n'a pas payé son loyer au locataire (art. 268 al. 2 CO dans sa teneur du 15 décembre 1989).
BGE 116 III 49 S. 53
Formules nos 40 et 40a: procès-verbal de prise d'inventaire
Au lieu de renvoyer à l'art. 272a CO, ces formules se réfèrent maintenant à l'art. 268, respectivement 299c, dans la teneur du 15 décembre 1989.
Formule no 41b: poursuite pour loyer et fermages; commandement de payer avec menace d'expulsion
Formule no 41c: poursuite pour loyer et fermages; commandement de payer avec menace d'expulsion (logement de famille)
Comme la menace de résiliation et d'expulsion ne peut plus être combinée avec le commandement de payer, ces deux commandements de payer ne doivent plus être employés. Ils sont éliminés du recueil de modèles de l'Office central fédéral des imprimés et du matériel.
Testo I
Lettera alle Autorità cantonali di vigilanza e agli Uffici di esecuzione e dei fallimenti 23.7.1990.
Codice delle obbligazioni (locazione et affitto) Modifica del 15 dicembre 1989
1.-
Nella lettera del 4 luglio scorso abbiamo accennato al fatto che le nuove norme del Codice delle obbligazioni relative alla locazione e all'affitto, entrate in vigore il 1o luglio 1990, comportano innovazioni anche per la legge federale sulla esecuzione e sul fallimento (art. 3 delle disposizioni finali dei titoli ottavo e ottavobis CO: RU 1990 pag. 831).
a) L'art. 282 cpv. 1 vLEF stabiliva che, trattandosi di un'esecuzione per crediti derivanti da pigioni e affitti, il creditore poteva inserire nel precetto esecutivo la comminatoria degli
art. 265 e 293
vCO secondo cui, decorso il termine legale, il contratto era sciolto e il creditore avrebbe potuto chiedere lo sfratto immediato del conduttore o dell'affittuario. Oggi l'esecuzione non può più essere combinata con tale comminatoria.
Il nuovo diritto prevede che il locatore può fissare al conduttore in mora un termine di 10 giorni almeno per il pagamento - 30 giorni almeno nel caso di locali d'abitazione o commerciali - con l'avvertenza che, scaduto infruttuosamente il termine, il rapporto di locazione sarà disdetto (art. 257d cpv. 1 CO). Se il conduttore non paga entro il termine fissato, il locatore può
BGE 116 III 49 S. 54
recedere dal contratto senza preavviso, o con preavviso di 30 giorni almeno per la fine di un mese nel caso di locali d'abitazione o commerciali (art. 257d cpv. 2 CO). La stessa disciplina vale analogamente, con un termine di 60 giorni almeno, per l'affittuario in mora (art. 282 CO).
La comminatoria di disdetta e di sfratto non può più, ad ogni modo, essere inserita nel precetto esecutivo, ma dovrà essere notificata separatamente (Messaggio 27 marzo 1985 del Consiglio federale: FF 1985 I 1288). Per questa ragione gli art. 23 cpv. 1 n. 2 e 282 vLEF sono stati abrogati.
b) Il diritto di ritenzione del locatore a norma degli
art. 272 e 286
cpv. 3 vCO sussiste solo per la locazione o l'affitto di locali commerciali (art. 268 cpv. 1 e 299c CO). Di conseguenza, l'attuale art. 283 cpv. 1 LEF si riferisce unicamente ai "locatori di locali commerciali".
2.-
Le citate modifiche legislative hanno richiesto taluni interventi sui moduli destinati all'esecuzione.
Modulo 1 (Domanda di esecuzione)
La cifra 7 delle spiegazioni è così aggiornata:
7. Il creditore che, come locatore di locali commerciali, intende esercitare il suo diritto di ritenzione deve chiedere contemporaneamente la formazione di un inventario (mod. 39).
Modulo 39 (Domanda per la formazione di un inventario)
In due note a piè di pagina si richiama la circostanza che il diritto di ritenzione è dato solo in caso di locazione o affitto di locali commerciali e si riproduce la norma (nuova rispetto all'art. 272 cpv. 2 vCO) che regola il diritto di ritenzione sugli oggetti introdotti dal subconduttore; il tutto nel seguente modo:
1 Il diritto di ritenzione esiste solo in caso di locazione o affitto di locali commerciali (art. 268 cpv. 1 e 299c CO, art. 283 cpv. 1 LEF).
2 Il diritto di ritenzione del locatore si estende agli oggetti introdotti dal subconduttore nella misura in cui questi non abbia pagato la pigione al sublocatore (art. 268 cpv. 2 CO).
Moduli 40 e 40a (Verbale per la formazione di un inventario)
Invece di menzionare l'art. 272 vCO i nuovi moduli rinviano agli
art. 268 e 299
c CO.
Moduli 41b e 41c (Precetto esecutivo per pigioni e affitti con comminatoria di sfratto: ordinario e per abitazione familiare)
BGE 116 III 49 S. 55
Dal momento che la comminatoria di disdetta e di sfratto non può più essere combinata con l'esecuzione, questi due moduli non devono più essere usati. Essi sono eliminati dalla raccolta dell'Ufficio centrale federale degli stampati e del materiale. | null | nan | fr | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8d710b5a-611f-4398-9d79-89a378000ace | Urteilskopf
101 II 77
16. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Februar 1975 in Sachen Miewag Autovermietung AG gegen Naphtaly. | Regeste
Verjährung.
Art. 135 Ziff. 2 OR
. Die Adhäsionsklage als Unterbrechungsgrund. Der im Strafverfahren formgerecht erhobene Zivilanspruch unterbricht die Verjährung, wenn er aus einem Ereignis hergeleitet wird, der Gegenstand einer Strafuntersuchung war (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 77
BGE 101 II 77 S. 77
A.-
Roger Naphtaly, geboren 1952, lenkte am frühen Morgen des 14. April 1971, ohne einen Führerausweis zu besitzen, den Personenwagen Chrysler 160 GT, welcher der Miewag Autovermietung AG (Miewag) gehörte und für die Zeit vom 7. bis 13. April 1971 vermietet war, auf der Autobahn N 3 von Zürich nach Richterswil. Er fuhr auf dem Gemeindegebiet Horgen gegen die Mittelleitplanke, wobei der Wagen schwer beschädigt wurde.
Die Miewag meldete ihre Schadenersatzforderung am 30. September 1971 bei der Bezirksanwaltschaft Zürich an, die wegen des Unfalles vom 14. April 1971 und andern Tatbeständen gegen Naphtaly eine Strafuntersuchung führte. Am 6. Juli 1972 setzte sie die Schadenersatzforderung von Fr. 9'103.55 in Betreibung. Naphtaly erhob Rechtsvorschlag.
Mit Eingabe vom 26. Juli 1972 ersuchte die Miewag das Friedensrichteramt der Stadt Zürich um Durchführung der Sühneverhandlung. Naphtaly blieb dieser fern, worauf der Friedensrichter am 20. September 1972 an das Bezirksgericht die Weisung ausstellte.
B.-
Am 1. November 1972 klagte die Miewag gegen
BGE 101 II 77 S. 78
Naphtaly beim Bezirksgericht Zürich auf Bezahlung von Fr. 8'981.55 sowie Fr. 25.-- Zahlungsbefehlskosten.
In der Klageantwort vom 22. Januar 1973 erhob der Beklagte gegen diese Schadenersatzforderung die Verjährungseinrede. In ihrer Stellungnahme vom 27. Februar 1973 anerkannte die Klägerin die Verjährung für Fr. 503.65 und setzte die Forderung auf Fr. 8'477.90 herab. Mit Beschluss vom 30. März 1973 nahm das Bezirksgericht von der Herabsetzung der Klage Kenntnis und verwarf die Verjährungseinrede.
Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, hob diesen Entscheid am 14. Mai 1973 auf Rekurs des Beklagten auf und wies das Bezirksgericht an, über die Verjährungseinrede neu durch Urteil oder Vorurteil zu entscheiden.
Das Bezirksgericht Zürich hiess die Klage am 12. Oktober 1973 für Fr. 8'477.90 gut.
Auf Berufung des Beklagten wies das Obergericht des Kantons Zürich am 5. Juni 1974 die Klage ab.
C.-
Die Klägerin beantragt mit der Berufung, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen, eventuell die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückweisen.
Der Beklagte beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.
D.-
Die Klägerin focht das Urteil des Obergerichtes auch mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde an. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich trat am 12. August 1974 auf sie nicht ein.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz ist mit den Parteien der Ansicht, die aus Art. 41 f. OR hergeleitete Klageforderung unterliege der einjahrigen Verjährungsfrist des
Art. 60 Abs. 1 OR
. Diese Frist fing am 14. April 1971 zu laufen an und war am 6. Juli 1972, als die Klägerin die Forderung in Betreibung setzte, abgelaufen. Streitig ist, ob das am 30. September 1971 beim Untersuchungsrichter gestellte Schadenersatzbegehren als Klage im Sinne des
Art. 135 Ziff. 2 OR
zu verstehen und die Verjährung unterbrochen ist. Das Obergericht hat das - im Gegensatz zum Bezirksgericht - verneint.
2.
a) Gemäss
Art. 135 Ziff. 2 OR
wird die Verjährung
BGE 101 II 77 S. 79
unter anderem durch Klage vor einem Gericht unterbrochen. Nach der Rechtsprechung wird der Begriff der Klage durch das Bundesrecht bestimmt und ist darunter jene prozesseinleitende oder vorbereitende Handlung des Klägers zu verstehen, mit der er zum ersten Mal in bestimmter Form den Schutz des Richters anruft (
BGE 59 II 406
,
BGE 55 II 312
und dort erwähnte Entscheide). Auch die Adhäsionsklage im Strafprozess unterbricht die Verjährung, wenn sie mit der erforderlichen Bestimmtheit erhoben wird. Die Verjährung wird nicht schon dadurch unterbrochen, dass der Geschädigte in der Strafuntersuchung erklärt, er werde den Zivilanspruch vor Gericht geltend machen, oder in der Verhandlung beantragt, die Forderung sei auf den Zivilweg zu verweisen; er muss vielmehr gegenüber den Strafbehörden den Schadenersatzanspruch beziffern oder die Feststellung der rechtlichen Grundlagen seines Ersatzanspruches begehren. Der Schädiger hat ein schützenswertes Interesse, die Art und Höhe der gegen ihn gestellten Forderungen zu kennen (
BGE 100 II 343
/44 Erw. 3,
BGE 91 II 437
Erw. 10,
BGE 60 II 202
/203).
b) Es ist anderseits eine Frage des kantonalen Prozessrechtes, ob und unter welchen Voraussetzungen Zivilansprüche im Strafverfahren geltend gemacht werden können (
BGE 63 I 59
Erw. 3). Nach § 192 der zürcherischen StPO kann die Klage auf Schadenersatz entweder neben der Strafklage durch einen schriftlichen oder mündlichen Antrag beim Strafgericht oder selbständig beim zuständigen Zivilgericht erhoben werden (Abs. 1). Die Schadenersatzklage gilt auch dann als beim Strafgericht eingereicht, wenn sie spätestens fünf Tage vor der Hauptverhandlung beim Untersuchungsbeamten angemeldet worden ist (Abs. 2).
Am 21. September 1971 stellte der damalige Anwalt der Klägerin bei der Bezirksanwaltschaft Zürich das Gesuch, ihm das amtliche Formular "Erklärung betreffend Schadenersatzansprüche und Vorladung zur Hauptverhandlung" und zu gegebener Zeit eine Kopie der Anklageschrift zuzustellen. Er erhielt am 22. September 1971 das erwähnte Formular, worauf er es am 30. September 1971 ausgefüllt und unterzeichnet der Bezirksanwaltschaft einreichte. Aus der "Erklärung" ergibt sich, dass die Klägerin in der gegen den Beklagten geführten Strafuntersuchung betreffend "SVG-Vergehen" usw. eine Schadenersatzforderung von Fr. 8'477.90 stellte, als Geschädigte
BGE 101 II 77 S. 80
eine Vorladung zur Hauptverhandlung vor Gericht verlangte und gemäss § 10 Abs. 2 der StPO vom Recht Kenntnis nahm, das Schadenersatzbegehren nachträglich abzuändern. Diese Erklärung ist ein im Sinne des § 192 der zürcherischen StPO beim Untersuchungsbeamten eingereichter Antrag an das Strafgericht und damit eine den Formerfordernissen des kantonalen Rechts entsprechende Schadenersatzklage. Jedenfalls nimmt auch das Obergericht nicht an, die Klägerin habe kantonalrechtliche Formvorschriften verletzt.
c) Die Vorinstanz ist jedoch der Meinung, als Klage im Sinne des
Art. 135 Ziff. 2 OR
gelte die Anmeldung des Schadenersatzbegehrens - entsprechend dem Wesen des Adhäsionsverfahrens - nur dann, wenn die eingeklagten Tatbestände mit dem behaupteten Schaden unmittelbar zusammenhängen, was hier nicht der Fall sei. Die Klägerin hält dem entgegen, die verjährungsunterbrechende Wirkung der Anmeldung des Schadenersatzanspruches dürfe nicht davon abhängen ob der Untersuchungsrichter gegen den Schädiger Anklage erhebe oder nicht; andernfalls entstehe eine unerträgliche Rechtsunsicherheit, was mit dem Zweck der erwähnten Vorschrift nicht vereinbar sei.
Diese Kritik ist begründet. Richtig ist, dass Schadenersatzansprüche nur dann adhäsionsweise geltend gemacht werden können, wenn sie aus einem Schadenereignis hergeleitet werden, das Gegenstand einer Strafuntersuchung bildet. Ob der Untersuchungsrichter über bestimmte Tatbestände Anklage erhebt und ob der Strafrichter den Angeklagten verurteilt oder freispricht, ist für die Beurteilung der Zivilansprüche von Bedeutung (Sachurteil oder Prozessurteil). Dagegen hat der Ausgang des Strafverfahrens keinen Einfluss auf die Frage, ob der formgerecht erhobene Zivilanspruch als Klage aufzufassen sei und daher verjährungsunterbrechende Wirkung habe. Die Ansicht des Obergerichtes hätte die unbillige Folge, dass der Geschädigte einen Anspruch wegen eines von seinem Willen unabhängigen Entscheides der Strafbehörde nicht durchsetzen könnte, obwohl er ihn im Strafverfahren formgerecht erhoben hat (vgl. Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen, veröffentlicht in SJZ 28 S. 86). Es kann sich bei der Klage nicht anders verhalten als bei der Betreibung. Auch bei dieser hängt die Unterbrechung der Verjährung nicht vom weiteren Lauf des Verfahrens ab. Dabei genügt sogar die Einreichung des Betreibungsbegehrens,
BGE 101 II 77 S. 81
auch wenn die Zustellung des Zahlungsbefehls unterbleibt (vgl. von TUHR/ESCHER, OR 226; BECKER, N. 22 zu
Art. 135 OR
).
d) Die Klägerin leitet den Schadenersatzanspruch aus dem Unfall vom 14. April 1971 ab, der Gegenstand einer Strafuntersuchung war. Aus den Akten geht hervor, dass die Kantonspolizei Zürich am 18. April 1971 der Bezirksanwaltschaft Horgen über das Schadensereignis schriftlich Bericht erstattete; dass die Bezirksanwaltschaft Horgen den Beklagten noch am gleichen Tage zur Sache verhörte und in der Folge die Akten der Bezirksanwaltschaft Zürich überwies, bei der gegen den Beklagten bereits eine Strafuntersuchung wegen anderer Tatbestände hängig war. Die Bezirksanwaltschaft Zürich hätte der Klägerin das Formular betreffend "Schadenersatz und Vorladung zur Hauptverhandlung" nicht zugestellt, wenn sie der Meinung gewesen wäre, das Schadensereignis vom 14. April 1971 sei nicht Gegenstand einer bei ihr hängigen Strafuntersuchung. Sie hat allerdings die Straftatbestände der Entwendung eines Motorfahrzeuges zum Gebrauch (
Art. 94 SVG
) und der Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 31 Abs. 1 und 32 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 90 SVG
), die als Grundlage für den Schadenersatzanspruch in Frage kamen, aus Überlegungen, die aus den Akten nicht ersichtlich sind, anscheinend nicht näher untersucht und jedenfalls nicht in die Anklage aufgenommen. Das Bezirksgericht Zürich hat den Beklagten - entsprechend der Anklage - wegen anderer Delikte, d.h. des Fahrens ohne Führerausweis (
Art. 95 Ziff. 1 Abs. 1 SVG
) und pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall (
Art. 92 Abs. 1 SVG
), verurteilt. Der Ausgang des Strafverfahrens ist jedoch, wie dargelegt, für die hier interessierende Frage unerheblich. Entscheidend ist, dass die Klägerin den formgerecht angemeldeten Schadenersatzanspruch aus einem Ereignis ableitet, das Gegenstand einer Strafuntersuchung war.
Ist demnach der Antrag der Klägerin an die Bezirksanwaltschaft Zürich vom 30. September 1971 als Klage im Sinne des
Art. 135 Ziff. 2 OR
zu verstehen, so ist die Verjährung unterbrochen worden. Unter diesen Umständen kommt nichts darauf an, dass die Vorinstanz nicht geprüft hat, ob auf den Schadenersatzanspruch der Klägerin die längere Verjährungsfrist des
Art. 60 Abs. 2 OR
anzuwenden sei.
BGE 101 II 77 S. 82
3.
Auf das Anbringen des Beklagten, der Untersuchungsrichter sei unzuständig gewesen, das Schadenersatzbegehren entgegenzunehmen, und deshalb sei die Klägerin in der Strafuntersuchung und vor dem Strafgericht Horgen nicht als Geschädigte aufgeführt worden, kommt nichts an. Wenn der Gläubiger, dessen Klage wegen Unzuständigkeit des angesprochenen Richters zurückgewiesen worden ist, seinen Anspruch nicht binnen 60 Tagen nach der Zurückweisung geltend macht und die Verjährungsfrist binnen dieser Nachfrist abläuft, gilt die Forderung allerdings als verjährt (
Art. 139 OR
). Der Beklagte behauptet jedoch nicht, die Strafbehörden hätten das Schadenersatzbegehren wegen Unzuständigkeit förmlich zurückgewiesen und der Klägerin den Beschluss eröffnet, worauf sie bis zur Einreichung der Klage beim Zivilrichter mehr als 60 Tage habe verstreichen lassen. Er hat auch im kantonalen Verfahren keine entsprechenden Behauptungen aufgestellt.
Art. 139 OR
kommt ihm daher nicht zugute.
4.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit es die Schadenersatzforderung der Klägerin beurteile. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte zugegebenermassen das schädigende Ereignis durch Nichtbeherrschen des Fahrzeuges (
Art. 31 Abs. 1 SVG
) schuldhaft herbeigeführt hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird, soweit darauf einzutreten ist, gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts (I. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 5. Juni 1974 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
8d71db8b-a006-4e47-a3e2-ccc637083d27 | Urteilskopf
124 III 509
89. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 13 novembre 1998 dans la cause Banque Audi (Suisse) S.A. contre Volkswagen Bank GmbH (recours en réforme) | Regeste
Markenschutz. Örtliche Zuständigkeit (
Art. 109 IPRG
).
Eine in der Schweiz eingeleitete Klage auf Feststellung der Nichtigkeit strittiger Marken gilt als Klage betreffend die Gültigkeit oder die Eintragung von Immaterialgüterrechten in der Schweiz im Sinne von
Art. 109 Abs. 3 IPRG
. Sie muss folglich an dem von dieser Bestimmung vorgesehenen ausschliesslichen Gerichtsstand angehoben werden. | Sachverhalt
ab Seite 509
BGE 124 III 509 S. 509
A.-
Banque Audi (Suisse) S.A., à Genève, offre différents services en matière bancaire. Le 26 avril 1993, elle a déposé en Suisse, dans la classe internationale 36 (assurances; affaires financières; affaires monétaires; affaires immobilières), les marques «Audi» et «Banque Audi» notamment.
Le 5 juillet 1994, Volkswagen Bank GmbH, à Braunschweig (Allemagne) et Audi AG, à Ingolstadt (Allemagne), ont déposé chacune, en Suisse, dans la même classe, les marques «Audi» et «Audi Bank».
B.-
Le 27 juin 1995, Banque Audi (Suisse) S.A. a ouvert action contre Volkswagen Bank GmbH devant la Cour de justice du canton de Genève. La demanderesse entendait faire constater la nullité
BGE 124 III 509 S. 510
des marques de service déposées par la défenderesse. Celle-ci a soulevé une exception d'incompétence ratione loci.
Par arrêt du 29 mars 1996, la Cour de justice a rejeté la demande, dans la mesure où elle était recevable.
C.-
La demanderesse interjette un recours en réforme au Tribunal fédéral. Elle y reprend, pour l'essentiel, ses conclusions en constatation de la nullité des marques de service «Audi» et «Audi Bank».
La défenderesse conclut, principalement, au rejet du recours et à la confirmation de l'arrêt attaqué. A titre subsidiaire, elle invite le Tribunal fédéral à annuler cet arrêt et à dire que la Cour de justice n'était pas compétente pour statuer sur la demande en nullité des marques litigieuses.
D.-
Lors de l'ouverture de la présente procédure, une autre procédure, distincte de celle-ci, était déjà pendante devant la Cour de justice du canton de Genève. La demande y relative avait été introduite le 22 décembre 1994 par Audi AG contre Banque Audi (Suisse) S.A.; elle tendait à faire interdire à cette dernière l'usage de sa raison sociale en français et en allemand ainsi que de ses marques de service «Audi» et «Banque Audi», dont la constatation de la nullité était aussi requise.
Dans ce litige, Banque Audi (Suisse) S.A. a conclu au déboutement d'Audi AG et, reconventionnellement, à la constatation de la nullité des marques de service «Audi» et «Audi Bank».
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
c) La demanderesse a son siège en Suisse, à Genève. Celui de la défenderesse est en Allemagne, à Braunschweig. L'action tend à la constatation de la nullité de deux marques de service de la défenderesse. Selon l'art. 16 ch. 4 de la Convention de Lugano (CL; RS 0.275.11), en matière d'inscription ou de validité des marques, notamment, sont seules compétentes, sans considération de domicile, les juridictions de l'Etat contractant sur le territoire duquel le dépôt ou l'enregistrement a été demandé, a été effectué ou est réputé avoir été effectué aux termes d'une convention internationale. Avec raison, la défenderesse ne conteste pas la compétence des autorités suisses. Seule la compétence ratione loci des autorités genevoises est litigieuse en l'espèce.
L'art. 109 al. 3 de la loi fédérale sur le droit international privé (LDIP; RS 291) dispose que, lorsque le défendeur n'a pas de domicile en Suisse, les actions portant sur la validité ou l'inscription en
BGE 124 III 509 S. 511
Suisse de droits de propriété intellectuelle sont intentées devant les tribunaux suisses du siège commercial du représentant inscrit au registre ou, à défaut, devant les tribunaux du lieu où l'autorité qui tient le registre a son siège. La cour cantonale en a déduit que, puisque la défenderesse a son siège en Allemagne et n'a pas de représentant en Suisse, les tribunaux du canton de Berne, lieu de situation de l'Office fédéral de la propriété intellectuelle (actuellement l'Institut fédéral de la Propriété intellectuelle), eussent été compétents pour connaître de l'action.
L'action de la demanderesse se présente comme une action en constatation de la nullité et en radiation des marques litigieuses. Elle porte donc sur la validité et l'inscription du droit de propriété intellectuelle en Suisse et devait dès lors être introduite au for de l'art. 109 al. 3 LDIP, qui est un for exclusif (DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 2e éd., n. 10 et 13 ad art. 109). A défaut de domicile de la défenderesse en Suisse et d'action portant sur la violation de droits de propriété intellectuelle, la demanderesse ne saurait se prévaloir de l'art. 109 al. 1 LDIP (DUTOIT, op.cit., n. 6 ad art. 109; sur les notions de violation, respectivement de validité ou d'inscription de droits de propriété intellectuelle, cf. DUTOIT, op.cit., n. 3 ad art. 109).
La cour cantonale laisse entendre que les art. 109 al. 2 LDIP et 58 al. 2 de la loi fédérale sur la protection des marques (LPM; RS 232.11) pourraient faire admettre la compétence du juge genevois à raison de la demande reconventionnelle intentée antérieurement par la demanderesse dans le cadre du procès l'opposant à Audi AG. La défenderesse y voit une violation de ces dispositions alors que la demanderesse rejoint sur ce point tantôt la défenderesse, tantôt l'autorité cantonale.
Aux termes de l'art. 109 al. 2 LDIP, si plusieurs défendeurs peuvent être recherchés en Suisse et si les prétentions sont essentiellement fondées sur les mêmes faits et les mêmes motifs juridiques, l'action peut être intentée contre tous devant le même juge compétent; le juge saisi en premier lieu a la compétence exclusive. Quant à l'art. 58 al. 2 LPM, sa teneur est la suivante: L'action dirigée contre plusieurs défendeurs peut être intentée devant n'importe quel juge compétent si les prétentions invoquées se fondent pour l'essentiel sur les mêmes états de faits et les mêmes motifs; le juge saisi en premier lieu est seul compétent.
S'agissant de rapports internationaux, seul l'art. 109 al. 2 LDIP peut entrer en ligne de compte. A nouveau, ce for ne vaut que pour
BGE 124 III 509 S. 512
les actions en violation d'un droit de propriété intellectuelle, et non pour les actions portant sur la validité ou l'inscription d'un tel droit (DUTOIT, op.cit., n. 14 ad art. 109).
L'action de la demanderesse contre la défenderesse tend au prononcé de la nullité des marques litigieuses et à leur radiation. Pour ce seul motif déjà, le for de l'art. 109 al. 2 LDIP n'entre pas en ligne de compte. Il est dès lors vain d'examiner dans ce contexte les arguments que la demanderesse tente de tirer de l'existence d'une autre action qui l'oppose à une autre partie contre laquelle elle a pris des conclusions reconventionnelles, action qui, de plus, n'a pas été jointe à la présente.
Il s'ensuit que la Cour de justice du canton de Genève n'était pas compétente pour connaître de l'action de la demanderesse, cette compétence appartenant aux autorités judiciaires du canton de Berne. L'arrêt attaqué doit en conséquence être annulé. | null | nan | fr | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
8d7817e5-18cf-48ec-99da-9db47eb050e1 | Urteilskopf
103 II 24
4. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 10 mars 1977 dans la cause Perruchoud contre Praz | Regeste
Art. 333 ZGB
. Haftung des Familienhauptes.
1. Bei der Haftung des Familienhauptes handelt es sich um eine Kausalhaftung (E. 3).
2. Befinden sich Pfeil und Bogen in den Händen eines 7-jährigen Kindes, stellen sie eine Gefahr dar (E. 4).
3. Beim gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung ist unter normalen Verhältnissen der Ehemann und Vater Haupt der Familie. Er ist daher verantwortlich für ein fehlerhaftes Verhalten seiner Ehefrau, die als Hilfsperson zu betrachten ist (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 25
BGE 103 II 24 S. 25
Le 14 octobre 1972, dans la matinée, les enfants Emmanuel Praz et Daniel Perruchoud, tous deux âgés de sept ans, jouaient avec arcs et flèches autour des villas de leurs parents, distantes d'environ 300 mètres à Baar/Nendaz. Ils avaient eux-mêmes confectionné les arcs avec des branches flexibles de frêne, de l'épaisseur d'un doigt, et de la ficelle. Comme flèches, ils utilisaient de minces baguettes.
La mère d'Emmanuel Praz savait ce que faisaient les enfants: ceux-ci lui avaient demandé de la ficelle pour fabriquer un arc et quand, un peu plus tard, désirant boire, ils sont allés chez elle, ils avaient leur arc à la main. Le frère aîné d'Emmanuel Praz, Jean-Claude Praz, âgé de dix-huit ans, auquel les enfants avaient apporté les flèches, en a arrondi le bout et les a entaillées à l'arrière.
L'après-midi, les enfants se sont d'abord amusés à viser une cible plantée dans un arbre, puis à tirer le plus loin possible. Plus tard, ils ont joué aux Indiens. C'est alors qu'une flèche tirée par Emmanuel Praz a atteint Daniel Perruchoud à l'oeil droit. La blessure a été si grave qu'il a fallu procéder à l'énucléation de l'oeil et à son remplacement par une prothèse.
Le 26 mars 1974, Daniel Perruchoud, représenté légalement par son père, a réclamé à Louis Praz, père d'Emmanuel Praz, réparation du dommage, chiffré après clôture de la procédure d'instruction, à 195'750 fr. 80 en capital.
La Cour civile du Tribunal cantonal valaisan a rejeté l'action le 1er juillet 1976.
Daniel Perruchoud recourt en réforme au Tribunal fédéral.
Erwägungen
Considérant en droit:
3.
Aux termes de l'
art. 333 CC
, le chef de la famille est responsable du dommage causé par les mineurs placés sous son autorité, à moins qu'il ne justifie les avoir surveillés de la manière usitée et avec l'attention commandée par les circonstances.
BGE 103 II 24 S. 26
Les auteurs ont longtemps été divisés sur la nature de cette responsabilité. Selon certains, il s'agissait d'une responsabilité dérivant de la faute, avec renversement du fardeau de la preuve (présomption de faute, avec possibilité d'apporter la preuve libératoire), selon d'autres, d'une responsabilité causale (cf. les auteurs cités par OFTINGER, Haftpflichtrecht I, 4e éd., p. 28 n. 92 et II/1, 2e éd., p. 239 n. 6; en faveur de la responsabilité dérivant de la faute, voir notamment F. PAPA, Indagini sulla responsabilità civile del capo di famiglia, thèse Berne 1949, p. 35 ss). Actuellement, la doctrine, notamment tous les spécialistes du droit de la responsabilité civile, considère que l'
art. 333 CC
consacre la responsabilité causale du chef de la famille (OFTINGER, I p. 18 ss et 26 ss, ainsi que II/1 p. 1 ss et 237 ss et les auteurs cités, notamment les commentateurs SILBERNAGEL, n. 17 et EGGER, n. 5 et 14 ad
art. 333 CC
, ainsi qu'OSER/SCHÖNENBERGER, n. 69 ad
art. 41 CO
; KELLER, Haftpflicht im Privatrecht p. 104/5; GUHL/MERZ/KUMMER, 6e éd., p. 190; TUOR/SCHNYDER, 9e éd., p. 275; VON TUHR/SIEGWART, I, p. 384; de même: PORTMANN, Ersatzpflicht Haftpflichtiger und Regress des Sachversicherers, RJB 90/1954 p. 1 ss, notamment p. 1 et 4; STARK, Probleme der Vereinheitlichung des Haftpflichtrechts, RDS 86/II p. 1 ss, notamment p. 20, 52/53 et 56).
Le Tribunal fédéral ne s'est, jusqu'à présent, pas prononcé nettement. Certains anciens arrêts (
ATF 24 II 835
,
ATF 26 II 307
,
ATF 32 II 462
et
ATF 38 II 477
), qui parlent plutôt d'une responsabilité dérivant de la faute, avec renversement du fardeau de la preuve, remontent à une époque où la jurisprudence fédérale et la doctrine considéraient également comme une responsabilité de ce type la responsabilité de l'employeur et celle du propriétaire d'un bâtiment ou d'un autre ouvrage (cf. OFTINGER, I p. 28). Dans l'arrêt
ATF 43 II 211
, on lit que la responsabilité du chef de la famille ne découle pas dans tous les cas d'une faute, partant d'un acte illicite au sens propre, et, dans l'arrêt
ATF 51 II 393
, l'
art. 333 CC
est cité, à propos de la prescription, dans une énumération de responsabilités causales. Au contraire, dans l'arrêt
ATF 49 II 444
, le Tribunal fédéral précise que la responsabilité du chef de la famille ne doit pas devenir une responsabilité causale. Dans les arrêts
ATF 70 II 138
et 74 II 196, le Tribunal fédéral paraît s'être prononcé pour une responsabilité dérivant de la faute; dans le
BGE 103 II 24 S. 27
premier arrêt, il nie que le chef de la famille soit responsable des fautes commises par ses auxiliaires et, dans le second, il parle de preuve d'absence de faute (Exculpationsbeweis), non de preuve libératoire (Entlastungsbeweis), sans d'ailleurs que le sens différent de ces deux notions eût de l'importance pour la décision.
Avec la doctrine actuelle, dont l'argumentation est en tout point convaincante, on doit admettre que la responsabilité du chef de la famille est une responsabilité causale.
Le texte légal est clair. L'
art. 333 CC
parle d'un dommage en relation de cause à effet avec un état de choses objectif, savoir l'existence de l'autorité domestique sur un mineur, un interdit, une personne atteinte de maladie mentale ou un faible d'esprit, et il ne permet pas au chef de la famille de faire la preuve négative de l'absence de faute, mais il prévoit que celui-ci est libéré de la responsabilité seulement s'il peut justifier avoir rempli ses devoirs de surveillance. L'
art. 333 CC
est ainsi en parallèle avec les
art. 55, 56 et 58 CO
, par opposition à l'
art. 41 CO
.
4.
Le fait que l'
art. 333 CC
est rangé parmi les cas de responsabilité causale ne modifie pas les critères d'appréciation du devoir de surveillance du chef de la famille, tels que les a dégagés la jurisprudence fédérale: le degré d'attention dont le père de famille est tenu de faire preuve ne peut pas être déterminé d'après les critères rigoureux et absolus, mais doit être fixé d'après les circonstances particulières de la cause (
ATF 100 II 301
et la jurisprudence citée).
En l'espèce, il y a lieu de rechercher avant tout si l'instrument avec lequel le dommage a été causé doit être considéré comme dangereux et si le détenteur de l'autorité domestique pouvait prévoir que cet instrument serait utilisé, partant s'il avait le devoir d'en prohiber l'usage ou du moins de surveiller l'enfant, respectivement de l'instruire de manière circonstanciée sur la façon d'employer l'instrument.
Dans l'arrêt
ATF 32 II 461
, le Tribunal fédéral a qualifié de dangereux un fusil à air comprimé dans les mains d'un enfant de 15 ans, tandis que, dans
ATF 41 II 92
, il a nié que tel fût le cas, s'agissant d'un enfant de 14 ans. Plus tard, la question a été de nouveau laissée indécise (
ATF 43 II 146
), puis tranchée de diverses manières dans des cas analogues (dans
ATF 44 II 8
, le Tribunal fédéral admet le caractère dangereux
BGE 103 II 24 S. 28
d'un pistolet Flobert entre les mains d'un enfant de 16 ans; dans
ATF 48 II 425
, il nie qu'un fusil Vetterli soit dangereux dans les mains d'un mineur de 18 ans et demi; dans
ATF 57 II 565
, un "pistolet alarme" est qualifié de dangereux dans les mains d'un enfant de 13 ans et demi), et, récemment, le Tribunal fédéral a derechef nié qu'il fût nécessaire de se prononcer de manière définitive, tout en précisant que le chef de famille ne saurait laisser une carabine à air comprimé entre les mains d'un garçon de 15 ans sans lui donner toutes les instructions nécessaires pour en faire usage sans mettre autrui en danger (
ATF 100 II 302
).
Dans l'arrêt
ATF 57 II 129
, le Tribunal fédéral a considéré qu'un arc, fait d'une branche de saule et d'une ficelle, et une flèche en roseau, la pointe plantée dans une petite branche de sureau, ne constituaient pas des armes dangereuses, mais bien plutôt des jouets inoffensifs. Au contraire, en 1884 déjà, le Tribunal supérieur du canton de Zurich estimait qu'un arc et une flèche de l'espèce de ceux qui ont été utilisés en l'occurrence n'étaient pas des jouets sans danger et ne pouvaient être laissés entre les mains d'un enfant de 7 ans sans surveillance spéciale (Schweizer Blätter für handelsrechtliche Entscheidungen IV/1885, p. 39 ss); il s'en est tenu à cette appréciation par la suite, s'écartant ainsi de l'arrêt
ATF 57 II 129
(ZR 56/1957 p. 152 ss No 93; la Cour d'appel du canton de Berne partage, en revanche, le point de vue du Tribunal fédéral, dans un arrêt du 31 août 1955, reproduit in RSJ 52/1956 p. 113 No 56).
On ne peut que se rallier à l'opinion du Tribunal supérieur du canton de Zurich. Les quatre cas cités attestent qu'un arc et une flèche peuvent causer de graves blessures aux yeux. Quand le chef de famille sait que des enfants de 7 ans jouent avec un arc et des flèches, ou peut prévoir qu'ils le feront, il ne doit peut-être pas les surveiller constamment, mais il est à tout le moins tenu de les rendre attentifs au caractère dangereux de ces instruments, de leur donner des instructions sur la façon de les manier et notamment de leur interdire sévèrement de tirer quand il est possible que quelqu'un se trouve dans le champ de tir. Certes, on peut objecter que de tels avertissements et instructions sont souvent sans effet sur les enfants. Le chef de famille n'en a pas moins l'obligation de les donner en vertu de son devoir de surveillance. Comme ces précautions
BGE 103 II 24 S. 29
n'ont pas été prises en l'espèce, point n'est besoin de trancher la question de savoir si le degré d'attention est plus étendu et implique une surveillance constante.
5.
On ignore si le défendeur pouvait prévoir que son fils jouerait avec un arc et des flèches. Mais il est constant que sa femme en tout cas, non seulement pouvait le prévoir, mais le savait: elle devait donc surveiller l'enfant ou du moins lui expliquer les dangers du jeu et l'inciter à la prudence avec insistance. Ainsi se pose la question de savoir qui doit être considéré comme chef de famille.
Selon la doctrine et la jurisprudence quasi unanimes, l'autorité domestique sur des enfants mineurs appartient au père, pour autant que les parents ne vivent pas séparés et que le père n'est pas hors d'état de l'exercer ensuite d'interdiction, de retrait de la puissance paternelle, de longue et durable absence ou de quelque autre motif (OFTINGER, II/1, p. 250 ss; KELLER, p. 106 ss). On le déduit d'ordinaire de l'usage consacré dans l'
art. 331 al. 1 CC
et du fait que, bien que, de manière générale, les époux et parents soient sur pied d'égalité, le Code civil suisse accorde certaines prérogatives au mari et père (art. 160 al. 1 et 274 al. 2 CC). Certes, depuis la promulgation du Code civil suisse, les conceptions sur ce point se sont modifiées: aujourd'hui, une pleine égalité entre les époux et parents est largement admise comme légitime. Toutefois, tant que les art. 160 al. 1 et 274 al. 2 CC sont encore en vigueur et s'il n'est pas établi que, dans le cas concret, les époux, respectivement les parents, sont convenus, sur la base d'un accord exprès ou tacite, d'une autre répartition des rôles ou d'une égalité complète, on doit s'en tenir au principe qu'en règle générale le mari et père est considéré comme chef de la famille. Il en ira autrement à coup sûr quand, dans le cadre de la revision du Code civil, les privilèges encore existants du mari et père seront supprimés: tel sera le cas, pour l'
art. 274 al. 2 CC
, lors de l'entrée en vigueur du nouveau droit de la filiation, et c'est ce qui est prévu, en ce qui concerne l'
art. 160 al. 1 CC
, dans l'avant-projet du nouveau droit du mariage.
L'examen de la jurisprudence fédérale relative à l'
art. 333 CC
révèle que la question de savoir qui doit être considéré comme chef de la famille - le père, la mère ou les deux parents - n'a jamais donné lieu à des discussions importantes: dans des conditions normales (époux non séparés,
BGE 103 II 24 S. 30
capacité d'agir du mari), c'est toujours contre le père que l'action était ouverte. On ne trouve quelques développements à ce sujet que dans deux arrêts, de 1900 et 1907, rendus à propos de l'art. 61 du Code des obligations de 1881. Il convient de préciser que cette disposition légale ne connaissait pas la notion de chef de la famille, mais attribuait la responsabilité du dommage à celui auquel incombait légalement la surveillance de l'auteur. Dans l'arrêt
ATF 26 II 307
, qui avait trait à un cas où l'action avait été ouverte contre les deux parents, tous deux ont été reconnus responsables, au motif que le père était en principe et de manière générale responsable comme chef de la famille, tandis que, s'agissant de petits enfants (en l'espèce, d'un garçon de 3 ans), c'était à la mère qu'était dévolue au premier chef l'éducation de l'enfant. La responsabilité solidaire des deux parents a été admise. Dans l'arrêt
ATF 33 II 597
, le père est reconnu responsable du dommage causé par son fils, parce que, d'après la loi cantonale, c'est à lui qu'incombait légalement la surveillance de l'enfant.
En ce qui concerne la jurisprudence cantonale, on peut citer les deux arrêts zurichois mentionnés ci-dessus. Dans l'arrêt de 1884 (Schweizer Blätter für handelsrechtliche Entscheidungen IV/1885, p. 39 ss), il s'agissait d'un cas où l'action était dirigée contre la mère et le beau-père. Elle a été admise contre la mère et rejetée contre le beau-père, dont le devoir légal de surveillance a été nié. Dans l'arrêt de 1955 (ZR 56/1957, p. 152 ss No 93), l'action a été rejetée parce que le père ignorait que les enfants tiraient à l'arc et parce que la mère n'était pas partie au procès. Le Tribunal pose en principe que la puissance paternelle appartient en commun aux deux parents, en vertu de l'
art. 274 al. 1 CC
, puis examine (ce qui n'est, à vrai dire, pas très logique) si le père n'était pas au moins tenu d'inviter sa femme à surveiller attentivement les enfants.
Au vu des principes dégagés ci-dessus, c'est le défendeur qui, en l'espèce, est le chef de la famille. Sa femme et son fils de 18 ans doivent être considérés comme des auxiliaires.
La jurisprudence est loin d'être cohérente sur le point de savoir dans quelle mesure le chef de la famille doit répondre du comportement de ses auxiliaires. Cela est dû essentiellement au fait que la nature de la responsabilité instituée par
BGE 103 II 24 S. 31
l'
art. 333 CC
n'avait jusqu'à présent pas été clairement déterminée. Les tribunaux se sont surtout demandé si le chef de famille est responsable de toute faute de ses auxiliaires ou s'il répond simplement du choix, des instructions données et de la surveillance. Dans l'arrêt
ATF 26 II 307
/8, le Tribunal fédéral, qui prend pour base une responsabilité commune des parents, astreint le père à donner les instructions et à prendre les mesures de surveillance nécessaires (p. 308: "die nötigen Anweisungen und Aufsichtsmassregeln"). C'est également de "directions et instructions, mesures de précautions et de surveillance essentielles" qu'il est question au premier chef dans l'arrêt
ATF 33 II 597
. Au contraire, dans l'arrêt
ATF 38 II 475
, le père est tenu responsable, sans plus ample examen, du comportement fautif de la mère, qui avait omis de prendre les mesures qui s'imposaient bien qu'elle fût au courant, par les plaintes des tiers, de la brutalité de ses enfants et de leur habitude de lancer des pierres. Dans l'arrêt
ATF 70 II 138
, le Tribunal fédéral dit que le père qui a dû s'absenter n'est pas responsable en vertu de l'
art. 333 CC
s'il a rempli ses devoirs quant à l'éducation de son enfant et aux instructions qu'il devait laisser en partant, quand bien même sa femme aurait commis une faute en ne surveillant pas assez l'enfant. Dans deux arrêts, la Cour de justice du canton de Genève a tenu le père, seul actionné en justice, pour responsable du défaut de surveillance de la mère, sans prendre expressément position sur la question de savoir si l'épouse devait être considérée comme auxiliaire et dans quelle mesure la responsabilité du chef de la famille était engagée par le comportement de sa femme (SJ 49/1927, p. 606 et 85/1963, p. 388). Le Tribunal cantonal des Grisons a limité, dans un arrêt (RSJ 41/1945, p. 260), la responsabilité du chef de la famille du fait de ses auxiliaires à la culpa in eligendo, instruendo et custodiendo. Dans un arrêt postérieur (RSJ 44/1948, p. 109), il a considéré que le père était le chef de la famille, mais - ce qui est contradictoire - nié que la mère eût la qualité d'auxiliaire. Au contraire, le Tribunal supérieur du canton de Berne reconnaît implicitement la qualité d'auxiliaire de la mère quand il recherche si celle-ci n'aurait pas dû interdire un jeu avec des baguettes et des bâtons, alors qu'elle savait que les enfants s'y livraient parfois (RJB 75/1939, p. 88).
BGE 103 II 24 S. 32
La responsabilité du chef de la famille étant une responsabilité causale, il en résulte que, comme l'admet à juste titre la doctrine dominante (EGGER, n. 14 ad
art. 333 CC
; OFTINGER, II/1, p. 278/79; KELLER, p. 104/105; STARK, RDS 86/1967 II, p. 53 n. 105; les trois derniers auteurs critiquant chacun
ATF 70 II 137
/38), le chef de la famille répond de la faute des auxiliaires qu'il a chargés de la surveillance comme il répond de sa propre faute. Telle est d'ailleurs l'opinion de la doctrine et de la jurisprudence pour les autres cas de responsabilité causale (responsabilité du détenteur d'animaux: OFTINGER, II/1, p. 223 et
ATF 67 II 28
, ainsi que les références; responsabilité de l'employeur quand il y a un intermédiaire entre l'employeur et l'auteur du dommage: OFTINGER, II/1, p. 158/59; responsabilité du propriétaire d'un ouvrage: OFTINGER, II/1, p. 41).
En l'espèce, quand ils ont su que les enfants jouaient avec arcs et flèches, dame Praz et son fils de 18 ans, tous deux auxiliaires du défendeur, auraient dû à tout le moins les inciter à la prudence. Ne l'ayant pas fait, ils ont commis une faute dont le défendeur est responsable.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours, annule le jugement attaqué et renvoie la cause à la juridiction cantonale pour qu'elle fixe les dommages-intérêts dus par le défendeur. | public_law | nan | fr | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
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