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Urteilskopf 121 II 22 4. Urteil des Kassationshofes vom 11. Januar 1995 i.S. T. gegen Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 6 Ziff. 1 EMRK , Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG ; Rechtsnatur des Führerausweisentzugs zu Warnzwecken, Öffentlichkeit des Verfahrens. Der Entzug des Führerausweises zu Warnzwecken ist ein Entscheid über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Der Betroffene hat daher Anspruch auf eine öffentliche mündliche Verhandlung.
Sachverhalt ab Seite 22 BGE 121 II 22 S. 22 A.- Am Dienstag, 16. März 1993, um 00.35 Uhr, wurde T. am Steuer seines Personenwagens von der Polizei in Gossau zur Kontrolle angehalten. Eine anschliessend an den Atemlufttest angeordnete Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von mindestens 1,50 Gewichtspromille zum Zeitpunkt der Fahrt. Das Bezirksamt Gossau sprach T. mit Strafbescheid vom 9. Juni 1993 des Führens eines Personenwagens in angetrunkenem Zustand schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zwei Wochen und einer Busse von Fr. 1'100.--. B.- Mit Verfügung vom 11. Mai 1993 entzog das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons St. Gallen T. den Führerausweis für vier Monate. Mit Entscheid vom 25. Mai 1994 wies die Verwaltungsrekurskommission BGE 121 II 22 S. 23 des Kantons St. Gallen, Abteilung IV, den dagegen erhobenen Rekurs von T. ab. C.- Dagegen erhebt T. Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der er beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventuell sei der Führerausweis für zwei Monate zu entziehen. Die Verwaltungsrekurskommission verzichtet auf eine Vernehmlassung und beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Polizeiwesen beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. Die Vorinstanz bestätigte mit dem angefochtenen Entscheid einen Führerausweisentzug zu Warnungszwecken für die Dauer von vier Monaten und lehnte gleichzeitig ein Gesuch des Beschwerdeführers um Durchführung einer öffentlichen und mündlichen Verhandlung mit der Begründung ab, es lägen keine besonderen Umstände gemäss Art. 55 des st. gallischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vor, die eine mündliche Verhandlung rechtfertigen würden, und unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 BV und 6 EMRK bestehe kein Anspruch darauf, da die verhängte Administrativmassnahme keine Strafe darstelle. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art. 6 Ziff. 1 EMRK , weil die Vorinstanz trotz seines entsprechenden Gesuchs keine öffentliche und mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Ein Führerausweisentzug zu Warnungszwecken sei eine Strafe und Art. 6 Ziff. 1 EMRK daher anwendbar. 2. Nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jedermann unter anderem Anspruch darauf, dass seine Sache öffentlich von einem Gericht gehört wird, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden, jedoch kann die Presse und die Öffentlichkeit während der Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden. Da Art. 6 Ziff. 1 EMRK nur in Verfahren Anwendung findet, in denen über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage entschieden wird, ist zu prüfen, ob eine dieser Voraussetzungen hier erfüllt ist. Zuerst ist zu untersuchen, ob der BGE 121 II 22 S. 24 angefochtene Entscheid über einen Führerausweisentzug zu Warnzwecken als einen solchen über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu betrachten ist. Wird dies bejaht, kann offenbleiben, ob es sich auch um einen Entscheid über einen zivilrechtlichen Anspruch handeln könnte. a) Die Organe der EMRK bestimmen den Begriff der strafrechtlichen Anklage autonom und ohne Rücksicht auf die Begriffe des nationalen Rechts (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EGMR, i.S. König, Série A vol. 27, Ziff. 88 mit Hinweisen). Dabei wird zuerst geprüft, ob die fragliche Massnahme dem nationalen Strafrecht zugeordnet ist. Die innerstaatliche Qualifikation dient allerdings nur als Anhaltspunkt; weitaus grössere Bedeutung kommt der wahren Natur der Widerhandlung und deren Folgen zu, wie sie sich nach dem Kreis der potentiellen Adressaten der Vorschrift bestimmt. Dabei orientiert sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch an der Einschätzung vergleichbarer Taten in den anderen Vertragsstaaten. Wird mit der angewendeten Norm ein präventiver und repressiver Zweck verfolgt und mithin ein für jedermann bestimmtes Verhalten erzwungen, liegt grundsätzlich eine strafrechtliche Angelegenheit vor. Schliesslich stellt der Gerichtshof auf die Art und den Schweregrad der angedrohten Sanktion ab (Urteile des EGMR i.S. Engel u.a., Série A vol. 22, Ziff. 82 und i.S. Öztürk, Série A vol. 73, Ziff. 52; THEO VOGLER, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, N. 197 ff. zu Art. 6; MARK VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, S. 231 N. 389 ff. mit Hinweisen). Auch das Bundesgericht bedient sich dieser Kriterien bei der Prüfung des Vorliegens einer strafrechtlichen Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ( BGE 119 Ib 311 E. 2d, BGE 117 Ia 187 E. 4a, BGE 115 Ia 406 E. 3b/aa; Urteil des Bundesgerichts vom 4. Februar 1994, publiziert in ZBl 95/1994 S. 422, je mit Hinweisen). b) Zur Beurteilung muss sodann die Stichhaltigkeit der strafrechtlichen Anklage stehen: Das Verfahren muss darauf gerichtet sein, die Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten festzustellen (THEO VOGLER, a.a.O., N. 202 zu Art. 6). Zur Entscheidung über die Stichhaltigkeit einer Anklage gehört neben der Schuldfeststellung auch die Festsetzung des Strafmasses. Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist demnach selbst dann anwendbar, wenn in einem Verfahren nur noch die Strafe zu bemessen ist ( BGE 115 Ia 406 E. 3b/aa; THEO VOGLER, a.a.O., BGE 121 II 22 S. 25 N. 213 zu Art. 6 mit Hinweisen Fn. 5). c) Als strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 EMRK wertete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zum Beispiel Disziplinarmassnahmen gegen holländische Soldaten (Urteil Engel, a.a.O., Ziff. 82-85), eine von einer Verwaltungsbehörde aufgrund eines Gemeindereglements ausgesprochene Busse von Fr. 120.-- wegen der Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration (Urteil i.S. Belilos, Série A vol. 132, Ziff. 62) sowie eine Busse von DM 60.-- wegen einer "Ordnungswidrigkeit" im Sinne der deutschen Strassenverkehrsordnung, welche innerstaatlich als Verwaltungsrecht qualifiziert wurde (Urteil Öztürk, a.a.O., Ziff. 50-53). Dabei führte der Gerichtshof aus, die verletzte Verkehrsregel richte sich nicht an eine bestimmte Gruppe mit besonderem Status, wie dies beispielsweise beim Disziplinarrecht der Fall sei, sondern an alle Bürger in ihrer Eigenschaft als Strassenbenützer. Sie schreibe ein gewisses Verhalten vor und drohe eine strafende Sanktion an, welche abschrecken und ahnden solle. Die allgemeine Natur der Bestimmung und der präventive und repressive Zweck der Sanktion genügten, den Strafcharakter der Verkehrsregelverletzung zu bejahen (Urteile i.S. Öztürk, a.a.O., Ziff. 50-54 und i.S. Lutz, Série A vol. 123, Ziff. 51-57). 3. a) Der Entzug des Führerausweises ist nach schweizerischem Recht eine Massnahme, für welche die Verwaltungsbehörde des Wohnsitzkantons zuständig ist ( Art. 22 SVG ; SR 741.01). Gemäss Art. 16 SVG und Art. 30 Abs. 2 VZV (SR 741.51) werden Warnungsentzüge wegen Verletzung von Verkehrsvorschriften ausgesprochen und dienen der Besserung des Führers und der Bekämpfung von Rückfällen. Das Bundesgericht wertete den Warnungsentzug als eine der strafrechtlichen Sanktion ähnliche, aber dennoch von ihr unabhängige Verwaltungsmassnahme mit präventivem und erzieherischem Charakter ( BGE 116 Ib 146 E. 2, BGE 104 Ib 95 , BGE 102 Ib 59 mit Hinweisen). Er werde vom Betroffenen zumeist als Strafe empfunden und stelle, vor allem wenn dieser beruflich auf die Verwendung des Motorfahrzeugs angewiesen ist, einen einschneidenden Eingriff dar ( BGE 104 Ib 194 E. 3). Das Bundesgericht hat bei der Beurteilung von Führerausweisentzügen mehrfach Regeln des StGB analog herangezogen, namentlich bei der Frage der lex mitior ( Art. 2 Abs. 2 StGB ; BGE 104 Ib 87 E. 2) und beim Zusammentreffen mehrerer Entzugsgründe ( Art. 68 StGB ; BGE 120 Ib 54 , BGE 116 Ib 151 , BGE 113 Ib 53 ). BGE 121 II 22 S. 26 In der Lehre wird überwiegend die Auffassung vertreten, der Warnungsentzug sei der Sache nach eine Strafe (Übersicht bei JEAN GAUTHIER, Le retrait du permis de conduire est-il une mesure administrative ou une sanction pénale?, in: Verkehrsdelinquenz/Délinquance routière, Grüsch 1989, S. 257 ff. mit Hinweisen; MICHEL PERRIN, Délivrance et retrait du permis de conduire, Fribourg 1982, S. 99 ff., bes. S. 120 f., mit Hinweisen; BAPTISTE RUSCONI, La sanction dans le droit pénal de la circulation routière, in: Le rôle sanctionnateur du droit pénal, Fribourg 1985, S. 62 f.; HANS SCHULTZ, Rechtsprechung und Praxis im Strassenverkehr in den Jahren 1973-1977, Bern 1979, S. 89 f.; PETER STAUFFER, Der Entzug des Führerausweises, Diss. Bern 1966, S. 148 ff.; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Bern 1989, § 1 N. 19). Der Vorentwurf der Expertenkommission zum Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches sieht vor, dass der heutige Warnungsentzug künftig vom Strafrichter ausgesprochen werden soll, während der Sicherungsentzug in der Zuständigkeit der administrativen Behörden bleibt (Art. 45-48 VE 1993). Angesichts des Strafcharakters des Führerausweisentzugs zu Warnungszwecken vermöge allein der Richter ein rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren zu garantieren (Bericht zur Revision des Strafgesetzbuches, erstellt auf der Grundlage der Schlussberichte der Expertenkommission, Bundesamt für Justiz, Bern 1993, S. 64 f.). b) Auch wenn der Entzug des Führerausweises eine von der strafrechtlichen Sanktion unabhängige Verwaltungsmassnahme ist, weist er mit dieser in verschiedener Hinsicht grosse Ähnlichkeiten auf: Ein Warnungsentzug wird aufgrund einer vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Verkehrsregelverletzung ausgesprochen ( Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG ; BGE 105 Ib 118 ), seine Dauer richtet sich vor allem nach der Schwere des Verschuldens sowie der Sanktionsempfindlichkeit des fehlbaren Lenkers, und ein Rückfall kann zu einer Massnahmeverschärfung führen ( Art. 33 Abs. 2 VZV ). Unbestrittenermassen wird mit dem Führerausweisentzug sodann ein repressiver und präventiver Zweck verfolgt und hat dieser zugleich eine einschneidende Wirkung für den Betroffenen. Der Strafcharakter des Warnungsentzugs im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist deshalb zu bejahen. c) Da die Behörde im Verfahren nach Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG die Art und die Dauer der Massnahme festlegt, entscheidet sie in jedem Fall über die Stichhaltigkeit einer Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK , auch wenn BGE 121 II 22 S. 27 der Sachverhalt bereits vom Strafrichter beurteilt wurde und die zuständigen Instanzen im Administrativverfahren grundsätzlich an diese Feststellungen gebunden sind ( BGE 119 Ib 158 E. 2c/bb und 3c/bb), oder der Schuldpunkt nicht strittig ist (vgl. dazu auch E. 2b oben). 4. Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens bildete ein in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG und Art. 30 Abs. 2 VZV verfügter Warnungsentzug. Dieser wurde angeordnet, weil der Beschwerdeführer mit einem Blutalkoholgehalt von mindestens 1,50 Gewichtspromille ein Motorfahrzeug gelenkt hatte. Der Beschwerdeführer bestritt nicht, einen Grund für einen Führerausweisentzug gesetzt zu haben, focht aber dessen Dauer von vier Monaten als zu lange an. Nach dem Gesagten stellt das angefochtene Urteil, das die Dauer des Warnungsentzugs von vier Monaten bestätigte, einen Entscheid über eine strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK dar und hatte die Vorinstanz daher die entsprechenden Verfahrensgarantien zu beachten. a) Das von der Vorinstanz angeführte unveröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 31. Januar 1994 i.S. B. ist hier schon deshalb nicht von Belang, weil es darin um einen Sicherungsentzug ging, überdies eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht gerügt und daher auch nicht geprüft wurde. b) Zwar hat die Schweiz im Jahre 1974 in einem Vorbehalt zur EMRK erklärt, Art. 6 solle in Streitigkeiten über zivilrechtliche Rechte und Pflichten oder über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage keine Anwendung finden, wenn diese Verfahren nach kantonalen Gesetzen vor einer Verwaltungsbehörde stattfinden (AS 1974 S. 2148). Dieser Vorbehalt ist jedoch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in bezug auf die Öffentlichkeit des Verfahrens für ungültig erklärt worden (Urteil i.S. Weber c. Schweiz, Série A vol. 177, Ziff. 38; vgl. BGE 119 Ib 311 E. 6a). Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist somit auch auf kantonale Verwaltungsbehörden anwendbar, soweit sie Zivil- und Strafsachen beurteilen (ARTHUR HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 160; vgl. ANDREAS KLEY-STRULLER, Der Anspruch auf richterliche Beurteilung "zivilrechtlicher" Streitigkeiten im Bereich des Verwaltungsrechts sowie von Disziplinar- und Verwaltungsstrafen gemäss Art. 6 EMRK , AJP 1994 S. 36 ff.). c) Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK bezieht sich sowohl auf die Parteiöffentlichkeit als auch auf die Publikums- und Presseöffentlichkeit. Der Grundsatz soll durch die BGE 121 II 22 S. 28 Kontrolle der Öffentlichkeit dem Angeschuldigten und allen übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung gewährleisten. Darüber hinaus soll es der allgemeinen Öffentlichkeit ermöglicht werden, Kenntnis davon zu erhalten, wie das Recht verwaltet und die Rechtspflege ausgeführt wird; sie soll die Prozesse unmittelbar verfolgen und dadurch eine Kontrollfunktion wahrnehmen können. Es soll damit Transparenz der Rechtsprechung geschaffen und das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit gesichert werden ( BGE 119 Ia 99 E. 4a). Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit verbietet einen Ausschluss dort, wo nicht überwiegende Gründe der staatlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und der Sittlichkeit oder schützenswerte Interessen Privater dies vordringlich gebieten ( BGE 117 Ia 387 E. 3). Die Konvention selber sieht Ausnahmen von der Öffentlichkeit vor im Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit oder wenn die Interessen von Jugendlichen, der Schutz des Privatlebens von Prozessparteien oder die Gefahr der Beeinträchtigung der Rechtspflege es gebieten ( BGE 119 Ia 99 E. 4a mit Hinweisen, BGE 119 V 375 E. 4b/bb). Der Betroffene kann seinerseits auf eine öffentliche Verhandlung ausdrücklich oder stillschweigend verzichten, sofern der Verzicht eindeutig erfolgt und ihm keine wichtigen öffentlichen Interessen entgegenstehen (Urteil des EGMR i.S. Schuler-Zgraggen, Série A vol. 263, Ziff. 58; BGE 120 Ia 19 E. 2c/bb, 119 Ib 311 E. 6b). d) Der Beschwerdeführer hat eine öffentliche Verhandlung verlangt. Es sind keine Gründe ersichtlich, die im Einklang mit der Konvention einen Ausschluss der Öffentlichkeit rechtfertigen würden. Indem die Vorinstanz keine öffentliche und mündliche Verhandlung durchgeführt hat, verstiess sie demnach gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK .
public_law
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
89141aa6-b77d-4e81-8dd8-c27945293673
Urteilskopf 139 III 345 48. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Y. GmbH (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_86/2013 vom 1. Juli 2013
Regeste Art. 23 Abs. 1 lit. a LugÜ ; Gerichtsstandsklausel in AGB; Formerfordernisse. Ist eine Gerichtsstandsklausel in AGB enthalten, so setzt die Einhaltung der Formerfordernisse von Art. 23 Abs. 1 lit. a LugÜ voraus, dass der AGB-Verwender seinem Vertragspartner vor Vertragsabschluss eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB verschafft. Prüfung der Frage, ob ein Zugänglichmachen mit dem Hinweis, die AGB könnten auf der Internetseite des Verwenders abgerufen oder über eine Faxnummer angefordert werden, eine solche zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme darstellt (E. 4-6).
Sachverhalt ab Seite 345 BGE 139 III 345 S. 345 A. A.a Die X. AG (Bestellerin, Beklagte, Beschwerdeführerin) plante ab 2009 ein neues Zentrallager an ihrem Sitz in A., Österreich. Im BGE 139 III 345 S. 346 Hinblick darauf schloss sie mit der Y. GmbH (Unternehmerin, Klägerin, Beschwerdegegnerin; Sitz in B., Deutschland) Werkverträge ab. Darin verpflichtete sich die Unternehmerin zur Herstellung und Montage von Regalanlagen nach den Vorgaben der Bestellerin. A.b Mit E-Mail vom 14. Oktober 2010 stellte die Unternehmerin der Bestellerin zwei Werkverträge zu, einen betreffend das Schnittholz- und Plattenlager sowie einen betreffend das Automatiklager. Auf den beiden letzten Seiten der Vertragsurkunden wurde auf die Verkaufs-, Liefer- und Zahlungsbedingungen sowie Montagebedingungen bei Montageausführung der Unternehmerin verwiesen sowie darauf, dass diese unter einer bestimmten Faxnummer angefordert werden könnten. In § 15.6 der Verkaufs-, Liefer- und Zahlungsbedingungen befindet sich eine Gerichtsstandsklausel mit folgendem Wortlaut: "Sämtliche Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dieser Vertragsbeziehung (inklusive Streitigkeiten betreffend Gültigkeit und Auflösung dieses Vertrages und der Gültigkeit der Gerichtsstandsklausel) sind ausschliesslich durch die für die Stadt Zürich zuständigen Gerichte zu entscheiden; (...) Soweit gesetzlich zulässig sind vorgenannte Auseinandersetzungen in sachlicher Hinsicht ausschliesslich vom Handelsgericht des Kantons Zürich zu beurteilen. (...)" Die Bestellerin unterzeichnete je das letzte Blatt der Vertragsurkunden und retournierte diese an die Unternehmerin. A.c Anlässlich einer späteren Änderung betreffend das Plattenlager wies die Unternehmerin darauf hin, dass ihre Bedingungen im Internet heruntergeladen werden könnten. B. Am 26. Juni 2012 reichte die Unternehmerin beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage ein und beantragte, die Bestellerin sei zur Zahlung von EUR 667'603.30 nebst Zins zu verurteilen. Es handelt sich dabei um angeblich ausstehende Beträge für ausgeführte Arbeiten. Mit Eingabe vom 22. Oktober 2012 erhob die Bestellerin die Einrede der Unzuständigkeit. Mit Beschluss vom 11. Januar 2013 wies das Handelsgericht des Kantons Zürich die Unzuständigkeitseinrede der Bestellerin ab. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 14. Februar 2013 beantragt die Bestellerin dem Bundesgericht, es sei der Beschluss des Handelsgerichts aufzuheben und die Unzuständigkeit des Handelsgerichts Zürich festzustellen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 139 III 345 S. 347 Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde, eventualiter die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Beurteilung der Frage, ob eine gerichtsstandsbegründende Erfüllungsortsvereinbarung vorliege. Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Parteien haben unaufgefordert Replik und Duplik eingereicht. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Ob eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Abs. 1 LugÜ (SR 0.275.12) gültig zustande gekommen ist, ist in autonomer Auslegung ohne Berücksichtigung des nationalen Rechts zu ermitteln ( BGE 131 III 398 E. 5 S. 400; BERNHARD BERGER, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 42 zu Art. 23 LugÜ ; WALTER/DOMEJ, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 5. Aufl. 2012, S. 299; YVES DONZALLAZ, La Convention de Lugano, Bd. III, 1998, N. 6798; LAURENT KILLIAS, Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Lugano-Übereinkommen, 1993, S. 149 [nachfolgend: Gerichtsstandsvereinbarungen]; GEIMER/SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2010, N. 97 zu Art. 23 EuGVVO; WALTER LINDACHER, Internationale Gerichtsstandsklauseln in AGB unter dem Geltungsregime von Brüssel I, in: Festschrift für Peter Schlosser zum 70. Geburtstag, 2005, S. 496; KROPHOLLER/VON HEIN, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011, N. 17 zu Art. 23 EuGVO; REITHMANN/MARTINY, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl. 2010, N. 6431). Die Rechtsprechung des EuGH zu dieser Bestimmung ist dabei grundsätzlich auch von den schweizerischen Gerichten zu beachten ( BGE 138 III 386 E. 2.6 S. 392, BGE 138 III 304 E. 5.3.1 S. 313; BGE 136 III 523 E. 4 S. 524; BGE 135 III 185 E. 3.2; je mit Hinweisen). 4.1 Um dem Schriftformerfordernis nach Art. 23 Abs. 1 lit. a LugÜ zu genügen, muss eine Gerichtsstandsklausel nicht direkt in die Vertragsurkunde aufgenommen werden, sondern kann auch in den AGB einer Vertragspartei enthalten sein. Diesfalls muss im Vertrag auf diese AGB, nicht aber auch auf die Gerichtsstandsklausel selbst hingewiesen werden (BERGER, a.a.O., N. 42 zu Art. 23 LugÜ ; LAURENT KILLIAS, in: Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 96 zu Art. 23 LugÜ [nachfolgend: Lugano-Übereinkommen]; derselbe , Gerichtsstandsvereinbarungen, a.a.O., S. 154; PETER SCHLOSSER, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 2009, N. 20 zu Art. 23 EuGVVO; KROPHOLLER/VON HEIN, a.a.O., N. 38 zu Art. 23 EuGVO; BGE 139 III 345 S. 348 GEIMER/SCHÜTZE, a.a.O., N. 86 zu Art. 23 EuGVVO; REITHMANN/MARTINY, a.a.O., N. 6437; HÉLÈNE GAUDEMET-TALLON, Compétence et exécution des jugements en Europe, 4. Aufl. 2010, N. 138; differenzierend LINDACHER, a.a.O., S. 497 f.). 4.2 Umstritten ist die Frage, ob die AGB im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beiden Parteien tatsächlich vorliegen müssen. Der EuGH hatte diese Frage bisher (nur) für den Fall zu beantworten, dass die Parteien im Vertragstext auf ein vorangegangenes Angebotsschreiben ausdrücklich Bezug nehmen, in dem seinerseits auf die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden AGB hingewiesen worden war. Diesfalls ist das Erfordernis der Schriftlichkeit nach dem EuGH nur gewahrt, wenn mit dem Angebot, auf das Bezug genommen worden ist, die die Gerichtsstandsklausel enthaltenden AGB der anderen Partei tatsächlich zugegangen sind (Urteil des EuGH vom 14. Dezember 1976 C-24/76 Estasis Salotti gegen RÜWA , Slg. 1976 S. 1842 Randnrn. 11 f.; dem folgend: WALTER/DOMEJ, a.a.O., S. 298; KILLIAS, Lugano-Übereinkommen, a.a.O., N. 97 zu Art. 23 LugÜ ; KROPHOLLER/VON HEIN, a.a.O., N. 36 zu Art. 23 EuGVO; GEIMER/SCHÜTZE, a.a.O., N. 87 zu Art. 23 EuGVVO). Ein Teil der Lehre vertritt die Ansicht, dass die AGB bei Vertragsschluss der Vertragspartei des AGB-Verwenders auch dann tatsächlich vorliegen müssen, wenn auf diese wie hier im Vertragstext selbst hingewiesen wird und nicht bloss in einem früheren Angebot, auf das im Vertrag Bezug genommen wird (KROPHOLLER/VON HEIN, a.a.O., N. 35 zu Art. 23 EuGVO; REITHMANN/MARTINY, a.a.O., N. 6440; wohl auch PASCAL GROLIMUND, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ] zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Anton K. Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 22 zu Art. 23 LugÜ , vgl. aberN. 23 zu Art. 23 LugÜ ). Der Hinweis, die AGB könnten auf der Internetseite des Verwenders abgerufen werden, reiche entsprechend nicht aus (KROPHOLLER/VON HEIN, a.a.O., N. 35 zu Art. 23 EuGVO). Nach einer Gegenmeinung reicht es, wenn der andere Vertragsteil sich den Text der AGB durch Rückfragen unschwer und prompt verschaffen kann (SCHLOSSER, a.a.O., N. 20 zu Art. 23 EuGVVO). Nach einer vermittelnden Meinung greift zwar keine Erkundigungsobliegenheit, der AGB-Verwender muss seinem Vertragspartner aber die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme in der Weise verschaffen, dass er ihm die AGB, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten, bei Abschluss des Vertrages zugänglich macht (GRAF VON WESTPHALEN/THÜSING, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 32. Aufl. 2013, Gerichtsstandsklauseln, N. 42; DONZALLAZ, a.a.O., N. 6834). BGE 139 III 345 S. 349 4.3 Die Formerfordernisse des Art. 23 LugÜ sollen gewährleisten, dass eine Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht ( BGE 131 III 398 E. 6 S. 400; Urteil des EuGH vom 19. Juni 1984 C-71/83 Tilly Russ gegen Nova , Slg. 1984 S. 2432 Randnr. 14 mit Hinweisen). Die in dieser Bestimmung aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen sind streng auszulegen, für die Erfüllung der Formerfordernisse werden mithin hohe Anforderungen gestellt ( BGE 131 III 398 E. 6 S. 400; Urteil Tilly Russ gegen Nova , Randnr. 14 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil des EuGH vom 16. März 1999 C-159/97 Castelletti gegen Trumpy Spa , Slg. 1999 I-0597 Randnr. 48; KILLIAS, Gerichtsstandsvereinbarungen, a.a.O., S. 146 f.; KROPHOLLER/VON HEIN, a.a.O., N. 38 zu Art. 23 EuGVO; REITHMANN/MARTINY, a.a.O., N. 6431). Eine Erkundigungsobliegenheit des Vertragspartners ist deshalb abzulehnen. Das Interesse am Einbezug der AGB in den Vertrag geht vom Verwender aus. Dieser hat seinem Vertragspartner vor Vertragsabschluss zumindest eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme der AGB zu verschaffen. 4.4 Fraglich ist, ob ein Zugänglichmachen mit dem Hinweis, die AGB könnten auf der Internetseite des Verwenders oder über eine Faxnummer abgerufen werden, eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme darstellt. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu beachten, dass selbst bei Übergabe der AGB an die andere Vertragspartei nicht sichergestellt ist, dass diese die AGB tatsächlich liest und von einer darin enthaltenen Gerichtsstandsklausel Kenntnis nimmt. Auch wenn sich eine Gerichtsstandsklausel im Vertragsdokument selbst befindet, ist nicht ausgeschlossen, dass ein Vertragspartner den Vertrag unterzeichnet, ohne die Gerichtsstandsklausel gelesen zu haben. Das Erfüllen der Formerfordernisse nach Art. 23 Abs. 1 LugÜ setzt denn auch nicht voraus, dass beide Parteien tatsächlich von der Gerichtsstandsklausel Kenntnis genommen haben (vgl. SCHLOSSER, a.a.O., N. 16 zu Art. 23 EuGVVO; DONZALLAZ, a.a.O., N. 6834; KILLIAS, Gerichtsstandsvereinbarungen, a.a.O., S. 155; GAUDEMET-TALLON, a.a.O., N. 138). 4.4.1 Kommunizieren die Parteien wie vorliegend per E-Mail, besteht nur ein vernachlässigbarer Unterschied zwischen dem Öffnen eines dem E-Mail beigefügten Dokuments, das die AGB enthält, und dem Aufrufen der Internetseite des AGB-Verwenders oder gar nur dem Anklicken eines entsprechenden Links. Der Verwendung dieser Kommunikationsform zum Abschluss des Vertrags kann weiter BGE 139 III 345 S. 350 einerseits das Einverständnis der Vertragsparteien entnommen werden, das Internet für diesen Zweck zu nutzen. Andererseits ist damit auch sichergestellt, dass der Vertragspartner über die Möglichkeit der Internetnutzung verfügt. Unter diesen Voraussetzungen ist es dem Vertragspartner zumutbar, einem Hinweis des AGB-Verwenders auf seine Internetseite nachzugehen und die AGB dort zur Kenntnis zu nehmen. Ob ein blosser Verweis auf die Internetseite des Verwenders ohne Übergabe der AGB auch genügt, wenn die Parteien nicht per E-Mail kommunizieren, kann offengelassen werden. 4.4.2 Im Vergleich mit dem Abruf der AGB auf dem Internet ist die Bestellung der AGB per Fax umständlicher. Die Beschwerdeführerin weist zu Recht darauf hin, dass dabei der Fax vom AGB-Verwender wiederum beantwortet werden muss, was eine Zeitverzögerung bewirkt. Zudem besteht hier eine gewisse Nähe zur Erkundigungsobliegenheit, da der Vertragspartner zur Nachfrage beim AGB-Verwender gezwungen ist und nicht ohne dessen Zutun von den AGB Kenntnis nehmen kann. Dazu kommt weiter, dass Faxgeräte nicht mehr so verbreitet sind wie elektronische Geräte mit Internetzugang. Aus diesen Gründen stellt der Hinweis, die AGB könnten unter einer bestimmten Faxnummer abgerufen werden, keine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme dar und genügt den strengen Formerfordernissen des Art. 23 Abs. 1 lit. a LugÜ somit nicht. Es kann dem Verwender der AGB, wenn dieser die AGB schon zu Vertragsbestandteil machen will, zugemutet werden, diese entweder im Internet einfach und schnell zugänglich aufzuschalten oder aber dem Vertragspartner zusammen mit dem Vertrag (gegebenenfalls elektronisch) zuzustellen. 4.5 Dass die Formerfordernisse von Art. 23 Abs. 1 lit. b oder c LugÜ erfüllt wären, wurde nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. 5. Nach dem Gesagten ist die Rüge der Beschwerdeführerin teilweise begründet. Da in den Vertragsurkunden betreffend das Schnittholz- und Plattenlager sowie betreffend das Automatiklager lediglich darauf hingewiesen wurde, die AGB könnten unter einer bestimmten Faxnummer angefordert werden, ist mangels Einhaltung der Formerfordernisse nach Art. 23 Abs. 1 LugÜ anlässlich dieser Vertragsabschlüsse zwischen den Parteien keine Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen. Aus dem festgestellten Sachverhalt geht aber hervor, dass die Beschwerdegegnerin BGE 139 III 345 S. 351 anlässlich einer späteren Änderung betreffend das Plattenlager darauf hinwies, dass ihre Bedingungen im Internet heruntergeladen werden könnten. Die Vorinstanz hat offengelassen, ob die AGB zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Internet abrufbar waren. Sollte dies der Fall gewesen sein, wäre zu prüfen, ob die Parteien anlässlich der Änderung eine Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen haben. Sollten die AGB nicht abrufbar gewesen sein, so hätte die Vorinstanz zu prüfen, ob eine Erfüllungsortsvereinbarung besteht. Die Sache ist daher zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 6. Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos. Die Beschwerdeführerin dringt mit ihren Begehren nur teilweise durch. Da zum jetzigen Zeitpunkt zudem noch ungewiss ist, in welchem Umfang sie obsiegen wird, erscheint es gerechtfertigt, die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen und die Parteikosten wettzuschlagen (vgl. Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
null
nan
de
2,013
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
891494a4-241a-4df0-96f0-8a2e3c2a836d
Urteilskopf 98 Ia 561 82. Extrait de l'arrêt du 8 novembre 1972 dans la cause Gumy contre Bauer et Tribunal de prud'hommes du district de Neuchâtel.
Regeste Arbeitsvertrag, Kündigungsfrist, verlängerte Wirkung eines Gesamtarbeitsvertrages, Unentgeltlichkeit des Verfahrens, Parteientschädigung. 1. Es lässt sich ohne Willkür annehmen, dass ein Gesamtarbeitsvertrag unter Umständen noch nach Ablauf seiner Gültigkeitsdauer den mutmasslichen Willen der Parteien zum Ausdruck bringen kann (Erw. 1 und 2). 2. Art. 343 Abs. 3 rev. OR über die Unentgeltlichkeit des Verfahrens gilt auch für das Verfahren vor Bundesbehörden, insbesondere für das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren. Dagegen kann die unterliegende Partei zu einer Parteientschädigung verurteilt werden (Erw. 6).
Sachverhalt ab Seite 561 BGE 98 Ia 561 S. 561 A.- En novembre 1970, Antoinette Gumy a été engagée en qualité de coiffeuse par Jean Bauer, maître-coiffeur à Neuchâtel, BGE 98 Ia 561 S. 562 avec entrée au 15 décembre 1970. Elle est tombée malade et a été hospitalisée du 30 novembre au 24 décembre 1971, puis du 27 au 31 décembre 1971, du 31 janvier au 3 février 1972 et du 9 au 19 février 1972. Entre-temps, elle a travaillé par intermittence. Le 24 février 1972, elle a remis à son employeur un certificat médical déclarant qu'elle serait probablement capable de reprendre son travail à 50% dès le 1er mars 1972. Le 29 février 1972, Bauer a écrit à son employée pour lui faire savoir qu'il se voyait obligé, en raison de ses absences, de lui donner son congé pour le 18 mars 1972. Antoinette Gumy a répondu le 2 mars qu'elle considérait cette résiliation comme nulle et qu'elle se présenterait à son travail le 21 mars. Bauer a déclaré maintenir la résiliation du contrat. Antoinette Gumy a travaillé à mi-temps du 2 au 4 mars 1972. Bauer lui a accordé des vacances du 6 au 11 mars 1972 et a refusé de la reprendre ensuite à son service, tout en lui versant son salaire jusqu'au 18 mars 1972. B.- Antoinette Gumy a ouvert action contre Bauer devant le Tribunal de prud'hommes du district de Neuchâtel, demandant la condamnation du défendeur au paiement de 1500 fr. Par jugement du 5 juin 1972, le tribunal a considéré que la résiliation avait été valablement donnée; il a cependant condamné le défendeur à payer à la demanderesse 319 fr. 50 à titre de salaire de vacances. C.- Agissant par la voie du recours de droit public, Antoinette Gumy requiert le Tribunal fédéral de casser, pour arbitraire, le jugement du Tribunal de prud'hommes. Elle sollicite en même temps le bénéfice de l'assistance judiciaire. Le Président du Tribunal de prud'hommes présente de brèves observations, sans formuler de conclusions précises. L'intimé conclut au rejet du recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. a) Le Tribunal de prud'hommes a admis que le congé donné par Bauer à la recourante le 29 février 1972 était valable. Il a considéré que, lors de l'engagement d'Antoinette Gumy, le contrat de travail était soumis à la convention collective nationale des coiffeurs du 26 juin 1968, dont le champ d'application avait été étendu par l'ACF du 29 avril 1969 (FF 1969 I 1161). La décision d'extension portait effet jusqu'au 30 juin 1971. Par arrêté du 3 août 1971, le Conseil fédéral a remis en BGE 98 Ia 561 S. 563 vigueur son arrêté à partir du 23 août, et jusqu'au 31 décembre 1971, en tenant compte de modifications apportées à la convention au sujet des vacances et des salaires (FF 1971 II 391). Selon l'art. 4 de la convention, qui n'a pas été modifié en 1971, le contrat de travail peut être résilié moyennant un congé donné deux semaines à l'avance pour un samedi. Alors même que la convention collective n'était plus applicable comme telle aux rapports entre les parties au-delà du 31 décembre 1971, le tribunal a admis, au vu des preuves administrées, que les parties avaient entendu maintenir leurs relations de travail sur les mêmes bases que celles qui existaient lorsque la convention collective était en vigueur. En effet, le salaire n'a pas été revu, et les dispositions prises en cas de maladie de l'employée non plus. On peut en déduire, d'après le tribunal, que la volonté présumée des parties était de conserver également les mêmes délais de résiliation, soit 15 jours. La recourante affirme que le tribunal a appliqué arbitrairement la convention collective de travail qui, d'après elle, ne pouvait plus être appliquée aux rapports entre les parties à l'époque de la résiliation. Elle relève qu'elle n'était pas personnellement liée par la convention collective, n'étant pas membre d'un groupement partie à la convention et n'ayant pas signé une déclaration de "participation" (art. 322 bis anc. CO) ou de "soumission" (art. 356b nouv. CO). D'autre part, la décision d'extension ne liait plus la recourante au-delà du 31 décembre 1971. Or la convention ne peut lier une personne qui n'est pas membre d'un groupement signataire ou qui ne s'est pas soumise à la convention. La décision d'extension n'étant plus applicable, le tribunal aurait dû considérer que ce ne sont pas les clauses de la convention collective mais les dispositions légales qui devaient s'appliquer. b) Il est constant qu'Antoinette Gumy n'était pas liée par la convention collective nationale des coiffeurs, sauf pendant les périodes au cours desquelles la décision d'extension était applicable. Le Tribunal de prud'hommes ainsi que les deux parties l'admettent d'ailleurs. La question qui se pose est de savoir si les conditions de travail fixées dans la convention collective ont continué à régir les rapports entre les parties après le 31 décembre 1971, date à laquelle la décision d'extension a cessé de sortir ses effets, ou si, dès le 1er janvier 1972, les conditions prévues par la convention BGE 98 Ia 561 S. 564 collective avaient été remplacées par les dispositions légales applicables à ce moment-là, comme l'affirme la recourante. Le Tribunal de prud'hommes a admis que, selon la doctrine, les clauses normatives ne deviennent pas, dans le contrat individuel, des éléments constitutifs qui survivent à la convention collective; néanmoins, dit-il, le juge peut admettre dans certaines circonstances que la convention collective exprime, malgré sa dissolution, la volonté présumée des parties. C'est dans ce sens qu'il a admis l'application, en l'espèce, des règles contenues dans la convention collective. c) Le problème de l'effet prolongé de la convention collective de travail est discuté depuis longtemps par la doctrine, tant à l'étranger qu'en Suisse. Avant la modification, par la LF du 28 septembre 1956 "permettant d'étendre le champ d'application de la convention collective de travail", des art. 322 et 323 du CO de 1911'de nombreux auteurs ont admis que les dispositions du contrat collectif, dans la mesure où elles modifient celles du contrat individuel, remplacent ces dernières de sorte qu'à l'expiration de la durée de validité du contrat collectif les rapports de travail demeurent régis par les mêmes règles, jusqu'à ce que les parties aient convenu de les modifier ou jusqu'à ce qu'un nouveau contrat ait remplacé l'ancien (BOOs, Der Gesamtarbeitsvertrag nach schweiz. Recht, thèse Zurich 1914, p. 262; CLERC, Essai sur le contrat collectif de travail, thèse Lausanne 1922, p. 151; HUG, Das Kündigungsrecht, 1926, tome I p. 124; DEPUOZ, Der Tarifvertrag nach schweiz. Recht, thèse Zurich 1926, p. 78; GUISAN, La place du contrat collectif de travail dans le système de droit suisse, thèse Lausanne 1936, p. 80). Selon certains de ces auteurs, les dispositions du contrat collectif devenu caduc continuent à valoir en tant que "volonté présumée" des parties (cf. BOOS, HUG, loc.cit.). En revanche, des auteurs soutiennent également l'opinion contraire: ainsi, selon SCHÖNENBERGER (Kommentar, ad art. 323 rem. 11 et 12, p. 1201 s.), les effets du contrat collectif cessent à l'expiration de la validité de celui-ci et, dès ce moment, les contrats individuels sont régis par les dispositions légales. Lors de l'adoption de la loi de 1956, on a renoncé à réglementer cette question. Mais, dans son Message du 29 janvier 1954 (FF 1954 I 161), le Conseil fédéral a déclaré: "Les clauses normatives sont dépourvues de tout effet indirect et de tout BGE 98 Ia 561 S. 565 effet prolongé. Leurs effets ... se déploient seulement pendant que la convention est en vigueur... Comme celle-ci n'exerce aucun effet prolongé, les clauses remplaçant les accords dérogatoires nuls deviennent caduques dès que la convention collective prend fin. Les clauses normatives ne deviennent donc pas, dans le contrat individuel, des éléments constitutifs qui survivent à la convention collective. Les règles qui s'appliquent à l'égard du contrat individuel, en cas de dissolution de la convention collective, se déterminent d'après les dispositions générales du Code des obligations. Néanmoins, le juge peut alors admettre, en certaines circonstances, que la convention collective exprime, malgré sa dissolution, la volonté présumée des parties". L'Assemblée fédérale a adopté sans modification l'art. 4 du projet devenu le nouvel art. 323 CO. Lors de la revision du 25 juin 1971, les deux premiers alinéas de l'art. 323 CO (qui seuls intéressent ici) ont été repris tels quels - sous réserve d'une modification de pure forme - pour devenir l'art. 357 nouveau. Ainsi les deux revisions légales de 1956 et de 1971 n'ont pas tranché expressément la question, controversée en doctrine, de l'effet prolongé de la convention collective de travail. On peut cependant déduire ceci de l'art. 323 CO modifié en 1956 et de l'art. 357 nouveau (teneur du 25 juin 1971): il est certain que l'effet direct et impératif ne survit pas à la convention; il n'est pas certain, en revanche, qu'il faille un nouvel accord individuel ou collectif pour que les contrats individuels modifiés par la convention soient à nouveau modifiés, à l'expiration de la convention ou de la décision d'extension, mais on constate, d'après les travaux préparatoires, que tant l'Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail - dans son rapport de 1950 accompagnant l'avant-projet de Loi (p. 28) - que le Conseil fédéral n'ont pas écarté entièrement la théorie de l'effet prolongé; ils ont en effet admis que les dispositions de la convention collective peuvent être considérées, en certaines circonstances, comme l'expression de la "volonté présumée" des parties. d) Le Tribunal de prud'hommes a reproduit, dans son jugement, les considérations développées par le Conseil fédéral, dans son message du 29 janvier 1954, au sujet de l'effet prolongé de la convention collective. Alors même que la doctrine, à laquelle il a déclaré se référer, est loin d'être unanime sur le BGE 98 Ia 561 S. 566 problème, on ne saurait certainement pas considérer que le tribunal a jugé d'une façon arbitraire en se ralliant à la solution "moyenne" adoptée par le Conseil fédéral: celui-ci en effet, s'il n'a pas admis que les dispositions de la convention collective dont la validité est expirée continuent ipso facto à être applicables aux contrats individuels de travail jusqu'à nouvelle entente entre les parties, n'a pas admis non plus que les dispositions de la convention collective cessent d'être applicables sans pouvoir être considérées comme exprimant la "volonté présumée" des parties. En présence des opinions diverses émises par la doctrine et en l'absence de toute disposition légale expresse, le Tribunal fédéral ne saurait, dans un recours où son pouvoir d'examen est limité à l'arbitraire, faire le choix entre les différentes solutions doctrinales proposées; il doit se contenter de constater que la solution retenue en l'espèce est conforme à celle d'une partie de la doctrine et qu'elle ne saurait, dès lors, être taxée d'arbitraire. 2. La recourante reproche au premier juge de n'avoir mentionné aucun indice à l'appui de la "présomption" qu'il a émise et selon laquelle la convention collective exprime la volonté des parties. Cette affirmation est inexacte. Le Tribunal de prud'hommes a relevé que les parties avaient, après l'échéance de la durée de validité de la décision d'extension de la convention collective, maintenu leurs relations de travail sur les mêmes bases que celles qui existaient auparavant, tant en ce qui concerne le salaire qu'en ce qui touche les dispositions prises en cas de maladie (il s'agit notamment du paiement de la prime d'assurance-maladie, conformément à l'art. 24 de la convention). Il est évident que, pour déterminer la volonté présumée des parties, il n'était pas possible de se référer à la pratique suivie par elles au sujet du délai de résiliation, puisque, sauf cas exceptionnel, le congé n'est donné qu'une fois pendant la durée du contrat; mais il était parfaitement admissible de se référer, pour déterminer cette volonté présumée, à la pratique suivie par elles en ce qui concerne les autres conditions du contrat, comme le salaire et les dispositions prises en cas de maladie. On peut remarquer au surplus qu'en fait, lorsque l'extension d'une convention collective cesse de sortir ses effets par suite de l'expiration de la durée prévue, les contrats individuels se poursuivent en règle générale sur les mêmes bases; il n'est pas d'usage que leurs conditions soient modifiées chaque fois que BGE 98 Ia 561 S. 567 l'échéance de la décision survient, puis qu'elles le soient à nouveau lorsque l'extension est remise en vigueur, ce qui se produit assez fréquemment, comme la présente espèce en fournit l'exemple. 3. ... 4. ... 5. ... 6. a) En ce qui concerne les frais, il convient de remarquer que, selon l'art. 343 al. 3 nouv. CO, les parties (sauf la "partie téméraire") n'ont à supporter ni émoluments ni frais judiciaires dans les litiges relevant du contrat de travail et dont la valeur litigieuse ne dépasse pas 5000 fr. Sous l'empire de l'art. 29 de la loi sur le travail dans les fabriques (abrogé par la loi du 25 juin 1971), le Tribunal fédéral avait décidé que la gratuité de la procédure, prévue par cette disposition, valait pour tous les degrés de juridiction que le litige pouvait parcourir (RO 62 II 232), y compris pour la procédure devant le Tribunal fédéral (RO 94 II 215) et notamment la procédure du recours de droit public (RO 97 I 308). Il s'agit de rechercher s'il faut interpréter de la même façon l'art. 343 CO et appliquer aussi à la procédure devant le Tribunal fédéral l'al. 3 de cette disposition, relatif aux frais de procédure, alors que l'al. 2 ne s'adresse qu'aux cantons (institution d'une procédure simple et rapide pour le règlement des litiges). Or la situation est la même que sous l'empire de l'art. 29 de la LF sur le travail dans les fabriques; dans ce cas aussi, le législateur avait imposé, aux al. 3 et 4, certaines règles de procédure aux autorités cantonales; cela n'a pas empêché le Tribunal fédéral de déclarer que les al. 5 et 6 relatifs aux frais étaient également applicables à la procédure fédérale. L'art. 343 al. 3 CO doit donc s'appliquer à tous les degrés de juridiction que le litige peut parcourir, notamment aussi à la procédure du recours de droit public. b) La recourante, qui a été mise au bénéfice de l'assistance judiciaire totale devant le Tribunal de prud'hommes de Neuchâtel, a également requis le bénéfice de l'assistance judiciaire devant le Tribunal fédéral. Dans ces conditions, il y a lieu de lui accorder le bénéfice de l'assistance judiciaire pour la procédure fédérale et de lui désigner un avocat en la personne de son conseil actuel. Quelle que soit l'interprétation que l'on donne à l'art. 343 al. 3 CO, les frais judiciaires ne pourraient de toute façon pas lui être réclamés (art. 152 OJ). BGE 98 Ia 561 S. 568 c) L'art. 343 CO ne prévoit pas que la partie qui succombe dans un litige relevant de cette disposition serait dispensée du paiement de dépens à la partie adverse, mais seulement qu'elle est dispensée du paiement d'émoluments et frais judiciaires. Aussi y a-t-il lieu de condamner la recourante au paiement de dépens envers l'intimé, qui en a réclamé; le montant en sera fixé compte tenu de la nature du litige. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours dans la mesure où il est recevable.
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1,972
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Federation
8914ebc8-c426-49a4-8f77-bb5ad463457d
Urteilskopf 82 I 93 14. Arrêt du 6 juin 1956 dans la cause Mercier et consorts contre Conseil d'Etat du Canton de Genève.
Regeste Gewaltentrennung. Staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung gegen den Erlass eines Regierungsrates, durch den das Inkrafttreten einer Gesetzesbestimmung aufgeschoben wird. a) Legitimiert zur staatsrechtlichen Beschwerde ist, wer - und sei es bloss virtuell - unter den Erlass fällt, nicht dagegen, wer durch ihn in keiner Weise in seiner Rechtslage betroffen wird (Erw. 1). b) Der Regierungsrat greift nicht in die gesetzgebende Gewalt des Grossen Rates ein, wenn er das Inkrafttreten einer wegen der Haltung einer eidgenössischen Behörde unausführbaren Gesetzesbestimmung aufschiebt und dem Grossen Rat den Entwurf einer neuen Bestimmung vorlegt, welche die unausführbare Bestimmmmung ersetzen soll (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 94 BGE 82 I 93 S. 94 A.- La loi sur la nationalité genevoise (LNG), que le Grand Conseil du canton de Genève a votée le 16 décembre 1955, contient un article 49 qui a la teneur suivante: "La femme genevoise perd la nationalité genevoise en épousant un confédéré si elle ne déclare pas, lors de la publication ou de la célébration du mariage, vouloir conserver la nationalité genevoise. La déclaration doit être faite, par écrit, en Suisse à l'officier de l'état civil qui procède à la publication ou à la célébration du mariage, à l'étrannger à un représentant diplomatique ou consulaire suisse." Cette disposition a été introduite dans la loi contre l'avis du Conseil d'Etat et adoptée à une voix de majorité. Le referendum n'ayant pas été demandé, le Conseil d'Etat a pris, le 31 janvier 1956, l'arrêté suivant: "La loi du 16 décembre 1955 sur la nationalité genevoise est promulguée pour être exécutoire dans tout le canton dès le 1er mars 1956." Consulté au sujet des modalités d'application de l'art. 49 LNG, le Département fédéral de justice et police, par lettre du 13 février 1956, a répondu en particulier ce qui suit au Département de l'intérieur du canton de Genève: La disposition ne peut sortir d'effets qu'à l'intérieur du canton; elle ne pourrait en avoir en dehors du territoire genevois que si l'ordonnance fédérale du 1er juin 1953 sur l'état civil était préalablement modifiée sur plusieurs points, notamment pour assurer la coopération des officiers de l'état civil des autres cantons; cette ordonnance BGE 82 I 93 S. 95 devrait en outre être complétée en vue de prévoir l'ouverture dans les registres des familles des communes genevoises de feuillets spéciaux aux confédérés mariés à des Genevoises qui auraient déclaré vouloir conserver leur droit de cité. Ce sont en définitive les articles suivants de l'ordonnance qui devraient être modifiés et complétés: art. 169 (remise de la formule de déclaration à la fiancée), art. 162 al. 3 (mention de la déclaration dans le certificat de publication), art. 94 al. 1 ch. 7 (mention au registre des mariages), art. 67 al. 1 ch. 4 (mention au registre des naissances), art. 83 al. 1 ch. 5 (mention au registre des décès), art. 115 al. 1 ch. 1 (ouverture d'un feuillet dans les registres des familles), art. 146 al. 1 ch. 1 (mention de la déclaration dans le livret de famille), art. 120 et 130 (communications à faire par les officiers de l'état civil et les autorités judiciaires). "Le seul fait que pour pouvoir fonctionner normalement cette innovation cantonale nécessiterait la modification de l'ordonnance fédérale sur l'état civil démontre déjà qu'elle n'est pas en harmonie avec le droit fédéral, abstraction faite de la question de sa constitutionnalité. Ce qui est toutefois décisif, c'est qu'il n'est pas possible, dans une ordonnance fédérale réglant le service de l'état civil pour toute la Suisse, de consacrer une institution propre à un seul canton. La compétence législative cantonale en matière de droit public - en vertu de laquelle cette institution a été créée - ne saurait entraîner la modification du régime de l'état civil dans son ensemble." Certes, le canton de Genève pourrait éventuellement introduire un registre spécial cantonal, indépendant de l'organisation de l'état civil. Ce registre ne serait cependant pas complet, car seuls les mariages et autres faits d'état civil ultérieurs survenus dans le canton y figureraient, faute de communications provenant des autres cantons et de l'étranger. Il y a lieu de relever au surplus que la Genevoise qui épouse un Genevois d'une autre commune ne peut pas conserver son propre indigénat communal. BGE 82 I 93 S. 96 A la suite de cette communication, le gouvernement genevois a pris, le 17 février 1956, un arrêté de la teneur suivante: "Le Conseil d'Etat, vu la décision du Département fédéral de justice et police. du 13 février 1956, d'où il résulte que l'art. 49 de la loi sur la nationalité genevoise, du 16 décembre 1955, ne saurait sortir ses effets parce qu'il crée une situation juridique en matière d'état civil contraire à l'ordonnance fédérale sur l'état civil, du 1er juin 1953; vu son arrêté du 31 janvier 1956, relatif à l'entrée en vigueur de la loi sur la nationalité genevoise, du 16 décembre 1955, Arrête: En dérogation à son arrêté du 31 janvier 1956, l'article 49 de la loi sur la nationalité genevoise, du 16 décembre 1955, relatif à la nationalité de la femme genevoise qui épouse un confédéré, n'entrera pas en vigueur le 1er mars 1956." Il a décidé, le même jour, de soumettre au Grand Conseil un projet de loi modifiant cet art. 49 et le remplaçant par la disposition suivante: "La femme genevoise perd la nationalité genevoise en épousant un confédéré". B.- Georgette Rosselet, Marie-Jeanne Mercier, Thérèse-Paule dite Javotte Wend, Albert Dupont-Willemin, Théodore de Felice, Edmond Ganter et Edouard Oppliger ont formé un recours de droit public au Tribunal fédéral contre l'arrêté du 17 février 1956 et conclu à son annulation. Ils se prévalent d'une violation de l'art. 82 de la constitution genevoise et d'une interprétation arbitraire des art. 4 et 54 de la constitution fédérale. Le Conseil d'Etat conclut préjudiciellement à l'irrecevabilité du recours, faisant valoir que les recourants n'ont pas la qualité pour agir, et sur le fond à son rejet, les griefs articulés n'étant pas fondés. Erwägungen Considérant en droit: 1. a) Dupont-Willemin, Felice, Ganter et Oppliger prétendent posséder la qualité pour former un recours de droit public contre l'arrêté du 17 février 1956 parce qu'ils ont, en tant que députés et citoyens, "le plus grand intérêt à ce que les lois et constitutions cantonales et BGE 82 I 93 S. 97 fédérales soient respectées". Cette opinion n'est pas fondée. Le recours de droit public n'est pas une voie de droit créant une action populaire pour assurer la défense de l'intérêt public; il est un moyen de droit destiné à protéger le particulier contre les atteintes portées par la puissance publique à ses intérêts juridiquement protégés (RO 72 I 98, 66 I 262). La sauvegarde de l'intérêt d'ordre général que possède la collectivité publique au respect de la constitution et des lois incombe aux autorités compétentes et non aux particuliers. On peut déduire, il est vrai, des motifs invoqués par les recourants qu'ils entendent se plaindre d'une violation du principe de la séparation des pouvoirs: ils font valoir que le Conseil d'Etat s'est arrogé le droit de suspendre l'effet d'une disposition légale régulièrement adoptée par le Grand Conseil, alors que c'est à celui-ci que la constitution cantonale attribue la puissance législative. Cependant, la qualité pour attaquer par la voie du recours de droit public un arrêté du Conseil d'Etat pris en violation du principe de la séparation des pouvoirs n'appartient qu'à celui qui est atteint par cet acte dans ses intérêts juridiquement protégés (KIRCHHOFER, Über die Legitimation zum staatsrechtlichen Rekurs, p. 152). En l'espèce, les quatre recourants de sexe masculin ne sont pas lésés par la suspension d'une disposition accordant aux Genevoises la faculté de conserver leur droit de cité genevois en cas de mariage avec un confédéré; ils ne le prétendent d'ailleurs pas. Ils n'allèguent pas non plus que, en tant que citoyens ayant le droit de vote, ils auraient la qualité pour former un recours de droit public fondé sur le motif que l'acte attaqué aurait été soustrait indûment au vote populaire (RO 76 I 24, 74 I 113; KIRCHHOFER, op.cit. p. 153 ss.). Une votation du peuple ne peut en effet porter que sur la loi elle-même si le referendum est demandé, et non, après l'expiration du délai utile à cet effet, sur la question de son entrée en vigueur. Dans l'arrêté de publication de la loi sur la nationalité genevoise, du 20 BGE 82 I 93 S. 98 décembre 1955, le Conseil d'Etat a expressément déclaré qu'elle était soumise au referendum facultatif et que le délai pour le demander expirait le 26 janvier 1956. C'est après que cette échéance fut passée sans qu'un referendum ait été lancé que le Conseil d'Etat a promulgué la loi pour qu'elle devînt exécutoire dans les trente jours. Par ailleurs, si le Grand Conseil se rallie à la proposition du gouvernement et modifie l'art. 49 de la loi, la nouvelle disposition ne sera soumise au referendum facultatif qu'après son adoption et sa publication. Les recourants se bornent en définitive à faire valoir que le Conseil d'Etat a empiété sur la compétence du Grand Conseil et que l'arrêté entrepris viole l'art. 82 de la constitution cantonale. Ils n'ont cependant pas la qualité pour former un recours de droit public fondé sur ce moyen ni comme citoyens ni comme membres du Grand Conseil. C'est en effet au Grand Conseil qu'il incombe de se défendre contre les empiétements des autres pouvoirs dans ses attributions; il est vrai qu'il ne dispose pas à cette fin du recours de droit public, lequel n'est pas ouvert aux autorités lorsqu'elles agissent comme organes de l'Etat (RO 54 I 140/141, 49 I 462). En outre, les membres du Grand Conseil n'ont pas la qualité pour exercer un recours de droit public lorsqu'une autre autorité empiète sur sa compétence, car ils ne subissent pas d'atteinte dans leurs droits individuels (RO 55 I 111). Dupont-Willemin, Felice, Ganter et Oppliger ne possédant pas la qualité pour agir, leur recours n'est pas recevable. b) L'arrêté attaqué lèse en revanche les intérêts juridiquement protégés de dame Rosselet et dlles Mercier et Wend, car elles pourraient épouser des citoyens suisses originaires d'autres cantons: comme elles possèdent le droit de cité du canton de Genève, elles auraient la faculté de le conserver, si l'art. 49 LNG était entré en vigueur le 1er mars 1956 dans la teneur adoptée par le Grand Conseil. Selon la jurisprudence (RO 65 I 241 et les arrêts BGE 82 I 93 S. 99 cités), le recours de droit public contre un arrêté de portée générale est recevable lorsque les dispositions que le recourant estime contraires à la constitution peuvent dans l'avenir léser ses droits; il suffit que l'atteinte soit virtuelle. Le Conseil d'Etat fait valoir, par ailleurs, que les trois recourantes ne possèdent pas la qualité pour exercer en l'espèce un recours de droit public parce qu'elles ne sauraient être lésées dans leurs intérêts juridiquement protégé par un arrêté suspendant la mise en vigueur d'une disposition du droit cantonal incompatible avec le droit fédéral. Cette argumentation n'est cependant pas fondée. Les recourantes contestent en effet que l'art. 49 LNG soit contraire au droit fédéral et prétendent qu'il est arbitraire de l'admettre. Le différend porte précisément sur la question de savoir si le Conseil d'Etat avait le droit de prendre l'arrêté entrepris. Ce point concerne le fond du droit et non pas la recevabilité du recours. En tant qu'elles se plaignent d'une violation du principe de la séparation des pouvoirs et d'un arbitraire, les recourantes ont la qualité pour former un recours de droit public, car elles subissent une atteinte virtuelle dans leurs intérêts juridiquement protégés. En revanche, cette qualité leur manque dans la mesure où elles invoquent une violation de l'art. 82 de la constitution genevoise comme norme réglant une compétence du Conseil d'Etat, savoir celle de promulguer les lois et de pourvoir à leur exécution, car cette disposition a un caractère strictement organique et n'institue pas un droit individuel susceptible de bénéficier de la protection assurée par le recours de droit public (RO 72 I 11, 48 I 83 consid. 3; KIRCHHOFER, op.cit., p. 147). 2. Les recourantes font valoir, si ce n'est expressément, du moins implicitement, que le Conseil d'Etat a empiété sur la compétence législative qui appartient au Grand Conseil en s'arrogeant le droit de suspendre la mise en vigueur d'une disposition légale régulièrement BGE 82 I 93 S. 100 votée par celui-ci. Dans le cadre de ce moyen tiré de la violation du principe de la séparation des pouvoirs, l'art. 82 de la constitution genevoise peut être invoqué. Cette disposition a la teneur suivante: "Le Conseil d'Etat promulgue les lois; il est chargé de leur exécution et prend à cet effet les arrêtés nécessaires". Il s'agit de savoir si le Conseil d'Etat a outrepassé les pouvoirs qui lui sont conférés par cet article. Cette question ne peut être examinée que sous l'angle de l'arbitraire. A la suite de la lettre du Département fédéral de justice et police du 13 février 1956, le gouvernement genevois s'est trouvé devant une difficulté au sujet de l'exécution de la loi sur la nationalité votée par le Grand Conseil: l'art. 49 LNG s'est avéré inexécutable en dehors du territoire du canton notamment en raison du fait que, en l'absence de dispositions de l'ordonnance fédérale sur l'état civil prévoyant leur coopération, les officiers de l'état civil des autres cantons et les représentants diplomatiques ou consulaires suisses à l'étranger n'ont pas à prêter leur concours pour faire les communications indispensables à l'exécution de la disposition; en outre, alors que cette collaboration est nécessaire pour que la nouvelle institution puisse sortir ses effets en cas de mariage célébré dans un autre canton ou à l'étranger, l'autorité fédérale a déclaré que le régime de l'état civil ne serait pas modifié pour permettre la mise à exécution de la loi genevoise. Placé devant cette situation, le Conseil d'Etat s'est rendu compte qu'il était impossible d'exécuter l'art. 49 LNG dans la teneur adoptée par le Grand Conseil. Comme les aménagements indispensables à l'exécution de cette disposition ne dépendaient pas de lui mais de l'autorité fédérale et que celle-ci exprimait d'emblée son intention de ne pas y pourvoir, le gouvernement genevois a estimé devoir suspendre la mise en vigueur de l'institution et proposer simultanément au Grand Conseil de modifier la loi. Par là, il n'a pas procédé à un acte ressortissant à la législation: il n'a pas abrogé l'art. 49 LNG et ne BGE 82 I 93 S. 101 lui a pas substitué une autre disposition; il a, au contraire, reconnu expressément la compétence exclusive du Grand Conseil pour modifier la loi et lui a soumis le projet d'un nouvel article destiné à remplacer celui qui s'avérait inexécutable. En prenant l'arrêté attaqué, le Conseil d'Etat a agi dans les limites de ses attributions et s'est borné, en qualité d'autorité chargée de l'exécution des lois, à suspendre la mise en vigueur de l'art. 49 LNG. Il s'agit là d'une mesure temporaire décidée pour permettre au Grand Conseil de reconsidérer cet article après avoir pris connaissance de la position de l'autorité fédérale et des motifs pour lesquels il ne peut pas être exécuté. Il suit de là que le Conseil d'Etat n'a pas empiété sur la compétence législative du Grand Conseil et que son arrêté n'est pas entaché d'arbitraire. Les recourantes font valoir que l'art. 49 LNG n'est pas incompatible avec le droit fédéral et n'est pas contraire aux art. 54 al. 4 Cst. et 161 CC. Elles prétendent que ces dispositions statuent uniquement que la femme acquiert par le mariage le droit de cité et de bourgeoisie de son mari mais non pas qu'elle doit de ce fait perdre le sien; à leur avis, ces règles du droit fédéral n'ont que des effets positifs et non négatifs. Cette question peut cependant rester indécise: ce n'est pas en raison d'un conflit entre l'art. 49 LNG et le droit fédéral que le Conseil d'Etat a pu, sans outrepasser les pouvoirs fixés par l'art. 82 de la constitution genevoise, suspendre la mise en vigueur de cette disposition, mais parce que son exécution s'est avérée impossible eu égard aux prescriptions fédérales sur l'état civil. Le gouvernement genevois ne s'est pas arrogé la compétence, qui ne saurait lui appartenir, de ne pas promulguer ou de ne pas exécuter en général une loi qu'il estimerait contraire au droit fédéral; il s'est borné à suspendre la mise en vigueur d'une règle légale inexécutable en raison de l'impossibilité d'obtenir la coopération indispensable des autorités de l'état civil et du refus du Département fédéral de justice et police d'apporter à BGE 82 I 93 S. 102 l'ordonnance sur l'état civil les modifications nécessaires à l'exécution de la disposition. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce: Le recours est rejeté en tant qu'il est recevable.
public_law
nan
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1,956
CH_BGE
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Federation
8916a9fb-4e58-42d9-a443-251c5a891b63
Urteilskopf 84 I 200 28. Arrêt du 4 juillet 1958 dans la cause Commune de Nendaz et consorts contre Office fédéral des assurances sociales.
Regeste Obligatorische Unfallversicherung: Art. 18 Abs. 2 VO I über die Unfallversicherung. Fallen Rettungsarbeiten, die durch eine Naturkatastrophe verursacht werden, unter die Versicherung? Art. 23 VO I. Was ist unter einer Arbeit, welche "wenigstens 100 Arbeitstage erfordert", zu verstehen?
Sachverhalt ab Seite 200 BGE 84 I 200 S. 200 A.- Le 24 février 1957, le village de Nendaz a été menacé d'inondation par suite de fortes chutes de pluie et d'avalanches. Le chef des travaux publics de la commune BGE 84 I 200 S. 201 convoqua tous les hommes valides pour construire des digues et dégager le lit du ruisseau, ainsi que la route. Prirent part à ces travaux jusqu'à 500 hommes. Un groupe de ces travailleurs fut emporté par une avalanche; Sylvain et Robert Fournier, qui en faisaient partie, furent tués. La Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (en abrégé: la Caisse) refusa d'accorder des prestations aux veuves des victimes, parce que celles-ci n'étaient pas assurées auprès d'elle. Saisi d'une action en paiement par les ayants droit, le Tribunal cantonal valaisan sursit à statuer jusqu'à droit connu sur l'assujettissement à l'assurance obligatoire. Le 28 novembre 1957, la Caisse décida que ni les travaux de sauvetage du 24 février 1957, ni les travaux de remise en état entrepris postérieurement par la commune de Nendaz n'étaient compris dans l'assurance obligatoire. Le 15 avril 1958, l'Office fédéral des assurances sociales rejeta un recours formé par la commune et les hoirs Fournier, recours qu'il considéra, en fait, comme ne visant que le seul assujettissement des travaux de sauvetage du 24 février 1957. Cette décision est, en bref, motivée comme il suit: Il ne s'agissait, en l'espèce, ni de travaux réguliers selon l'art. 18 al. 2 de l'Ordonnance I sur l'assurance accidents (en abrégé: Ord. I), ni de travaux connexes aux travaux forestiers de la commune (art. 19 al. 2 Ord. I). Quant à l'art. 23 Ord. I, il n'est applicable qu'aux travaux d'une durée prolongée. Il faut ici distinguer entre les travaux de sauvetage, qui ont eu lieu le 24 février 1957, et les travaux de remise en état, exécutés postérieurement. Les premiers, auxquels ont pris part tous les hommes valides, qui y étaient moralement obligés, n'ont duré qu'un seul jour. C'est à dessein que le législateur a exclu de l'assurance des travaux aussi brefs, vu les difficultés énormes auxquelles l'assujettissement aurait donné lieu du point de vue de la technique des assurances. B.- La commune de Nendaz et les hoirs de Sylvain BGE 84 I 200 S. 202 et Robert Fournier ont formé un recours de droit administratif. Ils demandent au Tribunal fédéral d'annuler la décision prise par l'Office fédéral des assurances sociales, le 15 avril 1958, et d'assujettir à l'assurance obligatoire les travaux au cours desquels Sylvain et Robert Fournier ont trouvé la mort. Leur argumentation se résume comme il suit: La distinction faite entre les travaux de sauvetage et de remise en état n'est pas soutenable. La loi fédérale sur l'assurance en cas de maladie et d'accidents, ni l'ordonnance I sur l'assurance accidents ne connaissent la notion de travaux de sauvetage. Il pouvait y avoir de tels travaux après la chute de l'avalanche, mais non pas auparavant. Sylvain et Robert Fournier travaillaient à dégager le lit du ruisseau des matériaux qui s'y accumulaient, afin de détourner l'eau de la route; c'est là un travail d'entretien. La commune fait entretenir régulièrement ses routes, canaux, bisses, lits de ruisseau, etc., pour son propre compte, par plusieurs ouvriers qu'elle occupe entièrement. C'est dans cette catégorie que rentrait le travail des deux victimes. La loi ne distingue pas entre les travaux réguliers et occasionnels; on peut curer un acqueduc chaque semaine ou chaque mois, mais aussi chaque fois qu'il menace de s'obstruer. Dans les deux cas, il s'agit d'un entretien régulier. Les travaux du 24 février 1957 constituaient le début des travaux de remise en état subséquents et les personnes requises ont touché un salaire. C'est pourquoi elles étaient assurées de par l'art. 18 al. 2 Ord. I. Si cette disposition légale n'était pas applicable, l'art. 23 le serait de par l'art. 20, selon lesquels il suffit que les travaux considérés paraissent nécessiter l'emploi de cinq personnes pendant un mois ou au moins cent journées de travail. Les travaux de remise en état ont duré du 24 février au 25 mai 1957. Au début, on y a occupé un grand nombre d'ouvriers, plus tard un nombre moindre, par moments même moins de cinq. Cette diminution passagère est sans conséquence: c'est l'importance BGE 84 I 200 S. 203 normale du travail qui est décisive. En tout cas du reste les conditions posées par la loi sont remplies; même si l'on ne considère que les trois premiers jours, il a fallu plus de cent journées de travail. Peu importe la durée de l'ensemble des travaux; il faut considérer le nombre des journées fournies, tel qu'il résulte de l'importance du travail. L'autre interprétation est manifestement absurde, car il en résulterait que quatre ouvriers travaillant pendant 99 jours ne seraient pas assurés. Les recourants demandent à pouvoir produire une réplique après avoir pris connaissance du dossier complet, car la réponse de la Caisse ne leur a pas été notifiée. C.- L'Office fédéral des assurances sociales conclut au rejet du recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. L'essentiel de l'argumentation donnée par la Caisse dans sa réponse est déjà contenu dans la décision entreprise et les recourants se sont déterminés à ce sujet dans leur mémoire déposé devant le Tribunal fédéral. La réponse de l'intimé ne contient pas d'éléments nouveaux. Il n'y a dès lors pas lieu d'ordonner une réplique. 2. L'art. 60 LAMA énumère les entreprises qui sont obligatoirement assurées auprès de la Caisse; son ch. 3 lit. d mentionne en particulier les entreprises qui ont pour objet la construction de routes et les travaux hydrauliques. L'art. 60bis autorise le Conseil fédéral à déclarer l'assurance obligatoire applicable à certaines autres entreprises, ainsi aux "travaux exécutés en régie par des administrations publiques" (lit. e) et aux travaux importants rentrant par leur nature dans ceux visés à l'art. 60, 1er alinéa, ch. 3, sans avoir les caractères d'une entreprise (lit. f). Les entreprises mentionnées par l'art. 60 sont désignées plus précisément par les art. 12 à 14 Ord. I. Selon l'art. 13 ch. 1, on compte dans ce nombre celles qui ont pour objet "tous travaux quelconques de construction ou de BGE 84 I 200 S. 204 terrassement, à savoir l'exécution, la démolition, la modification, la réparation ou l'entretien de bâtiments ou de constructions quelconques ou de parties de bâtiments ou constructions:... le nettoyage de bâtiments, de routes, de places et de jardins publics". Les art. 15 à 17 Ord. I étendent l'assurance obligatoire à certaines autres entreprises en vertu de l'art. 60bis LAMA; les art. 18 à 21 la règlent touchant les administrations publiques, en particulier les communes. L'art. 18 al. 1 y soumet les entreprises (régies) exploitées par elles et prescrit, dans son deuxième alinéa: "Lorsqu'une administration publique fait exécuter régulièrement pour son propre compte, par une pluralité d'employés ou d'ouvriers pleinement occupés, des travaux (travaux en régie) qui rentrent dans la sphère d'activité des entreprises nommées aux articles 13 à 17 ci-dessus, ... les employés et ouvriers occupés à ces travaux sont assurés." L'art. 19 soumet, par son 1er alinéa, les travaux forestiers des administrations publiques, par son second alinéa les autres travaux exécutés en même temps ou d'une façon connexe. L'art. 20 déclare l'art. 23 applicable aux travaux temporaires exécutés par des administrations publiques pour autant que les ouvriers ne sont pas déjà assurés de par l'art. 18. L'art. 23 dispose: "Lorsqu'une personne exécute, pour son propre compte, des travaux qui, par leur nature, rentrent dans ceux désignés aux art. 13 à 17 ci-dessus, mais ne présentent pas les caractères d'une entreprise, les employés et ouvriers attachés à ces travaux sont assurés, s'il est probable qu'un nombre régulier de cinq personnes au moins y seront occupées pendant un mois ou si le travail exige au moins 100 journées de travail." 3. Les travaux destinés à la protection du village de Nendaz, pour lesquels le chef des travaux publics de la commune a convoqué tous les hommes valides, le 24 février 1957, n'ont pas été exécutés par une entreprise en régie communale; ils n'étaient pas non plus concomitants ou connexes à des travaux forestiers d'une administration BGE 84 I 200 S. 205 publique. Aussi bien les recourants n'invoquent-ils plus l'art. 19 al. 2 Ord. I. Mais les travaux ont été faits pour le compte de la commune, qui a rétribué les participants dans la mesure où l'on a pu les identifier. C'est pourquoi les recourants allèguent à titre principal qu'il s'agissait de travaux en régie selon l'art. 18 al. 2 Ord. I. Il n'est pas contesté que les travaux - même ceux que l'on a exécutés le 24 février 1957 pour la protection du village et en particulier la construction de digues et le dégagement de la route et du lit du ruisseau canalisé - avaient pour objet la construction de routes et des travaux hydrauliques selon l'art. 60 ch. 3 LAMA et que, dès lors, l'art. 13 ch. 1 Ord. I leur est applicable. La Caisse et l'Office fédéral des assurances sociales contestent en revanche que l'action de sauvetage du 24 février 1957 rentre au nombre des travaux régulièrement exécutés par la commune (art. 18 al. 2 Ord. I). Effectivement et au contraire de la mise en état postérieure, cette action de sauvetage ne rentre pas au nombre des travaux assurés selon cette dernière disposition légale; ce n'est pas par leur genre, mais bien par l'absence de la régularité exigée. Ce ne sont pas seulement les personnes employées - question qui relèverait du Tribunal des assurances (art. 120 al. 1 lit. a LAMA) - mais en outre les travaux eux-mêmes qui doivent remplir cette condition - point qui ressortit à la compétence du Tribunal fédéral (art. 99 ch. X OJ). Même si la commune de Nendaz faisait construire et entretenir ses routes et exécuter ses travaux hydrauliques par une pluralité de personnes pleinement employées (ce qui ne ressort pas du dossier), ne seraient néanmoins assurés obligatoirement que les travaux qui en dépendent régulièrement, non pas ceux que nécessite une catastrophe naturelle. Dans ce dernier cas, les personnes pleinement occupées ne suffisent pas - et de loin - à la tâche; tous les hommes valides se mettent à la disposition de l'autorité. Peu importe qu'en l'espèce, ils aient été convoqués par BGE 84 I 200 S. 206 le chef des travaux publics de la commune et aient été rétribués après coup. A cet égard la déclaration de ce chef est caractéristique: "J'ai envoyé tous les bras valides sur place... Il n'y avait plus moyen de tenir un contrôle des gens occupés, qui n'ont pas été engagés comme ouvriers de la commune mais se sont dévoués pour sauver tout ce qui pouvait l'être, comme cela se fait en cas de catastrophe". Si désirable que soit l'assurance précisément de tels aides bénévoles, les dispositions en vigueur ne l'instituent pas. Elles n'assurent obligatoirement que les travaux exécutés régulièrement par les communes. Il est clair que l'action de sauvetage entreprise le 24 février 1957 ne rentre pas dans cette catégorie et n'est pas régie par l'art. 18 al. 2 Ord. I. 4. De même l'art. 23 Ord. I définit non seulement les personnes, mais aussi les travaux assurés, car il soumet à l'assurance obligatoire, sous certaines conditions, les travaux désignés par les art. 13 à 17 Ord. I, même lorsqu'ils ne sont pas exécutés par une entreprise. Selon l'art. 20 Ord. I, cette règle s'applique aussi aux travaux des administrations publiques, fussent-ils non pas réguliers, mais seulement occasionnels, pourvu que leur importance et leur durée le justifient. Cette condition est tenue pour réalisée dans deux cas: ou bien lorsqu'il est probable qu'un nombre régulier de cinq personnes au moins seront occupées pendant un mois, ou bien lorsque l'ouvrage à faire "exige au moins 100 journées de travail". Cette dernière formule n'est pas très claire: Elle peut signifier soit que le travail doit durer au moins 100 jours, soit que le total des prestations de travail (nombre des ouvriers multiplié par le nombre de jours pendant lesquels on les occupe) doit être au moins égal à 100 journées. Cette dernière interprétation est la plus conforme à la lettre de la loi, mais le contexte ne permet pas de s'y tenir, car le premier des deux cas prévus alternativement par l'art. 23 Ord. I implique déjà d'une façon absolue que le total des prestations de travail doit être de 100 journées. Le second BGE 84 I 200 S. 207 n'aurait alors plus aucun sens. Cela est si clair que, contrairement à ce que pensent les recourants, on ne peut admettre ici une inadvertance du législateur. Il apparaît bien plutôt que, dans le second des cas visés par l'art. 23 Ord. I, le texte concerne non seulement l'importance, mais aussi et surtout la durée des travaux. Il ne s'agit pas de l'hypothèse où un groupe d'ouvriers travaille pendant moins d'un mois, mais fournit cependant plus de 100 journées en tout, mais bien de celle où un groupe de moins de cinq ouvriers est occupé pendant 100 jours au minimum. Sans doute serait-il désirable que l'assurance existât aussi dans la première de ces hypothèses, mais le législateur y a renoncé en raison des difficultés considérables qu'elle susciterait en pratique dans le cas de travaux peu importants et surtout de courte durée. Dans leurs décisions, la Caisse et l'Office fédéral des assurances sociales ont du reste toujours interprété ainsi l'art. 23 Ord. I. Il n'est pas exact que, dans deux de ses arrêts (RO 60 I 62 ; 76 I 251 ), le Tribunal fédéral ait adhéré à l'autre interprétation. Au contraire, dans ces deux cas, il a admis l'assujettissement à l'assurance obligatoire, parce qu'il était probable que cinq personnes au moins seraient occupées régulièrement pendant un mois. Dans le second de ces arrêts, il a ajouté qu'au surplus, les travaux représentaient "au moins 100 journées de travail consécutif". Ces termes mêmes et l'argumentation qui les précède suggèrent que la cour se référait à la durée des travaux plutôt qu'à leur importance. Les travaux de sauvetage entrepris à Nendaz le 24 février 1957 et au cours desquels Sylvain et Robert Fournier ont trouvé la mort ne remplissent ni l'une ni l'autre des conditions auxquelles l'art. 23 Ord. I subordonne l'assujettissement à l'assurance obligatoire. La Caisse a distingué à bon droit entre ces travaux et ceux que l'on a entrepris plus tard pour le rétablissement des objets détruits. Comme on l'a montré plus haut (consid. 3), l'action de secours entreprise dans le village avait un BGE 84 I 200 S. 208 tout autre caractère que les travaux entrepris plus tard. Il s'agissait, l'une comme l'autre fois, de travailler à la route et au lit canalisé du ruisseau, mais on ne saurait admettre que le sauvetage ait constitué le début des travaux de réfection. Dans leur début seulement, où il s'agissait de dégager la route et de rétablir le cours normal de l'eau, ces travaux pouvaient à la rigueur être considérés comme ayant un rapport immédiat avec les secours, mais ils n'avaient déjà plus le même caractère. De plus, selon le rapport de l'inspecteur délégué par la Caisse, ils n'ont duré que deux ou trois jours à partir du 9 mars 1957, tandis que la remise en état n'avait alors pas encore commencé. Il y a donc eu aussi une interruption dans le temps. Pour les travaux de secours, la commune n'a donc pas occupé au moins cinq personnes pendant un mois; ils n'ont pas non plus duré 100 jours au moins. Ils n'étaient, par conséquent, pas soumis à l'assurance obligatoire de par l'art. 23 Ord. I. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral Rejette le recours.
public_law
nan
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CH_BGE_001
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Federation
89179cb8-31ee-4961-8dc6-4c2b3815188d
Urteilskopf 105 Ia 255 50. Extrait de l'arrêt de la 1re Cour de droit public du 9 mai 1979 dans la cause Communes de Saint-Aubin-Sauges et Gorgier c. Conseil d'Etat du canton de Neuchâtel (recours de droit public)
Regeste Gemeindeautonomie. Abfallbeseitigung. 1. Eine Vereinbarung rein finanzieller Art, die mehrere Gemeinden zwingt, die von einem Abwasserreinigungs- und Abfallbeseitigungsunternehmen erlittenen Defizite zu übernehmen, stellt nicht eine vom GSchG auferlegte Verpflichtung dar (E. 8a). Der Neuenburger Staatsrat hat in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde über die Gemeinden nicht nur eine Rechtskontrolle sondern auch eine beschränkte Überprüfungsbefugnis der Zweckmässigkeit (E. 8b-c). Der Staatsrat kann aufgrund seines Substitutionsrechts eine Gemeinde nicht zum Beitritt zu einer Konvention zwingen, die die Sanierung einer privatrechtlichen Gesellschaft bezweckt (E. 8d-e). 2. Das teilweise Fehlen kantonaler Ausführungsvorschriften vermag die Anwendung materieller Bestimmungen des GSchG auf dem Gebiet des Kantons Neuenburg nicht zu verhindern (E. 9a-b). Unter diesen Umständen ist es nicht willkürlich, die Zuständigkeitsvorschriften des kantonalen Ausführungsgesetzes zum BG über den Schutz der Gewässer von 1955 analog anzuwenden (E. 9c-d). 3. Das Allgemeininteresse des Kantons geht beim Vollzug der Bestimmungen des GSchG dem speziellen Interesse einer Gemeinde vor (E. 10).
Sachverhalt ab Seite 256 BGE 105 Ia 255 S. 256 Vingt-cinq communes des districts de Neuchâtel, de Boudry et du Val-de-Ruz ont crée en 1968 la Société anonyme pour l'incinération des ordures et déchets (SAIOD), dont seules des communes sont actionnaires et qui a notamment pour but la construction et l'exploitation des installations nécessaires à l'incinération des ordures ménagères et d'autres déchets analogues récoltés sur le territoire des communes actionnaires. Actuellement, 32 communes, sur les 41 que comprennent les trois districts susmentionnés, participent à la société en qualité d'actionnaires. La SAIOD, ayant fait construire et mis en service une usine d'incinération à Cottendart, a subi par la suite d'importantes pertes et s'est trouvée en 1977 dans une situation financière alarmante. BGE 105 Ia 255 S. 257 Le groupe de travail chargé de trouver les moyens de réaliser l'assainissement de l'entreprise a proposé la conclusion de deux conventions qui devaient régir les rapports entre les communes et la SAIOD. La première de ces conventions, dite convention d'amortissement des pertes reportées de la SAIOD (ci-après: convention d'amortissement), devait être conclue entre 29 communes actionnaires et la SAIOD. Elle prévoyait la répartition entre les communes signataires de l'excédent de charges accumulées jusqu'au 31 décembre 1977, le remboursement pouvant être étalé sur une période de 10 ans. Le montant total des pertes reportées s'élevait à 9234995 fr. La seconde convention, dite convention relative à l'exploitation de SAIOD (ci-après: convention d'exploitation), devait être conclue entre l'ensemble des 32 communes actionnaires et la SAIOD. Elle prévoyait notamment l'obligation pour les communes de livrer à l'usine d'incinération de Cottendart la totalité des ordures ménagères et des déchets encombrants combustibles ramassés sur leur territoire respectif, ainsi que la répartition entre les communes de la totalité des charges de la SAIOD, sous déduction des recettes provenant de tiers. La convention devait déployer ses effets dès le 1er janvier 1978 et être conclue pour une première durée de 10 ans. L'une et l'autre de ces conventions ne devaient entrer en vigueur que dès le jour où toutes les communes intéressées y auraient adhéré. Le Conseil d'Etat a adressé aux communes actionnaires de la SAIOD une lettre circulaire, attirant leur attention sur la gravité de la situation et les invitant à approuver les deux conventions. La majorité des Conseils généraux des communes intéressées, soit les Conseils généraux de 23 communes sur 29, ont accepté sans réserve de signer la convention d'amortissement; trois Conseils généraux ont accepté de signer cette convention sous certaines réserves; parmi eux, le Conseil général de Gorgier, selon arrêté du 17 janvier 1978; trois Conseils généraux ont refusé de signer la convention; parmi eux, le Conseil général de Saint-Aubin-Sauges, selon arrêté du 28 avril 1978. La majorité des Conseils généraux des communes actionnaires, soit ceux de 23 communes sur 32, ont accepté sans BGE 105 Ia 255 S. 258 réserve de signer la convention d'exploitation; cinq Conseils généraux ont accepté de la signer sous certaines réserves; parmi eux, celui de Gorgier, selon arrêté du 17 janvier 1978; trois Conseils généraux ont refusé de la signer; parmi eux, celui de Saint-Aubin-Sauges, selon arrêté du 28 avril 1978; une commune, celle du Landeron, a refusé de la signer par décision prise en votation populaire. Le Conseil d'Etat s'est dès lors préoccupé de la situation résultant du refus d'une minorité de communes de signer les deux conventions. Se fondant notamment sur l'art. 9 de la loi sur les communes et sur la loi cantonale sur la protection des eaux contre la pollution, il a, par arrêté du 9 juin 1978, considéré que l'intérêt général, visé par ledit art. 9, "stipule l'approbation des conventions par toutes les communes concernées" et qu'il était en droit d'intervenir à l'égard des décisions refusant d'approuver les deux conventions. En conséquence, il a sanctionné les arrêtés pris par les Conseils généraux des communes intéressées et approuvant la convention d'amortissement (art. 1), annule les décisions soumettant à des conditions l'approbation de la convention d'amortissement et invité les Conseils communaux des communes ayant pris ces décisions à signer la convention (art. 2), annule également les décisions refusant d'approuver la convention d'amortissement et invité les Conseils communaux des communes ayant pris ces décisions à signer la convention (art. 3), sanctionné les arrêtés pris par les conseils généraux des communes intéressées et approuvant la convention d'exploitation (art. 4), annule les décisions soumettant à des conditions l'approbation de la convention d'exploitation et invité les Conseils communaux des communes ayant pris ces décisions à signer la convention (art. 5), annule les décisions refusant d'approuver la convention d'exploitation et invité les Conseils communaux des communes ayant pris ces décisions à signer la convention (art. 6). Dans le délai légal, deux des communes dont les décisions ont ainsi été annulées, soit la commune de Saint-Aubin-Sauges et la commune de Gorgier, ont interjeté des recours de droit public contre l'arrêté du Conseil d'Etat du 9 juin 1978 et ont requis l'annulation de cette décision. BGE 105 Ia 255 S. 259 Erwägungen Considérant en droit: 5. La constitution neuchâteloise dispose à son art. 53 que "le Conseil d'Etat exerce la surveillance directe des communes". Elle contient aussi un chapitre relatif aux communes, dont deux articles, les art. 64 et 67, contiennent plus spécialement des règles relatives aux rapports entre l'Etat et les communes. L'art. 64 prévoit que la commune administre ses biens et gère les services publics locaux (al. 1), que la loi peut prévoir la création de syndicats intercommunaux et que, si le besoin l'exige, elle peut déclarer obligatoire l'adhésion à de tels syndicats (al. 2); enfin, que l'autonomie communale est garantie dans les limites de la constitution et des lois (al. 3). Quant à l'art. 67, il prévoit notamment que les règlements communaux ne deviennent exécutoires qu'après avoir été sanctionnés par le Conseil d'Etat (al. 1), que les communes doivent soumettre annuellement leurs budgets et leurs comptes au Conseil d'Etat (al. 2) et que celui-ci peut se substituer aux autorités communales qui, après y avoir été dûment invitées, ne prendraient pas les mesures que la législation leur impose, le Conseil d'Etat devant en informer à bref délai le Grand Conseil (al. 5). Ces dispositions constitutionnelles sont précisées par la loi sur les communes. L'art. 9 LC, portant la note marginale "Annulation de décisions", dispose à son al. 1 que, lorsqu'une décision communale lui paraît illégale ou manifestement contraire à l'intérêt général, le Conseil d'Etat invite l'autorité qui l'a prise à la retirer; si l'autorité communale s'y refuse, il peut l'annuler lui-même. Quant à l'art. 11 LC, il reprend la disposition de l' art. 67 al. 5 Cst. cant. 7. a) Ni l'une ni l'autre des communes recourantes ne mettent explicitement en cause la constitutionnalité des dispositions de la législation cantonale sur lesquelles se fonde le Conseil d'Etat et notamment la faculté pour celui-ci d'annuler les décisions communales illégales ou manifestement contraires à l'intérêt général. Mais elles soutiennent qu'en l'espèce, le Conseil d'Etat a excédé les droits qu'il tient des dispositions légales qu'il invoque et qu'il a viole l'autonomie dont elles jouissent en vertu de la constitution et de la loi. BGE 105 Ia 255 S. 260 Leur pouvoir autonome résulterait en la matière de l' art. 64 al. 1 Cst. neuch., aux termes duquel la commune gère les services publics locaux. En effet, disent-elles, la compétence et la responsabilité du ramassage et de la destruction des ordures entrent dans le cadre de la gestion des services publics locaux. Cette disposition constitutionnelle, au surplus, se trouve complétée par différentes dispositions légales, soit la loi sur la police locale, du 22 mai 1863, qui prescrit que la police locale, placée sous la surveillance du Conseil communal, comprend particulièrement la salubrité (art. 2 al. 2 lettre b) ainsi que la voirie (art. 2 al. 2 lettre e]), et la loi concernant l'élimination des véhicules automobiles et autres objets abandonnés, du 18 octobre 1971, dont l'art. 8 prescrit que le dépôt d'ordures et de déchets d'une nature autre que les objets auxquels cette loi s applique (soit les véhicules automobiles) ne peut avoir lieu que dans les endroits désignés par les communes (al. 1), celles-ci étant chargées en outre de prendre toutes mesures pour l'élimination des ordures et autres déchets entreposés sur les endroits qu'elles ont choisis (al. 3). Quant à la loi sur les communes, elle prévoit que le Conseil général veille à la bonne marche des services publics (art. 25 ch. 6 LC) et que le Conseil communal exerce les attributions que les lois et règlements confèrent aux communes sous le contrôle de l'autorité cantonale et qui se rapportent notamment à la salubrité publique et à la voirie (art. 30 ch. 5 lettre f). De même, les règlements édictés par les deux communes recourantes et sanctionnés par le Conseil d'Etat prévoient que les communes sont responsables de l'enlèvement des ordures. b) Le Conseil d'Etat, quant à lui, conteste que l' art. 64 al. 1 Cst. neuch. soit applicable en l'occurrence. Il ne s'agit pas ici, selon lui, de la gestion d'un service public local, mais d'un problème intercommunal intéressant également le canton. Au surplus, l'art. 64 ne dit rien de la façon dont les communes peuvent administrer ou gérer les services publics locaux ni quelle est la surveillance exercée par l'autorité cantonale en général, et en particulier sur la base de la loi sur la protection des eaux contre la pollution. Selon l'intimé, les communes n'ont donc, en la matière, pas de liberté de décision relativement importante. c) Pour savoir dans quelle mesure, sur la base des dispositions constitutionnelles et légales susmentionnées, les communes BGE 105 Ia 255 S. 261 jouissent de l'autonomie et dans quelle mesure le contrôle de l'autorité cantonale peut s'exercer sur leurs décisions, il importe de distinguer dans la décision attaquée entre la partie de cette dernière qui se rapporte à la convention d'amortissement et celle qui se rapporte à la convention d'exploitation. 8. En ce qui concerne la convention d'amortissement, il convient de rappeler que l'engagement demandé aux communes concerne la couverture des pertes subies par une entreprise qui a été créée par un certain nombre de communes sous la forme du droit privé, ainsi que la répartition de ces pertes entre les communes actionnaires. La commune de Saint-Aubin-Sauges a refusé de signer cette convention au motif que celle-ci met à sa charge une part des frais de transport et de compactage des déchets, alors qu'elle n'a jamais consenti à adhérer au système préconisé. La commune de Gorgier n'a elle aussi accepté de signer cette même convention que moyennant diverses réserves, relatives entre autres au paiement des "charges imputables au secteur" transports "auquel la commune n'a jamais donné son accord et dont elle n'a pas été bénéficiaire". Le Conseil d'Etat, considérant que la réserve émise par la commune de Gorgier et concernant les charges du secteur transport équivalait à un refus de la convention, a annule les décisions des Conseils généraux des deux communes recourantes et a invité les Conseils communaux de celles-ci à signer la convention. a) Il sied de rappeler que la convention d'amortissement n'est liée qu'indirectement au problème de l'élimination des ordures ménagères. De caractère purement financier, elle n'entre pas dans le cadre des mesures qui sont prévues par la loi fédérale sur la protection des eaux contre la pollution, qui ne prévoit que des mesures concrètes en vue de réaliser cette protection, par exemple par l'élimination des déchets, et le financement de ces mesures concrètes ( art. 27 et 8 LPEP ). Cette loi ne contient pas de base juridique permettant d'obliger une commune à couvrir les pertes d'une entreprise déficitaire. Il en est de même de la loi cantonale. Certes, les dispositions de cette dernière permettent bien au gouvernement de mettre à la charge des communes des dépenses en vue de l'exécution d'ouvrages d'épuration collectifs (art. 11), ainsi que la création de réserves budgétaires en vue de l'exécution de mesures préparatoires (art. 14), mais elles ne fournissent pas de base juridique BGE 105 Ia 255 S. 262 à l'obligation faite à une commune de participer à la prise en charge des déficits subis par une entreprise d'épuration ou d'élimination des déchets. b) D'après les dispositions constitutionnelles qui ont été rappelées sous consid. 5, la surveillance du Conseil d'Etat, telle qu'elle est prévue à l' art. 53 Cst. neuch., doit pouvoir s'exercer sous deux formes: d'une part, toute une série d'actes émanant des autorités communales sont soumis à l'approbation du Conseil d'Etat; d'autre part, le Conseil d'Etat peut agir en lieu et place des autorités communales lorsque, ces dernières ayant été invitées par lui à prendre les mesures que la législation leur impose, elles ne les prendraient pas ( art. 67 al. 5 Cst. neuch.). Ces dispositions sont reprises dans la loi sur les communes. Celle-ci précise cependant, en ce qui concerne la portée du pouvoir du Conseil d'Etat, qu'il appartient à cette autorité de refuser sa sanction aux règlements illégaux ou manifestement contraires à l'intérêt général (art. 8 al. 2 LC). De même, lorsqu'une décision communale lui paraît illégale ou manifestement contraire à l'intérêt général, il invite l'autorité qui l'a prise à la retirer; si elle s'y refuse, il peut l'annuler lui-même (art. 9 al. 1 LC). Enfin, il peut se substituer aux autorités communales qui après y avoir été dûment invitées, ne prendraient pas les mesures que la législation leur impose (art. 11 LC). Dans son rapport relatif à la révision des dispositions constitutionnelles sur l'organisation des communes, la Commission du Grand Conseil chargée de l'examen du projet qui a conduit à l'adoption, en 1964, des dispositions constitutionnelles actuellement en vigueur sur la matière s'est exprimée comme suit au sujet de l'art. 67: "Si une autorité communale n'est pas perméable à la persuasion et, après y avoir été dûment invitée, ne prend pas les mesures que la législation lui impose dans un cas d'espèce, le Conseil d'Etat pourra se substituer à elle. Du fait de cette substitution, le Conseil d'Etat prend ainsi une décision en lieu et place de l'autorité communale et résout en conformité des dispositions légales applicables à la matière en cause le problème qui a donné lieu au litige. Comme le droit de substitution n'est acquis que lorsqu'une autorité communale ne prend pas des mesures que la législation lui impose, le risque d'une intervention abusive du Conseil d'Etat est éliminé." (Bulletin officiel des délibérations du Grand Conseil, vol. 131, p. 947, BGE 105 Ia 255 S. 263 séance du 21 décembre 1964.) La même Commission, ayant examiné le projet de loi sur les communes, qui a été présenté en même temps au Grand Conseil et qui a conduit à l'adoption de la loi du 21 décembre 1964, a commenté comme suit les art. 8 et 9 de ce projet: "S'il va de soi que la sanction d'un règlement illégal doit être refusée, la notion de règlement manifestement contraire à l'intérêt général est plus délicate à définir, d'autant plus que l'intérêt général peut être celui du canton et même avoir une portée plus large encore. A l'heure actuelle, l'on est en effet amené à envisager des solutions d'ensemble aux problèmes les plus importants. La commission a admis cette rédaction, persuadée qu'elle est que le Conseil d'Etat sera toujours animé de scrupules d'objectivité... Le mot "manifestement" qui figure dans le texte rappellera au Conseil d'Etat les précautions dont il doit s'entourer." (Ibid., p. 952.) Lors de la discussion des deux projets au sein du Grand Conseil, le président de la Commission a précisé de la manière suivante les dispositions de la loi sur les communes: "Il ressort de l'ensemble de la loi que l'autonomie des communes ne sera pas mise en cause tant et aussi longtemps que l'activité des communes sera conforme à la loi et à l'intérêt général. Toutefois, si une commune prend une décision illégale ou non conforme à l'intérêt général, ou si elle ne prend pas les mesures que la législation lui impose, le Conseil d'Etat aura désormais des moyens efficaces pour intervenir." (Ibid., p. 1002.) c) De ces textes constitutionnels et légaux et des commentaires de la Commission du Grand Conseil, on peut déduire que dans le canton de Neuchâtel, le Conseil d'Etat n est pas limité au contrôle de la légalité des décisions communales dans l'exercice de son pouvoir de surveillance sur les communes. Il a également un contrôle de l'opportunité, mais ce contrôle est restreint. Il peut en effet refuser de sanctionner un règlement cantonal ou annuler une décision communale, non seulement lorsque ce règlement ou cette décision sont illégaux, mais aussi lorsqu'ils sont "manifestement contraires à l'intérêt général". Annuler une décision qui n'est pas illégale, mais contraire à l'intérêt général, constitue l'exercice d'un contrôle de l'opportunité. Toutefois, pour que la décision en cause puisse être annulée, il faut que l'atteinte portée par elle à l'intérêt général soit manifeste. Ainsi, quelle que soit la portée que l'on donne au terme d'"intérêt général", le contrôle de l'opportunité est BGE 105 Ia 255 S. 264 doublement limité: d'une part, par l'exigence d'une atteinte à l'intérêt général; d'autre part, par celle du caractère manifeste de cette atteinte. Cette restriction du contrôle de l'opportunité s'apparente à celle qui est prévue par le droit vaudois ( ATF 97 I 514 consid. 4). Il convient de relever aussi que le Conseil d'Etat ne peut exercer ce contrôle restreint de l'opportunité que dans le cadre de sa compétence relative à la sanction des règlements communaux et à l'annulation des décisions communales (art. 8 et 9 LC). En revanche, lorsque le Conseil d'Etat entend se substituer aux autorités communales qui se refusent à prendre certaines mesures, il peut intervenir seulement s'il s'agit de mesures "que la législation leur impose" ( art. 67 al. 5 Cst. neuch., art. 11 LC). Cette différence a été d'ailleurs dûment précisée, lors des travaux préparatoires, dans le rapport de la Commission du Grand Conseil et dans les explications du président de la Commission, cités plus haut. d) Cependant, lorsque le législateur a autorisé le Conseil d'Etat à annuler des décisions communales, il a évidemment eu en vue les décisions positives prises par la commune, c'est-à-dire des décisions créant pour elle-même ou pour les particuliers des droits ou des obligations. De même que, dans un autre ordre d'idées, il n'y a en principe pas, en droit suisse, de référendum contre la décision négative d'un parlement cantonal ou d'un organe législatif communal ( ATF 101 Ia 381 consid. 4-5, ATF 99 Ia 527 consid. 4-5), l'annulation de la décision négative d'un Conseil général d'une commune neuchâteloise n'a guère de portée juridique réelle. En l'espèce, le Conseil d'Etat a invité les Conseils généraux à donner leur adhésion aux conventions conclues avec la SAIOD. C'est le refus de cette adhésion qu'il a annule, mais l'annulation d'un refus ne modifie en aucune façon la situation juridique; elle ne crée pas par elle-même l'obligation d'adhérer. C'est bien pourquoi le Conseil d'Etat a accompagné cette annulation de l'invitation adressée aux communes de signer les conventions. Cette invitation est de toute évidence celle qui est visée par l' art. 67 al. 5 Cst. neuch. et l'art. 11 LC, en ce sens que, si les communes ne donnent pas suite à l'injonction qui leur est adressée, le Conseil d'Etat peut alors se substituer à elles et adhérer aux conventions en leur nom. Mais il ne peut le faire, en vertu même de la constitution, BGE 105 Ia 255 S. 265 que s'il s'agit d'une mesure "que la législation impose" aux communes. e) Dans l'arrêté attaqué, le Conseil d'Etat déclare en propres termes que "les décisions communales négatives à l'égard de l'une ou des deux conventions soumises à l'approbation des communes ne sont certes pas illégales. En revanche, elles sont manifestement contraires à l'intérêt général". Il a considéré qu'il y avait un intérêt général à sauver de la faillite la SAIOD, une telle faillite étant susceptible d'engendrer une rupture de confiance auprès des créanciers. La faillite ne dégagerait pas, a-t-il ajouté, la responsabilité des communes actionnaires à raison des actes commis par les administrateurs. Elle signifierait pour l'Etat la perte de sa propre subvention et la perte de la subvention promise par la Confédération et pourrait impliquer la disparition de l'usine de Cottendart. Il n'est d'ailleurs pas contesté par le Conseil d'Etat que la convention d'amortissement vise à réaliser l'assainissement d'une société constituée sous la forme du droit privé, alors que les dispositions légales régissant le statut de la société anonyme n'imposent nullement aux communes, en leur qualité d'actionnaires, de verser quoi que ce soit à la société au-delà du montant fixé pour l'acquisition des actions ( art. 680 CO ). Ce n'est que dans le cas où la responsabilité personnelle d'un administrateur délégué par la commune serait engagée que cette dernière pourrait être appelée à indemniser la société ou les créanciers ( art. 762 al. 4 CO ). Or le Conseil d'Etat ne soutient pas qu'une telle responsabilité soit engagée. La situation aurait été différente si la société avait été créée sous la forme d'une corporation de droit public, d'un syndicat intercommunal, par exemple. Mais en l'espèce, il n'existe pas de base légale pour engager la responsabilité financière des communes. Dans ces conditions, le Conseil d'Etat ne peut pas, en invoquant l'intérêt général, imposer à la commune l'obligation de payer à la SAIOD des sommes qui, cela n'est pas contesté, ne sont juridiquement pas dues par elle. Le pouvoir de surveillance qu'il exerce sur les communes en vertu de l' art. 53 Cst. neuch. ne lui permet dès lors pas d'agir en lieu et place de la commune pour imposer l'adhésion de celle-ci à la convention d'amortissement conclue avec la SAIOD. L'autonomie communale étant garantie par l' art. 64 Cst. neuch. dans les limites BGE 105 Ia 255 S. 266 de la constitution et des lois, précisément la constitution, soit l'art. 67 al. 5 de celle-ci, interdit au Conseil d'Etat de prendre une telle mesure, qui constituerait une violation de l'autonomie communale. Si l'assainissement de la SAIOD est commandé par l'intérêt général, cette mesure doit alors être prise d'une autre manière, éventuellement par l'intervention directe du canton. La décision du Conseil d'Etat doit donc être annulée en tant qu'elle a trait à la convention d'amortissement. 9. Si la décision attaquée n'a, quant à la convention d'amortissement, qu'un lien très indirect avec les mesures de lutte contre la pollution des eaux, il en est autrement en tant qu'elle vise la convention d exploitation. a) En vertu de la loi fédérale de 1971, le canton doit prendre des mesures de diverse nature destinées à assurer la protection des eaux contre la pollution et à remédier aux pollutions ( art. 2 et 5 LPEP ). Les cantons peuvent obtenir par voie de contrainte l'exécution des mesures qu'ils ont ordonnées et, au besoin, les exécuter eux-mêmes aux frais de ceux qui en avaient la charge ( art. 7 LPEP ). La loi interdit notamment de déposer hors des eaux toute matière qui risquerait de les polluer (art. 14). L'art. 27 de la loi vise tout spécialement les mesures à prendre pour prévenir la pollution des eaux par l'action de matières solides (consid. 3 b supra). D'autre part, l'art. 9 de l'ordonnance générale du 19 juin 1972 prévoit que les cantons sont responsables de l'exécution de la loi et des prescriptions d'application; ils surveillent et dirigent sur leur territoire les mesures qui s'imposent en vue de la protection des eaux. La loi cantonale sur la protection des eaux contre la pollution, du 24 mars 1958, ne renferme pas de dispositions spécifiques sur l'élimination des détritus solides. Fondée sur la loi fédérale du 16 mars 1955, qui elle aussi ne contenait pas de telles dispositions, à l'exception de l'interdiction du dépôt de matières en dehors des eaux s il peut en résulter une pollution (art. 4 al. 2), elle ne contient qu'une disposition interdisant le dépôt de matières solides susceptibles de polluer les eaux sauf en des lieux déterminés par l'autorité communale et approuvés par le Service cantonal de la protection des eaux (art. 6). Les autres dispositions sur lesquelles s'est fondé le Conseil d'Etat, sauf celle de l'art. 2, qui le charge de prendre, dans les limites de la législation fédérale, les mesures pour prévenir la pollution et BGE 105 Ia 255 S. 267 remédier aux inconvénients existants, n'ont pas d'incidence directe sur le problème de l'élimination des détritus solides. Elles ne concernent que les eaux usées et autres résidus liquides ou gazeux (art. 2 al. 2, art. 6 al. 1), ainsi que les ouvrages d'épuration des eaux usées (art. 11) et les mesures préparatoires, notamment l'élaboration de plans directeurs d'égouts (art. 14). b) La situation juridique apparaît ici particulièrement complexe. En effet, la loi fédérale de 1971 prévoit à son art. 5 al. 2 que lorsque la loi doit être complétée, en vue de son exécution, par des prescriptions cantonales, les cantons sont tenus d'arrêter ces dispositions, le cas échéant par voie d'ordonnance. Or le canton de Neuchâtel n'avait pas, à la date de l'arrêté attaqué, édicté de dispositions d'exécution de la loi fédérale nouvelle, la loi du 24 mars 1958, destinée à servir de loi d'exécution, sur le plan cantonal, de la loi fédérale de 1955, étant demeurée en vigueur sans modification. Certes, le fait que la loi fédérale de 1955 a été remplacée par une loi nouvelle n'entraîne pas ipso facto l'abrogation de la loi cantonale d'exécution, qui demeure valable dans toute la mesure où elle n'est pas contraire aux dispositions nouvelles adoptées sur le plan fédéral (cf. A. GRISEL, L'application du droit public dans le temps, ZBl 75/1974, p. 256). Mais la nouvelle loi fédérale contient, en ce qui concerne l'élimination des détritus solides, des dispositions qui n'avaient pas leur correspectif dans la loi de 1955. Elles imposent aux cantons l'obligation de veiller à cette élimination, dont ne traite pas la loi cantonale de 1958. L'absence partielle de législation cantonale d'exécution ne saurait empêcher l'application, sur le territoire du canton de Neuchâtel, des dispositions de fond de la loi fédérale. Cette loi est, en effet, directement applicable, en tant qu'elle impose certaines mesures aux cantons ( ATF 86 I 194 , ATF 84 I 156 ). Ce qu'elle ne règle pas, c'est la question de savoir à qui incombe la compétence primaire d'agir en la matière, soit de savoir si cette tâche appartient au canton ou à d'autres collectivités publiques, notamment aux communes. L' art. 27 LPEP dispose que les cantons veillent à ce que l'élimination soit effectuée, et qu'ils peuvent charger les communes ou d'autres collectivités d'exécuter ces tâches à leur place, tout en veillant dans ce cas à ce que ces collectivités prennent les mesures requises et exécutent les travaux nécessaires. BGE 105 Ia 255 S. 268 c) Le Conseil d'Etat, faute d'autre base légale sur le plan cantonal, déclare se fonder à cet effet sur les dispositions de la loi cantonale de 1958. S'agissant de l'interprétation de la législation cantonale, le Tribunal fédéral ne peut examiner ce problème que sous l'angle restreint de l'arbitraire ( ATF 104 Ia 45 consid. 1, 127, 138 consid. 3 a, 100 Ia 283 consid. 4). Or il n'est certes pas arbitraire de considérer qu'à défaut d'autre loi, on puisse appliquer par analogie les règles de compétence de la loi de 1958 concernant l'élimination des eaux usées et des détritus solides. Cette loi accorde des compétences étendues au Conseil d'Etat, qui prend, dans les limites de la législation fédérale, les mesures pour prévenir la pollution et remédier aux inconvénients existants (art. 2). Il peut contraindre des communes voisines à exécuter des ouvrages d'épuration collectifs (art. 11). De leur côte, les Conseils communaux, dans les limites de leur compétence, appliquent la loi et son règlement d'exécution (art. 25). Le règlement de la police sanitaire des eaux, du 24 mars 1959, édicté notamment en exécution de la loi fédérale de 1955 et de son ordonnance d'exécution, ainsi que de la loi cantonale de 1958, prévoit que les communes pourvoient à l'évacuation des eaux usées (art. 42 ss.), mais que les Départements de l'intérieur et des travaux publics veillent à l'application du règlement et des règlements communaux (art. 80). d) Il n'est dès lors pas arbitraire d'admettre qu'à défaut de législation cantonale spécifique sur l'application des dispositions fédérales en matière d'élimination des détritus solides, c'est bien la loi cantonale de 1958, appliquée par analogie, qui règlemente les rapports entre l'Etat et les communes dans ce domaine. Tant en vertu de la loi fédérale que de la loi cantonale, le canton est responsable de l'application des règles relatives à cette élimination et il peut, dans ce cadre, donner des ordres aux communes. Dès lors, en cette matière, les dispositions de la loi sur les communes ou les autres dispositions légales citées par les recourantes ne sont pas déterminantes. On ne saurait donc se fonder sur les critères prévus par elles pour y rechercher la mesure du contrôle que, dans ce domaine, le Conseil d'Etat peut exercer sur l'activité des organes communaux. Ces dispositions sont remplacées ici par celles de la législation fédérale et cantonale sur la protection des eaux contre la pollution. Le canton étant responsable de l'exécution de la loi et des prescriptions d'application et dirigeant sur son territoire BGE 105 Ia 255 S. 269 les mesures qui s'imposent, pouvant au surplus, en vertu même de la loi fédérale, obtenir par voie de contrainte l'exécution de mesures qu'il a ordonnées, et veillant à ce que les communes prennent les mesures requises ( art. 2, 5, 27 LPEP , 9 OGPEP), le Conseil d'Etat est, en vertu de la législation cantonale, chargé de prendre toutes mesures utiles (art. 2 et 11). Il n'y a par conséquent pas lieu de se fonder sur la loi sur les communes pour savoir si cette autorité a en l'espèce le contrôle de la légalité ou aussi celui de l'opportunité, la matière étant régie avant tout par la législation sur la protection des eaux, qui donne des pouvoirs étendus au Conseil d'Etat. 10. Pour justifier la décision prise, le Conseil d'Etat invoque des motifs d'intérêt général. Il entend protéger l'existence de l'usine de Cottendart; si les communes ne devaient pas accepter d'adhérer à la convention d'exploitation, un maillon essentiel de la politique cantonale, actuelle et surtout future, en la matière pourrait être supprimé. La seule façon de maintenir cette usine en activité consiste à assurer une durée ferme d'exploitation, aucune autre proposition valable n'existant, qui permette la sauvegarde provisoire des installations d'incinération des ordures et déchets du bas du canton. a) Les objections que les recourantes opposent à cette argumentation ne sauraient être retenues. Leur argumentation consiste avant tout à contester - à tort - l'étendue du pouvoir de contrôle du Conseil d'Etat. Pour le surplus, la commune de Saint-Aubin-Sauges allègue notamment qu'elle pourrait transférer les ordures à Teuftal, qui n'est pas très éloigné et dont le coût d'exploitation est inférieur à celui de la SAIOD. Quant à la commune de Gorgier, elle relève que la durée de dix ans prévue par la convention est excessive et qu'il serait suffisant que les communes s'engagent pour cinq ans, la durée de vie de l'usine étant discutée. b) Le Conseil d'Etat, dans l'exécution des dispositions fédérales, doit agir dans l'intérêt général du canton et par conséquent l'intérêt particulier d'une commune ne saurait, à ce point de vue, être déterminant. Il suffit de constater qu'aucune des deux recourantes n'allègue que le Conseil d'Etat aurait violé les dispositions de la législation sur la protection des eaux ou aurait excédé les pouvoirs qu'il tient des dispositions applicables en la matière. Leur recours doit donc être rejeté en tant qu'il vise la convention d'exploitation. BGE 105 Ia 255 S. 270 Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: 1. Admet partiellement les recours et annule l'arrêté du Conseil d'Etat du 9 juin 1978 dans ses art. 2 et 3, dans la mesure où il annule les décisions prises par les Conseils généraux des communes de Gorgier et de Saint-Aubin-Sauges au sujet de la convention d'amortissement des pertes reportées de la SAIOD et où il invite les Conseils communaux de ces deux communes à signer cette convention. 2. Rejette les recours pour le surplus.
public_law
nan
fr
1,979
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
8919670e-8d10-4e42-baf3-4f2750892966
Urteilskopf 85 III 131 30. Entscheid vom 12. Oktober 1959 i.S. Probst.
Regeste Lohnpfändung bei Handelsreisenden. Unter welchen Voraussetzungen hat das Betreibungsamt gemäss BGE 84 III 37 ff. vorzugehen, d.h. den Arbeitgeber des Schuldners über die Beachtung der Vorschriften des HRAG zu befragen und gegebenenfalls bestrittene Ansprüche des Schuldners gegen den Arbeitgeber zu pfänden? Rekurs an das Bundesgericht. Unzulässige neue Vorbringen (Art. 79
Sachverhalt ab Seite 131 BGE 85 III 131 S. 131 In der Betreibung Nr. 35163, die Erich Probst gegen den Handelsreisenden Hans Schmid führt, verfügte das Betreibungsamt St. Gallen auf Grund der Annahme, dass das Einkommen des Schuldners (Fixum und Provision) Fr. 636.90, sein Notbedarf Fr. 553.15 im Monat betrage, eine Lohnpfändung von monatlich Fr. 83.-. Die untere Aufsichtsbehörde wies die hiegegen gerichtete Beschwerde des Schuldners ab. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat dagegen mit Entscheid vom 18. September 1959 die Lohnpfändung aufgehoben. Sie nahm an, bei der Ermittlung des Notbedarfs seien zu den vom Betreibungsamt berücksichtigten BGE 85 III 131 S. 132 Posten Fr. 48.- für durch die Spesenvergütung und die Einsparung auf dem "Grundnotbedarf" nicht gedeckte Reisespesen, Fr. 5.- für gewisse "weitere Auslagen" und Fr. 30.- für ausserordentlichen Kleiderverschleiss hinzuzurechnen, so dass der Notbedarf Fr. 636.15 erreiche. Diesen Entscheid hat der Gläubiger an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, er sei aufzuheben und "die Sache zur Durchführung einer Lohnpfändung an das Betreibungsamt St. Gallen zurückzuweisen". Zur Begründung machte er geltend, die Vorinstanz habe festgestellt, dass die dem Schuldner vom Arbeitgeber ausgerichtete Spesenvergütung offenbar die tatsächlichen Auslagen nicht decke. Nach Art. ~~ HRAG seien dem Reisenden alle durch die Reisetätigkeit notwendig entstehenden Auslagen zu ersetzen, einschliesslich der Aufwendungen für den gesamten Unterhalt ausserhalb der Wohnstätte. Diese Vorschrift sei zwingend. Wenn der Anstellungsvertrag eines Reisenden zwingende Vorschriften des HRAG verletze, habe das Betreibungsamt nach BGE 84 III 37 den Arbeitgeber anzufragen, ob und in welchem Umfang er bereit sei, diese Vorschriften zu beobachten; hierauf habe es gegebenenfalls von Amtes wegen oder auf Verlangen des Gläubigers eine bestrittene Forderung gegen den Arbeitgeber zu pfänden. Nach diesem Entscheide sei auch im vorliegenden Falle vorzugehen. Zudem seien hier die Angaben des Schuldners und des Arbeitgebers über die Verdienstverhältnisse mit Vorsicht zu überprüfen und zu würdigen. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Der Rekursantrag, die Sache sei zur Durchführung einer Lohnpfändung an das Betreibungsamt zurückzuweisen, hat nach der Rekursbegründung den Sinn, das Betreibungsamt sei anzuweisen, die in BGE 84 III 37 ff. vorgesehenen, in der Rekursbegründung näher bezeichneten BGE 85 III 131 S. 133 Massnahmen zu treffen. Vor der Vorinstanz hatte der Rekurrent Ausführungen gemacht, die darauf schliessen lassen, dass er sich der vom Schuldner verlangten Aufhebung der Lohnpfändung widersetzen, also die Abweisung der Beschwerde des Schuldners und die Bestätigung der Pfändungsverfügung des Betreibungsamtes beantragen wollte. Die Vorinstanz hat seinen Ausführungen ausdrücklich diesen Sinn beigemessen. Man könnte sich fragen, ob der heutige Rekursantrag über diesen frühern Antrag hinausgehe und somit ein nach Art. 79 OG unzulässiges neues Begehren darstelle, soweit damit für den Fall, dass die Arbeitgeberin keine eine feste Lohnpfändung erlaubenden Zugeständnisse machen sollte, die Pfändung einer bestrittenen Forderung verlangt wird. Wie es sich damit verhalte, kann jedoch dahingestellt bleiben, weil der vorliegende Rekurs auch dann keinen Erfolg haben kann, wenn man zugunsten des Rekurrenten annimmt, der Rekursantrag sei in dem vor der Vorinstanz gestellten Antrag als das Mindere inbegriffen. 2. Das Vorgehen nach BGE 84 III 37 ff. hat grundsätzlich zur Voraussetzung, dass der Gläubiger (oder allenfalls der Schuldner, vgl. BGE 75 III 100 ) die Behauptung ("affirmation") aufstellt, der Anstellungsvertrag des Schuldners stehe mit zwingenden Vorschriften des HRAG über die Ansprüche des Reisenden im Widerspruch; der Arbeitgeber wäre nach Gesetz mehr zu zahlen verpflichtet, als was er tatsächlich leistet (vgl. BGE 84 III 38 ). Im Falle BGE 84 III 37 ff. hatte denn auch der Gläubiger mit seiner Beschwerde ausdrücklich geltend gemacht, dass der Schuldner von seinem Arbeitgeber neben den ihm ausbezahlten Provisionen die Vergütung seiner Reisekosten verlangen könne. Ähnlich lagen die Dinge auch im FalleBGE 75 III 97ff., wo das Bundesgericht zwar mit den kantonalen Behörden das Begehren des Gläubigers abwies, die Lohnpfändung kurzerhand um den vom Betreibungsamt zum Notbedarf gerechneten, nach der Auffassung des Gläubigers vom Arbeitgeber zu vergütenden Spesenbetrag zu BGE 85 III 131 S. 134 erhöhen, aber in seinen Erwägungen (S. 100) das Betreibungsamt einlud, den Arbeitgeber zur Frage der Beachtung der Vorschriften des HRAG anzuhören und hierauf allenfalls zur Pfändung bestrittener Ansprüche des Schuldners gegen ihn zu schreiten. Ist eine Verletzung dieses Gesetzes weder vom Gläubiger noch vom Schuldner behauptet worden, so kommt ein Vorgehen im Sinne der erwähnten Präjudizien allerhöchstens dann in Frage, wenn auf Grund der im Pfändungsverfahren ermittelten Verhältnisse ausser Zweifel steht, dass der Schuldner von seinem Arbeitgeber weniger erhält, als ihm nach den zwingenden Vorschriften des HRAG gebührt. In zweifelhaften Fällen kann es nicht Sache der Betreibungsbehörden sein, sich aus eigenem Antrieb in die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Schuldner und seinem Arbeitgeber einzumischen und von sich aus eine Pfändung bestrittener Ansprüche zu verfügen, die zu einem Prozess zwischen dem Erwerber derselben und dem Arbeitgeber Anlass geben kann. Im vorliegenden Falle kann von einem offenkundigen Verstoss gegen das HRAG nicht die Rede sein. Die Anstellungsbedingungen des Schuldners sehen gemäss Verdienstausweis ausser einem Fixum von Fr. 500.-- und einer Umsatzprovision, die durchschnittlich Fr. 136.90 im Monat ausmacht, den Ersatz der Reiseauslagen in Form eines festen Taggelds von Fr. 8.- und einer Vergütung für auswärtiges Übernachten von Fr. 5.- pro Nacht vor. Der Schuldner selber hat den Spesenersatz laut Pfändungsprotokoll auf Fr. 15.- pro Tag beziffert. (Bahnspesen hat er nicht zu bestreiten, da ihm die Arbeitgeberin ein Auto zur Verfügung stellt.) Selbst wenn diese Entschädigung etwas knapp bemessen sein sollte, wie der Schuldner im kantonalen Verfahren behauptet und die Vorinstanz angenommen hat, stünde deswegen dem Schuldner nicht ohne weiteres ein Anspruch auf zusätzlichen Spesenersatz zu, sondern läge materiell ein Verstoss gegen zwingendes Recht nur unter der Voraussetzung vor, dass die gesamten Leistungen der Arbeitgeberin dem Schuldner nach Abzug BGE 85 III 131 S. 135 aller notwendigen Reiseauslagen kein angemessenes Entgelt für seine Dienste böten ( BGE 84 II 55 ). Dass diese Voraussetzung zweifellos erfüllt sei, kann um so weniger angenommen werden, als die Arbeitgeberin nach ihren Mitteilungen an das Betreibungsamt den Schuldner, der längere Zeit nicht gearbeitet haben soll, nicht definitiv als Reisevertreter angestellt hat, sondern ihn nur provisorisch als "Volontär" im Aussendienst beschäftigt, um ihn wieder in einen geordneten Arbeitsprozess einzuführen. Ist demnach mindestens im vorliegenden Falle das Verfahren im Sinne von BGE 84 III 37 ff. nicht ohne Rücksicht auf die Stellungnahme der Parteien des Betreibungsverfahrens von Amtes wegen durchzuführen, so hängt das Schicksal des Rekurses davon ab, ob der Rekurrent in nach Verfahrensrecht wirksamer Weise behauptet habe, der Schuldner habe nach den zwingenden Vorschriften des HRAG Anspruch auf zusätzliche Leistungen der Arbeitgeberin. (Gestützt auf eine entsprechende Behauptung des Schuldners könnte nur dieser, nicht auch der Rekurrent auf dem Beschwerde- bzw. Rekurswege die Durchführung des erwähnten Verfahrens verlangen. Im übrigen hat der Schuldner in seinem Rekurs an die Vorinstanz zwar geltend gemacht, seine Spesen seien höher als die Spesenvergütung, aber nicht behauptet, er habe deswegen Anspruch auf weitere Leistungen der Arbeitgeberin, sondern die durch die Spesenvergütung nicht gedeckten Reiseauslagen nur zur Begründung dafür angeführt, dass von seinem Lohn nichts gepfändet werden könne.) Im kantonalen Verfahren hat der Rekurrent nicht behauptet, der Schuldner könne von seiner Arbeitgeberin nach HRAG über seine tatsächlichen Bezüge hinaus noch weitere Leistungen verlangen. Von der kantonalen Aufsichtsbehörde eingeladen, sich zum Rekurs des Schuldners zu äussern, hat er (von hier nicht interessierenden Vorbringen abgesehen) lediglich ausgeführt, es scheine ihm merkwürdig, dass die Arbeitgeberin des Schuldners diesem nicht die effektiven Reiseauslagen vergüte; auch betrachte BGE 85 III 131 S. 136 er die vom Schuldner behaupteten Spesen als zu hoch; wer Schulden habe, müsse den Gürtel enger schnallen. In diesen Ausführungen liegt nicht der geringste Hinweis darauf, dass die Anstellungsbedingungen des Schuldners nach der Auffassung des Rekurrenten dem HRAG widersprechen und dass die Arbeitgeberin von Rechts wegen mehr zahlen sollte, als sie es tut. Eine ausdrückliche Behauptung dieses Inhalts ist aber auch im vorliegenden Rekurs an das Bundesgericht nicht zu finden. Man kann lediglich aus dem Zusammenhang schliessen, dass der Rekurrent geltend machen will, der Anstellungsvertrag des Schuldners verletze zwingende Vorschriften des HRAG, insbesondere dessen Art. 13, und dass er der Meinung ist, dieser Verstoss liege im Ungenügen der im Vertrag vorgesehenen Spesenvergütung. Um welchen Betrag die Leistungen der Arbeitgeberin erhöht werden sollten, sagt er nicht einmal andeutungsweise. Ob eine nur implicite aufgestellte und zudem so unbestimmte Behauptung des Gläubigers zur Einleitung des Verfahrens nach BGE 84 III 37 ff. Anlass geben könne, ist mindestens zweifelhaft. Diese Frage braucht indes nicht endgültig entschieden zu werden. Soweit der Rekurrent vor Bundesgericht das Besteh en eines Anspruchs des Schuldners au zusätzliche Leistungen der Arbeitgeberin behauptet, be schränkt er sich nämlich nicht etwa darauf, aus bereits in den Akten erwähnten Tatsachen einen neuen rechtlichen Schluss zu ziehen. Vielmehr macht er damit im Sinne von Art. 79 OG eine neue Tatsache (das Vorhandensein einer beim Pfändungsvollzug nicht berücksichtigten Forderung) geltend. Dies ist nach der eben genannten Bestimmung unzulässig, weil er die fragliche Tatsache bereits im kantonalen Verfahren, nämlich in seiner Vernehmlassung zum Rekurs des Schuldners an die Vorinstanz, hätte anbringen können. Er wusste aus dem ihm zugestellten Entscheid der untern Aufsichtsbehörde und aus dem Rekurs des Schuldners, welche Leistungen dieser nach seinen eigenen Angaben und nach denjenigen seiner Arbeitgeberin erhielt und BGE 85 III 131 S. 137 auf welche Beträge dieser seine wirklichen Reiseauslagen bezifferte. Zu einer umsichtigen Verteidigung gegen den Rekurs des Schuldners hätte es daher gehört, nicht bloss Zweifel daran zu äussern, dass der Schuldner mit ungedeckten Reisespesen rechnen müsse, sondern zugleich geltend zu machen, dass der Schuldner im Falle der Richtigkeit seiner Darstellung von seiner Arbeitgeberin weitere Leistungen fordern könne. So gut wie heute hätte der Rekurrent diesen Standpunkt schon in seiner Antwort auf den Rekurs des Schuldners an die Vorinstanz verfechten können. Was er hienach bereits im kantonalen Verfahren hätte tun können, kann er nach Art. 79 OG vor Bundesgericht nicht mehr nachholen. Es fehlt somit an einer verfahrensrechtlich beachtlichen Behauptung, die zur Einleitung des Verfahrens nach BGE 84 III 37 ff. führen könnte. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
null
nan
de
1,959
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
89199e8d-ed11-439c-82cb-10730336295d
Urteilskopf 135 III 633 92. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen A., B., C. und D. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_428/2009 vom 23. November 2009
Regeste Art. 928 ZGB ; Besitzesstörung; Fliegen und Landen mit Hängegleitern. Voraussetzung der Ansprüche gemäss Art. 928 Abs. 2 ZGB ist die Störung des Besitzes durch verbotene Eigenmacht. Eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung in einem kommunalen Bau- und Zonenreglement, die ein hindernisfreies und sicheres Überfliegen und Landen mit Hängegleitern bezüglich der dafür vorgesehenen Grundstücke gewährleistet, kann verbotene Eigenmacht ausschliessen. Prüfung des Ausschlusses im konkreten Fall (E. 3-5).
Sachverhalt ab Seite 633 BGE 135 III 633 S. 633 A. Im Zonenplan der Gemeinde G. ist eine Sport- und Erholungszone ausgeschieden und im Bereich der Landwirtschaftszone ein Delta- und Gleitschirm-Landeplatz mit Hindernisfreihalteflächen eingezeichnet. Im Bau- und Zonenreglement heisst es dazu Folgendes: BGE 135 III 633 S. 634 Art. 77 Sport- und Erholungszone Sp+E Nutzungsart: (...) In den als Start- und Landeplatz bezeichneten Flächen für Deltagleiter und Gleitschirme ist der Start bzw. die Landung von Deltagleitern und Gleitschirmen gestattet. Innerhalb des Landeplatzes sowie in der westlich und östlich angrenzenden Hindernisfreihaltefläche sind bauliche Massnahmen wie Gebäude, Zäune oder sonstige Hindernisse, sowie das Pflanzen von Bäumen, die das Landen gefährden, untersagt. Die Eigentümer sind für die Nutzung der Parzellen als Start- und Landeplatz angemessen zu entschädigen. Betrieb und Organisation für einen sicheren Flugbetrieb übernimmt eine Trägerschaft. Die Trägerschaft ist verantwortlich für die Sicherheit auf dem Start- und Landeplatz. (...) Das Bau- und Zonenreglement (BZR) wurde durch den Staatsrat am 30. April 1997 vorgeprüft, von der Urversammlung am 2. Dezember 1997 genehmigt und vom Staatsrat am 24. Juni 1998 homologiert. B. Die X. AG erwarb in den Jahren 2003 bis 2006 gegen dreissig Grundstücke auf dem Gebiet der Gemeinde G., die in der Landwirtschaftszone und dabei im eingezeichneten Gebiet teils des Landeplatzes und teils der Hindernisfreihalteflächen gelegen sind. Sie hat der Benutzung ihrer Grundstücke im Zusammenhang mit dem Hängegleitersport nie ausdrücklich zugestimmt. C. Am 28. Mai 2008 erhob die X. AG (Beschwerdeführerin) Klage wegen Besitzesstörung. Ihre Begehren lauteten zur Hauptsache dahin gehend, mit Bezug auf ihre Grundstücke im Perimeter "Landeplatz" das Landen mit Hängegleitern und das Überfliegen mit Hängegleitern in einer Höhe von weniger als 50 m sowie mit Bezug auf ihre Grundstücke im Perimeter "Hindernisfreihaltefläche" das Überfliegen mit Hängegleitern in einer Höhe von weniger als 50 m zu verbieten. Die Klage richtete sich gegen die A., die als Verein den Landeplatz betreibt und zur Trägerschaft im Sinne von Art. 77 Abs. 4 BZR gehört, gegen C. und D., die Vorstandsmitglieder der A. sind und den Landeplatz benützen, sowie gegen B., der die Flugschule F. leitet und die betroffenen Grundstücke ebenfalls nutzt (Beschwerdegegner). Das Kantonsgericht Wallis wies die Klage ab. Die Beschwerdeführerin hat dagegen Beschwerde erhoben, die das Bundesgericht abweist. (Zusammenfassung) BGE 135 III 633 S. 635 Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Ausgangspunkt des Besitzesschutzes ist die verbotene Eigenmacht, durch die eine Sache entzogen oder der Besitz gestört wird und die zur Abwehr von Angriffen ( Art. 926 ZGB ) und zu den Klagen aus Besitzesentziehung und Besitzesstörung berechtigt ( Art. 927-929 ZGB ). Die Beschwerdeführerin hat eine Klage gemäss Art. 928 ZGB erhoben. Wird danach der Besitz durch verbotene Eigenmacht gestört, so kann der Besitzer gegen den Störenden Klage erheben, auch wenn dieser ein Recht zu haben behauptet (Abs. 1). Die Klage geht auf Beseitigung der Störung, Unterlassung fernerer Störung und Schadenersatz (Abs. 2). 3.1 Im gerichtlichen Verfahren der Besitzesschutzklagen ist die Frage nach dem Besitz als tatsächliche Gewalt über eine Sache ( Art. 919 Abs. 1 ZGB ) von der Frage nach dem Recht an der Sache, insbesondere nach dem Recht zur Beeinträchtigung des Besitzes grundsätzlich zu trennen. Die Ausnahme, wonach der Beklagte sofort sein besseres Recht nachweisen darf und der Klage des Besitzers entgegenhalten kann ( Art. 927 Abs. 2 ZGB ), besteht bei der Klage aus Besitzesstörung - anders als im Fall der Besitzesentziehung - nicht. Dem Beklagten bleibt der Beweis eines von ihm behaupteten besseren Rechts auf die Sache, hier gleichsam eines besseren Rechts zur Störung verschlossen. Gleichwohl lässt sich die Besitzesfrage nicht völlig von der Frage nach dem Recht trennen. Die materielle Rechtslage muss berücksichtigt werden, namentlich wo es um die Abgrenzung des Besitzes und damit die Voraussetzung der Besitzesstörung "durch verbotene Eigenmacht" geht (vgl. STARK, Berner Kommentar, 2001, N. 92-94b der Vorbem. zu Art. 926-929 ZGB sowie N. 2 ff., N. 18 und N. 53 zu Art. 928 ZGB ; STEINAUER, Les droits réels, Bd. I, 4. Aufl. 2007, N. 368-368b S. 141). 3.2 Verbotene Eigenmacht liegt vor, wenn die Besitzesstörung weder vom Besitzer noch durch das objektive Recht erlaubt ist. Besitzesstörungen können namentlich durch das öffentliche Recht erlaubt oder mit der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben unvermeidbar verbunden sein. In diesem Fall muss der Besitzer die Störung dulden, hat aber allenfalls die Möglichkeit, eine Entschädigung nach dem massgeblichen Enteignungsrecht zu verlangen (vgl. STARK, a.a.O., N. 47 der Vorbem. zu Art. 926-929 ZGB ; STEINAUER, a.a.O., N. 326-327 S. 128). Hauptanwendungsfall sind die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen im Sinne der Art. 680 ff. ZGB und der BGE 135 III 633 S. 636 Art. 702 f. ZGB, die die Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin und Grundbesitzerin zu einem Dulden, einem Unterlassen oder einem Tun verpflichten können (vgl. MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 1981, N. 339 ff. des Syst. Teils vor Art. 641 ff. und N. 43 ff. zu Art. 641 ZGB ; STEINAUER, a.a.O., N. 1012-1014 S. 352 f.). 3.3 Dass sie mit Bezug auf die Grundstücke der Beschwerdeführerin persönliche Rechte hätten, machen die Beschwerdegegner nicht geltend. Sie behaupten, die Benützung der fraglichen Grundstücke im Perimeter des Landeplatzes und der Hindernisfreihalteflächen sei nicht verboten, sondern durch das öffentliche Recht erlaubt. Die Frage, ob ihre Eigenmacht verboten ist, betrifft kein Recht an der Sache und kann geprüft werden (E. 3.1 soeben). Streitig ist die Auslegung von Art. 77 BZR. Sie hat die Antwort darauf zu geben, welche Beschränkungen die Beschwerdeführerin als Eigentümerin und Besitzerin der Grundstücke im Perimeter des Landeplatzes und der Hindernisfreihalteflächen treffen. 4. Das Kantonsgericht hat in Art. 77 BZR eine öffentlich-rechtliche Beschränkung gesehen, die ein hindernisfreies und sicheres Überfliegen und Landen mit Hängegleitern bezüglich der dafür vorgesehenen Grundstücke gewährleiste mit der Folge, dass die Beschwerdeführerin ihren Besitz nur insoweit ausüben könne, als er nicht durch die besagte Beschränkung eingeengt werde. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, die Rechtsanwendung verletze Art. 928 ZGB , sei willkürlich und verstosse gegen den Vorrang des Bundesrechts wie auch gegen die Eigentumsgarantie. 4.1 Besitzesschutzklagen führen zu einem Urteil, in dem nur über die Wiederherstellung oder Erhaltung des Zustands der tatsächlichen Gewalt über die Sache, nicht aber über die Rechtmässigkeit dieses Zustandes bzw. über das Recht an der Sache entschieden wird. Besitzesschutzurteile können daher durch ein späteres Urteil über das Recht an der Sache umgestossen werden und sind unter diesem Blickwinkel nicht als endgültige, sondern bloss als vorläufige Regelung zu betrachten (vgl. BGE 113 II 243 E. 1b S. 245). 4.2 Innerhalb der bundesrechtlichen Schranken regeln die Kantone das Verfahren der Besitzesschutzklagen (vgl. BGE 94 II 348 E. 2 S. 351 ff.). Die Walliser Zivilprozessordnung vom 24. März 1998 (SGS/VS 270.1) erklärt das summarische Verfahren für anwendbar ( Art. 282 Abs. 1 lit. b ZPO /VS). Nach der Rechtsprechung sind die Voraussetzungen des Besitzesschutzes in tatsächlicher und rechtlicher BGE 135 III 633 S. 637 Hinsicht lediglich glaubhaft zu machen (vgl. Revue valaisanne de jurisprudence [RVJ] 2001 S. 184 ff.). Gegen die kantonale Verfahrensordnung erhebt die Beschwerdeführerin keine Rügen ( Art. 106 Abs. 2 BGG ). 4.3 Neben Willkür ( Art. 9 BV ) rügt die Beschwerdeführerin, Art. 77 BZR, wie ihn das Kantonsgericht auslege, entziehe ihr als Grundeigentümerin und Grundbesitzerin die Klagen gemäss Art. 927 ff. ZGB (vgl. Art. 937 Abs. 2 ZGB ) und verstosse gegen die Eigentumsgarantie ( Art. 26 BV ). Ein schwerer Eingriff in die Eigentumsfreiheit kann insofern nicht verneint werden, als jedenfalls das Landen mit Hängegleitern in allen Jahreszeiten die bestimmungsgemässe Nutzung der betroffenen Grundstücke zu Landwirtschaftszwecken stark einschränkt (vgl. BGE 133 II 220 E. 2.5 S. 225). Unter dieser Voraussetzung prüft das Bundesgericht die Auslegung des kantonalen bzw. kommunalen Rechts frei (vgl. BGE 130 I 360 E. 14.2 S. 362). Dabei ist allerdings zu beachten, dass wegen des bloss vorläufigen Charakters der Besitzesschutzklage nach kantonalem Recht eine bloss summarische und vorläufige Rechtsprüfung stattfindet (E. 4.2 soeben), d.h. eine auf die Frage beschränkte Prüfung, ob sich der eingeklagte Besitzesschutzanspruch als einigermassen aussichtsreich oder doch zum mindesten als vertretbar erweist (vgl. BGE 120 II 393 E. 4c S. 398). Darüber hinaus kann das Bundesgericht selbst bei freier Prüfung nicht gehen. 5. Das Kantonsgericht hat in Art. 77 BZR eine zulässige öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung erblickt. 5.1 Es stellt sich die Frage nach der Auslegung und vorweg nach der hinreichenden gesetzlichen Grundlage der Eigentumsbeschränkung. 5.1.1 Das kommunale Bau- und Zonenreglement (BZR) wurde von den Stimmberechtigten angenommen und vom Staatsrat homologiert (Bst. A hiervor). Es kann als gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in die Eigentumsgarantie angesehen werden (vgl. BGE 133 II 220 E. 2.5 S. 225/226). 5.1.2 Gemäss Art. 77 Abs. 2 BZR ist in den als Start- und Landeplatz bezeichneten Flächen für Deltagleiter und Gleitschirme der Start bzw. die Landung von Deltagleitern und Gleitschirmen gestattet. Die Auslegung ist sachlich vertretbar, den Eigentümern werde damit eine Duldungspflicht auferlegt und die ihnen durch das Eigentumsrecht verliehene Befugnis entzogen, das Betreten ihrer Grundstücke durch Dritte zum Zweck des Startens bzw. Landens mit BGE 135 III 633 S. 638 Hängegleitern abzuwehren (vgl. MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 48 zu Art. 641 ZGB ). 5.1.3 Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin ist auch die Auffassung vertretbar, die Duldungspflicht beschränke die Verfügungs- oder Nutzungsbefugnisse der betroffenen Eigentümer im Interesse der Allgemeinheit. Insoweit liegt kein Tatbestand der formellen Enteignung vor, die sich durch den Entzug und die Übertragung vermögenswerter Rechte von der enteigneten auf eine andere Person auszeichnet, sondern eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung (TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, § 63 N. 15 S. 598 f.). Dass die Abwehrrechte des Eigentümers nur auf dem Weg der formellen Enteignung beschränkt werden könnten und eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung hierfür nicht ausreiche, ist weder ersichtlich noch dargetan. Das kantonale Gesetz vom 23. Januar 1987 zur Ausführung des Bundesgesetzes über die Raumplanung (SGS/VS 701.1) sieht in Art. 13 Abs. 3 vor, dass die Gemeinden die Errichtung von öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen verlangen können, um die Einhaltung ihrer Vorschriften über die zulässigen Nutzungen innerhalb der verschiedenen Zonen sicherzustellen (vgl. zur Verfassungsmässigkeit: Urteil 1C_469/2008 vom 26. Mai 2009 E. 10.2, zusammengefasst in: BR 2009 S. 114 f.). Die Gemeinde durfte somit vom Kantonsgericht als zuständig erachtet werden, in ihrem Bau- und Zonenreglement eine Duldungspflicht im oben erwähnten Sinne vorzusehen. 5.1.4 Nach Art. 77 Abs. 3 BZR sind innerhalb des Landeplatzes sowie in der westlich und östlich angrenzenden Hindernisfreihaltefläche bauliche Massnahmen wie Gebäude, Zäune oder sonstige Hindernisse, sowie das Pflanzen von Bäumen, die das Landen gefährden, untersagt. Die Auslegung ist sachlich vertretbar, im Sinne von Unterlassungspflichten werde die tatsächliche und rechtliche Verfügungsmacht der Eigentümer insofern eingeschränkt, als jede Nutzungsart untersagt sei, die das Überfliegen von Grundstücken, um den Landeplatz zu erreichen, und die das Landen mit Hängegleitern behindern könnte (vgl. MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 49 zu Art. 641 ZGB ). Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Anordnung der Freihaltung eines Geländes verschaffe der Allgemeinheit keine Nutzungsbefugnis über privaten Grund, mag zwar allgemein zutreffen. Die Freihalte- bzw. Unterlassungspflichten sind vorliegend jedoch ausschliesslich auf die Duldungspflicht gemäss Art. 77 Abs. 2 BZR bezogen, die den BGE 135 III 633 S. 639 Grundeigentümern die Abwehrrechte gegen ein Überfliegen und Landen mit Hängegleitern durch Dritte entzieht (vgl. E. 5.1.2 soeben). 5.1.5 Laut Art. 77 Abs. 4 BZR sind die Eigentümer für die Nutzung der Parzellen als Start- und Landeplatz angemessen zu entschädigen. Auch diesbezüglich ist eine Auslegung nicht zu beanstanden, wonach die Entschädigung nicht Voraussetzung, sondern Folge der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung ist. Die ihr auferlegten Duldungs- und Unterlassungspflichten hängen somit nicht davon ab, dass vorgängig eine Entschädigung vereinbart bzw. festgesetzt und bezahlt worden wäre. Hierfür hat die Beschwerdeführerin den Rechtsweg gegenüber der Gemeinde zu beschreiten, sollte eine einvernehmliche Lösung mit der Gemeinde oder der in Art. 77 Abs. 4 BZR vorgesehenen Trägerschaft nicht gefunden werden (vgl. MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 652 und N. 656 ff. des Syst. Teils vor Art. 641 ff. ZGB ; Art. 61 ff. des Enteignungsgesetzes vom 8. Mai 2008 [SGS/VS 710.1]). 5.2 Zu den weiteren Voraussetzungen einer Einschränkung der Eigentumsgarantie äussert sich die Beschwerdeführerin nicht ( Art. 106 Abs. 2 BGG ). Für das Bundesgericht steht fest, dass das Aletschgebiet als "Mekka der Hängegleiter" gilt. Das Landen der Hängegleiter muss aus Gründen der Sicherheit geordnet werden, so dass die Auferlegung der Duldungs- und Unterlassungspflicht gemäss Art. 77 BZR zu diesem Zweck im öffentlichen Interesse liegt und als verhältnismässig erscheint (vgl. Art. 36 BV ). Was die Frage nach der Entschädigung für die Nutzung der Parzellen angeht (Art. 77 Abs. 4 BZR i.V.m. Art. 26 Abs. 2 BV ), kann auf Gesagtes verwiesen werden (E. 5.1.5 soeben). 5.3 Aus den dargelegten Gründen lässt sich auf Art. 77 BZR stützen, dass die Beschwerdeführerin das Landen und Überfliegen mit Hängegleitern bezüglich ihrer dafür bestimmten Grundstücke dulden muss und darauf alles zu unterlassen hat, was das Landen und Überfliegen mit Hängegleitern beeinträchtigen könnte. Gegen entsprechende Einwirkungen Dritter und auch der Beschwerdegegner stehen der Beschwerdeführerin keine aus ihrem Eigentumsrecht fliessenden Abwehrrechte zu. Es erscheint insgesamt nicht als verfassungswidrig, verbotene Eigenmacht als Voraussetzung der Besitzesstörungsklage zu verneinen.
null
nan
de
2,009
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
891ce423-3039-4527-a026-e5ee2e4fac9f
Urteilskopf 85 II 97 18. Arrêt de la IIe Cour civile du 22 avril 1959 dans la cause Cyma Watch Co. SA contre Société de contrôle fiduciaire SA
Regeste 1. Auslegung der Rechtsgeschäfte. Tat- und Rechtsfragen (Erw. 1). 2. Fiduziarisches Rechtsgeschäft. Davon zu unterscheidende Abreden, namentlich Scheingeschäfte (Erw. 1 und 2). Nichtigkeit der fiduziarischen Zuwendung? (Erw. 3). 3. Bedeutung der Besitzübertragung bei freihändigem Verkauf nach Art. 130 SchKG (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 97 BGE 85 II 97 S. 97 A.- La Société de contrôle fiduciaire SA, à Genève (ci-après: la société), a acquis de l'office des poursuites de cette ville, selon procès-verbal de vente de gré à gré du 30 juin 1948, un lot de 35 meubles et objets garnissant l'appartement de Marc Bloch, pour le prix de 11 000 fr. (estimation lors de la saisie: 5565 fr.). Elle vendit ces objets le 8 décembre 1952 à Tatiana Bloch, épouse du débiteur, pour le prix de 20 000 fr., avec réserve de propriété. La société agissait en son propre nom pour le compte de l'un de ses clients, Hans Schauwecker, à Zurich. Celui-ci entendait conserver à dame Bloch la jouissance de l'appartement et des meubles du débiteur. Il conclut, notamment par lettre du 29 juin 1948, une convention de fiducie avec BGE 85 II 97 S. 98 la société et paya les 11 000 fr.; la société lui remit, après déduction de ses propres frais et honoraires, les acomptes versés en vertu du contrat de vente de 1952. Elle signa en outre, dans la même intention, un contrat de location avec le propriétaire de l'immeuble habité par Bloch et sous-loua l'appartement pris à bail à l'épouse du débiteur. Aucun des actes passés ne mentionne le rapport interne existant entre le client et la société; celle-ci ne s'est jamais engagée à faire connaître l'identité du mandant; l'acte de vente du 8 décembre 1952 précise qu'elle agit "à titre fiduciaire en qualité de propriétaire et de vendeur"; les droits de la société n'ont jamais été rétrocédés. Invitée à dire le nom du fiduciant, la société l'a donné dès qu'elle y fut autorisée. Les employés de la société se rendirent dans l'appartement des Bloch à l'occasion de la vente de gré à gré du 30 juin 1948 et en vue des deux contrats de location et de sous-location; ils reconnurent les lieux et y firent inventaire des objets saisis qui s'y trouvaient. B.- Dans la poursuite intentée contre Bloch par la société Cyma Watch Co. SA, à La Chaux-de-Fonds, l'Office des poursuites de Genève a saisi, le 15 décembre 1955, un lot d'objets - estimé 9412 fr. - comprenant les nos 1 à 34 réalisés le 30 juin 1948. La société en revendiqua la propriété à concurrence du solde impayé du prix de revente; elle prétendit en outre le droit de rétention du bailleur. Ses prétentions ayant été contestées, elle a ouvert action à la créancière. Celle-ci a conclu à libération. Elle allègue que Schauwecker n'est que l'homme de paille du débiteur; Bloch a racheté sous main son mobilier pour le soustraire à l'emprise de ses créanciers; les actes passés sont fictifs et tombent sous le coup de l'action révocatoire (art. 288 LP); la revendiquante, en outre, n'est pas entrée en possession des objets saisis. C.- Le 5 mars 1958, le Tribunal de première instance de Genève a débouté la société demanderesse. Celle-ci renonça à prétendre un droit de rétention. Par arrêt du BGE 85 II 97 S. 99 19 décembre 1958, la Cour de justice a admis la revendication du droit de propriété à concurrence du solde impayé (12 500 fr., plus les intérêts et les frais). Elle a estimé que le contrat de fiducie ne tendait pas à léser les créanciers de Bloch et n'avait pas eu cet effet; la tradition n'étant pas nécessaire en cas de vente de gré à gré (art. 235 CO), la propriété des objets saisis avait passé à la société, et la revendication était ainsi fondée. D.- La créancière a recouru en réforme au Tribunal fédéral; elle conclut à libération avec suite de frais et dépens, et au renvoi de la cause à la cour cantonale aux fins de lui allouer des dommages-intérêts en application des art. 487 et 489 CPC. L'intimée propose le rejet du recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. La convention de fiducie oblige le fiduciaire à conformer son activité, dans l'exercice d'un droit, au but fixé par le fiduciant. Elle déploie, entre les parties qui la concluent, les effets du mandat ou d'un contrat similaire et détermine dans quelle mesure le fiduciaire est lié à des instructions ou agit de manière indépendante. Ce dernier, suivant les cas, est déjà titulaire du droit, ou l'acquiert du fiduciant ou d'un tiers (en son nom propre, mais pour en faire usage selon les intentions du fiduciant). L'acquisition et l'exercice du droit, seuls actes apparents, sont voulus par les deux parties (s'agissant du transfert de la propriété mobilière, qui revêt en Suisse un caractère causal et exige une cause valable (RO 55 II 302), il faut que les parties aient voulu à la fois le transfert et sa cause); leurs effets s'accomplissent dans la personne du fiduciaire, qui est parfois tenu de les transmettre à son mandant. Lorsque ce dernier entend seulement se servir d'un homme de paille au lieu d'agir personnellement, on est en présence d'actes juridiques per interpositam personam ou "convention de prête-nom" (cf. RO 54 II 439). Les rapports fiduciaires réalisent des buts variés; ils sont en principe licites BGE 85 II 97 S. 100 quels que soient leurs mobiles; ceux-ci peuvent toutefois entraîner des sanctions, telle la nullité (cf. RO 71 II 99; 72 II 67 , 154, 235, 275). On doit interpréter les actes juridiques pour déterminer si l'on est en présence de rapports fiduciaires. Les déclarations faites par les parties pour régler leurs relations étant destinées à produire les effets juridiques qui correspondent à leur contenu, le but de l'interprétation est de rechercher ces effets juridiques tels qu'ils résultent des textes ou des termes dans lesquels les parties ont exprimé leurs manifestations de volonté. A cet égard, la constatation de la volonté interne des parties et celle des actes, paroles et attitudes par lesquels elles se sont exprimées relèvent du fait et lient le Tribunal fédéral (art. 63 al. 2 OJ); c'est par contre une question de droit que de donner aux faits constatés par les autorités cantonales leur qualification légale et d'apprécier, notamment, si les parties ont manifesté leur intention de simuler selon les principes de l'art. 1er CO et si le juge a défini exactement la notion de simulation (RO 66 II 32; 72 II 79 , 158) ou celle d'acte fiduciaire. En l'espèce, suivant l'arrêt attaqué, l'intimée a agi sur mandat de Schauwecker et selon ses instructions; elle passa les actes de vente "à titre fiduciaire" (cf. acte du 8 décembre 1952); elle acquit la propriété des objets saisis, exerça le droit et le transféra selon les intentions de son client. Celui-ci a fourni les moyens de payer le prix d'achat (11 000 fr.) et récupéré les acomptes du prix de vente (20 000 fr.). Mais l'intimée a constamment traité en son propre nom; jamais son client n'est apparu dans les transactions; les tiers ont ignoré son identité et l'intimée ne s'est jamais engagée à la faire connaître. Tant la convention de fiducie que les actes passés par l'intimée avec l'office des poursuites, le propriétaire de l'immeuble loué et dame Bloch ont été sérieusement voulus par les parties. La société fiduciaire a dès lors acquis la propriété et en a usé validement. Il suit de là qu'elle était seule habile à BGE 85 II 97 S. 101 revendiquer les meubles saisis qu'elle a revendus avec réserve de propriété. 2. Les objections (d'ailleurs contradictoires) de la recourante sont vaines. Il ne saurait y avoir, en l'espèce, représentation directe (art. 32 CO) ou indirecte. D'une part, les contrats de vente (et de bail) n'ont pas été passés au nom de Schauwecker; celui-ci n'en revendique pas les effets et son mandataire n'a pas agi en qualité de représentant. D'autre part, le rapport liant l'intimée à son client était durable et le droit de propriété acquis par la première n'a pas été rétrocédé au second; la société en a simplement usé dans l'intérêt du fiduciant; il n'était pas dans l'intention des parties de faire acquérir au mandant la propriété et la possession. Certes, les actes sur lesquels on fonde la revendication pourraient être simulés et nuls. Ce ne serait le cas toutefois que si l'intimée (sur ordre de son client) et les cocontractants eussent été d'accord que l'acquisition de la propriété et son usage étaient sans valeur et n'avaient que l'apparence d'actes juridiques (soit qu'ils n'eussent voulu créer que cette apparence, soit qu'ils entendissent réaliser un second acte dissimulé; cf. RO 54 II 438 et arrêts cités; 71 II 99 ). Or, suivant l'arrêt attaqué, la convention de fiducie a été sérieusement conclue en vue de déployer les effets qui lui sont propres; il en est de même des actes passés selon les instructions du fiduciant. Une simulation eût été impossible, d'ailleurs, lors de la vente de gré à gré par l'office des poursuites (VON TUHR, I § 35, note 24). On n'est donc pas en présence d'actes simulés (nuls) et dissimulés (cas échéant, valides). Quant aux dispositions réglant le contrat de mandat (art. 401 al. 3 CC), elles facilitent dans un cas spécial le transfert des droits en matière de représentation indirecte (art. 32 al. 3 CO). On vient de voir que les faits de la cause ne permettent pas de conclure à un tel rapport; les conditions de la disposition invoquée ne sont en outre pas remplies. BGE 85 II 97 S. 102 3. L'acte fiduciaire devient nul, en vertu de l'art. 20 CO, s'il a pour but d'éluder une disposition légale impérative (RO 72 II 73). Pour en juger, il faut rechercher si la loi interdit absolument le résultat économique que les intéressés veulent atteindre, ou ne l'autorise que dans certaines limites qui échappent au droit de disposition des parties, ou si au contraire elle permet d'obtenir tel résultat par la voie suivie en l'espèce (RO 54 II 440; 56 II 198 ). La recourante ne cite aucune disposition légale que les parties à la convention de fiducie auraient éludée et ne démontre pas que cette dernière soit contraire aux bonnes moeurs. Il est par ailleurs constant, d'après la Cour cantonale, que les actes de Schauwecker et de l'intimée n'ont causé aucun préjudice aux créanciers du débiteur; les anciens ont récupéré par la réalisation une somme supérieure à l'estimation des objets saisis et vendus de gré à gré, les nouveaux ne pouvaient dès cette réalisation mettre la main sur lesdits objets. On ne voit pas davantage comment s'appliquerait l'art. 288 LP, qui a trait aux actes du débiteur poursuivi ou failli; du moins ne ressort-il pas des faits constatés que Bloch ait "acheté" ses propres meubles par personne interposée. 4. Si la convention de fiducie est licite in casu, encore faut-il que la société, pour exercer un droit de revendication, ait acquis, lors de la vente de gré à gré du 30 juin 1948, la propriété des objets saisis et qu'elle se la soit réservée valablement lors de la seconde vente (de 1952). a) On peut laisser ouverte la question de savoir si le transfert de possession est nécessaire en cas de vente de gré à gré au sens de l'art. 130 LP, ou si l'art. 235 al. 1 CO est applicable (RO 50 III 110; JAEGER-DAENIKER, no 2 ad art. 130 LP; FAVRE, Cours de droit des poursuites, p. 200/201). Même si l'arrêt attaqué fait erreur sur ce point, la solution du litige n'en est pas modifiée pour autant. Les organes de l'intimée en effet, ou ses employés, ont pris possession pour elle des objets achetés au domicile de Bloch; ils les ont reconnus et en ont pris inventaire; BGE 85 II 97 S. 103 ils revinrent dans l'appartement qui les contenait en vue de la prise à bail. L'intimée, en outre, exerça la copossession de ces locaux à titre de locataire. Les objets saisis et achetés étant avant tout destinés à meubler l'appartement, il est évident qu'ils sont tombés en la puissance de la société, par le truchement de ses employés, selon la volonté de l'office procédant à la réalisation. b) La recourante ne critique pas l'inscription de la réserve de propriété ni la clause contractuelle qui la prévoit. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours et confirme l'arrêt attaqué.
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8920023a-960b-4654-bc56-19ed317fe9a9
Urteilskopf 125 III 358 62. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. August 1999 i.S. S. gegen M. u. Mitb. und Obergericht des Kantons Zürich -(Berufung)
Regeste Herabsetzung des Mietzinses ( Art. 270a OR ). Das Recht des Mieters von Wohn- oder Geschäftsräumen, die Herabsetzung des Mietzinses auf den nächstmöglichen Kündigungstermin zu verlangen, kann nicht mittels vertraglich ausgeschlossener Unterschreitung des Anfangsmietzinses eingeschränkt werden. Die gesetzlich zwingend vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten schliessen die Vereinbarung eines absoluten Minimalzinses für die Zukunft aus (E. 1).
Sachverhalt ab Seite 358 BGE 125 III 358 S. 358 A.- Mit Vertrag vom 4. Mai 1993 mieteten M. und P. von S. (Beklagter) per 1. Juni 1993 ein Ladenlokal sowie zwei Autoabstellplätze in der Liegenschaft X. zu einem Mietzins von Fr. 1'850.-- monatlich netto für das Ladenlokal und je Fr. 100.-- für die Parkplätze. Diese Vereinbarung wurde am 16. Februar 1994 durch einen zusätzlich von T. und W. unterzeichneten Vertrag ersetzt, der den Mietbeginn auf 1. November 1993 festlegte. Als frühest möglicher Kündigungstermin wurde der 30. September 1994 vereinbart. Danach sollte der Vertrag mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten entweder auf Ende März oder September kündbar sein. Unter der Überschrift «Besondere Vereinbarungen» hielten die Parteien weiter fest, der Mietzins basiere auf dem Indexstand vom März 1993 sowie einem Hypothekarzinsstand von 6.5% und ein Absinken unter den Anfangsmietzins sei ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 11. September 1997 ersuchten M. und P. namens des Coiffeursalons Y. den Beklagten unter Berufung auf den aktuellen Hypothekarzinsstand um Herabsetzung des Mietzinses. BGE 125 III 358 S. 359 In seiner Antwort vom 25. September 1997 machte der Beklagte geltend, es bestehe für die Liegenschaft eine Festhypothek und zudem sei im Mietvertrag ein Absinken unter den Anfangsmietzins ausdrücklich ausgeschlossen worden. B.- Am 11. November 1997 reichten sämtliche Mieterinnen (Klägerinnen) bei der Schlichtungsbehörde ein Herabsetzungsbegehren ein. Nachdem an der Schlichtungsverhandlung vom 25. März 1998 keine Einigung erzielt werden konnte, reichten sie beim Mietgericht des Bezirkes Zürich Klage ein. Diese wurde am 3. Dezember 1998 gutgeheissen, die bestehenden monatlichen Nettomietzinse wurden als missbräuchlich erklärt sowie mit Wirkung ab 1. Oktober 1998 auf Fr. 1'619.30 für das Ladenlokal bzw. je Fr. 87.60 für die Parkplätze, ab 1. April 1999 auf Fr. 1'584.-- bzw. je Fr. 85.60 herabgesetzt. Gleich entschied das Obergericht des Kantons Zürich am 4. März 1999. Das Bundesgericht weist die Berufung des Beklagten ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Nach Ansicht des Beklagten ist die Vorinstanz bundesrechtswidrig von der Ungültigkeit der Vertragsbestimmung ausgegangen, mit welcher ein Absinken des Mietzinses unter das Anfangsniveau hätte verhindert werden sollen. Er erblickt darin eine Verletzung von Art. 270a OR . a) Der Mieter kann nach dieser Bestimmung den Mietzins als missbräuchlich anfechten und die Herabsetzung auf den nächstmöglichen Kündigungstermin verlangen, wenn er Grund zur Annahme hat, dass der Vermieter wegen einer wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen einen übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt. Art. 270a OR konkretisiert den Schutz vor missbräuchlichen Forderungen bei der Wohnungs- und Geschäftsmiete ( Art. 269 ff. OR ), indem er die formellen und materiellen Voraussetzungen festlegt, unter denen der Mieter eine Überprüfung des Mietpreises verlangen kann. Sinn und Zweck dieser Bestimmung schliesst eine abweichende Parteivereinbarung insoweit aus, als damit von Gesetzes wegen eine endgültige Lösung getroffen wird, die den gegenseitigen Interessen der Parteien Rechnung trägt (RONCORONI, Zwingende und dispositive Bestimmungen im revidierten Mietrecht, mp 1990 S. 76 f.). Nach der gesetzlichen Systematik wird dem Mieter von Wohn- oder Geschäftsräumen BGE 125 III 358 S. 360 überlassen, ein möglicherweise missbräuchliches Entgelt für den Gebrauch der Mietsache anzufechten oder nicht (TERCIER, Les contrats spéciaux, N. 1983 f.), wobei die Unterlassung der Anfechtung des Mietzinses dazu führen kann, dass der Mieter ein objektiv übersetztes Entgelt für die Mietsache freiwillig und bewusst bezahlt. Insofern wird die Vertragsfreiheit durch die Bestimmungen über missbräuchliche Mietzinse nicht beschränkt ( BGE 123 III 70 E. 3a S. 73). Anderseits sind die Voraussetzungen, unter denen eine gerichtliche Überprüfung des Entgelts für die Mietsache auf allfälligen Missbrauch verlangt werden kann, im Gesetz abschliessend umschrieben ( Art. 270-270d OR ). Die Mieter können nicht jederzeit und ohne Anlass die Überprüfung des Entgelts für die Mietsache auf Missbrauch verlangen, sondern während 30 Tagen im Anschluss an die Übernahme der Sache ( Art. 270 OR ) und während 30 Tagen nach Mitteilungen über Mietzinserhöhungen oder andere einseitige Vertragsänderungen ( Art. 270b OR ) sowie wenn sie Grund zur Annahme haben, die Berechnungsgrundlagen des Vermieters hätten wesentlich geändert ( Art. 270a OR ; vgl. HIGI, Zürcher Kommentar, N. 17 zu Art. 270a OR mit Hinweisen; LACHAT, Le bail à loyer, S. 272; TERCIER, a.a.O., N. 2033 ff.). Dabei können sie die Herabsetzung des Mietzinses, sofern er sich als missbräuchlich erweist, in diesem Fall erst auf den nächsten Kündigungstermin verlangen ( Art. 270a Abs. 1 OR ). Dieses System der Anfechtungsmöglichkeiten trägt den gegenseitigen Interessen der Parteien Rechnung und kann daher vertraglich ebenso wenig eingeschränkt oder wegbedungen wie durch weitere Anfechtungsmöglichkeiten erweitert werden (RONCORONI, a.a.O., S. 84; LACHAT, a.a.O., S. 258). b) In der Doktrin wird teilweise die Ansicht vertreten, die zwingende Natur von Art. 270a OR stehe nicht entgegen, parteiautonom eine Unterschreitung des Anfangsmietzinses vertraglich auszu-schliessen. Zur Begründung wird auf BGE 108 II 135 verwiesen (SVIT-Kommentar, N. 2 zu Art. 270a OR ) oder die Vorschrift in Art. 270a OR , wonach die Herabsetzung nur auf den - vertraglich bestimmten - nächsten Kündigungstermin verlangt werden kann, in dem Sinne verallgemeinert, dass die Herabsetzung während der Mietdauer nicht allein durch Vereinbarung entsprechender Kündigungstermine, sondern auch sonstwie durch vertragliche Abmachung ausgeschlossen werden könne (HIGI, a.a.O., N. 42 zu Art. 270a OR ). aa) Der im SVIT-Kommentar zitierte BGE 108 II 135 betraf zwar eine Streitigkeit über die Mietzinsherabsetzung, sprach sich aber BGE 125 III 358 S. 361 über die Zulässigkeit einer vertraglichen Bestimmung zur Verbindlichkeit des Anfangsmietzinses nicht aus (die Herabsetzung unter den Anfangsmietzins war im Grundsatz sogar unbestritten). Es handelt sich wohl um ein Versehen und gemeint sein dürfte der in der Berufung aufgeführte BGE 108 II 321 , in dem unter der Geltung des Bundesbeschlusses über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (BMM; SR 221.213.1) erkannt wurde, eine Indexklausel mit dem vereinbarten Vorbehalt, dass der Mietzins nicht unter die Basis herabgesetzt werde, sei gültig und eine Herabsetzung unter den Betrag des Basismietzinses könne daher aufgrund von Art. 19 Abs. 1 BMM erst nach Ablauf der Vertragsdauer verlangt werden (E. 2c S. 324). Dieses Urteil bezieht sich ausdrücklich auf einen Mietvertrag mit Indexklausel, die schon altrechtlich gültig nur für Mietverträge vereinbart werden durfte, welche auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen wurden bzw. vom Vermieter während dieser Zeit nicht gekündigt werden konnten ( Art. 9 BMM ; BGE 112 II 69 E. 3 S. 71). Aus dem Entscheid ergibt sich allein, dass altrechtlich - bei gegenüber dem geltenden Recht weitergehenden Möglichkeiten der Indexierung - die Anpassung des Mietzinses während der vereinbarten Vertragsdauer insoweit beschränkt werden konnte, als trotz der vorgesehenen Indexierung der ursprüngliche Mietzins nicht unterschritten werden durfte. Dies entspricht dem Grundsatz, dass ein einmal vereinbarter Mietzins während der festen Vertragsdauer nicht verändert werden kann. Weitergehende Schlussfolgerungen können dem in der Berufung erwähnten Präjudiz für die vorliegende Frage nicht entnommen werden, wie die Vorinstanz zutreffend festhält. bb) Es kann aber auch der Auffassung nicht gefolgt werden, ein vertraglicher Ausschluss der Herabsetzung sei allgemein und unabhängig von den vereinbarten Kündigungsmodalitäten gültig. Dies widerspricht dem Wortlaut von Art. 270a OR , der bei im Übrigen gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen ausdrücklich bestimmt, dass die Herabsetzung auf den «nächstmöglichen Kündigungstermin» verlangt werden kann. Soweit eine Analogie zu den gesetzlichen Beschränkungen der Anfechtungsmöglichkeiten für indexierte und gestaffelte Mietzinse in Art. 270c und 270d OR hergestellt wird, übergehen die Vertreter dieses Standpunkts, dass die Vereinbarung solcher Mietzinse nur gültig ist, wenn der Mietvertrag für mindestens fünf ( Art. 269b OR ) bzw. mindestens drei ( Art. 269c OR ) Jahre abgeschlossen wird. Die - gesetzlich beschränkten ( BGE 124 III 57 E. 3a S. 58 f.) - parteiautonom vereinbarten Anpassungsmöglichkeiten BGE 125 III 358 S. 362 gelten denn auch neurechtlich nur für die vertraglich bestimmte Dauer, während der eine Kündigung mindestens von Seiten des Vermieters nicht ausgesprochen werden kann ( BGE 123 III 76 E. 4a S. 77). Nach Ablauf dieser mindestens für den Vermieter verbindlichen Vertragsdauer können beide Parteien, sofern der Vertrag auf unbestimmte Zeit fortgeführt wird, die Überprüfung des Mietzinses verlangen und zwar wahlweise nach der sog. absoluten oder nach der sog. relativen Methode bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ( BGE 123 III 76 E. 4c S. 82 f.). Der gesetzlich vorgesehene Ausschluss der Anfechtung gemäss Art. 270c und 270d OR gilt für indexierte oder gestaffelte Mietzinse nur während der zwingend vorgeschriebenen verbindlichen Vertragsdauer und lässt sich auf Mietverträge nicht analog anwenden, die auf unbestimmte Zeit geschlossen und auf Kündigung gestellt sind. cc) Die Vorinstanz hat demnach zutreffend erkannt, dass die gesetzlich gegebene Möglichkeit der Herabsetzung auf den nächstmöglichen Kündigungstermin nach Art. 270a OR vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann. Nach dem gesetzlichen System der Missbrauchskontrolle müssen vielmehr die im Gesetz vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten zwingend gewahrt bleiben, was auch die Vereinbarung eines absoluten Minimalzinses für die Zukunft ausschliesst. Dies gilt auch, wenn ein solcher Mindestbetrag entsprechend der Höhe des ursprünglichen Mietzinses festgesetzt wird, denn die Möglichkeit privatautonomen Ausschlusses der Herabsetzung darf nicht vom Zufall abhängen, ob der auf unbestimmte Zeit eingegangene Vertrag z.B. bei hohem oder tiefem Hypothekarzinsniveau abgeschlossen worden ist. Der Verzicht des Mieters auf die Anfechtung gemäss Art. 270a OR ist allein in Kenntnis der tatsächlich eingetretenen Entwicklung möglich. c) Die Höhe der vorinstanzlich zugesprochenen Mietzinsherabsetzung blieb im Übrigen unangefochten.
null
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89269f88-d9e9-4bb6-84e3-1510419aede6
Urteilskopf 135 II 12 2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Kanton Zürich gegen X. sowie Wettbewerbskommission (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 2C_15/2008 vom 13. Oktober 2008
Regeste Art. 89 Abs. 1 BGG ; Art. 2 Abs. 4 und 5, Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Art. 4 BGBM ; Zulassung einer ausserkantonalen Psychotherapeutin zur selbständigen Berufsausübung im Kanton Zürich nach Massgabe der Vorschriften des Ortes der Erstniederlassung. Legitimation des Kantons zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten; Betroffenheit in schutzwürdigen eigenen hoheitlichen Interessen in Bezug auf die allgemeine Würdigung des geltend gemachten binnenmarktrechtlichen Zulassungsanspruches (E. 1.2.1 und 1.2.2). Darlegung der Vertretungsbefugnisse (E. 1.2.3). Grundsatz des freien Marktzugangs nach Massgabe der Herkunftsvorschriften im Bereich der gewerblichen Niederlassung gemäss revidiertem Binnenmarktgesetz (E. 2.1). Prüfung der Gleichwertigkeit kantonaler Marktzugangsordnungen im Sinne von Art. 2 Abs. 5 BGBM (E. 2.4). Bejahte Gleichwertigkeit der Zulassungsregelungen betreffend die selbständige Ausübung des Psychotherapeutenberufs in den Kantonen Graubünden und Zürich (E. 2.5).
Sachverhalt ab Seite 13 BGE 135 II 12 S. 13 X., ausgebildete Primarlehrerin, arbeitete zunächst als Lehrerin und Katechetin. Im Jahr 1997 schloss sie erfolgreich einen Theologiekurs für Laien ab; 2004 erlangte sie das Diplom als Körperzentrierte Psychotherapeutin IKP. Von 1999 bis 2002 absolvierte sie eine Aus- und Weiterbildung in Transaktionsanalyse am Eric Berne Institut Zürich. Von 2004 bis 2006 besuchte sie an der Donau Universität Krems (Österreich) den Universitätslehrgang Psychotherapeutische Psychologie, den sie am 28. Juni 2006 mit dem Master of Science abschloss. Seit August 2003 ist X. als delegierte Psychotherapeutin in der Praxis von Dr. med. R. in Zürich tätig mit einem durchschnittlichen Wochenpensum von 24 Stunden. Daneben studiert sie seit Herbst 2005 an der Theologischen Hochschule Chur. Am BGE 135 II 12 S. 14 10. November 2006 wurde X. die Bewilligung zur Berufsausübung als Psychotherapeutin im Kanton Graubünden erteilt. Seit dem 1. Januar 2007 arbeitet sie einen Tag pro Woche als selbständige Psychotherapeutin in Chur. Am 25. Januar 2007 ersuchte X. bei der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich um die Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung als nichtärztliche Psychotherapeutin im Kanton Zürich. Mit Verfügung vom 13. Juni 2007 erteilte die Gesundheitsdirektion die nachgesuchte Bewilligung unter der Bedingung, dass X. eine Erstausbildung im Sinne von § 2 der zürcherischen Verordnung vom 1. Dezember 2004 über die nichtärztlichen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten absolviere. Mit Entscheid vom 15. November 2007 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die von X. sowie der Wettbewerbskommission dagegen erhobenen Beschwerden gut, stellte fest, dass die Verfügung der Gesundheitsdirektion vom 13. Juni 2007 den Marktzugang in unzulässiger Weise beschränke, hob die genannte Verfügung auf und wies die Gesundheitsdirektion an, X. die Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung der nichtärztlichen Psychotherapie bedingungslos zu erteilen. Mit Eingabe vom 7. Januar 2008 erhebt der Kanton Zürich, handelnd durch die Gesundheitsdirektion, beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, mit welcher die Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts beantragt und darum ersucht wird, die Sache an das Verwaltungsgericht oder an die Gesundheitsdirektion zurückzuweisen, mit der Anweisung, "ein Verfahren durchzuführen, in dem zu beurteilen ist, welche zusätzlichen Studienleistungen im Bereich der Psychologie die Gesuchsgegnerin im Sinn einer Auflage oder Bedingung gemäss Art. 3 Abs. 1 BGBM zu erbringen hat". Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG fällt und daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann ( Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG ). BGE 135 II 12 S. 15 1.2 1.2.1 Da das in der vorliegenden Beschwerde als verletzt angerufene Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02) ein (besonders ausgestaltetes) Behördenbeschwerderecht im Sinne von Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG nur der Wettbewerbskommission einräumt (vgl. Art. 9 Abs. 2 bis BGBM in der Fassung vom 16. Dezember 2005 und dazu die betreffende Botschaft in: BBl 2005 S. 489-491), kann sich die Legitimation des Kantons einzig aus Art. 89 Abs. 1 BGG ergeben (vgl. dazu auch BGE 133 II 400 E. 2.4.1 S. 405 f.). Nach dem allgemeinen Beschwerderecht von Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Diese Regelung ist zwar in erster Linie auf Privatpersonen zugeschnitten, doch kann sich auch das Gemeinwesen darauf stützen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen wird. Darüber hinaus können Gemeinwesen zur Beschwerde gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG legitimiert sein, soweit sie in schutzwürdigen eigenen hoheitlichen Interessen berührt sind (vgl. zum Ganzen BGE 134 II 45 E. 2.2.1 S. 46 f.; BGE 133 II 400 E. 2.4.2 S. 406, je mit Hinweisen). Das allgemeine Interesse an der richtigen Rechtsanwendung verschafft jedoch noch keine Beschwerdebefugnis ( BGE 134 II 45 E. 2.2.1 S. 47 mit Hinweisen). 1.2.2 Das angefochtene Urteil verpflichtet den Kanton Zürich, einer Gesuchstellerin gestützt auf die Regeln des Binnenmarktgesetzes die Bewilligung zur selbständigen Ausübung eines reglementierten Berufes zu erteilen. Durch einen einzelnen Zulassungsentscheid wird ein Kanton in der Regel noch nicht in relevantem Mass in schutzwürdigen eigenen Hoheitsinteressen betroffen (vgl. zur analogen Situation bei Anfechtung einer einzelnen ausländerrechtlichen Bewilligung: BGE 134 II 45 E. 2.2.2 S. 47 f.). Eine erhöhte Tragweite kann einem solchen Einzelentscheid dann zukommen, wenn er voraussichtlich als Präjudiz die Erteilung einer erheblichen Anzahl weiterer Bewilligungen nach sich ziehen wird. Durch das Risiko einer solchen Entwicklung werden schutzwürdige hoheitliche Interessen des Kantons dann in erheblicher Weise berührt, wenn - wie dies vorliegend zutrifft - die zu erteilenden Bewilligungen der BGE 135 II 12 S. 16 geltenden kantonalen Gesetzgebung widersprechen und zugleich bedeutsame gesundheitspolizeiliche und -politische Interessen auf dem Spiele stehen. Die Beschwerdelegitimation des Kantons Zürich nach Art. 89 Abs. 1 BGG ist daher vorliegend insoweit zu bejahen, als es um die der streitigen Bewilligungserteilung zugrunde liegende allgemeine Würdigung des geltend gemachten binnenmarktrechtlichen Zulassungsanspruches geht, unter Ausklammerung der rein individuellen Aspekte des streitigen Einzelfalles (vgl. zur ähnlichen Verfahrenslage bei der Überprüfung gegenstandslos gewordener, aber künftig erneut möglicher Anordnungen: BGE 131 II 670 E.1.2 S. 674 mit Hinweisen). 1.2.3 Wenn ein Kanton als Gemeinwesen gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG als Rechtsmittelkläger handeln will, obliegt seine prozessuale Vertretung in der Regel dem Regierungsrat als oberster Exekutivbehörde, welche den Kanton von Verfassungs wegen nach aussen vertritt ( BGE 134 II 45 E. 2.2.3 S. 48 mit Hinweis; vgl. auch Art. 71 Abs. 1 lit. c der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 [SR 131.211]). Will eine nachgeordnete Behörde namens des Kantons Beschwerde führen, hat sie ihre Vertretungsbefugnis explizit darzutun (zit. BGE, a.a.O.), sei es durch einen entsprechenden speziellen Ermächtigungsbeschluss der Kantonsregierung oder durch Angabe der sie zur Prozessführung namens des Kantons berechtigenden kantonalen Vorschriften. Die Gesundheitsdirektion durfte aufgrund der bisherigen bundesgerichtlichen Praxis davon ausgehen, dass sie in Fragen des Gesundheitswesens als zur prozessualen Vertretung des Kantons berechtigt angesehen wird (vgl. etwa Urteil 2A.505/2006 vom 29. Juni 2007; vgl. auch BGE 133 II 400 betreffend die Befugnis eines solothurnischen Departements, für den Kanton Beschwerde zu führen), weshalb im vorliegenden Verfahren von der Vorlage weiterer Belege für die Vertretungsbefugnis abgesehen wird. Für künftige Verfahren bleibt dieser Nachweis vorbehalten. (...) 2. 2.1 Gemäss Art. 2 Abs. 4 BGBM in der revidierten Fassung vom 16. Dezember 2005 (in Kraft seit 1. Juli 2006) darf eine Person, welche an einem Ort in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit rechtmässig ausübt, sich zur Ausübung dieser Tätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz niederlassen und diese Tätigkeit, unter Vorbehalt von Art. 3 BGBM , nach den Vorschriften des Ortes der BGE 135 II 12 S. 17 Erstniederlassung ausüben; dies gilt selbst nach Aufgabe der Tätigkeit am Ort der Erstniederlassung. Nach Art. 3 BGBM kann der Anspruch Ortsfremder auf freien Zugang zum Markt nach den Vorschriften des Herkunftsortes unter gewissen Voraussetzungen zur Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen des Bestimmungsortes in Form von Auflagen oder Bedingungen eingeschränkt werden. Dabei gilt aber die gesetzliche Vermutung der Gleichwertigkeit der Marktordnungen ( Art. 2 Abs. 5 BGBM ). Entsprechend dieser Ordnung sieht Art. 4 BGBM vor, dass kantonale oder kantonal anerkannte Fähigkeitsausweise zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz Geltung haben, sofern sie nicht Beschränkungen nach Art. 3 BGBM unterliegen. Ein Kernanliegen der Revision des Binnenmarktgesetzes vom 16. Dezember 2005 war die Ausdehnung des freien Marktzugangs nach Massgabe der Herkunftsvorschriften auf die gewerbliche Niederlassung, womit die berufliche Mobilität innerhalb der Schweiz weiter erleichtert und die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft gestärkt werden sollte (vgl. Botschaft vom 24. November 2004 zur betreffenden Revision, in: BBl 2005 S. 481). Die Gesetzesänderung erfolgte vor dem Hintergrund, dass es die bundesgerichtliche Rechtsprechung - zum einen mit Blick auf den damaligen Wortlaut von Art. 2 BGBM und zum anderen aus Überlegungen des territorialen Geltungsbereichs der verschiedenen kantonalen Rechtsordnungen im föderalistischen Staatssystem - abgelehnt hatte, das Herkunftsprinzip auch im Bereich der (gewerblichen) Niederlassungsfreiheit zur Anwendung zu bringen (grundlegend BGE 125 I 276 E. 4 S. 278 ff.; ferner BGE 125 I 322 E. 2 S. 324 ff.; betreffend Psychotherapeuten BGE 128 I 92 E. 3 S. 98; Urteil 2A.409/2003 vom 8. Juni 2004, E. 3; Botschaft, a.a.O., S. 472 ff.). Im Weiteren sollte mit der Revision die Ausnahmebestimmung von Art. 3 BGBM , welche unter gewissen Umständen Beschränkungen des freien Marktzugangs zulässt, enger gefasst und eine widerlegbare Vermutung der Gleichwertigkeit kantonaler und kommunaler Marktzugangsregelungen explizit im Gesetz verankert werden (Botschaft, a.a.O., S. 481 f.; vgl. zum Binnenmarktgesetz in seiner revidierten Fassung auch BGE 134 II 329 E. 5.2 und E. 6; ferner THOMAS ZWALD, Das Bundesgesetz über den Binnenmarkt, in: Thomas Cottier/Matthias Oesch [Hrsg.], Allgemeines Aussenwirtschafts- und Binnenmarktrecht, Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR] Bd. XI, 2. Aufl., Basel 2007, S. 420 ff.; KLAUS A. VALLENDER/PETER HETTICH/JENS LEHNE, BGE 135 II 12 S. 18 Wirtschaftsfreiheit und begrenzte Staatsverantwortung, 4. Aufl., Bern 2006, S. 449 ff.). 2.2 Das Verwaltungsgericht stellte im angefochtenen Entscheid die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung zur Ausübung des Psychotherapeutenberufs nach den massgeblichen Bestimmungen des Kantons Graubünden jenen des Kantons Zürich gegenüber und kam dabei zum Ergebnis, dass mit Blick auf die damit verfolgten, identischen öffentlichen Interessen (Gesundheits- bzw. Patientenschutz) von gleichwertigen Zulassungssystemen im Sinne von Art. 2 Abs. 5 BGBM auszugehen sei. In einem solchen Fall bestehe von vornherein kein Raum mehr für eine Auflage oder Bedingung gemäss Art. 3 Abs. 1 BGBM ; eine Beschränkung des durch Art. 2 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 BGBM garantierten Marktzugangs sei weder verhältnismässig noch unerlässlich (Art. 3 Abs. 1 lit. c bzw. b BGBM). 2.3 Der beschwerdeführende Kanton Zürich macht im Wesentlichen geltend, der vom Verwaltungsgericht zwischen den beiden Marktzugangsordnungen der Kantone Zürich und Graubünden angestellte "abstrakte" Vergleich entspreche nicht den Vorgaben von Art. 2 Abs. 5 BGBM . Vielmehr hätte die konkrete Qualifikation der Beschwerdegegnerin an den Zulassungskriterien des Kantons Zürich gemessen und aufgrund des Ergebnisses, dass diese Anforderungen, namentlich jene eines umfassenden psychologischen Hochschulstudiums im Hauptfach, offensichtlich nicht erfüllt seien, eine Verhältnismässigkeitsprüfung gemäss Art. 3 Abs. 1 BGBM durchgeführt werden müssen. Indem das Verwaltungsgericht dem Kanton eine solche Prüfung nicht zugestanden habe, verletze es das Binnenmarktgesetz. Ergänzend wird gerügt, das angefochtene Urteil habe die kantonalen Vorschriften über die berufsmässige selbständige Ausübung der Psychotherapie in einer dem Binnenmarktgesetz widersprechenden Weise ausgelegt und angewandt ( Art. 49 BV ). Das System der Anerkennung von Fähigkeitsausweisen für Erwerbstätigkeiten der Europäischen Gemeinschaft, welches gemäss Art. 4 Abs. 3 bis BGBM auch im innerstaatlichen Verhältnis massgeblich sei, erlaube es, die Dauer und den Inhalt der absolvierten Ausbildung zu berücksichtigen. Daraus sei abzuleiten, dass im Rahmen einer Gleichwertigkeitsprüfung mindestens die im Herkunftskanton tatsächlich angewandten Zulassungsregeln mit den im Bestimmungskanton für die Erstzulassung geltenden Zulassungsregeln verglichen werden müssten. BGE 135 II 12 S. 19 2.4 Die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts, welches die einschlägigen Zulassungsregeln gemäss bündnerischer Gesetzgebung mit jenen der zürcherischen verglich, lässt sich nicht beanstanden. Die gesetzliche Vermutung der Gleichwertigkeit von Art. 2 Abs. 5 BGBM bezieht sich auf die Marktzugangsordnungen selber, wie sie sich aus den massgeblichen generell-abstrakten Bestimmungen im kantonalen bzw. kommunalen Recht sowie der darauf gründenden Praxis ergeben, und verlöre ihren Sinn, müsste die fachliche Befähigung des Ansprechers - einem neuerlichen Zulassungsverfahren gleich - vom Bestimmungskanton abermals individuell (rück-)überprüft werden. Dies muss im Grundsatz auch dann gelten, wenn die Marktzulassung - wie vorliegend - an das Vorhandensein eines Fähigkeitsausweises im Sinne von Art. 4 BGBM anknüpft. Anders lägen die Dinge dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Ansprecher die Voraussetzungen für die seinerzeitige Erteilung des Fähigkeitsausweises bzw. die Marktzulassung im Herkunftskanton gar nie erfüllt hat oder zwischenzeitlich nicht mehr erfüllt oder die dort zuständige Behörde die betreffenden Vorgaben ihrer eigenen Zulassungsordnung systematisch missachtet. Solches ist vorliegend weder ersichtlich noch dargetan, weshalb das Verwaltungsgericht davon ausgehen durfte, dass die zuständige bündnerische Behörde die dortigen Bewilligungsanforderungen korrekt angewendet hat. Was die vom Beschwerdeführer geforderte Verhältnismässigkeitsprüfung gemäss Art. 3 Abs. 1 BGBM anbelangt, ist ihm zu entgegnen, dass gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. a BGBM eine Beschränkung des Marktzugangs von Gesetzes wegen dann als nicht verhältnismässig anzusehen ist, wenn der hinreichende Schutz überwiegender öffentlicher Interessen, welche im vorliegenden Zusammenhang vornehmlich im Schutz der öffentlichen Gesundheit zu erblicken sind, bereits durch die Vorschriften des Herkunftskantons erreicht wird. Kommt mithin die Prüfung im angefochtenen Entscheid unter Berücksichtigung der in Frage stehenden Schutzgüter zum Ergebnis, es lägen gleichwertige Marktzugangsordnungen im Sinne von Art. 2 Abs. 5 BGBM vor, so bleibt für eine zusätzliche Verhältnismässigkeitsprüfung nach dem dargelegten gesetzgeberischen Konzept kein Raum. 2.5 Das Verwaltungsgericht durfte vorliegend zulässigerweise von der Gleichwertigkeit der beiden Zulassungssysteme ausgehen. Sowohl die Bündner als auch die Zürcher Gesetzgebung sehen als Bewilligungsvoraussetzung für Psychotherapeuten eine genügende BGE 135 II 12 S. 20 Erstausbildung, eine entsprechende Spezialausbildung sowie psychotherapeutische Praxis vor (vgl. für den Kanton Graubünden Art. 29 ff. des Gesetzes vom 2. Dezember 1984 über das Gesundheitswesen in Verbindung mit Art. 15 der Verordnung vom 28. März 2006 zum Gesundheitsgesetz [im Folgenden: Gesundheitsverordnung]; für den Kanton Zürich § 22 des Gesetzes vom 4. November 1962 über das Gesundheitswesen bzw. § 27 des neuen, auf den 1. Juli 2008 in Kraft gesetzten Gesundheitsgesetzes vom 2. April 2007 in Verbindung mit §§ 1 ff. der Verordnung vom 1. Dezember 2004 über die nichtärztlichen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten). Während die beiden Zulassungssysteme bezüglich der verlangten Spezialausbildung und der psychotherapeutischen Praxis nur in untergeordneter Weise voneinander abweichen, besteht ein Unterschied hinsichtlich der Anforderungen an die Grundausbildung: Der Kanton Zürich setzt ein abgeschlossenes Psychologiestudium einschliesslich Psychopathologie an einer Schweizer Hochschule voraus, wogegen der Kanton Graubünden neben einem Studienabschluss in Psychologie auch einen solchen in einer anderen Humanwissenschaft in Verbindung mit Psychologie als Nebenfach unter Einschluss der Psychopathologie und Neurosenlehre genügen lässt. Ein Studienabschluss an einer mit den schweizerischen Hochschulen vergleichbaren ausländischen Hochschule wird vom Kanton Graubünden anerkannt (vgl. nunmehr auch § 27 Abs. 1 lit. a des neuen zürcherischen Gesundheitsgesetzes vom 2. April 2007). Sodann ist das bündnerische Gesundheitsamt ermächtigt, "in begründeten Fällen eine abweichende Grundausbildung" anzuerkennen (Art. 15 lit. a der bündnerischen Gesundheitsverordnung), was nach den einschlägigen Richtlinien des kantonalen Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartements dann ausnahmsweise möglich ist, wenn ein Hochschulabschluss nachgewiesen wird und die fehlenden Fächer im Rahmen eines Ergänzungsstudiums auf Universitäts- oder Fachhochschulniveau ergänzt wurden. Das Bundesgericht hat die Zulassungsregelung in der zürcherischen Gesundheitsgesetzgebung mit dem Erfordernis eines Hochschulstudiums in Psychologie einschliesslich Psychopathologie in Verbindung mit den übrigen Voraussetzungen als konsistente Regelung bezeichnet, die einen wirksamen Gesundheitsschutz gewährleiste. Es liess jedoch durchblicken, dass ebenso hätte in Betracht gezogen werden können, als Erstausbildung einen Hochschulabschluss geisteswissenschaftlicher Art, wie Philosophie, Pädagogik oder Theologie, genügen zu lassen, ergänzt durch eine BGE 135 II 12 S. 21 entsprechende Zusatzausbildung (vgl. BGE 128 I 92 E. 2c S. 97). Wenn der Kanton Graubünden sich für ein solches Zulassungsmodell entschieden hat, durfte das Verwaltungsgericht von einer gleichwertigen Marktzugangsordnung im Sinne von Art. 2 Abs. 5 BGBM ausgehen. Eine zusätzliche Verhältnismässigkeitsprüfung gemäss Art. 3 Abs. 1 BGBM erübrigte sich demgemäss (oben E. 2.4). Gründe des öffentlichen Interesses, welche gegenüber Inhabern der bündnerischen Berufsausübungsbewilligung das Absolvieren der verlangten Erstausbildung im Hinblick auf das im Kanton Zürich angestrebte Schutzniveau als geradezu "unerlässlich" (im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b BGBM ) erscheinen lassen würden, sind nicht ersichtlich. Bei der Abwägung des seitens des Beschwerdeführers geltend gemachten polizeilichen Interesses gegenüber dem (durch das Binnenmarktgesetz geschützten) Interesse am freien Marktzugang fällt vorliegend ausserdem ins Gewicht, dass auch verschiedene andere Kantone neben einem Hochschulstudium in Psychologie Hochschulabschlüsse mit anderen gleichwertigen Fächerverbindungen genügen lassen (vgl. die entsprechende Übersicht im erläuternden Bericht vom Mai 2005 des Bundesamts für Gesundheit zum Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die Psychologieberufe, Ziff. 1.5 S. 12 f.) und die zürcherische Regelung als sich durch "recht hohe Anforderungen" auszeichnend charakterisiert wird (vgl. UELI KIESER, Die Zulassung zur psychotherapeutischen Tätigkeit, in: AJP 2007 S. 287 f.). Hinzu kommt, dass ursprünglich auch die Regierung des Kantons Zürich den Verzicht auf die Forderung eines Hochschulabschlusses in Psychologie im Hauptfach als vertretbar erachtete und dass aufgrund der getroffenen Übergangsregelung (vgl. dazu BGE 128 I 92 E. 4 S. 99 f.) eine beträchtliche Anzahl der im Kanton praktizierenden Psychotherapeuten diese Voraussetzung heute nicht erfüllen. Ob die streitige Zulassungsvoraussetzung letztlich vor allem auf standespolitischen Überlegungen der Berufsverbände beruht, wie dies seitens der Beschwerdegegnerin geltend gemacht wird, kann dahingestellt bleiben. Es ist dem Kanton Zürich nach dem Gesagten jedenfalls zumutbar, Inhaber der bündnerischen Berufsausübungsbewilligung ohne die verlangte qualifizierte Erstausbildung zur selbständigen Berufsausübung zuzulassen. Dem Verwaltungsgericht kann nicht vorgeworfen werden, sein Entscheid beruhe auf einer unrichtigen Auslegung und Anwendung des Binnenmarktgesetzes. BGE 135 II 12 S. 22 2.6 Soweit der Kanton Zürich losgelöst von den vorstehend behandelten generellen Aspekten die individuelle Ausbildung der Beschwerdegegnerin in Frage stellt, fehlt ihm hiezu nach dem Gesagten (oben E. 1.2.2) die erforderliche Legitimation.
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2,008
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
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Urteilskopf 88 I 231 39. Sentenza 4 luglio 1962 nella causa Innovazione SA contro Consiglio di Stato del Cantone Ticino.
Regeste Art. 31 BV . Ruhezeit des Personals von Warenhäusern. Die Vorschrift, wonach einzelne Abteilungen der Warenhäuser an demjenigen Halbtag zu schliessen sind, an dem die die entsprechende und nur diese Warengattung führenden Geschäfte geschlossen sein müssen, lässt sich nicht mit dem Gebot der rechtsgleichen Behandlung begründen, wenn der für die gleichzeitige Schliessung aller Abteilungen des Warenhauses vorgeschlagene Halbtag für jene Geschäfte keine ungerechtfertigte Konkurrenz zur Folge hat.
Sachverhalt ab Seite 232 BGE 88 I 231 S. 232 A.- L'art. 34 cpv. 1 della legge ticinese sul lavoro dell'11 maggio 1953 (LL) dispone quanto segue: "I lavoratori occupati nelle aziende sottoposte alla presente legge ... hanno diritto, oltre al riposo settimanale prescritto, ad una mezza giornata di riposo la settimana, possibilmente il pomeriggio del sabato, o ad un intero giorno di riposo ogni due settimane." Nell'art. 56 LL sono disciplinati il riposo nei giorni festivi, gli orari giornalieri di chiusura e le relative eccezioni. Il capoverso 10 del medesimo articolo dispone che "Durante i giorni e gli orari in cui determinate categorie di negozi devono rimanere chiusi, è vietata la vendita di articoli dei rispettivi generi in ogni negozio o ramo di commercio annesso ad altra azienda e cosi pure negli spacci ad aria aperta. Salvo contraria disposizione è pure vietata la distribuzione di merci a domicilio." Con evidente riferimento anche alla mezza giornata di riposo feriale ed in deroga alla regola del sabato pomeriggio di cui all'art. 34 cpv. 1, l'art. 57 LL stabilisce quanto segue: "1 Il Consiglio di Stato, su proposta di associazioni o di gruppi di titolari di azienda, può, mediante speciale decreto, stabilire orari di apertura e modificare gli orari di chiusura previsti dall'art. 56 e dichiarare obbligatoria la chiusura di aziende in una mezza giornata ogni settimana, in determinati comuni, o parti di comuni, o in tutto il Cantone. 2 La domanda di deroga alla legge deve specificare il campo di applicazione aziendale e territoriale del proposto ordinamento ed essere firmata dai proprietari, amministratori o gerenti responsabili delle aziende. BGE 88 I 231 S. 233 3 Le proposte sono pubblicate sul Foglio ufficiale del Cantone. Nel termine di trenta giorni può essere presentata opposizione da chiunque giustifichi un legittimo interesse." Con decreto 14 giugno 1960, il Consiglio di Stato, accogliendo un'istanza dell'Associazione cantonale macellai e salumieri, stabiliva nel pomeriggio del lunedì la chiusura contemporanea di tutti i negozi di macelleria del Cantone e, il 15 luglio dello stesso anno, decretava la stessa misura per i negozi degli altri generi alimentari. B.- Nell'autunno del 1961, la Innovazione SA, che fa parte dell'Associazione dei grandi magazzini svizzeri e gerisce in diversi comuni dei negozi con spacci di merce di diverso genere, aggiungeva al negozio di Bellinzona il reparto della macelleria e salumeria e quello dei generi alimentari. Il 10 ottobre 1961, al fine di uniformare la chiusura di questi due reparti a quella già praticata in tutto il Cantone per i reparti tradizionali, instava presso il Dipartimento delle opere sociali per ottenere che, in deroga alla regola stabilita su proposta dei commercianti medi, le fosse concesso di regolare il riposo feriale, chiudendo anche questi due reparti al mattino del lunedì e riaprendoli con il resto del negozio nel pomeriggio. Il Dipartimento rispondeva il 16 ottobre 1961, dichiarando che si era sempre attenuto alla disposizione dell'art. 57 LL, ma che, in via di massima, non si opponeva alla richiesta deroga; si riservava tuttavia di interpellare in proposito le associazioni interessate. Con lettera del 4 novembre 1961 riconosceva "che la chiusura dei negozi il lunedì mattina - oltre a rispettare l'osservanza della mezza giornata di riposo settimanale - incontra l'adesione del personale, il quale può così contare su una giornata e mezza di riposo consecutivo". Ed aggiungeva: "Sotto questo aspetto ed anche tenendo conto del fatto che, per ragioni organizzative, l'Innovazione SA deve prendere una misura uniforme per tutti i negozi, la vostra richiesta può essere accolta." Il Dipartimento dichiarava di comprendere le preoccupazioni che avevano indotto l'Associazione dettaglianti BGE 88 I 231 S. 234 alimentari ticinesi (ASDA) a dare avviso contrario, ma esprimeva il parere "che i vantaggi che i negozianti di Bellinzona dovrebbero avere dalla chiusura dell'Innovazione SA, il lunedì mattina siano superiori agli svantaggi dell'apertura pomeridiana". Pertanto non si opponeva a sperimentare la soluzione proposta. Si riservava comunque di riesaminare la pratica qualora gli inconvenienti temuti dall'ASDA fossero risultati fondati. Già il 16 novembre 1961, il Dipartimento, vista la reazione negativa dell'ASDA, intimava alla Innovazione SA di rispettare le disposizioni dei decreti esecutivi 14 giugno e 4 novembre 1960 e di chiudere i reparti di generi alimentari, macelleria e salumeria il pomeriggio del lunedì. Richiamava, in particolare, il capoverso 10 dell'art. 56 LL ed aggiungeva di non poter concedere deroghe a favore di una singola azienda. C.- Il 13 febbraio 1962, il Consiglio di. Stato ha confermato, su ricorso dell'Innovazione SA, la suesposta decisione. Esso ha fatto rilevare la necessità di garantire la medesima situazione commerciale e di concorrenza a tutti gli interessati della categoria. Se la domanda dell'Innovazione SA fosse stata accolta, gli altri negozi risulterebbero svantaggiati dal fatto che uno spaccio di merce risulterebbe aperto mentre tutti gli altri negozi che vendono lo stesso genere di merce sono chiusi. Il pubblico non sarebbe più obbligato a ripartire i propri acquisti in tutti i negozi della categoria. Per contro, la chiusura degli spacci di macelleria e dei generi alimentari, contemporanea a quella degli altri negozi di tali generi, non provocherebbe difficoltà insormontabili alla Innovazione SA, questa non disponendo di personale specializzato e potendo trasferire ad altri compiti gli addetti al reparto temporaneamente chiuso. La sentenza inedita del 10 febbraio 1949 Meyer e cc. contro Comune di Berna, invocata dalla ricorrente e con la quale la fissazione del riposo feriale nei grandi magazzini è stato stabilito in una mezza giornata diversa da quella fissata per gli altri dettaglianti non è stata considerata arbitraria, non escluderebbe BGE 88 I 231 S. 235 una diversa regolamentazione se fondata - come in concreto - su diverse condizioni di fatto. Lo stesso Tribunale federale avrebbe ammesso chel'autorità esecutiva puo scostarsi dalla giurisprudenza quando motivi non insostenibili lo giustificano (RU 73 I 188). D.- La Innovazione SA ha tempestivamente interposto al Tribunale federale un ricorso di diritto pubblico, con il quale domanda che la suesposta decisione venga annullata e che, in conseguenza, le sia riconosciuta la facoltà di sostituire, anche per gli spacci della carne e degli altri generi alimentari, la chiusura feriale del lunedì pomeriggio con quella del mattino. Le sue motivazioni possono essere riassunte come segue. Le ammissioni contenute nelle lettere 16 ottobre e 4 novembre 1961 del Dipartimento delle opere sociali dimostrano che l'impugnata decisione non è fondata su necessità di controllo o di polizia, che l'Innovazione SA è stata indotta a proporre una deroga alla chiusura pomeridiana per ragioni oggettive e che la chiusura del lunedì mattina è desiderata dal personale interessato. Nel breve periodo dal 4 al 16 novembre non ha certamente potuto verificarsi alcun inconveniente suscettibile di giustificare la revoca dell'autorizzazione già concessa. In realtà, il Dipartimento non ha fatto altro che cedere alle pressioni dell'ASDA e non ha neppure esaminato i motivi che inducono a sottoporre la questione del riposo feriale nei grandi magazzini ad una speciale regolamentazione, analoga a quella stabilita nella città di Berna e la cui validità è stata riconosciuta dal Tribunale federale. La sentenza pubblicata nella RU 73 I 188, richiamata dal Consiglio di Stato, non è pertinente alla fattispecie in esame. In tale occasione, il Tribunale federale si è limitato a stabilire gli estremi dell'arbitrio, mentre in concreto occorre giudicare se una determinata decisione violi una precisa norma costituzionale (art. 31 CF). Il riposo feriale è stato istituito unicamente nell'interesse dei lavoratori. La proposta dell'Innovazione SA soddisfa questo scopo ed è BGE 88 I 231 S. 236 anzi più conforme all'interesse dei lavoratori di quanto lo sia la regolamentazione predisposta dall'autorità cantonale. Non è vero che, stabilendo nei grandi magazzini il riposo feriale al mattino anzichè al pomeriggio, si verifichi, nei confronti degli altri commercianti, una disparità di trattamento, perchè - come ha riconosciuto anche l'autorità cantonale - il mattino del lunedì è più vantaggioso del pomeriggio per le vendite. L'asserzione del Consiglio di Stato, secondo cui l'Innovazione SA avrebbe la possibilità di impiegare in altri reparti il personale occupato nei reparti degli alimentari e della macelleria, è assurda, la specializzazione essendo una caratteristica propria dei grandi magazzini. L'impugnata decisione è stata presa in violazione della libertà di commercio (art. 31 CF) ed espone la ricorrente ad un'arbitraria disparità di trattamento (art. 4 CF). E.- Il Consiglio di Stato, al quale il ricorso è stato intimato per la risposta, non ha presentato le sue osservazioni. Erwägungen Considerando in diritto: 1./2. - ... 3. Le disposizioni che regolano il riposo dei lavoratori, la chiusura e l'apertura dei negozi costituiscono prescrizioni di polizia intese a proteggere l'ordine pubblico e la salute pubblica e sono, pertanto, riservate ai cantoni (RU 87 I 447/48 lett. a e riferimenti). Nell'art. 31 cpv. 2 CF è tuttavia ribadito il principio che anche in questa materia le disposizioni cantonali non devono portare pregiudizio alla libertà di commercio e di industria. Ciò significa che, nell'emanare ed applicare dette disposizioni, i cantoni devono astenersi da ogni restrizione che non sia indispensabile, vale a dire sproporzionata, allo scopo perseguibile mediante dette norme di polizia. Inoltre la libera concorrenza, che è implicita nella libertà di commercio, presuppone l'uguaglianza di trattamento e quindi il divieto di creare vantaggi a favore di alcuni ed a detrimento di altri (RU 87 I 448 lett. b e riferimenti). La BGE 88 I 231 S. 237 relativa contestazione, che la ricorrente ha fondato sull'art. 4 CF, si confonde pertanto con quella riferita all'art. 31 CF. a) In principio, il riposo feriale stabilito all'art. 34 cpv. 1 LL potrebbe essere attuato anche lasciando alle singole aziende la facoltà di fissarne le modalità di applicazione. Tuttavia, la chiusura contemporanea dei negozi della stessa categoria si giustifica al fine di facilitare i controlli di polizia e particolarmente per porre tutte le aziende - grandi e piccole - nelle stesse condizioni di concorrenza. Altrimenti, i piccoli negozianti che dispongono di personale limitato sarebbero in condizione di realizzare il riposo feriale solo chiudendo il negozio, mentre le grandi aziende potrebbero raggiungere lo stesso risultato stabilendo dei turni di riposo fra i loro dipendenti (RU 73 I 100; sentenza inedita 10 febbraio 1949 Meyer e cc. c. città di Berna). Comunque, in concreto il principio della chiusura contemporanea dei negozi di una determinata categoria non è in discussione. La ricorrente contesta soltanto l'obbligo di procedere alla chiusura di determinati spacci, unilateralmente proposto e stabilito per i negozi che vendono una sola specie di merce. Essa pretende inoltre di poter soddisfare il suo obbligo legale, provvedendo alla chiusura simultanea di tutti i suoi reparti. In realtà, dalla regolamentazione stabilita nell'impugnata decisione derivano alla ricorrente degli svantaggi che risulterebbero ancora più evidenti se il sistema istaurato dall'autorità cantonale per gli spacci degli alimentari e della carne, si generalizzasse e - come è il caso per altre categorie di lavoratori - fosse istituita, invece della mezza giornata, la giornata intera di riposo feriale. Potrebbe infatti succedere che per una buona parte della settimana, il grande magazzino sia posto nell'impossibilità di tenere aperti tutti i reparti o che in alcuni giorni sia costretto a chiuderne la metà. Ciò eliminerebbe notevolmente i vantaggi organizzativi che costituiscono la ragione d'essere del grande magazzino e quelli che con il medesimo si intende offrire alla clientela, nel darle la possibilità, passando da reparto a reparto, di rifornirsi in una sola volta BGE 88 I 231 S. 238 e con risparmio di tempo di ogni genere di merce desiderata. L'asserzione esposta nell'impugnata decisione, secondo cui il grande magazzino potrebbe impiegare in altri reparti il personale di quelli temporaneamente chiusi, è insostenibile, perchè la mezza giornata di riposo è fuori discussione e perchè, in genere, il personale specializzato in un reparto non può essere utilmente adibito in un altro. Ciò stante, detto sistema, se generalizzato, snaturerebbe il grande magazzino e potrebbe se non eliminare, perlomeno gravemente ostacolare una forma di negozio lecita e, pertanto, protetta dall'art. 31 CF. Ma anche nella limitata applicazione che ne è fatta nell'impugnata decisione con l'obbligo di chiudere alcuni spacci nel pomeriggio del lunedì mentre gli altri sono aperti, creerebbe gravi inconvenienti che potrebbero, tutt'al più, essere imposti alla ricorrente se il principio dell'uguaglianza di trattamento non potesse essere tutelato in altro modo. b) L'uguaglianza di trattamento può essere violata non solo escludendo da una determinata regolamentazione dei singoli interessati in analoghe condizioni, ma anche imponendo la stessa regolamentazione a persone o enti in condizioni sostanzialmente diverse. La regola stabilita nell'impugnata decisione realizza l'uguaglianza di trattamento soltanto fra i commercianti che si limitano a vendere delle merci di un unico genere. Infatti, nelle condizioni fissate dall'autorità cantonale, solo questi possono chiudere interamente il loro negozio e dedicare il loro tempo esclusivamente a speciali lavori organizzativi o al riposo. Gli stessi vantaggi sarebbero assicurati agli organi direttivi dei grandi magazzini soltanto stabilendo anche per il loro negozio una mezza giornata di chiusura totale, come previsto nell'analogo regolamento della città di Berna che il Tribunale federale ha riconosciuto come non lesivo dell'art. 31 CF (Sentenza inedita 10 febbraio 1949 Meyer e cc. c. Città di Berna). Invece la regolamentazione controversa non tiene conto delle suesposte diverse situazioni e inoltre non soddisfa all'uguaglianza di trattamento anche perchè è stata fatta dipendere, in modo praticamente BGE 88 I 231 S. 239 esclusivo, dall'opinione di uno solo dei due diversi gruppi di commercianti interessati. D'altronde, l'impugnata decisione non trova sufficiente fondamento neppure nella preoccupazione di impedire che fgrandi magazzini profittino dell'apertura pomeridinaa del lunedì per sottrarre clienti alle macellerie ed ai negozi di generi alimentari, perchè i vantaggi che eventualmente potrebbero derivare dall'apertura pomeridiana possono essere compensati, scegliendo per la chiusura dei grandi magazzini - come peraltro, per diverse ragioni, ha fatto la ricorrente proponendo il lunedì mattina - la mezza giornata più favorevole alle vendite dei suindicati generi di commercio. È accertato che i macellai, i salumieri e i commercianti in generi alimentari hanno proposto la chiusura pomeridiana del lunedì perchè la meno favorevole alle vendite; essi hanno infatti considerato che, dopo la chiusura domenicale, le famiglie provvedono già al mattino ad acquistare il loro fabbisogno della giornata ed eventualmente, per certi generi di merce, anche di tutta la settimana. La proposta della ricorrente che - come ha riconosciuto anche l'autorità cantonale - soddisfa in modo migliore i desideri del personale e le esigenze del riposo settimanale, non può quindi essere stata dettata dall'intenzione di svolgere una concorrenza irregolare e non si presta a siffatti scopi. Ne consegue che l'obbligo di chiusura di una parte degli spacci dell'Innovazione SA nel pomeriggio del lunedì, non solo non si impone per soddisfare l'esigenza dell'uguaglianza di trattamento, ma piuttosto la trasgredisce. I gravi intralci frapposti con l'impugnata decisione al commercio della ricorrente sono pertanto ingiustificati e violano, quindi, la libertà di commercio garantita dall'art. 31 CF. Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: Il ricorso è accolto e l'impugnata decisione è annullata.
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1,962
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Urteilskopf 100 V 187 47. Extrait de l'arrêt du 4 octobre 1974 dans la cause Wannier contre Caisse de compensation du canton de Berne et Tribunal des assurances du canton de Berne
Regeste Verweigerung der Rente ( Art. 28 und 31 Abs. 1 IVG ). - Über den Anspruch des Versicherten, der eingliederungsfähig ist und auf Eingliederungsmassnahmen wartet (Präzisierung der Rechtsprechung). - Umstände, unter denen vor Durchführung der Sanktion nicht notwendigerweise konkrete Eingliederungsmassnahmen anzuordnen sind.
Sachverhalt ab Seite 187 BGE 100 V 187 S. 187 A.- Joseph Wannier, né en 1934, célibataire, est l'aîné d'une famille de sept enfants. Il exploite avec son frère, né en 1935, qui est fort physiquement mais handicapé mentalement, et avec sa mère, âgée de 67 ans, un domaine agricole appartenant à la famille depuis plusieurs générations. Joseph Wannier souffre du dos. En mars 1968, il requit de l'assurance-invalidité des mesures médicales et une rente, qui lui furent refusées par décision du 24 juillet 1969, confirmée le 4 février 1970 par la juridiction cantonale. Le 19 mai 1971, la Caisse de compensation du canton de Berne lui accorda des moyens auxiliaires mais lui refusa une rente. Le 17 juillet 1971, il demanda que son cas fût reconsidéré, parce que son état de santé s'aggravait constamment. A la requête de la BGE 100 V 187 S. 188 Commission cantonale bernoise de l'assurance-invalidité, il fit l'objet d'un examen à la Clinique et policlinique orthopédique de l'Université de Berne. Dans leur rapport du 17 septembre 1971, les docteurs W. et H. diagnostiquèrent des douleurs dorsales chroniques provoquées par une ostéochondrose et une spondylose de la colonne dorsale, par les séquelles d'un Scheuermann dorso-lombaire, par une légère scoliose du haut de la colonne dorsale, ainsi que par une légère spondylarthrose de la colonne lombaire. Ils évaluèrent à 30% l'incapacité fonctionnelle résultant de ces affections. Le 9 juin 1972, l'Office régional de réadaptation professionnelle estima à plus de 50% l'entrave subie par l'assuré, du fait de son infirmité, dans son activité lucrative, y compris la direction du domaine. De son côté, le 9 octobre 1972, le Service de comptabilité agricole de la Direction des finances du canton de Berne parvint à la conclusion que le requérant gagnerait 4215 francs par an, au lieu de 2152 francs, s'il n'était pas infirme; il ajouta qu'au regard de son handicap le requérant était à peine apte à 50% à une activité agricole. Par décision du 2 avril 1973, la caisse de compensation précitée alloua à l'assuré une demi-rente simple d'invalidité de 235 francs par mois depuis le 1er mars 1972. Cependant, dans un rapport du 14 février 1973, l'Office régional avait constaté que, dans une profession moins pénible que celle de paysan, l'assuré obtiendrait un rendement de plus de 50%, que l'assuré le reconnaissait mais qu'il refusait d'abandonner le domaine familial, parce que sa mère et son frère ne pourraient l'exploiter seuls. Fondée sur l'art. 31 LAI, la caisse supprima alors la demi-rente dès le 31 mai 1973 et le notifia à l'assuré le 9 mai 1973. B.- Joseph Wannier recourut contre la décision du 2 avril 1973, en concluant à ce que la demi-rente lui fût octroyée depuis le 30 mars 1968, date de sa première demande de prestations, et contre la décision du 9 mai 1973, en concluant au maintien de la demi-rente. Le 26 octobre 1973, le Tribunal des assurances du canton de Berne rejeta le premier recours, admit le second et retourna le dossier à l'administration afin qu'elle poursuivît l'étude d'une éventuelle réadaptation et que - le cas échéant - elle fit à ce sujet au recourant une proposition concrète, assortie d'une menace de la sanction prévue par l'art. 31 LAI. BGE 100 V 187 S. 189 C.- Agissant au nom de Joseph Wannier, Me B. a formé en temps utile un recours de droit administratif contre le jugement cantonal... L'Office fédéral des assurances sociales estime que la seule informalité commise par l'administration serait d'avoir supprimé la rente sans sommation préalable. Erwägungen Extrait des considérants: 3. Selon l'art. 17 al. 1 LAI, l'assuré a droit au reclassement dans une nouvelle profession, si son invalidité rend cette mesure nécessaire et que sa capacité de gain puisse ainsi, selon toute vraisemblance, être sauvegardée ou améliorée de manière notable. Le reclassement est une mesure de réadaptation. A ce titre, il constitue pour l'assuré non seulement un droit mais encore une obligation: l'ayant-droit a le devoir de faciliter les mesures prises en faveur de sa réintégration dans la vie professionnelle (art. 10 al. 2 LAI). La réadaptation est le premier but de l'assurance-invalidité: ce n'est que lorsque ce but ne peut être atteint que le droit à une rente prend naissance (art. 28 al. 2 LAI et nombreux arrêts du Tribunal fédéral des assurances, par exemple RCC 1972, p. 697). Il n'est possible d'accorder une rente provisoire, en attendant l'exécution d'une mesure de réadaptation, que lorsque l'état de santé de l'assuré ne permet pas encore ladite exécution (RCC 1971, p. 429; 1970, p. 400). Dans l'arrêt RCC 1971, p. 429, le Tribunal fédéral des assurances a même dénié à l'assuré le droit à une telle rente dans l'hypothèse où l'administration tarderait à mettre la réadaptation en oeuvre, ne réservant à un examen ultérieur que les cas de faute manifeste des organes de l'assurance ou de situation particulièrement pénible. Il a laissé indécise la question de l'effet d'une faute de l'administration dans l'arrêt non publié Maulà du 15 juin 1973 - où l'Office fédéral des assurances sociales proposait d'accorder une demi-rente provisoire -, parce que l'assuré avait refusé de se soumettre à une mesure de réadaptation exigible. Enfin, suivant l'art. 31 al. 1 LAI, si l'assuré se soustrait ou s'oppose à des mesures de réadaptation auxquelles on peut raisonnablement exiger qu'il se soumette et dont il est permis d'attendre une amélioration notable de sa capacité de gain, la BGE 100 V 187 S. 190 rente lui est refusée temporairement ou définitivement. Selon une jurisprudence bien établie, la sanction de l'art. 31 al. 1 LAI n'est applicable qu'à l'assuré auquel l'administration a notifié au préalable une sommation écrite, en l'avertissant des conséquences de sa rénitence et en lui impartissant un délai de réflexion (RO 97 V 173; ATFA 1968, p. 293, 1964, p. 28). Il faut en outre que l'administration ait proposé à l'assuré une mesure concrète de réadaptation (RO 97 V 173). 4. L'administration n'a pas notifié de sommation conforme à la jurisprudence précitée avant de supprimer la demi-rente d'invalidité qu'elle venait d'accorder à Joseph Wannier. Les premiers juges et l'Office fédéral des assurances sociales s'accordent à dire que, pour ce motif, la décision du 9 mai 1973 doit être annulée et la cause, renvoyée aux organes de l'assurance afin qu'ils réparent l'omission critiquée. Cette opinion est, en soi, bien fondée. De plus, le Tribunal des assurances du canton de Berne voudrait, en se référant à la pratique de la Cour de céans, que le recourant soit sommé de se soumettre à une mesure concrète de réadaptation, tandis que l'Office fédéral des assurances sociales estime inutile d'étudier et de déterminer une telle mesure alors que l'intéressé déclare d'ores et déjà ne vouloir quitter ni les travaux de la terre ni le domaine paternel. Le Tribunal fédéral des assurances s'est demandé dans un arrêt non publié Baillif du 28 mai 1970, sans d'ailleurs répondre à la question, si l'administration doit proposer des mesures concrètes de réadaptation, avant d'appliquer l'art. 31 LAI, quand elle sait d'avance que l'assuré les rejettera. La solution dépend des circonstances; lorsqu'il existe certainement une possibilité concrète et convenable de réadaptation et que l'assuré est bien décidé à ne pas en user, il semble effectivement inutile d'organiser dans les détails l'exécution de la mesure. En l'occurrence, la seconde de ces conditions est réalisée: le recourant refuse toute réadaptation. Mais la première ne l'est pas: il n'est nullement certain qu'il existe une possibilité concrète de réadapter avec succès dans une autre profession cet agriculteur de 40 ans, malade du dos, qui dès l'enfance n'a jamais travaillé qu'à la ferme. Le fait qu'il ait admis lui-même qu'il aurait une plus grande capacité de gain s'il exerçait un métier moins pénible ne prouve pas qu'une telle occupation soit vraiment à sa portée. L'exigence exprimée dans le jugement cantonal, que l'administration BGE 100 V 187 S. 191 somme le recourant d'agréer une mesure de réadaptation concrète, est ainsi justifiée. Mais l'assuré va plus loin; il voudrait que l'assurance-invalidité renonce à toute mesure de réadaptation, ce qui exclurait totalement l'application de l'art. 31 LAI. Cette conclusion ne pourrait être admise que s'il était établi que la profession actuelle de l'infirme est celle qui lui permet de retirer le gain maximum de sa capacité de travail résiduelle. Tel n'est pas le cas dans l'état actuel de l'instruction, que précisément il importe de compléter, afin de déterminer si un changement de profession, et le cas échéant lequel, est apte à réduire le taux de l'invalidité. Le recourant estime ne pouvoir accepter d'abandonner le domaine, parce qu'entre son frère, handicapé mentalement, et lui, handicapé physiquement, ainsi qu'avec le concours de leur mère, ils arrivent tout juste à maintenir l'exploitation, en attendant qu'un neveu ait l'âge de la reprendre. Cependant, il n'est pas nécessaire de décider aujourd'hui si, dans des circonstances pareilles, un reclassement pouvait raisonnablement être exigé de l'assuré: l'administration examinera cette question si elle arrive à la conclusion que des possibilités pratiques de reclassement existent en l'occurrence. 5. Reste à savoir si la caisse de compensation avait le droit, le 2 avril 1973, d'accorder une demi-rente au recourant alors qu'une réadaptation n'était pas exclue, qu'elle était même prévue, mais qu'elle n'avait pas encore fait l'objet d'une instruction. Suivant les arrêts cités au considérant 3 ci-dessus, cela n'était envisageable que si l'administration avait tardé par une faute manifeste à mettre en oeuvre le processus de la réadaptation, ou que la situation financière de l'assuré fût particulièrement pénible. Saisie de la question, la Cour plénière a acquis la conviction que l'octroi d'une rente provisoire dans l'une et l'autre des deux hypothèses susmentionnées est vraiment indiqué; il sied donc de préciser la jurisprudence dans ce sens.
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Urteilskopf 136 V 225 27. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit social dans la cause L. contre M. (recours en matière de droit public) 9C_388/2009 du 10 mai 2010
Regeste Art. 122, 124 und 142 Abs. 2 ZGB ; Art. 25a Abs. 1 FZG ; Unmöglichkeit einer Teilung der Austrittsleistung bei Scheidung. Stellt der Berufsvorsorgerichter fest, dass eine Teilung der Austrittsleistung im Sinne von Art. 122 ZGB wegen eines eingetretenen Vorsorgefalls nicht mehr möglich ist, muss er die Sache von Amtes wegen an den wiederum zuständigen Scheidungsrichter überweisen (E. 5.3). Dieser ist gehalten, das Instruktionsverfahren hinsichtlich der Frage der beruflichen Vorsorge wiederaufzunehmen und, nach Anhörung der Parteien, in diesem Punkt einen neuen Entscheid zu fällen (E. 5.5).
Sachverhalt ab Seite 226 BGE 136 V 225 S. 226 A. L. et M. se sont mariés en 1986. Par jugement du 6 novembre 2008, devenu définitif et exécutoire le 16 décembre 2008, la 2 e Chambre du Tribunal de première instance de la République et canton de Genève a prononcé le divorce des époux. Sous chiffre 5 du dispositif, elle a pris acte que les ex-conjoints avaient convenu de partager par moitié la totalité de leurs avoirs de prévoyance professionnelle accumulée pendant le mariage, et transmis le dossier au Tribunal cantonal des assurances sociales de la République et canton de Genève afin d'établir le montant respectif des avoirs de prévoyance et d'exécuter le partage de la différence entre les deux créances. B. Constatant que M. était bénéficiaire depuis le mois de janvier 2008 de prestations provisoires de la Caisse de prévoyance du personnel enseignant de l'instruction publique et des fonctionnaires de l'administration du canton de Genève (ci-après: la CIA), le Tribunal cantonal des assurances sociales a, par jugement du 12 mars 2009, considéré que le partage des avoirs de prévoyance professionnelle ordonné par le juge du divorce était impossible, invité les ex-époux à saisir le juge du divorce d'une demande d'indemnité équitable et rayé la cause du rôle. C. L. a interjeté un recours en matière de droit public contre ce jugement dont elle a demandé l'annulation. Elle a conclu à la condamnation de la CIA au versement sur son compte de libre passage de la somme de 55'936 fr. 75. M. a conclu au rejet du recours. De son côté, l'Office fédéral des assurances sociales a proposé l'admission du recours et le renvoi de la cause à la juridiction cantonale pour qu'elle exécute le partage. D. Le 23 avril 2010, la II e Cour de droit civil et la II e Cour de droit social du Tribunal fédéral ont tenu une séance commune conformément à l' art. 23 al. 2 et 3 LTF . Le Tribunal fédéral a, sur le fond, rejeté le recours. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 5. Lorsque le juge des assurances sociales constate que le partage des prestations de sortie ordonné par le juge du divorce est impossible et que cette impossibilité correspond à un motif d'allouer une indemnité équitable au sens de l' art. 124 al. 1 CC , il ne doit, en principe, pas entrer en matière sur la requête de partage. BGE 136 V 225 S. 227 5.1 La jurisprudence du Tribunal fédéral relative à la procédure à suivre dans ces circonstances n'est pas uniforme. Des arrêts indiquent qu'il convient de renvoyer l'affaire au juge du divorce comme objet de sa compétence, sans toutefois donner plus de détails sur la procédure à suivre (arrêt B 107/06 du 7 mai 2007 consid. 4.2.2, in SVR 2007 BVG n° 42 p. 151; voir également arrêt B 104/05 du 21 mars 2007 et ATF 129 V 444 consid. 5.4 in fine p. 449; en outre RJB 143/2007 p. 644 ss). D'autres arrêts, plus récents, précisent que le jugement de divorce doit faire en principe l'objet d'une demande de révision (arrêts 9C_691/2009 du 24 novembre 2009 consid. 2, non publié in ATF 135 V 436 ; et 9C_899/2007 du 28 mars 2008 consid. 5.2, in FamPra.ch 2008 p. 654; voir également ATF 134 V 384 consid. 4.1 in initio p. 388 et ATF 132 III 401 consid. 2.1 p. 402). Cependant, dans une jurisprudence plus ancienne, le Tribunal fédéral a également évoqué la possibilité de demander le complètement du jugement de divorce ( ATF 129 III 481 consid. 3.6.3 p. 492). 5.2 La doctrine n'est pas non plus totalement unanime à ce propos. Si la majorité des auteurs considère que l'impossibilité d'exécuter le partage des prestations de sortie constitue un motif de révision du jugement de divorce (HERMANN WALSER, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, tome I, 3 e éd. 2006, n° 7 ad art. 124 CC ; BAUMANN/LAUTERBURG, in Scheidung, FamKomm, 2005, n° 5 ad art. 142 CC ; HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2005, p. 452 n. 1209; THOMAS GEISER, Zur Frage des massgeblichen Zeitpunkts beim Vorsorgeausgleich, FamPra.ch 2004 p. 312; UELI KIESER, Ehescheidung und Eintritt des Vorsorgefalles der beruflichen Vorsorge - Hinweise für die Praxis, PJA 2001 p. 158; GRÜTTER/SUMMERMATTER, Erstinstanzliche Erfahrungen mit dem Vorsorgeausgleich bei Scheidung, FamPra.ch 2002 p. 649; SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, 1999, n° 10 ad art. 124 CC ; SCHNEIDER/BRUCHEZ, La prévoyance professionnelle et le divorce, in Le nouveau droit du divorce, 1999, p. 260 n. 4.6.5.3.2), il se trouve un auteur qui y voit plutôt un moyen de demander le complètement du jugement de divorce (SUZETTE SANDOZ, Prévoyance professionnelle et divorce, in Le droit du divorce: Questions actuelles et besoin de réforme, 2008, p. 44). 5.3 A l'occasion de leur séance commune du 23 avril 2010, la II e Cour de droit civil et la II e Cour de droit social ont examiné cette question et sont arrivées aux conclusions suivantes: BGE 136 V 225 S. 228 5.3.1 La garantie d'une prévoyance vieillesse, survivants et invalidité appropriée est d'intérêt public. Il appartient donc, en principe, au juge du divorce de statuer d'office sur les aspects liés à la prévoyance professionnelle, conformément aux règles des art. 122 à 124 CC. Contrairement aux autres effets accessoires du divorce, la question des aspects liés à la prévoyance professionnelle n'est pas toujours réglée de façon définitive dans le jugement de divorce. Selon les circonstances, le juge du divorce peut être tenu de transférer le dossier au juge des assurances sociales compétent en vertu de la LFLP (RS 831.42) pour que celui-ci exécute le partage ordonné par le premier ( art. 142 al. 2 CC ; voir également l'art. 281 al. 3 du Code de procédure civile suisse du 19 décembre 2008 [CPC; RO 20101739], en vigueur à compter du 1 er janvier 2011). Autrement dit, la procédure de divorce comporte une phase ultérieure, prévue par le droit matériel, qui stipule l'intervention d'une autre autorité judiciaire chargée de fixer le montant à transférer. Dans cette situation, l'examen matériel du litige ne se termine pas par le jugement de divorce, mais se poursuit au-delà de celui-ci. L'intervention du juge des assurances sociales est destinée à parfaire le jugement de divorce. 5.3.2 Le système bicéphale voulu et adopté par le législateur peut cependant engendrer deux décisions contradictoires, lorsque le juge des assurances sociales constate que le partage des prestations de sortie ordonné par le juge du divorce est impossible. En s'opposant à l'exécution du jugement de divorce, le juge des assurances sociales met en même temps en évidence l'existence d'une imperfection dans ledit jugement, puisque celui-ci ne permet pas de régler une question, à savoir le sort de la prévoyance professionnelle constituée pendant la durée du mariage, qui doit l'être nécessairement en vertu du droit fédéral (cf. ATF 104 II 289 ; SPÜHLER/FREI-MAURER, in Berner Kommentar, tome II, Das Familienrecht, 1991, n os 87 ss des remarques préliminaires aux anciens art. 149-157 CC ). Or, le jugement de divorce n'est complet que s'il est entièrement exécutable, ce qui n'est pas le cas lorsque la question des aspects liés à la prévoyance professionnelle demeure indécise. Le juge des assurances sociales n'ayant pas la faculté de statuer sur l'octroi d'une indemnité équitable au sens de l' art. 124 CC ( ATF 129 V 444 consid. 5.4 p. 449; cf. infra consid. 5.4), il revient au juge du divorce de compléter le jugement de divorce. 5.3.3 La procédure prévue à l' art. 142 al. 2 CC et dans la LFLP cantonne les conjoints divorcés dans un rôle passif, puisqu'ils n'ont BGE 136 V 225 S. 229 aucune prise sur la transmission du dossier au juge des assurances sociales ou sur la décision de celui-ci de ne pas exécuter le partage. Dans ce contexte, exiger de leur part un acte matériel, tel que le dépôt d'un acte introductif d'instance, ne semble guère rationnel. D'ailleurs, la correction du jugement de divorce par le biais des actions prévues par le droit civil (révision, complètement ou modification du jugement de divorce) n'apparaît pas souhaitable, puisque cela permettrait aux parties de décider si elles entendent agir ou non. Or, en cas d'inaction des parties, le risque existe qu'une question que le législateur exige de régler impérativement dans le contexte d'un divorce, à savoir le sort de la prévoyance professionnelle constituée pendant la durée du mariage, demeure sans réponse. Pareille situation ne serait alors pas conforme à la volonté du législateur fédéral. Dans ces conditions, en tant que l' art. 142 al. 2 CC impose la transmission d'office du jugement de divorce au juge des assurances sociales pour qu'il exécute le partage des prestations de sortie, il convient d'admettre que cette disposition contient également l'obligation implicite pour le juge des assurances sociales de renvoyer d'office la cause à la juridiction civile, comme objet de sa compétence, lorsqu'il constate l'impossibilité d'exécuter le mandat qui lui a été confié par le juge du divorce. Le renvoi d'office au juge du divorce est la conséquence logique et nécessaire du système particulier mis en place par le législateur à l' art. 142 al. 2 CC . 5.4 Dans la cause ayant donné lieu à l'arrêt publié aux ATF 134 V 384 , le Tribunal fédéral a considéré que rien ne s'opposait à ce que le juge des assurances sociales exécute un jugement de divorce prescrivant le partage (par moitié) de la prestation de sortie fondé à tort sur l' art. 122 CC , lorsque les conditions pour imputer une partie de la prestation de sortie sur l'indemnité équitable au sens de l' art. 22b LFLP étaient réalisées. Dans ce précédent, le fait que l'institution de prévoyance avait attesté à plusieurs reprises et en pleine connaissance de cause le caractère réalisable du partage constituait une circonstance exceptionnelle qui permettait - dans le cas particulier - au juge des assurances sociales d'exécuter le partage. En l'absence notamment d'une confirmation de l'institution de prévoyance du caractère réalisable du partage - comme c'est le cas en l'espèce (courrier de la CIA du 18 février 2009 au Tribunal cantonal des assurances sociales) -, il convient de se montrer restrictif et de dénier le droit au juge des assurances sociales de prescrire qu'une partie de la prestation de sortie peut être imputée sur l'indemnité équitable. De façon BGE 136 V 225 S. 230 générale, il n'appartient pas au juge des assurances sociales de se substituer au juge du divorce et d'examiner lui-même la question de l'indemnité équitable selon l' art. 124 CC (voir également le texte de l' art. 22b LFLP ). Seul le juge du divorce dispose d'une vision d'ensemble de la situation économique concrète des parties et de leurs besoins de prévoyance respectifs. Pour fixer le montant de l'indemnité équitable, la jurisprudence exige en effet de tenir compte de façon adéquate de la situation patrimoniale après la liquidation du régime matrimonial ainsi que des autres éléments de la situation économique des parties après le divorce ( ATF 131 III 1 consid. 4.2 p. 4 et la référence). Les besoins personnels ou la capacité contributive du débiteur, ou encore les besoins de prévoyance du bénéficiaire constituent des critères qu'il convient spécialement d'examiner ( ATF 133 III 401 consid. 3.2 p. 404). Dans un cas de prévoyance lié à l'invalidité, il faut également tenir compte de l'éventualité d'une augmentation ultérieure du taux d'invalidité du débiteur et du besoin de prévoyance consécutif de ce dernier ( ATF 129 III 481 consid. 3.2.3 p. 485). 5.5 Il suit de là que la cause doit être transmise d'office à la 2 e Chambre du Tribunal de première instance de la République et canton de Genève afin qu'elle reprenne l'instruction de la cause sur la question de la prévoyance professionnelle constituée pendant la durée du mariage et rende, après avoir entendu les parties, un nouveau jugement sur ce point. Dans ces conditions, il convient d'annuler le chiffre 2 du jugement attaqué invitant les parties à saisir le juge du divorce d'une demande d'indemnité équitable.
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Urteilskopf 138 III 694 105. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_210/2012 vom 29. Oktober 2012
Regeste Sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte; Klägerwahlrecht nach Art. 6 Abs. 3 ZPO . Begriff der handelsrechtlichen Streitigkeit (E. 2.1); Voraussetzungen des Klägerwahlrechts nach Art. 6 Abs. 3 ZPO , insbesondere bei Konsumentenstreitigkeiten (E. 2.2-2.11); Zuständigkeit des Handelsgerichts gegeben für die Klage einer Kundin gegen einen Vermögensverwalter (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 695 BGE 138 III 694 S. 695 Y. (Klägerin und Beschwerdegegnerin) hat ihren Wohnsitz in der Gemeinde Z., Kanton Luzern. X. (Beklagter und Beschwerdeführer) betreibt in Zürich ein Einzelunternehmen mit dem Zweck der Vermögensverwaltung. Er ist im Handelsregister unter der Firma X. eingetragen. Am 16. Oktober 2003 unterzeichneten die Parteien einen Vermögensverwaltungsvertrag, in dem die Klägerin den Beklagten mit der Verwaltung ihrer bei der A.-Bank deponierten Vermögenswerte betraute. Sie behauptet, der Beklagte habe ihr durch Kommissionsreiterei - sog. Churning - Schaden verursacht. Die Klägerin reichte in der Folge Klage beim Handelsgericht des Kantons Zürich ein. Die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts leitete die Klägerin aus Art. 6 Abs. 3 ZPO ab, während der Beklagte die Zuständigkeit des Handelsgerichts für Konsumentenstreitigkeiten bestritt. Mit Beschluss vom 30. März 2012 wies das Handelsgericht die Unzuständigkeitseinrede des Beklagten ab und trat auf die Klage ein. Zwei Gerichtsmitglieder hielten in einem Minderheitsantrag gemäss § 124 des kantonalen Gerichtsorganisationsgesetzes dafür, auf die Klage sei nicht einzutreten. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, es sei die Unzuständigkeitseinrede gutzuheissen und auf die Klage nicht einzutreten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer rügt, das Handelsgericht habe gegen Art. 6 Abs. 3 ZPO (SR 272) verstossen, indem es seine sachliche Zuständigkeit bejaht hat. 2.1 Nach Art. 6 Abs. 1 ZPO können die Kantone ein Fachgericht bezeichnen, welches als einzige kantonale Instanz für BGE 138 III 694 S. 696 handelsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist (Handelsgericht). Gemäss Art. 6 Abs. 2 ZPO gilt eine Streitigkeit als handelsrechtlich , wenn: die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist (lit. a); gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen steht (lit. b); und die Parteien im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen sind (lit. c). Diese drei Voraussetzungen müssen nach dem Gesetzeswortlaut kumulativ gegeben sein, damit eine handelsrechtliche Streitigkeit i.S. von Art. 6 Abs. 1 ZPO vorliegt (vgl. auch Votum Wicki, AB 2007 S 504). 2.2 Von der Voraussetzung gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. c ZPO sieht Art. 6 Abs. 3 ZPO eine Ausnahme wie folgt vor: "Ist nur die beklagte Partei im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen, sind aber die übrigen Voraussetzungen erfüllt, so hat die klagende Partei die Wahl zwischen dem Handelsgericht und dem ordentlichen Gericht." Dieses sog. Klägerwahlrecht der nicht im Handelsregister eingetragenen Partei wurde in der parlamentarischen Beratung auf Antrag der Rechtskommission des Ständerates in das Gesetz eingefügt (vgl. AB 2007 S 504 sowie 2008 N 641 ff.), während es im Entwurf des Bundesrates noch nicht vorgesehen war (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006, 7221 ff., 7261 und 7415; zur Gesetzgebungsgeschichte eingehend auch SCHWALLER/NÄGELI, Die Zuständigkeit der Handelsgerichte gemäss Art. 6 Abs. 3 ZPO , Jusletter 14. November 2011 Rz. 36-44). Wie die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid unter Verweis auf die vertraulichen Kommissionsprotokolle zutreffend darlegt, sollte mit Art. 6 Abs. 3 ZPO die unter dem kantonalen Recht geltende Regelung der Zuständigkeit beibehalten werden. 2.3 Das Klägerwahlrecht steht einer nicht im Handelsregister eingetragenen Partei nach Art. 6 Abs. 3 ZPO zu, wenn "die übrigen Voraussetzungen erfüllt" sind. Dieser Verweis auf die übrigen Voraussetzungen wird in der herrschenden Lehre auf Art. 6 Abs. 2 ZPO bezogen, wo die handelsrechtliche Streitigkeit durch den Eintrag der beklagten Partei im Handelsregister sowie den Zusammenhang mit deren geschäftlicher Tätigkeit (lit. a) und durch die Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht (lit. b) definiert wird (DAVID RÜETSCHI, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 29 zu Art. 6 ZPO ; DOMINIK VOCK, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, BGE 138 III 694 S. 697 2010, N. 15 zu Art. 6 ZPO ; HAAS/SCHLUMPF, in: ZPO, Kurzkommentar, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 11 zu Art. 6 ZPO ; SCHWALLER/NÄGELI, a.a.O., Rz. 47 f.; BERNHARD BERGER, Verfahren vor dem Handelsgericht: ausgewählte Fragen, praktische Hinweise, ZBJV 148/2012 S. 474). Dies bedeutet namentlich eine Ausdehnung der sachlichen Zuständigkeit von Handelsgerichten auf Konsumentenstreitigkeiten, beispielsweise die Klage eines Konsumenten gegen einen im Handelsregister eingetragenen Anbieter (ISAAK MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 61), eines Unfallopfers gegen eine Versicherungsgesellschaft oder einer Bankkundin gegen die Bank, die ihr Vermögen verwaltet (LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, Rz. 2.137; TOYLAN SENEL, Das handelsgerichtliche Verfahren nach der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2011, Rz. 281; ALEXANDER BRUNNER, Zur Auswahl der Handelsrichter nach ihrem Fachwissen, SJZ 105/2009 S. 322). Ein Autor vertritt freilich die Ansicht, die Zuständigkeit nach Art. 6 Abs. 3 ZPO setze voraus, dass es sich beim Streitgegenstand um eine "handelsrechtliche Streitigkeit" im materiellen Sinne handle, also um eine geschäftliche Streitigkeit unter Kaufleuten bzw. Unternehmen unter Ausschluss von Konsumenten-, Arbeits- oder Mietstreitigkeiten (ALEXANDER BRUNNER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Kommentar [im Folgenden: Kommentar], Brunner und andere[Hrsg.], 2011, N. 28 ff. zu Art. 6 ZPO ; ders. , Was ist Handelsrecht?, AJP 2010 S. 1536 ff.; ders. , Das Doppelinstanzprinzip und seine scheinbar unbegrenzten Umgehungsmöglichkeiten nach Art. 6 Abs. 3 ZPO , SJZ 108/2012 S. 27 f.; ders. , Die Beschwerde [ Art. 319-327 ZPO ], insbesondere die Beschwerdegründe, in: Haftpflichtprozess2012, Fellmann/Weber [Hrsg.], 2012, S. 56 ff.; anders aber noch ders. , Zur Auswahl der Handelsrichter nach ihrem Fachwissen, SJZ 105/2009 S. 322). Nach dieser Auffassung beschränkt sich der Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 3 ZPO auf Parteien, die zwar ein Unternehmen betreiben, aber nicht oder noch nicht im Handelsregister eingetragen sind, z.B. (nicht eintragungspflichtige) Einzelunternehmen ohne Registereintrag sowie Personengemeinschaften im Gründungsstadium von Handelsgesellschaften (BRUNNER, Kommentar, a.a.O., N. 32 ff. zu Art. 6 ZPO ). Diese Lehrmeinung, der sich die Minderheit der Vorinstanz in ihrem begründeten Votum angeschlossen hat, hält dafür, dass der Bundesgesetzgeber mit Art. 6 Abs. 3 ZPO den Zuständigkeitsbereich der Handelsgerichte gegenüber dem früheren kantonalen Recht geändert BGE 138 III 694 S. 698 habe. Sie legt Gewicht darauf, dass namentlich die Rechtsvermutung des früheren Zürcher Prozessrechts nicht übernommen worden sei, wonach jede Rechtsbeziehung im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit eines Unternehmens - insbesondere auch der Konsumentinnen und Konsumenten - als "handelsrechtlich" gelte. 2.4 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Insbesondere bei jüngeren Gesetzen sind auch die Gesetzesmaterialien zu beachten, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Richter damit weiterhelfen ( BGE 137 V 167 E. 3.2 S. 170; BGE 135 III 20 E. 4.4, BGE 135 III 112 E. 3.3.2; je mit Hinweisen). 2.5 Der Gesetzeswortlaut in Art. 6 Abs. 3 ZPO gewährt der nicht im Handelsregister eingetragenen klagenden Partei ein Wahlrecht für den Fall, dass (entgegen Art. 6 Abs. 2 lit. c ZPO ) nur die beklagte Partei im schweizerischen Handelsregister oder einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen ist. Erforderlich ist, dass die "übrigen Voraussetzungen erfüllt" sind. Dazu gehören unstreitig die in Art. 6 Abs. 2 lit. a und b ZPO für die Definition der "handelsrechtlichen Streitigkeit" genannten Voraussetzungen, dass nämlich die Streitigkeit die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betrifft und dass gegen den Entscheid die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig ist. Umstritten ist indessen, ob der Begriff der "handelsrechtlichen Streitigkeit" weitere Voraussetzungen umfasst, welche unbesehen der ausdrücklich genannten Ausnahme vom Eintrag in das Handelsregister das Klägerwahlrecht in dem Sinne einschränken, dass es nur für Kaufleute oder Unternehmer gilt. Der Wortlaut allein steht einer solchen Auslegung grundsätzlich nicht entgegen. Es fragt sich daher, ob die übrigen Auslegungselemente dafür sprechen, dass die Wahlzuständigkeit nur für klagende Parteien gilt, die zwar ein Unternehmen betreiben, aber aus irgendwelchen Gründen nicht oder noch nicht im Handelsregister eingetragen sind. BGE 138 III 694 S. 699 2.6 Der bundesrechtliche Begriff der handelsrechtlichen Streitigkeiten, für welche die Kantone nach Art. 6 Abs. 1 ZPO eine einzige kantonale Instanz zuständig erklären können, wird in Art. 6 Abs. 2 ZPO definiert (vgl. STEPHEN V. BERTI, Einführung in die Schweizerische Zivilprozessordnung, 2011, § 6 N. 160). Danach ist neben dem vorliegend nicht weiter wesentlichen Merkmal der Beschwerdefähigkeit des Entscheides (lit. b) erforderlich, dass die Streitigkeit die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betrifft und dass die Parteien im Handelsregister eingetragen sind. Wenn nun im unmittelbar anschliessenden Absatz 3 der Norm der Fall geregelt wird, dass nur die beklagte Partei im Register eingetragen ist, so spricht die Systematik der Regelung dafür, dass sich die Ausnahme auf Abs. 2 lit. c bezieht. Die übrigen Voraussetzungen, welche in Absatz 2 genannt werden, damit eine handelsgerichtliche Streitigkeit vorliegt, müssen danach erfüllt sein. Wenn die Streitigkeit die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei - namentlich der im Handelsregister eingetragenen beklagten Partei - betrifft und die Beschwerde ans Bundesgericht offensteht, hat eine Partei nach der Systematik der Regelung in Art. 6 ZPO die Wahl zwischen dem ordentlichen Gericht oder dem Handelsgericht, wenn sie selbst nicht im Handelsregister eingetragen ist. 2.7 Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Legaldefinition der "handelsrechtlichen Streitigkeit" in Art. 6 Abs. 2 ZPO nicht abschliessend wäre. Insbesondere wird in Art. 6 Abs. 1 ZPO die "handelsrechtliche Streitigkeit", an welche die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte knüpft, ebenso wenig definiert wie in Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG , wonach die Beschwerde an das Bundesgericht gegen eine einzige kantonale Instanz zulässig ist, wenn diese als Fachgericht für "handelsrechtliche Streitigkeiten" entscheidet. Zwar ist nach der Definition in Art. 6 Abs. 2 lit. c erforderlich, dass die Parteien, also sämtliche am Streit beteiligten Personen, als Unternehmen im Handelsregister eingetragen sind. Da aber Art. 6 Abs. 3 ZPO gerade von diesem Erfordernis eine Ausnahme macht und der klagenden Partei eine Wahlmöglichkeit für den Fall einräumt, dass nur die beklagte Partei (als Unternehmen) im Register eingetragen ist, kann die "handelsrechtliche Streitigkeit", an welche die Zuständigkeit knüpft, in der Sache nicht wiederum unter Rückgriff auf eben dieses Erfordernis definiert und damit die Ausnahme im Ergebnis wegdiskutiert werden. BGE 138 III 694 S. 700 2.8 Entgegen der im Minderheitsvotum der Vorinstanz geäusserten Ansicht lassen sich auch für eine einschränkende Auslegung der Ausnahmebestimmung auf nicht im Register eingetragene Kläger mit Unternehmereigenschaft keine überzeugenden Argumente anführen. Wenn Art. 6 Abs. 3 ZPO einzig eine Erweiterung der sachlichen Zuständigkeit des Handelsgerichts für ausnahmsweise nicht im Handelsregister eingetragene Unternehmen statuieren wollte, müsste der Wortlaut dahin gehend lauten, dass Klägern, welche nicht im Register eingetragen sind, aber ein nach kaufmännischen Grundsätzen geführtes Unternehmen betreiben, ebenfalls der Weg ans Handelsgericht offensteht. In Art. 6 Abs. 3 ZPO wird jedoch in ganz allgemeiner Weise dem nicht im Register eingetragenen Kläger ein Wahlrecht eingeräumt. Darin kann keine - allenfalls einschränkend zu interpretierende - Ausnahme von der sachlichen Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für weitere Handelsstreitigkeiten gesehen werden, sondern es handelt sich um eine eigentliche Wahlmöglichkeit, die der nicht im Handelsregister eingetragenen Partei neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine zusätzliche Option bereitstellt. 2.9 Schliesslich bestätigt die Entstehungsgeschichte von Art. 6 Abs. 3 ZPO , dass der Gesetzgeber mit der Wahlmöglichkeit der nicht im Handelsregister eingetragenen Klagpartei eine zusätzliche Option für Nicht-Kaufleute schaffen wollte. Die Vorinstanz weist im angefochtenen Urteil unter Beizug der vertraulichen Kommissionsprotokolle zutreffend darauf hin, dass es dem Gesetzgeber um eine Erweiterung der sachlichen Zuständigkeit der Handelsgerichte für klagende Nicht-Kaufleute ging, wie sie die früheren Prozessordnungen der Handelsgerichtskantone Aargau, Bern und Zürich in der einen oder anderen Variante kannten (dazu eingehend SCHWALLER/NÄGELI, a.a.O., Rz. 19-26). Für eine bestimmte zusätzliche Einschränkung wie etwa den Ausschluss mehr oder weniger klar definierter "Konsumenten"-Streitigkeiten bestehen keinerlei Hinweise und die Minderheit der Vorinstanz belegt denn auch ihre Ansicht nicht, dass die Wahlmöglichkeit nach Art. 6 Abs. 3 ZPO für Konsumenten, Arbeitnehmer und Mieter nach dem Willen des Gesetzgebers generell nicht zur Verfügung stehen sollte. Im Gegenteil spricht die diametrale Abkehr vom bundesrätlichen Entwurf, der das Wahlrecht von nicht im Handelsregister eingetragenen Klägern u.a. mit der Begründung nicht vorsah, dass "sonst Konsumentenstreitigkeiten bei einem Streitwert von über 30'000 Franken - z.B. aus Kauf eines privaten Personenwagens - plötzlich der Handelsgerichtsbarkeit unterstehen würde" BGE 138 III 694 S. 701 (Botschaft a.a.O., BBl 2006 7261), gerade für die Ausdehnung auf solche Streitigkeiten (vgl. auch SCHWALLER/NÄGELI, a.a.O., Rz. 42). 2.10 Die Minderheit der Vorinstanz hält in ihrem Votum die Ausnahme vom Doppelinstanz-Prinzip für problematisch und weist z.B. auf die Ungleichbehandlung möglicher Kläger je nach Kanton oder auf die Ausweitung der Ausnahme vom Doppelinstanz-Prinzip durch das Klägerwahlrecht hin. Sie verkennt jedoch, dass die Ausnahme vom Gesetzgeber so gewollt war und insbesondere die frühere weite Zuständigkeit trotz untergeordneter kantonaler Unterschiede beibehalten werden sollte. An der grundsätzlichen Problematik der Ausnahme von Art. 6 ZPO und Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG an sich ändert eine - den historischen Gesetzgebungswillen klar missachtende - restriktive Interpretation entgegen der Ansicht der Minderheit der Vorinstanz und der Beschwerde nichts. Denn den Materialien lässt sich für die - unbelegte - Ansicht nichts entnehmen, dass mit dem Klägerwahlrecht in Art. 6 Abs. 3 ZPO bloss eine Lücke für Klagen von nicht im Handelsregister eingetragenen Kaufleuten bzw. Unternehmern hätte gefüllt werden sollen, welche die zwingende Zuständigkeit von Art. 6 ZPO nicht erfassen würde. Insbesondere kann ein entsprechender Wille des Gesetzgebers entgegen der in der Beschwerde geäusserten Ansicht nicht aus einzelnen Voten der unveröffentlichten Kommissionsprotokolle abgeleitet werden, deren Aussagen in den Räten keinen Niederschlag gefunden haben und die vor allem im Gesetzeswortlaut in keiner Weise zum Ausdruck gebracht worden sind. 2.11 Wenn die Minderheit der Vorinstanz und der Beschwerdeführer als unerwünscht erachten, dass Rechtsfragen des Konsumrechts in die Zuständigkeit des Handelsgerichts fallen, so verkennen sie, dass die Option für Konsumentinnen und Konsumenten vom Gesetzgeber klar gewollt war und im zutreffend verstandenen Art. 6 Abs. 3 ZPO auch deutlich zum Ausdruck gelangt. Wenn die Streitigkeit die geschäftliche Tätigkeit der im Handelsregister eingetragenen Partei betrifft, so kann - sofern die Beschwerde ans Bundesgericht offensteht, also insbesondere der entsprechende Streitwert erreicht ist - auch ein Konsument oder eine Konsumentin die Streitigkeit vor das Handelsgericht tragen. Demgegenüber steht einer im Handelsregister eingetragenen Partei die Wahl des ordentlichen Gerichts mit doppeltem Instanzenzug in den Kantonen mit Handelsgericht nicht offen. Nur wenn die Streitigkeit die geschäftliche Tätigkeit der beklagten Partei nicht betrifft, sind die "übrigen Voraussetzungen" nach Art. 6 BGE 138 III 694 S. 702 Abs. 2 ZPO insofern nicht erfüllt und steht der klagenden Partei die Wahlmöglichkeit nach Art. 6 Abs. 3 ZPO nicht offen. 3. Die Beschwerdegegnerin ist nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz eine Privatperson, die eine Zivilforderung gegen den im Handelsregister eingetragenen Beschwerdeführer einklagt, die sie aus dessen geschäftlicher Tätigkeit als Vermögensverwalter herleitet. Sie kann sich somit auf das Wahlrecht stützten, das ihr Art. 6 Abs. 3 ZPO verleiht und ihre Forderung gegen den im Kanton Zürich domizilierten Beschwerdeführer vor dem Handelsgericht einklagen. Die Vorinstanz hat ihre sachliche Zuständigkeit zu Recht bejaht. Die dem Beschwerdeführer im angefochtenen Beschluss angesetzte Frist für die Klageantwort wird vom Handelsgericht neu festzusetzen sein, zumal der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gewährt wurde.
null
nan
de
2,012
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
89411bac-2d07-474b-9afe-7a89240d5764
Urteilskopf 115 II 42 8. Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Januar 1989 i.S. A. gegen B. (Berufung)
Regeste Regressforderung des Unternehmers gegen den Architekten, Verjährung. 1. Art. 50 Abs. 1 und 51 Abs. 1 OR. Berufung auf Deliktshaftung, obschon Haftung aus Vertrag anzunehmen ist. Solidarität unter mehreren Schuldnern, die dem Bauherrn aus verschiedenen Rechtsgründen für den gleichen Schaden haften. Rechtsfolgen; Bestätigung der Rechtsprechung (E. 1). 2. Art. 60 Abs. 1, Art. 67 und 127 OR . Umstände, unter denen die Verjährung einer Regressforderung mangels Unterbrechung nicht nur nach der Deliktshaftung, sondern auch nach einer vertraglichen Haftung zu bejahen ist (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 43 BGE 115 II 42 S. 43 A.- Mit Werkvertrag vom 19. Juni/2. Juli 1973 übernahm die Firma A. von X. die Baumeisterarbeiten für ein Einfamilienhaus in Wangs. Der Vertrag wurde vom bauleitenden Architekten B. mitunterzeichnet. Nach Beginn des Aushubs drang Wasser in die Baugrube. Die Parteien zogen daraufhin Ingenieur C. bei, der zur Sicherung des Hanges zusammen mit dem Architekten Massnahmen anordnete. Die Sicherung erwies sich als ungenügend. Am 21. Juni und 17. Juli 1973 kam es nach Regenfällen zu Erdrutschen, welche die Baugrube verschütteten und die Betonschalungen zerstörten. Da X. die Bezahlung des Mehraufwandes verweigerte, belangte die Baufirma ihn für Fr. 83703.25. In einem gerichtlichen Vergleich vom 15. April 1985 einigten die Parteien sich dahin, dass die Baufirma ihre Forderung um Fr. 26560.-- kürzte. Daraus und aus der jahrelangen Auseinandersetzung mit X. erwuchs ihr angeblich ein Schaden von Fr. 57950.--. Für einen Teil davon, der mit den Erdrutschen zusammenhing, will sie auf den Architekten zurückgreifen, weil sie ihn zusammen mit dem Ingenieur für solidarisch haftbar hält. B.- Nach einer erfolglosen Betreibung vom 18. April 1986 klagte die Baufirma am 18. August 1986 gegen B. auf Zahlung von Fr. 20755.-- nebst Zins. Der Beklagte widersetzte sich der Regressforderung und verkündete C. den Streit; er berief sich zudem auf Verjährung. Das Verfahren wurde vorerst auf diese Einrede beschränkt. C. nahm daran nicht teil. Das Bezirksgericht Sargans und auf Appellation hin am 14. Januar 1988 auch das Kantonsgericht St. Gallen wiesen die Klage wegen Verjährung der Forderung ab. C.- Die Klägerin hat Berufung eingereicht mit den Anträgen, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben, die Verjährung zu BGE 115 II 42 S. 44 verneinen und die Sache zur weitern Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Klägerin macht geltend, gegenüber dem geschädigten Bauherrn sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht unechte, sondern echte Solidarität der Parteien im Sinne von Art. 50 Abs. 1 OR anzunehmen; bei der Würdigung dieser Frage würden zudem vom Kantonsgericht zuvor klar festgestellte Tatsachen missverständlich wiedergegeben. Sie beharrt ferner auf dem Standpunkt, dass sie und der Beklagte gegenüber dem Bauherrn aus Art. 41 ff. OR haften, weshalb auch im Regressprozess von einer Deliktshaftung auszugehen sei. a) Was die Klägerin zur Begründung einer solchen Haftung vorbringt, läuft durchwegs auf den Vorwurf hinaus, der Beklagte habe vertragliche Pflichten verletzt, spricht sie doch mit der Vorinstanz von seiner Aufsichts- und Überwachungsfunktion und von seiner Abmahnungspflicht. Dass das eine wie das andere zu den vertraglichen Verpflichtungen eines Architekten gehört, leuchtet namentlich dann ein, wenn er wie hier ausdrücklich mit der Bauleitung beauftragt wird (vgl. BGE 111 II 75 ). Die Verletzung solcher Pflichten ergibt daher auch einen vertraglichen Haftungsgrund, zumal die Widerrechtlichkeit als allgemeine Voraussetzung der Verschuldenshaftung ebenfalls nur in einer Vertragsverletzung liegen könnte; die mit der Planung und dem Bau beauftragten Fachleute verstiessen dadurch, dass sie der Gefahr von Erdrutschen nur ungenügend vorbeugten, nicht gegen ein absolutes Recht des Bauherrn ( BGE 112 II 128 mit Hinweisen). Die Klägerin hat sich freilich schon im kantonalen Verfahren ausdrücklich auf ausservertragliche Haftung berufen, und die Vorinstanz hat sich damit abgefunden, weil der Geschädigte sich bei Anspruchskonkurrenz "grundsätzlich immer nebeneinander auf die vertragliche Haftung und die Haftung aus unerlaubter Handlung stützen" könne. Das Kantonsgericht ist deshalb bei der Frage der Verjährung von einer Deliktshaftung ausgegangen. Von einer solchen Haftung könnte im Ernst indes nur die Rede sein, wenn der Beklagte nicht nur eine vertragliche Pflicht verletzt, sondern auch eine unerlaubte Handlung begangen hätte ( BGE 99 II 321 E. 5 mit Zitaten). Dafür ist den Vorwürfen, welche die Klägerin BGE 115 II 42 S. 45 dem Beklagten macht, aber nichts zu entnehmen. Ob die durch einen Anwalt vertretene Klägerin unbekümmert darum, dass das Bundesgericht das Bundesrecht von Amtes wegen anzuwenden hat, wenn dessen tatsächliche Voraussetzungen prozessual ordnungsgemäss behauptet worden sind ( BGE 107 II 417 /18), bei ihrer Berufung auf Deliktshaftung zu behaften wäre, kann indes offenbleiben, da die Art der Haftung am Ausgang des Verfahrens so oder anders nichts ändert. b) Gemäss Art. 50 Abs. 1 OR haften mehrere Personen dem Geschädigten solidarisch, wenn sie den Schaden gemeinsam verschuldet oder, wie es in den romanischen Gesetzestexten heisst, gemeinsam verursacht haben. Das Bundesgericht hat diese Bestimmung, die gemäss Art. 99 Abs. 3 OR auch für die vertragliche Haftung gilt, noch in neuester Zeit dahin ausgelegt, dass sie ein schuldhaftes Zusammenwirken bei der Schadensverursachung voraussetzt, jeder Schädiger um das pflichtwidrige Verhalten des andern also weiss oder jedenfalls wissen könnte. Fehlt es an einem gemeinsamen Verschulden in diesem Sinne, weil mehrere Personen voneinander unabhängige Handlungen begangen haben oder sonstwie aus verschiedenen Rechtsgründen für den gleichen Schaden haften, so ist unechte Solidarität gemäss Art. 51 Abs. 1 OR anzunehmen, der das Rückgriffsrecht unter Solidarschuldnern regelt ( BGE 112 II 143 E. 4 und 104 II 229 E. 4 mit Hinweisen). Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesgericht wiederholt auch in Baurechtsstreitigkeiten ausgegangen, so in BGE 93 II 313 und 322, wo es jeweils um die Haftpflicht des Unternehmers und des Architekten aus verschiedenen Rechtsgründen und damit um einen Fall unechter Solidarität oder Anspruchskonkurrenz gemäss Art. 51 OR ging. In einem weitern Fall, in dem die Bauherrin nur den Unternehmer belangte, sich aber auf unechte Solidarität berief, musste die Klägerin sich das schuldhafte Verhalten ihres Architekten, der als ihre Hilfsperson anzusehen war, anrechnen und daher eine Kürzung gefallen lassen ( BGE 95 II 52 E. 4). Unechte Solidarität unter mehreren Personen, die für die Folgen einer falschen Vermessung im Strassenbau vertraglich hafteten, war ferner in BGE 98 II 103 f. anzunehmen. Dass das Bundesgericht zwischen echter Solidarität bei gemeinsamem Verschulden ( Art. 50 OR ) und unechter Solidarität oder Anspruchskonkurrenz bei Haftpflicht mehrerer aus verschiedenen Rechtsgründen ( Art. 51 OR ) zu unterscheiden pflegt, wird von einem Teil der Lehre seit Jahren als unbefriedigend kritisiert BGE 115 II 42 S. 46 (DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, 2. Aufl. S. 279 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat sich mit dieser Kritik letztmals in BGE 104 II 230 ff. näher auseinandergesetzt, an der Unterscheidung aber festgehalten, weil die Frage nicht losgelöst von Art. 136 Abs. 1 und 143 ff. OR entschieden werden könne. Zu den vom Gesetz bestimmten Fällen, von denen in Art. 143 Abs. 2 OR die Rede sei, gehöre gemäss Art. 50 Abs. 1 OR nur der Fall der Schadensverursachung durch gemeinsames Verschulden, nicht aber die Anspruchskonkurrenz bei Haftung aus verschiedenen Rechtsgründen. Dazu komme, dass Art. 136 Abs. 1 OR als Ausnahmebestimmung nicht weit auszulegen sei, es folglich nicht angehe, die Unterbrechung der Verjährung gegen einen Schuldner auf Personen auszudehnen, die aus andern Rechtsgründen mithaften. Das Bundesgericht hat dabei nicht verkannt, dass diese Ausdehnung nicht nur die wichtigste, sondern wahrscheinlich auch die einzige unerwünschte Folge wäre, falls die kritisierte Unterscheidung aufgegeben würde. Die wohlbegründete Beschränkung des Art. 136 Abs. 1 OR auf die echte Solidarität würde diesfalls in der Tat bedeutungslos (SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. I S. 493). Stossende Ergebnisse wären zudem nicht zu vermeiden. Bisher nicht geäussert hat sich das Bundesgericht zum Vorschlag von MERZ (in Schweizerisches Privatrecht [SPR] VI/1 S. 103 ff. und ZBJV 116/1980 S. 13), gestützt auf die romanischen Fassungen von Art. 50 OR die Haftung mehrerer unbekümmert darum, ob sie auf dem gleichen oder auf verschiedenen Rechtsgründen beruhe und ob gemeinsames oder selbständiges Verschulden anzunehmen sei, dieser Bestimmung zu unterstellen; Art. 51 OR wäre dann nur noch als Regel für den internen Regress unter den Haftpflichtigen zu verstehen. MERZ ist sich bewusst, dass er damit an die Grenzen erlaubter Textinterpretation stösst; nach seiner Auffassung ergäbe eine solche Auslegung aber nicht nur eine befriedigendere, sondern auch eine klare Lösung und wäre daher zu verantworten, zumal die beiden Bestimmungen auch nach ihrer Entstehung eines innern Zusammenhangs entbehrten. Dies deckt sich mit weitern Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des Art. 51 OR (WIDMER, in Festschrift Assista 1979 S. 269 ff.; SCHAER, Grundzüge des Zusammenwirkens von Schadenausgleichsystemen, S. 289 ff.). Die Auffassung von MERZ wird befürwortet von STARK (ZBJV 121/1985 S. 486) und sinngemäss auch von BUCHER (OR Allg. Teil, 2. Aufl. S. 498/99), der die Angleichung allerdings dem Gesetzgeber vorbehält BGE 115 II 42 S. 47 (vgl. ferner DESCHENAUX/TERCIER, S. 279 Rz. 18 f.). Richtig ist, dass der Unterschied in der Entstehung der Haftung für sich allein keine ungleiche Behandlung rechtfertigt, zumal die praktischen Auswirkungen, wie MERZ einräumt (SPR VI/1 S. 105 oben), trotzdem fast vollständig übereinstimmen. Gegen eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die echte Solidarität ist deshalb nichts einzuwenden, wo sie möglich und sachlich gerechtfertigt ist. Erschwert oder gar verunmöglicht wird eine solche Anwendung aber insbesondere, wenn der zahlende Schuldner sich im Regressprozess auf eine Verjährungsunterbrechung durch den Gläubiger oder auf dessen Rechte beruft, er daraus jedoch nichts für sich ableiten kann, weil nicht nur Art. 136 Abs. 1, sondern auch Art. 149 Abs. 1 OR bloss im Bereiche der echten Solidarität gilt ( BGE 96 II 175 ; SCHAER, S. 288 Rz. 839 mit Zitaten; BUCHER, S. 498 Anm. 67). c) Weitere Ausführungen zur Anregung von MERZ erübrigen sich einstweilen, da vorliegend kein Anlass zu einer Änderung der Rechtsprechung besteht. Das Kantonsgericht hatte sich nur mit der Solidarität unter den Prozessparteien, d.h. der Baufirma und dem Architekten zu befassen; die Klägerin hat den Rückgriff auf den Architekten beschränkt, und Ingenieur C. hat trotz Streitverkündung durch den Beklagten am Prozess nicht teilgenommen. Fragen kann sich daher bloss, ob die Prozessparteien den Schaden im Sinne von Art. 50 Abs. 1 OR gemeinsam verschuldet haben. Das Kantonsgericht stellt dazu fest, dass der Beklagte nach dem ersten Wassereinbruch zusammen mit dem Ingenieur angeordnet hat, das Wasser abzuleiten und zur Sicherung des Hanges eine Larsenwand zu erstellen. Für eine Mitverantwortung der Klägerin an dieser Anordnung ist dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen. Entgegen der Berufung lässt sich daher schon von der Planung der Massnahmen nicht sagen, die Klägerin und der Beklagte hätten zur gleichen Zeit in Form einer Unterlassung den gleichen Fehler begangen. Richtig ist bloss, dass die Verantwortung zwischen Ingenieur und Architekt nicht leicht abzugrenzen wäre, wie das Kantonsgericht bemerkt, da sie beide rechtzeitig für eine ausreichende Sicherung hätten sorgen müssen. Dass der Beklagte nach der Anordnung von Massnahmen als Inhaber der Bauleitung überwachungspflichtig blieb und auf seine Weisungen hätte zurückkommen müssen, als die Larsenwand sich als untauglich erwies, ändert daran nichts; in seiner Unterlassung BGE 115 II 42 S. 48 ist vielmehr eine weitere selbständige Vertragsverletzung zu erblicken, die der Annahme eines schuldhaften Zusammenwirkens im Sinne der Rechtsprechung ebenfalls entgegensteht ( BGE 104 II 230 ). Ein solches Zusammenwirken zwischen Architekt und Unternehmer ist wegen der Verschiedenheit ihrer vertraglichen Verpflichtungen und der unterschiedlichen Haftung, die sich daraus im Falle einer schlechten Erfüllung des Vertrages zugunsten des Bauherrn ergibt, auch nach der Lehre nicht leichthin anzunehmen (GAUCH, Der Werkvertrag, 3. Aufl. Rz. 2022 und 2027; GAUTSCHI, N. 38a zu Art. 398 OR ; R. SCHUMACHER, in Das Architektenrecht, S. 105 ff. Rz. 716 und 717). Die Auffassung der Vorinstanz, zwischen den Prozessparteien sei bloss unechte Solidarität anzunehmen, verstösst daher nicht gegen Art. 50 OR . 2. Die Klägerin macht geltend, mit ihrer Betreibung des Bauherrn vom 28. Juni 1975 und dem anschliessenden Prozess über die Höhe ihres Werklohnes sei die Verjährung wiederholt unterbrochen worden. Entgegen der Annahme des Kantonsgerichts lasse sich daher nicht sagen, dass die absolute Verjährung eingetreten sei, bevor sie dem Beklagten gegenüber mit der Betreibung vom 18. April 1986 eine verjährungsunterbrechende Handlung vorgenommen habe; damals sei seit Beendigung des Hauptprozesses, den das Kantonsgericht am 24. April 1985 als durch Vergleich erledigt abgeschrieben habe, weniger als ein Jahr verstrichen. a) Die Klägerin anerkennt, dass es sich bei der Unterbrechung der Verjährung gemäss Art. 136 Abs. 1 OR um einen Rechtsvorteil zugunsten des Gläubigers handelt, und dass dieser Vorteil auf Fälle echter Solidarität zu beschränken ist. Sie übersieht aber, dass sie sich gegenüber dem Beklagten nicht auf Subrogation der Gläubigerrechte gemäss Art. 149 Abs. 1 OR , sondern nur auf einen Ausgleichsanspruch berufen kann, weil von unechter Solidarität oder einer blossen Anspruchskonkurrenz des Geschädigten auszugehen ist. Der Ausgleichsanspruch entsteht zwar erst mit der Zahlung des Regressberechtigten, was aber nicht heisst, dass er unbekümmert darum, ob konkurrierende Ansprüche des Geschädigten gegenüber einem andern Haftpflichtigen bereits verjährt oder (z.B. infolge unterbliebener Mängelrüge) verwirkt seien, noch gegen einen Mitschuldner durchgesetzt werden könne. Davon kann jedenfalls dann keine Rede sein, wenn der Regressberechtigte von der Möglichkeit, auf einen andern zurückzugreifen, rechtzeitig Kenntnis erhält, aber nichts unternimmt (vgl. SPIRO, I S. 491 ff.; BGE 115 II 42 S. 49 BUGNON, L'action récursoire en matière de concours de responsabilités civiles, S. 144 ff.). So verhielt es sich hier. Gewiss stellte sich der Bauherr im Hauptprozess auf den Standpunkt, dass der Mehraufwand infolge der Erdrutsche als Schaden wegen schlechter Erfüllung des Vertrages vom Werklohn abzuziehen sei. Weder er noch die Klägerin haben aber dem Architekten oder dem Ingenieur in jenem Prozess den Streit verkündet, sie nötigenfalls selber belangt oder dem Richter beantragt, das Regressrecht gemäss Art. 50 Abs. 2 OR festzusetzen. Dazu hätte namentlich die Klägerin allen Anlass gehabt, wie ihr das Kantonsgericht sinngemäss vorhält, als sie gestützt auf das gerichtliche Gutachten vom 23. September 1981 erfuhr, dass eine Larsenwand zur Sicherung des Hanges von vornherein nicht genügte, der Schaden in erster Linie also vom Ingenieur und vom Architekten zu verantworten war ( BGE 89 II 123 E. 5a am Ende, BGE 58 II 441 ; vgl. ferner GAUCH, Rz. 2040; OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht I, 3. Aufl. S. 353). Die schädigenden Auswirkungen der ungenügenden Hangsicherung endeten am 17. Juli 1973 mit dem letzten Erdrutsch. An diesem Tag begann nicht nur die allgemeine Frist von zehn Jahren gemäss Art. 127 OR wegen Verletzung des Vertrages ( BGE 113 II 267 E. 2b), sondern auch die absolute Frist des Art. 60 Abs. 1 OR zu laufen, falls die Streitfrage nach der Deliktshaftung zu entscheiden wäre, wie das Kantonsgericht angenommen hat und die Klägerin noch mit der Berufung behauptet. Die Frist des Art. 127 OR wurde gegenüber dem Beklagten innert zehn Jahren nie unterbrochen; sie lief daher am 17. Juli 1983 ab. Nach der Deliktshaftung lief der Klägerin vom 23. September 1981 an, als sie von der Mitverantwortung des Architekten und des Ingenieurs Kenntnis erhielt, gemäss Art. 60 Abs. 1 OR eine einjährige Frist, um ihnen den Streit zu verkünden oder sie direkt zu belangen. Ähnlich verhielte es sich, wenn man davon ausgehend, dass der Grund der Rückgriffsforderung in einer Geschäftsführung oder einer Bereicherung zu erblicken sei, Art. 67 OR analog anwenden wollte, wie dies SPIRO (S. 482 ff.) und BUGNON (S. 144 ff.) vorschlagen. Die Klägerin hat nicht nur die relative Frist von einem Jahr, sondern auch die absolute Frist von zehn Jahren unbenützt verstreichen lassen, weshalb ihrer Betreibung vom 18. April 1986 keine unterbrechende Wirkung mehr zukam. b) In verschiedenen Sonderbestimmungen hat der Gesetzgeber allerdings ausdrücklich vorgesehen, dass die Verjährung der Rückgriffsforderung BGE 115 II 42 S. 50 erst am Tag zu laufen beginnt, an dem der Regressberechtigte den Gläubiger befriedigt. Dies gilt insbesondere für den Regress des Bürgen ( Art. 507 Abs. 5 OR ), des Genossenschafters ( Art. 878 Abs. 3 OR ), eines Haftpflichtigen im Strassenverkehr ( Art. 83 Abs. 3 SVG ) und unter mehreren Haftpflichtigen für Schäden aus Rohrleitungsanlagen ( Art. 39 Abs. 3 RLG ). Die Klägerin versucht aus solchen Sondervorschriften zu Recht keine allgemeine Verjährungsbestimmung für Regressansprüche abzuleiten, zumal die Entstehungsgeschichte sich darüber ausschweigt und die Sondervorschriften selbst unter sich der Einheit entbehren (SPIRO, I S. 489 f.). Ein solcher Schluss wäre vorliegend auch sachlich nicht gerechtfertigt, widerspricht es doch dem Sinn und Zweck der Verjährung, dass ein Anspruchsberechtigter jahrelang zuwartet, obschon er den Pflichtigen kennt und sich auch über den Umfang des Schadens Rechenschaft geben kann ( BGE 114 II 256 mit Hinweisen). Dazu kommt der Schutz der Pflichtigen gemäss Art. 371 Abs. 2 OR ; diese Bestimmung lässt ebenfalls nicht darauf schliessen, dass der Gesetzgeber einen Rückgriff auch noch gestatten wollte, nachdem die Hauptschuld verjährt ist (GAUCH, Rz. 1663 und 2039 mit Hinweisen). Das angefochtene Urteil ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
public_law
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1,989
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CH
Federation
89456e17-1c91-4a09-994c-2b5b70ab7a45
Urteilskopf 118 Ia 112 16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Februar 1992 i.S. S. gegen Hochbauamt und Appellationsgericht (als Verwaltungsgericht) des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 5 VwVG , Art. 97 OG ; öffentliches Recht des Bundes, selbständige Bedeutung kantonalen Rechts gegenüber dem Umweltschutzrecht des Bundes. Umfang der selbständigen Bedeutung des kantonalen Rechts gegenüber dem Umweltschutzrecht des Bundes; die Umweltschutzgesetzgebung des Bundes bezieht sich nicht auf die mit dem Drogenhandel und -konsum einhergehenden Belästigungen der Nachbarn (E. 1). Art. 88 OG ; Legitimation des Nachbarn zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen Baubewilligungen. - Legitimation bejaht, soweit ein Nachbar sich auf eine verfassungswidrige Anwendung kantonaler, den Nachbarn vor Übelständen schützenden Nutzungsvorschriften (in casu § 133 des Basler Hochbautengesetzes) im Rahmen ihres gegenüber dem Bundesrecht selbständigen Gehaltes beruft (E. 2a). - Legitimation verneint, soweit ein Nachbar eine Verletzung von Strafbestimmungen des eidgenössischen Strafgesetzbuches und des Betäubungsmittelgesetzes geltend macht (E. 2a), wenn er nicht direkt anwendbare Staatsvertragsnormen im Bereiche der Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels und -konsums anruft (E. 2b), und wenn die Anwendung baupolizeilicher Vorschriften über Anzahl und Lage von Toiletten in Gebäuden umstritten ist (E. 2c).
Sachverhalt ab Seite 113 BGE 118 Ia 112 S. 113 Das Bauinspektorat des Kantons Basel-Stadt bewilligte am 3. April 1990 den Bau eines Gassenzimmers als Provisorium. Im Gassenzimmer soll ein Büro, ein Café, ein Lagerraum und ein Zimmer für die Abgabe von Spritzen für Drogenabhängige sowie ein WC eingerichtet werden. Die kantonale Baurekurskommission und das Appellationsgericht (als Verwaltungsgericht) wiesen die gegen die Baubewilligung erhobenen Rekurse ab. Gegen das Urteil des Appellationsgerichtes führte Frau S. staatsrechtliche Beschwerde. Sie machte insbesondere geltend, der Betrieb des Gassenzimmers führe für die Nachbarn zu unhaltbaren Belästigungen und der Betrieb widerspreche u.a. den Strafnormen des Strafgesetzbuches und des Betäubungsmittelgesetzes sowie Bestimmungen entsprechender BGE 118 Ia 112 S. 114 Staatsverträge und internationaler Konventionen. Das Bundesgericht wies die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es auf sie eintrat. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob die staatsrechtliche Beschwerde oder die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben ist ( BGE 116 Ia 79 E. 1 und BGE 116 Ib 162 E. 1). a) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG u.a. zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen, sofern diese von den in Art. 98 OG genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und keiner der in Art. 99-102 OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist. Dies gilt auch für Verfügungen, die sowohl auf kantonalem bzw. kommunalem wie auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage steht ( BGE 116 Ib 162 f. E. 1a mit Hinweisen). b) Der Schutz der Menschen vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen, namentlich vor Lärm, wird vom Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01) geregelt ( Art. 1 Abs. 1 USG ). Ortsfeste Anlagen dürfen nur errichtet werden, wenn die durch diese Anlagen allein erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte der Umgebung nicht überschreiten ( Art. 25 Abs. 1 USG ). Lärm soll durch Massnahmen an der Quelle begrenzt werden (Emissionsbegrenzungen, Art. 11 Abs. 1 USG ). Emissionen werden dabei insbesondere durch den Erlass von Emissionsgrenzwerten, Bau- und Ausrüstungsvorschriften sowie Verkehrs- und Betriebsvorschriften eingeschränkt ( Art. 12 Abs. 1 USG ). Für die Beurteilung der schädlichen oder lästigen Einwirkungen legt der Bundesrat durch Verordnung Immissionsgrenzwerte fest ( Art. 13 Abs. 1 USG ). In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Lärmschutz-Verordnung des Bundesrates vom 15. Dezember 1985 (LSV; SR 814.41) zu beachten. Mit Inkrafttreten der Bundesgesetzgebung über den Umweltschutz hat das kantonale Recht seine selbständige Bedeutung verloren, soweit sich sein materieller Gehalt mit dem Bundesrecht deckt oder weniger weit geht als dieses; es hat sie dort behalten, wo es die bundesrechtlichen Normen ergänzt oder - soweit erlaubt - verschärft (vgl. Art. 65 USG ). In diesem BGE 118 Ia 112 S. 115 Sinne haben kantonale oder kommunale immissionsbeschränkende Nutzungsvorschriften - wie vorliegend § 133 des Hochbautengesetzes vom 11. Mai 1939 (HBG; SG 730.100) und § 24 des Anhanges zum Hochbautengesetz - weitgehend ihre selbständige Bedeutung verloren ( BGE 116 Ia 492 E. 1a; BGE 116 Ib 179 f. E. 1b/bb). Städtebauliche Nutzungsvorschriften des kantonalen und kommunalen Rechts haben jedoch nach wie vor selbständigen Gehalt, soweit sie die Frage regeln, ob eine Baute am vorgesehenen Ort erstellt und ihrer Zweckbestimmung übergeben werden darf. Namentlich ist es weiterhin Sache des kantonalen Rechts, die für den Charakter eines Quartiers wesentlichen Vorschriften bezüglich Nutzungsart und -intensität zu erlassen, wobei diese Vorschriften mittelbar ebenfalls dem Schutze der Nachbarn vor Übelständen verschiedenster Art dienen können. So können etwa Bauten und Betriebe, die mit dem Charakter einer Wohnzone unvereinbar sind, untersagt werden, auch wenn die Lärmemissionen, zu denen sie führen, bundesrechtliche Schranken nicht überschreiten, sofern die Unzulässigkeit nicht einzig mit der konkreten Lärmbelästigung begründet wird ( BGE 116 Ib 179 ff. E. 1b und 3 mit Hinweisen). Auch erfasst das Umweltschutzrecht des Bundes nicht alle denkbaren Auswirkungen, die eine Baute oder Anlage mit sich bringen kann. Dies gilt beispielsweise für Sekundärimmissionen wie die Gefährdung von Fussgängern oder das Parkierungsproblem ( BGE 117 Ib 151 E. d; BGE 116 Ia 492 f. E. 1a; BGE 116 Ib 183 f. E. 3b; BGE 115 Ib 461 E. 1c; BGE 114 Ib 222 f. E. 5). In BGE 116 Ia 493 E. 2a hat das Bundesgericht die Belästigung von Nachbarn durch nächtliche Gespräche vor einem der Wohnzone benachbarten, in der Industrie- und Gewerbezone liegenden Dancing und den von dessen Besuchern verursachten Lärm unter dem Aspekt des kantonalen bzw. kommunalen Rechts geprüft. Vorliegend geht es um ähnliche, nicht vom Bundesrecht geregelte Aspekte des Immissionschutzes. Die Beschwerdeführerin weist auf die mit dem Drogenhandel und -konsum einhergehenden Belästigungen der Nachbarn durch kriminelle Akte wie Entreissdiebstähle und Gewalttaten hin. Darauf bezieht sich die Umweltschutzgesetzgebung des Bundes nicht. Bei den von der Beschwerdeführerin genannten Übelständen handelt es sich einerseits um strafrechtlich verbotene kriminelle Handlungen, anderseits um befürchtete nachteilige Auswirkungen auf ihre Liegenschaft, deren Regelung nach wie vor der kantonalen und kommunalen Gesetzgebung vorbehalten bleibt. § 133 HBG und § 24 des Anhanges zum Hochbautengesetz haben insoweit ihren selbständigen Gehalt behalten. Das BGE 118 Ia 112 S. 116 angefochtene Urteil stützt sich somit nicht auf öffentliches Recht des Bundes im Sinne von Art. 5 VwVG , weshalb vorliegend die staatsrechtliche und nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben ist ( Art. 84 Abs. 2 OG ; Urteil des Bundesgerichtes vom 4. Februar 1992 i.S. B. und Kons. gegen Einwohnergemeinde Luzern, E. 1b). 2. a) Im Rahmen von Art. 88 OG sind Eigentümer benachbarter Grundstücke befugt, eine Baubewilligung mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten, soweit sie die Verletzung baugesetzlicher Vorschriften geltend machen, die ausser den Interessen der Allgemeinheit auch oder in erster Linie dem Schutz der Nachbarn dienen. Zusätzlich müssen sie dartun, dass sie sich im Schutzbereich dieser Vorschriften befinden und durch die behaupteten widerrechtlichen Auswirkungen der Bauten betroffen werden. Die Legitimation bestimmt sich dabei ausschliesslich nach Art. 88 OG . Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren Parteistellung hatte, ist nicht entscheidend ( BGE 117 Ia 19 f. E. 3b mit zahlreichen Hinweisen). Im Sinne dieser Rechtsprechung ist die Beschwerdeführerin legitimiert, sich auf eine verfassungswidrige Anwendung von § 133 HBG und § 24 des Anhanges zum Hochbautengesetz zu berufen, bezwecken diese Normen doch auch im Umfange des ihnen verbleibenden eigenständigen Gehalts den Schutz der Nachbarn ( BGE 112 Ia 89 f. E. 1b). Nicht einzutreten ist jedoch auf die staatsrechtliche Beschwerde insoweit, als die Beschwerdeführerin behauptet, die angefochtene Verfügung verletze in verfassungswidriger Weise verschiedene Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel vom 3. Oktober 1951 (Betäubungsmittelgesetz, BetmG; SR 812.121), insbesondere Art. 19 und 19a BetmG sowie Art. 305 StGB . Bei den fraglichen Normen handelt es sich nicht um baugesetzliche Vorschriften (Urteil des Bundesgerichtes vom 4. Februar 1992 i.S. B. und Kons., E. 2a). Im übrigen obliegt die Verfolgung von Straftaten den Strafverfolgungs- und nicht den Baupolizeibehörden. b) In diesem Zusammenhang ruft die Beschwerdeführerin verschiedene internationale Abkommen über die Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels- und -konsums an. Mit Bezug auf das Einheits-Übereinkommen von 1961 über die Betäubungsmittel (Einheits-Übereinkommen; AS 1970 S. 801 ff.; SR 0.812.121.0) bringt sie vor, der angefochtene Entscheid verletze Art. 33 und 35 dieses Abkommens. Damit ein Beschwerdeführer sich auf eine Staatsvertragsnorm BGE 118 Ia 112 S. 117 berufen kann, muss diese direkt anwendbar (self-executing) sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmung inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu bilden ( BGE 106 Ib 187 ). Die Norm muss mithin justiziabel sein, die Rechte und Pflichten des Einzelnen zum Inhalt haben, und Adressat der Norm müssen die rechtsanwendenden Behörden sein (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 1984, S. 119 f.). Art. 33 des Einheits-Übereinkommens bestimmt, dass die Vertragsparteien keinen Besitz von Betäubungsmitteln ohne gesetzliche Bewilligung gestatten. Art. 35 des Einheitsübereinkommens lautet: "Unter gebührender Berücksichtigung ihrer Verfassungs-, Rechts- und Verwaltungsordnungen werden die Vertragsparteien: a. innerstaatlich dafür besorgt sein, dass die Massnahmen zur Verhütung und Unterdrückung des unerlaubten Verkehrs aufeinander abgestimmt werden; zu diesem Zwecke können sie mit Vorteil eine für diese Koordination zuständige Stelle bestimmen; b. einander bei der Bekämpfung des unerlaubten Verkehrs unterstützen; c. miteinander und mit den zuständigen internationalen Organisationen, deren Mitglieder sie sind, eng zusammenarbeiten, um den Kampf gegen den unerlaubten Verkehr koordiniert zu führen; d. dafür sorgen, dass die internationale Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Stellen sich rasch abspielt; und e. sich vergewissern, dass gerichtliche Schriftstücke, die zum Zwecke einer strafgerichtlichen Verfolgung zwischenstaatlich übermittelt werden, den von den Vertragsparteien bezeichneten Organen rasch zugeleitet werden; diese Bestimmung berührt das Recht einer Vertragspartei nicht, zu verlangen, dass ihr gerichtliche Schriftstücke auf diplomatischem Wege zu übermitteln seien." Aus dem Wortlaut der beiden Bestimmungen ergibt sich klar, dass diese nicht direkt anwendbar sind; die Normen richten sich nur an die Staaten als Vertragsparteien bzw. an deren gesetzgebende Organe. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf das Abkommen vom 26. Juni 1936 zur Unterdrückung des unerlaubten Verkehrs mit Betäubungsmitteln (AS 1953 S. 187 ff.; SR 0.812.121.6) beruft, erläutert die Beschwerdeführerin nicht im Einzelnen, welche Rechte bzw. welche Rechtssätze dieses Abkommens und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Die pauschale Anrufung dieses Abkommens genügt den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung einer staatsrechtlichen Beschwerde nicht, weshalb darauf nicht weiter einzutreten ist ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ; BGE 117 Ia 11 E. 4b mit Hinweis). Was die von der Beschwerdeführerin ebenfalls angerufene Convention des Nations Unies contre le trafic illicite de stupéfiants et de substances psychotropes vom 19. Dezember 1988 (in deutscher Sprache publiziert in HARALD HANS KÖRNER, Beck'scher Kurz-Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz, 3. Aufl. 1990, S. 998 ff.) betrifft, ist festzuhalten, dass die Schweiz dieses Abkommen noch nicht ratifiziert hat und es somit die Eidgenossenschaft nicht verpflichtet. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde kann deshalb ganz abgesehen davon, dass sich die Beschwerdeführerin nicht mit einzelnen Bestimmungen dieses Abkommens auseinandersetzt ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ), von vornherein nicht eingetreten werden. c) Nicht einzutreten ist auch auf die Vorbringen der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der baulichen Gestaltung der Toilette im Gassenzimmer. Die Beschwerdeführerin nennt diesbezüglich keine kantonale Norm, die dem Schutz der Nachbarn dienen würde, und legt auch in keiner Weise dar, inwiefern sie sich im Schutzbereich dieser Normen befinden würde ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ; BGE 117 Ia 11 E. 4b). Baupolizeiliche Vorschriften über Anzahl und Lage von Toiletten in Gebäuden haben zudem keine nachbarschützende Funktion.
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Urteilskopf 94 I 255 38. Auszug aus dem Urteil vom 9. Februar 1968 i.S. Konkursverwaltung der Globe Air AG gegen das Bundesamt für Sozialversicherung.
Regeste Unterstellung einer Fluggesellschaft unter die obligatorische Unfallversicherung: 1. Rechtsgrundlage: Art. 60 bis Ziff. 1 lit. b KUVG ; Art. 16 Ziff. 5 VO I über die Unfallversicherung vom 25. März 1916 (Erw. 2). 2. Begriff der "Fliegerstation" im Sinne von Art. 16 Ziff. 5 VO I (Erw. 3a). 3. Rückwirkende Inkraftsetzung der obligatorischen Versicherung gemäss Art. 38 VO I; steht der SUVA eine gewisse Ermessensfreiheit zu? Frage offen gelassen (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 255 BGE 94 I 255 S. 255 A.- Die Globe Air AG bezweckt die Durchführung von kommerziellen Flügen sowie aller weiteren zweckentsprechen den Geschäfte. Sie besass nach der Betriebsbeschreibung vom 7. Dezember 1966 vier eigene Flugzeuge und beschäftigte rund 250 Personen. Davon waren 212 Personen als Piloten, Bordpersonal, Mechaniker und Bodenpersonal tätig. Die Bodenorganisation BGE 94 I 255 S. 256 befindet sich auf dem in Blotzheim gelegenen Flughafen Basel-Mülhausen. Dort unterhält die Gesellschaft einen Hangar und eigene Werkstätte für die Wartung ihrer Flugzeuge. Sie hat ihr Personal angeblich privat versichert. Im Herbst 1967 geriet sie in Konkurs. Am 27. Juli 1961 wurde zwischen der Schweiz und Frankreich eine Vereinbarung abgeschlossen, wonach auf die Arbeiter der Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsniederlassung in der Schweiz, die auf dem für die Schweiz bestimmten Teil des Flugplatzes tätig sind, die schweizerische Gesetzgebung über die soziale Sicherheit Anwendung finden solle. Diese Regelung trat auf den 1. Oktober 1961 in Kraft. B.- Am 30. Dezember 1966 unterstellte die Schweiz. Unfallversicherungsanstalt (SUVA) den Flugbetrieb der Gesellschaft sowie das Bureau und die Verkaufsstellen der Flug-Reisedienst AG in Basel, Bern und Zürich gestützt auf Art. 13 Ziff. 4, Art. 16 Ziff. 5 und Art. 4 der Verordnung (VO) I über die Unfallversicherung vom 25. März 1916 (BS 8 S. 352) der obligatorischen Unfallversicherung. Der Beginn der Betriebsunfallversicherung wurde auf den 18. Juni 1965, jener der Nichtbetriebsunfallversicherung auf den 18. März 1966 festgesetzt. Ein gegen diese Verfügung ergriffener Rekurs, der sich gegen die Unterstellung als solche und deren Rückwirkung richtete, wurde am 1. September 1967 durch das Bundesamt für Sozialversicherung abgewiesen. Das Bundesamt nahm an, Art. 13 Ziff. 4 der VO I halte sich innerhalb des Rahmens von Art. 60 Ziff. 3 KUVG ; der Betrieb der Rekurrentin sei überdies dem einer Fliegerstation im Sinne von Art. 16 Ziff. 5 der Verordnung gleichzusetzen. Art. 38 der VO I schreibe ausserdem den Zeitpunkt des Beginns der Wirksamkeit der Versicherung vor. Eine Abweichung von dieser Vorschrift sei nicht möglich, so dass die rückwirkende Inkraftsetzung der Versicherung auf die angegebenen Daten zu Recht erfolgt sei. C.- Gegen diesen Rekursentscheid richtet sich die vorliegende verwaltungsgerichtliche Beschwerde. Die Beschwerdeführerin beantragt, es sei die Verfügung der SUVA vom 30. Dezember 1966 und dementsprechend der Rekursentscheid des Bundesamtes für Sozialversicherung vom 1. September 1967 aufzuheben; allenfalls sei der Beginn der Versicherung auf den Beginn des dem rechtskräftigen Beschwerdeentscheid folgenden Kalenderquartals aufzuschieben. BGE 94 I 255 S. 257 Zur Begründung wird zur Hauptsache vorgebracht: Richtig sei zwar, dass Art. 60 bis KUVG den Bundesrat ermächtige, die Versicherungspflicht u.a. auf Unternehmungen auszudehnen, in denen explodierbare oder gesundheitsgefährdende Stoffe gewerbsmässig erzeugt, im grossen verwendet oder gelagert werden oder in denen solche Stoffe auftreten. Aus dieser Bestimmung folge aber kein erweiterter Anwendungsbereich für die obligatorische Versicherung. Hingegen sei durch Art. 16 Ziff. 5 der Verordnung I der Betrieb von Luftschiff- und Flugstationen der Versicherung unterstellt worden. Unter Flugstationen seien offensichtlich Tankstellen für Luftschiffe und Flugzeuge zu verstehen. Die Luftverkehrsgesellschaften seien dagegen nicht erfasst. Es sei zwar unbestritten, dass auf dem Flugplatz Blotzheim explodierbare Stoffe im grossen verwendet und gelagert werden; das geschehe aber durch die Benzingesellschaften, die das Auftanken der Flugzeuge besorgten. Der Ort, wo aufgetankt werde, liege von der Start- und Landepiste wie auch von der Werft der Beschwerdeführerin mehrere Kilometer entfernt. Der Betrieb falle somit nicht unter Art. 16 Ziff. 5 der Verordnung I. Schliesslich stelle die rückwirkende Kraft der angefochtenen Verfügung in Bezug auf die Liquidität der Beschwerdeführerin eine unüberwindliche Belastung dar. Nach Art. 38 Abs. 2 VO I über die Unfallversicherung könne zwar ein Betrieb rückwirkend der Versicherung unterstellt werden; aber dies sei nicht zwingend. Die Ablösung der privaten Versicherung durch die obligatorische stelle die Beschwerdeführerin vor Probleme, die durch die rückwirkende Unterstellung unverhältnismässig verschärft würden. D.- Das Bundesamt für Sozialversicherung beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Die SUVA trägt ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde an. Sie macht geltend, es habe dem Willen des Gesetzgebers entsprochen, das gesamte Transportwesen der obligatorischen Unfallversicherung zu unterstellen. Dies sei in Art. 12 Ziff. 4 und Art. 13 Ziff. 4 der Verordnung I über die Unfallversicherung geschehen. Es stehe ausserdem fest, dass die Beschwerdeführerin für ihren Flugbetrieb explodierbare Stoffe (Benzin) im grossen verwende. Das Personal halte sich im Bereich dieser Stoffe auf. Diese Gefährdung allein rechtfertige die obligatorische Unfallversicherung. Auf die rückwirkende Bestimmung der Unterstellungsverfügung könne BGE 94 I 255 S. 258 jedenfalls dann nicht verzichtet werden, wenn Ansprüche erhoben würden wegen eines Unfalles, der sich in der Zeit, auf die die Rückwirkung ausgedehnt werde, ereignet hat. Die vom 18. Juni 1966 datierte Meldung des Unfalles Hassenforder habe Anlass zur Unterstellung geboten. Obwohl dieser Unfall sich am 6. Mai 1965, also noch vor Inkraftsetzung der Versicherung, zugetragen habe, sei die Anstalt bereit, Leistungen im Rahmen des KUVG zu erbringen. E.- Der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurde am 18. Oktober 1967 aufschiebende Wirkung erteilt. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. ... (Eintretensfrage). 2. Art. 60 bis KUVG , der durch Art. 16 des BG vom 18. Juni 1915 über die Ergänzung der Kranken- und Unfallversicherung (BS 8 S. 319 ff.) eingeführt worden ist, ermächtigt den Bundesrat, die obligatorische Unfallversicherung über die in Art. 60 KUVG aufgezählten Betriebe hinaus auf bestimmte Arten anderer Unternehmungen zu erstrecken. Gemäss Art. 60 bis Ziff. 1 lit. b und d KUVG gehören zu diesen Unternehmungen auch solche, in denen explodierbare oder gesundheitsgefährliche Stoffe gewerbmässig erzeugt, im grossen verwendet oder im grossen gelagert werden, oder in denen solche Stoffe auftreten. Art. 60 ter KUVG verpflichtet den Bundesrat, in den Ausführungsvorschriften zu Art. 60 und 60 ter KUVG die Arten von Unternehmungen und Betrieben, deren Angehörige obligatorisch versichert sind, näher zu bezeichnen. Diesem Auftrag ist der Bundesrat u.a. in Art. 16 der Verordnung I über die Unfallversicherung am 25. März 1916 nachgekommen. Dies ist insbesondere der Fall in Ziff. 5, wo er den Betrieb von Luftschiff- und Fliegerstationen der Versicherungspflicht unterstellt. 3. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass ihr Unternehmen in Blotzheim eine Fliegerstation darstelle. Sie sei eine Luftfahrtsgesellschaft und falle deshalb nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 60 bis Ziff. 1 lit. b KUVG in Verbindung mit Art. 16 Ziff. 5 der VO I. a) Die Verordnung umschreibt den Begriff der "Fliegerstation" nicht näher. Das Wort Fliegerstation ist dem Wort "Bahnstation" nachgebildet. Schon nach dem Sprachgebrauch sind demnach unter Fliegerstation Anlagen zu verstehen, auf BGE 94 I 255 S. 259 denen Flugzeuge landen und starten, auf denen sie mit Treibstoff versehen und überholt werden. Ist die Bezeichnung auch auf die Verhältnisse der Luftfahrt zugeschnitten, die zur Zeit des Erlasses der Verordnung (März 1916) bestanden haben, so ist ihr Sinn dennoch klar. Es sind mit ihr alle technischen Anlagen gemeint, die direkt dem Flugverkehr dienen und dem Flugplatz funktionell eingegliedert sind. Auf diesen Anlagen werden Benzinvorräte im grossen verwendet und gelagert. Daraus ergibt sich die Gefährlichkeit dieser Anlagen und die Notwendigkeit eines besonderen versicherungsrechtlichen Schutzes, wie ihn das KUVG anstrebt. Belanglos ist, ob alle Anlagen im Eigentum einer einzigen Person stehen. Die Beschwerdeführerin unterhält in Blotzheim Anlagen, die zum Flughafen gehören. Insbesondere besitzt sie einen Hangar und Werkstätten zur Wartung ihrer Flugzeuge; sie lässt auf dem Flughafen auch ihre Tanks auffüllen. Wie wichtig dieser Teil des Unternehmens ist, geht schon aus der Tatsache hervor, dass dort 127 Personen eingesetzt sind. Nicht entscheidend ist, dass die von der Beschwerdeführerin betriebenen Anlagen für sich genommen keine vollständige Flugplatzorganisation darstellen. Unerheblich ist überdies, dass die Tankanlagen - nach der Darstellung der Beschwerdeführerin - abseits von den Hangars und Werkstätten der Gesellschaft gebaut sind und von Benzinfirmen bedient werden. Auch ihre Anlagen und ihr Personal schaffen Betriebsgefahren und sind solchen ausgesetzt. Daraus folgt, dass ihr Betrieb unter den Begriff "Fliegerstation" fällt und dass die obligatorische Unfallversicherung mit Recht auf ihr Personal ausgedehnt worden ist. b) Ist die Unterstellung unter die Versicherungspflicht gestützt auf Art. 16 Ziff. 5 VO I gegeben, kann offen bleiben, ob die Beschwerdeführerin auch in Anwendung von Art. 13 Ziff. 4 VO als pflichtig zu erklären wäre und wie es sich mit der - von der Beschwerdeführerin bestrittenen - Gesetzmässigkeit dieser Bestimmung verhält. 4. In zweiter Linie richtet sich die Beschwerde gegen die rückwirkende Inkraftsetzung der Versicherung. Die Rückwirkung, wie sie die SUVA angeordnet hat, hält sich unbestrittenermassen im Rahmen der Jahresfrist von Art. 38 VO I; denn am 18. Juni 1966 machten die Erben des Richard Hassenforder erstmals Ansprüche gegenüber der SUVA geltend. Streitig ist bloss noch, ob die SUVA wegen der Verschuldung der Beschwerdeführerin BGE 94 I 255 S. 260 auf die rückwirkende Geltendmachung hätte verzichten können und müssen. Das Bundesamt für Sozialversicherung geht davon aus, Art. 38 Abs. 2 VO I lasse dem Ermessen der Anstalt hinsichtlich der Anordnung des Beginnes der Versicherung keinen Raum. Die Anstalt beansprucht dagegen eine gewisse Ermessensfreiheit (vgl. VEB 1946/47 Nr. 114). Wie es sich damit verhält, muss nicht entschieden werden. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze Bundesrecht. Das Bundesgericht kann daher nicht frei prüfen, ob die Verwaltung von dem ihr allenfalls zustehenden Ermessen einen richtigen Gebrauch gemacht habe ( BGE 89 I 340 Erw.11). Es kann auch im vorliegenden Falle nur bei Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens durch die SUVA eingreifen. Von einer Überschreitung oder einem Missbrauch kann hier keine Rede sein. Die Voraussetzungen für die Unterstellung waren schon am 1. Oktober 1961 gegeben. Dann aber war es angezeigt, die Unterstellungsverfügung soweit mit rückwirkender Kraft auszustatten, als das die Verordnung erlaubt. Hiezu kommt, dass die SUVA als öffentliche Anstalt des Bundes bei der Erfüllung der von der Schweiz gegenüber Frankreich übernommenen Verpflichtung, wonach das schweizerische Sozialrecht in den von der Übereinkunft (vom 27. Juli 1961) erfassten Fällen anzuwenden ist, mitzuwirken hatte. Wenn die Beschwerdeführerin tatsächlich eine private Versicherung für ihr Personal abgeschlossen hat, ist diese nach Art. 4 des Ergänzungsgesetzes zum KUVG vom 18. Juni 1915 bei der Festsetzung der Prämien zu berücksichtigen. Die Beschwerdeführerin wird demnach nicht unbillig belastet, auch wenn sie in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
de
1,968
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
894ba901-cc2e-4cdf-845a-4ea33b89348b
Urteilskopf 119 Ib 103 12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. April 1993 i.S. X. AG gegen Eidgenössische Zollverwaltung und Eidgenössische Zollrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Rückforderung von Zollabgaben. Umtarifierung von Waren durch die Organe des Internationalen Übereinkommens vom 14. Juni 1983 über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS). Anwendbarer Tarif? 1. Vorliegend geht es nicht um die "technische" Frage der Tarifierung im Sinne von Art. 100 lit. h OG , sondern um die (Rechts-)Frage, welche Bestimmungen bei einer Änderung der rechtlichen Grundlagen im Verlaufe eines Rechtsmittelverfahrens anwendbar sind. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher zulässig (E. 1). 2. Die im Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System vorgesehenen Organe können Einreihungsavise erlassen, welche die Tarifierung bestimmter Waren für die Mitgliedstaaten verbindlich regeln. Insofern richtet sich die Frage nach dem anwendbaren Tarif bei einer Änderung des Einreihungsavises durch die internationalen Organe nach den Regeln der Rechtsänderung und nicht der Praxisänderung (E. 3 und 4). 3. Die Oberzolldirektion hat die Rückwirkung der neuen Tarifeinreihung zu Recht ausgeschlossen (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 104 BGE 119 Ib 103 S. 104 Die Firma Y. AG meldete am 28., 29. und 30. März 1990 beim Zollamt Basel/Saint-Louis Autobahn je eine für die X. AG bestimmte, aus Grossbritannien stammende Sendung Getreideflocken nach Tarif-Nr. 2106.9092 zum EG-Präferenzansatz von Fr. 125.80 je 100 kg brutto zur Einfuhr an. Das Zollamt fertigte diese Sendungen, ohne Revision, definitiv nach den beantragten Nummern ab und stellte die dazugehörigen Quittungen aus. Am 17. Mai 1990 wurde eine weitere, ebenfalls für die X. AG bestimmte Lieferung desselben Produkts beim Zollamt Basel SBB-Frachtgut wieder nach BGE 119 Ib 103 S. 105 Tarif-Nr. 2106.9092 zur Einfuhr deklariert. Nach einer Revision mit Musterentnahme wurde auch diese Sendung definitiv nach der beantragten Tarif-Nummer zum EG-Präferenzansatz von Fr. 125.80 je 100 kg brutto verzollt und die dazugehörige Quittung vom Zollamt am 21. Mai 1990 ausgestellt. Mit Schreiben vom 23. April 1990 beschwerte sich die X. AG bei der Zollkreisdirektion Basel gegen die Verzollung der drei Ende März 1990 eingeführten Sendungen. In Ergänzung der Beschwerde verlangte sie am 7. Mai 1990 die Abfertigung nach Tarif-Nr. 1904.1000 und die Rückerstattung des Zollbetrags von Fr. 44'824.85 nebst Zins. Für die Sendung vom 17. Mai 1990 beantragte sie am 7. Juni 1990 ebenfalls die Einreihung unter die Tarif-Nr. 1904.1000 und die Rückerstattung des Zollbetrags von Fr. 15'029.75 nebst Zins. Die Zollkreisdirektion wies beide Beschwerden mit Entscheid vom 30. August 1990 ab, im wesentlichen mit der Begründung, Müesli-Mischungen der vorliegenden Art würden nach geltender Praxis der Eidgenössischen Oberzolldirektion entsprechend den Erläuterungen zum Schweizerischen Gebrauchszolltarif ohne Rücksicht darauf, ob sie thermisch behandelt und mit Zucker versetzt und damit knusprig gemacht worden seien oder nicht, der Tarif-Nr. 2106 zugewiesen. Gegen diesen Entscheid erhob die X. AG am 27. September 1990 Beschwerde bei der Eidgenössischen Oberzolldirektion und beantragte wiederum die Einreihung der vier fraglichen Sendungen unter die Tarif-Nr. 1904.1000 sowie die Rückerstattung von Fr. 59'854.60 zuzüglich Zins. Die Eidgenössische Oberzolldirektion wies die Beschwerde mit Entscheid vom 8. März 1991 ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die Zollverwaltung, die zur rechtsgleichen Behandlung aller Zolldeklaranten verpflichtet sei, reihe Produkte der fraglichen Art seit Jahren unter die Tarif-Nr. 2106 ein, ohne zu unterscheiden, ob die Erzeugnisse eine thermische Behandlung erhalten hätten oder nicht. Wohl seien die Zollämter im Anschluss an einen Entscheid des Ausschusses für das Harmonisierte System in Brüssel am 6. März 1991 angewiesen worden, geröstete Produkte ab 15. März 1991 nach der Tarif-Nr. 1904.1000 abzufertigen. Diese Änderung trete aber nicht rückwirkend in Kraft. Die dagegen von der X. AG erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Zollrekurskommission mit Urteil vom 6. Dezember 1991 ab. In ihrer Begründung hielt sie im wesentlichen fest, die BGE 119 Ib 103 S. 106 Zollverwaltung habe bei der Einreihung der fraglichen Produkte das ihr zustehende Ermessen nicht überschritten. Die Umtarifierung sei keine Praxisänderung, sondern die Oberzolldirektion habe die neue Tarifeinreihung aufgrund einer Änderung der rechtlichen Grundlagen vorgenommen. Gegen das Urteil der Eidgenössischen Zollrekurskommission führt die X. AG mit Eingabe vom 26. März 1992 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragt, das Urteil vom 6. Dezember 1991 aufzuheben, die erwähnten Lieferungen nach der Tarif-Nr. 1904.1000 abzufertigen und die Eidgenössische Zollverwaltung anzuweisen, ihr den zuviel bezahlten Zoll von Fr. 59'854.60 nebst Zins zurückzuerstatten; ausserdem seien die Kostenentscheide sämtlicher Vorinstanzen aufzuheben und ihr für alle Verfahren eine ausseramtliche Entschädigung zuzusprechen; eventuell sei die Sache an die Eidgenössische Zollrekurskommission zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Die Eidgenössische Oberzolldirektion beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Das Eidgenössische Finanzdepartement schliesst auf Nichteintreten, eventuell Abweisung der Beschwerde. Die Eidgenössische Zollrekurskommission hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Instruktionsrichter hat bei der Eidgenössischen Oberzolldirektion bezüglich der Tarifeinreihung durch den Ausschuss für das Harmonisierte System einen Bericht eingeholt und der X. AG Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äussern. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen ein Urteil der Eidgenössischen Zollrekurskommission und ist somit nach Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 98 lit. e OG zulässig, sofern dieses Rechtsmittel nicht durch eine der Ausnahmebestimmungen der Art. 99 ff. OG ausgeschlossen wird. Auf dem Gebiet der Zölle ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 100 lit. h OG unzulässig gegen Verfügungen über deren Veranlagung, soweit diese von der Tarifierung oder von der Gewichtsbemessung abhängt. Diese Bestimmung beruht auf der Überlegung, dass die Tarifierung und die Gewichtsbemessung in Zollsachen sich im Hinblick auf ihren "technischen" Charakter für BGE 119 Ib 103 S. 107 eine Überprüfung durch das Bundesgericht nicht eignen ( BGE 115 Ib 204 E. 2b, BGE 106 Ib 271 ). b) Vorliegend sind sich die Parteien hinsichtlich der Tarifierung der eingeführten Müesli-Mischung insofern einig, als diese seit dem 15. März 1991 unter die Tarif-Nr. 1904.1000 fällt. Streitig ist, ob die Lieferungen an die Beschwerdeführerin bereits im Zeitpunkt der Einfuhren im März und Mai 1990 nach dieser Tarif-Nummer hätten abgefertigt werden müssen oder ob die Produkte zu Recht unter die Tarif-Nr. 2106.9092 eingereiht worden sind. Dabei geht es aber nicht um die "technische" Frage der Einreihung an sich, sondern um die Rüge der Beschwerdeführerin, die "Grundsätze über die Praxisänderung" seien unrichtig angewandt worden. So macht die Beschwerdeführerin geltend, indem die Oberzolldirektion die neue Auslegung des Zolltarifs erst auf den 15. März 1991 in Kraft gesetzt und diese ausdrücklich als nicht rückwirkend bezeichnet habe, habe sie den Grundsatz verletzt, dass Praxisänderungen - mit gewissen Ausnahmen - stets auf sämtliche noch nicht rechtskräftig erledigten Fälle anzuwenden seien. Somit ist vorliegend nicht eine Tariffrage, sondern eine Rechtsfrage streitig, nämlich die, welches Recht bei einer Änderung der rechtlichen Grundlagen im Verlaufe eines Rechtsmittelverfahrens zur Anwendung gelangt. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten. 3. a) Gemäss Art. 21 Abs. 1 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925 (ZG; SR 631.0) werden die Einfuhr- und Ausfuhrzölle durch den Zolltarif festgesetzt. Der Zoll ist dabei, soweit die Tarifvorschriften nichts anderes bestimmen, nach den Ansätzen und Bemessungsgrundlagen zu entrichten, die am Tage der Entstehung der Zollzahlungspflicht in Kraft stehen ( Art. 21 Abs. 2 ZG ). Nach Art. 22 Abs. 3 ZG ist die Oberzolldirektion zuständig, Dienstvorschriften über die tarifmässige Behandlung einzelner Waren zu erlassen. b) Das Internationale Übereinkommen vom 14. Juni 1983 über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS; SR 0.632.11), das von der Bundesversammlung am 10. Juni 1986 genehmigt wurde, trat für die Schweiz am 1. Januar 1988 in Kraft. Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. a HS ist jede Vertragspartei verpflichtet, ihre Tarif- und Statistiknomenklaturen zum Zeitpunkt, an dem dieses Übereinkommen für sie in Kraft tritt, mit dem Harmonisierten System in Übereinstimmung zu bringen. Da der Zolltarif durch Anpassung an dieses Übereinkommen wesentliche Änderungen erfuhr, wurde eine Totalrevision des Zolltarifgesetzes notwendig. BGE 119 Ib 103 S. 108 Das neue Zolltarifgesetz vom 9. Oktober 1986 wurde ebenfalls auf den 1. Januar 1988 in Kraft gesetzt. c) Gemäss Art. 7 Abs. 1 HS nimmt der Ausschuss für das Harmonisierte System unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Artikels 8 unter anderem folgende Aufgaben wahr: "a) ... b) er arbeitet Erläuterungen, Einreihungsavise und sonstige Stellungnahmen über die Auslegung des Harmonisierten Systems aus; c) er verfasst Empfehlungen, um eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Harmonisierten Systems zu gewährleisten; ..." Abs. 2 von Art. 8 HS, welcher die Aufgaben des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens umschreibt, lautet wie folgt: "Die Erläuterungen, die Einreihungsavise, die sonstigen Stellungnahmen über die Auslegung des Harmonisierten Systems und die Empfehlungen zur Gewährleistung einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Harmonisierten Systems, die gemäss Artikel 7 Absatz 1 im Verlauf einer Sitzung des Ausschusses für das Harmonisierte System ausgearbeitet worden sind, gelten als vom Rat genehmigt, wenn vor Ende des zweiten Monats, der demjenigen folgt, in dem diese Sitzung geschlossen wurde, keine Vertragspartei dieses Übereinkommens dem Generalsekretär notifiziert hat, dass sie beantragt, die Frage sei dem Rat zu unterbreiten." Anlässlich der 6. Session des Ausschusses für das Harmonisierte System vom 22. Oktober 1990 bis 1. November 1990 wurde unter anderem die Tarifeinreihung von Müesli-Mischungen, insbesondere von gerösteten Erzeugnissen, worunter die hier streitige Mischung von Getreideflocken gehört, behandelt und entschieden, dass geröstete Müesli-Mischungen unter die Tarif-Nr. 1904 einzureihen seien. Mit Schreiben vom 6. Dezember 1990 wurde den Mitgliedstaaten mitgeteilt, sie hätten bis 31. Januar 1991 Zeit, um zu verlangen, dass die im Anhang aufgeführten Geschäfte dem Rat zu unterbreiten seien. Nachdem diese Frist unbenützt verstrichen war, galt der Tarifierungsentscheid des Ausschusses für das Harmonisierte System als vom Rat genehmigt. Daraufhin erliess die Eidgenössische Oberzolldirektion am 6. März 1991 ein Zirkular, wonach geröstete beziehungsweise aufgeblähte Müesli-Mischungen ab 15. März 1991 neu unter die Tarif-Nr. 1904.1000 einzureihen seien; eine Rückwirkung wurde BGE 119 Ib 103 S. 109 ausgeschlossen. Ausserdem wurden die Schweizerischen Erläuterungen zum Gebrauchstarif 1986 geändert. 4. Für die Beantwortung der Frage, welche Bestimmungen für die Abfertigung der streitigen Lieferungen an die Beschwerdeführerin anwendbar waren, ist wesentlich, ob die Umtarifierung als Praxisänderung oder als Rechtsänderung anzusehen ist, da insbesondere die Regeln hinsichtlich der Rückwirkung unterschiedlich sind. a) Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, die vom Ausschuss für das Harmonisierte System beschlossene Umtarifierung sei eine blosse Feststellung im Zusammenhang mit der Auslegung einer Bestimmung des Zolltarifs, mithin eine Praxisänderung, die auf alle noch nicht rechtskräftig entschiedenen Verfahren anwendbar sei. Demgegenüber ist die Vorinstanz der Ansicht, durch die vom Ausschuss für das Harmonisierte System neu beschlossenen Vorschriften sei die rechtliche Grundlage für die Tarifierung geändert worden; eine Rückwirkung sei ausgeschlossen. b) Sowohl das Rundschreiben der Oberzolldirektion vom 6. März 1991 als auch die Schweizerischen Erläuterungen zum Gebrauchstarif 1986 sind Dienstanweisungen im Sinne von Art. 22 Abs. 3 ZG und als solche keine eigentlichen Rechtssetzungsakte. Indessen geht es vorliegend darum, die Auslegung des Harmonisierten Systems durch die internationalen Organe ins schweizerische Recht zu überführen. Nach dem Übereinkommen über das Harmonisierte System ist die Rechtsanwendung der internationalen Organe ins materielle Recht der Vertragsstaaten zu übernehmen. Vorliegend hat der Ausschuss für das Harmonisierte System mit der Änderung der Tarifierung von Müesli-Mischungen einen neuen Einreihungsavis erlassen, welcher nach der Regelung von Art. 8 Abs. 2 HS als vom Rat genehmigt gilt (vgl. vorn E. 3c). Diese Änderung eines Einreihungsavises durch die internationalen Organe hat auf der innerstaatlichen Ebene die gleiche Tragweite wie eine (innerstaatliche) Rechtsänderung. Mit dem Tarifierungsentscheid des Ausschusses für das Harmonisierte System ist deshalb für die Auslegung durch die schweizerischen Organe eine neue Rechtsgrundlage entstanden, so dass sich die Frage nach dem anwendbaren Tarif nach den Regeln der Rechtsänderung und nicht der Praxisänderung richtet. 5. Bei Rechtsänderungen ist dem pflichtgemässen Ermessen des Rechtsetzers anheimgestellt, auf welchen Zeitpunkt eine gesetzliche Neuregelung in Kraft treten soll (RENÉ RHINOW/BEAT KRÄHENMANN, BGE 119 Ib 103 S. 110 Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 14 B II). Die Oberzolldirektion hat vorliegend den Zeitpunkt des Inkrafttretens der tariflichen Neueinreihung auf den 15. März 1991 festgesetzt, somit eineinhalb Monate nachdem der Entscheid des Ausschusses für das Harmonisierte System in Kraft getreten war und rund ein Jahr nach den streitigen Einfuhren der Beschwerdeführerin. Bei der Beurteilung der Frage, welches Recht bei einer Änderung der Rechtsgrundlage Anwendung findet, gilt der Grundsatz, dass diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des rechtlich zu ordnenden oder zu Rechtsfolgen führenden Tatbestands Geltung haben. Später eingetretene Änderungen müssen unberücksichtigt bleiben ( BGE 113 Ib 249 , BGE 112 Ib 42 ). Im Lauf des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind in der Regel unbeachtlich, und das Bundesgericht hat im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausschliesslich zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid mit dem zur Zeit seines Erlasses geltenden Recht im Einklang steht. Eine Ausnahme ist dann zu machen, wenn zwingende Gründe dafür bestehen, dass das neue Recht sogleich zur Anwendung gelangt ( BGE 112 Ib 42 , BGE 106 Ib 326 ). Eine den Adressaten begünstigende Rückwirkung ist grundsätzlich - wie eine Rückwirkung allgemein - unzulässig, ausser wenn sie ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt und in zeitlicher Beziehung mässig ist sowie sich durch überwiegende öffentliche Interessen rechtfertigen lässt (ALFRED KÖLZ, Intertemporales Verwaltungsrecht, ZSR 102 (1983), 2. Halbband, S. 171). Zudem darf die Rückwirkung begünstigender Erlasse nicht zu Rechtsungleichheiten führen oder Rechte Dritter beeinträchtigen (ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, N. 272 ff.). Vorliegend wurden die streitigen Erzeugnisse eingeführt und zum höheren Zolltarif verzollt, als noch die alte Regelung in Kraft war. Die Inkraftsetzung der neuen Rechtsgrundlage durch die Oberzolldirektion vom 6. März 1991 hat jede Rückwirkung ausgeschlossen. Zwingende Gründe, welche (ähnlich wie beispielsweise im (Bau-) Bewilligungsverfahren, beim Gewässerschutz- oder beim Umweltschutzgesetz) die sofortige Anwendung des neuen Rechts, etwa um der öffentlichen Ordnung willen, verlangen würden (vgl. RHINOW/KRÄHENMANN, a.a.O., Nr. 15 B IIa; HÄFELIN/HALLER, a.a.O., N. 263 f.), sind hier nicht ersichtlich. Die Oberzolldirektion durfte BGE 119 Ib 103 S. 111 daher die Rückwirkung der neuen Tarifeinreihung, dem Grundsatz entsprechend, ausschliessen. Der Einwand der Beschwerdeführerin, es sei rechtsmissbräuchlich, die geänderte Praxis auf den Leitfall nicht anzuwenden und sie so um die Früchte ihres Erfolgs zu bringen, dringt schon deshalb nicht durch, weil die Änderung der Tarifeinreihung nicht infolge der von ihr ergriffenen Rechtsmittel, sondern aufgrund des geänderten Einreihungsavises der internationalen Organe erfolgte. Eine von der getroffenen Regelung abweichende Bevorzugung der Beschwerdeführerin wäre mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht vereinbar. Die Eidgenössische Zollrekurskommission ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass auf den vorliegenden Sachverhalt der frühere Zolltarif Anwendung findet.
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1,993
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894eea86-ee50-4d1a-8614-87bb9899dbaf
Urteilskopf 87 II 24 5. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Januar 1961 i.S. Keller gegen Mathis.
Regeste Art. 126 OR . Liegt im Versprechen, binnen zwei bis drei Tagen auf bestimmte Weise zu zahlen, ein Verzicht auf Verrechnung mit einer Gegenforderung, die der Schuldner sich nachher von einem Dritten abtreten lässt?
Sachverhalt ab Seite 25 BGE 87 II 24 S. 25 A.- Albert Keller wünschte von Theodor Mathis Schweine zu kaufen. Mathis war bereit, ihm solche zu verschaffen. Er erwarb zu diesem Zwecke von Jakob Widmer in Inwil sechzig Stück. Er wog sie am 7. Januar 1959 in Luzern, führte sie nach Oberägeri und verkaufte sie dort dem Keller zum Preise von Fr. 8323.--. Er verlangte Barzahlung. Keller wünschte von ihm eine Rechnung und versprach ihm, das Geld in zwei bis drei Tagen durch die Kantonalbank Zug zu überweisen. Beim Wägen der Schweine wurde Mathis von Franz Peter beobachtet, dem er damals angeblich Fr. 12'608.-- schuldete. Peter fuhr dem Mathis unbemerkt nach und sah, wie dieser dem Keller die Schweine verkaufte. Als Mathis den Keller verlassen hatte, suchte Peter diesen auf und kaufte ihm die Tiere zu einem Preise ab, der über dem von Keller versprochenen lag. Peter erklärte dem Keller, er habe gegenüber Mathis eine Forderung von Fr. 12'608.--, die er dem Keller an Zahlungsstatt abtreten wolle, damit dieser sie mit seiner Schuld gegenüber Mathis verrechne. Um die Abtretung vorzunehmen, fuhren Peter und Keller am 8. Januar 1959 zu einer Urkundsperson nach Luzern. Dort unterzeichnete Peter eine auf den 30. Dezember 1958 zurückdatierte Erklärung, wonach er die Forderung von Fr. 12'608.-- gegen Mathis an Keller abtrete. Unter Berufung auf diese Abtretung weigerte sich Keller in der Folge, Mathis den Kaufpreis für die sechzig Schweine zu bezahlen, und erhob gegen ihn Anspruch auf den Unterschied von Fr. 4285.-- zwischen diesem Preise und dem Betrag der abgetretenen Forderung. B.- Mathis klagte am 25. März 1959 beim Kantonsgericht Zug gegen Keller auf Zahlung von Fr. 8323.-- nebst Zins zu 5% seit 7. Januar 1959. Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage und erhob Widerklage auf Verurteilung zur Zahlung von Fr. 4285.-- nebst Zins zu 5% seit 9. Januar 1959. Das Kantonsgericht hiess die Klage gut und trat auf die Widerklage nicht ein. BGE 87 II 24 S. 26 Der Beklagte zog die Sache an das Obergericht des Kantons Zug weiter und beantragte Abweisung der Klage und Gutheissung der Widerklage in der Höhe von Fr. 677.-- nebst 5% Zins ab 9. Januar 1959. Das Obergericht wies die Berufung am 26. September 1960 ab. C.- Der Beklagte hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er beantragt, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Akten zur Beurteilung der vom Beklagten geltend gemachten Gegenforderung und Widerklage an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 2. Der Schuldner kann zum voraus auf die Verrechnung verzichten. Der Verzicht kommt durch zwei übereinstimmende gegenseitige Willensäusserungen zustande, die ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen können ( Art. 1 OR ) und die so auszulegen sind, wie die Gegenpartei sie nach Treu und Glauben hat verstehen dürfen und tatsächlich verstanden hat ( BGE 83 II 26 f., 397 f.). Nach Art. 139 Abs. 2 aoR war ein Verzicht auf Verrechnung unter anderem anzunehmen, wenn der Schuldner im Bewusstsein, eine Gegenforderung zu haben, Barzahlung versprach. Wie in BGE 83 II 398 ausgeführt wurde, ist daraus, dass man diese Bestimmung nicht in das revidierte Gesetz hinübernahm, nicht zu schliessen, auch ein ohne Kenntnis der Gegenforderung abgegebenes Zahlungsversprechen habe als Verzicht zu gelten. Weiss der Schuldner nicht, dass er eine Gegenforderung hat oder vor der Tilgung seiner Schuld erlangen könnte, so ist ihm das Zahlungsversprechen nur dann als Verzicht anzurechnen, wenn der Gläubiger nach Treu und Glauben den Umständen entnehmen darf und tatsächlich entnimmt, der Schuldner wolle auf die Verrechnung verzichten. Als der Beklagte dem Kläger am 7. Januar 1959 versprach, BGE 87 II 24 S. 27 ihm den Preis für die Schweine in zwei bis drei Tagen durch die Kantonalbank Zug zu überweisen, wusste er nicht, dass Peter ihm eine Forderung gegen den Kläger abtreten werde. Dennoch hält die durch Hinweis auf die erwähnte Rechtsprechung begründete Auffassung des Beklagten, er habe durch das Zahlungsversprechen nicht auf die Verrechnung verzichtet, nicht stand. Das Obergericht stellt fest, der Kläger habe bei der Übergabe der Schweine sofortige Barzahlung verlangt und sich nur durch die bestimmte Zusicherung des Beklagten, innert zwei bis drei Tagen durch die Zuger Kantonalbank zu zahlen, zur Vorleistung bestimmen lassen; für den Beklagten sei ersichtlich gewesen, dass der Kläger bares Geld haben musste und haben wollte und das Geschäft nur unter der Voraussetzung abschloss, dass diesem Willen entsprochen werde. Diese Feststellungen betreffen tatsächliche Verhältnisse und binden daher das Bundesgericht. Sie schliessen die Tilgung der Schuld auf dem Wege einer vom Beklagten erklärten Verrechnung aus. Weil die vom Beklagten versprochene Zahlung durch die Kantonalbank Zug an Stelle der vom Kläger verlangten sofortigen Barzahlung treten sollte, durfte der Kläger das Versprechen dahin verstehen, dass er binnen zwei bis drei Tagen tatsächlich durch Geld, nicht mittels Verrechnung mit einer dem Beklagten abzutretenden Forderung eines Dritten befriedigt werde. Nach Treu und Glauben musste der Beklagte sich sagen, dass sein Versprechen so verstanden werde, denn er wusste, dass der Kläger bares Geld haben wollte. Indem er Zahlung durch die Bank versprach, sagte er dem Kläger Leistung in Geld zu und verzichtete er auf Verrechnung, namentlich auch auf Verrechnung mit einer Forderung, die er erst noch von einem Dritten erwerben würde. 3. Der Beklagte führt nicht aus, inwiefern das Obergericht Bundesrecht verletzt habe, indem es auf die Widerklage nicht eintrat. Soweit der Berufungsantrag Rückweisung der Sache zur Beurteilung der Widerklage BGE 87 II 24 S. 28 verlangt, ist auf ihn deshalb nicht einzutreten ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 26. September 1960 bestätigt.
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Urteilskopf 114 Ib 135 20. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. März 1988 i.S. Küchler und Mitbeteiligte gegen Kanton Obwalden und Regierungsrat des Kantons Obwalden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Schaffung einer zusätzlichen Nationalstrassen-Ausfahrt. Soll eine zusätzliche Nationalstrassen-Ausfahrt geschaffen werden, muss zunächst das generelle Projekt entsprechend abgeändert werden; eine Änderung bloss des Ausführungsprojektes genügt nicht.
Sachverhalt ab Seite 135 BGE 114 Ib 135 S. 135 Im Rahmen der Beratungen über die Ausgestaltung des schweizerischen Nationalstrassennetzes beschloss die Bundesversammlung, die Nationalstrasse N6 Bern-Thun (Gwatt) und die Nationalstrasse N2 Basel-Chiasso zusätzlich mit einer Nationalstrasse zweiter bzw. dritter Klasse (N8) zu verbinden, die von Thun über Interlaken und über den Brünig nach Acheregg/Hergiswil führt (Bundesbeschluss über das Nationalstrassennetz vom 21. Juni 1960 und Liste der schweizerischen Nationalstrassen; vgl. Sten.Bull. NR 1960 S. 215 f.). Das generelle Projekt für die Teilstrecke zweiter Klasse Alpnachstad-Delli (Kantonsgrenze OW/NW) wurde vom Bundesrat am 16. Dezember 1968 genehmigt. In diesem Abschnitt waren drei Teil-Anschlüsse an das kantonale Strassennetz vorgesehen: die Ausfahrt Bachmattli und die Einfahrt Z'Matt für den Verkehr in Richtung oder aus Richtung Gotthard sowie die Ausfahrt Alpnachstad, die den Fahrzeugen aus Richtung Luzern/Loppertunnel unter anderem die direkte Zufahrt zur Pilatusbahn-Talstation ermöglicht. BGE 114 Ib 135 S. 136 Dem gestützt auf das generelle Projekt ausgearbeiteten und öffentlich aufgelegten Ausführungsprojekt erteilten der Regierungsrat des Kantons Obwalden am 4. August 1971 und das damals noch zuständige Eidgenössische Departement des Innern am 19. März 1971 die Genehmigung. Die Bauarbeiten wurden hierauf ausgeführt und das Strassenstück dem Verkehr übergeben. Da wegen der engen topographischen und der schwierigen geologischen Verhältnisse in Alpnachstad wie geschildert nur eine Ausfahrt für den Verkehr aus Richtung Luzern erstellt worden war, benutzten die vom Brünig her in den Raum Alpnachstad gelangenden Fahrzeuge die Ausfahrt Alpnach Süd und die von diesem Raum in beide Richtungen wegfahrenden Fahrzeuge entweder die Einfahrt Alpnach Nord oder die Einfahrt Sarnen. Die durch Alpnachstad und Alpnachdorf führende Kantonsstrasse wurde deshalb nur teilweise entlastet und musste insbesondere weiterhin den Lastwagenverkehr der Sand & Kies AG von und nach Niederstad aufnehmen. Auf Drängen der Gemeinde Alpnach beschloss der Regierungsrat des Kantons Obwalden schliesslich, das Ausführungsprojekt Alpnachstad-Delli abzuändern und neu aufzulegen. Nach den geänderten Plänen soll einerseits - was hier nicht interessiert, da das Projekt insoweit nicht angefochten wird - in Alpnachstad eine weitere Einfahrt in Richtung Brünig geschaffen werden. Andererseits wird vorgesehen, in Niederstad etwa 600 m vor der Ausfahrt Bachmattli eine "provisorische" Werkausfahrt für den aus Richtung Brünig kommenden Schwerverkehr, insbesondere für die Lastwagen der Sand & Kies AG, zu erstellen. Hiefür soll die Standspur auf einer Länge von rund 50 m zu einer Verzögerungsspur verbreitert werden, an deren Ende ein Tor errichtet wird, das normalerweise geschlossen bleibt und nur von den Lastwagenführern geöffnet werden kann. Die Ausfahrtspiste wird als Einbahnstrasse auf einer Länge von rund 30 m bis zur bestehenden, auf 6,5 m zu verbreiternden Erschliessungsstrasse Niederstad geführt, die ihrerseits in die Kantonsstrasse mündet. Gegen das abgeänderte Ausführungsprojekt reichten John Küchler und weitere Eigentümer von Wohnhäusern längs der Erschliessungsstrasse Niederstad Einsprache ein. Der Regierungsrat des Kantons Obwalden wies diese mit Entscheiden vom 4. März 1985 im wesentlichen ab und hiess nur einige Begehren von untergeordneter Bedeutung, so dem Grundsatze nach die Gesuche um Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Erschliessungsstrasse, BGE 114 Ib 135 S. 137 gut. Gegen diesen Entscheid haben die Einsprecher Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. a) Der Gesetzgeber hat auf dem Bereich des Nationalstrassenwesens die Zuständigkeiten klar und eingehend geregelt und auch den Gegenstand der von den einzelnen Instanzen zu fassenden Entscheide im wesentlichen umschrieben. Die Festlegung des Nationalstrassennetzes, die allgemeine Linienführung der Nationalstrassen und deren Klassierung ist Aufgabe der Bundesversammlung (Art. 1, 2-4 und 11 des Bundesgesetzes über die Nationalstrasse NSG), welche dieser durch den Beschluss über das Nationalstrassennetz vom 21. Juni 1960 (SR 725.113.11) nachgekommen ist. Die derart festgelegten Nationalstrassen sind in generellen Projekten darzustellen ( Art. 12 NSG ), die vom eidgenössischen Amt für Strassen- und Flussbau (heute: Bundesamt für Strassenbau) in Zusammenarbeit mit den interessierten Bundesstellen und Kantonen auszuarbeiten sind ( Art. 13 NSG ) und deren Genehmigung dem Bundesrat obliegt ( Art. 20 NSG ). Aus den generellen Plänen müssen neben der Linienführung der Strasse und den Kreuzungsbauwerken insbesondere die Anschlussstellen ersichtlich sein ( Art. 12 NSG ). Nach der Genehmigung der generellen Projekte ist es schliesslich Sache der Kantone, in Zusammenarbeit mit dem Amt für Strassen- und Flussbau und den interessierten Bundesstellen die Ausführungsprojekte gemäss den Vorschriften des Bundesrates auszuarbeiten ( Art. 21 Abs. 1 und 2 NSG ). Im Anschluss an die Publikation der Projekte und die Behandlung der dagegen erhobenen Einsprachen werden die bereinigten Ausführungsprojekte durch das Eidgenössische Departement des Innern (heute: Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement) genehmigt ( Art. 28 Abs. 1 NSG ). Erst mit dieser Genehmigung werden die Baulinien rechtswirksam ( Art. 39 NSG ) und wird der Weg für ein allfälliges Enteignungsverfahren frei, das sich nunmehr auf die Behandlung der angemeldeten Entschädigungsforderungen zu beschränken hat ( Art. 39 Abs. 1 NSG ; BGE 111 Ib 30 E. 3b mit Hinweisen). b) Das Bundesgericht hatte bereits verschiedentlich Gelegenheit, sich zum wesentlichen Inhalt der generellen Projekte zu äussern, zu dem insbesondere auch die Anschlussstellen gehören, bilden doch die Nationalstrassen erster und zweiter Klasse ein in BGE 114 Ib 135 S. 138 sich geschlossenes Verkehrsnetz, das ausschliesslich für die Benützung mit Motorfahrzeugen bestimmt ist und nur an besonders ausgebildeten Anschlusspunkten zugänglich sein soll (vgl. Art. 2 und 3 NSG ). Die Frage, wie viele Zugänge zum Nationalstrassennetz zu schaffen und wo diese vorzusehen seien, ist mit Rücksicht auf die Funktion der Autobahnen als Schnellverbindungsstrassen und für die Gewährleistung der Verkehrssicherheit und eines raschen Verkehrsflusses von ausserordentlich grosser Bedeutung. Die Wahl der Anschlussstellen kann aber auch zu allgemein verkehrspolitischen und interkantonalen Problemen führen, zu deren Lösung, die eine gewisse Gesamtsicht voraussetzt, der Bundesrat am besten in der Lage ist. Dass die Anschlussstellen im Rahmen der generellen Projektierung festgelegt werden müssen, hat das Bundesgericht etwa in den Entscheiden vom 13. Mai 1981 i.S. Einwohnergemeinde Münchenstein gegen Kanton Basel-Landschaft und vom 27. April 1983 i.S. POCH gegen Gemeinderat Emmen (vgl. ZBl 85/1984 S. 225 f.) hervorgehoben. Im Urteil vom 4. Juli 1984 i.S. Kiener gegen Kanton Luzern hat es ausgeführt, ob für die Erweiterung einer bestehenden Nationalstrasse ein generelles Projekt erforderlich sei oder ein Ausführungsprojekt genüge, sei eine Rechtsfrage und somit grundsätzlich frei zu prüfen. Weiter ist in BGE 106 Ib 29 ff. festgehalten worden, wenn der Bundesrat einen im generellen Projekt vorgesehenen Anschluss von der Genehmigung ausgenommen habe, könne der Kanton diesen nicht gestützt auf kantonales Recht erstellen, sondern müsse die Projektierung, auch zur Gewährleistung des Rechtsschutzes der betroffenen Grundeigentümer, nach Bundesrecht wiederholt werden. In einer Reihe von Entscheiden betreffend die Teilstrecke Hornussen-Birrfeld der Nationalstrasse N3 ist das Bundesgericht sodann auf die Begehren um Verlegung oder um Verzicht auf den im generellen Projekt enthaltenen Halbanschluss nicht eingetreten, da das generelle Projekt einzig vom Bundesrat abgeändert werden könne (vgl. nicht publ. Entscheid vom 30. April 1985 i.S. Einwohner- und Ortsbügergemeinde Schinznach-Dorf). Desgleichen hat es sich in BGE 111 Ib 28 ff. geweigert, die Frage zu prüfen, ob die im generellen Projekt für die N1 vorgesehene Anschlussstelle mit Zubringer bei Arbon einem Bedürfnis des Nationalstrassenbaus entspreche. Schliesslich kann dem Sachverhalt von BGE 112 Ib 543 ff. entnommen werden, dass die Tessiner Regierung zur Entlastung von Mendrisio und Genestrerio vom Schwerverkehr von und nach der Grenzstelle BGE 114 Ib 135 S. 139 Stabio/Giaggiolo den Bau einer provisorischen Ausfahrt aus der N2 südlich des bestehenden Anschlusswerkes Mendrisio/S. Martino in Aussicht nahm und in diesem Zusammenhang - der gesetzlichen Ordnung gemäss - zunächst den Bundesrat ersuchte, das generelle Projekt entsprechend abzuändern. Die Änderung wurde dann allerdings nicht im vorgeschlagenen Sinne sondern derart vorgenommen, dass zwischen der Kantonsstrasse in Guardia und dem bestehenden Vollanschluss Mendrisio ein zusätzlicher Zubringer vorgesehen wurde. Bei der Ausarbeitung des Ausführungsprojektes verlängerte die kantonale Behörde diesen Zubringer zur Umfahrung von Ligornetto noch um etwa 800 m, was Anlass gab zur Einwendung, das Ausführungsprojekt sprenge den Rahmen des generellen Projektes. Das Bundesgericht hat diesen Einwand im Einspracheverfahren zurückgewiesen in der Überlegung, dass bei der Würdigung des generellen Projektes nicht nur die Pläne 1:5000, sondern auch die weiteren Unterlagen und insbesondere die Bemerkungen des Bundesrates im Genehmigungsbeschluss selbst zu berücksichtigen seien, welche gerade eine allfällige Verbesserung des Projektes im Sinne der Wünsche der Gemeinde Ligornetto vorbehalten hätten; im übrigen ändere das Ausführungsprojekt am eigentlichen Anschlusswerk Mendrisio/S. Martino nichts und werde nur das Ende des Zubringers verlegt. Obschon die Verlängerung des Zubringers beträchtlich sei, dürfe daher das Ausführungsprojekt, welches das Ergebnis detaillierterer Studien und des Eingehens auf die Wünsche der anliegenden Gemeinden sei, noch als mit dem generellen Projekt vereinbar gelten. 6. Aus der geschilderten gesetzlichen Ordnung und der Rechtsprechung ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes: a) Das angefochtene neue Ausführungsprojekt dient der Schaffung einer weiteren Ausfahrt für den Schwerverkehr aus Richtung Brünig, die im generellen Projekt, das vom Bundesrat am 16. Dezember 1968 genehmigt worden war, nicht vorgesehen war. Der bundesrätliche Genehmigungsbeschluss enthielt keinen Vorbehalt betreffend zusätzliche Anschlüsse. Zwar wurde in Ziffer 2 des Beschlusses festgehalten, dass die in den Vernehmlassungen der kantonalen Instanzen und der Gemeinde Alpnach angebrachten Wünsche, soweit sie nicht in aller Form abgelehnt wurden, bei der Detailprojektierung nach Möglichkeit zu berücksichtigen seien. Indessen findet sich in der Vernehmlassung der Gemeinde Alpnach vom 12. Juni 1968 kein Wunsch um Erstellung zusätzlicher Aus- oder Einfahrten. Aus den Akten geht denn auch hervor, dass BGE 114 Ib 135 S. 140 solche Begehren erst später, nach Abschluss der Bauarbeiten und Inbetriebnahme der Nationalstrasse, gestellt wurden. Die umstrittene Ausfahrt ist somit nicht in Ausführung des generellen Projektes geplant worden, sondern steht mit diesem in Widerspruch. Nun können die Kantone in den Ausführungsprojekten nur Anschlüsse vorsehen, die im generellen Projekt enthalten sind, unabhängig davon, ob es sich um Vollanschlüsse, Halbanschlüsse oder Viertelanschlüsse, das heisst einfache Zu- oder Ausfahrten, handle. Andernfalls würde einerseits gegen die gesetzliche Zuständigkeitsordnung verstossen, nach welcher die Kantone anschliessend an die generelle Projektierung die Ausführungsprojekte auszuarbeiten haben, die nur noch vom zuständigen Departement und nicht mehr - wie die generellen Projekte - vom Bundesrat zu genehmigen sind. Andererseits könnten längs der Autobahnen in unkontrollierter Weise zahlreiche Anschlüsse entstehen, was mit der Funktion der Nationalstrassen offensichtlich nicht vereinbar wäre. Damit will nicht gesagt sein, dass die Schaffung einer neuen Aus- oder Einfahrt in gewissen Fällen nicht als zweckmässig oder notwendig oder sogar, infolge einer nicht vorhersehbaren Verkehrsentwicklung, als unerlässlich erscheinen kann: Erweist sich die generelle Projektierung aufgrund einer solchen Entwicklung als überholt, so ist dieser aber gerade dadurch Rechnung zu tragen, dass zunächst das generelle Projekt überarbeitet und angepasst wird. Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen, hat sich doch der Obwaldner Regierungsrat, wie dargelegt, durch die wiederholten Ansuchen der Gemeinde Alpnach und deren Einwohner bewegen lassen, durch blosse Änderung des Ausführungsprojektes einer Situation zu begegnen, wie sie zweifellos noch an zahlreichen Orten längs der Nationalstrassen besteht, insbesondere dort, wo relativ grosse Distanzen zwischen den einzelnen Anschlüssen liegen und das lokale Strassennetz den teils beträchtlichen Verkehr von und zu Industriezonen, grossen Betriebsstätten, Einkaufszentren usw. aufnehmen muss. b) Es stellt sich daher nur noch die Frage, ob hier auf eine Überarbeitung des generellen Projektes verzichtet werden durfte, weil eine mit einem Tor versehene Ausfahrt für den Schwerverkehr erstellt werden soll, welche zudem nur als provisorisch bezeichnet wird. Das ist aber zu verneinen. Es ist unklar geblieben, ob die Ausfahrt ausschliesslich den Lastwagen dienen soll, die aus Richtung Brünig zur Sand & Kies AG zufahren, deren Anlage am Ende der Erschliessungsstrasse BGE 114 Ib 135 S. 141 Niederstad liegt. Ob tatsächlich die anderen in diese Gegend fahrenden Motorfahrzeuge von der Benützung der Ausfahrt abgehalten werden könnten, ist fraglich. Wenn aber in der Tat angenommen werden kann, die Ausfahrt stehe nur dem Schwerverkehr der Sand & Kies AG offen, so handelte es sich bei ihr praktisch um einen privaten Autobahnanschluss zugunsten einer einzelnen Firma. Dass ein derartiger Sonderfall, der sich als Präjudiz auswirken könnte, nur durch einfache Änderung des Ausführungsprojektes ohne Revision des generellen Projektes geschaffen werden kann, muss ausgeschlossen werden. Unklar ist auch, in welcher Hinsicht die umstrittene Ausfahrt bloss "provisorisch" sein soll. Aus den Akten geht nämlich hervor, dass die Begehren um eine neue Ausfahrt nicht im Zusammenhang mit einem besonderen Verkehrsaufkommen, das auf die Bautätigkeit an der Nationalstrasse zurückzuführen wäre, sondern in Zeiten normalen Transportbetriebes gestellt wurden. Jedenfalls haben die kantonalen Behörden in ihren Untersuchungen über den Durchgangsverkehr darauf hingewiesen, dass die Belastung von Sarnen durch den Werkverkehr trotz der Umfahrung durch die N8 ein Mehrfaches der Belastung von Alpnachstad ausmache. Andererseits ist das Bundesamt für Strassenbau offenbar davon ausgegangen, dass die provisorische Ausfahrt im Hinblick auf die bei Fortsetzung des Nationalstrassenbaus südlich von Sarnen notwendigen Betonlieferungen bewilligt werden könne. Wie dem im einzelnen sei, ist ebenso offen wie die Frage, wie lange dieses Provisorium dauern soll und welche Behörde bei welchen Voraussetzungen die Schliessung der Ausfahrt anordnen könne oder müsse. Im Grunde genommen geht es bei der vorliegenden Streitsache um ein Teilproblem der Verbindung des Nationalstrassen- mit dem Kantonsstrassennetz in der Region Alpnach bzw. im Dreieck Hergiswil-Stansstad-Alpnach. Wenn aber die für das fragliche Gebiet getroffene Anschlussregelung aufgrund der Verkehrsentwicklung und allfälliger neuer Erkenntnisse einer Verbesserung bedarf, so kann diese nur auf dem vom Gesetzgeber vorgezeichneten Weg der Überprüfung des generellen Projektes durch den Bundesrat erreicht werden. Da dies hier nicht geschehen ist, bleibt dem Bundesgericht nichts anderes übrig als festzustellen, dass das abgeänderte Ausführungsprojekt dem generellen Projekt nicht entspricht, und den angefochtenen Entscheid des Obwaldner Regierungsrates aus diesem Grunde aufzuheben, ohne dass es sich noch mit den weiteren erhobenen Rügen zu befassen hätte.
public_law
nan
de
1,988
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
89532fee-e1cc-4f2f-8610-5261a38dd5d1
Urteilskopf 125 III 425 72. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 14 septembre 1999 dans la cause A. et consorts contre K. (recours en réforme)
Regeste Kündigung eines landwirtschaftlichen Pachtvertrages ( Art. 16 Abs. 1 LPG ). Da Art. 266n OR im Falle der Kündigung eines landwirtschaftlichen Pachtvertrages nicht anwendbar ist, braucht die Kündigung durch den Verpächter dem Pächter und dessen Ehegatten nicht separat zugestellt zu werden, auch wenn der Pachtgegenstand ein Wohnhaus umfasst, das diesen als Familienwohnung dient.
Sachverhalt ab Seite 426 BGE 125 III 425 S. 426 A.- A., B. et dame C. sont propriétaires en main commune de trois parcelles. Leur mère, dame D., en a la jouissance en vertu d'un usufruit au sens de l' art. 473 CC . Par contrat de bail à ferme du 26 février 1985, dame D. a remis à K., avec effet au 1er mai 1985, moyennant un fermage annuel de 12'000 fr., l'usage du domaine exploité sur ces trois parcelles et comprenant des champs, un pâturage, un appartement ainsi qu'un rural. L'accord intervenu, d'une durée initiale de six ans, a été reconduit tacitement par la suite. Le 2 mai 1986, K. a épousé P. et le couple s'est installé dans l'appartement précité. Par pli recommandé du 11 mai 1994, B., agissant au nom de sa mère, a résilié le contrat de bail à ferme pour le 1er mai 1997. B.- Le fermier et sa famille n'ayant pas quitté les lieux à l'expiration du bail, A., B., dame C. et dame D. (ci-après: les demandeurs) ont déposé, le 2 mai 1997, une requête d'expulsion dirigée contre K. Le défendeur a conclu au rejet de la requête en invoquant, entre autres motifs, la nullité de la résiliation du bail, du fait que celle-ci n'avait pas été signifiée par pli séparé à son épouse, bien qu'elle portât notamment sur le logement de la famille du fermier. Par jugement du 13 février 1998, le Président du Tribunal civil du district de X. a constaté la nullité de la résiliation du bail à ferme et rejeté la requête d'expulsion. La Cour de cassation civile du Tribunal cantonal du canton de Neuchâtel a rejeté le recours interjeté par les demandeurs contre ce jugement par arrêt du 4 mars 1999. A son avis, la résiliation du bail était entachée de nullité, en vertu des art. 266n et 266o CO , car elle n'avait pas été communiquée séparément à l'épouse du fermier, lequel ne commettait, au demeurant, pas d'abus de droit en se prévalant de cette nullité. C.- Agissant par la voie du recours en réforme, les demandeurs invitent le Tribunal fédéral à constater que le bail à ferme a été valablement résilié pour le 1er mai 1997 et à ordonner l'expulsion immédiate du fermier, au besoin avec l'assistance de la force publique. A titre subsidiaire, ils sollicitent le renvoi de la cause à l'autorité cantonale BGE 125 III 425 S. 427 pour nouvelle décision dans le sens des considérants de l'arrêt fédéral. Selon eux, l' art. 266n CO n'est pas applicable au contrat de bail à ferme agricole, de sorte que le congé notifié par écrit au seul fermier est parfaitement valable. Le Tribunal fédéral admet partiellement le recours, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause aux autorités cantonales pour qu'elles statuent sur le mérite de la demande d'expulsion, lesdites autorités n'ayant pas examiné les autres motifs de nullité invoqués par le défendeur en plus du motif retenu à tort par elles. Erwägungen Extrait des considérants: 3. La cour cantonale considère que l'absence, dans la loi fédérale sur le bail à ferme agricole du 4 octobre 1985 (LBFA; RS 221.213.2), d'une disposition comparable à l' art. 266n CO , relatif à la forme du congé donné par le bailleur lorsque le bail à loyer porte sur le logement de la famille, résulte d'une lacune de la loi. A son avis, pour combler cette lacune, il faut accorder au fermier la protection prévue par l' art. 266n CO , si le bail à ferme agricole a également pour objet le logement occupé par la famille du fermier. Les demandeurs soutiennent, au contraire, que la prétendue lacune constitue, en réalité, un silence qualifié du législateur. a) Une véritable ou authentique lacune (lacune proprement dite) suppose que le législateur s'est abstenu de régler un point qu'il aurait dû régler et qu'aucune solution ne se dégage du texte ou de l'interprétation de la loi. Si le législateur a renoncé volontairement à codifier une situation qui n'appelait pas nécessairement une intervention de sa part, son inaction équivaut à un silence qualifié. Quant à la lacune improprement dite, elle se caractérise par le fait que la loi offre certes une réponse mais que celle-ci est insatisfaisante. D'après la jurisprudence, seule l'existence d'une lacune authentique appelle l'intervention du juge, tandis qu'il lui est en principe interdit, selon la conception traditionnelle, de corriger les lacunes improprement dites, à moins que le fait d'invoquer le sens réputé déterminant de la norme ne soit constitutif d'un abus de droit, voire d'une violation de la Constitution (cf. ATF 124 V 271 consid. 2a; ATF 122 I 253 consid. 6a et les arrêts cités). Il convient, dès lors, de rechercher si c'est par inadvertance ou à dessein que le législateur fédéral n'a pas posé de règle spécifique, dans la LBFA, au sujet du logement de la famille et, en particulier, de sa résiliation par le bailleur, alors qu'il l'a fait dans le code des BGE 125 III 425 S. 428 obligations pour le bail à loyer ( art. 266n CO ). Une telle démarche implique que l'on interprète la loi spéciale. C'est le lieu de rappeler que la loi s'interprète d'abord selon sa lettre. Toutefois, si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, il faut alors rechercher quelle est la véritable portée de la norme ou de l'ensemble de normes entrant en ligne de compte, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit notamment les travaux préparatoires, le but et l'esprit des règles posées, les valeurs qui les sous-tendent, ainsi que leur relation avec d'autres dispositions légales. Pour rendre la décision répondant de manière optimale au système et au but de la loi, le Tribunal fédéral utilise, de manière pragmatique, une pluralité de méthodes, sans fixer entre elles un ordre de priorité ( ATF 125 II 238 consid. 5a p. 244 et les arrêts cités). b) aa) Aux termes de l' art. 1er al. 4 LBFA , le code des obligations est applicable, à l'exception des dispositions relatives aux baux à ferme portant sur des habitations ou des locaux commerciaux, de celles relatives à la consignation du loyer et de celles relatives aux autorités et à la procédure. L' art. 266n CO figure dans le chapitre premier - intitulé "Dispositions générales" (art. 253 à 268b CO) - du titre huitième du code des obligations ("Du bail à loyer") et il ne règle pas la consignation du loyer, qui est traitée dans le même chapitre (art. 259g à 259i CO). Cette disposition ne fait donc pas partie des exceptions réservées par l' art. 1er al. 4 LBFA . Il ne s'ensuit pas pour autant que l' art. 266n CO doive nécessairement s'appliquer au bail à ferme agricole. A cet égard, il ne faut pas perdre de vue que ce type de bail fait l'objet d'une réglementation spéciale, laquelle a, en principe, le pas sur la réglementation générale que constitue le code des obligations ("lex specialis derogat legi generali"; cf. ATF 123 II 534 consid. 2d et les références; voir aussi: TERCIER, Les contrats spéciaux, 2e éd., n. 2231). Le texte français de l' art. 1er al. 4 LBFA n'est pas suffisamment explicite, de ce point de vue, qui déclare simplement le code des obligations applicable lorsque l'une des exceptions susmentionnées n'est pas réalisée. En revanche, les versions allemande et italienne de la même disposition accordent, comme il se doit, la priorité à la loi spéciale ("Soweit dieses Gesetz ... keine besondern Vorschriften enthält, gilt das Obligationenrecht (OR), ..."; "Nella misura in cui la presente legge ... non contiene disposizioni speziali, si applica il Codice delle obbligazioni, ..."). L' art. 276a CO en fait du reste de même (cf. STUDER, BGE 125 III 425 S. 429 Commentaire bâlois, 2e éd., n. 1 ad art. 276a CO ), puisqu'il soumet les baux à ferme agricoles à la LBFA, "en tant qu'elle contient des dispositions spéciales" (al. 1), l'application du code des obligations, sous réserve de certaines exceptions, ne devant intervenir qu'"au surplus" (al. 2). La LBFA règle elle-même la question de la forme de la résiliation du bail à ferme agricole à son art. 16 al. 1 ainsi libellé: "la résiliation d'un bail à ferme ne vaut qu'en la forme écrite. L'intéressé peut demander que le congé soit motivé." Cette disposition n'exige donc pas que le bailleur donne le congé en utilisant une formule agréée par le canton ( art. 266l al. 2 CO ), ni qu'il le communique séparément au locataire et à son conjoint, contrairement à l' art. 266n CO . Or, cette dernière disposition est placée, avec trois autres (art. 266l, m et o CO), sous le titre marginal "IV. Forme du congé pour les habitations et les locaux commerciaux." Son objet est ainsi le même que celui de l' art. 16 al. 1 LBFA , à savoir la forme de la résiliation du bail. Il est logique, dans ces conditions, d'accorder la préférence à la norme qui s'applique spécifiquement au type de bail considéré. De plus, la LBFA règle elle-même la prolongation judiciaire du bail à ferme (art. 26 à 28) et elle ne confère la qualité pour agir dans ce sens qu'à la "partie au bail" qui a reçu le congé (art. 26 al. 1). Par conséquent, on ne peut pas tirer du texte de l' art. 1er al. 4 LBFA un argument décisif en faveur de l'applicabilité de l' art. 266n CO à la résiliation d'un bail à ferme agricole. La logique voudrait plutôt que la seconde disposition cédât le pas à la première, conformément au principe lex specialis derogat legi generali, dont l'application n'est pas exclue du seul fait que la loi spéciale est antérieure à la loi générale (cf. ATF 123 II 534 consid. 2d p. 537). bb) L'interprétation historique de la LBFA elle-même (cf., à ce sujet: CLAUDE PAQUIER-BOINAY, Le contrat de bail à ferme agricole: conclusion et droit de préaffermage, thèse Lausanne 1990, p. 41 ss) n'est d'aucun secours pour résoudre la question litigieuse: dans son message du 11 novembre 1981 concernant ladite loi (FF 1982 I 269 ss), le Conseil fédéral se borne à relever que l'exigence de la forme écrite pour la résiliation d'un contrat de bail à ferme a été reprise de la règle applicable à l'époque aux baux à loyer tombant sous le coup de l'arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif (op.cit., p. 292); de leur côté, les Chambres fédérales n'ont pas soulevé la question du destinataire du congé donné par le bailleur, mais se sont concentrées sur le problème de la motivation du congé (cf. BO 1983 CE 439/440; BO 1985 CN 331 à 334). BGE 125 III 425 S. 430 Cela étant, si l'on considère l'oeuvre du législateur dans une perspective historique élargie, embrassant l'ensemble du droit du bail, on est frappé de constater que l'occasion a été donnée à maintes reprises aux Chambres fédérales d'introduire l'exigence de la double notification du congé pour le bail à ferme agricole également, mais qu'il ne l'a jamais saisie, ce qui, à l'évidence, ne saurait être le fruit d'une inadvertance initiale ou d'un oubli à répétition. Ainsi, l'Assemblée fédérale, lorsqu'elle a modifié, le 5 novembre 1984, les dispositions du code civil relatives aux effets généraux du mariage notamment (RO 1979 II 1179), a introduit une telle exigence en matière de bail à loyer (art. 271a al. 1 aCO), mais ne l'a pas étendue au bail à ferme, fût-ce au moyen d'un simple renvoi. Cette dernière disposition, le Conseil national la connaissait forcément quand il a débattu de la résiliation du bail à ferme agricole, dans sa séance du 6 mars 1985 (BO 1985 CN 331 à 334); il ne l'a cependant pas incorporée dans la disposition topique de la LBFA, se contentant d'adhérer à la décision du Conseil des Etats y afférente, lequel avait adopté, sur ce point, le projet du Conseil fédéral (BO 1983 CE 439/440). Le législateur fédéral n'a pas non plus jugé nécessaire de régler spécifiquement la question du congé donné au fermier en cas de bail à ferme agricole portant aussi sur un logement familial, lorsque, dans le cadre de la révision du droit du bail arrêtée le 15 décembre 1989 (RO 1990 802), il a repris l'exigence de la double notification pour le congé donné par le bailleur dans le nouveau droit du bail à loyer ( art. 266n CO ), qu'il a expressément exclu l'application des dispositions concernant le logement de la famille aux baux à ferme portant sur des habitations ou des locaux commerciaux ( art. 300 al. 2 CO ; cf., sur ce point, le consid. 3b/cc ci-dessous) et qu'il a procédé à une modification partielle de la LBFA (art. 1er al. 4, 22a et 25b; RO 1990 831). De même, l'adoption, le 4 octobre 1991, du projet de loi fédérale sur le droit foncier rural (LDFR; RO 1993 1410, RS 211.412.11), dont une disposition réserve pourtant l' art. 169 CC destiné à protéger le logement familial (art. 40 al. 3), n'a pas conduit le législateur fédéral à insérer dans ladite loi, ni dans la LBFA modifiée à cette occasion (art. 51), l'exigence de la double notification du congé du bailleur relatif à un tel logement compris dans une entreprise agricole. Enfin, les Chambres fédérales ne sont pas davantage intervenues dans ce sens à l'occasion de la modification partielle, le 26 juin 1998, de la LDFR et de la LBFA (RO 1998 3009 et 3012). Ce bref aperçu de l'évolution législative dans le domaine du bail depuis les années quatre-vingt jusqu'à ce jour tendrait ainsi à accréditer BGE 125 III 425 S. 431 la thèse du silence qualifié plutôt que celle de la lacune proprement dite. cc) Le bien-fondé de cette thèse est confirmé indirectement par la manière dont la question litigieuse a été réglée pour le bail à ferme ordinaire. Selon l' art. 300 al. 2 CO , les dispositions relatives au logement de la famille ( art. 273a CO ) ne sont pas applicables aux congés concernant les baux à ferme portant sur des habitations ou des locaux commerciaux, visés par son premier alinéa. La disposition citée ne mentionne pas l' art. 266n CO , il est vrai. Cependant - outre que l' art. 298 CO rend superflue pareille mention, puisqu'il règle lui-même la forme du congé pour les habitations ou les locaux commerciaux affermés -, il va de soi que si l'on exclut la possibilité pour le conjoint du fermier d'exercer les droits de ce dernier en cas de congé (faculté réservée par l' art. 273a CO ), la notification séparée de la résiliation du bail au conjoint du fermier (exigence posée par l' art. 266n CO ) n'a plus aucun sens. La ratio legis de l' art. 300 al. 2 CO ressort clairement du message du Conseil fédéral du 27 mars 1985 touchant la révision du droit du bail (FF 1985 I 1369 ss, 1457): le bail à ferme concerne l'activité économique du fermier; c'est pourquoi, seul le fermier peut invoquer des droits contre le congé (voir aussi, parmi d'autres: STUDER, in Commentaire bâlois, 2e éd., n. 3 ad art. 300 CO ; TERCIER, op.cit., n. 2218; ENGEL, Contrats de droit suisse, p. 221/222, lequel considère comme douteux le bien-fondé social de cette distinction entre le bail à loyer et le bail à ferme sous cet angle). Qu'un tel motif soit transposable dans le bail à ferme agricole est dans l'ordre logique des choses. Comme le soulignent, en effet, STUDER/HOFER (Le droit du bail à ferme agricole, p. 141), contrairement au bail à loyer, le contenu essentiel du bail à ferme est l'utilisation agricole et l'usage du seul logement ne revêt qu'un caractère accessoire. On voit mal, du reste, pour ne citer qu'un seul exemple, ce qui pourrait justifier de traiter différemment, s'agissant de la résiliation du logement familial inclus dans le bail à ferme, le congé donné au fermier exploitant un hôtel et celui donné au fermier exploitant une entreprise agricole. dd) L' art. 40 LDFR , sur lequel la cour cantonale fonde son argumentation, n'infirme en rien ce qui précède (dans ce sens, au sujet de l'arrêt présentement attaqué, cf. Yves Donzallaz, Pratique et jurisprudence de droit foncier rural 1994-1998, n. 267). En vertu de cette disposition, le propriétaire ne peut aliéner une entreprise agricole qu'il exploite avec son conjoint ou une part de copropriété sur BGE 125 III 425 S. 432 ladite entreprise qu'avec le consentement de son conjoint (al. 1). S'il ne peut obtenir ce consentement ou si ce dernier lui est refusé sans motif valable, il peut saisir le juge (al. 2). L'art. 169 du code civil, destiné à protéger le logement familial, est réservé (al. 3). Comme il appert de son texte même, ainsi que des titres du chapitre ("Contrats d'aliénation") et de la section ("Restrictions générales du pouvoir de disposer dans les cas d'aliénation") dans lesquels elle figure, la disposition citée ne vise que l'aliénation de l'entreprise agricole et non la résiliation du bail à ferme agricole. Que l' art. 169 al. 1 CC traite aussi de la résiliation du bail n'y change rien. En effet, si l' art. 40 al. 3 LDFR réserve cette disposition, c'est uniquement afin de rendre le consentement du conjoint également nécessaire pour l'aliénation d'une entreprise agricole - dans le cas où la condition de l'exploitation commune, au sens du premier alinéa de la même disposition, n'est pas remplie - lorsque la famille risque de perdre son logement (cf. Message du Conseil fédéral à l'appui de la LFDR, in FF 1988 III 889 ss, 908 et 957; DONZALLAZ, Commentaire de la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le nouveau droit foncier rural, n. 390; STUDER, in Das bäuerliche Bodenrecht, Kommentar zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991, n. 21 ad art. 40 LDFR ). Au demeurant, les commentateurs récents de l' art. 169 CC sont d'avis que la résiliation du bail à ferme agricole ne tombe pas sous le coup de cette disposition (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Commentaire bernois, 2e éd. [1999], n. 33 ad art. 169 CC ; BRÄM/HASENBÖHLER, Commentaire zurichois, n. 26 ad art. 169 CC ). Il n'y a donc pas de raison pour qu'il en aille autrement en ce qui concerne l' art. 266n CO (anc. 271a CO), lequel n'est que le pendant de l' art. 169 CC , s'agissant de la résiliation du bail d'un logement familial. ee) D'une manière générale, la doctrine considère que le contrat de bail à ferme agricole doit faire l'objet d'un traitement distinct par rapport au contrat de bail (à loyer ou à ferme) ordinaire, dès lors que le législateur fédéral a posé des règles spécifiques à son sujet (cf., parmi d'autres: HIGI, Commentaire zurichois, n. 62 ad art. 253a-253b CO ; LACHAT, Le bail à loyer, p. 77, n. 3.2; STUDER, in Commentaire bâlois, n. 16 ad art. 253a-253b CO ). Pour ce qui est du congé donné par le bailleur, la doctrine majoritaire estime qu'il ne doit pas être communiqué séparément au fermier et à son conjoint, même si l'entreprise agricole comprend une habitation qui sert de logement à la famille du fermier (STUDER/HOFER, ibid.; STUDER, in dernier op.cit., n. 4 ad art. 298 CO ; BGE 125 III 425 S. 433 HAUSHEER/REUSSER/GEISER, ibid., avec d'autres références; les mêmes, in Kommentar zum Eherecht, vol. I, n. 33 ad art. 169 CC et 271a CO; DONZALLAZ, Pratique et jurisprudence..., n. 265 à 268, va apparemment dans le même sens; cf. aussi, indirectement: HEGNAUER/BREITSCHMID, Grundriss des Eherechts, 3e éd., n. 17.20, et BRÄM/HASENBÖHLER, ibid.; d'un autre avis: DESCHENAUX/STEINAUER, Le nouveau droit matrimonial, p. 99; NÄF-HOFMANN, Das neue Ehe- und Erbrecht im Zivilgesetzbuch, 2e éd., n. 119; quant à VOLLENWEIDER, Le logement de la famille selon l'article 169 CC: notion et essai de définition, thèse Lausanne 1995, le passage de son ouvrage cité par la cour cantonale (p. 89) ne l'est pas à bon escient, comme le soulignent avec raison HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Commentaire bernois, n. 33 ad art. 169 CC , p. 388, puisqu'il a trait au problème - différent - du local mixte). Il existe donc un large consensus au sein de la doctrine pour soustraire le bail à ferme agricole du champ d'application de l' art. 266n CO . ff) L'interprétation téléologique de la LBFA ne conduit pas à un autre résultat. A cet égard, on ne saurait suivre l'opinion de la cour cantonale selon laquelle le caractère déterminant du bail à ferme agricole réside dans l'existence du logement familial, qui l'emporte sur l'aspect économique. Comme le relève à juste titre DONZALLAZ (dernier op.cit., n. 265), il ne va pas de soi que l'habitation constitue un élément essentiel pour retenir l'existence d'une entreprise agricole. En outre, lorsque l'habitation est jugée nécessaire à l'admission d'une telle entreprise, c'est précisément au regard des finalités économiques visées par cette dernière et au vu du type d'agriculture en cause. Selon l' art. 4 al. 1 LBFA , le bail à ferme agricole est un contrat par lequel le bailleur s'oblige à remettre au fermier, moyennant un fermage, l'usage d'une entreprise ou d'un immeuble à des fins agricoles et à lui en laisser percevoir les fruits ou les produits. Il ressort de cette définition légale du bail à ferme agricole que le fermier conclut un tel contrat dans le but de pouvoir utiliser, par son activité, les possibilités et qualités frugifères offertes par la chose affermée (PAQUIER-BOINAY, op.cit., p. 104). Aussi est-ce non seulement sa place de travail, mais encore les fondements de son existence économique et familiale que le fermier trouve sur le bien-fonds qu'il a pris à ferme (STUDER/HOFER, op.cit., p. 18). D'où la nécessité de renforcer sa protection. Tel était le but principal assigné à la LBFA par le Conseil fédéral (cf. le message ad hoc, in FF 1982 I 270 ss). Pour BGE 125 III 425 S. 434 atteindre cet objectif, le législateur a, entre autres mesures, fixé à neuf ans au moins la durée initiale du bail à ferme portant sur une entreprise agricole ( art. 7 al. 1 LBFA ), à une année le délai de congé minimal ( art. 16 al. 2 LBFA ) et à six ans la durée maximale de la prolongation judiciaire du bail ( art. 27 al. 4 LBFA ). Sous cet angle, le fermier bénéficie donc d'une protection bien supérieure à celle du locataire titulaire d'un bail à loyer portant sur une habitation. En effet, le code des obligations ne prévoit aucune durée initiale minimale pour ce type de bail ( art. 255 CO ), se contente d'un délai de résiliation de trois mois ( art. 266c CO ) et limite à quatre ans la durée de la (ou des deux) prolongation(s) judiciaire(s) du bail ( art. 272b al. 1 CO ). La situation du conjoint du locataire apparaît ainsi nettement moins favorable que celle du conjoint du fermier, de sorte que la nécessité de protéger le logement familial ne s'impose pas avec la même force dans le domaine du bail à ferme agricole que dans celui du bail à loyer. D'ailleurs, il ne faut pas perdre de vue que la notification séparée du congé, imposée par l' art. 266n CO , vise à permettre au conjoint du locataire d'exercer lui-même les droits du locataire en cas de congé, en particulier de contester le congé ou de demander la prolongation du bail ( art. 273a al. 1 CO ). Cela suppose que le locataire reste passif, à réception du congé, ou s'abstienne volontairement, par esprit de chicane ou pour d'autres motifs, d'exercer ses droits y relatifs (cf. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Commentaire bernois, n. 9 ad art. 169 CC , p. 372). Or, il paraît peu conforme à l'expérience de la vie d'imaginer, d'une part, que le fermier puisse rester inactif par négligence à réception d'un congé qui doit lui être notifié une année avant l'échéance du bail et, d'autre part, que son conjoint puisse le contraindre indirectement à poursuivre, à son corps défendant, l'exploitation de l'entreprise agricole, en sollicitant lui-même la prolongation judiciaire du bail, dont le fermier ne veut pas entendre parler. c) Force est, partant, d'admettre, au terme de cet examen, que l'absence, dans la LBFA, d'une disposition topique analogue à l' art. 266n CO ne constitue pas une lacune véritable, mais résulte d'un silence qualifié du législateur fédéral.
null
nan
fr
1,999
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
8954c669-4828-411f-b132-3d5d56855a33
Urteilskopf 109 II 26 8. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Februar 1983 i.S. Intravend AG gegen Consorzio Gianola, Vittori e De Vittori (Berufung)
Regeste Vollstreckung eines Wandelungsurteils; Zulässigkeit der Berufung. 1. Entscheide im Befehlsverfahren nach § § 222 ff. ZPO /ZH als berufungsfähige Zivilrechtsstreitigkeiten im Sinne von Art. 46 OG (E. 1). 2. Befehlsverfahren zur Vollstreckung eines Wandelungsurteils; Frage der Rechtskraft (E. 2a und b). 3. Wandelung Zug um Zug; Voraussetzungen der Haftung des Käufers für die sorgfältige Aufbewahrung der Sache zwischen Wandelung und Rückgabe (analoge Anwendung von Art. 890 ZGB ; E. 3). 4. Holschuld und Rückgabeangebot des Käufers; Gläubigerverzug des Verkäufers (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 26 BGE 109 II 26 S. 26 A.- Die Intravend AG verkaufte am 13. Januar 1965 dem Consorzio Gianola, Vittori e De Vittori eine Grabenmaschine zum Preis von Fr. 185'513.--. BGE 109 II 26 S. 27 B.- Mit Urteil vom 1. November 1976 hiess das Obergericht des Kantons Zürich eine Widerklage der Käufer auf Wandelung des Vertrages gut, indem es die Intravend AG verpflichtete, dem Consorzio gegen Rückgabe der Maschine "samt aller Zubehör, Bestandteile und Ersatzteile in dem Zustand, in welchem sich diese heute befinden", den bisher geleisteten Kaufpreis von Fr. 110'000.-- nebst Zins zurückzuzahlen. Dieses Urteil wurde am 12. Oktober 1977 vom Bundesgericht bestätigt. Auf Begehren des Consorzio Gianola, Vittori e De Vittori stellte der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich am 30. September 1981 im Befehlsverfahren gemäss § 222 Ziff. 1 ZPO /ZH fest, die Kläger hätten die Grabenmaschine der Beklagten gehörig zur Rückgabe angeboten. Er befahl der Beklagten daher, die Maschine samt allem Zubehör, den Bestand- und Ersatzteilen in Manno (TI) abzuholen. Ein Rekurs der Beklagten gegen dieses Urteil ist vom Obergericht des Kantons Zürich am 6. September 1982 abgewiesen worden. C.- Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Sie beantragt, die Entscheide der beiden Vorinstanzen aufzuheben und festzustellen, dass die Kläger ihre Leistung gemäss Urteil vom 1. November 1976 nicht erbracht hätten; eventuell sei die Sache zu weiteren Beweiserhebungen und zu neuer Entscheidung an den Einzelrichter zurückzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Berufung ist abgesehen von den in Art. 44 lit. a bis e und Art. 45 lit. b OG abschliessend aufgezählten Fällen nur in Zivilrechtsstreitigkeiten zulässig ( Art. 44 Abs. 1 und Art. 46 OG ). Darunter versteht die Rechtsprechung ein kontradiktorisches Verfahren zwischen zwei oder mehreren natürlichen oder juristischen Personen in ihrer Eigenschaft als Trägerinnen privater Rechte oder zwischen solchen Personen und einer Behörde, die nach Bundesrecht die Stellung einer Partei hat; das Verfahren spielt sich vor dem Richter oder einer anderen Spruchbehörde ab und bezweckt die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse ( BGE 107 II 501 E. b, 505, BGE 106 II 366 , BGE 101 II 368 E. b mit Verweisungen). Diese Umschreibung kann auch Streitigkeiten einschliessen, die im summarischen Verfahren, namentlich im BGE 109 II 26 S. 28 Befehlsverfahren gemäss § § 222 ff. ZPO /ZH zu erledigen sind ( BGE 106 II 96 E. b mit Verweisungen). Ist ein Urteil zu vollstrecken, das wie das Wandelungsurteil vom 1. November 1976 die Pflichten einer Partei von einer Gegenleistung abhängig macht oder eine Bedingung enthält, so entscheidet im Streitfall der Richter in einem separaten Prozess, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Art. 74 BZP ; BGE 94 II 268 E. 4, BGE 90 III 75 , BGE 67 III 116 ff., BGE 58 II 416 f.; siehe auch GULDENER, in ZSR 80/1961 II S. 33; JAEGER, N. 3 und 9 zu Art. 80 SchKG ; ferner BGE 103 II 113 E. 5). Das zürcherische Recht sieht gemäss § 304 Abs. 2 ZPO dafür das summarische Befehlsverfahren vor (vgl. STRÄULI/MESSMER, 2. Aufl., N. 11 und 12 zu § 304 ZPO ). Indem der Befehlsrichter feststellt, dass die umstrittenen Voraussetzungen vorliegen, ergänzt er das bedingte Urteil, macht es vollstreckbar und befindet so nicht bloss über eine nicht berufungsfähige, einfache Vollstreckungsmassnahme, sondern über eine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinn der genannten Umschreibung. Derartigen Entscheiden im Vollstreckungsverfahren kommt nach § 212 Abs. 1 in Verbindung mit § 222 Ziff. 1 ZPO zudem die nämliche Rechtskraftwirkung zu wie Urteilen im ordentlichen Verfahren. Der angefochtene Beschluss ist daher auch ein Endentscheid im Sinn von Art. 48 OG ( BGE 106 II 96 E. b, BGE 104 II 220 E. 3, BGE 103 II 251 /252; STRÄULI/MESSMER, N. 6 zu § 212 ZPO ). Der Streitwert gemäss Art. 64 OG ist gegeben. Auf die Berufung ist daher einzutreten. 2. Nach Auffassung der Vorinstanz haben die Kläger die Rückgabe der Grabenmaschine richtig angeboten, als sie die Beklagte mit Schreiben vom 8. November 1977 aufforderten, die Maschine im damaligen Zustand in Manno (TI) abzuholen und gleichzeitig den Kaufpreis zurückzuerstatten. Die Beklagte erblickt darin eine Verletzung der Rechtskraft des Wandelungsurteils vom 1. November 1976, weil damit den Klägern erlaubt werde, weniger (namentlich nicht alle Bestandteile der Maschine) zurückzugeben, als dieses Urteil ausdrücklich angeordnet habe. a) Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG sind neue Einreden im Berufungsverfahren unzulässig. Die Rechtskraft ist nach der zürcherischen ZPO mittels Einrede geltend zu machen ( § 191 Abs. 4 ZPO ; STRÄULI/MESSMER, N. 24 f. zu § 191 ZPO ; N. 9 zu § 107 ZPO ). Die Beklagte behauptet nicht, diese Einrede in der vom kantonalen Recht vorgeschriebenen Form (vgl. BGE 96 II 450 BGE 109 II 26 S. 29 oben) erhoben zu haben, und auch den Ausführungen im angefochtenen Beschluss ist dazu nichts zu entnehmen. Die Frage, ob die Einrede deswegen unzulässig ist, kann jedoch offen gelassen werden, ebenso, ob bei bundesrechtlichen Ansprüchen die abgeurteilte Sache nur auf Einrede hin oder von Amtes wegen zu beachten sei (vgl. BGE 105 II 155 E. a, BGE 104 II 149 , BGE 95 II 643 mit Hinweis auf die Lehre). Nach Bundesrecht steht jedenfalls die Rechtskraft eines früheren Urteils einer neuen Klage nur bei Identität der Ansprüche entgegen; daran fehlt es, wenn der Kläger neue erhebliche, seit dem Vorprozess eingetretene Tatsachen geltend macht ( BGE 105 II 270 , 151 E. 1, BGE 97 II 395 E. 4). b) Das Urteil vom 1. November 1976 hat über die gegenseitigen Ansprüche der Parteien infolge Wandelung des Kaufvertrages entschieden, wogegen im vorliegenden Verfahren die Rechtsfolgen zu bestimmen sind, die eintreten, weil die Beklagte angeblich mit ihrer Rückleistung des Kaufpreises im Verzug ist und die Maschine als Gegenleistung wegen der seit 1976 eingetretenen Entwertung nicht annehmen will. Es liegen daher neue, den Vollzug des Wandelungsurteils betreffende Tatsachen vor, die mit dem beurteilten Anspruch auf Wandelung selbst nichts zu tun haben. Von einer Identität der Ansprüche kann daher keine Rede sein. 3. Die Vorinstanz nimmt an, die Beklagte habe das Angebot der Kläger auf Rückgabe der Maschine zu Unrecht abgelehnt und befinde sich daher im Annahmeverzug. Sie anerkennt zwar, dass seit dem Wandelungsurteil Bestandteile der Maschine, Zugehör und Ersatzteile abhanden gekommen sind. Es erübrige sich indes, den Sachverhalt beweismässig näher abzuklären, da seit dem Wandelungsurteil die Beklagte die Gefahr der Sache trage, die Kläger für die Verluste nicht hafteten und die Maschine mit oder ohne die fehlenden Teile ein "Nonvaleur" sei, weshalb die Beklagte nicht auf der Rückgabe dieser Teile beharren dürfe. Die Beklagte hält dem entgegen, ein gehöriges Rückgabeangebot liege nicht vor; die Kläger hafteten gemäss Art. 420 OR für die sorgfältige Aufbewahrung der Kaufsache, ausserdem verletze der Beschluss Art. 4 BV und Art. 8 ZGB . a) Das Wandelungsurteil vom 1. November 1976 geht zutreffend ( BGE 83 II 24 ; von TUHR/ESCHER, § 64 I Anm. 8, S. 58) davon aus, Leistung und Gegenleistung seien analog der Erfüllung zweiseitiger Verträge ( Art. 82 OR ) Zug um Zug zurückzugeben, so dass grundsätzlich nur derjenige Vertragspartner den andern zur Leistung anhalten darf, der bereits selbst geleistet oder seine Leistung BGE 109 II 26 S. 30 gehörig angeboten hat. Mit der analogen Anwendung von Art. 82 OR begründet die Rechtsprechung bisweilen auch obligatorische Retentionsrechte (vgl. BGE 92 II 267 E. 3). Die Eigentumsübertragung aufgrund eines Kaufvertrages ist ein kausales Rechtsgeschäft ( BGE 96 II 150 E. 3, BGE 93 II 375 E. b, BGE 84 III 154 , BGE 55 II 302 ). Wird der Kaufvertrag infolge Wandelung aufgelöst, steht das Eigentum wieder demjenigen zu, der vor der Lieferung der Sache ihr Eigentümer war, also meistens dem Verkäufer. Gleichzeitig gehen Nutzen und Gefahr der Sache auf den Verkäufer als Eigentümer zurück (CAVIN, in Schweizerisches Privatrecht VII/1, S. 99). Die Beklagte kritisiert den vorinstanzlichen Beschluss in diesem Punkt daher zu Unrecht, womit indes noch nicht entschieden ist, ob die Käufer nicht für die sorgfältige Aufbewahrung der Sache bis zu deren Rückgabe an die Verkäuferin haften. Denn die Regeln über die Gefahrtragung betreffen nur Tatbestände, wo die Sache zwischen der Wandelung und der Rückgabe ohne Verschulden der Parteien, also zufällig untergeht oder verschlechtert wird (CAVIN, a.a.O., S. 27; GIGER, N. 7 zu Art. 185 OR und N. 16 zu Art. 208 OR ; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 5 zu Art. 185 OR ; GUHL/MERZ/KUMMER, 7. Aufl., S. 334 f.). Kann der Verkäufer die Sache abholen, weil er weiss, dass der Käufer sie ihm bedingungslos zur Verfügung stellt, und finden auch die Art. 938bis 940 ZGB keine Anwendung ( BGE 84 II 377 E. 4), so ist nicht einzusehen, warum der Käufer noch gehalten sein soll, die Sache sorgfältig aufzubewahren. Will der Käufer die Sache hingegen nur bei gleichzeitiger Rückzahlung des Kaufpreises herausgeben, weil er ein Retentionsrecht beansprucht oder Leistung Zug um Zug verlangt, trifft ihn eine Sorgfaltspflicht, die jedoch entgegen der Meinung der Beklagten nicht den Regeln über die Haftung des Geschäftsführers ohne Auftrag ( Art. 420 OR ) untersteht, sondern analog der Sorgfaltspflicht des Pfandgläubigers gegenüber der Pfandsache in seiner Hand zu beurteilen ist ( Art. 890 ZGB ; OFTINGER, N. 159 zu Art. 895 ZGB ; GIGER, N. 17 zu Art. 208 OR ). Nachdem die Kläger die Rückgabe der Grabenmaschine gegen Leistung des bezahlten Kaufpreises angeboten haben, haften sie daher grundsätzlich für den aus der Wertverminderung der Maschine entstandenen Schaden, sofern sie nicht nachweisen, dass dieser ohne ihr Verschulden eingetreten ist. Bei diesem Ergebnis erscheint es fraglich, ob die Vorinstanz die Haftung der Kläger mit dem Argument verneinen durfte, die Beklagte hätte keine haftungsbegründenden Anhaltspunkte vorzubringen BGE 109 II 26 S. 31 vermocht. Das Bundesgericht braucht der Haftungsfrage indes nicht weiter nachzugehen, hält doch das Obergericht gestützt auf die Vorbringen der Beklagten die Maschine auch samt den fehlenden Teilen für einen "Nonvaleur". An diese Feststellung tatsächlicher Natur über den wirtschaftlichen Wert der Kaufsache ist das Bundesgericht im Berufungsverfahren gebunden, es sei denn, die Feststellung beruhe auf einem offensichtlichen Versehen oder sei unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen ( Art. 63 Abs. 2 OG ). Den ersten Einwand erhebt die Beklagte nicht, mindestens nicht in den von Art. 55 OG vorgeschriebenen Formen. b) Dagegen wirft sie dem Obergericht vor, es habe ihre Äusserungen vor dem Einzelrichter über den "Nonvaleur" der Maschine willkürlich ausgelegt und damit Art. 8 ZGB verletzt. Der Einwand ist nicht stichhaltig. Art. 8 ZGB bestimmt nicht, mit welchen Mitteln Beweise zu führen und wie diese zu würdigen sind ( BGE 107 II 429 E. b, BGE 106 II 52 oben, BGE 102 II 279 , BGE 98 II 79 , BGE 95 II 452 ; KUMMER, N. 58 ff. zu Art. 8 ZGB ). Er schliesst insbesondere die vorweggenommene Beweiswürdigung nicht aus ( BGE 90 II 224 E. b mit Verweisungen). Die Vorinstanz hat Art. 8 ZGB auch nicht dadurch verletzt, dass sie den Beweis über die fehlenden Teile der Maschine nicht zuliess; er erübrigte sich, nachdem feststand, dass die Maschine auch samt den fehlenden Teilen wertlos ist. Wenn die Beklagte einwendet, die Feststellung über den Wert der Maschine sei in Verletzung von Art. 4 BV zustande gekommen, übersieht sie, dass Verstösse gegen Art. 4 BV , namentlich auch willkürliche Beweiswürdigungen, nicht mit Berufung, sondern mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen sind ( Art. 43 Abs. 1 OG ; BGE 107 II 429 E. b, BGE 103 II 200 E. 1, BGE 95 II 40 E. 3, BGE 94 II 156 ). Im übrigen hat bereits das Kassationsgericht des Kantons Zürich in seinem Entscheid vom 7. Dezember 1982 über die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den hier angefochtenen Beschluss einen ähnlichen Vorwurf abgewiesen, wogegen die Beklagte keine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht hat. Die Vorinstanz durfte daher ohne Bundesrecht zu verletzen annehmen, das Schreiben der Kläger vom 8. November 1977 an die Beklagte habe ein in sachlicher Hinsicht vollständiges Angebot zur Rückgabe der Maschine enthalten. 4. Zu prüfen bleibt, ob die Kläger die Rückgabe der Maschine auch hinsichtlich des Erfüllungsortes wirksam angeboten haben. BGE 109 II 26 S. 32 a) Die Beklagte bestreitet zu Recht nicht, dass bei Holschulden ( Art. 74 OR ) ein wörtliches Angebot genügt, um den Gläubiger in Verzug zu setzen und dessen Leistung vollstreckbar zu machen (vgl. e contrario BGE 79 II 282 ; GUHL/MERZ/KUMMER, 7. Aufl., S. 21; BECKER, N. 6 zu Art. 82 OR , N. 7 zu Art. 91 OR ; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 5 zu Art. 91 OR ; WEBER, N. 188 zu Art. 82 OR ; von TUHR/ESCHER, § BGE 65 II 2 , S. 70). Sie ist der Auffassung, es liege überhaupt keine Holschuld vor. In der Tat bestimmt Art. 208 OR nicht ausdrücklich, wo der Rückleistungspflichtige seine Schuld zu erfüllen hat. Aus dem Sinn und Zweck von Art. 208 Abs. 2 OR ist aber zu schliessen, dass die Wandelung dem Käufer keine Kosten verursachen soll, der Verkäufer daher, besondere Vereinbarungen vorbehalten, die Transportkosten zu tragen hat. Dies rechtfertigt sich um so mehr, als mit der Wandelung der Rechtsgrund der Eigentumsübertragung nachträglich dahinfällt und der Käufer das Eigentum an der Sache wieder verliert. Das Obergericht ging daher nicht fehl, wenn es die Rückgabepflicht der Beklagten als Holschuld betrachtete und Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR analog anwendete. b) Daran ändert auch die telefonische Vereinbarung der Parteien vom 14. Oktober 1977 nichts, wonach die Kläger die Maschine gegen Bezahlung von Fr. 300.-- nach Zürich zu bringen hätten. Die Beklagte meint, mit dieser Vereinbarung sei aus der Holschuld eine Bringschuld geworden. Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben, denn die Beklagte bestand nachweislich nicht mehr auf der Rücksendung der Maschine, nachdem ihr Angestellter Dobler die Maschine am 10. Januar 1978 in Manno besichtigt und den Zustand als sehr mangelhaft beurteilt hatte. Sie verlangte in der Folge von den Käufern nie die Lieferung der Sache und weigerte sich auch, die berechtigte Forderung der Käufer zu erfüllen. Angesichts dieser Umstände verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie die Vereinbarung infolge Verzichts der Parteien als hinfällig betrachtete; die Beklagte kann sich in guten Treuen nicht mehr darauf berufen, um das Angebot der Kläger in Frage zu stellen. Vielmehr geriet sie allein dadurch in Gläubigerverzug, dass sie sich weigerte, ihre Zahlung Zug um Zug zu leisten; die Kläger brauchten sie nicht erneut zu mahnen ( Art. 108 Ziff. 1 OR in Analogie; BGE 59 II 308 ; vgl. auch zum Gläubigerverzug infolge antizipierter Annahmeverweigerung von TUHR/ESCHER, § BGE 65 II 2 , S. 71; BECKER, N. 7 zu Art. 91 OR ; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 10 zu Art. 91 OR mit Verweisungen). BGE 109 II 26 S. 33 Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und der Beschluss des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 6. September 1982 wird bestätigt.
public_law
nan
de
1,983
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
8955b6dc-a6b0-428d-a8e1-f2414833dfc1
Urteilskopf 135 IV 37 6. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Beschwerde in Strafsachen) 6B_115/2008 vom 4. September 2008
Regeste Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz); Abgrenzung zwischen Vergehen ( Art. 86 HMG ) und Übertretungen ( Art. 87 HMG ). Der Vergehenstatbestand setzt im Unterschied zum Übertretungstatbestand die konkrete Gefährdung der Gesundheit von Menschen voraus. Die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels (im konkreten Fall "Viagra") ohne ärztliche Verschreibung an Dritte erfüllt den objektiven Vergehenstatbestand nur, soweit tatsächlich Angehörige von Risikogruppen beliefert wurden, für welche die Einnahme des Arzneimittels gefährlich sein kann. Dass sich unter der Vielzahl der wahllos belieferten Kunden wahrscheinlich auch Angehörige von Risikogruppen befanden, reicht zur Begründung einer konkreten Gefährdung der Gesundheit von Menschen nicht aus (E. 2.4).
Sachverhalt ab Seite 38 BGE 135 IV 37 S. 38 A. A.a Das Kreisgericht Rorschach, 1. Abteilung, sprach X. am 9. Dezember 2005 des gewerbsmässigen Vergehens und der gewerbsmässigen Übertretung gegen das Heilmittelgesetz, der gewerbsmässigen Widerhandlung gegen das Markenschutzgesetz, des mehrfachen Exhibitionismus, des mehrfachen Hausfriedensbruchs sowie der Hinderung einer Amtshandlung schuldig. Es verurteilte ihn, teilweise als Zusatzstrafe zum Entscheid des Bezirksgerichts Rorschach vom 14. November 1999, zu einer (unbedingt vollziehbaren) Gefängnisstrafe von 15 Monaten, unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 30 Tagen, sowie zu einer Busse von 5000 Franken. Zudem ordnete es eine ambulante psychotherapeutische Behandlung während des Strafvollzugs an. Gegen dieses Urteil erhoben X. Berufung und die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen Anschlussberufung. A.b Das Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, sprach X. am 29. Oktober 2007 des gewerbsmässigen Vergehens gegen das Heilmittelgesetz (begangen durch Handel mit "Viagra" in der Zeit von Januar bis Oktober 2002), der gewerbsmässigen Widerhandlung gegen das Markenschutzgesetz, des mehrfachen Exhibitionismus, des mehrfachen Hausfriedensbruchs sowie der Hinderung einer Amtshandlung schuldig. Es sprach ihn in Abweichung vom erstinstanzlichen Urteil frei von den Anklagen des gewerbsmässigen Vergehens gegen das Heilmittelgesetz (angeblich begangen durch Handel mit anderen Arzneimitteln als "Viagra") und des Exhibitionismus betreffend vier Vorfälle. Es verurteilte ihn zu einer (unbedingt vollziehbaren) Freiheitsstrafe von 16 Monaten und zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 20.-, unter Anrechnung von 30 Tagen BGE 135 IV 37 S. 39 Untersuchungshaft, und ordnete in Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids eine ambulante Massnahme an. B. X. führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, er sei vom Vorwurf des gewerbsmässigen Vergehens gegen das Heilmittelgesetz im Sinne von Art. 86 Abs. 2 HMG sowie vom Vorwurf der Hinderung einer Amtshandlung ( Art. 286 StGB ) freizusprechen und das Verfahren wegen mehrfachen Exhibitionismus sei gestützt auf Art. 194 Abs. 2 StGB einzustellen. Er sei der qualifizierten Übertretung des Heilmittelgesetzes gemäss Art. 87 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 HMG , der Widerhandlung gegen das Markenschutzgesetz sowie des mehrfachen Hausfriedensbruchs schuldig zu sprechen und hiefür mit einer Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen zu Fr. 20.-, eventualiter mit einer Freiheitsstrafe von höchstens 6 Monaten zu bestrafen, jeweils unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs mit einer angemessenen Probezeit. Im Falle der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr sei ihm der teilbedingte Strafvollzug zu gewähren. Der Vollzug einer allfälligen unbedingten Freiheitsstrafe sei zugunsten der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung aufzuschieben. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne dieser Anträge an das Kantonsgericht St. Gallen zurückzuweisen. C. Das Kantonsgericht St. Gallen hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Schweizerische Heilmittelinstitut (Swissmedic) stellt den Antrag, die Beschwerde gegen die Verurteilung wegen Vergehens gegen das Heilmittelgesetz im Sinne von Art. 86 Abs. 1 HMG sei abzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.4 2.4.1 Die in Art. 86 des Heilmittelgesetzes vom 15. Dezember 2000 (HMG; SR 812.21) aufgeführten Vergehenstatbestände sind gemäss den Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates zum Heilmittelgesetz als Gefährdungsdelikte zu qualifizieren, und zwar als konkrete Gefährdungsdelikte. Im Gegensatz zum Verletzungsdelikt, bei welchem die Schädigung eines Rechtsgutes vorliegen muss, genügt beim konkreten Gefährdungsdelikt, dass das geschützte Rechtsgut gefährdet, d.h. die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung geschaffen oder erhöht wird. Gemäss den weiteren Ausführungen in der Botschaft bildet BGE 135 IV 37 S. 40 also die Gefährdung zusammen mit den einzelnen Tatbestandsvarianten von Art. 86 Abs. 1 lit. a-g HMG den objektiven Tatbestand dieser Bestimmung. Falls eine der in Absatz 1 genannten Tatbestandsvarianten erfüllt ist, ohne dass die Gesundheit von Menschen gefährdet wird, kommt Art. 87 Abs. 1 lit. f HMG zur Anwendung (Botschaft des Bundesrates zum Heilmittelgesetz, BBl 1999 S. 3453 ff., 3562). Der objektive Tatbestand von Art. 86 Abs. 1 HMG ist mithin nur erfüllt, wenn durch ein Verhalten im Sinne von Abs. 1 lit. a-g die Gesundheit von Menschen konkret gefährdet wird. Zwischen dem Verhalten und der Gefährdung der Gesundheit muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Die vorausgesetzte konkrete Gefährdung der Gesundheit von Menschen ist ein Teil des objektiven Tatbestands und hat eine selbständige Bedeutung. Die Gefährdung ergibt sich nicht gleichsam automatisch aus der Vornahme einer der in Art. 86 Abs. 1 lit. a-g HMG genannten Handlungen, was auch aus Art. 87 Abs. 1 lit. f HMG e contrario hervorgeht. Wird durch die Vornahme einer der in Art. 86 Abs. 1 HMG genannten Handlungen nicht die Gesundheit von Menschen gefährdet, dann ist lediglich der objektive Tatbestand einer Übertretung im Sinne von Art. 87 Abs. 1 lit. f HMG erfüllt (BENEDIKT F. SUTER, Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2006, Art. 86 HMG N. 4 und 8). Den objektiven Vergehenstatbestand von Art. 86 Abs. 1 HMG erfüllt nicht schon, wer unter Missachtung von Bestimmungen Arzneimittel abgibt, die geeignet sind, Menschen allgemein oder Angehörige von bestimmten Risikogruppen in ihrer Gesundheit zu gefährden. Erforderlich ist vielmehr, dass durch die vorschriftswidrige Abgabe von Arzneimitteln tatsächlich Menschen konkret in ihrer Gesundheit gefährdet werden. 2.4.2 Die Erfüllung des objektiven Tatbestands von Art. 86 HMG kann daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht mit der Erwägung begründet werden, dass "die Wahrscheinlichkeit", dass es "bei einer erheblichen Anzahl" der vom Beschwerdeführer wahllos belieferten Vielzahl von Kunden "aufgrund der gesundheitlichen Konstellation zu ernsthaften Komplikationen hätte kommen können", "sehr gross" gewesen sei und daher "eine sehr nahe konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung" bestanden habe. "Viagra" ist als solches, wie auch die Vorinstanz festhält, nicht gesundheitsgefährdend. Eine Gefahr für die Gesundheit besteht nur unter gewissen Voraussetzungen, mithin bei bestimmten Risikogruppen. Der Vergehenstatbestand im Sinne von Art. 86 HMG kann daher objektiv nur erfüllt sein, wenn und soweit der Beschwerdeführer "Viagra"-Tabletten an BGE 135 IV 37 S. 41 Personen lieferte, für welche die Einnahme dieses Produkts aus diesem oder jenem Grunde riskant war. Eine Gefährdung der Gesundheit von Menschen im Sinne von Art. 86 HMG kann nicht damit begründet werden, dass sich unter den zahlreichen Kunden wahrscheinlich auch Personen befanden, die einer Risikogruppe angehörten. Der Vergehenstatbestand im Sinne von Art. 86 HMG ist nicht schon erfüllt, wenn die Wahrscheinlichkeit (quasi die "Gefahr") besteht, dass Menschen in ihrer Gesundheit konkret gefährdet werden, sondern nur, wenn tatsächlich bestimmte Menschen in ihrer Gesundheit gefährdet worden sind. Massgebend ist nicht, was alles hätte geschehen können, sondern einzig, was sich tatsächlich ereignet hat (siehe BGE 123 IV 128 E. 2a). Aus der Vielzahl der Kunden, welche der Beschwerdeführer wahllos mit "Viagra"-Tabletten belieferte, lässt sich sodann nicht der Schluss ziehen, dass darunter tatsächlich auch Personen waren, die einer Risikogruppe angehörten, für welche somit die Einnahme von "Viagra" eine Gefahr für die Gesundheit darstellte. Soweit die Vorinstanz aus der Vielzahl der wahllos belieferten Kunden allenfalls einen gegenteiligen Schluss zieht, beruht dieser nicht auf Beweiswürdigung, sondern auf einer blossen Vermutung. 2.4.3 2.4.3.1 Das Schweizerische Heilmittelinstitut geht in seiner Vernehmlassung ebenfalls davon aus, dass der Vergehenstatbestand im Sinne von Art. 86 HMG die konkrete Gefährdung der Gesundheit von Menschen voraussetzt, wobei die konkrete Gefährdung eines einzigen Menschen genüge. Diese Gefährdung sei gegeben, wenn Männer mit Risikofaktoren "Viagra"-Tabletten konsumieren, auch wenn dadurch nicht bei jedem Angehörigen einer Risikogruppe zwangsläufig Komplikationen aufträten. Wenn "Viagra"-Tabletten an eine grosse Zahl von Konsumenten abgegeben würden, deren Alter und Gesundheitszustand unbekannt seien, dann sei die Wahrscheinlichkeit, dass sich darunter auch Männer befänden, bei welchen Komplikationen auftreten könnten, als sehr hoch einzustufen. Daher habe die nahe Möglichkeit einer Gefahr bestanden und sei der objektive Vergehenstatbestand im Sinne von Art. 86 Abs. 1 HMG erfüllt. Die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit einer Gefährdung der Gesundheit reicht indessen gemäss den vorstehenden Erwägungen (E. 2.4.2) zur Erfüllung des objektiven Vergehenstatbestands nicht aus. 2.4.3.2 Das Schweizerische Heilmittelinstitut weist in seiner Vernehmlassung zudem auf verschiedene Umstände hin, die seines BGE 135 IV 37 S. 42 Erachtens zusätzlich eine konkrete Gefahr begründeten. Die Quelle, aus welcher der Beschwerdeführer die "Viagra"-Tabletten bezogen habe, sei unbekannt. Ob bei der Herstellung des Arzneimittels sämtliche Anforderungen an die Sicherheit und die Hygiene erfüllt worden seien, lasse sich daher nicht beurteilen; die fehlende Nachweismöglichkeit gehe zu Lasten des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer habe die "Viagra"-Tabletten aus der Sekundär- und aus der Primärverpackung genommen und in Minigrip-Säcklein abgepackt. Durch dieses Vorgehen, das als Herstellungsvorgang zu qualifizieren sei, habe die Gefahr einer Verunreinigung bestanden und sei zudem den Abnehmern die Information betreffend das Haltbarkeits- bzw. Ablaufdatum des Arzneimittels vorenthalten worden. Ausserdem bestehe bei dieser Verpackungsform - aus psychologischer Sicht - zusätzlich ein erhöhtes Risiko der Überdosierung. Wie es sich damit verhält, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Dem Beschwerdeführer wurden die genannten Umstände im kantonalen Verfahren nicht vorgehalten, und es wurde ihm von der Vorinstanz nicht vorgeworfen, dass er (auch) durch die Umverpackung und die Abgabeform eine (zusätzliche) konkrete Gefahr für die Abnehmer geschaffen habe. Dem Beschwerdeführer wurde im kantonalen Verfahren einzig zur Last gelegt, dass er das verschreibungspflichtige Arzneimittel "Viagra" wahllos an eine Vielzahl von ihm unbekannten Kunden geliefert habe, weshalb die Wahrscheinlichkeit, dass es bei einer erheblichen Anzahl von Kunden aufgrund der gesundheitlichen Konstellation zu ernsthaften Komplikationen hätte kommen können, sehr gross gewesen sei. Mit diesen Argumenten kann indessen die konkrete Gefährdung der Gesundheit von Menschen nicht begründet werden. 2.4.4 Entscheidend ist somit, ob ein vom Beschwerdeführer in der Zeit von Januar bis Oktober 2002 mit "Viagra"-Tabletten belieferter Kunde einer Risikogruppe angehörte und aus diesem Grunde in seiner Gesundheit konkret gefährdet worden ist. Dazu kann dem angefochtenen Urteil nichts entnommen werden. Die Sache ist daher in diesem Punkt in Gutheissung der Beschwerde an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird prüfen, ob sich unter den vom Beschwerdeführer von Januar bis Oktober 2002 mit "Viagra"-Tabletten belieferten Kunden Menschen befanden, die einer Risikogruppe angehörten und für welche daher die Einnahme von "Viagra"-Tabletten eine Gefährdung der Gesundheit darstellte. BGE 135 IV 37 S. 43 Nur unter dieser Voraussetzung und insoweit ist der objektive Vergehenstatbestand im Sinne von Art. 86 HMG erfüllt, und zwar nach den insoweit zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz auch, wenn der Beschwerdeführer seinen Erstkunden die Packungsbeilage zugestellt haben sollte, in welcher über die Risiken und Nebenwirkungen von "Viagra" informiert wird. Soweit die vom Beschwerdeführer mit "Viagra"-Tabletten belieferten Personen nicht zu einer Risikogruppe gehörten beziehungsweise die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe nicht festgestellt werden kann, ist mangels einer erwiesenen konkreten Gefährdung von Menschen lediglich der objektive Tatbestand von Art. 87 Abs. 1 lit. f HMG erfüllt.
null
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2,008
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CH_BGE_006
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Federation
8958d705-5216-4974-ae3f-41ded2c5bd72
Urteilskopf 83 II 85 15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Februar 1957 i.S. Duff gegen Vormundschaftsbehörde Lugnez.
Regeste Unzulässigkeit der Berufung gegen Entscheide, welche die Stellung eines ausserehelichen Kindes unter Vormundschaft oder unter die elterliche Gewalt der Mutter oder des Vaters zum Gegenstand haben ( Art. 44 OG ). Die Nichtigkeitsbeschwerde ( Art. 68 OG ) ist unzulässig, wenn die letzte kantonale Instanz feststellt, dass dem Beschwerdeführer die kantonalen Rechtsmittel, mit denen die behauptete Rechtsverletzung hätte gerügt werden können, nach kantonalem Verfahrensrecht nicht mehr zur Verfügung standen, als er sie ergreifen wollte.
Sachverhalt ab Seite 86 BGE 83 II 85 S. 86 Am 10. Februar 1942 gebar die Berufungsklägerin ausserehelich den Knaben Walter. Dieser lebte jahrelang bei seiner Mutter, ohne unter ihre elterliche Gewalt oder aber unter Vormundschaft gestellt worden zu sein. Letzteres geschah am 8. September 1952 durch die Vormundschaftsbehörde Lugnez, in deren Amtskreis der Knabe zwar nicht Wohnsitz hatte, aber heimatberechtigt ist. Im Jahre 1956 richtete die Mutter an diese Behörde das Begehren, der Knabe sei ihr herauszugeben und unter ihre elterliche Gewalt zu stellen. Vom Kleinen Rat des Kantons Graubünden als der letzten kantonalen Instanz mit Entscheid vom 21. Dezember 1956 abgewiesen, beantragt sie mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht "Aufhebung der seinerzeit über den Knaben Walter errichteten Vormundschaft und Unterstellung desselben unter die elterliche Gewalt seiner Mutter". Das Bundesgericht tritt auf die Berufung nicht ein. Erwägungen Erwägungen: 1. Vormundschaftliche Massnahmen unterliegen nur in den Fällen, die Art. 44 OG in lit a-c aufzählt, der Berufung an das Bundesgericht. Die Stellung eines ausserehelichen Kindes unter Vormundschaft oder unter die elterliche Gewalt der Mutter oder allenfalls des Vaters (Art. 311 Abs. 2, 324 Abs. 3, 325 Abs. 3, 326 Abs. 2 ZGB) sowie spätere Änderungen dieser Massnahmen gehören nicht zu jenen Fällen. Namentlich handelt es sich bei derartigen Entscheidungen nicht um die Entziehung oder Wiederherstellung der elterlichen Gewalt im Sinne von Art. 44 lit b OG (vgl. BGE 72 II 335 und die dortigen Hinweise BGE 83 II 85 S. 87 auf die Rechtsprechung zu den durch Art. 44 lit. a-c OG ersetzten Vorschriften von Art. 86 Ziff. 1-3 aoG; in BGE 49 II 149 ff. beruhen die Zeilen 4/5 auf S. 151, wo erklärt wurde, dass die zivilrechtliche Beschwerde im Sinne von Art. 86 Ziff. 2 aoG bei Verletzung der - kantonalen - Verfahrensvorschriften im Sinne von Art. 288 ZGB zulässig sei, auf einem Versehen, durch das indes der übrige Inhalt jenes Entscheides nicht in Frage gestellt wird und das wohl bloss durch die - richtigerweise nur auf den zweiten Absatz zu beziehende - Erwähnung des Art. 288 ZGB in Art. 86 Ziff. 2 aoG hervorgerufen wurde). Art. 44 lit. b OG gilt nach seinem klaren Wortlaut nur für die Entziehung und Wiederherstellung der elterlichen Gewalt gemäss Art. 285 und 287 ZGB (vgl. BGE 82 II 364 , wo am Ende der fünftletzten Zeile das Wort "Bestimmungen" statt "Bestimmung" stehen sollte), und diese Vorschriften beziehen sich, wie aus ihrer Stellung im Siebenten Titel über "Das eheliche Kindesverhältnis" eindeutig hervorgeht, nur auf die elterliche Gewalt über eheliche Kinder. Gegen den angefochtenen Entscheid ist also die Berufung nicht zulässig; dies selbst dann nicht, wenn man mit der Berufungsklägerin annehmen wollte, sie habe bis zur Errichtung der Vormundschaft am 8. September 1952 kraft Übertragung durch schlüssiges Verhalten die elterliche Gewalt über ihre aussereheliches Kind besessen. 2. So wenig wie als Berufung kann das vorliegende Rechtsmittel als Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von Art. 68 OG entgegengenommen werden. Da es sich bei der Anwendung der Vorschriften über die Frage, ob ein aussereheliches Kind unter Vormundschaft oder unter elterliche Gewalt zu stellen sei, um eine nicht der Berufung unterliegende Zivilsache handelt, ist zwar gegen einschlägige Entscheide der letzten kantonalen Instanz gemäss Art. 68 lit. b OG die Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung von Vorschriften des eidgenössischen Rechts über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit der Behörden BGE 83 II 85 S. 88 zulässig. Eine solche Rechtsverletzung macht die Berufungsklägerin in der Berufungsschrift geltend, indem sie behauptet, der Beschluss der Vormundschaftsbehörde Lugnez vom Jahre 1952 sei wegen örtlicher Unzuständigkeit dieser Behörde nichtig. Einen Antrag auf Aufhebung dieses Beschlusses hat sie jedoch nicht gestellt, und hievon abgesehen ist zu sagen, dass sich die örtliche Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörde Lugnez heute durch Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von Art. 68 OG nicht mehr in Frage stellen lässt; denn der Kleine Rat hat angenommen, gegen den (der Berufungsklägerin angeblich nicht zugestellten) Bevormundungsentscheid könne heute ein kantonales Rechtsmittel nicht mehr ergriffen werden, was eine Frage des kantonalen Verfahrensrechts ist, dessen Anwendung das Bundesgericht im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren nicht überprüfen kann, und zudem hat er in Anwendung von Art. 71 des bündnerischen EG zum ZGB, der sich auf Art. 376 Abs. 2 ZGB stützen kann, der Übertragung der Vormundschaft an die heimatliche Behörde nachträglich zugestimmt.
public_law
nan
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1,957
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CH_BGE_004
CH
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895e418e-37bd-406c-9d2e-629c0f1e4472
Urteilskopf 87 I 29 5. Extrait de l'arrêt du 3 mars 1961 dans la cause Sociétés coopératives Migros Lausanne et Genève contre Conseil d'Etat du canton de Vaud.
Regeste Kantonale Abgaben auf dem Strassenverkauf. Art. 31 BV . Soweit die Abgaben den Rahmen von Gebühren überschreiten, dürfen sie die Erzielung eines Gewinnes nicht verunmöglichen (Erw. 3). Der Beweis, dass die Abgabe prohibitiv sei, obliegt dem Beschwerdeführer. Unter welchen Voraussetzungen sind die für Verkaufswagen erhobenen Abgaben prohibitiv? (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 30 BGE 87 I 29 S. 30 Résumé des faits Les Sociétés coopératives Migros Lausanne et Genève exploitent dans le canton de Vaud un système de vente itinérante au moyen de camions spécialement aménagés à cet effet. Les autorités vaudoises, appliquant la loi cantonale sur la police du commerce, ont frappé cette activité de taxes semestrielles fixes, équivalant approximativement à 2% du chiffre d'affaires des camionsmagasins. Lesdites sociétés coopératives ont recouru au Tribunal fédéral, notamment pour violation de l'art. 31 Cst. Elles ont fait valoir à ce propos, que les impôts spéciaux perçus sur un commerce, ne peuvent dépasser le montant des dépenses particulières que ce commerce impose à l'Etat. Elles estiment, en outre, que la taxe imposée au camionsmagasins empêche ceux-ci de réaliser un bénéfice convenable et devient ainsi prohibitive, lorsqu'elle dépasse 1% du chiffre d'affaires. Erwägungen Extrait des motifs: 3. L'art. 31 Cst., qui garantit la liberté du commerce et de l'industrie, réserve aux cantons la possibilité de frapper l'exercice de ces activités d'impôts spéciaux. Les recourantes voient une violation de l'art. 31 Cst. dans le fait que les taxes de patentes réclamées par le canton de Vaud dépassent le montant des dépenses spéciales que les camions-magasins imposent à l'Etat et aux communes. Elles ont manifestement tort sur ce point. En effet, l'abondante jurisprudence publiée en la matière a toujours admis oue les taxes prélevées dans ce domaine peuvent avoir le caractère non seulement d'émoluments, c'est-à-dire de contrepartie des frais que l'activité en question impose à la collectivité (Etat et communes), mais aussi d'impôts proprement dits. Cependant, dans la mesure où ces taxes dépassent le cadre d'un émolument, d'une part elles doivent se justifier par des motifs d'intérêt général et ne BGE 87 I 29 S. 31 pas servir uniquement à protéger de la concurrence une catégorie de commerçants et, d'autre part, elles ne doivent pas atteindre des proportions telles qu'elles deviennent prohibitives en excluant pratiquement la possibilité de réaliser un gain (RO 38 I 224, 39 I 564, 41 I 266, 45 I 358, 48 I 274, 50 I 190, 54 I 82, 60 I 190, 62 I 134, 75 I 112). Il n'est pas contesté que, pour une part en tout cas, les taxes imposées aux recourantes ont un caractère fiscal. Le Conseil d'Etat vaudois s'est livré, dans sa décision, à certains calculs tendant à démontrer que la presque totalité des taxes perçues est absorbée par les frais imposés à l'Etat et aux communes pour le contrôle des ventes faites par les camions. Mais les données sur lesquelles il a fondé ses calculs ne sauraient être admises, parce que certains contrôles font partie des tâches habituelles de l'Etat, et d'autres ne sont pas exercés ou requis dans la mesure indiquée. Il n'est cependant pas nécessaire d'élucider ce point, car on établira ci-dessous que, même si les taxes exigées ont un caractère fiscal dans toute la mesure où elles sont contestées, soit pour la moitié de leur montant, le recours devra être rejeté. Dans plusieurs arrêts concernant les Sociétés coopératives Migros (Migros c. Berne du 29 janvier 1932; Migros c. Bâle du 28 décembre 1932; Migros c. Tessin du 18 décembre 1936: RO 62 I 134; Migros c. Berne du 29 janvier 1958), le Tribunal fédéral a reconnu que le prélèvement de taxes spéciales sur le commerce par camions-magasins pouvait se justifier par des considérations d'intérêt public, ainsi que cela est admis de façon générale pour les commerces ambulants. Le canton de Vaud a établi pour ces genres de commerces un classement par catégories, suivant les moyens de transport utilisés. Ce système permet d'atteindre plus fortement les entreprises qui ont des possibilités plus larges de débit. Le législateur a entendu également compenser, dans une certaine mesure, la diminution des ressources de l'impôt sur le revenu dans les communes où le commerçant ambulant exerce son activité sans avoir BGE 87 I 29 S. 32 de domicile ou de succursale. Les critères admis sont objectifs et les motifs valables. Il n'y a donc pas de raison de s'écarter de la jurisprudence sur ce point. Dès lors, la seule q-uestion qui reste à résoudre est de savoir si les taxes fixées par le canton de Vaud sont prohibitives selon la jurisprudence. Tel sera le cas si leur montant empêche la réalisation d'un bénéfice convenable dans le commerce ou la branche en question, en rendant impossible ou excessivement difficile l'exercice de la profession. Il ne suffit pas que la taxe empêche la réalisation d'un bénéfice dans une entreprise déterminée, en l'espèce Migros (RO 40 I 186, 60 I 191, 62 I 129; arrêts Migros c. Berne du 29 janvier 1932 et Migros c. Bâle-Campagne du 28 décembre 1932). La taxe est dès lors prohibitive: a) si, ajoutée aux frais d'exploitation, elle exclut un bénéfice convenable, même en appliquant les prix pratiqués dans la branche; b) si, transférée à l'acheteur, c'est-à-dire ajoutée aux prix de vente, elle empêche le commerçant de soutenir efficacement la concurrence des autres entreprises de la branche, auxquelles il peut être comparé. 4. Le commerçant frappé d'une taxe, qui prétend que celle-ci est prohibitive, doit prouver son allégation. En l'espèce, les recourantes n'ont pas présenté à l'autorité cantonale leurs comptes et leurs bilans, notamment les comptes d'exploitation détaillés de la vente par camions. Elles ont invoqué essentiellement les conclusions de l'expertise faite par les Prof. Schwarzfischer et Golay en 1955, dans une affaire concernant des taxes semblables exigées des sociétés Migros dans le canton de Zoug. C'était compréhensible. Toutefois, après que l'autorité vaudoise eut refusé d'accepter les conclusions de cette expertise en relevant que les experts n'avaient procédé à aucun contrôle comptable, ni pris en considération les avantages de la vente par camions pour l'entreprise, il incombait aux recourantes de fournir à l'autorité cantonale de recours les renseignements et pièces propres à établir le BGE 87 I 29 S. 33 caractère prohibitif des taxes, et notamment les comptes d'exploitation détaillés. A défaut de ces renseignements, l'autorités cantonale n'était pas tenue de reconnaître le caractère prohibitif des taxes réclamées conformément à la loi. Le Tribunal fédéral a demandé à nouveau l'avis du Prof. Schwarzfischer, et ensuite celui aussi du Prof. Marbach. Les rapports d'experts ont été déjà communiqués aux parties. Les experts n'ayant pas procédé non plus à des contrôles comptables, le canton estime que le caractère prohibitif des taxes n'est pas prouvé. Un contrôle des comptes, notamment des comptes d'exploitation, n'est toutefois pas nécessaire en l'espèce, car même sur la base des renseignements fournis par les experts, le Tribunal est en mesure de statuer sur le recours. Selon les experts, la rentabilité du commerce par camionsmagasins dépend dans une très large mesure du volume des ventes. Les Prof. Schwarzfischer et Marbach sont d'accord pour déclarer que ce commerce est déficitaire tant que le chiffre annuel des ventes n'atteint pas 450 000 fr. au moins. Entre 450 000 et 550 000 fr., il ne couvre que les frais. Or, d'après les indications des sociétés Migros, le volume moyen des ventes par camions en Suisse a varié entre 520 000 et 540 000 fr. environ, au cours des années 1950 à 1958. Il a été de 430 000 fr. environ dans le canton de Vaud en 1957/1958, pour passer à 489 000 fr. 1959. Ces chiffres prouvent que, même lorsque le volume des ventes est normal, le commerce par camions-magasins, tel que le pratiquent les recourantes, ne laisse pas de bénéfice. L'impossibilité de réaliser un bénéfice ne dépend donc pas des taxes de patente, si minimes fussent-elles. En fait, il n'existe en Suisse aucune entreprise qui pratique le commerce des denrées alimentaires uniquement au moyen de camions-magasins. Ainsi que l'ont relevé les experts, cette activité ne peut avoir un intérêt que si elle est le complément de la vente dans les magasins, si BGE 87 I 29 S. 34 elle est organisée et conçue comme telle, en raison des avantages qu'elle procure à celle-ci. D'autre part, les recourantes ont relevé - et les experts ont confirmé ce point de vue - qu'il n'est pas possible aux sociétés Migros de pratiquer, dans les camions, des prix différents de ceux des magasins: Une telle différence créerait des difficultés d'organisation interne qui augmenteraient les frais de façon insupportable, notamment pour le matériel d'emballage, la marque des prix et des poids, le remplissage à la machine, l'entreposage, etc. Ainsi, la vente au moyen des camions ne peut être dissociée de la vente dans les magasins; économiquement aussi bien que juridiquement, ces deux activités forment un tout. C'est bien d'ailleurs la société coopérative qui a demandé et obtenu la patente pour la vente par camions: c'est elle qui est titulaire du droit et débitrice de la taxe. Celle-ci est donc une charge de l'entreprise, et non d'un exploitant indépendant de la vente par camions, qui n'existe pas. Cela étant, il est impossible d'examiner le caractère prohibitif de la taxe en tenant compte seulement des opérations frappées - qui ne sont en elles-mêmes pas rentables, même sans taxe aucune -; il est nécessaire, au contraire, d'apprécier cette question en considérant l'influence que la taxe aura sur l'ensemble de l'entreprise. Les avantages que celle-ci retire de la vente par camions sont divers: le seul que les experts aient chiffré et retenu provient de la réduction que l'augmentation du chiffre d'affaires, due à la vente par camions, provoque sur la part des frais généraux grevant chaque unité vendue (ce que les experts appellent "die Kostendegression pro Verkaufseinheit"). C'est indiscutablement l'un des avantages que la vente par camions procure à l'entreprise, mais ce n'est pas le seul, ni même le plus important. Les effets profitables (Nutzwirkungen) que produit la vente par camions, en tant qu'instrument de publicité, de propagande, d'étude du marché, de pénétration commerciale, d'accroissement des affaires, de prosélytisme social, sont BGE 87 I 29 S. 35 plus grands encore. En particulier, la vente itinérante n'apporte pas seulement à l'entreprise le chiffre d'affaires des camions, mais accroît aussi considérablement le chiffre d'affaires des magasins, grâce à la clientèle nouvelle qu'elle y attire. Les textes des réclames déposés en cause montrent l'importance que les sociétés Migros elles-mêmes attribuent à ces facteurs. Or le Prof. Marbach n'a tenu aucun compte de ces éléments, en déclarant qu'ils ne sont pas chiffrables (expertise, p. 72). Quant au Prof. Schwarzfischer, il s'est borné à apprécier plus largement la réduction des frais généraux grevant chaque unité vendue. C'est manifestement insuffisant. Si le calcul mathématique de l'influence de ces autres avantages n'était pas possible, il fallait les apprécier par approximation, ex aequo et bono. La difficulté d'appréciation ne saurait justifier le refus de prendre en considération des avantages dont la réalité et l'importance ne sont pas contestables. Le bénéfice résultant de la réduction des frais par unité vendue a été estimé par le Prof. Schwarzfischer - qui reconnaît avoir été un peu large - à 6,5% du chiffre d'affaires des camions. Or les taxes litigieuses ne s'élèvent qu'à 2% de ce chiffre d'affaires. Dès lors, quelle que soit l'importance que l'on attribue à l'influence des facteurs non chiffrables, les taxes litigieuses n'absorbent, en tout cas, pas même le tiers des avantages que l'entreprise retire de la vente par camions. Elles ne peuvent donc pas être considérées comme prohibitives. Le Prof. Marbach a relevé encore que le bénéfice net des coopératives Migros est, en moyenne, de 0,5% de leur chiffre d'affaires. Le canton a dénié toute valeur à cette circonstance, soit parce qu'elle n'a pas été contrôlée par les experts, soit parce qu'elle serait la conséquence de la politique des prix voulue par Migros. Un contrôle apparaît toutefois superflu car, même en admettant le bénéfice net indiqué, une taxe de patente correspondant à 2% du chiffre d'affaires des camions équivaut à une BGE 87 I 29 S. 36 charge de 0,1% du chiffre d'affaires total de la coopérative, dans les cantons où la vente par camions ne représente que le 5% de la vente totale (parmi lesquels se trouve le canton de Vaud), et à une charge de 0,2% dans les cantons où elle représente un dixième de la vente totale. Cela signifie que, si l'on ajoute la taxe litigieuse aux frais de la coopérative, celle-ci pourra, même sans augmenter ses prix, garder les 4/5 ou les 3/5 du bénéfice qu'elle a déclaré. La taxe n'est donc pas prohibitive, même à ce point de vue. En outre, la jurisprudence a admis que la taxe n'est pas prohibitive si elle peut être transférée à l'acheteur, c'est-à-dire si, ajoutée au prix de vente, elle n'empêche pas l'entreprise de soutenir la concurrence. Or il ressort des rapports d'expertises que le chiffre d'affaires des camions représente dans l'ensemble de la Suisse 10% environ du chiffre d'affaires total des sociétés Migros; pour le canton de Vaud, il n'est que de 5% environ. Comme on l'a vu plus haut, les ventes au moyen des camions ne peuvent être dissociées du commerce des magasins et les prix doivent être uniformes. Or si les taxes atteignant 2% du chiffre d'affaires des camions étaient reportées sur l'ensemble des ventes des recourantes dans le canton de Vaud, elles ne représenteraient qu'une augmentation de l'ordre de un pour mille du prix de vente. Dans les cantons où la vente par camion représente un dixième de la vente totale, l'augmentation est de 2 ‰. Il est évident qu'une telle augmentation est insignifiante et ne peut atteindre un commerce dans sa capacité de concurrence (voir arrêts Migros c. Berne du 28 janvier 1932 et Migros c. Bâle du 28 décembre 1932).
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Urteilskopf 136 III 102 14. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Sunrise Communications AG gegen Yello Strom Verwaltungsgesellschaft mbH (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_330/2008 vom 27. Januar 2010
Regeste Art. 12 und 52 MSchG ; markenrechtliche Feststellungsklage; Umfang des Rechtsschutzinteresses. Bei einer Klage auf Nichtigerklärung von Marken, die mit Nichtgebrauch und rechtsmissbräuchlicher Hinterlegung derselben begründet wird, fällt eine Nichtigerklärung der Marken im ganzen Umfang in Betracht, in dem sich der Nichtigkeitsgrund als gegeben erweist. Das Feststellungsinteresse des Klägers darf, um ein solches Urteil zu ermöglichen, nicht auf die gleichen Waren- und Dienstleistungsklassen beschränkt werden, für die er ein Zeichen im Markenregister eingetragen hat (E. 3).
Erwägungen ab Seite 103 BGE 136 III 102 S. 103 Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin rügt eine bundesrechtswidrige Einschränkung ihres Feststellungsinteresses durch die Vorinstanz. 3.1 Wer ein rechtliches Interesse nachweist, kann nach Art. 52 MSchG (SR 232.11) vom Richter feststellen lassen, dass ein Recht oder ein Rechtsverhältnis nach diesem Gesetz besteht oder nicht besteht. Diese markenrechtliche Feststellungsklage erlaubt in der Form der Löschungs- oder Nichtigkeitsklage die Nichtigerklärung und Löschung einer Marke aus dem Markenregister. Das Rechtsschutzinteresse muss erheblich sein ( BGE 120 II 144 E. 2a; Urteile 4A_324/2009 vom 8. Oktober 2009 E. 2; 4C.369/2004 vom 25. Januar 2005 E. 2.3, in: sic! 2005 S. 682; LUCAS DAVID, Markenschutzgesetz, Muster- und Modellgesetz, 2. Aufl. 1999, N. 9 zu Art. 52 MSchG ; CHRISTOPH WILLI, Markenschutzgesetz, MSchG, 2002, N. 6 zu Art. 52 MSchG ). Wann ein solches Interesse gegeben ist, bestimmt das Bundesrecht ( BGE 135 III 378 E. 2.2 S. 379 f. mit Hinweisen). Ein Feststellungsinteresse liegt vor, wenn die Rechtsbeziehungen der Parteien ungewiss sind, die Ungewissheit durch die Feststellung über Bestand und Inhalt des Rechtsverhältnisses beseitigt werden kann und ihre Fortdauer der Klagepartei nicht zugemutet werden kann, weil sie sie in ihrer Bewegungsfreiheit behindert ( BGE 135 III 378 E. 2.2 S. 380; BGE 123 III 414 E. 7b S. 429; BGE 120 II 144 E. 2; je mit Hinweisen). 3.2 Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdegegnerin habe Widersprüche gegen die beiden Marken der Beschwerdeführerin eingereicht. Zudem verwende die Beschwerdeführerin ihre allenfalls mit der Marke "Yello" verwechselbare Marke "Yallo" im Geschäftsverkehr. Diese habe somit grundsätzlich ein rechtlich geschütztes Interesse an der Nichtigerklärung der Marken der Beschwerdegegnerin bzw. an den Eventualbegehren. Die Marken CH-Nrn. 535 045 und 537 384 der Beschwerdeführerin seien für die Klassen 9, 16, 35, 36, 38 und 42 registriert. Die Beschwerdeführerin habe somit lediglich insoweit ein Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung der Marken der Beschwerdegegnerin, als diese für die gleichen Klassen registriert seien. Anderes bringe die Beschwerdeführerin denn auch nicht vor. Sie trat daher auf die Klage insoweit nicht ein, als die Marken der Beschwerdegegnerin für andere Klassen registriert sind als diejenigen, für welche die Marken der Beschwerdeführerin eingetragen sind. BGE 136 III 102 S. 104 3.3 Umstritten ist demnach nicht das Bestehen eines Feststellungsinteresses an sich, sondern dessen Reichweite bzw. Umfang. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, ihr Rechtsschutzinteresse richte sich auf die Nichtigerklärung der gesamten Marken der Beschwerdegegnerin, soweit diese mit einem Nichtigkeitsgrund behaftet seien. Sie habe die Nichtigerklärung der Marken der Beschwerdegegnerin mit dem Nichtgebrauch derselben begründet. Die Berufung auf Nichtgebrauch setze aber kein besonderes Interesse voraus. Eine Beschränkung des schutzwürdigen Interesses könnte sich jedenfalls nicht nach Waren- oder Dienstleistungs klassen richten. Zudem habe sie die Nichtigkeit der angefochtenen Marken auch mit der fehlenden Gebrauchsabsicht und der Rechtsmissbräuchlichkeit der Markenhinterlegung begründet. Auch in diesem Fall sei es nicht zweckmässig, das Feststellungsinteresse auf bestimmte Waren und Dienstleistungen zu beschränken, da die angefochtenen Marken im ganzen Umfang, in dem sich der Nichtigkeitsgrund als gegeben erweist, nichtig zu erklären seien, wie die bundesgerichtliche Rechtsprechung zeige. Diese Argumentation ist zutreffend: 3.4 Zur Geltendmachung des Nichtgebrauchs einer Marke im Sinne von Art. 12 MSchG ist grundsätzlich jedermann befugt; ein spezieller Interessennachweis ist nicht erforderlich, da das allgemeine Interesse, bei der freien Zeichenbildung nicht durch zufolge Nichtgebrauchs ungültige Marken behindert zu werden, in der Regel genügt. Ausnahmsweise kann ein Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung jedoch dann fehlen, wenn die Opponentin das fragliche Zeichen oder ein diesem ähnliches Zeichen schon aus anderen Gründen selbst gar nicht benutzen kann oder benutzen darf, so dass für sie die Markeneintragung von vornherein keine weitere Behinderung in der freien Zeichenbildung bewirken kann. In einem solchen Fall kann der Nichtgebrauch nur geltend gemacht werden, wenn die Opponentin aufgrund besonderer Umstände dennoch ein schutzwürdiges Interesse daran hat, ein Wiederaufleben des zufolge Nichtgebrauchs untergegangenen Markenrechts zu verhindern ( BGE 125 III 193 E. 2a S. 206; so auch WILLI, a.a.O., N. 6 zu Art. 52 MSchG ; EUGEN MARBACH, Markenrecht, SIWR, Bd. III/1, 2. Aufl. 2009, S. 418 f. Rz. 1418; KARIN BÜRGI LOCATELLI, Der rechtserhaltende Markengebrauch in der Schweiz, 2008, S. 202; enger DAVID, der ein schutzwürdiges Interesse demjenigen abspricht, der die angefochtene Marke tatsächlich nicht gebrauchen kann, weil er sich gar nicht mit Waren und BGE 136 III 102 S. 105 Dienstleistungen befasst, für welche die angeblich ungebrauchte Marke beansprucht wird: DAVID, a.a.O., N. 14 zu Art. 12 MSchG und N. 9 zu Art. 52 MSchG ; derselbe , Bemerkungen zu BGE 125 III 193 , AJP 1999 S. 1483 ff., 1487). Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, kann es bezüglich der Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse keinen Unterschied machen, ob der Nichtgebrauch einer Marke ausserprozessual geltend gemacht oder im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 52 MSchG angerufen wird. Es macht keinen Sinn, das Interesse an der gerichtlichen Geltendmachung des Nichtgebrauchs enger zu fassen als dasjenige an der ausserprozessualen Geltendmachung. Eine solche Differenzierung geht denn auch aus BGE 125 III 193 E. 2a S. 206 nicht hervor. Es gelten stets die gleichen, relativ geringen Voraussetzungen. Nach dem Gesagten musste die Beschwerdeführerin kein spezielles Interesse nachweisen. Sie kann sich grundsätzlich auf ihr allgemeines Interesse stützen, bei der freien Zeichenbildung nicht durch die von der Beschwerdegegnerin eingetragenen, angeblich nicht gebrauchten Marken behindert zu werden. Gründe, aus denen die Beschwerdeführerin das fragliche Zeichen für die strittigen Waren oder Dienstleistungen nicht benutzen darf oder kann, sind keine festgestellt. Die Vorinstanz hätte daher das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin nicht von vornherein auf den Schutzbereich deren eigener Marken beschränken dürfen. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin ihre Klage auf Nichtigerklärung der Marken der Beschwerdegegnerin auch mit der fehlenden Gebrauchsabsicht bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit der Hinterlegung (Defensivmarken) begründet hat. Der Richter erklärt die angefochtene Marke in dem Umfang für nichtig, in dem sich der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund als begründet erweist. Eine Beschränkung der Nichtigerklärung der angefochtenen Marke auf die "gleichen Klassen", für welche die Marke des Opponenten eingetragen ist, worauf die Erwägungen der Vorinstanz hinauslaufen, findet nicht statt. Vielmehr beschlägt die Nichtigerklärung bei Bejahung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes die angefochtene Marke im gesamten betroffenen Umfang (vgl. z.B. Urteile 4C.431/2004 vom 2. März 2005, in: sic! 2005 S. 463 ff.; 4C.82/2007 vom 30. Mai 2008, teilw. publ. in: sic! 2008 S. 732 ff.; vgl. auch BGE 127 III 160 E. 1a S. 163 f.). Um ein solches Urteil zu ermöglichen, muss im BGE 136 III 102 S. 106 selben Umfang auch das Rechtsschutzinteresse, sofern es grundsätzlich gegeben ist, an einer entsprechenden Nichtigkeitsklage bejaht werden. Dies hat die Vorinstanz verkannt. Hinzu kommt, dass es ohnehin nicht sachgerecht wäre, eine Einschränkung der Klagelegitimation nach Klassen gemäss dem Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 (SR 0.232.112.8), vorzunehmen, wie dies die Vorinstanz getan hat. Entscheidend könnte bei einer Einschränkung von vornherein nur der Gebrauch der Marke für gleichartige Waren oder Dienstleistungen sein. Für die Beurteilung der Gleichartigkeit der Waren oder Dienstleistungen ist indessen die Klasseneinteilung nach dem Nizza-Abkommen nicht vorbehaltlos ausschlaggebend (WILLI, a.a.O., N. 54 zu Art. 3 MSchG ; BGE 96 II 257 E. 2 S. 260; Urteil 4A_103/2008 vom 7. Juli 2008 E. 8.2, in: sic! 2008 S. 907 ff.). Auch dies rügt die Beschwerdeführerin zu Recht. 3.5 Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin ändert nichts, dass nach den Erwägungen des Handelsgerichts (in seinem durch das Kassationsgericht aufgehobenen Urteil) die Beschwerdeführerin den Nichtgebrauch der Marken "Yello" der Beschwerdegegnerin nicht glaubhaft machen konnte, sondern vielmehr die Beschwerdegegnerin deren Gebrauch glaubhaft darlegte, weshalb das Handelsgericht auf die Vorbringen betreffend fehlende Gebrauchsabsicht und Defensivmarke nicht einging. Die Frage, ob ein geltend gemachter Nichtigkeitsgrund zutrifft oder nicht, beschlägt die materielle Beurteilung und ist für die Frage der Legitimation nicht ausschlaggebend. 3.6 Nichts Anderes ergibt sich sodann aus der von der Vorinstanz erwähnten Möglichkeit von Teilnichtigkeitsklagen. Wenn ein Nichtigkeitsgrund das Schutzrecht des Klägers bloss teilweise beschlägt, etwa weil die vom Inhaber der älteren Marke angefochtene jüngere Marke nur für einen Teil der Warenliste der älteren Marke täuschender Natur ist, so kann die Feststellung teilweiser Nichtigkeit verlangt werden bzw. der Richter kann von Amtes wegen auf blosse Teilnichtigkeit erkennen (DAVID, a.a.O., N. 4 zu Art. 52 MSchG ; VON BÜREN/MARBACH/DUCREY, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2008, S. 197 Rz. 932). Eine solche Konstellation liegt in casu bezüglich der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe des Nichtgebrauchs bzw. der BGE 136 III 102 S. 107 fehlenden Gebrauchsabsicht nicht vor. Und betreffend die von der Beschwerdeführerin vor Handelsgericht eventuell beantragte negative Feststellung, dass ihre Marken bzw. der Domain-Namen "yallo.ch" die Marken der Beschwerdegegnerin nicht verletzen, spielt die Frage einer Teilnichtigkeit selbstredend keine Rolle.
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Urteilskopf 87 I 473 76. Arrêt de la IIe Cour civile du 7 décembre 1961 dans la cause Métraux contre Blanc et Leresche.
Regeste 1. Formelle und materielle Befugnis zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ( Art. 103 Abs. 1 OG ) (Erw. 1 und 2). 2. Wer einerseits vom Grundbuchverwalter die Eröffnung des Verfahrens nach Art. 13 und 14 EGG verlangt und anderseits Klage auf Feststellung des von ihm beanspruchten Vorkaufsrechts angehoben hat, ist materiell nicht zur Beschwerde gegen die (von den kantonalen Rekursinstanzen bestätigte) Ablehnung jenes Gesuches befugt. Mit der Klage vermag er jede Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung, die sich aus der ablehnenden Verfügung des Grundbuchverwalters ergeben könnte, abzuwenden und sein Recht schon vor Erschöpfung der administrativen Rekursinstanzen gültig auszuüben. Ein solches Rekursverfahren wird daher überflüssig; es hätte übrigens keinen Einfiuss auf das Schicksal der Klage (Erw. 3 und 4).
Sachverhalt ab Seite 474 BGE 87 I 473 S. 474 A.- Alfred Blanc est propriétaire d'un domaine agricole de quelque huit hectares à Vers-chez-les-Blanc, sur la commune de Lausanne. Le 7 décembre 1960, il a vendu à Georges Leresche une parcelle de 4011 m2 de ce domaine. Dans une lettre du 10 octobre 1960 au conservateur du registre foncier du district de Lausanne, la fille unique du vendeur, dame Hélène Métraux, avait manifesté l'intention d'exercer un droit de préemption sur le bien-fonds qui devait être aliéné. Le 23 décembre, une fois le contrat conclu, elle invita le conservateur à introduire la procédure prévue par les art. 13 et 14 de la loi du 12 juin 1951 sur le maintien de la propriété foncière rurale. S'étant heurtée à un refus, elle adressa le 4 janvier 1961 au Département cantonal des finances un recours qu'il rejeta le 26 de ce mois. B.- Le 19 janvier 1961, dame Métraux a intenté action à Blanc et Leresche, devant le Tribunal civil du district de Lausanne, pour faire constater qu'elle bénéficie d'un droit de préemption sur le domaine de son père, notamment sur le bien-fonds vendu le 7 décembre 1960, et qu'elle est en droit d'acquérir cette parcelle à sa valeur d'estimation. Le 29 mars, à la requête de la demandresse, le juge saisi a suspendu l'instruction de la cause jusqu'à la solution de la procédure engagée devant les autorités administratives. C.- Le 7 février 1961, en effet, dame Métraux avait attaqué la décision du Département auprès du Conseil d'Etat, mais elle fut déboutée le 4 juillet. L'autorité cantonale supérieure considère qu'en vertu de l'art. 16 BGE 87 I 473 S. 475 al. 1 de la loi du 12 juin 1951, "les cantons peuvent limiter ou exclure l'application des dispositions sur le droit de préemption quant aux exploitations agricoles ou aux biens-fonds dont la superficie ne dépasse pas trois hectares" et que cette disposition autorise les cantons à supprimer le droit de préemption légal en cas de vente d'une parcelle dont l'aire n'est pas supérieure à trois hectares; elle déclare que le canton de Vaud a fait usage de cette faculté, à l'art. 4 al. 2 de la loi vaudoise d'exécution du 1er décembre 1952, en limitant le droit en question "aux exploitations et aux biens-fonds dont la superficie dépasse trois hectares ou, s'il s'agit de vignes, un hectare". Aussi, en l'espèce, le Conseil d'Etat refuse-t-il de soumettre le terrain vendu, qui ne mesure que 4011 m2, au droit de préemption de dame Métraux. Subsidiairement, il conteste que cet immeuble ait l'importance exigée par l'art. 6 al. 1 de la loi fédérale et, partant, puisse faire l'objet du droit invoqué. D.- Dame Métraux a déposé au Tribunal fédéral un recours de droit administratif contre la décision du Conseil d'Etat et requis l'ouverture de la procédure légale par le conservateur du registre foncier. Elle soutient que la limite de trois hectares fixée par l'art. 16 al. 1 de la loi du 12 juin 1951 se rapporte non pas à la parcelle vendue, mais au domaine ou au bien-fonds dont elle fait partie, cette interprétation étant seule conforme au système légal, aux intentions du législateur et aux buts qu'il a visés. Au surplus, elle dénie aux autorités de surveillance la compétence de se prononcer sur l'importance de l'immeuble aliéné, au sens de l'art. 6 al. 1 de la loi fédérale, cette question ne relevant que de l'appréciation du juge. Le Conseil d'Etat conclut principalement à l'irrecevabilité du recours et subsidiairement à son rejet. Blanc se borne à se référer à la décision attaquée ainsi qu'aux arguments qu'il a exposés dans la procédure cantonale. Quant à Leresche, tout en souhaitant que le Tribunal fédéral se prononce au fond, il fait sienne l'argumentation du Conseil d'Etat. BGE 87 I 473 S. 476 Erwägungen Considérant en droit: 1. L'art. 99 ch. I litt. c OJ prévoit un recours de droit administratif contre les décisions des autorités cantonales de surveillance en matière de registre foncier. Le droit de recours appartient notamment à celui qui est intéressé, comme partie, à la décision attaquée (art. 103 al. 1 OJ). En conséquence, les parties devant l'autorité cantonale supérieure ont en la forme la faculté de recourir: leur recours est recevable. En l'espèce, dame Métraux a été considérée comme partie par le Conseil d'Etat. Son recours est donc recevable. 2. La disposition de l'art. 103 al. 1 OJ part de l'idée qu'un recourant débouté en tant que partie par une décision possède la qualité quant au fond (Sachlegitimation). Tel n'est cependant pas toujours le cas. Aussi bien, d'après sa jurisprudence constante, le Tribunal fédéral rejette-t-il le recours sans plus ample examen, lorsque le recourant n'a pas cette qualité (RO 60 I 33 sv. ; 62 I 167 sv. ; 66 I 279 ; 72 I 55 sv. ; 75 I 382 ; 81 I 397 ; 85 I 124 , 131, 165, 290 sv. ; 87 I 433 ; KIRCHHOFER, Die Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht, p. 32 sv.). A qualité, dans cette acception du terme, celui qui est lésé, c'est-à-dire touché dans la sphère de ses droits subjectifs si la décision attaquée est illégale (RO 87 I 436). En l'espèce, en saisissant le Tribunal civil du district de Lausanne, la recourante a exercé son prétendu droit de préemption. Depuis lors, sa situation juridique ne pouvait plus être affectée par la procédure engagée devant les autorités administratives et par la décision attaquée; l'ouverture de l'action dirigée contre Blanc et Leresche a suffi à réparer l'atteinte que le refus du conservateur du registre foncier aurait portée à la situation juridique de la recourante. Encore faut-il toutefois que l'action constitue en l'occurrence, avant même l'épuisement des voies de recours contre la décision du conservateur, un BGE 87 I 473 S. 477 mode valable d'exercer le droit et qu'elle le sauvegarde entièrement, rendant ainsi inutile la procédure administrative. La réponse à cette question se fonde sur le but de la loi. 3. La loi du 12 juin 1951 sur le maintien de la propriété foncière rurale fixe les obligations du conservateur du registre foncier et des personnes qui se prétendent titulaires d'un droit de préemption en cas de vente totale ou partielle d'une exploitation agricole (art. 13 et 14). Elle ne dit pas toutefois comment ces personnes doivent procéder lorsque le conservateur refuse d'appliquer les dispositions légales (parce qu'à son avis le droit de préemption n'existe manifestement pas). Le refus du conservateur n'empêche en tout cas pas la personne qui se prétend au bénéfice d'un droit de préemption légal d'agir en justice (RO 79 I 270; v. aussi ZBGR 39 p. 21 et la Fiche juridique suisse no 228 a B ch. II litt. d). Il se justifie d'autant moins de contraindre celle-ci à parcourir tous les degrés de la procédure administrative avant d'ouvrir action (art. 104 ORF et 99 ch. I litt. c OJ) que cette obligation différerait la solution de conflits qui, selon l'intention du législateur, doivent se liquider promptement. Celui qui prétend un tel droit sur une parcelle du territoire vaudois pourrait être amené à saisir trois autorités; s'il obtenait gain de cause, il faudrait encore que le conservateur procédât selon les art. 13 et 14 LPR; après seulement, il pourrait agir en justice. Or une telle procédure obligatoire ne se concilierait guère avec la volonté du législateur d'abréger autant que possible le règlement des différends, volonté exprimée notamment par la fixation de délais de péremption de un et trois mois et la réduction d'un an à trois mois du délai de péremption absolue (Bull. stén. CN 1948 p. 514 sv.). Admissible, l'action rend en outre superflue, dès qu'elle est intentée, la procédure administrative prévue par les art. 13 et 14 LPR. Celle-ci tend à permettre aux titulaires BGE 87 I 473 S. 478 éventuels du droit de préemption de le faire valoir, à les obliger de se déterminer dans un court délai et à informer le vendeur et l'acheteur de leur décision. Or celui qui ouvre action contre les parties au contrat de vente manifeste aux intéressés sa volonté d'exercer le droit qu'il prétend. Il atteint donc directement le but visé par la procédure administrative. 4. Il est vrai que l'inutilité de la procédure administrative ne serait pas encore démontrée, si la décision du conservateur était de nature à influer sur la solution de l'action en justice. Mais il n'en est rien. Non seulement le conservateur ne tranche que préjudiciellement la question du droit de préemption, mais son pouvoir d'examen est limité. Il ne refuse en effet d'appliquer la procédure prévue par les art. 13 et 14 LPR que si d'après les pièces qui lui sont présentées, soit à première vue, l'existence d'un droit de préemption ne peut être sérieusement envisagée (RO 79 I 270 et 276 sv.). Loin de préjuger la décision des tribunaux ordinaires, celle du conservateur (ou des autorités de recours) leur laisse toute latitude de résoudre le problème au fond. Certes, l'opinion du conservateur ou des autorités de surveillance et de recours peut jouir, en pratique et de cas en cas, d'un certain poids. En la connaissant, celui qui prétend un droit aura un moyen de plus de former la sienne propre et agira en justice avec une conviction mieux étayée, si elle lui est favorable. Dans le cas contraire, il réfléchira à deux fois et s'épargnera peut-être des désagréments inutiles. Mais s'il peut donc avoir quelque intérêt à obtenir une décision administrative définitive (dans une procédure relativement peu onéreuse), ce n'est toutefois là qu'une utilité de fait de cette décision. La qualité quant au fond pour recourir ne saurait en être touchée (KIRCHHOFER, op.cit. p. 35). Au surplus, dans l'espèce qui la concerne, il va sans dire que la recourante n'est fondée à persister dans la procédure administrative ni dans l'intérêt des tiers susceptibles d'être BGE 87 I 473 S. 479 lésés par la jurisprudence cantonale qu'elle critique, ni en prévision de l'éventualité où elle aurait de nouveau l'occasion de faire valoir un droit de préemption. Le recours de droit administratif n'est pas une actio popularis (RO 62 I 167 ; 66 I 279 ; KIRCHHOFER, op.cit. p. 34) et ne peut servir qu'à protéger un intérêt juridique actuel (HEFTI, De la qualité pour agir dans la juridiction constitutionnelle et administrative du Tribunal fédéral, p. 64). Quant au désir de faire trancher par la plus haute juridiction une question au fond qui vise l'existence du droit qu'elle prétend, la recourante aura tout loisir, dans la mesure où les prescriptions légales le permettent et où elle les respectera, de saisir le Tribunal fédéral par la voie d'un recours dirigé contre la décision rendue par la dernière instance cantonale sur l'action civile. 5. Le recours doit donc être rejeté sans plus ample examen. Il se justifie de compenser les dépens de l'instance fédérale. En effet, Blanc s'est borné à se rallier aux observations du Conseil d'Etat. Quant à Leresche, il en fait de même sur le fond, mais souhaite que la qualité pour recourir soit reconnue à la recourante: il succombe donc sur le point qui a emporté la décision de la Cour. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral Rejette le recours.
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Urteilskopf 98 IV 97 19. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Juni 1972 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen Schmidli, Wanner und Valentin.
Regeste 1. Art. 187 Abs. 2 StGB . Die Gewaltanwendung des Täters muss die Widerstandskräfte der Frau in einem solchen Masse lahmlegen, dass irgendwelche Bewegungen, zu denen das Opfer noch fähig ist, das Vorhaben des Angreifers weder zu vereiteln noch zu beeinträchtigen vermögen (Erw. 1). 2. Art. 187 StGB schliesst die Anwendung von Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 StGB aus, wenn zwischen der Freiheitsberaubung und der Notzucht ein derart enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass die Handlungen des Täters bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 97 BGE 98 IV 97 S. 97 A.- Die Nacht vom 22. auf den 23. August 1970 verbrachte die damals 21-jährige X. in dem von ihrem Bekannten Metzger gemieteten Bauernhaus in Y., wo sich eine grössere Zahl von Personen zusammengefunden hatte, unter denen sich Ferdinand Schmidli, Bruno Wanner, Oswald Valentin und ein Willy Stuber befanden. Nachdem bis tief in die Nacht hinein getrunken und diskutiert worden war, zog sich X. um 02.30 Uhr ins Zimmer BGE 98 IV 97 S. 98 Metzgers zurück, um dort zu schlafen. Kaum hatte sie sich mit diesem zu Bett begeben, drangen Schmidli, Valentin und Wanner ins Zimmer ein und forderten sie auf, zu ihnen ins Nebenzimmer zu kommen. Da sie dieser Aufforderung nicht nachkam, zerrten die drei die Frau aus dem Bett und trugen sie trotz Abwehr ins nebenanliegende Zimmer, indem sie sie an Armen und Beinen fassten. Dort warfen sie X. auf eine am Boden liegende Matratze und zogen sie gewaltsam aus, woraufSchmidli und Wanner versuchten, mit ihr geschlechtlich zu verkehren, während Valentin sie ausgreifen wollte. Zufolge der heftigen Gegenwehr der X. und nachdem Dritte auf die lauten Schreie der Frau hin eingeschritten waren, gaben Schmidli, Valentin und Wanner ihr Vorhaben auf. Um 08.00 Uhr morgens, als sich X. bereits angezogen hatte, betraten die drei Burschen und ein vierter Unbekannter erneut das Zimmer der Frau, stürzten sich auf diese, rissen ihr trotz Abwehr bis auf Büstenhalter und Pullover die Kleider vom Leib, trugen sie erneut ins Nebenzimmer auf die Matratze und hielten sie darauf an Armen und Beinen gewaltsam fest, als sie sich wehrte. Daraufhin missbrauchten Schmidli, Wanner, Valentin und der etwas später dazugekommene Stuber die X., indem die ersten beiden abwechslungsweise wiederholt (je 3-4 mal) mit ihr verkehrten, Stuber einmal den Geschlechtsakt vollzog und Valentin die Frau zwischenhinein wiederholt unzüchtig am Geschlechtsteil betastete. Der Vorfall dauerte ungefähr zwei Stunden, und die Burschen liessen von X. erst ab, als bei dieser Blutungen auftraten. B.- Mit Urteil vom 21. Mai 1971 sprach das Kriminalgericht des Kantons Luzern schuldig: Schmidli und Wanner der fortgesetzten Freiheitsberaubung ( Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 StGB ), der fortgesetzten Notzucht ( Art. 187 Abs. 1 und 2 StGB ), der Gehilfenschaft dazu sowie der Gehilfenschaft zu fortgesetzter Nötigung zu einer anderen unzüchtigen Handlung ( Art. 25 und 188 StGB ); Valentin der fortgesetzten Freiheitsberaubung ( Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 StGB ), der Gehilfenschaft zu fortgesetzter Notzucht ( Art. 25 und 187 Abs. 1 und 2 StGB ) und der fortgesetzten Nötigung zu einer anderen unzüchtigen Handlung ( Art. 144 StGB ). Es verurteilte Schmidli und Valentin zu je fünf Jahren und Wanner zu sechs Jahren Zuchthaus, rechnete allen drei Angeklagten die erstandene Untersuchungshaft an und stellte sie für die Dauer von je fünf Jahren in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ein. BGE 98 IV 97 S. 99 Auf Appellation der Verurteilten änderte das Obergericht des Kantons Luzern am 13. Dezember 1971 den erstinstanzlichen Entscheid teilweise ab. So sprach es Schmidli und Wanner von der Anklage der fortgesetzten Freiheitsberaubung frei, brachte bezüglich der Notzucht und der Gehilfenschaft dazu nur Absatz 1 von Art. 187 StGB zur Anwendung, bestätigte im übrigen den Schuldspruch, sah jedoch von der Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit ab und setzte die Strafen für Schmidli auf 22 und für Wanner auf 24 Monate Gefängnis herab. Valentin sprach es von der Anschuldigung der fortgesetzten Freiheitsberaubung frei; dagegen sprach es ihn der Gehilfenschaft zu fortgesetzter Notzucht nach Art. 25 und 187 Abs. 1 StGB und in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils auch der fortgesetzten Nötigung zu einer andern unzüchtigen Handlung schuldig und verurteilte ihn zu 20 Monaten Gefängnis. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie Schmidli und Wanner der fortgesetzten Freiheitsberaubung ( Art. 182 Ziff. 2 Abs. 1 StGB ), der fortgesetzten Notzucht gemäss Art. 187 Abs. 1 und 2 StGB , der Gehilfenschaft dazu sowie der Gehilfenschaft zu fortgesetzter Nötigung zu einer andern unzüchtigen Handlung schuldig spreche und bestrafe, und Valentin wegen fortgesetzter Freiheitsberaubung, wegen Gehilfenschaft zu fortgesetzter Notzucht gemäss Art. 25 und 187 Abs. 1 und 2 StGB und fortgesetzter Nötigung zu einer anderen unzüchtigen Handlung verurteile. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Die Staatsanwaltschaft macht geltend, das Obergericht habe im vorliegenden Falle zu Unrecht das zum Tatbestand des Art. 187 Abs. 2 StGB gehörende Merkmal der Widerstandsunfähigkeit verneint und im Unterschied zur ersten Instanz bloss Absatz 1 der genannten Bestimmung angewendet. Aus den Aussagen des Opfers wie auch aus denjenigen von Schmidli und Wanner ergebe sich, dass bei X. nach den ersten geschlechtlichen Beziehungen und vor dem zweiten oder dritten Geschlechtsverkehr der genannten Täter ein ausgesprochener Erschöpfungszustand eingetreten sei, nachdem sich jene zuvor mit allen Kräften gewehrt hatte. Dieser Zustand sei durch die Täter herbeigeführt worden. Nach BGE 89 IV 85 ff. könne eine Frau auch durch Anwendung von Gewalt widerstandsunfähig BGE 98 IV 97 S. 100 gemacht werden, was nach der Auffassung des Bundesgerichtes z.B. durch Fesselung geschehen könne. Das Festhalten der Arme und das gewaltsame Spreizen der Beine des Opfers durch Wanner und Valentin während der Beischlafshandlungen Schmidlis, bzw. des Valentin und des Schmidli während des Geschlechtsverkehrs Wanners mit dem Opfer sei der Fesselung der Frau gleichzustellen. Dazu komme, dass Valentin der X., um ihre Hilferufe zu ersticken, mit der Hand den Mund zugehalten und ihr überdies in die Scheide gegriffen habe, wodurch sie in ihrer Abwehr zusätzlich behindert worden sei. Angesichts dieser von den Tätern herbeigeführten Widerstandsunfähigkeit könne sich bloss fragen, ob der erste Verkehr von Schmidli und Wanner nach Art. 187 Abs. 1 StGB und die weiteren nach Absatz 2 strafbar seien, oder ob nicht alle geschlechtlichen Beziehungen der beiden Täter unter die letztere Bestimmung fielen. a) Notzucht im Sinne von Art. 187 Abs. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter, ehe er an der Frau den Beischlaf vollzieht, sie zu diesem Zwecke in einen Zustand der Bewusstlosigkeit oder der vollständigen Widerstandsunfähigkeit versetzt habe. Während nach Absatz 1 des genannten Gesetzesartikels der ausgeübte Zwang nur die Wirkung haben muss, dass die Frau auf körperlichen Widerstand, dessen sie fähig wäre, ganz oder teilweise verzichtet, schaltet der Täter nach Absatz 2 ihre Fähigkeit, Widerstand zu leisten, zum vorneherein völlig aus und verunmöglicht es, dass sie einen Abwehrwillen hat oder ihn wirksam betätigen kann. Dabei ist für die Anwendbarkeit des Art. 187 Abs. 2 StGB nach seinem Wortlaut und Sinn einzig massgebend, dass der Täter die Frau vor dem Beischlaf bewusstlos oder widerstandsunfähig gemacht hat, ohne dass es darauf ankommt, welcher Mittel er sich dazu bediente. Es ist deshalb nicht erforderlich, dass er besonders brutal vorgegangen sei. Gelingt es ihm mit geringem Kraftaufwand, jedoch durch Ausdauer die Körperkräfte des Opfers so lange zu schwächen, bis dieses schliesslich vor Erschöpfung zum Widerstand unfähig wird, so ist er nicht minder strafwürdig, als wenn er durch rohe Gewalt, z.B. durch einen betäubenden Schlag oder durch Fesselung der Frau rasch zum Ziele gelangt (nicht veröffentlichtes Urteil des KH i.S. Caruso vom 12.10.1962 und BGE 89 IV 89 ). Auch kann im gegebenen Fall ein Festhalten der Frau an Armen und Beinen durch mehrere Männer im Ergebnis die BGE 98 IV 97 S. 101 gleiche Wirkung haben wie ein Fesseln des Opfers, welche Art der Gewaltanwendung von Rechtsprechung und Lehre als taugliches Mittel zum Widerstandunfähigmachen anerkannt wurde (HAFTER, besonderer Teil, S. 120; LOGOZ, N. 3 zu Art. 187 StGB ; THORMANN/v. OVERBECK, N. 8 zu Art. 187 und N. 8 zu Art. 139 StGB ; MESSMER, Die Notzucht im schweizerischen Strafrecht, Diss. Zürich 1950, S. 54 und 67). Wo beispielsweise eine nur mit schwachen Körperkräften ausgestattete Frau zwei oder mehreren kräftigen Männern gegenübersteht, wird es für diese ein leichtes sein, jene derart festzuhalten, dass sie wie gefesselt ausserstande ist, ihren Abwehrwillen zu betätigen. Warum ihre Wehrlosigkeit in diesem Fall anders beurteilt werden sollte als im Falle einer Fesselung, ist nicht einzusehen, sofern jener Zustand vor dem geschlechtlichen Missbrauch der Frau und zu solchem Zweck herbeigeführt wurde (THORMANN/v. OVERBECK, a.a.O.). b) Die Vorinstanz hat eine völlige Widerstandsunfähigkeit der X. unter Berufung auf BGE 89 IV 87 verneint. In diesem Urteil habe nämlich das Bundesgericht die Frau, welche während der Unzuchtshandlungen zufolge der Gewaltanwendung der beiden Männer keinen ernsthaften Widerstand mehr hatte leisten können, nicht als vollständig widerstandsunfähig im Sinne des Art. 187 Abs. 2 StGB erachtet. Im vorliegenden Falle habe sich die Geschädigte bis zum Schluss gewehrt. Auch wenn ein körperlicher Widerstand - zufolge Aussichtslosigkeit - gegen Ende der unzüchtigen Handlungen nicht mehr in Erscheinung getreten sein mochte, so sei doch erwiesen, dass X. offensichtlich mit einer Hingabe an die Beschwerdegegner bis zum Schluss nicht einverstanden gewesen sei, geweint und zwischenhinein wieder aufgeschrien habe. In BGE 89 IV 90 hatte der Kassationshof in der Tat die Anwendung von Art. 187 Abs. 2 StGB abgelehnt, weil die Frau nicht vollständig widerstandsunfähig war, bevor sie von den Tätern missbraucht wurde. Sie habe nur während der Unzuchtshandlungen zufolge der Gewaltanwendung der beiden Männer keinen ernsthaften Widerstand mehr leisten können, woraus sichjedoch nicht ergebe, dass sie überhaupt nicht mehr imstande gewesen sei, Widerstand zu leisten. Ihr Widerstand sei bloss wirkungslos geblieben, solange sie der vereinten Gewalt der beiden Männer ausgesetzt gewesen sei. Insoweit in diesem Entscheid zum Ausdruck gebracht wurde, der Täter müsse BGE 98 IV 97 S. 102 zuerst eine Frau gegen ihren Willen wehrlos machen, um sie hernach "ohne Widerstand" zu missbrauchen, könnte diese Feststellung zusammen mit den anschliessenden Erwägungen (S. 90 unter Ziff. 3 b) zur Annahme verleiten, Art. 187 Abs. 2 StGB sei nur dann anwendbar, wenn die zum Widerstand unfähig machende Gewaltanwendung vor dem Beischlaf abgeschlossen sei, mit anderen Worten, der Zustand der Wehrlosigkeit nicht durch eine weiter anhaltende Gewaltanwendung während der Unzuchtshandlungen aufrechterhalten werden müsse. Diese Auffassung träfe nur zu, wenn widerstandsunfähig im Sinne des Art. 187 Abs. 2 StGB bloss die Frau wäre, die aus körperlichen oder seelischen Gründen überhaupt keinen Willen mehr hat oder ihn nicht äussern kann (z.B. bei Bewusstlosigkeit). Indessen zeigt gerade das in Rechtsprechung und Lehre genannte Beispiel der Fesselung, dass der Begriff der Widerstandsunfähigkeit ein weiterer ist, indem auch die Frau, die ausserstande ist, ihren Willen zu verwirklichen, weil sie bei klarem Bewusstsein etwa durch Fesseln darin gehindert wird, als widerstandsunfähig erachtet werden muss (SCHÖNKE/SCHRÖDER, Kommentar zum deutschen StGB, 16. Auflage, N. 14 zu § 176). Damit ist zugleich gesagt, dass die physischen Widerstandskräfte der Frau durch die Gewaltanwendung nicht notwendig zum vorneherein gebrochen werden müssen, dass diese vielmehr bestehen bleiben können, aber wegen der gewaltmässigen Einwirkung bloss lahmgelegt sind. Damit diese Wirkung auch während der Unzuchtshandlungen des Täters anhält, bedarf es aber offensichtlich der anhaltenden Gewaltanwendung, nämlich der fortdauernden Fesselung, die allein bewirkt, dass die gegebenenfalls noch vorhandenen physischen Abwehrkräfte der Frau nicht aktiv werden. Entsprechendes gilt für den Fall, wo der Täter sich der Mitwirkung mehrerer kräftiger Männer bedient, um die Widerstandskräfte der Frau durch Festhalten vollständig und anhaltend lahmzulegen. Die Gewaltanwendung muss jedoch die Abwehr des Opfers auch hier in solchem Masse ausschalten, dass irgendwelche Bewegungen, zu denen die Frau noch fähig ist, das Vorhaben des Angreifers weder zu vereiteln noch zu beeinträchtigen vermögen. Wird diese Wirkung nicht erzielt, so entfällt die Anwendung von Art. 187 Abs. 2 StGB , auch wenn der Widerstand des Opfers im Ergebnis wirkungslos bleibt. Denn auch ein Festhalten muss als vis absoluta wirken und die vollständige Unterwerfung der BGE 98 IV 97 S. 103 Frau herbeiführen, soll es nach Art. 187 Abs. 2 StGB beachtlich sein (vgl. SCHULTZ, ZStR 1952, S. 352/355). Wo dies aber zutrifft, rechtfertigt sich die Bestrafung des Täters nach der genannten Bestimmung nicht minder als bei einer Fesselung. c) Im vorliegenden Fall hat das Obergericht aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts bloss Abs. 1 des Art. 187 StGB angewendet mit der Begründung, X. habe sich bis zum Schluss gewehrt. Daraus ergibt sich jedoch entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht schon das Fehlen des Merkmals der Widerstandsunfähigkeit. Vielmehr waren die Widerstandskräfte der Geschädigten durch das Festhalten an Armen und Beinen sowie das Zuhalten des Mundes durch die Beschwerdegegner vollständig lahmgelegt. Soweit X. ihren Widerstandswillen durch irgendwelche Bewegungen bekundet hat, konnte diese Abwehr infolge der Übermacht der Täter in keiner Weise auf deren Unzuchtshandlungen einwirken. Im Gegensatz zu BGE 89 IV 90 , wo der Kassationshof die Anwendung von Art. 187 Abs. 2 StGB verneint hat, weil die Frau sich damals zwischen den jeweiligen Unzuchtshandlungen der beiden Männer gewehrt hat, ist im vorliegenden Fall nicht erstellt, dass die Geschädigte imstande gewesen wäre, jeweils dann, wenn die Beschwerdegegner ihre Rollen vertauschten, durch entsprechenden Widerstand auf den Ablauf der Dinge einzuwirken. Vielmehr waren die Widerstandskräfte der X. durch das Spreizen und Festhalten der Beine und Arme sowie durch das Zudrücken des Mundes vollständig und anhaltend lahmgelegt worden. Dann aber sind die Voraussetzungen der qualifizierten Notzucht erfüllt, und es vermag auch der Umstand, dass die Frau mit einer Hingabe an die Beschwerdeführer bis zum Schluss nicht einverstanden gewesen ist, entgegen der Meinung der Vorinstanz nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Das fehlende Einverständnis schliesst eine Widerstandsunfähigkeit der Frau nicht aus. Wie bereits dargetan, ist es im Falle der Fesselung oder eines dieser gleichkommenden Festhaltens durchaus denkbar, dass die Frau noch widerstandswillig und mit einer Hingabe an die Täter nicht einverstanden, dennoch aber ausserstande ist, Widerstand zu leisten. Des weiteren wird man auch das Weinen und Aufschreien der Frau nicht als Zeichen noch bestehender Widerstandsfähigkeit werten dürfen, wie das die Vorinstanz getan hat. BGE 98 IV 97 S. 104 Die Sache ist daher in diesem Punkte zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 2. Die Staatsanwaltschaft erblickt eine Verletzung von Bundesrecht weiter darin, dass die Vorinstanz die Beschwerdegegner von der Anklage der fortgesetzten Freiheitsberaubung nach Art. 182 Ziff. 2 StGB freigesprochen hatte. Schon die Vorgänge in der Nacht vom 23. August, als X. ins Nebenzimmer getragen und dort während ungefähr einer Viertelstunde festgehalten worden sei, "dürften" den Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllen. Jedenfalls aber sei unbestritten, dass die drei Beschwerdegegner und ein Unbekannter die Geschädigte am Morgen des 23. August ins Nebenzimmer geschleppt und dort fast zwei Stunden lang zurückgehalten hätten, welches Verhalten einem Einschliessen in einem Zimmer oder der Entführung in einen 7,5 km entfernten Nebenweg (vgl. BGE 89 IV 87 ) gleichzustellen sei. Das Festhalten der Frau und die Drohung Valentins, ihr bei weiterem Schreien ein Tuch um den Mund zu binden, belegten, dass es sich um einen klassischen Fall der Freiheitsberaubung handle; denn das Festhalten der X. habe zu einer Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit geführt. a) Dass Freiheitsberaubung mit Notzucht bzw. Nötigung zu einer anderen unzüchtigen Handlung realiter konkurrieren kann, ist in Rechtsprechung und Lehre unbestritten ( BGE 89 IV 87 ; HAFTER, a.a.O. S. 101; LOGOZ, a.a.O. N. 6 a zu Art. 182 StGB ; SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Auflage, Nr. 639, S. 414; THORMANN/v. OVERBECK, a.a.O. N. 12 zu Art. 182 und N. 13 zu Art. 187 StGB ). Dagegen wird von keinem der Autoren die Möglichkeit einer Idealkonkurrenz zwischen Freiheitsberaubung und einem der genannten Unzuchtsdelikte erwähnt. Der Grund hiefür ist offensichtlich der, dass mit der Vergewaltigung oder unzüchtigen Nötigung einer Frau regelmässig eine Freiheitsbeschränkung verbunden ist (SCHÖNKE/SCHRÖDER, a.a.O. N. 17 zu § 239 des deutschen StGB) und diese eine notwendige Begleiterscheinung jener darstellt. Das liegt in der Natur der Notzucht und der Nötigung zu einer anderen unzüchtigen Handlung begründet, die beide in eine bestimmte Richtung gehende Delikte gegen die Freiheit sind und den Verbrechen gegen die persönliche Freiheit nahestehen (HAFTER, a.a.O., S. 117; LOGOZ a.a.O. N. 2 der Vorbemerkungen zu den Art. 187-212 StGB ). Ob Idealkonkurrenz dennoch allenfalls dann anzunehmen wäre, wo die Freiheitsberaubung über das BGE 98 IV 97 S. 105 Mass dessen hinausging, was zur Verwirklichung der Unzuchtsdelikte gehörte (vgl. SCHÖNKE/SCHRÖDER, a.a.O.), braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn im vorliegenden Falle sind die Täter nicht weitergegangen, als es zur Vergewaltigung der Frau nötig gewesen ist. Soweit daher X. während der Unzuchtshandlungen selber durch das Festhalten in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt wurde, bildete diese letztere Handlung Bestandteil der Unzuchtsdelikte und ging in diesen auf. b) Es kann sich deshalb bloss noch fragen, ob nicht das der Notzucht und der unzüchtigen Nötigung zum Teil vorausgegangene Befördern der Frau von ihrem Zimmer in einen Nebenraum eine gesonderte Straftat darstelle, die mit den Unzuchtshandlungen konkurriere. Die Vorinstanz hat die Frage verneint, weil beides so nahe beieinander gewesen sei, dass man sagen könne, es sei in einem Zuge geschehen und bilde eine Tateinheit. Denn um mit X. gewaltsam verkehren zu können, hätten die Beschwerdegegner sie zunächst in das nebenanliegende grössere Zimmer befördern müssen, um den nötigen Raum zur Verfügung zu haben. Im übrigen hätten sie den deliktischen Entschluss schon vor dem Zubettgehen gefasst, ihn aber zufolge äusserer Umstände erst am darauffolgenden Morgen verwirklichen können. Die Vorbereitungen seien indessen sowohl in der Nacht als auch am Morgen allein auf die Haupttat ausgerichtet gewesen, sodass angenommen werden könne, sie gingen in der fortgesetzten Notzucht bzw. in der fortgesetzten Nötigung zu einer anderen unzüchtigen Handlung auf. Der Umstand, dass die Beschwerdegegner X. zunächst in einen Nebenraum ihres Zimmers befördern mussten, um ihr deliktisches Vorhaben ausführen zu können, reicht nicht aus, um eine Realkonkurrenz auszuschliessen. Auch in dem in BGE 89 IV 87 beurteilten Fall würden die Täter die Frau nicht zunächst in einen abgelegenen Weg verbracht haben, wenn sie die Tat dort ebenso hätten ausführen können, wo sie die Frau zunächst angetroffen hatten. Sodann kann dem Umstand keine entscheidende Bedeutung zukommen, dass die Vorbereitung der Notzucht allein auf diese ausgerichtet gewesen ist. Auch die qualifizierte Freiheitsberaubung im Sinne des Art. 182 Ziff. 2 Abs. 2 StGB ist solcherweise auf den späteren geschlechtlichen Missbrauch der angegriffenen Person gerichtet und dennoch ist Realkonkurrenz zwischen jenem Tatbestand und demjenigen der Art. 187 und 188 StGB möglich ( BGE 89 IV 88 ). Dagegen BGE 98 IV 97 S. 106 ist im vorliegenden Fall eine Handlungseinheit deswegen zu bejahen, weil X. bloss von ihrem Zimmer in einen Nebenraum getragen wurde, diese Handlung im Rahmen des gesamten Geschehens nur von kurzer Dauer gewesen ist und sich die Unzuchtshandlungen unmittelbar daran angeschlossen haben. Soweit die Frau zu andern unzüchtigen Handlungen ( Art. 188 StGB ) genötigt wurde, sind diese übrigens dem Befördern in den Nebenraum teilweise sogar vorausgegangen, indem die Beschwerdegegner am Morgen des 23. August X. zunächst in ihrem Zimmer gewaltsam ausgezogen und erst hernach in den Nebenraum geschafft haben. Angesichts jenes engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs, der bei natürlicher Betrachtungsweise das gesamte Tätigwerden der Beschwerdegegner als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen lässt, rechtfertigt sich die Annahme, der im gewaltsamen Befördern der Frau von ihrem Zimmer in einen Nebenraum liegenden Freiheitsbeschränkung komme keine selbständige Bedeutung zu und sie werde durch die Verurteilung wegen fortgesetzter Notzucht bzw. fortgesetzter unzüchtiger Nötigung und Gehilfenschaft dazu abgegolten. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen.
null
nan
de
1,972
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CH_BGE_006
CH
Federation
8962ca8b-c5be-4039-9aa1-ca0e28399efe
Urteilskopf 109 II 123 30. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Juli 1983 i.S. Galerie Fischer gegen Kamm (Berufung)
Regeste Art. 230 Abs. 1 OR . Wer den Steigerungswettbewerb erheblich verfälscht, wirkt gegen die guten Sitten auf den Erfolg der Versteigerung ein (E. 2). Der Einlieferer des Steigerungsgegenstandes durfte unter den gegebenen Umständen nicht mitbieten, da die übrigen Steigerungsteilnehmer mit dieser Möglichkeit nicht rechnen mussten (E. 3); Frage des Kausalzusammenhangs (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 123 BGE 109 II 123 S. 123 In einer öffentlichen Versteigerung, welche die Galerie Fischer Kommanditgesellschaft im Auftrag von Johannes Kempf durchführte, erwarb Fritz Kamm Helvetica (Kunstwerke auf Papier mit schweizerischen Motiven). In der Folge erhob er gegen die Galerie Fischer Anfechtungsklage mit dem Begehren, die Zuschläge an ihn aufzuheben. Johannes Kempf habe in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf die Versteigerung eingewirkt, indem er als Eigentümer der Steigerungsgegenstände mitgeboten habe. Der Präsident I des Amtsgerichts Luzern-Stadt wies die Anfechtungsklage ab; das Obergericht des Kantons Luzern dagegen hiess sie auf Rekurs des Klägers hin am 29. November 1982 gut und hob die Zuschläge an ihn auf, soweit sie nicht durch Klagerückzug gegenstandslos geworden waren. Die Beklagte hat Berufung eingelegt mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und festzustellen, dass die Zuschläge BGE 109 II 123 S. 124 an den Kläger rechtsgültig zustande gekommen seien. Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Obergericht geht davon aus, ein Zuschlag an den Eigentümer der zu versteigernden Sache sei im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR rechtlich unmöglich, weil niemand seine eigene Sache erwerben könne. Folglich wirke der Eigentümer rechtswidrig auf den Erfolg der Versteigerung ein, wenn er mitbiete. Die Beklagte hält die vorinstanzliche Begründung des Urteils für unvereinbar mit Art. 230 Abs. 1 OR . a) Widerrechtlich ist eine Handlung dann, wenn sie gegen geschriebene oder ungeschriebene Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen ( BGE 107 Ib 7 E. 2, BGE 95 III 91 E. c, BGE 93 II 183 E. 9 mit Hinweisen). Weder die Vorinstanz noch der Kläger vermögen eine Norm des eidgenössischen oder des luzernischen Rechts zu nennen, nach der es dem Eigentümer der zu versteigernden Sache versagt ist, mitzubieten. Selbst wenn sodann mit der Vorinstanz angenommen wird, ein Zuschlag an den Eigentümer sei rechtlich unmöglich, macht das sein Mitbieten nicht schon widerrechtlich, zumal wenn damit ein Erwerb der Sache gar nicht beabsichtigt ist. Ausserdem unterscheidet Art. 20 Abs. 1 OR , der die Nichtigkeit eines Vertrages regelt, klar zwischen der Unmöglichkeit und der Widerrechtlichkeit einer Leistung, so dass es auch deswegen unzulässig ist, vom einen unbesehen auf das andere zu schliessen. Die Widerrechtlichkeit des Verhaltens von Johannes Kempf lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht damit begründen, es erfülle den Tatbestand des Betrugs ( Art. 148 StGB ). Die Argumentation verläuft gerade in umgekehrter Richtung: Erst wenn feststeht, dass Kempfs Verhalten zivilrechtlich unerlaubt ist, kann man prüfen, ob es überdies einen Betrug darstellt. Die strafrechtliche Frage ist insoweit akzessorischer Natur (vgl. analog für den Insidermissbrauch: SCHUBARTH, in SJZ 1979, S. 189). Offensichtlich unhaltbar ist die Behauptung des Klägers, er sei übervorteilt worden ( Art. 21 OR ); weder befand er sich in einer Notlage noch wurde er Opfer seiner Unerfahrenheit oder seines Leichtsinns. b) Ist die Rechtswidrigkeit zu verneinen, so bleibt zu prüfen, ob das Mitbieten Kempfs gegen die guten Sitten verstossen hat BGE 109 II 123 S. 125 ( Art. 230 Abs. 1 OR ). Nach der früheren Rechtsprechung und einem Teil der Lehre ist ein Verhalten dann sittenwidrig, wenn es den Zweck der Versteigerung, d.h. den Verkauf des Objekts zu seinem wahren Preis, vereitelt ( BGE 82 II 23 , 51 II 18, BGE 47 III 134 E. 3, BGE 43 III 92 f., BGE 40 III 337 , BGE 39 II 34 ; COMMENT, in SJK Nr. 234 S. 6). Was unter einem "wahren" Preis zu verstehen ist, liegt indes nicht auf der Hand; Preise ändern sich je nach dem Markt, auf dem sie zustande kommen; sie sind abhängig von Angebot und Nachfrage. Den "wahren" im Sinne eines allgemeingültigen Preises dürfte es nicht geben, weil allein schon die Kriterien fehlen, um ihn zu bestimmen. Unproblematischer erscheint die andere in der Literatur vertretene Ansicht, die Versteigerung bezwecke, einen möglichst hohen Preis zu erzielen (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 1 der Vorbemerkungen zu Art. 229 bis 236 OR). Sie trägt dem Umstand besser Rechnung, dass an jeder Versteigerung unabsehbare Zufälligkeiten die Preisbildung beeinflussen. Dagegen umschreibt sie den Zweck ausschliesslich vom Standpunkt des Versteigerers oder Einlieferers aus, trifft insofern auf jeden Kaufvertrag zu und übergeht die Interessen des Käufers. Ob sie damit der Natur der Versteigerung angepasst ist, mag offen bleiben. Der Preis erscheint auf jeden Fall marktabhängig, und der Versteigerungszweck kann nicht ausserhalb der Bedingungen der jeweiligen konkreten Versteigerung liegen. Zu ihnen gehört, wie Doktrin und ansatzweise auch die Rechtsprechung betonen, der freie und lautere Wettbewerb ( BGE 47 III 134 E. 2; BECKER, N. 2 zu Art. 230 OR ; CAVIN, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VII/1, S. 165; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 zu Art. 230 OR ; OTTO, in NJW 1979 S. 685). Im Unterschied zum Kartellgesetz und zum Gesetz über den unlauteren Wettbewerb sind Lauterkeit und Freiheit des Wettbewerbs keine völlig verschiedenen Schutzgüter; vielmehr stellen unzulässige Freiheitsbeschränkungen einen Anwendungsfall unlauteren Wettbewerbs dar. Das ergibt sich insbesondere aus der Rechtsprechung zum pactum de non licitando, das den Wettbewerb einschränkt und deswegen unlauter, d.h. sittenwidrig sein kann. Abgesehen von dieser Besonderheit schützt Art. 230 Abs. 1 OR analog den beiden zitierten Gesetzen die Versteigerungsteilnehmer vor einer erheblichen Verfälschung des Steigerungswettbewerbs. Unzulässig ist es, unlauter, d.h. täuschend oder sonstwie gegen Treu und Glauben den Wettbewerb zu beeinflussen. Der Angriff kann sich gegen den Wettbewerb in seinem Bestand oder gegen die Art und Weise, wie er abläuft, richten. In beiden Fällen BGE 109 II 123 S. 126 verändern sich jene Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit er unter den konkreten Umständen funktioniert, und von denen die Versteigerungsteilnehmer ausgehen, wenn sie Angebot und Nachfrage realistisch beurteilen und daraus die Schlüsse für ihr eigenes Verhalten ziehen wollen (vgl. SCHLUEP, Über den Begriff der Wettbewerbsverfälschung, in Festgabe Kummer, Bern 1980, S. 493, 497 f., 501, 508). Wettbewerbsverfälschend ist in der Regel das Versprechen unter Mitbietenden, gegen Leistung einer Entschädigung vom Bieten Abstand zu nehmen (pactum de non licitando). Die Rechtsprechung hat es wiederholt als sittenwidrig bezeichnet (vgl. die oben zitierten Bundesgerichtsentscheide, ferner BGE 51 III 19 , VON TUHR/ESCHER, S. 257). Unlauter und damit sittenwidrig kann aus dem gleichen Grund die Abrede des Versteigerers mit einem Bietenden sein, dass ein allfälliger Zuschlag ihn nicht verpflichte, den Kaufpreis und das Aufgeld zu zahlen (pactum de licitando; vgl. BGE 39 II 33 , Becker, N. 2 zu Art. 230 OR ; GUHL/MERZ/KUMMER, 7. Aufl. S. 331; OTTO, a.a.O., S. 682). Können Personen mitsteigern, die sich im Unterschied zu den übrigen Bietenden von vornherein durch einen allfälligen Zuschlag nicht gebunden wissen, unterliegen die Steigerungsteilnehmer nicht zu rechtfertigenden ungleichen Bedingungen, was dem Wesen einer öffentlichen Versteigerung zuwiderläuft ( BGE 87 I 261 ). Sind die unterschiedlichen Bedingungen - etwa ein pactum de licitando - zudem nicht allen Bietenden bekannt, wird das freie Spiel von Angebot und Nachfrage verfälscht. 3. Ob das Mitbieten des Einlieferers ähnlich wie das pactum de licitando eine sittenwidrige Beeinflussung des Wettbewerbs und damit des Steigerungsresultats bedeutet, hängt nicht zuletzt von den konkreten Verhältnissen ab. Der von Kempf auf einem Formular der Beklagten erteilte "Auktionsauftrag" sah ausdrücklich vor, dass der Auftraggeber, der selbst ein Objekt ersteigert, wie ein Dritter als Käufer betrachtet werde. Diese Möglichkeit war deshalb der Beklagten, nicht aber den Steigerungsteilnehmern bekannt, weil die für sie bestimmten "Auktionsbedingungen" im Katalog nicht auf sie hinwiesen. Dass der Einlieferer auf das Steigerungsergebnis Einfluss nimmt, ist durchaus geläufig. Er kann eine Preislimite festsetzen oder die Zustimmung zu einem Zuschlag vorbehalten ( Art. 229 Abs. 3 OR ). Im einen wie im andern Fall handelt es sich um ein offenes Vorgehen, das den Wettbewerb nicht verfälscht. BGE 109 II 123 S. 127 Die Abrede im "Auktionsauftrag", Kempf werde als Käufer behandelt, stellte ihn in keiner Weise gleich mit andern Kaufsinteressenten. Unbekümmert darum, ob die Beklagte in seinem Namen verkaufte oder - was eher zutreffen dürfte - als Kommissionärin im eigenen Namen handelte, geschah das jedenfalls auf Rechnung Kempfs ( Art. 425 OR ). Er riskierte deshalb im ungünstigsten Fall, das für die Beklagte bestimmte Aufgeld von höchstens 20% bezahlen zu müssen. Darin liegt ein Unterschied zur Zwangsversteigerung, wo der Einlieferer zwar mitbieten darf, aber wie jeder andere Teilnehmer den ganzen Zuschlagspreis bezahlen muss. Das Mitbieten Kempfs verfälschte daher den Wettbewerb, indem es zwar intern vorgesehen, den Steigerungsteilnehmern aber nicht in einer Form bekannt gemacht wurde, dass jedermann mit dieser Möglichkeit rechnen musste (vgl. Horst LOCHER, Das Recht der bildenden Kunst, München 1970, S. 228 ff.; HANS WICHER, Der Versteigerer, Hamburg 1961, S. 151). Bei einer Versteigerung müssen klare, saubere Verhältnisse herrschen, und jede Irreführung der Steigerungsteilnehmer ist zu vermeiden ( BGE 95 III 24 mit Verweisung). Zwar ist ein Verkäufer im allgemeinen nicht gehalten, dem Käufer Tatsachen mitzuteilen, welche die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage beeinflussen (VON TUHR/PETER, S. 322). Die Natur einer öffentlichen Versteigerung in Verbindung mit der Sondernorm von Art. 230 OR verlangt jedoch eine strengere Offenbarungspflicht. Dass im übrigen die an einer öffentlichen Versteigerung herrschende Anonymität den Nachweis sittenwidriger Einflussnahme erschwert, gilt auch in andern Fällen und ist nicht entscheidend. 4. Der Kläger war nach Ansicht der Beklagten bereit, die Helvetica selbst dann um jeden Preis zu ersteigern, wenn ihm die Teilnahme Kempfs an der Versteigerung bekannt gewesen wäre; er habe deshalb keinen Nachteil aus dem Mitbieten Kempfs erlitten. Allein Art. 230 Abs. 1 OR setzt nicht voraus, dass der Zuschlagspreis ohne die sittenwidrigen Einwirkungen nachweisbar anders ausgefallen wäre; die Tatsache unlauterer Machenschaften genügt. So führt beispielsweise der häufig verbotene Ausschank alkoholischer Getränke ungeachtet der Frage, ob er die Preisbildung beeinflusst hat, zur Aufhebung der Zuschläge. Ebenso braucht der Anfechtungskläger nicht darzutun, dass er bei Kenntnis eines Angebots des Einlieferers nicht mehr weitergesteigert BGE 109 II 123 S. 128 hätte oder dass das letzte Angebot vor dem Zuschlag vom Einlieferer stammt. Derart strenge Beweisanforderungen wären praktisch oft unerfüllbar und beschnitten die Wirksamkeit von Art. 230 Abs. 1 OR in einem nicht mehr zu rechtfertigenden Mass.
public_law
nan
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Federation
8963c4f1-71eb-4a7f-80cc-9a3124466e88
Urteilskopf 141 III 119 18. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA contre B. et C. (recours en matière civile) 4A_406/2014 / 4A_408/2014 du 12 janvier 2015
Regeste Art. 8 Abs. 5, Art. 9 Abs. 1 und 4 DSG , Art. 1 Abs. 3 VDSG , Art. 47 BankG ; Verpflichtung einer Bank, ihren (ehemaligen) Angestellten über die sie betreffenden persönlichen Daten, die an die amerikanischen Behörden übermittelt wurden, schriftlich Auskunft zu erteilen. Die Bank (Inhaberin der Datensammlung) kann sich vorliegend nicht auf eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG ) berufen, um gegenüber den Angestellten die Herausgabe von Kopien der strittigen Daten zu verweigern (E. 5). Ein überwiegendes Interesse Dritter im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG fehlt (E. 6). Eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 DSG ergibt, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Angestellten, eine Kopie der strittigen Daten zu erhalten, dasjenige der Bank überwiegt, das Auskunftsrecht der Angestellten einzuschränken (E. 7). Frage offengelassen, ob ausser den in Art. 1 Abs. 3 VDSG vorgesehenen Fällen andere Ausnahmen vom Grundsatz der schriftlichen Auskunftserteilung in Betracht kommen, nachdem die Bank keinen konkreten Umstand geltend macht, der einer Herausgabe einer Kopie der streitbetroffenen Daten entgegenstünde (E. 8).
Sachverhalt ab Seite 120 BGE 141 III 119 S. 120 A. A.a A. SA (ci-après: A. ou la banque), établissement bancaire sis à Genève, a employé C. (ci-après: l'employé) en qualité de responsable du service "Asset Management Private Banking" de 1996 jusqu'à son licenciement en octobre 2008 (pour le 30 avril 2009). L'employé occupait également le poste de directeur de l'unité de gestion basée à New York et s'était rendu aux Etats-Unis dans ce cadre. B. (ci-après: l'employée) a également travaillé pour la banque, du 1 er mars 2006 au 30 juin 2007. Elle a notamment été chargée de développer la clientèle américaine. BGE 141 III 119 S. 121 A.b En 2010, les autorités américaines ont ouvert des enquêtes contre onze banques suisses, dont A., qu'elles soupçonnaient d'avoir aidé des clients américains à se soustraire à leurs obligations fiscales ainsi que d'avoir contrevenu à la réglementation applicable lors des contacts intervenus avec ces clients. Elles ont requis l'entraide administrative de la Suisse en vue d'obtenir des renseignements sur les activités des banques visées aux Etats-Unis. A. et les autres banques ont transmis les documents requis aux autorités américaines après avoir, sur requête de la FINMA, caviardé les informations permettant l'identification des clients et remplacé les données de ses employés, de ses ex-employés et de tiers par des codes. Le 18 janvier 2012, le Conseil fédéral a décidé que, provisoirement, seules devaient être transmises, dans le cadre de l'entraide, des données codées concernant les employés. Au début du mois de février 2012, les autorités américaines ont procédé à l'inculpation de la banque E. SA. Mi-mars 2012, plusieurs banques ont demandé au Conseil fédéral d'autoriser la communication des informations exigées, comprenant le nom des employés (non codé) et des tiers. Le 4 avril 2012, le Conseil fédéral a autorisé les banques concernées à transmettre directement aux autorités américaines des données non anonymisées, à l'exception de celles concernant les clients. Cette décision valait autorisation, au sens de l' art. 271 CP , à procéder sur le territoire suisse pour le compte d'un Etat étranger à des actes relevant des pouvoirs publics. L'appréciation de la responsabilité civile des banques demeurait cependant du ressort de ces dernières. Le 11 avril 2012, la FINMA a recommandé aux banques concernées de coopérer avec les autorités américaines dans le cadre prévu par le Conseil fédéral, en précisant que la procédure d'entraide administrative était, de ce fait, suspendue. Parallèlement à quatre autres banques, A., sans avertir les employés concernés, a transmis aux autorités américaines, au mois d'avril 2012, des documents comportant notamment les noms, prénoms, adresses mails et numéros de téléphone d'employés et d'ex-employés, seules les données permettant d'identifier les clients étant restées anonymisées. A.c C. a appris ce qui précède par la presse; il a contacté le service des ressources humaines de A., lequel l'a informé que son identité avait effectivement été communiquée aux autorités américaines. BGE 141 III 119 S. 122 Le 14 juin 2012, l'employé a consulté dans les locaux de A. les documents litigieux le concernant. Le 3 juillet 2012, A. a autorisé l'employé à consulter une seconde fois les documents, ce qu'il a fait le 10 juillet 2012. Il n'a toutefois pas pu en faire des copies. A.d Le 11 juillet 2012, B., ayant eu connaissance de ce qui précède par la presse, a demandé à A. si elle était également concernée; la banque lui a confirmé que tel était le cas. Le 24 juillet 2012, l'employée s'est rendue dans les locaux de la banque pour prendre connaissance des documents litigieux la concernant. Le 6 septembre 2012, B. a requis de A. une copie, sous forme informatique, des documents litigieux, ainsi que de la lettre d'accompagnement remise aux autorités américaines et de divers autres éléments. Le 13 septembre 2012, A. s'y est opposée. A.e Le 17 août 2012, le Préposé fédéral à la protection des données et à la transparence (PFPDT) a ouvert une procédure d'éclaircissement au sens de l'art. 29 de la loi fédérale du 19 juin 1992 sur la protection des données (LPD; RS 235.1), afin de vérifier si les principes de la loi avaient été respectés lors de la transmission des données par les banques suisses aux autorités américaines. Le 6 septembre 2012, le PFPDT a adressé des recommandations à plusieurs banques, parmi lesquelles A., selon lesquelles la banque devait accorder aux personnes concernées (collaborateurs actuels et anciens, ainsi que tiers externes) le droit d'accès aux données selon l' art. 8 LPD . Le PFPDT a adhéré à l'argumentation de la banque qui faisait valoir que des copies de documents ne pouvaient pas être remises au vu de leur sensibilité liée au secret bancaire et à celui de la clientèle, ainsi que de ses propres règles de sécurité. La banque ne s'est pas opposée aux recommandations du PFPDT, qui ont été publiées le 13 novembre 2012. Le 3 juillet 2013, le Conseil fédéral a fixé les principes de coopération des banques suisses avec les autorités américaines en vue de régler leur différend fiscal, et il a donné la possibilité aux banques de demander une autorisation individuelle au sens de l' art. 271 CP . Il a notamment précisé qu'une telle autorisation excluait uniquement une punissabilité en vertu de cette disposition, mais qu'elle ne BGE 141 III 119 S. 123 dispensait pas du respect des autres règles du droit suisse, notamment de la prise en compte du secret d'affaires et du secret bancaire existants, des dispositions sur la protection des données et des obligations de l'employeur. B. B.a Par acte du 14 décembre 2012, agissant au bénéfice d'une autorisation de procéder du 15 novembre 2012, C. a saisi le Tribunal de première instance de Genève d'une requête contre A. Par acte du 14 décembre 2012, agissant au bénéfice d'une autorisation de procéder du 5 décembre 2012, B. a saisi ce même Tribunal d'une requête contre A. Dans leurs conclusions (réduites lors des plaidoiries du 10 juillet 2013), les employés requièrent la production d'une copie des documents transmis aux autorités américaines, sous forme informatique et caviardée s'agissant des noms des clients ou des tiers, ainsi que la communication de la date de la transmission et de la manière dont les données avaient été communiquées, avec suite de frais. B.b Par deux jugements séparés du 24 octobre 2013, le Tribunal de première instance de Genève a ordonné à A. de remettre aux demandeurs, sur un support papier ou sur un support électronique, une copie des documents qui avaient été transmis aux autorités américaines et qui contenaient des données les concernant, soit des informations qui les identifiaient ou qui permettaient de les identifier (nom, prénom, adresse e-mail, numéro de téléphone, fonction, description de l'activité, etc.). Le Tribunal a en outre dit que les données des clients, des autres employés et ex-employés de A. ainsi que des tiers figurant dans ces documents pourraient être caviardées. Il a en sus ordonné à A. d'indiquer aux demandeurs à quelles dates et à quelles autorités américaines les documents avaient été transmis. Par deux arrêts séparés datés du 23 mai 2014, la Cour de justice a confirmé les jugements entrepris par la défenderesse et débouté les parties de toutes autres conclusions. C. Contre ces deux arrêts cantonaux, la banque (ci-après: la recourante ou la banque) exerce deux recours en matière civile séparés mais comportant les mêmes critiques et conclusions (sauf en ce qui concerne l'objet de la requête d'accès aux données et la décision entreprise). Sous suite de frais et dépens, elle conclut à l'annulation des arrêts visés et à ce que les employés soient déboutés de toutes autres conclusions, subsidiairement, à l'annulation des arrêts entrepris et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale. BGE 141 III 119 S. 124 Les employés (ci-après: les intimés ou les employés) concluent, sous suite de frais et dépens, à ce que la banque soit déboutée de toutes ses conclusions. La requête d'effet suspensif sollicitée dans chaque cause par la recourante a été admise, faute d'opposition, par ordonnances présidentielles du 1 er septembre 2014. Le Tribunal fédéral a rejeté les recours. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 4. Sur le principe, la recourante reconnaît que les employés peuvent prendre connaissance du contenu des documents litigieux. Elle refuse toutefois de leur remettre ceux-ci sous forme écrite (copie des données). La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 al. 5 LPD . Les circonstances d'espèce seraient telles qu'elles justifieraient une (nouvelle) exception au principe de la communication écrite. Elle invoque également une transgression de l' art. 9 al. 1 let. a et b LPD , ainsi que de l' art. 9 al. 4 LPD , son refus de fournir des copies écrites, dicté par la prise en compte d'intérêts de tiers et des siens propres, étant légitime. Il convient, dans un premier temps, de définir si c'est de manière légitime que la banque a opposé son refus aux employés, soit de déterminer si elle pouvait se fonder sur une loi au sens formel pour restreindre l'accès aux données litigieuses (cf. art. 9 al. 1 let. a LPD ), et d'établir si, comme le prétend la banque (maître du fichier), ses propres intérêts - ou ceux de tiers - (cf. art. 9 al. 1 let. b et al. 4 LPD ) l'emportent sur ceux des employés (cf. infra consid. 5, 6 et 7). Dans un deuxième temps, il conviendra d'examiner si la banque peut justifier son refus sur la base des circonstances exceptionnelles dont elle tente de démontrer l'existence par le biais de divers arguments soulevés sous l'angle de l' art. 8 al. 5 LPD (cf. infra consid. 8). 5. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 9 al. 1 let. a LPD . Selon elle, une base légale au sens formel interdisant à la banque de communiquer les renseignements demandés (subsidiairement prévoyant une restriction à cette communication) est contenue à l'art. 47 de la loi sur les banques du 8 novembre 1934 (LB; RS 952), ainsi qu'à l' art. 162 CP . BGE 141 III 119 S. 125 5.1 L' art. 47 LB ne règle pas le secret bancaire en tant que tel, mais il prévoit la sanction (pénale) en cas de violation de ce secret (sur l'ensemble de la question: ATF 137 II 431 consid. 2.1.1 p. 437). La doctrine majoritaire est d'avis que l' art. 47 LB fait en principe partie des bases légales formelles au sens de l' art. 9 al. 1 let. a LPD (DAVID ROSENTHAL, in Handkommentar zum Datenschutzgesetz, 2008, n° 7 ad art. 9 LPD ; PHILIPPE MEIER, Protection des données, 2011, n. 1139 p. 405 et les auteurs cités). 5.2 La communication aux ex-employés des informations sur les clients de la banque équivaut aujourd'hui à une remise à des tiers (et ce, même si, après la fin des relations contractuelles, ils sont encore soumis au secret bancaire), ce qui constitue en soi, dans la perspective de la banque, un comportement punissable au sens de l' art. 47 LB (ce qui est d'ailleurs également le cas pour la simple consultation, sur place, des données). Il faut toutefois d'emblée relever dans ce contexte que le Conseil fédéral, dans sa décision du 4 avril 2012, a expressément interdit aux banques de livrer à l'étranger des informations sur les clients ("Kundendaten"). A cet égard, la cour cantonale constate que, lors de leur transmission aux autorités américaines, les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients. La banque a elle-même expressément admis avoir caviardé toutes les données permettant d'identifier ses clients dans les documents transmis aux autorités américaines afin de respecter la décision du Conseil fédéral. Dès lors, si les documents livrés par les banques à un Etat étranger ne contiennent pas de telles informations, on ne voit pas en quoi ces mêmes documents, communiqués aux employés, mettraient le secret bancaire en danger (cf. GABRIEL AUBERT, La communication aux autorités américaines, par des banques, de données personnelles sur leurs employés: aspects de droit du travail, RSDA 2013 p. 42). 5.3 La recourante considère que l'infraction ( art. 47 LB ) pourrait quand même être réalisée de par le fait que les employés ont pu prendre connaissance des documents intégraux et qu'ils seraient donc en mesure, en cas de remise écrite des données, d'identifier (en reconstituant de mémoire les éléments caviardés) les clients en cause. Le raisonnement ne convainc pas. En réalité, ce n'est pas la remise écrite aux employés des documents litigieux qui leur permettrait d'identifier les clients en cause, puisqu'ils les connaissent déjà. Dès lors, la banque ne saurait violer l' art. 47 LB pour la seule raison qu'elle serait amenée à remettre par écrit, dans le contexte ainsi décrit, des données caviardées. BGE 141 III 119 S. 126 En l'espèce, la recourante ne peut se prévaloir de l' art. 47 LB (en lien avec l' art. 9 al. 1 let. a LPD ) pour refuser de remettre aux employés une copie des documents litigieux. 5.4 La recourante soutient que "l'argumentation valable pour l' art. 47 LB est transposable à l' art. 162 CP ". Selon elle, si les employés sont en possession de copies, ils pourraient alors identifier les noms des clients et d'autres informations couvertes par le secret commercial, au vu de leur activité passée au sein de l'établissement bancaire. L'argument est sans consistance. L'infraction ( art. 162 CP ) peut uniquement être réalisée par la personne tenue au secret, soit celle qui a un devoir (légal ou contractuel) de garder le secret (cf. BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. I, 3 e éd. 2010, n os 3 et 9 s. ad art. 162 CP ; STRATENWERTH/JENNY, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 6 e éd. 2003, n° 6 ad § 22). Le maître du secret n'est pas visé par l'infraction et, partant, la banque ne saurait en l'espèce s'en prévaloir à titre de base formelle au sens de l' art. 9 al. 1 let. a LPD . 6. La recourante invoque une transgression de l' art. 9 al. 1 let. b LPD . 6.1 Il résulte des constatations cantonales que la banque n'a pas fait valoir, devant l'autorité précédente, l'intérêt des tiers, pour fonder son opposition à la remise d'une copie des documents litigieux. La cour cantonale présente toutefois une argumentation subsidiaire dans laquelle elle affirme qu'un tel moyen aurait dû être d'emblée rejeté. 6.2 En vertu de l' art. 9 al. 1 let. b LPD , le maître du fichier peut refuser ou restreindre la communication des renseignements demandés, voire en différer l'octroi, dans la mesure où les intérêts prépondérants d'un tiers l'exigent. Ce motif peut (et doit) être invoqué par le maître du fichier lorsque les données sur lesquelles porte l'accès sont intimement liées aux données personnelles de tiers (MEIER, op. cit., n. 1144 s. p. 406 s.; BRACHER/TAVOR, Das Auskunftsrecht nach DSG, RSJ 109/2013 p. 49). En principe, si l'anonymisation des documents concernés suffit à protéger les tiers, le droit d'accès du titulaire des données (requérant sous l'angle de l' art. 8 LPD ) ne devrait pas, sous peine d'une violation du principe de la proportionnalité (cf. art. 4 al. 2 LPD ), faire l'objet d'une plus grande restriction (BELSER/EPINEY/WALDMANN, Datenschutzrecht, 2011, n. 53 ad § 11; FRIEDRICH/KAISER, BGE 141 III 119 S. 127 Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht und Arbeitspapiere einer Revisionstelle, L'expert-comptable suisse 2013, p. 527 et les auteurs cités). 6.3 Selon les constatations cantonales, lors de leur transmission aux autorités américaines, les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients. Il en ressort également que la banque a été autorisée par le premier juge à anonymiser les éléments permettant d'identifier ses (ex-)collaborateurs et les tiers. Il ne résulte pas des constatations cantonales que le caviardage ne permettrait pas de protéger suffisamment les tiers. Ainsi, même à considérer l'argumentation subsidiaire de l'autorité précédente, on ne saurait reprocher à celle-ci d'avoir nié un intérêt prépondérant de tiers. 7. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir appliqué de manière incorrecte l' art. 9 al. 4 LPD . 7.1 Elle commence par soutenir qu'on peut renoncer à procéder à une pesée d'intérêts sous cet angle en insistant sur le fait que les employés, à qui elle reconnaît le droit de consulter les informations les concernant sur place (données à l'écran), ne disposent en réalité d'aucun intérêt à obtenir une communication écrite. 7.1.1 Il faut rappeler ici qu'en soi le droit d'accès selon l' art. 8 LPD - donc la remise écrite d'information (cf. infra consid. 8.1) - peut être exercé sans la preuve d'un intérêt. Ce n'est que si le maître du fichier veut refuser ou restreindre l'accès qu'une pesée des intérêts aura lieu (à ce sujet cf. infra consid. 7.2). La prise en compte de l'intérêt du titulaire du droit d'accès joue également un rôle lorsqu'un abus de droit entre en considération ( ATF 138 III 425 consid. 5.4 p. 4.3.2; ATF 123 II 543 consid. 2e p. 538; cf. ARTER/DAHORTSANG, PJA 2012 p. 1161). L'existence d'un abus de droit (cf. art. 2 al. 2 CC ) doit être reconnue lorsque l'exercice du droit par le titulaire ne répond à aucun intérêt digne de protection, qu'il est purement chicanier ou, lorsque, dans les circonstances dans lesquelles il est exercé, le droit est mis au service d'intérêts qui ne correspondent pas à ceux que la règle est destinée à protéger (cf. PAUL-HENRI STEINAUER, Le Titre préliminaire du Code civil, TDPS vol. II/1, 2009, n. 570 p. 213 et n. 573 s. p. 214 s.; HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, 2003, n os 125 s. ad art. 2 CC ). Cela est ainsi le cas, dans la perspective de l' art. 8 LPD , lorsque le droit d'accès est exercé dans un but étranger à la protection des données, par exemple lorsque le droit d'accès n'est utilisé que pour nuire BGE 141 III 119 S. 128 au débiteur de ce droit (cf. arrêt 4A_36/2010 du 20 avril 2010 consid. 3.1). Il faudrait probablement aussi considérer comme contraire à son but et donc abusive l'utilisation du droit d'accès dans le but exclusif d'espionner une (future) partie adverse et de se procurer des preuves normalement inaccessibles ( ATF 138 III 425 consid. 5.5 p. 432; KLEINER/SCHWOB/WINZELER, in Kommentar zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, 22 e éd. 2014, n o 406 ad art. 47 LB et les auteurs cités). Ce serait ainsi le cas d'une requête qui ne constitue qu'un prétexte à une recherche indéterminée de moyens de preuve ( fishing expedition ) (en lien avec l' art. 8 LPD : NICOLAS PASSADELIS, Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht erlaubt keine Beweisausforschung, Push-service Entscheide, CJN, 4 mars 2013 n. 12; FRIEDRICH/ KAISER, op. cit., p. 527). La requête de l'employé visant à obtenir les données le concernant en vue d'une éventuelle action en dommages-intérêts contre le maître du fichier n'est par contre, en soi, pas abusive ( ATF 138 III 425 consid. 5.6 p. 432; BRACHER/TAVOR, op. cit., p. 50 note de pied 60). 7.1.2 En l'espèce, les employés expliquent qu'ils tiennent à obtenir une copie de leurs données pour deux raisons: premièrement, afin de pouvoir juger d'une possible illicéité de traitement effectué par la recourante et formuler d'éventuelles futures prétentions civiles contre la banque. Deuxièmement, afin d'être en mesure d'anticiper de probables ennuis qui leur seront causés par le Department of Justice (DoJ) et de préparer leur défense sur la base des informations et données transmises et d'ores et déjà en mains de l'autorité pénale étrangère. Il n'a par contre pas été constaté que les intimés souhaiteraient prospecter des preuves de manière répréhensible ou qu'ils exigeraient la remise de documents auxquels ils ne pourraient pas prétendre dans la procédure civile. 7.1.3 A la lumière des principes évoqués ci-dessus (cf. supra consid. 7.1.1), on ne saurait ainsi dire que la requête des employés, qui n'est pas chicanière, ni contraire au but qu'elle est censée poursuivre, est abusive. On peut au demeurant observer qu'il serait en l'espèce paradoxal de considérer leur requête comme un prétexte à une recherche indéterminée de moyens de preuve ( fishing expedition ), les employés ayant en effet déjà pris connaissance du contenu des documents visés, aussi bien à travers leur ancienne activité que par le biais des consultations entreprises - les 14 juin et 10 juillet 2012 pour BGE 141 III 119 S. 129 l'employé et le 24 juillet 2012 pour l'employée - dans les locaux de la banque. 7.1.4 Quant à la forme de l'accès aux données, les employés ont un intérêt évident à obtenir une copie des informations en cause. Premièrement, l'obtention d'une copie leur permettra de consulter leurs données où ils veulent et quand ils veulent, et d'avoir, en tout temps, la possibilité de comparer les documents litigieux avec d'autres informations éventuellement en leur possession (cf. ALEXANDER DUBACH, Das Recht auf Akteneinsicht, 1990, p. 351). Force est également de constater, deuxièmement, qu'à défaut de pouvoir présenter une copie des informations en cause dans l'hypothèse d'une procédure contre la banque, les employés se heurteraient rapidement à la difficulté de fournir la preuve de leurs allégués (sur le constat: AUBERT, op. cit., p. 42; CEREGATO/MÜLLER, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht: (k)ein Mittel zur Beweisausforschung, Jusletter 20 août 2012 ch. IV; cf. GILLES MONNIER, Le droit d'accès aux données personnelles traitées par un média, 1999, p. 188). Troisièmement, les employés ont un intérêt à bénéficier de tous les instruments leur permettant d'évaluer les risques d'être inquiétés par les autorités américaines, le cas échéant de se défendre; les copies des informations étant en possession de l'autorité pénale étrangère, l'intérêt des employés à disposer également d'une copie des mêmes documents (même s'ils en ont déjà connaissance) est indéniable. La requête visant la remise écrite des documents litigieux permet de procurer aux employés l'avantage qu'ils en attendent et, partant, elle ne peut être qualifiée d'abusive. 7.2 Quant à la pesée d'intérêts évoquée par la recourante dans le même contexte, elle doit maintenant être examinée sous l'angle de l' art. 9 al. 4 LPD . En vertu de cette disposition légale, un maître de fichier privé peut refuser ou restreindre la communication des renseignements demandés ou en différer l'octroi, dans la mesure où ses intérêts prépondérants l'exigent et à condition qu'il ne communique pas les données personnelles à un tiers. Il faut donc procéder à une pesée des intérêts, le débiteur du droit d'accès devant invoquer les siens en premier. Il faut ensuite examiner leur bien-fondé et les opposer aux intérêts du demandeur d'accès. L'accès ne peut être refusé, restreint ou différé que lorsque les premiers l'emportent sur les deuxièmes ( ATF 138 III 425 consid. 6.1 p. 433; BRACHER/TAVOR, op. cit., p. 49). BGE 141 III 119 S. 130 La preuve de l'existence d'un intérêt prépondérant à restreindre le droit d'accès incombe au maître du fichier (GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, in Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, 3 e éd. 2014, n° 8 ad art. 9 LPD ; ROSENTHAL, op. cit., n° 4 ad art. 9 LPD ; CEREGATO/MÜLLER, op. cit., ch. II/2.2.1). 7.3 La recourante invoque son intérêt fondé, d'une part, sur la nature sensible des documents et, d'autre part, sur les règles de sécurité auxquelles elle soumet son personnel. Elle insiste sur le fait que la remise de documents écrits entraînerait la perte de maîtrise par la banque et la mise en circulation potentielle - notamment par le biais de fax, photocopies et scans - de centaines de documents d'importance stratégique pour elle. Dans ce contexte, la recourante rappelle également sa réglementation interne qui interdit aux employés d'emporter chez eux des documents confidentiels. 7.4 7.4.1 S'agissant de l'intérêt sur la base duquel la banque tente de restreindre le droit d'accès dont les employés sont titulaires, il a été rappelé ci-dessus que les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients (cf. supra consid. 5.2), de sorte qu'on ne voit pas en quoi la banque pourrait avoir un intérêt à restreindre le droit d'accès aux documents litigieux pour un motif lié au secret bancaire. Certes, on ne peut écarter le risque qu'un employé communique les copies à un tiers intéressé en révélant de mémoire le nom d'un client pourtant caviardé sur les documents litigieux. A cet égard, la banque n'allègue toutefois ni ne donne le moindre indice qui permettrait de comprendre que les deux employés (intimés) auraient l'intention de divulguer ces documents en dehors d'une procédure judiciaire. Quant à l'existence d'un risque potentiel, celui-ci est relativisé par l'engagement contractuel des (ex-)employés; il n'est en effet pas contesté que ceux-ci sont, de par leur contrat de travail, encore assujettis au secret bancaire et aux peines sanctionnant sa violation ( art. 47 al. 4 LB ). 7.4.2 Au sujet des documents d'importance stratégique évoqués par la banque, on peut là aussi souligner que les employés en ont déjà pris connaissance, aussi bien au cours de leur ancienne activité professionnelle que par le biais de leur consultation sur place, et que les éventuelles informations confidentielles de la banque qui y sont contenues leur sont déjà connues. Ainsi, le risque potentiel d'une divulgation (évoqué par la banque) n'est, en soi, pas lié à la remise d'une BGE 141 III 119 S. 131 copie des documents litigieux. Ce risque découle déjà d'une prise de connaissance préalable du contenu des documents litigieux par les employés. Certes, on peut admettre que le risque s'accroît dans une certaine mesure si les employés disposent de documents qui permettent de prouver les informations déjà en leur possession. A cet égard, la banque se limite toutefois à évoquer la nature sensible des documents "sur le plan organisationnel, commercial ou opérationnel", sans fournir un seul élément concret (exemples de documents effectivement transmis aux autorités américaines) permettant de comprendre en quoi ces documents sont d'une importance stratégique pour elle et de démontrer son intérêt à restreindre en l'espèce le droit d'accès des employés (sur le lien avec le cas concret, cf. encore infra consid. 8.2). Au demeurant, le risque potentiel évoqué par la banque est, ici aussi, en grande partie relativisé par l'engagement contractuel des (ex-)employés; ceux-ci sont, de par leur contrat de travail, soumis aux secrets de fabrication et d'affaires ( art. 321a al. 4 CO ) et ils restent soumis à ces secrets même après la fin des rapports de travail, à tout le moins "tant que l'exige la sauvegarde des intérêts légitimes de l'employeur" (art. 321a al. 4 in fine CO). 7.5 Quant à l'intérêt des employés à avoir en leur possession une copie des documents transmis aux autorités américaines, il a déjà été reconnu plus haut (cf. supra consid. 7.1.4). Il en résulte qu'à défaut d'obtenir une copie, les employés risquent de se heurter à des difficultés importantes (et concrètes) sous plusieurs aspects (cf. supra consid. 7.1.4). Cela étant, l'existence d'un "simple" risque potentiel (par ailleurs limité), tel qu'évoqué par la banque, ne saurait en l'occurrence démontrer que son intérêt à restreindre le droit d'accès des employés l'emporte sur l'intérêt de ceux-ci à obtenir une remise écrite des données litigieuses. 7.6 C'est en vain que la banque insiste sur le contenu de sa réglementation interne pour infléchir la pesée d'intérêts dans un sens qui lui est favorable. 7.6.1 On peut comprendre, sur la base de cette réglementation interne, l'importance (générale) pour la banque de garantir la confidentialité des documents sensibles. A nouveau, celle-ci ne désigne toutefois aucun élément concret qui permettrait de saisir quels types de BGE 141 III 119 S. 132 documents entrant dans cette définition ont été livrés aux autorités américaines, afin de déterminer leur impact sur la pesée des intérêts entreprise plus haut. 7.6.2 L'argumentation de la banque relative à la réglementation interne semble également suggérer que les employés auraient renoncé contractuellement à faire valoir leur droit d'accès ( art. 8 LPD ), à tout le moins à la possibilité de recevoir une copie des documents litigieux. Une renonciation par avance au droit d'accès est explicitement contraire à l' art. 8 al. 6 LPD et elle doit être considérée comme nulle (cf. art. 20 al. 1 CO ; GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 60 ad art. 8 LPD ; MEIER, op. cit., n. 973 p. 364; BELSER/EPINEY/WALDMANN, op. cit., n. 42 ad § 11). La même conclusion s'impose lorsque la clause contractuelle liant les parties ne vise pas la renonciation (pure et simple), mais une restriction du droit d'accès (GRAMIGNA/ MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 60 ad art. 8 LPD ; cf. ROSENTHAL, op. cit., n° 27 ad art. 8 LPD ). Une renonciation (non anticipée) ne peut être envisagée que si la personne concernée connaît déjà l'essentiel de l'information à laquelle elle pourrait avoir accès (pour les détails: GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 61 ad art. 8 LPD ; MEIER, op. cit., n. 974 p. 364). 7.6.3 A la lumière des considérations qui précèdent, on ne peut admettre qu'en concluant le contrat de travail, les employés ont par avance consenti à ne pas faire valoir, vis-à-vis de leur employeur, leur droit d'accès au sens de l' art. 8 LPD . Pour la même raison, les employés ne sauraient avoir acquiescé à une restriction de leur droit d'accès, soit avoir accepté qu'aucun document écrit contenant leurs données personnelles ne leur soit remis (dans ce sens: AUBERT, op. cit., p. 43). Il a en outre été établi que, lorsque les employés ont accepté (par la conclusion du contrat de travail) de se soumettre à la réglementation interne, ils ignoraient que la banque communiquerait aux autorités américaines leurs données personnelles en lien avec les activités transfrontalières qu'ils ont exercées pour le compte de celle-ci. La banque ne les a jamais informés de cette communication. Ils ne connaissaient donc pas l'essentiel de l'information objet de leur droit d'accès, de sorte qu'on ne saurait reconnaître que, depuis la conclusion du contrat de travail, ils auraient pu renoncer à se prévaloir de leur droit à une communication écrite. BGE 141 III 119 S. 133 7.7 Enfin, c'est en vain que la recourante tente de se prévaloir de la décision du 25 avril 2013 de la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral (BB.2112.133 consid. 2.2.1) qui mentionne, selon ses propres explications, qu'aucun élément probant ne permet de prouver que l'ex-employé (alors objet de la procédure fédérale) serait contraint de rester en Suisse de peur de se faire interroger, arrêter et/ou extrader aux Etats-Unis et que rien au dossier n'amène à conclure que les employés de A. font l'objet d'une poursuite aux Etats-Unis. En l'espèce, l'intérêt des employés à obtenir une copie des données litigieuses ne se limite pas à pouvoir évaluer la situation sur le seul territoire des Etats-Unis, le cas échéant, à se défendre dans ce contexte (cf. supra consid. 7.1.4). Quoi qu'il en soit, les constatations - faites sous l'angle bien précis des éventuelles conséquences d'une violation de l' art. 271 CP - du Tribunal pénal fédéral, qui n'est pas l'"autorité précédente" dans la présente procédure (cf. art. 105 al. 1 LTF ), ne lient pas le Tribunal fédéral. En l'espèce, il résulte des constatations de la Cour de justice que la procédure américaine ouverte contre la banque n'est pas terminée et que l'issue est encore incertaine pour les deux employés. Il n'importe à cet égard qu'il n'existe encore aucune procédure à leur encontre. Le droit d'accès aux données personnelles a précisément pour but de leur permettre d'évaluer eux-mêmes une telle éventualité et, si nécessaire, de se défendre. A cet égard, la remise d'une copie des données litigieuses est nécessaire, ne serait-ce que pour permettre aux employés de prendre connaissance en tout temps du contenu des documents qui sont déjà en possession des autorités américaines (cf. supra consid. 7.1.4). 7.8 Puisque la condition d'un intérêt prépondérant de la banque n'a pas été démontrée par celle-ci, il importe peu de savoir si la deuxième condition posée par l' art. 9 al. 4 LPD , à savoir que le maître du fichier ne communique pas les données personnelles à un tiers, est également remplie (cf. ATF 138 III 425 consid. 6.6 p. 436). Il n'est donc pas nécessaire d'entrer en matière sur le grief, soulevé par la recourante dans ce contexte, d'un établissement manifestement inexact, par l'autorité précédente, des faits qui, selon la banque, révèlent l'obligation qui était la sienne de communiquer ses données aux autorités américaines. 8. La recourante reproche également à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 al. 5 LPD . Elle estime qu'en l'espèce les circonstances sont BGE 141 III 119 S. 134 telles qu'elles justifient une exception au principe de la communication écrite (en dehors de l'exception prévue par le Conseil fédéral). Elle fournit divers arguments visant à convaincre de l'existence de telles circonstances (cf. infra consid. 8.2-8.6). 8.1 En vertu de l' art. 8 al. 5 LPD , "les renseignements sont, en règle générale, fournis gratuitement et par écrit, sous forme d'imprimé ou de photocopie. Le Conseil fédéral règle les exceptions". Se fondant sur cette délégation législative (reprise à l' art. 36 al. 1 LPD ), le Conseil fédéral a prévu, à l'art. 1 al. 3 de l'ordonnance du 14 juin 1993 relative à la loi fédérale sur la protection des données (OLPD; RS 235.11), que, "d'entente avec le maître du fichier ou sur proposition de celui-ci, la personne concernée peut également consulter ses données sur place. Si elle y a consenti et qu'elle a été identifiée, les renseignements peuvent également lui être fournis oralement". Il ressort clairement des dispositions précitées que, pour le législateur, la communication écrite des données constitue la règle (sur le constat cf. aussi: URS BELSER, Das Recht auf Auskunft, die Transparenz der Datenbearbeitung und das Auskunftsverfahren, in Das neue Datenschutzgesetz des Bundes, 1993, p. 60). La seule exception explicite figure à l'art. 1 al. 3 de l'ordonnance; selon cette disposition une consultation sur place - voire une communication orale - des pièces du dossier ne peut remplacer une communication écrite que dans le cas où la personne intéressée est d'accord avec ce mode de faire ( ATF 125 II 321 consid. 3b p. 323; ATF 123 II 534 consid. 3c p. 540 s.; MEIER, op. cit., n. 1076 s. p. 391 et les références; ROSENTHAL, op. cit., n° 23 ad art. 8 LPD ). Dans ce contexte, le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion d'expliquer que l'inconvénient résultant de la communication systématique des dossiers aux personnes qui le demandent (soit en particulier le surcroît de travail) est propre à tous les détenteurs de fichiers. Il a d'ailleurs été pris en compte par le législateur, qui n'a pas voulu en faire une cause de refus de la communication écrite, mais qui a préféré prévoir des exceptions à la gratuité de celle-ci ( art. 8 al. 5 LPD , art. 2 OLPD ; cf. ATF 125 II 321 consid. 3b p. 324). La jurisprudence a jusqu'ici laissé indécise la question de savoir si, en plus du cas de figure envisagé par le Conseil fédéral (cf. art. 1 al. 3 OLPD ), d'autres exceptions au principe de la communication écrite peuvent être envisagées, en dehors des cas prévus par BGE 141 III 119 S. 135 l'ordonnance (cf. ATF 125 II 321 consid. 3b p. 323 s.; cf. BELSER/EPINEY/ WALDMANN, op. cit., n. 35 ad § 11). Cette question peut également rester ouverte en l'espèce, la recourante ne faisant valoir aucune circonstance concrète s'opposant à l'envoi d'une copie du dossier (cf. infra consid. 8.2-8.6). 8.2 L'argumentation générale fournie, dans un premier temps, par la recourante tombe à faux. En effet, il ne s'agit pas d'étendre la réflexion, de manière globale, à l'ensemble des employés de tous les établissements bancaires qui, potentiellement, pourraient exiger de leur employeur respectif la remise écrite d'informations les concernant; il s'agit ici de déterminer si, dans le cas concret, un refus par la banque d'une remise écrite des documents aux deux employés se justifie ou non. D'autre part, l'argument tiré des inconvénients qui résulteraient du caviardage de l'ensemble des informations visées ne peut être suivi puisque l'arrêt cantonal constate que les données, qui sont actuellement contenues sur un support électronique, ont déjà été réunies, triées et même caviardées (données visant les clients de la banque) avant leur transmission aux autorités américaines; on voit donc mal comment ces informations pourraient mettre le secret bancaire en danger et leur remise écrite aux employés représenter une difficulté disproportionnée d'ordre pratique. La difficulté qui peut être générée par le surcroît de travail n'est, à la lumière des principes rappelés ci-dessus, quoi qu'il en soit pas déterminante. 8.3 La recourante insiste ensuite sur le fait qu'il convient d'accorder une crédibilité accrue aux recommandations du PFPDT, lesquelles ont cautionné, en ce qui concerne l'accès aux données déjà transmises aux autorités américaines, la forme de la consultation des documents sur place, ceci compte tenu de leur sensibilité, des règles de sécurité de la banque, ainsi que du secret bancaire et des règles internes interdisant aux employés d'emporter des documents chez eux. Or, le PFPDT, qui s'adresse au maître du fichier (cf. art. 3 let. i LPD ), agit dans un cadre qui excède celui d'une pure contestation entre deux parties (ATF138 II 346 consid. 10.1 p. 363; ATF 136 II 508 consid. 6.3.2 p. 523). Les recommandations qu'il émet, qui n'ont pas été déclarées contraignantes par le Tribunal administratif fédéral, n'ont pas force de chose jugée (MEIER, op. cit., n. 1925 p. 618 s.). Elles sont toutefois prises en compte dans le cadre de la pesée des intérêts (sous l'angle de l' art. 13 LPD : cf. ATF 138 II 346 consid. 10.1 p. 363). BGE 141 III 119 S. 136 La Cour de céans a tenu compte des intérêts de la banque (maître du fichier) mis en évidence par le PFPDT (notamment la sensibilité des documents bancaires, les règles de sécurité de la banque), mais elle a considéré, dans la pesée globale des intérêts entreprise sous l'angle de l' art. 9 LPD , que la banque n'a en l'espèce pas apporté la preuve d'un intérêt prépondérant à restreindre le droit d'accès dont les employés sont titulaires (cf. supra consid. 7). 8.4 A l'appui de sa thèse, la recourante tente également de tirer argument d'une application par analogie du droit allemand. Elle relève que le paragraphe 34 al. 6 BDSG prévoit explicitement de déroger à la forme écrite lorsque les circonstances du cas d'espèce font qu'une autre forme apparaît comme plus appropriée. Cet argument ne lui est toutefois d'aucune aide. Au contraire, les commentateurs allemands expliquent qu'il s'agit de prendre en compte les circonstances du cas d'espèce dans la seule perspective de la personne concernée par les données. S'il apparaît que celle-ci (et non le maître du ficher) aura un accès plus rapide aux données sous une autre forme, elle peut renoncer, si elle l'estime opportun, à la remise de l'information sous forme écrite (ALEXANDER DIX, in Bundesdatenschutzgesetz, Simitis [éd.], 7 e éd. 2011, n os 52 s. ad § 34 BDSG; GOLA/KLUG/KÖRFFER/SCHOMERUS, BDSG, Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, 11 e éd. 2012, n os 13 s. ad § 34 BDSG). 8.5 S'agissant de la clause générale de police évoquée par la recourante, elle consiste en un droit qui appartient à l'Etat ( ATF 137 II 431 consid. 3.3 p. 444 s.; ATF 103 Ia 310 consid. 3a p. 311 s.). La banque, en tant que personne morale de droit privé, ne saurait donc en tirer un quelconque argument pour défendre sa thèse. Il est par ailleurs établi que l'autorisation du Conseil fédéral du 4 avril 2012, tout comme celle octroyée à d'autres banques à partir du 3 juillet 2013, n'a pas exempté les établissements concernés d'une éventuelle responsabilité civile ni, de manière plus générale, de leurs obligations à l'égard de leurs (ex-)employés. Cette autorisation visait uniquement à exempter les banques de tout reproche sous l'angle de l' art. 271 CP (actes exécutés sans droit pour un Etat étranger) et elle était donc moins étendue que celle accordée dans l'affaire D. (cf. ATF 137 II 431 consid. 4 p. 445 ss). 8.6 La recourante estime enfin qu'une remise écrite des données se heurte au contenu de l' art. 339a al. 1 CO qui prévoit qu'au moment où le contrat prend fin, les parties se rendent tout ce qu'elles se sont BGE 141 III 119 S. 137 remis pour la durée du contrat, de même que tout ce que l'une d'elles pourrait avoir reçu de tiers pour le compte de l'autre. Selon elle, cette disposition de droit impératif serait vidée de sa substance s'il suffisait à un ancien employé d'entreprendre une action sur la base de la LPD pour récupérer toutes les données le concernant en possession de son employeur, ce d'autant plus sous l'angle de la réglementation idoine faisant partie intégrante des contrats de travail liant la banque à ses employés. L'argument est sans consistance. L' art. 339a al. 1 CO vise certes également les copies de documents en possession de l'employé (cf. arrêt 4A_611/2011 du 3 janvier 2012 consid. 4.3, JdT 2012 II p. 208), mais il poursuit un objectif totalement différent et distinct de celui auquel tend l' art. 8 LPD . Il vise une prétention de l'employeur à l'issue des relations contractuelles (ayant notamment pour objet la restitution des documents en mains de l'employé), alors que l' art. 8 LPD accorde à la personne concernée (en l'occurrence deux ex-employés) un droit d'accès aux données personnelles, institution centrale du droit de la protection des données (sur la fonction particulière du droit d'accès: OLIVER SCHNYDER, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht, 2002, p. 89 s.). Le moyen tiré de la violation de l' art. 8 al. 5 LPD est infondé.
null
nan
fr
2,015
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
89640619-3e27-494c-8395-cb2b8e5e78ad
Urteilskopf 83 II 1 1. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Februar 1957 i.S. H. gegen H.
Regeste Anfechtung der Ehelichkeit; Nachweis nach Art. 254 Z GB. Es bedarf nicht des Nachweises der Unmöglichkeit der Beiwohnung in der kritischen Zeit; es genügt der Nachweis, dass tatsächlich keine solche stattgefunden hat. Wird dies vom Kläger (ev. auch von der Beklagten) geltend gemacht, so muss der Richter die Frage nach Massgabe des kantonalen Prozessrechts prüfen und darüber eine tatsächliche Feststellung treffen.
Sachverhalt ab Seite 1 BGE 83 II 1 S. 1 A.- Die seit 1946 verheirateten, in R. (Kanton Zürich) wohnhaften Eheleute H. hatten ein 1947 geborenes Kind. Da dieses von 1949 an wiederholt krank war und im Bündnerland kuren musste, nahm die Mutter, um in seiner Nähe zu sein, jeweilen dort Stellen an und weilte mehrmals monatelang, das letzte Mal über ein Jahr lang in Chur, während der Ehemann in R. verblieb, wo in der Folge seine Mutter bei ihm wohnte. Streitigkeiten zwischen dieser und der Ehefrau trugen dazu bei, dass das durch die langen Absenzen der letztern ohnehin gefährdete eheliche Verhältnis sich verschlechterte. Nachdem die Frau am Ostersamstag (17. April) 1954 nach mehr als einjähriger BGE 83 II 1 S. 2 Abwesenheit in die eheliche Wohnung zurückgekehrt war, reichte sie im Juli 1954 in Winterthur Scheidungsklage ein. Der Scheidungsprozess ist daselbst noch hängig. Am 8. November 1954 gebar die Ehefrau in der Krankenanstalt Liestal ein Kind, das mit dem Namen M. M. H. als eheliches Kind der Eheleute H. in die Zivilstandsregister eingetragen wurde. Der Ehemann verlangte im Scheidungsprozess widerklageweise die Scheidung wegen Ehebruchs der Frau und erhob sodann am 4. Januar 1955 beim Vermittleramt seines Heimatortes Walzenhausen Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes M. M. Zu dessen Beistand bestellte die Waisenbehörde der Stadt Schaffhausen, wo die Mutter wohnte, Frl. Dr. C. Etzensperger, Amtsvormund daselbst. Die beklagte Ehefrau anerkannte die Klage und bestätigte die Behauptungen des Klägers, wonach sie mit ihm seit drei Jahren vor der Geburt nicht mehr geschlechtlich verkehrt habe; sie sei bei ihrer Rückkehr von Chur zu Ostern 1954 bereits schwanger gewesen, habe aber dem Manne nichts davon gesagt. Den Namen des Urhebers der um die Fastnachtszeit 1954 in Chur erfolgten Schwängerung wolle sie gemäss ihm gegebenem Versprechen nicht bekannt geben. Namens des beklagten Kindes opponierte Frl. Dr. Etzensperger der Anfechtungsklage vorbehältlich eines schlüssigen Ergebnisses einer Blutuntersuchung. Diese, erst vor Obergericht durchgeführt, liess den Ehemann als möglichen Vater nicht ausschliessen. B.- Sowohl das Bezirksgericht Vorderland als das Obergericht von Appenzell-Ausserrhoden haben die Klage abgewiesen, weil der Kläger den Beweis der Unmöglichkeit seiner Vaterschaft nicht erbracht habe. C.- Mit der vorliegenden Berufung hält der Ehemann an der Anfechtungsklage fest. Für das beklagte Kind beantragt sein Beistand Abweisung der Berufung. Die beklagte Ehefrau, die sich von Anfang an dem Klagebegehren angeschlossen hatte, nahm zur Berufung nicht Stellung. BGE 83 II 1 S. 3 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 254 ZGB vermag der Ehemann seine Anfechtungsklage nur durch den Nachweis zu begründen, "dass er unmöglich der Vater des Kindes sein könne". Absolute Unmöglichkeit der Vaterschaft liegt zunächst in den Fällen vor, wo während der Zeit, da die Empfängnis stattgefunden haben kann, ein ehelicher Verkehr unmöglich, also ausgeschlossen war (wegen Abwesenheit in grosser Entfernung, strenger Internierung des einen Gatten, Krankheit, impotentia coeundi, BGE 62 II 58 ). Ausser der physischen Unmöglichkeit der Beiwohnung hat die Rechtsprechung ferner die sog. "moralische" bzw. psychische Unmöglichkeit einer Beiwohnung als genügend anerkannt (a.a.O.). Da das Gesetz indessen nicht einen Nachweis der Unmöglichkeit der Beiwohnung, sondern nur der Vaterschaft des Ehemannes verlangt, ist der Nachweis tauglich, dass trotz erfolgtem Geschlechtsverkehr der Ehegatten ein Dritter der Erzeuger sein muss (impotentia generandi des Ehemannes; zurzeit des ersten Geschlechtsverkehrs mit ihm bereits bestehende Schwangerschaft der Ehefrau; Ausschluss der Vaterschaft des Ehemannes durch Rassemerkmale des Kindes oder durch das Ergebnis der Blutuntersuchung in Verbindung mit anderweitiger Glaubhaftmachung eines Ehebruches der Mutter). Endlich lässt die neuere Rechtsprechung die Anwendung von Art. 254 auch dann zu, wenn bewiesen wird, dass zwischen den Ehegatten um die Zeit der Empfängnis trotz allfällig vorhandener Möglichkeit tatsächlich kein Geschlechtsverkehr stattgefunden hat; denn auch in diesem Fall ist die Vaterschaft des Ehemannes physisch unmöglich - wobei immerhin die Probleme ausser Betracht gelassen sind, die sich aus der medizinisch gegebenen Möglichkeit der künstlichen Befruchtung ergeben können (vgl. die neueste Zusammenstellung der Rechtsprechung zu Art. 254 in BGE 82 II 501 ff.). Der Ehemann kann daher die Anfechtungsklage auch dadurch begründen, dass er BGE 83 II 1 S. 4 ganz allgemein und schlechthin nachweist, dass zwischen ihm und der Ehefrau in der kritischen Zeit kein Geschlechtsverkehr stattgefunden hat (a.a.O. 502, 71 II 58). Diese Frage ist eine rein tatsächliche; die Feststellung der letzten kantonalen Instanz hierüber ist mithin für das Bundesgericht verbindlich (Art. 63 Abs. 2, 55 Abs. 1 lit. c OG). Für diesen Nachweis gelten, da es sich um einen Statusprozess handelt, nach der Rechtsprechung die für den Scheidungsprozess aufgestellten bundesrechtlichen Verfahrensgrundsätze von Art. 158 Ziff. 1 und 3, wonach Parteierklärungen für den Richter nicht verbindlich sind und er behauptete Tatsachen nur dann als erwiesen annehmen darf, wenn er sich von deren Vorhandensein überzeugt hat ( BGE 82 II 3 ). Der Umstand, dass die anfechtungsbeklagte Ehefrau der Klage zustimmt, kann somit nicht deren Abschreibung wegen Anerkennung zur Folge haben, zumal die Ehefrau nicht über die Rechte des mitbeklagten Kindes verfügen darf (vgl. a.a.O. 3, 4). Aber auch das Zugeständnis der Ehefrau, sie habe während der kritischen Zeit mit dem Ehemanne keinen Geschlechtsumgang gehabt, wohl aber mit einem andern Manne, erlaubt dem Richter nicht, nach der allgemeinen Beweisregel, wonach anerkannte Behauptungen als bewiesen gelten, diese Tatsachen ohne weiteres als erstellt zu betrachten; er muss sich von deren Richtigkeit überzeugt haben. 2. Im vorliegenden Falle gibt nun die Vorinstanz die erwähnte Rechtsprechung zutreffend dahin wieder, Art. 254 ZGB verlange nicht die Unmöglichkeit der Beiwohnung, sondern nur die Unmöglichkeit der Vaterschaft; es genüge also der Nachweis, dass die Ehegatten - trotz allfälliger Möglichkeit und Gelegenheit - tatsächlich nicht miteinander verkehrt hätten (S. 14 unten). In den Erwägungen zum konkreten Fall geht sie dann aber nicht von diesem Beweisthema, sondern davon aus, der Ehemann müsse die Unmöglichkeit - physischer oder psychischer Art - der Beiwohnung nachweisen, was der Kläger nicht BGE 83 II 1 S. 5 getan habe. Sie führt aus, die Parteien hätten gegen Ende der kritischen Zeit (12. Januar - 12. Mai; bei Berücksichtigung der nach geburtsärztlichem Bericht um 14 Tage zu früh erfolgten Geburt: 26. Januar - 26. Mai 1954), nämlich von Ostern (17. April) bis Juli 1954 im gemeinsamen Haushalt in R. beisammengelebt; es könne eine Beiwohnung in dieser Zeit, auch in Ansehung der kurzen Dauer von Ostern bis zur Geburt (204 Tage), nicht als unmöglich bezeichnet werden. Auch bestehe trotz den gegenteiligen Angaben der Parteien objektiv durchaus die Möglichkeit, dass sie, obwohl in R. bzw. in Chur wohnhaft, (ausser zu Weihnachten 1953) auch vor Ostern, d.h. im Februar/März 1954, zusammengekommen seien und bei einer solchen Gelegenheit intim verkehrt hätten. Nun hat die beklagte Ehefrau - im Gegensatz zur Beklagten im Falle K. ( BGE 82 II 495 ff.) - von Anfang an stetsfort, in Übereinstimmung mit dem Kläger, erklärt, mit diesem während der kritischen Zeit keinen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, ja überhaupt schon seit drei Jahren vor der Geburt nicht mehr. Sie gab an, das Kind stamme von einem Dritten, mit dem sie während ihres Aufenthaltes in Chur um die Fastnacht (28. Februar 1954) geschlechtlich verkehrt habe, dessen Namen anzugeben sie sich aber zufolge eines Versprechens hartnäckig weigerte, und zwar im vorliegenden wie im Scheidungsprozess. Mit dieser Darstellung, nämlich dass die Eheleute während der kritischen Zeit, ungeachtet einer allfälligen Möglichkeit hiezu, nun einmal tatsächlich keinen Geschlechtsverkehr gehabt haben, was zur Begründung der Unmöglichkeit der Vaterschaft des Klägers genügen würde, hat sich die Vorinstanz in keiner Weise auseinandergesetzt. Sie hat die Frage weder positiv noch negativ beantwortet, also nicht etwa erklärt, sie sei nicht überzeugt, dass die Parteien nicht intim verkehrt hätten, sondern hat lediglich die - physische oder psychische - Unmöglichkeit eines solchen Vorkommnisses verneint. Das Obergericht hat aber auch nicht erklärt, dass und BGE 83 II 1 S. 6 warum es auf die bezüglichen Aussagen der Eheleute nicht abstelle. Indem die Vorinstanz auf diese prozessentscheidende tatbeständliche Behauptung nicht einging und ohne Begründung nicht prüfte, ob sie bewiesen sei, hat sie Bundesrecht verletzt. Der Beweislast gemäss Art. 8 ZGB entspricht als Korrelat das Recht auf Erbringung des Beweises für eine behauptete rechtsbegründende Tatsache. 3. Die Berufungsinstanz kann die Prüfung und Beantwortung jener sich nach richtiger Betrachtung stellenden tatsächlichen Frage nicht selbst vornehmen; denn sie hängt einerseits vom kantonalen Prozessrecht bezüglich der Beweismittel und der Beweiswürdigung, anderseits von der Handhabung der letztern in concreto mit Bezug auf die Aussagen der Eheleute, namentlich der Ehefrau ab. Hinsichtlich des kantonalen Prozessrechts machte die Vorinstanz bzw. deren Gerichtsschreiber erst in ihren Gegenbemerkungen zur Berufung einige Ausführungen, die aber nicht als Ergänzung der Urteilsbegründung in Betracht gezogen werden können; denn ganz allgemein müssen die Feststellungen und beweisrechtlichen Erwägungen der letzten kantonalen Instanz im Urteil selbst enthalten sein, wie sich aus Art. 51 Abs. 1 lit. c OG , aber auch daraus ergibt, dass jeder Partei das Recht offen stehen muss, jene mit staatsrechtlicher Beschwerde oder mit Berufung anzufechten (vgl. BGE 81 II 425 E. 5), was nicht möglich ist, wenn sie nur in nachträglichen Gegenbemerkungen der Vorinstanz gemäss Art. 56 OG stehen, die den Parteien gar nicht zu Gesichte zu kommen brauchen. Die Sache ist daher gemäss Art. 64 Abs. 1 OG zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, sofern dies nicht in Ansehung des kantonalen Prozessrechts offenbar zwecklos ist... Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das angefochtene BGE 83 II 1 S. 7 Urteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen.
public_law
nan
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1,957
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
8966fee1-d198-4c8e-b030-ab7c4d22c269
Urteilskopf 102 Ia 38 9. Urteil vom 5. Mai 1976 i.S. X. gegen Gemeinde Q., Staat Zürich und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich.
Regeste Art. 4 BV und Art. 2 Übergangsbestimmungen zur BV; Grundstückgewinnsteuer bei Übertragung eines Grundstückes auf die Ehefrau zum Ausgleich ihrer güterrechtlichen Ansprüche bei Scheidung. 1. Es ist nicht willkürlich, eine Ausnahmebestimmung in bezug auf die Grundstückgewinnsteuer bei Handänderungen infolge Aufhebung der ehelichen Gütergemeinschaft nicht auch auf die Auflösung einer der Güterverbindung unterstehenden Ehe anzuwenden (E. 2b). 2. Eine Gesetzesbestimmung, die in bezug auf die Erhebung der Grundstückgewinnsteuer bei Auflösung einer Ehe durch Scheidung einen Unterschied macht zwischen Ehen, die der Güterverbindung unterstehen und solchen, die der Gütergemeinschaft unterstellt sind, ist nicht rechtsungleich (E. 3d) und verstösst auch nicht gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 39 BGE 102 Ia 38 S. 39 X. erwarb am 23. Dezember 1963 zum Preise von Fr. 240'000.-- ein Grundstück mit Wohnhaus in Q. Er war damals verheiratet und lebte mit seiner Ehefrau in Güterverbindung. Im späteren Scheidungsprozess vereinbarten die Eheleute, das Grundstück zum Ausgleich ihrer güterrechtlichen Ansprüche der Ehefrau zu übertragen. Nachdem das Scheidungsurteil rechtskräftig geworden war, erfolgte die grundbuchliche Übereignung der Liegenschaft. Die Kommission für Grundsteuern der Gemeinde Q. auferlegte X. wegen dieser Handänderung eine Grundstückgewinnsteuer von Fr. 52'496.--. Hiegegen rekurrierte X. erfolglos bei der Finanzdirektion und beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Er führt gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichtes BGE 102 Ia 38 S. 40 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV und Art. 2 der Übergangsbestimmungen zur BV. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. (Eintreten). 2. Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, das Verwaltungsgericht habe § 161 des zürcherischen Steuergesetzes (StG) willkürlich ausgelegt. a) Rechtsgrundlage der vom Beschwerdeführer erhobenen Steuer ist § 161 Abs. 1 StG . Demnach wird die Grundstückgewinnsteuer erhoben von den Gewinnen, die sich bei Handänderungen an Grundstücken ergeben. Dass das Grundstück des Beschwerdeführers in Rüschlikon im Zusammenhang mit der Scheidung seiner Ehe eine Handänderung erfahren hat, ist unbestritten. Wenn in der Beschwerde geltend gemacht wird, es sei bei dieser Handänderung nur ein fiktiver Gewinn erzielt worden, kann ihr nicht beigepflichtet werden. Nach den eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers hat er die Liegenschaft aus Mitteln der Errungenschaft erworben. Wenn er sie nun durch Ehescheidungskonvention seiner Ehefrau zur Tilgung ihres Anspruchs auf einen Anteil am ehelichen Vorschlag überlassen hat, so setzt dies voraus, dass er jener unter dem genannten Titel etwa so viel schuldete, als die Liegenschaft im Zeitpunkt der Ehescheidung wert war. Er hat somit den vollen Wert der Liegenschaft im Jahre 1974 zur Tilgung einer entsprechenden Schuld aus Ehegüterrecht verwendet, was bedeutet, dass er diesen Wert realisiert hat. Es ist daher falsch, von einem bloss fiktiven Gewinn zu sprechen. Wie es sich verhielte, wenn die Liegenschaft nicht zur Deckung des Vorschlagsanteils der Ehefrau, sondern zur Erstattung eingebrachten, aber verbrauchten Frauengutes übereignet worden wäre, ist hier nicht zu prüfen. b) Willkür erblickt der Beschwerdeführer denn auch vor allem darin, dass das Verwaltungsgericht in seinem Falle die Ausnahmebestimmung von § 161 Abs. 3 lit. a) nicht zur Anwendung gebracht habe. Sie lautet: "Für die Erhebung der Grundstückgewinnsteuer fallen ausser Betracht Handänderungen infolge: a) Begründung, Fortsetzung oder Aufhebung der ehelichen BGE 102 Ia 38 S. 41 Gütergemeinschaft." Indessen spricht schon der Wortlaut dieser Bestimmung gegen die Auffassung des Beschwerdeführers, wonach damit jede Auflösung ehelichen Vermögens gemeint sei. "Gütergemeinschaft" ist ein geläufiger Ausdruck des Bundeszivilrechts. Es ist nicht zu vermuten, dass ein kantonaler Gesetzgeber diesen Ausdruck in einem anderen Sinne habe verwenden wollen, müsste ihm doch sonst unsorgfältige Redaktion des Gesetzestextes vorgeworfen werden. Bestätigt wird diese Auffassung durch die historische Interpretation. Aus dem Protokoll des Kantonsrates über die Beratung des jetzt geltenden Steuergesetzes im Jahre 1962 ergibt sich nämlich, dass Kantonsrat Dr. Rappold einen Gegenantrag stellte, wonach die Wendung "Handänderungen infolge Begründung, Fortsetzung oder Aufhebung der ehelichen Gütergemeinschaft" ersetzt werden sollte durch die weitere Fassung "Handänderungen zwischen Ehegatten". Nach einem gegen diesen Antrag gerichteten Votum des kantonalen Finanzdirektors wurde der früher und auch heute noch geltenden Fassung mit 76:28 Stimmen der Vorzug gegeben (Protokoll des Kantonsrates 1959/63, S. 2221 f.). Die Ausführungen der Beschwerde, wonach die Mitglieder des Kantonsrates sich nicht bewusst gewesen seien, dass sie einen Unterschied zwischen der Beendigung der Gütergemeinschaft und der Auflösung einer nicht diesem Güterstand unterstellten Ehe gemacht hätten, erweisen sich somit als irrig. Hat aber das Verwaltungsgericht die Ausnahmebestimmung deshalb nicht angewendet, weil zunächst ihr Wortlaut dagegen sprach und sodann auch die Entstehungsgeschichte eine über diesen Wortlaut hinausgehende Auslegung verbot, so liegt jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt keine Willkür vor. c) Willkür bei der Gesetzesanwendung macht der Beschwerdeführer auch deshalb geltend, weil nach seiner Auffassung die Einschätzungsbehörden in ständiger Praxis in Fällen wie dem vorliegenden, nämlich bei Übertragung eines Grundstücks auf die Ehefrau bei Scheidung einer unter dem Güterstand der Güterverbindung stehenden Ehe, keine Grundstückgewinnsteuer erhöben. Diese auf je eine schriftliche Auskunft eines Anwaltes und eines Steuerberaters gestützte Behauptung ist bestritten. Insbesondere führt die Finanzdirektion des Kantons Zürich aus, bisher seien solche Tatbestände immer der Handänderungs- und der Grundstückgewinnsteuer unterstellt BGE 102 Ia 38 S. 42 worden, und auch die Gemeinde Q. nimmt gestützt auf eine Umfrage bei den anderen Gemeinden des Bezirks den nämlichen Standpunkt ein. Es scheint, dass im Kanton Zürich auf Gemeindeebene keine einheitliche Praxis besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes rechtfertigt dies indessen die Rüge der Willkür nicht. Vielmehr kann ein Widerspruch zwischen verschiedenen Entscheidungen über gleichartige Tatbestände nur dann gerügt werden, wenn die sich widersprechenden Entscheidungen von der nämlichen Behörde ausgegangen sind ( BGE 100 Ia 206 mit Hinweisen). Dass das Verwaltungsgericht in einem gleich gearteten Falle schon anders entschieden habe, wird nicht behauptet. Eine Rechtsungleichheit im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis liegt somit nicht vor. 3. a) Der Beschwerdeführer rügt indessen auch, die in Frage stehenden Bestimmungen des zürcherischen Steuergesetzes verstiessen an sich gegen das Willkürverbot der Bundesverfassung, weil die Übertragung eines Grundstücks auf die Ehefrau bei Scheidung einer Ehe unter dem Güterstand der Güterverbindung ohne sachlichen Grund anders behandelt werde als unter demjenigen der Gütergemeinschaft. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Frage nach der Verfassungsmässigkeit einer kantonalen Bestimmung im Zusammenhang mit der Anfechtung einer konkreten Entscheidung noch aufgeworfen werden. Erweist sich die Rüge als begründet, so führt dies allerdings nicht zur Aufhebung der beanstandeten Gesetzesbestimmung, sondern lediglich zu derjenigen der angefochtenen Entscheidung ( BGE 100 Ia 450 E. 5a, mit Hinweisen). b) Der Beschwerdeführer sieht eine willkürliche Ungleichheit zunächst darin, dass Handänderungen von Grundstücken bei Scheidung einer Ehe anders behandelt würden als beim Tode des einen Ehegatten. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch unerheblich. Der Übergang von Grundstücken kraft Erbrechts stellt einen Teil der Universalsukzession dar, und ein Grundstückgewinn des bisherigen Eigentümers anlässlich der Handänderung ist ausgeschlossen. Es lässt sich daher aus der Steuerfreiheit von Handänderungen infolge Erbvorbezugs oder Erbgangs ( § 101 Abs. 3 lit. b StG ) nicht der vom Beschwerdeführer aufgestellte allgemeine Satz ableiten, der Gesetzgeber habe "fiktive Gewinne im Bereiche des Erbrechts BGE 102 Ia 38 S. 43 und des Familienrechts" allgemein steuerfrei lassen wollen, ganz abgesehen davon, dass hier, wie bereits dargelegt wurde, beim Beschwerdeführer keineswegs ein bloss fiktiver Gewinn vorliegt. Auf die weitere Frage, wie es sich verhielte, wenn ein Ehepaar bei fortbestehender Ehe vom Güterstand der Gütergemeinschaft zu dem der Gütertrennung überginge, brauchte das Verwaltungsgericht nicht einzutreten und kann das Bundesgericht im Hinblick auf seine beschränkte Kognition noch weniger eingehen. Die Unterschiede im Sachverhalt sind hier so erheblich, dass der vom Beschwerdeführer angeführte hypothetische Fall unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit ausser Betracht fällt. c) Ebensowenig lässt sich für den Beschwerdeführer aus dem Umstand gewinnen, dass bei der Ausnahmebestimmung nur der Güterstand der Gütergemeinschaft und nicht auch derjenige der Gütereinheit im Sinne von Art. 199 ZGB erwähnt wird. Die Gütereinheit bildet nach der Systematik des ZGB keinen vierten, gleichrangig neben die Güterverbindung, die Gütergemeinschaft und die Gütertrennung tretenden Güterstand; ja sie wird im Marginale nicht einmal mit ihrem historischen Namen bezeichnet. Vielmehr bildet sie im Aufbau des Gesetzes einen Spezialfall der Güterverbindung, ähnlich wie die Errungenschaftsgemeinschaft einen solchen der Gütergemeinschaft darstellt ( Art. 239 ZGB ). Es lag somit für den zürcherischen Gesetzgeber keineswegs nahe, in seiner Steuergesetzgebung auch die Gütereinheit zu erwähnen, und es kann daraus, dass er dies nicht getan hat, kein Schluss in der einen oder in der andern Richtung gezogen werden. Dies gilt in besonderem Masse auch deshalb, weil die Gütereinheit nur noch selten gewählt wird, und auch dann fast ausschliesslich in denjenigen Kantonen, in denen sie vor der Einführung des ZGB vom kantonalen Recht vorgesehen war. Zu diesen Kantonen gehört Zürich nicht (vgl. Komm. LEMP, N. 3 zu Art. 199 ZGB ). d) Damit bleibt unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 BV noch zu prüfen, ob es rechtsungleich sei, bei Auflösung einer Ehe durch Scheidung hinsichtlich der Grundstückgewinnsteuer einen Unterschied zu machen zwischen Ehen, für die der ordentliche Güterstand der Güterverbindung gilt und solchen, die vertraglich den Regeln über die Gütergemeinschaft unterstellt worden sind. Den Grundsatz der Rechtsgleichheit BGE 102 Ia 38 S. 44 verletzt ein gesetzgeberischer Erlass, der sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist ( BGE 100 Ia 328 E. 4b; 43 E. 2, mit weiteren Hinweisen). Innerhalb dieses Rahmens bleibt den Kantonen ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit ( BGE 96 I 567 E. 3a). Im vorliegenden Falle ist zunächst festzustellen, dass die Besteuerung des Grundstückgewinns anlässlich der Übertragung einer Liegenschaft vom Ehemann auf die Ehefrau bei Scheidung der Ehe nicht nur vertretbar, sondern offensichtlich vernünftig ist. Hat ein Grundstück während der Zeitspanne, in der es zum ehelichen Vermögen gehörte, an Wert gewonnen, so ist es, wie das Verwaltungsgericht mit Recht ausführt, in denjenigen Kantonen, die eine Grundstückgewinnsteuer kennen, mit einer latenten Steuerschuld belastet. Bezüglich dieser latenten Steuerschuld eine sofortige Regelung zu treffen, drängt sich im Hinblick auf die endgültige Auflösung des familienrechtlichen Bandes zwischen dem verfügenden und dem begünstigten Teil auf. Der geschiedenen Ehefrau, die im Normalfall Begünstigte ist, kann schwerlich zugemutet werden, diese latente Schuld zu übernehmen, von deren Existenz sie oft keine Kenntnis hat. Wenn der zürcherische Gesetzgeber somit im Normalfall, d.h. bei Ehen, die dem gesetzlichen Güterstand der Güterverbindung unterstehen, keinen Aufschub der Pflicht zur Entrichtung der Grundstückgewinnsteuer vorgesehen hat, so hat er eine sachgemässe, keinesfalls aber willkürliche Lösung getroffen. Von einer Art Scheidungssteuer kann entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht die Rede sein. Aber auch die Ausnahme bei Auflösung einer dem Güterstand der Gütergemeinschaft unterstehenden Ehe lässt sich mit sachlichen Gründen vertreten. Es kennzeichnet die Gütergemeinschaft, dass ihre Begründung immer mit einer Handänderung verbunden ist, wenn Grundstücke vorhanden sind: der ein Grundstück einbringende Teil hat dieses sachenrechtlich auf die Gemeinschaft zu übertragen. Daraus folgt, dass bei Ehescheidung notwendigerweise wieder eine Handänderung zu erfolgen hat. Diese Handänderung, die im Regelfalle, nämlich bei der Rücknahme eingebrachten Gutes, nur eine formelle BGE 102 Ia 38 S. 45 Auseinandersetzung unter den Ehegatten und keine Verschiebung von Werten bedeutet, sollte durch die Ausnahmebestimmung von § 161 Abs. 3 lit. a StG privilegiert werden, was wiederum als sachlich gerechtfertigt erscheint (vgl. Rechenschaftsbericht des Verwaltungsgerichtes 1972, Nr. 51). Einzuräumen ist allerdings, dass dann, wenn die Handänderung an einem Grundstück bei Auflösung einer der Gütergemeinschaft unterstehenden Ehe nicht der Rücknahme von Frauengut, sondern der Teilung der Errungenschaft dient, für die Abweichung von der Regel der Steuerpflicht wirtschaftliche Gründe kaum mehr ersichtlich sind. Indessen verlangt das Bundesgericht gerade auf dem Gebiete des Abgaberechts nicht, dass eine gesetzliche Lösung in allen denkbaren Einzelfällen absolut gerecht sein müsse, um dem Willkürverbot des Art. 4 BV standzuhalten. Vielmehr kann es notwendig sein, gewisse Unterscheidungen nach klaren, äusserlich erkennbaren Kriterien zu treffen. Solche Unterscheidungen vermögen vielleicht der überwiegenden Mehrzahl der Fälle gerecht zu werden, einzelnen Grenzfällen dagegen nicht. Verhält es sich so, dann kann die Vereinfachung nicht als unstatthafte Rechtsungleichheit gelten, sofern sich nicht in der konkreten Anwendung völlig unbillige Resultate ergeben ( BGE 100 Ia 328 ; 99 Ia 580 ). Hier ist, wie dargelegt, weder die Heranziehung des geschiedenen Ehemannes zur Grundstückgewinnsteuer bei Güterverbindung unbillig noch die Befreiung beider Ehegatten von dieser Steuer bei Auflösung der Gütergemeinschaft unter Rücknahme eingebrachter Grundstücke. Wenn nun diese Ausnahmeregel gelegentlich einmal einem geschiedenen Ehegatten zugutekommt, der dem andern Teil einen Anspruch an der Errungenschaft in Form eines Grundstücks zukommen lassen will, so kann dies nicht als derart stossend betrachtet werden, dass deswegen die Gültigkeit der gesetzlichen Bestimmungen selbst in Frage zu stellen wäre. Zu berücksichtigen ist einerseits, dass nur ein sehr geringer Teil aller Ehen unter dem Güterstand der Gütergemeinschaft stehen, dass von diesen wiederum nur ein kleiner Teil durch Scheidung aufgelöst wird und dass schliesslich auch bei diesem kleinen Teil bei weitem nicht in der Mehrzahl der Fälle Grundstücke zur Errungenschaft gehören. Der Einbruch in die absolute Rechtsgleichheit ist somit praktisch kaum fühlbar. Andererseits gilt es gerade hier den erwähnten Grundsatz zu beachten, dass die Steuerbehörden BGE 102 Ia 38 S. 46 auf klare einfach zu handhabende Bestimmungen angewiesen sind. Die Abklärung der Frage, unter welchem Titel ein Grundstück bei Auflösung der ehelichen Gütergemeinschaft in das Alleineigentum der Ehefrau übergehe, wäre gelegentlich mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Eine Verletzung der durch Art. 4 BV gewährleisteten Rechtsgleichheit ist daher zu verneinen, weshalb dahingestellt bleiben kann, ob eine andere Beantwortung dieser Frage überhaupt zur Steuerbefreiung des Beschwerdeführers führen müsste. 4. Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes. Er macht geltend, es sei nicht zulässig, die freie Wahl des Güterstandes durch steuerliche Differenzierungen zu beschränken. Indessen ist keine Rede davon, dass das Bundesrecht allgemein den Kantonen vorschriebe oder verböte, die sich aus dem Zivilrecht ergebenden Unterschiede steuerlich zu berücksichtigen. Das Bundesgericht hat denn auch ein kantonales Gesetz, das ledige Personen über 28 Jahren einer besonderen Steuer unterwarf, als nicht bundesrechtswidrig erklärt, obschon dort eine wesentlich weitergehende Einwirkung des Steuerrechts auf die zivilrechtlichen Verhältnisse des einzelnen geltend gemacht werden konnte als hier ( BGE 77 I 102 ). Auch die Rüge der Verletzung von Art. 2 der Übergangsbestimmungen zur BV erweist sich somit als unbegründet.
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Urteilskopf 126 V 421 71. Urteil vom 22. Dezember 2000 i. S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen R. und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste Art. 10 Abs. 3 AHVG ; Art. 28 Abs. 1 und 4, Art. 25 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 29 Abs. 4 AHVV : Bemessung der Beiträge Nichterwerbstätiger im Jahr der Eheschliessung oder -auflösung. - Massgebendes Vermögen und Renteneinkommen. Die Rz 2064 Satz 3 (vgl. auch 2084.1) und 2069.1 Satz 4 der vom Bundesamt für Sozialversicherung herausgegebenen Wegleitung über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen in der AHV, IV und EO (WSN; in der seit 1. Januar 1997 geltenden Fassung), welche für das ganze Kalenderjahr der Heirat, Scheidung oder Verwitwung eine Beitragspflicht auf Grund des individuellen Vermögens und Renteneinkommens vorsehen, sind verordnungswidrig. - Fall der Eheauflösung. Solange die Ehegatten verheiratet sind (d.h. auch in den letzten, im Kalenderjahr der Eheauflösung liegenden Monaten), bemessen sich ihre Beiträge auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens ( Art. 28 Abs. 4 AHVV ). - Neueinschätzung Nichterwerbstätiger nach Zivilstandswechsel. Bei Nichterwerbstätigen setzt die Vornahme einer Neueinschätzung im Sinne eines qualitativen Erfordernisses voraus, dass das Vermögen oder Renteneinkommen zufolge eines den in Art. 25 Abs. 1 AHVV erwähnten Gründen entsprechenden Sachverhaltes ändert. Die Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Tod wird den in Art. 25 Abs. 1 AHVV geregelten Tatbeständen gleichgestellt.
Sachverhalt ab Seite 423 BGE 126 V 421 S. 423 A.- Der am 3. April 1935 geborene R. trat am 1. Januar 1996 vorzeitig in den Ruhestand, weshalb er sich am 6. Februar 1996 bei der Ausgleichskasse Basel-Landschaft als Nichterwerbstätiger anmeldete und seine Beitragspflicht erfüllte. Mit Schreiben vom 25. Februar 1998 teilte er der Kasse mit, dass seine Ehefrau A. am 2. Februar 1998 verstorben sei. Am 13. März 1998 erliess die Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes zwei Verfügungen über die von R. und A. im Jahre 1998 geschuldeten Beiträge. In der ersten eröffnete sie R., dass er für seine verstorbene Ehefrau Beiträge in der Höhe von Fr. 925.80 für die Monate Januar und Februar 1998 (zuzüglich Verwaltungskosten) zu leisten habe. In der zweiten wurde seine Beitragsschuld für das gesamte Jahr 1998, aufgeteilt in die Monate Januar und Februar (Fr. 1'279.20) einerseits sowie März bis Dezember (8'416 Franken) andererseits, auf Fr. 9'695.20 (zuzüglich Verwaltungskosten) festgesetzt. Mit Schreiben vom 23. März 1998 machte R. die Kasse darauf aufmerksam, dass seine Beitragsschuld für die Monate Januar und Februar (Fr. 1'279.20) gemäss den Verfügungen höher sei als diejenige seiner verstorbenen Ehefrau (Fr. 925.80), was gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstosse. Nach einer Überprüfung der Beitragsermittlung erliess die Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes am 3. April 1998 eine neue Verfügung, mit welcher sie von R. für das (ganze) Jahr 1998 den Maximalbeitrag von 10'100 Franken (zuzüglich Verwaltungskosten) forderte. B.- R. erhob hiegegen Beschwerde, wobei er sinngemäss beantragte, es seien die Beiträge für die Zeit während der Ehe (Januar und Februar 1998) auf der Grundlage der Hälfte des ehelichen Vermögens und des Renteneinkommens zu erheben und es sei erst ab März 1998 als Berechnungsgrundlage sein individuelles Vermögen und Renteneinkommen heranzuziehen. Mit Entscheid vom 28. Juli 1999 hiess das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerde gut. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) das Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben. R. beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes schliesst sich den in der Beschwerdeschrift des BSV enthaltenen Ausführungen an und verzichtet auf eine eigene Stellungnahme. BGE 126 V 421 S. 424 Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Im Rahmen des vorliegenden Streites um die von R. im Jahre 1998 geschuldeten Beiträge stellt sich die Frage, wie die Beiträge nichterwerbstätiger Versicherter im Kalenderjahr, in welchem die Ehe aufgelöst wird, zu bemessen sind. Während nach Auffassung der Ausgleichskasse und des Beschwerde führenden BSV das individuelle massgebende Vermögen im ganzen Kalenderjahr der Scheidung oder Verwitwung die Berechnungsgrundlage bildet, halten es Beschwerdegegner und Vorinstanz für richtig, erst ab dem der Auflösung der Ehe folgenden Monat vom individuellen Vermögen und Renteneinkommen und für die vorangehende Zeit von der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens auszugehen. 2. (Eingeschränkte Kognition; vgl. BGE 126 V 149 Erw. 3) 3. a) Gemäss dem - durch die 10. AHV-Revision unverändert gelassenen - Art. 10 Abs. 1 AHVG bezahlen Nichterwerbstätige je nach ihren sozialen Verhältnissen einen AHV-Beitrag von 324 - 8'400 Franken im Jahr. Gestützt auf Abs. 3 erlässt der Bundesrat nähere Vorschriften über die Bemessung der Beiträge. Im diesbezüglich unveränderten Art. 28 Abs. 1 AHVV bestimmte der Bundesrat, dass sich die Beiträge der Nichterwerbstätigen, für die nicht der jährliche Mindestbeitrag vorgesehen ist ( Art. 10 Abs. 2 AHVG ), auf Grund ihres Vermögens und Renteneinkommens bemessen. Auf 1. Januar 1997 wurde neu Abs. 4 in Art. 28 AHVV mit folgendem Wortlaut eingefügt: "Ist eine verheiratete Person als Nichterwerbstätige beitragspflichtig, so bemessen sich ihre Beiträge auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens." Das Eidg. Versicherungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass die Beitragsbemessung auf Grund des Renteneinkommens gemäss Art. 28 AHVV gesetzmässig ist ( BGE 105 V 243 Erw. 2; ZAK 1984 S. 484; vgl. auch AHI 1994 S. 169 Erw. 4a). In BGE 125 V 221 hat es diese Rechtsprechung bestätigt und die hälftige Anrechnung des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens gemäss Art. 28 Abs. 4 AHVV als gesetz- und verfassungsmässig erklärt. b) Art. 29 AHVV sieht vor, dass der Jahresbeitrag in der Regel für eine Beitragsperiode von zwei Jahren (Abs. 1) auf Grund des durchschnittlichen Renteneinkommens einer ebenfalls zweijährigen (das zweite und dritte der Beitragsperiode vorangehende Jahr umfassenden) Berechnungsperiode und auf Grund des Vermögens festzusetzen ist, wobei der Stichtag für die Vermögensbestimmung in BGE 126 V 421 S. 425 der Regel der 1. Januar des Jahres vor der Beitragsperiode ist (Abs. 2). Gemäss Art. 29 Abs. 3 AHVV (in der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung) ermitteln die kantonalen Steuerbehörden das für die Beitragsberechnung Nichterwerbstätiger massgebende Vermögen auf Grund der betreffenden rechtskräftigen kantonalen Veranlagung, wobei sie die interkantonalen Repartitionswerte berücksichtigen. Für die Beitragsfestsetzung nach den Absätzen 1-3 gelten die Art. 22-27 AHVV sinngemäss ( Art. 29 Abs. 4 AHVV ). 4. a) Die Ausgleichskasse stützte sich in ihrer Verfügung vom 3. April 1998, wie sich der im kantonalen Verfahren eingereichten Vernehmlassung entnehmen lässt, auf Rz 2064 (Satz 3) und 2069.1 (Satz 4) der vom BSV herausgegebenen Wegleitung über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen in der AHV, IV und EO (WSN) in der seit 1. Januar 1997 gültigen Fassung. Diese schreiben ihr (in für sie verbindlicher Weise) vor, im Kalenderjahr der Heirat, Scheidung oder Verwitwung für die Bemessung der als Nichterwerbstätiger geschuldeten Beiträge auf das individuelle Vermögen und Renteneinkommen abzustellen. b) Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, wie die Beiträge von verheirateten Nichterwerbstätigen für diejenigen Jahre festzusetzen seien, in welchen die Ehe geschlossen oder durch Scheidung oder Verwitwung aufgelöst werde, sei nicht durch eine gesetzliche Bestimmung, sondern einzig durch die WSN geregelt. Die Art. 28 und 29 AHVV unterschieden zwischen verheirateten und unverheirateten Versicherten und sähen für die Dauer der Ehe eine je hälftige Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen vor. Dass die Tatsache des Bestandes einer Ehe im Jahr ihrer Auflösung durch Tod eines Ehegatten für die Berechnung irrelevant sei, lasse sich weder Gesetz noch Verordnung entnehmen. Auch die in der Literatur zu findende Begründung, die Weisung des BSV rechtfertige sich unter Hinweis auf die Regelung des Einkommenssplitting nach Art. 29quinquies AHVG in Verbindung mit Art. 50b AHVV , wonach für die Jahre des Eheschlusses und der Auflösung der Ehe keine Teilung des Vermögens vorgenommen werde, sei mangels ausreichenden Zusammenhanges der geregelten Materie unbeachtlich. In Anwendung der relevanten Bestimmungen seien deshalb die Beiträge des Versicherten für die Monate Januar und Februar 1998 gemäss Art. 28 Abs. 4 AHVV auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und anrechenbaren Renteneinkommens, von März bis Dezember auf Grund des gesamten Vermögens und Renteneinkommens zu berechnen. BGE 126 V 421 S. 426 c) Das Beschwerde führende BSV vertritt, wie die Ausgleichskasse, die Auffassung, dass die Eheleute in den Jahren der Zivilstandsänderung individuell zu betrachten seien. Die Bestimmung des Art. 28 Abs. 4 AHVV sei (wie jene des Art. 3 Abs. 3 AHVG ) nur auf diejenigen Nichterwerbstätigen anwendbar, welche das ganze Kalenderjahr verheiratet seien. Dem Ausschluss der Beitragsbemessung nach Art. 28 Abs. 4 AHVV für die Kalenderjahre der Eheschliessung und -auflösung liege der Gedanke zu Grunde, dass die zivilrechtliche Beistandspflicht nur während der Ehe bestehe. Wenn und solange diese nicht in Anspruch genommen werden könne, solle die "arme" Ehefrau nicht Beiträge nach den sozialen Verhältnissen des "reichen" Ehemannes bezahlen müssen und umgekehrt. Ausserdem würden nach Art. 29quinquies Abs. 3 AHVG in Verbindung mit Art. 50b Abs. 3 AHVV nur ganze Kalenderjahre gesplittet. In Bezug auf das Renteneinkommen gebiete sich das erwähnte Resultat noch aus einem anderen Grund: Alimente könnten bei der sie empfangenden Person nur dann als Renteneinkommen angerechnet werden, wenn diese getrennt von der Person behandelt werde, welche jene ausrichtet. Für die Bemessung des individuellen Vermögens seien im Kalenderjahr der Heirat die allgemeinen Regeln massgebend (vgl. Rz 2080 WSN), während bei Auflösung der Ehe auf das Datum der Scheidung oder der Verwitwung abzustellen sei. Das in Anschlag zu nehmende Renteneinkommen sei das der beitragspflichtigen Person im Kalenderjahr der Scheidung oder Verwitwung tatsächlich zufliessende. Diese Regelung sei denn auch in die WSN (Rz 2043, 2064, 2069.1 und 2084.1) aufgenommen worden. d) Nach Auffassung des Beschwerdegegners hat die Weisung des BSV an Willkür grenzende Ergebnisse zur Folge. In seiner Stellungnahme legt er dar, dass seine Veranlagung als Witwer für das ganze Jahr 1998 (Beitragsschuld: 10'100 Franken) - nach Stornierung des während der Dauer der Ehe geschuldeten Beitrages von Fr. 925.80 - zu einer Nachbelastung von Fr. 757.55 (10'100 Franken, abzüglich Fr. 925.80, abzüglich Fr. 8'416.65) führe, für welche es keinen plausiblen Grund gebe. Mit dem Tod seiner Frau sei die Ehe erloschen und er könne als Witwer nicht noch einmal für etwas beitragspflichtig werden, wofür er bereits als Verheirateter belangt worden sei. Zu noch stossenderen Resultaten würde das Berechnungsmodell führen, wenn seine Ehefrau bei gleicher Berechnungsbasis im November gestorben wäre (Nachbelastung von Fr. 4'166.25) oder wenn eine verheiratete Person bei maximaler BGE 126 V 421 S. 427 Beitragspflicht beider Partner im Februar (keine Nachbelastung) oder bei einer Ehepaarbeitragssumme von 4'800 Franken im November sterbe (Nachbelastung von fast 50%). 5. a) Verwaltungsweisungen sind für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlich. Es soll sie bei seiner Entscheidung mit berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Es weicht anderseits insoweit von Weisungen ab, als sie mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sind ( BGE 125 V 379 Erw. 1c, BGE 123 V 72 Erw. 4a, BGE 122 V 253 Erw. 3d, 363 Erw. 3c, je mit Hinweisen). Als blosse Auslegungshilfe bieten Verwaltungsweisungen keine Grundlage, um zusätzliche einschränkende materiellrechtliche Anspruchserfordernisse aufzustellen ( BGE 109 V 169 Erw. 3b). b) Die WSN sieht in Rz 2064 Satz 3 (vgl. auch 2084.1) und 2069.1 Satz 4 vor, dass bei verheirateten Versicherten im Kalenderjahr der Heirat, Scheidung oder Verwitwung das individuelle Vermögen und Renteneinkommen die Grundlage für die Beitragsbemessung bildet, d.h. mit anderen Worten, dass die Beiträge von verheirateten Nichterwerbstätigen im ganzen Jahr der Eheschliessung und -auflösung - d.h. auch in den ersten und letzten Monaten der Ehe - nach den für unverheiratete Nichterwerbstätige geltenden Regeln (vgl. Art. 28 Abs. 1 AHVV ) zu erheben sind. Wegen der damit statuierten Nichtanwendbarkeit der für verheiratete Nichterwerbstätige geltenden Regeln auf die ersten und letzten Ehemonate stehen die erwähnten Randziffern der WSN mit Art. 28 Abs. 4 AHVV , gemäss welcher Bestimmung sich die Beiträge von verheirateten, als Nichterwerbstätige beitragspflichtigen Personen auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens bemessen, nicht im Einklang. Soweit das Beschwerde führende Bundesamt geltend macht, dass der in der WSN verankerten Regelung der Gedanke zu Grunde liege, dass die zivilrechtliche Beitragspflicht nur während der Ehe bestehe und die "arme" Ehefrau nicht Beiträge nach den sozialen Verhältnissen des "reichen" Ehemannes bezahlen müsse (und umgekehrt), ist darauf hinzuweisen, dass die auf Art. 28 Abs. 4 AHVV abgestützte Lösung der Vorinstanz diesem Gedanken konsequent Rechnung trägt, indem sobald und solange die eheliche Beistandspflicht ( Art. 159 Abs. 3 ZGB ) zum Tragen kommt - nämlich während der ganzen Ehedauer - die Beiträge auf der Grundlage der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens erhoben werden. BGE 126 V 421 S. 428 Nicht zu überzeugen vermag im Weitern auch das vom BSV angeführte Argument der Berücksichtigung von Alimenten im Scheidungsfalle. Denn tritt die Beitragspflicht auf Grund des individuellen Vermögens und Renteneinkommens ein, sobald die Ehe (rechtskräftig) geschieden ist, unterliegen die darin festgesetzten Unterhaltszahlungen von diesem Zeitpunkt an als Renteneinkommen der Beitragspflicht. Mit der vorliegenden Frage in keinem Zusammenhang steht schliesslich der Hinweis des BSV auf das im Rahmen der Leistungsberechnung massgebende Splitting gemäss Art. 29quinquies Abs. 3 AHVV in Verbindung mit Art. 50b Abs. 3 AHVG , weshalb auch daraus nichts abgeleitet werden kann. c) Sind die erwähnten Randziffern der WSN, auf welche das Beschwerde führende Bundesamt und die Ausgleichskasse sich abstützen, insoweit verordnungswidrig, als sie im ganzen Jahr der Verwitwung (wie auch der hier nicht näher interessierenden Heirat oder Scheidung) eine Beitragspflicht auf Grund des individuellen Vermögens und Renteneinkommens vorsehen, ist ihnen die Anwendung im vorliegenden Fall zu versagen. 6. a) Die Beiträge des Beschwerdegegners sind demnach für die Monate Januar und Februar 1998 nach den für verheiratete Nichterwerbstätige geltenden Regeln zu bemessen, d.h. auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens ( Art. 28 Abs. 4 AHVV ), wovon die Vorinstanz zutreffend ausgegangen ist. Zu prüfen bleibt die Bemessungsgrundlage für die in der Zeit nach der Verwitwung (ab März 1998) geschuldeten Beiträge. b) Gemäss Art. 25 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 29 Abs. 4 AHVV kann bei Nichterwerbstätigen, deren Vermögenslage oder Renteneinkommen zufolge eines den in der erstgenannten Bestimmung erwähnten Gründen entsprechenden Sachverhaltes ändert, die Festsetzung der Beiträge im ausserordentlichen Verfahren erfolgen. Nach der Verwaltungspraxis kommt indessen die ausserordentliche Beitragsfestsetzung bei Nichterwerbstätigen nur in Frage, wenn aus der Vermögens- oder Einkommensveränderung ein um mindestens 25% verminderter oder erhöhter Beitrag resultiert (Art. 25 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 29 Abs. 4 AHVV ; Rz 2091 WSN; BGE 105 V 117 ; nicht veröffentlichtes Urteil H. vom 20. März 1998). Das Eidg. Versicherungsgericht hat diese Praxis ausdrücklich als nicht gesetzeswidrig erklärt und daher nicht beanstandet ( BGE 105 V 119 ). c) Die Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Tod stellt bei Nichterwerbstätigen eine den in Art. 25 Abs. 1 AHVV für Selbstständigerwerbende erwähnten Tatbeständen gleichzustellende BGE 126 V 421 S. 429 Grundlagenänderung dar, welche die Anwendung des ausserordentlichen Verfahrens rechtfertigt. Die Ausgleichskasse wird daher zu prüfen haben, welche Beitragsschuld resultiert bei einer Bemessung auf der Grundlage des Renteneinkommens und des Vermögens, das dem Beschwerdegegner nach dem Tod seiner Ehefrau - nach Durchführung der erb- und güterrechtlichen Auseinandersetzung - zusteht, welcher Wert sich auf Grund der vorliegenden Akten nicht in zuverlässiger Weise ermitteln lässt. Beträgt die Differenz zur Beitragshöhe vor der Verwitwung mindestens 25%, sind die Beiträge des Beschwerdegegners im ausserordentlichen Verfahren neu festzusetzen. Andernfalls bleibt für die von der Vorinstanz sinngemäss für richtig befundene Anwendung des ausserordentlichen Verfahrens kein Raum.
null
nan
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CH
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Urteilskopf 136 IV 1 1. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. A.X. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Beschwerde in Strafsachen) 6B_390/2009 vom 14. Januar 2010
Regeste Art. 47 Abs. 1 StGB ; Strafzumessung, Vorstrafenlosigkeit. Die Vorstrafenlosigkeit wirkt sich bei der Strafzumessung grundsätzlich neutral aus und ist deshalb nicht strafmindernd zu berücksichtigen. Ausnahmsweise darf sie in die Beurteilung der Täterpersönlichkeit einbezogen werden, die als Täterkomponente strafmindernd ins Gewicht fallen kann, sofern die Straffreiheit auf eine aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist. Eine solche ist wegen der Gefahr ungleicher Behandlung nicht leichthin anzunehmen (Änderung der Rechtsprechung; E. 2.6).
Erwägungen ab Seite 2 BGE 136 IV 1 S. 2 Aus den Erwägungen: 2.6 2.6.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorstrafenlosigkeit sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz strafmindernd zu werten. 2.6.2 Nach der bisher publizierten Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das Fehlen von Vorstrafen zwingend strafmindernd zu berücksichtigen ( BGE 98 IV 124 E. 11 S. 131; 96 IV 155 E. III.2 S. 179; BGE 92 IV 118 S.121). Auch die neuere unpublizierte Praxis tendiert zur Bejahung dieser Frage (beispielsweise: Urteile 6B_460/2008 vom 26. Dezember 2008 E. 5.3; 6B_455/2008 vom 26. Dezember 2008 E. 5.3; 6B_521/2008 vom 26. November 2008 E. 6.2 und 6.4; 6B_507/2008 vom 26. November 2008 E. 6.2 und 6.4). Es findet sich in der Vergangenheit zumindest vereinzelt aber auch die gegenteilige Ansicht (Urteile 6S.85/2006 vom 27. Juni 2006 E. 2.4; 6S.467/2004 vom 11. Februar 2005 E. 2.2.1; 6S.62/2001 vom 14. Juni 2001 E. 1d; 6S.684/2000 vom 22. März 2001 E. 3c/cc). Weist ein Täter Vorstrafen auf, wird dies straferhöhend gewichtet ( BGE 121 IV 3 E. 1b S. 5 und 1c/dd S. 8 ff.; Urteile 6B_765/2008 vom 7. April 2009 E. 2.1.2; 6B_538/2007 vom 2. Juni 2008 E 3.2.3.1, nicht publ. in: BGE 134 IV 42 ; 6S.263/2002 vom 27. Oktober 2003 E. 6.2.4, nicht publ. in: BGE 129 IV 338 ). Die bisherige Rechtsprechung bedeutet, dass eine Vorstrafe grundsätzlich automatisch zu einer Straferhöhung, deren Fehlen dagegen zu einer Strafminderung führt. Eine neutrale Gewichtung fehlt, was an sich wenig überzeugend ist. Unbefriedigend erweist sich überdies, dass die Vorstrafenlosigkeit in der Regel undifferenziert berücksichtigt wird. Bei einem Straftäter, der eben erst mündig geworden ist, stellt sie keine besondere Leistung dar, wogegen der Umstand, nie verurteilt worden zu sein, bei einer älteren Person durchaus anzuerkennen ist. Das Beispiel zeigt, dass Vorstrafen bzw. deren Fehlen nicht ohne Bezug auf die konkreten Umstände bewertet werden sollten. Ist von einem Straftäter kein Strafregisterauszug erhältlich, so wird er als Ersttäter verurteilt, auch wenn er in der Vergangenheit bereits bestraft werden musste. Damit kommt er in den Genuss einer nicht gerechtfertigten Privilegierung, sofern die verschuldensangemessene Strafe wegen Vorstrafenlosigkeit reduziert wird. 2.6.3 Die bisherige Rechtsprechung (vgl. E. 2.6.2) zur Berücksichtigung von Vorstrafen in der Strafzumessung wird durch den BGE 136 IV 1 S. 3 revidierten allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches zusätzlich in Frage gestellt. Einträge im Strafregister sind nach einer gewissen Zeit aus dem Strafregister zu entfernen. Diese Fristen betragen je nach Deliktsschwere zwischen 10 und 20 Jahren ( Art. 369 Abs. 1 StGB ). Nach der Entfernung darf die Eintragung nicht mehr rekonstruierbar sein und das entfernte Urteil dem Betroffenen nicht mehr entgegengehalten werden ( Art. 369 Abs. 7 StGB ). Das Bundesgericht hat sich deshalb entgegen seiner früheren Rechtsprechung für ein Verwertungsverbot gelöschter Strafregistereinträge im Rahmen der Strafzumessung und der Prognosebeurteilung ausgesprochen ( BGE 135 IV 87 E. 2.4 S. 91 f. mit Hinweisen). Diese Verwertungseinschränkung ist gerechtfertigt, da die Vortaten aufgrund der grosszügig bemessenen Entfernungsfristen (vgl. Art. 369 Abs. 1 StGB ) Jahrzehnte zurückliegen. Nach Ablauf dieser Fristen sind die Rehabilitierungs- und Resozialisierungsinteressen des Betroffenen von Gesetzes wegen schwerer zu gewichten als die öffentlichen Informations- und Strafbedürfnisse ( BGE 135 IV 87 E. 2.4 S. 92 mit Hinweisen). Personen, deren Vorstrafen im Strafregister gelöscht wurden, gelten somit als nicht vorbestraft. Dies führt zum unbefriedigenden Ergebnis, dass der Täter gleich behandelt werden müsste wie derjenige, der sich tatsächlich noch nie vor Gericht zu verantworten hatte. Er erhielte eine niedrigere Strafe mit der an sich unzutreffenden Begründung, noch nie bestraft worden zu sein. Das registerrechtliche Fehlen von Vorstrafen ist deshalb nach neuem Recht alleine nicht mehr aussagekräftig genug, um eine Privilegierung im Strafmass zu rechtfertigen. 2.6.4 Unter diesen Umständen kann an der bisherigen Rechtsprechung nicht festgehalten werden. In der Bevölkerung hat es als Normalfall zu gelten, (kriminell) nicht vorbestraft zu sein. Die Vorstrafenlosigkeit ist deshalb neutral zu behandeln, also bei der Strafzumessung nicht zwingend strafmindernd zu berücksichtigen. Dies schliesst nicht aus, sie ausnahmsweise und im Einzelfall in die Gesamtbeurteilung der Täterpersönlichkeit einzubeziehen, was sich allenfalls strafmindernd auswirken kann. Vorausgesetzt ist jedoch, dass die Straffreiheit auf eine aussergewöhnliche Gesetzestreue hinweist. Eine solche darf wegen der Gefahr ungleicher Behandlung nicht leichthin angenommen werden, sondern hat sich auf besondere Umstände zu beschränken. Zu denken ist beispielsweise an den Berufschauffeur, der sich als Ersttäter wegen eines BGE 136 IV 1 S. 4 Strassenverkehrsdeliktes strafrechtlich zu verantworten hat, obschon er seit vielen Jahren täglich mit seinem Fahrzeug unterwegs ist. Derartige Umstände werden im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht und liegen offensichtlich auch nicht vor. Dass die Beschwerdeführerin nicht vorbestraft ist, kann ihr deshalb nicht strafmindernd angerechnet werden. Die entsprechende Rüge ist unbegründet.
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Urteilskopf 99 IV 15 5. Entscheid der Anklagekammer vom 1. Juni 1973 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau gegen Staatsanwaltschaften der Kantone Luzern und Zürich.
Regeste Gerichtsstand. 1. Art. 350 Ziff. 1 StGB . Handlungen, die in Abwesenheit des Beschuldigten bereits beurteilt wurden, sind bei der Bestimmung des Gerichtsstandes zu berücksichtigen, wenn der Richter darüber auf Verlangen des Beschuldigten neu urteilen muss (Erw. 1). 2. Art. 263 BStP . Gründe, die ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand rechtfertigen (Erw. 2 und 3).
Sachverhalt ab Seite 15 BGE 99 IV 15 S. 15 A.- Gegen den deutschen Staatsangehörigen Paul Baldur Pelka ist im Kanton Zürich ein Strafverfahren hängig. Nachdem der Beschuldigte am 24. Juli 1972 aus der Untersuchungshaft entwichen war, verurteilte ihn das Obergericht des Kantons Zürich am 5. Oktober 1972 in Abwesenheit wegen Einbruchsdiebstahls und anderer Handlungen zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus, auf die es ihm 380 Tage Untersuchungshaft anrechnete. Am 10. Februar 1973 wurde Pelka im Kanton Thurgau verhaftet. Er verlangte die Aufhebung des Urteils und die Durchführung des ordentlichen Verfahrens. Das Obergericht setzte die Verhandlung zur Neubeurteilung der Sache auf den 28. Juni 1973 an. Vom 25. Juli 1972 bis am 8. Februar 1973 soll Pelka weitere Diebstähle und Diebstahlsversuche begangen haben, meistens in Verbindung mit Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung durch Einbrechen in Häuser. Die Tatorte befinden sich in neun Fällen von Diebstahl und zwei Fällen von Diebstahlsversuch im Kanton Luzern, in einem Falle von Diebstahlsversuch BGE 99 IV 15 S. 16 im Kanton Zürich, in vier Fällen von Diebstahlsversuch und zwanzig Fällen von Diebstahl im Kanton Thurgau und in vier Fällen von Diebstahl im Kanton Schaffhausen. Die ersten Strafanzeigen wegen solcher Verbrechen gingen am 25. Juli 1972 im Kanton Luzern ein. Daneben wird Pelka einiger Handlungen beschuldigt, die mit geringerer Strafe bedroht sind (Entwendung eines Motorfahrzeuges zum Gebrauch, Führen ohne Führerausweis, Fälschung von Pässen usw.). B.- Die Behörden der Kantone Thurgau, Luzern und Zürich streiten darüber, welcher Kanton Pelka für die seit seiner Entweichung vom 24. Juli 1972 begangenen strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen habe. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau beantragt der Anklagekammer des Bundesgerichts mit Eingabe vom 25. Mai 1973, die Behörden des Kantons Luzern, eventuell jene des Kantons Zürich zuständig zu erklären. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: 1. Die Handlungen, die das Obergericht des Kantons Zürich am 5. Oktober 1972 in Abwesenheit des Beschuldigten beurteilte, fallen für die Bestimmung des Gerichtsstandes mit in Betracht. Pelka ist ihretwegen noch immer im Sinne von Art. 350 Ziff. 1 StGB verfolgt, denn das Urteil ist auf sein Verlangen dahingefallen, und diese Taten werden im ordentlichen Verfahren neu zu beurteilen sein (§ 197 Abs. 1 zürch. StPO). AusBGE 70 IV 92ergibt sich nicht, dass die Verfolgung als mit dem 5. Oktober 1972 abgeschlossen zu gelten habe. Die Anklagekammer hat in diesem Präjudiz nur entschieden, die Erhebung der Anklage nach der zürcherischen Strafprozessordnung schliesse die Anwendung von Art. 350 Ziff. 1 StGB nicht aus, der Beschuldigte sei solange im Sinne dieser Bestimmung verfolgt, als seine Tat nicht gerichtlich beurteilt sei. Unter dem gerichtlichen Urteil ist der die Strafverfolgung beendende Entscheid zu verstehen. Ein in Abwesenheit des Angeklagten gefälltes Urteil erfüllt diese Voraussetzung jedenfalls dann nicht mehr, wenn es auf Verlangen des Verurteilten dahingefallen ist, mit der Folge, dass der Richter neu urteilen muss. Zur Verfolgung und Beurteilung aller dem Beschuldigten vorgeworfenen strafbaren Handlungen des eidgenössischen Rechts sind somit an sich die Behörden des Kantons Zürich BGE 99 IV 15 S. 17 zuständig, da die erste Untersuchung wegen Einbruchsdiebstahls in diesem Kanton angehoben wurde ( Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ). 2. Dieser Gerichtsstand ist jedoch unzweckmässig. Der Kanton Zürich hätte entweder die Neubeurteilung der Handlungen, die Gegenstand des Kontumazialverfahrens bildeten, bis nach dem Abschluss der Untersuchung über die neu entdeckten Handlungen auszusetzen und nachher über alle ein einziges Urteil zu fällen, oder er müsste - was das Strafgesetzbuch, namentlich Art. 350 Ziff. 1, nicht verböte ( BGE 97 IV 55 /56 und dort erwähnte Entscheide) - die neu entdeckten Handlungen in ein besonderes Verfahren verweisen und für sie eine Zusatzstrafe ausfällen. Das eine wie das andere Vorgehen kann ihm nicht zugemutet werden, da von den zahlreichen neu entdeckten Verbrechen nur ein einziges im Kanton Zürich ausgeführt worden ist. Diese Handlung, ein Diebstahlsversuch, ist zudem mit geringerer Strafe bedroht als die vollendeten Diebstähle. Aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 18. Mai 1973 ist zu schliessen, dass die zürcherischen Behörden wahrscheinlich aus prozessökonomischen Gründen die Verfahren über die alten und die neuen Handlungen nicht vereinigen würden. Es käme also zur Ausfällung einer Zusatzstrafe. Eine solche kann aber ebenso gut in einem anderen der beteiligten Kantone verhängt werden. Die Verlegung des Gerichtsstandes in einen dieser Kantone hat den Vorteil, dass die meisten der neu entdeckten Handlungen in jenem Gebiet beurteilt werden können, wo Pelka sie ausgeführt hat. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau führt denn auch selber aus, ihres Erachtens habe die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich anlässlich einer telephonischen Rücksprache zu Recht an der im Schreiben vom 18. Mai vertretenen Meinung festgehalten. Es rechtfertigt sich unter diesen Umständen, gemäss Art. 263 BStP den Gerichtsstand zur Verfolgung und Beurteilung der seit dem 25. Juli 1972 ausgeführten strafbaren Handlungen anders zu bestimmen, als es nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB geschehen müsste. 3. Da von der gesetzlichen Regel abzuweichen ist, kann es vernünftigerweise nur zulasten des Kantons Thurgau, nicht zulasten des Kantons Luzern geschehen. Von den neu entdeckten Diebstählen und Diebstahlsversuchen sind 24 im Kanton Thurgau und nur 11 im Kanton Luzern ausgeführt BGE 99 IV 15 S. 18 worden. Gewiss wurden die ersten Untersuchungen wegen dieser Handlungen im Kanton Luzern angehoben. Darauf kommt aber schon deshalb nichts an, weil der Grundsatz der Prävention (Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2), der zum Gerichtsstand Zürich führen würde, ohnehin verlassen wird. Die Untersuchungen der im Kanton Luzern angezeigten Handlungen sind zudem nicht über die ersten polizeilichen Ermittlungen hinaus gediehen. Es bestehen keine prozessökonomischen Gründe, den Gerichtsstand Luzern vorzuziehen, weil in diesem Kanton ein Diebstahlsversuch schon am 26. Juli und zwei Diebstähle am 31. Juli bzw. 28. August 1972 angezeigt wurden, die erste Anzeige im Kanton Thurgau dagegen erst am 24. September 1972 einging. Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: Das Gesuch wird abgewiesen, und die Behörden des Kantons Thurgau werden zuständig erklärt, Paul Baldur Pelka für alle seit seiner Entweichung vom 24. Juli 1972 ausgeführten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
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Urteilskopf 124 V 351 59. Urteil vom 19. Oktober 1998 i.S. Helsana Versicherungen AG gegen M. und Obergericht des Kantons Schaffhausen
Regeste Art. 25 ff., Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG ; Art. 18 lit. c Ziff. 7 KLV : Zahnärztliche Behandlung infolge schwerer psychischer Erkrankung mit konsekutiver schwerer Beeinträchtigung der Kaufunktion. Grundsätzliche und umfangmässige Leistungspflicht für zahnärztliche Behandlungen bei Bulimie und Anorexia nervosa. Die Empfehlungen in dem von der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO herausgegebenen Atlas der Erkrankungen mit Auswirkungen auf das Kausystem sind für den Sozialversicherungsrichter nicht verbindlich.
Sachverhalt ab Seite 351 BGE 124 V 351 S. 351 A.- M. (geb. 1970) ist bei der Helsana Versicherungen AG krankenversichert. Ende August 1996 stellte Dr. med. dent. S. der Krankenkasse Rechnung für durchgeführte Zahnbehandlungen im Betrage von Fr. 731.60. Der Zahnarzt unterbreitete sodann der Krankenkasse einen auf den 26. August 1996 datierten Kostenvoranschlag von Fr. 4'160.20 für weitere Zahnbehandlungen. Dr. med. E. diagnostizierte im Zeugnis vom 18. August 1996 eine Anorexia nervosa sowie eine Bulimie und erklärte, durch dieses Grundleiden sei ein ausgedehnter Zahnschaden entstanden. Aus seiner Sicht handle es sich nicht primär um eine Zahnerkrankung, sondern um ein psychosomatisches Leiden und seine Folgen. Die Helsana lehnte die Übernahme der Kosten für die im Voranschlag vorgesehene Behandlung ab, da es sich nicht um eine Pflichtleistung handle (Vorbescheid vom 18. Oktober 1996, Verfügung vom 11. Februar 1997, Einspracheentscheid vom 25. März 1997). BGE 124 V 351 S. 352 B.- Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hiess die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 28. November 1997 gut und verpflichtete die Helsana, die Kosten für die zahnärztliche Behandlung gemäss Kostenvoranschlag von Dr. med. dent. S. "im Rahmen der geltenden Tarife" zu übernehmen. C.- Die Helsana erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der Vorinstanz sei aufzuheben. Sie führt aus, es werde von keiner Seite bestritten, dass die Anorexia nervosa und die Bulimie zu den neuropsychischen Störungen gehörten, die von der Krankenpflege-Leistungsverordnung erfasst seien. Ebenso sei unbestritten, dass die Versicherte an diesen Essstörungen leide. Indessen seien die zahnärztlichen Massnahmen in diesen Fällen auf die vom Atlas der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft (SSO-Atlas) empfohlenen Leistungen der professionellen Instruktion des Versicherten und auf Prophylaxemassnahmen, Fluoridierung und Recall mindestens zweimal jährlich beschränkt. Die zahnärztlichen Behandlungen würden so zusammen mit der psychiatrischen Betreuung einen Behandlungskomplex darstellen. Die von Dr. med. dent. S. im Voranschlag vorgesehene Behandlung beinhalte u.a. die definitive Sanierung mehrerer defekter Zähne und gehe weit über die Sicherstellung einer professionellen Zahnhygiene und Prophylaxe hinaus. Für diese Kosten habe sie nicht aufzukommen. M. und das Bundesamt für Sozialversicherung lassen sich nicht vernehmen. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Die Kosten für Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen, gelten als Pflichtleistung der obligatorischen Krankenversicherung ( Art. 25 ff. KVG ). Die Kosten der zahnärztlichen Behandlung dagegen werden von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nur übernommen, wenn diese - alternativ - durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems bedingt ist ( Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG ), durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt ist ( Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG ) oder zur Behandlung einer schweren Allgemeinerkrankung oder ihrer Folgen notwendig ist ( Art. 31 Abs. 1 lit. c KVG ). Zahnärzte und Zahnärztinnen sind für Leistungen nach Art. 31 den Ärzten und Ärztinnen gleichgestellt ( Art. 36 Abs. 3 KVG ). BGE 124 V 351 S. 353 b) In Art. 33 Abs. 2 und 5 KVG ist der Bundesrat beauftragt worden, u.a. die Leistungen nach Art. 31 Abs. 1 lit. a-c KVG für zahnärztliche Behandlungen näher zu bezeichnen oder diese Aufgabe dem Departement oder dem Bundesamt zu übertragen. Der Bundesrat hat von seiner Befugnis zur Übertragung der Aufgabe Gebrauch gemacht. Er hat das Departement (des Innern) beauftragt, die zahnärztlichen Behandlungen gemäss Art. 31 Abs. 1 KVG nach Anhören der zuständigen Kommission zu bezeichnen ( Art. 33 lit. d KVV ). Das Departement hat in der von ihm erlassenen Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) diese zahnärztlichen Behandlungen in den Art. 17-19a aufgelistet. Diese Liste ist abschliessend ( BGE 124 V 193 Erw. 4). c) Art. 18 KLV beschlägt die Pflichtleistungen des Krankenversicherers bei Folgezuständen schwerer Allgemeinerkrankungen gemäss Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG (konsekutive Behandlungen). Nach Art. 18 lit. c Ziff. 7 KLV sind die Kosten der zahnärztlichen Behandlung zu übernehmen, die durch schwere psychische Erkrankungen mit konsekutiver schwerer Beeinträchtigung der Kaufunktion bedingt sind. 2. a) Unbestritten ist, dass Anorexia nervosa und Bulimie zu den schweren psychischen Erkrankungen mit konsekutiver schwerer Beeinträchtigung der Kaufunktion gehören. Sie sind auch in dem von der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO herausgegebenen Bild-Atlas der Erkrankungen mit Auswirkungen auf das Kausystem enthalten (S. 160 f.). b) Eine schwere Beeinträchtigung der Kaufunktion muss vorliegendenfalls aufgrund der von Dr. med. dent. S. erhobenen Befunde und der von ihm vorgeschlagenen Sanierungsmassnahmen bejaht werden. c) Streitig ist die Frage, welche zahnärztlichen Massnahmen als Pflichtleistungen zu übernehmen sind. Die Beschwerdeführerin lässt nur die professionelle Instruktion der Versicherten sowie Prophylaxemassnahmen gelten, während sie die Sanierung von Zähnen, wie sie Dr. med. dent. S. veranschlagt hat und die sie als definitiv bezeichnet, davon ausnimmt. Die Vorinstanz dagegen hat erkannt, dass bei schon bestehenden Zahnschäden blosse Prophylaxemassnahmen zum Schutz vor weiteren Schäden nicht ausreichten. In diesem Fall bedürfe es im Rahmen der Behandlung der bereits eingetretenen Folgen auch "eigentlicher Zahnbehandlungen". Soweit die SSO-Empfehlungen solche Massnahmen grundsätzlich ausschlössen, seien sie mit Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG nicht vereinbar. BGE 124 V 351 S. 354 d) Nach Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG sind die Kosten der zahnärztlichen Behandlung zu übernehmen, wenn diese durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt ist. Dies bedeutet, dass die Kosten grundsätzlich für all jene Behandlungen zu übernehmen sind, welche als Folge der schweren Allgemeinerkrankung notwendig sind. Eine Beschränkung auf Massnahmen der Beratung hinsichtlich der Hygiene und der Prophylaxe, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, ist darin nicht enthalten. Im vorinstanzlichen Verfahren hat die Beschwerdeführerin noch damit argumentiert, dass nur jene zahnärztlichen Massnahmen darunter fielen, die zur Behandlung des Leidens, worunter sie das psychische Leiden verstanden hat, notwendig seien. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren hat sie diesen Standpunkt zu Recht nicht mehr vertreten. Im Gegensatz zu den zahnärztlichen Behandlungen gemäss Art. 31 Abs. 1 lit. c KVG , die im Hinblick auf die Behandlung der schweren Allgemeinerkrankung vorgenommen werden, erklärt Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG die Kosten jener zahnärztlichen Behandlungen zu Pflichtleistungen, die als Folge der schweren Allgemeinerkrankung notwendig werden. e) Zur Stützung ihres Standpunktes beruft sich die Beschwerdeführerin auf den SSO-Atlas. Dabei handelt es sich um Empfehlungen einer Berufsgruppe ohne jeglichen normativen Charakter. Sie sind für den Richter nicht verbindlich. Er kann sie bei seiner Entscheidung mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Er weicht anderseits von deren Inhalt ab, sofern sie mit den anwendbaren gesetzlichen Vorschriften nicht vereinbar sind. In den Empfehlungen zu Art. 18 lit. c Ziff. 7 KLV heisst es u.a., die eigentliche Zahnbehandlung sei nicht Bestandteil der Leistungspflicht nach KVG. Die "zahnärztliche Rekonstruktion" bzw. die "definitive Rekonstruktion zur Erhaltung der Kaufähigkeit" erfolge erst nach der Heilung des Grundleidens. Es ist unklar, ob unter den Begriffen der (definitiven) "Rekonstruktion" und der "eigentlichen Zahnbehandlung" Verschiedenes zu verstehen ist. In jedem Fall ist unklar, ob mit der "eigentlichen Zahnbehandlung" wirklich eine Behandlung gemeint ist, die als Folge der schweren Allgemeinerkrankung nötig ist. Sollte dies zutreffen, wären die Empfehlungen in diesem Punkte, wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, mit dem Gesetz nicht vereinbar. f) Die Behandlung muss, damit deren Kosten als Pflichtleistung vom Versicherer zu übernehmen sind, nicht nur notwendig, sondern nach BGE 124 V 351 S. 355 Art. 32 Abs. 1 KVG auch wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Daraus ergeben sich Anhaltspunkte dafür, welche zahnärztlichen Leistungen und wann sie zu erbringen sind. In zeitlicher Hinsicht werden in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin und den Empfehlungen des SSO-Atlasses zu Beginn in aller Regel Hygiene- und Prophylaxemassnahmen stehen. Was indessen die durch das psychische Leiden verursachten übrigen zahnärztlichen Massnahmen anbelangt, hängt deren zeitliche Priorität von den Umständen des Einzelfalles ab. Der im SSO-Atlas aufgestellte Grundsatz, dass bei psychisch bedingten schweren Allgemeinerkrankungen wie der Anorexia nervosa und der Bulimie die zahnärztliche Rekonstruktion erst nach der Heilung des Grundleidens zu erfolgen hat, liegt offenbar der grundsätzlich zutreffende Gedanke zugrunde, dass die Rekonstruktion erst einsetzen soll, wenn der Zufluss von Magensäure in die Mundhöhle aufgehört hat und die Rekonstruktion dadurch nicht wieder zunichte gemacht wird. Es sind indessen auch andere Umstände zu berücksichtigen wie z.B. die Behandlung von Zahnschmerzen, mit der nicht einfach zugewartet werden kann, sowie die Erhaltung der Kaufunktion des Versicherten, ferner auch das Bestreben, solche Schäden zu beheben, die sich verschlimmern und später nur noch mit unverhältnismässig hohen Kosten behoben werden können. Entscheidend ist allein, dass die erforderlichen zahnärztlichen Massnahmen klare Folge der schweren Allgemeinerkrankung sind. 3. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz (Erw. 2c) ist festzuhalten, dass keine Anhaltspunkte vorliegen, wonach die von Dr. med. dent. S. ins Auge gefasste Behandlung, deren Kosten im Streite liegen, diesen Anforderungen nicht zu genügen vermöchten.
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Urteilskopf 99 V 183 56. Urteil vom 20. Dezember 1973 i.S. Taffurelli gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
Regeste Art. 104 lit. a OG . - Verhältnis zwischen materiellem Sozialversicherungsrecht des Bundes und kantonalem Verfahrensrecht; Umfang der Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts (Erw. 1 und 2). - Eine kantonale Verfahrensbestimmung, wonach der Richter nicht über die Parteibegehren hinausgehen darf, ist im Anwendungsbereich des Art. 121 KUVG nicht bundesrechtswidrig (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 183 BGE 99 V 183 S. 183 A.- Am 17. August 1971 zog sich der bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versicherte italienische Staatsangehörige Peppino Taffurelli bei der Arbeit eine Verletzung des rechten Beins zu. Die zurückgebliebenen Folgen führte die SUVA teilweise auf eine Fraktur zurück, welche der Versicherte zwei Jahre vorher in Italien erlitten hatte. Nachdem die SUVA die Behandlungskosten übernommen und Krankengeld ausgerichtet hatte, das seit dem 7. Februar 1972 gemäss Art. 91 KUVG um 50% gekürzt war (rechtskräftige Verfügung vom 9. Mai 1972), sprach sie dem Versicherten am 27. März 1973 verfügungsweise eine Rente wegen 15%iger Invalidität zu, die sie ebenfalls nach Art. 91 um die Hälfte herabsetzte. B.- Peppino Taffurelli beschwerte sich gegen die Verfügung vom März 1973 beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern. Er machte geltend, der 1969 erlittene rechtsseitige Beinbruch sei im April 1970 vollständig ausgeheilt gewesen, und bemerkte: "Non seulement l'incapacité de travail estimée BGE 99 V 183 S. 184 à 15% est insuffisante par rapport aux lourds travaux que nécessite ma profession de sondeur, mais la réduction est encore moins acceptable." Hierauf ersuchte die Vorinstanz den Versicherten am 26. Juni 1973, innert 30 Tagen seine Rechtsbegehren zu nennen und einen Kostenvorschuss von Fr. 150.-- zu leisten. Damit verband sie die Androhung, dass bei unbenütztem Fristablauf Verzicht auf die Beschwerde angenommen und diese von der Geschäftskontrolle abgeschrieben werde. Peppino Taffurelli leistete fristgemäss den verlangten Vorschuss, kam aber der Aufforderung zur Bekanntgabe seiner Rechtsbegehren nicht nach. Das kantonale Verwaltungsgericht trat daher auf die Beschwerde nicht ein und überband dem Versicherten die Verfahrenskosten (Präsidialentscheid vom 7. August 1973). C.- Der Versicherte vertritt in der gegen diesen Entscheid gerichteten Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Auffassung, seine vorinstanzliche Beschwerde habe genaue Begehren enthalten: "il réfutait l'application de l'art. 91"; ferner habe er die Überprüfung der Invaliditätsschätzung verlangt. Diese beiden Anträge erneuert er vor dem Eidg. Versicherungsgericht. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen die Weigerung des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, auf die Beschwerde in einer Streitigkeit um Leistungen der SUVA einzutreten. Angefochten ist. also ein kantonaler Nichteintretensentscheid im Sinn des Art. 5 Abs. 1 lit. a VwG (Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG ). Nach der Rechtsprechung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Anwendung kantonalen Rechtes durch den vorinstanzlichen Richter zulässig, wenn dieser damit sozialversicherungsrechtliche Vorschriften des Bundes verletzt hat. Ein Nichteintretensentscheid, der sich auf kantonales Prozessrecht stützt, kann durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, wenn dieser Entscheid irrtümlich die Anwendung materiellen Bundesrechts verunmöglicht ( BGE 99 V 55 ). Das Eidg. Versicherungsgericht kann indessen die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts nicht frei überprüfen. Denn einmal ist es an die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung gebunden, wenn diese nicht offensichtlich mangelhaft ist BGE 99 V 183 S. 185 ( Art. 105 Abs. 2 OG ). Sodann beschränkt Art. 104 lit. a OG die Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, das heisst also sehr oft auf die Verletzung von Art. 4 BV (vgl. BGE 99 V 55 und 98 Ib 336). Letzteres trifft vor allem auf dem Gebiete der obligatorischen Unfallversicherung zu, wo Art. 121 Abs. 1 KUVG den Kantonen nur ganz wenige Verfahrensregeln vorschreibt. 2. § 133 Abs. 1 des auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts des Bundes anwendbaren luzernischen Gesetzes vom 3. Juli 1972 über die Verwaltungsrechtspflege schreibt vor, dass die Rechtsmittelschrift einen bestimmten Antrag und dessen Begründung enthalten muss. Enthält die Rechtsschrift, insbesondere die Beschwerde, nicht alle notwendigen Angaben, so setzt die Behörde bzw. der Richter dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist zur Verbesserung oder Ergänzung; werden die gerügten Mängel nicht behoben, so tritt der Richter auf die Beschwerde nicht ein (§ 135 Abs. 2 und 3 des genannten Gesetzes)... Diese Regeln sind nicht bundesrechtswidrig. Sie entsprechen auf kantonaler Ebene jenen Grundsätzen, die auch im ganzen Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundes gelten (vgl. Art. 52 VwG und Art. 108 OG ). 3. Sind diese verfahrensrechtlichen Normen somit nicht zu beanstanden, so hat das Eidg. Versicherungsgericht - im Rahmen der ihm zustehenden, in Erwägung 1 umschriebenen Kognitionsbefugnis - zu prüfen, ob sie von der Vorinstanz richtig angewendet worden sind. In seiner Beschwerdeschrift gab Peppino Taffurelli klar zu verstehen, was er vom Versicherungsgericht des Kantons Luzern verlangte: Er wollte, dass die hälftige Rentenkürzung aufgehoben und der Invaliditätsgrad höher als auf 15% festgesetzt werde. Der vorinstanzliche Richter hielt beide Begehren für unklar, wie seinem Schreiben vom 26. Juni 1973 an den Beschwerdeführer entnommen werden muss, differenzierte er doch nicht zwischen der Leistungskürzung einerseits und der Invaliditätsschätzung anderseits. Indessen war der Vorwurf mangelhafter Rechtsbegehren bezüglich der Leistungskürzung unbegründet. Das Verwaltungsgericht hätte mindestens auf diesen Punkt eintreten müssen, zumal sich die Rechtmässigkeit der Kürzung ohne Rücksicht auf den - ebenfalls streitigen - BGE 99 V 183 S. 186 Invaliditätsgrad hätte beurteilen lassen. Anders verhält es sich mit der Invaliditätsschätzung. Das kantonale Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege verbietet in seinem § 155 dem Verwaltungsgericht, über die Anträge der Parteien hinauszugehen. Das Bundesrecht sieht zwar für die meisten Gebiete des Sozialversicherungsrechts vor, dass der kantonale Richter nicht an die Begehren der Parteien gebunden ist (vgl. Art. 30bis Abs. 3 lit. d KUVG , Art. 85 Abs. 2 lit. d AHVG , Art. 69 IVG , Art. 7 Abs. 2 ELG und Art. 24 EOG ). Art. 121 KUVG enthält aber keine derartige Regel für das kantonale Verfahren in SUVA-Streitsachen, weshalb eine kantonalrechtliche Bestimmung, wonach der Richter nicht über die Parteibegehren hinausgehen darf, zulässig ist. Es scheint deshalb, dass das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern sich nicht mit dem generellen Begehren um höhere Bewertung des Invaliditätsgrades als 15% begnügen konnte, wenn es sich an die kantonalrechtlich vorgeschriebene Bindung an die Parteianträge halten wollte. Es war deshalb befugt und verpflichtet, vom Beschwerdeführer zu verlangen, dass er - wenn auch nicht den frankenmässigen Betrag der verlangten Leistung, so doch - mindestens den Invaliditätsgrad angebe, der seines Erachtens für die Rentenbemessung den Ausschlag hätte geben sollen. 4. Wenn nun die Vorinstanz den Versicherten am 26. Juni 1973 unter Androhung des Nichteintretens aufgefordert hätte, sein Rentenbegehren genau zu beziffern, so müsste der angefochtene Entscheid jedenfalls in diesem Punkt geschützt werden, nachdem der Beschwerdeführer die Aufforderung missachtet hat. Aber der kantonale Richter beschränkte sich darauf, vom Beschwerdeführer einfach die Einreichung der Rechtsbegehren ("Ihre Rechtsbegehren") zu verlangen, ohne die Art der verlangten Ergänzung zu präzisieren. Um den Sinn dieser richterlichen Anordnung zu verstehen, hätte der Versicherte notwendigerweise die kantonalen Verfahrensvorschriften kennen, ja sogar ihre rechtliche Tragweite erkennen müssen. Indessen geht es nicht an, einen in prozessualen Fragen unerfahrenen und zudem der Gerichtssprache nicht mächtigen Versicherten die Folgen tragen zu lassen, die sich daraus ergeben, dass er die Bedeutung der Verfahrensvorschriften eines Kantons nicht kennt, zu dem er überdies nie je die geringste Beziehung gehabt hat. Obschon niemand aus der BGE 99 V 183 S. 187 eigenen Unkenntnis des Gesetzes Rechte abzuleiten vermag, käme eine solche Lösung doch einem Formalismus gleich, welcher mit dem Rechtsschutzgedanken des Art. 4 BV und insbesondere auch mit der in Art. 121 Abs. 1 KUVG enthaltenen Forderung nach Einfachheit und Raschheit des Verfahrens unvereinbar wäre. Der Beschwerdeführer hätte freilich auf das Schreiben vom 26. Juni 1973 antworten oder sich mindestens erkundigen müssen. Aber nachdem er fristgemäss den verlangten Kostenvorschuss geleistet hatte, konnte er annehmen, die andere vorinstanzliche Anordnung, welche auf die Angabe der Rechtsbegehren gerichtet und der nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch schon in der Beschwerdeschrift Genüge getan war, sei hinfällig. Die Missachtung der richterlichen Aufforderung, deren Sinn der Versicherte nicht verstehen konnte, ermächtigte somit die Vorinstanz nicht, die Beschwerde von der Hand zu weisen. Demzufolge ist die Sache in Aufhebung des angefochtenen Entscheides an das kantonale Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Dieses wird sich materiell mit der Beschwerde zu befassen haben, allenfalls unter der Bedingung, dass der Versicherte einer neuen, genaueren richterlichen Aufforderung, sein Rechtsbegehren betreffend Invaliditätsgrad zu ergänzen, ordnungsgemäss nachkommt. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 7. August 1973 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit diese im Sinn der Erwägungen das kantonale Verfahren fortsetze.
null
nan
de
1,973
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
898692ba-4904-4fec-92f4-2c2aba9a6b8f
Urteilskopf 107 Ib 346 61. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. November 1981 i.S. Bommer und Mitbeteiligte gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Milchwirtschaftsbeschluss 1977 (Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2). Umteilungen in die Siloverbotszone: Während durch Umteilungen gemäss Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 ein Absinken der strukturpolitisch erwünschten Käsefabrikation in quantitativer oder qualitativer Hinsicht verhindert werden soll, dient eine Umteilung gemäss Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 der Vermehrung oder Verbesserung der strukturpolitisch erwünschten Käseherstellung (E. 4b). Voraussetzungen der Umteilung nach Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 im vorliegenden Fall erfüllt (E. 4c).
Sachverhalt ab Seite 346 BGE 107 Ib 346 S. 346 Das Einzugsgebiet der Käserei Bettwiesen-Station ist der Silozone zugeteilt. In der Käserei Bettwiesen-Station wird während der Sommermonate Emmentaler-Käse hergestellt; diese Käsefabrikation muss jeweils während der Wintermonate unterbrochen werden, weil die Milchlieferanten Silofutter verwenden (vgl. Art. 23 Milchlieferungsregulativ, MLR, in SR 916.351.3). Um eine BGE 107 Ib 346 S. 347 ganzjährige Emmentalerkäse-Fabrikation in der Käserei Bettwiesen-Station zu ermöglichen, strebte das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) erstmals im Jahre 1978 eine Umteilung des Einzugsgebietes der Genossenschaft Bettwiesen-Station in die Siloverbotszone an; diese Bemühungen scheiterten am Widerstand der Genossenschafter. Am 9. Januar 1981 verfügte das BLW gestützt auf Art. 15 Abs. 2 des Milchwirtschaftsbeschlusses 1977 (MWB 1977), das Einzugsgebiet der Käserei Bettwiesen-Station werde der Siloverbotszone zugeteilt. Für die Genossenschafter Theophil Hug, Alois Diethelm, Louis Eisenegger, Bernhard Hollenstein und Hans Christener soll die Zonenumteilung nach dieser Verfügung auf den 1. Mai 1982, für Hans Bommer, Thomas Brunschwiler, Anton Bommer und Bernhard Weibel auf den 1. Mai 1984 in Kraft treten. Eine Beschwerde gegen diese Verfügung beim Eidg. Volkswirtschaftsdepartement blieb erfolglos. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der betroffenen Genossenschafter ab, soweit es darauf eintritt, aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. Nach Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Die Beschwerdeführer als betroffene Genossenschafter sind grundsätzlich zur Beschwerde legitimiert, da sie an der Weiterführung ihrer bisher betriebenen Silowirtschaft und damit an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides zweifellos ein schutzwürdiges Interesse haben. Aus den Akten geht indessen hervor, dass der Beschwerdeführer Diethelm bei der Ausrichtung von Meliorationsbeiträgen zur silofreien Betriebsführung verpflichtet worden ist. Da er deshalb in seinem Betrieb auch dann kein Silofutter wird verwenden dürfen, wenn der angefochtene Entscheid aufgehoben werden sollte, hat er an dessen Aufhebung kein eigenes schutzwürdiges Interesse. Auf die Beschwerde Diethelms kann daher nicht eingetreten werden. Auf die übrigen Beschwerden ist einzutreten, da sämtliche formellen Voraussetzungen erfüllt sind. 2. Der geltende Milchwirtschaftsbeschluss vom 7. Oktober 1977 (MWB 1977 in SR 916.350.1) ist bis zum 31. Oktober 1987 befristet (Art. 30 MWB 1977) und löste entsprechende frühere BGE 107 Ib 346 S. 348 Erlasse, letztmals aus dem Jahre 1971, ab (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 22. Dezember 1976 in BBl 1977 I 78 ff.). Beim Erlass des MWB 1977 stand das Anliegen im Vordergrund, die Milchüberschüsse durch die Eindämmung der Milchproduktion einerseits und durch die Lenkung der Milchverwertung anderseits möglichst gering zu halten (BBl 1977 I 75). Zur Milchverwertung führte der Bundesrat in seiner Botschaft zum MWB 1977 insbesondere aus, es gelte nach wie vor, möglichst viel Milch verlustfrei als Frischmilch oder Frischmilchspezialitäten abzusetzen. Soweit ein derartiger Absatz nicht möglich sei, müsse die Milch so verarbeitet werden, dass sie möglichst verlustarm verkauft werden könne. Dabei verursache die Verwertung von Käse immer noch geringere Verluste als die Butterverwertung. Eine Ausdehnung der Käseproduktion sei deshalb erwünscht. Um aber einen grösseren Käseabsatz zu guten Preisen auch tatsächlich realisieren zu können, werde es unerlässlich sein, eine absolut natürliche Herstellungsweise, dass heisst eine Fabrikation ohne chemische Zusätze irgendwelcher Art - auf der Basis silofreier Milch - aufrechtzuerhalten bzw. anzustreben. Die schweizerischen Hartkäsesorten würden seit jeher aus silofreier Milch und ohne chemische Zusätze hergestellt. Es sei aber erwünscht, künftig auch alle schweizerischen Halbhartkäsefabrikanten in die Lage zu versetzen, möglichst ohne Nitratzusatz, also mit silofreier Milch, zu arbeiten. Eine der wesentlichsten Massnahmen werde deshalb darin bestehen, für die Fabrikation von Halbhartkäse vermehrt silofreie Milch zu beschaffen. Aus diesen Gründen sei der Abteilung für Landwirtschaft die Kompetenz einzuräumen, nötigenfalls Silogenossenschaften in die Siloverbotszone umzuteilen. Dieser Eingriff in bisherige Produktionsgewohnheiten möge zunächst hart erscheinen; er erweise sich aber als unumgänglich, gehe es doch darum, die Produktion von Käse den Wünschen der Konsumenten anzupassen und das Ansehen des Schweizer Produktes zu erhalten oder zu heben (BBl 1977 I 103 ff./105; 112 und 158/9). Die neuen Bestimmungen über die Umteilung örtlicher Produzentenorganisationen oder Produzentengruppen in die Siloverbotszone gaben in den Räten kaum zu Bemerkungen Anlass (vgl. betr. Art. 14 Abs. 2 des bundesrätlichen Entwurfes, welcher Art. 15 MWB 1977 entspricht, sowie zu Art. 15 Abs. 2 des Entwurfes, der zu Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 wurde: Amtl. Bull. NR 1977 102/SR 1977 434). 3. Die Beschwerdeführer rügen zunächst, der angefochtene Entscheid sei bundesrechtswidrig, weil er erstinstanzlich vom BGE 107 Ib 346 S. 349 Bundesamt für Landwirtschaft erging; sie sehen darin eine Verletzung des Milchlieferungsregulativs. Nach Art. 27 Abs. 1 des Milchlieferungsregulativs (MLR in SR 916.351.3) verfügen die regionalen Milchproduzentenverbände nach Anhören der Beteiligten Einteilungen in die Silo- bzw. in die Siloverbotszone. Gegen ihre Entscheide kann beim Bundesamt für Landwirtschaft Beschwerde geführt werden ( Art. 27 Abs. 2 MLR ). Das MLR wurde gestützt auf Art. 3 des Beschlusses der Bundesversammlung vom 29. September 1953 über Milch, Milchprodukte und Speisefette (Milchbeschluss in SR 916.350) von der Schweizerischen Milchkommission am 18. Oktober 1971 erlassen und vom Bundesrat am 22. November 1972 genehmigt. Der spätere MWB 1977 wurde dagegen als allgemeinverbindlicher Bundesbeschluss vom Gesetzgeber erlassen und unterstand dem fakultativen Referendum (Art. 30 MWB 1977). Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 weisen dem Bundesamt für Landwirtschaft die ausschliessliche Befugnis zu, erstinstanzlich Umteilungen in die Siloverbotszone zu verfügen. Für eine Kompetenz der Regionalverbände, gemäss Art. 27 MLR weiterhin entsprechende Umteilungen anzuordnen, bleibt daneben kein Raum (Urteil vom heutigen Tag i.S. Willi). Das Bundesamt für Landwirtschaft, dessen Verfügung nach dem Inkrafttreten des MWB 1977 erging, war aus diesem Grunde entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer zuständig, die Umteilung der Käsereigenossenschaft Bettwiesen-Station in die Siloverbotszone zu verfügen. 4. Die angefochtene Verfügung über die Umteilung der Käsereigenossenschaft Bettwiesen-Station in die Siloverbotszone stützt sich auf Art. 15 Abs. 2 MWB 1977. Die Beschwerdeführer bestreiten, dass die Voraussetzungen für eine Umteilung ihrer Genossenschaft in die Siloverbotszone nach dieser Bestimmung erfüllt seien. a) Sowohl Art. 15 wie Art. 16 MWB 1977 ermächtigen das Bundesamt für Landwirtschaft, Umteilungen in die Siloverbotszone vorzunehmen. Diese Bestimmungen lauten wie folgt: Art. 15 Förderung der Käseproduktion 1) Der Bundesrat kann Massnahmen treffen zur Erhaltung und Förderung der Käseproduktion, insbesondere in der Siloverbotszone. 2) Wird die Käsefabrikation oder die Käsequalität durch die Verwendung von Silofutter gefährdet, so kann die Abteilung für Landwirtschaft örtliche Milchproduzentenorganisationen oder Produzentengruppen in die Siloverbotszone umteilen. BGE 107 Ib 346 S. 350 3) Die Kosten werden der Milchrechnung belastet; bei der Umteilung in die andere Zone kann der Bundesrat den Zentralverband verpflichten, einen angemessenen Beitrag zu leisten. Art. 16 Strukturverbesserung 1) Der Bundesrat kann zur Strukturverbesserung in der Käsereiwirtschaft an kostensparende, qualitätsfördernde und organisatorische Massnahmen, Betriebsaufhebungen sowie bauliche und technische Einrichtungen Beiträge gewähren. 2) Die Strukturverbesserungen sind nach dem Kataster des Zentralverbandes über Milchsammelstellen und Milchverwertungsbetriebe zu planen und durchzuführen. Die Abteilung für Landwirtschaft kann nach diesem Kataster Betriebszusammenlegungen und nötigenfalls Umteilungen in die Siloverbotszone verfügen. 3) Beträge werden nur ausgerichtet, sofern Meliorationsbeiträge, Investitionskredite und andere Zuwendungen zusammen mit eigenen Mitteln für Strukturverbesserungen nach Absatz 1 nicht ausreichen. 4) Die Kosten werden der Milchrechnung belastet; bei der Umteilung in die andere Zone kann der Bundesrat den Zentralverband verpflichten, einen angemessenen Beitrag zu leisten. b) Umteilungen von Milchproduzentengenossenschaften in die Siloverbotszone dienen der Förderung der Käsequalität; denn die Hart- und Halbhartkäsesorten können nur mit silofreier Milch ohne chemische Zusätze hergestellt werden (Botschaft zum MWB 1977, BBl 1977 I 104/158). Umteilungen in die Siloverbotszone sind deshalb sowohl nach Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 wie auch nach Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 nur im Hinblick auf die Förderung der Fabrikation von Käse zulässig, dessen Qualität durch die Verwendung von Silofutter gefährdet würde. Voraussetzung für eine Umteilung örtlicher Produzentenorganisationen in die Siloverbotszone ist nach Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 eine Gefährdung der Käsefabrikation oder der Käsequalität durch die Verwendung von Silofutter; eine Umteilung nach Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 setzt anderseits voraus, dass diese Massnahme für eine Strukturverbesserung in der Käsereiwirtschaft notwendig ist und dass die Strukturverbesserung im Rahmen der Planung nach dem Kataster des Zentralverbandes über Milchsammelstellen und Milchverwertungsbetriebe erfolgt. Aus dem Vergleich beider Bestimmungen ergibt sich, dass mit der Umteilung nach Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 unerwünschten Entwicklungen gegenüber bestehenden Verhältnissen in der Milchverwertung bzw. Käsefabrikation begegnet, namentlich ein Absinken der Käsefabrikation in quantitativer oder qualitativer Hinsicht verhindert, werden soll. Die Voraussetzung für eine Umteilung nach Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 ist deshalb BGE 107 Ib 346 S. 351 gegeben, wenn in einem rationell geführten Käsereibetrieb die Gefahr besteht, dass die Fabrikation auf kürzere oder längere Sicht nicht mehr im bisherigen Umfang oder in bisheriger Qualität weitergeführt werden kann, sofern das Einzugsgebiet der Milchlieferanten nicht der Siloverbotszone zugeteilt wird. Eine Umteilung in die Siloverbotszone ist dagegen im Rahmen der Strukturverbesserungsmassnahmen nach Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 vorzunehmen, wenn eine Vermehrung oder Verbesserung der strukturpolitisch erwünschten Käseherstellung nur durch entsprechende Umzonungen verwirklicht werden kann (vgl. Art. 3 der Verordnung über Beiträge für Strukturverbesserungen in der Käsereiwirtschaft, SR 916.350.171.1). Für eine Intervention gestützt auf Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 genügt es, dass bei deren Unterlassung eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein zukünftiges Absinken der Käsefabrikation in qualitativer oder quantitativer Hinsicht besteht. Trifft dies zu, so konnte die Umzonung auf Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 abgestützt werden, ohne dass zu prüfen wäre, ob die gleiche Massnahme beim Fehlen der Voraussetzungen von Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 auf Art. 16 Abs. 2 MWB 1977 abgestützt werden könnte. c) Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen zu Recht darauf hingewiesen, dass Halbjahreskäsereien wirtschaftlich stark benachteiligt seien und dass ihre langfristige Erhaltung deshalb oftmals in Frage gestellt sei; namentlich könnten diese Käsereien grössere Investitionen nicht verkraften. Ausserdem falle es schwer, für Halbjahreskäsereien tüchtige Käser zu finden, und es bestehe insbesondere bei der Aufnahme der Käsefabrikation im Frühjahr ein erhebliches Qualitätsrisiko. Auch seien die Absatzmöglichkeiten bei ganzjähriger Produktion günstiger. Wesentlich ist zudem, das einzelne der im Einzugsgebiet der Käserei Bettwiesen-Station gelegenen Milchproduzenten gezwungen sind oder beabsichtigen, während des ganzen Jahres silofreie Verkehrsmilch zu produzieren. Es ist zu erwarten, dass diese Genossenschafter ihre Milch in eine andere Sammelstelle liefern wollen, sofern das Einzugsgebiet der Käserei Bettwiesen-Station in der Silozone verbleiben sollte; nur in diesem Falle würden sie die entsprechende Zulage auf dem Milchpreis erhalten (vgl. Art. 1 der Verordnung über die Förderung der Käseproduktion in SR 916.356.11). Ein Gesuch um Milchsammelstellen-Wechsel müsste grundsätzlich im Interesse einer prioritätsgerechten Milchverwertung bewilligt werden ( BGE 97 I 475 E. 3, 4). Dadurch würde BGE 107 Ib 346 S. 352 indessen die Käsefabrikation in der Käserei Bettwiesen-Station überhaupt oder doch im bisherigen Umfang nicht mehr aufrechterhalten werden können. Eine Gefährdung der Käsefabrikation im Sinne von Art. 15 Abs. 2 MWB 1977 ist somit von der Vorinstanz zu Recht angenommen worden. Die Beschwerdeführer bringen dagegen nichts vor, das diese Annahme zu entkräften vermöchte.
public_law
nan
de
1,981
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
8989377c-b13e-47de-9bde-f3d680bcac17
Urteilskopf 111 V 156 33. Extrait de l'arrêt du 6 mai 1985 dans la cause Wirthner contre Caisse cantonale genevoise d'assurance contre le chômage et Commission cantonale genevoise de recours en matière d'assurance-chômage
Regeste Art. 54 AlVG , Art. 103 AVIG . Eine Beschwerde kann nicht stillschweigend zurückgezogen werden.
Sachverhalt ab Seite 156 BGE 111 V 156 S. 156 A.- Par lettre du 25 janvier 1979, l'employeur de François Wirthner a signifié à ce dernier qu'il résiliait son contrat de travail avec effet immédiat, pour justes motifs, conformément à l' art. 337 CO . La Caisse cantonale genevoise d'assurance contre le chômage a estimé que le prénommé était responsable de son chômage, pour avoir donné lieu, par son comportement, à la résiliation de ses rapports de travail, et a en conséquence suspendu le droit à l'indemnité prétendue pour une durée de 48 jours, par décision du 9 février 1979. Sur recours de l'assuré, le Service cantonal genevois de l'assurance-chômage a rendu une décision, le 11 mai 1979, par laquelle il ramenait à 34 jours la durée de la suspension prononcée par la caisse. B.- François Wirthner a porté le différend devant la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'assurance-chômage en concluant derechef à la suppression de toute sanction. Parallèlement à son recours, François Wirthner a ouvert action contre son ancien employeur devant les tribunaux de prud'hommes de Genève, en vue d'obtenir la réparation du dommage causé par la résiliation immédiate, selon lui injustifiée, de son contrat de travail. De son côté, l'employeur a déposé diverses plaintes pénales contre son ex-employé. Aussi la commission cantonale de recours a-t-elle décidé, le 17 décembre 1979, de suspendre l'instruction du cas, jusqu'à droit connu quant à l'issue des autres procédures en cours, en considérant qu'elle n'était pas "en état de statuer". Par convention du 30 juin 1983, l'employeur s'est engagé à retirer une plainte pénale encore en suspens, dirigée contre François Wirthner, et à payer à ce dernier une somme de ... francs au titre, notamment, de salaires dus jusqu'au 31 mars 1979. Le 20 juillet 1983, le service de l'assurance-chômage a communiqué à la commission cantonale de recours BGE 111 V 156 S. 157 une copie de la convention précitée, que lui avait remise l'assuré. Sur quoi, le 15 août 1983, le président de ladite commission a invité le recourant à lui faire savoir, jusqu'au 30 septembre 1983 au plus tard, s'il persistait dans son recours ou s'il entendait au contraire le retirer; dans la première éventualité, il était invité à produire "la copie des décisions qui auraient été prises par le Tribunal des Prud'Hommes ou par la juridiction pénale compétente". Cette lettre comportait, en conclusion, le passage suivant: "Faute de réponse de votre part dans le délai indiqué, nous considérerons que le recours est retiré et nous classerons le dossier." François Wirthner n'a pas répondu directement à cette communication, mais, le 18 août 1983, il a fait parvenir à la commission cantonale de recours, par l'intermédiaire du greffe des tribunaux de prud'hommes, une copie de la convention du 30 juin 1983. Le 12 octobre 1983, l'autorité de recours a néanmoins rendu un jugement par lequel elle déclarait "définitive" la décision du service de l'assurance-chômage du 11 mai 1979. Elle a considéré, en effet, que l'assuré n'avait pas "réagi" à la lettre du 15 août précédent et qu'il y avait lieu de rayer l'affaire du rôle, dès lors qu'il n'avait pas "confirmé" son intention de recourir. C.- François Wirthner interjette recours de droit administratif contre ce jugement en concluant au renvoi de la cause à la juridiction cantonale pour nouveau jugement. Il reproche aux premiers juges de n'avoir pas statué sur le litige dont ils étaient saisis et se plaint d'un "déni de justice formel, prohibé par l'article 4 de la Constitution fédérale." La caisse intimée conclut implicitement au rejet du recours. Erwägungen Extrait des considérants: 3. a) Dans le domaine de l'assurance-chômage, la procédure à suivre devant une autorité cantonale de recours est réglée par les cantons, sous réserve de certaines exigences prescrites par le droit fédéral (voir l' art. 103 LACI et, en ce qui concerne le droit en vigueur jusqu'au 31 décembre 1983, l' art. 54 LAC ). En droit genevois, les règles applicables à la procédure devant la commission cantonale de recours en matière d'assurance-chômage, valables jusqu'au 31 décembre 1983, figuraient dans le règlement d'exécution de la loi sur l'assurance-chômage du 15 juillet 1953. Actuellement, elles sont contenues dans le règlement d'exécution de la loi en matière d'assurance-chômage du 3 décembre 1984 (RS GE J 4 6) BGE 111 V 156 S. 158 et dans la loi instituant un code de procédure administrative du 6 décembre 1968 (RS GE E 3,5 3), à laquelle renvoie l'art. 49 al. 2 dudit règlement. Ces textes ne comportent toutefois pas de réglementation détaillée sur le retrait du recours, l'art. 49 al. 1 de la loi cantonale précitée stipulant uniquement, à cet égard, que "le retrait du recours met fin à la procédure". Il en va d'ailleurs de même en ce qui concerne le droit de procédure fédérale. L'éventualité du retrait du recours n'est pas expressément mentionnée dans la PA. Quant à l'OJ, elle ne règle pas directement la question: l' art. 153 al. 2 OJ prévoit seulement que l'émolument judiciaire est réduit lorsque l'affaire est liquidée par un désistement, auquel le retrait du recours est assimilé (cf. ATF 107 V 248 ); l' art. 73 PCF , applicable en vertu de l' art. 40 OJ , précise que le désistement d'une partie met fin au procès (al. 1) et qu'il a la force exécutoire d'un jugement (al. 4). Dans la pratique, le retrait du recours s'opère par une déclaration du recourant, qui ne peut être conditionnelle et qui est irrévocable, sous réserve d'un vice de la volonté (GRISEL, Traité de droit administratif, p. 937; KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, n. 40 ad par. 20; ATF 111 V 58 , ATF 109 V 237 , ATF 105 Ia 115 ). Le plus souvent, une telle déclaration est contenue dans une lettre que le recourant adresse spontanément à l'autorité de recours. Elle peut aussi résulter d'un procès-verbal d'audience ou d'une transaction judiciaire. Il arrive également que l'autorité invite le recourant à retirer son pourvoi en contresignant le double d'une lettre qu'elle lui adresse, notamment lorsqu'elle estime que la cause est dépourvue de chances de succès. b) La juridiction cantonale part de l'idée qu'un recours peut être retiré tacitement, en cas de silence opposé à une lettre par laquelle l'autorité de recours invite l'intéressé à se déterminer sur l'éventualité d'un tel retrait, tout en l'informant des conséquences qu'aurait sa passivité. Cette manière de voir ne peut pas être partagée. L'adage "qui ne dit mot consent", exprimé par l' art. 6 CO , n'a pas une portée aussi étendue en droit public qu'en droit privé (voir GRISEL, op.cit., p. 406; cf. également, en matière d'assurances sociales, RJAM 1982 No 502 p. 200 où le silence opposé par un assuré à une lettre de confirmation d'une caisse-maladie n'a pas été considéré comme une acceptation tacite). Quoi qu'il en soit, la juridiction cantonale a usé d'un procédé qui n'est pas compatible avec le déroulement régulier BGE 111 V 156 S. 159 d'une procédure administrative. Par son recours, François Wirthner avait clairement manifesté son intention d'attaquer la décision du service de l'assurance-chômage du 11 mai 1979. Le dépôt du recours était une condition non seulement nécessaire, mais aussi suffisante pour que l'autorité statue sur le litige qui lui était soumis. En exigeant de la part du recourant qu'il confirme sa volonté de recourir, le président de la juridiction cantonale a, en réalité, fixé une condition supplémentaire, non prévue par la loi, à l'examen du recours au fond, ce qu'il n'était pas en droit de faire, même après une suspension de la procédure qui durait depuis plusieurs années. C'est pourquoi l'inexécution de l'acte de procédure en question ne pouvait être sanctionnée par la radiation de l'affaire du rôle. Cela est d'autant plus vrai en l'occurrence que le recourant n'avait apparemment aucun motif de se désister. Bien au contraire, la convention qu'il avait passée le 30 juin 1983 comportait l'engagement de son ancien employeur de lui verser un salaire jusqu'à fin mars 1979. Ce fait pouvait le conforter dans l'idée que la résiliation avec effet immédiat de son contrat de travail n'était, en partie tout au moins, pas justifiée et la juridiction cantonale devait supposer qu'il avait des raisons encore plus sérieuses de contester la suspension de son droit à l'indemnité de chômage. c) Ainsi donc, il faut considérer que, faute d'en avoir manifesté expressément la volonté, François Wirthner n'a pas retiré le recours qu'il a adressé à la juridiction cantonale. Cela étant, il est superflu d'examiner si, indépendamment de l'absence d'une telle manifestation de volonté, il ne faudrait pas aussi admettre que le recourant a, comme il le prétend, "pris les mesures nécessaires", en demandant au greffe des tribunaux de prud'hommes d'envoyer à la commission cantonale de recours une copie de la convention conclue avec son ancien employeur, à la suite de la lettre du 15 août 1983. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: Le recours est admis et le jugement de la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'assurance-chômage du 12 octobre 1983 est annulé. La cause est renvoyée à ladite commission pour nouveau jugement au sens des motifs.
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nan
fr
1,985
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898e5058-f6fe-4ac8-b658-79913f848b05
Urteilskopf 125 III 295 51. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 9 juillet 1999 dans la cause Banque X. (recours LP)
Regeste Zwangsversteigerung einer mit Bundeshilfe gemäss dem Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 4. Oktober 1974 erstellten Liegenschaft. Prüfung der Vereinbarkeit von Art. 18 und 18a der Verordnung zum Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 30. November 1981, in der seit 1. Juli 1998 in Kraft stehenden Fassung, mit Art. 37 und 46 des Gesetzes. Insofern Art. 18 und 18a der Verordnung den neuen Eigentümer in allgemeiner Weise verpflichtet, «die Schuldverpflichtungen für die aufgelaufenen Grundverbilligungsvorschüsse» oder «Rechte und Pflichten nach dem Gesetz» zu übernehmen, ohne die Geltung hinsichtlich noch nicht verfallener und zukünftiger Verpflichtungen einzuschränken, gehen die neuen Bestimmungen über den Wortlaut von Art. 37 Abs. 1 des Gesetzes hinaus, welcher dem Bund nur Grundpfandsicherheit für die geleisteten Vorschüsse, aber kein Privileg hinsichtlich des Ranges einräumt; überdies gehen sie über die dem Bundesrat mit Art. 46 Abs. 5 des Gesetzes eingeräumte Befugnis hinaus, die weiteren Einzelheiten zu ordnen. Soweit sie vom Gesetz nicht gedeckt werden, sind die genannten Bestimmungen der Verordnung als ungültig zu betrachten.
Erwägungen ab Seite 296 BGE 125 III 295 S. 296 Extrait des considérants: 2. a) La recourante soutient que les art. 18 et 18a de l'ordonnance du 30 novembre 1981 relative à la loi fédérale encourageant la construction et l'accession à la propriété de logements (RS 843.1; OLCAP), dans leur teneur en vigueur depuis le 1er juillet 1998, ne sont pas conformes aux dispositions des art. 37 et 46 de la loi fédérale du 4 octobre 1974 encourageant la construction et l'accession à la propriété de logements (RS 843; LCAP) en tant qu'ils imposent à l'adjudicataire de reprendre la dette à l'égard de la Confédération: ils créeraient un privilège qui n'est pas réservé par la loi et iraient donc au-delà du texte clair de celle-ci; ils entraîneraient de surcroît une péjoration de la situation de l'établissement financier. C'est pourquoi la recourante conclut à la constatation de la nullité de ces dispositions et à la suppression du renvoi qui y est fait, en l'espèce, dans les conditions de vente. Pour l'autorité cantonale de surveillance, qui s'appuie sur l'avis de l'Office fédéral du logement, les art. 18 et 18a OLCAP ne font, au contraire, qu'expliciter les obligations prévues par la LCAP sans en imposer de nouvelles; ils respecteraient donc la délégation législative de l' art. 46 al. 5 LCAP . BGE 125 III 295 S. 297 b) Lorsqu'il se prononce sur une ordonnance du Conseil fédéral fondée sur une délégation législative, le Tribunal fédéral examine si elle reste dans les limites des pouvoirs conférés par la loi à l'auteur de l'ordonnance; il ne peut pas contrôler si la délégation elle-même est admissible, mais il lui incombe d'examiner si le but fixé dans la loi peut être atteint et si le Conseil fédéral a usé de son pouvoir conformément au principe de la proportionnalité ( ATF 122 II 411 consid. 3b p. 417 et les références). 3. a) Entre autres mesures spéciales destinées à abaisser les loyers dans la construction de logements d'utilité publique, la LCAP prévoit un abaissement de base qui, en assurant le financement complémentaire, permet - à certaines conditions - de fixer les loyers initiaux à un niveau aussi bas que possible, au-dessous des charges du propriétaire (art. 35 al. 2 let. a). Elle dispose en outre que, pour couvrir la différence entre les charges du propriétaire et le loyer faisant l'objet de l'abaissement de base, la Confédération offre des avances remboursables, portant intérêt et garanties par des gages immobiliers (art. 37 al. 1), le bénéficiaire de l'aide devant, en contrepartie, s'engager à rembourser le prêt selon le plan de financement et se soumettre à la surveillance des loyers (art. 39). La loi exige par ailleurs qu'un logement construit ou rénové grâce à une mesure d'abaissement des loyers reste affecté exclusivement à l'habitation jusqu'au remboursement complet des avances de la Confédération et des intérêts y afférents, mais au minimum pendant 25 ans ou jusqu'à remise desdites avances et intérêts (art. 46 al. 1), la Confédération jouissant d'un droit légal d'emption et de préemption au prix de revient pour empêcher une utilisation à d'autres fins (art. 46 al. 2), étant précisé que l'interdiction du changement d'affectation ainsi que les droits d'emption et de préemption doivent être mentionnés au registre foncier comme restrictions de droit public à la propriété (art. 46 al. 3). La loi charge enfin le Conseil fédéral de régler le détail (art. 46 al. 5). b) Dans sa teneur antérieure au 1er juillet 1998, l' art. 18 al. 1 OLCAP , relatif aux mutations, prévoyait qu'un immeuble locatif ayant bénéficié de l'aide fédérale ne pouvait être aliéné qu'avec l'approbation de l'Office fédéral du logement, cette approbation devant être donnée si le nouveau propriétaire s'engageait dans le contrat d'achat à respecter le plan des loyers et le plan de financement (RO 1981, p. 2092). Que les notions de «mutations» ou d'»aliénations» contenues à l'art. 18 aOLCAP recouvrent également la vente forcée, cela découle BGE 125 III 295 S. 298 de l'exigence du maintien du but posée par l' art. 46 al. 1 LCAP et du texte même de cette disposition, qui ne compte pas la réalisation forcée au nombre des causes permettant d'y mettre fin, aux côtés du remboursement lié à l'écoulement du temps et de la remise des avances et intérêts (cf. avis de droit du professeur Paul Richli du 6 février 1998, «Zur Frage der Zulässigkeit, Zwangsverwertungen von WEG-Mietliegenschaften wie freiwillige Handänderungen zu behandeln», p. 16 ch. IV.1). Cela implique, par voie de conséquence, qu'en matière de réalisation forcée aussi, l'acquisition est soumise à l'approbation de l'Office fédéral du logement et que l'acquéreur doit s'engager à reprendre le plan des loyers et de financement. Comme l'a jugé le Tribunal fédéral sous l'empire de l'ancien droit, cette reprise ne peut en tout cas pas porter sur des obligations déjà échues ou venues à échéance au moment du transfert de propriété (arrêt du 28.9.95 dans la cause Banque X. contre Tribunal cantonal des Grisons, arrêt non publié mais reproduit et commenté en doctrine par ALEXANDRE DUBACH, Wohneigentum-Finanzierung nach WEG und Zwangsverwertung, in: L'Expert-Comptable Suisse 8/98, p. 821 ss et 1-2/99 p. 105 ss et E. HAURI, Wohneigentumsförderung nach WEG, L'Expert-Comptable Suisse 11/98, p. 12). Les dettes correspondant à ces obligations-là, dans la mesure où elles sont garanties par gage immobilier ( art. 37 al. 1 LCAP ), sont payées, selon la procédure habituelle, par préférence sur le produit de la réalisation ( art 135 al. 1 et 259 LP ; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6e éd., Berne 1997, § 28 n. 53; RICHLI, avis de droit déjà cité, p. 14 et 17), et les créanciers gagistes sont désintéressés en fonction du rang de leurs gages ( art. 817 CC par renvoi des art. 146 al. 2, 157 al. 3 et 219 al. 3 LP). Quant aux obligations garanties par gage immobilier qui ne sont pas échues, elles sont en principe déléguées à l'acquéreur comme dettes personnelles conformément aux art. 135 al. 1 LP et 45 al. 1 let. a ORFI; si elles ne sont pas, ou plus, garanties par gage, l'acquéreur doit les reprendre en s'engageant à respecter le plan des loyers et le plan de financement, sous peine de se voir refuser l'approbation de l'Office fédéral du logement (cf. RICHLI, ibid.). Comme le souligne avec raison cet auteur, la reprise des obligations découlant des plans de loyers et de financement selon l'art. 18 aOLCAP apparaît ainsi clairement comme une reprise d'obligations futures et reste, comme telle, dans le cadre de la délégation législative (loc. cit., p. 10; cf. arrêt non publié du 28.9.95, consid. 4c reproduit par DUBACH, op.cit., 8/98, p. 823 s.). BGE 125 III 295 S. 299 c) L' art. 18 OLCAP modifié précise notamment que le nouveau propriétaire doit s'engager par écrit à reprendre le contrat de droit public prévu par la LCAP (al. 1, 2ème phrase) et que l'approbation obligatoire peut être mentionnée au registre foncier (al. 1, 3ème phrase); il définit en outre ce qu'il faut entendre par mutations (al. 2). Le nouvel art. 18a OLCAP prévoit pour sa part que les conditions de la mise aux enchères doivent comporter une clause concernant les droits et obligations liées à la LCAP et la déclaration écrite de l'acquéreur relative à la reprise du contrat de droit public prévu par la LCAP (al. 1); il fixe en outre d'autres règles de procédure (al. 2 et 3) et des délais (al. 1 et 2). Limitées à ce seul contenu, les nouvelles dispositions de l'ordonnance ne font que régler le détail, conformément à l' art. 46 al. 5 LCAP . En revanche, en tant qu'elles prévoient la reprise obligatoire de la «dette relative aux avances courues au titre de l'abaissement de base» (art. 18 al. 1, 2ème phrase) ou des «droits et obligations liées à la LCAP» (art. 18a al. 1) de façon générale, sans en limiter la portée aux obligations non échues et futures, les nouvelles dispositions en question vont manifestement au-delà du texte de la loi. En effet, celle-ci n'accorde à la Confédération en garantie du remboursement de ses avances, à côté des droits d'emption et de préemption à mentionner au registre foncier pour la garantie du maintien du but d'habitation ( art. 46 al. 2 et 3 LCAP ), que des gages immobiliers, lesquels sont conférés sans aucun privilège de rang ( art. 37 al. 1 LCAP ). Or la reprise de dette obligatoire prévue par les dispositions incriminées a indéniablement pour effet de déroger aux dispositions légales sur le rang des gages en privilégiant «de facto» une dette qui, comme en l'espèce, est garantie par un gage de rang postérieur (hypothèque en 3ème rang). Il est permis, dans ces conditions, de mettre en doute l'opportunité de garantir encore la dette par un gage selon l' art. 37 al. 1 LCAP (cf. DUBACH, loc. cit., 1-2/99, p. 108) ou l'utilité des droits d'emption et de préemption prévus à l' art. 46 al. 2 LCAP , la Confédération pouvant atteindre son but autrement, sans avoir à intervenir financièrement (cf. avis de droit du professeur LOUIS DALLÈVES du 23.12.1998, p. 7 s.). L'obligation de reprendre la dette échue se répercutera sur le prix d'adjudication, car elle est de nature à faire baisser les offres des acquéreurs potentiels. Elle est ainsi susceptible de porter préjudice aux droits des créanciers gagistes de rang préférable à celui de la Confédération. Dans la poursuite par voie de saisie ou en réalisation BGE 125 III 295 S. 300 de gage, ces créanciers ne pourront en effet réaliser leurs gages en raison du principe de l'offre suffisante ( art. 126 et 142a LP ), sauf à accepter de perdre le découvert résultant d'un prix d'adjudication insuffisant; dans la procédure de faillite ou de liquidation concordataire (cf. art. 321 LP ; AMONN/GASSER, op.cit., § 55 n. 31 ss), ils verront la couverture offerte par leurs gages diminuer d'un montant de l'ordre de grandeur de celui à rembourser à la Confédération (cf. URS BÜRGI, Strategien und Probleme bei der Zwangsvollstreckung von verpfändeten Grundstücken, in: Berner Bankrechtstag 1996, Theorie und Praxis der Grundpfandrechte, p. 179), dès lors qu'ici la réalisation a lieu à tout prix, sans égard au principe de l'offre suffisante (cf. DALLÈVES, loc. cit.; AMONN/GASSER, op.cit., § 47 n. 20 s.; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3e éd., Lausanne 1993, p. 345). Les art. 18 et 18a OLCAP doivent par conséquent être considérés comme nuls dans la mesure, rapportée ci-dessus, où ils vont au-delà du texte de l' art. 37 al. 1 LCAP et excèdent ainsi les limites du pouvoir conféré au Conseil fédéral par l' art. 46 al. 5 LCAP . Partant, le renvoi à ces dispositions opéré en l'espèce par l'office des poursuites et faillites est nul dans la même mesure.
null
nan
fr
1,999
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
898ea513-e2c3-4429-be86-c955c4c9bb93
Urteilskopf 111 V 186 37. Urteil vom 19. August 1985 i.S. B. gegen Ausgleichskasse der schweizerischen Maschinen- und Metallindustrie und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
Regeste Art. 7 Abs. 1 IVG : Kürzung der Invalidenrente bei Alkohol- und Tabakmissbrauch. - Erfordernis des natürlichen und des adäquaten Kausalzusammenhangs (Erw. 2b und 3). - Voraussetzung des grobfahrlässigen Verhaltens des Versicherten (Erw. 2c und 4). - Grundsätze für die Festsetzung der Rentenkürzung, wenn die invalidisierende Krankheit teils auf das grobfahrlässige Verhalten des Versicherten, teils auf unverschuldete pathogene Faktoren zurückzuführen ist (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 186 BGE 111 V 186 S. 186 A.- Der 1924 geborene Versicherte musste sich 1978 wegen eines Karzinoms das rechte Stimmband entfernen lassen. Nachdem im Juni 1981 zunehmend Dyspnoe und Husten aufgetreten BGE 111 V 186 S. 187 waren und eine Biopsie aus dem Kehlkopf ein Karzinomrezidiv ergeben hatte, wurde im Juli 1981 die Laryngektomie durchgeführt. Da der Versicherte wegen des damit verbundenen Stimmverlustes seine bisherige Berufstätigkeit nicht mehr ausüben konnte, meldete er sich am 13. Januar 1982 bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die Invalidenversicherungs-Kommission holte Berichte von der Klinik für Ohren-Nasen-Halsheilkunde am Kantonsspital St. Gallen (vom 15. April 1982 und 2. Februar 1983) sowie einen Bericht der Regionalstelle (vom 13. Dezember 1982) ein und gelangte gestützt auf diese Unterlagen zum Schluss, der Versicherte sei ab 1. Mai 1982 zu 90% invalid, wobei jedoch die Rentenleistungen wegen "chronischen Alkohol- und Nikotinmissbrauchs" um 10% zu kürzen seien. Demzufolge sprach die Ausgleichskasse der schweizerischen Maschinen- und Metallindustrie dem Versicherten mit Verfügung vom 12. April 1983 eine am 1. Mai 1982 beginnende ganze, um 10% gekürzte Invalidenrente zu. B.- Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die gegen die verfügte Kürzung von 10% erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 30. November 1983 ab. C.- B. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, es sei die vorinstanzlich bestätigte Kürzung der Invalidenrente aufzuheben; eventuell sei die Sache an die Verwaltung zur Vornahme weiterer Abklärungen zurückzuweisen. Während die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Kognition.) 2. a) Hat ein Versicherter die Invalidität vorsätzlich oder grobfahrlässig oder bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können die Geldleistungen dauernd oder vorübergehend verweigert, gekürzt oder entzogen werden ( Art. 7 Abs. 1 IVG ). Mit der Leistungskürzung gemäss Art. 7 Abs. 1 IVG soll verhütet werden, dass die Invalidenversicherung über Gebühr mit Schäden belastet wird, welche die Betroffenen hätten vermeiden können, wenn sie die ihnen zumutbare Sorgfalt angewandt hätten. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass die Versicherten die gesetzliche BGE 111 V 186 S. 188 Leistung entsprechend ihrem Verschulden ganz oder teilweise einbüssen ( BGE 99 V 31 , BGE 97 V 229 Erw. 1b; vgl. auch BGE 106 V 26 Erw. 4a). b) Voraussetzung der Verweigerung, der Kürzung oder des Entzugs von Geldleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 IVG ist, dass zwischen dem Verhalten des Versicherten und dem Eintritt oder der Verschlimmerung der Invalidität ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang besteht. Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhanges sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten oder nicht als in der gleichen Weise eingetreten gedacht werden kann (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 4. Aufl., Band I, S. 71 f.; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Band I, S. 338; BREM, Natürlicher und naturgesetzlicher Kausalzusammenhang im Haftpflichtrecht, in: ZSR NF 102/1983 I S. 311). Haftungsbegründend im Sinne des adäquaten Kausalzusammenhanges sind demgegenüber nur jene Ursachen, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung geeignet sind, den eingetretenen Erfolg zu bewirken, so dass der Eintritt dieses Erfolges als durch die fragliche Ursache begünstigt erscheint (OFTINGER, a.a.O., S. 72 f.), eine Umschreibung, welche nach ständiger Rechtsprechung auch im Sozialversicherungsrecht gilt ( BGE 109 V 152 Erw. 3a, BGE 107 V 176 f. mit Hinweisen). Für die Feststellung natürlicher Kausalzusammenhänge im Bereich der Medizin ist die Verwaltung bzw. der Richter bisweilen auf Angaben ärztlicher Experten angewiesen. Dabei weicht der Richter nicht ohne zwingende Gründe von der Einschätzung eines medizinischen Gutachters ab, dessen Aufgabe es gerade ist, seine Fachkenntnisse der Gerichtsbarkeit zur Verfügung zu stellen, um einen bestimmten Sachverhalt medizinisch zu erfassen (in diesem Sinne - hinsichtlich der Diagnostizierung einer Krankheit - BGE 107 V 174 Erw. 3). Die Beweiswürdigung und damit die Beantwortung der Frage, ob aufgrund der Angaben des Experten der natürliche Kausalzusammenhang mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ( BGE 105 V 229 Erw. 3a) ausgewiesen ist, obliegt der Verwaltung bzw. dem Richter. Im weitern ist es eine von der Verwaltung bzw. im Beschwerdefall vom Richter zu beurteilende Rechtsfrage, ob der eingetretene Erfolg im Sinne der Lehre von der adäquaten Kausalität dem Verhalten des Versicherten BGE 111 V 186 S. 189 zuzurechnen ist ( BGE 107 V 175 f.; MAURER, a.a.O., S. 338 f. und S. 340 ff.). c) Grobfahrlässig handelt nach der Rechtsprechung, wer jene elementaren Vorsichtsgebote unbeachtet lässt, die jeder verständige Mensch in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen befolgt hätte, um eine nach dem natürlichen Lauf der Dinge voraussehbare Schädigung zu vermeiden ( BGE 109 V 151 Erw. 1, BGE 106 V 24 Erw. 1b, BGE 105 V 123 Erw. 2b und 214 Erw. 1). Bei Alkoholmissbrauch ist grobe Fahrlässigkeit zu bejahen, wenn der Versicherte bei der ihm angesichts seines Bildungsgrades zumutbaren pflichtgemässen Sorgfalt rechtzeitig hätte erkennen können, dass jahrelanger Missbrauch alkoholischer Getränke die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung in sich birgt, und wenn er imstande gewesen wäre, entsprechend dieser Einsicht sich des übermässigen Alkoholkonsums zu enthalten ( BGE 104 V 1 Erw. 2a mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten ebenfalls im Zusammenhang mit dem Tabakmissbrauch ( BGE 104 V 1 Erw. 2a in fine; ZAK 1983 S. 119 Erw. 1a, je mit Hinweisen). Die Beurteilung, ob Grobfahrlässigkeit vorliegt, obliegt als Rechtsfrage ebenfalls der Verwaltung bzw. im Beschwerdefall dem Richter, und nicht dem Arzt. 3. a) In tatsächlicher Hinsicht steht aufgrund der unbestritten gebliebenen Angaben in den Attesten des Kantonsspitals vom 15. April 1982 sowie 2. Februar 1983 und im Bericht der Regionalstelle vom 13. Dezember 1982 fest, dass der Beschwerdeführer seit der Rekrutenschule anfänglich 20, später bis zu 40 Zigaretten täglich geraucht und seit etwa 10 Jahren zum Essen einen halben Liter Rotwein im Tag getrunken hat. Aufgrund der Angaben des Kantonsspitals vom 2. Februar 1983 ist anzunehmen, dass der Beschwerdeführer diesen Alkohol- und Tabakkonsum auch nach der Stimmbandentfernung im Jahre 1978 fortgesetzt hat; erst seit der Laryngektomie im Juli 1981 beschränkte er sich, was den Tabak betrifft, auf das Rauchen von zwei bis drei Stumpen im Tag. b) Unter Berufung auf MAURER (Fragwürdige Kürzungen der Invalidenrente wegen grober Fahrlässigkeit, in: SZS 1984 S. 65 ff.) wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht, vorliegend sei der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Alkohol- bzw. Tabakkonsum und dem invalidisierenden Gesundheitszustand (Status nach Laryngektomie wegen Kehlkopfkarzinoms) nicht erstellt; insbesondere sage der Bericht des Kantonsspitals BGE 111 V 186 S. 190 vom 2. Februar 1983, worin Dr. med. T. den Beschwerdeführer im Hinblick sowohl auf den Nikotinverbrauch als auch auf den Alkoholkonsum der Uneinsichtigkeit bezichtigt habe, nichts über den erforderlichen natürlichen Kausalzusammenhang aus. Selbst wenn die Gefahr, an Kehlkopfkrebs zu erkranken, für Raucher im allgemeinen wahrscheinlich höher einzustufen sei, sei dadurch keineswegs erwiesen, dass der Kehlkopfkrebs des Beschwerdeführers nicht aufgetreten wäre, wenn er nie geraucht hätte; denn in der statistischen Wahrscheinlichkeit eines höheren Erkrankungsrisikos für Raucher liege nach der zutreffenden Auffassung MAURERS kein genügender Beweis für die natürliche Kausalität zwischen dem Rauchen und dem Eintritt der Invalidität im jeweiligen Einzelfalle. Die diesbezüglich erforderlichen Abklärungen seien vorliegend unterblieben und müssten nachgeholt werden. Es ist einzuräumen, dass beim Alkohol- und noch vermehrt beim Tabakmissbrauch die Feststellung des natürlichen Kausalzusammenhanges zwischen dem Fehlverhalten und der invalidisierenden gesundheitlichen Schädigung bisweilen Schwierigkeiten bereitet. Die meisten der in Frage kommenden Krankheiten - insbesondere auch Karzinome - können erfahrungsgemäss auch ohne solches Fehlverhalten eintreten; umgekehrt führt oft selbst exzessiver Tabakmissbrauch zu keinen gesundheitsschädigenden Folgen. Fraglich ist also, ob dort, wo erfahrungsgemäss Alkohol- oder Tabakmissbrauch bestimmte Erkrankungen zu bewirken vermag, im Einzelfall zusätzlich der strikte Nachweis geleistet werden muss, dass der Schaden nicht auch ohne das Fehlverhalten schicksalsmässig eingetreten wäre. In diesem Zusammenhang ist auf STEINBRECHER/SOLMS (Herausgeber von Sucht und Missbrauch, 2. Aufl., S. IV/167) zu verweisen, wo ausgeführt wird: "Überblickt man die vorstehend geschilderten Befunde, die bei Sucht und Missbrauch an verschiedenen Organsystemen festgestellt werden können, so ergibt sich vor allem unter dem Gesichtspunkt der statistischen Sicherung die Tatsache, dass eine Reihe schwerster, morphologisch fassbarer Schädigungen bekannt ist, die bei Sucht und Missbrauch auftreten können. Bis auf wenige Ausnahmen sind diese Veränderungen aber nicht streng spezifisch und erlauben oft keinen sicheren Rückschluss auf den vorausgegangenen Missbrauch. In den einzelnen Abschnitten wurde ausgeführt, dass auch der Wirkungsmechanismus des exogen zugeführten Giftes im einzelnen meist noch nicht geklärt ist. Wahrscheinlich spielen sehr oft Faktorenkoppelungen eine entscheidende Rolle. Hierbei sind vor allem Konstitution, Ernährungsfaktoren und zusätzliche Entzündungsprozesse zu nennen. Die Exposition allein genügt nicht immer, um einen oft lebensbedrohenden und irreversiblen, morphologisch fassbaren Schaden zu setzen. BGE 111 V 186 S. 191 Diese Feststellung ändert aber nichts an der Tatsache, dass für die Realisierung der Schäden dem jeweiligen Gift, das als Suchtmittel oder im Rahmen eines Missbrauchs zugeführt wird, eine und oft die entscheidende ursächliche Bedeutung zukommt. Die allgemeine Pathologie lehrt, dass für das Zustandekommen eines Krankheitsprozesses oder einer krankhaften Organveränderung meist mehrere Bedingungen ursächlich von Bedeutung sind, wobei exogene und endogene Faktoren zusammen, aber auch gegeneinander wirken können. Es lässt sich nicht mit Sicherheit voraussagen, in welcher Weise Sucht und Missbrauch im einzelnen Fall zu schweren Organveränderungen führen, da die mitgestaltenden individuellen Faktoren oft nicht abzuschätzen sind. Es bleibt aber unzweifelhaft, dass dem Missbrauch von Genussgiften und der Sucht oft die entscheidende ursächliche Bedeutung als exogener Faktor für schwerste, auch morphologisch fassbare Organveränderungen zukommt, die die Lebenserwartung stark verkürzen." Die verfügbaren medizinischen Publikationen über die Auswirkungen des Rauchens (vgl. besonders LEU/SCHAUB, Der Einfluss des Rauchens auf die Mortalität und die Lebenserwartung der Schweizer Wohnbevölkerung, in: Schweizerische Medizinische Wochenschrift 1983 S. 3 ff.) enthalten, worauf MAURER hinweist (SZS 1984 S. 93 ff.), lediglich korrelative Angaben, die nur mittelbar eine - vorsichtige - Interpretation der kausalen Sachzusammenhänge gestatten. Weil somit eine strikte naturwissenschaftliche Beweisführung, dass ohne den Missbrauch kein Schaden eingetreten wäre, derzeit praktisch unmöglich ist, muss hier - wie in den anderen Bereichen der Sozialversicherung - der Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit genügen. Damit wird, entgegen der Auffassung MAURERS, das Erfordernis des natürlichen Kausalzusammenhanges im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 IVG keineswegs preisgegeben. Denn ausschlaggebend ist, dass von Gesetzes wegen allein schon die blosse Verschlimmerung ( Art. 7 Abs. 1 IVG ) der Invalidität zur Kürzung (oder sogar zum gänzlichen Entzug) der Geldleistungen führt, ein Gesichtspunkt, der von MAURER wenn nicht übersehen, so doch vernachlässigt wird (vgl. besonders SZS 1984 S. 90 Ziff. IV/1). Selbst in Fällen, in denen die natürliche Kausalität für den Ausbruch einer Krankheit nicht mit genügender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, wird durch das gesundheitsschädliche Verhalten der Verlauf der Krankheit doch mindestens gefördert oder beschleunigt, so dass wenigstens in diesem Rahmen die natürliche Kausalität gegeben ist. c) Was den Alkoholkonsum im vorliegenden Fall anbelangt, erwog das kantonale Gericht, es sei "medizinisch nicht belegt und wohl auch nicht anzunehmen", dass die Kehlkopferkrankung BGE 111 V 186 S. 192 durch Alkoholmissbrauch verursacht worden sei. Dies scheint zu absolut formuliert zu sein; jedenfalls erklärt GROSSENBACHER (Rauchen und seine Folgen in der Otorhinolaryngologie, in: Therapeutische Rundschau 1983 S. 126): "Der Äthylalkohol selbst stellt kein eigentliches Karzinogen dar, er scheint jedoch die Potenz anderer Karzinogene, wie z.B. die aromatischen Kohlenwasserstoffe des Tabakrauchs, erheblich zu verstärken." Im vorliegenden Fall darf aber davon ausgegangen werden, dass der angegebene Rotweinkonsum zum Essen von einem halben Liter täglich noch nicht als Alkoholmissbrauch zu qualifizieren ist, der die Krebsanfälligkeit erheblich zu fördern vermochte. Aus diesem Grunde ist die natürliche Kausalität des Alkoholkonsums vorliegend zu verneinen. d) Was das Rauchen betrifft, nahm das kantonale Gericht unter Hinweis auf einen ähnlich gelagerten, durch die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich beurteilten Fall an, selbst der medizinische Laie sehe ein, dass zwischen dem eindeutig übermässigen Nikotingenuss und der Krebserkrankung des Kehlkopfes ein kausaler Zusammenhang bestehe. Das BSV hält dem entgegen, nach Ansicht seines ärztlichen Dienstes lasse sich "im vorliegenden Fall kein genügend enger Kausalzusammenhang zwischen den Rauchgewohnheiten des Versicherten und dem aufgetretenen Kehlkopfkrebs nachweisen"; das Bundesamt verweist dabei auf ZÖLLNER, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, 3. Aufl., S. 294, wo es heisst: "Ob Tabak eine ursächliche Rolle spielt, ist nicht sicher, wahrscheinlich ist er nicht der einzige." Eine Durchsicht der einschlägigen medizinischen Publikationen führt indessen zu einem anderen Ergebnis. Zwar sagt RÜEDI (in: Handbuch der inneren Medizin, 4. Aufl., Band IV/2) ebenfalls, die Ursachen der gutartigen und bösartigen Geschwulstbildungen im Kehlkopf seien unbekannt (S. 2 unten); er fährt aber fort, dass Larynxtumoren, allerdings viel seltener, auch ohne Alkohol- oder Tabakabusus auftreten könnten (a.a.O., S. 3 oben). Und vorgängig schreibt er, dass Tabakrauch den Kehlkopfkrebs durch die örtliche Einwirkung von aromatischen Ölen fördere; schon kleinste, chronisch einwirkende Schädigungen könnten an und für sich gewisse krankhafte Veränderungen des Kehlkopfes bewirken (a.a.O., S. 2). Auch GROSSENBACHER erklärt in seiner aus neuester Zeit stammenden Abhandlung (a.a.O., S. 126): "Ein Zusammenhang zwischen Rauchen und Karzinomentstehung ist für das Karzinom im Larynx, im Oropharynx, im Hypopharynx sowie der BGE 111 V 186 S. 193 Mundhöhle bewiesen, für die übrigen Lokalisationen ist dieser Zusammenhang nicht bewiesen." Weiter erwähnen OBRECHT/WEBER (Tabakrauch und Krebs, in: Therapeutische Rundschau 1983), dass das Tabakrauchen das Karzinomrisiko u.a. am Larynx erhöhe (S. 158, 160), wobei aber das Ausmass, in welchem der Tabakrauch an der Entstehung der Karzinome beteiligt ist, offengelassen wird. Sodann ist auf BIENER (Kehlkopfkarzinom nach Alkohol- und Tabakmissbrauch, in: Schweizerische Medizinische Wochenschrift 1979 S. 1568) hinzuweisen, der unter Bezugnahme auf eine australische Studie erklärt, dass Krebserkrankungen im Kopf-Hals-Ösophagus-Bereich in engem Zusammenhang mit Tabak- und Alkoholkonsum, besonders in kombinierter Form, stehen. Schliesslich ist der 1982 erschienene Bericht "The Health Consequences Of Smoking/Cancer" des amerikanischen Surgeon General zu erwähnen. Daraus geht hervor, dass Zigarettenrauchen die Hauptursache für Kehlkopfkrebs in den Vereinigten Staaten sei und dass das Risiko einer solchen Krebserkrankung mit steigendem Zigarettenkonsum zunehme; die Gefahr, an Kehlkopfkrebs zu sterben, sei für schwere Raucher zwischen zwanzig- und dreissigmal höher als für Nichtraucher. e) Vorliegend trifft es zu, dass sich die von der Invalidenversicherungs-Kommission eingeholten Atteste nur indirekt zur Kausalität äussern. Der Bericht des Kantonsspitals vom 15. April 1982 erwähnt nur im Anschluss an die Diagnose "Äthylabusus, Nikotinabusus". Im Bericht vom 2. Februar 1983 der Klinik heisst es lediglich: "Trotz eingehender Aufklärung über die Risikofaktoren für seine Krankheit trinkt der Patient nach wie vor nach eigenen Angaben im Minimum 1/2 Liter Rotwein pro Tag und raucht drei Stumpen pro Tag, was nur als Uneinsichtigkeit gewertet werden kann." Dennoch ist aufgrund der in Erwägung 3d hievor wiedergegebenen medizinischen Angaben vorliegend der Schluss zu ziehen, dass der als Tabakmissbrauch zu bezeichnende jahrzehntelange, massive Konsum von 20-40 Zigaretten täglich das Kehlkopfkarzinom wenn auch eventuell nicht ausschliesslich verursacht, so doch mindestens erheblich gefördert hat. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, dass der Beschwerdeführer selbst nach der ersten Stimmbandoperation im Jahre 1978 den Tabakgenuss nicht aufgab, womit er die Krankheitsentwicklung bis zur Entfernung des Kehlkopfes (Juli 1981) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit noch zusätzlich förderte. Das gleiche gilt in bezug auf den Konsum von zwei bis drei Stumpen täglich seit der Laryngektomie; BGE 111 V 186 S. 194 denn laut dem Bericht der Regionalstelle vom 13. Dezember 1982 müsse der Beschwerdeführer morgens jeweils während etwa drei Stunden Schleim aushusten, damit er einigermassen normal arbeiten könne; er reagiere auch sehr empfindlich auf Staub und andere Luftverunreinigungen sowie Zugluft. Dies trifft auch auf den Stumpenrauch zu, wird doch durch den Tabakrauch die lokale Immunabwehr des Respirationstrakts beeinträchtigt (vgl. MEDICI, IgE-Erhöhung durch Rauchen, in: Schweizerische Medizinische Wochenschrift 1985 S. 220 unten). Offensichtlich in diesem Sinne ist auch die Bemerkung im erwähnten Klinikbericht vom 2. Februar 1983 zu interpretieren, dass der fragliche Alkohol- und Tabakkonsum des Beschwerdeführers "nur als Uneinsichtigkeit gewertet" werden könne. Unter diesen Umständen ist der Tabakmissbrauch des Beschwerdeführers im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhanges mindestens als Teilursache für die Verschlimmerung des invalidisierenden Krebsleidens zu betrachten. Des weitern muss der Tabakmissbrauch für die Verschlimmerung der Krebskrankheit als adäquat kausal gewertet werden. 4. a) Was die Verschuldensfrage anbelangt, lässt der Beschwerdeführer, wiederum unter Hinweis auf MAURER (SZS 1984 S. 86 ff.), einwenden, es sei nicht belegt, dass "sein Verhalten als grobfahrlässig zu qualifizieren ist, das überdies krass und augenfällig sein müsste", wie dies aus den Gesetzesmaterialien hervorgehe. Werden die von MAURER erwähnten Stellen aus dem Bericht der Expertenkommission vom 30. November 1956 (S. 47) und der bundesrätlichen Botschaft vom 24. Oktober 1958 (BBl 1958 II 1164) im Gesamtzusammenhang des Textes gewürdigt, so ergibt sich daraus keineswegs, dass der Gesetzgeber in Art. 7 Abs. 1 IVG einen qualifizierten Begriff der Grobfahrlässigkeit habe einführen wollen. Abgesehen hievon wäre darauf hinzuweisen, dass die von MAURER angenommene Absicht der gesetzgebenden Organe im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden hat. Dadurch, dass Art. 7 Abs. 1 IVG als Kann-Vorschrift formuliert ist, wird - entgegen der Auffassung von MAURER (SZS 1984 S. 90 lit. cc) - den Invalidenversicherungs-Kommissionen kein Entschliessungsermessen, sondern lediglich die Kompetenz im Sinne einer Berechtigung und Verpflichtung eingeräumt, die Kürzung zu verfügen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Unter diesen Umständen könnte den Materialien selbst dann, wenn sie im Sinne der von Maurer vertretenen Auffassung zu verstehen wären, im Rahmen der Auslegung keine entscheidende Bedeutung BGE 111 V 186 S. 195 zukommen ( BGE 109 Ia 303 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 110 V 59 f.; GRISEL, Traité de droit administratif, S. 129). Vielmehr ist dem Begriff der Grobfahrlässigkeit nach Art. 7 Abs. 1 IVG - im Sinne einer einheitlichen Gesetzesauslegung - jene Bedeutung beizumessen, wie sie sonst im Sozialversicherungsrecht massgeblich ist. Auf diesen wichtigen Gesichtspunkt einer harmonisierenden Gesetzesauslegung hat MAURER in anderem Zusammenhang verschiedentlich hingewiesen (vgl. z.B. MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Band I, S. 222; derselbe, Rechtsfortbildung durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung in der Schweiz, in: SZS 1972 S. 196). Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Zusammenhang von diesem Prinzip abzuweichen. In diesem Sinne sieht übrigens auch Art. 25 Abs. 1 des Entwurfes zu einem Allgemeinen Teil der Sozialversicherung einen einheitlichen Begriff der Grobfahrlässigkeit im Zusammenhang mit der Herbeiführung oder Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens vor (Bericht S. 68 Beiheft zu SZS 1984). Aus diesen Gründen ist an der Umschreibung des Begriffs der Grobfahrlässigkeit auch im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 IVG gemäss Erw. 2c hievor festzuhalten. b) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die gesundheitlichen Gefährdungen eines jahrzehntelangen, massiven Tabakmissbrauchs im Ausmass von 20 bis 40 Stück Zigaretten im Tag bekannt waren. Dazu kommen die durch den Bericht des Kantonsspitals vom 2. Februar 1983 belegten ausdrücklichen, unbeachtet gebliebenen ärztlichen Warnungen im Verlaufe des Krankheitsgeschehens. Dabei ist nicht von Belang, ob sich der Beschwerdeführer die richtigen Vorstellungen von der genauen Art des Gesundheitsrisikos bzw. von der Lokalisation einer möglichen Krebserkrankung in einem bestimmten Organ machte. Ferner fehlen im vorliegenden Fall Anhaltspunkte dafür, dass eine Nikotinsucht im Sinne einer unüberwindbaren psychischen Abhängigkeit mit Krankheitswert ( BGE 102 V 165 ) entweder schon von Anfang an bestand oder aber im Verlaufe der Entwicklung eintrat. In der Medizin wird denn auch die Überwindbarkeit des Tabakmissbrauches bejaht (vgl. statt vieler SCHÄR, Leitfaden der Sozial- und Präventivmedizin, 3. Aufl., S. 183 ff.). Bei dieser Sachlage hat der Beschwerdeführer mit dem jahrzehntelangen, massiven Tabakmissbrauch ein elementares Vorsichtsgebot der gesundheitlichen Schonung in schwerwiegender Weise BGE 111 V 186 S. 196 missachtet, was die Annahme eines grobfahrlässigen Verhaltens rechtfertigt. 5. Liegt nach dem Gesagten eine grobfahrlässige Verschlimmerung der Invalidität durch Tabakmissbrauch im Sinne eines natürlichen und adäquaten Teilfaktors grundsätzlich vor, bleibt das Mass der verfügten Rentenkürzung zu prüfen. a) Die grobfahrlässige Herbeiführung oder Verschlimmerung der Invalidität zieht grundsätzlich nicht den gänzlichen Entzug der Geldleistungen, sondern bloss deren angemessene Kürzung nach sich. Der Kürzungssatz bestimmt sich ausschliesslich nach dem Verschulden des Versicherten ( BGE 104 V 2 Erw. 2b, BGE 97 V 229 Erw. 1b; vgl. auch BGE 106 V 23 Erw. 1a mit Hinweisen). Praxisgemäss lässt sich unter der Voraussetzung, dass die Invalidität einzig durch den Alkoholismus verursacht worden ist und der Versicherte den Alkoholismus voll zu verantworten hat, eine Kürzung von höchstens 50% rechtfertigen. Ist an der Invalidität ein zusätzlicher Gesundheitsschaden beteiligt, so ist das Verhältnis der die Invalidität bewirkenden Faktoren zueinander abzuklären und der Alkoholmissbrauch als Kausalitätsfaktor bei der Bemessung der Kürzung anteilsmässig festzusetzen ( BGE 104 V 2 Erw. 2b, BGE 97 V 230 Erw. 1c). b) Im vorliegenden Fall beruht die invalidisierende Krankheit teils auf dem Tabakmissbrauch, teils auf unverschuldeten pathogenen Faktoren. Das Verschulden ist deshalb nur im Rahmen jenes Sachverhaltsanteiles zu berücksichtigen, in dem es sich ausgewirkt hat. Bei der Festlegung dieses auf das grobfahrlässige Verhalten zurückzuführenden Kausalfaktors wäre deshalb bei methodisch exaktem Vorgehen zuerst der Invaliditätsgrad als solcher (Gesamtinvalidität) zu ermitteln. Danach wäre der Kausalitätsanteil auszuscheiden, der auf dem grobfahrlässigen Verhalten beruht. Sodann müsste die Schwere dieses Selbstverschuldens festgestellt werden, die ihrerseits für die Bestimmung des Kürzungssatzes ausschlaggebend ist. Nach Massgabe des auf Grobfahrlässigkeit beruhenden Kausalanteils einerseits und der Schwere dieses Verschuldens (Kürzungssatz) anderseits wäre schliesslich die effektive Kürzung der Invalidenrente zu errechnen. Die Anwendung einer solchen arithmetisch exakten Berechnungsmethode vermöchte indessen noch keineswegs zu gewährleisten, dass das Ergebnis der Kürzung stimmt, weil das Resultat in erster Linie von den Vorgaben, d.h. vom selbstverschuldeten Kausalanteil einerseits und von der für den Kürzungssatz massgebenden BGE 111 V 186 S. 197 Schwere des Selbstverschuldens anderseits abhängt. Beide Vorgaben sind Ermessensfragen teils tatsächlicher, teils rechtlicher Natur, die ihrerseits schwierig festzustellen und notwendigerweise Gegenstand von Schätzungen sind. Da demnach die Unsicherheit der materiellen Berechnungsgrundlagen die Anwendung einer an sich exakten Berechnungsmethode als fragwürdig erscheinen lässt, bleibt nichts anderes übrig, als die Kürzung aufgrund der beiden Faktoren des selbstverschuldeten Kausalanteils einerseits und der Schwere des Selbstverschuldens anderseits in jedem Einzelfall nach billigem Ermessen zu schätzen. c) Im vorliegenden Fall fehlen nähere medizinische Angaben über den Kausalanteil, der dem betriebenen Tabakmissbrauch zukommt. Es steht lediglich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Tabakmissbrauch im Sinne eines Teilfaktors zumindest die Krankheitsentwicklung erheblich gefördert hat. Der vom Beschwerdeführer zu verantwortende natürliche Kausalanteil, der vollumfänglich auch als adäquater Kausalanteil zu qualifizieren ist, könnte durch weitere medizinische Abklärungen kaum exakter bestimmt werden, weshalb eine Rückweisung der Sache an die Verwaltung zur Aktenergänzung keinen Sinn hat. Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles ist es nicht zu beanstanden, dass Verwaltung und Vorinstanz ermessensweise die Kürzung der Rentenleistungen auf 10% festgesetzt haben. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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1,985
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899522eb-6e9f-4f00-8b6c-019252b1fa8c
Urteilskopf 125 II 315 30. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. Juni 1999 i.S. N. gegen Anwaltskommission des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Zulassung zur Rechtspraktikantentätigkeit einer in einem anderen Kanton über eine entsprechende Bewilligung verfügenden Person; Kostenfreiheit des Zulassungsentscheids (Art. 4 Binnenmarktgesetz, BGBM). Wer in einem Kanton die Rechtspraktikantenbewilligung hat, verfügt nicht über einen Fähigkeitsausweis im Sinne von Art. 4 Abs. 2 BGBM . Damit besteht kein Anspruch darauf, dass ein weiterer Kanton über die Zulassung als Rechtspraktikant in einem kostenlosen Verfahren entscheidet.
Sachverhalt ab Seite 316 BGE 125 II 315 S. 316 Die Anwaltskammer des Kantons St. Gallen erteilte lic.iur. N. am 23. März 1998 die Rechtspraktikantenbewilligung für das Gebiet des Kantons St. Gallen; sie erhob dafür eine Gebühr von Fr. 100.--. In der Folge wurde N. auch die Rechtspraktikantenbewilligung für den Kanton Appenzell A.Rh. erteilt, wobei das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. keine Gebühr erhob. Am 14. November 1998 reichte N. sodann beim Obergericht des Kantons Thurgau ein Gesuch um Erteilung der Rechtspraktikantenbewilligung ein. Die Anwaltskommission des Kantons Thurgau entsprach dem Gesuch am 7. Dezember 1998 und erteilte N. gestützt auf die Vereinbarung zwischen dem Kantonsgericht St. Gallen und dem Obergericht des Kantons Thurgau vom Dezember 1973 (publiziert in: Rechenschaftsbericht des Obergerichts des Kantons Thurgau [RBOG/TG] über das Jahr 1973, S. 88) die Bewilligung, unter der Verantwortung von Rechtsanwalt lic.iur. G., St. Gallen, als Praktikant vor den thurgauischen Gerichten aufzutreten. Für diese Bewilligung erhob die Anwaltskommission eine Verfahrensgebühr von Fr. 400.--. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 12. Januar 1999 beantragt N., den Entscheid der Anwaltskommission vom 7. Dezember 1998 unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben. Er rügt eine Verletzung von Art. 2 ÜbBest.BV. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV) schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, eine Rechtsetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen den Sinn und Geist des BGE 125 II 315 S. 317 Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln ( BGE 125 II 56 E. 2b S. 58; BGE 123 I 313 E. 2b S. 316 f.). Der Beschwerdeführer anerkennt, dass § 8 des thurgauischen Anwaltsgesetzes vom 8. Mai 1996 (AnwG) eine genügende gesetzliche Grundlage für die Gebührenerhebung darstellt. Er behauptet sodann nicht, dass die Anwaltskommission bei der Festsetzung der Gebühr gegen die in § 8 AnwG erwähnte Verordnung des Grossen Rates des Kantons Thurgau vom 13. Mai 1992 über die Gebühren der Strafuntersuchungs- und Gerichtsbehörden (Gebührenverordnung) verstossen habe. Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, dass Art. 4 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz, BGBM; SR 943.02) der Erhebung einer Gebühr entgegenstehe; der angefochtene - auf willkürfreier Auslegung des kantonalen Rechts beruhende - Entscheid verletze daher Art. 2 ÜbBest.BV. Wie es sich damit verhält, prüft das Bundesgericht frei (vgl. BGE 123 I 313 E. 2b S. 317 mit Hinweisen). b) Gemäss Art. 4 Abs. 1 BGBM gelten kantonale oder kantonal anerkannte Fähigkeitsausweise zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz, sofern sie nicht Beschränkungen (des freien Zugangs zum Markt) nach Art. 3 BGBM unterliegen. Art. 4 Abs. 2 BGBM bestimmt, dass bei Beschränkungen nach Art. 3 BGBM die betroffene Person Anspruch darauf hat, dass in einem einfachen, raschen und kostenlosen Verfahren geprüft wird, ob ihr aufgrund ihres Fähigkeitsausweises der freie Zugang zum Markt zu gewähren ist oder nicht. Soweit die Kantone in einer interkantonalen Vereinbarung die gegenseitige Anerkennung von Fähigkeitsausweisen vorsehen, gehen deren Vorschriften dem Binnenmarktgesetz vor ( Art. 4 Abs. 4 BGBM ). aa) Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die ihm vom Kanton St. Gallen erteilte Rechtspraktikantenbewilligung einen Fähigkeitsausweis im Sinne von Art. 4 BGBM darstelle. Er begründet dies wie folgt: Die Zulassung als Rechtspraktikant im Kanton St. Gallen sei von qualifizierten Voraussetzungen abhängig; nach dem vom Kantonsgericht des Kantons St. Gallen am 22. April 1994 erlassenen Prüfungs- und Bewilligungsreglement für Rechtsanwälte unterliege der Praktikant bis auf die Anwaltsprüfungen den gleichen Zulassungsbedingungen wie der Rechtsanwalt (Ausbildung, Überprüfung der Vertrauenswürdigkeit); in der praktischen Berufsausübung bestehe zwischen der Tätigkeit des Rechtsanwaltes und derjenigen des Rechtspraktikanten weitgehende Deckungsgleichheit, der hauptsächliche Unterschied bestehe einzig darin, dass BGE 125 II 315 S. 318 der Rechtspraktikant nur unter der Aufsicht und der Verantwortung eines zugelassenen Rechtsanwaltes tätig sein dürfe; gegen aussen handle der Rechtspraktikant anwaltlich. bb) Nach seinem Wortlaut regelt Art. 4 Abs. 2 BGBM den Tatbestand, da jemand gestützt auf einen in einem ersten Kanton (Domizilkanton) erworbenen «Fähigkeitsausweis» in einem weiteren Kanton (Freizügigkeitskanton) zum Markt zugelassen werden und darüber in einem kostenlosen Verfahren entschieden haben will. Als Fähigkeitsausweis wird gemeinhin ein Ausweis bezeichnet, welcher dem Inhaber definitiv attestiert, über die Fähigkeit zur Ausübung einer bestimmten (Erwerbs-)tätigkeit zu verfügen. Aus der bundesrätlichen Botschaft vom 23. November 1994 zum Binnenmarktgesetz (BBl 1995 I 1213 ff.) ergibt sich klar, dass mit Fähigkeitsausweis im Sinne von Art. 4 BGBM ein solcher eigentlicher Ausweis, ein Fähigkeitszeugnis, gemeint ist (S. 1266 f.). Die Rechtspraktikantenbewilligung ist dem Fähigkeitsausweis als Rechtsanwalt in keiner Weise gleichzusetzen. Sie wird gerade erteilt, um dem Praktikanten zu ermöglichen, die Ausbildung als Rechtsanwalt abzuschliessen und überhaupt erst zur Prüfung zugelassen zu werden, nach deren (allfälligem) Bestehen er den Fähigkeitsausweis (das Rechtsanwaltspatent) erwirbt. Der Praktikant darf denn auch nicht selbständig, sondern nur - und für eine befristete Zeit - unter der Verantwortung eines patentierten Rechtsanwalts, bei dem er angestellt ist, die einem Anwalt vorbehaltene Tätigkeit ausüben, wie dies im Falle des Beschwerdeführers denn auch in der ursprünglichen Bewilligung vom 23. März 1998 für den Kanton St. Gallen sowie in den gestützt darauf erteilten Freizügigkeits-Bewilligungen der Kantone Appenzell A.Rh. und Thurgau ausdrücklich festgehalten ist. Die Praktikantenbewilligung steht in ähnlichem Verhältnis zum Anwaltspatent wie der Lernfahrausweis zum Führerausweis; wer den Lernfahrausweis erwirbt, ist nicht befähigt, selbständig ein Motorfahrzeug zu führen, und hat eben nicht Anspruch auf den entsprechenden Fähigkeitsausweis. Nur wenn der Domizilkanton durch Ausstellen eines Fähigkeitszeugnisses abschliessend dokumentiert, dass eine Person zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit in der Lage ist, muss Gleichwertigkeit der Zulassungsbedingungen in Domizil- und Freizügigkeitskanton vermutet werden (vgl. BGE 125 II 56 E. 4b S. 61 f.). Allein diese Vermutung rechtfertigt es, den Freizügigkeitskanton dazu zu verpflichten, gemäss Art. 4 Abs. 2 BGBM in einem BGE 125 II 315 S. 319 einfachen, raschen und kostenlosen Verfahren über den freien Zugang zum Markt, eben über die Gleichwertigkeit der Fähigkeitsausweise zu befinden. Fehlt ein Fähigkeitsausweis im beschriebenen Sinn, stellt sich die Frage der Gleichwertigkeit nicht, und Art. 4 Abs. 2 BGBM kommt nicht zur Anwendung. Dass die Rechtspraktikantenbewilligung nicht einem Fähigkeitsausweis gleichgestellt werden darf, ergibt sich eigentlich schon aus der Zielsetzung des Binnenmarktgesetzes. Dieses will gewährleisten, dass Personen für die Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Gebiet der Schweiz freien und gleichberechtigten Zugang zum Markt haben ( Art. 1 Abs. 1 BGBM ). Ziel der vom Kanton St. Gallen erteilten Bewilligung ist es nicht, dem Beschwerdeführer den freien Zugang zum Markt als Anbieter von Dienstleistungen/Arbeitsleistungen zu gewähren (vgl. Art. 2 Abs. 1 BGBM ) und in dem Sinn eine Erwerbstätigkeit zu bewilligen. Wohl übt der Rechtspraktikant insofern auch eine Erwerbstätigkeit aus, als er vom Anwalt, unter dessen Aufsicht er arbeitet, einen Lohn bezieht. Der Erwerbszweck hat jedoch keine eigenständige Bedeutung und tritt hinter dem eigentlichen Zweck der Praktikantenbewilligung zurück, dem Anwaltsstagiaire zu ermöglichen, sich praktisch auf die - spätere - Berufsausübung vorzubereiten. c) Nach dem Gesagten regelt Art. 4 BGBM die Anerkennung der von einem Kanton erteilten Rechtspraktikantenbewilligung durch andere Kantone bzw. das entsprechende Verfahren und die Frage der Verfahrensgebühren nicht. Unerheblich ist, dass die Kantone St. Gallen und Thurgau im Dezember 1973 eine Vereinbarung betreffend gegenseitige Zulassung von Rechtspraktikanten getroffen haben. Gemäss Art. 4 Abs. 4 BGBM gehen zwar die Vorschriften von interkantonalen Vereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung von Fähigkeitsausweisen den Vorschriften des Binnenmarktgesetzes vor. Die Rechtspraktikantenbewilligungen werden durch die fragliche Vereinbarung aber nicht zu Fähigkeitsausweisen im Sinne des Binnenmarktgesetzes gemacht; die Vereinbarung selber erklärt sodann in Ziff. 1 Abs. 2 die Gerichte ausdrücklich für «befugt, für die Prüfung des Gesuchs und die Zulassung eine Gebühr zu erheben» (RBOG/TG 1973 S. 88); sie räumt damit den Rechtspraktikanten gerade hinsichtlich der Gebühren keine über das Binnenmarktgesetz hinausgehenden Garantien ein. Dass nebst Art. 4 BGBM weitere Bestimmungen des Binnenmarktgesetzes der angefochtenen Gebührenerhebung entgegenstünden, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. BGE 125 II 315 S. 320 Die Gebührenregelung des Kantons Thurgau bzw. die gestützt darauf erhobene Gebühr von Fr. 400.-- verstösst somit nicht gegen den Sinn und Geist des Binnenmarktgesetzes und beeinträchtigt oder vereitelt den von diesem verfolgten Zweck nicht. Art. 2 ÜbBest. BV ist nicht verletzt.
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1,999
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CH_BGE_004
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Urteilskopf 107 III 11 4. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 25. Juni 1981 i.S. X. (Rekurs)
Regeste Zustellung eines Zahlungsbefehls in der Bundesrepublik Deutschland. Die Anerkennung der Zustellung eines Zahlungsbefehls in der Bundesrepublik Deutschland durch Niederlegung beim zuständigen Amtsgericht im Sinne von § 182 der deutschen Zivilprozessordnung verstösst nicht gegen den schweizerischen ordre public.
Erwägungen ab Seite 12 BGE 107 III 11 S. 12 Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Mit dem Rekurs im Sinne der Art. 19 SchKG und 78 ff. OG kann nur geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer Verletzung des Bundesrechts mit Einschluss von Staatsverträgen des Bundes; wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger bleibt die staatsrechtliche Beschwerde vorbehalten (Art. 43 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 81 OG ). Soweit der Rekurrent einen Verstoss gegen Art. 4 BV rügt, wäre demnach auf den Rekurs an sich nicht einzutreten. Indessen läuft die Argumentation des Rekurrenten bei richtiger Betrachtung auf die Rüge hinaus, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt. ob und wie ein schweizerischer Zahlungsbefehl im Ausland zugestellt werden könne, ist eine Frage der Anwendbarkeit und der Tragweite von Art. 66 Abs. 3 SchKG , mithin des schweizerischen Gesetzesrechts. Ausschliesslich danach beurteilt sich auch, ob die Anerkennung einer Zustellung im Ausland allenfalls gegen die schweizerische öffentliche Ordnung verstosse. 2. Mit Recht hat die Vorinstanz festgehalten, die Zustellung von Betreibungsurkunden in der Bundesrepublik Deutschland richte sich nach den dort geltenden Vorschriften. Dies wird vom Rekurrenten denn auch nicht bestritten, so dass einzig zu beurteilen bleibt, ob die Zustellung des Zahlungsbefehls als rechtsgültig erfolgt anzuerkennen sei. Letzteres wäre dann zu verneinen, wenn die Anerkennung der Zustellung durch Niederlegung im Sinne von § 182 der deutschen Zivilprozessordnung (DZPO) im gegebenen Fall gegen den schweizerischen ordre public verstossen sollte, d.h. wenn dadurch grundlegende Vorschriften der schweizerischen Rechtsordnung missachtet würden und das einheimische Rechtsgefühl in unerträglicher Weise verletzt würde (vgl. BGE 103 Ia 204 E. 4a mit Hinweisen). BGE 107 III 11 S. 13 3. Für den Fall, dass sich die Zustellung nach den übrigen Vorschriften nicht durchführen lässt, sieht § 182 DZPO vor, dass die Zustellung unter anderem dadurch erfolgen kann, dass das zu übergebende Schriftstück auf der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung gelegen ist, niedergelegt und eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben oder, falls dies nicht tunlich ist, an die Tür der Wohnung befestigt oder einer in der Nachbarschaft wohnenden Person zur Weitergabe an den Empfänger ausgehändigt wird. Dieser Zustellungsform stellt die Vorinstanz die Zustellung durch die Post im Sinne von Art. 72 Abs. 1 SchKG , genauer gesagt den Fall gegenüber, da bei der postalischen Zustellung einer eingeschriebenen Sendung oder einer Betreibungsurkunde kein Bezugsberechtigter anzutreffen ist. Sie weist darauf hin, dass bei dieser Sachlage gemäss Art. 157 der Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz (VO (1) zum PVG; SR 783.01) der Postbote eine Abholungseinladung mit Fristangabe zu hinterlassen habe und dass bei nicht rechtzeitiger Abholung durch den Empfänger die Sendung nach Art. 169 Abs. 1 lit. d der gleichen Verordnung als unzustellbar gelte. Unter Berufung auf verschiedene Entscheide des Bundesgerichts führt die Vorinstanz schliesslich aus, die höchstrichterliche Rechtsprechung knüpfe an die Unterlassung der Abholung die rechtliche Konsequenz, dass die Zustellung als am letzten Tag der auf der Abholungseinladung vermerkten Frist erfolgt zu betrachten sei. Es handle sich dabei ebenfalls um eine Fiktion, und der Unterschied zur Zustellung durch Niederlegung des deutschen Rechts bestehe einzig darin, dass die Zustellung nicht bereits mit der Abgabe der Abholungsanzeige, sondern erst am letzten Tag der Abholungsfrist als erfolgt gelte. Ob an der erwähnten Rechtsprechung (vgl. BGE 100 III 5 E. 2 mit Hinweisen) festgehalten werden könne oder ob sie im Sinne der in BGE 98 Ia 138 f. E. 4 geäusserten Bedenken aufzugeben sei, braucht hier nicht erörtert zu werden. Indessen ist darauf hinzuweisen, dass es bei keinem der von der Vorinstanz angeführten Entscheide um die Zustellung von Betreibungsurkunden ging. Was diese betrifft, so sieht Art. 64 Abs. 2 SchKG vor, dass, wenn keine zum Empfang befugte Person angetroffen werde, die Betreibungsurkunde einem Gemeinde- oder Polizeibeamten zur Zustellung an den Schuldner zu übergeben sei. Für den Standpunkt des Rekurrenten lässt sich daraus jedoch nichts ableiten. BGE 107 III 11 S. 14 4. Sollte die Zustellung des Zahlungsbefehls durch Niederlegung im Sinne von § 182 DZPO anzuerkennen sein, hätte dies zur Folge, dass die Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlages ungenützt verstrichen wäre. Für den Fall der nicht verschuldeten Versäumnis einer Frist schafft das deutsche Zivilprozessrecht mit der in § 233 DZPO geregelten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Möglichkeit, die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Die Wiedereinsetzung wird insbesondere dann gewährt, wenn der Betroffene glaubhaft zu machen vermag, dass er eine Verfügung, durch deren Zustellung eine Frist ausgelöst wurde, nicht rechtzeitig erhalten habe, wobei an die Glaubhaftmachung bzw. den Nachweis dieser Behauptung nicht allzu strenge Anforderungen gestellt werden (vgl. BVerfGE 26, Nr. 24, und 25, Nr. 19). Eine Wiedereinsetzung nach deutschem Recht kommt im Falle des Rekurrenten freilich von vornherein nicht in Frage, da es hier um die Versäumnis einer Frist des schweizerischen Rechts geht, die auch in der Schweiz hätte gewahrt werden müssen. Dem Betriebenen, der ohne seine Schuld verhindert war, innert Frist Recht vorzuschlagen, stellt indessen auch das schweizerische Recht einen Rechtsbehelf zur Verfügung. Er kann gemäss Art. 77 Abs. 1 und 2 SchKG noch nachträglich - binnen drei Tagen seit dem Wegfall des Hindernisses - beim Richter den Rechtsvorschlag anbringen. solange die Verwertung noch nicht vollzogen bzw. der Konkurs noch nicht eröffnet worden ist. Der nachträgliche Rechtsvorschlag ist in der Praxis etwa dann zugelassen worden, wenn der Zahlungsbefehl durch Übergabe an eine Drittperson im Sinne von Art. 64 Abs. 1 zweiter Satz SchKG, durch Übergabe an das Mitglied einer Erbengemeinschaft, das nicht als deren Vertreter amtet ( Art. 65 Abs. 3 SchKG ), oder durch öffentliche Bekanntmachung im Sinne von Art. 66 Abs. 4 SchKG zwar rechtsgültig zugestellt worden war, der Betriebene bzw. die übrigen Mitglieder der betriebenen Erbengemeinschaft aus irgendeinem Grund ohne eigenes Verschulden jedoch erst nach Ablauf der Frist zur Erhebung des Rechtsvorschlages vom Zahlungsbefehl persönlich Kenntnis erhielten (zum ersten Fall vgl. BlSchK 42/1978 S. 145 ff. und BlSchK 38/1974 S. 114 f.; zum zweiten Fall vgl. BlSchK 13/1949 S. 154 f.; zum dritten Fall vgl. ZR 51/1952 Nr. 163 und ZBJV 64/1928 S. 81 f.). Dieser weiten Auslegung des Art. 77 SchKG ist beizupflichten (im gleichen Sinne auch das Schrifttum; vgl. JAEGER und JAEGER/DAENIKER, je N. 2 zu Art. 77 SchKG ; BRAND, Der Rechtsvorschlag, SJK Nr. 979, S. 11 f.; FRITZSCHE, BGE 107 III 11 S. 15 Schuldbetreibung und Konkurs, 2. A., I. Bd., S. 131; FAVRE, Droit des poursuites, 3. A., S. 140 f.; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, S. 116). Aus dem Gesagten erhellt, dass sich die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland nicht wesentlich von derjenigen in der Schweiz unterscheidet, so dass nicht gesagt werden kann, die Anerkennung der Zustellung des Zahlungsbefehls an den Rekurrenten durch Niederlegung beim Amtsgericht verstosse gegen den schweizerischen ordre public. Einerseits bieten verschiedene der in der Schweiz vorgesehenen Zustellungsformen (Aushändigung an einen erwachsenen Hausgenossen oder an einen Angestellten; öffentliche Bekanntmachung) im Verhältnis zur Zustellung durch Niederlegung im Sinne von § 182 DZPO keine grössere Gewähr dafür, dass der Betriebene persönlich vom Zahlungsbefehl tatsächlich Kenntnis erlange. Andererseits kann der Betriebene, der ohne seine Schuld vom Zahlungsbefehl keine Kenntnis erhalten hat, um Zulassung des nachträglichen Rechtsvorschlages nachsuchen, was dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des deutschen Rechts entspricht.
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Urteilskopf 138 III 354 51. Estratto della sentenza della I Corte di diritto civile nella causa A. SA contro B.B. (ricorso in materia civile) 4A_458/2011 del 22 marzo 2012
Regeste a Art. 17 Abs. 3 des Niederlassungs- und Konsularvertrags vom 22. Juli 1868 zwischen der Schweiz und Italien; professio iuris. Unterstellt ein italienischer Bürger mit letztem Wohnort in der Schweiz seinen Erbgang dem schweizerischen Recht, ist auf den Erbgang ausschliesslich dieses Recht anwendbar (E. 3). Regeste b Art. 533 Abs. 1 ZGB ; Verwirkung der Herabsetzungsklage für einen vollständig vom Erbgang ausgeschlossenen pflichtteilsberechtigten Erben und Verlust des Auskunftsrechts. Um seine Erbenstellung und sein erbrechtliches Auskunftsrecht nicht zu verlieren, muss ein pflichtteilsberechtigter Erbe, welcher vollständig vom Erbgang ausgeschlossen wurde, die letztwillige Verfügung innert eines Jahres ab Kenntnis mit Herabsetzungsklage anfechten (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 355 BGE 138 III 354 S. 355 A. C.B., cittadino italiano con ultimo domicilio nel Cantone Ticino, è deceduto a Milano il 14 settembre 2007, lasciando tre figli di primo letto e la vedova di seconde nozze B.B. Il 19 ottobre 2007 è stato pubblicato davanti alla Pretura di Lugano il testamento olografo datato 21 febbraio 1997 nel quale il defunto aveva designato eredi i tre figli in parti uguali. B. Con precetto esecutivo civile del 13 marzo 2008 B.B. ha intimato alla A. SA di consegnarle entro 10 giorni la documentazione completa concernente uno specificato conto bancario e qualsiasi altra relazione diretta intestata o cointestata in qualunque forma al defunto, nonché di informarla sull'esistenza di qualsiasi altra relazione indiretta di rapporti fiduciari, società anonime, fondazioni e Anstalt del Liechtenstein, trust anglosassoni e altre entità giuridiche in Svizzera o all'estero delle quali il defunto fosse stato avente diritto economico, di darle se del caso tutte le informazioni necessarie per identificare e raggiungere le persone che gestiscono tali relazioni e di consegnarle anche a questo proposito la documentazione completa. La banca si è opposta al precetto esecutivo civile. C. Statuendo il 5 giugno 2008 il Pretore del distretto di Lugano ha respinto l'opposizione limitatamente alle informazioni concernenti lo specificato conto e altre relazioni bancarie, ma solo nella misura in cui fossero intestate o cointestate al defunto; per il resto ha mantenuto l'opposizione. Entrambe le parti si sono aggravate contro il giudizio del Pretore: B.B. per ottenere la reiezione integrale dell'opposizione al precetto esecutivo; A. SA auspicando la conferma della propria opposizione. Con sentenza del 26 giugno 2009 la II Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino ha respinto le due appellazioni. D. In accoglimento di un ricorso in materia civile inoltrato da B.B., la I Camera di diritto civile del Tribunale federale ha, con sentenza 26 luglio 2010, annullato la pronunzia di appello e ha rinviato la causa all'autorità cantonale per nuova decisione nel senso dei considerandi. (...) BGE 138 III 354 S. 356 E. Con sentenza del 31 maggio 2011 la II Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino ha parzialmente accolto l'appello di B.B. e ha rigettato l'opposizione per un'ulteriore serie di specificati documenti, ordinando alla A. SA di consegnarli alla procedente entro 30 giorni. (...) F. Con ricorso in materia civile del 9 agosto 2011 la A. SA postula (...) la riforma della sentenza di appello nel senso che l'opposizione da lei interposta al precetto esecutivo fatto spiccare da B.B. sia mantenuta - come deciso dal Pretore - per le relazioni bancarie indirette intestate a terzi e con beneficiario economico il de cuius. (...) Il Tribunale federale ha accolto il ricorso. (estratto) Erwägungen Dai considerandi: 3. Trattandosi nella fattispecie di una causa attinente alla successione di un cittadino italiano morto con un ultimo domicilio in Svizzera, il Tribunale federale ha stabilito - nella decisione di rinvio del 26 luglio 2010 ( DTF 136 III 461 ) - che l' art. 17 cpv. 3 del Trattato di domicilio e consolare tra la Svizzera e l'Italia del 22 luglio 1868 (RS 0.142.114.541) ne disciplina il diritto applicabile (consid. 5.2). Questo Tribunale ha tuttavia indicato che tale norma non esclude la possibilità di sottoporre la successione a un diritto diverso da quello (il diritto italiano; consid. 5.4) a cui la predetta norma rinvia in concreto. Esso ha quindi ritenuto che pure una professio iuris in favore del diritto dello Stato di residenza, come quella di cui si prevale la qui ricorrente, è possibile nel campo di applicazione della menzionata Convenzione (consid. 6.1). Ha conseguentemente ritornato la causa all'autorità inferiore per completazione degli accertamenti di fatto concernenti la volontà espressa dal defunto con riferimento all'invocata professio iuris e nuovo giudizio in applicazione del diritto svizzero o italiano, dopo aver determinato quale dei due regge la controversia (consid. 6.2). 3.1 La Corte cantonale ha ritenuto che il testamento non lascia spazio a dubbi sulla volontà del testatore, che ha chiaramente optato in favore del diritto svizzero. Tale accertamento non è contestato né dalla ricorrente né dall'opponente ed è quindi vincolante per il Tribunale federale, che lo pone a fondamento della sua sentenza ( art. 105 cpv. 1 LTF ). 3.2 I Giudici cantonali hanno poi reputato che nella citata sentenza il Tribunale federale abbia indicato "la strada del rinvio", motivo per cui BGE 138 III 354 S. 357 alla fattispecie non sarebbe esclusivamente applicabile il diritto svizzero a cui il de cuius ha sottoposto la propria successione, ma pure, in virtù della normativa italiana in materia di diritto internazionale privato (art. 46 cpv. 2 della legge n. 218 del 31 maggio 1995), il diritto italiano, qualora il diritto scelto dal testatore dovesse pregiudicare i diritti che la legge italiana attribuisce ai legittimari residenti in Italia al momento della morte della persona della cui successione si tratta. Ora, l'appena menzionata argomentazione del giudizio impugnato discende da un'interpretazione errata della sentenza di questo Tribunale, il quale non ha affatto rinviato al diritto italiano e alla legge sul diritto internazionale privato di tale Stato. Questa Corte ha invece indicato che, nell'ambito del Trattato applicabile nella fattispecie, un cittadino italiano con ultimo domicilio in Svizzera può sottoporre la sua successione al diritto di questo paese (sopra, consid. 3), ciò che in base agli incontestati accertamenti della sentenza di appello è stato fatto dal de cuius (sopra, consid. 3.1). Ne segue che la controversia èretta esclusivamente dal diritto svizzero. Giova del resto rilevare che, vista la similitudine fra i due ordinamenti giuridici, che conoscono entrambi il diritto alla legittima per coniuge e figli, non sussiste alcun motivo che giustifichi l'adozione da parte del giudice svizzero, nell'ambito dell'applicazione del menzionato Trattato, di una norma italiana che pare essere in primo luogo intesa a proteggere gli eredi legittimari da un'eventuale diseredazione, operata sottoponendo la successione al diritto di un paese che consente di disporre senza alcun limite del proprio patrimonio (cfr. TITO BALLARINO, Diritto internazionale privato, 2 a ed. 1996, pag. 507 seg.). (...) 5. Un erede legittimario escluso dalla successione in virtù di un testamento che non lo menziona, ma in cui il testatore designa suoi eredi altre persone, è unicamente un erede virtuale fintanto che, dopo aver attaccato con un'azione di riduzione la disposizione di ultima volontà, non ottiene la sua legittima; se omette di introdurre l'azione nel termine di perenzione dell' art. 533 CC , egli perde definitivamente la sua qualità di erede (v. da ultimo FORNI/PIATTI, in: Commento basilese, Zivilgesetzbuch, vol. II, 4 a ed. 2011, n. 2 a prima degli art. 522-533 CC , con rinvii). La sentenza che pronuncia la riduzione ha infatti carattere costitutivo ( DTF 115 II 211 consid. 4; sentenza 5C.81/2003 del 21 gennaio 2004 consid. 5.2). Ne segue che nella fattispecie in esame, contrariamente a quanto pare ritenere l'opponente, il fatto di essere la vedova del defunto non dimostra ancora la sua BGE 138 III 354 S. 358 qualità di erede, ma occorre verificare, ritenuto come non viene nemmeno preteso che sia già stata introdotta un'azione di riduzione, se questa può ancora essere validamente incoata o se invece la stessa sia perenta, come affermato dalla ricorrente. 5.1 In concreto, contrariamente a quanto sostiene l'opponente nella sua risposta e ricordata la professio iuris contenuta nel testamento, il termine entro il quale può essere inoltrata un'azione di riduzione viene determinato esclusivamente in base al diritto svizzero e un eventuale termine più lungo previsto dal diritto italiano è irrilevante. 5.2 Giusta l' art. 533 cpv. 1 CC la predetta azione si prescrive col decorso di un anno dal momento in cui gli eredi hanno avuto conoscenza della lesione dei loro diritti. Il testo legale è impreciso, poiché non si tratta di un termine di prescrizione, ma di perenzione ( DTF 128 III 318 consid. 2.1; DTF 121 III 249 consid. 2 con rinvii). Questo termine (relativo) inizia a decorrere quando la persona lesa nella propria legittima conosce gli elementi di fatto che lasciano confidare nell'esito favorevole di un'eventuale azione di riduzione ( DTF 121 III 249 consid. 2a). A tal fine è necessaria, se l'interessato non è stato completamente escluso dalla successione, una conoscenza approssimativa dell'ammontare dell'eredità ( DTF 121 III 249 consid. 2b). L'erede totalmente estromesso da una successione apprende invece la lesione della sua porzione legittima già dalla relativa disposizione di ultima volontà. Nella fattispecie l'opponente ha saputo della violazione della propria legittima con la comunicazione del contenuto del menzionato testamento olografo, che la esclude dalla successione. Ne segue che, contrariamente a quanto ritenuto dalla Corte cantonale, per determinare se i suoi diritti successori fossero lesi, la vedova non necessitava delle informazioni richieste con l'azione di rendiconto. Atteso che già il precetto esecutivo civile del 13 marzo 2008 con cui è iniziata la presente causa menzionava il testamento con il suo contenuto, l'azione di riduzione era ampiamente perenta quando la Corte cantonale ha emanato la decisione impugnata. Così stando le cose, l'opponente ha perso la sua qualità di erede e di conseguenza il diritto di ottenere informazioni in base al diritto successorio.
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Urteilskopf 118 Ib 1 1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. Februar 1992 i.S. Schweizerischer Bund für Naturschutz und Mitb. gegen Misoxer Kraftwerke AG und Regierung des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde).
Regeste Bewilligung zur Erstellung von Baggerschlitzen und Sondierbohrungen auf Curciusa Alta und Curciusa Bassa; Beschwerdebefugnis gesamtschweizerischer Umweltorganisationen. 1. Die gesamtschweizerischen Umweltorganisationen sind befugt, gegen die gewässerschutzrechtliche Bewilligung zur Erstellung von Baggerschlitzen und Sondierbohrungen die kantonal vorgesehenen Rechtsmittel zu erheben und Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zu führen ( Art. 55 USG ), da die fraglichen Vorkehren im Zusammenhang mit dem geplanten Bau einer UVP-pflichtigen Anlage (Stauanlage auf der Alp Curciusa) stehen. Nebstdem ist das Beschwerderecht gestützt auf Art. 12 NHG zu bejahen, da die betreffende Bewilligung in Erfüllung einer Bundesaufgabe ( Art. 2 lit. b NHG , Art. 29 GSchG ) erging (E. 1). Den Umweltorganisationen muss ermöglicht werden, von ihrem Beschwerderecht gemäss Art. 55 USG und Art. 12 NHG rechtzeitig Gebrauch machen zu können (E. 2b). 2. Für die Ausführung der Baggerschlitze und Sondierbohrungen hätte zumindest auch eine auf Art. 22 NHG gestützte Bewilligung erteilt werden müssen (E. 1c). Ob für solche Vorkehren zusätzlich eine Bewilligung nach Art. 24 RPG nötig ist, hängt vom Ausmass der Untersuchungshandlungen und von deren Auswirkungen auf die Umwelt ab (E. 2c).
Sachverhalt ab Seite 3 BGE 118 Ib 1 S. 3 Mit Verfügung vom 1. Mai 1991 bewilligte das Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartement des Kantons Graubünden (EKUD) der Misoxer Kraftwerke AG (MKW) die Vornahme von 14 bis 18 Sondierbohrungen und 15 bis 20 Baggerschlitzen auf Curciusa Alta und Bassa zur Ergänzung der geologisch-geotechnischen Untersuchungen im Zusammenhang mit dem geplanten Bau des Saisonspeichers der Kraftwerkanlagen der Misoxer Kraftwerke im Gebiet der Gemeinde Mesocco. Die Bewilligung wurde bis zum 31. Oktober 1991 befristet. Weder das Gesuch um Vornahme dieser Arbeiten noch die Bewilligung wurden publiziert. Auch wurde die Verfügung den Umweltschutzorganisationen nicht eröffnet. Der Schweizerische Bund für Naturschutz (SBN), die Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz (SGU), die Schweizerische Greina-Stiftung (SGS), der Schweizerische Heimatschutz (SHS) und der World Wildlife Fund Schweiz (WWF) erhielten jedoch Kenntnis von den bewilligten Arbeiten, weshalb der Vertreter dieser Vereinigungen das EKUD um eine Kopie der Verfügung ersuchte. Das EKUD lehnte dies mit dem Hinweis darauf ab, dass die Bewilligung in keinem direkten Zusammenhang mit den Entscheiden der Regierung des Kantons Graubünden vom 22./29. Oktober 1990 betreffend Erstellung des Kraftwerkes Curciusa stehe. Da die genannten Umweltschutzorganisationen diese Entscheide der Regierung vom 22./29. Oktober 1990 beim Bundesgericht angefochten hatten, gelangten sie mit Eingabe vom 19. Juni 1991 an den Präsidenten der I. öffentlichrechtlichen Abteilung mit dem Gesuch, ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 28. November 1990 gegen die Bewilligung der Kraftwerkanlagen Curciusa sei aufschiebende Wirkung zu erteilen, und die Vornahme von Sondierbohrungen und Baggerschlitzen sei zu verbieten. Nach Eingang der Stellungnahmen der Regierung, der MKW und der beteiligten Gemeinden wies der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab und trat auf BGE 118 Ib 1 S. 4 das Begehren, die Ausführung der Sondierbohrungen und Baggerschlitze sei zu verbieten, nicht ein. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass beim Bundesgericht nur gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide, nicht jedoch gegen eine erstinstanzliche Departementsverfügung Beschwerde geführt werden könne und dass sich die Beschwerdeführer mit ihren Begehren nach kantonalem Verwaltungsverfahrensrecht an die kantonale Rechtsmittelbehörde hätten wenden sollen. Das dem Bundesgericht unterbreitete Gesuch wurde der Regierung des Kantons Graubünden überwiesen in der Meinung, dass diese die nach kantonalem Verfahrensrecht allenfalls notwendigen Schritte in die Wege leite. Hierauf, am 29. Juli 1991, reichten die genannten Vereinigungen sowohl beim Verwaltungsgericht als auch bei der Regierung des Kantons Graubünden Beschwerden ein mit dem Begehren, die Departementsverfügung vom 1. Mai 1991 sei nichtig zu erklären und die Weiterführung der begonnenen Arbeiten sei zu verbieten. Die beim Verwaltungsgericht eingereichte Beschwerde wurde in der Folge zurückgezogen. Mit Entscheid vom 12. August 1991 trat die Regierung auf die Beschwerde gegen die Verfügung des EKUD vom 1. Mai 1991 nicht ein. Sie verneinte die Legitimation der Umweltschutzorganisationen zur Anfechtung der "rein gewässerschutzpolizeilichen Bewilligung". Die Frage, ob für die Sondierbohrungen und Baggerschlitze eine Bewilligung nach Art. 24 RPG hätte erteilt werden müssen, wurde aufsichtsrechtlich geprüft und verneint. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 6. September 1991 riefen die schon im kantonalen Verfahren beschwerdeführenden Umweltschutzorganisationen das Bundesgericht mit dem Begehren an, der Nichteintretensentscheid der Regierung sei aufzuheben und die Angelegenheit zur Durchführung eines ordnungsgemässen Bewilligungsverfahrens zurückzuweisen; ausserdem sei die sofortige Einstellung der Bauarbeiten anzuordnen. Mit Präsidialverfügung vom 11. September 1991 wurde der Erlass einer superprovisorischen Massnahme abgelehnt, und mit Präsidialverfügung vom 3. Oktober 1991 wurde aufgrund der Vernehmlassungen der Beschwerdegegner zur Kenntnis genommen, dass die Gegenstand der Beschwerde bildenden Arbeiten ausgeführt seien und dass die Bewilligung im übrigen am 31. Oktober 1991 ablaufe. Die MKW wurde ersucht, dem Bundesgericht die Entfernung der erstellten Anlagen und die Ausführung der Instandstellungsarbeiten zu melden. Zudem wurde die Regierung ersucht, die einwandfreie BGE 118 Ib 1 S. 5 Ausführung dieser Arbeiten zu prüfen. Mit Schreiben vom 31. Oktober 1991 und vom 4. November 1991 bestätigte die MKW die Vornahme der Instandstellungsarbeiten. Ebenfalls mit Brief vom 4. November 1991 versicherte die Regierung aufgrund einer Begehung, welche die Vertreter der zuständigen kantonalen Departemente am 31. Oktober 1991 durchgeführt hatten, dass sämtliche Arbeiten sorgfältig und einwandfrei ausgeführt worden seien. Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne der Erwägungen gut, soweit darauf einzutreten ist. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Die Regierung ist auf die Beschwerde der Umweltschutzorganisationen mit der Begründung nicht eingetreten, es fehle ihnen die Legitimation zur Anfechtung der gewässerschutzpolizeilichen Verfügung des Erziehungs-, Kultur- und Umweltschutzdepartementes vom 1. Mai 1991. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Das Gesuch und die Bewilligung der Sondierbohrungen und der Baggerschlitze wurde von der MKW gestellt, weil "zur Bearbeitung des Bauprojektes für die Stauanlage Curciusa ergänzende geologisch-geotechnische Untersuchungen im Bereich der Sperrstelle und des Beckens notwendig" seien. Wie aus diesem Gesuch hervorgeht, stehen die Untersuchungen entgegen der Meinung des EKUD in direktem Zusammenhang mit den projektierten Kraftwerkanlagen. Sie dienen den nötigen Abklärungen, die getroffen werden müssen, um den Bau der Stauanlage Curciusa zu ermöglichen. Für die Verwirklichung dieser Kraftwerkanlagen erteilte die Regierung mit dem beim Bundesgericht angefochtenen Beschluss vom 22. Oktober 1990 die Bewilligungen gemäss dem Bundesgesetz über die Fischerei vom 14. Dezember 1973 (FG) und gemäss dem Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 mit Änderungen betreffend Biotopschutz gemäss Bundesgesetz vom 19. Juni 1987 (NHG). Es handelt sich um Anlagen, für welche gemäss Art. 9 des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 1983 (USG) ein Bericht über die Umweltverträglichkeit zu erstatten ist. Gemäss Art. 55 USG sind die Umweltschutzorganisationen zur Beschwerde gegen Verfügungen über die Planung, Errichtung oder Änderung solcher Anlagen berechtigt. Dabei sind sie auch legitimiert, von den Rechtsmitteln im kantonalen Bereich Gebrauch zu machen ( Art. 55 Abs. 3 USG ). b) Das den Umweltschutzorganisationen eingeräumte Beschwerderecht steht im Dienste der Respektierung der bundesrechtlichen BGE 118 Ib 1 S. 6 Vorschriften über den Schutz der Umwelt. Dazu gehören gemäss der nicht abschliessenden Nennung der einschlägigen Erlasse in Art. 3 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPV, SR 814.011) neben dem Umweltschutzgesetz die ausdrücklich genannten Vorschriften, die den Natur- und Heimatschutz, den Landschaftsschutz und den Gewässerschutz betreffen. Die Alp Curciusa liegt in einer Landschaftsschutzzone. Betroffen wird Ufervegetation, welche gemäss Art. 18 Abs. 1bis und Art. 21 NHG geschützt ist. Dies ergibt sich nicht nur aus der Vernehmlassung des BUWAL vom 23. September 1991, sondern auch aus dem angeführten Entscheid der Regierung vom 22. Oktober 1990 über die gestützt auf Art. 22 Abs. 2 NHG unter Auflagen erteilte Bewilligung für die Beseitigung der Ufervegetation. Wie sich aus dem Protokoll des Augenscheins ergibt, den die Vertreter der zuständigen kantonalen Umweltschutz- und Landschaftsschutzbehörden auf Alp Curciusa am 5. August 1991 vornahmen, waren Konflikte mit dem Schutz der Ufervegetation bei der Durchführung der geotechnischen Untersuchungen nicht von vornherein auszuschliessen. Auf einen der geplanten Baggerschlitze war denn auch bereits vor dem Augenschein von der MKW wegen ernsthafter Konflikte verzichtet worden; für einen weiteren wurde ein besserer Standort ausserhalb des Bachbereiches bezeichnet. Dass die Bohrstandorte eine gewisse Beeinträchtigung der Ufervegetation nicht ausschliessen dürften, wurde ebenfalls festgestellt, doch wurde beigefügt, dass es möglich sein sollte, diesen Konflikten relativ kleinräumig auszuweichen. Wegen dieser Konflikte wurde denn auch festgestellt, dass die Durchführung eines Verfahrens für Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen oder jedenfalls die Mitarbeit der Fachleute für Umwelt- und Landschaftsschutz im gewässerschutzpolizeilichen Bewilligungsverfahren zweckmässig gewesen wäre. Die Umweltschutzorganisationen machen geltend, dass bereits durch die vom EKUD bewilligten Sondierbohrungen und Baggerschlitze der geschützten Vegetation nicht wiedergutzumachender Schaden zugefügt würde. Aufgrund der von den zuständigen Behördenvertretern getroffenen Feststellungen ist diese Befürchtung allerdings als unbegründet zu bezeichnen, doch schliesst dies das den Umweltschutzorganisationen zustehende Beschwerderecht nicht aus. Art. 55 USG bezieht sich auf alle Verfügungen, die sich auf die Planung, Errichtung oder Änderung von Anlagen beziehen, für welche eine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig ist. Um eine solche BGE 118 Ib 1 S. 7 Verfügung handelt es sich auch bei der in Frage stehenden gewässerschutzpolizeilichen Bewilligung, da diese - wie bereits dargelegt - mit dem geplanten Bau der Kraftwerkanlagen zusammenhängt. Dementsprechend hat die Regierung den beschwerdeführenden Vereinigungen das Beschwerderecht zu Unrecht abgesprochen. c) Im übrigen können sich die beschwerdeführenden Umweltschutzorganisationen für ihr Beschwerderecht auch auf Art. 12 NHG berufen. Der Erlass der angefochtenen Verfügung, die im Dienste des Grundwasserschutzes steht ( Art. 29 GSchG ), erging in Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinne von Art. 2 lit. b NHG . Gegen Verfügungen, die in Anwendung des Gewässerschutzgesetzes ergehen, kommen die Rechtsmittel der Bundesrechtspflege zum Zuge ( Art. 10 GSchG ), somit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht im Anschluss an Verfügungen letzter Instanzen der Kantone ( Art. 98 lit. g OG ), soweit geltend gemacht wird, Belangen des Natur- und Heimatschutzes sei nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Dasselbe gilt für Verfügungen, die sich auf das NHG stützen oder hätten stützen sollen. Ein Ausschlussgrund gemäss den Art. 99-101 OG liegt hier nicht vor. Im vorliegenden Falle hätte, wie sich dies auch aus den Feststellungen der Vertreter der zuständigen kantonalen Behörden beim Augenschein vom 5. August 1991 zutreffend ergibt, für die Ausführung der Baggerschlitze und Sondierbohrungen jedenfalls zumindest auch eine auf Art. 22 NHG gestützte Bewilligung mit den erforderlichen Bedingungen und Auflagen zum grösstmöglichen Schutz des in Frage stehenden Biotopes erteilt werden müssen (zur Frage der allfälligen Anwendung von Art. 24 RPG s. nachf. E. 2c). 2. Aus der Feststellung, dass die Regierung den beschwerdeführenden Umweltschutzorganisationen die Rekursberechtigung zu Unrecht abgesprochen hat, ergibt sich jedoch nicht ohne weiteres die Gutheissung der Beschwerde. Auf diese ist vielmehr nicht einzutreten, wenn die Vereinigungen kein aktuelles Interesse mehr am Entscheid besitzen (s. BGE 116 Ia 363 f., BGE 111 Ib 59 , mit weiteren Hinweisen). Ist das Rechtsschutzbedürfnis im Verlaufe des Verfahrens dahingefallen, so wird die Sache aus diesem Grunde gegenstandslos und ist ohne Urteil als erledigt zu erklären (FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 154, Ziff. 3.1). Ob im vorliegenden Falle eine Gegenstandsloserklärung zu erfolgen hat, ist nachfolgend zu prüfen. a) Die umstrittene gewässerschutzpolizeiliche Bewilligung ist am 31. Oktober 1991 abgelaufen. Soweit die bewilligten Untersuchungen BGE 118 Ib 1 S. 8 ausgeführt wurden, stellten die zuständigen Behördenvertreter gemäss der vom Präsidenten der I. öffentlichrechtlichen Abteilung mit Verfügung vom 3. Oktober 1991 getroffenen Anordnung bei ihrer Begehung auf Curciusa am 30. Oktober 1991 fest, dass die Instandstellungsarbeiten sorgfältig, gewissenhaft, einwandfrei und naturschonend ausgeführt worden waren. Zum Teil waren die Eingriffe in der Talsohle wegen eines im Oktober eingetretenen Hochwassers überhaupt nicht mehr feststellbar. Damit ist das Rechtsschutzansuchen der Umweltschutzorganisationen in der Tat insoweit gegenstandslos geworden, als es sich gezielt auf die vom EKUD gewässerschutzpolizeilich bewilligten und ausgeführten Sondierbohrungen und Baggerschlitze bezog. b) Doch kann das Rechtsschutzinteresse unter Umständen im Hinblick auf künftige gleichartige Gesuche aktuell bleiben. Dies nehmen sowohl die MKW als auch die Regierung des Kantons Graubünden an. In ihrer Vernehmlassung vom 27. November 1991 teilt die MKW mit, dass noch nicht alle vorgesehenen und notwendigen Untersuchungen durchgeführt werden konnten. Die MKW werde daher im Frühling 1992 erneut eine Bewilligung für Sondierbohrungen beantragen. Das Bundesgericht werde daher ersucht, die aufgeworfenen Verfahrensfragen im Interesse aller Parteien zu beurteilen und die Angelegenheit möglichst prioritär zu behandeln. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1991 schliesst sich die Regierung diesem Ersuchen an. Das Bundesgericht entscheidet in der Sache trotz Hinfalls des Rechtsschutzinteresses dann, wenn wegen der Dauer des Verfahrens kein endgültiger Entscheid in einer Grundsatzfrage herbeizuführen wäre, oder wenn die Entscheidung in der Sache aus andern Gründen als angebracht erschiene (vgl. BGE 116 Ia 363 f. und GYGI, a.a.O., S. 154 f., Ziff. 3.2, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). Im Blick auf die umstrittenen Verfahrensfragen sind diese Voraussetzungen im vorliegenden Falle erfüllt. Nachdem feststeht, dass von der vom EKUD erteilten und bis 31. Oktober 1991 befristeten Bewilligung nicht in vollem Umfange Gebrauch gemacht werden konnte und dass die MKW daher im Frühling 1992 um eine weitere Bewilligung nachsuchen wird, besteht ein aktuelles Interesse am Entscheid über die Frage, ob den beschwerdeführenden Umweltschutzorganisationen ein Einsprache- und Beschwerderecht gegen Verfügungen zusteht, mit denen Sondierbohrungen und Baggerschlitze sowie allfällige weitere mit Eingriffen in die geschützte Vegetation verbundene Untersuchungen bewilligt werden. Trifft dies zu, so sind BGE 118 Ib 1 S. 9 entsprechende Gesuche entweder zu publizieren, oder die Verfügungen sind den Umweltschutzorganisationen zu eröffnen, sofern nach dem anwendbaren kantonalen Verfahrensrecht eine Publikation nicht zu erfolgen hat (vgl. Art. 3 der Verordnung über den Natur- und Heimatschutz (NHV) vom 16. Januar 1991, SR 451.1). Den Umweltschutzorganisationen muss ermöglicht werden, von ihrem Beschwerderecht gemäss Art. 55 USG und Art. 12 NHG rechtzeitig Gebrauch machen zu können (vgl. BGE 117 Ib 99 f. und 186 f., BGE 116 Ib 426 ff. und 467, mit weiteren Hinweisen). c) Wie sich bereits aus vorstehender Erwägung 1 ergibt, ist die Frage, ob den Umweltschutzorganisationen Gelegenheit gegeben werden muss, von den ihnen zustehenden Rechtsmitteln Gebrauch zu machen, zu bejahen. Zu beachten ist, dass ausser der gewässerschutzpolizeilichen Bewilligung für solche Eingriffe im Bereiche geschützter Ufervegetation auch eine Bewilligung nach Art. 22 NHG nötig ist. Art. 14 Abs. 3 NHV setzt ausdrücklich fest, dass Bewilligungen für technische Eingriffe, die schutzwürdige Biotope beeinträchtigen können, nur erteilt werden dürfen, sofern der Eingriff standortgebunden ist und einem überwiegenden Bedürfnis entspricht. Wer einen Eingriff vornimmt oder verursacht, ist zu bestmöglichen Schutz-, Wiederherstellungs- oder ansonst zu angemessenen Ersatzmassnahmen zu verpflichten. Diese Verpflichtungen sind im Einzelfall mit geeigneten Bedingungen und Auflagen sicherzustellen (vgl. BGE 115 Ib 227 ff.). Ob im vorliegenden Falle auch eine Bewilligung nach Art. 24 RPG nötig ist, kann aufgrund der vorliegenden Unterlagen vom Bundesgericht nicht abschliessend entschieden werden. Von Bundesrechts wegen sind bewilligungspflichtige Bauten und Anlagen mindestens jene künstlich geschaffenen und auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in bestimmter fester Beziehung zum Erdboden stehen und geeignet sind, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu beeinflussen, sei es, dass sie den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen. Dazu gehören auch Fahrnisbauten, welche über nicht unerhebliche Zeiträume ortsfest verwendet werden ( BGE 113 Ib 315 f. E. 2b). Diese Voraussetzungen sind für vorbereitende Handlungen zu einem die Umwelt belastenden Werk jedenfalls dann als erfüllt anzusehen, wenn sie ein für die Orts- oder Regionalplanung erhebliches Ausmass annehmen, wie dies das Bundesgericht für die Probebohrungen zur Abklärung eines Standortes für die Lagerung radioaktiver Abfälle angenommen hat ( BGE 111 Ib 109 ff., E. 6). Für geotechnische Untersuchungen BGE 118 Ib 1 S. 10 wären die genannten Voraussetzungen wohl dann als erfüllt anzusehen, wenn die Terrainveränderungen, zu denen sie führen, zu beträchtlichen Eingriffen in die Umwelt führen würden, Eingriffe, die jedenfalls während längerer Zeit sichtbar bleiben. Aufgrund der Feststellungen der Vertreter der zuständigen kantonalen Fachinstanzen an den wiederholten Ortsbesichtigungen kann eine solche Erheblichkeit für die bisher ausgeführten Arbeiten ausgeschlossen werden, so dass davon abgesehen werden durfte, eine Bewilligung der Gemeinde nach Art. 24 RPG sowie die diesbezügliche Zustimmung des kantonalen Departementes nach Art. 25 Abs. 2 RPG einzuholen. Ob diese Annahme auch für ein neues Gesuch gilt, hängt vom Ausmass der Untersuchungshandlungen und von deren Auswirkungen auf die Umwelt ab. Beigefügt sei, dass in jedem Falle eines Beschwerdeverfahrens gegen Bewilligungen gemäss dem Gewässerschutzgesetz, dem Natur- und Heimatschutzgesetz und allenfalls dem Raumplanungsgesetz mit verfahrensleitenden Anordnungen einer untragbaren Verfahrensverzögerung oder gar einer leichtfertigen Beschwerdeführung begegnet werden kann (s. insbesondere Art. 6, 14 und 22 des kantonalen Gesetzes vom 3. Oktober 1982 über das Verfahren in Verwaltungs- und Verfassungssachen).
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Urteilskopf 91 II 313 46. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juli 1965 i.S. Sessler & Cie. AG gegen Verein Schweiz. Rauchtabakfabrikanten.
Regeste Art. 4 KG . Unzulässige Behinderung des Wettbewerbs? 1. Zeitlicher Geltungsbereich des KG (Erw. 1). 2. Die in Art. 4 KG als Beispiele genannten Massnahmen (Bezugs- und Liefersperren usw.) sind wie sonstige Vorkehren eines Kartells gegen Dritte nur unzulässig, wenn sie auf eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs abzielen und diesen tatsächlich in erheblichem Masse behindern oder zu behindern geeignet sind (Erw. 2, 3). 3. Beim Entscheid darüber, ob die Behinderung erheblich sei, ist massgebend, wie sich die streitige Massnahme auf die wirtschaftliche Tätigkeit des betroffenen Dritten in ihrer Gesamtheit auswirkt. Fall einer Benachteiligung in den Preisen (Kürzung des Grossistenrabatts), welche die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Dritten nicht erheblich beeinträchtigt (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 314 BGE 91 II 313 S. 314 A.- Die Jean Sessler & Cie. AG (Sessler AG) in Biel betreibt seit langem den Grosshandel mit Tabakwaren. Sie hat das Alleinverkaufsrecht für die von Widmer & Co. in Hasle auf Grund einer Lizenz der Firma J. & A. C. van Rossem in Rotterdam hergestellten Zwartendijk-Pfeifentabake. Der Verein Schweizerischer Rauchtabakfabrikanten, dem die Mehrzahl der schweizerischen Hersteller von Rauchtabaken bekannter Marken angehört, bezweckt nach seinen Statuten u.a. "die Regelung der Verkaufsbedingungen unter den Fabrikanten, zwischen den Fabrikanten, Grossisten und Detaillisten, sowie die Festsetzung obligatorischer Verkaufspreise". Auf den vom Verein festgesetzten "Fabrikantenpreisen" geniessen die Grosshändler einen Rabatt, den sie zum Teil an die Kleinhändler weitergeben. Für die Sessler AG betrug dieser Rabatt ab 1. Oktober 1958 9%. B.- Durch Rundschreiben vom 17. Dezember 1958 teilte der Verein den Grosshändlern mit, er habe am 11. Dezember 1958 beschlossen, den Rabatt der Firmen, "die Eigenmarken oder Lizenzeigenmarken im Engroshandel vertreiben", um 1/2% zu kürzen, und zwar unabhängig davon, ob die Hersteller der betreffenden Tabake dem Verein angehören oder nicht; als Eigenmarken und Lizenzeigenmarken betrachte er "Pakettabake mit Markencharakter, die für einzelne Wiederverkäufer bestimmt sind". Da die Sessler AG auf den Grosshandel mit Zwartendijk-Tabaken (und gewissen weitern als Eigenmarken geltenden Tabaken) nicht verzichtete, trat die Rabattkürzung ihr gegenüber am 1. Juli in Kraft. C.- Am 13. Juli 1960 leitete die Sessler AG gegen den Verein beim Appellationshof des Kantons Bern Klage auf Feststellung der Widerrechtlichkeit des Beschlusses vom 11. Dezember 1958 und auf Schadenersatz ein. Die Klagebegehren lauten in ihrer endgültigen Fassung vom 3. Juni 1964: "1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Beschluss der Beklagten vom 11.12.1958, wonach die Rabatte denjenigen Grossisten, die Lizenz- oder Eigenmarken führen, um 1/2 % gekürzt wurden, unzulässig und rechtswidrig sei. 2. Die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin einen Betrag von Fr. 10'462.85 zu bezahlen nebst Zins zu 5 % BGE 91 II 313 S. 315 a) von Fr. 2'326.05 seit 1.7. 1960, b) von Fr. 2'191.70 seit 1.7.1961, c) von Fr. 2'179.15 seit 1.7. 1962, d) von Fr. 2'093.70 seit 1.7.1963, e) von Fr. 1'672.25 ab Urteilsdatum." Der Appellationshof befragte die Parteien und holte beim Büchersachverständigen Dr. M. Röthlisberger ein Gutachten ein. Mit Urteil vom 30. September 1964 wies er die Klage ab. D.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage. Der Beklagte beantragt die Bestätigung des angefochtenen Urteils. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Das Bundesgesetz vom 20. Dezember 1962 über Kartelle und ähnliche Organisationen (KG) hat nicht rückwirkende Kraft ( BGE 90 II 505 , BGE 91 II 31 E. 1). Soweit sich die Schadenersatzansprüche der Klägerin auf Tatsachen stützen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (15. Februar 1964) eingetreten sind, beurteilen sie sich daher nach dem frühern Rechte. Für die Schadenersatzansprüche, die auf später eingetretenen Tatsachen beruhen, und für den Anspruch auf Feststellung der Widerrechtlichkeit des Beschlusses vom 11. Dezember 1958, der gegenüber der Klägerin heute noch angewendet wird, ist dagegen das KG massgebend. 2. Art. 4 Abs. 1 KG bestimmt: "Vorkehren eines Kartells, mit denen Dritte vom Wettbewerb ausgeschlossen oder in dessen Ausübung erheblich behindert werden sollen, wie Bezugs- und Liefersperren, Sperren von Arbeitskräften, Benachteiligung in den Preisen und Bezugsbedingungen oder gegen bestimmte Wettbewerber gerichtete Preisunterbietungen, sind unter Vorbehalt der Ausnahmen des Artikels 5 unzulässig." Der Beschluss des beklagten Vereins vom 11. Dezember 1958, den die Klägerin anficht, ist unstreitig eine Vorkehr eines Kartells, durch welche Dritte (nämlich die Rauchtabak-Grosshändler, die auf ihre Eigenmarken nicht verzichten) in den Preisen benachteiligt werden. Solche Massnahmen sind nach Art. 4 Abs. 1 KG grundsätzlich unzulässig, wenn die betroffenen Dritten dadurch "vom Wettbewerb ausgeschlossen oder in dessen Ausübung erheblich behindert werden sollen". Der Umstand, dass Art. 4 Abs. 1 KG in der deutschen und BGE 91 II 313 S. 316 italienischen Fassung zunächst eine Definition der grundsätzlich unzulässigen Vorkehren aufstellt ("Vorkehren eines Kartells, mit denen Dritte vom Wettbewerb ausgeschlossen. .. werden sollen", "i provvedimenti presi da un cartello per escludere i terzi dalla concorrenza. ..") und erst im Anschluss hieran bestimmte Kampfmassnahmen (Bezugssperren usw.) als Beispiele anführt, könnte freilich zur Annahme verleiten, es handle sich dabei um Massnahmen, die nach der Auffassung des Gesetzgebers ohne weiteres unter die vorausgehende Definition fallen; die als Beispiele genannten Massnahmen seien daher unter Vorbehalt des Artikels 5 stets unzulässig. So ist Art. 4 Abs. 1 KG jedoch nicht gemeint. Gemäss einer am 15./16. Januar 1959 in der Expertenkommission vorgebrachten Anregung (Protokoll der 5. Tagung S. 21) setzten die Entwürfe vom Frühjahr 1959 (20. Februar, 10. und 24. März und 29. April 1959) die Aufzählung der Beispiele zwischen den Ausdruck "Vorkehren eines Kartells" und den die Voraussetzungen der Unzulässigkeit solcher Vorkehren umschreibenden Relativsatz, um entsprechend der einhelligen Auffassung der Kommission klarzustellen, dass auch die als Beispiele genannten Massnahmen nur unzulässig sind, wenn die erwähnten Voraussetzungen zutreffen. Indem die spätern Entwürfe und das Gesetz die Umschreibung dieser Voraussetzungen der Aufzählung der Beispiele voranstellten, bezweckten sie keine sachliche Änderung. Der Botschaft des Bundesrates vom 18. September 1961, auf welche bei den parlamentarischen Beratungen in diesem Punkte verwiesen wurde (Sten. Bull. StR 1962 S. 198), liegt die Auffassung zugrunde, Kartellmassnahmen jeder Art seien nur dann unzulässig, wenn sie die in Art. 4 Abs. 1 umschriebenen Voraussetzungen erfüllen (vgl. Botschaft S. 28 = BBl 1961 II 580, Ziff. 3). Art. 4 Abs. 1 KG ist also im Sinne der französischen Fassung auszulegen, die diese Auffassung klar zum Ausdruck bringt, indem sie sagt: "Les mesures prises par un cartel, telles que l'interdiction d'acheter et de livrer des marchandises, ..., sont illicites, sous réserve des exceptions prévues à l'article 5, lorsqu'elles visent à écarter des tiers de la concurrence ou à les entraver notablement dans l'exercice de celle-ci." 3. Bei der Umschreibung der grundsätzlich unzulässigen Vorkehren eines Kartells stellt Art. 4 Abs. 1 KG nach dem Wortlaut aller drei Fassungen einzig auf den Zweck der fraglichen Massnahmen ab (Vorkehren, die ... sollen; les BGE 91 II 313 S. 317 mesures ..., lorsqu'elles visent à ...; i provvedimenti presi per ...). Daraus könnte geschlossen werden, Art. 4 Abs. 1 KG erfasse Massnahmen, die in der Absicht ergriffen werden, Dritte vom Wettbewerb auszuschliessen oder in dessen Ausübung erheblich zu behindern, selbst dann, wenn sie diese Wirkung tatsächlich weder erzielen noch zu erzielen geeignet sind. Die Entstehungsgeschichte und der Zweck der Vorschrift sowie der Zusammenhang, in dem sie steht, verbieten jedoch eine solche Auslagung. a) Bei der Ausarbeitung des Art. 4 Abs. 1 KG bestand stets Einigkeit darüber, dass diese Bestimmung nur Massnahmen treffen soll, die den Wettbewerb tatsächlich behindern (oder zu behindern geeignet sind). Die bereits erwähnten Entwürfe vom Frühjahr 1959 und auch noch diejenigen vom 20. Oktober und 2. November 1960 bezeichneten dementsprechend als unzulässig die Vorkehren, durch welche Dritte vom Wettbewerb ausgeschlossen oder in dessen Ausübung erheblich behindert werden. Mit der im Entwurf des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements vom 29. Dezember 1960, im bundesrätlichen Entwurfvom 18. September 1961 und im Gesetz (wie schon in mehreren Entwürfen des Jahres 1958) enthaltenen Wendung "werden sollen" wollte man nicht das Erfordernis der Wirksamkeit der ergriffenen Massnahmen preisgeben, sondern nur zum Ausdruck bringen, dass nicht jedes Verhalten, das einem Konkurrenten hinderlich ist bezw. ihn benachteiligt, eine Wettbewerbsbehinderung im Sinne des Gesetzes darstellt, sondern dass es sich um Vorkehren handeln muss, die auf eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs abzielen (vgl. hiezu die Bemerkungen des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit zum Entwurf vom 8. August 1958, S. 24 Ziff. 7, den Bericht der Expertenkommission vom April 1959, S. 19, und die bundesrätliche Botschaft, S. 28 - BBl 1961 II 580, Ziff. 3). b) Art. 4 KG will das Persönlichkeitsrecht der von Kartellmassnahmen betroffenen Dritten auf freie wirtschaftliche Betätigung schützen (Botschaft S. 26 = BBl 1961 II 578, Ziff. 4, wo auf BGE 86 II 365 ff. hingewiesen wird; BGE 90 II 513 ). Das Zivilrecht, dem Art. 4 KG angehört (vgl. die Überschrift vor Art. 4-16), schützt nicht gegen den untauglichen Versuch einer Rechtsverletzung. Vorkehren, die eine Wettbewerbsbehinderung zwar bezwecken, aber nicht zu bewirken vermögen, werden daher von Art. 4 KG nicht erfasst. BGE 91 II 313 S. 318 c) Der gleiche Schluss ergibt sich auch aus dem Zusammenhang zwischen Art. 4 KG einerseits und Art. 2 Abs. 1 und 6 Abs. 1 KG anderseits. Nach Art. 2 Abs. 1 fallen unter den Kartellbegriff nur Verträge, Beschlüsse und Abreden, die mittels gemeinsamer Beschränkung des Wettbewerbs "den Markt für bestimmte Waren oder Leistungen beeinflussen oder zu beeinflussen geeignet sind", und Art. 6 Abs. 1, der die aus einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung fliessenden Ansprüche regelt, gewährt diese Ansprüche nur demjenigen, der durch eine solche Massnahme "geschädigt oder gefährdet wird". Eine Massnahme gegen einen Dritten, die eine Wettbewerbsbehinderung weder bewirkt noch zu bewirken vermag, stellt kein Mittel der Marktbeeinflussung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 dar und gibt dem Dritten, den sie treffen soll, nach Art. 6 Abs. 1 kein Klagerecht, da sie ihn weder schädigt noch gefährdet. Massnahmen, die den Markt nicht zu beeinflussen vermögen und kein Klagerecht begründen, können nicht als gemäss Art. 4 Abs. 1 KG unzulässige Vorkehren eines Kartells gelten. Diese Bestimmung trifft also nur Kartellmassnahmen, die Dritte im Wettbewerb tatsächlich behindern oder zu behindern geeignet sind, und zwar muss es sich nach dem Wortlaut und dem Sinne des Gesetzes um eine erhebliche Behinderung handeln (vgl. BGE 90 II 513 , wo die im Schrifttum gegen dieses Erfordernis erhobenen Einwendungen widerlegt wurden, und SCHÜRMANN, Bundesgesetz über Kartelle und ähnliche Organisationen, S. 70). Der gleiche Grundsatz galt auch schon vor dem Inkrafttreten des KG. Der Entscheid BGE 86 II 365 ff. erklärte den Boykott als grundsätzlich widerrechtlich, weil er das Persönlichkeitsrecht auf freie wirtschaftliche Betätigung verletzt (S. 377). Eine Massnahme, welche die Freiheit des Entscheidens und Handelns auf wirtschaftlichem Gebiete nicht in erheblichem Masse beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen geeignet ist, bedeutet keine Verletzung dieses Persönlichkeitsrechtes. 4. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das Bundesgericht verbindlich sind, bezweckt die angefochtene Massnahme des Beklagten, die Eigenmarken und Lizenzeigenmarken der Tabakwaren-Grosshändler "zum Verschwinden zu bringen", d.h. bestimmte Konkurrenzerzeugnisse vom Markte zu verdrängen. Es handelt BGE 91 II 313 S. 319 sich also zweifellos um eine Massnahme, die auf eine Beschränkung des Wettbewerbs abzielt. Bei Beurteilung der Frage, ob die angefochtene Massnahme die Klägerin in der Ausübung des Wettbewerbs erheblich behindere oder zu behindern geeignet sei, sind nicht bloss die Auswirkungen dieser Massnahme auf einen einzelnen Geschäftszweig der Klägerin (den Handel mit Rauchtabaken) in Betracht zu ziehen, wie die Klägerin dies tun möchte. Es kommt vielmehr darauf an, wie sich die Massnahme auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin in ihrer Gesamtheit auswirkt; denn Gegenstand des gesetzlichen Schutzes ist nach dem neuen wie nach dem frühern Recht die wirtschaftliche Freiheit der von Kartellmassnahmen betroffenen Personen als solcher. Nach dem Gutachten, dem die Vorinstanz gefolgt ist, erzielte die Klägerin im Durchschnitt der Geschäftsjahre 1961/62 und 1962/63 folgende Umsätze und Bruttogewinne: Umsatz Bruttogewinn Schweizer Stumpen und Zigarren Fr. 1'250,000 6,83% Zigaretten Fr. 8'650,000 6,54% Schweizer Rauchtabake Fr. 430'000 5,77% Zwartendijk-Tabake Fr. 150'000 20,70% Andere Lizenzmarken und eigene Importe Fr. 50'000 ca. 15,00% Fremde Importe Fr. 105'000 ca. 7-8% Der gesamte Umsatz belief sich also im Jahresdurchschnitt auf Fr. 10'635,000, der Bruttogewinn auf rund Fr. 720'000. Die vom Beklagten verfügte Kürzung des Rabattes auf den schweizerischen Rauchtabaken verursachte der Klägerin nach ihren unbestrittenen Angaben in den erwähnten Geschäftsjahren eine Einbusse von durchschnittlich Fr. 2136.-- oder rund Fr. 2150.--, entsprechend 1/2% von Fr. 430'000.-- (durchschnittliche Einbusse in den 5 Geschäftsjahren, auf welche die Klage sich bezieht: Fr. 10 462. -: 5 = Fr. 2092.--). Die durchschnittliche Einbusse beläuft sich also auf bloss 3 ‰ des gesamten Bruttogewinns. Dass eine so unbedeutende Schmälerung des Bruttogewinnes die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Klägerin erheblich zu beeinträchtigen vermöge, kann selbst dann nicht angenommen werden, wenn man den Begriff "erheblich" sehr weit fasst, d.h. jede nicht ganz geringfügige Behinderung darunter zieht. BGE 91 II 313 S. 320 Hieran ändert nichts, dass der Handel mit Rauchtabaken angesichts der verhältnismässig niedrigen Bruttogewinnspanne von 5,77%, die der Klägerin nach erfolgter Rabattkürzung verbleibt, gemäss dem Gutachten nicht "selbsttragend" ist, sondern der Klägerin einen Verlust bringt. Massgebend ist eben nicht das Ergebnis dieses einzelnen Geschäftszweiges, sondern die Auswirkung der streitigen Massnahme auf die gesamte Geschäftstätigkeit der Klägerin, und diese Auswirkung bleibt trotz dem an und für sich unbefriedigenden Ergebnis des Rauchtabakhandels ganz geringfügig. Im übrigen wird die Einbusse, welche die Klägerin infolge der ihr wegen des Handels mit Eigenmarken auferlegten Rabattkürzung im Geschäft mit schweizerischen Rauchtabaken erleidet, reichlich durch die bedeutenden Gewinnmöglichkeiten aufgewogen, die ihr der Handel mit ihren Eigenmarken bietet. Die angefochtene Massnahme ist demnach weder nach dem neuen noch nach dem frühern Rechte widerrechtlich und vermag folglich die eingeklagten Ansprüche nicht zu begründen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern, III. Zivilkammer, vom 30. September 1964, bestätigt.
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Urteilskopf 80 III 133 30. Sentenza 14 ottobre 1954 nella causa Vidoudez & Co.
Regeste 1. Art. 17 SchK G. Der Vermerk einer Abtretung der Forderung im Eigentumsvorbehaltsregister und der Bezug der Gebühr für diese Massnahme, die der Gläubiger nicht verlangt hatte, sind Verfügungen des Amtes, die nicht jederzeit, sondern nurbinnen der Notfrist von zehn Tagen angefochten werden können (Erw. 1). 2. Art. 4bis Abs. 1 und 15 Abs. 1 der Vo vom 19.12.1910 /23.12.1932 /23.12.1953 betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte. Wer eine Abtretung der Forderung vermerken lassen will, hat die Abtretungsurkunde vorzulegen. Die Aktenstücke, auf die sich die Eintragung des Eigentumsvorbehaltes oder der Vermerk einer Abtretung der Forderung stützt, sind vom Amt aufzubewahren (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 134 BGE 80 III 133 S. 134 A.- In data 30 giugno 1954 la ditta Vidoudez chiese all'Ufficio di Locarno l'iscrizione di due patti di riserva della proprietà stipulati con gli acquirenti Vogini e Dagosto. Fra le condizioni di vendita stampate a tergo dei relativi contratti figurava la seguente: "Il compratore prende notizia del fatto che il credito del venditore che risulta da questo contratto di vendita è ceduto - con tutti diritti derivanti da questo, in particolare la riserva della proprietà - alla Cooperativa di finanziamento dell'USRT a Basilea" (cifra 2). In ambedue i casi l'ufficio procedette non solo all'iscrizione del patto di riserva della proprietà, ma anche all'annotazione della cessione del credito e chiese alla venditrice il pagamento delle tasse per queste operazioni (conteggio 10 luglio 1954). Con reclamo 17 agosto la venditrice si aggravò all'Autorità cantonale di vigilanza, adducendo che non aveva chiesto l'annotazione della cessione dei crediti, per cui l'ufficio non avrebbe dovuto procedervi ed esigerne la relativa tassa. B.- Con decisione 27 settembre 1954 l'Autorità cantonale BGE 80 III 133 S. 135 di vigilanza respinse il reclamo in ordine, perchè tardivo, e nel merito, perchè l'operato dell'ufficio trovava la sua giustificazione nel patto di cessione menzionato dalle condizioni di vendita. C.- La ditta Vidoudez ha deferito questa decisione alla Camera di esecuzione e dei fallimenti del Tribunale federale. Erwägungen Considerando in diritto: 1. La ricorrente ha avuto conoscenza della criticata annotazione delle cessioni di credito il 2 luglio 1954. Il suo reclamo 17 agosto, diretto contro detta annotazione e contro il prelevamento della tassa relativa, era quindi tardivo, a meno che, come essa pretende, si trattasse d'un diniego di giustizia impugnabile in ogni tempo (art. 17 cp. 3 LEF). Ma così non è. L'annotazione nel registro dei patti di riservata proprietà e la riscossione della tassa per quest'operazione costituiscono dei provvedimenti dell'ufficio che, se non sono impugnati in tempo utile, crescono in giudicato. Di conseguenza, solo in base ad una nuova istanza, corredata da documenti comprovanti una modifica della situazione giuridica, l'annotazione censurata potrebbe essere sostituita con un'altra diversa annotazione. L'ufficio sarebbe incorso in un diniego di giustizia unicamente se avesse omesso l'annotazione senza indicazione dei motivi o se si fosse rifiutato di rettificare una svista manifesta. Nella fattispecie solo la seconda delle alternative prospettate può entrare in linea di conto. In realtà, non si tratta però d'una svista, l'ufficio avendo ritenuto, in base alle condizioni di vendita stampate a tergo del contratto, doversi ammettere che i diritti risultanti dal contratto erano stati ceduti dalla venditrice alla cooperativa di finanziamento. L'Autorità cantonale di vigilanza ha quindi a buon diritto dichiarato il reclamo tardivo. 2. Se non che la precedente giurisdizione non si è limitata a pronunciare l'irricevibilità del gravame, ma BGE 80 III 133 S. 136 lo ha anche respinto nel merito. L'argomentazione addotta a tale proposito non può essere condivisa. Presupposto dell'annotazione d'una cessione di credito nel registro è la produzione in originale o in copia autentica dell'atto di cessione (art. 4 bis cp. 1 dell'OTF 23 dicembre 1953 che completa e modifica il regolamento concernente l'iscrizione dei patti di riserva della proprietà). Nella fattispecie l'atto di cessione non è stato presentato all'ufficio. Il fatto che l'acquirente, firmando il contratto di compravendita, aveva dichiarato di aver preso conoscenza della cessione dei diritti risultanti dal contratto (menzionata nelle condizioni di vendita) non supplisce all'atto di cessione, segnatamente quando, come in concreto, il contratto è stato steso su un modulo, di cui le parti contraenti possono aver usato inconsultamente. In un siffatto caso l'ufficio avrebbe quindi dovuto rifiutare l'annotazione anche se la venditrice l'avesse chiesta e, ad ogni modo, non avrebbe dovuto procedere all'annotazione che non era stata domandata. Sembra inoltre che l'Ufficio di Locarno non si attenga alle disposizioni della precitata ordinanza anche ad altro riguardo. Dalla sua risposta alla lettera 2 luglio della venditrice si deve infatti concludere che non possiede i documenti sui quali poggiano iscrizione e annotazione, mentre l'art. 15 cp. 1 dell'ordinanza prescrive che tali documenti debbono essere conservati dall'ufficio. Dispositiv La Camera di esecuzione e dei fallimenti pronuncia: Il ricorso è respinto.
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Urteilskopf 106 Ia 176 33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. Oktober 1980 i.S. X. gegen Direktion der Justiz des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV ; interkantonale Zuständigkeit beim Vollzug einer Freiheitsstrafe in einem andern als dem Urteilskanton. Vereinbarung zwischen dem Urteils- und dem Vollzugskanton, dass für Entscheide über die Aushändigung von Druckschriften an eine bestimmte Strafgefangene die Behörden des Urteilskantons zuständig seien. Keine Verletzung von Art. 4 BV .
Sachverhalt ab Seite 176 BGE 106 Ia 176 S. 176 Frau X., die von einem Gericht des Kantons Bern zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, befindet sich zur Zeit im Bezirksgefängnis Winterthur, Kanton Zürich, im Strafvollzug. Die Geschäftsleitung der Bezirksanwaltschaft Winterthur erklärte sich mit Verfügung vom 13. März 1980 als unzuständig zur Prüfung der Frage, ob Frau X. sieben Exemplare einer bestimmten Zeitschrift ausgehändigt werden dürften. Auf einen dagegen erhobenen Rekurs trat die Direktion der Justiz des Kantons Zürich am 1. April 1980 nicht ein. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach ständiger Praxis seien die Kantone befugt, von ihren Gerichten verurteilte BGE 106 Ia 176 S. 177 Personen zum Strafvollzug in Anstalten anderer Kantone einzuweisen, sei es aufgrund genereller Vereinbarungen oder aufgrund von Abmachungen im Einzelfall. In solchen Fällen sei es auch zulässig, zu vereinbaren, dass gewisse im Rahmen des Strafvollzugs zu treffende Entscheidungen beim einweisenden Kanton verblieben. Im zu beurteilenden Fall liege die Zuständigkeit für Entscheide über die Zulassung von Literatur bei den Behörden des einweisenden Kantons Bern, so dass sich auch ein allfälliges Rechtsmittel gegen diese zu richten habe. Gegen den Entscheid der Justizdirektion reichte Frau X. staatsrechtliche Beschwerde ein. Das Bundesgericht weist diese ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Zwischen den Behörden des Kantons Zürich und denjenigen des Kantons Bern liegt hinsichtlich der Frage, welcher Kanton zur Prüfung des für die Beschwerdeführerin bestimmten Lesestoffes zuständig sei, kein negativer Kompetenzkonflikt vor. Der Beschwerdeschrift und einem ihr beigelegten Schreiben des Polizeikommandos des Kantons Bern vom 6. März 1980 ist vielmehr zu entnehmen, dass diese Amtsstelle die für die Beschwerdeführerin bestimmten Broschüren geprüft und eine begründete Nichtzulassungsverfügung erlassen hat. Aus einem weiteren Schreiben der nämlichen Amtsstelle vom 13. März 1980 an die Bezirksanwaltschaft Winterthur geht sodann hervor, dass der Entscheid vom 6. März 1980 durch Beschwerde an den Polizeidirektor des Kantons Bern weitergezogen worden ist; über den Ausgang jenes Verfahrens ist nichts bekannt. Diese Tatsachen führen jedoch nicht ohne weiteres zur Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid der Justizdirektion des Kantons Zürich in der gleichen Sache. Ergäbe sich nämlich, dass einzig die zürcherischen Behörden für die fragliche Prüfung zuständig gewesen wären, so könnte ihre Pflicht zur Ausübung ihrer Verwaltungshoheit durch den Entscheid eines anderen Kantons nicht hinfällig werden; dieser Entscheid hätte vielmehr unbeachtet zu bleiben. b) Indessen liegt ein Fall dieser Art hier nicht vor. Gemäss Art. 64bis BV und Art. 374 Abs. 1 StGB ist der Strafvollzug Sache der Kantone, wobei grundsätzlich jeder Kanton die von BGE 106 Ia 176 S. 178 seinen Gerichten gefällten Urteile zu vollziehen hat. Es ist unbestritten und ergibt sich zum Beispiel aus Art. 382 StGB , dass die Kantone berechtigt sind, Strafen, deren Vollzug ihnen obliegt, auch in Anstalten anderer Kantone vollstrecken zu lassen. Das Bundesrecht kennt keine Vorschriften darüber, welcher Kanton in solchen Fällen für bestimmte konkrete, mit dem Strafvollzug zusammenhängende Anordnungen zuständig sei. Einige interkantonale Konkordate enthalten in diese Richtung gehende Vorschriften, doch finden im vorliegenden Fall solche Bestimmungen keine Anwendung, da der Kanton Bern und der Kanton Zürich nicht dem nämlichen Konkordat angehören. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Zuständigkeit für die während des Strafvollzugs notwendigen Entscheidungen (etwa über Besuche, Peculium, Briefzensur und zulässigen Lesestoff) durch Absprache zwischen den beteiligten Kantonen geregelt werden kann. Die Freiheit der Kantone auf diesem Gebiet ist einzig durch Art. 4 BV beschränkt. Demnach hat der Strafgefangene zunächst Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Entscheide nicht infolge eines negativen Kompetenzkonfliktes überhaupt nicht getroffen werden. Er kann weiter rechtsgleiche Behandlung mit anderen Gefangenen verlangen, und schliesslich kann er aufgrund des Willkürverbotes auch beanspruchen, dass den Besonderheiten seines Falles in angemessenem Rahmen Rechnung getragen wird. Dagegen ist nicht ersichtlich, worauf sich ein Anspruch stützen könnte, generell oder in einzelnen Punkten nicht der im einweisenden, sondern der im vollziehenden Kanton geltenden Ordnung unterstellt zu werden. c) Wenn sich die massgebenden Vollzugsbestimmungen in den beiden beteiligten Kantonen nicht völlig decken, so lässt sich allerdings der Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht in jeder Hinsicht restlos wahren. Es ist unvermeidlich, dass der Gefangene dann nicht gleichzeitig den übrigen von den Gerichten des gleichen Kantons verurteilten Straffälligen und den anderen Insassen der Vollzugsanstalt völlig gleichgestellt werden kann. Vielmehr haben die Kantone unter sich zu vereinbaren, welches Regime für die einzelnen zu lösenden Fragen gelten soll. Erfolgt diese Regelung nach sachlichen Gesichtspunkten, so erscheint Art. 4 BV nicht als verletzt. Im vorliegenden Falle kann von einer Missachtung dieser Verfassungsvorschrift schon deshalb nicht gesprochen werden, weil die Justizdirektion BGE 106 Ia 176 S. 179 des Kantons Zürich im angefochtenen Entscheid anerkannt hat, dass in den ihr unterstellten Vollzugsanstalten keine Anordnungen anderer Kantone vollzogen würden, die im Kanton Zürich nicht ebenfalls hätten getroffen werden dürfen. Allgemein wird gesagt werden können, dass die Befugnis für Anordnungen, die durch die örtlichen Verhältnisse bedingt sind oder keinen Aufschub dulden, wie etwa die Art der Beschäftigung, die ärztliche Betreuung und ähnliches an den Vollzugskanton zu delegieren ist, dass aber nichts dagegen spricht, wenn die übrigen Kompetenzen weitgehend beim einweisenden Kanton verbleiben; denn dieser ist und bleibt in erster Linie für die Erreichung des Strafzweckes verantwortlich (Art. 37 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 374 Abs. 1 StGB ). Dies gilt um so mehr, wenn der Strafvollzug in verschiedenen Anstalten durchgeführt werden soll, wie dies hier im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin (vgl. dazu die Urteile des Bundesgerichts vom 7. Juni 1978 und vom 19. Dezember 1978) angeordnet worden ist. Gerade in einem Fall dieser Art ist es wichtig, dass trotz des Wechsels der Anstalten bei den Vollzugsanordnungen eine gewisse Einheitlichkeit gewahrt wird, da nur so zweckmässig auf eine Resozialisierung hingearbeitet werden kann. Aus allen diesen Gründen erweist sich die Vereinbarung zwischen den Kantonen Bern und Zürich, wonach die Aushändigung von Druckschriften an die Beschwerdeführerin im Zweifelsfalle von der Zustimmung der Vollzugsbehörde des einweisenden Kantons abhängig gemacht wird, als nicht willkürlich und demgemäss mit Art. 4 BV vereinbar, was die Abweisung der Beschwerde zur Folge hat. Über die Rechtmässigkeit der konkreten Zensurmassnahme ist im vorliegenden Verfahren nicht zu befinden.
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Urteilskopf 105 IV 136 37. Urteil des Kassationshofes vom 20. April 1979 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen Renz (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Bundesgesetz und Verordnung über Ordnungsbussen im Strassenverkehr. 1. Das Ordnungsbussenverfahren ist obligatorisch anzuwenden, nicht bloss fakultativ. Die Fälle, in denen eine dem Ordnungsbussenrecht unterstehende Übertretung ausnahmsweise im ordentlichen Verfahren zu ahnden ist, werden durch Gesetz und Verordnung abschliessend geregelt (E. 1-3). 2. Das Ordnungsbussenrecht findet auch Anwendung, wenn die Übertretung dem Fehlbaren nicht an Ort und Stelle vorgehalten werden kann (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 137 BGE 105 IV 136 S. 137 A.- Aufgrund einer polizeilichen Radarmessung wurde festgestellt, dass Maurus Renz am 17. April 1978 im Dorf Baldegg LU mit seinem Personenwagen die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h überschritt. Da er nach der Messstelle nach rechts abbog, um auf seinem gewohnten Weg nach Geroldswil zu gelangen, konnte er von der etwas weiter Richtung Gelfingen wartenden Polizei weder angehalten noch zur Bezahlung der Ordnungsbusse aufgefordert werden. B.- Renz wurde darauf im ordentlichen Verfahren durch Strafverfügung des Amtsstatthalters zu einer Busse von Fr. 40.- verurteilt und mit Untersuchungskosten von Fr. 30.- belastet. Er anerkannte und bezahlte die Busse, erhob aber gegen die Kostenbelastung Einsprache. Der Amtsstatthalter hielt am angefochtenen Kostenentscheid fest und auferlegte Renz im Einspracheentscheid die inzwischen auf Fr. 75.- angestiegenen Kosten. C.- Auf erneute Einsprache hob das Amtsgericht Hochdorf den Kostenentscheid des Amtsstatthalters auf und erklärte, der Fall sei mit der erfolgten Bezahlung der Busse erledigt; der Angeklagte habe Anspruch auf Durchführung BGE 105 IV 136 S. 138 des Ordnungsbussenverfahrens gehabt und dürfe daher nicht mit den Kosten eines zu Unrecht eingeleiteten ordentlichen Verfahrens belastet werden. Die hiegegen eingereichte Kassationsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wurde vom Obergericht des Kantons Luzern am 14. Februar 1979 abgewiesen. D.- Die Staatsanwaltschaft ficht das Urteil des Obergerichtes mit Nichtigkeitsbeschwerde an. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung unter Kostenbelastung des Angeklagten. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Staatsanwaltschaft ist der Auffassung, es bestehe kein Anspruch auf Anwendung des Ordnungsbussenverfahrens; dieses habe fakultativen, nicht obligatorischen Charakter. Dafür spreche in erster Linie Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Ordnungsbussen im Strassenverkehr vom 24. Juni 1970 (OBG; SR 741.03) , der folgenden Wortlaut hat: "Übertretungen der Strassenverkehrsvorschriften des Bundes können nach diesem Gesetz in einem vereinfachten Verfahren mit Ordnungsbussen bis zu 100 Franken geahndet werden (Ordnungsbussenverfahren)." Diese mit der Überschrift "Grundsatz" versehene Bestimmung hat nicht den Sinn einer Kann-Vorschrift, welche die Anwendung des Gesetzes in das Ermessen der rechtsanwendenden Instanzen stellt. Sie will vielmehr Ziel und Tragweite des Gesetzes umschreiben. Danach wird der Anwendungsbereich des besonderen Ordnungsbussenverfahrens einerseits auf Übertretungen der Strassenverkehrsvorschriften des Bundes beschränkt und anderseits durch die maximale Bussenhöhe von Fr. 100.- abgegrenzt. Der Begriff "können" bedeutet nichts anderes, als dass die mit dem Erlass der notwendigen Ausführungsvorschriften betrauten Behörden ( Art. 3 OBG ) ermächtigt werden, im vorgesehenen Rahmen die für das Ordnungsbussenverfahren geeigneten Übertretungen auszuwählen. Hingegen ist aus dieser Wendung nicht abzuleiten, es sei Sache der Polizeiorgane, im konkreten Einzelfall zu bestimmen, ob das Ordnungsbussenverfahren zum Zuge komme oder nicht. BGE 105 IV 136 S. 139 2. Gemäss Art. 3 Abs. 1 OBG stellt der Bundesrat nach Anhören der Kantone "die Liste der Übertretungen auf, die durch Ordnungsbussen zu ahnden sind, und bestimmt den Bussenbetrag". Diese Vorschrift lässt keinen Zweifel darüber offen, dass der Bundesrat im Rahmen des Grundsatzes von Art. 1 Abs. 1 OBG eine abschliessende, obligatorisch anzuwendende Regelung zu treffen hat. Dies stimmt auch überein mit den Art. 6-10 OBG , welche für die kantonalen Polizeiorgane verbindlich festlegen, wie in den durch Ordnungsbussen zu erledigenden Fällen vorzugehen ist. Art. 10 regelt sodann die Voraussetzungen, unter denen auf das Ordnungsbussenverfahren verzichtet werden kann: Einerseits kann der Täter die vereinfachte Erledigung ablehnen und die ordentliche Beurteilung verlangen, anderseits haben die Polizeiorgane die Möglichkeit, bei mehrfacher Wiederholung der Widerhandlung das ordentliche Verfahren einzuleiten, wenn eine strengere Strafe in Betracht fällt. Auch aus dieser Regelung muss der Umkehrschluss gezogen werden, dass in andern Fällen die Polizei nicht nach ihrem Ermessen eine Verzeigung vornehmen darf, sondern dass die vom Bundesrat bezeichneten Übertretungen grundsätzlich im Ordnungsbussenverfahren zu erledigen sind. 3. Ebensowenig kann die Beschwerdeführerin ihre Auffassung auf Art. 11 Abs. 1 OBG stützen, der vorsieht, dass eine Ordnungsbusse auch im ordentlichen Verfahren ausgefällt werden kann. Diese Bestimmung überlässt es nicht dem Ermessen der Polizeiorgane, von der Durchführung des Ordnungsbussenverfahrens einfach abzusehen und durch Verzeigung die Bestrafung des Täters im ordentlichen Verfahren zu veranlassen, ohne dass eine der dazu erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben ist. Nur im Hinblick auf die vorgesehenen Ausnahmefälle, in denen eine grundsätzlich dem Ordnungsbussenrecht unterstehende Übertretung im ordentlichen Verfahren zu ahnden ist (Art. 7 Abs. 2, 10 Abs. 2 und 3 OBG, Art. 2 lit. a und b OBV ), wird in Art. 11 Abs. 1 OBG die Möglichkeit vorbehalten, allenfalls auch im ordentlichen Verfahren das ordentliche Strafrecht nicht anzuwenden und aufgrund des Ordnungsbussenrechts bloss eine (kostenfreie) Ordnungsbusse auszusprechen. Eine darüber hinausgehende Bedeutung hat die Bestimmung nicht. BGE 105 IV 136 S. 140 4. Im vorliegenden Fall war es der Polizei nicht möglich, den Beschwerdegegner nach der Radarmessung anzuhalten und an Ort und Stelle auf seine Verfehlung aufmerksam zu machen. a) Art. 2 lit. b der Verordnung über Ordnungsbussen im Strassenverkehr vom 22. März 1972 (OBV) bestimmt, dass die Polizeiorgane von einer Ordnungsbusse abzusehen und Anzeige zu erstatten haben, wenn dem Täter, der eine Übertretung im rollenden Verkehr begangen hat, der Sachverhalt nicht an Ort und Stelle vorgehalten werden kann. Diese Vorschrift käme hier zur Anwendung, wenn das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement keine abweichenden Weisungen über Geschwindigkeitskontrollen im Strassenverkehr erlassen hätte, die in Art. 2 lit. b OBV ausdrücklich vorbehalten werden. b) In Ziff. 7 der Weisungen des EJPD vom 11. September 1972 über Geschwindigkeitskontrollen im Strassenverkehr wird für Fälle, in denen ein sofortiger Vorhalt der Verfehlung nicht möglich ist, angeordnet, dass dem Halter des Fahrzeugs möglichst rasch, spätestens innert zehn Tagen, die Ahndung gemäss Ordnungsbussengesetz bzw. die Verzeigung in Aussicht zu stellen ist. Diese Regel kann, wie im angefochtenen Entscheid zutreffend ausgeführt wird, nur dahin verstanden werden, dass dort, wo nach der Schwere der Übertretung das Ordnungsbussengesetz zur Anwendung kommen kann, nach diesem Gesetz vorzugehen ist, während in den übrigen Fällen (z.B. Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit um mehr als 15 km/h, mehrfache Wiederholung) die Verzeigung Platz greifen muss. Den Polizeiorganen wird damit nicht die freie Wahl zwischen der Anwendung des besonderen Ordnungsbussenrechts und der ordentlichen Verzeigung eingeräumt; sie sind im Gegenteil auch dann, wenn dem Fehlbaren die Übertretung nicht an Ort und Stelle vorgehalten werden kann, verpflichtet, die Bestimmungen des OBG anzuwenden, wenn die Ausfällung einer Ordnungsbusse in Betracht fällt. Dass Geschwindigkeitsübertretungen (bis 15 km/h) grundsätzlich gemäss OBG zu ahnden sind, selbst wenn ein Vorhalt an Ort und Stelle nicht möglich ist, ergibt sich auch klar aus den Weisungen des EJPD über Geschwindigkeitskontrollen ohne Anhalteposten vom 11. Dezember 1973 (Ziff. 1.5 und 1.6). BGE 105 IV 136 S. 141 c) Die vom EJPD in den Weisungen niedergelegten Richtlinien stimmen mit der ratio legis des OBG überein, das eine einheitliche bundesrechtliche Ordnung für die vereinfachte Verfolgung und Bestrafung leichter Verkehrswiderhandlungen geschaffen hat. Wie in der Botschaft zum OBG ausgeführt wurde, steht es nicht im Belieben der Kantone, darüber zu entscheiden, ob sie ihr ordentliches oder das Ordnungsbussenverfahren zur Anwendung bringen wollen. Dieselben leichten Übertretungen müssen im ganzen Land auf gleiche Weise mit den gleichen Ordnungsbussen geahndet werden (BBl 1969, S. 1092). 5. Ist somit davon auszugehen, dass die vom Beschwerdegegner begangene Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Bundesrechts wegen mit einer Ordnungsbusse von Fr. 40.- zu ahnden ist und dass im Ordnungsbussenverfahren gemäss Art. 6 Abs. 1 OBG und Art. 6 OBV keine Kosten erhoben werden dürfen, so erweist sich das angefochtene Urteil auch inbezug auf den Kostenentscheid als bundesrechtskonform. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
null
nan
de
1,979
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
89a0a322-2f34-40c2-bcf2-211bb22012e1
Urteilskopf 116 V 145 26. Urteil vom 17. April 1990 i.S. B. gegen ELVIA, Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
Regeste Art. 6 Abs. 2 UVG , Art. 9 Abs. 2 UVV : Unfallähnliche Körperschädigungen. - Die Lumbago und die Diskushernie lassen sich nicht unter eine unfallähnliche Körperschädigung subsumieren (Erw. 5c). - Der Ausschluss dieser Befunde aus der Liste der unfallähnlichen Körperschädigungen ist gesetz- und verfassungsmässig (Erw. 6c).
Sachverhalt ab Seite 145 BGE 116 V 145 S. 145 A.- Der 1957 geborene Mario B. arbeitet im Fitness-Center C., einem für die obligatorische Unfallversicherung nunmehr der ELVIA Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft in Zürich (nachfolgend ELVIA), ehemals Helvetia Unfall, unterstellten Betrieb. Als er am 1. Mai 1987 beim Aufräumen der Gewichte 4 oder 5 Scheiben à je 10 kg vom Boden aufhob und in etwa 6 Metern Entfernung in gebückter Haltung wieder abstellen wollte, verspürte er einen heftigen "Zwick" im Rücken auf der Höhe Lenden-/Brustwirbel. Er konnte sich nur mit Mühe und unter starken Schmerzen, welche 2 bis 3 Tage andauerten, teilweise wieder aufrichten (Befragungsprotokoll vom 5. August 1987). Am 3. Juni 1987 wurde eine Bagatellunfall-Meldung erstattet. Im Arztzeugnis vom 22. Juli 1987 diagnostizierte Dr. U. eine akute Thoraco-Lumbalgie nach Heben einer schweren Last. Der Versicherte war vom 5. bis 17. Mai 1987 arbeitsunfähig. Die ELVIA bestritt mit Verfügung vom 7. September 1987 ihre Leistungspflicht, weil mangels eines ungewöhnlichen äusseren Faktors der Unfallbegriff nicht erfüllt sei. Sie wies eine hiegegen erhobene Einsprache ab und hielt in ihrem Entscheid vom 12. Oktober 1987 fest, dass auch keine unfallähnliche Körperschädigung vorliege. BGE 116 V 145 S. 146 B.- Beschwerdeweise liess Mario B. beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und die Helvetia Unfall sei "der Leistungspflicht zu unterstellen"; eventuell sei zur Frage, ob eine unfallähnliche Körperschädigung bestehe, ein Kurzgutachten einzuholen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wies die Beschwerde mit Entscheid vom 5. Februar 1988 ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Mario B. die vor der Vorinstanz gestellten Anträge sinngemäss erneuern; gegebenenfalls sei die Sache zur Neubeurteilung an eine der Vorinstanzen zurückzuweisen. Die ELVIA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, eventuell Durchführung einer medizinischen Expertise. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) verzichtet auf einen Antrag. D.- Das Eidg. Versicherungsgericht holte beim BSV einen ergänzenden Bericht zu Fragen der unfallähnlichen Körperschädigung im Zusammenhang mit Lumbago ein, welcher am 25. November 1988 zusammen mit einem fachtechnischen Bericht des Dr. S., Chefarzt der MEDAS St. Gallen, vom 2. November 1988 erstattet wurde. Die Parteien nahmen hiezu im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels Stellung. Nachdem der Rechtsvertreter des Versicherten nebst zwei Röntgenbildern ein Zeugnis des Hausarztes Dr. U. vom 27. Dezember 1988 und dessen Röntgenbericht vom 8. Februar 1989 eingereicht hatte, liessen sich die ELVIA und das BSV mit Zusatzbericht vom 19. Mai 1989 nochmals vernehmen. Darin beantragt das Bundesamt Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Ferner wurden nachträglich die von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) in einem Parallelverfahren eingereichten Unterlagen, namentlich der Bericht des Chefarztes der Unfallmedizin, Dr. R., vom 5. Juli 1989 und eine Aktennotiz des Anstalts-Chefarztes Prof. Dr. Sch. vom 7. Juli 1989, dem Rechtsvertreter des Versicherten unterbreitet, der eine ergänzende Vernehmlassung einreichte. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Kognition) 2. a) Nach Art. 6 Abs. 1 UVG werden die Leistungen der Unfallversicherung bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen und BGE 116 V 145 S. 147 Berufskrankheiten gewährt, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Gemäss Art. 9 Abs. 1 UVV gilt als Unfall die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper. Damit wurde im wesentlichen die vom Eidg. Versicherungsgericht in ständiger Rechtsprechung verwendete Definition des Unfalls übernommen. Der äussere Faktor ist ungewöhnlich, wenn er den Rahmen des im jeweiligen Lebensbereich Alltäglichen oder Üblichen überschreitet, was im Einzelfall nach den objektiven Verumständungen zu beurteilen ist ( BGE 112 V 202 Erw. 1 mit Hinweisen). b) Gemäss Art. 6 Abs. 2 UVG kann der Bundesrat Körperschädigungen, die den Folgen eines Unfalles ähnlich sind, in die Versicherung einbeziehen. Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat in Art. 9 Abs. 2 UVV Gebrauch gemacht und folgende Körperschädigungen auch ohne ungewöhnliche äussere Einwirkung den Unfällen gleichgestellt: a. Knochenbrüche, sofern sie nicht eindeutig auf eine Erkrankung zurückzuführen sind; b. Verrenkungen von Gelenken; c. Meniskusrisse; d. Muskelrisse; e. Muskelzerrungen; f. Sehnenrisse; g. Bandläsionen; h. Trommelfellverletzungen. Diese Aufzählung der den Unfällen gleichgestellten Körperschädigungen ist abschliessend. Daher ist es unzulässig, die Liste der unfallähnlichen Körperschädigungen durch Analogieschlüsse zu erweitern ( BGE 114 V 302 Erw. 3d, 303 Erw. 3e; MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl., 1989, S. 202). c) Nach der Rechtsprechung gelten nur die in Art. 9 Abs. 2 lit. a UVV genannten Knochenbrüche dann nicht als unfallähnliche Körperschädigung, wenn sie eindeutig auf eine Erkrankung zurückzuführen sind. Für die übrigen in der Verordnungsbestimmung erwähnten Verletzungen ist eine solche Einschränkung nicht vorgesehen. Dem Wortlaut nach können somit die in Art. 9 Abs. 2 lit. b bis h UVV aufgezählten Läsionen auch dann eine unfallähnliche Körperschädigung darstellen, wenn sie ganz oder teilweise auf einer Krankheits- oder Degenerationserscheinung beruhen. Dagegen kann die ausschliesslich aufgrund eines pathologischen Prozesses BGE 116 V 145 S. 148 erfolgte Läsion nicht als unfallähnliche Schädigung anerkannt werden. Da diese mit Ausnahme des ungewöhnlichen äusseren Faktors sämtliche anderen Merkmale des Unfallbegriffs voraussetzt, muss auch bei einer auf Krankheits- oder Abnützungserscheinung basierenden Beeinträchtigung eine plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eintreten, welche die Verletzung verursacht. Der Auslösungsfaktor kann alltäglich und diskret sein. Wesentlich ist, dass ein plötzliches Ereignis, beispielsweise eine heftige Bewegung oder das plötzliche Aufstehen aus der Hocke, die in Art. 9 Abs. 2 lit. b bis h UVV erwähnten Verletzungszustände hervorruft. Fehlt es an einem solchen unmittelbaren Geschehen und ist die Läsion vielmehr wiederholten, im täglichen Leben erfolgten Mikrotraumata zuzuschreiben, die eine allmähliche Abnützung bewirken, welche schliesslich das Ausmass der eine Behandlung erfordernden Schädigung erreicht, liegt kein Unfall, sondern eine Krankheit vor ( BGE 114 V 301 Erw. 3c; RKUV 1988 Nr. U 57 S. 373 Erw. 4b). 3. a) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird zu Recht nicht mehr behauptet, es liege ein Unfall im Sinne von Art. 9 Abs. 1 UVV vor. Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, fehlt es beim Vorfall vom 1. Mai 1987 an einem auf den Körper einwirkenden ungewöhnlichen äusseren Faktor. Der Arbeitsablauf laut Befragungsprotokoll vom 5. August 1987 bietet keine Anhaltspunkte für die Annahme einer unkoordinierten Bewegung, die als ungewöhnlicher äusserer Faktor in Frage käme. Auch eine augenfällige Überanstrengung ist angesichts der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers, zu welcher das Aufräumen von Gewichten im Fitness-Center gehörte und die auf eine entwickelte Muskulatur schliessen lässt, sowie aufgrund seines Alters zu verneinen. b) Die Leistungspflicht des Unfallversicherers lässt sich entgegen dem vorinstanzlichen Entscheid nicht mit der Begründung verneinen, die Lumbago weise auf eine Krankheit hin. Nach der Rechtsprechung können die in Art. 9 Abs. 2 lit. b bis h UVV aufgezählten Läsionen auch dann eine unfallähnliche Körperschädigung darstellen, wenn sie ganz oder teilweise auf einer Krankheits- oder Degenerationserscheinung beruhen. Wesentlich ist aber, dass ein plötzliches Ereignis, beispielsweise eine heftige Bewegung oder das plötzliche Aufstehen aus der Hocke, die in Art. 9 Abs. 2 lit. b bis h UVV erwähnten Verletzungszustände hervorruft ( BGE 114 V 301 Erw. 3c; RKUV 1988 Nr. U 57 S. 373 Erw. 4b). BGE 116 V 145 S. 149 4. Der Beschwerdeführer hob am 1. Mai 1987 beim Aufräumen der Gewichte 4 oder 5 Scheiben à je 10 kg vom Boden auf und wollte sie in einiger Entfernung in gebückter Haltung wieder abstellen, als er einen heftigen "Zwick" im Rücken auf der Höhe Lenden-/Brustwirbel verspürte. Damit liegt ein unmittelbares Geschehen im Sinne der dargelegten Rechtsprechung vor, welches die Merkmale der Plötzlichkeit sowie der Unfreiwilligkeit aufweist und zu einer Körperschädigung führte. Da Lumbago (bzw. Lumbalgie) als solche in der abschliessenden Aufzählung von Art. 9 Abs. 2 UVV nicht genannt ist, stellt sich die Frage, ob die beim Beschwerdeführer diagnostizierte akute Thoraco-Lumbalgie unter eine der in der Liste erwähnten unfallähnlichen Körperschädigungen subsumiert werden kann. a) Gemäss der medizinischen Literatur bezeichnet Lumbago bzw. Lumbalgie ("Hexenschuss") einen durch sensible Eigeninnervation der Lendenwirbelsäule ausgelösten, meistens akut einsetzenden, stechenden, zunächst segmentalen Kreuzschmerz ohne Irritation der Ischiaswurzeln. Sie ist oft mit Lähmungsgefühl, Schonhaltung und schmerzbedingter Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, muskulärem Hartspann der Rückenmuskulatur und Druckschmerzhaftigkeit der Dornfortsätze verbunden (PSCHYREMBEL, Klinisches Wörterbuch, 256. Aufl., 1990, S. 979; ROCHE, Lexikon Medizin, 2. Aufl., 1987, S. 1065; THIELE, Handlexikon der Medizin, S. 1502). Das gleiche Erscheinungsbild zeigt sich gemäss Bericht des Dr. S., Chefarzt der MEDAS St. Gallen, vom 2. November 1988 auch bei der etwas höher, im thoraco-lumbalen Übergangsbereich auftretenden Thoraco-Lumbalgie. In der Stellungnahme vom 5. Juli 1989 im Parallelfall weist Dr. R., Chefarzt der Abteilung Unfallmedizin der SUVA, darauf hin, dass der Begriff Lumbago grundsätzlich für dieses klar umschriebene klinische Krankheitsbild reserviert ist; die Diagnose einer Lumbago setze voraus, dass andere für akute Kreuzschmerzen in Frage kommende Ursachen diagnostisch ausgeschlossen wurden; akute posttraumatische Schmerzzustände infolge schwerer (direkter oder indirekter) äusserer Einwirkungen fielen grundsätzlich nicht unter den klinischen Begriff Lumbago. Nach HOPPLER (Krankenversicherung und unfallähnliche Körperschädigungen, SKZ 1988 S. 128) kommt es selten vor, dass eine Lumbago als Unfallfolge bezeichnet werden kann. b) Laut Bericht des Dr. S. führen verschiedene Ursachen zu Lumbago: Unphysiologische und übermässige Belastung des Rückens BGE 116 V 145 S. 150 kann einen Ermüdungsschmerz der strapazierten Muskeln und Bänder auslösen. Abnützung sowie namentlich Einrisse und Spaltbildungen im dorsalen Abschnitt der Bandscheibe als Folge starker chronischer oder akuter Biegespannungen können ebenfalls Schmerzen verursachen und schliesslich eine Verlagerung des Bandscheibenkerns in Richtung Spinalkanal bewirken. Diese unter der Bezeichnung Protrusion bekannte Erscheinung kommt besonders im Bereich der 4. und 5. Lendenbandscheibe häufig vor. Im weiteren können Gefügestörungen im Bewegungssegment (d.h. Verlagerung des oberen Wirbels nach hinten infolge Bandscheibenverschmälerung und damit zusammenhängende Verschiebungen in den kleinen Gelenken) zu Zerrungen an Gelenkkapseln und am hinteren Längsband führen. Bei akuter Lumbago sind gemäss Bericht des Dr. S. meist auch Blockierungen der subluxierten Wirbelgelenke im Spiel. Schliesslich sind auch lokale Entzündungen an der Wirbelsäule oder in ihrer Umgebung (z.B. bei Infektionen) in der Lage, das klassische Bild einer Lumbago zu erzeugen, in diesen Fällen aber meist nicht mit schlagartigem Beginn. Die Differentialdiagnose der Lumbago ist gemäss der erwähnten Stellungnahme des Dr. R. sehr vielgestaltig und umfasst multiple Erkrankungen aus dem rheumatischen, neurologischen, neurochirurgischen, orthopädischen, urologischen und gynäkologischen Bereich. Für die Lumbago ist das plötzliche Auftreten der Schmerzen ohne wesentliche äussere Einwirkung typisch; eine "dumme" Bewegung, eventuell auch eine Erkältung genügt, und manchmal ist für den Versicherten gar keine Ursache erkennbar. Die Auffassungen des Dr. S. und des Dr. R. stimmen - unter Vorbehalt der Erwägung 4c - darin überein, dass als Ursachen der Lumbago Funktionsstörungen des Bewegungssegmentes bzw. unphysiologische und übermässige Belastungen des Rückens, degenerative Veränderungen bzw. Abnützungen als Folge starker chronischer und akuter Biegespannungen in Betracht kommen. c) Gemäss Bericht des Dr. S. können bei Lumbago unfallähnliche Körperschädigungen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV eine Rolle spielen, namentlich Subluxationen der kleinen Wirbelgelenke, Muskelrisse und -zerrungen, Sehnenrisse sowie Bänderzerrungen und -risse. Bei jungen Versicherten könne Lumbago den einzigen Befund oder den Hauptbefund darstellen, während bei älteren Versicherten gleichzeitig mehrere Faktoren, wie degenerative Abnützungserscheinungen an der Wirbelsäule, insuffiziente Rückenmuskulatur und unverhältnismässige Belastung, vorhanden seien. BGE 116 V 145 S. 151 Demgegenüber ist die akute Lumbago gemäss Auffassung des Dr. R. eine funktionelle Störung eines oder mehrerer Wirbelsäulensegmente, ohne dass organische Läsionen im Sinne unfallähnlicher Körperschädigungen vorlägen. Gerade die häufigen schlagartigen Heilungen der Lumbago durch einfache Handgriffe beweisen nach seiner Auffassung, dass organische Verletzungen von Muskeln, Sehnen oder Bändern fehlten. Soweit hingegen Luxationen, Muskelrisse und -zerrungen, Sehnenrisse oder Bandläsionen im Bereich der Wirbelsäule als akute Verletzungen vorliegen, welche zugleich das Bild einer Lumbago zeigen, so handle es sich in der Regel um die Folge schwerer (direkter oder indirekter) äusserer Einwirkungen, die den Unfallbegriff im Sinne von Art. 9 Abs. 1 UVV erfüllten. Die erwähnte Meinungsverschiedenheit dürfte jedoch nur selten von praktischer Tragweite sein (vgl. Erwägung 4d nachfolgend). Denn auch Dr. S. hält den Nachweis, ob und inwieweit im Einzelfall bei Lumbago unfallähnliche Körperschädigungen im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV vorliegen, für praktisch unmöglich. Es sei lediglich feststellbar, ob an der Wirbelsäule radiologisch bereits über das Alter hinausgehende Verschleisserscheinungen beständen. Dr. R. argumentiert, ein solcher Nachweis sei nicht möglich, weil bei der akuten Lumbago keine unfallähnlichen Körperschädigungen vorlägen bzw. sich mit den zur Verfügung stehenden diagnostischen Mitteln keine solchen Verletzungen nachweisen liessen. d) Aus diesen Darlegungen folgt, dass bei Lumbago als Hauptbefund mit den verfügbaren diagnostischen Mitteln der Nachweis einer Verletzung an Wirbelsäulengelenken, Muskeln, Sehnen oder am Bandapparat praktisch ausgeschlossen ist. Kann eine unfallähnliche Körperschädigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV bei Lumbago somit medizinisch kaum je nachgewiesen werden, ist es auch nicht möglich, diese allenfalls unter eine der in dieser Liste aufgezählten Körperschädigungen zu subsumieren. Bestehen indessen in besonderen Fällen aufgrund der Akten konkrete Anhaltspunkte, dass neben Lumbago unfallähnliche Körperschädigungen wie namentlich Muskelzerrungen, Sehnenrisse oder Bandläsionen als selbständige Diagnosen in Betracht fallen könnten, hat der Unfallversicherer bzw. im Streitfall der Richter kraft des Untersuchungsgrundsatzes (vgl. BGE 114 V 305 Erw. 5b, BGE 115 V 142 Erw. 8a) entsprechende Abklärungen vorzunehmen. Damit wird nicht zum vornherein ausgeschlossen, dass BGE 116 V 145 S. 152 sich in einem atypischen Fall hinter der vieldeutigen Diagnose Lumbago eventuell eine unfallähnliche Körperschädigung verbirgt, die gegebenenfalls mit dem Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit ( BGE 114 V 305 Erw. 5b) nachgewiesen werden könnte (vgl. in diesem Zusammenhang MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2. Aufl., 1963, S. 102). Neben Lumbago diagnostizierte unfallähnliche Körperschädigungen müssen allerdings im Hinblick auf die Leistungspflicht des Unfallversicherers dann unberücksichtigt bleiben, wenn diese gesamthaft lediglich Nebenbefunde darstellen. Denn bei einem klinischen Bild, das sich mit mehreren Diagnosen umschreiben lässt (Syndrome), muss für die Abgrenzung der Leistungspflicht der Unfallversicherung von jener der Krankenversicherung auf die Hauptdiagnose bzw. den Hauptbefund abgestellt werden (vgl. RAMSEIER, Unfallähnliche Körperschädigungen, Therapeutische Umschau, 1985, S. 576 f.). 5. a) Dr. R. und die SUVA, welche bei den Vorarbeiten zum UVG und zur UVV mitwirkte, berufen sich auf die Absicht des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers, die Lumbago von der Unfallversicherung auszuschliessen. Es gilt daher, die Entstehungsgeschichte von Art. 9 Abs. 2 UVV nachzuzeichnen. (Es folgen Ausführungen über die Auslegung des Gesetzes.) b) In Art. 11 des Vorentwurfes des BSV vom 30. März 1980, welcher Art. 9 Abs. 2 UVV teilweise entspricht, waren unter lit. e "Muskelzerrungen im Bereich der Extremitäten, am Brustkorb vorne und seitlich oder am Becken vorn" aufgeführt. Die UVV-Kommission beschloss in der Folge, dass "Muskelzerrungen im Bereich des Rückens (wie Lumbago, Diskopathie) nicht zu den unfallähnlichen Körperschädigungen zu zählen" seien (Protokoll der Sitzung vom 9./10. Juni 1980). Aus dem Protokoll einer weiteren Sitzung vom 29. April 1981 ergibt sich eindeutig, dass man ausdrücklich die Lumbago und lumbagoähnliche Verletzungen ausschliessen wollte. Im Entwurf des Eidgenössischen Departementes des Innern vom 15. Juli 1981 erhielt die Bestimmung (neu unter lit. e von Art. 9) folgende Fassung: "Muskelzerrungen mit Ausnahme jener im Bereich des Rückens." Die verwaltungsinterne Redaktionskommission ersetzte diesen Wortlaut durch die Formulierung: "Muskelzerrungen, ausgenommen im Rücken" (Fassung vom 15. Januar 1982). Im Vernehmlassungsverfahren wurde von verschiedener Seite eingewendet, es sei nicht einzusehen, weshalb Muskelzerrungen im BGE 116 V 145 S. 153 Bereich des Rückens von der Versicherung ausgeschlossen werden sollten; denn gerade solche Verletzungen würden immer wieder Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der Leistungspflicht der Unfallversicherung und jener der Krankenversicherung verursachen (Auswertung der Vernehmlassungen zum Verordnungsentwurf über die Unfallversicherung vom Juli 1981, Bd. I, Dezember 1981). Das BSV trug diesen Bedenken Rechnung und schlug eine Streichung des Zusatzes "ausgenommen im Bereich des Rückens" vor. Der Streichungsantrag wurde anlässlich der Sitzung der UVV-Kommission vom 29./30. März 1982 diskussionslos gutgeheissen. c) Ausgangspunkt für die Beantwortung der in Erwägung 4 gestellten Frage bildet der erwähnte Grundsatzbeschluss der Kommission, Muskelzerrungen im Rückenbereich (wie Lumbago, Diskopathie) nicht zu den unfallähnlichen Körperschädigungen zu zählen. Formell kam die Kommission auf diesen Beschluss nie zurück. Das BSV schliesst jedoch in seiner Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus der Streichung des Zusatzes "ausgenommen im Rücken", es sei bezüglich der Muskelzerrungen anlässlich der Sitzung vom 29./30. März 1982 "offenbar" zu einem Meinungsumschwung gekommen. Das Bundesamt folgert aus der Streichung des erwähnten Zusatzes weiter, der Verordnungsgeber habe damit Fälle von Lumbago "im Sinne einer widerlegbaren Vermutung" unter den Begriff der Muskelzerrungen nach Art. 9 Abs. 2 lit. e UVV subsumieren wollen. Damit sei der Leistungsansprecher der von Dr. S. geschilderten Beweisnot enthoben. Der Auffassung des BSV kann nicht beigepflichtet werden. Der gesetzgeberische Wille, die Lumbago und die Diskushernie nicht in die Liste der unfallähnlichen Körperschädigungen aufzunehmen, ist entstehungsgeschichtlich klar dokumentiert. Überdies bezweckte die ursprüngliche lit. e mit dem Zusatz "mit Ausnahme jener im Bereich des Rückens" nicht nur, sondern "vor allem" den Ausschluss der Lumbago (Protokoll der Sitzung vom 29. April 1981). Damit sollten offensichtlich auch Muskelzerrungen beispielsweise im oberen Teil des Rückens, die nichts mit Lumbago zu tun haben, ausgegrenzt werden. Die Streichung des Zusatzes bedeutet daher nicht die Gleichstellung der Lumbago mit einer Muskelzerrung. Ausserdem ist ein Zusammenhang zwischen der Ausdehnung von Art. 9 Abs. 2 lit. e UVV auf alle Muskelzerrungen und derjenigen Stellungnahme im Vernehmlassungsverfahren, welche in Verbindung mit den Muskelzerrungen das "Verhebetrauma" BGE 116 V 145 S. 154 im Sinne einer akuten Lumbago oder einer akuten Torticollis (Genickstarre) nannte, nicht erstellt. Gemäss einer Aktennotiz des Chefarztes Dr. Sch. erfolgte die Streichung des Zusatzes "ausgenommen im Rücken" auf Antrag und Zusicherung der Mediziner hin, bei richtiger medizinischer Betrachtungsweise bestehe keine Gefahr, dass Lumbago als eine unfallähnliche Körperschädigung interpretiert werden könne. Der Verordnungsgeber, der die unfallähnlichen Körperschädigungen in Art. 9 Abs. 2 UVV präzis und differenziert formulierte, hätte die Lumbago wie auch die Diskushernie bei entsprechender Absicht ausdrücklich in der abschliessenden Liste unfallähnlicher Körperschädigungen erwähnt. Dass er dies unterliess, ist als qualifiziertes Schweigen zu interpretieren (vgl. BGE 114 V 302 Erw. 3d). Die Liste bezweckt nämlich, Fälle im Grenzbereich zwischen Unfall und Krankheit einer besonderen Ordnung zu unterwerfen, um Streitigkeiten darüber, ob ein Unfall oder eine Krankheit vorliegt, zu vermeiden ( BGE 114 V 301 Erw. 3c; RKUV 1988 Nr. U 57 S. 373 Erw. 4b). Es war angezeigt, die unfallähnlichen Körperschädigungen anhand der gängigen medizinischen Terminologie möglichst genau zu umschreiben, damit der Gefahr vorgebeugt werden konnte, dass bei der Auslegung der einzelnen Kategorien unfallähnlicher Körperschädigungen nicht doch wieder Abgrenzungsstreitigkeiten entstehen. d) Nach dem Gesagten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Art. 9 Abs. 2 UVV die Lumbago miterfassen würde. Dasselbe gilt für die Diskushernie, wie das Eidg. Versicherungsgericht bereits in RKUV 1988 Nr. U 58 S. 375 im Zusammenhang mit den Bandläsionen nach Art. 9 Abs. 2 lit. g UVV festgestellt hat. 6. Können Lumbago und Diskushernie unter keine der in Art. 9 Abs. 2 UVV aufgezählten unfallähnlichen Körperschädigungen subsumiert werden, so fragt es sich weiter, ob die Nichtaufnahme in die Liste gesetz- oder verfassungsmässig ist. a) (Überprüfung der Verordnungen des Bundesrates) b) Gemäss Art. 6 Abs. 2 UVG wurde der Bundesrat ermächtigt, Körperschädigungen, die den Folgen eines Unfalles ähnlich sind, in die Versicherung einzubeziehen. Diese Delegationsnorm enthält keine Richtlinien über die Art und Weise, wie von der Ermächtigung Gebrauch zu machen sei. Mit einer solchen Delegation wurde dem Bundesrat ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsstufe und namentlich die Kompetenz eingeräumt, die unfallähnlichen Körperschädigungen unter Beachtung BGE 116 V 145 S. 155 der durch das Willkürverbot gesetzten Grenzen in einer abschliessenden Liste zu umschreiben. Aufgrund dieser Befugnis war der Bundesrat frei, im Sinne einer Abgrenzung Körperschädigungen in die Liste aufzunehmen, "die juristisch nicht den Unfällen und medizinisch nicht den Krankheiten" (MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, 2. Aufl., 1963, S. 100) zugezählt werden können. c) In Anbetracht des dem Bundesrat eingeräumten Auswahlermessens (vgl. IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, 6. Aufl., S. 405) sowie des Umstandes, dass der Beachtung medizinischer Erfahrungen bei der Bezeichnung unfallähnlicher Körperschädigungen wesentliche Bedeutung beizumessen war, übt das Eidg. Versicherungsgericht bei der Überprüfung von Art. 9 Abs. 2 UVV auf die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit grundsätzlich Zurückhaltung ( BGE 114 V 304 Erw. 4c). Bei der Lumbago handelt es sich um ein klar umschriebenes selbständiges Krankheitsbild. Dieses umfasst entsprechend der vieldeutigen Diagnose verschiedenartige Erkrankungen, welche grundsätzlich in den Leistungsbereich der Krankenversicherung fallen. Das Erscheinungsbild der Lumbago unterscheidet sich in den meisten Fällen unzweideutig von jenem unfallähnlicher Körperschädigungen. Dies gilt insbesondere auch für die klar diagnostizierbare Diskushernie. Damit steht der Ausschluss der Lumbago und der Diskushernie aus der Liste gemäss Art. 9 Abs. 2 UVV deren Zweck nicht entgegen, die oft schwierige Abgrenzung zwischen Unfall und Krankheit zugunsten des Unfallversicherten aus Beweis- und Praktikabilitätsgründen zu vermeiden ( BGE 114 V 301 Erw. 3c; RKUV 1988 Nr. U 57 S. 373 Erw. 4b). Eine unbegründete rechtliche Unterscheidung ist darin angesichts der medizinischen Fakten nicht zu erblicken. Der Ausschluss der Lumbago und der Diskushernie aus der Liste der unfallähnlichen Körperschädigungen erweist sich somit als gesetz- und verfassungsmässig. 7. Beim Beschwerdeführer wurde von Dr. U. im Arztzeugnis vom 22. Juli 1987 klar eine akute Thoraco-Lumbalgie nach Heben einer schweren Last diagnostiziert. Sie kann nach dem Gesagten weder unter die Muskelzerrungen gemäss Art. 9 Abs. 2 lit. e UVV noch sonst unter eine der in dieser Liste enthaltenen unfallähnlichen Körperschädigungen subsumiert werden. Sodann bestehen aufgrund der Akten, namentlich auch der nachträglich aufgelegten Röntgenbilder des Dr. U. (vom 8. Februar 1989), keine Anhaltspunkte dafür, dass neben der Thoraco-Lumbalgie als selbständiger BGE 116 V 145 S. 156 Befund z.B. noch eine Muskelzerrung vorliegen könnte und deswegen zusätzliche Abklärungen vorzunehmen wären. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob ein krankhafter Vorzustand bestand oder nicht, spielt im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Denn auch bei einer auf Krankheits- oder Abnützungserscheinungen basierenden Beeinträchtigung kann eine plötzliche schädigende Einwirkung auftreten, welche allenfalls eine unfallähnliche Körperschädigung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 UVV verursacht ( BGE 114 V 301 Erw. 3c). Ergänzende Abklärungen betreffend das Fehlen eines krankhaften Vorzustandes, wie sie vom Beschwerdeführer beantragt werden, erübrigen sich somit ebenfalls. Eine Leistungspflicht der ELVIA im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer erlittenen Thoraco-Lumbalgie ist zu verneinen. Der Einspracheentscheid vom 12. Oktober 1987 und im Ergebnis auch der angefochtene vorinstanzliche Entscheid bestehen zu Recht.
null
nan
de
1,990
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
89a2464d-b1f9-43c7-871b-015af8c43b05
Urteilskopf 104 Ia 360 55. Arrêt du 13 décembre 1978 dans la cause Parti socialiste lausannois et Parti ouvrier et populaire vaudois contre Vaud, Grand Conseil
Regeste Kantonale Wahlen. Wahllistenverbindung. 1. a) Legitimation politischer Parteien zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen eine Wahl (E. 1a). b) Kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1b). 2. Nach waadtländischem Recht zuständige Behörde für die Entgegennahme von Listenverbindungserklärungen (E. 2). 3. Eine Listenverbindungserklärung, die den Stimmbürgern nicht auf irgendeine Weise bekannt gemacht worden ist, ist unwirksam (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 360 BGE 104 Ia 360 S. 360 En vue des élections au Grand Conseil du canton de Vaud de mars 1978, le Parti radical démocratique et le Parti libéral de l'arrondissement de Lausanne ont déposé une déclaration commune d'apparentement de leurs listes au greffe municipal de Lausanne le 20 février 1978. Compte tenu de cet apparentement, les 47 sièges de l'arrondissement de Lausanne ont été répartis comme suit: Groupement pour la protection de l'environnement 3 Parti radical 10 Parti démocrate-chrétien 5 Parti socialiste 15 Parti libéral 7 Parti ouvrier et populaire 7 BGE 104 Ia 360 S. 361 Le Parti ouvrier et populaire vaudois ainsi que le Parti socialiste lausannois ont formé chacun une réclamation contre la déclaration d'apparentement des Partis radical et libéral, demandant qu'elle soit déclarée nulle et de nul effet, pour le motif qu'elle n'avait pas été déposée en main du président du bureau électoral et qu'elle avait été tenue secrète; le Parti socialiste relevait notamment que cet apparentement avait eu pour conséquence d'attribuer un siège supplémentaire au Parti libéral aux dépens du Parti Socialiste. De l'enquête ouverte par le préfet en application de la loi du 17 novembre 1948 sur l'exercice des droits politiques (LEDP), il ressort que la déclaration d'apparentement des Partis radical et libéral, déposée au greffe municipal de Lausanne le 20 février 1978 peu après 11 h., a été versée au dossier des élections au Grand Conseil et que le représentant du greffe municipal a informé de cet apparentement, le 22 ou le 23 février, le Service d'organisation et d'informatique en vue de la préparation du programme de l'ordinateur, mais qu'il n'en a pas informé le président du bureau électoral, lequel n'a pu prendre connaissance de la déclaration d'apparentement que lors du dépouillement du scrutin. La Commission du Grand Conseil chargée de la vérification des titres d'éligibilité des membres du Grand Conseil a déposé un rapport de majorité proposant le rejet des réclamations et un rapport de minorité. En séance du 10 avril 1978, le Grand Conseil a adopté les conclusions du rapport de majorité par 112 voix contre 68 pour les conclusions du rapport de minorité et 7 abstentions. Agissant par la voie du recours de droit public pour violation du droit de vote des citoyens ( art. 85 let. a OJ ) et de l' art. 4 Cst. , le Parti socialiste lausannois et le Parti ouvrier et populaire vaudois ont demandé au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Grand Conseil du 10 avril 1978 ainsi que l'élection du dernier député élu sur la liste libérale de l'arrondissement de Lausanne, et d'inviter le Grand Conseil à procéder à une nouvelle répartition des sièges des députés de cet arrondissement, sans tenir compte de la déclaration d'apparentement des listes radicale et libérale. Erwägungen Considérant en droit: 1. a) Un recours de droit public pour violation du droit de vote ( art. 85 let. a OJ ) à l'occasion d'élections cantonales selon le BGE 104 Ia 360 S. 362 système de la représentation proportionnelle peut être formé non seulement par les citoyens qui ont le droit de vote pour l'élection en cause, mais également par les partis politiques; ceux-ci peuvent soit se plaindre d'une atteinte à leur situation juridique et à leur action politique, soit prétendre que leurs adhérents sont atteints dans l'exercice de leur droit de vote ( ATF 99 Ia 661 ), même si la mission de défendre les intérêts de leurs membres n'est pas expressément prévue dans leurs statuts ( ATF 97 I 28 ). Les partis en cause ont donc qualité pour recourir. b) Si, dans un recours fondé sur l' art. 85 let. a OJ , les recourants peuvent demander au Tribunal fédéral non seulement d'annuler la décision qui rejetait leur réclamation ou leur recours cantonal, mais aussi de casser une élection, un tel recours n'a cependant qu'un caractère cassatoire ( ATF 100 Ia 235 , 98 Ia 609 et 631). Mais il va de soi que si le Tribunal fédéral annule une élection, les autorités cantonales compétentes doivent prendre les mesures qui s'imposent en tenant compte des considérants de l'arrêt du Tribunal fédéral. 2. Les recourants soutiennent tout d'abord que la déclaration d'apparentement était irrégulière et, partant, inopérante pour n'avoir pas été remise au président du bureau électoral - comme le prévoit l'art. 75 LEDP - mais au greffe municipal, lequel ne l'a pas transmise audit président. Ils y voient une violation manifeste de l'art. 75 LEDP et des règles spéciales édictées par le Conseil d'Etat dans l'arrêté du 9 décembre 1977 "convoquant les assemblées de commune pour élire les députés au Grand Conseil, les 4 et 5 mars 1978". L'art. 75 LEDP prévoit en effet que "deux ou plusieurs listes de candidats peuvent faire l'objet d'une déclaration identique par laquelle les signataires ou leurs mandataires font savoir qu'elles sont conjointes. Cette déclaration doit être déposée en mains du président du bureau le lundi de la deuxième semaine avant le jour du scrutin", et l'art. 19 de l'arrêté du 9 décembre 1977 précise qu'une telle déclaration doit être déposée "au plus tard le lundi 20 février 1978, à 18 heures". Selon l'art. 49 LEDP, le président du bureau électoral d'arrondissement est le président du Conseil communal ou général du chef-lieu de cet arrondissement. Or la présidence du Conseil communal change chaque année et n'est pas une charge à plein temps. Le président n'a donc pas de bureau fixe où il serait atteignable BGE 104 Ia 360 S. 363 en tout temps. Il ressort du dossier que c'est pratiquement le greffe municipal qui reçoit le courrier concernant les élections et les votations et qui s'occupe de toutes les opérations préélectorales. On ne saurait donc reprocher aux Partis libéral et radical d'avoir déposé leur déclaration d'apparentement au greffe communal, ni les rendre responsables du fait que cette demande n'a pas été transmise immédiatement au président du bureau électoral et que ce dernier n'en a eu connaissance qu'au moment du dépouillement du scrutin. Les recourants ont d'autant moins de raison de soulever leur grief sur ce point que le Parti socialiste et le Parti ouvrier et populaire - ou leurs sections régionales et locales - ne procèdent pas différemment lorsqu'ils déposent une déclaration d'apparentement; c'est en tout cas ce qui ressort du procès-verbal d'audition, par le préfet, de la présidente du Parti socialiste lausannois et du président du Parti ouvrier et populaire lausannois. La déclaration d' apparentement ne saurait donc être déclarée irrégulière - et, partant, inopérante - parce qu'elle aurait été déposée au greffe municipal et non en main du président du bureau électoral. Le recours doit être rejeté sur ce point. 3. Les recourants se plaignent également de ce que la déclaration d'apparentement n'ait pas été portée à la connaissance des électeurs, qui auraient été ainsi victimes d'une tromperie par omission, contraire au principe de la bonne foi. a) La loi vaudoise sur l'exercice des droits politiques ne prescrit pas la publication des déclarations d'apparentement de listes, mais il y a lieu d'examiner si la nécessité d'une telle publication ne découle pas des principes posés par la jurisprudence du Tribunal fédéral en matière de droit de vote. Le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion de relever que la libre formation de la volonté du corps électoral présuppose que les documents nécessaires à une élection, notamment les listes de candidats, soient portés de façon convenable à la connaissance des électeurs ( ATF 98 Ia 610 consid. 9; cf. PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen, thèse Zürich 1945 p. 63 ss.). Il n'est pas contestable que les déclarations d'apparentement de listes de deux ou plusieurs partis politiques constituent un élément important d'une procédure d'élections selon le système de BGE 104 Ia 360 S. 364 la représentation proportionnelle. Un tel apparentement renforce en général la position des partis en cause et peut leur procurer un nombre de sièges supérieur à celui qu'ils obtiendraient sans cet apparentement; la présente espèce en est l'illustration. Mais les déclarations d'apparentement peuvent également inciter certains électeurs - qui sans cela auraient voté pour les candidats d'une des listes en cause - à ne pas donner leurs suffrages à ces candidats, afin de ne pas favoriser en même temps l'autre parti à l'égard duquel ils auraient quelque animosité. On voit ainsi qu'en tenant compte d'un apparentement non publié on donne au vote des électeurs qui ont accordé leurs suffrages aux candidats d'une des listes apparentées une portée que ce vote n'avait pas dans l'idée de ceux qui l'on émis; on altéré finalement la volonté de ces électeurs. Sans doute est-il possible que la plupart d'entre eux n'auraient pas voté différemment si l'apparentement avait été publié; mais on ne peut pas exclure l'éventualité qu'un certain nombre de ces électeurs, hostiles à l'un des partis en cause et décidés à ne rien faire pour le favoriser, se seraient abstenus de voter ou auraient donné leurs suffrages à d'autres candidats s'ils avaient eu connaissance de l'apparentement. Or il suffit parfois du déplacement d'un petit nombre de suffrages pour modifier la répartition des sièges. Il faut donc admettre qu'une déclaration d'apparentement de listes est un élément essentiel de la procédure électorale et qu'elle doit être portée de façon convenable à la connaissance des électeurs, à défaut de quoi elle resterait inopérante. b) L'examen de la législation fédérale et des lois cantonales en la matière ne fait que confirmer l'importance des déclarations d'apparentement et la nécessité de les porter à la connaissance des électeurs pour qu'elles puissent déployer leurs effets. C'est ainsi que la loi fédérale du 14 février 1919 concernant l'élection du Conseil national (RS 1 p. 168), en vigueur jusqu'au 30 juin 1978, prévoyait en son art. 10 al. 3 la publication des listes de candidats par le gouvernement cantonal, avec indication de celles qui sont conjointes (cf. Rapport de gestion du Conseil fédéral pour 1926, p. 5 ss.). Quant à la loi fédérale sur les droits politiques, du 17 décembre 1976, entrée en vigueur le 1er juillet 1978 (RS 161.1), elle prévoit non seulement la publication des listes électorales avec mention de l'apparentement (art. 32), mais également l'indication de l'apparentement sur les listes elles-mêmes (art. 31 al. 2). BGE 104 Ia 360 S. 365 La législation de la plupart des cantons qui connaissent l'apparentement de listes en prévoit aussi la publication sous une forme ou sous une autre (cf. loi sur l'exercice des droits politiques ou loi sur les élections et votations des cantons de: Genève, art. 135; Neuchâtel, art. 69; Fribourg, art. 92; Tessin, art. 39 al. 3; Zurich, art. 91; Bâle-Ville, art. 43; Saint-Gall, art. 54). Quelques rares cantons, dont Berne, ne prescrivent pas la publication des apparentements (cf. BENNO SCHMID, Die Listenverbindung im schweizerischen Proportionalwahlrecht, thèse Zurich 1961, p. 116 s.); mais il ressort d'une communication de l'administration cantonale bernoise que le Conseil d'Etat fait néanmoins publier dans la Feuille officielle, avec les listes de candidats, l'indication de celles qui sont conjointes. 4. Il n'est pas contesté que l'apparentement des listes libérale et radicale de Lausanne, dont la déclaration a été déposée à temps au greffe municipal, n'a pas été publié officiellement, ni indiqué sur les listes des partis en cause, ni porté d'une autre façon à la connaissance des électeurs. Il y a lieu d'examiner quelle conséquence il faut en tirer. a) Conformément au consid. 3 ci-dessus, la sanction du défaut de publication de l'apparentement doit être normalement l'annulation, au moins partielle, de l'élection en cause. On peut cependant se demander si la présente décision ne devrait pas constituer un simple avertissement, ce qui pourrait être le cas s'il s'agissait d'un changement de jurisprudence (cf. ATF 101 Ia 371 s. et les arrêts cités) ou d'un principe tout nouveau posé par le Tribunal fédéral. Or, tel n'est pas le cas en l'espèce. D'une part, les intimés n'ont nullement fait état de cas où, dans le canton de Vaud, un apparentement serait resté ignoré des électeurs, ni surtout de cas où un apparentement ignoré des électeurs aurait été déclaré valable par une autorité à la suite de contestations. Il semble au contraire que de précédents apparentements, même sans avoir été publiés officiellement, ont toujours été connus du corps électoral, que ce soit par la presse, par la propagande électorale ou par les déclarations faites dans les assemblées politiques. D'autre part, on ne peut pas dire que le Tribunal fédéral énoncé ici un principe tout nouveau; au contraire, la règle qu'il exprime se déduit directement du droit de vote garanti par le droit constitutionnel fédéral, qui donne à tout citoyen le droit d'exiger que le résultat d'une votation ou d'une élection ne soit BGE 104 Ia 360 S. 366 pas validé s'il n'est pas l'expression fidèle et sûre de la libre volonté du corps électoral ( ATF 103 Ia 281 , ATF 102 Ia 268 consid. 3); elle est un cas d'application du principe selon lequel la libre formation de la volonté du corps électoral présuppose que les documents nécessaires à une élection soient portés de façon convenable à la connaissance des électeurs ( ATF 98 Ia 610 consid. 9; PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen, thèse Zurich 1945, p. 63 ss.). Il n'y a donc pas de raison, en l'espèce, de ne pas sanctionner par l'annulation - au moins partielle - de l'élection en cause le fait que l'apparentement des listes libérale et radicale lausannoises n'ait pas été porté à la connaissance des électeurs. b) La sanction pourrait consister soit en l'annulation complète de l'élection des députés au Grand Conseil pour l'arrondissement de Lausanne, soit en l'annulation partielle de cette élection. L'annulation complète serait une mesure excessive, nullement justifiée par les circonstances; elle remettrait injustement en cause les sièges régulièrement acquis par les partis et non contestés (cf. ATF 97 I 666 consid. 5). L'élection ne doit donc être annulée que partiellement, dans la mesure où a été validée l'élection du 7e candidat du Parti libéral, lequel n'aurait pas été élu sans l'apparentement. Cette solution présente d'ailleurs l'avantage de la simplicité: il suffira en effet de refaire les calculs de répartition des sièges sur la base - connue - des suffrages recueillis par chaque parti, sans tenir compte de l'apparentement non porté à la connaissance des électeurs. Sans doute cette solution ne donne-t-elle pas non plus entièrement satisfaction, du moment que les partis qui ont déposé à temps leur déclaration d'apparentement ne peuvent pas en bénéficier. Mais elle doit également être préférée parce qu'elle correspond le mieux à la volonté exprimée par les électeurs, lesquels ont voté comme s'il n'y avait pas eu d'apparentement. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le recours et annule la décision du Grand Conseil du 10 avril 1978 dans la mesure où elle a validé l'élection du dernier candidat déclaré élu sur la liste libérale de l'arrondissement de Lausanne.
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89ab95e1-e8ba-4531-b781-e92f5749402d
Urteilskopf 111 Ib 227 44. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Juli 1985 i.S. X gegen Eidg. Militärdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 55 EntG ; Zuständigkeit zur Beurteilung von Einsprachen gegen die Enteignung. Das Eidg. Militärdepartement ist nach Art. 55 EntG zuständig zum Entscheid über Einsprachen, die sich gegen Enteignungen für Waffenplatz-Projekte richten (E. 2a). Diese Regelung steht mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht in Widerspruch, da der Entscheid des Departementes im Verwaltungsgerichtsverfahren der Rechts- und Sachverhaltskontrolle durch das Bundesgericht unterstellt werden kann (E. 2e).
Sachverhalt ab Seite 227 BGE 111 Ib 227 S. 227 Im Enteignungsverfahren für den Waffenplatz Rothenthurm übermittelte der Präsident der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 9, die gegen das Projekt erhobenen Einsprachen nach Abschluss der Einigungsverhandlungen dem Eidgenössischen Militärdepartement (EMD) zum Entscheid. Verschiedene Einsprecher bestritten hierauf dessen Kompetenz. Nachdem sich das EMD selbst in einer Zwischenverfügung als zum Einspracheentscheid zuständig bezeichnet hatte, ersuchten die Einsprecher das Bundesgericht festzustellen, dass die erstinstanzliche Behandlung der Einsprachen gegen die Enteignung und die Begehren nach Art. 7-10 EntG im Zusammenhang mit dem geplanten Waffenplatz nicht BGE 111 Ib 227 S. 228 durch das EMD erfolgen dürfe; es sei ein anderes Departement mit der Beurteilung der Einsprachen zu betrauen. Das Bundesgericht weist das Begehren ab, soweit darauf eingetreten werden kann. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführer machen im wesentlichen geltend, das EMD könne zur Beurteilung der Einsprachen nicht zuständig sein, da es selbst die Einleitung des Enteignungsverfahrens veranlasst und in Vertretung der Eidgenossenschaft faktisch selber als Enteigner gehandelt habe. Würde das Departement sowohl als Partei als auch als entscheidende Instanz auftreten, würde gegen elementarste Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltentrennung verstossen. Wohl könne der Einspracheentscheid vor Bundesgericht angefochten werden, doch verfüge dieses nicht über volle Kognition, da es die Angemessenheit nicht überprüfen könne. Dadurch werde der Anspruch auf ein gerechtes Verfahren, wie er in Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert werde, verletzt. Aus den Materialien zur Revision des Enteignungsgesetzes von 1970/71 ergebe sich, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung von Art. 55 Abs. 1 EntG , wonach "das in der Sache zuständige Departement" über Einsprachen zu entscheiden hat, offensichtlich nicht an den Fall gedacht habe, in dem wie hier das in der Sache zuständige Departement selber Enteigner oder Vertreter des Enteigners sei. Art. 55 sei vielmehr auf jene Fälle zugeschnitten, in denen ausserhalb der Verwaltung stehende Unternehmungen oder weitgehend autonome, aus den Departementen ausgegliederte Anstalten wie die SBB oder die PTT das Enteignungsrecht ausübten. Insofern liege hier eine Lücke vor, die vom Bundesgericht zu füllen sei. Dieser Argumentation ist jedoch nicht zu folgen. a) Nach Art. 55 Abs. 1 EntG in der Fassung vom 18. März 1971 (in Kraft seit 1. August 1972) entscheidet über die im Einigungsverfahren streitig gebliebenen Einsprachen gegen die Enteignung sowie über Begehren nach den Art. 7-10 das in der Sache zuständige Departement ("le département compétent en l'espèce", "il dipartimento competente per materia"). Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung sind klar. Aus ihr ergibt sich, dass die Zuständigkeit zur Beurteilung von Einsprachen, die sich gegen militärische Werke richten, beim Eidgenössischen Militärdepartement liegt. Die Frage, wer über Einsprachen gegen militärische Anlagen zu befinden habe, steht übrigens entgegen dem angefochtenen Entscheid BGE 111 Ib 227 S. 229 mit der Frage, ob das EMD gestützt auf Art. 98 des Bundesversammlungsbeschlusses über die Verwaltung der schweizerischen Armee von sich aus die Einleitung einer Enteignung verlangen könne (so BGE 109 Ib 133 E. 2) oder es hiefür eines Beschlusses des Bundesrates bedürfe (vgl. Art. 3 Abs. 1 EntG ), in keinem Zusammenhang. Die Kompetenzzuweisung erfolgt in Art. 55 EntG unabhängig von der im Einzelfall vorgeschriebenen Art und Weise der Erteilung des Enteignungsrechtes und der Verfahrenseröffnung. Die in Art. 55 EntG getroffene Regelung ist entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht lückenhaft, insbesondere liegt keine echte Lücke vor, die der Richter in analoger Anwendung von Art. 1 Abs. 2 ZGB füllen dürfte und müsste ( BGE 108 Ib 82 E. 4b, BGE 107 Ib 106 , E. 6b, BGE 103 Ia 502 f.). Die Beschwerdeführer machen eigentlich auch nicht geltend, der Gesetzgeber habe etwas zu regeln unterlassen, was er hätte regeln sollen, sondern beanstanden vielmehr die vom Gesetzgeber getroffene Lösung. Somit läge aber höchstens eine unechte Lücke, eine unter rechtspolitischen Gesichtspunkten unbefriedigende Vorschrift vor, die allein vom Gesetzgeber zu verbessern wäre und welche jedenfalls das Bundesgericht, das die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze anzuwenden hat, ob sie verfassungsmässig seien oder nicht ( Art. 113 Abs. 3 BV ), nicht durch eine Auslegung contra legem korrigieren könnte. Dies allein genügte, um die Beschwerde insoweit abzuweisen. Wie sich zeigen wird, sind aber auch die weiteren, in diesem Zusammenhang von den Beschwerdeführern vorgebrachten Rügen unbegründet. b) Die Beschwerdeführer gehen davon aus, dass die Kompetenz zum Einspracheentscheid, die nach der alten Fassung des Art. 55 EntG vom 20. Juni 1930 beim Bundesrat lag, mit der Revision des Enteignungsgesetzes vom 18. März 1971 auf die Departemente übergegangen seien. Zu Unrecht. Die Zuständigkeit des Bundesrates fiel - obschon die Art. 50 und 55 EntG zunächst unverändert blieben - bereits am 1. Oktober 1969 mit dem Inkrafttreten des revidierten Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 20. Dezember 1968 dahin. Dieses Gesetz erklärte nämlich neu die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch gegen Verfügungen über Pläne als zulässig, soweit sie Einsprachen gegen Enteignungen oder Landumlegungen betreffen ( Art. 99 lit. c OG ). Dadurch wurde Art. 23 Abs. 2 des damals geltenden BGE 111 Ib 227 S. 230 Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung vom 26. März 1914 anwendbar, wonach die durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht weiterziehbaren Geschäfte an Mittelinstanzen zur selbständigen Erledigung zu übertragen sind, das heisst an die Departemente, soweit der Bundesrat nichts anderes auf dem Verordnungswege verfügt (vgl. Art. 23 Abs. 4). Schon ab 1. Oktober 1969 haben deshalb - wie übrigens in der Botschaft des Bundesrates betreffend die Revision des Enteignungsgesetzes ausdrücklich erwähnt wird (BBl 1970 I 1016f.) - anstelle des Bundesrates die sachlich zuständigen Departemente über Einsprachen gegen Enteignungen entschieden (vgl. auch VEB 38/1974 Nr. 59 S. 63 E. 1, BGE 98 Ib 215 lit. C). Die Revision des Enteignungsgesetzes von 1971 brachte in dieser Hinsicht nichts anderes als eine Anpassung des Textes an eine bereits bestehende, dem Gesetzgeber wohlbekannte Rechtslage. Zu Gunsten der von den Beschwerdeführern angestrebten Lösung kann allerdings angeführt werden, dass früher, als noch der Bundesrat erst- und letztinstanzlich über die Einsprachen entschied, das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement und nicht das zuständige Fachdepartement mit der Instruktion der Einsprachen und der Vorbereitung des Entscheides betraut war. Damals bestand aber - und das ist ausschlaggebend - die Möglichkeit nicht, die Rechtmässigkeit der Enteignung durch eine von der Verwaltung unabhängige richterliche Instanz überprüfen zu lassen, so dass sich das Bedürfnis ergab, im Rahmen der verwaltungsinternen Kontrolle verfahrensmässige Garantien zum Schutze der Interessen der Enteigneten zu schaffen. Dieses Bedürfnis hat mit der Ausweitung der Verwaltungsgerichtsbarkeit an Dringlichkeit verloren. Ausserdem lässt sich für die Lösung, den Einspracheentscheid im verwaltungsinternen Verfahren dem Fachdepartement zu übertragen, ein objektiver Grund anführen: Im erstinstanzlichen Verfahren ist nicht nur über Rechtsfragen, sondern auch über die Notwendigkeit und Tauglichkeit des projektierten Werkes sowie über die Angemessenheit und Zweckmässigkeit der vom Enteigner vorgesehenen Massnahmen zu befinden, über Fragen also, die das in der Sache zuständige Departement aufgrund seiner Stellung und seines Fachwissens am besten beantworten kann. c) Es spielt im weiteren keine Rolle, dass hier die Verwaltungsgerichtsbehörde, welcher der Einspracheentscheid zusteht, auch selbst beim Präsidenten der Eidg. Schätzungskommission um BGE 111 Ib 227 S. 231 Eröffnung des Enteignungsverfahrens ersucht hat. Beschliesst der Bundesrat oder eine andere Behörde, das Enteignungsrecht in Anspruch zu nehmen oder an einen Dritten zu verleihen, so ergeht dieser Entscheid zwar in der Annahme, die Expropriation erfolge rechtmässig, doch ist er bloss vorläufiger Natur und dient zunächst einzig der Eröffnung des Verfahrens, in dem nach öffentlicher Auflage der Pläne und Anhörung der Betroffenen erst über die Gesetzmässigkeit und Angemessenheit des Eingriffs befunden wird, bevor allenfalls in einer zweiten Phase die geschuldete Entschädigung festzusetzen ist. Der Entscheid, ein Enteignungsverfahren durchführen zu lassen, ist somit immer (falls nicht schon ein separates Einspracheverfahren stattgefunden hat) mit dem Vorbehalt verbunden, dass sich das Enteignungsgesuch im Einspracheverfahren nicht als rechtswidrig oder unangemessen erweise; die Verfahrenseröffnung kann daher grundsätzlich den Einspracheentscheid nicht präjudizieren (vgl. VPB 38/1974 Nr. 39 S. 63 E. 2, BGE 98 Ib 420 f. E. 3b; s. auch BGE 109 Ib 133 E. 2, BGE 108 Ib 376 f. E. 2). In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden, dass die im Enteignungsgesetz vorgesehene Einsprache keine Einsprache im eigentlichen Sinne ist, das heisst ein Rechtsmittel, mit dem die Behörde zur nochmaligen Überprüfung der bereits von ihr erlassenen Verfügung aufgefordert wird, sondern ein blosses Mittel zur förmlichen Erhebung von Einwendungen gegen den in Aussicht genommenen, noch nicht gefällten Entscheid (vgl. GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. A., S. 33, GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II S. 939 f., SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, S. 165). d) Die Behauptung der Beschwerdeführer, die umstrittene Verfahrensregelung stehe in Widerspruch zum Gewaltenteilungsprinzip, wird in keiner Weise näher begründet. Auf diese Rüge ist deshalb nicht einzutreten. Im übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Ersetzung einer Verwaltungsbehörde durch eine andere Verwaltungsbehörde zur Verwirklichung des Gewaltenteilungsgebotes beitragen könnte. e) Fehl geht schliesslich auch die Meinung der Beschwerdeführer, die im Enteignungsgesetz festgelegte Kompetenz- und Verfahrensordnung halte vor Art. 6 Ziff. 1 EMRK BGE 111 Ib 227 S. 232 insoweit nicht stand, als diese Bestimmung jedermann garantiert, dass seine Sache von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht gehört werde, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden hat. Es trifft zu, dass Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht nur auf das Verfahren zur Festsetzung der Enteignungsentschädigung, sondern auch auf das vorangegangene Enteignungsverfahren Anwendung finden muss, in welchem über die Zulässigkeit des vorgesehenen Eingriffs in zivile Rechte im Sinne dieser Bestimmung entschieden wird (vgl. die Entscheide des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Sporrong und Lönnroth vom 23. September 1982, Publications de la Cour Européenne des Droits de l'Homme, Série A, Vol. 52, §§ 79-83, i.S. Le Compte, van Leuven und De Meyere vom 23. Juni 1981, Vol. 43, § 44, i.S. König vom 28. Juni 1978, Vol. 27, § 94, und i.S. Ringeisen vom 16. Juli 1971, Vol. 13, § 94). Beide Verfahren werden indessen den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vollauf gerecht. Zunächst ist festzuhalten, dass für das Bundesgericht kein Anlass besteht, von der auslegenden Erklärung der Schweiz abzuweichen, nach welcher die in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltene Garantie eines gerechten Prozesses nur eine letztinstanzliche richterliche Prüfung der Akte oder Entscheidungen der öffentlichen Gewalt über zivilrechtliche Rechte und Pflichten zusichert (Art. 1 lit. a des Bundesbeschlusses vom 3. Oktober 1974 über die Genehmigung der Konvention, AS 1974 S. 2149, vgl. hiezu die Botschaft des Bundesrates vom 4. März 1974, BBl 1974 I S. 1045 ff.; BGE 108 Ia 315 , BGE 107 Ia 167 ). Was nun das Verfahren zur Kontrolle der Rechtmässigkeit des Enteignungseingriffes anbelangt, so kann der Entscheid der Verwaltungsbehörde über die Einsprachen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht gezogen werden. Dieses überprüft den angefochtenen Entscheid nicht nur auf Rechtsfehler einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens hin ( Art. 104 lit. a OG ), sondern untersucht auch den Sachverhalt ohne Einschränkung ( Art. 104 lit. b, Art. 105 OG ). Die Garantie eines gerechten Prozesses ist damit offensichtlich gewährt, selbst wenn man jener Lehre folgen wollte, die anzunehmen scheint, ein reines Kassationsverfahren, in welchem das Gericht keine Tatfragen überprüfen könne, vermöge den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht zu genügen (vgl. RAYMOND, La Suisse devant les organes de la CEDH, ZSR 98/1979 II S. 67-69). Daran ändert nichts, dass das Bundesgericht - was die Beschwerdeführer besonders unterstreichen - die Angemessenheit des Einspracheentscheides nicht kontrollieren kann: Art. 6 Ziff. 1 EMRK verlangt keineswegs, dass der Richter ermächtigt werde, sein eigenes BGE 111 Ib 227 S. 233 Ermessen an Stelle desjenigen der Verwaltung zu setzen und damit materiell Verwaltung zu treiben. Auch das Verfahren zur Bestimmung der Entschädigung, das hier an sich nicht umstritten ist, kann als faires Verfahren im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK gelten, da sowohl die Eidgenössischen Schätzungskommissionen wie auch das in zweiter Instanz entscheidende Bundesgericht unabhängige richterliche Behörden sind, denen in Rechts- und Sachfragen volle Überprüfungsbefugnis zusteht. Beide Teilverfahren der Enteignung bieten demnach dem Betroffenen Gewähr für einen gerechten Prozess.
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Urteilskopf 97 II 180 25. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Juli 1971 i.S. Schweizerische Bundesbahnen gegen Bingisser.
Regeste Örtliche Zuständigkeit für Klagen aus dem EHG gegen die SBB ( Art. 19 EHG , Art. 4 Eisenbahngesetz, Art. 5 BBG ). 1. Die Rüge, ein letztinstanzlicher kantonaler Vorentscheid über diese Zuständigkeit verletze Bundesrecht, ist bei einem berufungsfähigen Streitwert mit der Berufung ( Art. 46 und 49 OG ) und nicht mit der Nichtigkeitsbeschwerde ( Art. 68 Abs. 1 lit. b OG ) geltend zu machen (Erw. 1). 2. Art. 5 BBG schliesst den kantonalen Gerichtsstand des Unfallortes nicht aus (Erw. 2-5).
Sachverhalt ab Seite 181 BGE 97 II 180 S. 181 A.- Beim Umladen von Alteisen von seinem Lastwagen in einen Güterwagen geriet Max Bingisser am 16. Juni 1967 im Bahnhof Brugg mit dem Autokran an die unter Spannung stehende Fahrleitung. Er erlitt schwere Verbrennungen, denen er am 25. Juni 1967 erlag. B.- Am 16. Oktober 1969 reichten die Witwe und deren drei Kinder beim Bezirksgericht Brugg gegen die SBB Schadenersatzklage ein. Die Beklagten erhoben die Einrede der Unzuständigkeit des angegangenen Richters. Sie führten im wesentlichen aus, gemäss Art. 5 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1944 über die Schweizerischen Bundesbahnen (Abk.: BBG) könnten diese nur an ihrem Sitz in Bern oder am Hauptort jedes Kantons von den Kantonseinwohnern belangt werden. Diese Regelung sei abschliessend und lasse keinen Raum für kantonale Gerichtsstandsvorschriften, namentlich nicht für den in § 12 lit. c der aargauischen Zivilprozessordnung vorgesehenen Gerichtsstand des Unfallortes. Sowohl das Bezirksgericht Brugg als auch das Obergericht des Kantons Aargau, letzteres mit Urteil vom 23. Februar 1971, wiesen die Einrede ab. C.- Die SBB haben gegen den obergerichtlichen Entscheid Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie stellen folgende Anträge: "1. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 23. Februar 1971 sei wegen Verletzung von Bundesrecht (BBG Art. 5) aufzuheben, und es sei festzustellen, dass die Beklagten sich nicht auf die vor Bezirksgericht Brugg angehobene Klage einzulassen haben. 2. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 3. Vorsorglich sei der Vollzug des obergerichtlichen Entscheides ohne Sicherheitsleistung ( Art. 70 Abs. 2 OG ) aufzuschieben. 4. Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen." Die Kläger beantragen Nichteintreten auf die Beschwerde, eventuell Abweisung, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist zulässig gegen letztinstanzliche Entscheide kantonaler Behörden in Zivilsachen, die nicht nach Art. 44-46 OG der Berufung unterliegen ( Art. 68 Abs. 1 OG ). BGE 97 II 180 S. 182 Die von den Klägern angehobene Schadenersatzklage stellt eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit dar, deren Streitwert nach der Klageschrift Fr. 8000.-- übersteigt. Gemäss Art. 46 OG ist sie somit berufungsfähig. Mit der Berufung anfechtbar sind ausser den Endentscheiden der in Art. 48 OG genannten Behörden auch die Vor- und Zwischenentscheide dieser Instanzen über die Zuständigkeit ( Art. 49 OG ; vgl. dazu BGE 90 II 214 und die dort zitierten Entscheide; BGE 91 II 389 ). Da es sich beim angefochtenen Urteil des Obergerichts um einen solchen Vorentscheid handelt, der der Berufung unterliegt, ist auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten. Diese kann aber - weil sie die formellen Voraussetzungen erfüllt - als Berufung behandelt werden (vgl. BGE 93 II 356 ). 2. Wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung erkannt hat ( BGE 89 II 42 , BGE 75 II 71 und dortige Hinweise), ist eine Streitsache wie die vorliegende nach dem Bundesgesetz betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschifffahrtsunternehmungen und der Post vom 28. März 1905 (EHG) und nicht nach dem Bundesgesetz vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (ElG) zu beurteilen. Nach Art. 19 EHG können Schadenersatzklagen sowohl beim Gericht des ordentlichen Domizils der Unternehmung als auch bei dem gemäss Konzession oder Gesetz zuständigen Gericht des Kantons, in welchem sich der Unfall ereignet hat, angebracht werden. In Klammern verweist diese Bestimmung auf Art. 8 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen sowie auf Art. 12 des Bundesgesetzes vom 15. Oktober 1897 betreffend die Erwerbung und den Betrieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bundes. Ob sich aus Art. 19 EHG ein bundesrechtlicher Gerichtsstand am Unfallort ableiten lasse, ist umstritten (vgl. OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Bd. II/1 S. 380 Ziffer 3 und die dort zitierten Urteile und Autoren). Nach den Beratungen im National- und Ständerat zu schliessen, ist dies eher zu verneinen (vgl. StenBull 1902 S. 337 und 436; 1904 S. 21/22, 102 und 313 f; im Vergleich dazu die Botschaft des Bundesrates zum ursprünglichen Art. 15 EHG : BBl 1901 I 683). Die Frage kann indessen offenbleiben. Fest steht jedenfalls, dass die Eisenbahnunternehmung im Unfallkanton belangt werden kann. BGE 97 II 180 S. 183 3. a) Das in Art. 19 EHG erwähnte BG vom 23. Dezember 1872 über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen (BS 7 S. 3) bestimmte in Art. 8 Abs. 2: "Die Gesellschaften haben ... in jedem durch ihre Unternehmung berührten Kantone ein Domizil zu verzeigen, an welchem sie von den betreffenden Kantonseinwohnern belangt werden können." Dieses Gesetz wurde aufgehoben durch das Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (AS 1958 S. 335), dessen Art. 4 Abs. 1 lautet: "Ausser an ihrem Sitz kann die Bahnunternehmung vor dem für die Klage zuständigen Gericht jedes von ihr berührten Kantons von dessen Einwohnern belangt werden ..." Damit sollte, wie in der Botschaft des Bundesrates (BBl 1956 I 238) zu lesen steht, die Klageerhebung erleichtert und auf besondere kantonale Gerichtsstände wie z.B. denjenigen des Unfallortes Rücksicht genommen werden. b) Art. 19 EHG verweist ferner, wie erwähnt, auf das (heute aufgehobene) Bundesgesetz vom 15. Oktober 1897 betreffend die Erwerbung und den Betrieb von Eisenbahnen für Rechnung des Bundes (sog. Rückkaufsgesetz; AS 1897/98 S. 557), das in Art. 12 Abs. 4 sagte: "Dieselbe [die Verwaltung der Bundesbahnen] hat ausserdem in jedem durch ihre Bahnlinien berührten Kantone ein Domizil am Kantonshauptort zu verzeigen, an welchem sie von den betreffenden Kantonseinwohnern belangt werden kann." Der diese Bestimmung ersetzende Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend die Organisation und Verwaltung der schweizerischen Bundesbahnen vom 1. Februar 1923 (AS 1923 S. 318) führte sodann aus: "Sie [die SBB] haben ausserdem in jedem Kanton ein Domizil am Kantonshauptorte zu verzeigen, wo sie von den Kantonseinwohnern belangt werden können." Heute gilt anstelle dieser inzwischen ebenfalls aufgehobenen Vorschrift Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Schweizerischen Bundesbahnen vom 23. Juni 1944 (Abk.: BBG; BS 7 S. 196), der wie folgt lautet: "Sie [die SBB] können ausser an ihrem Sitz am Hauptorte jedes Kantons von den Kantonseinwohnern belangt werden." BGE 97 II 180 S. 184 Von den ältern Gesetzen weicht diese letzte Gerichtsstandsbestimmung also nur insofern ab, als die Domizilverzeigung weggefallen ist und die SBB nun in jedem Kanton, gleichgültig ob dieser von der Bahnlinie berührt wird oder nicht, von seinen Einwohnern am Hauptort eingeklagt werden kann. 4. a) All den genannten Vorschriften ist der Zweck gemeinsam, den Einwohnern der einzelnen Kantone die Verfolgung von Rechtsansprüchen gegenüber den Bahnunternehmungen zu erleichtern. Es war nie die Tendenz des Gesetzgebers, die kantonale Gerichtsbarkeit in bezug auf die Bundesbahnen einzuschränken ( BGE 37 I 286 ). Auch im neuen Eisenbahngesetz von 1957, das diesbezüglich früheres Recht übernommen hat, findet sich kein solcher Gedanke. Dass Art. 5 BBG im innerkantonalen Verhältnis kantonale Gerichtsstände ausschliesse, kann nicht angenommen werden. Das Ergebnis wäre eher eine Erschwerung als eine Erleichterung der Rechtsverfolgung und stünde der Idee, welche sämtlichen der erwähnten Gerichtsstandsbestimmungen zugrunde lag, entgegen. Es ist auch nicht einzusehen, welches ins Gewicht fallende Interesse die SBB haben könnten, nur am Kantonshauptort belangt zu werden und nicht am Unfallort, wenn die kantonale Prozessordnung diesen Gerichtsstand vorsieht. Art. 64 Abs. 3 BV überlässt die Gerichtsorganisation und das gerichtliche Verfahren den Kantonen. Die Durchsetzung des materiellen Bundesprivatrechts verlangt in keiner Weise, dass im Unfallkanton der Gerichtsstand auf den Kantonshauptort beschränkt bleibe. Die SBB wurden von dem in Art. 41 lit. b OG enthaltenen ausschliesslichen Gerichtsstand des Bundes ausdrücklich ausgenommen. Schliesslich verbietet auch der Zweck des Art. 5 BBG (nämlich den Kantonseinwohnern für Klagen gegen die SBB von Bundesrechts wegen einen Gerichtsstand im Kanton zu sichern) nicht, dass das kantonale Prozessrecht daneben andere, wahlweise zur Verfügung stehende Gerichtsstände bezeichne, wie es in der aargauischen ZPO geschehen ist. Das Bundesgericht hat immer diese Auffassung vertreten und namentlich in BGE 60 II 376 ff. eingehend begründet (vgl. auch den amtlich nicht veröffentlichten Entscheid i.S. CFF gegen Bloch vom 6. Juni 1946, teilweise abgedruckt und besprochen in SJZ 46, 1950, S. 30/31). An dieser Rechtsprechung ist, auch bei erneuter Prüfung, festzuhalten. BGE 97 II 180 S. 185 b) Vergeblich versuchen die Beklagten, unter Bezugnahme auf BGE 94 II 134 einen Gegensatz zwischen Art. 84 SVG und Art. 19 EHG hervorzustreichen und daraus etwas zu ihren Gunsten abzuleiten. In jenem Entscheid hat das Bundesgericht für Schadenersatzklagen gegen die SBB aus Unfällen mit Dienst-Motorfahrzeugen den Unfallort als bundesrechtlichen Gerichtsstand anerkannt und Art. 84 SVG im Verhältnis zu Art. 5 BBG als Sonderbestimmung aufgefasst. Ob nun aber Art. 19 EHG als Spezialvorschrift in Haftpflichtfällen ebenfalls einen bundesrechtlichen Gerichtsstand des Unfallortes schaffe oder - wie die Beklagten behaupten - vielmehr davon absehe, ist, wie bereits unter Ziffer 2 bemerkt wurde, für den vorliegenden Fall unerheblich und kann deshalb offenbleiben. Denn hier steht einzig die Frage zur Diskussion, ob Art. 5 BBG Raum lasse für Gerichtsstandsvorschriften des Unfallkantons. Wie dargetan wurde, ist dies zu bejahen. 5. Ob die Vorinstanz das kantonale Prozessrecht (§ 12 lit. c aarg. ZPO) richtig ausgelegt und angewendet habe, ist eine der Überprüfung durch die eidgenössische Berufungsinstanz entzogene Frage. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten. 2. - Die Eingabe wird als Berufung an Hand genommen. 3. - Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts (1. Zivilabteilung) des Kantons Aargau vom 23. Februar 1971 bestätigt.
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Urteilskopf 137 III 417 61. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_577/2011 vom 4. Oktober 2011
Regeste Anfechtbarkeit eines handelsgerichtlichen Entscheids über superprovisorische Massnahmen im Sinne von Art. 265 ZPO . Entscheide über superprovisorische Massnahmen sind grundsätzlich nicht mit Beschwerde beim Bundesgericht anfechtbar, da es an der Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs im Sinne von Art. 75 Abs. 1 BGG mangelt (E. 1.2) und in aller Regel ein Rechtsschutzinteresse fehlt ( Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ; E. 1.4). Berücksichtigung der Regelung in der Schweizerischen Zivilprozessordnung (E. 1.3).
Erwägungen ab Seite 417 BGE 137 III 417 S. 417 Aus den Erwägungen: 1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist ( BGE 136 II 101 E. 1 S. 103, BGE 136 II 470 E. 1 S. 472; BGE 135 III 212 E. 1). 1.1 Angefochten ist die Weigerung der Vorinstanz, eine vorsorgliche Massnahme (im Sinne von Art. 265 ZPO [SR 272], d.h. ohne BGE 137 III 417 S. 418 Anhörung der Gegenpartei) vor dem 30. September 2011 zu erlassen. Nach Ablauf dieses Datums kann diesem Antrag nicht mehr entsprochen werden, auch wenn die vorliegende Beschwerde gutgeheissen würde. Es fragt sich daher, ob im heutigen Zeitpunkt auf die Beschwerde schon deshalb nicht einzutreten ist, weil es an einem aktuellen Rechtsschutzinteresse fehlt. Die Frage kann allerdings offenbleiben, da die Zulässigkeit der Beschwerde schon aus anderen Gründen zu verneinen ist. 1.2 Das Bundesgericht tritt auf Rechtsmittel gegen Entscheide über superprovisorische Massnahmen grundsätzlich nicht ein, weil es in solchen Fällen an der Beschwerdevoraussetzung der Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs mangelt (vgl. zu Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 aOG: BGE 120 Ia 61 E. 1a S. 62; BGE 87 I 100 E. 3; je mit Hinweisen; zu Art. 75 Abs. 1 BGG : Urteile 5A_473/2010 vom 23. Juli 2010 E. 1.1 und 4A_335/2007 vom 13. September 2007 E. 3, je mit Hinweisen; vgl. dazu FABIENNE HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, Rz. 3082; FRANÇOIS BOHNET, in: CPC, Code de procédure civile commenté, François Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 16 zu Art. 265 ZPO ). Kantonal letztinstanzlich ist ein Entscheid nämlich nur, wenn für die gegen diesen erhobenen Rügen kein kantonales Rechtsmittel mehr offen steht ( Art. 75 Abs. 1 BGG ; BGE 134 III 524 E. 1.3 S. 527). Der Begriff des Rechtsmittels in diesem Sinne ist nach langjähriger Praxis weit zu verstehen und umfasst jeden Rechtsbehelf, der dem Beschwerdeführer einen Anspruch auf einen Entscheid der angerufenen Behörde gibt und geeignet ist, den behaupteten rechtlichen Nachteil zu beseitigen ( BGE 120 Ia 61 E. 1a S. 62; BGE 110 Ia 136 E. 2a S. 137; BGE 81 I 61 f.; 78 I 248 S. 250 f.; je mit Hinweisen). Deshalb wird vom Beschwerdeführer vor der Ergreifung eines Rechtsmittels an das Bundesgericht verlangt, dass er das kontradiktorische Verfahren vor dem Massnahmerichter (seit Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung gemäss Art. 261 ff. ZPO ) durchläuft, in dem er den angestrebten vorläufigen Rechtsschutz erwirken kann. Diese Rechtsprechung wurde auch auf einen Fall angewendet, in dem die kantonale Behörde die Anordnung einer superprovisorischen Massnahme abgelehnt hatte bzw. auf das entsprechende Gesuch nicht eingetreten war (Urteil 5A_473/2010 vom 23. Juli 2010 E. 1.1). Zu beachten ist ferner, dass der Rechtsuchende bei Weiterverfolgung des Massnahmeverfahrens nach Art. 261 ff. ZPO in aller Regel rascher zum Ziel kommt als mit einem anderen Rechtsmittel, dessen Ergreifung zudem zu Doppelspurigkeiten BGE 137 III 417 S. 419 führen würde. Es entspricht dem System des Massnahmeverfahrens, auf das die Vorschriften über das summarische Verfahren Anwendung finden (Art. 248 lit. d. ZPO), dass dieses rasch vorangetrieben und abgeschlossen wird. Die Regel des Art. 265 Abs. 2 ZPO , wonach das Gericht bei erfolgter superprovisorischer Anordnung einer Massnahme die Gegenpartei unverzüglich anzuhören und danach ebenso unverzüglich zu entscheiden hat, ist grundsätzlich auch zu berücksichtigen, wenn das beantragte Superprovisorium verweigert wird (Urteil 4A_242/2011 vom 13. Mai 2011 E. 1.4). 1.3 Damit harmoniert, dass in der ZPO kein Rechtsmittel gegen kantonal erstinstanzliche Entscheide über superprovisorische Massnahmen vorgesehen ist, wobei auch für den Fall der Ablehnung einer superprovisorischen Anordnung keine Ausnahme gemacht wurde (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7221 ff., S. 7356). Diese Lösung ist in der Lehre auf breite Zustimmung gestossen (GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2010, N. 3 zu Art. 265 ZPO sowie THOMAS SPRECHER, in: Basler Kommentar, Zivilprozessordnung, 2010, N. 32 zu Art. 265 ZPO [ausdrücklich auch für den Fall, dass die superprovisorische Verfügung abgelehnt wird]; ferner: MICHAEL TREIS, in: Handkommentar zur ZPO, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 8 f. zu Art. 265 ZPO ; BEAT MATHYS, in: Handkommentar zur ZPO, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 19 zu Art. 308 ZPO ; JOHANN ZÜRCHER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Alexander Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 12 zu Art. 265 ZPO ; KURT BLICKENSTORFER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Alexander Brunner und andere [Hrsg.], N. 20 zu Art. 308 ZPO ; SABINE KOFMEL EHRENZELLER, in: Kurzkommentar zur ZPO, Paul Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 6 zu Art. 265 ZPO ; LUCIUS HUBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Thomas Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 20 zu Art. 265 ZPO ; HOHL, a.a.O., Rz. 2343; a.M. für den Fall der Verweigerung einer superprovisorischen Massnahme dagegen REETZ/THEILER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Thomas Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 34 zu Art. 308 ZPO , die namentlich fordern, dass der Gegenpartei bei Vereitelungsgefahr erst nach dem zweitinstanzlichen Massnahmenentscheid vom ablehnenden superprovisorischen Entscheid der Erstinstanz Kenntnis zu geben sei; ferner FRANÇOIS BOHNET, a.a.O., N. 16 zu Art. 265 ZPO ; BENEDIKT SEILER, Die Berufung nach der BGE 137 III 417 S. 420 Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2011, Rz. 360 in fine S. 144, der sich zu Unrecht auf den Bericht der Expertenkommission vom Juni 2003 zum VE-ZPO, S. 133, beruft). 1.4 Gegen die Ablehnung des Erlasses einer superprovisorischen Massnahme ist grundsätzlich auch deshalb keine Beschwerde an das Bundesgericht zulässig, weil es in aller Regel an einem Rechtsschutzinteresse fehlt ( Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ). Ein solches besteht nur, wenn der behauptete Nachteil durch einen günstigen Beschwerdeentscheid vermieden werden könnte. Dies ist bei einer Anfechtung der Verweigerung eines Superprovisoriums nicht der Fall, weil ein Beschwerdeverfahren im Allgemeinen nicht rechtzeitig abgeschlossen werden kann, um der behaupteten Dringlichkeit Rechnung zu tragen. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann auch nicht darin erblickt werden, dass der Beschwerdeführer beim Bundesgericht den Erlass einer superprovisorischen Anordnung ( Art. 104 BGG ) verlangen könnte, um zu erhalten, was er vor der Vorinstanz nicht erreicht hat. Denn eine solche Anordnung müsste regelmässig abgelehnt werden; einerseits würde damit der Entscheid über die Beschwerde selbst, die sich gerade gegen die Verweigerung einer solchen Anordnung richtet, vorweggenommen; andererseits ist es nicht Aufgabe des Bundesgerichts, von der Vorinstanz noch nicht geprüfte Voraussetzungen für eine (superprovisorische) Massnahme nach Art. 261 f. ZPO als erste Instanz anstelle des zuständigen Massnahmerichters zu prüfen.
null
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Urteilskopf 102 IV 26 8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Februar 1976 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau gegen X. und Konsorten.
Regeste Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB . Öffentlicher Luftverkehr. Start und Landung von Luftfahrzeugen fallen nur dann unter den öffentlichen Verkehr, wenn das Flugfeld vom Halter einem unbestimmbaren Benützerkreis für den Flugverkehr zur Verfügung gestellt worden ist.
Erwägungen ab Seite 27 BGE 102 IV 26 S. 27 Aus den Erwägungen: Die Beschwerdeführerin hält entgegen der Auffassung des Obergerichts daran fest, dass es sich beim Flugverkehr vom und zum Flugfeld Lommis um öffentlichen Verkehr im Sinne des Art. 237 StGB handle, unabhängig davon, ob am Flugfeld private oder öffentliche Interessen bestünden oder ob es in privatem oder öffentlichem Eigentum stehe. Auch wenn kein luftrechtlicher Zulassungszwang bestehe, sei in der Praxis das Flugfeld Lommis nicht nur den dort stationierten Flugzeugen der Motorfluggrupppe Thurgau, sondern grundsätzlich auch jedem anderen Flugzeug offen, das dort landen könne. a) Der Verkehr zu Land gilt als öffentlich im Sinne des Art. 237 Ziff. 1 Abs. 1 StGB , wenn er sich auf Strassen, Strassenverzweigungen und Plätzen abwickelt, die nicht bloss dem privaten Gebrauch, sondern dem allgemeinen Verkehr, mit anderen Worten, einem unbestimmbaren Personenkreis dienen ( BGE 101 IV 175 mit Verweisungen). Diese Begriffsumschreibung gilt grundsätzlich auch für den öffentlichen Verkehr in der Luft, auch wenn den Besonderheiten des dem Flugverkehr zur Verfügung stehenden Luftraumes Rechnung zu tragen ist. So steht der Luftraum, der im Flugrecht als frei von Privateigentum, d.h. im Gemeingebrauch stehend betrachtet wird, dem Flugverkehr allgemein offen. Dieser ist dort auch ein öffentlicher im Sinne des Art. 237 StGB (vgl. Art. 1 LFG ; BAI, Luftrecht und Grundeigentum, Diss. Zürich 1955, S. 115/118; GULDIMANN, Cuius est solum, eius est usque ad coelum, Zeitschrift für Luftrecht, 1952, S. 219; KÖPFLI, Schweizerisches Flugplatzrecht, Diss. Zürich 1947, S. 3). Im Bereiche des erdnahen, bei Start und Landung der Luftfahrzeuge beanspruchten Luftraumes ist dagegen zwischen Flughäfen und BGE 102 IV 26 S. 28 Flugfeldern zu unterscheiden. Flugplätze, die nach Art. 37 LFG dem öffentlichen Verkehr dienen, bedürfen einer Konzession und unterstehen dem allgemeinen Zulassungszwang. Sie sind ihrer Natur nach einem unbestimmbaren Kreis von Benützern zugänglich, so dass auch der An- und Wegflug zu solchen Flugplätzen als öffentlicher Verkehr nach Art. 237 StGB zu gelten hat. Anders verhält es sich bei den Flugfeldern, die nach Art. 31 LFV nicht dem öffentlichen Verkehr dienen, nur bewilligungspflichtig sind und in der Regel keinem Zulassungszwang unterliegen ( Art. 44 Abs. 4 LFV ). Hier bestimmt grundsätzlich der über das Flugfeld Verfügungsberechtigte, wer es zur Landung und zum Start benützen darf (BAI, a.a.O. S. 91; KÖPFLI, a.a.O. S. 8). In diesen Fällen ist auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse zu prüfen, ob der Flugfeldhalter einem unbestimmbaren oder bestimmbaren Kreis die Benützung des Geländes für den Flugverkehr bewilligt hat. b) Das Obergericht hat zutreffend nicht auf die Tatsache, dass das Flugfeld Lommis im Privateigentum steht, sondern darauf abgestellt, ob der Benützerkreis bestimmbar sei oder nicht. In dieser Beziehung stellt es fest, dass das Flugfeld Lommis keinem Zulassungszwang unterstehe und auch die Betriebsbewilligung mit keiner Auflage zugunsten des allgemeinen Luftverkehrs verbunden worden sei. Die Benützung des Flugfeldes sei im Gegenteil nur auf Grund einer besondern Ermächtigung der Flugfeldhalterin zulässig. Zudem fehle jeder Beweis dafür, dass die Motorfluggruppe Thurgau das Flugfeld der Öffentlichkeit zum Landen und Starten freigegeben habe, und wäre es auch nur für bestimmte Luftfahrzeugkategorien. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und binden den Kassationshof ( Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277bis Abs. 1 BStP ). Die Behauptung der Beschwerdeführerin, das Flugfeld Lommis stehe praktisch jedem Flugzeug offen, kann daher nicht gehört werden. Auch wenn es zutreffen sollte, dass andern Flugzeugen das Landen und Starten auf Gesuch hin jeweils erlaubt wird, so macht diese von Fall zu Fall erteilte Bewilligung den Benützerkreis nicht zu einem unbestimmbaren und wird das Flugfeld auch nicht der Allgemeinheit geöffnet. Unerheblich ist auch, dass die Motorfluggruppe Thurgau die Bewilligung für die Ausübung gewerbsmässiger Flüge im nicht regelmässigen Flugverkehr besitzen soll (vgl. Art. 114 LFV ). Das Flugfeld wird dadurch nicht zu BGE 102 IV 26 S. 29 einem dem öffentlichen Verkehr dienenden Flughafen; dazu wäre eine Konzession nötig, welche die Flugfeldhalterin nicht besitzt. Die Vorinstanz hat daher das Merkmal des öffentlichen Verkehrs, das in Art. 237 StGB gefordert wird, zu Recht verneint.
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Urteilskopf 118 V 79 10. Arrêt du 11 mai 1992 dans la cause Office fédéral des assurances sociales contre X et Tribunal des assurances du canton de Vaud.
Regeste Art. 1 Abs. 1 lit. b AHVG in Verbindung mit Art. 1 IVG , Art. 6 Abs. 1 IVG , Art. 8 lit. f des schweizerisch-jugoslawischen Abkommens über Sozialversicherung: Versicherteneigenschaft, Versicherungsklausel und Arbeitsbewilligung. Das Fehlen einer vom öffentlichen Recht verlangten Arbeitsbewilligung schliesst den Anspruch auf Leistungen der eidgenössischen Invalidenversicherung nicht aus, wenn ein ausländischer Arbeitnehmer (in casu: aus Jugoslawien) in der Schweiz erkrankt oder verunfallt.
Sachverhalt ab Seite 79 BGE 118 V 79 S. 79 A.- X, né en 1955, d'origine yougoslave (Serbie), a travaillé en Suisse au bénéfice d'une autorisation saisonnière, qui a été renouvelée à plusieurs reprises jusqu'au 26 décembre 1985. BGE 118 V 79 S. 80 Par la suite, il a de nouveau travaillé en Suisse, mais sans être au bénéfice d'une autorisation de travail. C'est ainsi qu'il a été engagé, vraisemblablement dès le début du mois de juin 1988, comme manoeuvre au service de Y, entrepreneur à Yverdon-les-Bains. Le 8 juin 1988, alors qu'il était occupé à décharger des briques d'une palette posée sur un chariot élévateur, il a brusquement perdu l'équilibre et est tombé lourdement sur le sol d'une hauteur de 2 mètres 50 environ. Il s'est fracturé les deux poignets, ainsi que le genou droit. Il a été immédiatement transporté à l'Hôpital d'Yverdon-les-Bains, où il a été opéré, puis soigné jusqu'au 23 juin 1988. Il a ensuite été à nouveau hospitalisé, dans ce même établissement, du 25 juillet au 2 août 1988 et du 23 août au 30 août 1988. Le 6 décembre 1988, il a subi une nouvelle ostéotomie. Du 16 mai au 16 juin 1989, il a séjourné à la Clinique de médecine rééducative de Bellikon. Le 12 janvier 1990 enfin, il a subi l'ablation du matériel d'ostéosynthèse. Le cas a été pris en charge par la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (CNA), qui a alloué des prestations pour soins et versé les indemnités journalières légales. Le 13 août 1990, elle a accordé à son assuré une rente d'invalidité de 566 francs par mois, à partir du 1er juillet 1990, fondée sur une incapacité de gain de 66,66 pour cent, ainsi qu'une indemnité pour atteinte à l'intégrité, en fonction d'un taux de diminution de l'intégrité de 30 pour cent. Pour n'avoir pas respecté des règles sur la prévention des accidents, et s'être ainsi rendu coupable de lésions corporelles graves par négligence, et pour avoir enfreint la loi fédérale sur le séjour et l'établissement des étrangers (LSEE), Y a été condamné par le Tribunal correctionnel du district d'Yverdon à une peine d'emprisonnement d'un mois, assortie du sursis pendant deux ans, ainsi qu'à une amende de 1'000 francs. B.- Le 4 avril 1989, X a présenté une demande de prestations de l'assurance-invalidité, notamment une rente, un reclassement dans une nouvelle profession et des mesures médicales de réadaptation spéciales. Par décision du 18 mai 1990, la Caisse cantonale vaudoise de compensation a rejeté cette demande, motif pris que le requérant, depuis le 26 décembre 1985, n'avait plus été au bénéfice ni d'un permis de séjour ni d'une autorisation de travail valables. C.- X a recouru contre cette décision devant le Tribunal des assurances du canton de Vaud, qui a admis son recours par jugement du 13 février 1991. Le tribunal a annulé la décision attaquée et il a renvoyé la cause à l'administration "pour qu'elle affilie le recourant BGE 118 V 79 S. 81 comme personne sans activité lucrative et qu'elle examine, dans le sens des considérants, à quelles prestations de l'assurance-invalidité il peut prétendre, puis pour qu'elle rende tel nouveau prononcé et prenne telle nouvelle décision que de droit". D.- Contre ce jugement, l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) interjette un recours de droit administratif dans lequel il conclut au rétablissement de la décision litigieuse du 18 mai 1990. X conclut au rejet du recours en déclarant se référer à ses écritures antérieures. De son côté, la caisse de compensation se rallie aux conclusions du recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. (Pouvoir d'examen) 2. a) Aux termes de l' art. 3 al. 3 LSEE (RS 142.20), l'étranger qui ne possède pas de permis d'établissement ne peut prendre un emploi, et un employeur ne peut l'occuper que si l'autorisation de séjour lui en donne la faculté. Pour les autorisations, les autorités doivent tenir compte des intérêts moraux et économiques du pays, ainsi que du degré de surpopulation étrangère ( art. 16 al. 1 LSEE ). Selon l' art. 3 al. 3 RSEE (RS 142.201), l'étranger qui aura exercé une activité lucrative sans autorisation sera, en règle générale, contraint de quitter la Suisse. b) Selon l' art. 1er al. 1 let. b LAVS , en corrélation avec l' art. 1er LAI , sont obligatoirement assurées à l'AVS et à l'assurance-invalidité les personnes physiques qui exercent une activité lucrative en Suisse. Sauf exceptions, ces personnes sont également obligatoirement assurées contre les accidents ( art. 1er al. 1 LAA ). La nature de l'activité exercée importe peu: le gain soumis à cotisations peut aussi bien provenir d'une activité licite que d'une activité illicite, en particulier d'un "travail au noir" ( ATF 107 V 193 ; KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, p. 21; DUC, Quelques considérations relatives au statut des étrangers, et plus spécialement des demandeurs d'asile et des réfugiés en droit social: Questions choisies, in: Droit des réfugiés, Fribourg 1991, p. 171). Le ressortissant étranger qui travaille illégalement en Suisse est donc aussi soumis à l'assurance obligatoire. Si son employeur ne déclare pas à l'AVS les salaires qu'il lui verse, la caisse de compensation a la possibilité de réclamer les cotisations correspondantes dans le délai BGE 118 V 79 S. 82 de péremption de cinq ans prévu par l' art. 16 al. 1 LAVS . Passé ce délai, elle peut encore, si elle découvre l'omission, agir en réparation du dommage contre l'employeur, aux conditions fixées par l' art. 52 LAVS et dans les délais institués par l' art. 82 RAVS ( ATF 112 V 156 ; ATFA 1957 p. 222 ss). 3. a) Selon l' art. 6 al. 1 LAI , les ressortissants suisses, les étrangers et les apatrides ont droit aux prestations s'ils sont assurés lors de la survenance de l'invalidité. Conformément à l' art. 4 al. 2 LAI , l'invalidité est réputée survenue dès qu'elle est, par sa nature et sa gravité, propre à ouvrir droit aux prestations entrant en considération. Ce moment doit être déterminé objectivement, d'après l'état de santé; des facteurs externes fortuits n'ont pas d'importance ( ATF 112 V 277 consid. 1b). Il ne dépend en particulier ni de la date à laquelle une demande a été présentée, ni de celle à partir de laquelle une prestation a été requise, et ne coïncide pas non plus nécessairement avec le moment où l'assuré apprend, pour la première fois, que l'atteinte à sa santé peut ouvrir droit à des prestations d'assurance ( ATF 111 V 121 consid 1d, ATF 108 V 62 consid. 2b, ATF 105 V 60 consid. 1, ATF 103 V 130 ). Dans le cas d'une rente, p.ex., l'invalidité est réputée survenue, le plus souvent, dès que l'assuré a présenté, en moyenne, une incapacité de travail de 40 pour cent au moins pendant une année sans interruption notable ( art. 29 al. 1 let. b LAI ). Les rentes correspondant à un degré d'invalidité inférieur à 50 pour cent ne sont toutefois versées qu'aux assurés qui ont leur domicile et leur résidence habituelle en Suisse ( art. 28 al. 1ter LAI ). b) L'art. 2 de la convention relative aux assurances sociales entre la Suisse et la Yougoslavie, du 8 juin 1962, prévoit que, sous réserve de dispositions conventionnelles spéciales, les ressortissants suisses et yougoslaves jouissent de l'égalité de traitement quant aux droits et obligations résultant des législations énumérées à l'article premier, soit notamment, pour ce qui concerne la Suisse, la législation fédérale sur l'assurance-invalidité. L' art. 8 let . f de la convention, introduit par l'avenant du 9 juillet 1982, a la teneur suivante: "Les ressortissants de la RSF de Yougoslavie non domiciliés en Suisse qui ont dû abandonner leur activité dans ce pays à la suite d'un accident ou d'une maladie et qui y demeurent jusqu'à la réalisation du risque assuré, sont considérés comme étant assurés au sens de la législation suisse pour l'octroi des prestations de l'assurance-invalidité. Ils doivent continuer à acquitter les cotisations à l'assurance-vieillesse, survivants et invalidité comme s'ils avaient leur domicile en Suisse." BGE 118 V 79 S. 83 L'affiliation à l'assurance en vertu de cette disposition conventionnelle ne présuppose pas l'existence d'un domicile en Suisse au sens du droit civil ( ATF 113 V 261 ). Cette norme a été introduite dans la convention pour améliorer la situation de ceux des travailleurs yougoslaves qui, justement, ne peuvent se constituer un domicile au sens des art. 23 ss CC . C'est le cas, en principe, des travailleurs saisonniers ( ATF 113 V 264 consid. 2b; BUCHER, note 4 ss ad art. 23 CC ; SCHMID, Die Rechtsstellung des ausländischen Saisonarbeiters in der Schweiz, thèse Zurich 1991, p. 323). Jusqu'alors, en effet, le travailleur saisonnier de nationalité yougoslave, qui devait interrompre son activité en Suisse pour raison d'accident ou de maladie et qui demeurait dans ce pays jusqu'à la réalisation du risque assuré (période de carence qui était alors de 360 jours, au lieu d'une année actuellement), ne pouvait prétendre des prestations: il ne remplissait pas la clause d'assurance exigée par la loi, du moment qu'il n'était pas domicilié en Suisse ( art. 1er al. 1 let. a LAVS ) et qu'il n'y exerçait plus aucune activité lucrative (message du Conseil fédéral concernant un Avenant à la Convention relative aux assurances sociales avec la Yougoslavie, du 3 novembre 1982, FF 1982 III 997). A la suite des événements survenus récemment en Yougoslavie, qui ont conduit à la reconnaissance par la Suisse de la Croatie et de la Slovénie, l'OFAS s'est interrogé sur le statut juridique, au regard de l'assurance sociale suisse, des ressortissants de ces deux Etats. Après avoir pris l'avis du Département fédéral des affaires étrangères, il a adressé aux caisses de compensation une directive d'où il ressort que les relations contractuelles en matière de sécurité sociale sont, pour le moment, poursuivies avec toutes les parties de l'ancienne Yougoslavie (Bulletin de l'AVS No 182 du 12 février 1992 et RCC 1992 p. 116; arrêt non publié B. du 4 mars 1992). 4. Selon les juges cantonaux, le ressortissant yougoslave qui travaille en Suisse sans autorisation doit bénéficier de la même couverture d'assurance que les autres employés de même nationalité travaillant régulièrement en Suisse sans y être domiciliés, en particulier les saisonniers. Les juges cantonaux relèvent que l' art. 8 let . f de la convention ne fait, à cet égard, aucune distinction. Ils établissent aussi un parallèle avec la jurisprudence du Tribunal fédéral relative à la validité du contrat de travail conclu avec un employé étranger non autorisé à travailler en Suisse ( ATF 114 II 279 ). Selon l'OFAS, l'application de la disposition conventionnelle en cause suppose, au contraire, que l'intéressé soit titulaire d'une autorisation de séjour valable lors de la survenance du cas d'assurance. BGE 118 V 79 S. 84 L'OFAS invoque à l'appui de cette thèse l'arrêt non publié O. du 9 février 1981. Selon cet arrêt, pour calculer la durée de résidence ininterrompue en Suisse, en relation avec le droit à une rente extraordinaire en faveur d'un ressortissant allemand (art. 20 de la convention de sécurité sociale entre la Suisse et la République fédérale d'Allemagne du 25 février 1964), il faut uniquement prendre en considération les périodes durant lesquelles le requérant a résidé de manière régulière en Suisse. a) Récemment, le Tribunal fédéral des assurances s'est exprimé dans le même sens que ce dernier arrêt, au sujet de l'art. 2 al. 2, première phrase, LPC et s'agissant du calcul de la période de résidence ininterrompue en Suisse (quinze années), dont l'accomplissement est nécessaire à l'obtention d'une prestation complémentaire par un ressortissant étranger domicilié en Suisse (arrêt non publié S. du 8 janvier 1992). Le tribunal a noté, tout particulièrement, qu'il n'était pas admissible - sous peine d'avantager celui qui passe outre à l'obligation de quitter la Suisse, au détriment de celui qui se soumet à cette exigence - de retenir le séjour effectif, lorsque ce séjour n'est pas conforme aux autorisations délivrées par l'autorité compétente. Dans un arrêt déjà ancien, il était arrivé à la même conclusion, à propos de l'art. 5 al. 1 let. b de l'ancienne convention italo-suisse du 17 octobre 1951 sur les assurances sociales (article relatif à la durée de résidence minimale pour l'allocation d'une rente de vieillesse de l'AVS), en insistant sur le fait que l'injonction de quitter le territoire suisse impartie à un étranger indésirable est une mesure de sauvegarde de la sécurité et de l'ordre public (ATFA 1962 p. 26). Toujours dans le même ordre d'idées, mais en matière d'assurance-chômage cette fois, le Tribunal fédéral des assurances a jugé que l'étranger qui ne possède pas d'autorisation de travailler en Suisse ne saurait en principe voir prendre en considération l'activité lucrative exercée sans droit, en particulier pour le calcul des 150 jours d'activité lucrative soumise à cotisations (arrêt non publié M. du 13 juillet 1984). Dans le cas d'espèce toutefois, le tribunal a admis de faire une exception à ce principe, car l'assurée intéressée pouvait de bonne foi s'attendre, après qu'elle eut changé d'emploi, à obtenir l'autorisation nécessaire, qu'elle avait demandée peu de temps auparavant. b) Mais ces arrêts se distinguent de la situation envisagée en l'espèce. En principe, le travailleur étranger qui est victime d'un accident ou qui tombe malade en Suisse et qui n'est pas au bénéfice d'une autorisation de travail est autorisé à y séjourner à titre temporaire pendant la durée du traitement médical. L' art. 36 OLE (RS 823.21) BGE 118 V 79 S. 85 dispose à cet égard que des autorisations peuvent être accordées à "d'autres étrangers (que ceux visés aux art. 31 à 35) n'exerçant pas d'activité lucrative lorsque des circonstances importantes l'exigent" (cf. aussi l' art. 33 OLE ). On notera que la situation des saisonniers devenus invalides en Suisse et qui ne peuvent continuer l'activité pratiquée jusqu'alors est réglée à l' art. 13 let. b OLE , en ce sens qu'ils ne sont pas comptés dans le nombre maximum des étrangers exerçant une activité lucrative, fixé périodiquement par le Conseil fédéral; les mesures de limitation ne font pas obstacle à la prise d'un nouvel emploi, mieux adapté à l'état de santé du travailleur (voir aussi SCHMID, op.cit., p. 107). L'intimé, qui a été hospitalisé à plusieurs reprises en Suisse après l'accident et qui a continué à y séjourner au vu et au su des autorités, a certainement bénéficié d'une semblable autorisation, sinon formelle, du moins implicite. Le fait est d'ailleurs attesté par une notice téléphonique du 2 mars 1989, établie par un fonctionnaire de la caisse de compensation, qui s'est renseigné le même jour à ce sujet auprès de l'Office cantonal vaudois de contrôle des habitants et de police des étrangers. L'intimé, qui désirait se rendre pour un bref séjour en Yougoslavie, a du reste été autorisé à revenir en Suisse pour s'y faire soigner (lettre dudit office au Bureau des étrangers d'Yverdon du 6 juillet 1989). D'autre part, il y a lieu de constater que la durée du traitement médical - pendant lequel l'intimé a été incapable de travailler - a en l'occurrence largement dépassé une année. On constate à ce propos que la CNA a alloué à son assuré une rente à partir du 1er juillet 1990, ce qui donne à penser que, jusqu'à ce moment-là, l'on pouvait encore attendre du traitement médical une amélioration sensible de l'état de santé de l'intéressé (cf. art. 19 al. 1 LAA ). On doit ainsi admettre que la condition de séjour en Suisse jusqu'à la réalisation du risque assuré, posée par l' art. 8 let . f de la convention, est en l'espèce réalisée, du moins pour ce qui est du droit éventuel à une rente de l'assurance-invalidité. c) Que l'intimé ait été au bénéfice d'une autorisation de séjour précaire, accordée pour ainsi dire sous la pression des circonstances, n'y saurait rien changer. La convention ne formule aucune exigence particulière quant à la nature du séjour en Suisse et encore moins quant au genre de l'autorisation qui devrait être délivrée dans ce cas. Conformément à l'art. 31 paragraphe 4 de la Convention de Vienne sur le droit des traités du 23 mai 1969, entrée en vigueur pour la Suisse le 6 juin 1990 (RS 0.111; RO 1990 1112), un terme ne sera entendu dans un sens particulier que s'il est établi que telle était BGE 118 V 79 S. 86 l'intention des parties (voir aussi dans ce contexte: message relatif à l'adhésion de la Suisse à la Convention de Vienne de 1969 sur le droit des traités et à la Convention de Vienne de 1986 sur le droit des traités entre Etats et organisations internationales ou entre organisations internationales, FF 1989 II 713 s.; JACOT-GUILLARMOD, Strasbourg, Luxembourg, Lausanne et Lucerne: Méthodes d'interprétation comparées de la règle internationale conventionnelle, in: Les règles d'interprétation. Principes communément admis par les juridictions, Fribourg 1989, p. 113 ss). En l'occurrence, il n'y a aucune raison de restreindre le sens du verbe "demeurer", dont use l' art. 8 let . f de la convention, par une interprétation fondée sur des éléments extrinsèques, tirés des distinctions propres aux dispositions internes de droit public en matière de police des étrangers. En tout cas, il n'y a pas de motif d'exiger comme condition préalable, dans le cadre de cette norme, que le ressortissant yougoslave ait été titulaire d'une autorisation de travail immédiatement avant la survenance de l'accident ou de la maladie. d) Il peut certes arriver, dans des situations analogues, que le ressortissant étranger soit contraint de quitter la Suisse avant la réalisation du risque assuré, parce que le traitement médical est achevé ou parce que son état de santé n'est pas jugé suffisamment grave pour justifier l'ajournement d'une mesure de renvoi. Mais il n'y a pas lieu d'examiner ici quelles en seraient les conséquences, sous l'angle du droit conventionnel, les circonstances de l'espèce étant différentes, ainsi qu'on l'a vu. 5. Autre est le point de savoir - et, en réalité, c'est le problème que soulève le présent recours - s'il est ou non contraire à l'ordre public suisse d'allouer des prestations d'assurances sociales, plus particulièrement de l'assurance-invalidité, à un ressortissant étranger entré illégalement en Suisse et néanmoins obligatoirement assuré en raison de l'exercice d'une activité lucrative. Cette question doit être résolue par la négative. La réglementation sur le nombre des travailleurs étrangers tend à limiter ou à stabiliser la population étrangère en Suisse, de même qu'à protéger la main-d'oeuvre indigène de la sous-enchère qui pourrait être pratiquée par des salariés immigrés moins exigeants qu'elle (G. AUBERT, Contrat de travail et autorisation de travail, SJ 1988 p. 620 et note in SJ 1990 p. 661; art. 9 OLE ). Ce double but est tout à fait différent de celui assigné à la législation sociale en général. D'autre part, il ne serait guère logique de soumettre à cotisations le gain d'un "travail au noir" et de refuser en même temps, par principe, BGE 118 V 79 S. 87 tout droit à des prestations lors de la survenance de l'éventualité assurée: comme le relève DUC, le droit aux prestations représente - sous réserve de dispositions spéciales contraires - le corollaire de l'obligation de cotiser (loc.cit., p. 171). Il est vrai que les régimes de l'AVS et de l'assurance-invalidité, à la différence de celui de l'assurance-accidents obligatoire, ne sont pas exclusivement financés par les cotisations des assurés et des employeurs; les pouvoirs publics (Confédération et cantons) y contribuent également (ces contributions représentant 20 pour cent des dépenses de l'AVS et la moitié de celles de l'assurance-invalidité; art. 103 LAVS et art. 78 LAI ). Mais, de même qu'il est soumis à cotisations, le revenu d'une activité exercée sans autorisation est assujetti à l'impôt, dès lors que la loi fiscale ne l'exclut pas expressément de son champ d'application (cf. MASSHARDT/GENDRE, Commentaires IDN, 1980, p. 91; RIVIER, Droit fiscal suisse, p. 91). Il est du reste notoire que, parmi les employeurs qui occupent des salariés étrangers sans autorisation, nombre d'entre eux acquittent régulièrement pour ces employés, non seulement des cotisations d'assurances sociales, mais également l'impôt prélevé à la source. Enfin, les premiers juges établissent de façon pertinente un parallèle entre le contrat de travail et le droit aux prestations. Comme ils le rappellent, la jurisprudence, se ralliant notamment à l'avis de RAPP (Fremdenpolizeiliche Arbeitsbewilligung und Arbeitsvertrag, Basler Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1985, p. 277 ss, plus spécialement p. 285 ss; cf. aussi TERCIER, La partie spéciale du code des obligations, note 1732/34), reconnaît en principe - c'est-à-dire sous réserve d'un intérêt public prépondérant - la validité d'un contrat de travail conclu avec un employé non autorisé à travailler en Suisse: la nullité du contrat porterait préjudice au seul travailleur, contrairement au but de protection de la partie la plus faible, qui est à la base de la législation sur le contrat de travail et, partant, au principe de proportionnalité ( ATF 114 II 281 ). Cette exigence de la protection du travailleur s'impose de la même manière dans le cadre de la législation sociale. Dans son rapport sur l'économie souterraine du 9 juin 1987 (FF 1987 II 1241 ss), le Conseil fédéral soulignait d'ailleurs à ce propos qu'une protection sociale suffisante du "travailleur au noir" était encore plus importante que la question du droit au salaire, non sans rappeler que cette protection était "en soi garantie par diverses dispositions de droit des assurances sociales" (p. 1273). 6. En conclusion, c'est à bon droit que les premiers juges ont considéré l'intimé comme étant assuré au sens du droit conventionnel BGE 118 V 79 S. 88 et qu'ils ont, en conséquence, prescrit à la caisse de compensation d'examiner quelles prestations peuvent entrer en considération dans ce cas. De son côté, l'intimé sera tenu - au même titre qu'un travailleur saisonnier devenu invalide en Suisse - de continuer à verser des cotisations conformément à l' art. 8 let . f de la convention. Le recours de droit administratif se révèle ainsi mal fondé. 7. (Frais et dépens).
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Urteilskopf 99 II 15 3. Estrato della sentenza 22 marzo 1973 della II Corte civile nella causa H. c. Autorità di vigilanza sulle tutele del Cantone Ticino
Regeste Art. 372 ZGB . Die Bevormundung auf eigenes Begehren setzt das Einverständnis des Interdizenden im Zeitpunkt des Bevormundungsentscheides voraus. Das Einverständnis fehlt, wenn sich der Interdizend in diesem Zeitpunkt nicht klar ausgesprochen oder sein Begehren zurückgezogen hat (Änderung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 15 BGE 99 II 15 S. 15 A.- Il 29 aprile 1968, H., allora domiciliato ad Ascona, comunicò alla Delegazione tutoria di quel comune che suo padre aveva espresso, in via testamentaria, il desiderio di farlo assistere da una persona di fiducia, segnatamente per la conclusione di vendite di quadri, di operazioni bancarie, di assunzione di debiti, ecc. H. dubitava che le preoccupazioni del genitore fossero interamente giustificate, ma ammetteva di avere scarsa esperienza commerciale. Il 22 maggio 1968, la Delegazione tutoria nominava a H. un assistente, a'sensi dell'art. 395 CC, nella persona di F. e, il 5 luglio 1968, ne dava comunicazione al Dipartimento cantonale dell'interno, autorità di vigilanza sulle tutele. Con lettera 31 luglio 1968, il Dipartimento avvertiva la Delegazione che la nomina di un assistente presupponeva la conclusione definitiva del procedimento di inabilitazione previsto dall'art. 79 del regolamento sulle tutele e curatele. Tale procedimento non essendo stato promosso, la decisione comunale era nulla. L'autorità di vigilanza confermò quanto sopra con lettera 2 ottobre 1968, ma l'autorità comunale rimase inattiva. Il 9 aprile 1969, F. avvertiva l'autorità tutoria comunale che, nelle suindicate condizioni, non poteva più assumere delle responsabilità per H. BGE 99 II 15 S. 16 Il 3 aprile 1969, H. trasferiva la sua residenza nella casa di sua proprietà a Tegna. B.- Il 22 maggio 1970, la Delegazione tutoria di Tegna comunicava all'autorità di vigilanza di essere dell'avviso di istituire una tutela volontaria e aggiungeva che, se non si fosse potuto ottenere il consenso dell'interessato, si avrebbe dovuto procedere all'istituzione della tutela coattiva. Il 16 dicembre 1971, H. sottoscrisse davanti a Franco Zaninetti, allora sindaco, una dichiarazione indirizzata alla Delegazione tutoria di Tegna, con la quale chiedeva l'istituzione della tutela volontaria. Ma, il 20 dello stesso mese, un avvocato di Zurigo, agente in nome di H., revocava l'istanza, indicando fra altro: "Wie mir mein Mandant mitteilte, soll er zur Unterzeichnung eines Dokumentes betreffend Verbeiständung aufgefordert worden sein. Dieses Dokument hat er offenbar unterzeichnet. Da mein Mandant nicht genau weiss, worum es sich handelt, widerrufe ich diese Unterschrift. Ich ersuche Sie, mir dieses Dokument zuzusenden." La Delegazione tutoria non rispose e, nella seduta del 3 luglio 1972, dopo aver sentito Franco Zaninetti, suo ex presidente, dichiarò aperta la tutela volontaria sulla base della richiesta del 16 dicembre 1971. Essa si riferì inoltre al referto medico 13 gennaio 1972 del dottor Franco Buzzi in Locarno. L'autorità tutoria, ritenendo che il referto confermava quanto a lei noto dai suoi diretti contatti con H., ne concluse che questi non era in condizione di amministrare il suo patrimonio. Contemporaneamente gli designò come tutore Dario Solcà, tutore ufficiale. Il tutelando, invitato a partecipare alla seduta per ulteriori chiarimenti, era rimasto assente. C.- H. si aggravò all'autorità di vigilanza, chiedendo la revoca del provvedimento tutelare. Egli fece valere di non aver compresso la portata della dichiarazione fatta a suo tempo alla Delegazione tutoria e di non aver comunque inteso sottoporsi ad una tutela, bensì di aver semplicemente desiderato che gli fosse nominata una persona che lo aiutasse nel disbrigo dei suoi affari successorali. La sua istanza scritta di tutela volontaria era stata da lui comunque revocata per il tramite del suo avvocato. Inoltre, la decisione cantonale era viziata perchè presa, in trasgressione dell'art. 374 CC, senza preventivamente sentire l'interessato. Il ricorso venne respinto dall'autorità cantonale di vigilanza. BGE 99 II 15 S. 17 D.- H. ha interposto un ricorso per riforma al Tribunale federale, chiedendo di annullare la suesposta decisione e di revocare la tutela. E.- Con le sue osservazioni di risposta, il Dipartimento cantonale dell'interno, autorità di vigilanza sulle tutele, propone di respingere il ricorso. Erwägungen Considerando in diritto: 1. Secondo l'art. 372 CC, ad una persona maggiorenne può essere nominato un tutore a sua istanza qualora dimostri che non può debitamente provvedere ai propri interessi per causa di debolezza senile, acciacchi od inesperienza. Da questa disposizione si deve anzitutto dedurre che l'istanza dell'interessato non giustifica per sè sola l'istituzione della tutela. Questa presuppone inoltre che, per i motivi indicati nel testo legale, il richiedente non possa debitamente provvedere ai propri interessi. La giurisprudenza del Tribunale federale ha tuttavia ammesso che i presupposti per la tutela volontaria possono essere stabiliti in modo meno rigorsoo di quanto richiesto per l'applicazione dell'art. 370 CC. Anche uno sviluppo difettoso, non ancora evidente, può essere considerato come inesperienza o acciacco ("anderes Gebrechen") a'sensi dell'art. 372 CC; altrettanto dicasi dei disturbi psichici, non ancora definibili, come un'infermità o debolezza di mente a'sensi dell'art. 369 cpv. 1 CC (RU 54 II 242; sentenze inedite 14 maggio 1969, Meier c. Vormundschaftsbehörde Glattfelden p. 6 e 20 aprile 1972 Anderegg c. Weisenamt Arbon p. 4 e 7/8). Il Tribunale federale ha inoltre desunto dall'art. 372 che l'adempimento dei presupposti oggettivi della tutela volontaria non deve essere accertato in un vero e proprio procedimento di interdizione, nè deve essere vincolato ai principi fissati dal Tribunale federale nella circolare del 18 maggio 1914 (RU 40 II 182; cfr. RU 54 II 242; 61 II 2 /3; sentenza inedita 11 giugno 1970 Wuest c. Vormundschaftsbehörde Wetzikon p. 9). Tuttavia, la giurisprudenza ha stabilito che, proposta l'istanza di tutela, l'interessato non può revocarla, neppure nel caso in cui la decisione dell'autorità competente non sia ancora intervenuta (RU 54 II 242; sentenze inedite 14 maggio 1969, Meier c. Vormundschaftsbehörde Glattfelden p. 6/7, 11 giugno 1970 Wuest c. Vormundschaftsbehörde Wetzikon p. 8 e 20 aprile 1972 Anderegg c. Weisenamt Arbon p. 5/6). BGE 99 II 15 S. 18 2. Il principio giurisprudenziale, secondo cui il procedimento per l'istituzione di una tutela volontaria deve concludersi sulla base degli oggettivi elementi legali, indipendentemente dal fatto che l'interessato abbia revocato la sua istanza, non risulta da un esplicito testo legale: è il risultato di una interpretazione ed è fondato su due considerazioni: anzitutto che l'istanza dell'interessato non costituisce, a sè stante, motivo di tutela, bensì solo l'occasione per accertare l'esistenza dei presupposti legali oggettivi; poi che sarebbe illogico di ammettere la possibilità di revoca dell'istanza, dal momento che, secondo l'art. 438 CC, istituita la tutela, questa non può essere revocata, qualora non ne sia cessata la causa. Queste considerazioni devono essere riesaminate. a) L'art. 372 CC fa dipendere l'istituzione della tutela volontaria da un presupposto soggettivo - l'istanza dell'interessato - e da uno dei presupposti oggettivi indicati nella norma legale: debolezza senile, acciacchi o inesperienza. Sennonchè, secondo la vigente giurisprudenza, i due presupposti avrebbero una diversa portata: l'istanza dell'interessato sarebbe di mero carattere formale; sarebbe cioè solo l'occasione di procedere all'esame del caso; la tutela sarebbe giustificata esclusivamente dal presupposto oggettivo. In realtà, questa diversa valutazione dei due presupposti va oltre il testo legale ed è anzi in contraddizione con il contenuto materiale del medesimo. La possibilità di procedere ad una tutela facilitata dipende anzitutto dal fatto che è richiesta dall'interessato. Se manca una valida istanza in proposito viene a mancare anche la giustificazione di esigere, rispetto alla tutela coattiva, minori garanzie (condizioni oggettive mitigate, omissione di un vero e proprio procedimento di interdizione). La diversa portata dell'intervento nella sfera personale del tutelando ha un senso solo se il provvedimento viene preso d'accordo con l'interessato. Questo accordo difetta se, nel momento della decisione dell'autorità competente, risulta che l'interessato non si è espresso in modo esplicito o ha revocato la sua domanda. In tal caso, la tutela può essere disposta solo nelle forme e alle condizioni di cui agli art. 369 e 370 CC; i presupposti per l'applicazione dell'art. 372 non sono adempiuti (in questo senso: M. HESS, Rechtliche Voraussetzungen und fürsorgerische Bedeutung der Entmündigung auf eigenes Begehren, in Zeitschrift für Vormundschaftswesen 1949, BGE 99 II 15 S. 19 p. 60 e seg.; W. BAER, Die Entmündigung auf eigenes Begehren, ZVW 1955 p. 122 e seg.; Regierungsrat des Kant. Aargau, SJZ 38, p. 235; Regierungsrat des Kant. Bern, ZVW 1959 p. 31 e seg.; cfr. EGGER, Kommentar, n. 8 all'art. 372 CC e KAUFMANN, Kommentar, n. 8 allo stesso articolo). b) Anche il riferimento fatto nella suesposta giurisprudenza all'art. 438 risulta infondato. Questa disposizione è norma speciale applicabile solo alla revoca della tutela, non anche alla domanda di istituzione della medesima ed ha il chiaro significato di evitare che l'esistenza del provvedimento tutelare sia fatta dipendere dalla momentanea e fugace volontà del tutelato. Del resto, dal momento che ha ottenuto l'intervento dell'autorità tutelare, l'interessato deve rendersi conto che, per norma legale, la tutela non può essere revocata in ogni momento, bensì solo quando ne sia cessata la causa. 3. In concreto, resta pertanto da stabilire solo se il ricorrente ha validamente revocato la sua istanza. L'autorità cantonale di vigilanza ne dubita, adducendo nella decisione impugnata che la relativa comunicazione non è stata indirizzata alla Delegazione tutoria e non è stata personalmente formulata dall'interessato. Sulla prima delle suesposte obiezioni è da rilevare che l'iniziale dichiarazione di revoca dell'istanza, quella del 20 dicembre 1971, è stata indirizzata al sindaco Zaninetti, il quale era membro di diritto della Delegazione tutoria (art. 11 cpv. 3 del regolamento sulle tutele e curatele), e che il telegramma di analogo contenuto del 20 giugno 1972 è stato indirizzato anche all'autorità di vigilanza, la quale l'ha fatto tempestivamente proseguire all'autorità competente. Anche le ripetute comunicazioni fatte all'avv. Pedrazzini, pure membro della Delegazione, dovevano essere note a questa autorità. Ciò stante, dichiarare invalida l'istanza di revoca per l'errore d'indirizzo costituirebbe un evidente eccesso di formalismo e quindi un arbitrio (cfr. RU 87 I 5). Comunque è determinante il fatto che, nel momento della sua decisione, la Delegazione tutoria, tenuta a procedere d'ufficio all'accertamento dei presupposti legali, era in condizione di rendersi conto dell'avvenuta revoca dell'istanza di tutela volontaria; ciò che è pacifico. Pure infondata è l'obiezione secondo cui, dovendo la tutela volontaria essere personalmente richiesta dall'interessato, anche BGE 99 II 15 S. 20 la relativa revoca doveva essere personalmente formulata dal medesimo. A questo proposito è vero che, nel momento della sua decisione, la Delegazione tutoria aveva avuto conoscenza della diversa volontà del tutelando solo per il tramite di un avvocato di Zurigo. In effetti, la conferma firmata da H. è del 13 luglio 1972 e quindi successiva alla decisione di tutela del 3 luglio 1972. Ma questa circostanza è irrilevante. Si comprende che, comportando la tutela la rinuncia a diritti personalissimi, l'autorità esiga per la sua decisione un'istanza firmata dall'interessato. Non si comprende invece che la stessa esigenza sia posta anche per la difesa di tali diritti. Dottrina e giurisprudenza cantonali hanno infatti ammesso che persino gli interdetti, pur che siano capaci di discernimento, sono legittimati a scegliere un loro patrocinatore per ricorrere contro l'interdizione (SJZ 21, p. 127/128; cfr. EGDER, Kommentar n. 10 allo art. 19 CC). Si deve pertanto concludere che H. ha tempestivamente e validamente interposto la dichiarazione di revoca della sua istanza. Ne consegue che, difettando per l'applicazione dell'art. 372 CC un presupposto essenziale, la decisione di tutela deve essere annullata. 4. Anche a prescindere dalle questioni suesposte, la tutela del ricorrente potrebbe essere confermata solo se lo scopo al riguardo perseguito non potesse essere raggiunto mediante una misura di minore limitazione della libertà personale, segnatamente mediante l'inabilitazione a'sensi dell'art. 395 CC (RU 96 II 375 lett. e e 97 II 303). Dagli atti non risultano dati sufficienti per il giudizio di questa sede in punto alla proporzionalità del provvedimento tutelare. Non vi risulta chiaramente se il ricorrente necessiti di una assistenza permanente, quale può essere esercitata da un tutore. Risulta solo che l'autorità tutoria à preoccupata di proteggere il patrimonio, la cui amministrazione oltrepasserebbe le capacità del ricorrente, onde non si vede perchè non dovrebbe bastare l'inabilitazione a'sensi dell'art. 395 cpv. 2 CC. Le autorità comunali e cantonali dovranno accertare anzitutto se è data l'esigenza di un controllo permanente del comportamento personale del ricorrente; solo in caso affermativo la tutela sarebbe giustificata. Qualche indizio a tale proposito BGE 99 II 15 S. 21 risulta, è vero, dal certificato medico del dott. Buzzi, ma mancano gli accertamenti di come le debolezze ivi indicate influisco no sul comportamento personale di H. Spetterà alle autorità di tutela di chiarire la situazione e di prendere le misure più adeguate. Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: Il ricorso è accolto e le decisioni 17 ottobre 1972 dell'autorità di vigilanza sulle tutele e 3 luglio 1972 della Delegazione tutoria di Tegna sono annullate.
public_law
nan
it
1,973
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CH_BGE_004
CH
Federation
89c5d445-2868-487a-b929-ea5e59bf8f5c
Urteilskopf 122 III 249 44. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Februar 1996 i.S. B. gegen K. (Berufung)
Regeste Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art. 5 Ziff. 1 LugÜ ; selbständiger Zuständigkeitsentscheid; Abstellen auf die Behauptungen der klagenden Partei. Ist die von der klagenden Partei behauptete, aber von der Gegenpartei bestrittene Vereinbarung eines Erfüllungsortes nur relevant für den Entscheid über die Gerichtszuständigkeit und nicht für die Beurteilung der Begründetheit der Klage, so darf nicht einfach auf die Darstellung der klagenden Partei abgestellt werden, sondern es ist darüber - soweit nötig - ein Beweisverfahren durchzuführen.
Sachverhalt ab Seite 250 BGE 122 III 249 S. 250 Im April 1993 machte Frau K. beim Bezirksgericht Zürich eine Klage gegen Herrn B. anhängig, mit der sie ein Feststellungs- und ein Leistungsbegehren (Rückzahlungsforderung) stellte, die sich auf zwei dem Beklagten angeblich im Jahre 1982 gewährte Darlehen im Betrag von US$ 63'000.-- und US$ 111'750.-- bezogen. Die örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts war nach Auffassung der Klägerin gegeben, weil Zürich als Erfüllungsort zu betrachten sei und der Beklagte Wohnsitz in Rom oder London habe. Der Beklagte bestritt sowohl die örtliche Zuständigkeit des Gerichts wie auch das Bestehen von Darlehensverträgen. Er behauptete insbesondere, der Wohnsitz der Klägerin befinde sich nicht in Zürich, sondern in Italien. Mit Beschluss vom 17. Februar 1994 wies das Bezirksgericht die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit ab. Am 2. August 1994 wies das Obergericht des Kantons Zürich einen Rekurs des Beklagten ab und bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid. Diesen Entscheid focht der Beklagte mit Berufung an, die vom Bundesgericht gutgeheissen wird. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Im kantonalen Verfahren war streitig, ob die Klägerin in Zürich oder in Italien Wohnsitz habe. Bestritten war vom Beklagten zudem, dass er mit der Klägerin Darlehensverträge geschlossen und hinsichtlich der Rückzahlung Zürich als Erfüllungsort vereinbart habe. a) Ausgehend von der Anwendbarkeit des LugÜ (Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; SR 0.275.11) prüfte die Vorinstanz, ob es für die Bestimmung des Erfüllungsortes gemäss Art. 5 Ziff. 1 LugÜ genüge, auf die Sachvorbringen der Klägerin abzustellen, oder ob diese angesichts der Bestreitungen des Beklagten durch ein Beweisverfahren zu erhärten seien. Im Einklang mit den Erwägungen des Bezirksgerichts hielt die Vorinstanz fest, der Gerichtsstand bestimme sich grundsätzlich nach der Natur des eingeklagten Anspruchs. Die Zuständigkeit eines Gerichts könne nicht davon abhängen, ob der eingeklagte Anspruch auch begründet sei. Andernfalls würde der Nachweis der Zuständigkeit mit dem Beweis in der Sache selbst zusammenfallen, was nicht der Sinn der Zuständigkeitsvorschriften sein könne. Für die Zuständigkeit eines Gerichts müsse demgemäss genügen, dass BGE 122 III 249 S. 251 ein Anspruch behauptet werde, der in dessen Zuständigkeit falle, möge er sich als begründet erweisen oder nicht. Die Vorinstanz übernahm sodann die Erwägungen des Bezirksgerichts, wonach die Rückzahlung der Darlehenssummen als Bringschuld gemäss Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR am Wohnsitz der Klägerin in Zürich zu erfolgen habe. Dazu komme, dass die Parteien nach den Vorbringen der Klägerin vereinbart hätten, der Beklagte habe das Darlehen am Geschäftsdomizil des Rechtsvertreters der Klägerin in Zürich zurückzuzahlen. Nach den Darlegungen der Klägerin sei einstweilen davon auszugehen, dass der Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 LugÜ in Zürich liege. Die Frage, ob überhaupt Darlehensverträge bestünden, bilde Gegenstand der später vorzunehmenden materiellen Anspruchsprüfung. Mit der Berufung wird gerügt, die Betrachtungsweise der Vorinstanz verstosse allgemein gegen Sinn und Zweck des LugÜ sowie speziell gegen dessen Art. 5 Ziff. 1. Nach Auffassung des Beklagten hätte die Vorinstanz nicht einfach auf die bestrittenen Behauptungen der Klägerin abstellen dürfen, sondern darüber ein Beweisverfahren durchführen müssen. Diese Rüge ist im Berufungsverfahren zulässig, denn sie betrifft die Anwendung der bundesrechtlichen Normen des internationalen Zivilprozessrechts. b) Gemäss Art. 5 Ziff. 1 LugÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag Gegenstand des Verfahrens bilden. aa) Der Erfüllungsort kann durch Parteivereinbarung festgelegt werden und vermag die Zuständigkeit nach Art. 5 Ziff. 1 LugÜ zu begründen, wenn die massgebliche lex causae solche Vereinbarungen zulässt. Die Einhaltung der für die Gerichtsstandsvereinbarung in Art. 17 LugÜ vorgesehenen Form bildet dabei kein Gültigkeitserfordernis (KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, 5. Auflage, N. 22 zu Art. 5; kritisch BROGGINI, Zuständigkeit am Ort der Vertragserfüllung, in: Das Lugano-Übereinkommen, S. 127 f.). Um der Umgehung der Schutzfunktion von Art. 17 LugÜ nicht Tür und Tor zu öffnen, hat die Vereinbarung freilich auf die materiellrechtliche Begründung eines tatsächlichen Leistungsortes abzuzielen, was die klagende Partei gegebenenfalls gleich wie andere Zuständigkeitsvoraussetzungen zu beweisen hat (KROPHOLLER, a.a.O., N. 23 zu Art. 5). BGE 122 III 249 S. 252 bb) Was die für die Beweislast massgebliche Ausgangslage anbelangt, ist primär auf den vom Kläger eingeklagten Anspruch und dessen Begründung abzustellen; die diesbezüglichen Einwände der Gegenpartei sind in diesem Stadium grundsätzlich nicht zu prüfen ( BGE 119 II 66 E. 2a S. 68, BGE 91 I 121 E. 5 S. 122, BGE 66 II 179 E. 2 S. 183 f.; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, S. 106; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage, N. 4 zu § 17). Der Grundsatz, wonach das Vorliegen der Zulässigkeitstatsachen unterstellt wird, gilt indessen nur, wenn der Gerichtsstand von der Natur des eingeklagten Anspruchs abhängt, wenn sich Zulässigkeitstatsachen und Begründetheitstatsachen decken. Ist eine Tatsache doppelrelevant, das heisst sowohl für die Zulässigkeit der Klage als auch für deren Begründetheit, wird sie nur in einer einzigen Prüfungsstation untersucht, und zwar erst in der Begründetheitsstation (so die Formulierung von SCHUMANN, Internationale Zuständigkeit: Besonderheiten, Wahlfeststellungen, doppelrelevante Tatsachen, in: Beiträge zum internationalen Verfahrensrecht und zur Schiedsgerichtsbarkeit, FS Heinrich Nagel, S. 415; kritisch HARTMANN, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 54. Auflage, N. 15 zu Grundz § 253; vgl. auch BGE 121 III 495 E. 6d S. 503: betreffend Zuständigkeitsentscheid eines Schiedsgerichts). Zwar ist der von HARTMANN (a.a.O.) erhobene Einwand methodischer Unsauberkeit nicht von der Hand zu weisen. Denn es besteht die Möglichkeit, dass eine vorerst als zulässig betrachtete Klage nach Prüfung der Begründetheit für unzulässig erklärt werden muss. Indes ist der Schutz der beklagten Partei schwerer zu gewichten und ein Interessenausgleich dafür zu schaffen, dass dem Kläger unter Umständen mehrere Wahlgerichtsstände zur Verfügung stehen. Weil die beklagte Partei der Behauptung einer doppelrelevanten Tatsache ohnehin begegnen muss, sei es unter dem materiellen, sei es unter dem prozessualen Aspekt, soll sie zumindest einer zweiten identischen Klage die Einrede der abgeurteilten Sache entgegenhalten können. Darin liegt die innere Rechtfertigung des Vorrangs der materiellen Prüfung (SCHUMANN, a.a.O., S. 421 ff.). cc) Ergibt sich die Zuständigkeit nicht bereits aus den von der Klägerpartei vorgebrachten anspruchsbegründenden Tatsachen, sondern bedarf es hiezu einer zusätzlichen Sachbehauptung und stellt die Gegenpartei (auch) diese in Abrede, so ist darüber Beweis zu führen. Die Beweislast für diese besonderen kompetenzbegründenden Tatsachen trägt die Klägerpartei (ROSENBERG/SCHWAB/GOTTWALD, Zivilprozessrecht, 15. Auflage, S. 191; BGE 122 III 249 S. 253 LEUCH/MARBACH/KELLERHALS, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 4. Auflage, N. 3 der Bem. vor Art. 20, N. 2 zu Art. 193; differenzierend für Anhörung beider Parteien gleichermassen SCHWANDER, Zwei Entscheidungen zur Tragweite und zur intertemporalrechtlichen Behandlung von Zuständigkeitsvereinbarungen. IPRG 5, 196, in: AJP 1993, S. 268). Nichts anderes lässt sich aus der von der Vorinstanz zitierten Literaturstelle ableiten (GULDENER, a.a.O., S. 106). Dieser Autor hält einleitend fest, der Gerichtsstand bestimme sich vielfach nach der Natur des eingeklagten Anspruchs, und er behandelt in der Folge ausschliesslich die Frage, wie diesfalls zu verfahren sei, nicht jedoch, was beweismässig zu gelten habe, wenn die örtliche Zuständigkeit auf einer anderen Anknüpfung beruht. Eine unterschiedliche Handhabung der Beweiserhebung vor Fällung des Zuständigkeitsentscheids, je nach dem, ob die von der Klägerpartei vorgetragenen Tatsachen das Gericht zu einem Eintretens- oder Nichteintretensentscheid führen, wie sie SCHWANDER vorschlägt (a.a.O., S. 269), fällt sodann aus prozessualen Gründen ausser Betracht. Zu berücksichtigen ist, dass ein selbständiger Zwischenentscheid über die Zuständigkeit, der notwendig eine Entscheidung über die massgeblichen Tatsachen mitenthält, in Rechtskraft erwächst und mit dem Endentscheid nicht mehr angefochten werden kann ( Art. 48 Abs. 3 OG ). Überdies verbietet der Grundsatz der perpetuatio fori (vgl. zum Beispiel § 16 ZPO /ZH; KROPHOLLER, a.a.O., N. 14 vor Art. 2) eine neue Überprüfung der Zuständigkeit durch das kantonale Gericht, selbst wenn sich die Verhältnisse geändert haben sollten. Aus all diesen Gründen muss beim Vorliegen des eingangs umschriebenen Sachverhalts vor der Fällung des selbständigen Zuständigkeitsentscheids ein Beweisverfahren durchgeführt werden, das heisst, es darf nicht einfach auf die entsprechenden Behauptungen der Klägerpartei abgestellt werden. c) Die Klage auf Feststellung und Rückzahlung der Darlehen kann im vorliegenden Fall materiell entschieden werden, ohne dass es auf die Richtigkeit der Behauptung ankommt, es sei vereinbart worden, die Rückzahlung habe in Zürich zu erfolgen. Für die Frage, ob ein Zahlungsanspruch besteht, ist ein allfälliger Erfüllungsort irrelevant (vgl. dazu die Beispiele bei SCHUMANN, a.a.O., S. 416 ff., insbes. S. 418). Bei der Behauptung einer Erfüllungsortsvereinbarung handelt es sich klarerweise um eine allein mit Bezug auf die Zuständigkeit relevante Tatsache, über die nach dem Gesagten im Bestreitungsfall Beweis zu führen ist. Indem sie die Vorinstanz als richtig unterstellte, bejahte sie zu BGE 122 III 249 S. 254 Unrecht das Vorliegen eines Gerichtsstandes am Erfüllungsort nach Art. 5 Ziff. 1 LugÜ . Die Vorinstanz hat mithin eine Vorschrift des internationalen Zivilprozessrechts verletzt, was zur Gutheissung der Berufung führt und zur Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Prüfung und beweismässigen Abklärung der Frage, ob eine Vereinbarung über den Erfüllungsort, wie sie die Klägerin behauptet, abgeschlossen worden ist. In diesem Prozessstadium braucht vorläufig nicht geklärt zu werden, wo die Klägerin ihren Wohnsitz hat, denn sowohl das schweizerische wie auch das italienische, nach den Parteivorbringen als lex causae in Frage kommende Recht lassen Vereinbarungen über den Erfüllungsort zu ( Art. 74 Abs. 1 OR ; Art. 1182 CCI). Sollte indessen der Beweis über den Abschluss einer Erfüllungsortsvereinbarung scheitern, wird abzuklären sein, ob der Klägerin aufgrund von Art. 5 Ziff. 1 LugÜ in Verbindung mit Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR Zürich als Gerichtsstand des Erfüllungsortes zur Verfügung steht. Das bedingt die beweismässige Ermittlung ihres Wohnsitzes vorab, um gemäss Art. 117 Abs. 3 lit. b IPRG (SR 291) über die den Erfüllungsort bestimmende lex causae der behaupteten Darlehen und deren Zuständigkeitsregeln Klarheit zu gewinnen und alsdann die Subsumtion vornehmen zu können.
null
nan
de
1,996
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
89cc6cb8-1665-4d47-a2d6-47774bd7fc08
Urteilskopf 84 IV 84 25. Arrêt de la Cour de cassation du 27 juin 1958 dans la cause Burnat contre Pro-Auto SA et consorts.
Regeste Art. 268 BStP . Begriff des Urteils. Ist die Nichtigkeitsbeschwerde zulässig gegen eine Entscheidung, durch die das Begehren auf Anordnung vorsorglicher Massnahmen im Sinne des Art. 9 UWG abgewiesen wurde?
Sachverhalt ab Seite 84 BGE 84 IV 84 S. 84 Au mois de juin 1953, Emile Mayor, à Lausanne, obtint la représentation exclusive pour la Suisse du Redex, produit fabriqué en Angleterre. En janvier 1957, il en concéda la distribution exclusive à la maison Pro-Auto SA, à Genève. En automne de la même année, il résilia le contrat qu'il avait passé avec elle et confia la distribution du Redex à Roger Burnat, à Lausanne. Pro-Auto SA continua cependant à vendre cette marchandise. Mayor et Burnat déposèrent alors contre elle et contre le président de son conseil d'administration, sieur Bayle N'Diaye, à Genève, une plainte pénale pour concurrence déloyale. Le 2 avril 1958, le juge d'instruction de Genève, se fondant sur les art. 24, 25, 26, 108 ss. CPP gen., ordonna le séquestre d'environ 10 000 litres de Redex qui se trouvaient en main de Pro-Auto SA Le 26 avril 1958, il leva ce séquestre et condamna solidairement Pro-Auto SA et Bayle N'Diaye à verser une somme de 5000 fr. à titre de sûretés. Le 23 mai 1958, la Chambre d'accusation du canton de Genève, à laquelle Burnat avait recouru en se plaignant d'une violation des art. 9 ss. LCD, confirma l'ordonnance rendue par le juge d'instruction le 26 avril 1958, tout en élevant à 8000 fr. le montant des sûretés. BGE 84 IV 84 S. 85 Roger Burnat se pourvoit en nullité contre l'arrêt de la Chambre d'accusation. Il se plaint d'une violation de la loi fédérale du 30 septembre 1943 sur la concurrence déloyale. Erwägungen Considérant en droit: 1. En vertu de l'art. 269 PPF, le pourvoi en nullité n'est recevable que pour violation du droit fédéral. Cette exigence est remplie en l'espèce, bien que le juge d'instruction ait statué en se fondant sur les règles de la procédure cantonale (art. 24, 25, 26, 108 ss. CPP gen.). En effet, déjà dans son mémoire à la Chambre d'accusation, le recourant a soutenu que des mesures provisionnelles devaient être ordonnées en vertu des art. 9 ss. LCD et c'est de la violation de ces dispositions qu'il se plaint aujourd'hui. 2. Selon l'art. 268 PPF, le pourvoi en nullité est recevable exclusivement contre des jugements, des ordonnances de non-lieu et des prononcés pénaux émanant d'autorités administratives. L'arrêt attaqué ne rentre ni dans l'une ni dans l'autre des deux dernières catégories. Il convient d'examiner en revanche s'il constitue un jugement. D'après la jurisprudence, le jugement est une décision (de dernière instance cantonale) qui statue sur le sort même de la cause et non sur la marche de la procédure ou sur une simple question d'exécution (RO 83 IV 113; 74 IV 128 ). Il peut avoir pour objet non seulement l'acquittement ou la condamnation du prévenu mais aussi des mesures. Cependant, celles-ci ne doivent pas être simplement provisoires Il est nécessaire qu'elles concernent le sort même de la cause, comme les mesures prévues aux art. 42 à 45 ou à l'art. 91 CP (RO 80 IV 148, 70 IV 115 et 122, 68 IV 159), comme aussi la révocation du sursis (RO 68 IV 118), la conversion d'une amende en arrêts (RO 68 IV 118) ou la radiation d'une condamnation au casier judiciaire (RO 68 IV 105). Il n'est pas indispensable en revanche que le jugement mette fin à la procédure. Il peut s'agir d'un jugement BGE 84 IV 84 S. 86 incident concernant une question préjudicielle, à condition toutefois que la décision prise soit définitive et qu'il ne soit pas possible d'y revenir ultérieurement (RO 68 IV 113, 72 IV 89, 80 IV 177). De plus, le jugement incident doit lui aussi porter sur des questions intéressant le sort même de la cause, telles que la validité de la plainte, la prescription de l'action pénale ou la responsabilité de l'accusé (RO 80 IV 177, 72 IV 89). Certains auteurs paraissent donner à la notion de jugement un sens plus large et y englobent "toute décision ayant statué ... sur une requête en matière pénale dont le juge connaît" (L. COUCHEPIN, Le pourvoi en nullité au Tribunal fédéral contre les décisions rendues en matière pénale par les autorités cantonales, SJ 1942, p. 231/232; J. BOURGKNECHT, Fiches juridiques suisses no 748 p. 3). Cette opinion est cependant dépassée par la jurisprudence qui vient d'être rappelée. Elle ne saurait dès lors être retenue. D'ailleurs les auteurs qui la professent exigent aussi que la décision soit prise par le juge. 3. L'arrêt attaqué examine s'il y a lieu d'ordonner en vertu des art. 9 ss. LCD, comme l'avait demandé Burnat, le séquestre d'une certaine quantité de Redex. Il ne statue dès lors pas sur le sort même de la cause, c'est-à-dire sur le mérite de la plainte pénale pour concurrence déloyale. Il a trait à une mesure provisoire destinée uniquement à sauvegarder les prétentions éventuelles du recourant ou à lui permettre de prouver les faits qu'il allègue pour en déduire son droit. Dans la mesure où il constitue un jugement incident, il n'est pas définitif. En tout cas, le recourant ne soutient pas que le droit cantonal interdirait à l'autorité compétente d'ordonner à nouveau le séquestre. Supposé du reste que tel fût le cas, on pourrait se demander si, dans l'hypothèse où les circonstances l'exigeraient, le séquestre ne devrait pas être ordonné en vertu des règles du droit fédéral (art. 9 ss. LCD). Quoi qu'il en soit, la décision que le recourant sollicite en se fondant sur les art. 9 ss. LCD ne concerne pas une question intéressant BGE 84 IV 84 S. 87 le sort même de la cause. Or cela suffit pour qu'il soit impossible de considérer l'arrêt attaqué comme un jugement au sens de l'art. 268 PPF, d'autant plus du reste que le droit fédéral ne confie pas au juge le soin d'ordonner les mesures provisionnelles des art. 9 ss. LCD mais simplement à l'autorité compétente (art. 11 LCD). Peu importe que le recourant demande des mesures provisionnelles pour assurer l'exercice provisoire des droits litigieux prévus à l'art. 2 al. 1 litt. b et c LCD Seul en effet le jugement au fond statuera définitivement sur ces droits. Peu importe aussi qu'en vertu de l'art. 9 al. 2 LCD, celui qui requiert des mesures provisionnelles doive rendre vaisemblable qu'il est menacé d'un dommage difficilement réparable, car cette question ne concerne pas davantage le sort même de la cause. 4. On pourrait se demander, il est vrai, si, par analogie avec les règles du recours en réforme, l'arrêt attaqué devrait pourvoir faire l'objet d'un pourvoi en nullité sur la question civile. Cette question doit être résolue négativement. En effet, étant donnés l'objet et la nature de la décision prise par la Chambre d'accusation, tels qu'ils ont été définis ci-dessus, la seule règle qui entrerait en ligne de compte dans le cadre du recours en réforme serait celle de l'art. 50 OJ relative au recours contre des décisions préjudicielles ou incidentes prises séparément du fond. Or, d'après la jurisprudence, ces décisions doivent être des jugements au fond portant sur une question de droit matériel dont la solution peut être de nature à mettre fin au procès et non pas des prononcés qui, comme les simples mesures provisionnelles des art. 9 ss. LCD, n'ont pas de caractère préjudiciel par rapport au jugement final (RO 71 II 250, 81 II 398, 82 II 170; BIRCHMEIER, Handbuch, note 1 ad art. 50 OJ). D'ailleurs, conformément à l'art. 58 OJ, les mesures provisionnelles demeurent de la compétence des autorités cantonales même après que le procès a été porté devant le Tribunal fédéral. Il est sans intérêt de rechercher si l'arrêt de la Chambre BGE 84 IV 84 S. 88 d'accusation constitue une décision incidente causant un dommage irréparable au sens de l'art. 87 OJ et si le recourant aurait pu ainsi l'attaquer par la voie d'un recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst. En effet, Burnat ne fait pas valoir ce grief. Il n'y a dès lors pas lieu non plus de transmettre le dossier à la Chambre de droit public. Dispositiv Par ces motifs, la Cour de cassation pénale: Déclare le pourvoi irrecevable.
null
nan
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1,958
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
89ce1409-de38-4fc1-a8e3-e259688e32c8
Urteilskopf 110 Ia 117 25. Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Juli 1984 i.S. A.X. gegen Stadtrat von Zug und Verwaltungsgericht des Kantons Zug (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Entmündigung, psychiatrische Begutachtung, kantonales Rechtsmittelverfahren, persönliche Freiheit. 1. Art. 420 Abs. 2 ZGB , wonach gegen die Beschlüsse der Vormundschaftsbehörde bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden kann, kommt im Entmündigungsverfahren nicht zur Anwendung, selbst wenn ein Kanton die Entmündigung den vormundschaftlichen Behörden überträgt (E. 2). 2. Die Annahme, dass im Kanton Zug die Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung im Entmündigungsverfahren nicht selbständig mit Beschwerde an den Regierungsrat angefochten werden kann, ist nicht willkürlich (E. 3). 3. Es ist auch nicht willkürlich, wenn im Kanton Zug die Legitimation des Gemeinderats als Vormundschaftsbehörde zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Vormundschaftssachen bejaht wird (E. 4). 4. Die Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung im Entmündigungsverfahren gegen den Willen des Interdizenden verstösst nicht gegen die persönliche Freiheit, sofern ein hinreichender Anlass für die Eröffnung eines solchen Verfahrens bestand (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 118 BGE 110 Ia 117 S. 118 Mit Schreiben vom 29. Juli 1982 ersuchte S.X. das Vormundschaftsamt der Stadt Zug, seiner Mutter A.X. einen Vormund zu bestellen. Zur Begründung machte er geltend, diese leide seit Jahren an einer altersbedingten, fortschreitenden Arteriosklerose und könne deshalb ihre Angelegenheiten nicht mehr selber besorgen. Da sie nicht nur über ein grosses Vermögen verfüge und zudem einen erheblichen Teil des Nachlasses ihres Ehemannes als Vorerbin zu verwalten habe, sondern auch als dessen Willensvollstreckerin amte, sei sie dem Missbrauch und der Ausnützung durch Dritte preisgegeben. Mit Beschluss vom 13. Januar 1983 beauftragte der Stadtrat von Zug als Vormundschaftsbehörde den Kantonsarzt, über den Geisteszustand von A.X. ein Gutachten zu erstellen oder durch einen Facharzt erstellen zu lassen. Er wies A.X. unter Androhung von Ungehorsamsstrafe bzw. polizeilicher Vorführung an, sich für die ärztliche Untersuchung zur Verfügung zu halten. Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss wurde vom Regierungsrat des Kantons Zug als vormundschaftlicher Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 28. Juni 1983 gutgeheissen, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur ergänzenden Abklärung und Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an den Stadtrat von Zug zurückgewiesen. Gegen den Entscheid des Regierungsrats erhob der Stadtrat von Zug Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht BGE 110 Ia 117 S. 119 des Kantons Zug. Mit Entscheid vom 23. Februar 1984 hiess dieses die Beschwerde gut und stellte den Beschluss des Stadtrats vom 13. Januar 1983 wieder her. Gegen diesen Entscheid hat A.X. beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben, mit der sie dessen Aufhebung verlangt. Der Stadtrat von Zug und das Verwaltungsgericht des Kantons Zug beantragen die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach § 48 Abs. 1 EG ZGB ZG hat die Vormundschaftsbehörde, wenn ein Bevormundungsfall nach Art. 369 oder 370 ZGB eintritt, vorerst gemäss Art. 374 ZGB vorzugehen und die weiteren Erhebungen zu machen. Nach Abschluss der Untersuchung entscheidet die Vormundschaftsbehörde über die Entmündigung und teilt den Entscheid dem Betroffenen und dem Regierungsrat mit (§ 48 Abs. 3 EG ZGB). Dieser kann nach § 49 Abs. 1 EG ZGB einen Entmündigungsentscheid auf Beschwerde hin oder von Amtes wegen aufheben. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts beschränkt sich die Zuständigkeit des Regierungsrates im Sinne dieser Bestimmung auf den das Entmündigungsverfahren abschliessenden Entscheid. Ein solcher Entscheid liege jedoch nicht vor. Der Regierungsrat habe vielmehr während des Verfahrens in die Abklärungen der Vormundschaftsbehörde eingegriffen. Im Rahmen ihres allgemeinen Aufsichtsrechts schreite die Aufsichtsbehörde aber nur ein, wenn die zuständige Behörde willkürlich handle oder die pflichtgemässe Sorgfalt verletze. Ein solcher Vorwurf könne der Vormundschaftsbehörde nicht gemacht werden, wenn sie im Rahmen des Entmündigungsverfahrens zunächst den ärztlichen Bericht einholte. Der Regierungsrat habe daher keinen Anlass gehabt, aufsichtsrechtlich in das laufende Verfahren einzugreifen. 2. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Auslegung der §§ 48 und 49 EG ZGB ZG bundesrechtliche Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit der Behörden verletzt, was mit staatsrechtlicher Beschwerde im Sinne von Art. 84 lit. d OG gerügt werden könne. Nach Art. 420 Abs. 2 ZGB könne nämlich nicht nur gegen verfahrensabschliessende Entscheide, sondern gegen sämtliche Beschlüsse der Vormundschaftsbehörde bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden. Diese Bestimmung BGE 110 Ia 117 S. 120 kommt indessen im Entmündigungsverfahren gar nicht zur Anwendung (SCHNYDER/MURER, N. 193 zu Art. 373 ZGB ). Art. 373 Abs. 1 ZGB überlässt die Regelung des Entmündigungsverfahrens den Kantonen. Insbesondere sind diese in der Ausgestaltung des Instanzenzugs frei, und zwar gilt dies auch dann, wenn ein Kanton den Entscheid über die Entmündigung den vormundschaftlichen Behörden überträgt ( BGE 85 II 282 /283, BGE 82 II 207 /208; SCHNYDER/MURER, N. 163 ff. zu Art. 373 ZGB ). Es fehlt daher zum vornherein an einer bundesrechtlichen Zuständigkeitsvorschrift, die das Verwaltungsgericht verletzt haben könnte, weshalb in diesem Punkt auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. 3. Das Bundesgericht kann somit nur prüfen, ob das Verwaltungsgericht die Zuständigkeitsvorschriften des kantonalen Rechts in willkürlicher Weise angewandt habe. Die - übrigens nicht näher begründete - Rüge der Verletzung der Garantie des verfassungsmässigen Richters hat daneben keine selbständige Bedeutung, da das Bundesgericht das kantonale Recht in diesem Zusammenhang ohnehin nur auf Willkür überprüfen kann ( BGE 107 Ia 47 ). Willkür kann dem Verwaltungsgericht indessen nicht zur Last gelegt werden, wenn es die Beschwerde gegen den Beschluss des Stadtrats ausschloss. Wenn der Regierungsrat gemäss § 49 Abs. 1 EG ZGB ZG von Amtes wegen, d.h. unabhängig von einer entsprechenden Beschwerde des Betroffenen, einen Entmündigungsentscheid überprüfen kann, so folgt daraus keineswegs zwingend, dass er auch befugt sei, auf Beschwerde hin in das vor der Vormundschaftsbehörde hängige Verfahren einzugreifen. Inwiefern das Verwaltungsgericht gegen eine diesbezüglich eindeutige und klare kantonale Zuständigkeitsregel verstossen haben soll, wird von der Beschwerdeführerin nicht näher dargetan und ist auch nicht ersichtlich. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass prozessleitende Anordnungen im allgemeinen nicht gesondert mit Verwaltungsbeschwerde angefochten werden können, lässt sich mit sachlichen Gründen vertreten und ist daher nicht willkürlich. Auch hinsichtlich der eigenen Zuständigkeit ist das Verwaltungsgericht nicht in Willkür verfallen. Die Beschwerdeführerin übersieht auch hier, dass die Bestimmungen über die Beschwerde an die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde im Entmündigungsverfahren nicht anwendbar sind. Es ist daher ohne Belang, ob es im Kanton Zug eine obere Aufsichtsbehörde im Sinne von Art. 361 Abs. 2 ZGB gibt oder nicht. BGE 110 Ia 117 S. 121 4. Die Beschwerdeführerin rügt ferner, das Verwaltungsgericht habe die Legitimation des Stadtrats zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde in willkürlicher Weise bejaht. Nach § 62 in Verbindung mit § 41 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 1. April 1976 steht das Beschwerderecht zur Wahrung öffentlicher Interessen unter anderem auch den Gemeinderäten zu. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegt auf der Hand, dass die Vormundschaftsbehörde im Entmündigungsverfahren öffentliche Interessen wahrzunehmen hat, ob sie nun als Antragstellerin oder als selbst verfügende Instanz auftritt. Die Entmündigung betrifft nicht nur den Betroffenen selber, sondern auch die Öffentlichkeit, namentlich den Rechtsverkehr. Aber auch dort, wo es um den Schutz des Betroffenen selber geht, handelt die zuständige Behörde offensichtlich nicht im eigenen, privaten Interesse, ist sie doch von Gesetzes wegen beauftragt, immer dann eine Entmündigung auszusprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Die Vormundschaftsbehörde ist sodann auch daran interessiert, dass sie das Entmündigungsverfahren in der vom kantonalen Recht vorgeschriebenen Weise durchführen kann. Wenn die Beschwerdeführerin geltend macht, es fehle im vorliegenden Fall an einem öffentlichen Interesse an ihrer Entmündigung, so wird dies im Entscheid in der Sache selbst zu prüfen sein und hat mit der Beschwerdebefugnis des Stadtrats nichts zu tun. Die Legitimation eines Beteiligten zur Erhebung eines Rechtsmittels kann logischerweise nicht vom Ausgang des Verfahrens abhängig gemacht werden. Von Willkür kann daher auch in diesem Punkt nicht die Rede sein. 5. Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, die angeordnete Begutachtung verstosse gegen das Recht der persönlichen Freiheit und sei zudem unverhältnismässig. Wie das Bundesgericht bereits in seinem nicht veröffentlichten Entscheid vom 13. Juli 1983 in Sachen der Beschwerdeführerin gegen C.X. dargelegt hat, greift die Verpflichtung, sich für eine psychiatrische Begutachtung zur Verfügung zu halten, zwar in die persönliche Freiheit ein, doch ist der Eingriff nicht als schwer zu betrachten, weshalb die Anwendung des kantonalen Rechts in diesem Zusammenhang nur auf Willkür überprüft werden kann ( BGE 107 Ia 140 E. 4a, mit Hinweisen). Nach Art. 374 Abs. 2 ZGB darf eine Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche nur nach Einholung des Gutachtens von Sachverständigen erfolgen. Es versteht sich von selbst, dass die Begutachtung auch gegen den BGE 110 Ia 117 S. 122 Willen des Interdizenden zulässig sein muss. Unter Umständen kann sogar eine kurzfristige Anstaltseinweisung nötig sein, ohne dass darin eine Verletzung der persönlichen Freiheit erblickt werden könnte (vgl. BGE 106 Ia 37 zu Art. 406 ZGB ; SCHNYDER/MURER, N. 120 zu Art. 374 ZGB ). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus § 48 Abs. 1 EG ZGB ZG nicht zwingend, dass die Vormundschaftsbehörde das psychiatrische Gutachten erst einholen darf, nachdem sie die sozialen Voraussetzungen einer Entmündigung nach Art. 369 ZGB abgeklärt hat. Im Gegenteil durfte das Verwaltungsgericht ohne jede Willkür annehmen, es liege im Ermessen der Vormundschaftsbehörde, in welcher Reihenfolge sie die erforderlichen Abklärungen treffen wolle. Voraussetzung für eine Begutachtung ist freilich, dass überhaupt ein hinreichender Anlass für die Eröffnung eines Entmündigungsverfahrens bestand. Das durfte der Stadtrat jedoch aufgrund der Anzeige und vor allem aufgrund der Feststellungen des Präsidenten und des Sekretärs des Vormundschaftsamtes anlässlich des Besuchs bei der Beschwerdeführerin bejahen. Im übrigen verkennt die Beschwerdeführerin, dass es nicht nur um ihre wirtschaftlichen Verhältnisse geht, sondern insbesondere um ihre persönliche Fürsorgebedürftigkeit und die Fähigkeit der Besorgung der eigenen Angelegenheiten. Gerade darüber kann aber möglicherweise das Gutachten Auskunft geben, hat doch der Gutachter auch festzustellen, welches die Auswirkungen der allfälligen Geisteskrankheit bzw. Geistesschwäche auf die Lebensführung des Betroffenen sind (SCHNYDER/MURER, N. 112 zu Art. 374 ZGB ). Ist die Begutachtung bei der Entmündigung nach Art. 369 ZGB gesetzlich vorgeschrieben, so kann diese Massnahme auch nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Was schliesslich die angebliche Gefährlichkeit der Begutachtung anbetrifft, durfte das Verwaltungsgericht ohne weiteres davon ausgehen, vom Kantonsarzt könne ein nach den Regeln der ärztlichen Kunst gebotenes, schonendes Vorgehen erwartet werden. Der allgemeine Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Gefahren von erzwungenen medizinischen Massnahmen bei einer im neunten Lebensjahrzehnt stehenden Frau genügt nicht, um diese Annahme als willkürlich erscheinen zu lassen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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nan
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1,984
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Federation
89de71a7-d2b2-4e3d-badc-b0ef74978a77
Urteilskopf 87 I 515 82. Auszug aus dem Urteil vom 13. Dezember 1961 i.S. Kipfer und Mitbeteiligte gegen Gemeinde Bremgarten und Regierungsrat des Kantons Bern.
Regeste Eigentumsgarantie, Art. 4 BV . Wann liegt ein "schönes Landschaftsbild" im Sinne kantonaler Natur- und Heimatschutzvorschriften vor?
Sachverhalt ab Seite 515 BGE 87 I 515 S. 515 Aus dem Tatbestand: Das Gesetz über die Bauvorschriften (BVG) des Kantons Bern vom 26. Januar 1958 ermächtigt in Art. 5 Ziff. 5 die Gemeinden, unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Regierungsrat Vorschriften aufzustellen über "die Verhütung von wesentlichen Beeinträchtigungen schöner oder geschichtlich wertvoller Landschafts-, Orts- und Strassenbilder ...". Unter Berufung auf diese Gesetzesbestimmung und weitere Normen des kantonalen Rechts hat die Gemeindeversammlung von Bremgarten bei Bern am 3. Juni 1959 "Schutzvorschriften" angenommen, die das Hanggebiet vom Hostalenweg über dem Dorfteil Stuckishaus im Westen bis zur Flur Birchi an der Grenze der Gemeinde BGE 87 I 515 S. 516 Zollikofen im Osten betreffen. Die "Schutzvorschriften" lassen die Zuteilung des Hanges zu den einzelnen Zonen des Bauklassenplanes unberührt. Sie schränken die Benutzbarkeit des Landes indes insofern ein, als sie jede Ausbeutung von Kies und Sand untersagen und sie auch alle andern Abgrabungen und Ausfüllungen verbieten, die das Landschaftsbild wesentlich beeinträchtigen würden. Grössere Baumgruppen, Feldgehölze, Lebhecken und Wälder dürfen nur mit Zustimmung des Gemeinderats abgeholzt werden. Von diesen Verboten sind zwei Parzellen ausgenommen, auf denen weiterhin, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, Kies und Sand gewonnen werden darf. Der Regierungsrat des Kantons Bern hat am 15. Januar 1960 die "Schutzvorschriften" in den erwähnten Punkten genehmigt. Eine Anzahl Grundeigentümer, die über Land im betreffenden Gebiet verfügen, erhoben gegen diesen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV und der Eigentumsgarantie. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: Die Beschwerdeführer wenden ein, nach Sinn und Zweck des Gesetzes sei der in Art. 5 Ziff. 5 BVG verwendete Ausdruck "schön" einschränkend auszulegen, könnte doch andernfalls das ganze Kantonsgebiet unter Schutz gestellt werden. Das Gesetz wolle vielmehr lediglich die Grundlage für die Sicherung von Landschaftsbildern mit besonderem Schönheitswert schaffen. Einen solchen weise das in Frage stehende Hanggebiet nicht auf. Die "Schutzvorschriften" liessen sich deshalb nicht auf Art. 5 Ziff. 5 BVG stützen. Richtig ist, dass der unbestimmte Begriff des "schönen Landschaftsbildes" erst im Lichte der Zwecksetzung dieser Bestimmung Umrisse gewinnt. Unter den vielen an sich ansprechenden Landschaftsbildern können nur jene als "schön" geschützt werden, die infolge ihrer besonderen Vorzüge diesen Schutz verdienen. Ob das der Fall sei, BGE 87 I 515 S. 517 hängt von Umständen verschiedener Art ab. Eine Landschaft lässt sich in der Regel nicht ohne Eingriffe in die Rechte Privater schützen. Dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung eines Landschaftsbildes sind diese privaten Interessen gegenüberzustellen. An die Schutzwürdigkeit ist daher ein umso strengerer Massstab anzulegen, je stärker die Schutzvorschriften in die Belange Privater eingreifen. Zu berücksichtigen ist auch, dass ein Landschaftsbild nicht so sehr um seiner selber, als um der Betrachter willen geschützt wird. Ein Schutz drängt sich deshalb umso eher auf, je grösser das Bedürfnis der Bevölkerung nach Erhaltung der Naturschönheiten ist. Dieses Bedürfnis aber wächst mit der Verstädterung. So kann in der Umgebung grosser Siedlungen ein Landschaftsbild als schutzwürdig erscheinen, das in abgelegenen Gegenden kaum besondere Beachtung fände (vgl. Urteil vom 1. November 1961 i.S. Messerli, Erw. 3 a). Bei Abwägung dieser Umstände dürfen die kantonalen Behörden sich nicht auf ihr subjektives Empfinden verlassen; sie haben ihrer Entscheidung vielmehr objektive und grundsätzliche Kriterien zugrunde zu legen. Auch so steht ihrem Ermessen jedoch ein weiter Spielraum zu. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn die kantonalen Instanzen den Rahmen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben (vgl. BGE 82 I 108 mit Verweisungen). Wie sich aus den bei den Akten befindlichen Aufnahmen ergibt, entbehrt der unter die "Schutzvorschriften" fallende Hang, für sich allein betrachtet, jedes besonderen Reizes. Es ist indes nicht zu übersehen, dass der Hang ein wesentliches Element im Landschaftsbild des Aaretales bildet. Unterhalb Berns fliesst die Aare in grossen Schlaufen, die sich um teils bewaldete Halbinseln legen, dem Stausee Wohlen zu. Das tief eingeschnittene Flusstal wird von verhältnismässig steil abfallenden Hängen, den "Halen" gesäumt. Mit den Flusswindungen und den Wäldern geben die "Halen" der Landschaft das Gepräge. Da die Hänge von weither sichtbar sind, wirken daran BGE 87 I 515 S. 518 vorgenommene Veränderungen besonders stark auf das Landschaftsbild ein. So erweist sich die bestehende Kiesgrube unterhalb des Burgachers unbestreitbar als Verunstaltung. Würden auch auf den Hang-Grundstücken der Beschwerdeführer, die heute noch landwirtschaftlich genutzt werden, Kies- und Sandgruben eröffnet, so käme die Siedelung Bremgarten-Stuckishaus auf Jahrzehnte hinaus an den Fuss kahler Molassewände zu liegen, die das Bild der ganzen Gegend beherrschen würden. Ein wertvolles Siedelungsgebiet der ständig sich ausdehnenden Stadt Bern würde dadurch seine Eigenart und seinen heute noch unzweifelhaft vorhandenen Reiz verlieren. Da das Landschaftsbild des Aaretales als Ganzes mit beachtlichen Gründen als "schön" bezeichnet werden kann, lassen sich die auf die Erhaltung eines wesentlichen Bestandteils desselben gerichteten "Schutzvorschriften" ohne Willkür auf Art. 5 Ziff. 5 BVG stützen. Einem Erlass aber, der auf diese Weise dem Heimatschutz dient, kann auch das öffentliche Interesse nicht abgesprochen werden.
public_law
nan
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1,961
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
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89dedc29-055b-4cd4-9e04-b97fd3669444
Urteilskopf 96 I 560 88. Urteil vom 16. September 1970 i.S. Genossenschaft Migros St. Gallen und Genossenschaft Migros Schaffhausen gegen Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau sowie Kantone Thurgau, Schaffhausen und St. Gallen.
Regeste Kantonale Minimalsteuer auf den Bruttoeinnahmen der juristischen Personen. Rechtsgleichheit, Handels- und Gewerbefreiheit, Doppelbesteuerung, Verhältnis zur eidg. Warenumsatzsteuer. 1. Eine Minimalsteuer, die auf den Bruttoeinnahmen oder dem Umsatz berechnet und von den sog. "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen erhoben wird, ist im Rahmen eines auf dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beruhenden Steuergesetzes zulässig und verstösst an sich weder gegen Art. 4 noch 31 BV (Erw. 3). 2. Mit Art. 4 (und 31) BV vereinbar ist es, - dass die Minimalsteuer nur von den juristischen Personen zu entrichten ist (Erw. 4 a), - dass die Steuer nur auf den einen gewissen Betrag übersteigenden Bruttoeinnahmen berechnet wird (Erw. 4 c), - dass der Steuersatz für alle Branchen des Detailhandels gleich und überdies höher als derjenige für Engroshandels- und Fabrikationsunternehmungen ist (Erw. 4 f), - dass der Steuersatz 0,75 Promille beträgt (Erw. 4 e), - nicht dagegen, dass der Steuersatz progressiv. d.h. auf den einen bestimmten Betrag übersteigenden Bruttoeinnahmen höher ist (Erw. 4 d). 3. Die Minimalsteuer verletzt die Steuerhoheit des Bundes ( Art. 41ter Abs. 2 lit. a BV) nicht (Erw. 5) und verstösst dann nicht gegen Art. 46 Abs. 2 BV , wenn sie bei einer Betriebsstätte nicht auf dem ganzen im Kanton erzielten, sondern nur auf dem um den Vorausanteil des Sitzkantons gekürzten Umsatz berechnet wird (Erw. 6).
Sachverhalt ab Seite 562 BGE 96 I 560 S. 562 A.- Der Kanton Thurgau erliess am 27. September 1964 ein neues Steuergesetz (StG), das am 1. Januar 1965 in Kraft trat. Die juristischen Personen bezahlen danach eine Ertrags- und eine Kapitalsteuer (§ 1 und §§ 47 ff.). Der Begriff des steuerbaren Ertrags ist für alle juristischen Personen der gleiche (§§ 48, 49); als steuerbares Kapital gelten bei den Kapitalgesellschaften das einbezahlte Grundkapital und die als Ertrag versteuerten Reserven, bei den Genossenschaften und den übrigen juristischen Personen das Reinvermögen (§ 50). Die Ertragssteuer beträgt bei den Kapitalgesellschaften je nach der Ertragsintensität 3-8 Promille (§ 51 Abs. 1), bei den Genossenschaften einheitlich 4% des steuerbaren Ertrages (§ 54), die Kapitalsteuer sowohl bei den Kapitalgesellschaften wie bei den Genossenschaften 11/2 Promille für ein steuerbares Kapital bis zu Fr. 500'000.-- und 2 Promille für den Mehrbetrag (§ 51 Abs. 2 und § 54). Die übrigen juristischen Personen werden nach dem für natürliche Personen geltenden Steuersatz besteuert (§ 55). Neben dieser im wesentlichen der bisherigen entsprechenden Ordnung sieht das StG für juristische Personen erstmals Minimalsteuern von den Bruttoeinnahmen und vom Grundeigentum vor. Die Bestimmungen über die erstere lauten: "§ 57. Minimalsteuer von den Bruttoeinnahmen. Die juristischen Personen, die ein Unternehmen betreiben, haben eine Minimalsteuer auf den Bruttoeinnahmen zu entrichten. Die Steuer tritt an die Stelle der Ertrags- und Kapitalsteuer und ist zu entrichten, wenn sie die auf dem Ertrag und dem Kapital geschuldete Steuer übersteigt. § 58. Bruttoeinnahmen. Die Bruttoeinnahmen umfassen alle Einnahmen aus der Tätigkeit BGE 96 I 560 S. 563 der Gesellschaft mit Einschluss der Kapitalerträge, unter Vorbehalt der folgenden Bestimmungen: a) Skonti, Rabatte und Rückvergütungen sind von den Bruttoeinnahmen abzurechnen; b) bei den Banken gelten insbesondere die Erträge aus Aktivzinsen, die Kommissionen und die Erträge aus Wechseln und Wertschriften als Bruttoeinnahmen; c) bei den Lebensversicherungsgesellschaften sind die Prämien lediglich zur Hälfte als Bruttoeinnahmen anzurechnen; d) Beteiligungserträge gelten nicht als Bruttoeinnahmen. Die Bruttoeinnahmen werden für die Berechnung der Minimalsteuer mit dem Fr. 500'000.-- übersteigenden Betrag berücksichtigt. § 59. Steuersatz. Die Minimalsteuer beträgt a) 0,75 Promille für die steuerbaren Bruttoeinnahmen des Detailhandels bis zu Fr. 2'000,000.-- und 1,5 Promille für den Mehrbetrag; b) 0,3 Promille auf allen übrigen Einnahmen. Nach § 61 StG haben die juristischen Personen ferner eine Minimalsteuer von dem im Kanton gelegenen Grundeigentum zu entrichten, die 0,75 Promille des Steuerwertes beträgt und erhoben wird, sofern sie die Steuer vom Kapital und Ertrag oder die Minimalsteuer von den Bruttoeinnahmen übersteigt (vgl. dazu BGE 96 I 64 ff.). B.- Die Genossenschaft Migros St. Gallen in St. Gallen (Migros-SG) und die Genossenschaft Migros Schaffhausen in Schaffhausen (Migros-SH, seither fusioniert mit der Genossenschaft Migros Winterthur) betreiben im Kanton Thurgau acht Verkaufsläden, welche Betriebsstätten im Sinne des interkantonalen Doppelbesteuerungsrechts bilden. Die Migros-SG erzielte im Jahre 1964 einen steuerbaren Gesamtertrag von Fr. 2'138,822, wovon nach Abzug eines Vorausanteils von 20 % für den Sitzkanton Fr. 323'561.-- auf den Kanton Thurgau entfielen. Der Anteil des Kantons Thurgau am steuerbaren Gesamtkapital von Fr. 4'971,700.-- betrug per 31. Dezember 1964 Fr. 1'314,000.--. Aufgrund dieser Faktoren hätte die von der Migros-SG im Kanton Thurgau zu entrichtende einfache Staatssteuer Fr. 15'504.30 betragen, während die Bruttoeinnahmen ihrer 7 Verkaufsläden von zusammen Fr. 27'806,893.-- eine Minimalsteuer von 1'41908 Promille = Fr. 39'460.35 ergaben. Die kantonale Steuerverwaltung verpflichtete sie deshalb für 1965 zur Entrichtung der Minimalsteuer, die mit Einschluss der Zuschläge und der Gemeindesteuer BGE 96 I 560 S. 564 Fr. 131'118.55 ausmachte gegenüber der ordentlichen Steuer von Fr. 51'355.80. Bei der Migros-SH hätte die ordentliche Steuer Fr. 124.30, mit Zuschlägen und Gemeindesteuer Fr. 493.10 betragen. Statt dessen wurde von ihr eine Minimalsteuer von Fr. 601.45 bzw. Fr. 2'374.55 verlangt. Die Migros-SG und die Migros-SH erhoben gegen diese Veranlagungen gemeinsam Einsprache, wurden aber mit Entscheid vom 2. September 1966 abgewiesen. Hiegegen beschwerten sie sich bei der kantonalen Steuerrekurskommission (StRK), indem sie geltend machten, die Minimalsteuer gemäss § § 57 ff. StG verstosse gegen Art. 4 und 31 BV und verletze insofern Bundesrecht, als sie auf eine Erhöhung der Warenumsatzsteuer hinauslaufe. Die StRK wies die Beschwerde mit Entscheid vom 23. Oktober 1967 ab. In den Erwägungen dieses Entscheides wird ausgeführt, dass mit der Minimalsteuer juristische Personen erfasst würden, die nicht danach streben, einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. Bei diesen "nichtgewinnstrebigen" Unternehmen werde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weder durch den ausgewiesenen Reinertrag noch durch das Eigenkapital hinreichend zum Ausdruck gebracht und komme man den tatsächlichen Verhältnissen näher, wenn man auf den Umsatz als Ersatz-Anknüpfungsfaktor abstelle. Die Minimalsteuer auf den Bruttoeinnahmen und ihre Ausgestaltung im thurgauischen StG verstosse weder gegen Art. 4 noch gegen Art. 31 BV und sei auch nicht bundesrechtswidrig. C.- Gegen diesen Entscheid der StRK haben die Migros-SG und die Migros-SH staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, ihn und die ihm zugrunde liegenden Veranlagungsverfügungen aufzuheben. Sie machen Verletzung der Art. 4, 31, 41ter Abs. 2 lit. a und 46 Abs. 2 BV geltend, verweisen auf das in ASA 34 (1965/66) S. 1 ff. abgedruckte Gutachten von Prof. I. BLUMENSTEIN und erheben folgende Rügen: a) Die Minimalsteuer auf den Bruttoeinnahmen verstosse gegen Art. 4 BV , weil der Umsatz kein Kriterium der für die Besteuerung massgebenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein könne. b) Die Ausgestaltung der thurg. Minimalsteuer verstosse gegen Art. 4 und 31 BV - weil die hohe Freigrenze von Fr. 500'000.-- und die massive BGE 96 I 560 S. 565 Progression sich nur mit verfassungswidrigen gewerbepolitischen Gründen rechtfertigen lasse, - weil Grossunternehmen des Detailhandels fünfmal stärker belastet würden als die übrigen Unternehmen mit gleich hohem Umsatz und es an einer differenzierten Behandlung der verschiedenen Branchen des Detailhandels fehle, - weil die Minimalsteuer nur juristische, nicht aber natürliche Personen treffe. c) Die Minimalsteuer verstosse gegen Art. 41ter Abs. 2 lit. a BV . d) Schliesslich verletze der angefochtene Entscheid Art. 46 Abs. 2 BV . Die nähere Begründung dieser Rügen ergibt sich, soweit notwendig, aus den nachstehenden Erwägungen. D.- Der Regierungsrat und die StRK des Kantons Thurgau beantragen, die angefochtenen Veranlagungen seien dahin zu korrigieren, dass lediglich 80% des im Kanton Thurgau erzielten Bruttoumsatzes der Steuerberechnung zugrunde gelegt werde; im übrigen sei die Beschwerde abzuweisen. E.- Die Steuerverwaltung des Kantons St. Gallen ist der Auffassung, dass die Doppelbesteuerung durch die von den thurgauischen Behörden vorgeschlagene Korrektur der Veranlagung beseitigt werde. Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen hat sich nicht vernehmen lassen. F.- Auf Ersuchen des Instruktionsrichters hat die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau dem Bundesgericht nähere Angaben gemacht über die unter die Minimalsteuer fallenden und die nicht darunter fallenden juristischen Personen sowie über die Auswirkungen, welche die Herabsetzung der Freigrenze oder die Beseitigung der Progression hätte. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Entscheid der StRK vom 23. Oktober 1967 ist ein letztinstanzlicher Entscheid, der die Staatssteuerveranlagungen der Beschwerdeführerinnen für das Jahr 1965 geschützt und das Veranlagungsverfahren abgeschlossen hat. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Art. 4, 31 und 46 Abs. 2 BV ist daher aus dem Gesichtspunkt der Art. 86 Abs. 2 und Art. 87 OG zulässig. Sie wäre es übrigens auch, wenn es sich beim angefochtenen Entscheid um einen Zwischenentscheid im BGE 96 I 560 S. 566 Sinne des Art. 87 OG handeln würde, da die dort vorgesehene Beschränkung nicht gilt für Beschwerden, mit denen, wie mit der vorliegenden, neben der Verletzung des Art. 4 BV noch andere Rügen erhoben werden, auf welche einzutreten ist ( BGE 95 I 443 E. 1). Mit der Berufung auf Art. 41 Abs. 1 lit. a BV wird dem Kanton Thurgau ein Übergriff in die Steuerhoheit des Bundes vorgeworfen. Das ist nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde, sondern mit verwaltungsrechtlicher Klage gemäss Art. 111 lit. a OG (heute: 116 lit. f rev. OG) geltend zu machen. Eine solche Klage kann jedoch mit der staatsrechtlichen Beschwerde in einer einzigen Eingabe vereinigt werden, weshalb die vorliegende Eingabe auch als verwaltungsrechtliche Klage entgegenzunehmen ist ( BGE 81 I 185 E. 5 a mit Verweisungen, BGE 94 I 275 E. 1). 2. Die Beschwerdeführerinnen bestreiten die Verfassungsmässigkeit der § § 57 ff. StG , auf die sich der angefochtene Entscheid stützt. Diese Rüge ist zulässig. Jene Bestimmungen können zwar, da die Frist zur Anfechtung des StG abgelaufen ist ( Art. 89 OG ), vom Bundesgericht nicht mehr aufgehoben werden. Dagegen können die Beschwerdeführerinnen ihre Verfassungswidrigkeit noch im Anschluss an die gestützt darauf ergangenen Veranlagungsverfügungen geltend machen ( BGE 95 I 4 E. 2 und 371 E. 3 mit Hinweisen auf frühere Urteile). Doch sind sie hiezu nur insoweit legitimiert, als die Bestimmungen auf sie angewendet worden sind oder hätten angewendet werden sollen (vgl. BGE 90 I 79 E. 1 und 91 E. 1). 3. Die Beschwerde macht in erster Linie geltend, dass eine Minimalsteuer auf den Bruttoeinnahmen oder dem Umsatz als solche, unabhängig von ihrer Ausgestaltung, gegen Art. 4 und 31 BV verstosse, weil der Umsatz kein Kriterium der nach heutiger Auffassung für die Besteuerung allein massgebenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein könne und die Steuer gewerbepolitische Zwecke verfolge. a) Art. 4 BV bindet auch den Gesetzgeber. Ausser den Schranken, die sich aus Art. 46 Abs. 2 BV , aus dem übrigen Verfassungsrecht und aus dem Bundesrecht ergeben, hat deshalb der kantonale Steuergesetzgeber das Gleichheitsprinzip nach Art. 4 BV und das darin enthaltene Willkürverbot zu beachten. Gegen diese verfassungsmässigen Grundsätze verstösst ein Steuergesetz nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, wenn es sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt, BGE 96 I 560 S. 567 sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist. Innerhalb dieses Rahmens verbleibt den Kantonen ein weiter Spielraum der (bisher ungenau als Ermessen bezeichneten) Gestaltungsfreiheit; aus Art. 4 BV lässt sich nicht eine bestimmte Methode der Besteuerung ableiten ( BGE 91 I 84 E. 2 und dort angeführte frühere Urteile, BGE 92 I 442 E. 3, BGE 96 I 66 E. 2). Dass die streitige Minimalsteuer sinn- und zwecklos sei, behaupten die Beschwerdeführerinnen mit Recht nicht, da die Steuer zur Deckung des staatlichen und gemeindlichen Finanzbedarfs dient und ihr Sinn aus den Gesetzesmaterialien klar hervorgeht. Fraglich kann nur sein, ob sich die angefochtene Ordnung auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt und insbesondere, ob durch sie rechtliche Unterscheidungen getroffen werden, für die ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht zu finden ist. Die Frage, ob ein Steuergesetz diesen Anforderungen genügt, kann nicht aufgrund formaler Kriterien entschieden werden und fällt letztlich zusammen mit der Frage, ob das Gesetz gerecht sei, d.h. mit der Frage des "richtigen Rechts" (vgl. BURCKHARDT, Komm. der BV S. 30/31; E. BLUMENSTEIN, Die Minimalsteuer des Kantons Glarus ASA 3 S. 58/9; FAVRE, Droit constitutionnel suisse 2. Aufl. S. 260/62). Die Gerechtigkeit aber lässt sich nicht näher umschreiben. Sie ist jedenfalls ein relativer Begriff, der sich mit den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen wandelt. Das gilt insbesondere auch, soweit es um die Verteilung der Steuerlasten und um die Ausgestaltung der Steuern geht. Hiefür lassen sich in der Regel aus dem in Art. 4 BV enthaltenen Gleichheitssatz nur ganz allgemeine Gesichtspunkte und Richtlinien gewinnen. b) Alle neuern Gesetze über die direkten Steuern beruhen auf dem Gedanken der Besteuerung der natürlichen und juristischen Personen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Als Massstab derselben gelten bei den natürlichen Personen das Reineinkommen und das Reinvermögen, bei den juristischen Personen im allgemeinen der Reingewinn und das Kapital nebst den Reserven. Ob es angehe, im Rahmen eines Gesetzes, nach dem diese Faktoren die Objekte der direkten Steuern bilden, an ihrer Stelle bei gewissen Steuersubjekten und unter bestimmten Voraussetzungen den in einem Geschäftsbetrieb erzielten Umsatz, die mit diesem erzielten Bruttoeinnahmen zu besteuern, BGE 96 I 560 S. 568 hatte das Bundesgericht, soweit ersichtlich, einzig in BGE 61 I 321 ff. zu beurteilen. Es ging dort um die Glarner Minimalsteuer, die von allen den Detailhandel "mit Bedarfsartikeln des täglichen Gebrauchs" betreibenden "Unternehmungen" mit einem Umsatz von über Fr. 100'000.-- zu entrichten war nach einem mit der Höhe des Umsatzes steigenden progressiven Satz von 0,6 bis 1,5%. Das Bundesgericht hat angenommen, diese Minimalsteuer verstosse gegen die Art. 4 und 31 BV . Dabei führte es in den Erwägungen unter anderem aus, es liege "auf der Hand, dass eine Besteuerung nach Massgabe des Umsatzes unmöglich eine Belastung des Pflichtigen nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bedeuten kann" (S. 327). Von dieser absoluten Formulierung, auf die sich die Beschwerde mit Nachdruck beruft, ist das Bundesgericht indessen schon in BGE 92 I 439 ff. abgerückt, indem es erklärte, an der in BGE 61 I 324 ff. zum Ausdruck kommenden "Auffassung, eine nur eine kleine Gruppe von Steuerpflichtigen treffende Minimalsteuer... auf dem Umsatz habe innerhalb eines im übrigen auf dem System der Reineinkommens- und Reinvermögenssteuer aufgebauten Steuergesetz auf keinen Fall Platz und verstosse stets gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit", könne nicht festgehalten werden (S. 448). Da es in diesem Entscheid um die vom Kanton Thurgau ebenfalls eingeführte Minimalsteuer auf dem Grundeigentum ging, war (wie auf S. 445 bemerkt) nicht zu prüfen, inwieweit die in diesem und andern Kantonen (Waadt, Wallis) bestehenden Minimalsteuern auf dem Umsatz mit Art. 4 BV vereinbar seien. Diese Frage ist nun für die in den §§ 57-60 des thurg. StG enthaltene Ordnung zu entscheiden. c) Dabei ist zunächst festzustellen, dass die tatsächlichen Verhältnisse, die in letzter Zeit Anlass zur Einführung von Minimalsteuern auf dem Umsatz gaben, ganz andere waren als bei der in BGE 61 I 321 ff. beurteilten Glarner Minimalsteuer, und dass sich auch die Anschauungen über die Zulässigkeit von Minimalsteuern seit jenem Urteil geändert haben. Die Glarner Minimalsteuer war offensichtlich eine gewerbepolitische Massnahme, die in der damaligen schweren Wirtschaftskrise ergriffen wurde; sie verfolgte den Zweck, die durch diese Krise stark betroffenen mittelständischen Kleinbetriebe des Detailhandels vor der Konkurrenz der Grossunternehmen zu schützen; sie war so ausgestaltet, dass sie bei diesen Grossunternehmen in der Regel an die Stelle der ordentlichen Steuer trat. Die heute in BGE 96 I 560 S. 569 mehreren Kantonen zu findenden Minimalsteuern auf dem Umsatz und/oder auf dem Grundeigentum wurden eingeführt im Verlaufe einer nun schon mehr als 20 Jahre dauernden Wirtschaftskonjunktur; sie bezwecken in erster Linie eine gerechte steuerliche Belastung einer in dieser Zeit immer häufiger gewordenen Erscheinung, der sogenannten "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen. Darunter versteht man Unternehmungen, die als juristische Personen (Aktiengesellschaften oder Genossenschaften) organisiert sind, aus bestimmten Gründen ihre Ertragsfähigkeit nicht voll ausschöpfen und meist auch ein im Verhältnis zu ihren Aktiven sehr kleines Eigenkapital aufweisen. Dass von solchen Unternehmungen dann, wenn sie Grundeigentum besitzen, ohne Verletzung von Art. 4 (und 46 Abs. 2) BV eine auf die ordentliche Steuer vom Reingewinn und Kapital anrechenbare Minimalsteuer auf dem Wert des Grundeigentums erhoben werden darf, hat das Bundesgericht wiederholt entschieden ( BGE 92 I 442 ff., BGE 94 I 39 ff. und BGE 96 I 65 ff.). Im vorliegenden Falle ist die Zulässigkeit einer Minimalsteuer auf dem Umsatz streitig. d) Bei den "nichtgewinnstrebigen Unternehmungen" lassen sich zwei Gruppen unterscheiden. Die eine Gruppe umfasst Unternehmungen, die zugunsten bestimmbarer Dritter, nämlich der sie beherrschenden Aktionäre oder Genossenschafter, auf die Erzielung eines höheren Gewinnes verzichten. Häufig handelt es sich um einen einzigen oder einige wenige Begünstigte, wie bei Immobiliengesellschaften, Partnerwerken der Elektrizitätswirtschaft (vgl. BGE 82 I 288 ff.) und sonstigen Hilfsunternehmen. In andern Fällen, so bei Wohnbau-, Einkaufs-, kleineren Konsumenten- und andern Genossenschaften ist der Kreis der Begünstigten grösser. Hier wie dort lässt sich aber die Höhe des Ertrags, auf den das Unternehmen zugunsten der Dritten verzichtet, annähernd schätzen, was es unter Umständen gestattet, ihn beim Unternehmen als verdeckte Gewinnausschüttung zu besteuern. Diese Möglichkeit entfällt bei der andern Gruppe "nichtgewinnstrebiger Unternehmungen". Dazu gehören vor allem grosse Konsumentengenossenschaften, die ihre vorteilhaften Leistungen nicht nur ihren Mitgliedern, sondern der Allgemeinheit anbieten. Diese Geschäftspolitik wird dadurch erleichtert, dass die Geschäftsleitung solcher Genossenschaften von den Mitgliedern als den rechtlichen Trägern der Unternehmung BGE 96 I 560 S. 570 weitgehend unabhängig und bei ihren wirtschaftlichen Entscheidungen frei ist. Mit dem infolgedessen leichter möglichen Verzicht auf volle Ausschöpfung der Ertragsmöglichkeit werden statt der sonst üblichen Gewinnerzielung oder der Begünstigung der Mitglieder andere wirtschaftliche Zwecke wie rasche Vergrösserung des Betriebs, Beherrschung des Marktes usw. und sogar nichtwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Wenn eine derartige Unternehmung unter Einsatz beträchtlicher Mittel eine umfang- und erfolgreiche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, dabei aber nur einen ganz geringen steuerbaren Gewinn erzielt und auch nur ein kleines steuerbares Eigenkapital aufweist, lässt sich mit guten Gründen die Auffassung vertreten, dass ihre tatsächliche steuerliche Leistungsfähigkeit in diesen Faktoren nicht richtig zum Ausdruck komme, so dass eine gestützt darauf erhobene Steuer dem Postulat der gerechten Verteilung der Steuerlasten nicht entspreche, keinen angemessenen Beitrag der Unternehmung an die auch ihr direkt und indirekt zugute kommenden öffentlichen Ausgaben bilde. Das gleiche trifft bei den Unternehmen der erstgenannten Gruppe zu. Es kann dabei auf den Bericht verwiesen werden, den eine vom Eidg. Finanz- und Zolldepartement aufgrund einer Motion Piller eingesetzte Expertenkommission im Jahre 1955 erstattet hat und dessen Ausführungen zur Frage der Besteuerung der "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen (S. 88 ff., 126 ff., 143 ff.), wie bereits in BGE 92 I 444 bemerkt wurde, als überzeugend erscheinen. Eine Unternehmung, die zur Verfolgung anderer Zwecke bewusst auf die Erzielung desjenigen Gewinnes verzichtet, den sie mit den eingesetzten Mitteln und insbesondere durch ihren bedeutenden und in der Regel ständig wachsenden Umsatz ohne weiteres erzielen könnte, befindet sich in einer grundsätzlichen andern Lage und weist eine höhere wirtschaftliche und steuerliche Leistungsfähigkeit auf als ein Unternehmen, dessen Gewinne wegen ungünstiger Konkurrenzverhältnisse oder wegen Unfähigkeit der Unternehmensleitung niedrig bleiben. Will man die "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen zu einem ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Beitrag an die öffentlichen Ausgaben heranziehen, so muss daher ihre steuerliche Leistungsfähigkeit nach einem andern Kriterium als nach den ihnen gegenüber versagenden Faktoren Reingewinn und Reinvermögen bestimmt werden. e) Der thurgauische Gesetzgeber ist offensichtlich den BGE 96 I 560 S. 571 Empfehlungen und Vorschlägen der genannten Expertenkommission gefolgt, wenn er im Jahre 1965 eine Minimalsteuer auf dem Umsatz eingeführt hat, wie es vor ihm schon der Waadtländer (1956) und der Walliser (1960) Gesetzgeber und nach ihm der Gesetzgeber von Appenzell I.Rh. (1968), Nidwalden und St. Gallen (1970) getan hat. Er ist also davon ausgegangen, dass der Umsatz bei den "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen ein tauglicher Massstab zur Bestimmung der steuerlichen Leistungsfähigkeit sein könne. Diese Annahme erscheint keineswegs als abwegig und hält vor Art. 4 BV stand. Schon ERNST BLUMENSTEIN hat bei seiner Stellungnahme zu der in BGE 61 I 321 ff. beurteilten Glarner Minimalsteuer ausgeführt, dass die Höhe des Umsatzes bei der Bemessung der ordentlichen direkten Steuern eine gewisse Rolle spielen und in bestimmtem Ausmasse als ein Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in Betracht fallen könne (ASA 3 S. 57 und 109 ff., 4 S. 382 ff.). Er glaubte freilich, dass der Umsatz für sich allein keinen Gradmesser der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit darstellen könne und es nur angehe, ihn mit dem erzielten Reinertrag in Verbindung zu setzen und in Form von Zuschlägen zu der auf dem Ertrag berechneten Steuer zu berücksichtigen. Lässt aber der Umsatz Schlüsse auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu, so ist nicht einzusehen, weshalb er nicht wenigstens zur Bestimmung einer minimalen Belastung der "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen sollte dienen können. Der genannte Expertenbericht von 1955 kommt mit überzeugender Begründung zum Schluss, dass eine Minimalsteuer auf dem Umsatz das geeignetste Mittel zur richtigen steuerlichen Erfassung dieser Unternehmungen bilde und nicht verfassungswidrig sei. Ebenso vertritt IMBODEN (ASA 34 S. 193 ff.) die Auffassung, dass eine solche Minimalsteuer mit Art. 4 BV grundsätzlich vereinbar sei. Die dagegen erhobenen Einwendungen (IRENE BLUMENSTEIN, ASA 34 S. 1 ff. und dort erwähnte weitere Autoren) erscheinen nicht als stichhaltig. Mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit unvereinbar wäre es wohl, gewisse Steuerpflichtige, z.B. Detailhandelsunternehmungen oder Genossenschaften, allgemein nur aufgrund ihres Umsatzes statt des für alle andern Steuerpflichtigen massgebenden Reinvermögens (Kapitals) und Reingewinns zu besteuern. Dagegen ist es aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV jedenfalls grundsätzlich, d.h. unter Vorbehalt der Überprüfung der näheren BGE 96 I 560 S. 572 Ausgestaltung einer solchen Minimalsteuer, nicht zu beanstanden, bei Unternehmungen, die bewusst auf die vollständige Ausschöpfung ihrer Ertragsfähigkeit verzichten, die minimale steuerliche Leistungsfähigkeit aufgrund ihres Umsatzes und des mit diesem ohne weiteres erzielbaren Reingewinnes zu besteuern, sofern durch geeignete Massnahmen dafür gesorgt wird, dass diese Steuer nicht erhoben wird von notleidenden Unternehmungen, die nicht fähig wären, den der Besteuerung der "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen zugrunde gelegten minimalen Gewinn zu erzielen. f) So wenig wie gegen Art. 4 BV verstösst eine auf dem Umsatz berechnete Minimalsteuer schon als solche gegen die in Art. 31 BV gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bietet Art. 31 BV überhaupt keinen Schutz gegen eine allgemeine Steuer, welche die private Erwerbstätigkeit belastet, selbst wenn sie den Konkurrenzkampf erschwert ( BGE 73 I 59 E. 7 und dort angeführte frühere Urteile). Er schliesst auch eine besondere fiskalische Belastung des Gewerbes nicht aus, wenn diese sich einerseits aus Gründen des allgemeinen Interesses rechtfertigt und nicht ausschliesslich gewerbepolitische Zwecke verfolgt und anderseits für das betreffende Gewerbe nicht prohibitiv ist, d.h. die Erzielung eines angemessenen Gewinns nicht verunmöglicht ( BGE 87 I 30 /31 und dort angeführte frühere Urteile). Aus diesen Gesichtspunkten ist aber die Erhebung der angefochtenen Minimalsteuer auf dem Umsatz jedenfalls dem Grundsatze nach nicht zu beanstanden. Einmal gilt sie für alle von juristischen Personen betriebenen Unternehmungen, nicht nur für solche einer bestimmten Branche. Sodann verfolgt sie nicht gewerbepolitische Zwecke, sondern will bewirken, dass sämtliche Unternehmungen entsprechend ihrer tatsächlichen steuerlichen Leistungsfähigkeit belastet werden, was nicht bloss im fiskalischen Interesse liegt, sondern im allgemeinen öffentlichen Interesse an einer gerechten Verteilung der Steuerlasten. Ob die angefochtene Minimalsteuer prohibitiven Charakter habe oder durch ihre Ausgestaltung im einzelnen gegen Art. 31 BV verstosse, ist im folgenden zu prüfen. 4. Die Beschwerdeführerinnen erheben für den Fall, dass eine Minimalsteuer auf dem Umsatz mit Art. 4 und 31 BV grundsätzlich vereinbar sein sollte, verschiedene Einwendungen gegen ihre Ausgestaltung in den § § 57-60 StG . BGE 96 I 560 S. 573 a) Sie erblicken darin einen Verstoss gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit, dass die Steuer nur von juristischen Personen zu entrichten ist. Die Rüge ist unbegründet. Einmal werden in der Schweiz die juristischen Personen allgemein nach andern Grundsätzen als die natürlichen besteuert. Sodann treffen die Gründe, die den Gesetzgeber zur Einführung von Minimalsteuern veranlasst haben, sozusagen ausschliesslich bei juristischen Personen zu, wie bereits in BGE 92 I 445 E. 6 a und BGE 96 I 68 E. 2 c festgestellt wurde. Das gilt nicht nur für die dort beurteilten Minimalsteuern auf dem Grundeigentum, sondern erst recht für diejenige auf dem Umsatz. Damit ein Unternehmen mit einer erheblich unter der üblichen liegenden Gewinnmarge erfolgreich betrieben werden kann, muss es eine so beträchtliche Grösse haben, wie sie in der Regel nur ein als juristische Person organisiertes Unternehmen aufweist. Nur ein solches Unternehmen oder dessen Geschäftsleitung dürfte im allgemeinen auch ein Interesse daran haben, zugunsten bestimmter Dritter oder gar der Allgemeinheit auf die volle Ausschöpfung der Ertragsmöglichkeit zu verzichten. Es erscheint daher nicht als rechtsungleiche Behandlung, wenn das StG für natürliche Personen keine Minimalsteuer auf dem Umsatz vorsieht. b) Die Beschwerdeführerinnen weisen darauf hin, dass die der Minimalsteuer zugrundeliegende Annahme, der Umsatz lasse auf eine steuerliche Leistungsfähigkeit schliessen, bei notleidenden Unternehmungen nicht zutreffe, dass das StG aber nichts vorsehe, um eine in diesem Fall unhaltbare Besteuerung auszuschliessen. Die kantonalen Behörden halten dem in der Beschwerdeantwort entgegen, dass in Härtefällen die Bestimmungen über den Steuererlass ( § § 129 ff. StG ) anwendbar seien, was die Beschwerdeführerinnen in der Replik bestreiten. Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben, da auf die Beschwerde in diesem Punkte nach dem in Erw. 2 Gesagten mangels Legitimation der Beschwerdeführerinnen nicht einzutreten ist, denn es wird nicht geltend gemacht, dass die Beschwerdeführerinnen notleidend seien und die angefochtene Minimalsteuerveranlagung aus diesem Grunde unhaltbar sei. c) Nach § 58 Abs. 2 StG werden die Bruttoeinnahmen für die Berechnung der Minimalsteuer nur mit dem Fr. 500'000.-- übersteigenden Betrage berücksichtigt. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, diese Freigrenze, BGE 96 I 560 S. 574 die zweieinhalbmal höher als im Kanton Waadt sei, übersteige den Betrag, der sich noch "verfahrensökonomisch" rechtfertigen lasse, um ein Vielfaches und sei aus gewerbepolitischen Gründen so hoch angesetzt worden, d.h. damit nur grosse Betriebe von der Minimalsteuer getroffen und die kleinen und mittleren davon verschont würden. Da erfahrungsgemäss nur verhältnismässig grosse Betriebe auf die volle Ausschöpfung ihrer Ertragsfähigkeit verzichten, die Gründe für die Erhebung der Minimalsteuer also regelmässig nur bei grösseren Unternehmungen vorliegen, ist es verständlich, dass alle Kantone, welche eine Minimalsteuer auf dem Umsatz eingeführt haben, eine Freigrenze vorsehen. Dabei hat die Gewährung eines allgemeinen Abzuges vom steuerbaren Umsatz gegenüber einer Mindestgrenze, bei deren Überschreitung der gesamte Umsatz erfasst wird, den Vorteil, im Grenzraum einen sprunghaften Übergang zu vermeiden, so dass die Lösung des thurgauischen StG aus dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit den Vorzug verdient. Fragwürdig erscheint sie, wie IMBODEN (ASA 34 S. 198) zutreffend bemerkt, einzig deshalb, weil ein allgemeiner Abzug, wenn er entsprechend hoch ist, eine ähnliche Wirkung haben kann wie ein progressiver Tarif. Ein solcher Tarif ist aber, wie die nachfolgenden Ausführungen ergeben, mit dem Wesen einer Minimalsteuer auf dem Umsatz unvereinbar und lässt sich nur gewerbepolitisch begründen. Ferner bewirkt der allgemeine Abzug, dass auch grössere Unternehmungen, deren Umsatz die Freigrenze verhältnismässig wenig übersteigt, nur theoretisch unter die Minimalsteuer fallen, da die auf dem geringen Überschussbetrag berechnete Abgabe fast immer niedriger sein wird als die auf dem Ertrag und Kapital geschuldete ordentliche Steuer. Dass sowohl bei Ansetzung einer Mindestgrenze wie auch bei Gewährung eines allgemeinen Abzuges kleinere Betriebe von der Steuer befreit sind, zwingt nicht zum Schluss, dass die Freigrenze aus gewerbepolitischen Gründen vorgesehen wurde, denn eine gewisse Freigrenze lässt sich auch veranlagungsökonomisch rechtfertigen. Ohne eine solche müssten nämlich die Steuerbehörden bei allen als juristische Personen organisierten Unternehmungen, also auch bei solchen, bei denen es wegen ihrer Kleinheit zum vorneherein höchst unwahrscheinlich ist, dass sie "nichtgewinnstrebig" sind und unter die Minimalsteuer BGE 96 I 560 S. 575 fallen, prüfen, ob dies tatsächlich zutrifft. Bis zu welchem Betrag sich eine Mindestgrenze veranlagungsökonomisch rechtfertigen lässt und daher vor Art. 4 und 31 BV standhält, kann dahingestellt bleiben. Zu prüfen ist einzig, ob der in § 58 Abs. 2 thurg. StG vorgesehene allgemeine Abzug von Fr. 500'000.-- vor diesen Bestimmungen der BV standhält. Die erwähnten progressionsähnlichen Wirkungen des Abzugs können deshalb noch hingenommen werden, weil die Gewährung eines allgemeinen Abzugs, wie bereits ausgeführt, aus dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit den Vorzug verdient vor einer Mindestgrenze. Zu prüfen bleibt, ob der Betrag von Fr. 500'000.--, der wesentlich höher ist als die Freigrenze der andern Kantone (Fr. 100'000.-- bis Fr. 300'000.--), sich veranlagungsökonomisch oder (nur) gewerbepolitisch begründen lässt. Nach den vom Instruktionsrichter eingeholten Amtsberichten der thurgauischen Steuerverwaltung wiesen im Jahre 1965, d.h. im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten des StG, von den 723 alsjuristische Personen organisierten Unternehmungen rund 60% und, wenn man von den 82 Unternehmungen mit einem Umsatz von weniger als Fr. 100'000.-- absieht, bei denen das Vorliegen der Voraussetzungen der Minimalsteuer als ausgeschlossen erscheint, etwas über 70% einen Umsatz von über 500'000.-- auf. Schon diese grosse Zahl der theoretisch von der Abgabe betroffenen Unternehmungen spricht gegen die Annahme, der Kanton Thurgau habe den Abzug ausschliesslich oder vorwiegend aus gewerbepolitischen Gründen so hoch angesetzt. Wie den Amtsberichten weiter zu entnehmen ist, würde die Herabsetzung der Freigrenze auf Fr. 200'000.-- (entsprechend der Regelung im Kanton Waadt) zur Folge haben, dass sich die Zahl der von der Minimalsteuer betroffenen Unternehmungen von heute 11 um 14 auf 25 erhöhen würde. Diese erhebliche Zunahme der Zahl der Steuerpflichtigen würde jedoch nur einen Mehrertrag der Kantonssteuer (mit Zuschlag) von insgesamt Fr. 1'273.--, im Durchschnitt also weniger als Fr. 100 pro Unternehmen, ergeben. (Der Umstand, dass die Herabsetzung der Freigrenze überdies für die 11 schon bisher betroffenen Unternehmungen, darunter für die beiden Beschwerdeführerinnen, eine Mehrbelastung von 0,75 Promille von Fr. 300'000.-- = Fr. 225.-- zur Folge hätte, fällt in diesem Zusammenhang BGE 96 I 560 S. 576 ausser Betracht). Bedenkt man, dass zur Erzielung dieses bescheidenen Mehrertrages von Fr. 1'273.-- die Steuerbehörden bei den 142 Unternehmungen mit einem Umsatz zwischen Fr. 200'000.-- und 500'000.-- abklären müssten, ob die Voraussetzungen der Minimalsteuer gemäss § 57 Abs. 2 StG vorliegen, so erscheint die auf den ersten Blick hohe Freigrenze von Fr. 500'000.-- veranlagungsökonomisch gerechtfertigt und nicht vorwiegend oder gar ausschliesslich gewerbepolitisch bedingt. Dass dieses Ergebnis nicht etwa auf die besondern Verhältnisse im Kanton Thurgau zurückzuführen ist, zeigt eine vom Instruktionsrichter eingeholte Auskunft des waadtländischen Finanzdepartements, wonach umgekehrt die Erhöhung der im waadtländischen Gesetz vorgesehenen Freigrenze von Fr. 200'000.-- auf Fr. 500'000.-- für die Jahre 1969/70 zwar die Zahl der 82 von der Minimalsteuer betroffenen Unternehmungen um 11 (d.h. ca. 14%), den Mehrertrag der Minimalsteuer im Verhältnis zur ordentlichen Steuer jedoch nur um rund 2% vermindern würde. Lässt sich somit ein Abzug von Fr. 500 000.-- veranlagungsökonomisch rechtfertigen, so verstösst er nicht gegen Art. 31 BV . Im Hinblick auf seine wenig weitgehenden Auswirkungen verletzt er auch Art. 4 BV nicht, sondern hält sich noch im Rahmen der dem kantonalen Gesetzgeber beim Erlass von Steuergesetzen zustehenden Gestaltungsfreiheit. d) Während die Minimalsteuer auf allen übrigen Einnahmen einheitlich 0,3 Promille beträgt, also proportional ist, gilt für die Einnahmen des Detailhandels ein Satz von 0,75 Promille bis zum Betrag von zwei Millionen Franken und von 1,5 Promille für den Mehrbetrag (§ 59). Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass diese scharfe Progression sich nicht mit einer Anpassung der Steuer an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sondern nur mit gewerbepolitischen Gründen (Benachteiligung der Filialunternehmen gegenüber dem Einzelbetrieb) rechtfertigen lasse; zudem sei es unerfindlich, weshalb die Überschreitung eines gewissen Umsatzes beim Detailhandel und nur bei ihm zu einer Verdoppelung der Steuer führen solle, nicht aber beim Engroshandel und bei den Fabrikationsunternehmungen. Im angefochtenen Entscheid wird zur Rechtfertigung der Progression ausgeführt, dass sie auf der Annahme beruhe, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit komme bei nichtgewinnstrebigen Unternehmungen im erzielten Umsatz zum Ausdruck, und BGE 96 I 560 S. 577 dass daher einem höheren Umsatz auch eine höhere Leistungsfähigkeit entspreche. Dabei wird indessen übersehen, dass die Minimalsteuer, sofern sie nicht einfach eine gewerbepolitische Massnahme zum Schutz der kleinen vor der Konkurrenz der grossen Unternehmen ist, ihren Grund nicht in der Höhe des Umsatzes, sondern nur in dem damit verbundenen Verzicht auf die Erzielung des üblichen oder doch eines minimalen Gewinnes haben kann. Die Minimalsteuer auf dem Umsatz wirkt, da sie auf die ordentlichen Steuern anrechenbar ist, wie eine sogenannte Sollertragssteuer, d.h. es wird der Steuerschuldner, der mit seinem Umsatz nicht einen bestimmten minimalen Gewinn erzielt, nicht für den effektiven Gewinn besteuert, sondern für denjenigen, den er hätte erzielen können und sollen. Dieser "Sollertrag" als minimale Gewinnmarge in Prozenten des Umsatzes lässt sich bei den Genossenschaften, die nach § 54 thurg. StG eine proportionale Ertragssteuer von 4% zu entrichten haben, aufgrund des Minimalsteuersatzes genau errechnen, wenn man dabei die Kapitalsteuer ausser acht lässt, die ebenfalls auf die Minimalsteuer anrechenbar ist, aber zumal bei den Genossenschaften im allgemeinen eine untergeordnete Rolle spielt. Der "Sollertrag" in Prozenten des Umsatzes berechnet sich nach folgender Formel: Sollertrag in % des Umsatzes = Minimalsteuersatz / Gewinnsteuersatz Das ergibt für eine proportionale Minimalsteuer ohne Freigrenze zum Satz von 0,75 Promille einen "Sollertrag" von 1'875% und für eine Steuer von 1,5 Promille einen "Sollertrag" von 3,75%. Das heisst mit andern Worten, dass eine Unternehmung bei einem Minimalsteuersatz von 0,75 Promille bzw. 1,5 Promille dann als "nichtgewinnstrebig" gilt und daher minimalsteuerpflichtig ist, wenn ihr Nettogewinn weniger als 1'875% bzw. 3,75% des Umsatzes ausmacht. Ebenso lässt sich der "Sollertrag" berechnen, wenn man die Freigrenze und die Progression des thurg. StG berücksichtigt. Dabei erscheint es, um ein möglichst wirklichkeitsgetreues Bild von den Auswirkungen der Freigrenze und der Progression zu erhalten, als angezeigt, von den aus den Amtsberichten ersichtlichen tatsächlichen Grössenverhältnissen der Unternehmungen dieses Kantons auszugehen. Nach dem Amtsbericht vom 15. Mai 1968 erzielten von den insgesamt 150 als juristische Personen organisierten Detailhandelsunternehmen BGE 96 I 560 S. 578 mit einem Umsatz von über Fr. 500'000.-- ungefähr je ein Drittel einen Umsatz von 1/2 bis 1, von 1 bis 2 und von über 2 Millionen. Setzt man für die kleineren Unternehmen einen Durchschnittsumsatz von Fr. 750'000.--, für die mittleren 1,5 Millionen und für die grösseren 5 Millionen (ungefährer Durchschnitt der 9 neben den Beschwerdeführerinnen von der Minimalsteuer betroffenen Unternehmen) und berücksichtigt man mit 20 Millionen ausserdem ein Unternehmen von der Grösse der Migros-SG, so gelangt man zu folgenden Steuern und Sollerträgen: Minimalsteuer Sollertrag Umsatz in Franken in % in % des Umsatzes des Umsatzes 1) bei einer proportionalen Minimalsteuer von 0,75 Promille 750 000 187.50 0'250 0'625 1,5 Mio 750.-- 0'500 1'250 5 Mio 3 375.-- 0'675 1'687 20 Mio 14 625.-- 0'731 1'827 2) bei einer progressiven Minimalsteuer gemäss § 59 lit. a StG 750 000 187.50 0'250 0'625 1,5 Mio 750.-- 0'500 1'250 5 Mio 5 250.-- 1'070 2'675 20 Mio 27 850.-- 1'392 3'480 Schon bei einer proportionalen Minimalsteuer ergibt sich demnach, als Folge der Freigrenze, eine nicht unerhebliche Progression der Steuersätze und damit auch der "Sollerträge". Bei der Minimalsteuer gemäss § 59 lit. a StG ist die Progression so stark, dass Steuersatz und Sollertrag bei einem Umsatz von 20 Mio fast drei Mal höher sind als bei 1,5 Mio Umsatz. IMBODEN (ASA 34 S. 197) ist der Auffassung, dass es an sich widerspruchsvoll sei, eine Objektsteuer wie die Minimalsteuer auf dem Umsatz nach einem progressiven Tarif zu erheben und dass ein solcher Tarif mit Art. 31 BV nur vereinbar sei, soweit der Steigerung des Umsatzes eine "nachweisbar bessere Rentabilität" entspreche. In der Tat ist nicht einzusehen, weshalb - gemäss obiger Aufstellung - die grösseren Unternehmungen schon dann "nichtgewinnstrebig" sein und unter die Minimalsteuer fallen sollen, wenn sie mit einer Gewinnmarge von weniger als 3'348% bzw. 2'675% arbeiten, die kleineren dagegen erst dann, wenn ihr Nettogewinn weniger als 1'250% BGE 96 I 560 S. 579 bzw. 0'625% beträgt. Zwar ist nicht zu bestreiten, dass sich mit zunehmendem Umsatz fast immer gewisse kostenmässige Einsparungen erzielen lassen durch günstigere Einkaufsbedingungen, Zentralisierung der Geschäftsleitung und der Buchhaltung usw. Diesen Vorteilen, welche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigern und deshalb eine höhere Steuerbelastung rechtfertigen, wird jedoch reichlich Rechnung getragen durch die nicht unbeträchtliche Progression, die - wie die obige Aufstellung zeigt - schon als Folge der Freigrenze eintritt. Die zusätzliche, durch die beiden Steuersätze von § 59 lit. a StG geschaffene Progression ist nur gewerbepolitisch zu erklären und verfolgt offensichtlich den Zweck, die grossen Detailhandelsunternehmungen im Konkurrenzkampf mit den kleinen zu benachteiligen. Dass die Progression ausschliesslich gewerbepolitisch bedingt ist, geht eindeutig daraus hervor, dass das StG sie lediglich für die Einnahmen aus dem Detailhandel vorsieht, nicht dagegen für die übrigen Einnahmen, obwohl die Vergrösserung des Umsatzes zweifellos auch bei Engroshandels- und bei Fabrikationsunternehmungen in der Regel mit Kostenersparnissen verbunden ist und zu einer Steigerung der Rendite führt. Eine grundsätzlich proportionale Ausgestaltung der Minimalsteuer entspricht schliesslich auch ihrem Zweck am besten, der darin besteht, die "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen zu einem angemessenen Beitrag an die auch ihnen zugute kommende öffentlichen Ausgaben heranzuziehen, denn die von ihnen der Öffentlichkeit verursachten Lasten sind, wie im angefochtenen Entscheid selber, in anderm Zusammenhang ausgeführt wird, "im wesentlichen zum Betriebsumfang und nicht zum erzielten Ertrag proportional". Soweit der Steuersatz von 1,5 Promille neben demjenigen von 0,75 Promille auf die Beschwerdeführerinnen angewendet worden ist, verstösst ihre Besteuerung demnach gegen Art. 31 BV und ist der angefochtene Entscheid daher aufzuheben. e) Dass der Steuersatz von 0,75 Promille, der nach Wegfall der Progression übrig bleibt und auf den gesamten Umsatz der Beschwerdeführerinnen anzuwenden ist, wegen seiner Höhe gegen Art. 4 oder 31 BV verstosse, wird in der Beschwerde mit Recht nicht geltend gemacht. Dieser Satz entspricht, selbst ohne Berücksichtigung der Freigrenze und der auf die Abgabe anrechenbaren Kapitalsteuer, einer Nettogewinnmarge (Sollertrag) von nur 1'875% auf dem Umsatz. Eine Minimalsteuer, BGE 96 I 560 S. 580 der eine so kleine Gewinnmarge zugrunde gelegt ist, erscheint weder gewerbepolitisch bedingt noch kann sie eine prohibitive Wirkung haben. Sie hat denn auch für die Beschwerdeführerinnen nur eine geringe Erhöhung der Steuerlast zur Folge. Bei der Migros-SG, bei der die ordentliche einfache Staatssteuer gemäss der Veranlagungsverfügung vom 10. Januar 1966 Fr. 15 504.30 ausmachen würde, beträgt die Erhöhung weniger als Fr. 1000.-- (was mit den Zuschlägen und den Gemeindesteuern insgesamt etwa Fr. 3000.-- ergibt). Legt man nämlich, wie die kantonalen Behörden in der Beschwerdeantwort mit Recht anerkennen, der Berechnung der Minimalsteuer im Hinblick auf das Doppelbesteuerungsverbot nur 80% des im Kanton Thurgau erzielten Umsatzes zugrunde, so berechnet sich die Steuer für die Migros-SG wie folgt: Gesamtumsatz im Kanton Thurgau Fr. 27 806 893.-- 80% hievon Fr. 22 245 514.-- abzüglich Freibetrag Fr. 500 000.-- Steuerbarer Umsatz Fr. 21 745 514.-- Steuer zu 0,75 Promille: Fr. 16 309.51 Ob und inwieweit der Kanton Thurgau den proportionalen Satz von 0,75 Promille nach Wegfall der Progression ohne Verletzung der Art. 4 und 31 BV erhöhen könnte, ist hier nicht zu prüfen. Bemerkt sei lediglich, dass jedenfalls nichts einzuwenden wäre gegen einen Steuersatz von 1 Promille des Umsatzes, der die "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen im Ergebnis kaum höher belastet als der im Kanton Waadt seit 14 Jahren unangefochten geltende Satz von 0,8 Promille, neben dem noch eine Minimalsteuer von 0,4 Promille auf den investierten Kapitalien zu entrichten ist. Der Satz von 1 Promille entspricht einer Gewinnmarge (Sollertrag) von 2,5% und kann nicht als prohibitiv bezeichnet werden, zumal die Unternehmungen nicht gezwungen werden, tatsächlich mit dieser Gewinnmarge zu arbeiten, sondern nur die bei einer solchen Gewinnmarge geschuldete Steuer herauszuwirtschaften haben, was keine ins Gewicht fallende Erhöhung der Verkaufspreise erfordert. Ob und wieweit ein 1 Promille übersteigender Satz zulässig wäre, muss offen bleiben. f) Die Beschwerdeführerinnen beanstanden die Ausgestaltung der thurgauischen Minimalsteuer schliesslich auch deshalb, weil der Steuersatz für die Einnahmen des Detailhandels nicht nach Branchen abgestuft sei und weil er fünfmal höher sei als BGE 96 I 560 S. 581 der Satz für alle übrigen Einnahmen. Beide Rügen sind unbegründet. Wie die Beschwerdeführerinnen zutreffend ausführen, arbeiten die einzelnen Branchen des Detailhandels mit verschiedenen Gewinnmargen. Es wäre daher wünschbar, dieser Verschiedenheit bei der Festsetzung der Minimalsteuersätze Rechnung zu tragen. Das lässt sich jedoch praktisch kaum durchführen. Nicht nur ist es schwierig, die angemessenen minimalen Gewinnmargen der verschiedenen Branchen zu bestimmen und zueinander richtig abzustufen. Hinzu kommt, dass zahlreiche und gerade die grossen Detailhandelsgeschäfte mit sehr verschiedenen Waren handeln, woraus sich bei der Veranlagung fast unüberwindliche Schwierigkeiten ergeben würden. Im Hinblick hierauf ist ein einheitlicher Satz für alle Detailhandelsunternehmungen, wie ihn auch die andern Kantone mit Minimalsteuern auf den Bruttoeinnahmen vorsehen, aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV nicht zu beanstanden, sofern dieser Satz einer Gewinnmarge (Sollertrag) entspricht, die unter normalen Verhältnissen von allen gewinnstrebigen Unternehmungen überschritten wird, und das dürfte, wie vorher ausgeführt wurde, für die Gewinnmargen von höchstens 1'875% und 2,5% zutreffen, die den Minimalsteuersätzen von 0,75 Promille und 1 Promille bei den Genossenschaften entsprechen. Als sachlich richtig und jedenfalls nicht willkürlich erscheint sodann die leicht vorzunehmende Unterscheidung zwischen Einnahmen aus Detailhandel und übrigen Einnahmen. Da die Gewinnmargen im Detailhandel regelmässig wesentlich höher sind als diejenigen im Engroshandel, in der Fabrikation und auf andern Gebieten, hat die Expertenkommission zur Motion Piller - offenbar aufgrund von Berechnungen (vgl. Bericht S. 152) - vorgeschlagen, die Minimalsteuer für Einnahmen aus Detailhandel fünf- bis sechsmal höher anzusetzen als für Einnahmen aus Engroshandel. Auch in den andern Kantonen, die Minimalsteuern auf den Bruttoeinnahmen eingeführt haben, ist der Steuersatz für Einnahmen aus Detailhandel ein Mehrfaches desjenigen für andere Einnahmen (vgl. BRÉLAZ, L'impôt minimum du Canton de Vaud, RDAF 1961 S. 191 ff.). Nachdem in Erw. 4d festgestellt worden ist, dass der im thurg. StG für die Bruttoeinnahmen aus Detailhandel im Betrag von über zwei Millionen Franken vorgesehene Satz von 1,5 Promille verfassungswidrig und nur der Satz von 0,75 Promille anwendbar ist, BGE 96 I 560 S. 582 beträgt der Satz für Einnahmen aus Detailhandel nur das zweieinhalbfache desjenigen für die übrigen Einnahmen. Dieses Verhältnis erscheint angesichts der tatsächlichen Unterschiede zwischen den Gewinnmargen im Detailhandel und denjenigen bei Engroshandels-, Fabrikations- und sonstigen Unternehmungen als sachlich gerechtfertigt und nicht gewerbepolitisch bedingt und verstösst daher weder gegen Art. 4 noch gegen Art. 31 BV . 5. Die Beschwerdeführerinnen machen weiter geltend, die Minimalsteuer verletze die Steuerhoheit des Bundes, da Art. 41ter Abs. 2 lit. a BV den Kantonen verbiete, Umsätze, die der Bund mit der Warenumsatzsteuer belaste oder steuerfrei erkläre, einer gleichgearteten Steuer zu unterwerfen; um eine solche gleichgeartete Abgabe handle es sich aber bei der thurgauischen Minimalsteuer, bei welcher der beim Warenverkauf erzielte Bruttoerlös, d.h. der Umsatz Steuerobjekt und zugleich Bemessungsgrundlage sei. Im angefochtenen Entscheid und in der Beschwerdeantwort der StRK wird dies bestritten mit der Begründung, die Warenumsatzsteuer sei eine auf andere Personen überwälzbare und damit indirekte Steuer, die Minimalsteuer dagegen eine vom Pflichtigen wirtschaftlich selbst zu tragende, also direkte Steuer, bei welcher der Umsatz nicht als solcher besteuert werde, sondern lediglich zur Bestimmung der wirschaftlichen Leistungsfähigkeit in gewissen typischen Fällen (nichtgewinnstrebige Unternehmungen) diene. Der Einteilung der Steuern in direkte und indirekte und in Objekt- und Subjektsteuern kommt indessen, wie schon ERNST BLUMENSTEIN, Schweiz. Steuerrecht § 10 III, dargelegt hat, nur beschränkte juristische Bedeutung zu, soweit nicht das positive Recht oder die Praxis, wie etwa die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung, daraus bestimmte Folgerungen gezogen hat. Inwieweit die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Steuern und die Überwälzbarkeit für die Frage der Zulässigkeit der streitigen Minimalsteuer von Bedeutung sind, kann dahingestellt bleiben, da sich die in der Beschwerde erhobenen Einwendungen auch abgesehen davon als unbegründet erweisen. In dem dabei angerufenen Aufsatz von IMBODEN (ASA 34 S. 193 ff.) werden die Minimalsteuern zwar durchwegs als "Objektsteuern" bezeichnet, wobei als Objekt der Steuer auf den BGE 96 I 560 S. 583 Bruttoeinnahmen offenbar diese Einnahmen oder der Umsatz betrachtet werden. Indessen hat bereits ERNST BLUMENSTEIN inbezug auf die Glarner Minimalsteuer zutreffend festgestellt, dass es sich bei dieser Steuer nicht um eine Umsatzsteuer im technischen Sinne handle (ASA 3 S. 51). Das muss auch für die thurgauische Minimalsteuer auf den Bruttoeinnahmen gelten. Sie hat, wie bereits ausgeführt (Erw. 4d), im wesentlichen die gleiche Wirkung wie eine Sollertragssteuer, d.h. wie eine Steuer auf dem minimalen Gewinn, den eine Unternehmung der in Frage stehenden Art unter normalen Verhältnissen ohne weiteres erzielen kann und auch erzielen sollte. Der Umsatz bildet somit nur formell, nicht dagegen materiell das Objekt der Besteuerung; er dient vielmehr lediglich als Kriterium für die Bestimmung der steuerlichen Leistungsfähigkeit, wenn und soweit diese in den eigentlichen Steuerobjekten (Ertrag und Kapital) ausnahmsweise nicht richtig zum Ausdruck kommt, wie das bei den "nichtgewinnstrebigen" Unternehmungen der Fall ist. So betrachtet, stellt die Minimalsteuer auf den Bruttoeinnahmen eine in gewissen Fällen die Ertrags- und Kapitalsteuer ersetzende und wie diese auf die steuerliche Leistungsfähigkeit des Pflichtigen abstellende Steuer und nicht eine Warenumsatzsteuer im Sinne des Art. 41ter BV dar, weshalb sie diese Bestimmung nicht verletzt. Wenn die Beschwerdeführerinnen einwenden, dass der Kanton die Ertrags- und Kapitalsteuer zu erhöhen habe, wenn er finde, dass der Pflichtige zu wenig belastet sei, so übersehen sie, dass dieser Ausweg gerade dort nicht hilft, wo Ertrag und Kapital die steuerliche Leistungsfähigkeit nicht richtig zum Ausdruck bringen und für die Bestimmung derselben ein anderes Kriterium gesucht werden muss. 6. Die Beschwerdeführerinnen machen endlich noch geltend, die angefochtene Veranlagung verstosse gegen das Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung ( Art. 46 Abs. 2 BV ), denn der nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für die Besteuerung des Ertrags interkantonaler Unternehmungen geltende Verteilungsschlüssel sei nicht auf das rohe, sondern auf das reine Betriebsergebnis anwendbar, was voraussetze, dass die Steuer von diesem und nicht vom Umsatz erhoben werde. Während sodann im vorliegenden Falle der Umsatz der Migros-SG im Kanton Thurgau 18,91% des Gesamtumsatzes ausmache, entfalle nach Abzug des Vorausanteils von 20% zugunsten BGE 96 I 560 S. 584 des Sitzkantons nur eine Quote von 15,13% des Reingewinns auf den Kanton Thurgau, weshalb "mindestens im Umfang des Präzipuums der Umsatz bzw. der daraus fliessende Gewinn von beiden Kantonen doppelt besteuert" werde. Die thurgauischen Behörden haben die Begründetheit dieses zweiten Einwands in der Beschwerdeantwort anerkannt und beantragen deshalb, die "Veranlagungen seien dahin zu korrigieren, dass lediglich 80% des im Kanton Thurgau erzielten Bruttoumsatzes der Steuerberechnung zugrunde gelegt wird". Sie sind bei dieser Anerkennung zu behaften und haben, da der angefochtene Entscheid schon aus einem andern Grunde aufzuheben ist, die notwendige Berichtigung im neu zu treffenden Entscheid selber vorzunehmen. Die kantonale Steuerverwaltung St. Gallen vertritt in ihrer Stellungnahme die Auffassung, durch diese Berichtigung werde die Doppelbesteuerung beseitigt, während die Beschwerdeführerinnen das in der Replik deshalb bestreiten, weil die Minimalsteuer nicht nur die Ertrags-, sondern auch die Kapitalsteuer ersetze und für diese ein anderer Verteilungsschlüssel gelte als das für die Ertragssteuerausscheidung massgebende Verhältnis der in den einzelnen Kantonen erzielten Umsätze, das übrigens nur für reine Handelsunternehmungen in Frage komme und bei Fabrikations- und andern Betrieben versage. Von einer unzulässigen Doppelbesteuerung kann indes nach Vornahme der Berichtigung, zu der sich die thurgauischen Behörden bereit erklärt haben, nicht mehr die Rede sein. Bei einer reinen Warenhandelsunternehmung wie der der Beschwerdeführerinnen ist der steuerbare Gesamtreingewinn, nach Abzug eines Vorausanteils für den Sitzkanton (hier unbestrittenermassen 20%), im Verhältnis des Umsatzes den beteiligten Kantonen zur Besteuerung zuzuweisen (LOCHER, Doppelbesteuerung § 8 II C 3 und dort angeführte Urteile). Wenn der Kanton einer Betriebsstätte eine auf die Ertrags- und die Kapitalsteuer anrechenbare Minimalsteuer auf dem Umsatz erhebt, den Umsatz also mittelbar anstelle des Reingewinns und des Kapitals als Kriterium für die steuerliche Leistungsfähigkeit behandelt, so verletzt er das Doppelbesteuerungsverbot jedenfalls dann nicht, wenn er der Steuerberechnung nicht den ganzen im Kanton erzielten Umsatz zugrunde legt, sondern nur den um den Vorausanteil des Sitzkantons gekürzten Umsatz, entsprechend der in der Beschwerdeantwort des Kantons Thurgau beantragten BGE 96 I 560 S. 585 Berichtigung. Selbst wenn nämlich andere oder auch alle Kantone, in denen die Migros-SG Verkaufsläden betreibt, eine derartige Minimalsteuer auf dem Umsatz einführen sollten, wird keinesfalls mehr als der gesamte Umsatz als Berechnungsgrundlage herangezogen und ist daher eine doppelte Besteuerung ausgeschlossen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Minimalsteuer des Kantons Thurgau nicht nur, wie diejenige des Kantons Waadt, auf die ordentliche Ertragssteuer, sondern auch auf die Kapitalsteuer anrechenbar ist ( § 57 Abs. 2 StG ), da dies zu einer Ermässigung der durch die Minimalsteuer bewirkten Mehrbelastung des Ertrages führt. Von einer unzulässigen Doppelbesteuerung kann bei der Migros-SG umso weniger die Rede sein, als der Anteil des Kantons Thurgau an ihrem steuerbaren Kapital unbestrittenermassen 26,43%, also erheblich mehr als die ihm am Umsatz zustehende Quote von 15,13% beträgt. Ob die Erhebung der Minimalsteuer bei andern Betrieben als reinen Warenhandelsunternehmungen, nämlich bei Fabrikations- und gemischten Betrieben, bei denen der Reingewinn nicht nach Massgabe des Umsatzes, sondern nach einem andern Schlüssel verteilt wird, zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung führen kann, wie die Beschwerdeführerinnen behaupten, ist nicht zu prüfen, da sie nach dem in Erw. 2 Gesagten zu dieser Rüge nicht legitimiert sind. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und der Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau vom 23. Oktober 1967 aufgehoben.
public_law
nan
de
1,970
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
89e27c28-f57a-491f-9ecb-f8d52f3b2f2e
Urteilskopf 110 II 360 71. Estratto della sentenza 13 marzo 1984 della I Corte civile nella causa Credito Svizzero, Succursale di Chiasso c. W. Inc. (ricorso per riforma)
Regeste 1. Art. 6 und 176 OR , Art. 2 ZGB . Auslegung einer vom Gläubiger stillschweigend angenommenen Erklärung einer Schuldübernahme nach dem Vertrauensprinzip (E. 2b). 2. Art. 20 OR in Verbindung mit Art. 4 und 5 der Verordnung über Massnahmen gegen den Zufluss ausländischer Gelder vom 20. November 1974/22. Januar 1975 sowie mit Art. 14 VStG . Nichtigkeit eines Vertrags oder einer Vertragsklausel wegen Widerrechtlichkeit; Prüfungsbefugnis des Richters. Das Versprechen einer Bank, ein ausländisches Guthaben ohne Abzug des Negativzinses und der Verrechnungssteuer zu verzinsen, verletzt die genannte Verordnung und ist deshalb nichtig. Frage offengelassen, ob die Widerrechtlichkeit der Vertragsklausel sich auch aus dem VStG ergibt (E. 3/4). 3. Art. 97, 397 und 398 OR : Haftung einer Bank wegen Verletzung der Informationspflicht gegenüber den Bankkunden. Eine Bank, die einem ausländischen Kunden eine Geldanlage empfiehlt und fälschlicherweise die Befreiung von Negativzins und Verrechnungssteuer verspricht, verstösst gegen ihre Informationspflicht; deren Verletzung zieht den Ersatz des positiven Vertragsinteresses nach sich, d.h. des Schadens, den der Kunde nicht erlitten hätte, wenn die Information genau und vollständig gewesen wäre (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 361 BGE 110 II 360 S. 361 A.- Fondandosi sulla competenza conferitagli dall' art. 1 del decreto federale dell'8 ottobre 1971 per la protezione della moneta (RU 1971, 1446), il Consiglio federale ha emanato un'ordinanza che istituiva provvedimenti contro l'afflusso di capitali stranieri del 20 novembre 1974 (RU 1974, 1822), poi modificata con una novella del 22 gennaio 1975 (RU 1975, 105). Secondo il testo della prima ordinanza, adottata per favorire e promuovere una politica monetaria conforme agli interessi generali del Paese, i capitali stranieri depositati in Svizzera a contare dal 31 ottobre 1974 non erano più rimunerati (art. 4 cpv. 1) e le banche dovevano addebitare al creditore estero una provvigione trimestrale del 3% al massimo sui capitali stranieri affluiti dopo il 31 ottobre 1974 (art. 5 cpv. 1); la Banca nazionale doveva disciplinare il modo di calcolo dell'aumento netto, indicare il periodo determinante e BGE 110 II 360 S. 362 stabilire il saggio della provvigione tenendo conto della situazione del mercato dei cambi (art. 5 cpv. 3). L'ordinanza del 1975 ha esteso, in sostanza, il divieto di rimunerazione a tutti i capitali stranieri (art. 4) ed ha portato il tasso della provvigione dal 3 al 10% al massimo (art. 5 cpv. 1). La Banca nazionale svizzera ha allestito un commentario e delle direttive relativi a questa ordinanza il 26 novembre 1974 e li ha poi completati il 24 gennaio successivo. B.- a) Una cittadina straniera domiciliata all'estero ha aperto un conto "Z" presso la Succursale di Chiasso del Credito Svizzero il 18 aprile 1972. Il 10 aprile 1975, la titolare di questo conto ha impartito al Credito Svizzero un ordine scritto di pagamento di Fr. ... a favore della Texon Finanzanstalt di Vaduz, a cui ha fatto seguito un secondo ordine in data 25 settembre 1975 per un importo di Fr. ... Gli investimenti operati sulla Texon, ad un tasso d'interesse annuo del 6% e per una durata di sei mesi, sono stati rinnovati ad ogni scadenza, l'ultima volta il 30 settembre 1976 per un importo di Fr. ... Alla scadenza del 31 marzo 1977, la Texon era debitrice nei confronti della titolare del conto di un importo di Fr. ... in capitale e interessi. Il Credito Svizzero aveva garantito questo investimento fino a concorrenza dell'importo massimo di Fr. ... con un atto di fideiussione semplice rilasciato il 28 dicembre 1976 e scadente il 31 marzo 1977. b) La Texon Finanzanstalt era una società finanziaria retta dal diritto del Liechtenstein, con sede a Vaduz, che operava in pratica a Chiasso presso gli uffici del Credito Svizzero e presso uno studio legale della città di confine. Fondata nel 1961 con un capitale di Fr. 50'000.--, poi aumentato nel 1977 a Fr. 500'000.--, essa ha raccolto ingenti capitali provenienti nella misura del 90% da clienti stranieri del Credito Svizzero. Agli investitori la Texon assicurava di regola un reddito vantaggioso rispetto ad altri investimenti esteri e impiegava i capitali così ottenuti in molteplici attività imprenditoriali estere. Il "deus ex machina" della Texon era E. X., che ne era l'amministratore e che rivestiva nel contempo la carica di direttore della Succursale di Chiasso del Credito Svizzero; questa duplice veste gli consentiva di dirottare facilmente sulla Texon i capitali appartenenti a clienti del Credito Svizzero, sia consigliando il cliente in tal senso, sia addirittura senza il consenso di quest'ultimo. In molti casi - come ad esempio in quello concernente la titolare del conto "Z" - X. ed il vicedirettore Y. rilasciavano agli investitori, a nome del Credito Svizzero, delle dichiarazioni di fideiussione o di garanzia che BGE 110 II 360 S. 363 miravano a guadagnare la fiducia dell'investitore nei confronti della Texon e a far nascere in loro la persuasione di operare un investimento su una società di tutta sicurezza, se non addirittura a considerare la Texon quale fiduciaria appartenente allo stesso Credito Svizzero. In questo modo sono stati aperti a favore di stranieri 1316 conti in franchi svizzeri e i fondi investiti presso la Texon hanno superato al 30 marzo 1977 la somma di Fr. ... Secondo le deposizioni del direttore, i clienti erano indirizzati alla Texon da amici, a conoscenza delle possibilità d'investimento, stimolati dal reddito di regola superiore a quello dell'euromercato e con la convinzione che, trattandosi di investimenti in una società straniera, essi andavano esenti dal pagamento dell'imposta preventiva e dell'interesse negativo giusta la legge federale sull'imposta preventiva del 13 ottobre 1965 e la citata ordinanza del 20 novembre 1974/22 gennaio 1975. c) L'affare Texon veniva alla luce nell'aprile del 1977 con il successivo arresto dei dirigenti X. e Y. A questo punto, molti clienti che avevano investito nella Texon si sono rivolti al Credito Svizzero per ottenere il rimborso dei loro averi. Quest'ultimo ha subito comunicato agli investitori ch'esso assumeva nei loro confronti i debiti della Texon, ma che, tenuto a rispettare la legislazione svizzera, doveva riservare fin da quel momento la deduzione dell'imposta preventiva e della provvigione negativa. Per questa ragione, il Credito Svizzero ha rimborsato i creditori della Texon nella misura del 75% e ha trattenuto su conti separati e bloccati - a titolo di garanzia - il rimanente 25%, in attesa che le competenti autorità amministrative stabilissero la ritenuta da operare sui singoli conti sia per l'imposta preventiva sia per l'interesse negativo. d) Nelle descritte circostanze, anche la titolare del conto "Z" s'è vista accreditare un importo di Fr. ..., mentre la rimanenza di Fr. ... veniva versata su di un conto separato "bloccato per garanzia". Dopo una procedura assai lunga e complessa (cfr. la sentenza apparsa in DTF 105 Ib 348 segg., nonché le sentenze inedite del 26 marzo e del 15 giugno 1981), venivano stabilite a carico della titolare del conto "Z" sia l'imposta preventiva che la provvigione negativa. In seguito a questi definitivi accertamenti, il Credito Svizzero ha quindi liberato il conto bloccato a favore della sua titolare per un importo di Fr. ... il 6 marzo 1980 e di Fr. ... il 9 ottobre successivo, conservando la somma di Fr. ... per BGE 110 II 360 S. 364 il pagamento dei suddetti contributi. C.- Con petizione 20 maggio 1977 alla Pretura di Mendrisio-Sud, la W. Inc. - agendo quale cessionaria a titolo fiduciario della titolare del conto "Z" - ha chiesto la condanna del ricorrente al pagamento del saldo da esso trattenuto, ovverosia, dopo riduzione delle pretese in pendenza di procedura, di Fr. ... con interessi del 5% dal 10 ottobre 1980, nonché interessi del 5% su Fr. ... dal 22 aprile 1977 al 6 marzo 1980 e su Fr. ... dal 7 marzo 1980 al 9 ottobre successivo. Il Credito Svizzero ha postulato la reiezione della petizione, che è stata in effetti respinta dal Pretore con decisione del 14 marzo 1982. Con sentenza del 27 aprile 1983, la II Camera civile del Tribunale di appello ha accolto l'appello 28 aprile 1982 della parte attrice e, in riforma del giudizio di prima istanza, ha ammesso integralmente la petizione. D.- Con tempestivo ricorso per riforma, il Credito Svizzero, Succursale di Chiasso, ha impugnato la sentenza d'appello, postulando il rigetto integrale della petizione 20 maggio 1977 e protestando le spese e le ripetibili di tutte le istanze. Dei motivi si dirà, se necessario, nei considerandi. La W. Inc. ha proposto la reiezione del gravame e la conseguente conferma del giudizio impugnato. La corte cantonale non ha presentato osservazioni. Erwägungen Considerando in diritto: 2. Ai fini del giudizio si deve esaminare in primo luogo se il Credito Svizzero è personalmente vincolato dal contratto relativo all'investimento della cedente dell'attrice nella Texon, vuoi per esser stato parte a questo contratto sin dall'inizio da solo o come coobbligato solidale, vuoi perché le regole della buonafede vorrebbero che esso si lasci opporre questo contratto in virtù dell'unità economica esistente fra Texon e Credito Svizzero, vuoi infine perché il convenuto avrebbe assunto a posteriori - a titolo esclusivo o cumulativo - il debito della Texon nei confronti della titolare del conto "Z". Giova appena rilevare infatti che se codesto contratto obbligasse la banca a pagare le somme ritenute, sarebbe superfluo esaminare se la banca stessa è responsabile per l'inadempimento di un'obbligazione precontrattuale o contrattuale BGE 110 II 360 S. 365 di informare, come pure di accertare il danno eventuale che ne è risultato e la natura della riparazione. a) Dalle costatazioni della corte cantonale, si evince in sostanza che la cedente dell'attrice ha voluto obbligarsi con la Texon in quanto persona giuridica distinta, poiché essa ha firmato a suo favore degli ordini scritti di pagamento ed ha pure ottenuto dal Credito Svizzero degli atti di fideiussione a garanzia degli impegni assunti dall'Anstalt. Questa circostanza non esclude però aprioristicamente che il Credito Svizzero si sia potuto vincolare anch'esso, come condebitore solidale, nei confronti della citata cliente. Certo, l'istituto bancario non poteva essere nel contempo debitore principale e garante in quanto fideiussore e, a prima vista almeno, l'esistenza di dichiarazioni scritte di fideiussione dovrebbe smentire la volontà delle parti (Credito Svizzero e cedente dell'attrice) di obbligarsi mediante il contratto principale; sennonché, ove dovesse risultare che la banca s'è comportata in realtà come parte al contratto principale, con l'accordo della cliente, la fideiussione potrebbe essere considerata senza oggetto ed apparire in casu come una semplice precauzione degli interessati, rivelatasi poi del tutto inutile. Il modo particolarmente intenso in cui la Succursale di Chiasso del Credito Svizzero s'è occupata personalmente dell'investimento, fissando ad esempio il tasso d'interesse, consentono perlomeno di chiedersi se il convenuto non debba esser considerato a priori come coobbligato della Texon. Se ciò non fosse il caso, si porrebbe allora la questione di sapere se le regole della buonafede dedotte dall' art. 2 CC non impediscano al convenuto di prevalersi della personalità giuridica indipendente della Texon e del Credito Svizzero, ove si pensi che la prima era un'emanazione della Succursale di Chiasso dello stesso istituto bancario e che le due società si presentavano in realtà come una sola entità economica o perlomeno come due entità strettamente connesse. Per l'esame di tale questione, tornerebbe applicabile la giurisprudenza relativa alla responsabilità verso terzi d'una società anonima dominata e del suo azionista unico o principale che forma con questa un'unità economica (cfr. DTF 108 II 214 consid. 6a e rif.). Le questioni testé evocate possono tuttavia rimanere aperte per i motivi che si esporranno in seguito. b) Partendo dall'ipotesi che il Credito Svizzero non s'era obbligato mediante il contratto principale relativo all'investimento nella Texon della cedente dell'attrice, si deve comunque osservare BGE 110 II 360 S. 366 che, con la scoperta dello scandalo di Chiasso, il convenuto s'è impegnato ad assumere il debito della Texon ( art. 176 CO ). Date le circostanze, non importa stabilire se questa assunzione era esclusiva o cumulativa: favorevole alla titolare del conto "Z", la proposta d'un simile contratto non soggiaceva ad accettazione espressa ( art. 6 CO ), ed è stata in effetti accettata tacitamente dalla creditrice. La portata di questo contratto dev'essere interpretata e determinata secondo il principio dell'affidamento, ovverosia secondo il senso che il destinatario della dichiarazione di volontà deve ragionevolmente attribuire in buonafede ai termini utilizzati ( DTF 108 II 317 , DTF 105 II 18 consid. 3a e rif.). Ora, la proposta del Credito Svizzero era destinata a tranquillizzare i clienti dopo lo scoppio dello scandalo e, a parte le riserve espresse, deve dunque esser recepita come un impegno del convenuto volto ad assumere tutti i debiti della Texon in capitale e interessi. Questa interpretazione si impone poi a maggior ragione ove si pensi che l'impegno generale assunto nei confronti di tutti i clienti dell'Anstalt era destinato in larga misura - e comunque lo è stato nel caso in esame - a sostituire le fideiussioni e le garanzie concesse dal Credito Svizzero. Né un senso diverso può esser dedotto dallo scritto inviato dal convenuto al legale della cliente il 10 maggio 1977, poiché le sole riserve ivi espresse concernono l'obbligo del ricorrente di rispettare le prescrizioni federali sull'imposta preventiva e sulla provvigione negativa. Ne consegue che il contratto d'assunzione di debito dev'esser qui inteso nel senso che il Credito Svizzero ha assunto la totalità dei debiti della Texon risultanti dall'investimento operato dalla cliente, con la sola riserva relativa all'adempimento di norme imperative del diritto pubblico. 3. a) Come risulta dalle costatazioni della corte cantonale - discusse invano dal convenuto - gli investimenti nella Texon beneficiavano di un interesse pattuito del 6% netto, ovverosia senza imposta preventiva né provvigione negativa. D'altra parte la cliente reputava anche che queste contribuzioni non fossero nemmeno dovute, dal momento che la Texon era una società finanziaria straniera che operava all'estero. Per contro, tanto il convenuto quanto la Texon, tenuti ad informare i loro clienti in modo corretto, dovevano comunque sapere che gli investimenti non potevano sfuggire all'imposta preventiva e all'interesse negativo e dovevano ragguagliare di conseguenza i clienti in modo da risparmiar loro ogni possibile danno. In queste circostanze, una BGE 110 II 360 S. 367 simile clausola contrattuale d'interesse netto dev'essere intesa nel senso che la Texon o eventualmente il Credito Svizzero avrebbero sopportato imposta e provvigione ove questi tributi fossero stati invece esatti contro ogni previsione. Ne consegue che il pagamento dell'interesse netto costituisce in casu l'oggetto stesso del contratto e non una semplice condizione di fatto esterna che potrebbe esser presa in considerazione come elemento necessario soltanto nell'ambito dell' art. 24 cpv. 1 n. 4 CO . b) La corte cantonale ha accertato la pattuizione di un interesse netto unicamente per gli investimenti nella Texon, mentre la parte attrice sostiene in risposta che la titolare del conto "Z" aveva già effettuato investimenti presso il Credito Svizzero con interesse netto dal 1972 al 1975. Questa pretesa non si appoggia tuttavia sulle costatazioni determinanti dell'istanza cantonale e la resistente non si prevale neppure di circostanze eccezionali che consentirebbero al Tribunale federale di completare o far completare gli accertamenti di fatto (art. 63/64 OG): ciò stante, ci si deve quindi attenere alla costatazione della sentenza impugnata, secondo cui l'interesse netto del 6% è stato concordato unicamente per gli investimenti operati nella Texon Anstalt. Ora, nel concreto caso, gli averi depositati dalla cedente dell'attrice sono stati trasferiti dal Credito Svizzero alla Texon nell'aprile e nel settembre del 1975, ossia dopo l'entrata in vigore dell'ordinanza del Consiglio federale che istituiva provvedimenti contro l'afflusso di capitali stranieri (21 novembre 1974 alle ore 7 antimeridiane). Per quanto concerne l'imposta preventiva, l'ammontare addossato alla cliente comprende un importo di Fr. ... per gli anni 1972/75 e un importo di Fr. ... per gli anni 1976/77: l'imposta preventiva inerente al periodo che precede il collocamento di capitali nella Texon non è pertanto influenzata dalla nota promessa d'interesse netto e nulla s'oppone pertanto al suo addebitamento in ossequio all' art. 14 cpv. 1 LIP . 4. L'assunzione del debito della Texon da parte del Credito Svizzero sarebbe priva d'oggetto, ove il debito assunto corrispondesse ad un'obbligazione non valida, a causa della nullità del contratto che la prevede ( art. 20 CO ). Ora, se l'impegno della Texon è nullo, la promessa del Credito Svizzero di rispettare codesto impegno sarebbe pure nulla (cfr. DTF 107 II 447 consid. 1) e la fideiussione, in quanto contratto accessorio, sarebbe su tal punto altrettanto inefficace ( art. 492 cpv. 2 CO ). BGE 110 II 360 S. 368 Secondo la giurisprudenza, un contratto o una clausola contrattuale sono nulli per illiceità soltanto se la legge lo prevede espressamente o se la nullità risulta dal senso e dallo scopo della norma in questione ( DTF 107 II 193 /94 consid. 3 e rif.). Il giudice civile deve rilevare la nullità d'ufficio e può esaminare liberamente se il contratto o la clausola contrattuale sono nulli alla luce del diritto privato ( DTF 107 II 449 consid. 2b, DTF 105 II 312 consid. 2, DTF 96 II 390 consid. 3a); esso è invece vincolato dalle decisioni cresciute in giudicato ed emanate dall'autorità amministrativa competente che stabiliscono il principio e fissano l'ammontare dei contributi a titolo d'imposta preventiva e di provvigione negativa (cfr. DTF 108 II 460 segg. e rif.). a) L'art. 5 dell'ordinanza del Consiglio federale che istituiva provvedimenti contro l'afflusso di capitali stranieri imponeva alle banche l'obbligo di addebitare al creditore estero un interesse negativo. Anche se l'ordinanza è stata in seguito modificata e poi abrogata (cfr. RU 1978, 246; 1979, 1002; 1980, 1110; RS 951.151), essa è rimasta nondimeno applicabile, in quanto disciplina temporanea, ai fatti subentrati durante la sua vigenza (cfr. DTF 105 IV 2 /3 consid. 1, DTF 102 IV 202 ). Ora, il testo della norma appena citata non dice alcunché sulla validità o meno di una clausola convenzionale contraria; per converso, il commentario e le direttive della Banca nazionale - che non erano stati pubblicati ( DTF 105 Ib 375 consid. 16a) - contengono una regola, n. 16, che vieta alle banche di assumersi il pagamento dell'interesse negativo e, nell'ambito di ricorsi proposti da singoli clienti della Texon/Credito Svizzero contro la decisione 27 febbraio 1978 della Banca nazionale (cfr. DTF 105 Ib 352 ), il Tribunale federale ha avuto modo di rilevare che tale regola era conforme al senso ed allo scopo della norma, ma che quest'ultima non s'opponeva affatto al computo di indennità di risarcimento eventualmente dovute dalla banca al cliente in virtù del diritto civile (sentenza 15 giugno 1981 in re S., consid. 4c; sentenza 26 marzo 1981 in re D., consid. 10c). Da questa giurisprudenza non v'è motivo di scostarsi, poiché la finalità stessa della legislazione monetaria urgente era quella di impedire agli interessati - tramite accordi privati - di rendere a priori inefficace una disposizione imperativa volta a combattere contro l'afflusso indesiderato di capitali stranieri e a provocarne il deflusso (cfr. DTF 105 Ib 359 b, 369 consid. 11a); simili accordi, infatti, avrebbero eliminato d'acchito l'effetto dissuasivo insito nella provvigione negativa. In queste circostanze, è dunque BGE 110 II 360 S. 369 nulla ( art. 20 CO ) una convenzione conclusa fra il cliente e la banca con cui quest'ultima si sarebbe impegnata ad assumere - direttamente o indirettamente - il pagamento dell'interesse negativo: ciò significa in altre parole che, nella misura in cui la pattuizione di un interesse netto del 6% implica la promessa della Texon/Credito Svizzero di prendere a suo carico l'ammontare della provvigione, la relativa clausola contrattuale si rivela nulla per illiceità. b) In virtù dell' art. 14 cpv. 1 LIP , il contribuente, ovverosia il debitore della prestazione imponibile ( art. 10 cpv. 1 LIP ), deve dedurre l'imposta preventiva all'atto del pagamento, della girata, dell'accreditamento o del computo di codesta prestazione, senza riguardo alla persona del beneficiario, e ogni convenzione in contrario è nulla. Questa disposizione consente al contribuente di recuperare l'imposta addossando il carico fiscale al destinatario della prestazione imponibile, che lo sopporta vuoi provvisoriamente, quando può far valere il suo diritto al rimborso nelle condizioni poste dagli art. 21 e segg. LIP, vuoi definitivamente, quando le dette condizioni non sono adempiute ( DTF 108 Ib 477 consid. 3a/b, DTF 107 Ib 104 consid. 4; ASA 44.322 segg.). Secondo l'opinione espressa dalla dottrina e dall'Amministrazione federale delle contribuzioni e condivisa dal Tribunale federale, l' art. 14 LIP non impedirebbe tuttavia al debitore della prestazione imponibile di prendere l'imposta a suo carico; sennonché, avendo il contribuente l'obbligo di diritto pubblico di addossarla al beneficiario (DTF DTF 108 Ib 477 consid. 3a), l'importo effettivo della prestazione concordata dalle parti ed imponibile sarebbe in pratica più elevato, il debitore dovendo determinare questo importo effettivo, calcolare quello dell'imposta e trasferire poi l'onere fiscale al creditore, ovvero al beneficiario di codesta prestazione imponibile (cfr. DTF 108 Ib 478 consid. 3c; W. ROBERT PFUND, Die eidgenössische Verrechnungssteuer, n. 3.4 e 3.5 all'art. 13). Ai fini del giudizio, tale questione non merita tuttavia maggiore approfondimento e non occorre esaminare in modo particolare se il giudice civile possa pronunciarsi o meno sull'esistenza e sulla validità d'una simile convenzione stipulata dalle parti: nella fattispecie, la relativa clausola contrattuale si rivela infatti nulla per un altro motivo. c) La validità della clausola contrattuale che lasciava l'imposta preventiva a carico della banca dev'essere vagliata - d'ufficio - BGE 110 II 360 S. 370 anche alla luce del divieto di corrispondere interessi, ovverosia di rimunerare i capitali stranieri depositati in Svizzera (art. 4 cpv. 1 della citata ordinanza del 20 novembre 1974/22 gennaio 1975). ca) Come risulta dalle considerazioni che precedono, la clausola relativa all'interesse netto dev'essere compresa nel senso che questa clausola comportava un interesse lordo superiore, il quale consentiva a sua volta di versare o bonificare al cliente l'interesse netto dopo deduzione dell'imposta preventiva. Ne discende che, nella misura in cui la cessionaria della titolare del conto "Z" invoca questa clausola per opporsi al trasferimento dell'imposta preventiva, essa si avvale in realtà d'una componente della clausola relativa agli interessi: ora, se questa clausola è nulla giusta l' art. 20 CO , la parte attrice non può ovviamente prevalersene. cb) La clausola contrattuale testé citata si riferisce ad interessi promessi su capitali esteri depositati in Svizzera fra l'aprile del 1975 ed il 31 marzo 1977 e collocati ogni volta a termine per un periodo di sei mesi. In quel momento, era in vigore la nota ordinanza del 20 novembre 1974, secondo la modificazione del 22 gennaio 1975, e l'art. 4 cpv. 1 di codesta ordinanza stabiliva che i capitali stranieri non potevano più essere rimunerati. Ora, la legittimità e la costituzionalità di questa disposizione non possono essere revocate in dubbio (cfr. DTF 105 Ib 369 segg. consid. 11): il divieto di rimunerare i capitali stranieri, ovverosia di corrispondere interessi positivi, perseguiva infatti lo stesso scopo insito nel prelevamento della provvigione ed era destinato anzi ad assicurare l'efficacia di questa contribuzione. Dal profilo del diritto civile, la sanzione giuridica legata a questa regola non può essere altro che la nullità di una clausola contrattuale che comporti una trasgressione di questo divieto; basti osservare a titolo di raffronto che la giurisprudenza considera pure nulle le convenzioni d'interessi che appaiono incompatibili con le disposizioni del diritto imperativo che le concernono (cfr. DTF 96 I 9 consid. 3a, DTF 93 II 190 segg., DTF 80 II 329 consid. 2). cc) Se ne deve concludere che la clausola contrattuale relativa all'interesse netto dev'esser dichiarata nulla poiché contraria all'art. 4 dell'ordinanza del Consiglio federale. La soluzione potrebbe essere diversa soltanto se la Banca nazionale avesse concesso su tal punto una deroga in applicazione dell'art. 4 cpv. 2 della citata ordinanza: sennonché, una siffatta deroga al divieto di rimunerare i capitali stranieri non risulta né dalla sentenza impugnata, né dalle allegazioni delle parti e la BGE 110 II 360 S. 371 questione non merita quindi maggiore approfondimento. d) Nella fattispecie, tuttavia, le parti e comunque la cedente dell'attrice sono partite dal presupposto che l'investimento nella Texon non era soggetto alla legislazione valutaria. In mancanza d'una tempestiva dichiarazione d'invalidazione ai sensi dell' art. 31 CO non occorre stabilire in questa sede se tale circostanza permettesse - eventualmente - di non mantenere il contratto a causa d'un vizio del consenso. Per converso, si deve rilevare che, su tal punto, non può essere ravvisata un'obbligazione contrattuale assunta dalla Texon/Credito Svizzero sotto forma d'una promessa relativa al suo non assoggettamento alla legislazione monetaria, obbligazione che ingenererebbe la sua responsabilità per inadempienza; del resto, una simile clausola contrattuale destinata ad impedire - anche solo a titolo eventuale - l'applicazione di una norma imperativa che comporta la nullità di accordi contrari, sarebbe inficiata anch'essa da nullità. e) Da quanto sopra discende che la convenzione d'interessi stipulata dalle parti - attuali o originarie - è nulla in applicazione dell' art. 20 CO , nella misura in cui essa ha liberato la cedente dell'attrice dall'addossamento dell'imposta preventiva e della provvigione negativa (cfr. DTF 102 II 403 segg.), ritenuto altresì che, per le particolarità del caso, non occorre valutare l'incidenza della nullità di talune clausole contrattuali sulla validità dell'intero contratto ( art. 20 cpv. 2 CO ). È pacifico quindi che, per la nullità della clausola invocata, la pretesa della resistente di ricuperare le somme trattenute non può fondarsi su di una valida obbligazione di fare, che la Texon/Credito Svizzero non può neppure esser tenuta a risarcire un danno derivato dall'inadempimento d'una siffatta obbligazione giuridicamente inesistente e che, per lo stesso motivo, la domanda della parte attrice non può essere accolta sulla base dell' art. 400 CO , contrariamente a quanto asseverato dalla corte cantonale. 5. La nullità della clausola contrattuale litigiosa non impedisce tuttavia che il Credito Svizzero possa esser tenuto a rispondere di un danno in virtù di un'altra causa giuridica (cfr. DTF 45 II 553 /54, DTF 40 II 370 /72, criticate a torto dal ricorrente). a) Come risulta dalla querelata sentenza, la cedente dell'attrice era legata per contratto al Credito Svizzero fin dal 1972 e vi aveva depositato i propri averi. Ora, ai fini del giudizio, non occorre stabilire con esattezza la natura e la portata delle relazioni instaurate BGE 110 II 360 S. 372 con la banca, che fa menzione di un contratto di deposito di titoli e conto corrente retti dalle disposizioni sul mandato, ad esclusione di un mandato avente per oggetto la gestione di un patrimonio (cfr. DTF 100 II 370 segg. consid. 3, DTF 96 II 149 /50 consid. 2, DTF 91 II 445 segg.). Per converso, basta osservar invece - con la corte cantonale - che il direttore X. ha consigliato alla cliente di investire Fr. ... sulla Texon nel 1975 nell'ambito di rapporti contrattuali, facendole credere che essa avrebbe beneficiato di un interesse del 6% e che questo interesse sarebbe stato netto da imposta preventiva e provvigione negativa poiché la Texon non era a parer suo soggetta a questi contributi, essendo una persona giuridica straniera operante all'estero. Ora, questi ragguagli erano - come s'è visto - totalmente errati, ed anche volendo supporre che il contratto stipulato fra le parti non prevedesse sin dall'inizio un simile dovere contrattuale della banca di consigliare il cliente, si dovrebbe comunque dedurre che le parti stesse hanno in quel mentre esteso a tal fine l'oggetto del mandato per atti concludenti. Ne consegue che, in quanto mandatario incaricato di vigilare agli interessi della sua cliente, il Credito Svizzero doveva fare tutto il necessario per eseguire regolarmente e fedelmente l'affare affidatogli e gli incombeva in modo particolare di informare senza indugi il mandante su ogni circostanza che poteva impedire o rendere difficile l'adempimento del proprio compito; se il convenuto voleva dare consigli circa la possibilità e le modalità d'investimento, doveva farlo allora in modo corretto, nella misura che da lui si poteva ragionevolmente pretendere, e semmai sarebbe stato suo dovere di ragguagliarsi preventivamente prima di consigliare il proprio mandante (art. 397/398 CO; DTF 108 II 197 segg., DTF 93 II 313 /14 consid. 2a). Ora, nella fattispecie, ci si poteva perlomeno attendere da un istituto bancario come la Succursale di Chiasso del Credito Svizzero che fosse a conoscenza della legislazione sull'imposta preventiva e sulla protezione della moneta, in modo da consigliare con compiutezza e diligenza la propria cliente, ed una corretta informazione in tal senso si imponeva poi a maggior ragione ove si pensi che la normativa urgente sulla salvaguardia della moneta era destinata a dissuadere gli investitori stranieri dal collocare capitali in franchi svizzeri, colpendo contemporaneamente i relativi averi con un divieto di rimunerazione e con il prelevamento di una provvigione negativa (cfr. sentenza 26 marzo 1981 in re D., già citata, consid. 5c/d). È dunque evidente che il convenuto BGE 110 II 360 S. 373 ha disatteso in modo particolarmente grave l'obbligo che gli incombeva di informare la cedente dell'attrice, spingendola anzi ad investire denaro nella Texon, in special modo mediante il rilascio di una fideiussione atta a garantire tale investimento. In questo contesto, del resto, non è superfluo rilevare che se le parti - contrariamente al caso in esame - non fossero già state legate da un contratto al momento del deposito di capitali presso la Texon, le regole inerenti ai doveri precontrattuali avrebbero comunque imposto agli organi dell'istituto bancario di informare i clienti sia sulla situazione di fatto, sia sulla legislazione bancaria e valutaria concretamente applicabile (cfr. DTF 105 II 79 consid. 2); ed in questa ipotesi, il contratto sarebbe comunque intervenuto in seguito ed il dovere contrattuale di fedeltà della Texon/Credito Svizzero avrebbe voluto allora che il cliente fosse immediatamente informato sull'impossibilità di soddisfare il contratto. b) Stante quel che precede, il Credito Svizzero deve pertanto rispondere nei confronti dell'attrice per l'inadempimento di questa obbligazione di informare ai sensi degli art. 97, 397 e 398 CO . In materia contrattuale, il mandante può far valere il suo interesse all'esecuzione di detta obbligazione, ovverosia l'interesse contrattuale positivo, e chiedere il risarcimento del danno che egli non avrebbe patito ove la necessaria informazione fosse stata esatta e completa (e non l'interesse all'adempimento del contratto concluso con la Texon in seguito all'informazione erronea, ovvero al rispetto della clausola d'interesse netto, come ritenuto - a quanto sembra - dalla corte cantonale). Ora, su tal punto, i giudici di seconda istanza - che non hanno posto il problema in modo corretto - non hanno neppure raccolto sufficienti elementi che permettano di valutare l'esistenza ed eventualmente l'estensione del pregiudizio subito. Senza dubbio, essi rilevano nella sentenza impugnata che l'investimento nella Texon non era particolarmente vantaggioso e che sussistevano sull'euromercato possibilità equivalenti; ma questa considerazione della corte cantonale - che esclude espressamente il calcolo del danno sulla base dell'interesse negativo alla conclusione del contratto - non appare sufficiente ed in particolare non permette al Tribunale federale di sapere ciò che la cliente della Texon avrebbe fatto ove fosse stata esaurientemente informata. Vero è che, per pronunciarsi su fatti congetturali e retrospettivi di questo tipo, il giudice BGE 110 II 360 S. 374 civile deve far capo alla regola dell' art. 42 cpv. 2 CO , a cui rinvia l' art. 99 cpv. 3 CO : tuttavia, egli ha pur sempre bisogno di fatti precisi - ai quali la sentenza impugnata neppure allude - che riguardino l'ipotetico comportamento del danneggiato senza il verificarsi dell'evento dannoso. In quest'ordine di idee, sarebbe utile conoscere la reazione di clienti stranieri di altre banche nel momento in cui essi vennero informati circa la portata della legislazione monetaria, e sapere altresì se vi sono motivi per ritenere che la cedente dell'attrice avrebbe reagito in un determinato modo, ove fosse stata debitamente ragguagliata. Se ne deve concludere che, mancando qualsiasi indicazione a tal proposito, il Tribunale federale non può stabilire se la cedente dell'attrice abbia diritto al risarcimento di un danno, il cui importo corrisponda realmente a quello fatto valere con la domanda; da questo profilo, il ricorso del convenuto deve pertanto essere accolto, la sentenza impugnata annullata e la causa dev'essere rinviata alla corte d'appello perché completi i fatti, nella misura consentita dalla procedura cantonale, e si pronunci in diritto sui punti testé evocati conformemente ai considerandi del Tribunale federale ( art. 64 cpv. 1 e 66 OG ). 6. In caso d'accoglimento della petizione nel suo principio, il convenuto pretende in sostanza che la sua responsabilità dovrebbe essere sminuita vuoi a causa di un'asserita colpa concomitante o concolpa della cliente ( art. 44 CO ), vuoi in considerazione del suo intervento disinteressato ( art. 99 cpv. 2 CO ). A ragione la corte cantonale ha però respinto queste eccezioni. Basti osservare che il Credito Svizzero ha perlomeno assunto il debito della Texon e deve pertanto onorarlo, e che questo argomento è anche incompatibile con le regole della buonafede poiché il danno subito dalla cliente è dovuto essenzialmente - per non dire esclusivamente - alle azioni ed omissioni degli organi del convenuto, commesse del resto nell'ambito di un'attività lucrativa. D'altra parte il Credito Svizzero è anche malvenuto a rimproverare ai suoi clienti l'ignoranza della disciplina fiscale e valutaria nonché l'inconsapevolezza della situazione di fatto della Texon, propria a determinare l'applicazione di questa disciplina: non v'è motivo infatti per ritenere che i clienti stranieri abbiano avuto debita contezza di codesta legislazione e, dinanzi al grave inganno messo in atto dagli organi della Texon, rispettivamente della Succursale di Chiasso del Credito Svizzero, non si può certo addebitare a questi clienti l'ignoranza della legge o la disconoscenza BGE 110 II 360 S. 375 della situazione di fatto; ed in questo contesto, la circostanza - allegata dal convenuto - per cui la cedente dell'attrice sia stata assistita da un ragioniere, è assolutamente irrilevante. Dispositiv Per questi motivi, il Tribunale federale pronuncia: Il ricorso è parzialmente accolto, la sentenza impugnata è annullata e la causa è rinviata alla corte cantonale per nuova decisione nel senso dei considerandi.
public_law
nan
it
1,984
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CH_BGE_004
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89e42d60-3516-4d1f-8f31-61c538c3f369
Urteilskopf 117 II 332 60. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 13 août 1991 dans la cause M. contre S. AG (recours en réforme)
Regeste Art. 8 UWG . Abtretungsklausel eines Vertrages. 1. Voraussetzungen der Anwendung von Art. 8 UWG (E. 5a). 2. Die Klausel eines Automatenaufstellungsvertrages, welche die Abtretung des Vertrages an einen Dritten zulässt, fällt nicht unter Art. 8 UWG (E. 5b).
Sachverhalt ab Seite 332 BGE 117 II 332 S. 332 A.- M. a conclu avec C. un contrat d'exploitation de jeux et d'appareils automatiques qui devaient être installés dans le bar que M. se proposait de tenir. Selon l'art. 6, l'exploitant avait le pouvoir de céder à un tiers les droits et obligations issus du contrat. C. a cédé à S. AG les droits et les obligations découlant du contrat. M. a avisé C. qu'il résiliait le contrat. S. AG a contesté cette résiliation. B.- Par jugement du 11 octobre 1989, le Tribunal civil de l'arrondissement de la Sarine a partiellement fait droit à l'action BGE 117 II 332 S. 333 de S. AG, en ce sens qu'il a condamné M. à lui verser la somme de 50'000 francs, plus intérêts. Statuant sur recours de M., la Cour d'appel du Tribunal cantonal du canton de Fribourg a, par arrêt du 1er juin 1990, confirmé ce jugement. C.- Le Tribunal fédéral a rejeté dans la mesure où il était recevable le recours en réforme interjeté par le défendeur et a confirmé l'arrêt attaqué. Erwägungen Extrait des considérants: 5. Le défendeur est d'avis que la cour cantonale a violé l'art. 8 LCD. a) Aux termes de l'art. 8 LCD, agit de façon déloyale celui qui, notamment, utilise des conditions générales préalablement formulées, qui sont de nature à provoquer une erreur au détriment d'une partie contractante et qui (let. a) dérogent notablement au régime légal applicable directement ou par analogie ou (let. b) prévoient une répartition des droits et des obligations s'écartant notablement de celle qui découle de la nature du contrat. L'exigence de conditions générales qui soient de nature à provoquer une erreur doit être satisfaite tant dans l'hypothèse prévue à la lettre a que dans celle visée à la lettre b. L'art. 8 LCD n'est donc pas applicable lorsque la seule hypothèse de la lettre a ou de la lettre b est réalisée, à l'exclusion de la condition posée préalablement (DESSEMONTET, Que reste-t-il de l'article 8 LCD sur les conditions générales? in La société anonyme suisse, 59/1987 p. 110). Pour que la première hypothèse (let. a) soit fondée, la dérogation au régime légal, c'est-à-dire aux normes juridiques écrites, impératives et dispositives, ainsi qu'aux principes juridiques dégagés par la jurisprudence et la doctrine, doit avoir pour effet d'en compromettre sensiblement l'équilibre. Lorsque aucune règle légale n'existe, notamment pour les contrats dits innommés, les dispositions légales régissant les divers types de contrats doivent pouvoir s'appliquer par analogie (Message, FF 1983 II 1107). Il ne s'agit pas de n'importe quelle dérogation, car elle suppose une certaine intensité (DESSEMONTET, Le contrôle judiciaire des conditions générales, in La nouvelle loi fédérale contre la concurrence déloyale, p. 74). La seconde hypothèse (let. b) est subsidiaire et pourra être invoquée lorsque le régime BGE 117 II 332 S. 334 légal applicable par analogie ne donne aucun résultat (Message, loc.cit.). b) Le contrat d'exploitation de jeux et d'appareils automatiques que les parties ont passé le 28 mars 1983 est, en l'espèce, un contrat de bail. Il est ainsi soumis aux dispositions légales régissant ce type de contrat (ATF 110 II 475 consid. a). On se trouve dans l'hypothèse de la lettre a de sorte qu'il ne sera pas nécessaire d'examiner la clause incriminée sous l'angle de l'art. 8 let. b LCD. Le changement d'une partie ou des deux parties au contrat n'entraîne pas une modification de son contenu. La cession présuppose au contraire que le contrat cédé soit maintenu dans son intégrité, conformément au principe d'identité. Il y a altération subjective du contrat mais non modification (REYMOND, La cession des contrats, p. 47). Selon le contrat en cause, le défendeur devait, contre redevance de son contractant, mettre à sa disposition un emplacement pour l'exploitation des jeux. On ne voit pas en quoi le contrat serait notablement modifié, que ce soit C. ou la demanderesse qui revête la qualité de cocontractant. Quand bien même cette clause constituerait une dérogation aux dispositions légales sur le contrat de bail, celle-ci ne serait pas de nature à altérer de manière sensible, au détriment du défendeur, l'équilibre des droits et obligations des parties tels qu'ils résultent du contrat. Dès lors que les conditions légales ne sont pas réalisées, il importe peu sous l'angle de la LCD que le défendeur ait mal compris la clause, au demeurant claire, qu'il avait lue.
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1,991
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CH_BGE_004
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89e7bbff-5005-42c5-8ca9-6a4750c4ee00
Urteilskopf 139 III 190 26. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. contre Z. SA (recours en matière civile) 4A_646/2011 et autres du 26 février 2013
Regeste Art. 97 Abs. 1 OR ; Klage auf Erstattung der im Rahmen eines Zivilprozesses angefallenen Prozesskosten; Koordination der haftpflichtrechtlichen Regeln mit den zivilprozessualen Bestimmungen über die Parteientschädigung. Eine separate oder nachträgliche Schadenersatzklage ist ausgeschlossen für alle Prozesskosten, die von der Parteientschädigung nach Art. 95 Abs. 3 ZPO erfasst sind, selbst wenn die obsiegende Partei nach dem gemäss Art. 116 Abs. 1 ZPO vorbehaltenen kantonalen Recht keine Parteientschädigung erhält (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 190 BGE 139 III 190 S. 190 X. est locataire d'un appartement de trois pièces dans un bâtiment d'habitation sis à Carouge. En 1998, 2001 et 2003, il a intenté trois actions judiciaires à la bailleresse Y. SA, les deux premières tendant à la réduction du loyer et à l'exécution de travaux par suite de défauts du bien loué, et la troisième tendant à l'annulation d'un congé. A chaque fois, le locataire a usé des services professionnels de Me Mauro Poggia, avocat à Genève, et il a obtenu définitivement gain de cause. En février 2006, assisté de Me Michel Rudermann, le BGE 139 III 190 S. 191 locataire a intenté une nouvelle action tendant à la réduction du loyer et à l'exécution de travaux. Le 13 avril 2007, devant la commission de conciliation compétente puis devant le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève, X. a derechef ouvert action contre Y. SA. La défenderesse devait être condamnée à payer en capital, outre d'autres montants, 30'160 fr. pour remboursement des honoraires versés à Me Poggia. Le tribunal a rejeté l'action. Saisie par le demandeur, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers a statué le 21 juin 2010; elle a renvoyé la cause au Tribunal des baux et loyers, pour complément d'instruction et nouvelle décision, en tant que la demande portait sur le remboursement de 30'160 fr. versés à Me Poggia. Le Tribunal fédéral a statué le 6 décembre 2010 sur les recours introduits contre cette décision (arrêt 4A_423/2010 et 4A_451/2010). La contestation s'est ensuite poursuivie devant le Tribunal des baux et loyers, conformément à l'arrêt de la Chambre d'appel. Par un nouveau jugement du 15 septembre 2011, le Tribunal des baux et loyers a condamné la défenderesse à payer 5'182 fr. en capital. Les deux parties ont appelé à la Chambre des baux et loyers de la Cour de justice. Celle-ci a statué le 8 août 2012; elle a joint les causes et déclaré les deux appels irrecevables. Deux recours ont été introduits devant le Tribunal fédéral contre cette dernière décision, l'un par le demandeur, l'autre par Z. SA qui s'était entre-temps substituée à Y. SA. Le demandeur avait par ailleurs introduit un recours dirigé contre l'arrêt de renvoi du 21 juin 2010 et contre le jugement du 15 septembre 2011. Selon ses conclusions, l'adverse partie devait être condamnée à payer 30'160 fr. en capital. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 4. Il reste à examiner les moyens que les parties développent contre l'arrêt du 21 juin 2010. Il s'agit d'une décision incidente qui n'était pas susceptible d'un recours séparé selon l' art. 93 al. 1 LTF ; elle peut en revanche être attaquée avec la décision finale, dans la mesure où elle influe sur son contenu, conformément à l' art. 93 al. 3 LTF . La défenderesse prend des conclusions tendant à l'irrecevabilité de la demande en justice ou, subsidiairement, au rejet de l'action; elles sont recevables au regard de cette dernière disposition. Il y a lieu de prendre en considération, ici, les conclusions et les motifs que le BGE 139 III 190 S. 192 demandeur présente dans son recours précédemment introduit, dirigé cumulativement contre l'arrêt de renvoi du 21 juin 2010 et contre le jugement du 15 septembre 2011. 4.1 Le demandeur soutient que les honoraires versés à Me Poggia, pour se faire conseiller et assister dans les procès qui l'ont opposé à sa cocontractante, constituent un dommage dont il peut demander réparation sur la base de l' art. 97 al. 1 CO , pour mauvaise exécution du contrat de bail à loyer. Dans son arrêt de renvoi, la Chambre d'appel a retenu que les frais d'avocat afférents aux deux actions tendant à la réduction du loyer et à l'exécution de travaux doivent effectivement être remboursés au titre de la responsabilité contractuelle; en revanche, le congé ne procédait pas d'une mauvaise exécution du contrat, quoiqu'il fût vicié, et les frais de la contestation y relative ne donnent donc pas lieu à réparation. Il fallait donc distinguer et constater les honoraires afférents à ces contestations-là; de plus, les réductions de loyer obtenues par le demandeur devaient être imputées sur les frais d'avocat à rembourser. A ces fins, la cause était renvoyée au Tribunal des baux et loyers. Devant le Tribunal fédéral, le demandeur entreprend de démontrer que ces distinctions et imputations ne sont pas justifiées et qu'il a droit au remboursement de la totalité des frais afférents aux trois actions. La défenderesse, parmi d'autres moyens, soutient qu'elle ne doit aucun dédommagement parce que le droit cantonal de procédure n'accordait pas de dépens dans les contestations en matière de bail à loyer; à titre subsidiaire, se référant au droit civil fédéral, elle affirme n'avoir commis aucun acte illicite et elle soutient que seule sa responsabilité délictuelle, le cas échéant, pourrait entraîner une obligation de rembourser des frais de procédure. 4.2 Selon la jurisprudence, lorsque le droit de procédure civile permet au plaideur victorieux de se faire dédommager de tous les frais nécessaires et indispensables qu'il a consacrés à un procès, ce droit est seul applicable, et il ne laisse aucune place à une action qui serait fondée sur le droit civil fédéral, séparée ou ultérieure, tendant au remboursement des frais par l'adverse partie (arrêt 4C.51/2000 du 7 août 2000 consid. 3, in SJ 2001 I p. 153; ROLAND BREHM, in Commentaire bernois, 3 e éd. 2006, n° 88 ad art. 41 CO ). Le dommage sujet à réparation comprend en revanche les frais engagés par le lésé pour la consultation d'un avocat avant l'ouverture du procès civil, BGE 139 III 190 S. 193 lorsque cette consultation était nécessaire et adéquate et que les frais ne sont pas couverts ni présumés couverts par les dépens ( ATF 133 II 361 consid. 4.1 p. 363). Cela concerne avant tout les frais de procès dans les actions en dommages-intérêts fondées sur la responsabilité délictuelle (arrêt 4A_282/2009 du 15 décembre 2009 consid. 4). Le plaideur victorieux bénéficie d'un régime plus favorable lorsqu'il s'est heurté à un comportement procédural illicite de son adverse partie, c'est-à-dire lorsque, dans le procès, celle-ci a adopté une position téméraire qu'elle savait ou devait savoir indéfendable. En vertu de l' art. 41 CO , ce comportement illicite engendre l'obligation de réparer le dommage qui en est résulté; il existe alors un concours en l'action accordée par cette disposition de droit fédéral et celle régie, le cas échéant, par le droit de procédure cantonal ou étranger ( ATF 117 II 394 ). 4.3 Le droit genevois en vigueur jusqu'à la fin de 2010 prévoyait spécialement que dans les contestations en matière de bail à loyer de choses immobilières, les tribunaux ne percevaient pas d'émolument judiciaire et n'allouaient pas de dépens ni d'autre indemnité ( art. 447 LPC /GE). C'est pourquoi le demandeur n'a pas pu se faire indemniser de ses frais d'avocat à l'issue des procès concernés, bien qu'il eût à chaque fois obtenu gain de cause. Actuellement, le code unifié ne prévoit pas d'exclusion des dépens, sinon en procédure de conciliation selon l' art. 113 al. 1 CPC , mais l' art. 116 al. 1 CPC habilite les cantons à prévoir des dispenses de frais, lesquelles peuvent porter sur les frais judiciaires et aussi, au regard de la définition des frais consacrée par l' art. 95 al. 1 CPC , sur les dépens ( ATF 139 III 182 consid. 2.2-2.6). L' art. 115 CPC prévoit que même dans les procédures gratuites, les frais - et aussi les dépens, compte tenu de la même définition - peuvent être mis à la charge de la partie qui a procédé de façon téméraire ou de mauvaise foi. 4.4 Il s'impose de préciser la jurisprudence rapportée ci-dessus relative aux rapports entre le droit de la responsabilité civile et celui de la procédure civile: une action en dommages-intérêts séparée ou ultérieure est exclue de manière générale pour tous les frais qui s'incorporent aux dépens d'un procès selon l' art. 95 al. 3 CPC . Cela concerne aussi les procédures et les domaines juridiques pour lesquels une règle spécifique fédérale ou cantonale exclut que ces dépens soient taxés et répartis conformément aux art. 105 al. 2 et 106 CPC . En effet, les actions en dommages-intérêts accordées par le droit de la BGE 139 III 190 S. 194 responsabilité civile, notamment par les art. 41 ou 97 CO , ne sont pas disponibles pour éluder les règles spécifiques du droit de procédure civile et procurer au plaideur victorieux, en dépit de ces règles, une réparation que le législateur compétent tient pour inappropriée ou contraire à des intérêts supérieurs. Dans le même sens, un plaideur ne saurait obtenir par une action en dommages-intérêts, non plus, les dépens que le juge du procès s'est abstenu d'allouer en application de l' art. 107 CPC . En revanche, quelles que soient les règles spécifiques en cause, l' art. 115 CPC garantit une réparation au plaideur dont l'adverse partie s'est comportée avec témérité ou mauvaise foi. Ce principe de coordination du droit de la responsabilité civile avec celui de la procédure civile doit s'appliquer aussi aux frais des procès encore régis par le droit cantonal de procédure désormais remplacé par le code unifié. Le législateur genevois ayant spécialement prévu que la partie victorieuse n'obtiendrait pas de dépens dans les contestations en matière de bail à loyer de choses immobilières, l' art. 97 CO ne permet pas d'exiger des dommages-intérêts destinés à remplacer ces dépens. Pour ce motif, conformément à l'opinion de la défenderesse, les autorités précédentes auraient dû rejeter l'action que le demandeur prétend fonder sur cette dernière disposition. Cela entraîne l'admission du recours introduit par elle, l'annulation de l'arrêt du 21 juin 2010 et la réforme de celui du 8 août 2012. En tant que ce dernier est une décision d'irrecevabilité qui ne s'est pas substituée au jugement du 15 septembre 2011, il y a lieu d'annuler aussi ce prononcé-ci. Le recours du demandeur, mal fondé, doit être rejeté.
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Urteilskopf 125 III 14 3. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. November 1998 i.S. S. AG gegen N. (Berufung)
Regeste Agenturvertrag; fristlose Entlassung; Berechnung des Schadenersatzanspruches des Agenten ( Art. 418r Abs. 2 OR i.V.m. Art. 337c OR ). Für die Bestimmung der dem Agenten nach Art. 337c Abs. 1 OR auszurichtenden Entschädigung ist auf die in vergleichbaren Perioden in der Vergangenheit erzielten Provisionen abzustellen (E. 2b). Nach der Vertragsauflösung unerwartet eingetretene und vom Agenten nicht zu vertretenden Umstände sind bei der Berechnung des Schadenersatzes nicht zu berücksichtigen (E. 2c).
Sachverhalt ab Seite 15 BGE 125 III 14 S. 15 N. (Kläger) schloss am 16. Oktober 1991 mit der S. AG (Beklagte) einen Agenturvertrag, worin ihm die Vertretung gegenüber bestimmten Grosskunden bezüglich eines festgelegten Süsswaren-Sortiments übertragen wurde. Der Vertrag sah eine Kündigungsfrist von drei Monaten vor. Nachdem die Beklagte davon erfahren hatte, dass der Kläger sich am Aktienkapital des neu gegründeten Konkurrenzunternehmens C. AG mit Fr. 10'000.-- beteiligt hatte, kam es am 12. Januar 1996 zu einer Aussprache zwischen den Parteien. Am 27. Februar 1996 kündigte die Beklagte den Agenturvertrag mit dem Kläger fristlos. Dieser akzeptierte die Kündigung nicht und bot weiter seine vertragliche Arbeitsleistung an, die jedoch von der Beklagten nicht angenommen wurde. Daraufhin unterzeichnete der Kläger am 12. März 1996 einen Agenturvertrag mit der C. AG. Am 7. März 1997 belangte der Kläger die Beklagte auf Fr. 73'140.-- zuzüglich Zins. In der Folge reduzierte er seine Klageforderung auf Fr. 40'740.-- nebst Zins. Mit Urteil vom 20. März 1998 hiess das Handelsgericht des Kantons Bern die Klage teilweise gut und sprach dem Kläger Fr. 40'210.35 nebst Zins zu. Das Bundesgericht weist die Berufung der Beklagten ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Handelsgericht erachtete die fristlose Entlassung des Klägers als ungerechtfertigt. Dessen Schadenersatzanspruch gemäss Art. 337c Abs. 1 OR berechnete es auf der Grundlage der im letzten Jahr vor Auflösung des Agenturvertrages durchschnittlich erzielten monatlichen Provisionen. Die Beklagte bestreitet im Berufungsverfahren nicht mehr, den Agenturvertrag mit dem Kläger ohne wichtigen Grund fristlos gekündigt zu haben. Mit der Berufung macht sie aber geltend, das Handelsgericht habe den auf BGE 125 III 14 S. 16 die ordentliche Kündigungsfrist entfallenden Lohn nach falschen Grundsätzen berechnet und damit Art. 337c Abs. 1 OR verletzt. a) Art. 418r Abs. 2 OR verweist für die Kündigung des Agenturvertrages aus wichtigen Gründen auf "die Bestimmungen über den Dienstvertrag". Gemeint sind damit grundsätzlich die Art. 337 f. OR (Tercier, Les contrats spéciaux, Zürich 1995, Rz. 4397). Es ist - entgegen gewissen Zweifeln in der Literatur (vgl. WETTENSCHWILER, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, 2. Aufl., N. 2 zu Art. 418r OR ) - nicht ersichtlich, weshalb Art. 337c Abs. 1 und 2 OR beim Agenturvertrag nicht anwendbar sein sollen. Mit Blick darauf, dass Streitigkeiten der Parteien über das Vorliegen eines wichtigen Grundes selten während der ordentlichen Kündigungsfrist rechtsverbindlich beigelegt werden können, ist es sachgerecht, das Agenturverhältnis auch dann als sofort beendet zu betrachten, wenn sich die fristlose Vertragsauflösung nachträglich als ungerechtfertigt erweist. Entsprechend schuldet der Auftraggeber Schadenersatz im Sinne von Art. 337c Abs. 1 und 2 OR . b) Erweist sich die fristlose Entlassung als nicht gerechtfertigt, so hat der Arbeitnehmer gemäss Art. 337c Abs. 1 OR Anspruch auf Ersatz dessen, was er verdient hätte, wenn das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendigt worden wäre. Die Berechnung kann Schwierigkeiten bereiten, wenn nicht ein fester Monats- oder Stundenlohn geschuldet ist, sondern sich die Entschädigung nach dem tatsächlich erzielten Umsatz richtet. Ähnlich wie bei der Bestimmung des Ferienlohns ( Art. 329d OR ) oder der Lohnfortzahlungspflicht bei Arbeitsverhinderung ( Art. 324a OR ) besteht die Problematik, dass der Agent als Folge der vorzeitigen Vertragsbeendigung in der fraglichen Periode keine umsatzwirksamen Tätigkeiten entfalten kann. Zweckmässigerweise wird in diesen Fällen für die Bestimmung der entsprechenden Entschädigungen auf die in der Vergangenheit erzielten Durchschnittswerte abgestellt (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 5. Aufl., N. 9 zu Art. 324a/b OR und N. 3 zu Art. 329d OR ; STAEHELIN, ZÜRCHER KOMMENTAR, N. 49 zu Art. 324a OR und N. 2 f. zu Art. 329d OR ; BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, Bern 1996, N. 3b zu Art. 329d OR ; teilweise abweichend: REHBINDER, Berner Kommentar, N. 23 zu Art. 324a OR und N. 5 f. zu Art. 329d OR ). Im Lichte von Art. 337c OR ist möglichst genau und konkret zu bestimmen, was der Arbeitnehmer tatsächlich verdient hätte, wenn ihm ordentlich gekündigt worden wäre und er während der Kündigungsfrist weitergearbeitet hätte. Massgebend ist grundsätzlich nicht BGE 125 III 14 S. 17 der in der Vergangenheit durchschnittlich erzielte Verdienst, sondern das hypothetische Einkommen während der Kündigungsfrist. Damit ist allerdings nichts darüber ausgesagt, wie dieses berechnet werden sollte. Hängt der Lohn in irgend einer Form vom Umsatz ab, kann nicht auf den vom Unternehmen in der fraglichen Periode tatsächlich erzielten Umsatz abgestellt werden, weil ja darin die hypothetische Leistung des Anspruchsberechtigten gerade nicht enthalten ist. Insoweit ist im Sinne einer Schätzung darauf abzustellen, was in vergleichbaren Perioden zu einem früheren Zeitpunkt erwirtschaftet worden ist. Sofern das Durchschnittseinkommen des vorangegangenen Jahres für das Vertragsverhältnis typisch ist, kann darauf abgestellt werden, wobei aber sowohl saisonalen Schwankungen wie auch Umsatzentwicklungen der letzten Monate Rechnung zu tragen ist (vgl. STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 9 zu Art. 324a/b OR, S. 156; STAEHELIN, a.a.O., N. 49 zu Art. 324a OR ). c) Im Allgemeinen ist für die Schadensberechnung der Zeitpunkt massgebend, bis zu dem die letzte kantonale Instanz noch neue Tatsachen berücksichtigen kann (BREHM, Berner Kommentar, 2. Aufl., N. 7 zu Art. 42 OR ). Insoweit ist zu prüfen, ob auch unvorhergesehenen Entwicklungen Rechnung zu tragen ist, die erst nach der fristlosen Entlassung eingetreten sind und die in keinem Zusammenhang mit der Person des Entlassenen stehen. Die Leistung der Beklagten hängt vorliegend vom Erfolg des Klägers und damit von seinem Verhalten ab. Zu seinen vertraglichen Aufgaben gehörte es auch, auf unvorhersehbare, veränderte Marktverhältnisse zu reagieren. Die Möglichkeit, auf entsprechende Veränderungen einzugehen, hat die Beklagte dem Kläger durch ihre ungerechtfertigte Vertragsauflösung vereitelt. Eine Berücksichtigung der nach der Vertragsauflösung unerwartet tatsächlich eingetretenen Marktveränderungen hätte zur Folge, dass bloss Teile eines hypothetischen Kausalverlaufes - zu Ungunsten des Entlassenen - berücksichtigt würden. Eine derartige Benachteiligung findet im Gesetz keine Stütze. Entsprechend hat das Handelsgericht den erst nach der fristlosen Entlassung eingetretenen Abbruch bzw. die erhebliche Einschränkung der Geschäftsbeziehung der Beklagten zu einem ihrer Grosskunden bei der Berechnung des Schadens nach Art. 337c Abs. 1 OR bundesrechtskonform ausser Acht gelassen. Der Vorwurf der Beklagten, bei dieser Berechnungsweise kassiere der Kläger auf den gleichen Geschäften eine doppelte Provision, weil ein Teil des Geschäfts mit der M.-Gruppe vom neuen Vertragspartner des Klägers abgewickelt worden sei, ist BGE 125 III 14 S. 18 unzutreffend. Die Beklagte übersieht, dass das Handelsgericht die dem Kläger während der Kündigungsfrist von seiner neuen Auftraggeberin ausgerichteten Provisionen bei der Schadensberechnung berücksichtigt und von der eingeklagten Forderung in Abzug gebracht hat.
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Urteilskopf 104 II 108 19. Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. Mai 1978 i.S. X. gegen Z.
Regeste Zweiseitiger Vertrag auf Arbeitsleistung. 1. Art. 394 Abs. 2 OR schliesst einen Vertrag auf Arbeitsleistung sui generis aus (E. 1). 2. Arbeitsleistungen und andere Verpflichtungen, die einen Vertrag weder als einfache Gesellschaft (E. 2), noch als Agenturvertrag (E. 3) erscheinen lassen. 3. Art. 404 Abs. 1 OR . Ein Vertrag auf Arbeitsleistung, der als Auftrag zu behandeln ist, kann jederzeit widerrufen werden (E. 4). 4. Art. 27 ZGB . Übermässige Bindungen, die einer schwerwiegenden Beschränkung der persönlichen Freiheit gleichkommen und daher einen Vertrag unzulässig machen (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 109 BGE 104 II 108 S. 109 A.- Frau X. betrieb in Zürich ein "Talent-Studio", in dem sie jüngere Leute in Gesang und Darbietung ausbildete, um sie auf eine Karriere in der Unterhaltungsindustrie vorzubereiten. Am 28. August 1975 schloss die damals 22-jährige Z. mit ihr einen "Ausbildungsvertrag" ab, der einen dreimonatigen Kurs mit 12 Doppelstunden im Schlagersingen vorsah. Nach Beendigung des Kurses unterzeichneten die Parteien einen mit "Der Weg zur Schallplatte" überschriebenen "Managements-Vertrag". Durch diesen Vertrag übertrug Z. als Interpretin dem Talent-Studio das ausschliessliche Recht ihres "Managements für Auftritte und Produktionen jeder Art"; das Studio war alleinberechtigt, diesbezügliche Verträge in eigener Kompetenz abzuschliessen. Frau X. verpflichtete sich, die Interpretin für öffentliche Auftritte zu schulen und den Kontakt mit Schallplattenproduzenten herzustellen, sie bei Radio-Fernsehanstalten des In- und Auslandes bekannt zu machen, ihre künstlerischen und finanziellen Interessen zu vertreten. Z. versprach insbesondere, allen Anweisungen des Studios Folge zu leisten, angebotene Titel zu übernehmen, Vereinbarungen über Auftritte zu erfüllen, Termine einzuhalten und während der Dauer des Vertrages so unabhängig zu sein, dass sie bei Bedarf verfügbar war. Sie verpflichtete sich zudem, dem Studio aus allen Gagen und Lizenzeinnahmen ein Manager-Honorar bis 40% zu bezahlen. Das Vertragsverhältnis sollte am 9. Dezember 1975 beginnen und fünf Jahre dauern. Für den Fall, dass Z. den Vertrag nicht einhielt, wurde eine Konventionalstrafe von Fr. 50000.- vorgesehen. Mit Schreiben vom 19. Januar 1976 teilte Z. der Gegenpartei mit, dass sie den "Managements-Vertrag" für unverbindlich halte, was Frau X. nicht gelten liess. B.- Im September 1976 klagte Frau X. gegen Z. auf Zahlung einer Konventionalstrafe nach richterlichem Ermessen von höchstens Fr. 50000.- nebst Zins; sie beantragte ferner, die Beklagte zur Herausgabe von Tonbändern zu verpflichten. BGE 104 II 108 S. 110 Das Bezirksgericht Zürich nahm am 9. Mai 1977 davon Vormerk, dass die Beklagte die Tonbänder nicht gewerbsmässig verwende, und wies die Klage im übrigen ab. Die Klägerin zog ihr Hauptbegehren an das Obergericht des Kantons Zürich weiter, das es am 21. November 1977 ebenfalls abwies. Das Obergericht würdigte den "Managements-Vertrag" als einfachen Auftrag, der gemäss Art. 404 Abs. 1 OR jederzeit widerrufen werden könne und keine Konventionalstrafe zulasse. Es liess offen, ob der Vertrag wegen Übervorteilung oder Willensmängel für die Beklagte unverbindlich war Oder gegen ihr Persönlichkeitsrecht verstiess. C.- Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingelegt mit den Anträgen, es aufzuheben, die Beklagte zur Zahlung einer Konventionalstrafe zu verpflichten und die Sache zur Bestimmung des Betrages an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der streitige "Managements-Vertrag" lässt sich nicht ohne weiteres einem bestimmten gesetzlichen Vertragstypus unterstellen, da die Parteien damit verschiedenartige Verpflichtungen übernommen haben, die mehrere Vertragsarten ins Auge fassen lassen. Unverkennbar ist indes, dass die gegenseitigen Verpflichtungen zur Hauptsache aus Arbeitsleistungen bestehen sollten. Die Klägerin verpflichtete sich insbesondere, öffentliche Darbietungen der Beklagten als Schlagersängerin vorzubereiten und zu fördern, für die Beklagte zu werben, Beziehungen herzustellen und Verträge abzuschliessen. Die Beklagte versprach dagegen vor allem, die von der Klägerin mit Dritten abzuschliessenden Verträge über Auftritte jeder Art zu erfüllen. Zu den Verträgen auf Arbeitsleistung gehören namentlich der Arbeitsvertrag, der Werkvertrag, der Auftrag und dessen Abarten sowie die einfache Gesellschaft. Fällt ein Vertrag auf Arbeitsleistung unter keinen besondern Vertragstypus des Gesetzes, so sind gemäss Art. 394 Abs. 2 OR die Vorschriften über den Auftrag anzuwenden. Das schliesst entgegen den Einwänden der Klägerin einen Vertrag auf Arbeitsleistung sui generis BGE 104 II 108 S. 111 aus (GAUTSCHI, 3. Aufl. N. 56 zu Art. 394 OR ). Möglich ist hingegen, dass ein Vertrag Elemente von zwei gesetzlichen Vertragsarten enthält, z.B. der Miete und des Arbeitsvertrages. Aber auch diesfalls wird ein Vertrag auf Arbeitsleistung nicht zu einem solchen sui generis. Dies gilt insbesondere, wenn der mit dem Vertrag auf Arbeitsleistung verbundene weitere Vertrag bloss Voraussetzung dafür ist, dass der erstere überhaupt erfüllt werden, ohne ihn also keinen Bestand haben kann. Das ist in BGE 83 II 529 /30, wo der Vertrag über eine Liegenschaftsverwaltung nicht als eigentlicher Auftrag, sondern als Vertrag sui generis beurteilt worden ist, freilich übersehen worden. Diese Beurteilung widerspricht entgegen den Ausführungen in BGE 98 II 308 sowohl dem in Art. 394 Abs. 2 OR enthaltenen Grundsatz wie der Regel, dass auf das freie Widerrufsrecht gemäss Art. 404 OR nicht zum vorneherein verzichtet werden kann. Sie ist denn auch von verschiedener Seite kritisiert worden (MERZ, in ZBJV 95/1959 S. 59/60; GAUTSCHI, N. 23 c zu Art. 395 und N. 10 d zu Art. 404 OR ; Urteil des zürch. Kassationsgerichts vom 3. Dezember 1968 in SJZ 66/1970 S. 8). Im vorliegenden Fall ist daher zunächst zu prüfen, ob der "Managements-Vertrag" einem andern Typus von Verträgen auf Arbeitsleistung als dem Auftrag zugeordnet werden kann. 2. Die kantonalen Gerichte nahmen an, der streitige Vertrag entspreche weder einem Einzelarbeitsvertrag gemäss Art. 319 ff. OR noch einem Werkvertrag. Dass die besonderen Merkmale dieser Vertragstypen hier fehlen, ist offensichtlich. Die Klägerin versucht das angefochtene Urteil in diesem Punkte denn auch nicht zu widerlegen. Sie beruft sich dagegen auf Gesellschaftsrecht und macht insbesondere geltend, ihre Beteiligung am gemeinsamen Erfolg sei als Entschädigung gedacht gewesen, weshalb das Vertragsverhältnis einer einfachen Gesellschaft nahekomme, die nur aus wichtigen Gründen vorzeitig aufgelöst werden könne. Diese Berufung auf Gesellschaftsrecht ist offenbar neu, aber gleichwohl zulässig, da es sich nur um eine neue rechtliche Begründung zum gleichen Sachverhalt handelt ( BGE 99 II 49 E. 2, BGE 98 II 194 ). Die einfache Gesellschaft ist die vertragsmässige Verbindung von zwei oder mehreren Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln BGE 104 II 108 S. 112 ( Art. 530 OR ). Schliessen sich nur zwei Personen zusammen oder werden die Rechte und Pflichten der Beteiligten ungleich geregelt, so nähert die einfache Gesellschaft sich dem zweiseitigen Vertrag. Bei der Gesellschaft werden durch den Zusammenschluss jedoch gemeinsame Interessen gefördert; jeder Gesellschafter hat durch seine Leistungen, deren Inhalt sehr verschieden sein kann und nicht zum vorneherein bestimmt sein muss, etwas zum gemeinsamen Zwecke beizutragen. Sachleistungen des einen gehen dabei nicht auf einen andern Gesellschafter über, und Dienstleistungen erfolgen im Interesse aller. Die synallagmatischen oder zweiseitigen Verträge, zu denen auch die Auftragsverhältnisse gehören, sind hingegen durch den Interessengegensatz zwischen den Vertragsparteien sowie durch die Bestimmtheit ihres Gegenstandes charakterisiert; durch den Austausch von Gütern oder Dienstleistungen werden entgegengesetzte Interessen befriedigt. Auftrag und einfache Gesellschaft voneinander abzugrenzen, kann namentlich dann schwierig sein, wenn sowohl der Auftraggeber wie der Beauftragte an der Ausführung des Auftrages interessiert sind. Diesfalls ist nach GAUTSCHI (N. 60 a zu Art. 394 OR ) ein Auftrag anzunehmen, wenn ihr Interesse am Geschäft nicht gleicher Art ist. Dass beim Auftrag oder dessen Abarten ein Gewinnanteil ausbedungen wird, macht das Vertragsverhältnis zwar zu einem gesellschaftsähnlichen, aber nicht zu einer einfachen Gesellschaft (SIEGWART, N. 74 der Vorbem. zu Art. 530 OR ). Im vorliegenden Fall waren beide Parteien interessiert, dass die Beklagte als Schlagersängerin Karriere mache. Deswegen lässt sich ihr Vertragsverhältnis aber noch nicht als einfache Gesellschaft ausgeben, denn eine gewisse Interessengemeinschaft besteht auch bei zweiseitigen Verträgen. SO haben z.B. bei Miete und Werkvertrag beide Parteien ein Interesse daran, dass ein Mietobjekt möglichst gut erhalten bleibe bzw. dass ein Werk fachgemäss erstellt werde. Ihr gemeinsames Interesse erklärt sich daraus, dass es zum Zwecke des Austausches der Leistungen eines Zusammenwirkens bedarf. Ihre Hauptinteressen sind aber verschiedener Art, da dasjenige der einen Partei auf das Mietobjekt bzw. das Werk, dasjenige der andern dagegen auf das Entgelt (Mietzins, Honorar oder Werklohn) gerichtet ist. Ähnlich verhielt es sich auch hier. Die Beklagte war an einer beruflich und finanziell erfolgreichen Karriere als Schlagersängerin, BGE 104 II 108 S. 113 die Klägerin dagegen vor allem am Honoraranspruch interessiert, der sich für sie aus diesem Erfolg ergab. Dass sie mit gemeinsamen Kräften und Mitteln das gleiche Ziel verfolgten, liesse sich nur sagen, wenn sie ihre Rechte und Pflichten aus den mit Dritten abzuschliessenden Verträgen über Auftritte, Produktionen usw. als gemeinsame Aufgabe betrachtet hätten (vgl. BGE 83 II 38 /9 E. 1 c). Dies traf aber nicht zu. Die Einnahmen aus den Verträgen wären nicht in ein gemeinsames Vermögen geflossen, sondern sollten der Beklagten zukommen, die daraus den Honoraranspruch der Klägerin zu decken hatte; diese liess sich durch den "Managements-Vertrag" bloss bevollmächtigen, die Verträge mit Dritten abzuschliessen und das Inkasso von Gagen und Lizenzeinnahmen selber zu besorgen. Die Beklagte hätte auch für die "direkten Kosten" allein aufkommen müssen. Der Vertrag war somit nicht auf die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks mit gemeinsamen Mitteln gerichtet. Dazu kommt, dass die Klägerin sich als Managerin bei der Abwicklung des Vertrages die meisten Befugnisse selber vorbehalten hat. Sie bestimmte darüber, wann die Beklagte auftreten, was sie singen und welche Gage sie beanspruchen sollte. In all diesen Belangen hatte die Beklagte sich den Anordnungen der Klägerin zu fügen und deren Weisungen zu befolgen. Eine derart ungleiche Stellung der Vertragspartner verträgt sich nicht mit dem Grundgedanken des Art. 530 OR und erlaubt daher nicht, den "Managements-Vertrag" dem Gesellschaftsrecht zu unterstellen. 3. Die Klägerin beruft sich ferner auf Bestimmungen über den Agenturvertrag. Gemäss Art. 418a OR ist Agent, wer die Verpflichtung übernimmt, dauernd für einen oder mehrere Auftraggeber Geschäfte zu vermitteln oder in ihrem Namen und für ihre Rechnung abzuschliessen, ohne zu den Auftraggebern in einem Arbeitsverhältnis zu stehen. Durch den "Managements-Vertrag" hat die Klägerin sich für fünf Jahre und damit auf Zeit verpflichtet, für die Beklagte Verträge über Auftritte und Produktionen aller Art abzuschliessen. Da kein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat, sind Elemente des Agenturvertrages nicht zu verkennen. a) Das Obergericht hat einen Agenturvertrag zwischen den Parteien vor allem deshalb verneint, weil die Klägerin berechtigt gewesen sei, die Verträge über Auftritte und Produktionen BGE 104 II 108 S. 114 der Beklagten "in eigener Kompetenz", d.h. im eigenen Namen abzuschliessen. Die Klägerin hält dem entgegen, die Wendung "in eigener Kompetenz" sage nichts darüber aus, in wessen Namen sie als Managerin handeln, sondern bloss dass sie die Verträge mit Dritten aus eigenem Entschluss, ohne Pflicht zu Rückfragen abschliessen durfte. Das damit vereinbarte Vorgehen spreche dafür, dass die Beklagte Vertragspartnerin der Dritten werden sollte, da sonst eine besondere Zuständigkeitsregelung müssig gewesen wäre. Dieser Einwand hat einiges für sich, schliesst doch die streitige Wendung Vertragsabschlüsse im Namen und für Rechnung der Beklagten und damit einen Agenturvertrag nicht zum vorneherein aus. Fehl geht dagegen die Rüge, das Obergericht habe offensichtlich übersehen, dass die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren die streitige Klausel sinngemäss gleich verstanden habe, was eine Auslegung überflüssig mache und eine solche im Sinne des angefochtenen Urteils ausschliesse. Die Klägerin verkennt, dass ein offensichtliches Versehen gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. d OG nur vorliegt, wenn die Vorinstanz eine bestimmte Aktenstelle übersehen oder unrichtig wahrgenommen hat ( BGE 99 II 325 mit Hinweisen), und dass Erklärungen oder Handlungen der Parteien im Prozess dem kantonalen Recht unterstehen (BGE BGE 95 II 295 E. 4, BGE 81 II 529 ), die Berufung aber nur mit Verletzung von Bundesrecht begründet werden darf (Art. 43 Abs. 1 und 55 Abs. 1 lit. c OG). Ob der "Managements-Vertrag" sich als Agenturvertrag auffassen lässt, ist vielmehr eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht frei überprüft werden darf. Sie beurteilt sich nicht nur nach dem Inhalt der streitigen, sondern auch der übrigen Klauseln sowie nach den Umständen, unter denen der Vertrag abgeschlossen worden ist ( BGE 101 II 279 /80 und BGE 96 II 333 mit Zitaten). b) Gemäss Ziff. 4 des "Managements-Vertrages" gingen alle unmittelbaren Auslagen für "Studiomieten, Erstellen von Playbacks, Beschaffen von Photos und Fanpostkarten, etc." zulasten der Beklagten und waren von ihr zum voraus zu bezahlen. Das spricht nach der Auffassung des Obergerichts ebenfalls gegen einen Agenturvertrag, weil der Agent gemäss Art. 418g ff. OR keinen Anspruch auf Ersatz von Kosten und Auslagen habe. Wie aus Art. 418n erhellt, trifft dies jedoch nur soweit zu, als nicht etwas anderes vereinbart oder üblich ist. Richtig ist dagegen, dass beim Agenturvertrag eine Verpflichtung zum BGE 104 II 108 S. 115 Ersatz von Kosten und Auslagen im allgemeinen nicht üblich ist, weil der Agent nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingeordnet wird, sondern eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Wird ein Ersatz vereinbart, so kann das freilich auch ein Indiz dafür sein, dass es sich eher um einen andern Vertrag auf Arbeitsleistung handelt. Das Bezirksgericht hat mit Recht hervorgehoben, dass die Klägerin der Beklagten nicht nur Auftrittsmöglichkeiten verschaffen, sondern sie noch weiter ausbilden sollte. Das ergibt sich insbesondere daraus, dass sie ihre Leistungen gemäss Ziff. 4 des Vertrages in den "Rahmen der Aufbauarbeit" eingefügt und alle Übungen und Aufnahmen der Leitung ihres Studios unterstellt wissen wollte. Damit stimmt überein, dass sie gemäss Ausführungen in der Replik ihre "Schützlinge" auch persönlich betreut, in jeder Beziehung beraten und weitergebildet haben will. Sie übte angeblich keine reine Vermittlertätigkeit aus, welche ihren künstlerischen Neigungen nicht entsprach, sondern bediente sich dafür geeigneter Agenturen; hierzu liess sie sich durch den Vertrag denn auch ausdrücklich ermächtigen. Diesen von ihr selbst zugestandenen Pflichten zur Weiterbildung und Betreuung kommt für die Würdigung des Vertrages eine besondere Bedeutung zu, zumal sie sich nicht als blosse Nebenpflichten ausgeben lassen, mag der Vertrag auch hauptsächlich darauf angelegt gewesen sein, der Beklagten durch öffentliche Auftritte zum Durchbruch zu verhelfen. Gegen die Annahme eines Agenturvertrages spricht ferner, dass die Klägerin nach dem "Managements-Vertrag" fast unbeschränkt über die Beklagte verfügen durfte. Eine derart weitgehende Entscheidungsbefugnis des Beauftragten, welche dem Auftraggeber kaum mehr einen Spielraum zur Mitgestaltung eigener Angelegenheiten lässt, ist völlig atypisch für den Agenturvertrag. Die Auffassung des Obergerichtes, das einen solchen Vertrag zwischen den Parteien verneint hat, ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden. 4. Fällt der "Managements-Vertrag" somit unter keinen andern gesetzlichen Typus der Verträge auf Arbeitsleistung, so ist er gemäss Art. 394 Abs. 2 OR als Auftrag zu behandeln. Als solcher konnte er nach der zwingenden Bestimmung des Art. 404 Abs. 1 OR aber jederzeit widerrufen werden. Die Rechtfertigung dieser Regel ist darin zu erblicken, dass der Beauftragte meistens eine ausgesprochene Vertrauensstellung BGE 104 II 108 S. 116 einnimmt, es aber keinen Sinn hat, den Vertrag noch aufrechterhalten zu wollen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört ist. Ein Verzicht auf das freie Widerrufsrecht würde sich damit nicht vertragen. Nach der Rechtsprechung und herrschenden Lehre ( BGE 98 II 308 E. 2 a mit Zitaten) darf dieses Recht daher vertraglich weder wegbedungen noch beschränkt werden. Es geht auch nicht an, dass zulasten des Widerrufenden eine Konventionalstrafe vereinbart wird; denn dies liefe darauf hinaus, das freie Widerrufsrecht in unzulässiger Weise zu erschweren (GAUTSCHI, N. 10 e zu Art. 404 OR ). Dagegen ist mit dem Einwand der Klägerin, dass beide Parteien an einer längerdauernden Bindung interessiert gewesen seien, nicht aufzukommen. Der Gesetzgeber hat das Interesse an der freien Widerruflichkeit wegen der vorwiegend persönlich bedingten Beziehungen zwischen den Parteien höher bewertet als dasjenige an einer längeren Bindung. Diese Lösung entspricht dem Wesen des Auftrages (MERZ, a.a.O., S. 60/61), Obschon sie beim entgeltlichen Auftrag unter Umständen nicht zu befriedigen vermag. Das Widerrufsrecht ist nur insofern eingeschränkt, als es nicht zur Unzeit ausgeübt werden darf; diesfalls hat der Widerrufende den der Gegenpartei daraus entstehenden Schaden denn auch zu ersetzen ( Art. 404 Abs. 2 OR ). An einem Dauervertrag war hier übrigens vor allem die Klägerin interessiert. Die starke Bindung, welche die Beklagte mit dem "Managements-Vertrag" einging, war dieser jedenfalls nur solange zuzumuten, als zwischen den Parteien ein Vertrauensverhältnis bestand. Der Hinweis auf BGE 83 II 529 ff. hilft darüber nicht hinweg, zumal in diesem Entscheid die Rechtsnatur des Verwaltungsauftrages verkannt worden ist. 5. Das Obergericht hat offen gelassen, ob der "Managements-Vertrag" gegen das Persönlichkeitsrecht der Beklagten verstossen habe. Die Bedeutung dieser Frage ist angesichts der vielen Verpflichtungen der Beklagten und der umfassenden Befugnisse der Klägerin jedoch nicht zu übersehen. Die Beklagte hat der Klägerin insbesondere das Recht übertragen, Verträge über Auftritte und die Ausgabe von Schallplatten in eigener Kompetenz abzuschliessen, die Vermittlung von Auftritten jeder Art einer anerkannten Agentur zu überlassen und Gagen und Lizenzeinnahmen selber zu erheben. Sie verpflichtete sich, ohne Einwilligung der Klägerin nicht öffentlich BGE 104 II 108 S. 117 aufzutreten, keine die künstlerischen Belange betreffenden Verträge abzuschliessen, alle Weisungen der Klägerin zu befolgen, angebotene Titel zu übernehmen, Verträge über Auftritte zu erfüllen, Termine einzuhalten und so unabhängig zu bleiben, dass sie sich bei Bedarf zur Verfügung halten konnte. Sie versprach ferner, an sie gelangende Anfragen und Angebote der Klägerin zu melden und keine diesbezüglichen Verhandlungen zu führen sowie jede mehrtägige Abwesenheit und jede Adressänderung sofort mitzuteilen. Ein Mitspracherecht zu den Auftritten war einzig für das Repertoire vorgesehen, das gemeinsam festgelegt werden sollte; bei Meinungsverschiedenheiten entschied aber auch hier die Klägerin allein. Damit hat die Beklagte sich in ihrer Erwartung, als Schlagersängerin Karriere zu machen, völlig der Klägerin ausgeliefert und sich jeder eigenen Entscheidungsbefugnis begeben. Sie musste sich nicht nur im Bereich ihrer künstlerischen Tätigkeit, sondern in der ganzen Lebensführung Beschränkungen der persönlichen Freiheit gefallen lassen, da sie stets bereit sein musste, wenn die Klägerin sie benötigte. Dadurch wurde sie in ihrer Freiheit, ein sinnvolles Privatleben zu führen, erheblich beeinträchtigt und wurde ihr die Aufnahme einer andern beruflichen Tätigkeit oder Weiterbildung wenn nicht verunmöglicht, so doch sehr erschwert. Es liegt auf der Hand, dass das Fortbestehen einer solchen Bindung gegen den Willen der Beklagten deren Persönlichkeitsrecht verletzte. Der Vertrag sah eine vorzeitige Auflösung nur im beidseitigen Einverständnis, innerhalb der ersten zwei Jahre und für den Fall vor, dass die künstlerischen Fähigkeiten der Beklagten für einen "positiven Erfolg" nicht ausreichen, insbesondere die Bemühungen um einen Abschluss eines Schallplattenvertrages in dieser Zeit erfolglos bleiben sollten. Seine Erfüllung konnte ferner eingestellt werden, wenn die Beklagte ihre künstlerische Tätigkeit dauernd aufgab. In beiden Fällen schuldete die Beklagte der Klägerin aber "alle Kosten für Auslagen und Zeitaufwand des Managements seit Vertragsbeginn", was die Beklagte finanziell sehr belasten konnte. Selbst nach Ablauf der festen Vertragsdauer von fünf Jahren wurde die Beklagte nicht ohne weiteres und vorbehaltlos frei. Falls der Vertrag nicht sechs Monate vor Ablauf gekündigt wurde, sollte er sich stillschweigend um ein weiteres Jahr verlängern. Und wenn der Beklagten auf Vertragsende hin von BGE 104 II 108 S. 118 einem Dritten ein günstigerer Vertrag angeboten wurde, hatte die Klägerin das Vorrecht, "binnen 14 Tagen einen gleichwertigen Vertrag abzuschliessen". Eine solche Häufung von Verpflichtungen zulasten einer 22- Jährigen, die sich über ihre beruflichen und künstlerischen Vorstellungen noch kaum im klaren sein konnte, kommt einer schwerwiegenden Beschränkung der persönlichen Freiheit gleich und ist daher unvereinbar mit Art. 27 ZGB , gleichviel wie der Vertrag, der die Verpflichtungen enthält, rechtlich zu würdigen ist. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. November 1977 bestätigt.
public_law
nan
de
1,978
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
89f32c90-bb35-40f3-b326-781480e3d51e
Urteilskopf 121 III 125 29. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. März 1995 i.S. ASTA Medica Aktiengesellschaft gegen Peter Lendi und Vereinigung für biologischen Kräuteranbau im Schweizer Berggebiet (Berufung)
Regeste Patentschutz für eine neue Kamillensorte? ( Art. 1, 1a und 8 Abs. 3 PatG ). Für eine neue Kamillensorte, die nach dem Sortenschutzgesetz schützbar ist, kann wegen des Doppelschutzverbotes kein Erzeugnispatent erteilt werden. Das gilt unabhängig davon, ob die entsprechende Pflanzenfamilie im Artenverzeichnis aufgeführt ist. Das Doppelschutzverbot steht dagegen der Gewährung derivierten Stoffschutzes im Sinne von Art. 8 Abs. 3 PatG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall handelt es sich zudem nicht um ein - gemäss Art. 1a PatG vom Patentschutz ausgeschlossenes - im wesentlichen biologisches Verfahren (E. 1, 2 und 4). Auslegung der Patentansprüche (E. 3). Begriffe des Naheliegens bzw. Nichtnaheliegens, des Analogieverfahrens und der Kombinationserfindung (E. 5a-c). Verneinung des Patentschutzes im konkreten Fall, weil es an einer hinreichenden erfinderischen Tätigkeit fehlt (E. 5d).
Sachverhalt ab Seite 126 BGE 121 III 125 S. 126 Die ASTA Medica Aktiengesellschaft ist Inhaberin des am 30. September 1988 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 29. Juli 1983 erteilten Schweizer Patents Nr. 667 180 für ein "Verfahren zur Herstellung der neuen Kamillensorte Manzana". Die Patentansprüche haben folgenden Wortlaut: "1. Verfahren zur Herstellung von Pflanzen oder Vermehrungsgut der tetraploiden Kamillensorte Manzana der Kulturpflanzenart Echte Kamille (Chamomilla recutita (L.) Rauschert, synonym mit Matricaria chamomilla L., Asteraceae), deren bei 40o C getrocknete Blüten, bezogen auf die Trockensubstanz, mindestens 150 mg% Chamazulen, mindestens 300 mg% (-)-a-Bisabolol und weniger als 50 mg% an übrigen Bisaboloiden aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass die diploide Kamillensorte "DEGUMILL" tetraploidisiert wird und die ausselektierten tetraploiden Pflanzen auf den BGE 121 III 125 S. 127 erforderlichen Wirkstoffgehalt weiteren Selektions- und Vermehrungsschritten unterworfen werden. 2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Tetraploidisierung mittels Chemikalien bei Temperaturen zwischen 0 und 35o C, mittels Gammastrahlen, Röntgenstrahlen oder UV-Strahlen bei Temperaturen zwischen 0 und 35o C, mittels hoher Temperaturen von 33-50o C, mittels niedriger Temperaturen von 0-5o C, mittels der Dekapitierungs-Kallus-Methode oder durch Antherenkultur erfolgt. 3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass nach der Tetraploidisierung a) eine Selektion der tetraploiden Pflanzen nach Wirkstoffgehalt, nämlich mit mindestens 150 mg% Chamazulen, mindestens 300 mg% Bisabolol und weniger als 50 mg% übrige Bisaboloide, alles bezogen auf die Trockensubstanz, gleichzeitigem Blühtermin, gleichmässiger grundständiger Verzweigung sowie einer Blütenköpfchengrösse von 25-35 mm erfolgt, die so herausselektierten Pflanzen verklont werden und aus den durch die Verklonung erhaltenen Pflanzen Saatgut gewonnen wird, b) aus dem so erhaltenen Saatgut Nachkommen gezogen werden, anschliessend eine Selektion gemäss a) erfolgt und aus den ausselektierten Pflanzen wiederum Saatgut gewonnen wird, c) die Massnahmen gemäss b) 2-4 mal wiederholt werden, d) aus dem gemäss c) erhaltenen Saatgut Nachkommen gezogen werden, diese gemäss a) selektiert werden, die so selektierten Pflanzen verklont werden und aus den durch die Verklonung erhaltenen Pflanzen Saatgut gewonnen wird. 4. Kamille oder Kamillenvermehrungsgut, erhalten nach einem der Ansprüche 1-3. 5. Verfahren zur Herstellung einer Kamillendroge aus Blüten der Kamille nach Anspruch 4, die mindestens 150 mg% Chamazulen, mindesten 300 mg% (-)-a-Bisabolol und weniger als 50 mg% an übrigen Bisaboloiden enthält, dadurch gekennzeichnet, dass die Blüten in dem Vegetationsstadium geerntet werden, wo erst 30-70% der Röhrenblüten eines Blütenköpfchens geöffnet sind, und die Blüten bei einer Lufttemperatur von nicht höher als 50o C getrocknet werden. 6. Kamillendroge, die mindesten 150 mg% Chamazulen, mindestens 300 mg% (-)-a-Bisabolol und weniger als 50 mg% an übrigen Bisaboloiden enthält, dadurch gekennzeichnet, dass sie Blüten der Kamille nach Anspruch 4 enthält." Am 22. Februar 1991 reichten Peter Lendi, der hauptberuflich als Kräuterzüchter tätig ist, und die Vereinigung für biologischen Kräuteranbau im Schweizer Berggebiet (VBKB) gegen die ASTA Medica Aktiengesellschaft Klage ein mit den Anträgen, die Nichtigkeit des Patents der Beklagten gerichtlich festzustellen, dieses im Patentregister zu löschen und sie zu BGE 121 III 125 S. 128 ermächtigen, das Urteilsdispositiv in der Schweizer Tagespresse zu veröffentlichen. Mit Urteil vom 16. Dezember 1993 stellte das Handelsgericht des Kantons Bern die Nichtigkeit des Streitpatents fest und ordnete dessen Löschung im Patentregister an. Das Begehren um Urteilsveröffentlichung wies es dagegen ab. Seine Auffassung, wonach das Patent nichtig sei, begründete es zur Hauptsache damit, die Pflanzenzüchtung "Manzana" falle unter die Schutzvoraussetzungen des Sortenschutzgesetzes und sei deshalb gemäss Art. 1a des Patentgesetzes (PatG; SR 232.14) nicht patentfähig. In einer Eventualbegründung verneinte es eine für den Patentschutz hinreichende erfinderische Tätigkeit. Die Beklagte hat das Urteil des Handelsgerichts mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht abgewiesen wird. Erwägungen Erwägungen: 1. a) Das Internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961, das für die Schweiz am 10. Juli 1977 in Kraft getreten ist (UPOV Übereinkommen; SR 0.232.161), verpflichtet die Vertragsstaaten, in die nationalen Gesetzgebungen einen bestimmten Mindestschutz von Pflanzenzüchterrechten aufzunehmen (Art. 5), sei es durch Gewährung eines besonderen Schutzrechts oder eines Patents (Art. 2 Abs. 1). Indessen darf - nach der ursprünglichen Fassung des Übereinkommens - ein Verbandsstaat, dessen innerstaatliches Recht den Schutz in diesen beiden Formen zulässt, nur eine von ihnen für die gleiche botanische Gattung oder Art vorsehen (Doppelschutzverbot; Art. 2 Abs. 1). Seit der Revision des Übereinkommens im Jahre 1978 (SR 0.232.162) ist diese Bestimmung allerdings insoweit nicht mehr zwingend, als Art. 37 des Übereinkommens neu hinzukommenden Mitgliedstaaten ermöglicht, eine in ihren nationalen Rechten bestehende Doppelschutzmöglichkeit trotz Beitritts zum Übereinkommen beizubehalten. Mit einer weiteren, von der Schweiz unterzeichneten, aber noch nicht in Kraft getretenen Änderung des Übereinkommens vom 19. März 1991 wird den Vertragsstaaten allgemein die Möglichkeit gegeben, das Doppelschutzverbot aufzuheben (vgl. Biotechnologie und Patentrecht, Bericht des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements, August 1993, S. 20). b) Im internationalen Patentrecht befasste sich erstmals das Übereinkommen zur Vereinheitlichung gewisser Begriffe des materiellen Rechts der BGE 121 III 125 S. 129 Erfindungspatente (vom 27. November 1963; SR 0.232.142.1) mit der Biotechnologie, indem es in Art. 2 lit. b den Vertragsstaaten freistellte, für Pflanzensorten oder Tierarten sowie für im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren die Erteilung von Patenten vorzusehen, mit Ausnahme der mikrobiologischen Verfahren und der mit deren Hilfe gewonnen Erzeugnisse, die dem Patentschutz zugänglich zu machen waren. Das Europäische Patentübereinkommen aus dem Jahre 1973 (EPÜ; SR 0.232.142.2) sodann schliesst in Art. 53 lit. b Pflanzensorten oder Tierarten sowie im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren von der Patentierbarkeit aus. Damit stimmt Art. 1a PatG , der am 1. Januar 1978 in Kraft getreten ist, inhaltlich überein. c) Für die Beurteilung des vorliegenden Falls - insbesondere die Auslegung von Art. 1a PatG - ist das im folgenden zu erörternde Verhältnis zwischen Sortenschutz und Patentrechtsschutz von entscheidender Bedeutung. aa) Das Rechtsinstitut des Sortenschutzes ist historisch aus dem technischen Verständnis des Patentrechts zu begreifen. In der im 19. Jahrhundert breit einsetzenden Entwicklung der europäischen Patentrechtssetzung stand der Gedanke der Förderung der industriell und gewerblich anwendbaren Technik im Vordergrund. Zu diesem Zweck ermöglichte das Patentrecht die zeitlich beschränkte Monopolisierung gewerblich anwendbarer Lehren zum technischen Handeln mit "toter Materie". Verfahren zur Behandlung von Lebewesen wurden nicht als zum Gebiet der Technik gehörend betrachtet, da deren Erfolg nach damaliger Auffassung wesentlich von der selbständigen, das heisst technisch nicht beherrschbaren Funktion der lebenden Natur abhing und damit dem patentgemässen Erfordernis der Wiederholbarkeit, der überschaubaren Kausalkette vom technischen Einsatz zum angestrebten Erfolg, angesichts des mitwirkenden Zufalls der naturgegebenen Aleatorik nicht genügte. Zum gleichen Ergebnis führte die Entwicklung des Patentrechts in den Vereinigten Staaten von Amerika, das nach der "Product-of-Nature-Doctrine" Naturerzeugnisse grundsätzlich nicht als patentfähige Leistungen anerkannte. Zwar wurden in Europa wie in Amerika in Durchbrechung dieser Grundsätze bereits im letzten Jahrhundert Patente für die Züchtung von Hefen, später auch für Bakterien zur Herstellung von Buthylalkohol und Aceton sowie für biologische Antibiotika (Penicillin) erteilt, doch setzte die Diskussion über die Patentfähigkeit von Pflanzenzüchtungen erst in den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts BGE 121 III 125 S. 130 ein. Diese mündete, im Bestreben, den technischen Erfindungsbegriff nicht übermässig aufzuweichen, in einen eigenständigen Schutz von Züchterrechten (vgl. zum Ganzen: BENKARD/BRUCHHAUSEN, Patentgesetz, 9. Aufl., N. 8 zu § 2 DPatG; STRAUS, Gewerblicher Rechtsschutz für biotechnologische Erfindungen, S. 56 ff.; MOUFANG, Genetische Erfindungen im gewerblichen Rechtsschutz, S. 81 ff.; STAMM, Biotechnologische Erfindungen, in Kernprobleme des Patentrechts, S. 159 ff.). Folge dieser Gabelung des Rechtsschutzes ist das Doppelschutzverbot, wie es in Art. 2 des UPOV Übereinkommens und in Art. 1a PatG seinen Niederschlag gefunden hat. bb) Das Aufkommen der Gentechnologie hat die Beschäftigung mit Organismen in den Bereich der Technik gerückt und dazu geführt, dass der Grundsatz des Patentierungsausschlusses dogmatisch relativiert wurde. Folge davon war eine weltweite Zunahme von Patenterteilungen für biotechnologische Erfindungen und eine neu entfachte Diskussion über die Rechtfertigung von Patentierungsausschlüssen im Sinne von Art. 1a PatG und des Doppelschutzverbots (vgl. dazu VON PECHMANN, Zum Problem des Schutzes gentechnologischer Erfindungen bei Pflanzen durch Sortenschutz und/oder Patente, GRUR 1985, S. 717 ff.; STRAUS, Pflanzenpatente und Sortenschutz - Friedliche Koexistenz -, GRUR 1993, S. 794 ff.; DI CERBO, Die Patentierbarkeit von Tieren, GRUR Int. 1993, S. 399 ff.). Diese Entwicklung hat denn auch das Bundesamt für geistiges Eigentum dazu veranlasst, im Jahre 1986 seine Prüfungsrichtlinien zu Art. 1a PatG zu ändern (vgl. PMMBl 1986 I S. 36 ff.). In den geänderten Richtlinien wird namentlich darauf hingewiesen, Art. 1a PatG sei als Ausnahmebestimmung zur allgemeinen Regel von Art. 1 Abs. 1 PatG formuliert und dementsprechend eng auszulegen. Sodann wird angekündigt, das Amt werde zukünftig Erzeugnisansprüche zum Patent zulassen, die ganze Pflanzen oder deren Vermehrungsmaterial beträfen, in denen aber keine Pflanzensorte spezifiziert sei, das heisst die nur solche Merkmale enthielten, welche für mehrere Sorten (z.B. für eine ganze Gattung) gälten. Zu diesen Richtlinien ist hier festzuhalten, dass sie weder Gesetzeskraft haben noch für rechtsanwendende Behörden verbindlich sind (vgl. BGE 120 II 137 E. 2b S. 139 mit Hinweisen). Davon abgesehen kommt ihnen im vorliegenden Fall ohnehin keine Bedeutung zu, wie sich im folgenden zeigen wird. Der weitgehende Wegfall der technischen Hindernisse für die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen hat indessen zu einer BGE 121 III 125 S. 131 grundsätzlichen Diskussion auf neuer Grundlage geführt, indem der Bio- und Gentechnologie zunehmend Einwände aus religiösen, ethischen oder ökologischen Überlegungen entgegengesetzt werden (vgl. zit. Bericht des EJPD, S. 7 und S. 27 ff.; GRÜTTER/PADRUTT, Patentierung von Lebewesen: Kamille als Versuchsballon, Plädoyer 1994, S. 27 ff., insbes. S. 35). Zur Zeit sind in der Schweiz verschiedene parlamentarische Vorstösse sowie Gesetzesprojekte oder Anträge zum Beitritt zu internationalen Abkommen hängig, welche diese Fragen betreffen (vgl. BBl 1994 IV 1 und 777 ff.: Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum, Art. 27 Ziff. 3; BBl 1993 III 706 ff. und 1989 III 232 ff.). Unter diesen Umständen hat es die Vorinstanz zu Recht abgelehnt, bei ihrer Entscheidfindung die divergierenden Meinungen in der einen oder andern Richtung mitzuberücksichtigen. Sie ist vielmehr zutreffend davon ausgegangen, die Gesetzesauslegung sei im vorliegenden Fall nach der üblichen, auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers abstellenden Methode vorzunehmen, da nicht eindeutig feststellbar ist, dass sich die Realien seit dem Erlass der massgebenden Artikel des Patentgesetzes geändert haben (vgl. dazu BGE 116 II 525 E. 2b S. 527 f.). d) Für den vorliegenden Fall von Bedeutung ist schliesslich Art. 8 Abs. 3 PatG , wonach sich das Recht aus einem Verfahrenspatent auch auf die unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse erstreckt. Die Vorinstanz verneint für das hier streitige Patent die Möglichkeit eines solchen derivierten Stoffschutzes mit der Hauptbegründung, der Patentierungsausschluss für Pflanzensorten nach Art. 1a PatG gehe Art. 8 Abs. 3 PatG vor. Diese Auffassung steht indessen im Widerspruch zu jener, welche der Bundesrat in der Botschaft vom 16. August 1989 zur Änderung des Patentgesetzes vertreten hat (BBl 1989 III 232 ff.). Dort (S. 252) wurde darauf hingewiesen, der derivierte Stoffschutz komme auch dann in Frage, wenn das Erzeugnis selbst nicht gültig patentiert werden könne, weil es zum Beispiel aufgrund einer Sonderregel von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei. Die Meinung des Bundesrats stützt sich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 8 Abs. 3 PatG (Urteile vom 22. September 1970 und 24. Februar 1966, abgedruckt in SMI 1971 S. 29 ff. und 1966 S. 133 f.). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Nicht zu überzeugen vermag der Einwand der Vorinstanz, die konsequente Anwendung der Praxis führe zum Schutz von Erzeugnissen, die gemäss Art. 2 lit. a PatG wegen Verstosses gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten von der Patentierung BGE 121 III 125 S. 132 ausgeschlossen seien. Damit wird verkannt, dass Art. 2 lit. a PatG nicht bloss Erzeugnisse, sondern ebenso Verfahren von der Patentierung ausschliesst, deren Veröffentlichung oder Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstossen. Verfahrenspatente beziehen sich ihrem Wesen nach auf die Herstellung von Erzeugnissen, auf bestimmte Arbeitsvorgänge oder die Verwendung eines Stoffs. Geht es um ein Herstellungsverfahren, führt dieses notwendigerweise zu einem näher zu bezeichnenden Endprodukt. Widerspricht aber dessen Bekanntgabe oder Verwendung der öffentlichen Ordnung oder den guten Sitten, so versteht sich von selbst, dass auch das Herstellungsverfahren nicht patentierbar ist. Für den hier interessierenden Bereich stellt sich indessen die zusätzliche Frage, ob dem derivierten Stoffschutz für eine sortenspezifische Pflanze nicht das Doppelschutzverbot entgegenstehe. In der Tat wird in der Literatur zum Teil die Auffassung vertreten, eine Pflanzensorte könne als unmittelbares Erzeugnis eines patentierten Züchtungsverfahrens nur geschützt werden, wenn sie auch selbständigen Patentschutzes fähig wäre (vgl. MOUFANG, Genetische Erfindungen im gewerblichen Rechtsschutz, S. 380 f.). Andere Autoren sind indessen, im wesentlichen mit der gleichen Begründung, wie sie in der Botschaft des Bundesrates vom 16. August 1989 angeführt wird, gegenteiliger Meinung (vgl. VON PECHMANN, a.a.O., S. 723). Diese zweite Meinung ist durchaus vereinbar mit dem Doppelschutzverbot, so wie es im geltenden schweizerischen Recht durch die Abgrenzung zwischen Sorten- und Patentschutz Ausdruck gefunden hat. Danach bildet Gegenstand des Sortenschutzes dessen Wesen nach das Züchterrecht, das begrifflich an biologische Verfahren anknüpft. Dem trägt das Recht der Verfahrenspatente insoweit Rechnung, als mit dem Ausschluss der im wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzensorten vom Patentschutz ( Art. 1a PatG ) verhindert werden soll, dass über Art. 8 Abs. 3 PatG ein Patentschutz der Sorte selbst erreicht werden kann. Das schliesst indessen nicht aus, einem patentfähigen biotechnologischen Verfahren den derivierten Stoffschutz beizugeben. Dafür spricht denn auch, dass es kaum einen Sinn hätte, dem Verfahren Patentschutz zu gewähren, dem damit gewonnenen Erzeugnis dagegen patentrechtlichen Stoffschutz zu versagen. Wirtschaftliches Ziel des Verfahrenspatents ist regelmässig das Verwertungsrecht über das verfahrensgemässe Endprodukt. Zudem darf nicht übersehen werden, dass sich der Sortenschutz auf alle Individuen einer konkreten und homogenen BGE 121 III 125 S. 133 Pflanzenmehrheit erstreckt (vgl. Art. 12 Sortenschutzgesetz), der derivierte Stoffschutz aus einem Pflanzenzüchtungsverfahren dagegen solche Benutzungshandlungen Dritter nicht berührt, die sich auf unabhängig vom geschützten Verfahren erzeugte und vermehrte Individuen derselben Pflanzenmehrheit beziehen. In diesem Sinne gewährt der derivierte Stoffschutz nur einen eingeschränkten Patentschutz des Erzeugnisses. Damit besteht keine Veranlassung, Pflanzenzüchtungen von der Rechtsprechung zum derivierten Stoffschutz nicht selbständig patentierbarer Erzeugnisse auszunehmen. 2. a) Aus den dargelegten Gründen schliesst das schweizerische Recht die Erteilung eines Erzeugnispatents für eine Pflanzensorte aus. Und zwar gilt das entgegen der Meinung der Beklagten unabhängig davon, ob sie im Artenverzeichnis (Art. 4 Abs. 1 Sortenschutzverordnung; SR 232.161) aufgeführt ist oder nicht. Der Umstand, dass die Familie der Korbblütler (Asteraceae) im Zeitpunkt der Patentanmeldung noch nicht in das Artenverzeichnis aufgenommen worden war, sondern dies erst mit der Änderung der Sortenschutzverordnung vom 11. Juni 1990 geschah (vgl. AS 1990 1030), ändert nichts an der Anwendbarkeit von Art. 1a PatG . Nach schweizerischem Recht beschränkt sich der Patentierungsausschluss nicht auf Sorten, die im Artenverzeichnis aufgezählt sind. Da sich die Rechtslage insoweit von jener in Deutschland unterscheidet, kann nicht - im Sinne einer harmonisierten Auslegung staatsvertraglich bestimmter nationaler Regelungen - auf die deutsche Rechtsprechung zur Frage des Patentschutzes für die Kamillensorte "Manzana" abgestellt werden (vgl. insbes. den Entscheid des BGH vom 30. März 1993, abgedruckt in GRUR 1993, S. 651 ff.). Das deutsche Recht sah bis zum Jahre 1992 nur einen beschränkten Patentierungsausschluss von Pflanzensorten vor (BENKARD/BRUCHHAUSEN, a.a.O., N. 8 zu § 2 DPatG). Der umfassende Schutz, den das - im übrigen noch nicht endgültig bestätigte - deutsche Patent der Kamillensorte "Manzana" für sich selbst und das Vermehrungsgut, für das Herstellungsverfahren und die Verarbeitung sowie Verwendung als Droge gewährt, erklärt sich denn auch im wesentlichen daraus, dass die Kamille im deutschen Artenverzeichnis zum Sortenschutz nicht enthalten war (vgl. VON PECHMANN, Ausschöpfung des bestehenden Patentrechts für Erfindungen auf dem Gebiet der Pflanzen- und Tierzüchtungen unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs-Tollwutvirus GRUR 1987, S. 476). Dass der BGH sodann trotz des Doppelschutzverbots und des Umstands, dass für die BGE 121 III 125 S. 134 Kamillensorte "Manzana" in der früheren DDR bereits Sortenschutz gewährt worden war, den Patentschutz nicht ausschloss, liegt in den Besonderheiten der Rechtslage nach der deutschen Wiedervereinigung begründet (vgl. dazu STRAUS, Pflanzenpatente und Sortenschutz - Friedliche Koexistenz -, GRUR 1993, S. 794) und vermag das schweizerische Recht nicht zu beeinflussen. b) Die Patentschrift der Beklagten nennt als Endprodukt der zum Schutz beanspruchten Lehre zum technischen Handeln die "neue Kamillensorte Manzana". Dazu wird im angefochtenen Urteil festgehalten, dieses Erzeugnis erfülle die Kriterien an eine Pflanzensorte im Sinne des Sortenschutzgesetzes und sei daher nach Art. 1a PatG nicht patentierbar. Mit der Berufung werden - abgesehen vom soeben (E. 2a) verworfenen Einwand - keine den Begründungsanforderungen von Art. 55 Abs. 1 lit. c OG gerecht werdenden Einwände gegen die Erwägungen der Vorinstanz zur Frage der Sortenschutzfähigkeit vorgebracht. Eine Verletzung von Bundesrecht durch die Vorinstanz ist denn auch insoweit nicht ersichtlich, weshalb auch im bundesgerichtlichen Verfahren davon auszugehen ist, die Kamillensorte "Manzana" sei als solche im Sinne von Art. 1a PatG vom Patentschutz ausgeschlossen. 3. Die Vorinstanz ist aufgrund einer Auslegung der Patentansprüche zum Ergebnis gekommen, die Beklagte beanspruche in erster Linie Patentschutz für das Erzeugnis, das heisst die Kamillensorte "Manzana". Es handle sich deshalb nicht um ein Verfahrens- sondern um ein Erzeugnispatent. Daraus schliesst die Vorinstanz, dass Patentanspruch 4 als einziger selbständiger Anspruch zu betrachten sei, von welchem die übrigen Ansprüche abhingen; da Patentanspruch 4 aber wegen Verstosses gegen Art. 1a PatG nichtig sei, gelte dies auch für die übrigen Ansprüche. Mit der Berufung wird demgegenüber eingewendet, sowohl die Qualifikation als Erzeugnispatent wie auch die Beurteilung des Verhältnisses zwischen den einzelnen Patentansprüchen sei falsch und verletze Bundesrecht. Wie es sich damit verhält, kann letztlich offenbleiben, da sich im folgenden zeigen wird, dass das Streitpatent aus anderen Gründen nichtig ist. Immerhin ist anzumerken, dass die Auslegung der Vorinstanz eher unzutreffend erscheint. Aus dem insoweit klaren Wortlaut ergibt sich nämlich, dass das Patent einen unabhängigen und zwei davon abhängige Verfahrensansprüche (Ansprüche 1-3), einen Erzeugnisanspruch (Anspruch 4) und zwei darauf bezügliche Verwendungsansprüche (Ansprüche 5 und 6) BGE 121 III 125 S. 135 umfasst. Die erstgenannten Ansprüche halten Verfahren und Erzeugnis in eindeutiger Weise auseinander, betreffen allein den patentrechtlichen Verfahrensschutz und definieren damit nicht bloss ein Erzeugnis mittels des Herstellungsverfahrens. Es liegt deshalb kein sogenannter "product-by-process claim" vor, der nach den Prüfungsrichtlinien des Bundesamtes für geistiges Eigentum nicht zugelassen wird (vgl. dazu COMTE, Die Schweiz und die internationale Harmonisierung des Patentrechts, in: Kernprobleme des Patentrechts, S. 461 ff., S. 472 f.). Mit dem Patentanspruch 4 wird sodann nicht Schutz für die Kamillensorte "Manzana" schlechthin verlangt, sondern für Pflanzen oder Vermehrungsgut, das aus einem Verfahren nach den Patentansprüchen 1-3 hergestellt wird. Der Anspruch ist gemäss seiner Formulierung bloss im Lichte des derivierten Stoffschutzes nach Art. 8 Abs. 3 PatG zu verstehen, hat mithin keine selbständige, sondern lediglich deklaratorische Bedeutung (vgl. SMI 1971, S. 29 ff.). 4. Vom Patentschutz ausgeschlossen sind gemäss Art. 1a PatG , der wörtlich mit Art. 53 lit. b EPÜ übereinstimmt, im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen. Nach früherer Auffassung war der Begriff des "Biologischen" als Gegensatz zu jenem des "Technischen" zu verstehen. Die Abgrenzung zwischen patentfähigen und nicht patentfähigen Verfahren hing deshalb davon ab, in welchem Umfang von menschlicher Seite technisch eingewirkt wurde (MOUFANG, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, N. 110 zu Art. 53; STRAUS, Gewerblicher Rechtsschutz für biotechnologische Erfindungen, S. 74 ff.). Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft ist dagegen die Annahme überholt, dass Technik und Biologie in grundsätzlichem Gegensatz zueinander stehen. Als Abgrenzungskriterium wird jetzt vielmehr der Wissenschaftsbereich betrachtet und deshalb auf die naturwissenschaftliche Grenzziehung zwischen Biologie und Chemie oder Physik abgestellt (MOUFANG, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, N. 112 zu Art. 53). Diese Frage braucht indessen im vorliegenden Fall nicht weiter untersucht zu werden, da sie den Entscheid über die Anwendbarkeit von Art. 1a PatG nicht zu beeinflussen vermag. Die Vorinstanz ist zum Ergebnis gekommen, die in den Patentansprüchen 2 und 3 beschriebenen erfindungswesentlichen Verfahrensschritte seien ihrem Wesen nach nicht der Biologie zuzuordnen; insoweit liege kein Anwendungsfall der Ausnahmebestimmung von Art. 1a PatG vor. Dem kann insoweit ohne Bedenken zugestimmt werden, als die im Patentanspruch 2 beschriebene Tetraploidisierung der Kamillensorte "DEGUMILL" mittels Chemikalien, BGE 121 III 125 S. 136 Bestrahlung, Temperaturschocks, Dekapitierungs-Kallus-Methode oder Antherenkultur technische und nicht "im wesentlichen biologische" Verfahren darstellen. Ob das auch für die in Patentanspruch 3 beschriebenen selektiven Verfahrensschritte gilt, ist dagegen fraglich. Zwar hat der deutsche Bundesgerichtshof in einem Entscheid vom 27. März 1969 (BGHZ 52, S. 74, 84, "Rote Taube") Selektionen ausdrücklich als nicht biologische Verfahrensschritte bezeichnet, doch gilt anderseits die Selektion im Bereich der Pflanzenzüchtungen allgemein als nicht patentfähiges Verfahren (MOUFANG, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, N. 107 zu Art. 53; MOUFANG, Genetische Erfindungen im gewerblichen Rechtsschutz, S. 195). Im vorliegenden Fall ist jedoch ausschlaggebend, dass bei Patentanspruch 3 in seiner von Patentanspruch 2 abhängigen Form die technischen Verfahrensschritte im Vordergrund stehen. Das genügt für die Annahme, es handle sich nicht um ein im wesentlichen biologisches Verfahren im Sinne von Art. 1a PatG . 5. Zu prüfen bleibt, ob die in den Patentansprüchen 1-3 sowie 5 und 6 beschriebenen Verfahren die übrigen Voraussetzungen des Patentschutzes, insbesondere jene nach Art. 1 PatG , erfüllen. Nach Auffassung der Vorinstanz ist das nicht der Fall. Im angefochtenen Urteil wird dazu festgehalten, das zur Patentierung beanspruchte Verfahren sei nicht erfinderisch, da es sich im massgebenden Zeitpunkt in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben habe. Sowohl die beschriebene Tetraploidisierung wie die ihr nachfolgenden Selektionen seien für Kamillenpflanzen bekannt gewesen, und die gefundene Lösung einer bestimmten Dosierung der Wirkstoffe habe dem Fachmann aus dem massgebenden Wissensstand nahegelegen. Die beanspruchten positiven Eigenschaften des verfahrensgemässen Erzeugnisses sodann seien bloss in der Beschreibung genannt worden und daher für die Beurteilung der Erfindung untauglich; überdies reichten sie auch für die Annahme einer Kombinationserfindung nicht aus. Mit der Berufung wird auch insoweit an der Schutzfähigkeit des Patents festgehalten. Die Beklagte wirft dem Handelsgericht vor, es habe verkannt, dass das Streitpatent ein Analogieverfahren bzw. eine Kombinationserfindung betreffe; zudem habe es bundesrechtswidrig bestimmte Eigenschaften des Erzeugnisses unbeachtet gelassen und dadurch Art. 1 Abs. 2 PatG verletzt. a) Die Beklagte macht darüber hinaus geltend, die Ablehnung der von beiden Parteiseiten beantragten Expertise durch die Vorinstanz habe es BGE 121 III 125 S. 137 verunmöglicht, den patenttechnisch relevanten Sachverhalt in jeder Beziehung vollständig, richtig und widerspruchslos zu erfassen. Diese Unterlassung könne, was sie anrege, gemäss Art. 67 OG vom Bundesgericht von Amtes wegen nachgeholt werden. Art. 67 Ziff. 1 OG ermöglicht es dem Bundesgericht, unter bestimmten Umständen (vgl. dazu BGE 120 II 312 E. 3b S. 315) die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz über technische Verhältnisse von Amtes wegen zu überprüfen und zu diesem Zweck Beweismassnahmen zu ergreifen, insbesondere einen Sachverständigen zu bestellen. Im vorliegenden Fall besteht indessen keine Veranlassung, von Amtes wegen zusätzliche Beweismassnahmen durchzuführen, da die technischen Einwände der Beklagten richtig besehen nicht den Sachverhalt, sondern dessen Subsumtion unter den Begriff des Naheliegens bzw. Nichtnaheliegens betreffen. Dabei handelt es sich aber um eine Rechtsfrage, die nicht von einem technischen Sachverständigen, sondern vom Bundesgericht zu beantworten ist. b) Der Bereich des Erfinderischen beginnt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts erst jenseits der Zone, die zwischen dem vorbekannten Stand der Technik und dem liegt, was der durchschnittlich gut ausgebildete Fachmann des einschlägigen Gebiets gestützt darauf mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten weiterentwickeln und finden kann. Entscheidend ist daher, ob ein solcher Fachmann nach all dem, was an Teillösungen und Einzelbeiträgen den Stand der Technik ausmacht, schon mit geringer geistiger Anstrengung auf die Lösung des Streitpatentes kommen kann oder ob es dazu eines zusätzlichen schöpferischen Aufwandes bedarf. Diese Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit, welche das Patentgesetz mit dem Begriff des Nichtnaheliegens umschreibt ( Art. 1 Abs. 2 PatG ), galten im wesentlichen - damals unter dem Begriff der Erfindungshöhe - schon vor der Revision des Patentgesetzes von 1978, mit der dieses harmonisiert, das heisst an bestimmte internationale Übereinkommen, darunter das EPÜ, angeglichen worden ist. Festzuhalten ist im übrigen, dass der deutsche Ausdruck "naheliegend" diesen Sachverhalt sinnbildlicher umschreibt als das in der französischen und italienischen Fassung von Art. 1 Abs. 2 PatG verwendete "évident" bzw. "evidente" oder das englische "obvious" in Art. 56 EPÜ . Daher ist eine Lösung nicht bereits dann patentfähig, wenn sie für einen Fachmann "nicht offensichtlich ist" oder "nicht klar auf der Hand" liegt, sondern erst dann, wenn er sie auch aufgrund einfacher Experimente BGE 121 III 125 S. 138 im entsprechenden Forschungsbereich nicht zu finden vermag ( BGE 120 II 312 E. 4b S. 317, 71 E. 2 S. 72 f. je mit Hinweisen). c) Analogieverfahren, die im chemischen Bereich verbreitet sind, liegen als solche dem Fachmann in der Regel nahe. Eine erfinderische Tätigkeit kann sich aber daraus ergeben, dass das bis anhin unbekannte Erzeugnis des Verfahrens Eigenschaften oder Wirkungen aufweist, die in Anbetracht der zu bekannten Erzeugnissen analogen Konstitution nach dem Stand der Wissenschaft zur Zeit der Anmeldung ihrer Art oder ihrem Ausmass nach nicht oder nicht in gleichem Masse erwartet werden konnten, sondern überraschend waren. Die Patentfähigkeit des Verfahrens wird von den Eigenschaften des Endprodukts getragen (Urteil vom 10. November 1976, in SMI 1976, S. 171 ff. E. 3b; TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl., S. 179 ff.). Allerdings ist zu beachten, dass diese unerwartet vorteilhaften Eigenschaften des Erzeugnisses zwar bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit mitzuberücksichtigen sind, aber bei Herstellungsverfahren nicht einfach an deren Stelle treten, das heisst bei dieser Art von Erfindungen nicht ohne weiteres der erfinderischen Tätigkeit gleichzusetzen sind. Vorhersehbare Ergebnisse, die bei der Anwendung neuer Ausgangsstoffe oder erwartungsgemäss neuer Endprodukte des Verfahrens erzielt werden, weisen daher auch ein neues Analogieverfahren als naheliegend aus (BENKARD/BRUCHHAUSEN, a.a.O., N. 94a zu § 1 DPatG). Der Begriff der Kombinationserfindung kennzeichnet eine besondere Grundlage für die Beurteilung des Nichtnaheliegens, indem die erfinderische Tätigkeit das Zusammenwirken mehrerer Merkmale betrifft, die für sich allein keine Erfindungen darzustellen brauchen. Geschützt ist die erfinderische Verknüpfung verschiedener Merkmale, die technisch-betriebliche, funktionelle Bestimmung der Elemente in der Gesamtkombination und ihre Eignung gerade für diese. Die erfinderische Tätigkeit muss bei vorbekannten Merkmalen folgerichtig in deren Verbindung liegen, ihre Zusammenfassung muss eine neue Anweisung geben. Das ist - wie bei allen Erfindungen - zu verneinen, falls bereits der durchschnittlich gut ausgebildete Fachmann aufgrund seines Fachkönnens die bekannten Merkmale zu der beschriebenen Kombination vereinigen kann. Trifft dies zu, so liegt die Kombination nahe. Sie gehört damit zum freien Stand der Technik und ist deshalb dem Patentschutz entzogen. Mithin bestimmt auch im Kombinationsbereich das Kriterium des Naheliegens bzw. Nichtnaheliegens die erfinderische Tätigkeit, ohne dass allerdings darüber hinaus ein von den kompilierten BGE 121 III 125 S. 139 Merkmalen qualitativ verschiedenes Ergebnis oder ein die Summe der Einzelwirkungen übersteigender Synergieeffekt erforderlich ist ( BGE 120 II 312 E. 4a S. 316 f. mit Hinweisen). d) Gemäss Patentschrift liegt der beanspruchten Erfindung die Aufgabe zugrunde, eine neue Kamillensorte mit verbesserten Eigenschaften, insbesondere einem erhöhten Gehalt an (-)-a-Bisabolol und einer besonderen Widerstandskraft der Pflanzen gegen Fremdbestäubung durch die natürlich vorkommenden Kamillenpopulationen (Wildkamille) herzustellen. Die in den Patentansprüchen beschriebene Lösung der Aufgabe liegt in der Kombination einer Tetraploidisierung der diploiden Kamillensorte "DEGUMILL" mit nachfolgenden Selektions- und Vermehrungsschritten. aa) Nach den Feststellungen der Vorinstanz war das Polyploidisieren (Vervielfachen des Chromosomensatzes) von Pflanzen, insbesondere auch das Tetraploidisieren (Verdoppeln eines bereits diploiden, zweifach vorhandenen Chromosomensatzes) im Prioritätszeitpunkt vorbekannt. In diesem Verfahren liegt deshalb nichts Erfinderisches, was die Beklagte im übrigen selbst anerkennt. Gleiches gilt für die in Patentanspruch 3 beschriebene Selektion der tetraploidisierten Pflanzen nach Wirkstoffgehalt. Dass sodann eine Kombination der beiden Verfahrensschritte dem Fachmann grundsätzlich nahelag, bedarf keiner besonderen Erörterung. Die erforderliche erfinderische Tätigkeit könnte demnach einzig in der Wahl des Ausgangsmaterials oder in überraschenden Eigenschaften des Endprodukts liegen. Die Patentschrift selbst nennt eine Reihe vorbekannter tetraploider Kamillensorten, die allerdings einen geringeren (-)-a-Bisabolol-Gehalt aufweisen als jener, der mit dem patentgemässen Verfahren erreicht werden soll. Es lag denn auch durchaus nahe, eine Sorte mit höherem Wirkstoffgehalt dadurch zu züchten, dass eine diploide Kamillensorte mit grossem (-)-a-Bisabolol-Gehalt durch Tetraploidisierung weiterentwickelt wurde, zumal einer der beiden in der Patentschrift genannten Erfinder, Chlodwig Franz, ein solches Vorgehen bereits in seiner 1981 erschienen Habilitationsschrift angeregt hatte. Eine erfinderische Leistung kann demnach auch nicht in der Wahl des Ausgangsmaterials erblickt werden. bb) Die Beklagte macht weiter geltend, die überraschenden Eigenschaften des Endproduktes wiesen das Verfahren als nicht naheliegend aus. Als vorteilhafte Eigenschaften der Kamillensorte "Manzana" nennt sie deren gleichmässigen Wuchs mit grundständiger Verzweigung und vielen Blüten, den BGE 121 III 125 S. 140 einheitlichen Blühtermin, die grossen Blütenköpfchen in einer Ebene, die geringe Grusbildung sowie den hohen Gehalt an Chamazulen und Bisabolol bei unverändertem Oxidgehalt. Das Handelsgericht will diese Eigenschaften indessen nur insoweit berücksichtigen, als sie in den Patentansprüchen selbst und nicht lediglich in der Patentbeschreibung aufgeführt sind. Davon abgesehen fehlt nach seiner Meinung aber auch insoweit eine erfinderische Leistung. Im Ergebnis kann der Vorinstanz zugestimmt werden. Die Begründung ist dagegen insoweit zu korrigieren, als damit prinzipiell verlangt wird, die erfinderische Tätigkeit müsse in den Patentansprüchen umschrieben sein. Zwar ist richtig, dass die Erfindung in den Patentansprüchen zu definieren ist und diese den sachlichen Geltungsbereich des Patents bestimmen ( Art. 51 Abs. 1 und 2 PatG ). Doch wird damit bloss das Fundament des Rechtsschutzes umschrieben. In den Schutz der Erfindung darf nichts hineininterpretiert werden, was nicht in den objektiv, das heisst mit Hilfe der Beschreibung und der Zeichnungen ( Art. 51 Abs. 3 PatG ), ausgelegten Ansprüchen enthalten ist. Patentierungsvoraussetzungen und Schutzbereich sind auseinanderzuhalten. Jene begründen den Rechtsschutz, dieser begrenzt ihn sachlich. Die Patentansprüche aber stehen im Dienste des Schutzbereichs. Sie sollen das Schutzbegehren, und nur dieses umschreiben. Das Definitionsgebot nach Art. 51 Abs. 1 PatG erschöpft sich darin, die unter Schutz gestellte Erfindung klar zu umschreiben. Die Erfindung als solche zu offenbaren, ist demgegenüber Gegenstand der Patentanmeldung ( Art. 50 PatG ) und der daraus hervorgehenden Patentschrift als Ganzes. Im übrigen ist nicht erforderlich, dass daraus auch die gesamte Tragweite des Erfindungsgedankens erkennbar ist, muss sie doch selbst vom Erfinder nicht in vollem Umfang erfasst worden sein ( BGE 64 II 392 ff. E. 2c). Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit lässt sich somit nicht bereits mit der Begründung verneinen, sie sei in den Patentansprüchen nicht oder nicht hinreichend offenbart. Die Erfindung ist schöpferische Tätigkeit auf technischem Gebiet. Patentwürdig wird sie erst dann, wenn sie den normalen Weg der ständigen Weiterentwicklung verlässt und neue Wege geht, die einer schöpferischen Leistung entspringen. Die handwerksmässige oder fachmännische Weiterentwicklung der Technik genügt hierzu nicht, ebensowenig, was mit den normalen Fähigkeiten eines Praktikers erreicht werden kann (BENKARD/BRUCHHAUSEN, a.a.O., N. 2 zu § 4 PatG ). Das gilt auch für den sogenannten Überraschungseffekt. Zwar ist dieser oft ein Indiz dafür, dass BGE 121 III 125 S. 141 eine neue Lehre nicht nahelag, doch ist auch er am Massstab der Voraussehbarkeit zu messen. Lag dem Fachmann die Erfolgserwartung aufgrund des allgemeinen Wissensstandes nahe, ist die sie bestätigende Lehre nicht erfinderisch. Im Lichte dieser Kriterien aber kann dem Handelsgericht keine Bundesrechtsverletzung vorgeworfen werden, wenn es die beschriebenen Verfahrensschritte einerseits im einzelnen und anderseits in ihrer Kombination nicht als erfinderisch gewertet hat. Die Vorteile der Tetraploidisierung mit jenen einer Selektion nach Wirkstoffen zu kombinieren, lag dem fachmännischen Pflanzenzüchter nahe, da die beschriebene Lösung der gestellten Aufgabe im pragmatischen Versuch nach Massgabe der bekannten Vorgaben vorauszusehen war. Die Nichtigerklärung des Verfahrenspatents durch die Vorinstanz ist aus diesen Gründen bundesrechtlich nicht zu beanstanden. e) Die Beklagte macht mit der Berufung nicht geltend, die Verwendungsansprüche (Patentansprüche 5 und 6) seien selbständig patentierbar. Insoweit ist der angefochtene Entscheid nicht zu überprüfen ( Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ; vgl. dazu BGE 116 II 745 E. 3 S. 748 f.).
null
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
89f5ea0a-6aff-450c-a278-42db84ac79fe
Urteilskopf 92 I 450 75. Auszug aus dem Urteil vom 7. Dezember 1966 i.S. Renold gegen Einwohnergemeinde Baden sowie Regierungsrat und Obergericht des Kantons Aargau.
Regeste Art. 4 BV ; Willkür 1. Beiträge und Gebühren; Begriff und Arten (A, Erw. 2). 2. Die Vorschrift eines Gemeindereglements, die dem Eigentümer sog. Altbauten eine Kausalabgabe zur Finanzierung der zu erstellendenKläranlage auferlegt, ist mit Art. 4 BV vereinbar (A, Erw. 3 und 4). Dasselbe gilt für eine Bestimmung, nach welcher der Gemeinderat für gewisse Arten von Liegenschaften die öffentlichen Entgeltsabgaben von Fall zu Fall festsetzen darf (B, Erw. 1 und 2).
Sachverhalt ab Seite 451 BGE 92 I 450 S. 451 A.- Das am 25. Juni 1963 von der Einwohnergemeindeversammlung der Stadt Baden beschlossene Kanalisationsreglement (KRB) enthält u.a. die folgenden Bestimmungen: "Art. 12bis Anschlussgebühr für Altbauten. Im Hinblick auf die Kläranlage erhebt die Gemeinde für bestehende Liegenschaften eine Anschlussgebühr in der halben Höhe der Regelung von Art. 13. Art. 13 Anschlussgebühr. Für den Anschluss an die öffentliche Kanalisation erhebt die Gemeinde von den Eigentümern der anzuschliessenden Grundstücke eine einmalige Anschlussgebühr. Sie beträgt a) für Ein- und Zweifamilienhäuser 1, 5 Prozent, b) für Mehrfamilienhäuser 2 Prozent des ordentlichen Brandversicherungswertes mit der gesetzlichen Zusatzversicherung. Art. 17 Sonderfälle. Bei nicht reinen Wohnbauten sowie für Fabriken und gewerbliche Betriebe ist der Gemeinderat berechtigt, die Anschlussgebühr, den Baubeitrag und die Benützungsgebühr von Fall zu Fall festzusetzen." B.- Dr. Pierre Renold reichte am 1. Juli 1963 beim Bezirksamt Baden zu Handen der Direktion des Innern und des Regierungsrates BGE 92 I 450 S. 452 gegen den erwähnten Beschluss der Einwohnergemeindeversammlung eine Beschwerde ein. Er stellte darin die Begehren, dem KRB sei die in § 37 des aargauischen Gesetzes über die Nutzung und den Schutz der öffentlichen Gewässer vom 22. März 1954 (GSG) vorbehaltene Genehmigung des Regierungsrates nicht zu erteilen und die Vorlage sei an den Gemeinderat von Baden zurückzuweisen, damit dieser die Art. 12 bis und Art. 17 KRB neu fasse. Zur Begründung macht Dr. Renold geltend, es sei unzulässig, eine Anschlussgebühr auch für früher an die Kanalisation angeschlossene Grundstücke zu erheben. Es gehe sodann nicht an, dem Gemeinderat für nicht reine Wohnbauten eine "Blankovollmacht" zur Festsetzung der Anschlussgebühr zu erteilen. Die Art und Weise, wie die Einwohnergemeindeversammlung mit der zusätzlichen Fiskalbelastung für bereits an die Kanalisation angeschlossene Grundstücke "überrumpelt" worden sei, verletze § 22 Abs. 2 des Gemeindeorganisationsgesetzes (GOG). Die Direktion des Innern trat auf die Beschwerde, insoweit diese sich gegen Bestimmungen des KRB richtete, wegen Unzuständigkeit nicht ein, da diese Frage im Genehmigungsverfahren nach § 37 GSG vom Regierungsrat zu beurteilen sei. Dagegen wies sie die Beschwerde ab, soweit sich diese auf die Rüge der Verletzung von § 22 Abs. 2 des Gemeindeorganisationsgesetzes bezog. Am 17. Dezember 1964 wies der Regierungsrat die Beschwerde gegen den Abweisungsentscheid der Direktion des Innern ab. Gleichentags wies er "im Rahmen des Genehmigungsverfahrens" sodann auch die Beschwerde gegen das KRB materiell ab. In der Rechtsmittelbelehrung wies der Regierungsrat Dr. Renold auf die Weiterzugsmöglichkeit an die verwaltungsgerichtliche Abteilung des Obergerichts gemäss § 50 des GSG hin. Renold machte von ihr Gebrauch, ergriff aber gleichzeitig auch die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Die staatsrechtliche Kammer trat auf die letztere mit der Begründung nicht ein, dass der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft sei. Das aargauische Obergericht trat aber seinerseits auf die verwaltungsgerichtliche Beschwerde nicht ein, weil diese bloss gegen einzelne Anwendungsakte, nicht aber gegen generelle Erlasse zulässig sei. Die hiegegen gerichtete staatsrechtliche Beschwerde wurde von der staatsrechtlichen Kammer am 25. Mai 1966 insofern BGE 92 I 450 S. 453 gutgeheissen, als der Entscheid des Obergerichts aufgehoben wurde ( BGE 92 I 73 ff.). C.- Das Obergericht des Kantons Aargau hat am 5. Juli 1966 die Beschwerde Renolds abgewiesen, soweit es darauf eintrat. Nicht eingetreten ist es auf Eingaben und Anträge, welche verspätet eingereicht worden waren, und auf die Rüge der Verletzung des § 22 GOG. D.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung der Art. 4 und 24 quater BV sowie Art. 2 Ueb. best. BV beantragt Dr. P. Renold, das obergerichtliche Urteil aufzuheben "und die Vorinstanz anzuweisen, die Art. 12 bis und 17 des Kanalisationsreglementse der Gemeinde Baden vom 25. Juni 1963 aufzuheben". E.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau und der Gemeinderat von Baden schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das aargauische Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: I. Eintretensfragen) II.A. Materielle Rechtsverweigerung A. Art. 12bis KRB Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht einmal deshalb Willkür vor, weil es den Art. 12 bis KRB nicht aufgehoben habe. Diese Bestimmung schaffe eine Sondersteuer zulasten einer kleinen Minderheit, nämlich der Eigentümer derjenigen Liegenschaften, die schon vor dem Inkrafttreten des Reglements an das Kanalisationsnetz der Gemeinde angeschlossen waren. Die Abwasserreinigung stelle eine Gemeindeaufgabe dar, und die entsprechenden Kosten müssten daher von allen Steuerzahlern getragen werden. Art. 12 bis KRB bewirke aber auch eine rechtsungleiche Behandlung zugunsten der Eigentümer neu an die Kanalisation anzuschliessender Grundstücke. Die Anschlussgebühr werde unzulässigerweise rückwirkend erhoben. Art. 12 bis sei aus allen diesen Gründen mit Art. 4 BV nicht vereinbar. II.A.1. Die Begründung der Beschwerde ist insofern unklar, wenn nicht gar widersprüchlich, als der Beschwerdeführer anscheinend das Recht der Gemeinde, Gebühren und Beiträge zu erheben, überhaupt bestreitet, ohne dann aber die entsprechenden BGE 92 I 450 S. 454 Anträge zu stellen, die sich wohl insbesondere gegen die Art. 13, 14 und 15 KRB richten müssten. Der Beschwerdeführer geht davon aus, dass die Pflicht zur Abwasserreinigung der Gemeinde obliege und diese die entsprechenden Kosten daher auch selber zu tragen habe. Zwar hat sich das Obergericht eingehend mit der genannten Annahme auseinandergesetzt und dabei aus der Feststellung, die erwähnte Pflicht liege in erster Linie beim Grundeigentümer, geschlossen, dass dieser zu Recht auch die Kosten zu tragen habe. Ob die von der kantonalen Instanz gegebene Begründung gegen "klares Recht" verstosse, wie der Beschwerdeführer behauptet, braucht nicht entschieden zu werden; denn es kommt ihr keine Bedeutung zu. Der Gemeinde ist es ohnehin nur dann erlaubt, Abgaben zu erheben, wenn sie über eine genügende verfassungsmässige und gesetzliche Grundlage verfügt. Hingegen kommt nichts darauf an, ob gemeindeeigene oder den Grundeigentümern abgenommene Aufgaben erfüllt werden. II.A.2. a) Die Gemeinde Baden stützte sich beim Erlass des KRB auf das aargauische Gesetz über die Nutzung und den Schutz der öffentlichen Gewässer vom 22. März 1954 (GSG). Dieses bestimmt in § 44: "Für die Beseitigung und Reinigung von Abgängen können die Gemeinden, Zweckverbände, öffentlichrechtlichen Gesellschaften und Genossenschaften Abgaben erheben. Diese sind in billiger Weise nach Vorteil abzustufen. Für Abgänge, die durch ihre Menge oder Beschaffenheit den Bau oder Betrieb der Anlagen erheblich verteuern, darf ein Zuschlag erhoben werden. Die Einnahmen aus Beiträgen dürfen die Baukosten und diejenigen aus Gebühren die Aufwendungen für Betrieb, Unterhalt sowie angemessene Verzinsung und Abschreibung der Anlagen nicht übersteigen. b) Mit der in § 44 Abs. 2 GSG enthaltenen Abgrenzung zwischen Beiträgen und Gebühren knüpfte der kantonale Gesetzgeber an eine Unterscheidung an, die in Verwaltungsrechtslehre und Rechtsprechung seit langem getroffen wird: Beiträge und Gebühren bilden zusammen mit den Steuern die sog. öffentlichen Abgaben. Während aber die Steuer voraussetzungslos, lediglich im Anschluss an einem bestimmten, in der Person des Pflichtigen erfüllten wirtschaftlichen Tatbestand erhoben wird, stellt der Beitrag (als eine sog. Vorzugslast) eine Abgabe dar, die der Pflichtige für den ihm aus einer öffentlichen Einrichtung erwachsenden wirtschaftlichen Vorteil zu entrichten hat. Der Beitrag BGE 92 I 450 S. 455 wird einerseits nach den zu deckenden Kosten der Einrichtung, anderseits nach dem Sondervorteil bemessen, der dem Einzelnen aus der öffentlichen Einrichtung zukommt. Die Gebühr schliesslich ist ein Entgelt für eine bestimmte, vom Pflichtigen veranlasste Amtshandlung oder für die Benutzung einer öffentlichen Anstalt (vgl. zum Ganzen BGE 90 I 81 /82 mit Verweisungen; FLEINER, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl. S. 419 ff.). c) Bei der Finanzierung von Kanalisationen und Kläranlagen, also öffentlichen Anstalten, kommt den Benutzungsgebühren (im weiteren Sinne) eine besondere Bedeutung zu. Sie können unterteilt werden in Anschlussgebühren und Benutzungsgebühren im engern Sinn (EUGEN MEIER, Das Recht der Gemeindekanalisationen und die Einleitung der Abwasser in die öffentlichen Gewässer nach aargauischem Recht, Diss. Freiburg 1948, S. 67). aa) Die Anschlussgebühr ist die einmalige Gegenleistung des Grundeigentümers dafür, dass er das Recht erhält, die Kanalisation für die Ableitung der Abwasser zu benutzen (vgl. E. MEIER, a.a.O. S. 67/68). Die Anschlussgebühr darf somit nur erhoben werden, wenn der entsprechende Anschluss möglich ist. Anderseits ist sie aber ohne Nachweis der tatsächlichen Benutzung des Anschlusses zulässig. Dies steht zwar im Widerspruch zur rechtlichen Natur der Anschlussgebühr als einer Benutzungsgebühr, wurde aber stets damit gerechtfertigt, die tatsächliche Benutzung sei praktisch nicht überprüfbar. Man hat deshalb die Benutzungsmöglichkeit als ausreichendes Tatbestandsmerkmal für die Erhebung einer Anschlussgebühr anerkannt (EGON BAROCKA, Zur Unterscheidung von Gebühren und Beiträgen und zur Gebührenstaffelung bei Abwasserabgaben, in "Die öffentliche Verwaltung", Stuttgart, 19. Jg. 1966, S. 784; E. MEIER, a.a.O. S. 67). bb) Demgegenüber sind die Benutzungsgebühren im engern Sinne wiederkehrende Gegenleistungen der Anstaltsbenützer für die Inanspruchnahme der öffentlichen Kanäle (E. MEIER, a.a.O. S. 70/71). Sie setzen somit ausser dem Bestehen des betriebsfertigen Anschlusses auch dessen tatsächliche Benutzung voraus. d) Zur Deckung der Aufwendungen für das Erstellen von Abwasserableitungs- und -reinigungsanlagen können, wie sich auch aus § 44 GSG ergibt, ebenfalls Beiträge erhoben werden. Diese sind im Gegensatz zu den Gebühren bereits zulässig, wenn BGE 92 I 450 S. 456 der betreffende Grundeigentümer nur die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Anstalt besitzt. Dieses Tatbestandsmerkmal ist von demjenigen der Benutzungsmöglichkeit scharf zu trennen, soll nicht der rechtliche Unterschied zwischen Beitrag und Gebühr überhaupt verwischt werden (vgl. E.BAROCKA, a.a.O. S. 785). Gemeinsam haben beide Tatbestände lediglich das eine: sowohl dem Begriff der Anschlussmöglichkeit als auch demjenigen der Benutzungsmöglichkeit wohnt der Gedanke des wirtschaftlichen Vorteils inne. Damit ist wohl zu erklären, weshalb auch Gebühren mitunter nach Vorteilen bemessen werden. § 44 GSG lässt dies ebenfalls zu, fallen doch unter die "Abgaben.", welche gemäss Abs. 1 "nach Vorteil abzustufen" sind, offensichtlich die in Abs. 2 erwähnten Beiträge und die Gebühren. II.A.3. Der Beschwerdeführer macht zu Recht nicht geltend, § 44 GSG verletze eine eidgenössische oder kantonale Verfassungsvorschrift. Es ist somit vorerst zu prüfen, ob sich Art. 12 bis KRB an den vom kantonalen Recht gezogenen Rahmen hält. a) Die Anschlussgebühr des Art. 12 bis KRB wird nach dem Wortlaut der angefochtenen Bestimmung "im Hinblick auf die Kläranlage" erhoben. Sie stellt somit offensichtlich eine "Abgabe für die Beseitigung und Reinigung von Abgängen" im Sinne des § 44 GSG dar. Um die Frage nach der rechtlichen Natur einer umstrittenen öffentlichen Abgabe beantworten zu können, darf nicht einfach auf die im betreffenden Erlass dafür gewählte Bezeichnung abgestellt werden. Massgebend ist vielmehr die tatsächliche Ausgestaltung. Geht man vorliegend davon aus, dass die "bestehenden Liegenschaften" (von denen in Art. 12 bis KRB die Rede ist) wohl an die Kanalisation, dagegen noch nicht an die Kläranlage angeschlossen sind, dass die "Anschlussgebühr" des Art. 12 bis aber zur Finanzierung der Kläranlage erhoben wird, so liegt die Annahme einer Vorzugslast nahe. Wie das Obergericht zutreffend ausführt, braucht die Frage angesichts der weiten Fassung von § 44 GSG hier allerdings nicht abschliessend entschieden zu werden. b) Aus dem klaren Wortlaut des § 44 GSG erhellt sodann, dass entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers Kanalisations- und Kläranlagen nicht nur mit Steuergeldern bezahlt werden müssen. Zwar ist diese Möglichkeit den Gemeinden nicht verwehrt; das kantonale Recht schreibt sie jedoch nicht vor. Im Gegenteil können die Baukosten der Abwasseranlagen vollständig BGE 92 I 450 S. 457 durch Beiträge, sämtliche Betriebskosten durch Gebühren gedeckt werden ( § 44 Abs. 2 GSG ). Selbst wenn demnach, wie der Beschwerdeführer annimmt, der Anteil der den Eigentümern von "Altbauten" auferlegten "Anschlussgebühren" 58% der Gesamtaufwendungen der Gemeinde für die Kläranlage betrüge, wäre unerfindlich, warum Art. 12 bis KRB deshalb willkürlich sein sollte. Nun sind aber die in der Beschwerde angeführten Zahlen überdies unrichtig. Laut Protokoll hat die Gemeindeversammlung vom 25. Juni 1963 einen Kredit von Fr. 15 434 000.-- an die regionale Kläranlage bewilligt. Der auf 3 800 000. - geschätzte Eingang an Anschlussgebühren gemäss Art. 12 bis KRB beträgt somit nicht 58%, sondern stellt kaum einen Viertel des Kostenanteils der Gemeinde dar. c) § 44 GSG nennt den Abgabepflichtigen nicht. Die Frage nach dem Grund hiefür kann jedoch unerörtert bleiben, weil der Personenkreis, an welchen sich Art. 12 bis KRB wendet, nach dem Sinn des kantonalen Gesetzes jedenfalls nicht als untauglich erscheint. Gemäss § 44 Abs. 1 Satz 2 GSG sind die Abgaben in billiger Weise nach Vorteil abzustufen. Vorteile aus Kanalisation und Kläranlage ziehen in erster Linie die Grundeigentümer, deren Liegenschaften ohne Abwasserableitung gar nicht bewohnbar wären. Nur die Grundeigentümer (und nicht etwa auch die Mieter) treten zu den genannten öffentlichen Anstalten in eine unmittelbare rechtliche und tatsächliche Beziehung. Von jeher traf sie deshalb auch die Beitrags- und Gebührenpflicht (vgl. FLEINER, a.a.O. S. 427 f.). d) Geht aber nach dem Gesagten die "Anschlussgebühr für Altbauten" weder nach ihrer Art und Höhe noch in Bezug auf die Person des Abgabepflichtigen über den Rahmen des § 44 GSG hinaus, so kann jedenfalls insofern nicht gesagt werden, Art. 12 bis KRB sei willkürlich. II.A.4. Abzuklären bleibt, ob die angefochtene Bestimmung deshalb nicht mit Art. 4 BV vereinbart werden könne, weil sie die Eigentümer von "Altbauten" gegenüber denjenigen neu anzuschliessender Liegenschaften rechtsungleich behandle. Der Beschwerdeführer behauptet dies, und er macht weiter geltend, es sei unzulässig, "Gebäudeeigentümer, welche zum Teil schon seit Jahrzehnten an die Kanalisation angeschlossen sind, nachträglich zur Leistung eines Zuschlages zu ihrem damaligen Anschlussbeitrag zu verpflichten". BGE 92 I 450 S. 458 a) Der zuletzt erwähnte Vorwurf ist schon deswegen unbegründet, als der Beschwerdeführer offenbar von einer falschen Annahme ausgeht, wenn er die Anschlussgebühr des Art. 12 bis KRB als "Zuschlag" zu einem früheren "Anschlussbeitrag" bezeichnet. Wie die Gemeinde in ihrer Beschwerdeantwort ausgeführt und in einem nachträglich bei ihr eingeholten Amtsbericht ausdrücklich bestätigt hat, sind in Baden vor dem Erlass des KRB weder Kanalisationsanschluss- noch Benutzungsgebühren erhoben worden. Es berührt eigenartig, dass der als Anwalt und Hauseigentümer mit den örtlichen Verhältnissen seiner Wohngemeinde vertraute Beschwerdeführer Angaben macht, die den Tatsachen nicht entsprechen. Die angefochtene Bestimmung dient aber auch nicht dazu, bisher nicht vorgesehene Abgaben rückwirkend zu erheben. Es wird den Eigentümern bereits angeschlossener Liegenschaften nicht zugemutet, für die verflossene Zeit "Anschlussgebühren" zu entrichten, obwohl jeder mehr oder weniger lang Vorteile im Sinne des § 44 GSG aus der Anstaltsnutzung gezogen hat. Vielmehr knüpft Art. 12 bis KRB die Abgabepflicht an einen in der Gegenwart liegenden Tatbestand: der Eigentümer, dessen Grundstück heute, d.h. zur Zeit des Inkrafttretens des KRB, an die Kanalisation angeschlossen ist, hat "im Hinblick auf die Kläranlage" einen einmaligen Betrag zu bezahlen. b) Die Anschlussgebühr des Art. 12 bis KRB soll in der "halben Höhe der Regelung von Art. 13" erhoben werden. Art. 13 KRB setzt den Betrag fest, welchen die Eigentümer neu anzuschliessender Grundstücke zu entrichten haben. Wie sich aus einer Gegenüberstellung der beiden genannten Bestimmungen und aus dem Protokoll der Gemeindeversammlung vom 25. Juni 1963 ergibt, entfällt die gemäss Art. 13 KRB erhobene Abgabe je zur Hälfte auf die Kanalisation und die Kläranlage. Die von den Eigentümern der "Altbauten" geforderte Anschlussgebühr entspricht demnach in ihrer Höhe derjenigen, welche die Eigentümer neu anzuschliessender Liegenschaften für den Anschluss an die Kläranlage zu entrichten haben. Von einer rechtsungleichen Behandlung in dem vom Beschwerdeführer behaupteten Sinne kann keine Rede sein. Im Gegenteil liesse sich allenfalls fragen, ob nicht die Eigentümer neu anzuschliessender Grundstücke rechtsungleich behandelt werden dadurch, dass Art. 13 KRB nur ihnen eine einmalige Anschlussgebühr auferlegt, während die Eigentümer bestehender BGE 92 I 450 S. 459 Liegenschaften gemäss Art. 12 bis lediglich die Hälfte dieser Gebühr zu entrichten haben. Die Frage braucht indessen nicht entschieden zu werden; sie wurde von keiner Seite aufgeworfen und bildet deshalb nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. II.A.5. Geht aber Art. 12 bis KRB nicht über seine kantonalrechtliche Grundlage hinaus und widerspricht er auch dem Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht, dann handelte das Obergericht nicht willkürlich, indem es sich weigerte, die angefochtene Bestimmung zu streichen. Die Beschwerde ist somit in diesem Punkte unbegründet. II.B. Art. 17 KRB Der Beschwerdeführer hält den Entscheid des Obergerichtes auch deshalb für mit Art. 4 BV nicht vereinbar, weil die kantonale Instanz Art. 17 KRB nicht aufgehoben habe. Diese Bestimmung sei als Blankettnorm zugunsten des Gemeinderates willkürlich. II.B.1. Art. 17 KRB gibt dem Gemeinderat in der Tat eine erhebliche Auslegungsfreiheit, indem er ihm das Recht einräumt, bei sämtlichen nicht reinen Wohnbauten die Anschlussgebühr, den Baubeitrag und die Benützungsgebühr von Fall zu Fall festzusetzen. Auch für Art. 17 KRB bildet § 44 GSG die gesetzliche Grundlage. Wie bereits im Abschnitt A hiervor erwähnt, sind gemäss Abs. 1 Satz 2 dieser Bestimmung die von den Gemeinden für die Abwasserbeseitigung und -reinigung erhobenen Abgaben "in billiger Weise nach Vorteil abzustufen". Art. 17 KRB wurde offenbar vor allem deshalb derart weit gefasst, weil es sich als sehr schwierig erwies, für die entsprechenden Bauten die Abgaben des KRB in befriedigender und tauglicher Weise allgemein festzulegen. Wohl aus demselben Grunde begnügten sich denn auch die Schöpfer des Musterreglements der aargauischen Baudirektion mit der beanstandeten weiten Fassung. Der Begriff des "Vorteils" setzt eben zumeist eine im Einzelfall vorzunehmende Wertung voraus. Der Gesetzgeber pflegt sich dann darauf zu beschränken, den Verwaltungsbehörden allgemeine Anweisungen zu erteilen, und auf einen zum voraus bestimmten rein mechanischen Massstab zu verzichten. BGE 92 I 450 S. 460 II.B.2. Es scheinen allerdings grundsätzlich Möglichkeiten zu bestehen, die Bemessung der Abgaben für nicht reine Wohnbauten, Fabrik- und gewerbliche Betriebe, nach Vorteilen abgestuft, zum voraus festzusetzen. So hat sich beispielsweise die Gemeinde Lenzburg zu diesem Zwecke der sog. Einwohner- und Industriegleichwerte bedient. Trotzdem durfte das Obergericht ohne Willkür annehmen, Art. 17 KRB sei mit Art. 4 BV vereinbar. a) Art. 17 KRB gewährt den Vollzugsbehörden kein freies Ermessen. Vielmehr hat der Gemeinderat unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen, was aber nach rechtlichen Grundsätzen erfolgen muss. Dabei enthält insbesondere der § 44 GSG massgebliche Anhaltspunkte für die Rechtsfindung. Andere ergeben sich aus der allgemeinen Verwaltungsrechtslehre. Sodann bilden auch die Art. 12 ff. einen Rahmen, der bei der Anwendung von Art. 17 KRB nicht zu übersehen sein wird. b) Die blosse Möglichkeit einer willkürlichen Anwendung, welche bei jeder Rechtsvorschrift besteht, stempelt diese an sich noch nicht zu einer willkürlichen. Es ist deshalb abzuwarten, welchen Gebrauch der Gemeinderat Baden von Art. 17 KRB machen wird. Dem Bürger, der glaubt, dass die Veranlagung zu einer Abgabe an die Ableitung und Reinigung der Abwasser ihn unbillig belaste, bleibt die Befugnis gewahrt, die entsprechenden Rechtsmittel zu ergreifen. Er ist also den Gemeindebehörden keineswegs ausgeliefert. Auch bezüglich des Art. 17 KRB hält somit der angefochtene Entscheid jedenfalls vor Art. 4 BV stand. Andere Rügen, so diejenige der Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung oder der Eigentumsgarantie, hat aber der Beschwerdeführer nicht erhoben. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
public_law
nan
de
1,966
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
89f78d3d-e050-43cb-99d5-c2aba98f744b
Urteilskopf 99 II 228 32. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. September 1973 i.S. Verband des Schweizerischen Spirituosengewerbes gegen Angehrn & Co.
Regeste Unzulässige Wettbewerbsbehinderung. 1. Art. 4 KG . Auslegung dieser Bestimmung nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Anwendung auf eine Sperre von führenden Markenspirituosen; Erheblichkeit der Behinderung (Erw. 1 und 2). 2. Art. 5 Abs. 1 und 2 KG . Rechtfertigungsgründe und ihre Voraussetzungen. Umstände, die solche Gründe ausschliessen (Erw. 3 und 4). 3. Art. 43 OR . Bemessung des Schadens: Eine Umsatzsteigerung, die nicht auf die Sperre zurückzuführen ist, braucht der Betroffene sich nicht als Vorteil anrechnen zu lassen (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 228 BGE 99 II 228 S. 228 A.- 1) Der Verband des Schweizerischen Spirituosengewerbes ist eine Genossenschaft mit Sitz in Bern, die 1892 gegründet worden ist. Er will insbesondere die Interessen der Verbandsmitglieder und der Spirituosenbranche wahren und BGE 99 II 228 S. 229 fördern, sie gegenüber Behörden vertreten und alle Praktiken unlauteren Wettbewerbes bekämpfen. Mitglieder des Verbandes können im Handelsregister eingetragene Firmen werden, die entweder Dest-illate zum Trinkverbrauch, Liköre, Aperitifs usw. fabrikmässig herstellen oder solche Getränke auf Lager nehmen und damit Gross- oder Detailhandel treiben (§ 5 der Statuten). Diese Bestimmung erlaubt dem Verband, von den inländischen Fabrikanten über die Importeure und die Generalagenten ausländischer Erzeugnisse bis zum Detailhandel praktisch die ganze Spirituosenbranche zu vertreten. Durch ein Preisschutzabkommen von 1957 verpflichteten sich zahlreiche Fabrikanten, Importeure und Generalagenten dem Verband gegenüber, angemessene Mindestverkaufspreise für alle Markenspirituosen festzusetzen, die sie dem Abkommen unterstellten und an Wiederverkäufer, das Gastgewerbe oder an den Detailhandel abgaben. Gegenüber den beiden ersten Abnehmergruppen war der Verkaufspreis brutto, bei der letzten Gruppe brutto und netto festzusetzen. Die für den Verkauf an das Gastgewerbe und den Detailhandel geltenden Preise mussten dem Verband gemeldet werden, der sie in einer Liste veröffentlichte. Sie waren von den Unterzeichnern des Abkommens strikte einzuhalten, die ihrerseits auch die Wiederverkäufer auf diese Verpflichtung aufmerksam machen mussten. Im Jahre 1964 fielen insgesamt 174 Markenspirituosen unter das Abkommen. Als die "Cash & Carry" (CaC)-Einkaufszentren aufkamen, wurde diesen gestattet, den Kunden auf die vorgeschriebenen Mindestverkaufspreise 3% Rabatt zu gewähren; er wurde am 1. September 1966 auf 5% erhöht und war zu 2% als Skonto, zu 3% als Abholrabatt zu verstehen. Wer die Vorschriften des Preisschutzabkommens als Wiederverkäufer verletzte, musste zunächst mit einer Verwarnung des Verbandes und dann mit einer Liefersperre rechnen, die für alle Unterzeichner des Abkommens verbindlich war. 2) Die Firma Angehrn & Co. in Gossau handelt mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, insbesondere mit Kolonialwaren aller Art, Fleischwaren, Milchprodukten, Tabakwaren, Toilettenartikeln, Wasch- und Putzmitteln, Boden- und Schuhpflegemitteln sowie mit alkoholischen und alkoholfreien Getränken. Im Jahre 1964 eröffnete sie eine CaC-Einkaufszentrale, in der ihre Kunden die Ware selbst auswählen, herrichten, abholen und bar bezahlen. Durch Kontrollkarten BGE 99 II 228 S. 230 sorgt die Firma dafür, dass in der Zentrale nur Detaillisten und Inhaber von Betrieben des Gastgewerbes, also Wiederverkäufer, nicht aber Konsumenten einkaufen können. Die Einsparungen, die sie auf diese Weise erzielt, erlauben ihr, die Ware in der Zentrale zu tieferen Preisen anzubieten. Die Firma Angehrn führte 17 Markenprodukte, die unter das Preisschutzabkommen des Verbandes fielen. Sie bot diese Getränke in ihrer CaC-Einkaufszentrale nicht nur den Detaillisten, sondern auch den Inhabern von Gastgewerbebetrieben zu den Grossistenpreisen mit 5,4% WUST an, weil das CaC-Vertriebssystem angeblich keine unterschiedlichen Preise für Wiederverkäufer zuliess. Das Preisabkommen des Verbandes sah dagegen für die Abgabe an das Gastgewerbe Mindestverkaufpreise (Wirtepreise) vor, die um 8 bis 20% höher lagen als jene für Ladengeschäfte (Detailpreise). Es gestattete CaC-Betrieben 1964 zudem nur 3% Rabatt. Mit Schreiben vom 12. November 1964 warf der Verband der Firma Angehrn vor, sie verkaufe in ihrer CaC-Einkaufszentrale Markenspirituosen an Wirte und Hotelbetriebe, ohne die für diese Abnehmergruppe vorgesehenen Mindestpreise einzuhalten. Da die Firma nicht antwortete, verwarnte der Verband sie am 11. Dezember mit dem Hinweis, dass sie mit einer Liefersperre bis zu zwei Jahren rechnen müsse, wenn sie die Mindestpreise des Abkommens weiterhin unterbiete. Am 22. April 1965 setzte die Schiedskommission des Verbandes der Firma Angehrn acht Tage Frist zur Erklärung, ab 1. Mai die Mindestpreise für alle vom Abkommen erfassten Markenspirituosen einhalten zu wollen; andernfalls werde gegen sie eine einjährige Liefersperre verhängt. Da die Firma der Aufforderung nicht nachkam, ordnete der Verband die Sperre am 1. Mai 1965 an und verlängerte sie ein Jahr später auf unbestimmte Zeit. B.- Nach einem erfolglosen Versuch, die angeordnete Massnahme durch den Richter vorsorglich aufheben zu lassen, klagte die Firma Angehrn im Juni 1966 beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen den Verband auf Feststellung, dass die gegen sie verhängte Liefersperre widerrechtlich sei; der Verband sei daher unter Strafandrohung zu verpflichten, die Massnahme aufzuheben und dies den Mitgliedern und den Unterzeichnern des Preisschutzabkommens mitzuteilen. Die Klägerin verlangte ferner, dass der Beklagte zu Schadenersatz nebst Zins verurteilt und dass der Urteilsspruch in der Wirtezeitung dreimal veröffentlicht werde. BGE 99 II 228 S. 231 Der Beklagte widersetzte sich diesen Begehren, teilte den Verbandsmitgliedern aber durch Rundschreiben vom 26. Oktober 1968 mit, dass er das Preisschutzabkommen von 1957 mit sofortiger Wirkung ausser Kraft gesetzt und die verhängten Liefersperren aufgehoben habe. Das Handelsgericht hiess am 9. März 1973 die Klage, soweit sie noch zu beurteilen war, dahin gut, dass es die Widerrechtlichkeit der gegen die Klägerin verhängten Liefersperre feststellte und ihr Fr. 120 123.28 Schadenersatz nebst 5% Zins seit 1. Februar 1967 zusprach. C.- Der Beklagte hat gegen dieses Urteil die Berufung erklärt. Er beantragt, es insbesondere wegen Verletzung von Art. 4 und 5 des Kartellgesetzes (KG) aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 4 KG sind Vorkehren eines Kartells, mit denen Dritte in der Ausübung des Wettbewerbes erheblich behindert werden sollen, wie Bezugs- und Liefersperren, in der Regel unzulässig (Abs. 1). Das gilt auch für Wettbewerbsbehinderungen durch kartellähnliche Organisationen (Abs. 2). Im Entscheid BGE 90 II 512 Erw. 8 nahm das Bundesgericht an, mit dem Erfordernis der Erheblichkeit mache Art. 4 Abs. 1 KG die Unzulässigkeit einer Wettbewerbsbehinderung, wie das schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes der Fall gewesen sei, von einem quantitativen Element abhängig. Das Recht auf freie wirtschaftliche Betätigung könne daher nur verletzt sein, wenn die Behinderung eine gewisse Intensität aufweise, was man von bloss vorübergehenden oder geringfügigen Eingriffen nicht sagen könne. Diese Auffassung liegt auch BGE 91 II 319 Erw. 4 zugrunde, wo das Bundesgericht die auf einen einzelnen Geschäftszweig beschränkte Massnahme nicht als erheblich erachtete, weil sie den gesamten Bruttogewinn der betroffenen Gesellschaft bloss um drei Promille zu schmälern vermochte. Im Entscheid BGE 94 II 336 hielt das Bundesgericht am quantitativen Unterscheidungsmerkmal fest, fügte aber bei, dass Art. 4 nach dem Grundgedanken des Gesetzes, das das Persönlichkeitsrecht auf freien Wettbewerb schützen wolle, auszulegen sei. Es müsse daher grundsätzlich jede Behinderung dieser Freiheit als erheblich bewertet werden, wenn sie sich nicht in BGE 99 II 228 S. 232 geringfügigen Auswirkungen, welche die Entscheidungsfreiheit des Betroffenen praktisch nicht beeinflussten, erschöpfe. Diese Rechtsprechung wurde in BGE 98 II 373 /74 unter Hinweis auf die Verfassungsgrundlage und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes sowie auf die herrschende Lehre teils verdeutlicht, teils richtiggestellt. Der Sinn und Zweck des Gesetzes ist demnach darin zu erblicken, dass es Kartelle und ähnliche Organisationen zulassen und bloss Missbräuche in der Ausübung kollektiver Wirtschaftsmacht bekämpfen will, folglich nicht nur das Recht des Aussenseiters auf ungestörte Ausübung des Wettbewerbes und das Recht der Kartellmitglieder an der Durchsetzung einer Wettbewerbsordnung, sondern auch deren Interessen grundsätzlich als gleichwertig anerkennen muss. Das schliesst ein absolut geschütztes Recht des Aussenseiters auf ungehinderte Teilnahme am Wettbewerb aus und macht eine gegen ihn verhängte Massnahme (z.B. eine Liefersperre durch ein Kartell) nach Art. 4 KG erst dann widerrechtlich, wenn sie ihn in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit erheblich behindert und das Kartell sich nicht auf einen Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 5 KG berufen kann. Das gesetzliche Erfordernis der Erheblichkeit ist so zu verstehen, dass die Behinderung wettbewerbspolitisch relevante Tatsachen des geschäftlichen Handelns, wie Preise, Konditionen, Nebenleistungen usw. berühren und sich fühlbar auf die wirtschaftliche Lage des Betroffenen auswirken muss. Wie es sich damit verhält, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von der Art der Vorkehr und deren Auswirkungen auf die Handlungsfreiheit des Aussenseiters, auf die Struktur und die Entwicklung seines Betriebes ab. Dass der Betroffene sein Geschäft trotz der Benachteiligung nicht schliessen muss, sondern weiter betreiben und sogar ausbauen kann, schliesst die Erheblichkeit der Behinderung nicht notwendig aus ( BGE 98 II 374 und dort angeführtes Schrifttum; MERZ, Das Schweizerische Kartellgesetz, S. 44/45). 2. Im vorliegenden Fall hält das Handelsgericht die gegen die Klägerin verhängte Liefersperre für erheblich, während der beklagte Verband dies bestreitet. a) Nach dem angefochtenen Urteil entfielen im ersten Quartal 1965, also unmittelbar vor Beginn der Sperre, 20,8% des gesamtes Umsatzes, den die Klägerin in ihrem CaC-Betriebe erzielte, auf Getränke. Unter diesen machten die Sprirituosen BGE 99 II 228 S. 233 61,5%, die der Klägerin vom 1. Mai an gesperrten 17 Markenspirituosen 34,2% aus. Die letzteren gehörten zusammen mit den übrigen 157 Produkten, welche damals dem Preisschutzabkommen unterstanden, nicht bloss zu den bekannten und führenden, sondern auch zu den meistgefragten Markenspirituosen. Die Vorinstanz führt dazu unter Hinweis auf den Bericht der Kartellkommission vom 1. Juli 1969 über die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Spirituosenmarkt (vgl. Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission 1970 S. 53/54) insbesondere aus, dass Wiederverkäufer und Detaillisten ohne die dem Abkommen unterstellten Spirituosen, welche als "Zugartikel" der Branche galten, kein befriedigendes Sortiment aufbauen konnten; um sich auf dem Markt durchzusetzen, seien sie vielmehr darauf angewiesen gewesen, mit führenden Produkten beliefert zu werden. Unter diesen Umständen waren von der Sperre betroffene Wiederverkäufer wie die Klägerin, die den Handel mit Spirituosen auf bekannte und führende Marken ausrichten wollte, in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit von vorneherein erheblich behindert. Der Klägerin sollte nicht bloss der bisherige Bezug an Markenspirituosen gesperrt, sondern auch die Möglichkeit genommen werden, weitere vom Abkommen erfasste Produkte zu beziehen. Ein Ausweichen auf konkurrenzfähige Substitutionsgüter, die ihr gestattet hätten, sich auf dem Spirituosenmarkt unbekümmert um die Sperre zu behaupten und durchzusetzen, war nach der Feststellung der Vorinstanz nicht möglich. Die Feststellung stützt sich auf das Gutachten der Kartellkommission vom 31. Oktober 1969 und betrifft tatsächliche Verhältnisse. Was der Beklagte in der Berufung dagegen vorbringt, ist als unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung nicht zu hören. Wie sehr die Klägerin an den gesperrten Markenprodukten interessiert war, ergibt sich denn auch daraus, dass sie diese vom Mai 1965 an auf Umwegen oder "auf dem schwarzen Markte", wie sie sich selber ausdrückte, zu beziehen suchte und dafür während der Sperre, die 42 Monate dauerte, Mehrpreise von über Fr. 120 000.-- in Kauf nahm. Die Folge davon war, dass sie nach dem Ergänzungsbericht des gerichtlichen Gutachters die Bruttomarge von 12% um die Hälfte kürzen musste. Die Klägerin versuchte damit offensichtlich auch Auswirkungen der Sperre auf andere Warengattungen zu begegnen. BGE 99 II 228 S. 234 Diese Gefahr bestand vor allem deshalb, weil die Getränke unter den etwa 5000 Artikeln, welche die Klägerin in der CaC-Einkaufszentrale anbot, etwa einen Fünftel, die 17 gesperrten Spirituosen allein 4,4% des Gesamtumsatzes ausmachten; der gerichtliche Gutachter hielt ihre Getränkeabteilung übrigens für die beste der Einkaufszentrale. Die Klägerin weist zudem mit Recht darauf hin, dass Kunden von CaC-Betrieben ihren ganzen Bedarf im gleichen Geschäft einzukaufen wünschen, weshalb solche Betriebe ein möglichst vollständiges Sortiment der meistbegehrten Artikeln führen müssten, wenn sie Kunden nicht bloss gewinnen, sondern behalten wollten. b) Ist die Erheblichkeit der Wettbewerbsbehinderung schon aus diesen Gründen zu bejahen, so kann dahingestellt bleiben, wie die Sperre, die nur einen Geschäftszweig der Einkaufszentrale betraf, sich auf den ganzen Betrieb der Klägerin ausgewirkt habe. Dass diese die Behinderung teils umgehen und den Umsatz an Markenspirituosen durch die Preisunterbietungen angeblich ständig steigern konnte, steht einer erheblichen Behinderung nicht entgegen. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 KG genügt, dass Dritte mit kartellistischen Vorkehren in der Ausübung der Wettbewerbsfreiheit erheblich behindert werden sollen. Das setzt voraus, dass die Vorkehren zu einer solchen Behinderung taugen, heisst aber nicht, dass bei der Beurteilung der Erheblichkeit stets auch den finanziellen Auswirkungen auf die Entwicklung eines Geschäftes nachzuforschen sei, weil das Mass der zulässigen oder unzulässigen Freiheitsbeschränkung jedenfalls vom Umfange der wirtschaftlichen Einbusse abhange, wie der Beklagte einwendet (vgl. MERZ, a.a.O. S. 43). Ebensowenig hilft dem Beklagten, dass die Klägerin einzig wegen ihrer Weigerung, sich gleich zu verhalten wie andere Wiederkäufer, in ihrer Handlungsfreiheit behindert worden ist. Die Klägerin brauchte sich die Behinderung, die erheblich und daher an sich unzulässig war, nicht gefallen zu lassen, gleichviel ob andere Wiederverkäufer sich der Massnahme beugten. An der Erheblichkeit der Behinderung ändert schliesslich auch nichts, dass der Gerichtspräsident III Bern und auf Beschwerde hin auch der Appellationshof des Kantons Bern das Gesuch der Klägerin, die Liefersperre vorsorglich aufzuheben, ablehnten. Dies mag den Beklagten in der Meinung, die gegen die Klägerin verhängte Sperre sei zulässig, bestärkt haben, enthob BGE 99 II 228 S. 235 ihn aber nicht der Pflicht, sich über das Mass seines Eingriffes in die Handlungsfreiheit der Klägerin von Anfang an Rechenschaft zu geben. 3. Nach Art. 5 Abs. 1 KG ist die Wettbewerbsbehinderung ausnahmsweise zulässig, wenn sie durch überwiegende schutzwürdige Interessen gerechtfertigt ist und wenn sie die Freiheit des Wettbewerbes weder im Verhältnis zum angestrebten Ziel noch nach der Art und Durchführung der Vorkehr übermässig beeinträchtigt. Ob ein Kartell sich zur Rechtfertigung einer Wettbewerbsbehinderung auf überwiegende schutzwürdige Interessen berufen kann, hängt vor allem von der Ordnung ab, welche es mit Hilfe seiner Vorkehren zugunsten eines gesamten Berufs- oder Wirtschaftszweiges anstrebt. Das erhellt aus den vom Gesetz angeführten Beispielen (Art. 5 Abs. 2). Es billigt einem Kartell überwiegende schutzwürdige Interessen insbesondere zu, wenn es (innerhalb eines bestimmten Wirtschaftszweiges) einen lauteren und unverfälschten Wettbewerb gewährleistet (lit. a), angemessene berufliche und betriebliche Voraussetzungen verwirklicht (lit. b) oder eine im Gesamtinteresse erwünschte Struktur eines Wirtschaftszweiges oder Berufes fördert (lit. c). Das Interesse eines Kartells an einer Marktordnung reicht allein jedoch nicht aus, um eine Wettbewerbsbehinderung zu rechtfertigen; es muss vielmehr, wie die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zeigt, ein allgemeines Interesse volkswirtschaftlicher Art hinzukommen (SCHÜRMANN, Textausgabe des Kartellgesetzes mit Erläuterungen, S. 84 und dort angeführte Gesetzesmaterialien). Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass die vom Kartell verfolgten Interessen offensichtlich überwiegen, wie dies nach der Rechtsprechung vor Erlass des Gesetzes der Fall war ( BGE 86 II 378 ), oder dass sie sich mit Interessen der Allgemeinheit decken müssen. Auch bloss leicht überwiegende schutzwürdige Interessen und solche, die dem Gesamtinteresse nicht zuwiderlaufen, mit ihm also noch vereinbar sind, können je nach den Umständen eine Behinderung rechtfertigen ( BGE 98 II 376 /77). Die beiden weiteren Voraussetzungen, von denen Art. 5 Abs. 1 KG die Zulässigkeit einer Wettbewerbsbehinderung abhängig macht, beruhen auf dem Grundsatz der Angemessenheit oder Verhältnismässigkeit. Dieser vor allem im Verwaltungsrecht entwickelte Satz (statt vieler: BGE 93 I 219 Erw. 6, BGE 95 I 428 BGE 99 II 228 S. 236 Erw. 7, 97 I 508 Erw. c) besagt, dass Eingriffe in fremde Rechtsgüter weder nach dem Mittel noch nach dessen Anwendung über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung des Zweckes, der sie rechtfertigt, erforderlich ist. Das muss auch für die Beeinträchtigung der Wettbewerbsfreiheit durch Kartelle gelten. Welche Anforderungen dabei an die Verhältnismässigkeit des Eingriffes und damit an die Rechtfertigung zu stellen sind, entscheidet sich ebenfalls nicht allgemein, sondern nach den Umständen des Einzelfalles, namentlich nach dem Grund der Massnahme und den damit verfolgten Interessen. Je schwerwiegender die Behinderung ist, desto schwieriger die Rechtfertigung und umgekehrt. Nur leicht überwiegende Interessen rechtfertigen einen bloss geringfügigen Eingriff, triftige dagegen einen verhältnismässig schweren (vgl. SCHÜRMANN, a.a.O. S. 85/86). 4. Der Beklagte macht geltend, das Preisschutzabkommen habe eine im Gesamtinteresse erwünschte Struktur eines Wirtschaftszweiges fördern, zahlreiche Kleinbetriebe schützen und einen unverfälschten Wettbewerb fördern wollen. Er beruft sich auf Art. 5 Abs. 2 KG , der die schützenswerten Interessen aber nicht abschliessend aufzähle. Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass der Beklagte das Preisschutzabkommen bis zu dessen Abänderung im Jahre 1966 selber nicht eingehalten hat. Das Handelsgericht stellt fest, dass vorher etwa 300 auf einer geheimen Liste aufgeführte Gastwirtschaftsbetriebe mit Zustimmung des Beklagten als Grossisten behandelt, d.h. zu niedrigeren Preisen beliefert worden seien als alle anderen Inhaber solcher Betriebe. Der Beklagte versucht diese Feststellung, die für das Bundesgericht verbindlich ist, mit Recht nicht zu widerlegen. Er wendet bloss ein, solche Vorbehalte in Abkommen seien üblich; er habe sie hier übrigens nur zugunsten von Grossbetrieben des Gastgewerbes aufnehmen lassen, die von jeher zu Grossistenkonditionen beliefert worden seien. Das hilft jedoch nicht darüber hinweg, dass die rechtsungleiche Behandlung von Angehörigen des gleichen Gewerbes den vom Beklagten angerufenen Zwecken des Abkommens nicht entsprach. Der Beklagte versucht denn auch weder diese Ungleichheit noch die vom Abkommen vorgeschriebenen Unterschiede zwischen Wirtepreisen einerseits und Detailpreisen anderseits, die bis zu 20% ausmachten, aber ebenfalls nicht einleuchten, zu rechtfertigen. BGE 99 II 228 S. 237 Ebensowenig überzeugt die Behauptung des Beklagten, mit dem Abkommen habe man die Bestrebungen des Bundes, die Volksgesundheit zu fördern, unterstützen wollen, mag die Eidg. Alkoholverwaltung auch der Meinung gewesen sein, Einfuhr, Herstellung und Verbrauch von Spirituosen liessen sich vermindern, wenn deren Preise geordnet und verbindlich festgesetzt würden (vgl. Veröffentlichungen der Kartellkommission 1970 S. 64/65). Von einer einheitlichen Preisordnung konnte nach bereits Gesagtem jedenfalls bis September 1966 nicht die Rede sein. Auch lässt sich nicht sagen, die Sperre sei im Verhältnis zum angeblichen Zweck, zur Verminderung des Konsums beizutragen, ein angemessenes oder gar lauteres Mittel gewesen, lief sie doch darauf hinaus, Inhaber von Discountgeschäften und CaC-Betrieben zu Gewinnmargen zu verhalten, die sie selber für übersetzt hielten. Die Kartellkommission liess in ihrem Bericht denn auch offen, ob der Preisschutz den Konsum von Markenspirituosen vermindere oder ob er nicht eher das Ausweichen auf minderwertige Produkte begünstige. Sie hielt das Abkommen zudem in entscheidenden Punkten, insbesondere in der Margengestaltung, für mangelhaft, was schliesslich bei grossen Betrieben zu einer künstlichen Preisüberhöhung und damit zu seinem Zusammenbruch geführt habe (Veröffentlichungen der Kommission, a.a.O. S. 66 ff.). Auch das spricht gegen überwiegende schutzwürdige Interessen im Sinne von Art. 5 KG und schliesst Rechtfertigungsgründe, wie sie der Beklagte geltend macht, aus. 5. Dass die Klägerin infolge der Liefersperre Fr. 120 123.28 mehr aufwenden musste, um den von der Massnahme betroffenen Geschäftszweig nach Möglichkeit weiter betreiben zu können, ist nicht bestritten. Der Beklagte wendet bloss ein, sein Verschulden sei jedenfalls leicht, und nach Art. 41 ff. OR sei auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Klägerin ihren Umsatz trotz der Sperre erheblich habe steigern können. Von einem leichten Verschulden kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil die Liefersperre gegen die Klägerin bewusst und gewollt verhängt wurde, also auf eine absichtliche Schädigung hinauslief. Das aber ist die schwerste Form des Verschuldens. Dass der Richter eine vorsorgliche Aufhebung der Sperre ablehnte, entlastet den Beklagten auch in diesem Zusammenhang nicht; der Verband nahm die Gefahr, sich vor Gericht verantworten zu müssen und allenfalls zu unterliegen, weiterhin BGE 99 II 228 S. 238 in Kauf. Ein Herabsetzungsgrund im Sinne von Art. 43 OR liegt auch nicht darin, dass Kunden wegen der Unterbietung der Preise durch die Klägerin zu dieser überliefen und die Firma Angehrn den Umsatz trotz der Sperre steigern konnte. Dieser Vorteil der Firma war nicht eine Wirkung der Sperre, sondern die Folge davon, dass andere Wiederverkäufer das Abkommen einhielten, ihre Gewinnmargen im Gegensatz zur Klägerin also nicht herabsetzten. Die Voraussetzungen für eine Vorteilsanrechnung im Sinne der Rechtsprechung ( BGE 71 II 89 , BGE 85 IV 107 ) sind daher nicht erfüllt. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons Bern vom 9. März 1973 bestätigt.
public_law
nan
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1,973
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
89fe0f34-72fe-43f6-a810-60514e5213fb
Urteilskopf 140 II 384 35. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 2C_776/2013 vom 27. Mai 2014
Regeste Art. 6 Ziff. 1 EMRK ; Art. 106 BV ; Art. 14, 22, 40, 41, 51 und 55 ff. SBG; Art. 49a Abs. 3 lit. b KG ; Art. 4 Abs. 3 DSG ; Rechtmässigkeit und Berechnung der gegen eine Casinobetreiberin ausgesprochenen Verwaltungssanktion wegen Missachtung der Sorgfaltspflichten. Die verwaltungsrechtliche Sanktion nach Art. 51 SBG fällt zwar in den Anwendungsbereich der strafrechtlichen Verfahrensgarantien von Art. 6 Ziff. 1 EMRK , doch wurden diese hier nicht verletzt, da die Erhebung der Unterlagen bzw. die Anhörung der Auskunftspersonen im konzessionsrechtlichen Aufsichtsverfahren nicht mit einer missbräuchlich bzw. unverhältnismässig ausgeübten Form von Zwang ("improper compulsion") im Sinne der Rechtsprechung des EGMR verbunden war (E. 3). Die Sanktionsmöglichkeit verjährt analog der Regelung in Art. 49a Abs. 3 lit. b KG , wenn das zu sanktionierende Verhalten bei Eröffnung der Untersuchung seit länger als fünf Jahren bereits beendet war (E. 4). Die geldwäschereirechtlich erhobenen Informationen dürfen bzw. müssen im Zusammenhang mit der Überwachung des Spielverhaltens berücksichtigt werden; das Datenschutzrecht steht dem nicht entgegen (E. 5). Berechnungsmethode des für die Sanktionshöhe relevanten Nettogewinns unter Berücksichtigung der progressiv ausgestalteten Spielbankenabgabe (E. 6). Die Annahme, die Pflichtverletzung der Betreiberin habe als mittelschwer zu gelten, ist aufgrund der gesamten Umstände des Falles (Dauer der Pflichtverletzung usw.) gerechtfertigt (E. 7).
Sachverhalt ab Seite 386 BGE 140 II 384 S. 386 Am 24. Januar 2011 erfuhr die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) davon, dass gegen einen Spieler ein Strafverfahren eingeleitet worden war, nachdem dieser Geld veruntreut und im Casino verspielt hatte. Sie führte am 1. Februar 2011 im entsprechenden Betrieb eine Inspektion durch, wobei sie auch Einsicht in die Unterlagen des Spielers nahm. Am 15. Februar 2011 teilte sie der Casinobetreiberin (A. AG) mit, dass ein Administrativverfahren eröffnet werde, um zu prüfen, ob im Zusammenhang mit dem betroffenen Spieler die spielbankenrechtlichen Vorschriften eingehalten seien. Mit Verfügung vom 29. Juni 2011 sprach die ESBK gegen die Betreiberin eine Verwaltungssanktion in der Höhe von Fr. 4'939'000.- aus. Sie begründete ihren Entscheid damit, dass den im Sozialkonzept vorgesehenen Prozessen nicht nachgekommen worden sei. Die Betreiberin habe damit gegen die Spielbankengesetzgebung verstossen. Sie habe einen Vorteil von gerundet Fr. 2'822'420.- erzielt. Die Unterlassungen seien gravierend gewesen, da das Personal auf praktisch allen Stufen versagt habe. Es müsse von einem mittelschweren Verstoss ausgegangen werden, sodass sich ein Multiplikationsfaktor von 1,75 rechtfertige. Die Sanktionshöhe sei auf gerundet Fr. 4'939'000.- (Fr. 2'822'420.- x 1,75) festzulegen. Das Bundesverwaltungsgericht hiess am 26. Juni 2013 die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betreiberin teilweise gut und reduzierte die Sanktion auf Fr. 3'078'000.-. Der relevante Bruttospielertrag sei mit Fr. 4'020'859.- zu beziffern; von diesem müsse die Spielbankenabgabe in Abzug gebracht werden, sodass der für die Sanktionsberechnung wesentliche gerundete Gewinn Fr. 1'759'125.- betrage, was mit dem Faktor 1,75 multipliziert eine Sanktionshöhe von Fr. 3'078'000.- ergebe. Die Casinobetreiberin beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufzuheben und ihr gegenüber keine BGE 140 II 384 S. 387 Sanktion auszusprechen; eventuell erscheine eine solche maximal in der Höhe von Fr. 1'069'746.-, subeventuell von Fr. 1'283'695.- gerechtfertigt. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und bestimmt die Verwaltungssanktion auf Fr. 1'497'645.-. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Für die Errichtung und den Betrieb einer Spielbank ist eine Konzession des Bundes erforderlich ( Art. 106 Abs. 2 BV ; Art. 10 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1998 über Glücksspiele und Spielbanken [SBG; SR 935.52]). Konzessionsvoraussetzung ist unter anderem, dass ein Sicherheits- und ein Sozialkonzept vorliegen ( Art. 13 Abs. 2 lit. b SBG ), in denen dargelegt wird, mit welchen Massnahmen die Spielbank den sicheren Spielbetrieb sowie die Bekämpfung der Kriminalität und der Geldwäscherei gewährleisten und den sozial schädlichen Auswirkungen des Spiels vorbeugen oder diese beheben will ( Art. 14 Abs. 1 und 2 SBG ). Die Spielbank sperrt gemäss Art. 22 Abs. 1 SBG Personen vom Spielbetrieb aus, von denen sie auf Grund eigener Wahrnehmungen in der Spielbank oder auf Grund von Meldungen Dritter weiss oder annehmen muss, dass sie überschuldet sind oder ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen (lit. a), Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen und ihrem Vermögen stehen (lit. b) oder den geordneten Spielbetrieb beeinträchtigen (lit. c). Verstösst eine Konzessionärin zu ihrem Vorteil gegen die Konzession oder gegen eine rechtskräftige Verfügung, so wird sie durch die ESBK mit einem Betrag bis zur dreifachen Höhe des durch den Verstoss erzielten Gewinnes belastet. Liegt kein Gewinn vor oder kann er nicht festgestellt oder geschätzt werden, so beträgt die Belastung bis zu 20 Prozent des Bruttospielertrages im letzten Geschäftsjahr ( Art. 51 Abs. 1 SBG ). 2.2 Streitgegenstand ist eine von der ESBK bzw. der Vorinstanz gegen die Beschwerdeführerin ausgesprochene Sanktion nach Art. 51 SBG , die damit begründet wird, dass die Beschwerdeführerin ihre gesetzlichen und konzessionsrechtlichen Pflichten verletzt habe, indem sie gegen einen Spieler, der auffallend hohe Spieleinsätze tätigte, nicht spätestens Ende November 2005 eine Spielsperre ausgesprochen habe, wodurch sie einen unzulässigen Bruttospielertrag von Fr. 4'020'859.- bzw. (nach Abzug der Spielbankenabgabe) BGE 140 II 384 S. 388 einen Gewinn von Fr. 1'759'125.- erzielte. Die Beschwerdeführerin macht geltend, bei der gegen sie verfügten spielbankenrechtlichen Sanktion handle es sich um ein Strafverfahren im Sinne von Art. 6 EMRK , ohne dass die ESBK die damit verbundenen strafprozessualen Grundsätze ("nemo tenetur"; Unschuldsvermutung) beachtet hätte (hierzu E. 3). Im Übrigen müsse der Vorfall spielbankenrechtlich als verjährt gelten (hierzu E. 4). Ihr könnten aufgrund der gesamten Umstände zudem keinerlei Pflichtverletzungen vorgeworfen werden (hierzu E. 5). Im Eventualstandpunkt rügt die Beschwerdeführerin, die Sanktion sei falsch berechnet (Methode zur Berechnung der Spielbankenabgabe bei der Ermittlung des Gewinns; hierzu E. 6) und die angebliche Pflichtverletzung zu Unrecht als mittelschwerer Verstoss qualifiziert worden (hierzu E. 7). 3. 3.1 Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, das spielbankenrechtliche Sanktionsverfahren falle nicht in den (strafrechtlichen) Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Art. 51 SBG richte sich nur an die Spielbankenkonzessionäre, mithin an einen stark eingeschränkten Adressatenkreis. Die Sanktionen könnten als eine spezielle Art von Disziplinarmassnahme aufgefasst werden. Die mögliche Höhe der entsprechenden Sanktionen weise allenfalls auf einen strafrechtlichen Charakter hin, doch stehe bei Art. 51 SBG , anders als bei der eigentlichen Strafnorm nach Art. 56 Abs. 1 lit. g SBG , nicht die repressive, sondern die präventive Wirkung der Massnahme im Vordergrund. Eine konsequente Übernahme strafrechtlicher Grundsätze, namentlich des Aussageverweigerungsrechts, führe letztlich dazu, dass sich die spielbankenrechtliche Aufsichtsregelung nicht mehr anwenden und durchsetzen liesse. Insgesamt spreche sowohl die landesrechtliche Qualifikation, die Natur der Widerhandlung wie auch die Art und Schwere der Sanktion gegen den strafrechtlichen Charakter des Einzugs des um einen Sanktionsfaktor erhöhten sorgfaltspflichtwidrig erworbenen Gewinns, weshalb die von der Beschwerdeführerin als unzulässig erhoben gerügten Schriftstücke bei den Akten zu belassen seien. 3.2 3.2.1 Gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) liegt eine strafrechtliche Anklage im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK vor, wenn alternativ entweder das nationale Recht eine staatliche Massnahme dem Strafrecht zuordnet oder die Natur des Vergehens oder die Art und Schwere des BGE 140 II 384 S. 389 Vergehens und/oder der Sanktionen für einen strafrechtlichen Charakter sprechen (sogenannte "Engel"-Kriterien, zurückgehend auf das EGMR-Urteil Engel gegen Niederlande vom 8. Juni 1976, Serie A Bd. 22; BGE 139 I 72 E. 2.2.2 mit zahlreichen Hinweisen). Das Bundesgericht hat in Anwendung dieser Kriterien die kartellrechtlichen Sanktionen nach Art. 49a des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (KG; SR 251) wegen ihres abschreckenden und vergeltenden Charakters und der erheblichen Sanktionsdrohung - im Einklang mit dem EGMR (Urteil Menarini gegen Italien vom 27. September 2011 [Nr. 43509/08] § 41 ff.) - als strafrechtlich bzw. strafrechtsähnlich im Sinne von Art. 6 EMRK qualifiziert ( BGE 139 I 72 E. 2.2.2). 3.2.2 Die dort angestellten Überlegungen gelten auch im vorliegenden Zusammenhang: Die Sanktionen nach Art. 51 SBG haben Parallelen zu jenen von Art. 49a KG . Wie diesen kommt ihnen ein präventiver, gleichzeitig aber auch ein pönaler und repressiver Charakter zu, soweit damit nicht nur der durch den Verstoss erzielte Gewinn, sondern bis zum Dreifachen von diesem sanktionsweise eingezogen wird, was einen nach oben offenen Betrag in mehrfacher Millionenhöhe bedeuten kann. Der Sanktionszuschlag wird nach der vom Bundesgericht bestätigten (Urteil 2C_949/2010 vom 18. Mai 2011 E. 6) Praxis der ESBK unter Berücksichtigung der Schwere des Verstosses bzw. des Verschuldens der Konzessionärin bzw. der für sie handelnden natürlichen Personen bemessen. Der von der Vorinstanz betonte Umstand, dass nur eine kleine Zahl von Konzessionären der Sanktionsdrohung unterworfen sind, erscheint unter diesen Umständen nicht ausschlaggebend; es gibt - worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist - zahlreiche Strafdrohungen, die sich nur an einen bestimmten, unter Umständen auch sehr beschränkten Adressatenkreis richten (Sonderdelikte). 3.3 Obwohl es sich bei der angefochtenen Sanktion damit um eine strafähnliche Massnahme im Sinne von Art. 6 EMRK handelt, sind die sich hieraus ergebenden verfahrensrechtlichen Vorgaben sachgerecht gewahrt worden. 3.3.1 Die Beschwerdeführerin legt nicht substanziiert dar, dass und inwiefern die Berücksichtigung der angeblich rechtswidrig erhobenen Beweismittel bzw. der gestützt darauf festgestellte Sachverhalt für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein könnte ( Art. 97 Abs. 1 BGG ; nicht publ. E. 1.3). Auch wenn die Sanktion als strafrechtlich im Sinne von Art. 6 EMRK zu gelten hat, unterliegt das BGE 140 II 384 S. 390 Verfahren vor der ESBK landesrechtlich nicht der Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0), sondern dem Verwaltungsverfahrensgesetz ( Art. 1 Abs. 2 lit. d VwVG [SR 172.021]; NADINE MAYHALL, in: VwVG, Praxiskommentar [...], Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], 2009, N. 24 zu Art. 2 VwVG ; vgl. analog zum Kartellrecht BGE 139 I 72 E. 4). Die Parteien sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken, soweit ihnen nach einem anderen Bundesgesetz eine Auskunfts- oder Offenbarungspflicht obliegt ( Art. 13 Abs. 1 lit. c VwVG ); dies ist im Bereich der Spielbankenaufsicht der Fall ( Art. 48 Abs. 3 lit. a SBG ). Die jeweilige Partei ist insbesondere gehalten, die erforderlichen Urkunden zu edieren ( Art. 19 VwVG i.V.m. Art. 50 BZP [SR 273]); diese Mitwirkungspflicht gilt selbst dann, wenn sie sich zu ihrem Nachteil auswirkt ( BGE 132 II 113 E. 3.2; KIENER/RÜTSCHE/KUHN, Öffentliches Verfahrensrecht, 2012, Rz. 689, 1037). Die entsprechende landesrechtliche Rechtslage gilt (vgl. Art. 190 BV ), soweit sie nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht steht (CHRISTOPH AUER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], 2008, N. 8 zu Art. 13 VwVG ; KÖLZ/HÄNER/BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, S. 162 f.; MARTIN RAUBER, Verteidigungsrechte von Unternehmen im kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren, insbesondere unter Berücksichtigung des "legal privilege", 2010, S. 167). 3.3.2 Nach der auf das EGMR-Urteil Saunders (vom 17. Dezember 1996 [Nr. 19187/91], Recueil CourEDH 1996-VI S. 2044 § 68) zurückgehenden Auslegung des EGMR umfasst Art. 6 EMRK in strafrechtlichen Verfahren ein Schweigerecht und ein Recht, nicht zu seiner eigenen Verurteilung beitragen zu müssen; daraus ergibt sich, dass die Behörden Anklage führen müssen, ohne auf Beweismittel zurückzugreifen, die durch Druck oder Zwang in Missachtung des Willens des Angeklagten erlangt worden sind ( BGE 138 IV 47 E. 2.6.1; BGE 131 IV 36 E. 3.1; BGE 130 I 126 E. 2.1; je mit Hinweisen; vgl. auch STEFAN TRECHSEL, Human Rights in Criminal Proceedings, Oxford 2005, S. 340 ff.). Diese Formulierung geht in Fällen wie dem vorliegenden indessen zu weit und trägt den Besonderheiten des Verwaltungsverfahrens zu wenig Rechnung: Auch im Strafverfahren gibt es zulässige Beweismittel, die gegen den Willen des Angeklagten erlangt werden, jedoch hiervon unabhängig existieren, wie etwa im Rahmen einer Hausdurchsuchung beschlagnahmte Unterlagen oder die Verwertung einer zwangsweise angeordneten DNA-Analyse (Urteil Saunders , § 69; vgl. Art. 244 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 263 Abs. 1 lit. a StPO bzw. BGE 140 II 384 S. 391 Art. 255 ff. StPO ; BGE 138 IV 47 E. 2.6.1; Urteil 1P.519/2006 vom 19. Dezember 2006 E. 3.2). Nach der Praxis des EGMR ist nicht jede Pflicht unzulässig, Informationen zur Verfügung stellen zu müssen, die auch eine Strafsanktion nach sich ziehen können (EGMR-Urteil Weh gegen Österreich vom 8. April 2004 [Nr. 38544/97] § 44 f.; Nichtzulassungsentscheid Allen gegen Vereinigtes Königreich vom 10. September 2002 [Nr. 76574/01]; BGE 131 IV 36 E. 3.1; JENS MEYER-LADEWIG, EMRK, Handkommentar, 3. Aufl. 2011, N. 133 zu Art. 6 EMRK ). Art. 6 EMRK verbietet die " improper compulsion " ("coercition abusive"), d.h. eine missbräuchlich bzw. unverhältnismässig ausgeübte Form von Zwang (EGMR-Urteile Marttinen gegen Finnland vom 21. April 2009 [Nr. 19235/03] § 60; Murray gegen Vereinigtes Königreich vom 8. Februar 1996 [Nr. 18731/91], Recueil CourEDH 1996-I S. 30 § 45 f.; vgl. BGE 138 IV 47 E. 2.6.1; BGE 131 IV 36 E. 3.1; REGULA SCHLAURI, Das Verbot des Selbstbelastungszwangs im Strafverfahren, 2003, S. 213 ff., 362). Als solche "improper compulsion" erachtet der EGMR etwa eine unter Strafandrohung erzwungene Herausgabe von potenziell belastenden Dokumenten z.B. in einem Zollstrafverfahren (Urteil Funke gegen Frankreich vom 25. Februar 1993 [Nr. 10588/83], PCourEDH Série A Bd. 256A § 44) oder in einem Steuerhinterziehungsverfahren (Urteile Chambaz gegen Schweiz vom 5. April 2012 [Nr. 11663/04] § 39, 54; J.B. gegen Schweiz vom 3. Mai 2001 [Nr. 31827/96]; vgl. dazu auch BGE 131 IV 36 E. 3.1 mit Hinweisen und JACKSON/SUMMERS, The Internationalisation of Criminal Evidence, Beyond the Common Law and Civil Law Traditions, Cambridge 2012, S. 252 f.). 3.3.3 Im Einzelnen erweist sich das Case Law des EGMR nicht in allen Punkten als widerspruchsfrei (vgl. SIMON ROTH, Die Geltung von nemo tenetur im Verwaltungsverfahren, Jusletter 17. Februar 2014 Rz. 14 ff.; derselbe , Verwaltungsrechtliche Mitwirkungspflichten und nemo tenetur, ZStrR 129/2011 S. 296 ff., dort 310 ff.; SCHLAURI, a.a.O., S. 395 ff.; DOMINIQUE OTT, Der Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" unter besonderer Berücksichtigung der strassenverkehrsrechtlichen Pflichten, 2012, S. 152 ff., 350 ff., 371 ff.; STEFAN TRECHSEL, Bankgeheimnis - Steuerstrafverfahren - Menschenrechte, ZStrR 123/2005 S. 256 ff., dort 262 ff.). Es ergibt sich daraus zumindest aber, dass die Verpflichtung, eine Tatsache bekannt zu geben, nicht immer bereits eine unzulässige Selbstanschuldigung bedeutet (Urteile Weh , § 45, und Lückof und Spanner gegen Österreich vom 10. Januar 2008 [Nr. 58452/00] § 55;GRABENWARTER/PABEL, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, S. 457 f.; MEYER-LADEWIG, a.a.O., BGE 140 II 384 S. 392 N. 137 zu Art. 6 EMRK ). So liegt etwa keine Verletzung von Art. 6 EMRK darin, dass ein Fahrzeughalter unter Strafandrohung verpflichtet wird, die Person zu benennen, welche das Fahrzeug im Zeitpunkt gelenkt hat, als mit diesem ein Strassenverkehrsdelikt begangen wurde. Zur Beurteilung der Frage, ob das Recht, zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen, verletzt ist, stellt der EGMR auf die Natur und den Grad des angewandten Zwangs zur Erlangung des Beweismittels, die Verteidigungsmöglichkeiten sowie den Gebrauch des Beweismaterials ab (vgl. Urteile O'Halloran und Francis gegen Vereinigtes Königreich vom 29. Juni 2007 [Nr. 15809/02 undNr. 25624/02] § 55 ff.; Lückof und Spanner , § 51; vgl. dazu auch die Urteile des Bundesgerichts 6B_439/2010 vom 29. Juni 2010 E. 5.3 und 6B_571/2009 vom 28. Dezember 2009 E. 3.2). 3.3.4 Hieraus ergibt sich, dass die blosse Aufforderung, Dokumente einzureichen, zu deren Erstellung eine gesetzliche - hier spielbankenrechtliche - Pflicht besteht, für sich allein noch keinem Verstoss gegen Art. 6 EMRK gleichkommt. Die ESBK hat der Beschwerdeführerin angezeigt, dass sie ein aufsichtsrechtliches Verfahren einleitet und sie in dessen Rahmen um die umstrittenen Auskünfte und Unterlagen ersucht. Dabei wurden ihr keine spezifischen Folgen im Falle einer Mitwirkungsverweigerung angedroht (vgl. zur Rechtsnatur als "Obliegenheit" der allgemeinen Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren: KIENER/RÜTSCH/KUHN, a.a.O., Rz. 697). Insbesondere hat die ESBK ihre Verfügungen nicht mit dem Hinweis auf Art. 292 StGB verbunden, wonach mit Busse bestraft wird, wer von der zuständigen Behörde unter Hinweis auf diesen Artikel an ihn erlassenen Verfügungen keine Folge leistet (vgl. KIENER/RÜTSCH/KUHN, a.a.O., RZ. 97). Die Aufforderung, am Verfahren mitzuwirken und bestimmte Unterlagen einzureichen, erging gegen die Beschwerdeführerin als juristische Person in einem besonderen Rechtsverhältnis mit dem Bund (Konzessionärin). Zwar gilt nach verbreiteter Auffassung der nemo- tenetur-Grundsatz auch zugunsten juristischer Personen und Unternehmen (MEYER-LADEWIG, a.a.O., N. 138 zu Art. 6 EMRK ; NIGGLI/RIEDO, in: Verwaltungsstrafrecht und sanktionierendes Verwaltungsrecht, Häner/Waldmann [Hrsg.], 2010, S. 51 ff.,dort 62 f.; NIGGLI/MAEDER, Verwaltungsstrafrecht, Strafrecht und Strafprozessrecht - Grundprobleme, in: Aktuelle Herausforderungen für die Praxis im Verwaltungsstrafverfahren, Andreas Eicker [Hrsg.], 2013, S. 27 ff., 51; CARLO ANTONIO BERTOSSA, Unternehmensstrafrecht: Strafprozess und Sanktionen, 2003, S. 145 ff.; a.M. GUNTHER ARZT, Schutz juristischer Personen gegen Selbstbelastung, Juristenzeitung [JZ] 2003 BGE 140 II 384 S. 393 S. 456 ff.). Der nemo-tenetur-Grundsatz ist bei juristischen Personen indessen differenziert zu umschreiben. Er geht nicht so weit, die Herausgabe von Unterlagen, deren Führung bzw. Anlage in einem konzessionsrechtlichen Aufsichtsverfahren gesetzlich vorgeschrieben sind, zu verunmöglichen (statt vieler: ARZT, a.a.O., S. 457 ff.; GÜNTER HEINE, Das kommende Unternehmensstrafrecht, ZStrR 121/2003 S. 24 ff., dort 43; derselbe , Praktische Probleme des Unternehmensstrafrechts, SZW 2005 S. 17 ff., dort 21 f.; KRAUSKOPF/EMMENEGGER, in: VwVG, Praxiskommentar [...], Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], 2009, N. 70 zu Art. 13 VwVG ; NADINE QUECK, Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen, Berlin 2005, S. 271 ff.; CHRISTOPH TAGMANN, Die direkten Sanktionen nach Art. 49a Abs. 1 Kartellgesetz, 2007, S. 119). Unternehmen sind aus zahlreichen Gründen gehalten, bestimmte Dokumente und Unterlagen zu erstellen, zu führen und gegebenenfalls den Verwaltungsbehörden zur Verfügung zu stellen, z.B. Buchhaltungen oder Dokumentationen, welche die Einhaltung von Pflichten bezüglich Umweltschutz, Sozialversicherung, Arbeitssicherheit, Geldwäscherei usw. belegen (vgl. KRAUSKOPF/EMMENEGGER, a.a.O., N. 19 ff. zu Art. 13 VwVG ). Könnte der Staat auf diese Unterlagen trotz entsprechender gesetzlicher Grundlagen nicht mehr zurückgreifen, würde eine aufsichts- bzw. damit verbundene strafrechtsähnliche Durchsetzung der materiellen gesetzlichen Pflichten in beaufsichtigten Wirtschaftsbereichen (Finanzmarkt, Spielbanken usw.) praktisch verunmöglicht. Bildet der nemo-tenetur-Grundsatz bei natürlichen Personen (auch) einen Ausfluss aus der Menschenwürde, fehlt dieser - spezifisch grundrechtliche - Aspekt bei gesetzlichen Herausgabepflichten von juristischen Personen und Unternehmen. Solche Überlegungen können nicht als Negation der Rechtsstaatlichkeit bezeichnet und mit dem Hinweis entkräftet werden, es sei gerade der Zweck prozeduraler Garantien, die Arbeit der verwaltungsrechtlich eingesetzten Aufsichtsbehörden zu erschweren (vgl. so im Resultat CHRISTOF RIEDO, Wie man Grundrechte ausser Kraft setzt, Anmerkungen zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-4830/2011vom 26. Juni 2013, AJP 2013 S. 1525 ff., dort 1530 Ziff. 5; wie hier KATHARINA PABEL, § 19 Justizgrundrechte, in: Europäischer Grundrechteschutz, in: Enzyklopädie Europarecht [EnzEur], Bd. II, Christoph Grabenwarter [Hrsg.], 2014, Rn. 95). 3.3.5 Auch nach Auffassung des EGMR gelten die Verfahrensgarantien von Art. 6 EMRK nicht absolut (statt vieler Urteil Al-Dulimi gegen Schweiz vom 26. November 2013 [Nr. 5809/08] § 124 [noch BGE 140 II 384 S. 394 nicht rechtskräftig]; PABEL, a.a.O., Rn. 94). Das Verfahrensrecht dient dazu, auf eine faire Weise die Realisierung des materiellen Rechts zu ermöglichen. Es verstiesse gegen das Gebot der praktischen Konkordanz von Verfassungsinteressen ( BGE 139 I 16 E. 4.2.2; BGE 129 I 173 E. 5.1), das Anliegen des Schutzes der Verfahrensparteien zu verabsolutieren, wie die Beschwerdeführerin dies tut, und dafür das ebenfalls verfassungsrechtliche Anliegen der Wirksamkeit des materiellen Rechts (vgl. Art. 170 BV ) zu vereiteln. Entscheidend ist, dass keine "improper compulsion" ausgeübt wird (vgl. PABEL, a.a.O., Rn. 93), wie dies der EGMR wiederholt formuliert hat. Es ist ein angemessener Ausgleich der verschiedenen Interessen anzustreben, um auf eine faire Weise die materielle Wahrheit zu erforschen, was sachgerechte Anpassungen des grundsätzlich anwendbaren nemo-tenetur-Grundsatzes an die jeweilige konkrete Situation zulässt bzw. gebietet (juristische oder natürliche Person, Auskunftspflicht über Sachverhaltselemente oder implizite Schuldanerkennung, Qualität der Sanktion bei Vereitelung der Mitwirkungspflicht usw.). 3.3.6 Vorliegend geht es nicht um ein Geständnis und auch nicht um eine Aussage als Zeuge gegen sich selber im Sinne von Art. 14 Abs. 3 lit. g UNO-Pakt II (Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte [SR 0.103.2]), weshalb diese Bestimmung von vornherein nicht verletzt sein kann, sondern um die Herausgabe von sachverhaltsbezogenen Unterlagen, zu deren korrekter Erstellung die Beschwerdeführerin - unabhängig von einem Straf- oder Sanktionsverfahren - spielbankenrechtlich verpflichtet ist. Sie hat um die Erteilung einer Betriebsbewilligung für ihr Casino in Kenntnis dieser Vorgaben ersucht und sich ihnen unterworfen, wobei mit der Beschwerdemöglichkeit an das Bundesverwaltungs- und das Bundesgericht ein doppelter Rechtsschutz gewahrt bleibt. Die aufsichtsrechtlich einverlangten Unterlagen über die Art und Weise, wie sie die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten zur Bekämpfung der Geldwäscherei und zum Schutz der Spieler im Einzelfall wahrgenommen hat, werden nicht dadurch selbstbelastend, weil sie in einem Verwaltungsverfahren mit allenfalls strafähnlicher Sanktionsmöglichkeit erhoben wurden, zumal der Beschwerdeführerin dieser Umstand ab Verfahrenseröffnung bekannt war. Die Beschwerdeführerin bringt nur pauschal vor, die Vorinstanz habe das Aussageverweigerungsrecht und die damit verbundene Belehrungspflicht nicht beachtet; sie geht dabei offensichtlich davon aus, dass die unter Verletzung dieser Rechte und Pflichten erhobenen Beweise auszusondern wären. Wie dargelegt, steht es indessen nicht per se BGE 140 II 384 S. 395 im Widerspruch zu Art. 6 EMRK , wenn eine Spielbank in einem gegen sie offengelegten Sanktionsverfahren verpflichtet wird, sachverhaltsbezogene Unterlagen und Dokumente gegenüber der spielbankenrechtlichen Aufsichtsbehörde herauszugeben, um dieser zu ermöglichen, die Einhaltung der gesetzlichen Bewilligungs- bzw. Konzessionsanforderungen zu prüfen. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar (vgl. nicht publ. E. 1.2), dass und inwiefern Beweismittel vorliegend unter einer "improper compulsion" erhoben worden wären. Der in der Replik hierzu gemachte Hinweis genügt nicht, die Herausgabe stehe unter der Strafandrohung von Art. 51 SBG ; denn die prozessleitenden Verfügungen, mit denen die Beschwerdeführerin zur Herausgabe der Unterlagen angehalten wurde, fallen nicht unter die Verfügungen, deren Verletzung aufgrund dieser Bestimmung sanktioniert wird. 3.4 Die auf Grund von Art. 13 Abs. 1 lit. c VwVG i.V.m. Art. 48 Abs. 3 lit. a SBG bestehende Mitwirkungspflicht ist nicht EMRK-widrig und deshalb weiterhin anwendbar. Die einvernommenen Mitarbeiter waren nicht gehalten, sich selber oder ihre Arbeitgeberin zu belasten. Sie wurden als Auskunftspersonen lediglich zu Sachverhaltselementen (bspw. Spielverhalten des Spielers X., Einschätzung seines Umfelds und seiner Mittel, getroffene Massnahmen usw.) einvernommen. Bestand nach dem Gesagten gestützt auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK kein Aussageverweigerungsrecht, gab es seitens der ESBK auch keine Pflicht, auf ein solches hinzuweisen. Die Vorinstanz hat die Beweise gewürdigt und ist zum Schluss gekommen, dass die Beschwerdeführerin ihre konzessionsrechtlichen Pflichten verletzt habe. Unter diesen Umständen ist die Unschuldsvermutung ("in dubio pro reo") in ihrer Funktion als Beweislastregel ( BGE 120 Ia 31 E. 2c) nicht tangiert. Als Beweiswürdigungsregel betrifft sie die Sachverhaltsfeststellung ( BGE 120 Ia 31 E. 2c); diesbezüglich legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern eine Rechtsverletzung vorliegen würde (vgl. nicht publ. E. 1.2). 4. 4.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen, das Spielbankengesetz sehe für die Sanktionen nach Art. 51 SBG (Verwaltungssanktion) keine Verjährungsfristen vor. Es rechtfertige sich aber, analog die für die Übertretungen gemäss Art. 56 SBG geltende siebenjährige Frist anzuwenden (so das Urteil 6B_770/2010 vom 28. Februar 2011 E. 5.2). Die Verfügung der ESBK vom 29. Juni 2011 sei einem erstinstanzlichen Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB (Verfolgungsverjährung) gleichzustellen, sodass die Verjährungsfrist BGE 140 II 384 S. 396 eingehalten sei. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies: Die Sanktion nach Art. 51 SBG sei als mit Busse bedrohte Tat eine Übertretung im Sinne von Art. 103 StGB . Die Strafverfolgung verjähre daher nach Art. 109 StGB in drei Jahren, allenfalls in Anwendung von Art. 11 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) in Verbindung mit Art. 333 Abs. 6 lit. b StGB (Anwendung des Allgemeinen Teils auf andere Bundesgesetze) in vier Jahren. Zudem sei die Verfügung der ESBK kein erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB , sodass erst durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts der Verlauf der Verjährungsfrist beendet worden sei. Damals sei jedoch die vierjährige Frist bereits abgelaufen gewesen. 4.2 Das Gesetz sieht für die Sanktionen nach Art. 51 SBG keine Verjährungsfrist vor. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist die Verjährung jedoch ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des öffentlichen Rechts, weshalb öffentlichrechtliche Ansprüche selbst beim Fehlen einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung der Verjährung oder Verwirkung unterliegen ( BGE 126 II 49 E. 2a; BGE 125 V 396 E. 3a S. 399 mit Hinweisen; BGE 124 I 247 E. 5). Dies muss umso mehr für Verwaltungssanktionen mit pönalem Charakter gelten. Fehlen Vorschriften zur Verjährung, so hält sich der Richter vorab an die Regeln, die der Gesetzgeber im öffentlichen Recht für verwandte Tatbestände aufgestellt hat; mangels entsprechender Regelungen sind die allgemeinen (zivilrechtlichen) Grundsätze über die Verjährung heranzuziehen, wonach für einmalige Leistungen eine zehnjährige, für periodische eine fünfjährige Frist gilt ( BGE 131 V 55 E. 3.1; BGE 119 Ib 311 E. 4b; BGE 112 Ia 260 E. 5e S. 267; WIEDERKEHR/RICHLI, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Bd. I, 2012, Rz. 706). 4.3 4.3.1 Der Beizug von Regelungen über die Verjährung für verwandte öffentlichrechtliche Tatbestände spricht hier am ehesten für eine analoge Anwendung von Art. 49a Abs. 3 lit. b KG ; danach entfällt die Sanktionsmöglichkeit, wenn die Wettbewerbsbeschränkung bei Eröffnung der Untersuchung länger als fünf Jahre nicht mehr ausgeübt worden ist. Im Spielbankenrecht bedeutet dies, dass die Sanktion verjährt ist, wenn das zu sanktionierende Verhalten bei Eröffnung der Untersuchung seit länger als fünf Jahren beendet war. Der gegenüber der Beschwerdeführerin erhobene Vorwurf geht dahin, sie habe den Spieler X. nicht mit einer Spielsperre belegt, bis dieser am 18. November 2008 seinerseits freiwillig darum ersuchte, gegen ihn eine BGE 140 II 384 S. 397 solche auszusprechen. Das zu sanktionierende Verhalten dauerte damit bis zum 18. November 2008 und war bei Eröffnung der Untersuchung am 15. Februar 2011 somit nicht verjährt. 4.3.2 Alternativ wären auch die Überlegungen der Vorinstanz nicht zu beanstanden, die für die Übertretungen nach Art. 56 SBG geltende siebenjährige Frist auf die Sanktionen nach Art. 51 SBG anzuwenden ( Art. 333 Abs. 1 SBG i.V.m. Art. 97 Abs. 1 lit. c und Art. 333 Abs. 6 lit. b StGB in der Interpretation gemäss BGE 134 IV 328 E. 2.1 und Urteil 6B_770/2010 vom 28. Februar 2011 E. 5.2), was der Vorgabe von Art. 57 Abs. 2 SBG entspräche. Angesichts der spezialgesetzlichen spielbankenrechtlichen Regelung besteht jedenfalls kein Anlass, die für Übertretungen geltenden allgemeinen Verjährungsfristen von Art. 109 StGB oder Art. 11 Abs. 1 VStrR zur Anwendung zu bringen. Da bei Übernahme der strafrechtlichen Fristen die Verjährungsfrist erst am Tag zu laufen beginnt, an dem das strafbare Verhalten aufhört ( Art. 98 lit. c StGB ), vorliegend also dem 18. November 2008 (vgl. zum Andauern der Sorgfaltspflicht bei Finanzintermediären: BGE 134 IV 307 E. 2.4), ist die Frist in beiden Fällen mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2013 eingehalten, sodass offenbleiben kann, ob die Verfügung der ESBK einem erstinstanzlichen Urteil gleichzusetzen ist oder nicht. 5. 5.1 5.1.1 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid nach Monaten aufgeschlüsselt die Anwesenheitstage des Spielers X. und die an ihn erfolgten Auszahlungen festgestellt, die als solche unbestritten sind. Sie hat daraus gefolgert, der rasante Anstieg der Anwesenheitstage und die sprunghaft angestiegene Gesamthöhe der jeweiligen monatlichen Auszahlungen zwischen Juli (7 Tage, Auszahlungsbetrag Fr. 77'000.-) und November 2005 (26 Tage, Auszahlungsbetrag Fr. 1'573'400.-) hätte den Mitarbeitenden der Beschwerdeführerin auffallen müssen, zumal sich in den Akten umfassende Unterlagen im Zusammenhang mit identifizierungspflichtigen Transaktionen des Spielers X. und weitere GwG-Abklärungen befunden hätten. Es könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass Auszahlungsbeträge von monatlich über Fr. 650'000.- mit einem Minimum an Spieleinsätzen zu finanzieren gewesen seien. Trotz diesem aussergewöhnlichen Spielverhalten sei der Spieler X. einzig am 14. Februar 2006 zu seinen Einkommensverhältnissen befragt und anschliessend ein Meldezettel erstellt worden. Die BGE 140 II 384 S. 398 Beschwerdeführerin habe damit die Kriterien ihres eigenen Sozialkonzepts nicht beachtet, wonach der Spieler X. gezielt hätte beobachtet werden müssen. Sie habe damit auch gegen Art. 22 Abs. 1 lit. b SBG verstossen; denn selbst in der beruflichen und einkommensmässigen Stellung des Spielers X. habe es höchst unwahrscheinlich erscheinen müssen, dass er sich dauerhaft derart hohe Spieleinsätze hätte leisten können. Die Beschwerdeführerin hätte deshalb spätestens im Oktober 2005 aktiv werden und weitere Abklärungen treffen und Ende November 2005 eine Spielsperre verhängen müssen. 5.1.2 Die Beschwerdeführerin wendet ein, aus damaliger Sicht hätten auf Grund der Aussagen des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten Zweifel an der Zulässigkeit der Verwendbarkeit der GwG-Daten bestanden. Wenn die entsprechenden Unterlagen unter diesen Umständen nicht beigezogen worden seien, könne ihr dies nicht vorgeworfen werden. Sie habe sich auf ihre auch der ESBK bekannten Checklisten verlassen dürfen; nach diesen hätten Änderungen in der Besuchsfrequenz noch nicht zu Abklärungen geführt. Der Spieler X. sei ein gepflegter "Gewinnertyp" gewesen mit familiärem Umfeld, der weder bei Verlusten noch Gewinnen exzessiv reagiert habe. Die Vorinstanz wende nicht hinreichend griffige Abgrenzungskriterien an, was das Bestimmtheitsgebot verletze. Zudem hätten zusätzliche Abklärungen höchstwahrscheinlich nichts genützt, da der Spieler X. im Fälschen von Unterlagen geübt gewesen sei und zweifellos auch der Spielbank gefälschte Unterlagen vorgelegt hätte. 5.2 5.2.1 Finanzintermediäre, wozu auch die Spielbanken zählen (Art. 2 Abs. 2 lit. e des Bundesgesetzes über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor; Geldwäschereigesetz, GwG; SR 955.0), müssen bei der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen die Vertragspartei identifizieren ( Art. 3 GwG ), über die getätigten Transaktionen und die erforderlichen Abklärungen Belege erstellen ( Art. 7 GwG ) und gegebenenfalls die Meldestelle informieren ( Art. 9 GwG ). Diese Pflichten werden durch die Verordnung der ESBK vom 12. Juni 2007 über die Sorgfaltspflichten der Spielbanken zur Bekämpfung der Geldwäscherei (Geldwäschereiverordnung ESBK, GwV ESBK; SR 955.021) konkretisiert. Namentlich muss die Spielbank bestimmte Transaktionen registrieren ( Art. 2 und 3 GwV ESBK ). Auf den so erhobenen Daten beruht die von der Vorinstanz erstellte Liste der Anwesenheitstage des BGE 140 II 384 S. 399 Spielers X. und der an ihn erfolgten Auszahlungen; die Vorinstanz folgert daraus, dass dieser den Mitarbeitern der Beschwerdeführerin hätte auffallen müssen. 5.2.2 Nach Art. 4 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) dürfen Personendaten nur zu dem Zweck bearbeitet werden, der bei der Beschaffung angegeben wurde, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist. In diesem Zusammenhang hatte der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte in einem Schreiben vom 24. August 2006 an den Casinoverband und vom 4. August 2006 an die ESBK ausgeführt, die Verwendung der GwG-Daten für die Umsetzung des Sozialschutzes sei ein "détournement de finalité" im Sinne von Art. 4 Abs. 3 DSG und weder explizit noch implizit gesetzlich vorgesehen; die Spielbanken könnten zwar einen Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 13 DSG (überwiegendes Interesse) anrufen, doch wäre eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage wünschenswert und müsste ein Datenbearbeitungskonzept vorliegen. Das Bundesgericht hat im Entscheid 2C_949/2010 vom 18. Mai 2011 den Rückgriff auf die GwG-Daten zur Anwendung des Sozialkonzepts als zulässig erklärt (dort E. 4.5): Gemäss Art. 22 Abs. 1 SBG sperrt die Spielbank Personen vom Spielbetrieb aus, von denen sie auf Grund eigener Wahrnehmungen in der Spielbank oder auf Grund von Meldungen Dritter annehmen muss, dass sie überschuldet sind oder zu hohe Spieleinsätze riskieren. Das Gesetz verpflichtet die Spielbank damit ausdrücklich, aus Gründen des Sozialschutzes die von ihr wahrgenommenen Tatsachen über die finanziellen Verhältnisse der Kunden zur Anordnung einer Spielsperre zu verwenden. Hierzu gehören auch die Transaktionen, welche die Spielbanken gemäss Art. 2 Abs. 3 GwV ESBK bzw. Art. 3 Abs. 2 der bis 30. Juni 2007 in Kraft stehenden Verordnung mit dem gleichen Namen vom 28. Februar 2000 (aVESBK-BGW; AS 2000 808) besucherbezogen erheben müssen. Die Verwendung dieser Informationen zur Anordnung einer Spielsperre ist durch das Gesetz im Sinne von Art. 13 Abs. 1 DSG vorgeschrieben und damit im Lichte von Art. 4 Abs. 3 DSG ("gesetzlich vorgesehen") zulässig, zumal es sich bei den dadurch betroffenen finanziellen Informationen nicht um besonders schützenswerte Personendaten handelt ( Art. 3 lit. c DSG e contrario). Die Beschwerdeführerin konnte und musste somit ihre GwG-Daten zur Umsetzung des Sozialkonzepts im Rahmen von Art. 22 SBG verwenden. Dass dies aus damaliger Sicht umstritten war, ist nicht im Rahmen der BGE 140 II 384 S. 400 Pflichtverletzung ausschlaggebend, sondern allenfalls bei der Bemessung der Sanktion zu berücksichtigen (unten E. 7). 5.2.3 Der Beschwerdeführerin musste auf Grund der GwG-Daten bekannt sein, dass sie dem Spieler X. ab September 2005 monatlich Auszahlungen von in der Regel mehr als einer halben Million Franken (in zwölf Monaten sogar mehr als je 1 Million Franken) tätigte, was nach den statistischen Grundsätzen, nach denen Glücksspielautomaten funktionieren (vgl. Art. 28 der Verordnung des EJPD vom 24. September 2004 über Überwachungssysteme und Glücksspiele, Glücksspielverordnung [GSV; SR 935.521.21] ), mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass er Einsätze machte, die noch deutlich höher liegen mussten. Da der Spieler X. nach seinen eigenen, der Beschwerdeführerin bekannten Darlegungen ein Jahreseinkommen im oberen sechsstelligen Bereich erzielt haben will, liegt es auf der Hand, dass er damit nicht dauerhaft die für diese Gewinne erforderlichen hohen Einsätze spielen konnte. Das hätte nach Art. 22 Abs. 1 lit. b SBG zur Anordnung einer Spielsperre führen müssen. Indem die Beschwerdeführerin während rund dreier Jahre nicht handelte, hat sie ihre Sorgfaltspflichten als Casinobetreiberin verletzt. Hieran ändert der Einwand nichts, der Spieler X. hätte ihr, wenn nachgefragt worden wäre, gefälschte Unterlagen vorgelegt. Die Spielbank trägt keine Erfolgsgarantie für die entsprechende Massnahme, doch trifft sie zumindest die Pflicht, die erforderlichen Abklärungen und Vorkehren einzuleiten; zudem hätten bereits die Angaben, die der Beschwerdeführerin bekannt waren und die ihr der Spieler X. selber gemacht hatte, zur Anordnung der Sperre führen müssen. 6. 6.1 Die Sanktion bemisst sich nach der Höhe des von der Spielbank "durch den Verstoss erzielten Gewinns" ("gain réalisé du fait de cette violation", "il guadagno ottenuto con l'infrazione"), soweit dieser bekannt ist ( Art. 51 Abs. 1 SBG ). Dabei handelt es sich um den spielbankenrechtlichen (nicht buchhalterischen) Nettogewinn, d.h. die Differenz zwischen dem tatsächlichen und hypothetischen Vermögensstand des Verletzers mit und ohne die Pflichtverletzung; vom Bruttogewinn abzuziehen sind grundsätzlich alle Kosten, welche zur Erzielung des Gewinnes angefallen sind (Urteil 2C_949/2010 vom 18. Mai 2011 E. 6.3). Solange nicht sämtliche Einsätze und Gewinne jedes einzelnen Spielers registriert werden ("player tracking"), bleibt die Berechnung der Höhe des Gewinns im Sinn von Art. 51 Abs. 1 SBG eine mehr oder weniger nachvollziehbare Schätzung. Der BGE 140 II 384 S. 401 entsprechende (unzulässige) Gewinn ist jeweils so genau wie möglich und objektiv (noch) erstellbar zu ermitteln; andernfalls beträgt die Belastung bis zu 20 Prozent des Bruttospielertrags im letzten Geschäftsjahr (Art. 51 Abs. 1 zweiter Satz SBG). 6.2 Hier nicht mehr umstritten ist die Höhe des auf das pflichtwidrige Verhalten zurückgehenden Bruttogewinns; er beträgt für den massgeblichen Zeitraum Fr. 4'020'859.-. Im Urteil 2C_949/2010 hat das Bundesgericht erkannt, dass vom Bruttogewinn die Spielbankenabgabe abzuziehen ist, da diese gemäss Art. 40 Abs. 1 SBG auf den Bruttospielerträgen ("produit brut des jeux", "prodotto lordo dei giochi") erhoben wird, welche als Differenz zwischen den Spieleinsätzen und den ausbezahlten Spielgewinnen ("différence entre les mises des joueurs et les gains qui leur sont versés", "differenza tra le poste giocate e le vincite versate") zu verstehen sind ( Art. 40 Abs. 2 SBG ). Damals war - entgegen dem vorliegenden Fall - nicht zu beurteilen, wie die Spielbankenabgabe bei der Berechnung der Verwaltungssanktion zu berücksichtigen ist und sich auf deren Berechnung auswirkt. Dies bildet hier indessen Verfahrensgegenstand und ist im Folgenden zu prüfen. Weitere gewinnmindernde Aufwendungen macht die Beschwerdeführerin im bundesgerichtlichen Verfahren nicht (mehr) geltend. 6.3 6.3.1 Die Spielbankenabgabe beträgt zwischen 40 und 80 % des Bruttospielertrags (Art. 40 Abs. 1 und 41 Abs. 3 SBG). In diesem Rahmen ist der Abgabesatz progressiv und steigt mit der Höhe des Bruttospielertrags (Art. 82 der Verordnung vom 24. September 2004 über Glücksspiele und Spielbanken [Spielbankenverordnung, VSBG; SR 935.521]). In der für die hier zur Diskussion stehenden Jahre 2005 bis 2008 massgebenden ursprünglichen Fassung von Art. 82 VSBG (AS 2004 4395) wurde der Basisabgabesatz von 40 % bis zu einem Bruttospielertrag von 20 Millionen Franken erhoben; für jede weitere Million Franken Bruttospielertrag stieg der Grenzabgabesatz um 0,5 % bis zum Höchstsatz von 80 %. 6.3.2 Die Vorinstanz hat - wie schon die ESBK in ihrer Verfügung vom 29. Juni 2011 - festgestellt, der durchschnittliche Steuersatz der Beschwerdeführerin habe in den Jahren 2006 bis 2008 56,25 % des Bruttospielertrags betragen. Es wurden demzufolge vom massgebenden Bruttospielertrag von Fr. 4'020'859.- 56,25 % abgezogen, was zu einem Nettogewinn von Fr. 1'759'125.- führte. Die Beschwerdeführerin will vom Bruttogewinn die Differenz zwischen der von ihr BGE 140 II 384 S. 402 tatsächlich bezahlten Abgabe und derjenigen, die sie ohne den vom betroffenen Spieler generierten Bruttospielertrag hätte bezahlen müssen, abziehen, was zu einem Nettogewinn von Fr. 855'797.- führt. Die ESBK akzeptiert grundsätzlich die Sichtweise der Beschwerdeführerin, sich am Grenzsteuersatz zu orientieren, macht aber geltend, dies führe zu einer stossenden Ungleichbehandlung, da Casinos, die einen relativ geringen Bruttospielertrag generierten, aufgrund der prozentual tieferen Spielbankenabgabe eine wesentlich höhere Sanktion bezahlen müssten als Banken mit hohem Bruttospielertrag. Sie schlägt daher vor, bereits den Bruttospielertrag mit dem Sanktionsfaktor zu multiplizieren und erst davon die auf der Basis des Grenzsteuersatzes ermittelte Spielbankenabgabe abzuziehen. Mit diesem Ansatz werde eine umsatzschwächere Spielbank insgesamt an Spielbankenabgabe und Sanktionssumme gleich viel leisten wie eine bruttospielertragsstärkere. 6.4 6.4.1 Der für die Berechnung der Sanktion nach Art. 51 SBG relevante Nettogewinn fällt umso höher aus, je tiefer die Spielbankenabgabe ist; wird nur der Nettogewinn bis zum Dreifachen multipliziert, fällt der Betrag der Sanktion daher bei Spielbanken mit tieferer Abgabenbelastung höher aus als bei Banken mit hoher Abgabenbelastung. Das von der ESBK vorgeschlagene Vorgehen würde diesen Unterschied zwar ausgleichen, insgesamt aber zu deutlich höheren Sanktionen führen, was - wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat (dort E. 6.3) - mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen ist: Wenn Art. 51 Abs. 1 Satz 1 SBG auf den "Gewinn" abstellt, so ist damit nicht der Bruttospielertrag (d.h. Differenz zwischen Einsätzen und ausbezahlten Gewinnen, Art. 41 Abs. 2 SBG ) gemeint, sondern der Nettogewinn (Urteil 2C_949/2010 vom 18. Mai 2010 E. 6.3.1); andernfalls machte Satz 2 von Art. 51 Abs. 1 SBG keinen Sinn, der vorschreibt, dass, wenn kein Gewinn vorliegt bzw. dieser nicht ermittelt oder geschätzt werden kann, die Belastung bis zu 20 Prozent des Bruttospielertrags im letzten Geschäftsjahr beträgt. Nur auf dem durch den Verstoss erzielten Gewinn sieht das Gesetz (maximal) eine Verdreifachung vor. Soweit der daraus resultierende Unterschied in der Sanktionshöhe als stossend und rechtsungleich zu gelten hat, muss dem durch eine flexible und angepasste Handhabung des Multiplikationsfaktors Rechnung getragen werden. 6.4.2 Dem Grundsatz, wonach der Gewinn als Differenz zwischen dem tatsächlichen und hypothetischen Vermögensstand des BGE 140 II 384 S. 403 Verletzers mit und ohne die Pflichtverletzung zu verstehen ist, entspricht die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Berechnungsweise. Danach soll für jede Abgabeperiode zuerst die Spielbankenabgabe einerseits auf dem gesamten Bruttospielertrag und andererseits auf dem Bruttospielertrag ohne den Anteil des Spielers berechnet werden. Die daraus resultierenden Differenzbeträge seien pro Kalenderjahr zu addieren und hernach vom Bruttospielertrag des Spielers in Abzug zu bringen, womit sich unter Berücksichtigung der Progression ein Abzug von 78,72 % statt dem von der ESBK angewendeten von 56,25 % ergebe. Die ESBK gestand der Beschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht zu, dass die Abgabe mit und ohne den durch den Spieler verursachten Bruttospielertrag berechnet werden müsse, wobei der Differenzbetrag anschliessend in Abzug zu bringen sei; es sei somit auf den Betrag abzustellen, den die Spielbank ohne den durch den Spieler unter Verletzung der Sorgfaltspflichten generierten Bruttospielertrag erzielt hätte. Die Vorinstanz hat diese Lösung abgelehnt, da sich eine Spielbank bei der Spielbankenabgabe gemäss BGE 136 II 149 ff. eine Sorgfaltspflichtverletzung anrechnen lassen müsse. Damit solle verhindert werden, dass ihre Betreiberin nachträglich an anderer Stelle von einer Sorgfaltspflichtverletzung profitieren könne. Dieser Grundsatz gelte analog für die vorliegende Fallkonstellation. Zudem sei der Vorschlag der Beschwerdeführerin nicht praxistauglich, so etwa wenn für den gleichen Zeitraum ein weiterer Fall von Sorgfaltspflichtverletzungen bekannt werde (dort E. 6.5.1). 6.4.3 Der Hinweis der Vorinstanz auf BGE 136 II 149 ff. überzeugt nicht: Das Bundesgericht hat erkannt, dass für die Bemessung der Spielbankenabgabe auch derjenige Bruttospielertrag, der auf sorgfaltspflichtwidriges Verhalten der Spielbank zurückgeht, zu berücksichtigen ist (dort E. 6). Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass die von der Beschwerdeführerin geschuldete Spielbankenabgabe in den Jahren 2005 bis 2008 auf der Grundlage des Bruttospielertrags einschliesslich dem vom Spieler X. generierten Ertrag erhoben werden darf, da diesbezüglich eine Pflichtverletzung vorliegt (E. 5). Die bereits erhobene Abgabe ist rechtmässig, unabhängig von Rechtskraftüberlegungen. Daraus folgt allerdings nicht, dass bei der Bemessung des unrechtmässigen Gewinns der durchschnittliche Steuersatz heranzuziehen wäre. Auszugehen ist von der Überlegung, dass sich das pflichtwidrige Verhalten für die Spielbank nicht lohnen soll (Urteil 2C_949/2010 vom 18. Mai 2011 E. 6.2.2). Mit der Spielbankenabgabe wurde bereits ein Teil des unrechtmässigen höheren BGE 140 II 384 S. 404 Bruttogewinns abgeschöpft (nämlich dieser Gewinn multipliziert mit dem anwendbaren Steuersatz). Mit dem Vorgehen der Vorinstanz würde ein Teil dieses bereits abgeschöpften Gewinns nochmals unter dem Titel der Sanktion erfasst, was gesetzwidrig erscheint. 6.4.4 Der Einwand bezüglich der fehlenden Praktikabilität ändert hieran nichts: Sollte später für den gleichen Zeitraum ein zweiter Fall bekannt werden, kann dafür die Rechnung neu erstellt und der zusätzlich bekannt gewordene Gewinn sanktionsweise erfasst werden. Das sollte keine grösseren Probleme stellen, da die Sanktion nicht für die einzelnen Spieler separat berechnet werden muss, sondern für die Spielbank gesamthaft. Zwar bringt die ESBK vernehmlassungsweise vor, bei der Ermittlung des Gewinns sei die Vorinstanz bereits von für die Beschwerdeführerin ausgesprochen günstigen Annahmen ausgegangen, es kann aber nicht - gewissermassen kompensatorisch - hierfür eine gesetzlich nicht vorgesehene Doppelbelastung auf dem ermittelten Gewinn gerechtfertigt werden. Die Spielbankenabgabe ist bei der Gewinnermittlung so zu berücksichtigen, dass einerseits vom effektiv erzielten Bruttogewinn (inkl. den vom Spieler X. generierten Betrag von Fr. 4'020'859.-) die tatsächlich bezahlte Spielbankenabgabe abgezogen wird, was den tatsächlichen Vermögensstand mit Pflichtverletzung ergibt. Andererseits ist vom rechtmässig erzielten Bruttogewinn (d.h. effektiv erzielter Bruttogewinn minus vom Spieler X. generierter Bruttogewinn) die Spielbankenabgabe abzuziehen, die auf diesem rechtmässigen Bruttogewinn geschuldet wäre, was den hypothetischen Vermögensstand ohne Pflichtverletzung ergibt. Nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin und der ESBK beträgt die Differenz bei Berücksichtigung der erfassten (GwG-)Auszahlungen an den nicht als Durchschnittsspieler zu qualifizierenden X. auf den von ihm genutzten drei Spielapparaten Fr. 855'797.-. Formelhaft ausgedrückt gilt: (1) Bruttogewinn (total) minus Spielbankenabgabe (total); (2) Bruttogewinn (ohne Verstoss) minus Spielbankenabgabe (ohne Verstoss); die Differenz zwischen (1) und (2) bildet den Nettogewinn im Sinne von Art. 51 Abs. 1 SBG , welcher Grundlage für die anschliessende Multiplikation mit den Faktoren 1 bis 3 bildet (vgl. sogleich E. 7). Soweit die ESBK geltend macht, es sei von einem relevanten Bruttospielertrag von Fr. 5'413'108.- statt Fr. 4'020'525.- auszugehen, legt sie nicht dar, inwiefern die diesbezüglich abweichende Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid offensichtlich unhaltbar wäre ( Art. 105 Abs. 2 BGG ), weshalb von diesem auszugehen ist. BGE 140 II 384 S. 405 7. 7.1 Die Höhe der Sanktion ist maximal das Dreifache des durch den Verstoss erzielten (Netto-)Gewinns. In ihrer vom Bundesgericht bestätigten (Urteil 2C_949/2010 vom 18. Mai 2011 E. 6.2.2.) Praxis unterscheidet die ESBK zwecks einheitlicher und nachvollziehbarer Vorgehensweise nach der Schwere des Verstosses vier Kategorien und bemisst die Sanktion nach der Höhe des bezifferbaren Gewinns, multipliziert mit einem Faktor, der für jede dieser Kategorien einen bestimmten Rahmen umfasst (einfache Ordnungswidrigkeit: Faktor 1,0 bis 1,5; leichter Verstoss: Faktor 1,25 bis 1,75; mittelschwerer Verstoss: Faktor 1,5 bis 2,0; schwerer Verstoss: Faktor 1,75 bis 3,0). 7.2 7.2.1 Die ESBK ist vorliegend von einem mittelschweren Verstoss ausgegangen und hat den Multiplikationsfaktor auf 1,75 festgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Einschätzung bestätigt: Der Sozialschutz als zentrales Ziel der Spielbankengesetzgebung sei durch die Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin in nicht leichtzunehmender Weise gefährdet worden; eine Sperre sei trotz klarer Hinweise während rund dreier Jahre unterblieben; in diesem Zeitraum seien dem Spieler rund 24,5 Mio. Franken ausbezahlt worden, ohne dass die Beschwerdeführerin Finanzunterlagen eingeholt hätte. Umgekehrt habe sie sich aber stets kooperationsbereit gezeigt; ihre Mitarbeiter hätten davon ausgehen können, dass der Spieler ein Gewinnertyp gewesen sei; zudem sei er ein atypischer Spieler gewesen, sodass es durchaus möglich erscheine, dass er durch die Maschen des Kontrollnetzes habe fallen können. In Gewichtung aller Umstände sei die ESBK zu Recht von einem mittelschweren Verstoss ausgegangen und der Faktor von 1,75 erscheine gerechtfertigt. 7.2.2 Die Beschwerdeführerin beanstandet, die Vorinstanz habe völlig ausser Acht gelassen, dass im damaligen Zeitpunkt davon auszugehen war, dass die GwG-Daten zum Zweck des Sozialschutzes nicht verwendet werden dürften. Es trifft zu, dass sich die Vorinstanz mit dieser bereits bei ihr erhobenen Rüge nicht auseinandergesetzt und auch keine entsprechenden Feststellungen getroffen hat. Diese lassen sich jedoch aus den Akten vervollständigen ( Art. 105 Abs. 2 BGG ): Daraus ergibt sich, dass sich sowohl der Casinoverband wie auch die ESBK im Jahre 2006 mit der Frage auseinandergesetzt hatten, ob die GwG-Daten für den Sozialschutz verwendet werden dürften; aus den dazu eingeholten Stellungnahmen des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten ergab sich nicht, dass die Verwendung der GwG-Daten für den Sozialschutz als unzulässig BGE 140 II 384 S. 406 erachtet wurde; der Datenschutzbeauftragte bezeichnete zwar eine zusätzliche gesetzliche Regelung als wünschenswert, wies aber de lege lata auf den Rechtfertigungsgrund von Art. 13 DSG hin. Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Schreiben an die ESBK vom 27. Februar 2006 selber dargelegt, die GwG-Unterlagen seien ein weiterer und ergänzender Erkennungsweg, der einen Hinweis auf regelmässige Auszahlungen und Besuche gebe; im Falle einer Zuhilfenahme der GwG-Daten führe eine hohe Auszahlungsfrequenz zu einer Aufnahme der Früherkennung; die dazu benötigten Informationen würden in Zusammenarbeit mit der Finanzabteilung intern genutzt; die Handhabung geschehe unter strengster Einhaltung des Datenschutzes. Auch in ihrer im Rahmen des hängigen Verfahrens abgegeben Stellungnahme an die ESBK vom 8. März 2011 führte die Beschwerdeführerin aus, die im Jahre 2006 erfolgte Einschätzung des Spielers X. habe "auf den Wahrnehmungen der Mitarbeiter sowie den GWG- Unterlagen" basiert. 7.2.3 Gestützt hierauf ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bereits früher die GwG-Unterlagen effektiv auch im Rahmen der Anwendung des Sozialkonzepts verwendete und ihr somit die hohe Zahl der Anwesenheitstage und die sehr hohen Auszahlungsbeträge nicht nur bekannt sein mussten, sondern auch bekannt waren. Sie hat zwar einige Abklärungen getroffen, diese haben aber nicht zu den gebotenen Massnahmen geführt. Vor allem angesichts der sehr langen Dauer der Pflichtverletzung ist die Einstufung als mittelschwerer Verstoss und die Festsetzung des Faktors auf 1,75 vertretbar. Selbst bei der Annahme eines leichten Verstosses wäre dieser im oberen Bereich anzusiedeln und der Multiplikationsfaktor 1,75 gerechtfertigt. 8. 8.1 Der von der Beschwerdeführerin gestützt auf den Verstoss gegen ihre spielbankenrechtlichen Pflichten im Fall des Spielers X. erzielte Gewinn beträgt Fr. 855'797.- (vorne E. 6.4.4). Zur Berechnung der geschuldeten Sanktion ist dieser Betrag mit dem Faktor 1,75 zu multiplizieren, was Fr. 1'497'645.- ergibt. Die angefochtene Verwaltungssanktion ist von Fr. 3'078'000.- auf diesen Betrag zu reduzieren ( Art. 107 Abs. 2 BGG ). Nicht beanstandet und nicht zu verändern ist die von der ESBK auferlegte Verfügungsgebühr, deren Betrag nicht von der Höhe der Sanktion, sondern von dem mit dem Verfahren verbundenen Zeitaufwand bzw. den erforderlichen Sachkenntnissen abhängt ( Art. 53 Abs. 3 SBG ; Art. 113 VSBG ).
public_law
nan
de
2,014
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
89fe3fd3-fdb9-4af1-83ce-4da48879c4ea
Urteilskopf 102 Ia 468 66. Urteil vom 6. Oktober 1976 i.S. Buchdruckerei Elgg AG gegen evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Elgg und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Kirchensteuerpflicht juristischer Personen; Art. 49 Abs. 6 BV , Art. 4 BV , Art. 9 EMRK . Die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ist mit Art. 49 Abs. 6 BV und Art. 4 BV grundsätzlich vereinbar (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung). Sie verstösst auch nicht gegen Art. 9 EMRK .
Sachverhalt ab Seite 468 BGE 102 Ia 468 S. 468 Gemäss § 150 des Zürcher Gesetzes über die direkten Steuern vom 8. Juli 1951 (StG) erheben die staatlich anerkannten Kirchgemeinden von den Angehörigen ihrer Konfession BGE 102 Ia 468 S. 469 und den juristischen Personen die Kirchensteuer. Juristische Personen, welche konfessionelle Zwecke verfolgen, haben die Kirchensteuer nur der Kirchgemeinde dieser Konfession zu entrichten ( § 150 Abs. 2 StG ). Die übrigen juristischen Personen bezahlen die Kirchensteuer anteilsmässig allen im nämlichen Gebiet staatlich anerkannten Kirchgemeinden, wobei die Anteile nach der Zahl der steuerpflichtigen natürlichen Personen, welche den einzelnen staatlich anerkannten Kirchgemeinden angehören, berechnet werden ( Art. 152 Abs. 1 und 2 StG ). Gestützt auf diese gesetzlichen Grundlagen wurde die Buchdruckerei Elgg AG für 1974 zur Bezahlung einer reformierten Kirchensteuer von Fr. 16.70 und einer römisch-katholischen Kirchensteuer von Fr. 9.75 verpflichtet. Sie führt hiegegen, nachdem sie sich erfolglos an die Finanzdirektion und hernach an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich gewandt hat, wegen Verletzung von Art. 4 und Art. 49 Abs. 1 und 6 BV , Art. 64 KV und Art. 9 EMRK staatsrechtliche Beschwerde. Diese richtet sich aus verfahrensrechtlichen Gründen - nicht formgerechte Anfechtung der römisch-katholischen Kirchensteuer vor den kantonalen Instanzen - formell nurmehr noch gegen die Erhebung der reformierten Kirchensteuer. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführerin ist eine juristische Person mit Sitz in Elgg. In dieser politischen Gemeinde bestehen zwei staatlich anerkannte Kirchgemeinden, eine evangelisch-reformierte und eine römisch-katholische. Die Beschwerdeführerin selber verfolgt keine konfessionellen Zwecke. Nach der im Kanton Zürich geltenden gesetzlichen Regelung (§§ 150/152 StG) hat sie den beiden Kirchgemeinden anteilsmässig Kirchensteuer zu bezahlen. Dass die angefochtene Besteuerung in richtiger Anwendung des kantonalen Rechts erfolgte, ist unbestritten. Die Beschwerdeführerin macht jedoch geltend, die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen verstosse gegen Art. 4 und Art. 49 Abs. 1 und 6 BV , Art. 64 KV sowie Art. 9 EMRK . Wie schon das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich festgestellt hat, kommt der Berufung auf Art. 64 KV keine selbständige BGE 102 Ia 468 S. 470 rechtliche Bedeutung zu, da diese Vorschrift der Kantonsverfassung die Glaubens-, Gewissens- und Kultusfreiheit nach Massgabe des Bundesrechts gewährleistet und dem Einzelnen keine zusätzlichen, über die Garantien der Bundesverfassung hinausgehenden Rechte einräumt. Die Rüge eines Verstosses gegen Art. 64 Abs. 1 KV fällt daher mit der Rüge der Verletzung von Art. 49 BV zusammen. 2. Art. 49 BV enthält in Absatz 1 den Grundsatz, dass die Glaubens- und Gewissensfreiheit unverletzlich ist. Die Abs. 2 bis 6 umschreiben die Auswirkungen und Grenzen (vgl. Abs. 5) der verfassungsmässigen Glaubens- und Gewissensfreiheit in einzelnen Lebensbereichen. Abs. 6 bezieht sich auf die Steuerpflicht: Die Vorschrift setzt voraus, dass Steuern speziell für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossenschaft erhoben werden dürfen, und macht dann die Einschränkung, dass niemand gehalten sei, solche Kultussteuern für eine Religionsgenossenschaft zu bezahlen, der er nicht angehöre. a) Das Bundesgericht hat in ständiger Rechtsprechung seit 1878 entscheiden, dass sich juristische Personen nicht auf Art. 49 Abs. 6 BV berufen könnten, da diese Bestimmung ein Ausfluss der in Art. 49 Abs. 1 BV gewährleisteten Glaubens- und Gewissensfreiheit sei, also eines Freiheitsrechtes, das seiner Natur nach nur natürlichen Personen zustehe (BGE 4 S. 536 f., 539, 541; 9 S. 416; 17 S. 557 ff.; BGE 35 I 333 ff.; BGE 41 I 158 ff.; BGE 52 I 108 ff.; nicht veröffentlichte Urteile vom 24. Mai 1940 i.S. Dr. A. Wander u. Kons. sowie vom 23. Dezember 1947 i.S. Société coopérative "La Fraternelle und Kons.", vgl. auch BGE 95 I 353 ). In der Rechtslehre ist diese Praxis von namhaften Autoren kritisiert worden (BURCKHARDT, Kommentar der schweizerischen Bundesverfassung, 3. A., S. 462; E. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. A., S. 44 f.; J. BLUMENSTEIN, Zur Frage der Kirchensteuerpflicht juristischer Personen, ASA 26 S. 113 ff.; FLEINER-GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 320 f.; R. EGGER, Das Subjekt der Kultussteuern in der Schweiz, Diss. Bern 1942 S. 68 ff., 117 ff.; SALADIN, Grundrechte im Wandel, S. 29 Anm. 89; vgl. auch AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Nr. 2016 u. 2023). Die jüngste Zusammenfassung der Diskussion findet sich bei JEAN-PIERRE BAGGI, La struttura giuridica dell'imposta BGE 102 Ia 468 S. 471 ecclesiastica, Freiburg 1971, S. 146 ff. Schon R. VON REDING-BIBEREGG äusserte 1885 in seiner vom schweizerischen Juristenverein ausgezeichneten Preisschrift (Über die Frage der Kultussteuern ...) Bedenken gegen die Zulässigkeit der Besteuerung juristischer Personen und schlug vor, der Bundesgesetzgeber solle sie inskünftig "kultussteuerfrei" erklären. Er anerkannte aber, dass der Begründung, mit welcher das Bundesgericht Art. 49 Abs. 6 BV nicht auf juristische Personen anwende, die Berechtigung, Klarheit und Konsequenz nicht abgesprochen werden könne (S. 84). Den Kritikern, die mit unterschiedlicher Begründung die Erhebung einer Kultussteuer bei juristischen Personen für verfassungswidrig halten, steht eine Gruppe von Autoren gegenüber, welche der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zustimmen (LANGHARD, Die Glaubens- und Kultusfreiheit nach schweizerischem Bundesrecht, Bern 1888, S. 74; HOLENSTEIN, Die konfessionellen Artikel und der Schulartikel der schweizerischen Bundesverfassung, Olten 1931, S. 289 unten; VASELLA, Die Rechtsverhältnisse des katholischen Kirchenvermögens im Kantons Graubünden, Diss. Freiburg 1933, S. 180 f.; NOSER, Pfarrei und Kirchgemeinde, Diss. Freiburg 1957, S. 158 f.; STIRNIMANN, Die Kultussteuerpflicht der juristischen Personen, in ZBl 59/1958, S. 289 ff.; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher StG, N 34 zu § 150 StG ). b) Trotz der in der Rechtslehre - zum Teil mit Nachdruck - geäusserten Bedenken hat nicht nur das Bundesgericht an seiner restriktiven Auslegung von Art. 49 Abs. 6 BV festgehalten, sondern in der Gesetzgebung der Kantone wurde mit Zustimmung der politischen Organe (Parlament und Volk) die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ausgebaut und in einzelnen Kantonen neu eingeführt. Bestimmungen kantonaler Verfassungen, welche ausdrücklich vorsehen, dass juristische Personen der Kirchensteuerpflicht unterliegen, hat die Bundesversammlung die Gewährleistung erteilt (KV Nidwalden Art. 90 Abs. 2, Gewährleistungsbeschluss vom 12. Dezember 1974; KV Graubünden Art. 11 Abs. 6, Gewährleistungsbeschluss vom 30. April 1959). Die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ist also heute sogar in einzelnen kantonalen Verfassungsnormen verankert, die gemäss bisheriger ständiger Praxis vom Bundesgericht nicht auf ihre Übereinstimmung BGE 102 Ia 468 S. 472 mit der Bundesverfassung überprüft werden können ( BGE 83 I 181 E. 6, BGE 89 I 392 , BGE 99 Ia 663 E. 5a, BGE 100 Ia 364 E. 5b). Für das zürcherische Recht gilt diese Beschränkung der bundesgerichtlichen Kognitionsbefugnis aber nicht. c) Die Verfassungsmässigkeit der Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ist in der Doktrin - trotz der Konstanz der Rechtsprechung - umstritten geblieben. Die Entwicklung der kantonalen Gesetzgebung hat den gegen die Besteuerung erhobenen Bedenken jedoch kaum Rechnung getragen. In einer Zeit starker gesellschaftlicher Wandlungen mag es angezeigt sein, dass das Bundesgericht seine seit 1878 vertretene Interpretation von Art. 49 Abs. 6 BV grundsätzlich neu überprüft und untersucht, ob neue Argumente und Erkenntnisse eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zu rechtfertigen vermögen. 3. Gegen die Heranziehung juristischer Personen zur Kirchensteuer wurde und wird immer wieder eingewendet, Voraussetzung der Kirchensteuerpflicht müsse die Zugehörigkeit zur steuerberechtigten Kirche sein; da juristische Personen einer Religionsgemeinschaft nicht angehören könnten, fehle von vornherein die unerlässliche persönliche Verbindung zum steuerberechtigten Gemeinwesen (vgl. BURCKHARDT a.a.O., BLUMENSTEIN a.a.O., SALADIN a.a.O.). a) Im Sinne dieser Argumentation hat das deutsche Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 14. Dezember 1965 in Auslegung von Art. 2 Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) die lediglich im ehemaligen Lande Baden noch bestehende Kirchenbausteuerpflicht juristischer Personen als verfassungswidrig erklärt. In der Begründung wurde vor allem festgestellt, dass das Grundgesetz dem Staat verbiete, einer Religionsgesellschaft hoheitliche Befugnisse gegenüber Personen zu verleihen, die keiner Religionsgesellschaft angehören (BVerfGE 19 Nr. 27). Für die deutsche Bundesrepublik gilt somit heute die Regel, dass die Kirchensteuerpflicht sich auf Kirchenangehörige beschränkt und nicht auf juristische Personen ausgedehnt werden darf. Das Bundesverfassungsgericht hat in den Motiven seines Entscheides hervorgehoben, dass es Landeskirchen im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Begriffes nicht mehr gebe, die früheren Landeskirchen hätten nicht mehr den Rechtscharakter von Gebietskörperschaften, die territoriale Grundlage sei BGE 102 Ia 468 S. 473 schon in der Weimarer Verfassung durch eine reine Personalgrundlage ersetzt worden (BVerfGE 19 S. 216/17). b) Der Wortlaut von Art. 49 Abs. 6 BV könnte rein sprachlich gesehen dahin interpretiert werden, dass Kirchenzugehörigkeit, Zugehörigkeit zur steuerberechtigten Religionsgenossenschaft, eine unabdingbare Voraussetzung der Kirchensteuerpflicht sei und dass folglich juristische Personen, die nach der Natur der Sache nicht einer Kirche angehören, auch der Kirchensteuerpflicht nicht unterliegen können. Geht man aber von der Entstehungsgeschichte des Art. 49 Abs. 6 BV aus, die VON REDING-BIBEREGG (a.a.O. S. 40 ff.) 1885 sehr einlässlich dargestellt hat, so sieht man, dass das Anliegen der Bundesversammlung in den Jahren vor 1872 und 1874 ausschliesslich darauf ging, natürliche Personen gegen die Besteuerung durch eine Religionsgemeinschaft, der sie nicht angehören, zu schützen. Dies war das Anliegen, um das in den Eidg. Räten intensiv gerungen wurde. Das Problem der juristischen Personen war gar nicht im Blickfeld der Bundesversammlung. Auch der bundesrätliche Entwurf vom 26. November 1875 zu einem diesbezüglichen Ausführungsgesetz, das in der Folge nie zustande kam, befasste sich nicht mit dieser Frage, sondern einzig mit der Kirchensteuerpflicht der natürlichen Personen (BBl 1875 IV 971 ff.; VON SALIS, Schweiz. Bundesrecht III Nr. 1019). Dies führte das Bundesgericht schon in seinen ersten Entscheiden im Jahre 1878 (BGE 4 S. 536 f., 539, 541) dazu, den in Art. 49 Abs. 6 BV verankerten Grundsatz nicht auch auf juristische Personen anzuwenden. Es erblickte in dieser Verfassungsvorschrift lediglich eine Norm zum Schutze der in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit berührten natürlichen Personen vor Steuern für eine Religionsgenossenschaft, der sie nicht oder nicht mehr angehören. Nach dieser Auslegung schafft Art. 49 Abs. 6 BV nicht ein positives Erfordernis der Kirchenzugehörigkeit als verfassungsrechtliche Voraussetzung für die Erhebung der Kultussteuer, sondern bestimmt rein negativ, dass die nicht zur steuerberechtigten Kirche gehörende natürliche Person wegen der ihr zustehenden Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht zur Bezahlung von Kirchensteuern verpflichtet werden darf. Diese restriktive Interpretation ist auch auf dem Hintergrund der öffentlich-rechtlichen Stellung der anerkannten und mit der Befugnis zur Steuererhebung ausgestatteten Kirchen BGE 102 Ia 468 S. 474 zu sehen. Mit Abs. 6 von Art. 49 BV wollte der Verfassungsgeber nicht verbieten, dass die Kantone das Kirchenwesen als eine öffentliche Aufgabe betrachten, es aus den allgemeinen Mitteln des Staates finanzieren (Staatskirchen) oder die Gemeinden anerkannter Landeskirchen als Gebietskörperschaften ausgestalten - als Gebietskörperschaften, die analog den politischen Gemeinden ihre finanziellen Bedürfnisse durch Erhebung voraussetzungsloser Abgaben (Steuern) von den ihrer Gebietshoheit unterworfenen Steuerpflichtigen befriedigen können. Historisch gesehen haben sich die anerkannten Landeskirchen im Laufe des 19. Jahrhunderts aus der Gesamtorganisation des Staates herausgelöst und unter Wahrung gewisser hoheitlicher Befugnisse (Besteuerungsrecht) verselbständigt. In die den Kantonen überlassene, unterschiedliche, öffentlich-rechtliche Ordnung des Verhältnisses Staat-Kirche wollte Art. 49 Abs. 6 BV nicht grundlegend eingreifen. Mag auch im Laufe der Jahrzehnte das Bild der Kirchgemeinde sich im Bewusstsein breiter Schichten von dieser Konzeption der territorial begrenzten Gebietskörperschaft entfernt haben, so blieb doch in manchen Kantonen die rechtliche Struktur der Kirchgemeinde als Gebietskörperschaft weitgehend erhalten und der unveränderte Art. 49 Abs. 6 BV , der eine solche Regelung nicht verbieten wollte, kann auch heute nicht als Hindernis einer territorial begründeten kirchlichen Steuerhoheit interpretiert werden. Die primär territoriale Grundlage der Kirchensteuerpflicht zeigt sich auch in der Zulässigkeit der Erhebung der Kirchensteuer von nicht in der steuerberechtigten Kirchgemeinde wohnhaften Eigentümern eines Grundstückes ( BGE 98 Ia 406 ). Gestattet die Bundesverfassung die Verleihung einer abgeleiteten Kirchensteuerhoheit auf territorialer Basis (in Analogie zur Steuerhoheit der politischen Gemeinde), dann dürfen folgerichtig auch die im Gebiet der Kirchgemeinde domizilierten juristischen Personen zur Kirchensteuer herangezogen werden, und es drängt sich auf, die in Abs. 6 von Art. 49 BV statuierte Ausnahme von der Kirchensteuerpflicht im Sinne der bisherigen Praxis restriktiv als eine sich aus der Glaubens- und Gewissensfreiheit ergebende Schutznorm zugunsten natürlicher Personen auszulegen. Die den strukturellen Hintergrund nicht beachtende, eine Kirchensteuerpflicht auf reiner Personalgrundlage postulierende Kritik an der Rechtsprechung dürfte einem gewandelten BGE 102 Ia 468 S. 475 Verständnis der Kirchen entsprechen. Die anerkannten Landeskirchen bzw. ihre Kirchgemeinden werden wohl heute in weiten Kreisen der Bevölkerung nicht mehr als Träger öffentlicher Aufgaben und hoheitlicher Befugnisse betrachtet, die in ihrem Bereich den politischen Gemeinden gleichzustellen wären, sondern eher als den privatrechtlichen Personenverbänden ähnliche Körperschaften auf rein personeller Grundlage. Im Gegensatz zur verfassungsrechtlichen Situation, wie sie vom Bundesverfassungsgericht für die Bundesrepublik Deutschland festgestellt wurde, hat diese zu vermutende Änderung der Auffassungen im schweizerischen Verfassungsrecht jedoch bis jetzt keinen Niederschlag gefunden. Was sich gegen die Kirchgemeinden als Gebietskörperschaften und für Kirchen auf reiner Personalgrundlage vorbringen lässt, spricht wohl in letzter Konsequenz überhaupt gegen die privilegierende staatliche Anerkennung einzelner Kirchen und die Verleihung von Besteuerungsrechten. Solange die Bundesverfassung aber den Kantonen die Freiheit lässt, das Kirchenwesen als Bereich staatlicher Tätigkeit mit Steuergeldern zu finanzieren oder diese als öffentliche Aufgabe verstandene Aktivität öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften mit Steuerhoheit zu übertragen, besteht kein Anlass, die dieser abgeleiteten Steuerhoheit unterworfenen juristischen Personen von der Kirchensteuerpflicht auszunehmen, weil sie nicht Mitglieder der steuerberechtigten Kirchen sein können. Die Pflicht zur Leistung von Steuern an ein territorial bestimmtes Gemeinwesen, das zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mit Steuerhoheit ausgestattet wurde, ist nicht von der personellen Zugehörigkeit zu diesem Gemeinwesen abhängig. Rechtspolitische Gründe, die sich für eine andere Konzeption von Kirchgemeinde und Landeskirche ins Feld führen lassen, sind nicht geeignet, die Aufgabe der bisherigen Praxis zu rechtfertigen, welche mit der herkömmlichen, bis jetzt nicht grundlegend geänderten Rechtsnatur öffentlich-rechtlicher Kirchgemeinden im Einklang steht. 4. Ein zweiter häufiger Einwand gegen die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen bildet der Hinweis, hinter der juristischen Person ständen natürliche Personen (Aktionäre, Gesellschafter), die indirekt durch die Belastung des ihnen gehörenden Gesellschaftsvermögens mit Kultussteuern in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt sein könnten. BGE 102 Ia 468 S. 476 Bei grossen Erwerbsgesellschaften erscheint diese Konstruktion einer indirekten Verletzung der Glaubens- und Gewissensfreiheit des einzelnen Gesellschafters gekünstelt und rein theoretisch. Bei einer Publikumsaktiengesellschaft mit weiter Streuung der Aktien dürfte es schlechthin ausgeschlossen sein, dass sich der einzelne Aktionär durch die meistens relativ geringfügige Belastung der Aktiengesellschaft mit Kirchensteuern irgendwie in seiner persönlichen Glaubens- und Gewissensfreiheit betroffen fühlen könnte. Der Einwand hat dagegen ein gewisses Gewicht, soweit es um kleinere Unternehmungen geht, die in Form einer juristischen Person organisiert sind (Familienaktiengesellschaften, Einmann-Aktiengesellschaften). Die Umwandlung einer Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft kann zur Folge haben, dass die wirtschaftlich einem Konfessionslosen gehörenden Vermögenswerte, die vorher der Kirchensteuer nicht unterlagen, nun in der juristischen Person zur Besteuerung für kirchliche Zwecke herangezogen werden. Möglich ist auch, dass das Steuersubstrat, das bisher im Rahmen einer konfessionell einheitlichen Familie der Kirche des eigenen Glaubensbekenntnisses zur Verfügung stand, nach dem Einbringen in die Aktiengesellschaft teilweise auch zugunsten einer Kirchgemeinde der andern Konfession besteuert wird. Die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen hat zur Folge, dass der Freidenker, der jede Abgabe für eine Religionsgemeinschaft vermeiden will, oder der Anhänger einer Kirche, welcher verhindern will, dass von seinen Steuern der am Ort bestehenden Gemeinde Andersgläubiger etwas zukommt, ihre geschäftliche Tätigkeit nicht in Form einer juristischen Person organisieren können. Das vermag bei der heutigen Ausgestaltung der Individualrechte nicht ganz zu befriedigen. Dass derjenige, der einen Teil seines Vermögens rechtlich von seiner Person trennt und im Rahmen einer juristischen Person verselbständigt, neben den Vorteilen dieser Gestaltung auch deren Nachteile in Kauf zu nehmen hat, ist jedoch ein allgemeiner Grundsatz. Es erscheint nicht als stossend, dass derjenige, der für seine geschäftliche Tätigkeit die persönliche Haftung ausschliesst, sich bei der Besteuerung des als juristische Person konstituierten Unternehmens nicht auf Elemente seiner subjektiven Weltanschauung berufen kann. Zudem ist hier daran zu erinnern, dass der Verfassungsgeber unbestrittenermassen durch Art. 49 Abs. 6 BV nicht jede Verwendung BGE 102 Ia 468 S. 477 von Steuern Andersgläubiger oder Konfessionsloser für die Zwecke einer Kirche, der sie nicht angehören, verbieten wollte; nur von den speziellen Kultussteuern sollen sie befreit sein; eine dem Kultusbudget der staatlichen Kirchen entsprechende Rückzahlung von Staatssteuern war nicht vorgesehen (vgl. BGE 99 Ia 741 ). Nahm somit der historische Verfassungsgeber eine gewisse steuerliche Belastung Andersgläubiger und Konfessionsloser für kirchliche Zwecke selbst bei natürlichen Personen in Kauf, so darf die eben beschriebene Konsequenz der frei gewählten Beteiligung an einer juristischen Person oder der Schaffung einer solchen füglich als mit Art. 49 Abs. 6 BV vereinbar betrachtet werden. Man wollte eben unter dem Aspekt der Glaubens- und Gewissensfreiheit im Bereich der Abgaben nur gewährleisten, dass nicht spezielle Kultussteuern von andersgläubigen oder konfessionslosen natürlichen Personen erhoben werden. Im Lichte der Entstehungsgeschichte kann dieser Bestimmung keine weitergehende Liberalisierungstendenz entnommen werden. Es ist nicht Sache des Verfassungsrichters, dieser Vorschrift in Änderung einer bald hundertjährigen Praxis gestützt auf die Annahme gewandelter Auffassungen eine grössere Tragweite zu geben, obschon das Kirchenrecht der Kantone sich auch in neuerer Zeit weitgehend im herkömmlichen Rahmen entwickelt hat. Vom Grundsatz, dass Art. 49 Abs. 6 BV auf juristische Personen nicht zur Anwendung komme, wird in der Rechtsprechung eine wichtige Ausnahme gemacht. Juristische Personen, die selber religiöse oder kirchliche Zwecke verfolgen, können nicht verpflichtet werden, an andere Religionsgemeinschaften Kultus- oder Kirchensteuern zu entrichten ( BGE 95 I 350 ). Diese Ausnahme ist wohlbegründet und fand allgemein Zustimmung. Wenn auch juristische Personen im allgemeinen und Erwerbsgesellschaften im besondern unter dem Gesichtswinkel der Besteuerung sich nicht auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen können, so wäre es anderseits - bei aller formalen Logik - absurd, juristischen Personen mit religiöser oder kirchlicher Zwecksetzung den Schutz von Art. 49 Abs. 6 BV zu versagen und sie der Besteuerung durch Kirchen Andersgläubiger zu unterwerfen. Diese aus dem Sinn und Zweck der Verfassungsbestimmung sich ergebende Ausnahme lässt sich mit keinen stichhaltigen Argumenten auf BGE 102 Ia 468 S. 478 andere juristische Personen (ohne religiöse oder kirchliche Zwecksetzung) ausdehnen. 5. In der vorliegenden Beschwerde wird geltend gemacht, die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen verstosse auch gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit. Diesen Vorwurf hat in der Doktrin vor allem Bühlmann erhoben (BÜHLMANN, Das Verbot der Kultussteuern S. 104 f.). Er glaubte, ihn in folgende Formel zusammenfassen zu können: "Die physischen Personen, welche einer Religionsgenossenschaft nicht angehören, dürfen persönlich nicht besteuert werden ...; die juristischen Personen jedoch, welche ihrer Natur nach als glaubenslose, ideale Rechtssubjekte keiner Religionsgenossenschaft angehören können, dürfen besteuert werden. Also wesentlich gleiche tatsächliche Voraussetzungen: die Nichtzugehörigkeit, aber ungleiche Behandlung: im einen Fall Steuerbefreiung, im andern Besteuerung." Zum Teil wird die Rechtsungleichheit auch insbesondere darin gesehen, dass die natürliche Person sich durch Austritt aus der Kirche Kirchensteuerfreiheit verschaffen könne, die juristische Person nicht. Der Vorwurf rechtsungleicher Behandlung kann nur zutreffen, sofern zwischen natürlichen und juristischen Personen in dem hier in Frage stehenden Bereich keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hat das Bundesgericht stets angenommen, es bestehe insofern zwischen den beiden Arten von Rechtssubjekten ein entscheidender Unterschied, als die natürliche Person sich auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen könne, während der juristischen Person nach der Natur der Sache dieses Freiheitsrecht im allgemeinen nicht zustehe. Überzeugende Argumente für die Auffassung, auch juristischen Personen komme generell das Individualrecht gemäss Art. 49 Abs. 1 BV zu und sie seien daher durch die Erhebung der Kirchensteuer in gleicher Weise verletzt wie ein Konfessionsloser oder Andersgläubiger, lassen sich weder der Beschwerdeschrift noch der Literatur entnehmen. Die ungleiche Behandlung juristischer und natürlicher Personen in bezug auf die Kirchensteuerpflicht beruht auf einem offensichtlich rechtlich relevanten Unterschied: Die natürliche Person kann durch Kultussteuern in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt werden, für die juristische Person besteht dieser in Art. 49 Abs. 6 BV umschriebene Steuerbefreiungsgrund im BGE 102 Ia 468 S. 479 allgemeinen nicht. Die Rüge rechtsungleicher Behandlung ist unbegründet. 6. Einige Argumente, die sich als für die Beurteilung der Grundsatzfrage nicht entscheidend erweisen werden, sind hier noch zu erörtern: a) Gegen die Kirchensteuerpflicht juristischer Personen wird geltend gemacht, juristische Personen könnten die Dienste der Kirche nicht beanspruchen, es sei daher ungerechtfertigt, ja willkürlich, sie mit Kirchensteuern zu belasten. Die Kirchensteuer ist - wie der Name sagt - eine Steuer, d.h. eine voraussetzungslose Abgabe zur Erfüllung öffentlicher Zwecke, die wie jede andere Steuer vom Pflichtigen ohne Rücksicht darauf geschuldet ist, ob er die damit finanzierten Dienste und Einrichtungen beansprucht oder nicht. Auch eine Steuer, die von einem Pflichtigen erhoben wird, der die Einrichtungen des steuerberechtigten Gemeinwesens nicht oder nur wenig benützt, ist selbstverständlich nicht wegen dieses Fehlens einer Gegenleistung verfassungswidrig. Der Einwand, die juristische Person nehme die Dienste der Kirche nicht in Anspruch, ist in der gesetzgebungspolitischen Diskussion zu prüfen, aber für die verfassungsrechtliche Beurteilung einer bestehenden Besteuerungsmöglichkeit ohne Belang. b) Von den Organen der Landeskirchen wird dargelegt, dass die Kirchen heute mannigfache Dienstleistungen für die Allgemeinheit erbringen (Fürsorge, Schulung, sozial-caritative Einrichtungen). Es erscheint offensichtlich, dass die den Kirchen zufliessenden finanziellen Mittel bei weitem nicht nur für den Kultus im engern Sinne Verwendung finden. Auch dieser Gesichtspunkt braucht jedoch nicht näher untersucht zu werden; denn indem die Bundesverfassung implizite die Erhebung von Kirchensteuern grundsätzlich zulässt, wird den Kantonen die Möglichkeit gegeben, die kirchliche Tätigkeit generell als öffentliche Aufgabe zu verstehen, diesen Bereich öffentlichrechtlich zu organisieren und durch Erhebung von Steuern zu finanzieren. Der Hinweis auf die heutigen Formen kirchlicher Arbeit im Dienste der Allgemeinheit mag eine zeitgemässe rechtspolitische Begründung der Rechtsnatur der Landeskirchen und ihrer Steuerhoheit sein. Für die Frage der Verfassungsmässigkeit der Kirchensteuerpflicht juristischer Personen ist es nicht entscheidend, ob die Kirchen mehr oder weniger Aufwendungen für allgemeine Dienste machten. BGE 102 Ia 468 S. 480 c) Die hie und da anzutreffende Behauptung, die Aktiengesellschaften weckten durch ihre Unternehmungen zusätzliche kirchliche Bedürfnisse, die kirchlichen Dienste würden oft durch das Personal der sich vergrössernden industriellen Betriebe vermehrt beansprucht (vgl. HOLENSTEIN a.a.O.; BVerfGE 19 S. 222 E. 2), kann für die hier zu beurteilende Grundsatzfrage ebenfalls nicht von Bedeutung sein. Auch hier handelt es sich um einen gesetzgebungspolitischen Gesichtspunkt, von dessen Stichhaltigkeit es nicht abhängt, ob eine gesetzlich vorgesehene Kirchensteuerpflicht juristischer Personen vor der Verfassung standhält; denn Steuern als voraussetzungslose Abgaben können vom Gesetzgeber an sich auch Personen auferlegt werden, welche für die zu befriedigenden finanziellen Bedürfnisse in keiner Weise verantwortlich sind. Wenn der Gesichtspunkt der Weckung zusätzlicher kirchlicher Bedürfnisse massgebend wäre, müsste übrigens folgerichtig eine kaum praktikable Differenzierung vorgenommen werden zwischen Gesellschaften, die durch ihre Tätigkeit solche zusätzliche Aufgaben der Kirche schaffen können, und juristischen Personen, deren Aktivität keine solchen Auswirkungen hat. d) Auch das Argument, die Befreiung der juristischen Personen von Kultussteuern würde Möglichkeiten der Steuervermeidung eröffnen (REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, N 34 zu § 150 StG Zürich), ist rechtspolitischer Natur und für die Beurteilung der Verfassungsmässigkeit ohne Belang. Die Befürchtung, Kirchenangehörige könnten im Falle der Steuerfreiheit juristischer Personen das bisher der Kirchensteuerpflicht unterliegende Vermögen und Einkommen aus steuerlichen Überlegungen nach Möglichkeit auf eine juristische Person übertragen, dürfte übrigens weitgehend unbegründet sein. Aus den Kantonen, in denen eine Kirchensteuerpflicht juristischer Personen nicht besteht, sind keine solchen Machenschaften von erheblicher Bedeutung bekannt. 7. Art. 9 EMRK enthält die Garantie der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit: "1. Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit des einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit andern öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, Andachten und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben. BGE 102 Ia 468 S. 481 2. Die Religions- und Bekenntnisfreiheit darf nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Massnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind." a) Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat eingehend untersucht, ob die EMRK, die von der Schweiz am 28. November 1974 ratifiziert wurde, auf den vorliegenden Fall, der die Kirchensteuer für das Jahr 1974 betrifft, anwendbar ist. Es kam zum Schluss, mit der Ratifikation seien die Bestimmungen des Abschnittes I der EMRK - unter Vorbehalt einzelner Ausnahmen und soweit sie keine den Bürger verpflichtenden Drittwirkungen begründen - in der Schweiz unmittelbar anwendbares Recht geworden. Diesem Ergebnis und der dazu führenden Argumentation des Verwaltungsgerichtes ist zuzustimmen. Obschon die EMRK nur am Ende des Steuerjahres 1974 noch während 34 Tagen in Geltung war, ist die grundsätzliche Frage der Zulässigkeit einer Belastung juristischer Personen mit Kirchensteuern ohne Einschränkung abzuklären. Die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene und verneinte Frage, ob im konkreten Fall die auf die 34 Tage berechnete Steuerbelastung von Fr. 1.60 nicht schon wegen ihrer Geringfügigkeit keine Verletzung der in Art. 9 EMRK gewährleisteten Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit darstellen könne, braucht hingegen nicht geprüft zu werden. Die Beschwerdeführerin rügt nicht die Höhe der Steuerbelastung, sondern verlangt einen Entscheid über die prinzipielle, sich jedes Jahr wieder in gleicher Weise stellende Frage, ob unter dem Aspekt von Art. 9 EMRK juristische Personen zur Zahlung von Kirchensteuern herangezogen werden dürfen. b) Art. 9 EMRK enthält - anders als Art. 49 Abs. 6 BV - keine Bestimmung, welche die Belastung Andersgläubiger mit Steuern für Kultuszwecke ausdrücklich verbietet. Ob sich ein solches Verbot aus der allgemeinen Gewährleistung der Freiheit, irgendeine Religion oder Weltanschauung ungehindert auszuüben, ableiten lässt, kann hier offen bleiben. Ein Entscheid der mit der Auslegung der EMRK betrauten Organe zu dieser Frage ist bis jetzt nicht bekannt. Auch in der Doktrin finden sich keine Erörterungen über eine allenfalls aus Art. 9 sich ergebende Beschränkung der Steuererhebung zu BGE 102 Ia 468 S. 482 Kultuszwecken, obschon das Problem sich überall stellen muss, wo der Staat oder mit Steuerhoheit ausgestattete Landeskirchen Kultussteuern erheben. Art. 9 EMRK hebt auf jeden Fall die noch weit verbreitete staats- und finanzrechtliche Privilegierung einzelner Bekenntnisse (Landeskirchen) nicht auf, sondern verbietet lediglich negativ jede Behinderung der Religionsausübung, ohne eine öffentlich-rechtliche Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften zu verlangen (vgl. F. CASTBERG, The European Convention on Human Rights, S. 148 f.). Die Steuerhoheit kirchlicher Körperschaften steht daher nicht in Widerspruch zu Art. 9 EMRK . c) Auch wenn Art. 9 so auszulegen sein sollte, dass Kirchensteuern von Andersgläubigen nicht gefordert werden dürfen, so kann dieser staatsvertraglichen Bestimmung doch keine über Art. 49 Abs. 6 BV hinausgehende, juristische Personen gegen Kirchensteuern schützende Tragweite zukommen. Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat durch Entscheid vom 17. Dezember 1968 i.S. Church of Scientology of California erkannt, juristische Personen könnten keine Rechte aus Art. 9 Abs. 1 EMRK ableiten (Requête Nr. 3798/68, vgl. dazu F.G. JACOBS, The European Convention on Human Rights, S. 148). Wenn es sich um Vereinigungen von Einzelpersonen zur Ausübung der Religion oder Weltanschauung handelt und soweit es um die Verfolgung dieser Ziele geht, müssen sich auch juristische Personen auf Art. 9 EMRK berufen können (in diesem Sinne Urteil des Verwaltungsgerichts Erw. 11 und dort zitierte Literatur sowie H. SCHORN, Die europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, S. 250). Dass juristische Personen ausschliesslich unter diesen Voraussetzungen, d.h. wenn es sich um religiöse oder weltanschauliche Zusammenschlüsse handelt und es um die Behinderung der religiösen oder weltanschaulichen Tätigkeit geht, den Schutz von Art. 9 EMRK beanspruchen können, ist in der Doktrin unbestritten. Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin ist eine Erwerbsgesellschaft ohne religiöse Ziele. Art. 9 EMRK hat nicht den Zweck, juristische Personen vor steuerlicher Belastung für kirchliche Zwecke zu schützen, sondern gewährleistet durch das Verbot staatlicher Behinderung der freien Ausübung jeder Religion oder Weltanschauung eine Freiheit, welche nur natürlichen Personen BGE 102 Ia 468 S. 483 sowie allenfalls religiösen oder weltanschaulichen Vereinigungen zukommt, aber nicht einer juristischen Person mit rein wirtschaftlicher Zwecksetzung. Die Beschwerdeführerin kann sich somit nicht auf Art. 9 EMRK berufen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
de
1,976
CH_BGE
CH_BGE_002
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Federation
89ffdbf4-363d-435c-9f46-3d70184e5564
Urteilskopf 90 I 276 42. Urteil vom 23. Dezember 1964 i.S. X. gegen Bürgerrat der Stadt Basel und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt.
Regeste Einbürgerung. Willkür. 1. Besteht nach dem kantonalen Recht ein Anspruch auf Einbürgerung, so kann der Bewerber gegen die Abweisung des Gesuchs staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV erheben (Erw. 2). 2. Abweisung eines Gesuchs wegen "notorisch anstössigen Lebenswandels" (§ 2 lit. d des basel-städtischen Bürgerrechtsgesetzes vom 19. Juni 1902). Unhaltbarkeit der Annahme, dass darunter auch mangelnde Assimilation und freches Benehmen bei der behördlichen Einvernahme zum Einbürgerungsgesuch falle (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 277 BGE 90 I 276 S. 277 A.- Das basel-städtische Bürgerrechtsgesetz vom 19. Juni 1902 (BRG) enthält u.a. folgende Bestimmungen: § 2. Das Gemeindebürgerrecht kann nicht erworben werden von Personen, welche a) im Aktivbürgerrecht eingestellt sind; b) innert der letzten 3 Jahre in Konkurs geraten oder fruchtlos gepfändet worden sind oder einen Nachlassvertrag abgeschlossen haben; c) der öffentlichen oder privaten Wohltätigkeit dauernd zur Last fallen oder voraussichtlich zur Last fallen werden; d) sich eines notorisch anstössigen Lebenswandels schuldig machen; e) an seelischen oder körperlichen Leiden erkrankt sind oder voraussichtlich an solchen erkranken werden, durch welche sie, ihre Nachkommen oder ihre Umgebung erheblich gefährdet werden. § 3. Mehrjährigen Nichtbürgern, welche seit 15 Jahren im Kanton wohnhaft sind, und welche das 45. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben, steht das Recht auf die Aufnahme in das Bürgerrecht der Gemeinde zu, in welcher sie unmittelbar vor Stellung des Gesuches seit mindestens einem Jahre wohnhaft sind... § 11. Der Bürgerrat prüft, ob die Bewerbungen den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen, und ob nicht eines der in § 2 aufgezählten Hindernisse vorliege. Bei Bewerbungen auf Grund der §§ 3 und 4 spricht er die Aufnahme aus, sofern keines der in § 2 aufgestellten Hindernisse vorliegt. B.- Die Beschwerdeführerin Fräulein X. ist am 18. September 1942 als Tochter eines Italieners und einer gebürtigen Schweizerin in Basel geboren und wohnte seither ununterbrochen dort. Sie möchte Schweizerbürgerin werden und bewarb sich im Herbst 1962 um das Bürgerrecht der Stadt Basel. Nachdem sie am 10. Mai 1963 von der Bürgerkommission der Stadt Basel einvernommen und ihr am 7. Oktober 1963 die eidg. Einbürgerungsbewilligung BGE 90 I 276 S. 278 erteilt worden war, erhielt sie am 19. März 1964 die Mitteilung, dass der Bürgerrat ihr Bürgerrechtsgesuch "gemäss § 2 lit. d (notorisch anstössiger Lebenswandel)" abgewiesen habe. Gegen diesen nicht weiter begründeten Entscheid rekurrierte die Beschwerdeführerin an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. Dieser holte eine Vernehmlassung des Bürgerrates ein und wies hierauf den Rekurs am 15. September 1964 ab, indem er ausführte: Der Abweisungsgrund des "notorisch anstössigen Lebenswandels" (§ 2 lit. d BRG) werde gemäss jahrzehntelanger Praxis sehr extensiv ausgelegt und nicht nur auf Bewerber angewendet, die sich in strafrechtlicher oder moralischer Beziehung vergangen haben, sondern auch auf solche, die wegen ihrer politischen Einstellung, wegen unerfreulicher Charaktereigenschaften oder wegen mangelnder Assimilation abgewiesen werden. Es werde ausdrücklich festgestellt, dass die Beschwerdeführerin "weder in moralischer noch in sittlicher Hinsicht tangiert wird". Dagegen werde ihr mit Recht vorgeworfen, dass sie unerfreuliche Charaktereigenschaften aufweise und nicht assimiliert sei. Sie habe sich der Bürgerkommission gegenüber arrogant und anmassend benommen. So habe sie u.a. die Frage, wie man von Basel nach Olten oder Luzern gelange, mit den Worten "den Wegweisern nach" beantwortet, was eindeutig ihre Arroganz beweise, aber auch zeige, wie wenig ihr am Erwerb des Bürgerrechts liege, denn wer solche Antworten gebe, müsse zum vorneherein damit rechnen und nehme in Kauf, dass er die "Prüfung" nicht bestehe. Mit dieser und andern entsprechenden Antworten habe sie offenbar auch ihre vollständige Unwissenheit über Basler und Schweizer Institutionen und Verhältnisse verdecken wollen. Jedenfalls sei sie den Beweis für ihre Assimilation schuldig geblieben. Damit seien die Voraussetzungen zum Erwerb des Basler Bürgerrechts zur Zeit nicht erfüllt. C.- Gegen diesen Entscheid des Regierungsrats hat Fräulein X. staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, ihn aufzuheben. Als Beschwerdegrund macht sie BGE 90 I 276 S. 279 Verletzung des Art. 4 BV durch Willkür und Gehörsverweigerung geltend. Die Begründung dieser Rügen ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich. D.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt und der Bürgerrat der Stadt Basel beantragen Abweisung der Beschwerde. Auf ihre Ausführungen wird, soweit nötig, ebenfalls in den Erwägungen zurückgekommen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach § 11 Ziff. 1 des basel-städt. Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 14. Juni 1928 sind Verfügungen über Erwerbung des Bürgerrechts der Beurteilung des Verwaltungsgerichts entzogen. Der angefochtene Entscheid, durch den der Regierungsrat den Rekurs der Beschwerdeführerin gegen die Weigerung des Bürgerrats, sie in das Basler Bürgerrecht aufzunehmen, abgewiesen hat, stellt somit einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid dar, der mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV angefochten werden kann ( Art. 86 Abs. 2 und Art. 87 OG ). 2. Der Regierungsrat bemerkt in der Beschwerdeantwort, dass die Gründe, die den kantonalen Gesetzgeber zu dieser Beschränkung des kantonalen Rechtswegs bestimmten, auch für das Bundesgericht Geltung haben sollten und sich daher die Frage stelle, ob auf die staatsrechtliche Beschwerde überhaupt einzutreten sei. Der Einwand ist unbegründet. Nach § 3 Abs. 1 BRG steht einem mehrjährigen Nichtbürger, der - wie die Beschwerdeführerin seit mehr als 15 Jahren im Kanton wohnt und das 45. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hat, unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf die Aufnahme in das Bürgerrecht der Wohnsitzgemeinde zu. Damit wird, wie der Regierungsrat anerkennt, ein eigentlicher Anspruch auf Einbürgerung begründet, wie ihn auch einzelne andere Kantone kennen (GIACOMETTI, Staatsrecht der Kantons S. 119). Besteht aber unter gewissen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung, BGE 90 I 276 S. 280 so ist der Bewerber, dessen Einbürgerungsgesuch abgewiesen worden ist, befugt, gegenüber dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz staatsrechtliche Beschwerde zu erheben und damit geltend zu machen, dass das Vorliegen jener Voraussetzungen willkürlich verneint oder Art. 4 BV in anderer Weise, z.B. durch Verweigerung des rechtlichen Gehörs oder durch rechtsungleiche Behandlung verletzt worden sei (im gleichen Sinne nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 3. Dezember 1954 i.S. Döbele c. Grosser Rat des Kt. Thurgau). 3. In der Beschwerdebegründung bemängelt die Beschwerdeführerin den angefochtenen Entscheid weitgehend so, wie wenn ihn das Bundesgericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei überprüfen könnte. Eine solche appellatorische Kritik genügt den Anforderungen von Art. 90 lit. b OG nicht, wonach in der Beschwerdeschrift kurz darzulegen ist, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Dagegen ist die Beschwerde jedenfalls insoweit hinreichend substantiiert, als sie geltend macht, die Abweisung des Einbürgerungsgesuchs beruhe auf einer willkürlichen Auslegung von § 2 lit. d BRG. Dieser Vorwurf aber ist begründet. Nach dieser Bestimmung kann das Gemeindebürgerrecht nicht erworben werden durch Personen, die "sich eines notorisch anstössigen Lebenswandels schuldig machen". Der Regierungsrat nimmt an, gestützt hierauf könne die Einbürgerung nicht nur solchen Personen verweigert werden, welche sich in strafrechtlicher oder moralischer Beziehung vergangen haben, sondern auch allen denjenigen, deren Einbürgerung wegen ihrer politischen Einstellung, wegen unerfreulicher Charaktereigenschaften oder wegen mangelnder Assimilation als unerwünscht erscheine. Diese Auslegung von § 2 lit. d BRG im Sinne einer Generalklausel lässt sich mit dem klaren Wortlaut und Sinn des BRG nicht vereinbaren. Gemäss § 11 Abs. 2 BRG ist das Bürgerrecht in dem hier zutreffenden BGE 90 I 276 S. 281 Fall des § 3 zu erteilen, "sofern keines der in § 2 aufgestellten Hindernisse vorliegt". Das kann nichts anderes heissen, als dass die in § 2 enthaltene Aufzählung dieser Hindernisse abschliessend ist. Der Regierungsrat selber hat denn auch in dem von ihm eingelegten Entscheid vom 3. Dezember 1948 bemerkt, dass der Bürgerrat an die gesetzlich festgelegten Abweisungsgründe gebunden sei. Der in § 2 lit. d BRG umschriebene Abweisungsgrund des "notorisch anstössigen Lebenswandels" aber wird, auch bei weitester Auslegung dieses Begriffs, nicht erfüllt durch das, was der Beschwerdeführerin im angefochtenen Entscheid vorgeworfen wird, nämlich arrogantes Benehmen gegenüber der Bürgerkommission und vollständige Unkenntnis der Basler und Schweizer Institutionen und Verhältnisse. Dieser Hinderungsgrund hat offensichtlich im wesentlichen die gleiche Bedeutung wie das in den meisten kantonalen Gesetzen aufgestellte Erfordernis des guten Leumunds und wird auch von GIACOMETTI (a.a.O. S. 110/11, insb. Anm. 27 und 32) in diesem Sinne verstanden. Dass das basel-städtische BRG von 1902 im Gegensatz zu andern kantonalen Erlassen und auch zum basel-städtischen BRG vom 19. März 1964 (§ 14 lit. c) die Assimilation, d.h. die Anpassung des Bewerbers an die schweizerischen Verhältnisse, nicht verlangt, bedeutet keine unerträgliche Lücke, da die Assimilation im allgemeinen mit dem für Ausländer erforderlichen mehr als 15-jährigen Wohnsitz im Kanton eintritt (GIACOMETTI, a.a.O. S. 114) und zudem bei der vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement gemäss Art. 14 Abs. 1 BüG zu prüfenden "Eignung zur Einbürgerung" untersucht werden kann. Die im angefochtenen Entscheid vertretene unhaltbare Auslegung von § 2 lit. d BRG lässt sich auch nicht mit dem Einwand rechtfertigen, sie entspreche einer "jahrzehntelangen Praxis". Eine solche Praxis vermöchte gegen den klaren Wortlaut und Sinn des Gesetzes nur aufzukommen, wenn sich dadurch ein Gewohnheitsrecht entwickelt hätte, was der Regierungsrat nicht zu behaupten BGE 90 I 276 S. 282 wagt. Übrigens ist die behauptete Praxis nicht dargetan. Vielmehr geht aus den 6 die streitige Bestimmung betreffenden, in den Jahren 1931-1950 ergangenen Entscheiden des Regierungsrates, die im Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung abgedruckt sind (ZBl 1936 S. 460, 1938 S. 324, 1939 S. 303, 1944 S. 127, 1948 S. 264 und 1951 S. 128), klar hervor, dass der Regierungsrat die Verweigerung der Aufnahme in das Bürgerrecht wegen "notorisch anstössigen Lebenswandels" jeweils nur als zulässig betrachtet hat gegenüber Personen, welche sich Verfehlungen von einer gewissen Schwere hatten zuschulden kommen lassen, ja er hat in einem dieser Entscheide (ZBl 1944 S. 127/28) von einem Verhalten des Bewerbers sogar ausdrücklich erklärt, es "genügt nicht zum Vorhalt eines ungünstigen Leumunds, geschweige denn zum Vorwurf eines notorisch anstössigen Lebenswandels". Das gleiche ergibt sich aus dem von ihm eingelegten Entscheid vom 3. Dezember 1948. In zwei weiteren Entscheiden vom 28. April 1953 und 30. Juni 1959 hat er freilich die Betätigung als Mitglied einer landesverräterischen Partei oder Bewegung einem "notorisch anstössigen Lebenswandel" gleichgesetzt. Ob diese Auslegung von § 2 lit. d BRG vor Art. 4 BV standhält, kann dahingestellt bleiben, da der Beschwerdeführerin kein Verhalten vorgeworfen wird, das auf eine unschweizerische, unsern demokratischen Einrichtungen feindliche Gesinnung schliessen liesse, sondern eine vielleicht freche Antwort auf eine nicht gerade geschickte und auch nicht eindeutige Frage sowie mangelndes Wissen über unsere Institutionen und Verhältnisse, was keinesfalls unter den Begriff "notorisch anstössiger Lebenswandel" fallen kann. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Basel-Stadt vom 15. September 1964 aufgehoben.
public_law
nan
de
1,964
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
8a033a16-14f0-4a8c-87f7-02d506abbcd5
Urteilskopf 111 Ia 93 18. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. März 1985 i.S. Schweizerische Kreditanstalt gegen Stadt Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4, 22ter und 31 BV ; Wohnanteilplan der Stadt Zürich. Verfahren ( Art. 84 ff. OG ). Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde. Rüge der Verfassungswidrigkeit des Wohnanteilplans als Ganzen (E. 1). Art. 4, 22ter und 31 BV . Der Wohnanteilplan der Stadt Zürich scheidet in den Wohnzonen und in der Kernzone Gebiete aus, worin ein Mindestanteil der Bruttogeschossfläche Wohnzwecken dienen muss. Der Plan a) ist mit Art. 22ter BV vereinbar; er beruht auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage (E. 2a) und liegt im öffentlichen Interesse (E. 2b); b) hält vor Art. 31 BV stand (E. 3); c) verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 94 BGE 111 Ia 93 S. 94 Am 5. November 1980 beschloss der Gemeinderat der Stadt Zürich einen Wohnanteilplan. Dieser scheidet in den Wohnzonen und in der Kernzone Gebiete aus, worin ein Mindestanteil der Bruttogeschossfläche der Bauten Wohnzwecken dienen muss. Der vorgeschriebene Wohnanteil ändert an der bestehenden Nutzung nichts; diese geniesst Bestandesgarantie. Der Wohnanteilplan muss hingegen bei Neu- und Umbauten beachtet werden; vergrössert sich dadurch die Geschossfläche, so muss ein dem Zuwachs entsprechender Flächenanteil Wohnzwecken zugeführt werden, bis der Wohnanteil erreicht ist. Die Schweizerische Kreditanstalt ist Eigentümerin der Liegenschaften Ohmstrasse 2 und 4 in Zürich-Oerlikon. Der Plan schreibt für diese Grundstücke einen Mindestwohnanteil von 33% vor. Ein dagegen gerichteter Rekurs der Grundeigentümerin wurde von der Baurekurskommission I des Kantons Zürich am 14. Januar 1983 abgewiesen, soweit sie darauf eintrat. Hiegegen rekurrierte die Schweizerische Kreditanstalt am 6. Mai 1983 an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Dieser wies den Rekurs mit Beschluss vom 2. November 1983 ab. Die Schweizerische Kreditanstalt führt mit Eingabe vom 16. Dezember 1983 staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Sie rügt eine Verletzung von Art. 4, 22ter sowie 31 BV und beantragt, den Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 2. November 1983 aufzuheben. Der Stadtrat von Zürich beantragt im wesentlichen, auf die Beschwerde nicht einzutreten, und eventuell, sie abzuweisen. Die BGE 111 Ia 93 S. 95 Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich stellt im Auftrag des Regierungsrates den Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführerin rügt in verschiedener Hinsicht eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte ( Art. 4, 22ter und 31 BV ; Art. 84 Abs. 1 lit. a OG ). Die Beschwerde richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz, der in Anwendung kantonalen Rechts ergangen ist ( Art. 86, 87 OG ); sie ist somit zulässig. Als Eigentümerin von Liegenschaften, die dem Wohnanteilplan unterstellt wurden, ist die Beschwerdeführerin vom angefochtenen Entscheid betroffen und damit zur Beschwerde berechtigt ( Art. 88 OG ). Da auch die übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. Der gegenteilige Antrag des Stadtrates geht fehl. Zwar trifft es zu, dass der Regierungsrat mit Entscheid vom 18. Januar 1978 die Ergänzung der Bauordnung der Stadt Zürich durch die Vorschriften über den Wohnanteil für rechtmässig befunden hat, und dass dieser Entscheid nicht beim Bundesgericht angefochten worden ist. Indessen galten die mit der Bauordnungsrevision erlassenen vorsorglichen Beschränkungen nur provisorisch (Art. 58a der Bauordnung der Stadt Zürich vom 12. Juni 1963, Fassung vom 4. Februar 1976, BauO). Erst der vom Gemeinderat am 5. November 1980 beschlossene Wohnanteilplan stellt die definitive Anwendung der Art. 39a ff. BauO dar und schreibt den einzuhaltenden Anteil an Wohnfläche endgültig vor. Unter diesen Umständen muss es den betroffenen Grundeigentümern freistehen, den Plan unabhängig davon anfechten zu können, ob sie sich schon gegen die vorangegangenen provisorischen Massnahmen zur Wehr gesetzt haben. Der Regierungsratsbeschluss vom 18. Januar 1978 schliesst daher das Recht zur Beschwerde gegen den Wohnanteilplan nicht aus, wenn auch der Regierungsrat bereits in diesem Entscheid bei der Beurteilung der vorsorglichen Beschränkungen die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der Vorschriften über den Wohnflächenanteil (Art. 39a bis 39h und Art. 53a BauO) geprüft und bejaht hatte. Ebenfalls zu keiner andern Beurteilung der Eintretensfrage führt der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nicht nur die Aufhebung des angefochtenen Regierungsratsbeschlusses, sondern BGE 111 Ia 93 S. 96 auch die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Wohnanteilplans überhaupt "im Verfahren der akzessorischen Normenkontrolle" verlangt. Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin geht es dabei indessen nicht um eine akzessorische Normenkontrolle, da sie nicht das dem Wohnanteilplan zugrundeliegende kommunale und kantonale Recht, sondern den Plan selbst als verfassungswidrig rügt. Zu dieser Rüge, die den Wohnanteilplan als Ganzen betrifft, ist die Beschwerdeführerin hinsichtlich der gesetzlichen Grundlage und des öffentlichen Interesses befugt ( BGE 104 Ia 124 E. 1b). Erwiese sich die Beschwerde insoweit als begründet, so hätte das freilich einzig zur Folge, dass der Plan nur in bezug auf die Liegenschaften der Beschwerdeführerin aufgehoben würde. 2. Der Wohnanteilplan belegt die Liegenschaften der Beschwerdeführerin mit einer öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung. Eine solche ist mit Art. 22ter BV nur vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und voll entschädigt wird, sofern sie einer Enteignung gleichkommt. Im vorliegenden Verfahren stellt sich die Entschädigungsfrage nicht; es sind daher nur die Fragen der gesetzlichen Grundlage und des öffentlichen Interesses zu beurteilen. a) Das zürcherische Gesetz über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 7. September 1975 (Planungs- und Baugesetz, PBG) sieht sowohl für die Kernzonen als auch für die Zentrumszonen ausdrücklich vor, dass die Gemeinden in ihrer Bau- und Zonenordnung "für die ganze Zone, gebietsweise oder für bestimmte Geschosse die Nutzung zu Wohnzwecken vorschreiben" können ( § 50 Abs. 4, § 51 Abs. 3 PBG ). Für die Wohnzonen gilt die zum gleichen Ergebnis führende Regel, dass andere Nutzweisen als das Wohnen durch die Bau- und Zonenordnung "allgemein oder gebietsweise gestattet oder nach Geschossen, Anteil an der Gesamtnutzfläche oder Einwirkungsgrad beschränkt oder ganz untersagt werden" können ( § 52 Abs. 2 PBG ). Abgesehen davon sind die Wohnzonen in erster Linie für Wohnbauten bestimmt ( § 52 Abs. 1 Satz 1 PBG ). Mit dieser kantonalen Regelung stimmen die bereits auf Grund des früheren kantonalen Baugesetzes erlassenen Vorschriften der Stadt Zürich überein (Art. 39a ff. BauO). Es besteht mithin sowohl im kantonalen als auch im kommunalen Recht eine klare gesetzliche Grundlage dafür, dass Gebiete ausgeschieden werden können, worin ein Mindestanteil der Bruttogeschossfläche Wohnzwecken dienen muss. BGE 111 Ia 93 S. 97 Die Beschwerdeführerin macht indessen geltend, dass der Wohnanteilplan in seiner konkreten Ausgestaltung die ihm von der Bauordnung gesetzten Grenzen in krasser Weise überschreite. So schreibe der Plan Wohnanteile nicht nur in Gebieten vor, die für eine Wohnnutzung geeignet seien (Art. 39a Abs. 1 BauO). Im weitern stehe dem Wohnanteilplan hinsichtlich der Kern- und Zentrumszonen die Vorschrift von § 294 lit. a PBG entgegen, wonach unter anderem Büros, Ateliers, Praxen, Läden und mässig störende Gewerbe in diesen Zonen ausdrücklich zugelassen seien. Der Auffassung der Beschwerdeführerin kann nicht beigepflichtet werden. Was die Wohnzonen betrifft, so steht schon begrifflich sowie auf Grund der Vorschriften des kantonalen Rechts ( § 52 PBG ) ausser Frage, dass sich diese zum Wohnen eignen. Wo das nicht zuträfe, müsste von einer Fehlplanung gesprochen werden, wenn dennoch Wohnzonen ausgeschieden würden. Weniger eindeutig verhält es sich mit der Kernzone; diese ist ausdrücklich für eine Nutzung zu gewerblichen Zwecken bestimmt ( § § 50, 51 PBG ). Doch zählt auch eine Wohnnutzung zur gesetzlichen Zweckbestimmung der Kern- und der Zentrumszone (§ 50 Abs. 4, § 51 Abs. 1 und 3 PBG ). Diese Regelung entspricht der seit langem anerkannten städtebaulichen Forderung, die Stadtkerne auch ausserhalb der Arbeitszeit belebt zu erhalten; diese sollen nicht erstarren, weshalb Kernzonen seit jeher als gemischte Zonen ausgestaltet wurden (ERICH ZIMMERLIN, Bauordnung der Stadt Aarau, Aarau 1960, § 42 N. 1 bis 3, S. 174/175; § 46 N. 2, S. 182). Es entspricht dies auch dem bundesrechtlichen Planungsgrundsatz, die Siedlungen nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu gestalten, namentlich Wohn- und Arbeitsgebiete einander zweckmässig zuzuordnen (Art. 3 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979, RPG). Etwas anderes lässt sich auch nicht aus der von der Beschwerdeführerin angeführten Vorschrift von § 294 lit. a PBG ableiten, nennt doch diese Bestimmung als zulässige Nutzweise in Kern- und Zentrumszonen neben Büros, Ateliers, Praxen, Läden und mässig störenden Gewerben an erster Stelle Wohnungen. Hinzu kommt, dass eine Nutzung der Liegenschaften zu gewerblichen Zwecken nirgends vollständig untersagt wird; der Wohnanteilplan lässt sie vielmehr in verschieden abgestuftem Ausmass ausdrücklich zu, wobei er richtigerweise in der Kernzone erhebliche Flächen mit Wohnanteil Null vorsieht. Was schliesslich den Vorwurf betrifft, auch an immissionsreichen Lagen seien Wohnanteile festgelegt worden, so lässt die Abstufung BGE 111 Ia 93 S. 98 der Anteile erkennen, dass die Behörden der unterschiedlichen Lage und Wohnqualität der einzelnen Quartiere und Strassenzüge Rechnung getragen haben. Ausserdem erlaubt die gesetzliche Regelung im Einzelfall flexible Lösungen wie etwa die Verlegung des Wohnflächenanteils bei zusammengehörigen Gebäuden (Art. 39e BauO). Auch sind Ausnahmebewilligungen nicht ausgeschlossen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind ( § 220 PBG ; Art. 53a BauO). Der Wohnanteilplan der Stadt Zürich wird daher auch in seiner konkreten Ausgestaltung durch eine gesetzliche Grundlage gedeckt. b) Grundsätzlich besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, in den Wohnzonen und in der Kernzone minimale Wohnflächenanteile festzulegen. Es ist ein raumplanerisch und sozialpolitisch wichtiges Anliegen, der Entleerung der Stadtkerne von der Wohnbevölkerung entgegenzuwirken und die erwünschte Durchmischung von Arbeits- und Wohnplätzen sicherzustellen, um damit möglichst auch preisgünstige Wohnungen zu erhalten und den Verkehrsstrom der Pendler zu reduzieren. Das Bundesgericht hat die Zulässigkeit dahingehender Planungsmassnahmen anerkannt (Urteil von 12. Dezember 1979, E. 2b, ZBl 81/1980, S. 231; BGE 103 Ia 419 ff. E. 4). Nach Art. 22ter BV ist grundsätzlich jedes öffentliche Interesse geeignet, einen Eingriff in das Eigentum zu rechtfertigen, sofern das angestrebte Ziel nicht rein fiskalischer Art ist oder gegen anderweitige Verfassungsnormen verstösst ( BGE 102 Ia 114 E. 3). Die Beschwerdeführerin rügt zu Recht nicht, der Wohnanteilplan verfolge ein unzulässiges fiskalisches Ziel. Sie bestreitet das Vorliegen eines öffentlichen Interesses aus verschiedenen andern Gründen. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die städtischen Behörden dürften das Ziel, die Wohnnutzung im Kernbereich der Stadt zu erhalten, nur mit Mitteln der Leistungsverwaltung verfolgen. Diese Behauptung steht im Widerspruch zur Regelung des kantonalen und kommunalen Rechts. Wie dargelegt, sieht diese verbindliche Einschränkungen zur Erreichung des genannten Ziels ausdrücklich vor (E. 2a). Wenn die städtischen Behörden davon Gebrauch gemacht haben, sind sie sich bewusst, dass der Wohnanteilplan nur ein Mittel darstellt, um die Stadt Zürich als Wohnort für die Bevölkerung attraktiv zu erhalten und namentlich im Stadtkern die Wohnnutzung in ausreichendem Mass sicherzustellen. Die Behörden handeln damit im Sinne des Ziels, wohnliche Siedlungen zu schaffen und zu erhalten sowie Wohn- und Arbeitsgebiete BGE 111 Ia 93 S. 99 einander zweckmässig zuzuordnen ( Art. 1 Abs. 2 lit. b und Art. 3 Abs. 3 lit. a RPG ). Die Wohnlichkeit der Städte bedingt unter anderem, dass die Wohnnutzung in den Zentren erhalten bleibt. Dass auf diese Weise versucht wird, im Stadtkern eine bestimmte Einwohnerzahl zu erhalten, lässt den Wohnanteilplan nicht zu einer verfassungswidrigen bevölkerungspolitischen Massnahme werden. Die Beschwerdeführerin bestreitet sodann das öffentliche Interesse am Wohnanteilplan damit, dass dieser das angestrebte Ziel gar nicht erreichen könne. Sie bezeichnet den Plan als untaugliches Instrument, weshalb er zudem unverhältnismässig sei. Mit dieser Argumentation widerlegt die Beschwerdeführerin nicht, dass der Wohnanteilplan das Wohnraumangebot im festgelegten Ausmass sichert, indem er bei Neu- und Umbauten die Schaffung beziehungsweise Erhaltung von Wohnungen gewährleistet. Auch wenn nicht gesagt werden kann, ob sich damit der Bevölkerungsrückgang in der Stadt Zürich wirksam bekämpfen lässt, ist es den städtischen Behörden nicht verwehrt, mit den gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten der verhängnisvollen Entwicklung entgegenzutreten und wenn immer möglich eine Wende herbeizuführen. Freilich sind die Behörden verpflichtet, die Entwicklung zu verfolgen. Sollten sich die Verhältnisse erheblich ändern, so werden die Behörden den Wohnanteilplan als Nutzungsplan zu überprüfen und anzupassen oder aufzuheben haben ( Art. 21 Abs. 1 RPG ), sofern die Wohnanteilsverpflichtungen nicht mehr nötig sein sollten. Unter diesen Umständen erscheint auch der Vorwurf der Unverhältnismässigkeit als unbegründet. c) Die mit dem Wohnanteilplan angeordneten Eigentumsbeschränkungen beruhen somit auf einer gesetzlichen Grundlage und liegen im öffentlichen Interesse. Sie halten daher vor Art. 22ter BV stand. 3. Die Beschwerdeführerin macht im weitern geltend, der Wohnanteilplan verletze die Handels- und Gewerbefreiheit. Sachgerechte Massnahmen der Raumplanung verletzen Art. 31 BV dann nicht, wenn sie im Zielbereich von Art. 22ter BV liegen und die Handels- und Gewerbefreiheit nicht völlig ihres Gehalts entleeren ( BGE 109 Ia 267 E. 4 mit Hinweis). Eingriffe in die Handels- und Gewerbefreiheit dürfen namentlich keine unzulässigen wirtschaftspolitischen Ziele verfolgen ( BGE 102 Ia 114 E. 3 mit Hinweisen). BGE 111 Ia 93 S. 100 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin verfolgt der Wohnanteilplan der Stadt Zürich keine wirtschaftspolitischen Ziele. Wie erwähnt, lässt der Wohnanteilplan in allen Wohnzonen und in der Kernzone Raum für eine gewerbliche Nutzung, verlangt er doch nirgends einen Wohnanteil von 100%; in der Kernzone sind weite Flächen von einer Wohnanteilspflicht befreit, und weitere Gebiete wurden lediglich mit dem untersten Ansatz von 33% belegt, wie das auf die Liegenschaften der Beschwerdeführerin zutrifft (vgl. E. 2a). Eine solche Regelung mag zwar die Tätigkeit von Dienstleistungsbetrieben erschweren. Doch kann nicht gesagt werden, der Beschwerdeführerin werde es dadurch verunmöglicht, ihre Dienstleistung zu erbringen; das behauptet sie denn auch mit Recht nicht. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Wohnanteilsverpflichtung bezwecke, die gewerbliche Tätigkeit planwirtschaftlich zu lenken. Verlangt wird einzig, dass auch in der Kernzone von Zürich-Oerlikon im öffentlichen Interesse ein Mindestmass an Wohnnutzung sichergestellt wird. Wie die Beschwerdeführerin diese Verpflichtung erfüllen will, bleibt ihr überlassen; die gesetzliche Regelung räumt ihr eine gewisse Freiheit ein (Art. 39e BauO); auch respektiert sie den Bestand einer wohnanteilplanwidrigen bestehenden Nutzung (Art. 39f BauO; § 357 PBG ). Ebenfalls unbegründet ist der Vorwurf der Beschwerdeführerin, der Wohnanteilplan schaffe Marktverzerrungen, weil er beidseits der Thurgauerstrasse in einer Entfernung von fünf Fussminuten von ihren Liegenschaften keinen Wohnanteil vorschreibe. Die konkrete Gestaltung des Wohnanteilplans in jenem Bereich entspricht der Forderung, nur solche Gebiete mit einem Wohnanteil zu belegen, die für das Wohnen geeignet sind. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass sich ihre Liegenschaften in der genau gleichen Lage befänden. Deshalb ist auch nicht einzusehen, weshalb Art. 4 BV verletzt sein sollte, abgesehen davon, dass dem Rechtsgleichheitsgrundsatz bei Planungsmassnahmen nur eine abgeschwächte Bedeutung zukommt ( BGE 107 Ib 339 E. 4a). Der Wohnanteilplan der Stadt Zürich hält somit auch vor Art. 31 und Art. 4 BV stand. 4. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich mithin in allen Teilen als unbegründet. Sie ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin als unterliegender Partei aufzuerlegen ( Art. 156 Abs. 1 OG ).
public_law
nan
de
1,985
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
8a074e83-7adc-47e3-8ef5-0971dab598f8
Urteilskopf 97 I 643 92. Auszug aus dem Urteil vom 22. September 1971 i.S. Schumacher und Mitbeteiligte gegen Gemeinde Hofstetten-Flüh und Regierungsrat des Kantons Solothurn.
Regeste Eigentumsgarantie, Landschaftsschutz; Anhörung der betroffenen Gemeinden nach solothurnischem Recht. 1. In welcher Form sind die solothurnischen Gemeinden beim Erlass von Landschaftsschutzmassnahmen anzuhören? (Erw. 2). 2. Voraussetzungen des Schutzes von stadtnahen Erholungs- und Ausflugsgebieten, insbesondere von Anhöhen und Hängen, die für das Landschaftsbild charakteristisch sind; Interessenabwägung (Erw. 5). 3. Schutzbereich der Eigentumsgarantie; ob Landschaftsschutzmassnahmen mit der Eigentumsgarantie vereinbar sind, hängt nicht davon ab, ob die kantonalen Behörden allfällige finanzielle Auswirkungen derartiger Eigentumsbeschränkungen gebührend berücksichtigt haben (Erw. 6).
Sachverhalt ab Seite 644 BGE 97 I 643 S. 644 A.- Die Einwohnergemeinde Hofstetten-Flüh erliess am 21. August 1968 nach mehrjähriger Vorarbeit einen allgemeinen Bebauungsplan und ein Baureglement. Diese Beschlüsse wurden vom Regierungsrat des Kantons Solothurn am 9. Mai 1969 mit verschiedenen Vorbehalten genehmigt. Dabei wurde die am sog. Landskronhang im Gebiet Landskronweg-Steinrainweg vorgesehene Wohnzone (2. Etappe) aus Gründen des Landschaftsschutzes von der Genehmigung ausgeschlossen. Gleichzeitig wurde die Gemeinde angewiesen, den Bebauungsplan für dieses Gebiet zusammen mit den Organen des kantonalen Natur- und Heimatschutzes neu zu bearbeiten. Der Landskronhang gehört zur Juraschutzzone und ist nach den Vorschriften der regierungsrätlichen Verordnung "über den Schutz des Juras, des Engelbergs, des Borns und des Bucheggberges gegen das Erstellen von verunstaltenden Bauten" (Juraschutzverordnung) vom 20. Februar 1962 mit Baubeschränkungen belegt. Der Gemeinderat von Hofstetten ersuchte in der Folge den Regierungsrat, die im Genehmigungsentscheid vom 9. Mai 1969 verlangte Beschränkung der Bauzone am Landskronhang in Wiedererwägung zu ziehen. Elf Landeigentümer des betroffenen Gebiets gelangten sodann mit Schreiben vom 26. Juni 1970 an den Vorsteher des kantonalen Erziehungsdepartements mit dem Begehren, das ganze Gebiet "Tannwald-Landskron-Reben" aus der Juraschutzzone zu entlassen und für die Überbauung BGE 97 I 643 S. 645 freizugeben. Nach Verhandlungen zwischen Kanton und Gemeinde stimmte der Regierungsrat schliesslich einer geringfügigen Änderung der von den kantonalen Behörden vorgeschlagenen oberen Begrenzung der umstrittenen Wohnzone aus Gründen der Zweckmässigkeit zu, lehnte aber jede weitere Beschränkung der Juraschutzzone ab und erteilte dem derart abgeänderten Bebauungsplan am 9. Oktober 1970 die Genehmigung. B.- Fünf in der Gemeinde Hofstetten-Flüh stimmberechtigte Bürger, die im betroffenen Gebiet Grundeigentum besitzen, führen staatsrechtliche Beschwerde. Sie stellen folgenden Antrag: "Es sei der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Solothurn vom 9. Oktober 1970 insoweit aufzuheben, als der Regierungsrat das von ihm im Bebauungsplan der Gemeinde Hofstetten-Flüh als "Landskronhang" bezeichnete Teilgebiet gemäss vom Regierungsrat neu festgesetzter Baulinie aus dem Baugebiet der Gemeinde aussondert." Die Beschwerdeführer machen im wesentlichen geltend, der Regierungsrat habe dadurch, dass er die Zonengrenze ohne Zustimmung der Gemeindeversammlung verschoben habe, das Stimmrecht der Bürger verletzt ( Art. 85 lit. a OG ) und deren Anspruch auf rechtliches Gehör bei der Ausgestaltung des Bauzonenplans missachtet und damit gegen Art. 4 BV verstossen. Sie bringen ausserdem vor, die Anordnung des Regierungsrats sei sachlich nicht haltbar und verstosse gegen die Eigentumsgarantie ( Art. 22ter BV ). C.- Das Erziehungsdepartement des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Beschwerde. D.- Eine Delegation des Bundesgerichts hat am 15. April 1971 einen Augenschein durchgeführt. Für dessen Ergebnis wird auf die rechtlichen Erwägungen verwiesen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 2. Die Beschwerdeführer werfen dem Regierungsrat vor, er habe sich durch sein Vorgehen einer Verletzung der ihnen nach Verfassung und Gesetz zustehenden politischen Stimmberechtigung in der Gemeinde schuldig gemacht. a) Gemäss § 1 des solothurnischen Gesetzes über des Bauwesen (BG) sind die Einwohnergemeinden befugt, Baureglemente und Bebauungspläne aufzustellen. Diese Erlasse und BGE 97 I 643 S. 646 Pläne unterliegen der Genehmigung des Regierungsrats und erhalten dadurch allgemein verbindliche Wirkung. Was den Natur- und Heimatschutz anbelangt, so sind sowohl der Regierungsrat als auch die Gemeinden befugt, entsprechende Massnahmen zu ergreifen (§ 241 Satz 1 des solothurnischen EG/ZGB vom 4. April 1954). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der regierungsrätlichen Verordnung über den Natur- und Heimatschutz vom 20. Oktober 1961 (NHV), welche sich unter anderem auf § 241 EG/ZGB stützt, obliegt der Entscheid über Schutzmassnahmen den Einwohnergemeinden oder auf Antrag der Heimatschutzkommission dem Regierungsrat. Wohl hat nach dieser Ordnung in erster Linie die Gemeinde über Schutzvorkehren zu befinden; die sinngemässe Auslegung von § 241 EG/ZGB in Verbindung mit der Ausführungsvorschrift in § 3 NHV führt indessen zum Schluss, dass der Regierungsrat überall dort zum selbständigen Eingreifen befugt ist, wo die Gemeinde untätig bleibt oder ein Schutzgebiet über die Gemeindegrenzen hinausreicht. Der Regierungsrat ist mithin neben der Gemeinde kraft eigener Kompetenz ermächtigt, Schutzmassnahmen zu treffen. Was den Landschaftsschutz im Jura anbelangt, so hat er denn auch mit dem Erlass der Schutzverfügung vom 12. Mai 1942 bzw. der Schutzverordnung vom 20. Februar 1962 von dieser Befugnis Gebrauch gemacht und damit zum Ausdruck gebracht, dass es sich dabei um eine Angelegenheit handelt, die grundsätzlich auf kantonaler Ebene zu regeln ist. Im vorliegenden Fall setzte der Regierungsrat die Grenzen der Schutzzone am Landskronhang im Zusammenhang mit der Genehmigung des ihm unterbreiteten kommunalen Bebauungsplans fest und schränkte dadurch die von der Gemeinde beschlossene Bauzone ein. Damit blieb er nach dem Gesagten im Rahmen seiner eigenen Zuständigkeit auf dem Gebiete des Landschaftsschutzes. Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführer liegt demnach insoweit keine Verletzung der politischen Rechte der Gemeindebürger vor. b) Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 NHV ist die Stellungnahme der Gemeinden einzuholen, wenn der Regierungsrat gestützt auf einen Antrag der Natur- und Heimatschutzkommission Massnahmen zu ergreifen gedenkt. - Im vorliegenden Fall bildete die Frage der Abgrenzung zwischen Juraschutzzone und Bauzone den Gegenstand von Verhandlungen zwischen den zuständigen kantonalen Behörden und dem Gemeinderat von Hofstetten- BGE 97 I 643 S. 647 Flüh. Ferner fand eine gemeinsame Begehung des Geländes statt. Dagegen hatte die Gemeindeversammlung im Verlaufe des Genehmigungsverfahrens keine Gelegenheit, sich zur umstrittenen Beschränkung der Bauzone am Landskronhang zu äussern. Ob die Gemeinden auch dann anzuhören sind, wenn anlässlich der Genehmigung eines kommunalen Bebauungsplans über eine Beschränkung der bestehenden Juraschutzzone zu befinden ist und im Grunde genommen keine neue Schutzmassnahme zur Diskussion steht, braucht nicht entschieden zu werden, denn der Regierungsrat hat dem in § 3 NHV verankerten Mitspracherecht der Gemeinde Hofstetten-Flüh in jedem Fall hinreichend Rechnung getragen. Wohl ist in der erwähnten Bestimmung von einer "Stellungnahme der Gemeinde" die Rede. Das bedeutet jedoch nicht, dass den regierungsrätlichen Entscheidungen auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes regelmässig eine Abstimmung in der Gemeindeversammlung vorauszugehen hat. Wie der Regierungsrat mit Recht feststellt, ist dem gesetzlichen Mitspracherecht der Gemeinde vielmehr vollauf Genüge getan, wenn der Gemeinderat als Vertreter der Gemeinde zur Stellungnahme aufgefordert wird. Diese Auffassung entspricht der allgemeinen Übung und ist mit dem Wortlaut der genannten Bestimmung durchaus vereinbar; sie steht überdies im Einklang mit entsprechenden bundesrechtlichen Vorschriften: Aus der Pflicht des Bundes, die Kantone vor dem Erlass bestimmter Vorschriften anzuhören (vgl. z.B. Art. 27 quater Abs. 4 und Art. 32 Abs. 2 BV ), kann kein Recht des kantonalen Parlaments oder gar der Stimmberecchtigten auf eine Stellungnahme abgeleitet werden (HANS HUBER, Die Anhörung der Kantone und der Verbände im Gesetzgebungsverfahren, ZBJV 95/1959 S. 271/2; J. F. AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, no 598; MAX FLÜCKIGER, Die Anhörung der Kantone und der Verbände im Gesetzgebungsverfahren, Diss. Bern 1968, S. 118 ff.). Eine Verletzung der politischen Stimmberechtigung der Beschwerdeführer liegt somit nicht vor. 5. Die Beschwerdeführer machen geltend, der angefochtene Entscheid sei sachlich unhaltbar und daher willkürlich. Damit rügen die Beschwerdeführer sinngemäss eine unrichtige Abwägung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung des Landskronhangs gegenüber dem privaten Interesse der betroffenen Grundeigentümer an der Verwendung ihres Bodens als BGE 97 I 643 S. 648 Bauland. Ob ein überwiegendes öffentliches Interesse an der umstrittenen Eigentumsbeschränkung besteht, hat das Bundesgericht auf Beschwerde wegen Verletzung der Eigentumsgarantie hin grundsätzlich frei zu prüfen ( BGE 94 I 135 , 340/1, 349; BGE 95 I 554 , BGE 96 I 559 ). a) Wie das Bundesgericht in neuerer Zeit wiederholt entschieden hat, liegt nicht nur der Schutz von besonderen landschaftlichen Anziehungspunkten im öffentlichen Interesse; die zunehmende Überbauung und Verstädterung des Landes schafft vielmehr auch ein wachsendes Bedürfnis nach Erhaltung natürlicher Landschaften, denen zwar kein bedeutender Schönheitswert zuzukommen braucht, die aber wegen ihrer Ursprünglichkeit und Unberührtheit als Erholungsgebiet für die Einwohner benachbarter Städte und Industrieorte als schützenswert erscheinen ( BGE 93 I 263 , BGE 94 I 57 ff.; vgl. auch BGE 96 I 241 Erw. 4). Die Jurahöhen, welche sich im Einzugsgebiet der Stadt Basel und ihrer Vororte befinden, sind beliebte Ausflugs- und Wanderziele. Dies gilt in besonderem Masse auch für die Gegend von Flüh-Mariastein, die auf der Strasse und mit der Bahn von Basel aus leicht erreichbar ist und durch die Ruine Landskron und den bekannten Wallfahrtsort Mariastein zusätzliche Anziehungskraft erhält. Gerade in einem derartigen stadtnahen Ausflugsgebiet, wo wegen der Nachbarschaft eines wirtschaftlichen Mittelpunkts die Gefahr einer die Landschaft verunstaltenden intensiven Überbauung besonders gross ist, besteht grundsätzlich ein erhebliches öffentliches Interesse an einem wirksamen Schutz des Landschaftsbildes. b) Der Hang unterhalb der Ruine Landskron, die sich auf französischem Gebiet befindet, gehört grösstenteils zur Gemeinde Hofstetten-Flüh; nur der oberste Teil des Höhenzuges wird durch die Landesgrenze abgetrennt. Der obere Teil des auf schweizerischem Hoheitsgebiet liegenden Hangs steht seit 1942 unter den besonderen Bestimmungen über den Juraschutz. Nach dem umstrittenen kommunalen Bebauungsplan sollte das Hanggebiet jedoch bis zur Landesgrenze der Bauzone (2. Etappe) zugewiesen werden. Der Regierungsrat erklärte sich zwar im Verlaufe des Genehmigungsverfahrens bereit, die Juraschutzzone zu verkleinern, doch beschloss er gleichzeitig, der Landesgrenze entlang und am Rande des unbewaldeten Hanggebiets eine unregelmässig verlaufende, den Gelände- und Wegverhältnissen angepasste Zone im Interesse des Landschaftsschutzes BGE 97 I 643 S. 649 weiterhin von der Überbauung freizuhalten. Diese Massnahme soll bewirken, dass die Ruine Landskron auch inskünftig als freistehendes Bauwerk auf einer Kuppe in Erscheinung tritt; anderseits soll damit verhindert werden, dass die den Blick begrenzende Anhöhe in die Überbauung einbezogen wird. Diese Zielsetzung entspricht sowohl dem Grundgedanken des Juraschutzes als auch dem bereits erwähnten öffentlichen Interesse an der Erhaltung von stadtnahen Erholungsgebieten und erscheint aufgrund der am Augenschein gewonnenen Eindrücke als sinnvoll und zweckmässig. Wo Talgrund und Abhänge besiedelt werden, rechtfertigt es sich durchaus, wenigstens den obersten Teil des Hanggebiets, der in der Regel für das Landschaftsbild besonders charakteristisch ist, vor einer Überbauung zu bewahren. Dass auf der erwähnten Anhöhe bereits einzelne, vorwiegend ältere Bauten vorhanden sind und dass die oberste Hangzone auf französischem Hoheitsgebiet liegt und die solothurnischen Behörden insoweit eine Überbauung nicht zu verhindern vermögen, steht den angefochtenen Schutzmassnahmen nicht entgegen. Die vorhandenen Gebäude, welche sich mit einer Ausnahme jenseits der Landesgrenze befinden, gehören wohl vorwiegend zu Bauernhöfen; sie fügen sich zwar nicht alle in gleichem Masse in die Umgebung ein, verändern aber die Landschaft dennoch nicht wesentlich. Unter dem Gesichtspunkt des Landschaftsschutzes erscheint es jedenfalls trotz den bereits vorhandenen Bauten als sinnvoll, eine eigentliche Besiedelung des ganzen Hügelrückens auszuschliessen. Auch die rechtliche Unmöglichkeit, Neubauten auf französischem Gebiet zu verhindern, muss unter den heutigen Verhältnissen keineswegs dazu führen, auf jeden Schutz dieser Landschaft zu verzichten. Freilich ist denkbar, dass sich die angefochtenen Schutzmassnahmen als weitgehend wirkungslos erweisen könnten, falls jenseits der Landesgrenze verunstaltende Neubauten errichtet werden sollten. Mit einer solchen Entwicklung ist indessen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Der Augenschein hat vielmehr ergeben, dass mit der vorgesehenen Beschränkung der Bauzone am oberen Landskronhang ein vernünftiger Beitrag zur Erhaltung der natürlichen Landschaft zwischen Landskron und Mariastein geleistet werden kann. Dem öffentlichen Interesse am Schutz des Landskronhangs stehen die privaten Interessen der betroffenen Grundeigentümer gegenüber, welche ihre Parzellen als Bauland verwenden möchten. BGE 97 I 643 S. 650 Da die Gemeinde Hofstetten-Flüh über genügend Baulandreserven zu verfügen scheint, besteht indessen im fraglichen Gebiet kein dringender Bedarf an Bauland. Andere private Interessen, welche die angefochtenen Schutzmassnahmen als verfassungswidrig erscheinen lassen könnten, vermögen die Beschwerdeführer nicht geltend zu machen. Allfällige Schwierigkeiten bei der landwirtschaftlichen Nutzung des betroffenen Gebiets sind jedenfalls für sich allein nicht geeignet, eine Verletzung der Eigentumsgarantie zu begründen (vgl. BGE 91 I 336 unten). Die Interessenabwägung, wie sie dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegt, gibt dem Bundesgericht demnach keinen Anlass zu Kritik; eine Verletzung der Eigentumsgarantie liegt somit insoweit nicht vor. 6. Auf die Beschwerdevorbringen zur Entschädigungspflicht bei enteignungsähnlich wirkenden Eigentumsbeschränkungen ist im vorliegenden Verfahren nicht einzugehen. Nach den einschlägigen Vorschriften des solothurnischen Rechts (§ 242 EG/ZGB; § 5 NHV ) kann eine Entschädigung verlangt werden, wenn eine Landschaftsschutzmassnahme als enteignungsähnlicher Eingriff angesehen werden muss. Da somit die verfassungsrechtlich gebotene Entschädigungspflicht gesetzlich verankert ist, haben die Beschwerdeführer ihre angeblichen Ansprüche zunächst vor den kantonalen Behörden geltend zu machen ( BGE 93 I 143 , 250; BGE 94 I 55 ). Soweit die Ausführungen über die Entschädigungspflicht als finanzpolitisches Argument gegen die Zweckmässigkeit solcher (allenfalls entschädigungspflichtiger) Landschaftsschutzmassnahmen zu verstehen sind, ist darauf ebenfalls nicht einzutreten. Die Aufgabe des Verfassungsgerichts beschränkt sich darauf, den Bürger vor ungerechtfertigten Beschränkungen seines Eigentums zu schützen und ihm, sofern die Voraussetzungen gegeben sind, zu einer angemessenen Entschädigung zu verhelfen. Dagegen hat es nicht darüber zu befinden, ob auf eine sachlich begründete Schutzmassnahme aus finanziellen Gründen verzichtet werden sollte. Die verfassungsgerichtliche Überprüfung einer Landschaftsschutzmassnahme hängt mithin nicht davon ab, ob die kantonalen Behörden allfällige finanzielle Auswirkungen derartiger Eigentumsbeschränkungen gebührend berücksichtigt haben. Auch der Einwand, der Kanton Solothurn verfüge nicht über genügend Mittel, um alle vergleichbaren Landschaften in analoger Weise zu schützen, ist für den BGE 97 I 643 S. 651 Staatsgerichtshof ohne Belang; denn den Kantonen steht es frei, unter den schutzwürdigen Landschaften - nach dem Grad der konkreten Bedrohung und nach dem Bedürfnis zur Schaffung von Erholungsgebiet - bestimmte Gegenden auszuwählen. Ist die Schutzwürdigkeit eines Gebiets zu bejahen, so bildet die Tatsache, dass nicht alle gleichartigen Landschaften unter Schutz gestellt werden, weder einen Verstoss gegen die Eigentumsgarantie noch eine Verletzung von Art. 4 BV . Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
de
1,971
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
8a0f2edf-81c7-4fb2-ad66-7404090a9922
Urteilskopf 111 IV 100 25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. April 1985 i.S. G. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG . Schwerer Fall bei Drogengemengen. Reicht eine gestreckte Betäubungsmittelmenge für eine Anzahl üblicher Einzeldosen aus, mit der viele Menschen während eines die Gefahr einer Abhängigkeit schaffenden Zeitraums versorgt werden können, ist unabhängig vom Reinheitsgrad ein schwerer Fall anzunehmen (Präzisierung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 100 BGE 111 IV 100 S. 100 A.- Anfangs Februar 1983 gelangte M., der für einen andern ein Betäubungsmittelgeschäft durchführte, an G. mit dem Ersuchen, ihm bei einer Herointransaktion behilflich zu sein. Er stellte ihm als Gegenleistung Fr. 100.-- und etwas Kokain in Aussicht. G. sagte zu und zog einen Dritten als Chauffeur bei. Am 15. Februar 1983 nahm er in Luzern von einer Kurierin, die den Stoff von Italien gebracht hatte, ein Paket mit 99,7 g Heroin entgegen, transportierte dieses nach Bern und übergab es daselbst abmachungsgemäss M. Kurz darauf wurde G. verhaftet, wobei er noch 12,2 g Heroin auf sich trug, die ihm M. zugesteckt hatte, damit er sie an einen gewissen P. weitergebe. Die gesamthaft beschlagnahmte Drogenmenge von 99,7 g enthielt zwischen 7,6 und 8,3 Prozent bzw. max. 7,7 g reines Heroin. BGE 111 IV 100 S. 101 B.- Das Strafamtsgericht Bern sprach G. am 3. Februar 1984 der schweren Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (BetmG) schuldig und verurteilte ihn wegen dieser und anderer Widerhandlungen gegen das genannte Gesetz zu 17 Monaten Gefängnis, abzüglich 43 Tage Untersuchungshaft, und zur Rückerstattung des unrechtmässigen Gewinns von Fr. 100.-- an den Staat. Am 28. Juni 1984 sprach das Obergericht des Kantons Bern G. im vorgenannten Fall des vollendeten Versuchs einer schweren Widerhandlung gegen das BetmG schuldig und bestätigte die von der ersten Instanz ausgesprochene Strafe. C.- G. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei hinsichtlich des auf Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG und Art. 22 StGB gestützten Schuldspruchs sowie der Strafzumessung und der Verweigerung des bedingten Strafvollzugs aufzuheben und die Sache sei zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. Das Obergericht begründete seinen Schuldspruch nach Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG in Verbindung mit Art. 22 StGB (vollendeter Versuch einer schweren Widerhandlung) im wesentlichen mit der These, der Tatbestand des schweren Falles sei bei 7,7 g reinem Heroin in objektiver Hinsicht nicht erfüllt, da BGE 109 IV 143 diesbezüglich die Grenze bei 12 g festsetze. Hingegen habe sich der Vorsatz des Beschwerdeführers nicht auf stark überdurchschnittlich gestrecktes, sondern auf handelsübliches Heroin bezogen, wovon 99,7 g zweifellos einen Reingehalt von über 12 g ergeben hätten. Zur Beurteilung steht somit, ob der Handel mit mehr als 12 g gestrecktem Heroin, dessen Reingehalt aber weniger als 12 g beträgt, als schwerer Fall unter Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG zu subsumieren sei, mit andern Worten: welche Bedeutung dem Reinheitsgrad gestreckter Betäubungsmittelmengen zukommt. 2. Das Bundesgericht erklärte in BGE 109 IV 145 , zur Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen (zwanzig Personen) genügten 12 g Heroin, 18 g Kokain oder 4 kg Haschisch. Diese Gewichtsangaben betrafen Mengen reinen Drogenwirkstoffes. Da Kokain und insbesondere Heroin in der Praxis aber kaum in reiner BGE 111 IV 100 S. 102 Form, sondern zumeist als Gemenge in den Verkehr gelangen, bedarf dieser Bundesgerichtsentscheid einer Präzisierung. a) Die eigentlichen Straftatbestände (Widerhandlungen gegen das BetmG) sind in Art. 19 Ziff. 1 BetmG umschrieben. Dass der Beschwerdeführer bei einer Herointransaktion half, indem er den Stoff entgegennahm und transportierte, ist unbestritten. Zumindest einer der Tatbestände von Art. 19 Ziff. 1 (Abs. 3 "befördert") BetmG ist somit erfüllt, und zwar handelt es sich nicht um einen Versuch, sondern um das vollendete Delikt der Beförderung von Betäubungsmitteln. b) Umstritten ist, ob der Qualifikationsgrund des schweren Falles zur Anwendung kommen kann. Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die transportierte Stoffmenge - rund 100 g - kannte, aber nicht wusste, dass es sich um stark verdünnte Ware handelte, deren Reingehalt an Heroin-Hydrochlorid nur 7,7 g ausmachte. Von den drei Beispielen, die als Richtlinie für den Begriff des schweren Falles in Ziff. 2 von Art. 19 BetmG erwähnt werden, kommt für den vorliegenden Sachverhalt nur lit. a in Betracht. Danach liegt ein schwerer Fall insbesondere vor, "wenn der Täter weiss oder annehmen muss, dass sich die Widerhandlung auf eine Menge von Betäubungsmitteln bezieht, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann". Hiermit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Stoffmenge die Grundlage für die Annahme eines schweren Falles sein kann. Weil sich die Bestimmung der als Qualifikationsgrund in Betracht fallenden Menge nicht generell für alle Betäubungsmittel mit einer Gewichts- oder Volumenangabe festlegen lässt, wird vom Gesetz als massgebend bezeichnet, ob die betroffene Betäubungsmittelmenge ausreichen könnte, um die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr zu bringen. Mit dieser Umschreibung des die Qualifikation als schwerer Fall begründenden Gefährdungspotentials wird nicht die konkrete Verteilung und Verwendung des Stoffes erfasst, sondern das aus der Stoffmenge sich ergebende abstrakte Risiko. Auch wenn in einem konkreten Fall eine für die gesundheitliche Gefährdung vieler Menschen ausreichende Stoffmenge nachgewiesenermassen nur an einen einzelnen oder an wenige Drogenkonsumenten geht, so ist der in der grossen Menge liegende Qualifikationsgrund trotzdem gegeben. BGE 111 IV 100 S. 103 In BGE 109 IV 145 wurde gestützt auf die Ergebnisse einer Besprechung (hearing) mit Drogen-Fachleuten abstrakt berechnet, welche Mengen reinen Stoffes erfahrungsgemäss geeignet sind, bei vielen Menschen (gemäss BGE 108 IV 65 /66 mindestens 20 Personen) das Risiko einer Abhängigkeit herbeizuführen. Die so berechneten Grenzwerte sind der Anwendung von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG zugrundezulegen. c) Bezieht sich die Widerhandlung auf eine Stoffmenge, welche gewichtsmässig klarerweise über der im erwähnten Präjudiz berechneten Limite liegt, aber wegen starker Verdünnung einen unter der Limite liegenden Gehalt an reinem Stoff aufweist und damit theoretisch ein geringeres Gefährdungspotential darstellt, als nach Gewicht und Volumen des Stoffgemenges gemäss den Berechnungen anzunehmen wäre, so entfällt damit der Qualifikationsgrund der grossen Stoffmenge nicht. Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG setzt - für die Annahme eines schweren Falles wegen der erheblichen Stoffmenge - nicht den Nachweis des in BGE 109 IV 145 berechneten Gefährdungspotentials voraus. Es ging in diesem Präjudiz nur darum, aufgrund der Angaben der Fachleute festzulegen, welche Mengen reinen Stoffes etwa unter Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG zu subsumieren sind. Der Qualifikationsgrund des schweren Falles ist sinngemäss auch anzunehmen, wenn die strafbare Handlung sich auf eine gestreckte Stoffmenge bezieht, welche nach ihrem Gewicht erlaubt, so viele übliche Dosen zu bilden, dass viele Menschen (mindestens 20) damit über einen Zeitraum versorgt werden können, der ausreicht, um bei einem drogenunerfahrenen Konsumenten das Risiko einer Abhängigkeit zu schaffen. Ist die Gefahr der Suchterzeugung wegen der starken Verdünnung theoretisch geringer, als nach der gesamten (verdünnten) Stoffmenge anzunehmen wäre, so entlastet dies den Täter, der den Reinheitsgrad nicht kennt und sich nicht darum kümmert, in keiner Weise. Seine Widerhandlung im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 BetmG bezieht sich auf eine Menge, von der er annehmen muss, sie könnte (wegen der Anzahl möglicher Einzeldosen) die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen. Nachträgliche Feststellungen über einen geringeren Reinheitsgrad stehen dem Vorwurf der in der Stoffmenge begründeten Schwere der Verfehlung nicht entgegen. Das Handeln im Bewusstsein, dass es um eine Quantität geht, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann, rechtfertigt die Annahme eines schweren Falles unabhängig von der genauen Feststellung des Reinheitsgrades und von Unterschieden in der BGE 111 IV 100 S. 104 eigentlichen Betäubungsmittelwirkung. In Fällen wie dem vorliegenden, wo der Täter die Gesamtmenge kennt und die Anzahl möglicher Einzeldosen abschätzen kann, sich aber um den Reinheitsgrad nicht kümmert, ist offensichtlich, dass nachträgliche Feststellungen über den Reinheitsgrad ihn verschuldensmässig nicht zu entlasten vermögen und dass schon aus diesem Grunde kein Anlass besteht, vom Qualifikationsgrund des schweren Falles abzusehen. d) Aber auch wenn der Täter vom geringeren Reinheitsgrad Kenntnis hat, z.B. weil er selber die Verdünnung des Stoffes vornahm, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Abzustellen ist letztlich immer darauf, ob die Stoffmenge für eine so grosse Anzahl von üblichen Einzeldosen ausreicht, dass viele Menschen (mindestens 20) während einer längeren Zeit versorgt und damit in die Gefahr einer Abhängigkeit gebracht werden können. Dass ein Hersteller oder Händler unter Täuschung der Abnehmer Betäubungsmittelsubstanz mit viel geringerem Reingehalt anbietet, rechtfertigt es nicht - trotz der grossen Menge -, vom Qualifikationsgrund des schweren Falles abzusehen. Die Möglichkeit der Versorgung von vielen (mindestens 20) neuen drogenunerfahrenen Konsumenten besteht auch in diesem Fall. Dass das Gefährdungspotential nach der Berechnung der Fachleute infolge der (meist betrügerischen) übermässigen Streckung des Stoffes geringer ist, lässt das deliktische Vorgehen gesamthaft nicht als weniger schwer erscheinen. Die Injektion von Drogen, welche mit giftigen Stoffen oder mit harmlosen Stoffen aber unsteril gemischt wurden, kann zu erheblichen gesundheitlichen Schädigungen führen; und Drogen, welche mit harmlosen Stoffen und steril vermischt wurden, können die Konsumenten zu stärkeren Dosierungen verleiten mit der Folge, dass ebenfalls gesundheitliche Schädigungen oder gar der Tod eintreten können, wenn der betreffende Konsument zwischenhinein von einem andern Händler bedeutend reineren Stoff erhält und diesen in der bisher gewohnten starken Dosierung appliziert. Diese Gefährdungen sind bei einer stark verdünnten Substanz nicht geringer und beziehen sich abstrakt auf so viele Personen, wie mit der Gesamtmenge versorgt werden können. e) Der unbestimmte Rechtsbegriff des schweren Falles, der vom Gesetzgeber in Ziff. 2 von Art. 19 BetmG durch Beispiele erläutert, aber nicht abschliessend umschrieben wird, ist nach der ratio legis so auszulegen, dass eine Betäubungsmittelmenge, welche die in BGE 109 IV 145 berechneten Grenzwerte übersteigt, auch dann BGE 111 IV 100 S. 105 die Annahme eines schweren Falles rechtfertigt, wenn der Reinheitsgrad den üblichen Durchschnitt nicht erreicht, durch die grosse Anzahl möglicher Einzeldosen ("Schüsse") aber trotzdem eine gesundheitliche Gefahr für viele Menschen entstehen kann. Folgerungen aus dem Schuldprinzip und praktische Überlegungen schliessen die Beachtung des - vielfach gar nicht mehr feststellbaren - Reinheitsgrades von Gemengen bei der Beurteilung der Frage des schweren Falles aus (vgl. dazu auch ZBJV 1984 S. 562 ff.). 3. Der hier zu beurteilende Transport von 99,7 g Heroin ist nach den vorstehenden Erwägungen als schwerer Fall im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG zu qualifizieren, auch wenn das Gemenge dieser Substanz nur 7,7 g reinen Drogenwirkstoff enthielt, denn damit hätten 20 Personen während über 100 Tagen mit je einer Konsumeinheit von 40-50 mg versorgt werden können (zur Grösse der üblichen Konsumeinheit vgl. BGE 103 IV 281 : 45 mg; ZBJV 1984 S. 565 f.: 30-50 mg). Damit ist die Annahme eines schweren Falles subjektiv und objektiv gerechtfertigt. Die Widerhandlung wurde in der qualifizierten Form begangen. Dass die Substanz einen geringeren Reinheitsgrad aufwies, als der Beschwerdeführer annehmen musste, entlastet ihn nicht und macht den Transport der Substanz nicht zu einer blossen Versuchshandlung; denn Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG umschreibt einen Qualifikationsgrund, nicht ein separates Erfolgsdelikt, das nur vollendet wäre, wenn die in BGE 109 IV 145 theoretisch ermittelte abstrakte Gefahrengrenze überschritten ist. Der Qualifikationsgrund ist im vorliegenden Fall wegen der Stoffmenge gegeben. Selbst wenn er wegen des geringen Reinheitsgrades zu verneinen wäre, so wäre die Widerhandlung nicht als Versuch zu ahnden, sondern es käme richtigerweise die Bestrafung wegen vollendeten Deliktes nach der Basisstrafdrohung von Art. 19 Ziff. 1 BetmG zum Zuge. Der Schuldspruch wegen Versuchs kann im vorliegenden Fall jedoch wegen des Verbots der reformatio in peius nicht korrigiert werden; aus verfahrensrechtlichen Gründen muss es dabei sein Bewenden haben.
null
nan
de
1,985
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
8a11c428-b09c-42bc-8a9e-f5df06b2eaa2
Urteilskopf 103 II 314 51. Arrêt de la Ire Cour civile du 7 novembre 1977 dans la cause Commune de Villars-sur-Glâne contre Cremo S.A.
Regeste Art. 41 lit. c Abs. 2 OG , Begriff der zivilrechtlichen Streitigkeit. Art. 41 lit. c Abs. 2 OG bezieht sich nur auf zivilrechtliche Streitigkeiten im engeren Sinne; gleicher Begriff der zivilrechtlichen Streitigkeit wie bei der Berufung (E. 2). Streit über die Auslegung eines Vertrages betreffend die Lieferung von Wasser durch eine Gemeinde an eine auf ihrem Gebiet niedergelassene Unternehmung; Nichteintreten auf eine Klage im Sinne der Art. 41 lit. c Abs. 2 (E. 3), Art. 118 und 121 OG (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 315 BGE 103 II 314 S. 315 Le 29 mai 1959, la commune de Villars-sur-Glâne a vendu à Cremo S.A. un terrain de 32006 m2 destiné à la construction et à l'exploitation d'une usine pour produits laitiers. Sous ch. 6 al. 1 et 2, l'acte de vente disposait ce qui suit: "La Commune de Villars-sur-Glâne s'engage à fournir à Cremo S.A. toute l'eau potable nécessaire à l'exploitation de l'entreprise qui sera installée sur les immeubles objets des présentes. Cet engagement est valable pour toute la durée de ladite exploitation. Pour les dix premières années à compter de la mise en exploitation de l'usine, le prix de l'eau est d'ores et déjà fixé à quatorze centimes le mètre cube. Pour les années suivantes, ce prix de gros sera adapté à l'occasion de chaque modification du tarif communal du Service des eaux, mais il sera toujours inférieur de 65% (soixante-cinq pour cent) par rapport au prix de détail facturé aux ménages." Cremo S.A. a construit son usine sur le terrain acheté et a commencé son exploitation en décembre 1963. Elle a transféré son siège social à Villars-sur-Glâne en 1971. Jusqu'à fin 1969, la commune lui a facturé l'eau consommée au prix de 14 ct./m3 fixé par le ch. 6 al. 2 de l'acte de vente. De 1970 à 1973, elle n'entend facturer à ce prix que les premiers 220000 m3, le surplus étant compté au tarif communal en vigueur. Dès 1974, elle prétend appliquer exclusivement le tarif valable pour les autres abonnés. Cremo S.A. s'en tient aux conditions fixées par l'acte de vente. Elle a payé l'eau qui lui a été fournie au prix de 14 ct. jusqu'en 1973, et de 16 2/3 ct. (1/3 de 50 ct.) en 1974. Les parties ont passé le 21 février 1974 une convention de prétérition d'instance par laquelle elles sont convenues de saisir directement le Tribunal fédéral selon l'art. 41 litt. c OJ. Dans sa demande du 5 mars 1976, la commune de Villars-sur-Glâne a pris des conclusions tendant à l'interprétation, selon sa thèse, de la clause de fourniture d'eau du contrat de vente du 29 mai 1959, ainsi qu'au paiement de la somme de BGE 103 II 314 S. 316 294'206 fr. 60, représentant la différence entre ce qu'elle a reçu de Cremo S.A. pour l'eau fournie et ce qu'elle estime lui être dû. Erwägungen Considérant en droit: 1. Aux termes de l'art. 41 litt. c al. 2 OJ, le Tribunal fédéral connaît en instance unique "d'autres contestations de droit civil (que celles indiquées sous litt. a et b), lorsque les deux parties saisissent le tribunal à la place des juridictions cantonales et que la valeur litigieuse est d'au moins 20'000 francs". L'action est recevable en ce qui concerne la valeur litigieuse: le minimum exigé de 20'000 fr. est largement dépassé au regard des conclusions de la demande. Les deux parties ayant saisi le Tribunal fédéral à la place de la juridiction fribourgeoise compétente, il reste à examiner si l'on se trouve en présence d'une contestation civile au sens de l'art. 41 litt. c al. 2 2. a) Les différents cas prévus par l' art. 41 OJ faisaient l'objet, dans la loi sur l'organisation judiciaire fédérale de 1893, des art. 48 al. 1 ch. 1 à 3 (correspondant à l'art. 41 litt. a et b OJ) et 52 (art. 41 litt. c OJ), l'art. 48 ch. 4 étant devenu l'actuel art. 42. Le Message du Conseil fédéral à l'appui d'une nouvelle loi sur l'organisation judiciaire, du 9 février 1943, relève que, pour atteindre le but visé par les art. 48 ss de l'ancienne loi, le Tribunal fédéral s'était vu obligé de donner aux expressions "différends de droit civil" ou "contestations civiles" employées dans ces articles une interprétation sensiblement plus large qu'à la notion des causes civiles figurant aux art. 56 ss sur le recours en réforme, c'est-à-dire qu'il avait dû comprendre sous ces expressions presque toute prétention pécuniaire des particuliers envers l'Etat; à l'occasion de la revision partielle de la loi en 1921, l'art. 52 avait été d'ailleurs expressément déclaré applicable à d'autres causes "même quand le différend sur lequel elles portent n'est pas de pur droit civil"; du fait de l'évolution législative et de la loi sur la juridiction administrative et disciplinaire, poursuit le Message, cette extension ne s'impose toutefois plus dorénavant qu'en ce qui concerne la compétence facultative du Tribunal fédéral en cas de contestations entre cantons d'une part et corporations BGE 103 II 314 S. 317 ou particuliers d'autre part selon l'art. 48 ch. 4; ces cas de contestations civiles au sens large (art. 42 du projet) s'opposent à ceux de contestations civiles au sens étroit groupés à l'art. 41 (FF 1943, p. 120). b) Le Tribunal fédéral a également déclaré, peu après l'entrée en vigueur de la loi de 1943, que l'art. 41 de cette loi ne concernait plus que les contestations civiles au sens étroit; pour les actions dérivant du droit public formées par la Confédération ou contre elle, ou par un canton contre un autre, la compétence du Tribunal fédéral en tant que juridiction unique résulte des art. 110 et 83 litt. b OJ rev. (actuellement art. 116 et 83 litt. b OJ); la prorogation de juridiction en ce qui concerne les contestations administratives est prévue par l'art. 112 (118), tandis que l'art. 116 (121) vise les différends administratifs en matière cantonale que l' art. 114bis Cst. autorise les cantons, moyennant l'approbation de l'Assemblée fédérale, à porter devant le Tribunal fédéral en qualité de cour administrative; l'extension donnée à la notion de différend de droit civil n'a donc plus d'importance que pour les cas visés par l'art. 48 ch. 4 anc. OJ, c'est-à-dire pour les contestations entre cantons d'une part et corporations ou particuliers d'autre part, qui font l'objet de l' art. 42 OJ rev. ( ATF 71 II 173 s.). Le Tribunal fédéral a confirmé ce point de vue par la suite ( ATF 88 II 385 , ATF 77 I 94 ), en précisant que la notion de contestation civile en matière de recours en réforme était la même qu'à l'art. 41 ( ATF 93 II 410 consid. 1b, avec référence à BIRCHMEIER, n. 2 et 9 ad art. 41 OJ ). c) Par contestation civile, au sens des art. 41, 44 et 46 OJ , la jurisprudence entend une procédure qui vise à provoquer une décision définitive sur des rapports de droit civil et qui se déroule en instance contradictoire, devant un juge ou toute autre autorité ayant pouvoir de statuer, entre deux ou plusieurs personnes physiques ou morales agissant comme titulaires de droits privés, ou entre une telle personne et une autorité à laquelle le droit civil confère la qualité de partie ( ATF 101 II 359 et les arrêts cités, 369). C'est d'après l'objet du litige qu'il y a lieu de déterminer si l'on se trouve en présence d'une contestation relevant du droit civil ou du droit public ( ATF 101 II 369 ). 3. a) La demanderesse admet que le contrat de fourniture d'eau que passe une commune avec les particuliers relève BGE 103 II 314 S. 318 généralement du droit administratif. Mais en l'espèce, dit-elle, la clause relève du droit civil, puisqu'elle comporte des engagements pris réciproquement ou unilatéralement dans le cadre d'un contrat de vente où les parties entraient en relation sur un pied d'égalité; c'est donc à la lumière des normes du droit privé que le litige devrait trouver sa solution; même si l'on avait à faire à un contrat de droit administratif, son interprétation devrait se faire en principe selon les mêmes règles que celles applicables à un contrat de droit privé. b) L'acte de vente immobilière du 29 mai 1959 par lequel la demanderesse cédait à la défenderesse le terrain destiné à lui permettre d'installer son entreprise sur le territoire de la commune relève du droit privé. La contestation ne porte toutefois pas sur la vente elle-même, mais concerne exclusivement le ch. 6 des conditions de vente, relatif à la fourniture d'eau. L'engagement contracté par la demanderesse de fournir à la défenderesse "toute l'eau potable nécessaire à l'exploitation de son entreprise" (ch. 6 al. 1) n'est d'ailleurs pas litigieux. Seul est en cause le prix de l'eau fournie en vertu de cet engagement, ce qui fait l'objet du ch. 6 al. 2: alors que la défenderesse s'en tient aux termes de cette disposition, la demanderesse soutient qu'elle ne saurait être tenue, sans limite de temps et de quantité, de fournir l'eau aux conditions prévues. c) L'accord intervenu entre la commune demanderesse et la défenderesse au sujet de la fourniture de l'eau nécessaire à l'entreprise de cette dernière, à des conditions déterminées, ne vise pas à régir des rapports de droit privé entre personnes placées sur pied d'égalité; il fixe les droits et devoirs de la commune dans le cadre de l'exécution d'une tâche d'intérêt public, à savoir l'approvisionnement en eau de la population et des entreprises installées sur le territoire communal; cet accord constitue un contrat de droit administratif au sens de la jurisprudence et de la doctrine ( ATF 102 II 57 et les références citées: ATF 99 Ib 120 consid. 2, ATF 95 I 418 ss, ATF 93 I 509 ss, ATF 87 I 281 , ATF 81 I 393 , ATF 78 II 27 ; IMBODEN, RDS 77/1958 II 1a ss; ZWAHLEN, RDS 77/1958 II 461a ss; GRISEL, Droit administratif suisse, p. 219 ss). La demanderesse a consenti à la défenderesse, par la clause litigieuse, une dérogation au tarif applicable aux autres usagers du service communal de l'eau. L'octroi de ces conditions exceptionnelles, BGE 103 II 314 S. 319 destiné à favoriser l'implantation d'une nouvelle industrie sur le territoire de la commune et, par là, à accroître les ressources fiscales de celle-ci, justifiait que la fourniture de l'eau fasse l'objet d'une clause contractuelle, insérée dans l'acte de vente immobilière conférant à la défenderesse la propriété des terrains destinés à la construction de son usine. Mais cette clause régit des relations de droit public entre la commune et la défenderesse, en sa qualité d'usager d'un service communal, et relève dès lors non pas du droit civil, mais du droit public (ZWAHLEN, op.cit., p. 563a ss, 573a). Contrairement à ce qu'admet la demanderesse, il n'importe pas que l'interprétation de la clause litigieuse doive "se faire en principe selon les mêmes règles que celles applicables à un contrat de droit privé". Dans la mesure où les règles du droit civil, concernant notamment l'interprétation du contrat et sa revision en cas de modification des circonstances, s'appliquent par analogie au contrat de droit administratif, elles relèvent du droit public (cf. ATF 102 II 58 in fine) et restent sans influence sur la qualification du contrat, laquelle dépend de l'objet de celui-ci ( ATF 101 II 369 , ATF 99 Ib 120 ). d) Le litige portant sur l'interprétation et l'application du ch. 6 al. 2 de l'acte de vente du 29 mai 1959 ne constitue donc pas une contestation civile au sens de l'art. 41 litt. c al. 2 OJ, tel qu'on l'a défini ci-dessus (consid. 2). L'action fondée sur cette disposition est dès lors irrecevable. 4. a) Aux termes de l' art. 118 OJ , le Tribunal fédéral juge en instance unique d'autres contestations administratives (autres que celles définies par les art. 116 à 117) lorsqu'il en est saisi par les deux parties et que, dans les contestations de nature pécuniaire, la valeur litigieuse est de 20'000 fr. au moins. Fondée sur l' art. 114bis Cst. , cette compétence vise uniquement, comme les autres dispositions du chapitre II - "du Tribunal fédéral juridiction unique" - du titre cinquième, les contestations relevant du droit administratif fédéral (cf. l'arrêt ATF 75 II 18 , rendu à propos de la disposition correspondante de l' art. 112a OJ ; GRISEL, Droit administratif suisse, p. 517 ch. 5). Les différends administratifs en matière cantonale font l'objet du chapitre III, soit de l'art. 121, qui repose sur l' art. 114bis al. 4 Cst. Le présent litige ressortissant à l'application du droit public du canton de Fribourg et de la commune de Villars-sur-Glâne, BGE 103 II 314 S. 320 la compétence du Tribunal fédéral ne saurait être fondée sur l' art. 118 OJ . b) Selon l' art. 121 OJ , le Tribunal fédéral connaît en instance unique de certains différends administratifs en matière cantonale portés devant lui en vertu de l' art. 114bis al. 4 Cst. Cette disposition, qui institue à titre exceptionnel la compétence du Tribunal fédéral pour l'application du droit administratif cantonal, réserve l'approbation de l'Assemblée fédérale. En l'espèce, les parties n'allèguent pas, et rien ne permet de supposer que le canton de Fribourg aurait délégué au Tribunal fédéral des causes administratives du genre de celle qui oppose les parties, ni que l'Assemblée fédérale aurait approuvé une telle attribution. La compétence du Tribunal fédéral ne peut dès lors pas découler non plus de l' art. 121 OJ . c) Le présent procès relève donc exclusivement des juridictions cantonales, et il n'y a pas lieu de transmettre d'office la cause à la Chambre de droit administratif du Tribunal fédéral ( art. 96 al. 1 OJ ). 5. La jurisprudence permet d'appliquer par analogie l' art. 60 OJ à des actions dont le Tribunal fédéral est saisi comme juridiction unique; le tribunal peut ainsi décider à l'unanimité, sans débats préparatoires ni délibérations publiques, de ne pas entrer en matière ( ATF 92 II 214 consid. 5, ATF 96 II 351 consid. 7; ATF 103 II 224 consid. 5) ou de rejeter l'action ( ATF 101 II 303 ). Le Tribunal fédéral n'étant pas compétent pour connaître du présent litige, la demande doit être déclarée irrecevable (art. 60 al. 1 litt. a OJ). Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Déclare la demande irrecevable.
public_law
nan
fr
1,977
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
8a134789-e885-4300-a61c-75c2b0834ebd
Urteilskopf 109 II 338 71. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Dezember 1983 i.S. BBC Aktiengesellschaft Brown, Boveri & Cie gegen PPC Electronic AG (Berufung)
Regeste Verwirkung von Unterlassungsansprüchen aus Firmenrecht und unlauterem Wettbewerb. 1. Die Verwirkung setzt voraus, dass der Verletzte das streitige Kennzeichen des Mitbewerbers während längerer Zeit geduldet und letzterer durch den Gebrauch des Zeichens einen wertvollen Besitzstand erworben hat; Anforderungen (E. 2a). 2. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil qualifizierte Mitarbeiter eines Grossunternehmens während nahezu neun Jahren mit dem Konkurrenzunternehmen geschäftliche Beziehungen unterhalten haben, das Grossunternehmen sich das Wissen und Verhalten dieser Mitarbeiter anrechnen lassen muss und das streitige Zeichen des Konkurrenzunternehmens sich inzwischen im Verkehr durchgesetzt hat (E. 2b-e). 3. Ein Unterlassungsanspruch setzt ein aktuelles Rechtsschutzinteresse voraus; Umstände, unter denen im Markenrecht ein solches Interesse mangels Verletzungsgefahr zu verneinen ist (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 339 BGE 109 II 338 S. 339 A.- Die BBC Aktiengesellschaft Brown, Boveri & Cie, Baden, ist unter anderem auf dem Gebiet der Informations- und Leistungselektronik tätig. In diesem Bereich befasst sie sich seit 1961 mit der Herstellung und Fertigung von gedruckten Schaltungen, die auch Leiterplatten oder Prints genannt und mit dem Kennzeichen "BBC" versehen werden. Das Zeichen ist identisch mit der Marke Nr. 304 925, welche die Gesellschaft im Jahre 1903 erstmals in das schweizerische Register eintragen und seither wiederholt erneuern liess; seit 1973 ist das Zeichen zudem Bestandteil ihrer Firma. Die PPC Electronic AG, Cham, ist 1970 mit dem Zweck gegründet worden, gedruckte Schaltungen herzustellen und zu vertreiben. Ihre Firma ist seit dem 11. Mai 1970 im Handelsregister eingetragen. Die PPC Electronic AG will ihre Tätigkeit schon vorher aufgenommen und bereits in den 70er Jahren eine Reihe führender Unternehmen der elektronischen Branche im In- und Ausland zu ihren Kunden gezählt haben. Am 25. Mai 1980 hinterlegte sie unter Nr. 305 699 die Marke "PPC ELECTRONIC". B.- Im März 1981 klagte die BBC Aktiengesellschaft Brown, Boveri & Cie gegen die PPC Electronic AG auf Feststellung, dass die CH-Marke Nr. 305 699 "PPC ELECTRONIC" nichtig sei (Rechtsbegehren 1); sie verlangte ferner, es sei der Beklagten bei Strafe zu verbieten, die Buchstabengruppe PPC im Zusammenhang mit dem Anbieten, Verkaufen und Inverkehrbringen von Präzisionsleiterplatten (Rechtsbegehren 2) und als Bestandteil ihrer Firma oder sonstwie zur Kennzeichnung ihres Unternehmens zu verwenden (Rechtsbegehren 3). Die Beklagte liess daraufhin die Marke "PPC ELECTRONIC" BGE 109 II 338 S. 340 im Register wieder löschen, widersetzte sich aber den Klagebegehren 2 und 3. Durch Urteil vom 29. Juni 1983 erklärte das Kantonsgericht Zug das Feststellungsbegehren infolge Löschung der Marke Nr. 305 699 als gegenstandslos und wies die Klage im übrigen ab. C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, mit der sie an ihren Rechtsbegehren 2 und 3 festhält. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit auf sie einzutreten ist, und bestätigt das angefochtene Urteil. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Kantonsgericht hat die Klagebegehren 2 und 3 vor allem abgewiesen, weil die Klägerin die Verwendung der streitigen Buchstabengruppe PPC, die für "Precision Printed Circuit" stehe, während rund neun Jahren hingenommen und dadurch allfällige Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb, Namens- und Persönlichkeitsrecht verwirkt habe. Die Beklagte hält Vorhalt und Begründung des Kantonsgerichts für zutreffend. Die Klägerin hingegen lässt die Einrede der Verwirkung nicht gelten; sie ist vielmehr der Auffassung, das angefochtene Urteil verletze in verschiedener Hinsicht Bundesrecht, weil bis Februar 1979, als die Beklagte erstmals verwarnt worden sei, weder von einer Duldung des streitigen Kennzeichens noch von einem wertvollen Besitzstand der Beklagten die Rede sein könne. a) Nach ständiger Rechtsprechung können Ansprüche aus der Verletzung von Rechten auf Grund des Art. 2 ZGB untergehen, wenn sie zu spät geltend gemacht werden ( BGE 106 II 324 und BGE 106 III 58 ff. mit Hinweisen). Das gilt auch für Immaterialgüterrechte, insbesondere Löschungs- und Unterlassungsansprüche aus Markenrecht, ferner für ähnliche Ansprüche aus Firmenrecht und unlauterem Wettbewerb ( BGE 100 II 399 E. 3b, BGE 98 II 144 E. 3, BGE 97 II 154 ). Eine Verwirkung wegen verspäteter Rechtsausübung ist jedoch nicht leichthin anzunehmen, weil gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB ein Recht nur dann nicht geschützt werden darf, wenn sein Missbrauch offenbar ist. Sie setzt in Fällen wie hier vielmehr voraus, dass der Berechtigte die Verletzung seiner Rechte, z.B. durch Mitgebrauch eines gleichen oder ähnlichen Kennzeichens, während längerer Zeit widerspruchslos geduldet und der Verletzter inzwischen am Konkurrenzzeichen einen eigenen wertvollen Besitzstand erworben hat. Je länger der angeblich Verletzte mit der BGE 109 II 338 S. 341 Rechtsverfolgung zuwartet, desto weniger braucht der Mitbewerber nach Treu und Glauben damit zu rechnen, dass er das, was er sich aufgebaut hat, wieder preisgeben muss ( BGE 97 II 154 , BGE 88 II 180 und 375, BGE 76 II 395 ). Der schützenswerte Besitzstand, den der Verletzter sich durch den unangefochtenen Gebrauch seines an sich unzulässigen Kennzeichens erworben hat, braucht dabei nicht den Bekanntheitsgrad oder die Bedeutung eines Ausschliesslichkeitsrechtes zu erreichen. Das leuchtet namentlich ein, wenn es sich um kleinere oder stark spezialisierte Unternehmen mit sehr beschränktem Kundenkreis handelt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung der im Wettbewerb errungenen Stellung samt den damit verbundenen Vorteilen, die dem Unternehmen in seinem Tätigkeitsbereich daraus entstehen, dass sich sein Zeichen durch eine länger andauernde und ungestörte Benutzung im Verkehr durchgesetzt hat, seine aktuellen und potentiellen Kunden es also seit langem ihm selber oder seiner Ware zuordnen. Trifft dies zu, so ist eine derart gefestigte Stellung als Folge davon zu betrachten, dass die nach aussen bekundete Einheit von Zeichen und Unternehmen auch von den Kunden als solche aufgefasst und anerkannt worden ist (TROLLER, Immaterialgüterrecht II, 3. Aufl., S. 83 und 206; VON BÜREN, Kommentar zum UWG, S. 199 N. 2b); sie ist für das Unternehmen wertvoll und ihm zu erhalten, wenn sich dies nach den Umständen mit Treu und Glauben verträgt. Der wertvolle Besitzstand ist von dem zu beweisen, der daraus die Verwirkung eines besseren Rechts ableitet ( Art. 8 ZGB ). Von einer Duldung eines gleichen oder ähnlichen Zeichens sodann kann im Ernst nur die Rede sein, wenn das verletzte Unternehmen trotz Kenntnis von tatsächlichen oder drohenden Rechtsverletzungen lange untätig bleibt. Der Verletzte kann freilich gute Gründe für ein Zuwarten haben; es kann ihm namentlich bei schwierigen Verhältnissen oder Grenzfällen nicht verwehrt werden, die Bedeutung der Verletzung und die Nachteile, die ihm aus einer Verwechslungsgefahr allenfalls entstehen, zunächst abklären zu lassen. Eine rechtzeitige Verwarnung ist aber auch diesfalls angezeigt, damit der Verletzter weiss, dass die Gegenpartei sein Verhalten als widerrechtlich betrachtet und er sich auf eine Rechtsverfolgung gefasst machen muss; sein guter Glaube wird dadurch zerstört. Der Verletzte handelt daher nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er die Verzögerung zu rechtfertigen vermag. b) Eine andere Frage ist, ob der gute Glaube einer juristischen BGE 109 II 338 S. 342 Person einzig nach dem Wissen ihrer Organe und Vertreter oder auch nach den Kenntnissen weiterer Mitarbeiter zu beurteilen sei. Sie lässt sich angesichts der vielfältigen Funktionen der Vorschriften über den guten Glauben einerseits (vgl. JÄGGI, N. 63 ff. zu Art. 3 ZGB ) und der verschiedenen Arten von juristischen Personen sowie der sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen von Aktiengesellschaften andererseits nicht allgemein beantworten. Ob und inwieweit das Wissen einzelner Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Aufgaben Kenntnis von möglichen oder tatsächlichen Rechtsverletzungen erhalten, der juristischen Person selber anzurechnen ist, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist namentlich die konkrete Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen (JÄGGI, N. 121 und 136 zu Art. 3 ZGB ). Bei unlauterem Wettbewerb durch Verwendung eines Kennzeichens, das einem sehr bekannten angeblich nachgebildet ist, muss sich eine juristische Person das Wissen und Verhalten von Angehörigen ihrer Geschäftsbetriebe jedenfalls dann entgegenhalten lassen, wenn wie hier qualifizierte Mitarbeiter mit einem Konkurrenzunternehmen zu tun haben und die geschäftlichen Beziehungen zwischen den Parteien sich über Jahre erstrecken. Dass die Klägerin ein Grossunternehmen ist, rechtfertigt keine Ausnahme, liefe eine andere Betrachtungsweise doch darauf hinaus, sie wegen ihrer Grösse und der sich daraus ergebenden Arbeitsteilung zu begünstigen (JÄGGI, N. 140 und 141 zu Art. 3 ZGB ). Nach dem angefochtenen Urteil hat die Beklagte sich bereits am 10. Juli 1970, also wenige Wochen nach ihrer Gründung mit einem Bewerbungsschreiben für die Lieferung von Leiterplatten an die Elektronik-Fabrik der Klägerin in Turgi gewandt. Die geschäftlichen Beziehungen zwischen den Parteien dauerten bis ins Jahr 1979; die Beklagte hatte dabei vor allem mit den Abteilungen der Klägerin für Zentraleinkauf, Buchhaltung, Rechnungswesen und Leiterplatten zu tun. Diese Abteilungen wussten seit 1970 nicht nur um die Existenz des Konkurrenzunternehmens, sondern auch, dass die Beklagte die Firma "PPC Electronic AG" führte. Die Klägerin bestreitet das nicht. Sie wendet vielmehr ein, ihre für Kennzeichnungsfragen zuständigen Mitarbeiter hätten erst gegen Ende 1978 von den Rechtsverletzungen Kenntnis erhalten und die Beklagte sodann mit Schreiben vom 19. Februar 1979 verwarnt; es sei nicht Aufgabe anderer Abteilungen gewesen, verwechslungsfähige Kennzeichen Dritter aufzuspüren und ihren Spezialisten für solche Fragen zu melden. BGE 109 II 338 S. 343 Dieser Einwand vermag nach den angeführten Grundsätzen schon deshalb nicht zu überzeugen, weil es um eine angebliche Verwechslungsgefahr zwischen der Firma der Beklagten und dem Zeichen "BBC" geht, das weltbekannt und daher allen Mitarbeitern und Abteilungen der Klägerin, nicht bloss deren Spezialisten ein Begriff ist. Es ist verständlich, dass die Klägerin grossen Wert darauf legt, ähnliche Abkürzungen für Konkurrenzfirmen, die damit ihren guten Ruf ausnützen könnten, nicht aufkommen zu lassen. Um so mehr durfte aber von ihr verlangt werden, für eine zweckmässige Information innerhalb ihrer Betriebe zu sorgen, damit solche Abkürzungen der für die Wahrung ihrer Firmenrechte zuständigen Abteilung gemeldet werden. Dass die Klägerin allein für das Gebiet der Schweiz über 80 Marken hinterlegt hat und ihre Abteilung für Zentraleinkauf eine Unzahl von Marken Dritter, die Mehrzahl ihrer eigenen jedoch nicht kennt, wie mit der Berufung behauptet wird, ändert daran nichts; sie übergeht, dass sie seit Jahrzehnten zahlreiche Erzeugnisse ihrer Geschäftsbetriebe im In- und Ausland mit ihrem Stammzeichen "BBC" versehen lässt. Ebensowenig hilft ihr, dass JÄGGI (N. 141 zu Art. 3 ZGB ) das Gebot der Aufmerksamkeit auf Organpersonen beschränkt, die sich mit der Sache befassen oder nach der internen Zuständigkeitsordnung damit hätten befassen sollen; denn damit kann so oder anders keine mangelhafte Ordnung gemeint sein. c) Mit dem Einwand, die Beklagte habe ihre Firma bösgläubig gewählt, ist dagegen zum vorneherein nicht aufzukommen, weil das Kantonsgericht eine Absicht der Beklagten, durch eine nachgebildete Firma vom guten Ruf der Klägerin profitieren zu wollen, ausdrücklich verneint hat. Es hielt der Klägerin entgegen, der Versuch der Beklagten, schon kurz nach der Gründung mit ihr ins Geschäft zu kommen, spreche nicht nur gegen eine wissentliche Verletzung fremder Rechte, sondern auch gegen eine bewusste Anmassung eines verwechselbaren Zeichens, zumal der Firmenbestandteil "PPC" sich als Abkürzung für "Precision Printed Circuit" auf die Erzeugnisse der Beklagten beziehe. Dieser Vorhalt betrifft tatsächliche Verhältnisse und bindet das Bundesgericht, da er weder auf einer Ausnahme im Sinne von Art. 63 Abs. 2 OG noch auf einem falschen Rechtsbegriff beruht (vgl. BGE 107 II 423 mit Hinweisen). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist Bösgläubigkeit nicht schon anzunehmen, wenn objektiv ein unrichtiges Verhalten oder eine Verwechslungsgefahr vorliegt (MERZ, N. 82 zu Art. 2 und JÄGGI, N. 35 ff. zu Art. 3 ZGB ). Die Beklagte bemerkt BGE 109 II 338 S. 344 zudem mit Recht, dass sich ausnahmsweise selbst ein anfangs bösgläubiger Verletzter auf Verwirkung eines Klagerechts berufen kann und dies namentlich zutrifft, wenn der Verletzte durch langes Zuwarten bei der Gegenpartei das berechtigte Vertrauen erweckt, er habe gegen ein an sich unzulässiges Zeichen nichts einzuwenden oder sich mit dessen Gebrauch abgefunden ( BGE 81 II 290 , 76 II 395). Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte der Klägerin auch die positive Publizitätswirkung des Handelsregisters entgegenhalten könnte, in dem ihre Firma seit Mai 1970 eingetragen ist ( BGE 106 II 351 ; JÄGGI, N. 104 und 145 zu Art. 3 ZGB ; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl., S. 783). d) Das Kantonsgericht fand, die Beklagte habe bereits im Februar 1979, als sie von der Klägerin erstmals verwarnt worden sei, über einen wertvollen Besitzstand verfügt. Seine Annahme stützt sich auf einen Bericht des Marktforschungsinstitutes Gnostic vom 28. Dezember 1982 und auf einige Zeitungsausschnitte aus den Jahren 1981/82. Aus dem Bericht ergibt sich nach Auffassung des Kantonsgerichts, dass der Name "PPC" in Fachkreisen mit der Vorstellung über eine "hochwertige Multilayertechnologie" verbunden werde, bei den bekanntesten Unternehmen der elektrotechnischen Branche "gut eingeführt" sei und sehr positiv bewertet werde; aus den Zeitungsausschnitten sodann gehe hervor, dass die Beklagte auch ausserhalb von Fachkreisen einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt habe. Was die Klägerin dagegen vorbringt, erweist sich weitgehend als blosse Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz sowie am kantonalen Verfahren und ist daher nicht zu hören ( BGE 109 II 31 mit Hinweisen); dies gilt auch für ihre wiederholten Verweise auf Ausführungen in jenem Verfahren ( BGE 104 II 192 E. 1). Gewiss datieren Bericht und Zeitungsausschnitte aus den Jahren 1981/82 und musste die Beklagte bereits vor ihrer Verwarnung im Februar 1979 einen wertvollen Besitzstand erworben haben, um sich auf ihn berufen zu können. Das ist dem Kantonsgericht jedoch nicht entgangen, hielt es der Klägerin doch entgegen, dass der Aufbau eines solchen Besitzstandes sich notwendig über längere Zeit erstrecke, die Beklagte sich durch ihre Anstrengungen aber bereits vor der Verwarnung einen beachtlichen Ruf bei führenden Unternehmen verschafft habe. Es handelt sich um Rückschlüsse aus späteren Ermittlungen auf einen früheren Zustand und damit um einen Indizienbeweis, der durch Art. 8 ZGB nicht ausgeschlossen BGE 109 II 338 S. 345 wird ( BGE 104 II 75 und BGE 102 II 10 /11 mit Hinweisen). Die Auffassung des Kantonsgerichts wäre selbst dann nicht zu beanstanden, wenn sie bloss auf allgemeiner Lebenserfahrung beruhen würde und deshalb vom Bundesgericht im Berufungsverfahren frei überprüft werden dürfte ( BGE 107 II 274 /75). Fragen kann sich nur, ob das Kantonsgericht den Begriff des wertvollen Besitzstandes verkannt habe, wie die Klägerin mit ihrem Einwand, der Bericht Gnostic befasse sich mit der Leistungsfähigkeit von Leiterplatten-Fabrikanten, nicht mit der Verkehrsgeltung von Kennzeichen, anzunehmen scheint. Das lässt sich ebenfalls nicht sagen. Nach dem erwähnten Bericht, auf den das Kantonsgericht vor allem abstellte, hat die Beklagte mit dem Firmenbestandteil PPC wegen der Qualitätsstufe ihrer Erzeugnisse im Verlaufe der Jahre einen Rang in der Spitzengruppe der europäischen Anbieter erreicht, sich ein ausgezeichnetes Image und einen hohen Bekanntheitsgrad in mehreren Bereichen der elektrotechnischen Branche geschaffen. Das kann nur heissen, dass sich ihr Kennzeichen als Firma im Verkehr durchgesetzt hat, ihre Kunden es also nicht bloss mit bestimmten Vorstellungen über die Herkunft und die Qualität der Ware verbinden, sondern auch als Inbegriff des dabei erworbenen Rufes anerkennen. Warum es für die Schweiz eines besonderen Beweises bedürfen sollte, ist unerfindlich, zumal es sich bei den Kunden durchwegs um international tätige und führende Unternehmen handelt, zu denen bis 1979 übrigens auch die Klägerin gehörte. Dass die Beklagte in der Schweiz nach eigenen Angaben keine grosse Werbung betrieben habe, ändert daran nichts. Aus der in BGE 108 II 216 ff. nicht veröffentlichten Erwägung 3 zur Marke "LESS" kann die Klägerin nichts für ihre Auffassung ableiten. Die Anforderungen an die Verkehrsgeltung eines gemeinfreien Zeichens, das sich angeblich im Verkehr durchgesetzt hat und daher zu schützen sei, lassen sich nicht auf die Frage übertragen, ob ein Mitbewerber durch den unangefochtenen Gebrauch eines verwechslungsfähigen Kennzeichens einen wertvollen Besitzstand erworben habe. Denn bei der Durchsetzung einer Sachbezeichnung als Marke geht es um die Entbehrlichkeit eines Begriffes, an dem kein Freihaltebedürfnis besteht ( BGE 103 Ib 270 mit Hinweisen, BGE 84 II 226 ), beim Erwerb eines Besitzstandes dagegen um die Frage, ob er die Verwirkung eines Drittanspruches infolge Duldung des Kennzeichens während längerer Zeit nach Treu und Glauben zu rechtfertigen vermag. BGE 109 II 338 S. 346 e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Klägerin sich das Verhalten ihrer Mitarbeiter, die um die Firma der Beklagten seit 1970 gewusst, sie aber während nahezu neun Jahren widerspruchslos hingenommen haben, anrechnen lassen muss. Ihre Verwarnung vom Februar 1979 sodann kam zu spät, weil die Beklagte inzwischen nach dem, was das Kantonsgericht in tatsächlicher Hinsicht für erwiesen hält, durch den Gebrauch ihrer Firma einen wertvollen Besitzstand erworben hat, der ihr nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr zu erhalten ist. Die Auffassung des Kantonsgerichts, die Klägerin habe allfällige Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb, Namens- und Persönlichkeitsrecht verwirkt, ist daher bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Für den Einwand, dass eine über die Verwechslungsgefahr hinausgehende Irreführung zu befürchten und die Verwirkung deswegen strenger zu beurteilen sei, ist dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen; die Begründung des Einwandes erschöpft sich übrigens in einem blossen Verweis auf Ausführungen im kantonalen Verfahren, womit die Klägerin nicht zu hören ist ( BGE 104 II 192 E. 1). Zu Bedenken besteht um so weniger Anlass, als nach der unwidersprochen gebliebenen Behauptung der Beklagten bisher während rund 13 Jahren keine Verwechslungen vorgekommen sind; das ist zwar nicht entscheidend, aber doch ein erhebliches Indiz dafür, dass die Gefahr von Rechtsverletzungen als eher gering einzuschätzen ist. 3. Nach Auffassung der Klägerin hat das Kantonsgericht zu Unrecht angenommen, sie habe ihre Rechte, gegen einen markenmässigen Gebrauch des Zeichens "PPC" durch die Beklagte vorzugehen, ebenfalls verwirkt; ihr Klagebegehren 2 könne jedenfalls insoweit nicht wegen Verwirkung abgewiesen werden, als sie damit verlange, der Beklagten sei die Verwendung von "PPC" zur Kennzeichnung von Waren zu verbieten. Ob das Klagebegehren 2 mindestens teilweise gutzuheissen wäre, weil die Beklagte die Unzulässigkeit der Marke "PPC ELECTRONIC" sinngemäss anerkannt habe, ist indes eine müssige Frage. Ein Unterlassungsbegehren setzt ein aktuelles Rechtsschutzinteresse voraus, das auch noch zur Zeit der Urteilsfällung bestehen muss und bei einer Klage auf Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen nur anzunehmen ist, wenn solche Verletzungen ernstlich zu befürchten sind ( BGE 104 II 133 /34 und BGE 97 II 108 mit Hinweisen). Die Auffassung TROLLERS (Immaterialgüterrecht II, 2. Aufl., S. 1111) über den Sinn und Zweck der Unterlassungsklage steht dem nicht entgegen. Für eine künftige BGE 109 II 338 S. 347 Verletzungsgefahr durch einen markenmässigen Gebrauch des Zeichens liegt hier nach der Annahme des Kantonsgerichts aber nichts vor. Die Tatsache, dass die Beklagte das Bundesamt für geistiges Eigentum am 23. Juni 1981 um Löschung der Marke "PPC ELECTRONIC" ersucht und das Zeichen selbst bis dahin nicht markenmässig gebraucht hat, spricht vielmehr gegen eine solche Gefahr. Dazu kommt, dass die Beklagte im Prozess, so insbesondere in ihren kantonalen Rechtsschriften und in der Berufungsantwort, wiederholt erklärt hat, sie wolle die Abkürzung PPC nicht in Alleinstellung verwenden. Sie widersetzt sich dem Versuch der Klägerin, ihr die markenmässige Verwendung des Zeichens verbieten zu wollen, also zu Recht nicht mit der Einrede der Verwirkung. Das tut auch das Kantonsgericht nicht; es hält der Klägerin vielmehr entgegen, sie habe weder eine Verletzung ihrer Rechte durch eine solche Verwendung noch eine künftige Verletzungsgefahr nachweisen können. Sein Urteil ist daher auch in diesem Punkte zu bestätigen.
public_law
nan
de
1,983
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
8a1571e7-bddd-49e3-b513-a903fcf12c21
Urteilskopf 95 I 313 44. Urteil vom 8. Oktober 1969 i.S. Barmettler gegen Pneu A.-G. und Konkursgericht von Nidwalden
Regeste Art. 82 SchKG . Unzuständigkeit des Rechtsöffnungsrichters zur Prüfung der Rechtzeitigkeit des Rechtsvorschlages.
Sachverhalt ab Seite 313 BGE 95 I 313 S. 313 A.- Die Pneu A.-G. leitete gegen Alois Barmettler am 10. August 1968 Betreibung ein. Der Zahlungsbefehl wurde an diesem Tage dem Betriebenen zugestellt. Im Doppel wurde vom Betreibungsamt vermerkt, der Schuldner erhebe Rechtsvorschlag. Die Gläubigerin verlangte beim Einzelrichter für Schuldbetreibung und Konkurs von Nidwalden Rechtsöffnung. Dieser erklärte, der Rechtsvorschlag sei erst am 21. August und damit verspätet erhoben worden und das Gesuch aus diesem Grunde gegenstandslos geworden. Die Kosten auferlegte er dem Betriebenen. Barmettler beschwerte sich hiegegen beim Konkursgericht von Nidwalden. Dieses bezeichnete als unbestritten, dass der Zahlungsbefehl am 10. August 1968 zugestellt wurde und nahm gestützt auf den angefochtenen Entscheid des Einzelrichters an, der Rechtsvorschlag sei erst am 21. August erhoben worden. Der Betriebene habe nicht beweisen können, dass er schon am 20. August Recht vorgeschlagen habe. Die Beschwerde wurde deshalb abgewiesen. Die Kosten wurden dem Betriebenen auferlegt (Verfügung vom 29. Mai /26. Juni 1969). B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt Alois Barmettler, den Entscheid des Konkursgerichtes aufzuheben und die Kosten mit Einschluss einer Parteientschädigung an den Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner, eventuell dem BGE 95 I 313 S. 314 Staat Nidwalden aufzuerlegen. Er rügt eine Verletzung von Art. 4 BV . Für die Begründung des Antrages wird auf die nachfolgenden Erwägungen verwiesen. C.- Der Vorsitzende der Konkursabteilung des Obergerichtes von Nidwalden (Konkursgerichtes) hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdegegnerin bemerkt, sie habe nicht festgestellt noch feststellen können, ob der Schuldner rechtzeitig Rechtsvorschlag erhoben habe. Gestützt auf die Annahme, dass der Einzelrichter zuständig gewesen und sein Entscheid richtig sei, habe sie das Fortsetzungsbegehren gestellt. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV ist erst zulässig, nachdem der Beschwerdeführer von den offenstehenden kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht hat ( Art. 86 OG ), und ferner nur, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann ( Art. 84 Abs. 2 OG ). Ein derartiges Rechtsmittel ist auch der Rekurs in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ( BGE 91 III 29 Erw. 2; BIRCHMEIER, Organisation der Bundesrechtspflege zu Art. 84 Ziff. 3 lit. d mit weitern Verweisungen). Die Verfügung, mit welcher der Rechtsöffnungsrichter das Gesuch um Erteilung von Rechtsöffnung als gegenstandslos bezeichnet, kann jedoch nicht zum Gegenstand eines Rekurses in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen gemacht werden. Denn dieser ist nur zulässig gegen eine Entscheidung (oder eine Rechtsverweigerung) einer kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs ( Art. 75 OG , Art. 13 SchKG ). Dass gegen das Betreibungsamt die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zulässig gewesen wäre, wenn es zu Unrecht festgestellt hätte, der Rechtsvorschlag sei rechtzeitig oder aber verspätet erhoben worden, ändert nichts, wenn eine bezügliche Verfügung des Betreibungsamtes nicht ergangen ist. Das Betreibungsamt Buochs hat dem betreibenden Gläubiger auf der für ihn bestimmten Ausfertigung des Zahlungsbefehls mitgeteilt, der Schuldner habe Recht vorgeschlagen. Die Gläubigerin hat dagegen nichts vorgekehrt, und der Schuldner hatte dazu ebenfalls keine Veranlassung. Hatte aber keine Partei BGE 95 I 313 S. 315 die Möglichkeit einer Beschwerde an die Aufsichtsbehörde, so ist gegen den letztinstanzlichen Entscheid des Konkursrichters die staatsrechtliche Beschwerde zulässig. 2. Wurde vom Schuldner Rechtsvorschlag erhoben, und beruht die Forderung, für welche die Betreibung angehoben wurde, auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung, kann der Gläubiger provisorische Rechtsöffnung verlangen. In diesem Verfahren kann nicht geprüft werden ob gegen eine vorangehende Verfügung des Betreibungsamtes bei der Aufsichtsbehörde hätte Beschwerde geführt werden können und ob diese Beschwerde begründet gewesen wäre. Für eine derartige Prüfung ist der Rechtsöffnungsrichter so wenig zuständig als eine andere richterliche Behörde im Sinn von Art. 22 oder 23 SchKG . Solange das Rechtsöffnungsgesuch aufrecht bleibt, hat der Richter hierüber im Sinn von Art. 82 Abs. 2 SchKG zu entscheiden. Er darf das Gesuch nicht als gegenstandslos erklären, weil die Betreibung (der Zahlungsbefehl) einen mit Beschwerde geltend zu machenden Mangel aufweise, dies insbesondere auch dann nicht, wenn keine der Parteien einen derartigen Mangel geltend macht. Der Zweck der Rechtsöffnung beruhtja darin, dass durch sie die Fortsetzung der durch den Rechtsvorschlag gehemmten Betreibung ermöglicht werden soll. 3. Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungssachen ist im Kanton Nidwalden der Regierungsrat (§ 8 der Einführungsverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs). Zur Erteilung von Rechtsöffnung ist zuständig erstinstanzlich der Einzelrichter für Schuldbetreibungs- und Konkurssachen oder dessen Stellvertreter (§ 10 lit. a EG); Berufungsinstanz ist das Konkursgericht (§§ 10 lit. b und 11 Abs. 1 lit. b und Abs. 3). Der Einzelrichter und das Konkursgericht sind als richterliche Behörden sachlich nicht zuständig, zu prüfen, ob der Rechtsvorschlag rechtzeitig oder aber verspätet erhoben worden ist. Die Behörde, die eine Entscheidung trifft auf Grund einer Tatsache, zu deren Prüfung sie auch vorfrageweise nicht zuständig ist, missachtet die Grenzen ihrer sachlichen Zuständigkeit und handelt willkürlich. Der Einzelrichter und der seine Feststellung ohne Begründung übernehmende Konkursrichter verkennen, dass die Aufzählung der Obliegenheiten des Richters im Gesetz BGE 95 I 313 S. 316 abschliessend ist, die Gerichte im Betreibungsverfahren nur eingreifen können, wo das Gesetz es ausdrücklich vorsieht, und abgesehen hievon jede Einmischung des Richters in das Betreibungsverfahren ausgeschlossen ist (BLUMENSTEIN, Schuldbetreibungsrecht, S. 111). Es braucht deshalb nicht untersucht zu werden, ob der Umstand einen Grund zur Beschwerde darstellen würde, dass die für den Betreibenden bestimmte Ausfertigung des Zahlungsbefehls nicht unmittelbar nach dem Rechtsvorschlag, den der Betriebene am 10. August erklärt haben will, zugestellt wurde, oder erst nach Ablauf der Rechtsvorschlagsfrist. Jedenfalls konnte hieraus nicht geschlossen werden, der Rechtsvorschlag sei nicht rechtzeitig erfolgt; auch der Nachweis für die Rechtzeitigkeit könnte nicht dem Betriebenen auferlegt werden. Der Entscheid des Konkursgerichtes ist deshalb aufzuheben. 4. Die Gerichtskosten werden in der Regel der vor Bundesgericht unterliegenden Partei auferlegt ( Art. 156 Abs. 1 OG ). Das ist hier deshalb nicht zulässig, weil sie nicht Verspätung des Rechtsvorschlages geltend gemacht hat, sondern mit dem Rechtsöffnungsbegehren im Gegenteil davon ausgegangen ist, der Schuldner habe Rechtsvorschlag erhoben. Sie beantragt denn auch nicht Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Kantonen, gegen deren Verfügungen Beschwerde geführt wird, ohne dass es sich um ihre eigenen Vermögensinteressen handelt, dürfen in der Regel ebenfalls keine Gerichtskosten auferlegt werden ( Art. 156 Abs. 2 OG ). Eine Ausnahme von dieser Regel rechtfertigt sich nicht. Dasselbe gilt von den Parteikosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 159 in Verbindung mit Art. 156 Abs. 2 OG ). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Konkursgerichtes vom 29. Mai /26. Juni 1969 aufgehoben.
public_law
nan
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1,969
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CH_BGE_001
CH
Federation
8a169e4f-a5c7-4f66-b710-a0ec59d50e3e
Urteilskopf 106 II 173 34. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. September 1980 i.S. B. gegen B. und K. (Berufung)
Regeste Art. 35 Abs. 1 OG . Wiederherstellung. Verschulden eines Anwalts, der ein Urteil zum Nachteil seines Klienten mit gewöhnlicher Post an ihn weiterleitet und sich vor Ablauf der Berufungsfrist nicht durch Rückfrage vergewissert, ob der Klient es anfechten will.
Erwägungen ab Seite 173 BGE 106 II 173 S. 173 Aus den Erwägungen: Wiederherstellung gegen die Folgen einer Fristversäumnis kann gemäss Art. 35 Abs. 1 OG nur gewährt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln, und binnen zehn Tagen nach dem Wegfall des Hindernisses die Wiederherstellung verlangt und die versäumte Rechtshandlung nachholt. Der Vertreter des Beklagten hat das Gesuch rechtzeitig gestellt und innert der zehntägigen Frist auch die Berufungsschrift eingereicht. Auf das Gesuch ist daher einzutreten. Ein Verschulden im Sinne von Art. 35 Abs. 1 OG kann dem Beklagten selber nicht nachgewiesen werden, da seine Behauptung, das mit gewöhnlicher Post weitergeleitete Urteil nicht erhalten zu haben, sich nicht widerlegen liess und auch die Nachforschungen der Post nichts Gegenteiliges ergaben. Das heisst freilich nicht, eine Partei sei zum vornherein oder gar für BGE 106 II 173 S. 174 alle Fälle vom Nachweis zu befreien. Es kann Umstände geben, unter denen dem Adressat ein Beweis für seine Behauptung zugemutet werden kann, z.B. wenn die Postsendung vom Boten Drittpersonen, insbesondere Familiengenossen des Adressaten übergeben wird, die Zustellung an eine bestimmte Person also feststeht. Wie es sich mit der Behauptung des Beklagten verhält, dessen Angaben vom Anwalt nicht bezweifelt werden, kann jedoch dahingestellt werden. Nach dem Wortlaut des Art. 35 Abs. 1 OG schliesst auch ein Verschulden des Vertreters die Wiederherstellung aus. Ein solches ist im vorliegenden Fall darin zu erblicken, dass der Anwalt des Beklagten sich während des Fristenlaufes nicht vergewisserte, ob sein Klient vom Urteil Kenntnis bekommen habe und es anfechten wolle. Eine Rückfrage lag hier umso näher, als der Anwalt in seinem Begleitschreiben vom 6. Mai 1980 bemerkte, das zweitinstanzliche Verfahren sei "alles andere als nach unseren Wünschen verlaufen", und er die Urteilsbegründung selber nicht für stichhaltig hielt. Schon deshalb lässt sich im Ernst nicht sagen, der Anwalt habe nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge vermuten dürfen, dass sein Klient die am 6. Mai der Post übergebene Sendung innert nützlicher Frist erhalten, sich mit dem Urteil des Obergerichts aber abgefunden habe. Dass er ihn um umgehenden Bericht bat, falls er das Bundesgericht anrufen wolle, hilft darüber nicht hinweg; das Schweigen des Klienten sprach nicht für, sondern gegen die Vermutung. Die Unterlassung lässt sich auch nicht mit dem Einwand entschuldigen, dass im Verkehr zwischen Anwälten und ihren Klienten eingeschriebene Briefe angeblich nicht üblich sind und selbst bei gewöhnlichen Postsendungen mit der Zustellung gerechnet werden könne, wenn sie nicht als unzustellbar zurückkämen. Die Vermutung, es liege eine gehörige Zustellung vor und eine Sendung habe den Empfänger erreicht, darf nicht als Ausdruck einer allgemeinen Erwartung gewertet werden. Die Erfahrung zeigt, dass Postsendungen ab und zu in falsche Briefkästen gelangen und auch auf andere Weise verloren gehen können. Selbst wenn eine Sendung in den richtigen Briefkasten geworfen wird, besteht keine volle Gewähr dafür, dass sie den Adressat auch erreicht. Sie kann in Zeitschriften oder Reklamesendungen geraten, die den Empfänger nicht interessieren und daher ohne genaue Kontrolle weggeworfen werden. Bei BGE 106 II 173 S. 175 Briefkästen, die angefüllt sind oder breite Schlitze aufweisen, besteht zudem die Gefahr, dass Postsendungen von Unbefugten, z.B. Kindern, herausgenommen werden. Auch weitere Fälle von Verlusten sind denkbar. Diesfalls läuft nicht nur der Kunde, sondern auch der Anwalt Gefahr, eine Rechtsmittelfrist zu versäumen. Der Anwalt kann dem aber dadurch vorbeugen, dass er entweder Mitteilungen über laufende Fristen eingeschrieben zustellen lässt oder sich rechtzeitig durch Rückfrage beim Klienten vergewissert, ob dieser sich mit einem Urteil abfinden oder es weiterziehen will. Auch das gehört zur Pflicht des. Anwalts, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass Rechtsmittelfristen eingehalten werden können ( BGE 85 II 48 und dort angeführte Urteile). Im vorliegenden Fall hat der Anwalt des Beklagten weder das eine noch das andere getan, weshalb er die Säumnis jedenfalls mitverschuldet hat. Das Wiederherstellungsgesuch ist deshalb abzuweisen und auf die Berufung wegen Verspätung nicht einzutreten.
public_law
nan
de
1,980
CH_BGE
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8a16e66d-aa4f-4f7f-9723-6c69f28e694f
Urteilskopf 120 Ib 504 64. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs vom 28. September 1994 i.S. S. gegen Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG ; Entzug des Führerausweises; Unterschreitung der obligatorischen Mindestentzugsdauer? Wenn seit dem massnahmeauslösenden Ereignis verhältnismässig lange Zeit verstrichen ist, sich der Betroffene während dieser Zeit wohl verhalten hat und ihn an der langen Verfahrensdauer keine Schuld trifft, kann die Entzugsbehörde die obligatorische Mindestentzugsdauer unterschreiten und allenfalls von der Anordnung einer Massnahme absehen.
Sachverhalt ab Seite 504 BGE 120 Ib 504 S. 504 A.- Wegen eines gefährlichen Überholmanövers mit Unfallfolgen vom 15. Juni 1988 sprach das Amtsgericht Villingen-Schwenningen (BRD) S. am 20. Dezember 1988 der fahrlässigen Gefährdung des Strassenverkehrs durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Überholen (§ 315c Abs. 1 Ziff. 2b und BGE 120 Ib 504 S. 505 Abs. 3 Ziff. 2 dStGB) schuldig, verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen von je DM 80.-- (somit DM 3'200.--) und entzog ihm die Fahrerlaubnis für das Inland auf die Dauer von sieben Monaten. B.- Am 31. August 1989 entzog das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons St. Gallen S. wegen des gleichen Vorfalls in Anwendung von Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG (SR 741.01) den Führerausweis für die Dauer von acht Monaten. Zwei Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen die Entscheide der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen hiess das Bundesgericht am 31. August 1990 beziehungsweise 3. August 1992 gut. C.- Am 11. Juni 1993 verfügte das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt einen sechsmonatigen Führerausweisentzug. Einen Rekurs von S. wies die Verwaltungsrekurskommission am 16. Dezember 1993 ab. S. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und von einem Führerausweisentzug sei abzusehen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Nach dem verbindlichen Sachverhalt setzte der Beschwerdeführer mit seinem Sattelschlepper in einer unübersichtlichen Kurve zum Überholen an und fuhr dazu bei hoher Geschwindigkeit vollständig auf die Gegenfahrbahn. Ein Zusammenstoss mit einem entgegenkommenden Personenwagen wurde nur vermieden, weil dieser eine Vollbremsung einleitete und auch der Beschwerdeführer abbremste und sein Fahrzeug links über die Strasse hinaus lenkte. Bei dieser Sachlage bejahte die Vorinstanz zu Recht die Voraussetzungen für die Anordnung einer Administrativmassnahme, und auch die Annahme eines schweren Falles im Sinne von Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden ( Art. 36a Abs. 3 OG ). Aufgrund des Umstands, dass das massnahmeauslösende Ereignis relativ lange Zeit zurückliegt, erachtet die Vorinstanz die Herabsetzung der Entzugsdauer von acht auf sechs Monate durch die erste Instanz als angemessen. Eine solche Beurteilung hält vor Bundesrecht nicht stand. Fahrzeuglenker, die den Rechtsweg einschlagen, sollen zwar nicht denjenigen gegenüber bevorzugt werden, die den Massnahmeentscheid annehmen. Trifft einen Lenker jedoch BGE 120 Ib 504 S. 506 hinsichtlich der Dauer des Verfahrens keine Schuld und erbringt er während Jahren den Tatbeweis für eine korrekte Fahrweise, so verringert sich die Notwendigkeit einer Massnahme erheblich, weshalb auch die Dauer des Entzugs erheblich herabzusetzen ist. Seit dem fraglichen Vorfall bis zum letzten kantonalen Entscheid vergingen 5 Jahre. In dieser Zeit sind keine Verstösse des Beschwerdeführers gegen das Strassenverkehrsgesetz aktenkundig. Ihn trifft auch keine Schuld an der Länge des Verfahrens, da seine Rechtsvorkehren begründet waren. Eine Herabsetzung der Entzugsdauer von acht auf sechs Monate trägt diesen Umständen zuwenig Rechnung und muss als unangemessen bezeichnet werden. Es fragt sich jedoch, ob ein Unterschreiten der Mindestentzugsdauer von sechs Monaten ( Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG ) aus einem solchen Grunde zulässig ist. 4. a) Gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG beträgt die Dauer des Führerausweisentzugs mindestens sechs Monate, wenn dem Führer der Ausweis wegen einer Widerhandlung entzogen werden muss, die er innert zwei Jahren seit Ablauf des letzten Entzuges begangen hat. Nach dem klaren Wortlaut muss somit bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Ausweis für sechs Monate oder länger entzogen werden. Das SVG sieht keine Möglichkeit vor, diese Mindestentzugsdauer zu unterschreiten. Entsprechend wird in der Literatur überwiegend die Ansicht vertreten, die sechsmonatige Entzugsdauer gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG stelle nicht bloss eine Richtlinie für die Festsetzung der Entzugsdauer, sondern eine Minimalfrist dar (GIGER, SVG mit Kommentar sowie ergänzenden Gesetzen und Bestimmungen, 4. Aufl., S. 48; BUSSY/RUSCONI, Code Suisse de la circulation routière, Commentaire, 2ème éd., art. 17 ch. 2.1-2.4; PERRIN, Délivrance et retrait du permis de conduire, p. 197). PETER STAUFFER (Der Entzug des Führerausweises, Diss. Bern 1966, S. 71) schliesst ein Unterschreiten nicht aus mit der Begründung, da der Warnungsentzug wenigstens teilweise Strafcharakter besitze, seien die Vorschriften über den Entzug des Führerausweises auf die Strafrechtssätze des SVG abzustimmen, insbesondere auf Art. 100 Ziff. 2 Abs. 2 und Art. 102 Abs. 1. b) Im Gegensatz zum Sicherungsentzug, der unabhängig von einer Verkehrsregelverletzung bei körperlicher, geistiger, charakterlicher oder anderer Unfähigkeit des Fahrzeugführers erfolgen kann, setzt der Warnungsentzug gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG stets voraus, dass der Fahrzeugführer ein Verkehrsdelikt begangen hat, und bezweckt, ihn zu bessern und vor Rückfällen zu bewahren ( Art. 30 Abs. 2 VZV ; SR 741.51). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der BGE 120 Ib 504 S. 507 Führerausweisentzug eine von der strafrechtlichen Sanktion unabhängige, um der Verkehrssicherheit willen angeordnete Administrativmassnahme mit präventivem und erzieherischem Charakter ( BGE 116 Ib 146 E. 2; BGE 108 Ib 254 E. 1a mit Hinweisen). Sie soll daher mit der Verkehrsregelverletzung in einem angemessenen zeitlichen Zusammenhang stehen; unter diesem Gesichtspunkt ist ein Warnungsentzug nicht mehr gerechtfertigt, wenn seit dem ihm zugrundeliegenden Ereignis lange Zeit verstrichen ist, der Fahrzeuglenker hierfür nicht verantwortlich ist und er sich während dieser Zeit im Strassenverkehr wohlverhalten hat ( BGE 115 Ib 159 ). Die bundesgerichtliche Auffassung, der Warnungsentzug sei eine Administrativmassnahme, wird in der Literatur überwiegend kritisiert (vgl. dazu die Übersicht bei JEAN GAUTHIER, Le retrait du permis de conduire est-il une mesure administrative ou une sanction pénale?, in: Verkehrsdelinquenz, Grüsch 1989, S. 259, insbesondere Fn. 6 und 7). PERRIN (a.a.O., S. 93 ff.) hält den Warnungsentzug zwar für eine administrative Massnahme, ordnet ihn aber der Rechtsfigur des repressiven Verwaltungsaktes zu. Für SCHULTZ (Rechtsprechung und Praxis im Strassenverkehr in den Jahren 1973-1977, Bern 1979, S. 89 f.) und PETER STAUFFER (a.a.O., S. 148) handelt es sich der Sache nach um eine Strafe. Ob dies zutrifft, kann vorliegend offenbleiben. Das Bundesgericht hat bei der Beurteilung von Führerausweisentzügen, namentlich bei der Frage der lex mitior ( BGE 104 Ib 87 E. 2), bei Notstand (unveröffentlichter Entscheid des Kassationshofes vom 20. August 1981 i.S. Käppeli, zitiert bei PERRIN, a.a.O., S. 120) und beim Zusammenfallen mehrerer Entzugsgründe ( BGE 108 Ib 258 , 113 Ib 53), auf Regeln des StGB (Art. 2, 34 und 68) zurückgegriffen. Die Anordnung eines Führerausweisentzugs setzt wie die Aussprechung einer Strafe eine vorsätzliche oder fahrlässige Regelverletzung voraus, die Entzugsdauer ist wie bei der Strafzumessung grundsätzlich nach dem Verschulden festzusetzen und ein Rückfall kann bei beiden Sanktionen zu einer Strafschärfung führen. Dies zeigt, dass der Führerausweisentzug teilweise strafähnliche Züge aufweist ( BGE 116 Ib 146 E. 2a). Deshalb ist es angezeigt zu prüfen, wie sich eine lange Zeit zwischen Tat und Sanktion beziehungsweise eine überlange Verfahrensdauer auf die Sanktionen des Strafrechts auswirkt. c) Das Strafgesetzbuch regelt in den Art. 70 ff. die Verjährung. Kommt es bis zum Eintritt der absoluten Verjährung nicht zu einer rechtskräftigen Verurteilung, ist das Verhängen einer Strafe oder Massnahme nicht mehr möglich ( Art. 70 und 72 StGB ). Eine Strafe darf nach Ablauf einer gewissen BGE 120 Ib 504 S. 508 Zeitspanne seit dem Urteil nicht mehr vollstreckt werden ( Art. 73 und 75 StGB ). Bei der Strafzumessung ist eine Strafmilderung vorgesehen, wenn seit der Tat verhältnismässig lange Zeit verstrichen ist und der Täter sich während dieser Zeit wohl verhalten hat ( Art. 64 Abs. 5 StGB ). Massnahmen an geistig Abnormen sowie an Trunk- und Rauschgiftsüchtigen werden aufgehoben, sobald ihr Grund weggefallen ist (Art. 43 und 44 je Ziff. 4 Abs. 1 StGB). Dasselbe kann schon vor Ende der Mindestdauer auch bei der Verwahrung geschehen, wenn zwei Drittel der Strafzeit abgelaufen sind ( Art. 42 Ziff. 5 StGB ). Sind seit der Einweisung eines jungen Erwachsenen in eine Arbeitserziehungsanstalt, einem Rückversetzungsbeschluss oder einer Unterbrechung der Massnahme mehr als drei Jahre verstrichen, ohne dass deren Vollzug begonnen oder fortgesetzt werden konnte, so entscheidet der Richter, ob die Massnahme noch nötig ist ( Art. 100ter Ziff. 4 Abs. 1 StGB ). Bei Jugendlichen und Kindern kann die urteilende Behörde von jeder Massnahme oder Strafe beziehungsweise Disziplinarmassnahme absehen, wenn seit der Tat ein Jahr beziehungsweise drei Monate verstrichen sind ( Art. 98 Abs. 4 und Art. 88 Abs. 4 StGB ). Der Zeitablauf seit der Tat wirkt sich somit unterschiedlich auf die strafrechtlichen Sanktionen aus. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, sind Strafen entweder zu mildern oder sie können nicht mehr ausgesprochen oder vollstreckt werden. Der Strafmilderungsgrund von Art. 64 Abs. 5 StGB erweitert den Strafrahmen nach unten ( Art. 65 StGB ; BGE 116 IV 11 ). Bei den Massnahmen kann der Zeitablauf dazu führen, dass sie gar nicht mehr angeordnet oder begonnene aufgehoben werden. Art. 42 Ziff. 5 StGB erlaubt das Unterschreiten der gesetzlichen Mindestdauer der Massnahme. Dabei hat sich der Entscheid stets nach der Verhältnismässigkeit und insbesondere der Erforderlichkeit der Massnahme zu richten. Gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache innert einer angemessenen Frist gehört wird. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ( BGE 117 IV 124 E. 4d) kann eine Verletzung dieses Beschleunigungsgebots im Strafverfahren zu folgenden Konsequenzen führen: - Berücksichtigung der Verfahrensverzögerung im Rahmen der Strafzumessung, - Einstellung des Verfahrens zufolge eingetretener Verjährung, - Schuldigsprechung des Täters unter gleichzeitigem Verzicht auf Strafe sowie - Verfahrenseinstellung (als ultima ratio in extremen Fällen). BGE 120 Ib 504 S. 509 Dieser Fächer von Möglichkeiten erlaubt dem Richter eine nach Verhältnismässigkeitsgrundsätzen abgestufte Beurteilung des Einzelfalles. Wenn es im Extremfall zulässig ist, von jeder Sanktion abzusehen, dann muss nach dem Grundsatz a maiore minus auch eine Bindung des Richters an Strafart und Strafmass verneint werden. d) Das SVG bestimmt, dass der Führerausweis für mindestens sechs Monate zu entziehen ist, wenn der Fahrzeuglenker innert zwei Jahren seit dem letzten Entzug einen obligatorischen Entzugsgrund setzt (E. a). Liegt zwischen dem massnahmeauslösenden Ereignis und der Durchführung der Massnahme eine lange Zeitspanne, so kann diese Lösung zu unerträglichen und vom Gesetzgeber nicht gewollten Härten führen. Erhält beispielsweise die Entzugsbehörde von einer Verkehrsregelverletzung, die wie vorliegend eine Entzugsdauer von mindestens sechs Monaten nach sich zieht, erst nach zehn Jahren Kenntnis, müsste die Behörde aufgrund der gesetzlichen Regelung auch dann noch wenigstens einen sechsmonatigen Entzug anordnen. Abgesehen davon, dass der Betroffene nach einer grossen Zeitspanne die Verhängung der Massnahme nicht mehr versteht, könnte sie auch ihren Sinn und Zweck nicht mehr erfüllen. Denn eine Erziehung und Besserung des Täters setzt voraus, dass die Massnahme in einem angemessenen zeitlichen Zusammenhang zur Verkehrsregelverletzung steht ( BGE 115 Ib 159 ). Im Strafverfahren wird dem Ablauf verhältnismässig langer Zeit durch Verjährung, Strafmilderung oder insoweit Rechnung getragen, als nicht mehr erforderliche Massnahmen aufzuheben beziehungsweise solche erst gar nicht anzuordnen sind (E. c). Diese Frage müsste auch beim Führerausweisentzug geregelt sein, weil die gesetzliche Regelung zu unerträglichen Härtefällen führen kann und dann dem Sinn und Zweck des Führerausweisentzugs entgegensteht. Da sich das SVG über die Folgen eines verhältnismässig langen Zeitablaufs für den Führerausweisentzug nicht äussert, liegt diesbezüglich eine (echte) Lücke vor (HÄFELIN/HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 3. Auflage, N. 115 ff.; HENRI DESCHENAUX, Schweizerisches Privatrecht, Band II, S. 95; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Band I: Allgemeiner Teil, 6. Auflage, S. 147 f. je mit Hinweisen). e) Wie alle hoheitlichen Massnahmen muss auch ein Führerausweisentzug dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit gerecht werden. Unter anderem muss die Anordnung des Entzugs noch erforderlich sein, um dessen Zweck, die BGE 120 Ib 504 S. 510 Erziehung und Besserung des Fahrzeuglenkers, zu erreichen. Wenn der Betroffene während Jahren den Tatbeweis für ein regelgetreues Fahrverhalten erbracht hat, wird ein Entzug unter Umständen nicht mehr erforderlich sein. Da die Dauer des Führerausweisentzugs unter anderem zudem nach dem Verschulden zu bemessen ist ( Art. 33 Abs. 2 VZV ), ist dabei einem langen Zeitablauf beziehungsweise einer überlangen Verfahrensdauer Rechnung zu tragen (vgl. E. c). Deshalb muss der Administrativbehörde in diesen Ausnahmefällen die Möglichkeit offenstehen, die Massnahmedauer entsprechend herabzusetzen. Das setzt jedoch voraus, dass die Anordnung einer abgestuften Entzugsdauer möglich ist, die auch einem Ausnahmefall gerecht wird. Aus diesen Gründen muss die Entzugsbehörde die obligatorische Mindestentzugsdauer gemäss Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG unterschreiten und allenfalls von der Anordnung einer Massnahme absehen können, wenn seit dem massnahmeauslösenden Ereignis verhältnismässig lange Zeit verstrichen ist, sich der Betroffene während dieser Zeit wohl verhalten hat und ihn an der langen Verfahrensdauer keine Schuld trifft. 5. Wie bereits ausgeführt (E. 3 Abs. 2), hat die Vorinstanz das Element des Zeitablaufs zuwenig stark gewichtet, weshalb der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. Da die Sache spruchreif ist und um eine weitere Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden, entscheidet das Bundesgericht selbst ( Art. 114 Abs. 2 OG ). Der Beschwerdeführer setzte mit seinem Sattelschlepper in einer unübersichtlichen Kurve zum Überholen an und fuhr dazu bei hoher Geschwindigkeit vollständig auf die Gegenfahrbahn. Ein Zusammenstoss mit einem entgegenkommenden Personenwagen wurde nur vermieden, weil dieser eine Vollbremsung einleitete und auch der Beschwerdeführer abbremste und sein Fahrzeug links über die Strasse hinaus lenkte. Angesichts der Grösse und des Gewichts des Sattelaufliegers, der hohen Geschwindigkeit sowie der eingeschränkten Sicht, muss das Fahrmanöver des Beschwerdeführers als sehr gefährlich bezeichnet werden, weshalb mit der Vorinstanz auf ein schweres Verschulden zu schliessen ist. Ebenfalls zutreffend bezeichnet sie den automobilistischen Leumund des Beschwerdeführers als getrübt und hält sie fest, dass dieser als Berufschauffeur auf den Führerausweis angewiesen ist. Insoweit kann auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden ( Art. 36a OG ). Seit dem fraglichen Ereignis sind ohne Verschulden des Beschwerdeführers etwas mehr als sechs Jahre verstrichen, während der er sich wohl verhalten hat. Vom Gesichtspunkt der Erforderlichkeit her fragt BGE 120 Ib 504 S. 511 sich, ob auf eine Massnahme vollends verzichtet werden könnte, da der Beschwerdeführer während dieser Zeitspanne den Tatbeweis verkehrsgetreuen Fahrens erbracht hat. Das grosse Verschulden jedoch und der Umstand, dass er nach mehreren früheren, zum Teil längeren Führerausweisentzügen und zudem bloss vier Monate nach Ablauf des letzten Entzugs einen obligatorischen Entzugsgrund setzte, lassen es auch heute noch als angebracht erscheinen, ihn vor einer verkehrsgefährdenden Fahrweise zu warnen. Die lange Verfahrensdauer rechtfertigt mithin zwar nicht einen Verzicht auf die Massnahme, wohl aber ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindestdauer von sechs Monaten. Angesichts auch seiner Entzugsempfindlichkeit erscheint eine Entzugsdauer von drei Monaten als angemessen.
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Urteilskopf 137 III 303 46. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. SA contre A. et Caisse de chômage V. (recours en matière civile) 4A_53/2011 du 28 avril 2011
Regeste Art. 337 Abs. 1 OR ; gerechtfertigte fristlose Kündigung des Vertrags durch den Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer kann unter Umständen ein legitimes Interesse daran haben, die vertraglich vereinbarte Leistung tatsächlich zu erbringen. Ein solches Interesse an einer tatsächlichen Beschäftigung muss namentlich bei einem professionellen Sportler, im vorliegenden Fall bei einem Fussballspieler, anerkannt werden (E. 2.1). Ein Arbeitnehmer, dessen Persönlichkeit i.S. von Art. 328 Abs. 1 OR verletzt wurde, kann eine Genugtuung gemäss den Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 1 OR verlangen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2.2).
Erwägungen ab Seite 304 BGE 137 III 303 S. 304 Extrait des considérants: 2. 2.1 La recourante prétend que n'étaient pas réunies les conditions permettant au travailleur de résilier immédiatement le contrat pour de justes motifs. 2.1.1 Il ressort des constatations cantonales - qui lient le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ) - que l'employeur n'a jamais manifesté la volonté de mettre fin au contrat de travail avant son échéance fixée au 30 juin 2006. La question litigieuse est de savoir si le travailleur était en droit de mettre fin au contrat immédiatement en application de l' art. 337 CO . Il ressort clairement du texte de cette disposition que la faculté de résilier immédiatement le contrat pour de justes motifs est ouverte non seulement à l'employeur, mais aussi au travailleur. Selon l' art 337 al. 1 1 re phrase CO, l'employeur et le travailleur peuvent résilier immédiatement le contrat en tout temps pour de justes motifs. Sont notamment considérées comme de justes motifs toutes les circonstances qui, selon les règles de la bonne foi, ne permettent pas d'exiger de celui qui a donné le congé la continuation des rapports de travail ( art. 337 al. 2 CO ). Selon la jurisprudence, la résiliation immédiate pour justes motifs, qui constitue une mesure exceptionnelle, doit être admise de manière restrictive; les faits invoqués à l'appui d'une résiliation immédiate doivent avoir entraîné la perte du rapport de confiance qui constitue le fondement du contrat de travail. En règle générale, seule une violation particulièrement grave des obligations contractuelles peut justifier une telle résiliation, mais d'autres incidents peuvent également BGE 137 III 303 S. 305 justifier une telle mesure; ainsi, une infraction pénale commise au détriment de l'autre partie constitue en règle générale un motif justifiant la résiliation immédiate. Le juge apprécie librement s'il existe de justes motifs (art. 337 al. 3 in initio CO) et il applique les règles du droit et de l'équité ( art. 4 CC ); à cet effet, il prendra en considération tous les éléments du cas particulier, notamment la position et la responsabilité du travailleur, le type et la durée des rapports contractuels, ainsi que la nature et l'importance des incidents invoqués. Le Tribunal fédéral ne revoit qu'avec réserve la décision d'équité prise en dernière instance cantonale; il n'intervient que lorsque celle-ci s'écarte sans raison des règles établies par la doctrine et la jurisprudence en matière de libre appréciation, ou lorsqu'elle s'appuie sur des faits qui, dans le cas particulier, ne devaient jouer aucun rôle, ou à l'inverse, lorsqu'elle n'a pas tenu compte d'éléments qui auraient absolument dû être pris en considération; il sanctionnera en outre les décisions rendues en vertu d'un pouvoir d'appréciation lorsque celles-ci aboutissent à un résultat manifestement injuste ou à une iniquité choquante ( ATF 130 III 28 consid. 4.1 p. 31 s. et les arrêts cités). Si les justes motifs de la résiliation immédiate du contrat consistent dans son inobservation par l'une des parties, celle-ci doit réparer intégralement le dommage causé, compte tenu de toutes les prétentions découlant des rapports de travail ( art. 337b al. 1 CO ). Le dommage couvert par l' art. 337b al. 1 CO correspond à l'ensemble des préjudices financiers qui sont dans un rapport de causalité adéquate avec la fin anticipée du contrat de travail; ainsi, le travailleur amené à donner une résiliation immédiate peut réclamer la perte de gain consécutive à la résiliation anticipée des rapports de travail, ce qui équivaut au montant auquel peut prétendre, en vertu de l' art. 337c al. 1 et 2 CO , un salarié injustement licencié avec effet immédiat par son employeur ( ATF 133 III 657 consid. 3.2 p. 659 s.). Lorsque la résiliation immédiate émane du travailleur - comme c'est le cas en l'espèce - , celui-ci ne peut pas prétendre à une indemnité sur la base de l' art. 337c al. 3 CO ; en revanche, s'il y a eu atteinte à ses droits de la personnalité ( art. 328 CO ), il peut réclamer une indemnité pour tort moral aux conditions de l' art. 49 CO ( ATF 133 III 657 consid. 3; ATF 130 III 699 consid. 5.1 p. 704). 2.1.2 En l'espèce, le conflit trouve son origine dans une désobéissance de la part du travailleur. Selon les constatations cantonales - qui lient le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ) - l'intimé a contesté, BGE 137 III 303 S. 306 durant la mi-temps d'un match et devant les autres joueurs, une consigne donnée par l'entraîneur. On ne saurait sous-estimer l'importance de la discipline au sein d'une équipe pour disputer efficacement un match de football. La contestation de l'intimé apparaît d'autant plus grave qu'il assumait la charge de capitaine de l'équipe. Comme le contrat de travail s'inscrit dans la durée, on ne doit cependant pas, pour apprécier la gravité d'une faute, isoler un comportement ponctuel de l'ensemble de son contexte. Il ressort également des constatations cantonales que l'intimé jouait pour ce club de football depuis plus de cinq ans, apparemment à la satisfaction de son employeur, puisque la charge de capitaine lui avait été confiée. Aucune incartade précédente n'a été constatée. Il s'agit donc d'une défaillance unique. Il n'a pas été retenu par la cour cantonale que le comportement de l'intimé aurait eu pour l'équipe une influence défavorable dans le cours du match. Il n'est même pas constaté que la contestation de l'intimé aurait été injustifiée. En conséquence la gravité de cet acte de désobéissance isolé, dans le feu de l'action, ne doit pas non plus être exagérée. Une réaction appropriée aurait consisté à laisser l'intimé sur le banc de touche et à le remplacer par un autre joueur. Son exclusion définitive de l'équipe professionnelle apparaît clairement comme une réaction disproportionnée. La recourante semble d'ailleurs en être consciente puisqu'elle n'a pas tenté de soutenir que les circonstances lui permettaient de résilier immédiatement le contrat pour de justes motifs en l'application de l' art. 337 CO . Elle a cependant choisi - d'où la naissance du problème à résoudre - d'adopter une attitude qui équivaut dans les faits à une résiliation immédiate, sans que les justes motifs ne soient réunis. Il ressort clairement des courriers de la recourante - tels qu'ils sont reproduits dans l'arrêt cantonal ( art. 105 al. 1 LTF ) - que celle-ci a définitivement renoncé aux prestations de l'intimé, qui n'avait plus aucun espoir de jouer pour ce club de football et qui ne pouvait même plus s'entraîner avec l'équipe professionnelle, mais seulement avec l'équipe des joueurs de moins de 21 ans. On ne se trouve pas dans un cas où l'employeur, pour une quelconque raison, n'aurait plus eu de travail à donner à l'employé, mais dans un cas où l'employeur a choisi d'expulser immédiatement et définitivement le travailleur (attitude que l'intimé a interprétée comme un licenciement abrupt). Toutefois, en ne donnant pas le congé immédiat (alors qu'il n'y avait pas de justes motifs pour ce faire), BGE 137 III 303 S. 307 l'employeur pouvait espérer échapper au paiement du salaire variable (parce que le footballeur ne jouait plus) et d'une indemnité fondée sur l' art. 337c al. 3 CO (pour licenciement immédiat injustifié); la continuation du rapport de travail était conçue dans l'intérêt de l'employeur, alors même qu'elle plaçait le travailleur, comme on va le voir, dans une situation insupportable pour lui. Certes, le contrat de travail est un contrat synallagmatique. Le travail fourni par l'employé et le salaire versé par l'employeur sont des prestations qui s'échangent l'une l'autre. L'intérêt de l'employeur est de recevoir le travail et l'intérêt de l'employé est de toucher son salaire. Si l'employeur renonce à donner du travail à l'employé tout en lui payant son salaire, on se trouve en principe devant un cas de demeure du créancier (cf. art. 324 al. 1 CO ), puisque l'employeur est le créancier de la prestation de travail. On ne peut cependant pas ignorer que le travailleur peut avoir un intérêt légitime à fournir effectivement la prestation prévue au contrat; un employé qui ne travaille plus se déprécie sur le marché du travail et son avenir professionnel s'en trouve compromis. La doctrine a reconnu, en particulier pour des artistes, des sportifs professionnels ou des chirurgiens, un intérêt légitime à être effectivement occupés par l'employeur (REHBINDER/STÖCKLI, Berner Kommentar, 2010, n° 13 ad art. 328 CO ; PHILIPPE CARRUZZO, Le contrat individuel de travail, 2009, p. 276; CHRISTIANE BRUNNER ET AL., Commentaire du contrat de travail, 2004, n° 13 ad art. 328 CO ; CHRISTIAN FAVRE ET AL., Le contrat de travail, 2 e éd. 2010, n° 1.33 ad art. 328 CO ; FRANK VISCHER, Le contrat de travail, TDPS VII, tome I, 2, 1982, p. 82; WOLFGANG PORTMANN, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 4 e éd. 2007, n° 22 ad art. 328 CO ; PIERRE ENGEL, Contrats de droit suisse, 2000, p. 334; question laissée ouverte in arrêt 4C.240/2000 du 2 février 2001 consid. 3b/bb/aaa). Il est évident qu'un footballeur professionnel jouant en première division doit, pour conserver sa valeur sur le marché du travail, non seulement s'entraîner régulièrement avec des joueurs de son niveau, mais aussi disputer des matchs avec des équipes du niveau le plus élevé possible. Or, l'intimé n'avait plus aucun espoir de disputer un match et n'était plus admis qu'à s'entraîner avec une équipe d'un niveau inférieur au sien. Fondée sur une réaction disproportionnée, l'attitude du club lésait gravement l'intérêt de l'intimé à exercer l'activité pour laquelle il avait été engagé. A cela s'ajoute que l'entraîneur - qui était son supérieur hiérarchique et représentait BGE 137 III 303 S. 308 l'employeur - s'était exprimé, par la voie de la presse, en qualifiant l'intimé de traître et en montrant qu'il le tenait pour un imbécile. La situation était ainsi devenue insupportable pour l'intimé, de sorte que l'on peut aisément comprendre qu'il n'ait pas voulu continuer de rester, jusqu'à l'échéance du contrat, dans un club où il était méprisé et où il n'avait plus la possibilité d'être sélectionné pour un match. L'attitude adoptée par le club vidait le contrat de son sens. Dans ce contexte, on ne pouvait pas exiger de l'intimé la continuation du rapport de travail. Les conditions d'une résiliation immédiate pour justes motifs au sens de l' art. 337 al. 1 CO étaient donc réunies. 2.1.3 La recourante soutient que l'intimé aurait tardé à invoquer les justes motifs, de sorte qu'il serait déchu du droit de s'en prévaloir (sur cette question, cf. ATF 130 III 28 consid. 4.4 p. 34). L'intimé pouvait de bonne foi s'imaginer que la décision prise à chaud par l'entraîneur ne serait pas forcément avalisée par le club. Ce n'est qu'à réception de la lettre du 2 mars 2006 qu'il a su qu'il n'avait plus aucun espoir de jouer avec cette équipe. On peut admettre qu'il a agi sans retard en répondant, par lettre du 10 mars 2006, qu'il interprétait l'attitude de l'employeur comme un licenciement avec effet immédiat. Il a ainsi clairement montré qu'il n'envisageait pas la continuation du rapport de travail dans ces conditions. Certes, l'employeur ne lui avait en réalité pas vraiment donné le congé, mais le principe de la bonne foi obligeait alors la recourante à répondre immédiatement pour dissiper le malentendu. Elle ne l'a pas fait, laissant ainsi l'intimé dans l'incertitude, ce qui a amené ce dernier, par lettre du 20 mars 2006, à résilier lui-même le contrat. La recourante ayant tardé à répondre à la lettre du 10 mars 2006, elle ne peut, sans violer les règles de la bonne foi ( art. 2 CC ), reprocher à l'intimé d'avoir tardé à envoyer sa lettre de résiliation. Dès qu'il a connu la prise de position de son employeur par lettre du 2 mars 2006, l'intimé, par ses plis des 10 et 20 mars 2006, a clairement montré qu'il n'entendait pas poursuivre la relation de travail. Qu'il y ait eu un certain flottement est exclusivement dû au fait que la recourante, contrairement aux règles de la bonne foi, n'a pas répondu dans un délai usuel à la lettre du 10 mars 2006, alors même qu'elle devait bien se rendre compte que l'intimé se trompait sur sa position. Dans de telles circonstances, on ne saurait dire que l'intimé, par une passivité prolongée, a montré qu'il s'accommodait en réalité de la poursuite du contrat jusqu'à son échéance. BGE 137 III 303 S. 309 2.2 La recourante reproche aussi à la cour cantonale d'avoir alloué à l'intimé une indemnité pour tort moral en application des art. 328 et 49 CO . 2.2.1 Invoquant une violation arbitraire ( art. 9 Cst. ) de l'art. 56 al. 1 du code de procédure civile neuchâtelois, la recourante soutient que la cour cantonale a violé l'interdiction de statuer ultra petita. Il ressort cependant clairement des constatations cantonales - dont l'arbitraire n'est pas invoqué ( art. 106 al. 2 LTF ) - que l'intimé a demandé une indemnité pour l'extinction abusive et injustifiée du rapport de travail qu'il a chiffrée à 49'063 fr. 50. Ainsi, le montant demandé et les circonstances de fait sur lesquelles s'appuyait cette prétention apparaissaient clairement. En n'allouant à l'intimé que 15'000 fr. (alors qu'il demandait 49'063 fr.50), la cour cantonale n'a manifestement pas statué au-delà de ce qui était demandé. Il est vrai que l'intimé, en méconnaissant apparemment la jurisprudence publiée à l' ATF 133 III 657 , avait fondé juridiquement sa demande sur l' art. 337c al. 3 CO . Il s'agit là cependant d'une erreur sur la construction juridique et la cour cantonale, en application du principe iura novit curia, pouvait assurément apporter la rectification nécessaire et fonder correctement la demande sur l' art. 49 CO . La recourante ne prétend pas que la procédure cantonale interdisait à la cour cantonale de modifier la construction juridique présentée par le demandeur; il n'y a donc pas à examiner la question sous cet angle ( art. 106 al. 2 LTF ). 2.2.2 Selon l' art. 328 al. 1 CO , l'employeur protège et respecte, dans les rapports de travail, la personnalité du travailleur. En particulier, l'employeur ne doit pas stigmatiser, de manière inutilement vexatoire et au-delà du cercle des intéressés, le comportement d'un travailleur (cf. ATF 130 III 699 consid. 5.2 p. 705 s.). Le salarié victime d'une atteinte à sa personnalité contraire à cette disposition du fait de son employeur ou des auxiliaires de celui-ci ( art. 101 al. 1 CO ) peut prétendre à une indemnité pour tort moral aux conditions fixées par l' art. 49 al. 1 CO . Cette norme prévoit que celui qui subit une atteinte illicite à sa personnalité a droit à une somme d'argent à titre de réparation morale, pour autant que la gravité de l'atteinte le justifie et que l'auteur ne lui ait pas donné satisfaction autrement; l'ampleur de la réparation morale dépend avant tout de la gravité des souffrances consécutives à l'atteinte subie par la victime et de la possibilité de l'adoucir sensiblement par le versement d'une somme d'argent. La fixation de l'indemnité pour tort moral est une question BGE 137 III 303 S. 310 d'appréciation, de sorte que le Tribunal fédéral ne la revoit qu'avec retenue ( ATF 130 III 699 consid. 5.1 p. 704 s. et les références citées). Il a été constaté ( art. 105 al. 1 LTF ) que l'entraîneur a fait des déclarations par la voie de la presse qui lui ont valu une condamnation pénale pour atteinte à l'honneur. La recourante ne conteste pas l'existence de cette infraction. Il s'agit là d'un acte illicite au sens de l' art. 41 CO . Il n'est pas douteux que l'entraîneur a agi dans le cadre de son travail et la recourante ne prétend pas qu'elle ait exercé un quelconque contrôle sur l'entraîneur avant que celui-ci ne fasse ses déclarations. En conséquence, la prétention en réparation du tort moral pouvait aussi se fonder sur la responsabilité extra-contractuelle de l' art. 55 CO . Une atteinte à l'honneur pénalement réprimée constitue évidemment aussi une atteinte aux droits de la personnalité au sens de l' art. 28 CC . Dans le cadre du contrat de travail, l'employeur doit respecter la personnalité du travailleur ( art. 328 al. 1 CO ) et il faut lui imputer le comportement des travailleurs auxquels il confie des tâches de direction à l'égard de son personnel ( art. 101 al. 1 CO ). La recourante est donc également responsable sur le plan contractuel, en application de l' art. 328 al. 1 CO , de l'atteinte portée par l'entraîneur au droit de la personnalité du travailleur. Que l'on se fonde sur la responsabilité délictuelle ou sur la responsabilité contractuelle, l'intimé pouvait en conséquence se voir octroyer une réparation morale aux conditions de l' art. 49 al. 1 CO (cf. également art. 99 al. 3 CO ). En l'espèce, l'intimé a été traité publiquement, par la voie de la presse, de traître et d'imbécile dans un contexte où, étant le capitaine de l'équipe de football et jouant pour elle depuis plus de cinq ans, il se trouvait du jour au lendemain chassé de l'équipe, pour des faits qui ne justifiaient pas une telle réaction. Le comportement imputé à la recourante était assurément de nature à causer une grave atteinte à la réputation professionnelle de l'intimé (la cour cantonale retient qu'il n'a pas retrouvé de travail comme footballeur professionnel). Le fait d'être ainsi dénigré publiquement et chassé soudainement du club dans lequel il exerçait un rôle important, cela pour des raisons qui ne justifiaient pas une telle réaction, était assurément de nature à provoquer chez l'intimé une importante souffrance morale. En considérant que l'atteinte justifiait l'octroi d'une indemnité pour tort moral, la cour cantonale n'a pas violé l' art. 49 al. 1 CO . BGE 137 III 303 S. 311 2.3 La recourante ne discute pas les chiffres retenus par la cour cantonale pour ce qui est des dommages-intérêts et de l'indemnité pour tort moral, de sorte qu'il n'y a pas lieu d'y revenir.
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Urteilskopf 124 III 428 74. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 12 août 1998 dans la cause X. AG contre Tribunal cantonal du canton de Vaud (recours de droit public)
Regeste Art. 27 Abs. 2 SchKG und Art. 29 SchKG : Bewilligung zur gewerbsmässigen Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren. Übersicht über die gesetzliche Regelung bezüglich Parteivertretung im Kanton Waadt (E. 2). Die in Art. 29 SchKG vorgesehene Genehmigung des Bundes für in Ausführung dieses Gesetzes erlassene kantonale Bestimmungen ist Gültigkeitsvoraussetzung (E. 3a). Das entsprechend genehmigte Waadtländer Gesetz über die Parteivertretung bildet hinreichende gesetzliche Grundlage, um eine Bewilligungspflicht für die gewerbsmässige Vertretung im Zwangsvollstreckungsverfahren zu begründen (E. 3b). Tragweite und Anwendungsvoraussetzungen von Art. 27 Abs. 2 SchKG (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 429 BGE 124 III 428 S. 429 A.- Par lettre du 12 février 1998, la société X., dont le siège social est à Berne, a requis du Tribunal cantonal du canton de Vaud l'autorisation d'exercer la représentation professionnelle au sens de l'art. 27 al. 2 de la loi fédérale du 11 avril 1889 sur la poursuite pour dettes et la faillite (LP; RS 281.1). La requérante précisait qu'elle représentait des créanciers depuis plusieurs dizaines d'années dans des procédures de recouvrement et que sa gérante bénéficiait du brevet bernois d'avocat. Par décision du 16 février 1998, le Tribunal cantonal a constaté qu'il ne pouvait octroyer l'autorisation sollicitée, retenant en particulier que la requérante n'avait pas allégué être autorisée par un autre canton à exercer la représentation professionnelle en matière d'exécution forcée. De plus, l'autorisation demandée ne pouvait être accordée qu'à une personne physique. B.- Agissant le 17 mars 1998 par la voie du recours de droit public, X. demande au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Tribunal cantonal du 16 février 1998 et de lui délivrer l'autorisation d'exercer son activité dans le canton de Vaud. Elle invoque les art. 4 et 31 Cst. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en tant que recevable. BGE 124 III 428 S. 430 Erwägungen Extrait des considérants: 2. a) Selon l' art. 27 LP dans sa nouvelle teneur du 16 décembre 1994 en vigueur depuis le 1er janvier 1997, les cantons peuvent réglementer la représentation professionnelle des intéressés à la procédure d'exécution forcée (al. 1), notamment prescrire que les personnes qui entendent exercer cette activité fassent la preuve de leurs aptitudes professionnelles et de leur moralité (al. 1 ch. 1). Selon l'alinéa 2 de cette disposition, quiconque a été autorisé dans un canton à exercer la représentation professionnelle peut demander l'autorisation d'exercer cette activité dans tout autre canton, pour autant que ses aptitudes professionnelles et sa moralité aient été vérifiées de manière appropriée. b) Le canton de Vaud a réglementé la représentation des parties devant les juges et les tribunaux ainsi que devant les offices et les autorités de poursuites et de faillites par la loi du 5 septembre 1944 sur la représentation des parties, par la loi du 22 novembre 1944 sur le Barreau et par la loi du 20 mai 1957 sur la profession d'agent d'affaires breveté. Par la suite, en exécution du nouvel art. 27 LP , le canton de Vaud a remanié les art. 1 à 4 de la loi sur la représentation des parties par une novelle du 12 novembre 1996 entrée en vigueur le 1er janvier 1997 (cf. Bulletin des séances du Grand Conseil vaudois, 1996, p. 4388 ss, spéc. p. 4401) et a édicté le 15 juillet 1997 le Règlement du Tribunal cantonal concernant les représentants professionnels autorisés conformément à l' art. 27 al. 2 LP (ci-après: le Règlement), dont l'entrée en vigueur a été fixée au 1er septembre 1997. D'après la nouvelle teneur de la loi sur la représentation des parties, nul ne peut représenter habituellement les parties devant les juges et tribunaux s'il n'est avocat ou agent d'affaires breveté (art. 3). Toutefois, en matière de poursuites pour dettes, de faillites et de concordats, une partie peut être représentée exclusivement par son représentant légal, son fondé de pouvoirs spécial, un avocat, un agent d'affaires breveté ainsi que par tout autre représentant professionnel autorisé conformément à l' art. 27 al. 2 LP (art. 4 al. 1), le représentant professionnel devant justifier en tout temps de ses pouvoirs, de ses aptitudes professionnelles et de sa moralité s'il en est requis (art. 4 al. 2). De même, aucun office de poursuites ou de faillites ne peut donner suite à une réquisition qui n'émane pas de la partie elle-même ou de son représentant légal, d'un fondé de pouvoirs spécial, d'un avocat, d'un agent d'affaires breveté ou de tout autre représentant BGE 124 III 428 S. 431 professionnel autorisé conformément à l' art. 27 al. 2 LP (art. 2). Selon le Règlement, le représentant autorisé conformément à l' art. 27 al. 2 LP représente ou assiste professionnellement les parties devant les autorités de poursuites, de faillites et de concordats dans la mesure prévue dans le Règlement (art. 1er). En ce sens, il peut requérir toutes les opérations de poursuite et toutes les mesures qui sont dans la compétence des offices de poursuites et de faillites (art. 2 lettre a) et représenter ou assister les parties dans les procédures de plainte devant les autorités de surveillance (art. 2 lettre b; la lettre c de cet article, qui permettait au représentant autorisé de représenter ou assister les parties devant les autorités judiciaires de première et de seconde instances dans les procédures sommaires du droit des poursuites au sens des art. 36 à 38 de la loi d'application du 18 mai 1955 de la loi sur la poursuite pour dettes et la faillite, a été abrogée par modification du 7 avril 1998 publiée dans la Feuille des avis officiels du canton de Vaud 1998 no 33). Toutefois, nul ne peut représenter ou assister professionnellement les parties au sens du Règlement s'il n'est au bénéfice d'une autorisation du Tribunal cantonal (art. 3 al. 1), seules les personnes physiques pouvant bénéficier d'une telle autorisation (art. 3 al. 2). Celle-ci ne peut être délivrée qu'au candidat qui justifie, notamment, de ses aptitudes professionnelles, de sa solvabilité et de sa moralité (art. 4 al. 1), celui qui se prévaut d'une autorisation délivrée par un autre canton devant en outre produire toutes pièces utiles indiquant les conditions auxquelles il a obtenu cette autorisation et permettant de vérifier ses aptitudes professionnelles et sa moralité (art. 4 al. 2). En effet, le Tribunal cantonal peut refuser l'autorisation de pratiquer aux candidats qui n'offrent pas des garanties suffisantes quant à leurs aptitudes professionnelles et leur moralité (art. 4 al. 3). Enfin, le candidat dont l'autorisation est refusée en raison de l'insuffisance des garanties relatives à ses aptitudes professionnelles, peut se soumettre à un examen d'aptitude (art. 5). 3. a) Selon l'ancien art. 29 LP (modifié par le ch. III de la loi fédérale du 15 décembre 1989 relative à l'approbation d'actes législatifs des cantons par la Confédération [RO 1991 I 362 p. 369]), les lois et règlements édictés par les cantons en exécution de l' art. 27 LP étaient soumis à l'approbation de la Confédération. Cette disposition ne faisait pas de l'assentiment fédéral une condition de validité des actes cantonaux, de sorte que la jurisprudence ne prêtait à cette approbation qu'une portée déclaratoire ( ATF 81 I 138 ). BGE 124 III 428 S. 432 Il en va autrement de l'actuel art. 29 LP qui précise que "la validité des lois et règlements édictés par les cantons en exécution de la présente loi est subordonnée à l'approbation de la Confédération", érigeant ainsi expressément l'approbation fédérale en condition de validité des actes cantonaux dans ce domaine (Message du Conseil fédéral, FF 1991 III 1 ss, spéc. p. 50; KURT AMONN/DOMINIK GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6e éd., Berne 1997, § 3 no 15; peu clair CARL JAEGER, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4e éd., Zurich 1997, no 2 ad art. 29 p. 126). Selon le Message (loc.cit.), cette exigence trouve sa justification dans l'intérêt de la sécurité du droit et du justiciable à ce que, dans un domaine où la Confédération a édicté une législation en principe exhaustive, des prescriptions cantonales ne puissent entrer en vigueur avant que leur conformité avec le droit fédéral n'ait été examinée. b) En l'espèce, la novelle du 12 novembre 1996 modifiant la loi sur la représentation des parties a été approuvée par la Confédération le 24 décembre 1996. En revanche, le Règlement n'a pas encore fait l'objet d'un tel assentiment, de sorte qu'il ne peut être valablement mis en vigueur. Cependant, à elle seule, la loi sur la représentation des parties dans sa teneur du 12 novembre 1996 constitue une base légale suffisante pour permettre au canton de Vaud de soumettre à autorisation la représentation professionnelle des parties en matière d'exécution forcée. En effet, ainsi qu'on l'a vu, les art. 2 et 4 de ladite loi réservent expressément la représentation professionnelle en matière de poursuites pour dettes, de faillites et de concordats aux avocats, aux agents d'affaires brevetés ainsi qu'aux représentants professionnels autorisés conformément à l' art. 27 al. 2 LP . 4. Le Règlement et la novelle du 12 novembre 1996 modifiant la loi sur la représentation des parties mettent en oeuvre l' art. 27 al. 2 LP . Faute d'approbation, le Règlement n'est pas applicable, mais cela ne saurait priver la recourante de se prévaloir de l' art. 27 al. 2 LP , qui est directement applicable. Il y a donc lieu d'examiner si la recourante remplit les conditions pour bénéficier de cette disposition. a) aa) Selon le Message du Conseil fédéral (op.cit., p. 48), l'alinéa 2 de l' art. 27 LP a pour but d'obliger les cantons réglementant la représentation professionnelle en matière d'exécution forcée à accorder le libre passage à ceux qui ont été autorisés à exercer cette activité dans un autre canton, pour autant que leurs aptitudes professionnelles BGE 124 III 428 S. 433 et personnelles y aient été vérifiées de manière adéquate. Dans les autres cas (à savoir lorsque l' art. 27 al. 2 LP ne s'applique pas, c'est-à-dire lorsque le requérant exerce dans un canton qui ne soumet pas cette activité à autorisation ou qui accorde cette autorisation sans examen suffisant des aptitudes des candidats), le canton sollicité pourra soumettre le candidat à un examen approprié. Toujours selon le Message (loc.cit.), l'autorisation de pratiquer ne devra toutefois pas être subordonnée à des conditions incompatibles avec les libertés constitutionnelles (cf. GUIDO NÜNLIST, Wegleitung zum neuen Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 4e éd., Berne 1997, p. 28; JAEGER, op.cit., ad art. 27 p. 119 ss; voir aussi, concernant l'ancien art. 27 LP , ATF 106 Ia 126 consid. 2a p. 128; 95 I 330 et arrêt du 24 janvier 1979 en la cause M. + K., consid. 3, publié in JdT 1980 II 155). bb) En l'espèce, la recourante a requis expressément une autorisation au sens de l' art. 27 al. 2 LP . Elle n'a toutefois pas démontré avoir obtenu une autorisation d'exercer l'activité de représentant professionnel en matière d'exécution forcée dans un autre canton au sens de l' art. 27 al. 1 LP . La recourante ne saurait dès lors bénéficier de l' art. 27 al. 2 LP car, contrairement à ce qu'elle soutient, cette disposition n'oblige pas les cantons à autoriser cette activité au requérant pratiquant dans un canton qui ne la soumet pas à autorisation, quand bien même le requérant démontrerait qu'il dispose des aptitudes nécessaires à cet égard. Le refus du Tribunal cantonal ne viole dès lors pas l' art. 27 al. 2 LP . La décision incriminée étant de toute façon conforme au droit fédéral, il n'est ainsi pas nécessaire d'examiner, au regard de l' art. 31 Cst. , si elle aurait pu se fonder sur la nature de personne morale de la requérante. Du reste, même s'il fallait admettre que le Tribunal cantonal aurait dû convertir la demande de la société en requête de la gérante, l'autorisation sollicitée aurait de toute façon dû être refusée. En effet, cette gérante n'a pas établi bénéficier elle-même d'une autorisation au sens de l' art. 27 al. 1 LP . b) Pour le surplus, la recourante ne critique pas, en tout cas pas d'une manière conforme à l' art. 90 al. 1 lettre b OJ , la réglementation édictée par le canton de Vaud en application de l' art. 27 LP . Il n'y a dès lors pas lieu de trancher la question de savoir si celle-ci est conforme à la Constitution.
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Urteilskopf 99 Ia 97 12. Urteil vom 7. Februar 1973 i.S. Tanner gegen Oberauditor der Armee und Eidgenössisches Militärdepartement.
Regeste Kompetenzkonflikt nach Art. 223 MStG . Gebrauch von Betäubungsmitteln. Nicht eine Dienstvorschrift, sondern das Gesetz ( Art. 218, 219 MStG ) bestimmt die Kompetenzausscheidung.
Sachverhalt ab Seite 97 BGE 99 Ia 97 S. 97 A.- Gegen Robert Tanner führen sowohl das Divisionsgericht 6 wie die Bezirksanwaltschaft Zürich Strafuntersuchung wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Das bürgerliche Verfahren bezieht sich auf sein Verhalten im Zivilleben und im Militärdienst, das militärgerichtliche Verfahren nur auf letzteres. B.- Tanner führt Kompetenzkonfliktsbeschwerde gemäss Art. 223 MStG . Er beantragt, die bürgerlichen Behörden ausschliesslich zuständig zu erklären und die militärgerichtliche Untersuchung aufzuheben. Ferner sei ihm selbst für die erstandene Untersuchungshaft und dem Verteidiger für seine Bemühungen eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. C.- Der Oberauditor beantragt Abweisung der Beschwerde. D.- Tanner hat unaufgefordert auf die Beschwerdeantwort repliziert. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Da dem Beschwerdeführer mit der Beschwerdeantwort BGE 99 Ia 97 S. 98 die Entscheidungsgründe erstmals bekanntgegeben wurden, kann auf seine Replik in analoger Anwendung von Art. 93 Abs. 2 OG eingetreten werden, ohne dass es aber einer neuen Anhörung der Beschwerdegegner bedürfte (vgl. Art. 93 Abs. 3 OG ). 2. Anstände über die Zuständigkeit der militärischen und der bürgerlichen Gerichtsbarkeit werden nach Art. 223 Abs. 1 MStG vom Bundesgericht endgültig entschieden. Im Falle des Beschwerdeführers liegt ein positiver Kompetenzkonflikt vor, da er hinsichtlich der in der Rekrutenschule begangenen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowohl von den militärischen wie von den bürgerlichen Strafuntersuchungsbehörden verfolgt wird. Der Beschwerdeführer ist legitimiert, in diesem Konflikt das Bundesgericht anzurufen ( BGE 80 I 256 ). Seine Beschwerde, die sich gegen die militärische Strafverfolgung richtet, ist rechtzeitig erhoben worden, denn diese steht erst im Stadium der Voruntersuchung ( BGE 97 I 147 ). 3. Ist die Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit für die Widerhandlungen des Beschwerdeführers in der Rekrutenschule zu bejahen, so kann der Bundesrat (bzw. der Oberauditor, Art. 17 bis lit. k MStV ) nach Art. 221 MStG die ausschliessliche Beurteilung aller Handlungen dem militärischen oder dem bürgerlichen Gericht übertragen. Auf diesen Entscheid hat das Bundesgericht keinen Einfluss ( BGE 61 I 130 ). Der Oberauditor nimmt die Übertragung auf den bürgerlichen Richter in Aussicht. Am Vorliegen eines Kompetenzkonflikts ändert das nichts, da auch das Verfahren nach Art. 221 MStG die Bejahung einer militärgerichtlichen Zuständigkeit voraussetzt. 4. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer, als er in der Rekrutenschule anerkanntermassen Drogen konsumierte, in persönlicher Hinsicht nach Art. 2 Ziff. 1 MStG dem Militärstrafrecht unterstand. Da dieses jedoch in sachlicher Hinsicht keine abschliessende Regelung enthält, blieb er nach Art. 7 MStG für strafbare Handlungen, die im Militärstrafrecht nicht vorgesehen sind, dem bürgerlichen Strafrecht unterworfen. In gleicher Weise regeln die Art. 218 Abs. 1 und 219 Abs. 1 MStG, unter Vorbehalt von Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz, die gerichtliche Zuständigkeit, indem Personen der Militärgerichtsbarkeit unterliegen, soweit sie dem Militärstrafrecht unterworfen sind, hingegen der bürgerlichen Strafgerichtsbarkeit BGE 99 Ia 97 S. 99 unterstehen für Handlungen, die im Militärstrafrecht nicht vorgesehen sind. Aus dieser gesetzlichen Ordnung ergibt sich, dass das Militärstrafrecht in seinem Anwendungsbereich Sonderrecht ist und dem bürgerlichen Strafrecht vorgeht ( BGE 57 I 215 ). Daraus folgt aber auch, dass im Zweifel nicht das Sonderrecht, sondern das allgemeine bürgerliche Strafrecht anzuwenden ist (COMTESSE, Kommentar zu Art. 2 MStG N. 7; HAFTER, Allg. Teil S. 66; SCHWANDER, Strafrecht S. 43). Entsprechend kommt in Zweifelsfällen der bürgerlichen Strafgerichtsbarkeit der Vorrang vor der Militärgerichtsbarkeit zu ( BGE 61 I 127 , BGE 71 I 32 ). 5. Das Militärstrafgesetz enthält keine Bestimmungen über Besitz und Genuss von Betäubungsmitteln. Daraus würde folgen, dass derartige Tatbestände ausschliesslich nach bürgerlichem Strafrecht, namentlich nach Art. 19 Betäubungsmittelgesetz (BetMG) zu beurteilen sind und ausschliesslich der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unterstehen. Der Oberauditor beruft sich demgegenüber auf eine Dienstvorschrift des Ausbildungschefs der Armee vom 1. Januar 1972, aufgrund welcher derartige Widerhandlungen als Nichtbefolgung von Dienstvorschriften gemäss Art. 72 MStG durch die Militärgerichte zu verfolgen seien. Der Beschwerdeführer wendet ein, auf diesem Wege dürfe die gesetzliche Ausscheidung zwischen bürgerlicher und militärischer Gerichtsbarkeit nicht verschoben werden. a) Art. 72 MStG ist eine Blankettnorm, die es zulässt, dass während der Geltungsdauer des Gesetzes durch Erlass von Dienstvorschriften neue Straftatbestände im Sinne dieser Bestimmung geschaffen werden, die der Militärgerichtsbarkeit unterliegen. Unter dem Gesichtswinkel der Kompetenzausscheidung ergeben sich daraus dann Probleme, wenn sich die Dienstvorschrift gegen ein Verhalten richtet, das bereits nach bürgerlichem Strafrecht zu verfolgen ist. Art. 7 und 219 Abs. 1 MStG legen die Anwendung des bürgerlichen Strafrechts und die Zuständigkeit der bürgerlichen Strafgerichtsbarkeit fest für strafbare Handlungen, "die in diesem Gesetz nicht vorgesehen sind". Der Gesetzeswortlaut spricht dafür, dass das Gesetz selbst und nicht eine Dienstvorschrift die Kompetenzausscheidung bestimmt. Eine gegenteilige ausdehnende Auslegung liesse sich schwerlich mit dem Grundsatz vereinbaren, in Zweifelsfällen dem bürgerlichen Recht und der BGE 99 Ia 97 S. 100 bürgerlichen Gerichtsbarkeit den Vorrang einzuräumen. Dienstvorschriften können zudem nicht nur vom Bundesrat oder dem Eidg. Militärdepartement, sondern auch von untergeordneten Dienst- und Kommandostellen erlassen werden (Botschaft BBl 1918 V 368; COMTESSE zu Art. 72 MStG N. 2). Es wäre eine kaum verständliche Systemwidrigkeit, wenn dadurch die schwerwiegenden Entscheide über die Anwendung des einen oder andern Strafrechts und die Zuständigkeit der einen oder andern Gerichtsbarkeit bestimmt werden könnten. Zu dieser Überlegung, die für Dienstvorschriften schlechthin gilt, treten die Besonderheiten des vorliegenden Erlasses. b) Bei der Blankettnorm des Art. 72 MStG handelt es sich um einen allgemeinen Ungehorsamstatbestand ähnlich Art. 292 StGB (Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen). Bei der Anwendung dieser Bestimmung steht nach der neuesten Rechtsprechung des Kassationshofes ( BGE 98 IV 108 ) dem Strafrichter Verwaltungsverfügungen gegenüber jedenfalls dann freie Prüfung zu, wenn gegen sie nicht die Beschwerde an ein Verwaltungsgericht möglich ist. Diese Rechtsprechung ist hinsichtlich Art. 72 MStG umsomehr heranzuziehen, als dem Bundesgericht bei Kompetenzkonflikten in tatsächlicher wie rechtlicher Beziehung freie Kognition zusteht, soweit es für seinen Entscheid von Bedeutung ist ( BGE 97 I 147 , 98 I a 222). Daraus ergibt sich freie richterliche Überprüfung der Dienstvorschrift, deren Nichtbefolgung zur Beurteilung steht. Da es sich bei Art. 72 MStG wie bei Art. 292 StGB um einen allgemeinen Straftatbestand gegen administrativen Ungehorsam handelt, kommt der Bestimmung nur subsidiäre Bedeutung zu für Fälle, wo das den Ungehorsam begründende Verhalten nicht bereits vom Gesetz unter Strafe gestellt wird ( BGE 90 IV 207 ). c) Weder im Begleitzirkular des Ausbildungschefs noch vor Bundesgericht ist geltend gemacht worden, dass die umstrittene Dienstvorschrift inhaltlich von den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes abweiche. Soweit die Dienstvorschrift den Besitz von Betäubungsmitteln untersagt, liegt die Übereinstimmung mit Art. 19 Ziff. 1 Abs. 2 BetMG auf der Hand. Dass sie überdies den Genuss von Betäubungsmitteln verbietet, geht dem Wortlaut nach über die genannte Bestimmung hinaus. Diese bedroht aber das Besitzen, Aufbewahren und Erlangen BGE 99 Ia 97 S. 101 von Betäubungsmitteln derart umfassend, dass wohl kein Betäubungsmittelgenuss denkbar ist, der nicht zugleich eine dieser Begehungsformen erfüllte ( BGE 95 IV 182 ). Indem die Dienstvorschrift auch den Genuss von Betäubungsmitteln untersagt, hält sie sich jedenfalls nach ihrer praktischen Bedeutung im Rahmen von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 2 BetMG . Sie untersagt daher ein Verhalten, das nach dieser Bestimmung bereits mit Strafe bedroht ist. Jedenfalls gilt dies für den Besitz und Genuss von Haschisch, welcher dem Beschwerdeführer im militärgerichtlichen Verfahren allein zum Vorwurf gemacht wird. Wie es sich mit Stoffen verhält, die unter Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetMG fallen (z.B. LSD), braucht daher nicht entschieden zu werden. d) Der Beschwerdeführer behauptet, der einzige mit dem Erlass der Dienstvorschrift verfolgte Zweck sei der, für Betäubungsmittelvergehen die militärgerichtliche Zuständigkeit zu begründen, und er kann sich dafür auf die Ausführungen des Ausbildungschefs der Armee im Begleitzirkular berufen. Dieses Zirkular wies jedoch auch darauf hin, dass der Drogengebrauch den Dienstbetrieb beeinträchtige und geeignet sei, die Disziplin der Truppe in Frage zu stellen. Im gleichen Sinn macht der Oberauditor geltend, die Dienstvorschrift wolle anders als das Betäubungsmittelgesetz diese Disziplin und nicht die Gesundheit des Volkes schützen. Das ändert indessen nichts daran, dass diese Widerhandlungen durch das bürgerliche Recht bereits unter Strafe gestellt sind, und zwar mit weit schwererer Androhung als derjenigen von Art. 72 MStG . Praktische Bedeutung kommt daher der Dienstvorschrift nur in dem Sinne zu, dass damit die Militärgerichtsbarkeit begründet werden sollte. Der Gesetzgeber hat indessen selbst darüber befunden, welche bürgerlichen Straftatbestände er wegen ihrer Bedeutung für den Dienstbetrieb als Vergehen des Militärstrafrechts übernehmen und damit der Militärgerichtsbarkeit unterstellen wollte. Dazu zählt wie gesagt der Gebrauch von Drogen nicht. e) Dass der Umweg über den Erlass einer Dienstvorschrift und die Anwendung von Art. 72 MStG nicht geeignet ist, die Zuständigkeit der Militärgerichte zur Beurteilung von bereits nach bürgerlichem Recht strafbaren Handlungen zu begründen, zeigt auch die Entwicklung in der Behandlung der Verstösse von Militärpersonen gegen Strassenverkehrsregeln. Die Vorschriften über den Motorwagendienst erklärten vorerst die BGE 99 Ia 97 S. 102 bürgerlichen Verkehrsregeln für Wehrmänner zu Dienstvorschriften nach Art. 72 MStG . Bedenken gegen diese Ausweitung von Art. 72 MStG führten später zu einer Änderung der Vorschriften in dem Sinne, dass die zivilen Verkehrsregeln nicht mehr zu Dienstvorschriften erklärt wurden, sondern nur ihre Geltung im Dienst vorgeschrieben wurde (dazu und zum folgenden HAEFLIGER, ZStR 81 S. 257; Botschaft BBl 1967 I 592). Damit wurden die Geltung des bürgerlichen Rechts und die bürgerliche Gerichtsbarkeit für Widerhandlungen von Militärpersonen im Strassenverkehr grundsätzlich anerkannt. Da sich aber daraus häufig Konkurrenzfälle mit eigentlichen militärischen Vergehen und daher Verfahren nach Art. 221 MStG ergaben und zudem jeweils die Ermächtigung nach Art. 219 Abs. 2 MStG einzuholen war, erwies sich diese Regelung als zu umständlich, was 1967 dazu führte, dass durch den neuen Art. 218 Abs. 3 MStG die Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz im Dienst der Militärgerichtsbarkeit unterstellt wurden. Wie es Sache des Gesetzgebers war, der durch die starke Motorisierung der Armee geschaffenen neuen Lage durch Gesetzesänderung Rechnung zu tragen, muss es ihm auch überlassen werden, die Zuständigkeit hinsichtlich der Betäubungsmittelvergehen neu zu regeln, falls daran ein militärisches Interesse besteht. 6. Die Auslegung des Militärstrafgesetzes und die Überprüfung der strittigen Dienstvorschrift führen somit zum Schlusse, dass mit ihr die Verfehlungen des Beschwerdeführers nicht zu militärischen Vergehen wurden, welche die militärgerichtliche Zuständigkeit zu begründen vermöchten. Damit erweist sich die Beschwerde in ihrem Hauptantrag als begründet. Das militärische Untersuchungsverfahren ist daher nach Art. 223 Abs. 2 MStG aufzuheben und es sind die bürgerlichen Strafgerichte auch für die Beurteilung der Widerhandlungen in der Rekrutenschule ausschliesslich zuständig zu erklären. Vorbehalten bleibt die vom bürgerlichen Gericht einzuholende Ermächtigung durch die Eidg. Militärverwaltung nach Art. 219 Abs. 2 MStG in Verbindung mit Art. 17 lit. d MStV . 7. Mit der Beschwerde wird überdies beantragt, es sei dem Beschwerdeführer für die vom unzuständigen militärischen BGE 99 Ia 97 S. 103 Untersuchungsrichter angeordnete Untersuchungshaft eine Entschädigung zuzusprechen bzw. es seien die Militärbehörden in diesem Sinne anzuweisen. Im Kompetenzkonfliktsverfahren ist indessen für eine solche Anordnung kein Raum. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob nach der Aufhebung der militärischen Untersuchung die Militärbehörden gemäss Art. 122ter MStGO noch über ein solches Begehren zu entscheiden hätten. Dazu bestände im vornherein nur Anlass, wenn, wie der Beschwerdeführer meint, eine Anrechnung der militärischen Untersuchungshaft durch den nunmehr zuständigen bürgerlichen Richter ausgeschlossen wäre, doch geht diese Ansicht fehl. Wird im Kompenzkonfliktsverfahren ein bereits ergangenes Urteil aufgehoben, so wird nach Art. 223 Abs. 3 MStG die bereits vollzogene Strafe auf eine nach dem neuen Urteil zu erstehende Strafe angerechnet. Diese Bestimmung gilt freilich nach dem Wortlaut nicht für die Anrechnung der Untersuchungshaft. Diese ist jedoch übereinstimmend von Art. 69 StGB wie Art. 50 MStG vorgesehen. Soweit die Voraussetzungen dieser Bestimmungen gegeben sind, wäre es unbillig, dem Verurteilten die Anrechnung im einen Verfahren zu versagen, nur weil die Untersuchungshaft im andern Verfahren angeordnet wurde; ebenso unangemessen wäre es aber, ihn nur deshalb für eine Untersuchungshaft, die nicht angerechnet werden kann, zu entschädigen, weil diese im andern Verfahren angeordnet worden ist. Der Beschwerdeführer wird sich nach dem Ausgang des Kompetenzkonflikts vor dem bürgerlichen Richter auch für jene Verfehlungen verantworten müssen, die er in der Rekrutenschule begangen hat und die zur militärischen Untersuchungshaft führten. Diese kann deshalb auf die auszufällende Strafe angerechnet werden (SCHWANDER, Strafgesetzbuch S. 236; vgl. BGE 97 IV 160 betreffend Anrechnung der Auslieferungshaft). Ob auch im übrigen die Voraussetzungen von Art. 69 StGB erfüllt sind, wird das urteilende Gericht zu entscheiden haben. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das militärische Untersuchungsverfahren aufgehoben; die bürgerlichen Strafgerichte werden zur Verfolgung auch der BGE 99 Ia 97 S. 104 dem Beschwerdeführer für die Zeit der Rekrutenschule zur Last gelegten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz als ausschliesslich zuständig erklärt.
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Urteilskopf 89 I 62 10. Auszug aus dem Urteil vom 1. März 1963 i.S. Neblker gegen Reglerungsrat des Kantons Basel-Landschaft.
Regeste Einspruch gegen Liegenschaftskäufe. 1. Auslegung der Gesetzesvorschrift, nach welcher die kantonale Behörde Einspruch erheben "kann". Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 1). 2. Ist die Abrundung benachbarter Heimwesen ein wichtiger Grund für die Aufhebung eines existenzfähigen landwirtschaftlichen Gewerbes? (Erw. 3).
Erwägungen ab Seite 62 BGE 89 I 62 S. 62 Aus den Erwägungen: 1. Nach Art. 19 Abs. 1 EGG (und § 8 des basellandschaftlichen Einführungsgesetzes) "kann" gegen Kaufverträge über landwirtschaftliche Heimwesen oder zu einem solchen gehörende Liegenschaften Einspruch erhoben werden, wenn bestimmte im Gesetz umschriebene Voraussetzungen erfüllt sind. Der Ausdruck "kann" entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Die Vorschriften, die das Gesetz im öffentlichen Interesse "zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft, sowie zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes" aufstellt ( Art. 31bis BV und Art. 1 EGG ), schränken in schwerwiegender Weise die Eigentumsgarantie und den Grundsatz der Vertragsfreiheit ein. Daher bestimmt Art. 19 Abs. 1 EGG nicht nur, dass der auf lit. b oder c gestützte Einspruch nicht gerechtfertigt ist, wenn ihm wichtige Gründe entgegenstehen, sondern auch, dass - beim Vorliegen BGE 89 I 62 S. 63 der gesetzlichen Voraussetzungen - Einspruch erhoben werden "kann", nicht "muss". Damit wird dem Ermessen der zuständigen Behörde anheimgestellt, darüber zu befinden, ob im einzelnen Fall die nach Gesetz zulässige Massnahme ergriffen werden soll oder nicht (Opportunitätsprinzip). Dies bedeutet nicht, dass die Behörde nach Willkür bald so, bald anders verfahren darf; vielmehr hat sie das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäss zu handhaben, d.h. jeweils diejenige Lösung zu treffen, die mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse des Falles und nach allgemeinen Grundsätzen als angemessen erscheint. Das Bundesgericht hat aber nicht zu untersuchen, ob ein Einspruch in der Angelegenheit, welche ihm durch Beschwerde unterbreitet wird, oder auch in anderen Fällen opportun gewesen sei oder nicht (vgl. BGE 63 I 44 Erw. 2 undBGE 74 I 92Erw. 3, betreffend das Opportunitätsprinzip im Disziplinarrecht). Es hat nur den mit der Beschwerde angefochtenen Entscheid zu überprüfen, und zwar ausschliesslich daraufhin, ob er das Bundesrecht verletze, nicht auch unter dem Gesichtspunkt der Opportunität. Es prüft frei, ob die kantonale Behörde in diesem Entscheid die bundesrechtliche Ordnung der Voraussetzungen des Einspruchs richtig angewendet habe. Ergibt die Prüfung, dass der vom Beschwerdeführer beanstandete Einspruch begründet ist, so ist die Beschwerde ohne weiteres abzuweisen. Sie könnte nicht trotzdem gutgeheissen werden, wenn in anderen, mehr oder weniger ähnlichen Fällen ein Einspruch von der zuständigen kantonalen Behörde unterlassen (oder von der kantonalen Beschwerdeinstanz nicht bestätigt) worden wäre. Das Gericht hat zu der Haltung, welche die kantonale Behörde in anderen Fällen eingenommen hat, überhaupt nicht, auch nicht unter dem Gesichtswinkel des Art. 4 BV , Stellung zu nehmen. Die Rüge des Beschwerdeführers Nebiker, er sei rechtsungleich behandelt worden, weil die kantonale Behörde in den von ihm angeführten Vergleichsfällen den Verkauf zugelassen habe, geht daher fehl, so dass seinem Antrag, BGE 89 I 62 S. 64 die betreffenden Hofgüter seien zu besichtigen, nicht stattgegeben werden kann. Zu prüfen ist einzig, ob die Voraussetzungen, unter denen nach der gesetzlichen Ordnung Einspruch erhoben werden kann, in seinem Fall erfüllt sind oder nicht. 2. (Durch den Verkauf einer Parzelle an den Beschwerdeführer würde ein landwirtschaftliches Gewerbe die Existenzfähigkeit verlieren. Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG ). 3. Nach Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG wäre der Einspruch gleichwohl abzuweisen, wenn die Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes sich durch wichtige Gründe rechtfertigen liesse. Der Beschwerdeführer nennt als einzigen solchen Grund, dass der umstrittene Kauf in Verbindung mit einem beabsichtigten Tausch eine Abrundung seines Hofes "Ebnet" und auch des Nachbarhofes "Bruggthal" ermögliche. Es mag für die beiden Höfe ungeachtet der Grösse, die sie schon jetzt aufweisen, betriebswirtschaftlich von Vorteil sein, wenn jeder um rund 30 a arrondiert wird. Aber dieser Vorteil kann nicht als wichtiger Grund im Sinne des Gesetzes anerkannt werden; denn er vermag den Nachteil, den das Verschwinden eines existenzfähigen landwirtschaftlichen Heimwesens bedeutet, bei weitem nicht aufzuwiegen.
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Urteilskopf 82 IV 20 7. Urteil des Kassationshofes vom 27. März 1956 i.S. Baum gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich.
Regeste Art. 26 Abs. 3 und 4 MFG, Art. 45 Abs. 1, 46 Abs. 1 und 2 MFV. 1. Gibt es innert der gesetzlichen Ordnung ein vom Überholen unabhängiges Nebeneinanderfahren? (Erw. 2). 2. Darf auf Vierbahnstrassen bei Einmündungen und in Strassenbiegungen überholt werden? (Erw. 3 und 4).
Sachverhalt ab Seite 20 BGE 82 IV 20 S. 20 A.- Am 10. September 1954, um 11.50 Uhr, fuhr Günter Baum mit seinem Personenwagen von Winterthur her durch die Überlandstrasse in die Stadt Zürich ein. Die Überlandstrasse ist eine der grossen Ausfallstrassen der Stadt Zürich und entsprechend ausgebaut. Vor ihrer Einmündung in die Winterthurerstrasse (in Oerlikon) beschreibt sie eine langgezogene Rechtskurve. Diese beginnt, stadteinwärts gesehen, unmittelbar nach der Kreuzung Überlandstrasse/Schwamendingerstrasse. In der Mitte ist sie mit einer Sicherheitslinie versehen, die jedoch wegen des regen Verkehrs jeweils rasch abgenützt ist. Auf dieser Strecke überholte Baum zwei Automobile, das eine eingangs, das andere ausgangs der Kurve. Er wurde dabei durch einen Polizisten beobachtet, der ihm nachfuhr und in der Folge Rapport erstattete. B.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich verfällte Baum am 14. Dezember 1954 wegen Übertretung der Art. 25 und BGE 82 IV 20 S. 21 26 MFG und Art. 45 und 46 MFV in eine Busse von Fr. 40.-, weil er in der Rechtskurve bei der Einmündung der Überlandstrasse in die Winterthurerstrasse andere Verkehrsteilnehmer überholt und dabei die Sicherheitslinie überfahren, sowie im weiteren Verlauf der Fahrt die Geschwindigkeit übersetzt und bei einer Tramhaltestelle einen Fussgänger durch seine rücksichtslose Fahrweise erschreckt habe. Baum verlangte gerichtliche Beurteilung. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich sprach Baum lediglich der Übertretung des Art. 26 Abs. 1 MFG schuldig, begangen in zweifacher Hinsicht dadurch, dass er auf der Überlandstrasse in einer Kurve und dazu noch bei einer Einmündung andere Fahrzeuge überholt habe. Die Busse wurde mit Rücksicht auf seine Einkommensverhältnisse auf Fr. 40.- belassen. C.- Baum führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache an den Einzelrichter zurückzuweisen, damit er ihn freispreche oder von einer Bestrafung Umgang nehme. Der Beschwerdeführer bestreitet, andere Fahrzeuge im Sinne des Art. 26 Abs. 1 MFG überholt zu haben. Wie der Einzelrichter festgestellt habe, biete die Strasse für vier Fahrzeuge nebeneinander Platz. Daher sei das Nebeneinanderfahren erlaubt. Zwar bestünden keine gesetzlichen Bestimmungen darüber, an welchen Stellen im einzelnen nebeneinander gefahren werden dürfe. Dass es aber grundsätzlich erlaubt sei, ergebe sich aus Art. 45 Abs. 1 MFV . Es werde denn auch auf grossen Überlandstrassen häufig praktiziert. Ob das Nebeneinanderfahren erlaubt sei oder wenigstens als gestattet erachtet werden dürfe, hange von den gegebenen Umständen ab. Bei der fraglichen Stelle der Überlandstrasse, der Hauptstrasse Nr. 1, treffe das bei ihrer Breite und dem guten Ausbau zu. Sei demnach das Nebeneinanderfahren an dieser Stelle erlaubt, so handle es sich beim Vorfahren nicht um ein Überholen im Sinne des Art. 26 Abs. 1 MFG. BGE 82 IV 20 S. 22 Es bestehe auch kein Grund, beim Nebeneinanderfahren das Überholen in einer Biegung zu verbieten. Bei den zahlreichen Biegungen des schweizerischen Strassennetzes käme ein Verbot geradezu einer Entwertung der grossen Vierbahn-Überlandstrassen gleich. Der Beschwerdeführer sei somit berechtigt gewesen, in der Biegung vorzufahren. Zumindest habe er sich aus den angeführten Gründen dazu für berechtigt halten können, was zur Anwendung des Art. 20 StGB führen müsse. Dieselben Überlegungen träfen auf das Überholen bei der Einmündung zu. Eine extensive Auslegung des Art. 26 Abs. 1 MFG sei auch hier nicht am Platz. Es werde zudem auf das Urteil des Kassationshofes vom 9. Juni 1941 (Scheller 244) verwiesen. D.- Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer in der langgezogenen Rechtskurve der Überlandstrasse zwischen der Kreuzung mit der Schwamendingerstrasse und der Einmündung in die Winterthurerstrasse zwei andere Automobile überholt, das eine eingangs, das andere ausgangs der Strassenbiegung. Über die Breite der Strasse enthält das angefochtene Urteil keine Angaben. Dagegen ist im Protokoll des vom Einzelrichter vorgenommenen Augenscheins vermerkt, dass die Breite der Winterthurerstrasse vier Fahrzeugen nebeneinander Platz bietet. Da die Breite dieser Strasse im vorliegenden Falle völlig bedeutungslos ist, muss es sich offensichtlich in dem Sinne um einen Verschrieb handeln, als damit nur die Überlandstrasse gemeint sein kann. In seiner Vernehmlassung bestreitet denn auch der Polizeirichter nicht, dass diese Strasse - wie die Beschwerde unter Hinweis auf das genannte Protokoll geltend macht - vier Fahrzeugen nebeneinander Platz bietet. BGE 82 IV 20 S. 23 2. Aus diesen Verhältnissen leitet der Beschwerdeführer über Art. 45 Abs. 1 MFV ab, dass das Überholen in der Kurve zulässig sei. Nach der angeführten Vorschrift muss sich, wenn die Breite der Fahrbahn das gleichzeitige Fahren mehrerer Fahrzeuge auf einer Fahrbahnhälfte ermöglicht, das langsamere Fahrzeug am Rande der Fahrbahn bewegen. Allein, daraus folgt nicht, wie der Beschwerdeführer meint, dass es innert der gesetzlichen Ordnung ein vom Überholen unabhängiges Nebeneinanderfahren gebe. Beim Überholen darf die Fahrbahn links von dem zu überholenden Fahrzeug nur solange in Anspruch genommen werden, als es für das Überholen nötig ist. Umso weniger kann, abgesehen vom Mehrkolonnensystem zum Zwecke der Verkehrsteilung ("Vorsortieren"), ein Nebeneinanderfahren zulässig sein, das nicht dem möglichst rasch abzuwickelnden Überholen dient. Das gilt nicht nur dann, wenn das links fahrende Fahrzeug die Strassenmitte überfahren muss, sondern auch auf Strassen, die breit genug sind, dass es auf der rechten Strassenhälfte bleiben kann. Zwar wird in solchen Fällen durch längeres Verweilen auf der linken Seite der rechten Strassenhälfte der Gegenverkehr nicht gefährdet; doch ist die Fahrbahn auch hier möglichst rasch allfällig nachfolgenden Fahrzeugen freizugeben, die ihrerseits überholen wollen. Auf dem linken Teil der rechten Strassenhälfte darf nur verharrt werden, wenn es geschieht, um nach dem ersten noch weitere Fahrzeuge zu überholen, sonst ist nach dem ersten überholten Fahrzeug wieder nach rechts einzubiegen. Daran muss gerade auch auf Überlandstrassen mit ihrem dichten und notwendig sich rasch abwickelnden Verkehr festgehalten werden. Trotz des missverständlichen Wortlautes besagt daher Art. 45 Abs. 1 MFV in Wirklichkeit nichts anderes, als was besser schon Art. 26 Abs. 4 des Gesetzes ausdrückt, nämlich dass das langsamer fahrende Fahrzeug dem schneller fahrenden durch Ausweichen nach rechts die Strasse zum Überholen freizugeben hat. Wo aber überholt werden BGE 82 IV 20 S. 24 darf und wo nicht, bestimmen ausschliesslich Art. 26 Abs. 3 des Gesetzes und Art. 46 Abs. 1 und 2 der Verordnung. 3. Nach diesen Bestimmungen darf an Strassenkreuzungen, bei Bahnübergängen, an unübersichtlichen Stellen, besonders an Strassenbiegungen nicht überholt werden. Unter Strassenkreuzungen sind nach feststehender Rechtsprechung des Bundesgerichtes auch Einmündungen zu verstehen ( BGE 81 IV 49 , E. 2 a und dort zitierte Entscheide). Das bei SCHELLER, Rechtspraxis im Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr, unter Nr. 244 angeführte Urteil des Kassationshofes vom 9. Juni 1941 i.S. Sprüngli, auf das sich der Beschwerdeführer beruft und das die Anwendung von Art. 26 Abs. 3 MFG auf Einmündungen strafrechtlich ablehnt, ist längst überholt. Nach der angeführten Rechtsprechung gilt das Überholverbot sowohl bei Einmündungen von links wie bei solchen von rechts. Das wurde zuletzt in BGE 81 IV 49 noch besonders auseinandergesetzt. Wieso aber das Verbot auf Linkseinmündungen nicht anwendbar sein sollte, wenn die Strasse Platz für vier Fahrzeuge nebeneinander bietet, ist nicht einzusehen. Die Gefahren, denen es begegnen will, sind zumindest insofern die gleichen wie auf weniger breiten Strassen, als das überholende Fahrzeug die Fahrbahn des zu überholenden schneidet, wenn dieses nach links abbiegen will. Daher ist das Verbot unzweifelhaft auch bei den genannten Vierbahnstrassen am Platze. Dieses Verbot hat der Beschwerdeführer übertreten, indem er noch ausgangs der Kurve und damit unbestritten in dem nach Art. 26 Abs. 3 MFG massgebenden Bereich der Einmündung (vgl. BGE 75 IV 128 ) ein Fahrzeug überholte. Irgendwelche zureichende Gründe im Sinne des Art. 20 StGB , sich zum Überholen an dieser Stelle für berechtigt zu halten, hatte er nicht. Was er vorbringt, fällt mit der eben erörterten grundsätzlichen Frage zusammen, ob Art. 26 Abs. 3 MFG auf solche Fälle überhaupt anwendbar sei. BGE 82 IV 20 S. 25 4. Zu prüfen bleibt, ob sich der Beschwerdeführer auch durch das Überholen des ersten Wagens, am Eingang der Kurve, strafbar gemacht hat. Diese Frage erübrigt sich nicht etwa deswegen, weil der Beschwerdeführer auf alle Fälle zu Recht wegen des zweiten Überholens bestraft worden ist; denn bei bloss einem statt zwei gleichartigen Straftatbeständen wäre die Strafe aller Wahrscheinlichkeit nach geringer ausgefallen, dies umso mehr, als schon der Polizeirichter eine Busse von Fr. 40.- ausgefällt hatte und der Einzelrichter sie nicht herabsetzte, obwohl er die vom Polizeirichter angenommenen weiteren Übertretungen als nicht erwiesen ausschied. a) Wenn Art. 26 Abs. 3 MFG das Überholen an Strassenbiegungen verbietet, so hat das, wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt ("...besonders an...") seinen Grund in ihrer Unübersichtlichkeit. An Biegungen kann in der Regel nicht überblickt werden, ob die für das Überholen erforderliche Strassenstrecke frei ist, namentlich ob kein anderes Fahrzeug entgegenkommt ( Art. 46 Abs. 1 MFV ). Ist aber trotz der Biegung die Sicht auf die genannte Strecke frei, sei es infolge der Weite der Kurve oder dank der topographischen Verhältnisse (Steigung, Gefälle), so steht auch dem Überholen nichts entgegen (Urteil des Kassationshofes vom 7. Dezember 1936 i.S. Burckhardt; STREBEL, Kommentar, N. 27 zu Art. 26). Im vorliegenden Falle bezeichnet der Einzelrichter selbst die Kurve als langgezogen. Nach dem durch die Stadtkarte vermittelten Strassenbild scheint sie besonders am Anfang, unmittelbar nach der Kreuzung der Schwamendingerstrasse, nur ganz schwach zu sein. Der Beschwerdeführer macht aber nicht geltend, dass er beim Überholen des ersten Wagens die ganze Überholstrecke habe frei überblicken können. Offenbar mit Recht nicht; das Überholmanöver konnte kaum schon im ersten Teil der Kurve abgeschlossen werden, sondern erstreckte sich auch in den zweiten Teil hinein, wo die Biegung ausgeprägter ist. BGE 82 IV 20 S. 26 b) Der Beschwerdeführer begründet das Recht zum Überholen vielmehr ausschliesslich mit der Breite der Strasse, die Platz für vier Fahrzeuge biete. Bei solcher Strassenbreite besteht in der Tat für den Überholenden, der auf der rechten Strassenhälfte bleibt, die Gefahr eines Zusammenstosses mit Fahrzeugen, die aus der Gegenrichtung kommen, nicht, sofern diese ebenfalls vorschriftsgemäss die rechte Strassenhälfte halten. Wegen der Gefährdung des Gegenverkehrs ist aber das Verbot, an Strassenbiegungen und überhaupt an unübersichtlichen Stellen zu überholen, in erster Linie aufgestellt. Für Kurven, wo infolge der Breite der Strasse diese Gefahr nicht besteht, lässt sich daher mit Fug die Auffassung vertreten, dass auch das Verbot entfalle. Es verhält sich grundsätzlich nicht anders als bei Einbahnstrassen, auf denen die Praxis das Überholen auch in Biegungen zulässt. Offensichtlich aus der gleichen Erwägung erlaubt Art. 17 des neuen französischen Code de la route das Überholen auf Strassen ohne markierte Fahrbahnstreifen trotz Unübersichtlichkeit und allgemein, unter der Bedingung, dass die linke Hälfte der Strasse freigelassen wird. Demgegenüber lässt sich einwenden, dass das schweizerische Recht eine ausdrückliche Vorschrift dieser Art nicht aufweise und dass deshalb am Verbot des Überholens an Biegungen strikte festzuhalten sei. Auch besteht unbestreitbar und erfahrungsgemäss keine Gewähr dafür, dass entgegenkommende Fahrzeuge nicht auf ihre linke Strassenhälfte "übermarchen", dies namentlich nicht in Biegungen ohne Sicherheitslinie oder wo diese wegen der Abnützung durch den Verkehr für den Führer als solche nicht mehr erkennbar ist. Deswegen aber ein Überholen an jeder nicht völlig übersichtlichen Stelle für alle Fälle untersagen zu wollen, wie dies anscheinend durch die deutsche Strassenverkehrsordnung (§ 8 Abs. 2 und § 10 Abs. 1; FLOEGEL-HARTUNG, Strassenverkehrsrecht, § 8 A 12 ) geschehen ist, geht zu weit und trägt den heutigen Verkehrsverhältnissen zu wenig Rechnung. Werden zur flüssigen Abwicklung eines dichten Verkehrs schon Strassen BGE 82 IV 20 S. 27 gebaut, auf denen vier oder mehr Fahrzeuge nebeneinander Platz haben, so bedeutet es eine zweckwidrige Hemmung, den Verkehr in jeder nicht völlig übersichtlichen Kurve, die auch bei solchen Strassen häufig vorkommen, auf das Mass von Zweibahnstrassen zu drosseln und die Fahrzeuge für das Befahren der Kurven beidseitig in eine Einerkolonne zu zwingen. c) Der Beschwerdeführer hat vor dem Polizeirichter behauptet, die Sicherheitslinie sei in der fraglichen Kurve derart abgenützt gewesen, dass sie vom Automobilisten nicht mehr als solche habe wahrgenommen werden können. Die Vorinstanz bestätigt die jeweils rasche Abnützung des Linienbildes und stellt fest, dass auf Grund der Photographien, die am gleichen Tag am Tatort aufgenommen worden sind, nicht gesagt werden könne, ob die Sicherheitslinie am 10. September 1954 als solche habe erkannt werden können. Es ist somit davon auszugehen, dass die fragliche Strassenbiegung nicht in für den Fahrzeugführer erkennbarer Weise durch eine Sicherheitslinie in zwei Hälften geschieden war. Infolgedessen steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer die Sicherheitslinie überfahren hat. Diese Frage wurde zwar durch den Einzelrichter in Strafsachen offen gelassen. Wie dem aber auch sei, so war dem Beschwerdeführer in jedem Falle, mit oder ohne Sicherheitslinie, das Überholen in der Kurve nur im Rahmen der Vorschrift erlaubt, wonach der Führer die Geschwindigkeit seiner Sichtweite anzupassen hat. Damit wird in Fällen wie dem vorliegenden sowohl dem Gebot der Verkehrssicherheit als auch den nicht zu bestreitenden Bedürfnissen der Flüssigkeit des modernen Verkehrs Rechnung getragen. Stete Voraussetzung ist aber auch hier, dass auf der Strasse nach ihrer Breite und technischen Anlage vier Fahrzeuge bequem nebeneinander, d.h. auf gleicher Höhe, verkehren können, und dass keine andern Strassen in die Überholstrecke einmünden ( BGE 75 IV 128 ). Ist der Führer nicht auf Grund seiner Ortskenntnis sicher, keine Einmündung vor sich zu haben, so darf er nicht überholen. BGE 82 IV 20 S. 28 Freilich besteht auch bei der angegebenen Fahrweise keine Sicherheit dagegen, dass nicht plötzlich und unerwartet ein entgegenkommendes Fahrzeug von seiner Strassenseite, z.B. aus einer Kolonne, in die Fahrbahn des Überholenden ausbricht. Das ist aber nicht anders als auf geraden Strecken, wo deswegen das Überholen auch nicht unerlaubt ist. Desgleichen steht dem Überholen in der Biegung ebensowenig wie demjenigen auf gerader Strecke entgegen, dass das zu überholende Fahrzeug die Sicht auf seine eigene Fahrbahn ein Stück weit verdeckt. Die Stelle wird dadurch nicht zu einer unübersichtlichen, sonst könnte überhaupt nie überholt werden (vgl. MÜLLER, Strassenverkehrsrecht, 18. Auflage, S. 798, Anmerkung 9). Hingegen muss der Überholende in einer Biegung mit umso grösserer Sorgfalt von Anfang an und während des ganzen Vorrückens beobachten, ob sich nicht dem zu Überholenden im weiteren Verlaufe der Fahrt Hindernisse entgegenstellen, denen er nach links ausweichen muss. 5. Demnach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an den Einzelrichter zurückzuweisen, damit er überprüfe, ob das Überholen unter Einhaltung einer der jeweiligen Sichtweite angepassten Geschwindigkeit in der fraglichen Kurve überhaupt möglich war, und ob im Bejahungsfalle der Beschwerdeführer den ersten Wagen in dieser Weise überholen konnte, ohne damit schon in die Einmündungszone der Winterthurerstrasse zu gelangen ( BGE 75 IV 118 ). Je nach dem Ergebnis wird der Beschwerdeführer bloss wegen des zweiten oder auch wegen des ersten Überholens zu bestrafen sein. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 10. Oktober 1955 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Urteilskopf 109 II 199 46. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. September 1983 i.S. F. gegen B. und Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Hinterlegung von Unterhaltsbeiträgen während der Dauer des Vaterschaftsprozesses ( Art. 282 ZGB ). 1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1). 2. Hat der Vaterschaftsbeklagte der Mutter in der kritischen Zeit beigewohnt und ist damit die gesetzliche Vaterschaftsvermutung erstellt, so darf ungeachtet einer allfälligen Dirnentätigkeit der Mutter ohne Willkür angenommen werden, die Vaterschaft sei im Sinne von Art. 282 ZGB glaubhaft gemacht (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 200 BGE 109 II 199 S. 200 Gegen F. ist vor Bezirksgericht Arbon ein mit der Unterhaltsklage verbundener Vaterschaftsprozess hängig. Es ist nicht streitig, dass F. der Mutter des Kindes in der kritischen Zeit beigewohnt hat. Auf Gesuch des klagenden Kindes verpflichtete der Präsident des Bezirksgerichtes Arbon F. mit Entscheid vom 11. März 1983 zur Hinterlegung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von Fr. 350.-- für das Kind ab 1. Februar 1983 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Vaterschaftsprozesses. Die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau wies am 18. April 1983 eine Beschwerde gegen diesen Entscheid ab. Dagegen hat F. eine staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erhoben, mit dem Antrag, den obergerichtlichen Entscheid wegen willkürlicher Rechtsanwendung aufzuheben. Ein gleichzeitig gestelltes Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Präsidialverfügung vom 27. Juli 1983 abgewiesen. Die kantonale Instanz beantragt die Abweisung der Beschwerde, ebenso sinngemäss der Beistand des beschwerdebeklagten Kindes. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der angefochtene Entscheid hat den Charakter einer vorsorglichen Massnahme im hängigen Vaterschaftsprozess. Gegen einen solchen Entscheid ist die Berufung nicht zulässig (vgl. BGE 104 II 217 E. 2), sondern nur die staatsrechtliche Beschwerde, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich dabei im Sinne von BGE 109 II 199 S. 201 Art. 87 OG um einen Endentscheid (so BGE 100 Ia 14 E. 1b hinsichtlich der Massnahmen nach Art. 145 ZGB ) oder um einen Zwischenentscheid mit nicht wiedergutzumachendem Nachteil handelt (so BGE 93 I 402 /403 E. 1 und 2 für den Fall der Sicherstellung gemäss dem früheren Art. 321 ZGB ). Die Beschwerdeschrift entspricht im übrigen den gesetzlichen Anforderungen. Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten. 2. Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie als willkürlich, dass die Glaubhaftmachung seiner Vaterschaft, die gemäss Art. 282 ZGB Voraussetzung für die Pflicht zur Hinterlegung von Unterhaltsbeiträgen bildet, bejaht worden sei, obwohl er mehr als nur glaubhaft gemacht habe, dass die Mutter des beschwerdebeklagten Kindes in der kritischen Zeit als Dirne tätig gewesen sei und sich somit einer Vielzahl von Männern hingegeben habe. Der angefochtene Entscheid erweist sich indessen keinesfalls als völlig unhaltbar und ist daher nicht willkürlich, selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die vom Beschwerdeführer gegebene Darstellung zutrifft und die Mutter des Kindes in der kritischen Zeit als Dirne tätig war. Im Unterschied zur Verpflichtung zur vorläufigen Zahlung von Unterhaltsbeiträgen, die gemäss Art. 283 ZGB voraussetzt, dass die Vaterschaft zu vermuten ist und diese Vermutung durch die ohne Verzug verfügbaren Beweismittel nicht zerstört wird, verlangt Art. 282 ZGB für die Hinterlegung von Unterhaltsbeiträgen lediglich die Glaubhaftmachung der Vaterschaft. Darunter ist vernünftigerweise etwas weniger Weitgehendes zu verstehen als die einstweilen nicht zerstörte Vaterschaftsvermutung im Sinne von Art. 262 Abs. 1 ZGB . Die Vaterschaft wird dann als glaubhaft gemacht betrachtet, wenn Anhaltspunkte für die Beiwohnung des Beklagten bestehen oder diese nach Ort, Zeit und weiteren Umständen dargetan ist und ihr Zeitpunkt mit der Möglichkeit einer Konzeption ernstlich zu rechnen erlaubt (Hegnauer, Grundriss des Kindesrechts, 2. Aufl., S. 118). Da im vorliegenden Fall die Tatsache der Beiwohnung in der kritischen Zeit feststeht und die gesetzliche Vaterschaftsvermutung damit erstellt ist, durfte ungeachtet der allfälligen Dirnentätigkeit der Mutter des Kindes die Vaterschaft des Beschwerdeführers als mindestens glaubhaft gemacht betrachtet werden. In der Beschwerde wird verkannt, dass die Einrede des unzüchtigen Lebenswandels bei der Revision des Kindesrechts abgeschafft worden ist. Auch der Freier einer Dirne kann daher die Vaterschaftsvermutung, wenn diese ihm gegenüber erstellt ist, nur noch durch den in Art. 262 Abs. 3 ZGB BGE 109 II 199 S. 202 vorgesehenen Nachweis zu Fall bringen, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich ist als die eines Dritten. Der Hinweis auf die behauptete Dirnentätigkeit der Mutter des Kindes ist deshalb für sich allein nicht geeignet, die Glaubhaftmachung der Vaterschaft im Sinne von Art. 282 ZGB zu widerlegen, nachdem er nicht einmal die (weitergehende) Vaterschaftsvermutung zu zerstören vermag.
public_law
nan
de
1,983
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
8a28c04e-7c2d-4657-87c2-cf5292d8e27d
Urteilskopf 112 Ib 270 45. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. Oktober 1986 i.S. P. und Mitbeteiligte gegen H., Einwohnergemeinde Allschwil, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche und Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 22/24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung, RPG; Gärtnerei. Rechtsmittel gegen Entscheide aus dem Sach- und Grenzbereich der Art. 22 und 24 RPG (E. 1). Art. 22 RPG ; Gärtnereibetriebe in der Landwirtschaftszone sind zonenkonform, wenn sie in gesamthafter Betrachtung überwiegend bodenabhängig produzieren (E. 3). Eine auf Blumen spezialisierte Gärtnerei, die ganzjährig Schnittblumen und Topfpflanzen anbieten möchte und dieses Ziel mit Freilandkulturen, zwei bodenabhängigen und vier bodenunabhängigen Glashäusern erreichen will, entspricht gesamthaft betrachtet gerade noch dem Nutzungszweck der Landwirtschaftszone (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 271 BGE 112 Ib 270 S. 271 Die Firma H. gedenkt, einen neuen Gärtnereibetrieb auf ihrem Grundbesitz, der hauptsächlich in der Landwirtschaftszone liegt (die zugleich Landschaftsschongebiet ist) zu errichten. Nach dem Projektplan sind neben Freilandkulturen sechs Treibhäuser vorgesehen sowie inmitten einer frei gestalteten Gartenanlage ein Doppeleinfamilienhaus für die beiden Betriebsleiter. Gegen das Baugesuch vom 25. März 1983 erhoben verschiedene Nachbarn Einsprache. Die Einsprecher blieben jedoch vor der Bewilligungsbehörde, der Baurekurskommission, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht erfolglos. Die dagegen von verschiedenen Einsprechern erhobenen staatsrechtliche Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden vom Bundesgericht abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Die Beschwerden richten sich gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid aus dem Sach- und Grenzbereich der Art. 22 und 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG). Der Entscheid ist ausschliesslich in Anwendung von Art. 22 in Verbindung mit Art. 16 RPG sowie des einschlägigen kantonalen bzw. kommunalen Rechtes ergangen; das streitige Bauvorhaben ist, da die Zonenkonformität bejaht wurde, nicht (auch noch) nach Art. 24 RPG geprüft worden. Die Beschwerdeführer führen staatsrechtliche Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde machen sie geltend, der angefochtene Entscheid sei in willkürlicher Anwendung von Raumplanungsrecht des Bundes ( Art. 16 und 22 RPG ) und der Gemeinde (§ 5 Abs. 2 und § 9 des Zonenreglementes Landschaft der Gemeinde Allschwil vom 18. November 1981, ZR-LS) ergangen. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde rügen sie, es sei zu Unrecht und in Verletzung von Art. 24 Abs. 1 lit. a und b RPG eine Baubewilligung ausserhalb der Bauzone erteilt und geschützt worden, ohne dass die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung vorlägen und ohne dass die Vorinstanz diese Frage überhaupt geprüft hätte; sie sind der Meinung, dass im Falle der Verneinung des landwirtschaftlichen BGE 112 Ib 270 S. 272 Charakters des angefochtenen Betriebes die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG nicht gegeben seien. Die Beschwerdeführer rügen somit sinngemäss, es sei zu Unrecht Art. 24 RPG nicht angewendet und damit Bundesrecht verletzt worden. Diese Rüge kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden ( Art. 34 Abs. 1 RPG ; BGE 110 Ib 12 E. 1; BGE 105 Ib 107 E. 1a). Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann darüber hinaus eine mit der Verletzung von Bundesrecht zusammenhängende Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger geltend gemacht werden; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde übernimmt insoweit die Funktionen der staatsrechtlichen Beschwerde. Ist aber die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig und erlaubt sie grundsätzlich die Überprüfung aller erhobenen Rügen, so bleibt für die staatsrechtliche Beschwerde kein Raum ( Art. 84 Abs. 2 OG ). Die Beschwerdeführer rügen im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde nicht nur willkürliche Gesetzesanwendung; sie machen darüber hinaus eine Verletzung der Eigentumsgarantie geltend. Doch geben sie zur letztgenannten Rüge keinerlei Begründung. Die Beschwerde genügt insoweit den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht, und es ist auf diese Rüge daher auch im Rahmen der sie mitumfassenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten. b) Bei Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen ist nach der Rechtsprechung zunächst zu prüfen, ob das Vorhaben zonenkonform ist; erst wenn dies nicht zutrifft, stellt sich die Frage, ob es als Ausnahme gestützt auf Art. 24 RPG bewilligt werden kann ( BGE 109 Ib 125 ff.; BGE 108 Ib 132 E. 1a). Das Verwaltungsgericht ist mit Recht so vorgegangen. Nachdem es die Zonenkonformität des Bauvorhabens bejaht hatte, bestand für es kein Anlass, das Vorhaben auch noch unter Art. 24 RPG zu prüfen. Die dahin zielende Rüge der Beschwerdeführer geht offensichtlich fehl. Die Prüfung der Voraussetzungen von Art. 24 RPG ist nur und erst dann vorzunehmen, wenn die Zonenkonformität verneint wird. Ob dies zutrifft, ist vorliegend abzuklären. c) Die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer beurteilt sich nach Art. 103 lit. a OG , wonach zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt ist, wer durch die angefochtene Entscheidung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Die Beschwerdeführer begründen ihre Betroffenheit mit der Lage ihrer Wohnhäuser in unmittelbarer Nähe der BGE 112 Ib 270 S. 273 zu bebauenden Parzellen. Die von der Rechtsprechung vorausgesetzte besondere Berührtheit ( BGE 111 Ib 159 E. 1b) kann aufgrund der Nachbarschaft zum Bauprojekt bejaht werden, so dass die Legitimation der Beschwerdeführer gegeben ist. Im Rahmen der vorstehenden Erwägungen kann auf die Beschwerde eingetreten werden. 3. Die Beschwerdeführer stellen die vom Verwaltungsgericht anerkannte Zonenkonformität des Bauvorhabens in Abrede und rügen damit vor allem eine Verletzung von Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG , somit von Bundesrecht ( Art. 104 Abs. 1 lit. a OG ), von dessen richtiger Anwendung es abhängt, ob Art. 24 RPG auf das Bauvorhaben der privaten Beschwerdegegner zur Anwendung gelangt oder nicht. Zweck und Inhalt der wichtigsten Nutzungszonen, nämlich der Bau-, der Landwirtschafts- und der Schutzzonen, werden in den Art. 14 ff. RPG umschrieben. Diese Normen bestimmen zugleich den Rahmen, an den sich kantonale bzw. kommunale Nutzungsvorschriften zu halten haben. Art. 16 RPG umschreibt Zweck und Inhalt der Landwirtschaftszonen: Diese umfassen Land, das sich für die landwirtschaftliche Nutzung oder den Gartenbau eignet oder im Gesamtinteresse landwirtschaftlich genutzt werden soll (Abs. 1 lit. a und b). Bauten und Anlagen in diesen Gebieten müssen dem Zweck der Landwirtschaftszone entsprechen ( Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG ). Landwirtschaftliche Bauten entsprechen diesem Zweck dann, wenn für die Nutzung, der sie dienen, der Boden als Produktionsfaktor unentbehrlich ist; wo landwirtschaftliche Erzeugnisse bodenunabhängig gewonnen werden, liegt keine landwirtschaftliche Nutzung im Sinne von Art. 16 RPG vor (EJPD/BRP, Erläuterungen RPG, N 9 zu Art. 16 RPG ). Art. 16 RPG erwähnt ausdrücklich auch den Gartenbau. Das ist indessen nicht so zu verstehen, dass diesem neben der landwirtschaftlichen Nutzung eine selbständige, privilegierte Bedeutung zukäme. Gartenbau passt bloss dann in die Landwirtschaftszone, wenn zur Bewirtschaftung freien Landes eine hinreichend enge Beziehung besteht. Gemeint sind namentlich Freilandgärtnereien, welche Pflanzen in Treibhausanlagen vorziehen und später in offenes Land versetzen. Betriebe, die überwiegend mit künstlichem Klima unter ständigen, festen Abdeckungen arbeiten, entsprechen nicht dem Zweck der gewöhnlichen Landwirtschaftszone, sondern benötigen dort eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG (EJPD/BRP, Erläuterungen RPG, N 10 zu Art. 16 RPG ). Das Bundesgericht hat aufgrund einer Prüfung der bisherigen Praxis BGE 112 Ib 270 S. 274 und Literatur diese Grundsätze als massgebend bestätigt (Urteil vom 26. Oktober 1983 in: ZBl 85/1984 S. 179 ff., insbes. E. 2). In Anwendung dieser Kriterien hat es die erforderliche enge Beziehung verneint im Falle einer Gemüsegärtnerei, in der nach dem Beweisergebnis stets der überwiegende Teil der bewirtschafteten Landfläche von beheizbaren Plastiktunnels überdeckt ist, die nach Bedarf versetzt werden (Urteil vom 18. September 1985 i.S. Tanner, E. 3). In der neuesten Literatur bringt LEO SCHÜRMANN mit Bezug auf Gewächs- und Treibhäuser sowie treibhausähnliche Plastikabdeckungen zum Ausdruck, man werde, solange das kantonale Recht die Landwirtschaftszone nicht nach der Nutzungsintensität abstufe, davon ausgehen müssen, dass Art. 16 RPG den Einsatz technischer Produktionsmittel (wie Heizung, Kunstklima, Berieselung usf.) nur als "saisondehnende" und im Betriebsganzen untergeordnete Hilfsmittel, aber nicht als konstituierende Merkmale der betrieblichen Produktionsweise dulde, denn die "Eignung" des Bodens verweise auf dessen eigene Fruchtbarkeit, nicht auf wirtschaftliche Faktoren (wie namentlich den günstigeren Bodenpreis ausserhalb der Bauzone) (2. Auflage, S. 169 E. 5b). Als sachgemässer Weg wäre in der Tat zu begrüssen, wenn die in Frage kommenden Gemeinden im Rahmen ihrer Nutzungsplanung auf die Besonderheiten der Gärtnereien Bedacht nehmen würden, sei dies in Form einer Unterteilung des Landwirtschaftsgebiets nach Massgabe der Nutzungsintensität, sei es durch Schaffung besonderer für Gärtnereibetriebe geeigneter Nutzungszonen im Sinne von Art. 18 Abs. 1 RPG . Fehlt indessen wie vorliegend eine besondere Nutzungszone bzw. ein entsprechender Zonenteil, so ist nach den heutigen Kriterien der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu entscheiden. Danach ist massgebend, ob der fragliche Gärtnereibetrieb in gesamthafter Betrachtung überwiegend bodenabhängig produziert. Ist dies der Fall, so besteht kein Anlass, die vom Gesetz geforderte Beziehungsnähe der betrieblichen Produktion zum Boden zu verneinen. Das kantonale Baugesetz vom 15. Juni 1967 (BauG) enthält in § 11 eine Umschreibung des Land- und Forstwirtschaftsgebietes. Nach § 11 Abs. 1 BauG soll das Land- und Forstwirtschaftsgebiet der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung erhalten bleiben. In diesem Gebiet dürfen nur Bauten und Anschlüsse an das Werkleitungsnetz bewilligt werden, die land- und forstwirtschaftlichen BGE 112 Ib 270 S. 275 Betrieben dienen (§ 11 Abs. 2 BauG). Diese Regelung bringt gegenüber dem Bundesrecht für den vorliegenden Fall nichts Neues. Auch die Zweckumschreibung des Landschaftsschongebietes, die in § 4 Abs. 3 der Verordnung über den Regionalplan Landschaft enthalten ist, trägt gegenüber § 11 BauG keine wesentliche Präzisierung bei. Das kommunale Recht enthält zwar in § 5 Abs. 2 ZR-LS eine eigene Umschreibung der Rechtswirkungen des Land- und Forstwirtschaftsgebietes. Doch tun die Beschwerdeführer nicht dar, und es ist auch sonst nicht erkennbar, dass und inwiefern diese Bestimmung strengere Anforderungen an die Zonenkonformität in der Landwirtschaftszone stellen würde als das Bundesrecht und die auf ihm aufgebaute Rechtsprechung und Praxis. 4. Eine Prüfung des streitigen Bauvorhabens unter den dargelegten Kriterien führt zu folgenden Überlegungen. Die Gärtnerei H. ist auf Blumen spezialisiert. Ihr Betriebsziel ist ein ganzjähriges Angebot an Schnittblumen und offensichtlich auch an Topfpflanzen. Diesem Ziel sollen sechs Glashäuser dienen. Die Häuser 4 und 5 sind vom Verwaltungsgericht als bodenabhängig anerkannt worden, da sie das Saatgut für die Verpflanzung in die Freilandgärtnerei vorbereiten sollen. In den übrigen Häusern (Rosenhaus und drei Kulturhäuser) verbleiben die Pflanzen vom Aussäen bzw. Anpflanzen hinweg unter Glas. Das Verwaltungsgericht erklärt, diese Kulturen müssten bei isolierter Betrachtung als bodenunabhängig bezeichnet werden. Es ist jedoch der Meinung, sie stellten für einen modernen Gärtnereibetrieb, der auf ein ganzjähriges Schnittblumenangebot angewiesen sei, eine notwendige Ergänzung zur Freilandkultur dar. Das Verwaltungsgericht hat sodann die gesamte Anbaufläche mit der Fläche verglichen, die von den bodenunabhängigen Glaskulturen beansprucht wird. Es ist gestützt auf das Gutachten Kneipp von einer gesamten Anbaufläche von rund 4400 m2 ausgegangen. Davon hat es die Fläche der bodenunabhängigen Kulturen mit 1254 m2 der verbleibenden Fläche der bodenabhängigen Kulturen (inklusive der Häuser 4 und 5) gegenübergestellt. Auf diese Weise hat es die bodenunabhängigen Glaskulturen mit 28,5% ermittelt. Es kommt zu dem Schluss, dass bei dieser Verhältniszahl von einem überwiegend bodenabhängigen Betrieb gesprochen werden könne. Die Beschwerdeführer rügen diese Überlegungen als bundesrechtswidrig, namentlich als Verletzung von Art. 16 RPG . Dabei stützen sie sich vor allem auf die Erläuterungen EJPD zu Art. 16 BGE 112 Ib 270 S. 276 RPG N 10 und auf die bereits erwähnten Gedanken von SCHÜRMANN (a.a.O. S. 169). Betrachtet man - wie das Verwaltungsgericht - das Flächenverhältnis bodenabhängiger und bodenunabhängiger Kulturen als entscheidend, so hält die Auffassung der Vorinstanz vor dem Bundesrecht stand. In Doktrin und Praxis wird indessen auch weiter geprüft, ob der Betrieb überwiegend mit künstlichem Klima und ständigen, festen Abdeckungen arbeitet. Vorliegend ist unbestritten, dass alle sechs Gewächshäuser - mit unterschiedlichen Temperaturen - beheizt werden sollen (vgl. die Angaben im Projektplan). Doch ist nicht dargetan, dass der Betrieb "überwiegend" mit künstlichem Klima arbeitet. Das Bundesamt für Raumplanung leitet denn auch aus diesem Aspekt keine Rechtswirkungen ab. SCHÜRMANN freilich liesse Heizung und Kunstklima in der Landwirtschaftszone nur als "saisondehnende", untergeordnete Hilfsmittel zu, nicht aber als konstituierende Merkmale der betrieblichen Produktionsweise. Bei dieser Betrachtungsweise müsste vorliegend die Zonenkonformität verneint werden, da Heizung und Kunstklima hier betriebswesentlich sind, indem sie gerade den Winter als Produktionszeit erhalten und die Fortführung des Betriebes auch in den Wintermonaten gewährleisten sollen. Es besteht jedoch aus der bundesrechtlichen Regelung heraus kein zwingender Anlass, die Anforderungen an Betriebe in der Landwirtschaftszone so hoch zu spannen und bei Betrieben der vorliegenden Art eine hinreichend enge Beziehung zwischen Bewirtschaftungsart und Boden zu verneinen. FRITZ KILCHENMANN, Die planungs-, bau- und gewässerschutzrechtliche Ordnung des übrigen Gebiets und der Landwirtschaftszone, Bern 1975, S. 138, scheint diese Ansicht zu teilen. Das Bundesamt für Raumplanung anderseits vertritt die Meinung, dass es sich hier um einen Gewerbebetrieb handle, der in eine Gewerbezone gehöre. Es ist nicht zu bestreiten, dass die geplante Anlage die wesentlichen Merkmale eines Gewerbebetriebes aufweist. Doch sind gemäss Art. 16 RPG die Gewerbebetriebe des Gartenbaus bei genügender Bodenbeziehung als dem Nutzungszweck der Landwirtschaftszone entsprechend anerkannt. Das hier streitige Projekt stellt freilich einen Grenzfall dar. Eine Verletzung von Bundesrecht liegt aber nicht vor. 5. (Das Doppeleinfamilienhaus für die beiden hauptberuflich für den Gärtnereibetrieb tätigen Betriebsleiter steht in einer unmittelbaren funktionellen Beziehung zum Gärtnereibetrieb, weil dieser BGE 112 Ib 270 S. 277 zur Steuerung der Heizungsanlagen, der Lüftung, der Schattierung, der Bewässerung, der Luftbefeuchtung usw. elektronischer Geräte bedarf, die wegen ihrer Störanfälligkeit und des Ausmasses der finanziellen Konzequenzen einer Panne laufend überwacht werden müssen. Die Zonenkonformität der Wohnbaute wurde bejaht.)
public_law
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8a3340b1-2a2a-4016-bce2-8916b22ee27b
Urteilskopf 95 II 93 15. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Mai 1969 i.S. Schärer gegen Burren und Burren gegen Flückiger.
Regeste I. Berufung Schärer. 1. Berufung gegen Zwischenentscheid, Zulässigkeit. Art. 50 OG (Erw. 1). 2. Haftung aus unerlaubter Handlung, Art. 41 OR . Widerrechtlichkeit (Erw. 2). 3. Haftung des Geschäftsherrn, Art. 55 OR . Verschulden der Hilfsperson ist nicht erforderlich (Erw. 3). Haftung des Geschäftsherrn wegen ungenügender Instruktion der Hilfsperson (Erw. 4). 4. Adäquanz des Kausalzusammenhangs (Erw. 5). 5. Wegbedingung der Haftung, Art. 100 OR ? (Erw. 6). II. Berufung Burren. 1. Haftung des Auftraggebers, Art. 402 Abs. 2 OR ; stillschweigende Erweiterung des Auftrags? (Erw. 1). 2. Geschäftsführung ohne Auftrag, Art. 422 Abs. 1 OR . Handeln im Interesse des Geschäftsherrn? (Erw. 2). 3. Haftung aus unerlaubter Handlung, Art. 41 OR . Fehlen der Widerrechtlichkeit (Erw. 3). 4. Haftung des Geschäftsherrn, Art. 55 OR . Vorliegen einer dienstlichen Verrichtung? (Erw. 4 a). Widerrechtlichkeit des Verhaltens der Hilfsperson? (Erw. 4 b, c). Adäquanz des Kausalzusammenhangs (Erw. 4 d). Genügende Instruktion der Hilfsperson? (Erw. 4 e).
Sachverhalt ab Seite 94 BGE 95 II 93 S. 94 A.- Fritz Schärer, Architekt, baute als Generalunternehmer in Huttwil sieben Einfamilienhäuser, darunter jenes des Alfred Vetter. Er setzte seinen Sohn René Schärer als Bauleiter ein. Am Hause Vetters arbeitete unter anderem Fritz Flückiger, der in Huttwil eine Bauschreinerei betreibt. Er beauftragte Otto Burren, der als Kundenmüller und Handelsmann tätig ist und daneben mit einem Lastwagen gewerbsmässige Transporte ausführt, am Vormittag des 2. April 1964 Abschlusswände, Türen, Wandschränke und dgl. zum Hause Vetters zu führen. Flückiger schickte auf die Fahrt zwei seiner Arbeiter mit, den Schreiner Fritz Pauli und den Handlanger Ernst Flückiger, und wies sie an, das transportierte Material am Bestimmungsort abzuladen und in das Haus zu tragen, wo es angeschlagen werden sollte. Beim Hause Vetters blieb Pauli auf Ersuchen Burrens auf BGE 95 II 93 S. 95 dem Lastwagen und reichte die Gegenstände hinab, während Ernst Flückiger und Burren diese in das Haus trugen. Nach mehreren Gängen, die dem Versorgen der kleineren Stücke dienten, wollten Ernst Flückiger und Burren einen 1,94 m hohen, etwa 60 cm breiten und rund 40 kg schweren Schrank in das Kinderzimmer tragen. Unterwegs stellten sie fest, dass er sich, so wie sie ihn hielten, nicht genügend abdrehen liess, um in das Zimmer zu gelangen. Sie gingen daher zurück, um die Beförderung anders zu versuchen. Dabei trat Burren, im Windfang rückwärts gehend, zu stark nach links und fiel die Kellertreppe hinunter, wobei er sich am Schädel schwer verletzte. Fritz und Hansjörg Fiechter, die bis im Januar 1964 am Hause Vetters Maurerarbeiten ausführten, hatten den Windfang gegen die Kellertreppe hin durch zwei Pfosten und eine Längslatte gesichert. Gipsermeister Michelotti hatte später diese Abschrankung zwecks Ausführung von Gipserarbeiten entfernt, will sie aber wieder angebracht haben. Nachher musste sie auch vom Bodenleger zum Anbringen des Unterlagsbodens weggenommen werden. Am 2. April 1964 fehlte sie, ohne dass feststände, an welchem Tage und durch wen sie entfernt und nicht wieder angebracht worden war. B.- Burren klagte beim Appellationshof des Kantons Bern gegen Vetter, Fritz und Hansjörg Fiechter, Fritz Flückiger und Fritz Schärer mit den Begehren, die Beklagten seien zu verurteilen, ihm solidarisch als Schadenersatz und Genugtuung Fr. 200'000.-- nebst Zins zu zahlen und die Kosten der Zahlungsbefehle zu ersetzen. Der Appellationshof beschränkte das Verfahren auf die grundsätzliche Frage der Haftung der Beklagten. Er wies am 18. Dezember 1968 die Klage gegen Vetter, Fritz und Hansjörg Fiechter und Fritz Flückiger ab, stellte dagegen fest, dass Fritz Schärer für den dem Kläger durch den Unfall vom 2. April 1964 verursachten Schaden grundsätzlich hafte. C.- Schärer und der Kläger fechten dieses Urteil mit der Berufung an. Schärer beantragt, die Klage ihm gegenüber abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung Schärers abzuweisen und festzustellen, dass auch Fritz Flückiger ihm für den Schaden grundsätzlich hafte. Fritz Flückiger beantragt, die Berufung des Klägers abzuweisen. BGE 95 II 93 S. 96 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: I.1. Zur Berufung des Beklagten Schärer I.1.- Das Urteil gegen Schärer ist ein selbständiger Vorentscheid. Wenn der Berufungsantrag des Beklagten begründet wäre, hätte das Bundesgericht die Klage gegen Schärer abzuweisen, also den Endentscheid zu fällen. Dadurch würde ein bedeutender Aufwand für das Beweisverfahren über die Schadenersatzansprüche des Klägers erspart. Es rechtfertigt sich daher, gemäss Art. 50 OG auf die Berufung einzutreten. I.2. Es ist festgestellt und nicht bestritten, dass der Sturz des Klägers durch das Fehlen einer provisorischen Abschrankung zwischen dem noch offenen Kellerhals und dem Windfang mitverursacht wurde. Dieser Zustand des unfertigen Gebäudes schuf für Personen, die in ihm zu arbeiten oder ein- und auszugehen hatten, eine Gefahr für Leib und Leben. Wer für andere eine solche Gefahr schafft, ist schon nach einem von der Rechtsprechung anerkannten allgemeinen Rechtssatze verpflichtet, die zur Vermeidung eines Schadens erforderlichen Massnahmen zu treffen ( BGE 82 II 28 und dort zitierte Entscheide, ferner BGE 93 II 92 Erw. 2). Im vorliegenden Falle kommt dazu, dass auf Hochbauarbeiten von Betrieben, die, wie jener des Beklagten Schärer, gemäss Art. 60 KUVG der obligatorischen Versicherung unterstellt sind, Art. 9 der Verordnung des Bundesrates vom 2. April 1940 betreffend Verhütung von Unfällen bei Hochbauarbeiten anwendbar war. Diese Bestimmung schrieb vor, Fussboden- und Wandöffnungen für Aufgänge jeder Art seien entweder in solider Weise abzudecken oder mit starkem Schutzgeländer und Bordbrett zu umgeben. Ferner galt § 6 Abs. 3 der Verordnung des Regierungsrates des Kantons Bern vom 22. Dezember 1961 über die Verhütung von Unfällen und über die sanitarischen und hygienischen Einrichtungen bei der Ausführung von Bauarbeiten. Diese Norm bestimmte: "In allen Geschossen müssen vor Öffnungen, welche ins Leere oder in Schächte führen, und bei Treppen Schutzvorrichtungen z.B. Geländer angebracht werden." Das Fehlen der Abschrankung, das zum Unfall des Klägers führte, war somit widerrechtlich. Der Beklagte Schärer bestreitet das nicht. I.3. Da der Beklagte die ihm als Generalunternehmer obliegende Bauleitung seinem Sohne René übertragen hatte, BGE 95 II 93 S. 97 leitet der Appellationshof die Verantwortung des Beklagten für das Fehlen der Abschrankung aus Art. 55 OR ab. Der Beklagte wendet in erster Linie ein, es stehe nicht fest, dass René Schärer den erwähnten Zustand geschaffen oder nicht beseitigt habe, denn es habe sich nicht feststellen lassen, wann und durch wen die Abschrankung weggenommen worden sei; es sei möglich, dass irgend ein Bauarbeiter sie erst ein oder zwei Tage vor dem Unfall entfernte; die Auffassung des Appellationshofes, dies sei unwahrscheinlich und nicht bewiesen, widerspreche der vorinstanzlichen Feststellung, wonach sich nicht beweisen lasse, wann die Abschrankung entfernt wurde. Zudem verletze sie die Beweisregel des Art. 8 ZGB , denn nicht der Beklagte, sondern der Kläger habe die Voraussetzungen der unerlaubten Handlung nachzuweisen. Nach Art. 8 ZGB muss, wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Diese Bestimmung verpflichtete den Kläger nicht, darzutun, wie lange vor dem Unfalle die Abschrankung beseitigt worden war und wer sie beseitigt hatte. Es genügte der Nachweis, dass die Abschrankung im Zeitpunkt des Unfalles fehlte und dass René Schärer als Bauleiter und Hilfsperson des Beklagten gegen diesen rechtswidrigen Zustand nicht eingeschritten war. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes setzt die Kausalhaftung des Geschäftsherrn aus Art. 55 OR nicht voraus, dass den Angestellten oder Arbeiter ein Verschulden treffe. Es genügt, dass der Untergebene durch sein Verhalten, sei es ein Tun, sei es eine Unterlassung, den Schaden verursachte oder mitverursachte ( BGE 56 II 287 , 289, BGE 57 II 38 , 45, BGE 88 II 135 , BGE 90 II 90 ). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle dargetan. Es steht fest, dass die Abschrankung vor dem Unfalltage entfernt worden war, und es ist unbestritten, dass René Schärer nichts vorkehrte, um sie wieder anbringen zu lassen. Ob er seine Untätigkeit verschuldet habe, könnte nur eine Rolle spielen, wenn der Kläger für den Sturz mitverantwortlich sein sollte, denn diesfalls würde die Billigkeit verlangen, dass auch das Verhalten des angestellten Bauleiters (und des Beklagten als Geschäftsherrn) unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens gewürdigt werde; denn die Umstände nach Art. 44 Abs. 1 OR haben mehr Gewicht, wenn den Untergebenen des Belangten (oder den Belangten selber) keinerlei Verschulden trifft ( BGE 41 II 500 , BGE 88 II 135 ). Über die BGE 95 II 93 S. 98 Mitverantwortung des Klägers und das Mass der Ersatzpflicht des Beklagten aber hat die Vorinstanz noch nicht entschieden. Sie können nicht Gegenstand der Berufung sein. Übrigens führt der Appellationshof aus, es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Abschrankung z.B. erst am Tage vor dem Unfall entfernt worden wäre, da regelmässig zwischen der Ausführung der von verschiedenen Handwerkern vorgenommenen Arbeiten zeitliche Zwischenräume von einigen Tagen zu liegen pflegten; René Schärer sei nach seinen Aussagen wöchentlich mehrmals auf dem Bauplatz gewesen und hätte daher bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit das Fehlen der Abschrankung feststellen müssen. Darin liegt die tatsächliche Feststellung, dass die Abschrankung jedenfalls so viele Tage vor dem 2. April 1964 entfernt wurde, dass der wöchentlich mehrmals auf dem Platz erscheinende Bauleiter ihr Fehlen hätte feststellen können. Diese Feststellung widerspricht dem vorausgehenden Satze der vorinstanzlichen Erwägungen nicht, wonach sich nicht habe ermitteln lassen, "wer wann die ursprünglich vorhandene Abschrankung entfernt" habe. Da sie weder offensichtlich auf einem Versehen beruht noch in Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen ist, bindet sie das Bundesgericht ( Art. 63 Abs. 2 OG ). I.4. Der Appellationshof ist der Auffassung, der Beklagte Schärer habe nicht im Sinne des Art. 55 OR nachgewiesen, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet habe, um einen Schaden der vorliegenden Art zu verhüten. Dass er die Bauleitung seinem Sohne übertrug, gereiche ihm zwar nicht zum Vorwurf, doch habe er diesen nicht mit der nötigen Sorgfalt über das Anbringen von Abschrankungen zur Verhütung von Bauunfällen unterrichtet. Der Beklagte wendet ein, Instruktion und Überwachung des sorgfältig ausgewählten Bauleiters seien überflüssig gewesen, da René Schärer mindestens über die Kenntnisse seines Vaters verfügt und seine Arbeit stets zuverlässig besorgt habe, ja, wie angenommen werden dürfe, über seine Pflichten sogar besser und zuverlässiger orientiert gewesen sei als sein Vater, da er kurze Zeit vorher im Technikum über die einschlägigen Vorschriften und deren praktische Anwendung unterrichtet worden sei. Für einen diplomierten Hochbautechniker stelle die Bauleitung in einem einfachen Einfamilienhaus nicht die geringsten Probleme; namentlich sei das Anbringen vorgeschriebener BGE 95 II 93 S. 99 Schutzvorrichtungen eine Selbstverständlichkeit, die nicht besonders unterrichtet werden müsse. Ob der Beklagte selber über die Vorschriften betreffend die Verhütung von Bauunfällen genügend im Bilde war, sei unerheblich. Die Instruktions- und Überwachungspflicht dürfe nicht überspannt werden. Sie sei namentlich dort gegenstandslos, wo die Hilfsperson im Hinblick auf die zu erfüllende Aufgabe ebenso geeignet oder sogar geeigneter sei als der Geschäftsherr. Damit geht der Beklagte von einem nicht erwiesenen Sachverhalt aus. Der Appellationshof stellt nicht fest, René Schärer sei kurze Zeit vor dem Unfall im Technikum über die einschlägigen Vorschriften und deren praktische Anwendung unterrichtet worden. Er führt auch nicht aus, René Schärer habe mindestens über die Kenntnisse seines Vaters verfügt, ja es dürfe angenommen werden, er sei über seine Pflichten sogar besser und zuverlässiger unterrichtet gewesen als der Beklagte. Aus den Tatsachen allein, dass René Schärer, geb. 1933, eine Lehre als Bauzeichner bestanden, dann während vier Jahren das Abendtechnikum in Bern besucht hatte und schliesslich - nach den Angaben des Beklagten im Dezember 1963 - als Hochbautechniker diplomiert worden war, folgt die behauptete Unterrichtung seitens der Lehrer nicht. Indem der Appellationshof dem Beklagten vorwirft, er sei, nach seinen Aussagen zu schliessen, über die Pflichten eines Bauleiters in bezug auf das Anbringen von Sicherheitsmassnahmen "selber nicht genügend im Bilde" gewesen, geht er davon aus, die bezüglichen Kenntnisse des Sohnes hätten mindestens die gleichen Lücken aufgewiesen; der Beklagte hätte sie durch Instruktionen ausfüllen sollen, sei aber dazu mangels genügender eigener Kenntnisse nicht fähig gewesen. Diese Auffassung der Vorinstanz betrifft tatsächliche Verhältnisse und bindet daher das Bundesgericht. Sie beruht nicht offensichtlich auf Versehen, was der Beklagte denn auch nicht behauptet. Der Beklagte, geb. 1904, gibt sich wie sein Sohn als Architekt aus, weshalb nicht auf der Hand liegt, dass seine Kenntnisse im umstrittenen Punkte geringer waren als jene des Sohnes. Geht man davon aus, dass die Kenntnisse des René Schärer über die Pflichten eines Bauleiters zur Erstellung und Wiederanbringung von Abschrankungen ebenso lückenhaft waren wie jene des Beklagten, so verletzt die Auffassung der Vorinstanz, der Beklagte habe nicht alle nach den Umständen gebotene BGE 95 II 93 S. 100 Sorgfalt angewendet, um einen Schaden der vorliegenden Art zu verhüten, den Art. 55 OR nicht. Der Beklagte durfte sich nicht darauf verlassen, dass sein Sohn wenige Monate vorher als Hochbautechniker diplomiert worden und schon als Bauleiter praktisch tätig gewesen war. Er hätte ihn darüber unterrichten sollen, dass und auf welche Weise offene Stellen an Schächten, Treppen und dgl. in Neubauten abzuschranken seien und der Bauleiter ständig und strenge darauf zu achten habe, dass die Abschrankungen unverzüglich wieder angebracht würden, nachdem sie zur Ausführung bestimmter Arbeiten vorübergehend entfernt wurden. Da er diese Belehrung zugegebenermassen unterlassen hat, ist der Entlastungsbeweis des Art. 55 OR nicht erbracht. Dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre, ist nicht dargetan. I.5. Der Beklagte Schärer bestreitet, dass das Fehlen der Abschrankung mit dem Sturz des Klägers in rechtserheblicher Weise (adäquat) zusammenhange, denn der Kläger sei widerrechtlich in das Haus eingedrungen und habe sich so aussergewöhnlich unvorsichtig benommen, dass mit einem solchen Verhalten von vornherein nicht habe gerechnet werden müssen. Das Betreten des Hauses durch den Kläger lag nicht dermassen ausserhalb des gewöhnlichen Laufes der Dinge, dass im Fehlen der Abschrankung keine adäquate Ursache des Schadens zu sehen wäre. Die Behauptung des Beklagten, der Zutritt zum Bau sei für Unbefugte ausdrücklich verboten worden, findet im angefochtenen Urteil keine Stütze. Das Urteil sagt nur: "Zwar war Unbefugten der Zutritt zum noch nicht fertigen Bau verboten." Das heisst nicht notwendigerweise, der Beklagte, der Bauleiter oder irgendwer habe ein Verbot bekanntgegeben. Der Beklagte schweigt sich denn auch, wie schon im kantonalen Verfahren, darüber aus, wann, wie und durch wen den Unbefugten der Zutritt verboten worden wäre. Der erwähnte Satz scheint eher eine rechtliche Schlussfolgerung der Vorinstanz aus dem Umstande, dass der Bau nicht fertig war, zu sein. Sei dem wie ihm wolle, gehörte jedenfalls der Kläger nicht zu den Unbefugten. Er half Pauli und Ernst Flückiger in deren Einverständnis den Auftrag erfüllen, den ihnen Fritz Flückiger erteilt hatte, nämlich das anzuschlagende Schreinermaterial in das Haus zu tragen. Diese Hilfe durfte er Pauli und Ernst Flückiger leisten, und um sie leisten zu können, durfte er das BGE 95 II 93 S. 101 Haus betreten. Ob auch das Vertragsverhältnis, in dem er zu Fritz Flückiger stand, oder die Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag ihn zu diesem Verhalten berechtigten, ist für die Frage, ob er das Haus widerrechtlich betreten habe, nicht erheblich. Weder der Beklagte als Generalunternehmer noch der Hauseigentümer Vetter hatten Anspruch darauf, dass zur Erfüllung der dem Handwerker Fritz Flückiger obliegenden Aufgabe nur solche Personen das Haus betreten würden, die von Fritz Flückiger beauftragt worden seien oder auf Grund einer in dessen Interesse gebotenen Geschäftsbesorgung ( Art. 422 OR ) handelten. Es kommt auch nichts darauf an, ob Pauli und Ernst Flückiger ihre Dienstpflichten gegenüber Fritz Flückiger verletzten, indem sie dem Kläger erlaubten, ihnen beim Abladen und Hineintragen des Transportgutes beizustehen. Die Abschrankung war bestimmt, jeden für den Bau Arbeitenden von einem Sturz auf die Kellertreppe zu bewahren, gleichgültig auf welcher rechtlichen Grundlage seine Arbeit beruhte. Ihr Fehlen war daher eine adäquate Ursache des Sturzes des Klägers. Ebenso wenig kann davon die Rede sein, dass der Sturz durch aussergewöhnlich unvorsichtiges Verhalten des Klägers dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entrückt worden wäre und die Adäquanz des Kausalzusammenhanges aus diesem Grunde fehlen würde. Es kommt häufig vor, dass Arbeiter, die einen Schrank in ein Haus tragen, einige Schritte rückwärts gehen müssen, um ihren Versuch zu erneuern. Dass sie dabei, durch die Last behindert, den Gefahren ihrer Umgebung nicht die höchste Aufmerksamkeit schenken, ist ebenfalls nichts Ungewöhnliches, selbst dann nicht, wenn sie vorher, wie im vorliegenden Falle der Kläger, die Gefahren beim wiederholten Betreten des Ortes sahen oder sehen konnten. Abschrankungen in unfertigen Bauten sind gerade deshalb vorgeschrieben, weil es immer wieder vorkommt, dass die Aufmerksamkeit unter dem Einfluss der Arbeit nachlässt und sehr oft nicht ausreicht, um den Arbeitenden vor einem Sturz zu bewahren. I.6. Der Beklagte bestreitet schliesslich die Schadenersatzpflicht mit der Begründung, im Verbot, das Haus des Vetter zu betreten, liege eine Wegbedingung der Haftung, die nach Art. 100 OR zulässig sei. Wann, wie und durch wen den Unbefugten das Betreten des Hauses Vetter verboten worden sei, hat der Beklagte im kantonalen BGE 95 II 93 S. 102 Verfahren nicht ausgeführt und verschweigt er auch in der Berufungsschrift. Der Einwand, durch ein solches Verbot sei die Haftung wegbedungen worden, ist denn auch neu. Dazu kommt, dass der Kläger nicht zu den Unbefugten gehörte, für die das angebliche Verbot gegolten hätte. Schon aus diesem Grunde kann ihm gegenüber von einer Wegbedingung der Haftung nicht die Rede sein. Ob das blosse Verbot, eine Baustelle zu betreten, überhaupt als (stillschweigende) Wegbedingung der Haftung ausgelegt werden darf, kann offen bleiben. Die Berufung des Beklagten Schärer ist in allen Punkten unbegründet und daher abzuweisen. II.1. Zur Berufung des Klägers II.1.- Die Auffassung des Klägers, Fritz Flückiger hafte ihm als Auftraggeber aus Art. 402 Abs. 2 OR , wurde vom Appellationshof mit der Begründung verworfen, der Auftrag Flückigers habe sich auf den Transport mit dem Lastwagen beschränkt; das Hineintragen der Gegenstände in das Haus sei von diesem Auftrag nicht mehr erfasst. Damit stellt der Appellationshof verbindlich fest, dass Fritz Flückiger mit dem Kläger nicht verabredet hat, dieser solle den beiden Arbeitern Flückigers die Gegenstände in das Haus tragen helfen. Der Kläger gibt denn auch das Fehlen einer solchen Abrede zu, indem er lediglich geltend macht, Fritz Flückiger habe in Kauf nehmen müssen, dass der willige Kläger beim Hineintragen behilflich sei und die beiden Arbeiter ihn gewähren liessen. Damit will er offenbar sagen, die Ausdehnung des Auftrages über den verabredeten Inhalt hinaus sei stillschweigend zustande gekommen. Diese Auffassung hält nicht stand. Da Fritz Flückiger mit dem Kläger nur den Transport auf dem Lastwagen vereinbart und zum Hineintragen der Gegenstände den Schreiner Pauli und den Handlanger Ernst Flückiger abbefohlen hatte, musste er nicht annehmen, der Kläger erachte sich als beauftragt, beim Hineintragen mitzuhelfen. Die beiden Arbeiter genügten, um die Gegenstände hineinzutragen. Wenn nicht vor jedem Gang einer von ihnen den Lastwagen besteigen wollte, konnten sie alle Gegenstände zuerst abladen und sie nachher hineintragen, oder sie konnten den Kläger bitten, sie ihnen vom Lastwagen herunterzureichen. Der Kläger versucht das mit der Behauptung BGE 95 II 93 S. 103 zu widerlegen, das Umgelände sei schmutzig gewesen und habe sich daher für das Abstellen der Sachen nicht geeignet; zudem habe Pauli an der linken Hand einen leichten Schaden gehabt und sich als ausgebildeter Schreiner am besten geeignet, die Reihenfolge der abzuladenden Gegenstände zu bestimmen und sie in dieser Reihenfolge vom Lastwagen hinunterzureichen. Der Appellationshof stellt indessen nicht fest, das Umgelände sei schmutzig gewesen, so dass das Abladen zweckmässigerweise durch drei Personen habe besorgt werden müssen. Auch ist nicht zu ersehen, weshalb Pauli wegen seiner Hand das Hineintragen, zu dem ihn der Beklagte bestimmt hatte, nicht hätte besorgen können, und weshalb er nicht auch vom Boden aus die Reihenfolge der abzuladenden Gegenstände hätte angeben können. Indem der Kläger, über den erhaltenen Transportauftrag hinaus gehend, den beiden Arbeitern Weisungen erteilte und beim Hineintragen mithalf, machte er dem Beklagten nicht ein Angebot auf Ausdehnung des Auftrages oder Abschluss eines neuen Auftrages, das der Beklagte stillschweigend angenommen hätte. Der Beklagte war gar nicht anwesend und sah nicht, wie der Kläger sich verhielt. Der Kläger behauptet das auch nicht, sondern stellt sich nur auf den Standpunkt, der Beklagte habe seine Hilfe beim Hineintragen von vornherein "in Kauf nehmen müssen". Das genügte indessen nicht, um das angebliche Auftragsverhältnis zu schaffen. Nur wenn der Beklagte aus besonderen Umständen notwendigerweise hätte schliessen müssen, der Kläger werde unaufgefordert die Gegenstände in das Haus tragen helfen, könnte sein Schweigen allenfalls als Zustimmung ausgelegt werden. II.2. Der Kläger leitet seinen Schadenersatzanspruch gegen Fritz Flückiger sodann aus Art. 422 Abs. 1 OR ab, indem er geltend macht, das Interesse des Beklagten habe geboten, dass er, der Kläger, die transportierten Gegenstände in das Haus tragen helfe. Dass die Mitwirkung des Klägers wegen schmutzigen Umgeländes notwendig gewesen sei, ist nicht festgestellt. Wie der Appellationshof verbindlich ausführt, regnete es auch nicht und drohte es nicht zu regnen. Die Hilfe des Klägers war somit nicht dringlich. Es lagen auch sonst keine Umstände vor, aus denen der Kläger hätte schliessen dürfen, die Lage sei anders, als Fritz Flückiger sich vorgestellt hatte, und sie erfordere das BGE 95 II 93 S. 104 Eingreifen des Klägers. Insbesondere kann ein solcher Umstand nicht darin gesehen werden, dass eine bestimmte Reihenfolge des Abladens nötig gewesen wäre, die nur hätte eingehalten werden können, wenn Pauli auf dem Wagen blieb und der Kläger zusammen mit Ernst Flückiger die Gegenstände in das Haus trug. Auch entbehrt die Auffassung des Klägers, es habe im Interesse des Beklagten gelegen, dass die Zeit des Klägers nicht zu lange in Anspruch genommen werde, jeglicher tatbeständlicher Grundlage. Der Kläger sagt nicht - und hat es auch im kantonalen Verfahren nicht getan -, ob er für die Ausführung des Transportes Anspruch auf eine pauschale Vergütung hatte oder nach dem Zeitaufwand zu entlöhnen war. Wenn der Kläger seine Wartezeit verkürzen wollte, handelte er daher nicht notwendigerweise auch im Interesse des Beklagten. Vollends ist nicht zu ersehen, inwiefern das Interesse des Beklagten geboten haben sollte, dass der fachkundige vier- unddreissigjährige Schreiner Pauli, der vom Beklagten für das Hineintragen abgeordnet worden war, durch den im Schreinerfach nicht erfahrenen dreiundfünfzigjährigen Kläger ersetzt werde und auf der Ladebrücke untätig die Rückkehr der beiden Träger abwarte. Wenn schon die Mitwirkung einer dritten Person nützlich gewesen sein sollte, hätte der Kläger die Gegenstände bloss vom Lastwagen hinunterreichen und das Hineintragen in das Haus den vom Beklagten eigens dazu bestimmten beiden Arbeitern überlassen sollen. Übrigens ist nicht jede Geschäftsbesorgung, die nützlich ist, auch im Sinne des Art. 422 Abs. 1 OR im Interesse des Geschäftsherrn geboten. Sie ist es namentlich dann nicht, wenn der Geschäftsherr - wie im vorliegenden Falle der Beklagte durch Abordnung der beiden Träger Pauli und Ernst Flückiger - selber Anordnungen getroffen und damit kundgegeben hat, wie er in seinem Interesse die Geschäfte abgewickelt wissen wolle. Unter solchen Umständen könnte von einer im Interesse des Geschäftsherrn gebotenen Geschäftsbesorgung nur die Rede sein, wenn die Lage an Ort und Stelle anders gewesen wäre, als der Geschäftsherr glaubte, und sein Interesse mit einer gewissen Dringlichkeit die Abweichung von seinen Anordnungen verlangt hätte. II.3. Der Kläger wirft dem Beklagten Fritz Flückiger ferner eine unerlaubte Handlung vor, weil er sich nicht an Ort und Stelle vergewisserte, ob die Möbel gefahrlos hineingetragen werden könnten, insbesondere ob die nötigen Abschrankungen BGE 95 II 93 S. 105 vorhanden seien. Er macht geltend, der Beklagte hätte die Gefahr nicht nur im Interesse des Klägers, sondern auch im Interesse der beiden Arbeiter Pauli und Ernst Flückiger beseitigen müssen. Der Beklagte hatte den Kläger nicht beauftragt, die Gegenstände in das Haus zu tragen. Er war daher nicht verpflichtet, zum Schutze des Klägers im Hause irgendwelche Massnahmen zu treffen. Indem er solche unterliess, handelte er gegenüber dem Kläger nicht rechtswidrig. Dass das Anbringen der Abschrankung zum Schutze irgendwelcher im Hause verkehrenden Personen dem Beklagten obgelegen habe, weil er im Hause Schreinerarbeiten ausführte, wird mit Recht nicht geltend gemacht. Der gefährliche Zustand wurde nicht durch die Schreinerarbeiten geschaffen, sondern durch den unfertigen Zustand, in dem sich das Haus nach der Erstellung der Kellertreppe und des Windfanges durch die Maurer befand. Ob der Beklagte als Dienstherr der beiden Arbeiter Pauli und Ernst Flückiger die ihm durch Art. 339 OR auferlegten Pflichten verletzt habe, ist unerheblich. Pauli und Ernst Flückiger sind nicht verletzt worden, und aus ihrem Dienstverhältnis zum Beklagten vermag der Kläger nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Dieses Dienstverhältnis macht die Untätigkeit des Beklagten gegenüber dem Kläger nicht widerrechtlich. Übrigens wäre der Auffassung der Vorinstanz beizupflichten, wonach der Beklagte beim Abladen der Gegenstände und deren Hineintragen in das Haus nicht persönlich zugegen zu sein brauchte, da Pauli gelernter Schreiner ist und schon manchen Möbeltransport ausgeführt hatte. Pauli konnte ebensogut wie der Beklagte beurteilen, ob und inwiefern das Hineintragen der Gegenstände gefährlich sei und allenfalls Schutzmassnahmen voraussetze. Die Auffassung des Klägers, der Beklagte hätte persönlich in den Neubau vorausgehen sollen, um die Lage abzuklären, ist lebensfremd, zumal keine Anhaltspunkte namhaft gemacht werden, aus denen der Beklagte hätte schliessen müssen, dass der Generalunternehmer Fritz Schärer und sein Bauleiter ihre Pflicht nicht getan hatten. II.4. Der Kläger macht schliesslich geltend, Fritz Flückiger schulde ihm aus Art. 55 OR Schadenersatz, weil seine Arbeiter Pauli und Ernst Flückiger ihn in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtungen schädigten. Pauli hätte nicht zulassen sollen, dass der Kläger die gefährliche Verrichtung des Hineintragens BGE 95 II 93 S. 106 der Gegenstände übernehme; jedenfalls hätte er sich vorher vergewissern sollen, ob die nötigen Abschrankungen vorhanden seien, und er hätte den Kläger auf die Gefahr aufmerksam machen sollen. Pauli habe sich schuldhaft verhalten. Der Beklagte Fritz Flückiger sodann habe den Entlastungsbeweis, alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt zur Verhütung des Schadens angewendet zu haben, nicht erbracht. a) Die Mitwirkung des Klägers beim Hineintragen des Wandschrankes ist eine Mitursache des eingetretenen Körperschadens. Indem Pauli und Ernst Flückiger diese Mitwirkung duldeten und damit ihrerseits eine Ursache des Schadens setzten, handelten sie im Sinne des Art. 55 OR in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtungen. Dass sie von der Weisung ihres Dienstherrn abwichen, wonach sie selber die Gegenstände hätten in das Haus tragen sollen, ändert nichts. Es ist gerade das Ziel des Art. 55 OR , den Geschäftsherrn für das unrichtige Vorgehen seiner Hilfspersonen bei der Erfüllung ihrer dienstlichen Verrichtungen haften zu lassen (OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Auflage, II/1 S. 146). b) Die Vorinstanz und der Beklagte verneinen die Anwendbarkeit des Art. 55 OR mit der Begründung, Pauli und Ernst Flückiger hätten sich nicht widerrechtlich verhalten, indem sie duldeten, dass der Kläger beim Abladen und Hineintragen der Gegenstände das Kommando übernahm und Pauli auf den Lastwagen wies. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dass die Widerrechtlichkeit durch das Ergebnis begründet wurde, zu dem die Mitwirkung des Klägers führte, nämlich durch die gegen den Willen des Klägers herbeigeführte Körperverletzung. Die körperliche Unversehrtheit ist ein durch geschriebene und ungeschriebene Gebote und Verbote der Rechtsordnung geschütztes Rechtsgut. Wer sie durch Widerhandlung gegen solche Gebote oder Verbote verletzt, handelt widerrechtlich ( BGE 82 II 28 und dort erwähnte Entscheide; ferner BGE 88 II 280 f. Erw. 4 a, BGE 90 II 279 Erw. 4). Vorbehalten bleiben die Fälle, in denen der Eingriff in das verletzte Gut durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. An solche denkt denn auch Oftinger, indem er an der vom Beklagten angerufenen Stelle z.B. die Notwehr und den Notstand erwähnt (OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Auflage, II/1 S. 149). Solche Gründe hatten Pauli und Ernst Flückiger nicht, als sie duldeten, dass der Kläger den Wandschrank hineintragen half. Dass BGE 95 II 93 S. 107 solche Mitwirkung nicht schon an sich, abgesehen von der eingetretenen Körperverletzung, objektiv widerrechtlich war, schliesst die Anwendung des Art. 55 OR nicht aus. c) Möglicherweise will die Vorinstanz durch die Verneinung der Widerrechtlichkeit lediglich sagen, Pauli und Ernst Flückiger hätten nicht pflichtwidrig gehandelt, indem sie die Mitwirkung des Klägers duldeten. Auch unter diesem Gesichtspunkt lässt sich aber die Haftung des Beklagten nach Art. 55 OR nicht verneinen. Wie schon ausgeführt wurde, setzt diese Bestimmung nicht voraus, dass den Angestellten oder Arbeiter, der in Ausübung seiner dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen einen Schaden verursacht, ein Verschulden treffe. Blosse Verursachung genügt. Daher sind die Ausführungen des Klägers, wonach zum mindesten Pauli schuldhaft gehandelt habe, gegenstandslos. d) Der Beklagte als Geschäftsherr haftet nur, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen der von seinen Arbeitern hingenommenen Mitwirkung des Klägers beim Hineintragen des Schrankes und dem eingetretenen Unfall rechtserheblich, d.h. adäquat ist. Auch diese Voraussetzung ist indessen erfüllt. Es lag nicht ausserhalb des gewöhnlichen Laufes der Dinge, dass die Mitwirkung des Klägers beim Hineintragen des nicht sehr handlichen und rund 40 kg schweren Schrankes angesichts des gebotenen Rückwärtsgehens des Klägers und des Fehlens einer Abschrankung zwischen dem Windfang und der Kellertreppe zu einem Sturz über die Treppe hinunter und zu der eingetretenen Schädelverletzung führte. Dass der Kläger vorher beim Hineintragen anderer Gegenstände das Fehlen der Abschrankung wahrnahm oder hätte wahrnehmen können, macht den Kausalzusammenhang nicht inadäquat, sondern kann nur allenfalls im Sinne des Art. 44 OR Grund zur Herabsetzung der Ersatzpflicht sein. Auch die Verantwortung des Beklagten Schärer für das Fehlen der Abschrankung macht den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Arbeiter Pauli und Flückiger und dem Unfall nicht rechtlich unerheblich. Dieser Umstand kann die Ersatzpflicht des Beklagten Fritz Flückiger nur allenfalls gemäss Art. 43 OR mässigen. e) Zur Frage, ob der Beklagte alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet habe, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, hat die Vorinstanz nicht Stellung genommen, BGE 95 II 93 S. 108 und was der Beklagte in der Berufungsantwort vorbringt, genügt nicht, um den Entlastungsbeweis als erbracht zu erachten. Der Beklagte behauptet z.B. nicht, er habe Pauli und Ernst Flückiger ausdrücklich belehrt, sie dürften beim Hineintragen der Gegenstände keinen Dritten, insbesondere nicht den Kläger, mitwirken lassen, oder sie müssten sich vorsehen, dass ein mitwirkender Dritter nicht verunfallen könne. Er macht nur geltend, er habe einen gelernten Schreiner und einen Handlanger mit dem Hineintragen beauftragt, und mehr habe von ihm vernünftigerweise nicht verlangt werden können, denn nach OFTINGER, II/1 S. 156, dürfe sich der Geschäftsherr, der eine qualifizierte Hilfsperson anstelle, weitgehend auf sie verlassen, namentlich solange sie Arbeiten ausführe, für die sie vorgesehen und gut ausgewiesen sei. Damit verkennt der Beklagte, dass die Eigenschaft Paulis als gelernter Schreiner für einen unfallfreien Verlauf nur dann Gewähr geboten haben könnte, wenn Pauli selber den Schrank hätte hineintragen helfen oder mindestens den Kläger über das Vorgehen unterrichtet und ihn überwacht hätte. Statt dessen blieb er ohne ein Wort der Instruktion auf dem Lastwagen und überliess das Vorgehen dem Belieben des Klägers. Was unter diesen Umständen die berufliche Ausbildung Paulis hätte nützen können, ist nicht zu ersehen. Sie war keine Gewähr dafür, dass Pauli und Ernst Flückiger den Schrank persönlich hineintragen würden oder dass Pauli das Manöver wenigstens persönlich leite. Nur wenn der Beklagte besondere Umstände nachgewiesen hätte, aus denen hätte geschlossen werden dürfen, Pauli werde in dieser Hinsicht seine Pflicht erfüllen, hätten sich besondere Instruktionen seitens des Beklagten erübrigt. Solche Umstände werden aber keine namhaft gemacht. f) Der Beklagte Fritz Flückiger bestreitet die Haftung auch mit dem Einwand, der Kläger habe den Unfall ausschliesslich selber verschuldet. Er beruft sich also auf Art. 44 OR . Der Appellationshof hat indessen noch nicht entschieden, ob Umstände im Sinne dieser Bestimmung vorliegen. Dem Beklagten Schärer, dessen grundsätzliche Haftung er bejahte, hat er die Geltendmachung von Herabsetzungsgründen gemäss Art. 44 OR ausdrücklich vorbehalten. Der gleiche Vorbehalt hat für den Beklagten Fritz Flückiger zu gelten. Das Bundesgericht hat nicht schon heute zu entscheiden, ob und in welchem Grade sich Art. 44 OR zugunsten des Beklagten auswirke. BGE 95 II 93 S. 109 Somit ist die Berufung des Klägers gutzuheissen und die grundsätzliche Haftung des Beklagten Fritz Flückiger fest zustellen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die Berufung des Fritz Schärer wird abgewiesen, und das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern, II. Zivilkammer, vom 18. Dezember 1968 wird diesem Beklagten gegenüber bestätigt. 2.- Die Berufung des Klägers wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil, soweit es Fritz Flückiger betrifft, wird aufgehoben, und es wird festgestellt, dass Fritz Flückiger für den dem Kläger durch den Unfall vom 2. April 1964 verursachten Schaden grundsätzlich haftet.
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8a3b64b7-01b6-4bae-a1a2-c510e0b143be
Urteilskopf 102 Ia 175 27. Auszug aus dem Urteil vom 2. Juni 1976 i.S. Gemeinde Zermatt gegen Gentinetta und Staatsrat des Kantons Wallis.
Regeste Baupolizeirecht; Willkür; Gemeindeautonomie. Auslegung einer kommunalen Vorschrift über die Berechnung der für den Grenzabstand massgebenden Fassadenhöhe. Gesetzesumgehung durch nachträgliche Abdeckung eines bestehenden Fassadenteiles.
Sachverhalt ab Seite 175 BGE 102 Ia 175 S. 175 Nach Art. 29 des Zermatter Baureglementes (BR) ist die Fassadenhöhe eines Gebäudes zu messen ab gewachsenem Boden bis zum Schnittpunkt der Fassade mit der Dachlinie. "Sofern das fertige Terrain unter dem gewachsenen liegen wird, ist diese Linie massgebend". Nach der so berechneten Fassadenhöhe bestimmt sich der minimale Grenzabstand des Gebäudes ( 1/3 der Fassadenhöhe, mindestens aber 3 m). Dr. Leo Gentinetta ist Eigentümer einer Geschäfts- und Hotel-Liegenschaft in Zermatt. An der Südwestecke seines Grundstückes befindet sich ein dreigeschossiges Personalhaus. Bei dessen Erstellung im Jahre 1967 war der natürlich gewachsene Boden zwischen Grundstücksgrenze und Südfassade auf eine Tiefe von etwa 4 m ausgehoben worden. Dr. Gentinetta beabsichtigt eine nachträgliche Aufstockung dieses Personalhauses. Der Gemeinderat von Zermatt lehnte jedoch ein entsprechendes Baugesuch aus verschiedenen BGE 102 Ia 175 S. 176 Gründen ab. Nach den zuletzt eingereichten Plänen soll der seinerzeit zwischen der Grundstücksgrenze und der Südfassade des Personalhauses ausgehobene Raum mittels eines Gitterrostes und Zementplatten abgedeckt werden, so dass die Fassade der beiden unteren Stockwerke des bestehenden Personalhauses inskünftig nicht mehr sichtbar wären. Auf Beschwerde des Baugesuchstellers hin stellte der Staatsrat des Kantons Wallis fest, dass bei einer derartigen Konstruktion die für den Grenzabstand massgebende Fassadenhöhe von der neu zu schaffenden Abdeckung an zu messen sei, nicht vom jetzt sichtbaren fertigen Terrain aus. Aus feuerwehrtechnischen Gründen seien die Abstände bei Bauten von deren Höhe abhängig gemacht. Je höher ein Gebäude, umso mehr Manövrierraum benötige die Feuerwehr. Grundsätzlich sei bei Abgrabungen vom fertigen neuen Terrain auszugehen. Durch das Abdecken mit Zementplatten und Gitterrost werde aber eine neue Niveaulinie erreicht, die massgebend sei. Gestützt auf diese Argumentation hob der Staatsrat den ablehnenden Baubescheid der Gemeinde auf und überwies das Gesuch zur weiteren Prüfung an die kantonale Baukommission. Die Gemeinde Zermatt führt hiegegen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (Art. 29 BR enthält eine Vorschrift des autonomen Gemeinderechtes. Die Autonomie ist verletzt, wenn sich die Auslegung des Staatsrates als willkürlich erweist). 2. (Eine Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie kann sich auch gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide richten.) 3. Art. 29 BR regelt die Berechnung der massgebenden Fassadenhöhe in klarer Weise. Nach dem zweiten Satz dieser Vorschrift ist beim bestehenden Personalhaus, das jetzt aufgestockt werden soll, die Höhe vom "fertigen Terrain" aus zu messen, d.h. von einer Linie, welche etwa 4 m unter dem gewachsenen Boden liegt; denn bei der Errichtung des Gebäudes wurde das Terrain entsprechend verändert. Dass beim Status quo so zu messen ist, wird auch vom Staatsrat anerkannt. Er vertritt jedoch die Auffassung, wenn auf der Höhe des BGE 102 Ia 175 S. 177 ursprünglich gewachsenen Bodens zwischen der Grundstücksgrenze und dem bestehenden Gebäude eine Abdeckung angebracht werde, so sei die massgebende Fassadenhöhe erst von dieser Abdeckung aus zu messen. a) Mit Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass die Vorschriften über den Grenzabstand von Gebäuden keineswegs ausschliesslich aus feuerpolizeilichen Gründen aufgestellt werden. Ob die projektierte Abdeckung feuerpolizeilich die gleiche Situation schaffen würde, wie sie bei gewachsenem Boden oder "fertigem Terrain" auf dieser Höhe bestände, kann offen bleiben. Die Bemessung des Grenzabstandes nach der Fassadenhöhe hat auch und sogar in erster Linie die gesundheitspolizeiliche Funktion, den untern Geschossen eines Hauses ein Minimum an Licht und Besonnung zu sichern. Dieser Zweck von Art. 29 BR würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn es zulässig wäre, im Fall einer unter dem gewachsenen Boden errichteten Baute hinterher durch eine Abdeckung auf der Höhe des gewachsenen Bodens zu erreichen, dass nun bei der Berechnung von massgebender Fassadenhöhe und Grenzabstand die als oberirdische Geschosse konzipierten, aber jetzt unter der Abdeckung liegenden Gebäudeteile nicht mehr berücksichtigt werden müssten. Durch diese Interpretation hätte Art. 29 BR, der nach dem Gesagten den untern Geschossen ein Minimum an Licht und Sonne sichern sollte, zur Folge, dass in engen Verhältnissen diese Geschosse durch Abdeckung noch zusätzlich benachteiligt würden, damit bei unverändertem Grenzabstand höher gebaut werden dürfte. Eine ausgesprochene Verschlechterung der Belichtung und Belüftung bestehender Geschosse würde im vorliegenden Fall die sonst vorschriftswidrige Aufstockung des Gebäudes ermöglichen. Diese Auslegung von Art. 29 BR ist unter Berücksichtigung der gesundheitspolizeilichen Funktion der Bestimmung nicht haltbar. b) Zur Stützung ihrer Auffassung berufen sich der Staatsrat und der Beschwerdegegner Dr. Gentinetta darauf, dass Untergeschosse mit Lichtschächten zulässig seien und dass es in diesen Fällen für die Bemessung des Grenzabstandes nur auf die oberirdische Fassade ankomme. In der Vernehmlassung von Dr. Gentinetta wird sinngemäss behauptet, es gehe eigentlich hier nur darum, einen bereits bei der Erstellung der Baute errichteten Lichtschacht jetzt in der üblichen Weise mit BGE 102 Ia 175 S. 178 einer begehbaren Abdeckung zu versehen. Diese Argumentation ist nicht stichhaltig. Im vorliegenden Fall ist nicht zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen und zu welchen Zwecken (Keller, Lager, Garage, Atelier usw.) allenfalls unterirdische Räume gebaut werden dürfen, die lediglich durch sogenannte Lichtschächte Luft und natürliches Licht erhalten. Der Staatsrat hat sich denn auch folgerichtig mit der Problematik unterirdischer Räume gar nicht auseinandergesetzt. Die von der Abdeckung betroffenen Personalräume sind nicht als unterirdische Geschosse konzipiert und gebaut worden. Durch Gitterrost und Zementplatten sollen bisher oberirdische Geschosse ohne Änderung der Nutzungsart der betroffenen Räume zu eigentlichen Untergeschossen gemacht werden, damit nach der Auslegung, welche der Staatsrat dem Art. 29 BR gibt, der erforderliche Grenzabstand auch bei der projektierten Aufstockung gewahrt bleibt. In der Beschwerde der Gemeinde wird erklärt, dass gegen die Verwendung von Zementplatten und Gitterrost nichts einzuwenden sei, wenn es darum gehe, Lichtschächte unterirdischer Räume abzudecken. Falls Dr. Gentinetta im Zuge des projektierten Erweiterungsbaus die "abzudeckenden", bisher oberirdischen Personalräume andern Zwecken zuführen möchte, könnte unter Umständen die Abdeckung bewilligt werden und gegen die jetzt vom Staatsrat vertretene Berechnung von Fassadenhöhe und Grenzabstand wäre dann nichts einzuwenden. Von einer solchen Umgestaltung und Zweckänderung des bestehenden Gebäudes ist aber nicht die Rede. Der Staatsrat musste bei seinem Entscheid davon ausgehen, dass die beiden durch die Abdeckung betroffenen Geschosse auch inskünftig unverändert als Personalräume benützt werden sollen. Unter den gegebenen Voraussetzungen erscheint es als willkürlich, die nach Art. 29 BR für den Grenzabstand massgebende Fassadenhöhe von der projektierten Abdeckung an zu messen, obschon der "abgedeckte" Fassadenteil zwei Geschosse betrifft, die als oberirdische Geschosse konzipiert sind und auch weiterhin in gleicher Weise Angestelltenzimmer umfassen sollen. Die Befürchtung der Gemeinde Zermatt, dass eine solche Auslegung ihres Baureglementes zu Missbräuchen führen würde, ist begründet. Der zweite Satz von Art. 29 BR liesse sich praktisch fast immer durch eine solche BGE 102 Ia 175 S. 179 Abdeckung auf der Höhe des ursprünglichen gewachsenen Bodens umgehen. Mit seiner sachlich nicht vertretbaren Interpretation der kommunalen Bestimmung von Art. 29 BR hat der Staatsrat die Gemeindeautonomie verletzt. Die staatsrechtliche Beschwerde der Gemeinde Zermatt ist daher gutzuheissen.
public_law
nan
de
1,976
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
8a3de235-6721-441f-bc83-e0a1ca6974c2
Urteilskopf 137 V 64 9. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. F. gegen IV-Stelle Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_871/2010 vom 25. Februar 2011
Regeste a Art. 95 lit. a, Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG . Kognitionsrechtliche Grundsätze im Zusammenhang mit anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen und damit vergleichbaren syndromalen Beschwerdebildern (E. 1.2). Regeste b Art. 4 IVG ; Art. 6, 7 und 8 ATSG ; Diagnose nichtorganische Hypersomnie (ICD-10: F51.1). Die Rechtsprechung zu den anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen ( BGE 130 V 352 und seitherige) ist sinngemäss anwendbar, wenn sich die Frage nach der invalidisierenden Wirkung einer nichtorganischen Hypersomnie stellt (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 65 BGE 137 V 64 S. 65 A. Der 1958 geborene F. war von März 1977 bis Dezember 2005 bei der Firma X. AG angestellt, zuletzt als Vorarbeiter sowie als Leiter des Reinigungsteams. Wegen zunehmender Müdigkeit, erhöhtem Schlafbedürfnis und unerklärlicher Leistungsverminderung trat er am 24. März 2003 zur stationären Abklärung in die Medizinische Klinik Y. ein, welche bis zum 2. April 2003 dauerte und hinsichtlich der geltend gemachten Beschwerden keine eindeutigen Ergebnisse zeitigte. Im Rahmen einer Verlaufsbeurteilung diagnostizierten die Klinik-Ärzte am 15. Dezember 2003 u.a. eine Hypersomnie unklarer Ätiologie. Der seit 21. März 2003 krankgeschriebene Versicherte ging auch in der Folge keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Bereits im November 2003 hatte er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Nach Durchführung verschiedenster Abklärungsmassnahmen lehnte die IV-Stelle Luzern (nachfolgend: IV-Stelle) mit Verfügung vom 2. Mai 2006 und Einspracheentscheid vom 11. August 2006 das Rentengesuch mangels eines nachweisbaren Gesundheitsschadens mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit ab. Auf Beschwerde von F. hin hob das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern den angefochtenen Einspracheentscheid auf und wies die Akten zu ergänzender medizinischer Abklärung und anschliessender neuer Verfügung an die Verwaltung zurück (Entscheid vom 11. Juli 2007). Diese liess den Versicherten während eines vom 15. bis 19. September 2008 dauernden stationären Aufenthaltes in der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) Z. polydisziplinär untersuchen. Nach Eingang der Expertise vom 26. Februar 2009 lehnte die IV-Stelle das Rentenbegehren von F. mit Verfügung vom 9. Juni 2009 wiederum ab, weil weder ein organischer noch ein psychischer Gesundheitsschaden mit Auswirkungen auf die funktionelle Leistungsfähigkeit habe objektiviert werden können. B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 21. September 2010 ab. C. F. führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Zusprechung einer ganzen Invalidenrente ab 1. Oktober 2003 (einschliesslich akzessorischer Zusatzrenten); eventuell sei die Sache zur ergänzenden medizinischen Abklärung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1.2 Im Rahmen der Invaliditätsbemessung - namentlich bei der Ermittlung von Gesundheitsschaden, Arbeitsfähigkeit und BGE 137 V 64 S. 66 Zumutbarkeitsprofil sowie bei der Festsetzung von Validen- und Invalideneinkommen - sind zwecks Abgrenzung der (für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen) Tatsachenfeststellungen von den (letztinstanzlich frei überprüfbaren) Rechtsanwendungsakten der Vorinstanz weiterhin die kognitionsrechtlichen Grundsätze heranzuziehen, wie sie in BGE 132 V 393 E. 3 S. 397 ff. für die ab 1. Juli bis 31. Dezember 2006 gültig gewesene Fassung von Art. 132 des nunmehr aufgehobenen OG entwickelt wurden. Soweit die Beurteilung der Zumutbarkeit von Arbeitsleistungen auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt wird, geht es um eine Rechtsfrage ; dazu gehören auch Folgerungen, die sich auf medizinische Empirie stützen, zum Beispiel die Vermutung, dass eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung oder ein vergleichbarer ätiologisch unklarer syndromaler Zustand mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar sei ( BGE 131 V 49 mit Hinweisen; SVR 2008 IV Nr. 8 S. 24, I 649/06 E. 3.2 am Ende). Im Übrigen gilt in diesem Zusammenhang Folgendes: Zu den vom Bundesgericht nur eingeschränkt überprüfbaren Tatsachenfeststellungen zählt zunächst, ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (oder ein damit vergleichbarer syndromaler Zustand) vorliegt, und bejahendenfalls sodann, ob eine psychische Komorbidität oder weitere Umstände gegeben sind, welche die Schmerzbewältigung behindern. Als Rechtsfrage frei überprüfbar ist, ob eine festgestellte psychische Komorbidität hinreichend erheblich ist und ob einzelne oder mehrere der festgestellten weiteren Kriterien in genügender Intensität und Konstanz vorliegen, um gesamthaft den Schluss auf eine nicht mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbare Schmerzstörung und somit auf eine invalidisierende Gesundheitsschädigung zu gestatten (SVR 2008 IV Nr. 23 S. 72, I 683/06 E. 2.2). 2. Kantonales Gericht und IV-Stelle haben die gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit ( Art. 6 und 7 ATSG [SR 830.1]), Invalidität ( Art. 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 IVG ) sowie zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten ( BGE 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis; vgl. auch SUSANNE BOLLINGER, Der Beweiswert psychiatrischer Gutachten in der Invalidenversicherung unter besonderer Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, Jusletter vom 31. Januar 2011) richtig dargelegt. Hierauf wird verwiesen. 3. Im MEDAS-Gutachten vom 26. Februar 2009 bescheinigten Spezialärzte internistischer, neurologischer und psychiatrischer BGE 137 V 64 S. 67 Fachrichtung als Diagnose mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit einzig eine nichtorganische Hypersomnie (ICD-10: F51.1). Die Gutachter konnten weder klinisch noch anamnestisch eine organische Ursache für die vom Beschwerdeführer angegebene starke Tagesmüdigkeit mit übermässigem Schlafbedürfnis (trotz langem Nachtschlaf) und allgemeiner Kraftlosigkeit finden. Ebenso wenig bestünden Hinweise für eine andere psychiatrische Erkrankung. Die Diagnose stütze sich auf die subjektiven Angaben des Versicherten, die fremdanamnestischen Angaben seiner Ehefrau wie auch auf die Berichte der behandelnden Ärzte. Aufgrund der bescheinigten nichtorganischen Hypersomnie sei der Beschwerdeführer sowohl in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als auch in jeder anderweitigen Erwerbstätigkeit als nicht mehr arbeitsfähig zu betrachten. 4. Während der Beschwerdeführer gestützt auf die MEDAS-Expertise eine ganze Invalidenrente zufolge vollständiger Erwerbseinbusse verlangt, stellt sich die Vorinstanz auf den Standpunkt, die invalidisierende Wirkung des von den Gutachtern diagnostizierten Leidens beurteile sich sinngemäss nach der Rechtsprechung zu den anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen und sei im Lichte der dort herangezogenen Kriterien zu verneinen. 4.1 Der vorinstanzliche Hinweis gilt der Gerichtspraxis, wonach eine fachärztlich (psychiatrisch) diagnostizierte anhaltende somatoforme Schmerzstörung als solche noch keine Invalidität begründet. Vielmehr besteht eine Vermutung, dass die somatoforme Schmerzstörung oder ihre Folgen mit einer zumutbaren Willensanstrengung überwindbar sind. Bestimmte Umstände, welche die Schmerzbewältigung intensiv und konstant behindern, können den Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess unzumutbar machen, weil die versicherte Person alsdann nicht über die für den Umgang mit den Schmerzen notwendigen Ressourcen verfügt. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, entscheidet sich im Einzelfall anhand verschiedener Kriterien. Im Vordergrund steht die Feststellung einer psychischen Komorbidität von erheblicher Schwere, Ausprägung und Dauer. Massgebend sein können auch weitere Faktoren, so: chronische körperliche Begleiterkrankungen; ein mehrjähriger, chronifizierter Krankheitsverlauf mit unveränderter oder progredienter Symptomatik ohne längerdauernde Rückbildung; ein sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens; ein verfestigter, therapeutisch nicht mehr beeinflussbarer innerseelischer Verlauf einer an sich missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer Krankheitsgewinn; "Flucht in die BGE 137 V 64 S. 68 Krankheit"); das Scheitern einer konsequent durchgeführten ambulanten oder stationären Behandlung (auch mit unterschiedlichem therapeutischen Ansatz) trotz kooperativer Haltung der versicherten Person. Je mehr dieser Kriterien zutreffen und je ausgeprägter sich die entsprechenden Befunde darstellen, desto eher sind - ausnahmsweise - die Voraussetzungen für eine zumutbare Willensanstrengung zu verneinen ( BGE 136 V 279 E. 3.2.1 S. 281 f.; BGE 132 V 65 E. 4.2 S. 70; BGE 131 V 49 ; BGE 130 V 352 ; SVR 2008 IV Nr. 62 S. 204, 9C_830/ 2007 E. 4.2; vgl. auch BGE 135 V 201 E. 7.1.2 und 7.1.3 S. 212 f. sowie 215 E. 6.1.2 und 6.1.3 S. 226 f.; ULRICH MEYER-BLASER, Der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit und seine Bedeutung in der Sozialversicherung, in: Schmerz und Arbeitsunfähigkeit, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 2003, S. 27 ff., 77). 4.2 Diese im Bereich der somatoformen Schmerzstörungen entwickelten Grundsätze werden rechtsprechungsgemäss bei der Würdigung des invalidisierenden Charakters von Fibromyalgien ( BGE 132 V 65 E. 4 S. 70), dissoziativen Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen (SVR 2007 IV Nr. 45 S. 150, I 9/07 E. 4 am Ende), Chronic Fatigue Syndrome (CFS; chronisches Müdigkeitssyndrom) und Neurasthenie (Urteile 9C_662/2009 vom 17. August 2010 E. 2.3; 9C_98/2010 vom 28. April 2010 E. 2.2.2 und I 70/07 vom 14. April 2008 E. 5) sowie bei dissoziativen Bewegungsstörungen (Urteil 9C_903/2007 vom 30. April 2008 E. 3.4) analog angewendet. Ferner entschied das Bundesgericht in BGE 136 V 279 , dass sich ebenfalls sinngemäss nach der in E. 4.1 hievor dargelegten Rechtsprechung beurteilt, ob eine spezifische und unfalladäquate HWS-Verletzung (Schleudertrauma) ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle invalidisierend wirkt. 4.3 Charakteristisch für eine Hypersomnie sind verlängerter Nachtschlaf, eine übermässige Schlafneigung während des Tages bis hin zu Schlafanfällen (welche allerdings von den Betroffenen verhindert werden können) oder eine verlängerte Schlaftrunkenheit in der Aufwachphase. Die Tagesmüdigkeit darf nicht nur Folge ungenügenden Nachtschlafs oder verlängerter Übergangszeiten vom Schlaf in den Wachzustand sein. Beim Fehlen einer organischen Ursache (nichtorganische, "psychogene" Hypersomnie) ist das Beschwerdebild gewöhnlich mit anderen psychischen Störungen verbunden (Klinisch-diagnostische Leitlinien der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Internationalen Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V: F51.1; FICHTER/RIEF, in: Psychiatrie und BGE 137 V 64 S. 69 Psychotherapie, Gastpar/Kasper/Linden [Hrsg.], 2. Aufl., Wien 2002, S. 208 f.; PITZER/SCHMIDT, in: Lehrbuch der Klinischen Psychologie und Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen, Günter Esser [Hrsg.], 3. Aufl., Stuttgart 2008, S. 435). Der vorinstanzlichen Rechtsauffassung, wonach bei nichtorganischen Hypersomnien ebenfalls die Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen ( BGE 130 V 352 und seitherige) sinngemäss heranzuziehen sei, ist beizupflichten. Aus Gründen der Rechtsgleichheit ist es geboten, sämtliche pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebilder ohne nachweisbare organische Grundlage den gleichen sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen zu unterstellen ( BGE 136 V 279 E. 3.2.3 S. 283 mit Hinweis). Es ist daher auch bei einer diagnostizierten nichtorganischen Hypersomnie nach den von der Rechtsprechung formulierten Kriterien zu prüfen, inwiefern die versicherte Person über psychische Ressourcen verfügt, die es ihr erlauben, mit dem Leiden umzugehen und trotzdem zu arbeiten (E. 4.1 hievor). 5. 5.1 Unter einlässlicher Würdigung der gesamten medizinischen Akten, namentlich auch des MEDAS-Gutachtens, prüfte das kantonale Gericht im Einzelnen die massgebenden Morbiditätskriterien und gelangte zum zutreffenden Schluss, dass beim Beschwerdeführer weder ein mitwirkendes psychisches Leiden von erheblicher Schwere, Ausprägung und Dauer erhoben werden konnte noch die anderen qualifizierenden Kriterien in derartiger Zahl, Intensität und Konstanz vorliegen, dass insgesamt von einer unzumutbaren Willensanstrengung zur Verwertung der verbliebenen Arbeitskraft - zumindest bei körperlich leichter Beschäftigung - auszugehen wäre. Eine rentenbegründende Erwerbseinbusse kann bei uneingeschränkter Leistungsfähigkeit im Rahmen einer entsprechenden Verweisungstätigkeit ausgeschlossen werden. 5.2 Sämtliche in der Beschwerdeschrift erhobenen Einwendungen vermögen an dieser Betrachtungsweise nichts zu ändern: Dies gilt vorab für das Eventualbegehren betreffend medizinischer Sachverhaltsergänzungen. Weil die antizipierte Beweiswürdigung der Vorinstanz, wonach keine weiteren ärztlichen Abklärungen erforderlich seien, Fragen tatsächlicher Natur beschlägt, ist sie für das Bundesgericht verbindlich (teilweise publ. E. 1). Eine selbständige, von der Hypersomnie losgelöste psychische Komorbidität liegt sodann und insbesondere nach den Darlegungen der MEDAS nicht vor (und wird BGE 137 V 64 S. 70 vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht). Ebenso wenig lässt sich eine hinreichend ausgeprägte körperliche Begleiterkrankung ausmachen, werden doch die neben der Hypersomnie vorliegenden Beschwerden im MEDAS-Gutachten ausdrücklich den Nebendiagnosen "ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit" zugerechnet. Wie die Vorinstanz ferner mit zutreffender Begründung - auf welche verwiesen werden kann - dargelegt hat, besteht trotz Rückzugstendenzen kein sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens. Ein primärer Krankheitsgewinn liegt ebenfalls nicht vor. Vielmehr stellten die Fachärzte der MEDAS fest, dass der Versicherte aus seinem "praktisch ausschliesslich ... passiven Lebensstil" insofern einen "ausgeprägten sekundären Krankheitsgewinn" zu ziehen scheine, als er "von seinen Angehörigen geschont und unterstützt und dabei in seiner Krankenrolle lediglich bestätigt und fixiert" werde. Schliesslich ist der Beschwerdeführer entgegen seines Einwands noch in keiner Weise "austherapiert". Denn unter dem hier einzunehmenden objektiven Blickwinkel reicht es für eine Bejahung des Kriteriums nicht, dass die versicherte Person sämtliche Therapievorschläge des Hausarztes oder der übrigen behandelnden Ärzte in kooperativer Weise umgesetzt hat, solange und soweit bisher nicht oder nicht ausreichend genutzte zumutbare (ambulante oder stationäre) Behandlungsmöglichkeiten aus fachärztlicher Sicht weiterhin indiziert sind (Urteil 9C_662/2009 vom 17. August 2010 E. 3.2.1). In der MEDAS-Expertise wird ausgeführt, dass das therapeutische Potential noch keineswegs ausgeschöpft sei. In Übereinstimmung mit der einschlägigen medizinischen Fachliteratur (FICHTER/RIEF, a.a.O., S. 209) empfehlen die Gutachter u.a. eine intensive Psychotherapie (mindestens eine Sitzung pro Woche) zwecks Aufdeckung und Bearbeitung eventueller unbewusster Konflikte. Dabei sei mit der Möglichkeit einer positiven Veränderung der Arbeitsfähigkeit innerhalb von einem bis zwei Jahren zu rechnen. Solange diese zumutbare therapeutische Option nicht konsequent und motiviert verfolgt wurde, kann von einem Scheitern des gesamten zur Verfügung stehenden Behandlungsspektrums nicht die Rede sein. Es genügt nicht, dass das Merkmal des mehrjährigen, chronifizierten Verlaufs der Schlafstörung mit unveränderter oder progredienter Symptomatik ohne längerdauernde Remission hier nicht von der Hand gewiesen werden kann. Denn für sich allein reicht dieses Kriterium aus IV-rechtlicher Sicht nicht aus, um in einer körperlich leichten Erwerbstätigkeit eine Leistungseinschränkung zu begründen (vgl. BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50 oben; SVR 2007 IV Nr. 44 S. 146, I 946/ BGE 137 V 64 S. 71 05 E. 4.4 am Ende; Urteile 9C_662/2009 vom 17. August 2010 E. 3.3 und 9C_98/2010 vom 28. April 2010 E. 2.2.2). Nach dem Gesagten vermag die von den MEDAS-Fachärzten in ihrem (ansonsten in keiner Weise zu beanstandenden) Gutachten bescheinigte vollständige Arbeitsunfähigkeit einer Überprüfung anhand der normativen Leitlinien gemäss BGE 130 V 352 und seitheriger Rechtsprechung nicht standzuhalten.
null
nan
de
2,011
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
8a428799-e9be-42c7-9a64-894a4f06dfbd
Urteilskopf 86 III 1 1. Entscheid vom 8. Januar 1960 i.S. H.
Regeste Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden. Anwendbarkeit des kantonalen Rechts. Das Erfordernis eigenhändiger Unterzeichnung der Rechtsschriften ist nicht bundesrechtswidrig.
Sachverhalt ab Seite 1 BGE 86 III 1 S. 1 Mit Beschwerde vom 10./12. Oktober 1959 beantragte Dr. H., die gegen ihn gerichtete Betreibung Nr. 5248 des Betreibungsamtes Zürich 7 sei wegen örtlicher Unzuständigkeit dieses Amtes aufzuheben; eventuell sei sie bis zur Erledigung eines beim Kassationsgericht des Kantons Zürich hängigen Verfahrens einzustellen. Die untere Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde am 18. November 1959 BGE 86 III 1 S. 2 ab. Die kantonale Aufsichtsbehörde trat auf den Rekurs des Beschwerdeführers gegen diesen Entscheid am 11. Dezember 1959 unter Hinweis auf die Entscheidungen ZR 49 Nr. 111 und 50 Nr. 19 nicht ein, "da die Rekursschrift vom Beschwerdeführer nicht eigenhändig unterzeichnet worden ist." (Das "Gerichtsdoppel" dieser Rechtsschrift ist überhaupt nicht unterschrieben, das "Doppel für den Rekursgegner" lediglich mit dem Faksimilestempel "Dr. H. .." versehen.) Den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde hat der Beschwerdeführer an das Bundesgericht weitergezogen. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab, soweit darauf eingetreten werden kann. Erwägungen Erwägungen: Aus dem Hinweis auf ZR 49 Nr. 111 und 50 Nr. 19 erhellt, dass die Vorinstanz ihren Schluss, der an sie gerichtete Rekurs sei mangels eigenhändiger Unterzeichnung der Rekursschrift unwirksam, auf das kantonale Recht gestützt hat. Unter Vorbehalt gewisser bundesrechtlich geregelter Punkte (wie namentlich der Rechtsmittelfristen, Art. 17 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 SchKG ) ist es in der Tat Sache des kantonalen Rechts, das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden zu ordnen und insbesondere darüber zu bestimmen, welchen formellen Anforderungen die Beschwerde im Sinne von Art. 17 und die Weiterziehung im Sinne von Art. 18 SchKG zu genügen haben (vgl. BGE 31 I 536 - Sep.ausg. 8 S. 244). Das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift, das die Vorinstanz aus dem hienach grundsätzlich massgebenden kantonalen Recht abgeleitet hat, widerspricht keinem Satze des Bundesrechts. Wenn das kantonale Recht die eigenhändige Unterzeichnung der Rechtsschriften verlangt, stimmt es vielmehr mit dem für das Verfahren vor Bundesgericht geltenden Art. 30 Abs. 1 OG überein. Ob die Vorinstanz das kantonale Recht richtig angewendet habe, kann vom Bundesgericht entgegen der Auffassung BGE 86 III 1 S. 3 des Rekurrenten nicht überprüft werden, da mit dem Rekurs an das Bundesgericht nur geltend gemacht werden kann, der angefochtene Entscheid beruhe auf einer Verletzung des Bundesrechts (Art. 81 in Verbindung mit Art. 43 OG ).
null
nan
de
1,960
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
8a4631c0-47e7-40c3-a568-20e937387bd9
Urteilskopf 115 II 317 58. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Juli 1989 i.S. X. gegen X. (Berufung)
Regeste Art. 156 Abs. 1 und 274 Abs. 1 ZGB; Zuteilung der Kinder bei Scheidung der Eltern. Auch wenn die Mutter durch ihren Wegzug mit den Kindern absichtlich eine grosse räumliche Distanz zum Vater geschaffen hat und damit die Beziehung zwischen ihm und den Kindern behindert, rechtfertigt es sich nicht, die Kinder zwischen den Eltern aufzuteilen. Kinder geschiedener Eltern sollen vielmehr nach Möglichkeit nicht getrennt werden.
Sachverhalt ab Seite 317 BGE 115 II 317 S. 317 A.- M. X. und U. Y. heirateten im Oktober 1974. Ihrer Ehe entsprossen drei Kinder, nämlich André, geboren 1976, Monika, geboren 1978, und Sandra, geboren 1979. Der Ehemann ist als Mittelschullehrer tätig, während die Ehefrau, die ebenfalls ausgebildete Lehrerin ist, heute keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht. Die Ehefrau verliess Mitte 1984 mit den drei Kindern den Ehemann, blieb aber zunächst in der Schweiz. Im April 1987 übersiedelte sie jedoch mit den Kindern nach Norddeutschland, wo alle vier heute noch wohnen. B.- In Gutheissung der Klage der Ehefrau und der Widerklage des Ehemannes schied das Bezirksgericht mit Urteil vom 25. November 1987 die Ehe der Parteien. Es teilte den Knaben BGE 115 II 317 S. 318 André dem Vater und die beiden Mädchen der Mutter zu und wies die zuständigen Vormundschaftsbehörden in der Schweiz und in Deutschland an, geeignete Massnahmen im Sinne von Art. 307 Abs. 1 ZGB zu treffen, insbesondere die Besuchs- und Ferienregelung zwischen Eltern und Kindern zu überwachen. Die Klägerin reichte gegen dieses Urteil beim Obergericht Appellation ein, mit welcher sie die Unterstellung des Sohnes André unter ihre elterliche Gewalt und die Verpflichtung des Beklagten zu Unterhaltsleistungen auch für dieses Kind verlangte. Der Beklagte, der zunächst lediglich die Abweisung der klägerischen Begehren beantragt hatte, erhob ungefähr acht Monate nach Eingang der Appellation Anschlussappellation mit dem Begehren um Zuteilung aller Kinder an ihn. Eventualiter verlangte er, dass der Kindsmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen werde und an ihrer Stelle das zuständige Jugendamt in der BRD als Aufenthaltsbestimmungspfleger einzusetzen sei. Mit Urteil vom 12. Januar 1989 hiess das Obergericht die Appellation gut und trat auf die Anschlussappellation wegen Verspätung nicht ein. Es änderte das erstinstanzliche Urteil insofern ab, als es alle drei Kinder unter die elterliche Gewalt der Klägerin stellte und die zuständige deutsche Kreisjugendbehörde mit der Überwachung der Ferienregelung betraute, wobei es dem Beklagten ein Ferienrecht von sieben Wochen pro Jahr einräumte. Im weitern hat es in Abänderung der Vereinbarung der Parteien den Beklagten verpflichtet, an den Unterhalt der Kinder monatliche indexierte Beiträge von je Fr. 450.--/Fr. 500.--/Fr. 550.--, abgestuft nach dem Alter der Kinder, zu leisten. C.- Der Beklagte legt beim Bundesgericht Berufung ein mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei hinsichtlich der Zuteilung des Kindes André aufzuheben und dieses Kind sei unter seine elterliche Gewalt zu stellen; ferner sei die obergerichtliche Änderung der Vereinbarung der Parteien über die Nebenfolgen der Scheidung aufzuheben und die durch das Bezirksgericht genehmigte Vereinbarung zu bestätigen. Die Klägerin beantragt die Bestätigung des obergerichtlichen Urteils. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt. BGE 115 II 317 S. 319 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Scheidungsrichter hat gemäss Art. 156 ZGB über die Gestaltung der Elternrechte und der persönlichen Beziehungen der Eltern zu den Kindern die nötigen Verfügungen zu treffen. Nach ständiger Rechtsprechung hat bei der Entscheidung, welchem Elternteil die Erziehung und Sorge für die Kinder übertragen werden soll, stets das Wohl der Kinder Vorrang vor allen andern Überlegungen, insbesondere vor den Wünschen der Eltern ( BGE 112 II 382 ; BGE 114 II 201 E. 3; BÜHLER/SPÜHLER, N 64 f. zu Art. 156 ZGB ). Ist die Erziehungsfähigkeit beider Eltern zu bejahen, entspricht es in aller Regel dem Kindeswohl kleinerer Kinder am besten, wenn sie demjenigen Elternteil zugeteilt werden, welcher in der Lage ist, die Kinder - vor allem Kleinkinder und im obligatorischen Schulalter stehende Kinder - weitgehend persönlich zu betreuen ( BGE 112 II 382 E. 3 und BGE 111 II 227 E. 2). Ferner ist zu beachten, dass Geschwister nach Möglichkeit nicht getrennt werden sollen, gilt es doch, die Vorteile der Koedukation in einer Familiengemeinschaft und das infolge der Scheidung der Eltern besonders schutzwürdige Zusammengehörigkeitsgefühl der Kinder nicht ohne zwingende Gründe zu gefährden (HINDERLING, Das Schweizerische Ehescheidungsrecht, Zusatzband, S. 97; BÜHLER/SPÜHLER, N 101 zu Art. 156 ZGB ). In allen Fällen ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände diejenige Lösung zu treffen, welche die für eine harmonische Entfaltung der Kinder in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht notwendige Stabilität der Verhältnisse gewährleistet ( BGE 111 II 227 mit Hinweisen; BGE 114 II 201 E. 3). Das Bundesgericht belässt nach ständiger Praxis dem kantonalen Sachrichter bei der Beurteilung dieser schwierigen Fragen einen grossen Ermessensspielraum, in welchen es nur eingreift, wenn die Vorinstanz bei ihrer Entscheidung Umstände berücksichtigt hat, die nach dem Sinn des Gesetzes keine Rolle spielen dürfen, oder wenn sie wesentliche Gesichtspunkte ausser acht gelassen hat (BÜHLER/SPÜHLER, N 62 zu Art. 156 ZGB ; BGE 112 II 382 ; BGE 111 II 227 und zahlreiche frühere Entscheide). 3. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit ihrem Wegzug im Jahre 1987 nach Norddeutschland eine grosse örtliche Distanz der Kinder zu ihrem Vater geschaffen und - offenbar grundlos - auch sonst versucht, die Beziehung zwischen ihren Kindern und deren Vater zu behindern, wenn nicht gar zu verunmöglichen. Sie hat damit gegen Art. 274 Abs. 1 ZGB verstossen, wonach Mutter BGE 115 II 317 S. 320 und Vater alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum andern Elternteil beeinträchtigt. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte aus diesem Grunde Zweifel an der erzieherischen Fähigkeit seiner geschiedenen Ehefrau äussert. In der neueren Literatur wird bei der Frage der Zuteilung der Kinder - neben den anderen wesentlichen Grundsätzen - mit Recht besonderes Gewicht auf das Beziehungsgeflecht auch in der Nachscheidungsfamilie gelegt und auf die überragende Bedeutung hingewiesen, welcher der Aufrechterhaltung der Beziehungen der Kinder zu beiden Elternteilen auch nach der Scheidung zukommt (BÜHLER/SPÜHLER, N 93 zu Art. 156 ZGB mit Hinweis auf BGE 53 II 194 ; WILHELM FELDER, Kinderpsychiatrische Aspekte der Kindszuteilung, SJZ 85/1989, S. 185 ff., insbes. S. 188; INGEBORG SCHWENZER, Vom Status zur Realbeziehung, Familienrecht im Wandel, Freiburg i. Br. 1987, S. 111). Dementsprechend hat das Bundesgericht in BGE 115 II 206 ff. der Zuteilung eines ebenfalls im Jahre 1976 geborenen Kindes an die Mutter zugestimmt, obwohl dieses seit der elterlichen Trennung beim Vater gelebt und zu diesem ausserordentlich starke Bindungen entwickelt hatte. Doch war der Sohn wegen des Verhaltens des Vaters, der die in Art. 273 und 274 Abs. 1 ZGB ausdrücklich festgehaltenen elterlichen Pflichten in flagranter Weise verletzt hatte, in schwerste Loyalitätskonflikte geraten. Die Mutter wies mehr Einsicht auf als der Vater, welcher den Scheidungsschock nicht zu verarbeiten vermochte. Da sie die Beziehungen des Sohnes und der Tochter zu ihrem Vater weniger negativ beeinflusste, als dies umgekehrt geschah, wurde ihr auch die bessere Erziehungsfähigkeit attestiert. Die für eine gesunde Entwicklung der Kinder unabdingbare Normalisierung der persönlichen Beziehungen zum andern Elternteil schien aller Voraussicht nach am ehesten bei der Zuteilung der Kinder an die Mutter gewährleistet. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Kampf des Beklagten um seine Kinder, vor allem aber um seinen Sohn, wohl verständlich. Dennoch unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Fall von dem oben dargelegten in wesentlicher Hinsicht und stehen dem Begehren des Beklagten gewichtige Gründe entgegen. Es steht fest, dass nicht nur der Sohn André, sondern auch seine beiden jüngeren Schwestern seit der Trennung der Eltern mit ihrer Mutter zusammenleben. Eine Zuteilung aller drei Kinder an den Vater kommt nicht in Frage, einmal aus den von der Vorinstanz angeführten Gründen, dann aber auch aus prozessualen Gründen, weil BGE 115 II 317 S. 321 der Beklagte diesen Antrag fallengelassen hat. Zudem würde - wie sich aus den Akten ergibt - die Wegnahme der jüngsten Tochter von der Mutter für dieses Kind schwere traumatische Folgen zeitigen. Aber auch eine Trennung der Geschwister fällt ausser Betracht, nachdem die vom Beklagten zugunsten dieser Lösung angeführten Gründe eine Abweichung vom Grundsatz, dass Geschwister nach der Scheidung der Eltern in aller Regel zusammenbleiben sollen, nicht zu rechtfertigen vermögen. Da sich die drei Kinder in ihrem gegenwärtigen häuslichen, schulischen und natürlichen Umfeld wohl fühlen, besteht kein Anlass, André aus diesem Umfeld herauszureissen und erneut in die Schweiz zu verpflanzen. Dazu kommt, dass der Beklagte nach seiner eigenen Zugabe mit einer Frau zusammenlebt, die ihrerseits Kinder hat. André wäre somit gezwungen, seinen Vater mit fremden Kindern zu teilen. Das könnte zu neuen schweren Problemen für das Kind führen, das mit der Trennung von seiner Familie und dem Neuanfang wohl eindeutig überfordert wäre. Dass der Beklagte trotzdem darauf beharrt, wenigstens den Sohn unter seiner elterlichen Gewalt zu haben, zeugt nicht von grossem Verständnis für die Bedürfnisse dieses Kindes; ganz abgesehen davon, dass auch nicht viel Anlass zur Annahme besteht, er werde zu einem ausgedehnten Besuchsrecht der Klägerin ohne Schwierigkeiten Hand bieten. Nach dem Ausgeführten spricht keineswegs nur gerade die "normative Kraft des Faktischen" für die Lösung des Obergerichts. Es können vielmehr gute Gründe für die Zuteilung aller drei Kinder an die Klägerin angeführt werden. Dem Obergericht kann somit keine Verletzung von Art. 156 ZGB zur Last gelegt werden. Die Berufung erweist sich demnach als unbegründet, soweit auf sie angesichts der zahlreichen neuen Vorbringen in der Berufungsschrift überhaupt eingetreten werden kann.
public_law
nan
de
1,989
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
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8a4b01be-aa33-4f94-a565-fd279d308e1b
Urteilskopf 107 V 236 55. Auszug aus dem Urteil vom 21. Dezember 1981 i.S. Rossi gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Graubünden
Regeste Art. 77 Abs. 1 und Art. 78 Abs. 1 KUVG . Bestimmung des Rentensatzes, wenn der Versicherte beim Eintritt des Unfalles infolge eines nicht SUVA-versicherten Gesundheitsschadens teilinvalid ist. Art. 91 KUVG . Anwendbarkeit dieser Bestimmung.
Erwägungen ab Seite 237 BGE 107 V 236 S. 237 Aus den Erwägungen: 2. Nach Art. 77 Abs. 1 KUVG wird die Invalidenrente rechnerisch in Prozenten des Jahresverdienstes des Versicherten festgesetzt, wobei die Rente bei vollständiger Invalidität 70% des Jahresverdienstes beträgt. Als Jahresverdienst gilt der Lohnbetrag, den der Versicherte innerhalb eines Jahres vor dem Unfall in dem die Versicherung bedingenden Betrieb bezogen hat ( Art. 78 Abs. 1 KUVG ). Dieser Jahresverdienst ist also nicht identisch mit jenem Verdienst, den der Versicherte ohne gesundheitliche Beeinträchtigung wahrscheinlich erzielen könnte und der für die Bestimmung des Invaliditätsgrades massgebend ist. Wenn ein Versicherter schon vor dem Unfall teilinvalid war und deswegen ein um das Ausmass dieser Teilinvalidität reduziertes Salär bezogen hat, so darf die Rentenberechnung nicht in der Weise vorgenommen werden, dass man einerseits auf den ausschliesslich aus dem Unfall resultierenden Invaliditätsgrad, welcher in einem Bruchteil der vollen Erwerbsfähigkeit ausgedrückt wird, und anderseits auf jenen Jahreslohn abstellt, den der Versicherte für die vor dem Unfall vorhandene Teilerwerbsfähigkeit bezogen hat. Sonst entspräche die Rente nicht der festgestellten und von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) zu entschädigenden Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Das Eidg. Versicherungsgericht hat daher in BGE 105 V 208 den Grundsatz aufgestellt, dass in Fällen, in denen die Erwerbsfähigkeit bei Eintritt des versicherten Unfallereignisses bereits durch einen Gesundheitsschaden beeinträchtigt ist, für dessen Folgen die SUVA nicht haftet, die durch den versicherten Unfall erfolgte zusätzliche Verminderung der Erwerbsfähigkeit proportional zu der vor dem Unfallereignis bestandenen Resterwerbsfähigkeit ausgeglichen werden muss; dies jedenfalls dann, wenn der massgebende Jahresverdienst aufgrund jenes Lohnes bestimmt wurde, den der Versicherte durch die Verwertung dieser Resterwerbsfähigkeit BGE 107 V 236 S. 238 erzielt hat. Der in Anwendung dieser Regel zu entschädigende Rentensatz berechnet sich nach der folgenden Formel: Invaliditätsgrad aus versichertem Unfall allein / Resterwerbsfähigkeit vor dem Unfall x 100 3. Nach Art. 91 KUVG werden die Geldleistungen der SUVA entsprechend gekürzt, wenn die Krankheit, die Invalidität oder der Tod nur teilweise die Folge eines versicherten Unfalles ist. Die Anwendung dieser Bestimmung setzt voraus, dass der versicherte Unfall und unfallfremde Faktoren die Krankheit, die Invalidität oder den Tod gemeinsam verursacht haben. Dagegen ist Art. 91 nicht anzuwenden, wenn einerseits der Unfall und anderseits nichtversicherte, unfallfremde Faktoren je verschiedene, einander nicht beeinflussende Schäden verursacht haben oder wenn der Unfall und die unfallfremden Faktoren je verschiedene Körperteile betreffen. In solchen Fällen werden die Folgen des versicherten Unfalles isoliert bewertet. Alsdann ist die Geldleistung der SUVA ohne Beachtung der unfallfremden Faktoren festzusetzen. Anderseits ist Art. 91 KUVG dann anwendbar, wenn der versicherte Unfall sich gegen einen Körperteil richtet, der bereits von einer Krankheit betroffen ist. In einem solchen Fall ist der Gesamtschaden zu schätzen und die Leistung in dem Umfang zu kürzen, als der Schaden auf unfallfremde, nichtversicherte Faktoren zurückgeht. Diese Unterscheidung ist vor allem deshalb bedeutsam, weil damit verhindert werden kann, dass die SUVA für die Behandlung vorbestandener Leiden aufkommen muss, auf welche der Unfall überhaupt keinen Einfluss ausübt ( BGE 105 V 207 und BGE 104 V 161 ; MAURER, Recht und Praxis der Schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, S. 302). 4. ... 5. Der Beschwerdeführer arbeitete seit Juli 1977 bis zum Unfall in der Firma X. In Anwendung von Art. 77 Abs. 1 KUVG ist der Verdienst, den er in diesem Betrieb erzielt hat, der Rentenberechnung zugrunde zu legen. Die Firma X zahlte dem Beschwerdeführer einen Lohn von insgesamt Fr. 3'008.25 aus. Dieser Betrag ergibt einen durchschnittlichen Tagesverdienst von Fr. 27.-- bzw. - unter Annahme von 312 Arbeitstagen im Jahr - ein Jahresgehalt von Fr. 8'424.-- und entspricht der schon vor dem Unfall auf 50% reduzierten BGE 107 V 236 S. 239 Erwerbsfähigkeit. Die SUVA hat diese Lohnsumme freiwillig auf Fr. 10'000.-- erhöht. Dabei muss es sein Bewenden haben. Eine Erhöhung mit der Begründung, der Lohn eines gesunden Plattenlegers belaufe sich bei halbtägiger Arbeit auf mindestens Fr. 11'000.--, ist ausgeschlossen, weil - wie bereits in Erwägung 2 dargelegt - für die eigentliche Rentenberechnung nicht der wahrscheinlich erzielbare, sondern der vor dem Unfall effektiv erreichte Verdienst massgebend ist. 6. Zusammenfassend ist folgendes festzustellen: Einerseits beträgt die ausschliesslich aus dem versicherten Unfall resultierende Invalidität 40% der vollen - und nicht etwa der vor dem Unfall bestandenen restlichen - Erwerbsfähigkeit. Wegen der hälftigen Verminderung der Erwerbsfähigkeit bezog der Beschwerdeführer vor dem Unfall einen Invalidenlohn von bloss Fr. 10'000.--. Bei diesen Gegebenheiten muss in Anwendung des in Erwägung 2 dargelegten Grundsatzes ( BGE 105 V 208 ) die durch den Unfall eingetretene zusätzliche Verminderung der Leistungsfähigkeit proportional zu der vor dem Unfall vorhanden gewesenen Resterwerbsfähigkeit wie folgt ausgeglichen werden: Invalidität aus Unfall allein / Resterwerbsfähigkeit vor Unfall x 100 = 40% / 50% x 100 = 80% Somit ist der Rentensatz auf 80% der vor dem Unfall bestandenen Resterwerbsfähigkeit festzulegen. Vorbehalten bleibt die Kürzung dieser Rente wegen allfälliger Überversicherung ( Art. 45 Abs. 1 IVG ). Auf dieser Basis wird die SUVA eine neue Rentenverfügung erlassen.
null
nan
de
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CH
Federation
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Urteilskopf 140 II 167 17. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Kantonale Steuerverwaltung des Kantons Schwyz und Kantonales Steueramt des Kantons St. Gallen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 2C_490/2013 vom 29. Januar 2014
Regeste Art. 32 Abs. 1, Art. 34 Abs. 1 und 2, Art. 38 Abs. 4 und Art. 68 Abs. 1 StHG ; Art. 2, 16 Abs. 1 und 2 sowie Art. 21 Abs. 3 FZA , Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA ; DBA-D. Voraussetzung und Gegenstand der Quellensteuer, nachträgliche ordentliche Veranlagung; interkantonale Steuerausscheidung nach Wohnortwechsel (E. 2 und 3). Diskriminierung entsprechend der Rechtsprechung des EuGH bei der Personenfreizügigkeit sowie deren Übertragung auf das FZA und ihre Grenzen; Anwendbarkeit auf die Quellensteuer (E. 4). Unvereinbarkeit von Art. 38 Abs. 4 StHG mit dem FZA, auch unter Berücksichtigung der Rechtfertigungsgründe (Quellenbesteuerung als Sicherungsinstrument) von Art. 21 Abs. 3 FZA (E. 5). Vereinbarkeit von Art. 38 Abs. 4 StHG mit dem DBA-D offengelassen (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 168 BGE 140 II 167 S. 168 A. X. ist deutscher Staatsangehöriger und verfügte im Jahre 2010 über eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. Er unterlag demnach als Arbeitnehmer der Quellenbesteuerung. Bis zum 20. November 2010 hatte er seinen Wohnsitz in L. (Kanton St. Gallen), danach in M. (Kanton Schwyz). Die Kantonale Steuerverwaltung/Verwaltung für die direkte Bundessteuer des Kantons Schwyz veranlagte ihn in der nachträglichen ordentlichen Veranlagung am 6. März 2012 für das Jahr 2010 bei den Staats- und Gemeindesteuern mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 44'400.- (...) und einem steuerbaren Vermögen von Fr. 2'901'000.- sowie bei den direkten Bundessteuern mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 53'900.- BGE 140 II 167 S. 169 (...). Dabei ging die Steuerverwaltung davon aus, dass das Einkommen und Vermögen auf die Kantone St. Gallen und Schwyz im Verhältnis zur jeweiligen Wohnsitzdauer aufzuteilen ist. Eine dagegen erhobene Einsprache wurde in Bezug auf die kantonalen Steuern abgewiesen; auf die Einsprache in Bezug auf die direkte Bundessteuer wurde nicht eingetreten. B. Am 3. Januar 2013 erhob X. Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit dem Antrag, er sei in der Gemeinde M. mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 505'900.- für die Staats- und Gemeindesteuer, wovon Fr. 329'373.- aus Beteiligungserträgen stammen, und mit einem steuerbaren Vermögen von Fr. 25'213'000.- zu veranlagen und auf eine Steuerausscheidung zu Gunsten des Kantons St. Gallen sei zu verzichten. Die Quellensteuer sei im Umfang, in dem sie die in M. geschuldete Steuer übersteige, zurückzuerstatten. Mit Entscheid vom 19. April 2013 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. C. X. erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und wiederholt die vor der Vorinstanz gestellten Anträge. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Ausländische Arbeitnehmer, welche die fremdenpolizeiliche Niederlassungsbewilligung nicht besitzen, im Kanton jedoch steuerrechtlichen Wohnsitz oder Aufenthalt haben, werden für ihr Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit einem Steuerabzug an der Quelle unterworfen. Dieser tritt grundsätzlich an die Stelle der im ordentlichen Verfahren zu veranlagenden Steuern (Art. 32 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG, in der bis 31.12.2013 gültigen Fassung; SR 642.14]). Betragen aber die dem Steuerabzug an der Quelle unterworfenen Bruttoeinkünfte in einem Kalenderjahr mehr als den vom kantonalen Recht festgelegten Betrag, so wird eine nachträgliche Veranlagung durchgeführt. Die an der Quelle abgezogene Steuer wird dabei angerechnet ( Art. 34 Abs. 2 StHG ). 2.2 Wechselt ein Steuerpflichtiger innerhalb einer Steuerperiode den steuerrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz, so besteht nach Art. 68 Abs. 1 StHG die Steuerpflicht auf Grund persönlicher BGE 140 II 167 S. 170 Zugehörigkeit grundsätzlich im Kanton, in welchem der Steuerpflichtige am Ende der Steuerperiode seinen Wohnsitz hat. Einzig dieser Kanton erhebt die Steuer nach seinem Recht für das ganze Jahr. Für Quellenbesteuerte gilt jedoch anderes: Gemäss Art. 38 Abs. 4 StHG , der in Art. 68 Abs. 1 StHG ausdrücklich vorbehalten wird, steht dem jeweiligen Wohnsitz- oder Aufenthaltskanton das Besteuerungsrecht im Verhältnis zur Dauer der Steuerpflicht zu, wenn eine nach den Artikeln 32, 33 und 34 Absatz 2 steuerpflichtige natürliche Person innerhalb der Schweiz ihren Wohnsitz oder Aufenthalt verlegt. Aufgrund dieses ausdrücklichen Hinweises auf Art. 34 Abs. 2 gilt dies auch dann, wenn Quellenbesteuerte nachträglich ordentlich veranlagt werden (vgl. Urteil 2C_116/2013 / 2C_117/2013 vom 2. September 2013 E. 3.3). 2.3 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er die gesetzlichen Voraussetzungen für die Quellenbesteuerung und für die nachträgliche ordentliche Veranlagung erfüllt. Er macht aber geltend, er werde infolge der Regelung von Art. 38 Abs. 4 StHG schlechter behandelt als ein Schweizer Bürger in der gleichen Situation; als Schweizer würde er gemäss Art. 68 Abs. 1 StHG für das ganze Jahr im Kanton Schwyz steuerpflichtig und müsste insgesamt rund Fr. 118'000.-weniger an Steuern bezahlen, als er jetzt aufgrund seiner teilweisen Besteuerung im Kanton St. Gallen bezahlen muss. Diese Schlechterbehandlung verstosse gegen Art. 2 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) und Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA , gegen Art. 25 des Abkommens vom 11. August 1971 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom (DBA-D; SR 0.672.913.62) sowie gegen Art. 8 Abs. 2 BV . 3. Bevor auf diese Rügen eingegangen wird, ist im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen zur Anwendung des innerstaatlichen Rechts Folgendes zu bemerken: 3.1 Der Quellenbesteuerung (anstatt der ordentlichen Veranlagung) unterliegt nur das Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit ( Art. 32 Abs. 1 StHG ). Demgegenüber werden das Vermögen sowie die übrigen Einkommensbestandteile, namentlich der Vermögensertrag, in jedem Fall ordentlich veranlagt ( Art. 34 Abs. 1 StHG ; BGE 140 II 167 S. 171 ebenso Art. 90 Abs. 1 DBG [SR 642.11];sog. ergänzende ordentliche Veranlagung: ZIGERLIG/RUFENER, in: Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern [...] [nachfolgend: Komm. StHG],2. Aufl. 2002, N. 1 zu Art. 34 StHG ; ZIGERLIG/JUD, in: DBG [nachfolgend: Komm. DBG], 2. Aufl. 2008, N. 2 zu Art. 90 DBG ).Für die nachträgliche ordentliche Veranlagung ( Art. 34 Abs. 2 StHG ) verbleibt nur das der Quellensteuer unterliegende Einkommen (ebenso Art. 90 Abs. 2 DBG ). Art. 38 StHG steht im Titel über die Quellensteuer und gilt systematisch nur für diese; auch die Sonderregelung von Art. 38 Abs. 4 StHG (pro-rata-Besteuerung durch die beteiligten Kantone) gilt demnach einzig für den Bereich der Quellensteuer, mithin für die nachträgliche ordentliche Veranlagung der zunächst an der Quelle besteuerten Einkommensteile (ZIGERLIG/RUFENER, Komm. StHG, a.a.O., N. 2a zu Art. 38 StHG ). Für die ergänzende ordentliche Veranlagung gelten demgegenüber die normalen Vorschriften über die ordentliche Veranlagung, auch bezüglich örtlicher Zuständigkeit (LOCHER, Kommentar zum DBG, 2004, N. 11 zu Art. 90 DBG ). Für das Vermögen sowie diejenigen Einkommensteile, die nicht der Quellensteuer unterliegen, gilt somit im Falle des unterjährigen Wohnortswechsels nicht Art. 38 Abs. 4 StHG , sondern die Grundregel von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 (und allenfalls Satz 2) StHG (AS 2001 1052). 3.2 Aus den Feststellungen im angefochtenen Entscheid und ergänzend aus den Akten (vgl. nicht publ. E. 1.4) ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Jahre 2010 insgesamt ein steuerbares Einkommen von Fr. 505'900.- erzielte, wovon netto Fr. 191'127.- aus unselbständiger Erwerbstätigkeit stammen, der Rest aus Wertschriftenertrag. Sodann besass er ein steuerbares Vermögen von Fr. 25'213'000.-. Die von der Steuerverwaltung vorgenommene Steuerausscheidung zwischen den Kantonen Schwyz und St. Gallen bezog sich aber nicht bloss auf das Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, sondern auch auf das Einkommen aus Wertschriftenertrag sowie das Vermögen. Dies widerspricht der dargelegten gesetzlichen Regelung. Zwar wird verwaltungstechnisch die ergänzende und die nachträgliche ordentliche Veranlagung sinnvollerweise gemeinsam und nicht in zwei getrennten Verfahren erfolgen (vgl. RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N. 6 zu Art. 90 DBG ; AGNER/JUNG/STEINMANN, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, 1995, N. 2b zu Art. 90 DBG ). Das kann aber nicht dazu führen, dass die BGE 140 II 167 S. 172 Sonderregelung von Art. 38 Abs. 4 StHG , die nur mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Quellensteuer eingeführt wurde, auch angewendet wird für Vermögen und Einkommensbestandteile, die von vornherein gar nie der Quellensteuer unterliegen können. 3.3 Der angefochtene Entscheid ist daher schon deshalb aufzuheben, weil er dem StHG widerspricht; die nachträgliche ordentliche Veranlagung gemäss Art. 34 Abs. 2 StHG mit der pro-rata-Aufteilung auf die beteiligten Kantone ist nur für das Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit (Fr. 191'127.-) vorzunehmen. Das Einkommen aus Wertschriftenertrag sowie das gesamte Vermögen sind hingegen von vornherein ordentlich zu veranlagen, wobei die Steuerpflicht einzig im Kanton Schwyz besteht ( Art. 68 Abs. 1 Satz 1 StHG ). 3.4 Dies hat zur Folge, dass der vom Beschwerdeführer beanstandete Nachteil erheblich geringer ausfällt, als von ihm berechnet wurde; er beschränkt sich auf die Differenz in der Steuerbelastung zwischen den Kantonen St. Gallen und Schwyz für das für die Zeit vom 1. Januar bis 20. November 2010 umgerechnete steuerbare Einkommen von Fr. 191'127.- (satzbestimmend Fr. 505'900.-). Ob diese verbleibende Benachteiligung gegen die Verfassung ( Art. 8 Abs. 2 BV ) verstösst, wie der Beschwerdeführer geltend macht, kann offenbleiben, da sie sich aus einem für das Bundesgericht massgebenden ( Art. 190 BV ) Bundesgesetz ( Art. 38 Abs. 4 StHG ) ergibt. Zu prüfen bleibt, ob dieser Nachteil mit dem FZA und dem DBA-D vereinbar ist. 4. 4.1 Nach der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich aus dem Grundsatz der Personenfreizügigkeit (Art. 48 und 52 EWGV bzw. heute Art. 45 und 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV; ABl. C 326 vom 26. Oktober 2012 S. 65 ff.]), dass ein Mitgliedstaat einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaates bei der Erhebung der direkten Steuern nicht schlechter behandeln darf als einen eigenen Staatsangehörigen, der sich in der gleichen Lage befindet; unzulässig sind auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale als der Staatsangehörigkeit tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (grundlegend Urteile des EuGH vom 8. Mai 1990 C-175/88 Biehl , Randnr. 12 ff.; vom 14. Februar 1995 C-279/93 Schumacker , Randnr. 24). Eine Diskriminierung kann aber nur vorliegen, wenn unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare BGE 140 II 167 S. 173 Situationen oder dieselben Vorschriften auf unterschiedliche Situationen angewendet werden, wobei sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation befinden; hingegen befindet sich der gebietsfremde Steuerpflichtige dann in derselben Situation wie der Gebietsansässige, wenn er im Staat, in dem er seine berufliche Tätigkeit ausübt, seine gesamten oder nahezu gesamten Einkünfte bezieht; die Diskriminierung besteht alsdann darin, dass die persönlichen Verhältnisse und der Familienstand des Steuerpflichtigen weder im Wohnsitzstaat noch im Beschäftigungsstaat berücksichtigt werden (Urteile des EuGH Schumacker, Randnr. 30 ff.; vom 11. August 1995 C-80/94 Wielockx, Randnr. 16 ff.; vom 27. Juni 1996 C-107/94 Asscher, Randnr. 40-44; vom 9. November 2006 C-520/04 Turpeinen, Randnr. 28; vom 1. Juli 2004 C-169/03 Wallentin , Randnr. 15 ff.; vgl. BGE 136 II 241 E. 13.1-13.3 S. 249 ff.). Allerdings kann die Ausübung der durch den Vertrag gewährleisteten Verkehrsfreiheiten beschränkt werden, u.a. wenn dies notwendig ist, um die Kohärenz eines Finanzsystems zu bewahren; vorausgesetzt ist, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht (Urteile des EuGH vom 28. Januar 1992 C-204/90 Bachmann , Randnr. 28; vom 7. September 2004 C-319/02 Manninen , Randnr. 42 f.; vom 23. Februar 2006 C-471/04 Keller Holding , Randnr. 40; vom 27. November 2008 C-418/07 Papillon , Randnr. 43 f.; vom 4. Juli 2013 C-350/11 Argenta , Randnr. 41 f.). 4.2 Nach Art. 2 FZA werden die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmässig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, bei der Anwendung dieses Abkommens gemäss den Anhängen I, II und III nicht auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert. Nach Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA geniessen sodann die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige einer Vertragspartei sind, und ihre in Artikel 3 dieses Anhangs genannten Familienangehörigen im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen (zur parallelen Anwendung der Spezialbestimmungen [Art. 45, 49, 56 AEUV] und der allgemeinen Bestimmung von Art. 18 AEUV siehe VÉRONIQUE BOILLET, L'interdiction de discrimination en raison de la nationalité au sens de l'accord sur la libre circulation des personnes, 2010, S. 153 ff.; a.A. MARC ENZ, Grenzgängerregelungen, 2012, S. 227 f. BGE 140 II 167 S. 174 Rz. 737). Nach Art. 16 Abs. 2 FZA wird, soweit für die Anwendung dieses Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, dafür die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung berücksichtigt. 4.3 Das Diskriminierungsverbot von Art. 2 FZA entspricht inhaltlich dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot von Art. 18 AEUV (vgl. BGE 136 II 241 E. 12 S. 249). Im Unterschied zu diesem gilt es jedoch nur für die vom FZA erfassten Gegenstände; unterschiedliche Behandlungen, die sich aufgrund anderer Rechtsgebiete ergeben, fallen nicht darunter (vgl. BGE 138 V 186 E. 3.5 S. 196; BGE 130 I 26 E. 3.2.2 S. 35; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 163/03 vom 27. März 2006 E. 6.1, nicht publ. in: BGE 133 V 33 ; Urteil 2C_1049/2011 vom 18. Juli 2012 E. 5.3; vgl. auch Urteil des EuGH vom 15. Juli 2010 C-70/09 Hengartner , Randnr. 39; STEFAN OESTERHELT, Diskriminierungsverbote im internationalen Steuerrecht der Schweiz [nachfolgend: Diskriminierungsverbote], ASA 79 S. 269 ff., 288 f.). Das FZA begründet nicht wie der EUV einen einheitlichen Markt im Rahmen eines integrierten wirtschaftlichen Ganzen; die Schweiz hat nur sektorielle Abkommen abgeschlossen, mit denen sie sich, soweit die Abkommen reichen, am Binnenmarkt beteiligt; sie ist aber nicht dem Binnenmarkt der Gemeinschaft beigetreten, mit dem alle Hindernisse beseitigt werden sollen, um einen Raum vollständiger Freizügigkeit entsprechend einem nationalen Markt zu schaffen ( BGE 133 V 624 E. 4.3.4 S. 633; BGE 130 II 113 E. 6.2 S. 121; Botschaft vom 23. Juni 1999 zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG, BBl 1999 6128, 6162; Urteile des EuGH vom 12. November 2009 C-351/08 Grimme , Randnr. 27; vom 7. März 2013 C-547/10 Schweizerische Eidgenossenschaft , Randnr. 79; vom 15. Juli 2010 C-70/09 Hengartner , Randnr. 41). Die Diskriminierungsverbote der einzelnen Staatsverträge beziehen sich nur auf die darin genannten Tatbestände (vgl. z.B. Urteil Schweizerische Eidgenossenschaft , Randnr. 98 bzgl. des Diskriminierungsverbots gemäss Art. 3 des Luftverkehrsabkommens [SR 0.748.127.192.68], welches sich nur auf Luftfahrtunternehmen bezieht, weshalb sich Flughafenbetreiber oder Anwohner nicht darauf berufen können). Namentlich gelten die spezifisch abgaberechtlichen Diskriminierungsverbote von Art. 110- 112 AEUV im Rahmen des FZA nicht. So gilt z.B. Art. 2 FZA nicht für fiskalische Regelungen, welche gewerbliche Transaktionen BGE 140 II 167 S. 175 betreffen, die eine Dienstleistung zum Gegenstand haben (Urteil des EuGH Hengartner , Randnr. 40). Auch liegt darin, dass im Verkehr zwischen der Schweiz und der EU Zölle erhoben werden, keine Diskriminierung, weil das FZA keine Zollunion begründet (Urteil 2C_1049/2011 vom 18. Juli 2012 E. 5.4), auch wenn sich zollrechtliche Massnahmen naturgemäss auf grenzüberschreitende Sachverhalte belastender auswirken als auf rein innerstaatliche. 4.4 Art. 16 Abs. 1 FZA , der auf die Geltung des gemeinschaftlichen Besitzstands in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien Bezug nimmt, sieht dessen Geltung nur im Rahmen der Ziele des Abkommens vor. Diese Ziele sind in Art. 1 des Abkommens aufgeführt (Urteil des EuGH Grimme , Randnr. 37). Auch die nach Art. 16 Abs. 2 FZA bestehende Verpflichtung, die bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung ergangene Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen, gilt nur in Bezug auf die Anwendung dieses Abkommens; Entscheide des EuGH, welche nicht diesen Anwendungsbereich betreffen, sind damit nicht erfasst ( BGE 133 V 624 E. 4.3.7 S. 635 f.; BGE 130 II 113 E. 6.2 S. 121). Daher kann die den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den Binnenmarkt gegebene Auslegung nicht automatisch auf die Auslegung des Abkommens übertragen werden, sofern dies nicht im Abkommen selbst ausdrücklich vorgesehen ist (Urteile des EuGH Grimme , Randnr. 29; Schweizerische Eidgenossenschaft , Randnr. 80; Hengartner , Randnr. 42; vom 11. Februar 2010 C-541/08 Fokus Invest AG , Randnr. 28). 4.5 Soweit sich die Rechtsprechung des EuGH zur steuerlichen Diskriminierung auf die Personenfreizügigkeit stützt, die Inhalt des FZA bildet, ist sie gemäss Art. 16 Abs. 2 FZA auch für die Schweiz zu beachten. Der Begriff der steuerlichen Vergünstigung in Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA lehnt sich sodann an Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer an ( BGE 136 II 241 E. 12 S. 248 f.; PASCAL HINNY, Das Diskriminierungsverbot des Personenverkehrsabkommens im Schweizer Steuerrecht [nachfolgend: Diskriminierungsverbot], IFF Forum für Steuerrecht [FStR] 2004 S. 165 ff., 172; vgl. BGE 138 V 186 E. 3.4.1 S. 194 f. und BGE 137 II 242 E. 3.2.1 S. 244 zum ebenfalls in dieser Bestimmung enthaltenen Begriff der sozialen Vergünstigung). Es handelt sich um einen Begriff des Gemeinschaftsrechts, so dass auch dafür gemäss Art. 16 Abs. 2 FZA die Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen ist. BGE 140 II 167 S. 176 4.6 Die Quellenbesteuerung stellt zwar nicht direkt auf die Staatsangehörigkeit ab, sondern auf den Aufenthaltsstatus (Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung), der jedoch für Schweizer Bürger keine Rolle spielen kann und für sie daher nicht zum Tragen kommt. Ob es sich um eine bloss indirekte Diskriminierung (so MARCO MÖHR, Die Bedeutung der Staatsangehörigkeit der natürlichen Personen nach schweizerischem Steuerrecht, 2002, S. 167) oder um eine direkte Diskriminierung handelt, wie die mehrheitliche Lehre annimmt (YVES NOËL, "Biehl, Schumacker ..." et la Suisse: L'impôt à la source au scanner de la jurisprudence communautaire [nachfolgend: Impôt], in: Internationales Steuerrecht in der Schweiz, 2005, S. 141 ff., 153 f., 161; VALENTINA MOSHEK, L'impact de l'ALCP sur l'impôt à la source - analyse à la lumière de l'arrêt du Tribunal fédéral du 26 janvier 2010, ASA 79 S. 303 ff., 339; OESTERHELT, Diskriminierungsverbote, a.a.O., S. 292; XAVIER OBERSON, Précis de droit fiscal international [nachfolgend: Précis], 3. Aufl. 2009, S. 326), kann dabei offenbleiben, da die Regelung von Art. 2 FZA und Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsbegriffe und der gemäss Art. 16 Abs. 2 FZA massgebenden EuGH-Rechtsprechung auch das Konzept der mittelbaren Diskriminierung erfasst ( BGE 136 II 241 E. 13.1 S. 249 f.; Urteil des EuGH vom 6. Oktober 2011 C-506/10 Graf/Engel , Randnr. 26; OESTERHELT, Diskriminierungsverbote, a.a.O., S. 291). 4.7 In BGE 136 II 241 E. 11-16 (S. 247 ff.) hat das Bundesgericht unter Bezugnahme auf die dargelegte Rechtsprechung des EuGH (vgl. oben E. 4.1) erkannt, es verstosse gegen Art. 2 FZA und Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA , wenn ein Grenzgänger, der in Frankreich wohnt und in der Schweiz arbeitet und hier mehr als 90 % seines Einkommens erzielt, im Rahmen der Quellenbesteuerung weniger Steuerabzüge vornehmen kann, als wenn er in der Schweiz ansässig wäre. Diese Rechtsprechung wurde bestätigt in den Urteilen 2C_33/2010, 2C_34/2010 und 2C_35/2010 vom 4. Oktober 2010, je E. 3.3, sowie Urteil 2C_21/2010 vom 23. November 2010 E. 4.3.1 (zustimmend auch die Lehre: ADRIANO MARANTELLI, Das Bundesgericht schlägt eine erste Bresche in die Quellenbesteuerung, Jusletter 12. April 2010 Rz. 45, 57; MOSHEK, a.a.O., S. 333; STEFAN OESTERHELT, Quellensteuerordnung verstösst gegen die Bilateralen Abkommen [nachfolgend: Quellensteuerordnung], FStR 2010 S. 211 ff.; ANDREA PEDROLI, Novità e tendenze legislative nel campo del diritto tributario, RtiD 2011 II S. 563 ff.; KADDOUS/TOBLER, Europarecht: Schweiz - Europäische BGE 140 II 167 S. 177 Union, SZIER 2010 S. 597 ff., 628 ff.; zunächst kritisch in Bezug auf die schweizerische Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen CHRISTA TOBLER, Der Genfer Quellensteuerentscheid des Bundesgerichts - im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH zum Freizügigkeitsabkommen, SZIER 2011 S. 389 ff., nunmehr aber zustimmend im Lichte des Urteils des EuGH vom 28. Februar 2013 C-425/2011 Ettwein [siehe KADDOUS/TOBLER, Europarecht: Schweiz - Europäische Union, SZIER 2013 S. 644 f.]). 4.8 Im Nachgang zu diesen Urteilen hat die Schweizerische Steuerkonferenz eine Analyse vorgenommen und ist zum Schluss gekommen, dass auch die Ungleichbehandlungen zwischen den echt quellenbesteuerten in der Schweiz ansässigen EU-Angehörigen und den Schweizer Steuerpflichtigen mit dem FZA nicht vereinbar sei (Schweizerische Steuerkonferenz, Analyse zu den Bundesgerichtsentscheiden vom 26. Januar 2010 und 4. Oktober 2010 und zum Verwaltungsgerichtsentscheid [NE] vom 2. Juni 2010 [nachfolgend: Steuerkonferenz], 3. November 2010, Ziff. 3.3). Gleicher Meinung ist die herrschende Lehre (PASCAL HINNY, Personenverkehrsabkommen und Schweizer Quellensteuerordnung [nachfolgend: Personenverkehrsabkommen], FStR 2004 S. 251 ff., 263 ff.; LOCHER, a.a.O., N. 38 der Einführung zu Art. 83 ff. DBG ; MARANTELLI, a.a.O., Rz. 23; NOËL, Impôt, a.a.O., S. 153 ff.; YVES NOËL, L'impôt à la source et la libre circulation, in: Assujettissement, cotisations et questions connexes selon l'Accord sur la libre circulation des personnes CH-CE, Kahil-Wolff [Hrsg.], 2004, S. 71 ff.; MOSHEK, a.a.O., S. 340 ff.; MÖHR, a.a.O., S. 167 f.; OBERSON, Précis, a.a.O., S. 326; OESTERHELT, Quellensteuerordnung, a.a.O., S. 227 f.; PEDROLI, in: Impôt fédéral direct [nachfolgend: LIFD], 2008, N. 24 f. der Einführung zu Art. 83-101 DBG ; JEAN-MARC RIVIER, L'égalité devant l'impôt des travailleurs suisses et étrangers, ASA 71 S. 97 ff., 120; ZIGERLIG/JUD, Komm. DBG, a.a.O., N. 12b zu Vor Art. 83-101 DBG ; RAINER ZIGERLIG, Schweizerische Quellensteuerordnung - quo vadis?, in: Festgabe [...] Cavelti, 2012, S. 130 ff., 144; a.M. ANDREAS KOLB, Bilaterale Verträge I - Personenfreizügigkeit/Grenzgängerbesteuerung, FStR 2004 S. 22 ff., 29 f.). Die Steuerkonferenz schlug daher vor, ungeachtet der Höhe der Einkommen die nachträgliche ordentliche Veranlagung ( Art. 34 Abs. 2 StHG ) zuzulassen; so könne die Ungleichbehandlung vermieden werden, unter Vorbehalt einer Verzinsung in den Fällen, wo die Quellensteuer früher erhoben wird als die ordentliche Steuer (Steuerkonferenz, a.a.O., Ziff. 5.1). Diese Lösung wird heute offenbar von BGE 140 II 167 S. 178 allen Kantonen angewendet (ZIGERLIG, a.a.O., S. 145). Die Lehre ist teilweise der Auffassung, damit werde den Anforderungen des FZA Genüge getan (LOCHER, a.a.O., N. 38 der Einführung zu Art. 83 ff. DGB; MÖHR, a.a.O., S. 250; ZIGERLIG/JUD, Komm. DBG, a.a.O., N. 12b zu Vor Art. 83-101 DGB), bezweifelt dies aber teilweise und sieht weiterhin Ungleichheiten (ZIGERLIG, a.a.O., S. 144 f.; OBERSON, Droit fiscal suisse, 4. Aufl. 2012, S. 291; NOËL, Impôt, a.a.O., S. 154 f.; PEDROLI, LIFD, a.a.O., N. 24 f. der Einführung zu Art. 83-101 DGB; OESTERHELT, Quellensteuerordnung, a.a.O., S. 227). 5. 5.1 Vorliegend ist eine nachträgliche ordentliche Veranlagung vorgenommen worden und insoweit die Diskriminierung an sich geheilt (vgl. Urteil 2C_21/2010 vom 23. November 2010 E. 4.3.2). Die Quellensteuer verliert damit ihren Charakter als echte Steuer und wird zu einer reinen Sicherungssteuer (ZIGERLIG/RUFENER, Komm. StHG, a.a.O., N. 3 zu Art. 34 StHG ). Die hauptsächlichen Ungleichbehandlungen zwischen Quellenbesteuerten und ordentlich Veranlagten sind damit entfallen (vorne E. 4.8). Trotzdem wird vorliegend der Beschwerdeführer infolge von Art. 38 Abs. 4 StHG anders behandelt, als wenn er Schweizer Bürger wäre. Es fragt sich, ob dies mit dem FZA vereinbar ist. 5.2 Die Vorinstanz hat erwogen, eine Quellenbesteuerung lasse sich mit dem Aspekt der Sicherung des Steuerbezugs rechtfertigen, der in Art. 21 Abs. 3 FZA anerkannt sei. Die massgebende Rechtsprechung des Bundesgerichts und des EuGH betreffe zudem steuerliche Abzüge und sei deshalb hier nicht einschlägig. Die pro-rata-Besteuerung gemäss Art. 38 Abs. 4 StHG könne je nach Situation für die quellenbesteuerten Personen vor- oder nachteilig sein; durch diese Regelung würden die mit einem Wohnkantonwechsel verbundenen Vor- und Nachteile abgeschwächt. Es liege daher keine relevante Ungleichbehandlung der quellenbesteuerten und der ordentlich besteuerten Personen vor. Für die Quellenbesteuerung liessen sich sachliche Argumente ins Feld führen: Für ausländische Steuerpflichtige, die sich nur vorübergehend oder kurzfristig in der Schweiz aufhalten, seien das ordentliche Veranlagungs- und Bezugsverfahren und die damit verbundenen Mitwirkungspflichten kaum zumutbar. Angesichts der hohen Fluktuation von ausländischen Arbeitskräften mit mehr oder weniger langem vorübergehenden Aufenthalt in der Schweiz sei das Quellensteuerverfahren ein geeignetes Steuersicherungsinstrument und lasse sich mit Art. 21 Abs. 3 FZA begründen. BGE 140 II 167 S. 179 Eine pro-rata-Besteuerung lasse sich auch mit dem fiskalischen Interesse der betroffenen Kantone rechtfertigen. 5.3 Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, seine Schlechterstellung lasse sich nicht mit Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit ( Art. 5 Anhang I FZA ) rechtfertigen. Die vorinstanzlichen Überlegungen zur Unzumutbarkeit des ordentlichen Verfahrens seien unmassgeblich, da ja in seinem Fall ohnehin von Amtes wegen ein ordentliches Verfahren durchgeführt worden sei. Der Sicherungszweck vermöge die Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen, da die Steuer durch die Erhebung an der Quelle längst gesichert sei. Auch ein fiskalisches Interesse rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht, da ein solches auch bei Schweizer Bürgern gleichermassen bestünde. 5.4 Zutreffend ist die vorinstanzliche Überlegung, dass sich die Regelung von Art. 38 Abs. 4 StHG je nach Situation für Quellenbesteuerte vorteilhaft oder nachteilig auswirkt: Ziehen sie - wie der Beschwerdeführer - im Verlauf des Steuerjahres von einem Hochsteuerkanton in einen Niedrigsteuerkanton, so bezahlen sie im Ergebnis mehr Steuern als ordentlich Veranlagte. Im umgekehrten Fall sind sie hingegen bevorteilt. Die beanstandete Regelung von Art. 38 Abs. 4 StHG benachteiligt somit nicht systematisch oder inhärent die ausländischen Staatsangehörigen gegenüber dem schweizerischen, sondern mildert bloss die Auswirkungen von Art. 68 Abs. 1 StHG in beiden Richtungen ab. Das ändert allerdings nichts daran, dass der Beschwerdeführer in seiner konkreten Situation benachteiligt wird. Eine individuelle Ungleichbehandlung kann grundsätzlich nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, dass die anwendbare Rechtsordnung in anderen Situationen oder grosso modo nicht benachteiligend ist (MOSHEK, a.a.O., S. 341 f.; HINNY, Diskriminierungsverbot, a.a.O., S. 174; in Bezug auf DBA: RIVIER, a.a.O., S. 114). 5.5 Allerdings enthält das FZA spezifische Rechtfertigungsgründe, wobei vorliegend vor allem Art. 21 Abs. 3 FZA zu prüfen ist. 5.5.1 Nach Art. 21 Abs. 3 FZA hindert keine Bestimmung dieses Abkommens die Vertragsparteien daran, Massnahmen zu beschliessen oder anzuwenden, um nach Massgabe der Bestimmungen der nationalen Steuergesetzgebung einer Vertragspartei oder der zwischen der Schweiz einerseits und einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft andererseits geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen oder sonstiger steuerrechtlicher BGE 140 II 167 S. 180 Vereinbarungen die Besteuerung sowie die Zahlung und die tatsächliche Erhebung der Steuern zu gewährleisten oder die Steuerflucht zu verhindern. Nationale und DBA-rechtliche Vorschriften, welche die Bekämpfung der Steuerverkürzung oder die Sicherstellung der Steuer bezwecken, werden demnach durch das FZA nicht berührt und sind namentlich auch mit Art. 2 FZA und Art. 9 Abs. 2 Anhang I FZA vereinbar ( BGE 136 II 241 E. 14.3 S. 253 f.; PASCAL HINNY, Die bilateralen Verträge und ihre Auswirkungen auf unser Steuerrecht [nachfolgend: Auswirkungen], Schweizer Treuhänder 2000 S. 1147 ff., 1151). Ungleichbehandlungen, die sich aus dieser Zielsetzung ergeben, sind zulässig. 5.5.2 Anders als Art. 21 Abs. 2 FZA (dazu BGE 136 II 241 E. 14.2) verwendet Abs. 3 keine gemeinschaftsrechtlichen Begriffe, so dass darauf Art. 16 Abs. 2 FZA nicht anzuwenden ist (a.M. OESTERHELT, Quellensteuerordnung, a.a.O., S. 223, der sich aber nicht auf spezifische gemeinschaftsrechtliche Begriffe beruft). Er ist daher autonom bzw. nach den Regeln von Art. 31 ff. des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (VRK; SR 0.111) auszulegen, mithin primär nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes ( Art. 31 Abs. 1 VRK ). Nach dem so ausgelegten Art. 21 Abs. 3 FZA ist mit den Massnahmen zur Gewährleistung der Besteuerung namentlich die Quellensteuer gemeint, denn die übrigen Steuersicherungsmassnahmen unterscheiden ohnehin nicht nach Staatsangehörigkeit, so dass kein Grund bestand, sie in Art. 21 Abs. 3 FZA vorzubehalten. Die Quellensteuer ist deshalb als solche mit dem FZA vereinbar ( BGE 136 II 241 E. 14.3 S. 253 f.; MÖHR, a.a.O., S. 168, 249; KOLB, a.a.O., S. 30; ZIGERLIG/JUD, Komm. DBG, a.a.O., N. 11 und 12b zu Vor Art. 83-101 DBG ; HINNY, Auswirkungen, a.a.O., S. 1152; HINNY, Diskriminierungsverbot, a.a.O., S. 185; RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, a.a.O., N. 5 der Vorbem. zu Art. 83- 90 DBG ; a.M. OESTERHELT, Quellensteuerordnung, a.a.O., S. 224, 227). Erhebungs- und Bezugsprobleme stehen zwar vor allem bei der Quellensteuer für Personen ohne Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz ( Art. 35 StHG ) im Vordergrund (LOCHER, a.a.O., N. 7 der Einführung zu Art. 83 ff. DBG ). Sie sind aber auch bei in der Schweiz wohnhaften ausländischen Personen nicht zu verneinen: Manche Ausländer halten sich nur für kürzere Zeit in der Schweiz auf und können ins Ausland zurückkehren, bevor die Steuern BGE 140 II 167 S. 181 veranlagt und bezahlt sind (vgl. BGE 91 I 81 E. 3 S. 85 ff.; BGE 124 I 247 E. 6a S. 251 f.). Daran ändert auch der Umstand, dass die EU-Angehörigen einen Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung haben, nichts (entgegen NOËL, Impôt, a.a.O., S. 160 f.). Art. 21 Abs. 3 FZA trägt dem Umstand Rechnung, dass im Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU im Bereich der direkten Steuern keine Steueramtshilferegelung besteht, anders als innerhalb der EU (Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern [ABl. L 336 vom 27. Dezember 1977 S. 15] bzw. die diese ersetzende Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG [ABl. L 64 vom 11. März 2011 S. 1]). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH kann (innerhalb der EU) eine Steuervergünstigung verweigert werden, wenn diese von Voraussetzungen abhängig ist, die nur durch Auskünfte eines Drittstaates verifiziert werden könnten, welche aber wegen Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung des Drittstaats zur Auskunftserteilung nicht erhalten werden können (Urteile des EuGH vom 27. Januar 2009 C-318/07 Persche , Randnr. 70; vom 19. Juli 2012 C-48/11 Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö , Randnr. 35; vom 28. Februar 2013 C-544/11 Petersen , Randnr. 55). Das muss umso mehr im Rahmen des FZA gelten. Der Umstand, dass ein Sicherungszweck nicht bei allen Ausländern ohne Niederlassungsbewilligung besteht (so MOSHEK, a.a.O., S. 344 f.; HINNY, Personenverkehrsabkommen, a.a.O., S. 265), ändert daran nichts, da das Steuerrecht als Massenverwaltungsrecht zwangsläufig auf gewisse Schematisierungen angewiesen ist. Zudem kann ex ante nicht bekannt sein, ob der Aufenthalt in der Schweiz kürzer oder länger dauern wird. 5.5.3 Ist somit die Quellenbesteuerung als Sicherungsinstrument in Art. 21 Abs. 3 FZA vorbehalten, so sind auch diejenigen Ungleichbehandlungen gerechtfertigt, die durch den Sicherungszweck der Quellenbesteuerung bedingt oder zwangsläufig mit diesem System verbunden sind (vgl. E. 4.1, Systemkohärenz). Beim Beschwerdeführer ist allerdings der Sicherungszweck durch den bei ihm erfolgten Bezug an der Quelle bereits hinreichend erfüllt. Zu prüfen ist, ob die ihn bei der nachträglichen ordentlichen Veranlagung benachteiligende Sonderregelung von Art. 38 Abs. 4 StHG durch das System der Quellensteuer bedingt ist. BGE 140 II 167 S. 182 5.5.4 Art. 38 Abs. 4 StHG wurde durch das Bundesgesetz vom 15. Dezember 2000 zur Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis neu in das StHG eingefügt und trat per 1. Januar 2001 in Kraft (AS 2001 1050 ff.). In seiner Botschaft führte der Bundesrat dazu Folgendes aus (Botschaft vom 24. Mai 2000 zur Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis, BBl 2000 3898, 3905 Ziff. 1.4.2.1): "Dass das Besteuerungsrecht beim Wechsel der Steuerpflicht während des Steuerjahres für die ganze Steuerperiode einem einzigen Kanton übertragen wird, bedeutet eine grosse Vereinfachung. Zwecks Koordination der Vorschriften des Bundes und der Kantone schlagen die Kantone vor, die Veranlagungskompetenz demjenigen Kanton zuzuweisen, in dem die steuerpflichtige Person am Ende der Steuerperiode Wohnsitz hat. Damit folgen sie der in Artikel 216 DBG vorgesehenen Regelung. Bei den an der Quelle besteuerten Personen ausländischer Nationalität mit Wohnsitz oder Aufenthalt in der Schweiz muss aber aus Gründen, die mit dem System der Quellensteuer zusammenhängen, weiterhin die Pro-rata-temporis- Besteuerung gelten, wenn die steuerpflichtige Person im Laufe der Steuerperiode ihren Aufenthaltsort innerhalb der Schweiz wechselt." Weiter hält der Bundesrat fest (BBl 2000 3910 Ziff. 2.1.1.5): "Bei der Besteuerung an der Quelle wird, im Gegensatz zu den Vorschriften der ordentlichen Veranlagung, jede Änderung der Verhältnisse des Steuerpflichtigen sofort berücksichtigt. Dies gilt insbesondere bei Änderungen des Zivilstands. Dasselbe muss auch bei Veränderungen der persönlichen Zugehörigkeit gelten; in diesem Fall rechtfertigt sich der Grundsatz einer Pro-rata-temporis-Veranlagung. Unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsökonomie drängt sich die vorgeschlagene Lösung für das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Kantonen auf, weil dadurch die zahlreichen Überweisungen von Quellensteuern zwischen den kantonalen Steuerverwaltungen vermieden werden. Artikel 38 Absatz 4 StHG gilt auch für die ordentliche Veranlagung der Arbeitseinkommen von Personen, die der Quellenbesteuerung unterstellt sind (vgl. Art. 34 Abs. 2 StHG )." Die Neuregelung wird als mit dem europäischen Recht voll vereinbar beurteilt (BBl 2000 3914 Ziff. 5). 5.5.5 Die Regelung dient somit der Verwaltungsökonomie: Sie vermeidet, dass die während des Jahres laufend der zuständigen Steuerverwaltung abgelieferten Steuerbeträge (vgl. Art. 37 StHG ) bei unterjährigem Wohnortswechsel an den Zuzugskanton überwiesen werden müssen. Allerdings rechtfertigt sich diese Überlegung hauptsächlich für die laufende Quellenbesteuerung. Das Bundesgericht hat bereits im Urteil 2C_116/2013 / 2C_117/2013 vom 2. September 2013 BGE 140 II 167 S. 183 E. 3.3 ohne Bezug auf das FZA (welches in jenem Verfahren keine Rolle spielte) erwogen, es erscheine zweifelhaft, ob die Regelung von Art. 38 Abs. 4 StHG für die nachträgliche ordentliche Besteuerung sachgerecht sei; es wäre auch denkbar, dafür den Grundsatz der Einheit der Steuerperiode ( Art. 68 Abs. 1 StHG ) anzuwenden. Zwar müsste dafür der bereits an der Quelle erhobene Steuerbetrag vom bisherigen zum neuen Wohnortkanton verschoben werden. Das muss aber auch im Falle von Art. 68 Abs. 1 StHG geschehen, wenn - wie das oft der Fall ist - während des Jahres bereits im bisherigen Wohnkanton Steuerraten bezahlt worden sind. Dafür würde die interkantonale Ausscheidung überflüssig, die sich zudem dadurch verkompliziert, dass sie nur das an der Quelle besteuerte Einkommen erfasst, nicht aber die übrigen Einkommensbestandteile (E. 3). Eine Abrechnung zwischen den bereits bezahlten Quellensteuern und der aufgrund der nachträglichen Veranlagung geschuldeten Steuer muss zudem ohnehin erfolgen ( Art. 34 Abs. 2 Satz 2 StHG ; vgl. Urteil 2C_116/2013 / 2C_117/2013 vom 2. September 2013 E. 4.3). 5.5.6 Insgesamt lässt sich die Sonderregelung von Art. 38 Abs. 4 StHG durch den in Art. 21 Abs. 3 FZA vorbehaltenen Sicherungszweck nicht rechtfertigen und ist auch nicht durch das System der Quellenbesteuerung bedingt. Sie stellt damit eine mit dem FZA nicht vereinbare Diskriminierung dar und ist deshalb im Falle der nachträglichen ordentlichen Veranlagung von in der Schweiz wohnhaften Personen, die dem FZA unterstehen, nicht anwendbar, soweit dadurch eine Höherbesteuerung resultieren würde. 6. Bei diesem Ausgang kann offenbleiben, ob Art. 38 Abs. 4 StHG auch zum DBA-D in Widerspruch steht.
public_law
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2,014
CH_BGE
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Urteilskopf 118 IV 405 69. Urteil des Kassationshofes vom 14. Dezember 1992 i.S. R. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG ; öffentliche Bekanntgabe der Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln. Die öffentliche Bekanntgabe eines Verfahrens zur Herstellung oder Umwandlung von Drogen und die öffentliche Bekanntgabe bisher unbekannter Formen des Konsums von Drogen werden von den Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes nicht erfasst (E. 2; Änderung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 405 BGE 118 IV 405 S. 405 A.- In der Zeitschrift "S." vom 16. Juli 1990 erschien eine Reportage mit dem Titel "Höllenrauch". Darin wird anhand einer Bildfolge von sechs Fotos mit kurzen Erläuterungen geschildert, wie sich aus Kokain "Crack" herstellen lässt. R. hat als Chefredaktor die Verantwortung für den Artikel übernommen. Er hat den Auftrag erteilt, ihn zu verfassen, und entschieden, ihn drucken zu lassen. B.- R. wurde angeklagt, öffentlich eine Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekanntgegeben zu haben; durch die Veröffentlichung der Bildfolge mit dazugehöriger Legende habe er einer unbestimmten Vielzahl von Dritten ein leichtfassliches Rezept zur Herstellung von Crack gegeben. Am 24. Mai 1991 sprach das Bezirksgericht Zürich R. frei. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft befand das Obergericht des Kantons Zürich R. am 24. Januar 1992 schuldig der fahrlässigen Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 in Verbindung mit Ziff. 3 BetmG und bestrafte ihn mit Fr. 4'000.-- Busse. BGE 118 IV 405 S. 406 C.- R. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. a) Gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG macht sich strafbar: "wer öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentlich Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekanntgibt" "celui qui, publiquement, provoque à la consommation des stupéfiants ou révèle des possibilités de s'en procurer ou d'en consommer" "chiunque pubblicamente istiga al consumo di stupefacenti o rivela la possibilità di acquistarli o di consumarli." Strafbar ist auch die fahrlässige Tatbegehung ( Art. 19 Ziff. 3 BetmG ). b) In dem in BGE 104 IV 293 ff. auszugsweise veröffentlichten Urteil vom 19. Dezember 1978 legte das Bundesgericht dar, öffentlich bekanntgegeben werden müsse nach dem deutschen Text von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG eine "Gelegenheit" zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln. Der französische und der italienische Text lauteten: "révèle des possibilités", "rivela la possibilità". Mit dem deutschen und italienischen und gegen den französischen Text sei anzunehmen, dass schon die Bekanntgabe einer einzigen Gelegenheit zur Strafbarkeit genüge. Sie könne allein ebensoviel oder mehr Schaden anrichten als ein einzelner Kauf, Verkauf oder Genuss von Drogen. Dem Wort "Gelegenheit" könnte man zwar einschränkend entnehmen, das Gesetz erfasse bloss konkrete, einzelne und auch zeitlich nahe Möglichkeiten, Betäubungsmittel zu erwerben oder zu konsumieren. Der französische und italienische Gesetzestext liessen aber eine Möglichkeit schlechtweg genügen, so dass darunter zwanglos auch Herstellungsverfahren und Konsumarten von Betäubungsmitteln verstanden werden könnten. Diese Auslegung entspreche dem Sinn des Gesetzes besser. Die öffentliche Bekanntgabe von praktikablen Herstellungs- und Konsumformen könne mitunter schädlicher sein als die öffentliche Bekanntgabe einer konkreten Gelegenheit zu einem einmaligen Erwerb oder Konsum, die sich von selbst erschöpfe oder ein für allemal unterbunden werden könne. Weiter führte das Bundesgericht aus, die öffentliche BGE 118 IV 405 S. 407 Bekanntgabe einer Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bedürfe nicht der besonderen Intensität der Einwirkung auf die Personen, an die sich die Veröffentlichung richtet. Sie setze auch nicht notwendig den Willen voraus, andere zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln zu veranlassen. Die Tat könne vielmehr auch fahrlässig verübt werden. Doch könne die blosse öffentliche Bekanntgabe einer Möglichkeit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln nicht genügen. Die Bekanntgabe müsse auch objektiv geeignet sein, den Erwerb oder Konsum von Drogen zu fördern, Drogengefährdeten einen ersten oder neuen namhaften Anstoss zu geben, auf die bekanntgegebene Art und Weise den Erwerb oder den Konsum von Betäubungsmitteln zu beginnen oder fortzusetzen. Vernünftiges Ermessen müsse entscheiden, ob eine öffentliche Bekanntgabe nach Inhalt, Form und Verbreitung im Einzelfall geeignet erscheine, den Drogenmissbrauch namhaft auszudehnen oder einzuengen. Die Veröffentlichung von (am Verbreitungsort) allgemein bekannten Tatsachen werde den Drogenmissbrauch, wenigstens in der Regel, nicht fördern. An ein breiteres Publikum gerichtete Veröffentlichungen seien entsprechend vorsichtig abzufassen, wie umgekehrt amtliche, wissenschaftliche oder berufliche Zwecke weitergehende Angaben über die Möglichkeiten, Betäubungsmittel zu erwerben oder zu konsumieren, verlangen und rechtfertigen könnten. In der nicht veröffentlichten Erwägung 3 nahm das Bundesgericht an, der Tatbestand des Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG sei erfüllt, wenn in einer Zeitschrift beschrieben werde, wie in unseren Klimaverhältnissen Marihuana zu pflanzen und zu ernten sei. Entsprechendes gelte für den Hinweis auf die Möglichkeit, Marihuana Speisen beizumischen. c) Das Bezirksgericht führt aus, das Gesetz umschreibe in Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1-7 BetmG genau, welche Handlungen strafbar seien. Damit setze es einer ausdehnenden Auslegung eine enge Grenze. Die Veröffentlichung eines Umwandlungsverfahrens sei in Art. 19 Ziff. 1 BetmG nicht genannt. Hätte sie der Gesetzgeber unter Strafe stellen wollen, hätte er sie, dem Aufbau von Art. 19 Ziff. 1 BetmG entsprechend, ausdrücklich erwähnt. Hier gehe es nicht um die Bekanntgabe einer Herstellungs-, sondern einer Umwandlungsmethode; es werde gezeigt, wie sich aus einem Betäubungsmittel (Kokain) ein anderes (Crack) gewinnen lasse. Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG müsste bei Bejahung der Strafbarkeit des Beschwerdeführers deshalb noch weiter ausgelegt werden, als dies das Bundesgericht in BGE 104 BGE 118 IV 405 S. 408 IV 293 getan habe. Das Gesetz sei ausserdem verfassungskonform auszulegen. Es sei jene Auslegung zu wählen, die die Pressefreiheit sowenig wie möglich einschränke. Die ausdehnende Auslegung in BGE 104 IV 293 beeinträchtige die Freiheit der Presse, sich zu aktuellem Geschehen von öffentlichem Interesse zu äussern und die Bevölkerung zu informieren, ohne klare gesetzliche Grundlage. Mit dem hier zu beurteilenden Artikel habe man über Veränderungen im Drogenmilieu berichten und vor der immer härter werdenden Drogenszene warnen wollen. Die warnende Grundhaltung des Artikels zeige sich bereits an der Überschrift "Höllenrauch". Der Informationscharakter des Artikels gehe auch aus dem ihm angefügten Interview mit dem Chef des Betäubungsmittelkommissariats Zürich hervor. Darin werde eindringlich vor den neuen Konsumformen von Kokain gewarnt. Die Reportage sei daher nicht geeignet, den Drogenmissbrauch namhaft zu fördern, auch wenn ein Teil des Artikels als Umwandlungsrezept tauge. d) Die Vorinstanz führt aus, Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG solle die öffentliche Bekanntgabe von Mitteln und Wegen, wie man zum Betäubungsmittelkonsum gelange, verhindern. Auch die Bekanntgabe eines Herstellungsverfahrens stelle ein solches Mittel dar. Die Umwandlung von Kokain in Crack sei nichts anderes als die Herstellung von Crack. Die Herstellung von Betäubungsmitteln beruhe auf chemischen Prozessen, die immer in einer Umwandlung von Stoffen bestünden. Es sei belanglos, ob der Grundstoff bereits unter das Betäubungsmittelgesetz falle. Die Eignung der Bekanntgabe, den Erwerb oder Konsum von Drogen zu fördern, sei hier zu bejahen. Crack spreche vor allem Haschischkonsumenten an, da es sich im Gegensatz zum Kokain zum Rauchen eigne. Aus dem Artikel ergebe sich im übrigen, dass das Verfahren der Herstellung von Crack nicht allgemein bekannt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe damit den objektiven Tatbestand des Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG verwirklicht. Er habe fahrlässig gehandelt. Sein Verhalten werde nicht gerechtfertigt dadurch, dass an einer Pressekonferenz des Gesundheits- und des Polizeivorstandes der Stadt Zürich über das Thema referiert und die Produktion von "Free Base" vorgeführt und erläutert worden sei. e) Der Beschwerdeführer wendet ein, die Bekanntgabe eines Rezepts falle nicht unter die Strafbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes. Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG spreche nicht von der Herstellung von Drogen, sondern von deren Erwerb bzw. Konsum. Erwerben könne man nur von einem Veräusserer, nicht selbst durch Herstellung. BGE 118 IV 405 S. 409 2. a) Art. 19 Ziff. 1 BetmG enthält eine detaillierte Umschreibung der verschiedenen im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln stehenden strafbaren Tätigkeiten. Die Absätze 1-5 betreffen durchwegs Verhaltensweisen, bei denen der Täter mit Betäubungsmitteln oder Stoffen, aus denen Betäubungsmittel hergestellt werden, unmittelbar zu tun hat. In den drei folgenden Absätzen werden erfasst Vorbereitungshandlungen zu den in den Absätzen 1-5 genannten Straftaten (Abs. 6), die Finanzierung des unerlaubten Verkehrs mit Betäubungsmitteln und die Vermittlung der Finanzierung (Abs. 7) sowie die öffentliche Aufforderung zum Betäubungsmittelkonsum und die öffentliche Bekanntgabe der Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln (Abs. 8). Das Gesetz nennt die strafbaren Handlungen abschliessend. Es erfasst nicht jede im Zusammenhang mit Drogen denkbare und möglicherweise als strafwürdig empfundene Verhaltensweise. Nach dem hier zur Diskussion stehenden Absatz 8 sind einzig strafbar einerseits die öffentliche Aufforderung zum Betäubungsmittelkonsum und andererseits die öffentliche Bekanntgabe der Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln. b) Nach allgemeinem Sprachverständnis bedeutet die öffentliche Bekanntgabe der Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln die Bekanntgabe, wo man Betäubungsmittel erwerben oder konsumieren kann. Das ist etwas anderes als der öffentlich gemachte Hinweis, wie ein Betäubungsmittel hergestellt oder, wie hier, in ein anderes umgewandelt werden kann. Die öffentliche Bekanntgabe von Herstellungs- und Umwandlungsmethoden ist ein Verhalten, das vom Wortlaut des Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG nicht erfasst ist, und zwar weder vom deutschen noch von den romanischen Gesetzestexten. Dabei spielt es entgegen BGE 104 IV 293 E. 2b keine Rolle, dass der deutsche und der italienische Gesetzestext den Ausdruck "Gelegenheit" bzw. "possibilità" in der Einzahl und der französische Gesetzestext den Ausdruck "possibilités" in der Mehrzahl verwendet. Ebenso ist unerheblich, dass die romanischen Gesetzestexte nicht von "Gelegenheit", sondern von "Möglichkeit" ("possibilités"; "possibilità") sprechen; der Ausdruck "possibilité" hat jedenfalls auch den Sinn von "occasion" (Le Petit Robert, dictionnaire de la langue française, 1987, S. 1492). Hätte der Gesetzgeber den öffentlichen Hinweis, wie Betäubungsmittel hergestellt, umgewandelt oder in anderer als bisher bekannter Form konsumiert werden können, unter Strafe stellen wollen, hätte er einen zusätzlichen Absatz, der solche Verhaltensweisen hinreichend umschreibt, BGE 118 IV 405 S. 410 in Art. 19 Ziff. 1 BetmG aufnehmen müssen. Die Bekanntgabe von Herstellungs- und Umwandlungsverfahren und neuer Konsumformen nach geltendem Recht zu bestrafen, widerspricht dem Grundsatz "nullum crimen sine lege", der sich ergibt aus Art. 1 StGB , Art. 4 BV ( BGE 112 Ia 112 E. 3a) sowie Art. 7 EMRK und Art. 15 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR; vgl. LÖWE/ROSENBERG/GOLLWITZER, 24. Aufl., 31. Lieferung zu EMRK Art. 7/IPBPR Art. 15 N 8 ). Im Urteil BGE 104 IV 293 ff. selber wird die Unvereinbarkeit der ausdehnenden Auslegung mit dem Gesetzeswortlaut deutlich. In der nicht veröffentlichten Erwägung 3a wird gesagt, die Möglichkeit, Marihuana zu pflanzen und zu ernten, stelle eine Möglichkeit dar, in den Besitz von Marihuana zu gelangen, es also im Sinne des Gesetzes zu erwerben. Damit wird dem Ausdruck "erwerben" ein Sinn beigelegt, den er üblicherweise nicht hat. Wer beispielsweise Getreide sät, erntet dieses später und erwirbt es nicht. c) Die hier gegebene Auslegung trägt zudem der Presse- und Informationsfreiheit Rechnung. Äusserungen, wie sie sich im zur Beurteilung stehenden Artikel finden, fallen in den Schutzbereich dieser Grundrechte. Deren Einschränkung bedarf einer genügenden gesetzlichen Grundlage ( BGE 115 IV 77 E. 3a; JÖRG PAUL MÜLLER, Kommentar BV, Art. 55 N 60 ; HÄFELIN/HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2. Aufl., N 1132). d) Ein Vergleich mit anderen Gesetzesbestimmungen spricht ebenfalls für die hier vertretene Auffassung. aa) Nach Art. 210 StGB a. F. wurde bestraft, wer, um der Unzucht Vorschub zu leisten, auf eine Gelegenheit zur Unzucht öffentlich aufmerksam machte. Die Tathandlung ("öffentlich aufmerksam machen") dürfte der Sache nach übereinstimmen mit jener von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG ("öffentlich bekanntgeben"). Auch diese Bestimmung hat man stets dahingehend verstanden, dass sie den öffentlichen Hinweis erfasst, wo (und gegebenenfalls wann) Unzucht betrieben werden kann (vgl. BGE 111 IV 68 ff.; BGE 108 IV 172 ff.), nicht aber den Hinweis betreffend "Rezepte" zur Unzucht. bb) Gemäss Art. 226 Abs. 3 StGB ist strafbar, wer jemandem, der, wie er weiss oder annehmen muss, einen verbrecherischen Gebrauch von Sprengstoffen oder giftigen Gasen plant, zu deren Herstellung Anleitung gibt. Nach Art. 32 Abs. 4 AtG (SR 732.0) wird bestraft, wer jemandem Anleitung zur Herstellung von radioaktiven Stoffen oder Einrichtungen gibt, von dem er weiss oder annehmen muss, BGE 118 IV 405 S. 411 dass er plant, einen verbrecherischen Gebrauch davon zu machen. Wenn der Gesetzgeber in bezug auf Sprengstoffe, giftige Gase und radioaktive Stoffe den Tatbestand des Anleitunggebens so genau umschreibt, ist nicht zu ersehen, weshalb er dies, wenn er Entsprechendes in bezug auf Betäubungsmittel wollte, dort nicht ebenfalls getan hat. e) Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG ergibt sich nichts für die in BGE 104 IV 293 vertretene ausdehnende Auslegung. Weder im Postulat Vincent (Amtl. Bull. 1972 N 1321 f.), auf das Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG zurückgeht, noch in der Botschaft des Bundesrates betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel vom 9. Mai 1973 (BBl 1973 I, S. 1348 ff., insb. 1366/7) wird gesagt, öffentliche Bekanntgaben von Herstellungsverfahren und Konsumformen seien strafrechtlich zu erfassen. Einzig Delachaux (Drogues et législation, Diss. Lausanne 1977, S. 189) legt dar, der Ausdruck "possibilités de s'en procurer" müsse in einem weiten Sinne verstanden werden, der auch die Mittel, unbefugt Betäubungsmittel zu erlangen, umfasse, darin eingeschlossen die Herstellungsverfahren. Einen Beleg aus der Entstehungsgeschichte dafür nennt er jedoch nicht.
null
nan
de
1,992
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
8a5da82d-098c-47e9-b433-16459b69300f
Urteilskopf 118 V 264 33. Urteil vom 13. Oktober 1992 i.S. Schweizerische Gewerbekrankenkasse gegen W. und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 6bis, 11 und 30 Abs. 1 KUVG , Art. 60 ff. ZGB . Zur Frage der Beendigung der Kassenmitgliedschaft wegen Nichtbezahlung der Mitgliederbeiträge: Umfassende Prüfung sämtlicher Beendigungsgründe unter sozialversicherungs- und vereinsrechtlichen Gesichtspunkten. - Bestätigung der Rechtsprechung zum Ausschluss, namentlich in bezug auf dessen formelle Voraussetzungen (Erw. 3a). - Bei der in den Kassenstatuten verlangten Schriftlichkeit der Austrittserklärung handelt es sich um ein Gültigkeitserfordernis, womit die Annahme eines stillschweigenden oder konkludenten Austritts entfällt (Erw. 4b). Abgesehen davon bedürfte es zu einer solchen Annahme hinreichender äusserer Umstände, die den Schluss auf den eindeutigen Willen des Versicherten zuliessen (Erw. 6b/bb). - Die automatische Beendigung der Mitgliedschaft aufgrund bestimmter Umstände setzt eine statutarische Grundlage voraus (Erw. 4b, Erw. 6b/cc). - Frage offengelassen, ob blosser Zeitablauf zusammen mit der anhaltenden Verletzung der Beitragspflicht zur Verwirkung der Kassenmitgliedschaft führen könnte; diesbezüglich anwendbare Kriterien (Erw. 7b). Auf jeden Fall wäre bei Annahme eines konkludenten Austritts der Versicherte darüber mittels Verfügung oder entsprechender Mitteilung zu informieren (Erw. 7c).
Sachverhalt ab Seite 265 BGE 118 V 264 S. 265 A.- Der 1965 geborene Werner W. war seit seiner Geburt bei der Schweizerischen Gewerbekrankenkasse (nachfolgend: GKK) gegen die Folgen von Krankheit versichert. nachdem er das 20. Lebensjahr vollendet hatte, verliess er sein Elternhaus und stellte die Zahlungen der Krankenkassenprämien ein. Unter Bezugnahme auf zwei Mahnungen, wovon die letzte per Einschreiben erfolgt sein soll, erliess die GKK am 12. August 1985 eine Verfügung, mit der sie den Versicherten zur Bezahlung ausstehender Beiträge von insgesamt Fr. 158.-- verhielt. Gleichzeitig verwies sie ihn auf die den Kassenausschluss regelnde Statutenbestimmung, ohne indes deren Inhalt wiederzugeben. Diese eingeschrieben versandte Verfügung gelangte mit dem Vermerk "nicht abgeholt" an die Kasse zurück. In der Folge betrieb die GKK Werner W. für den verfügten Betrag samt Kosten und Zins. Der Zahlungsbefehl konnte dem Versicherten am 23. Oktober 1985 persönlich zugestellt werden. Nachdem kein Rechtsvorschlag erhoben worden war und BGE 118 V 264 S. 266 die Kasse das Fortsetzungsbegehren gestellt hatte, blieb die im Dezember 1985 an dieselbe Adresse versuchte Zustellung der Pfändungsankündigung erfolglos. Laut Angaben auf dem betreibungsamtlichen Formular war der Versicherte offenbar weder der Hausverwaltung noch in der Nachbarschaft bekannt; er habe sich zwar angemeldet, sei aber nie eingezogen. Die Kasse will sodann vom Vermieter erfahren haben, dass Werner W. am 30. November 1985 ohne Zielangabe ausgezogen sei. Ohne weitere Vorkehren getroffen zu haben, versah sie die Mitgliederkarte des Versicherten mit dem handschriftlichen Vermerk "Abgang per 1.12.85". Am 24. Februar 1988 wandte sich Werner W. Vater an die GKK mit dem Begehren, die Versicherung seines Sohnes "zu aktivieren". Am 5. Juli 1989 unterzeichnete Werner W. eigenhändig einen Versicherungsantrag, woraufhin ihm die GKK am 13. Juli 1989 mitteilte, dass er - unter Anbringung eines Vorbehaltes für Suchtleiden - ab 1. Juli 1989 wieder aufgenommen werde. Nachdem sich der Vater des Versicherten diesem Vorbehalt mit Schreiben vom 7. Dezember 1990 widersetzt und darauf verwiesen hatte, dass die Kassenzugehörigkeit seines Sohnes zufolge unterbliebener Austrittserklärung gar nie unterbrochen worden sei, hielt die GKK mit Verfügung vom 11. Dezember 1990 an ihrem Standpunkt fest. B.- In Gutheissung der hiegegen vom Vater des Versicherten eingereichten Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons Zürich die Kassenverfügung mit Entscheid vom 16. Mai 1991 auf. C.- Die GKK lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei - in Bestätigung der Kassenverfügung vom 11. Dezember 1990 - festzustellen, dass die Mitgliedschaft des Werner W. dahingefallen war und man ihn zu Recht als Neueintritt mit gesetzmässigem Vorbehalt behandelt habe. Werner W. lässt durch seinen Vater auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine Stellungnahme verzichtet. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Kognition) 2. Im vorliegenden Verfahren gilt es die im wesentlichen streitige Frage zu klären, ob die Mitgliedschaft des Beschwerdegegners BGE 118 V 264 S. 267 in der beschwerdeführenden Kasse seit seiner Geburt ungebrochen andauerte oder ob sie in der Zeit nach 1985 zum Erliegen kam, um erst im Anschluss an den Versicherungsantrag vom 5. Juli 1989 - unter Anbringung eines Vorbehaltes für Suchtleiden - ab 1. Juli desselben Jahres neu zu entstehen. 3. Das kantonale Gericht hat dafür gehalten, dass der Versicherte der Kasse mangels Ausschlussverfügung ohne Unterbruch angehört habe und somit durchwegs versichert geblieben sei. - In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird das Fehlen eines formgerechten Ausschlussverfahrens nicht in Abrede gestellt. Indes wird seitens der beschwerdeführenden Kasse die vorinstanzliche Sichtweise als überspitzt formalistisch abgetan und der Sache nach gefolgert, die förmliche Eröffnung des Ausschlusses nach entsprechender Androhung sei zufolge Unerreichbarkeit des Versicherten nicht zumutbar gewesen. a) Bestehen Ausstände von Beiträgen und Selbstbehalten, so kann eine Krankenkasse ein Mitglied bei klarer statutarischer Grundlage ausschliessen, wenn erschwerende Umstände vorliegen, so z.B. das missbräuchliche Verhalten eines Versicherten, das die Kasse wiederholt zur Einleitung des Betreibungsverfahrens zwingt. Indes unterliegt auch der Ausschlusstatbestand des Prämienverzugs der Geltung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes. Der Kassenausschluss ist als strengste Sanktion für den Betroffenen meist mit einschneidenden Folgen verbunden. Daher setzt er ein besonders schweres Verschulden oder aber Umstände voraus, welche die fragliche Mitgliedschaft für die Kasse schlechthin als unzumutbar erscheinen lassen ( BGE 111 V 318 , BGE 108 V 248 Erw. 2a; RKUV 1991 Nr. K 867 S. 127 Erw. 3a; vgl. ferner BGE 117 V 103 am Ende). Der Ausschluss eines Mitgliedes aus der Kasse darf praxisgemäss erst nach schriftlicher Androhung dieser Sanktion verfügt werden, es sei denn, eine solche Vorkehr könne vernünftigerweise nicht vorausgesetzt werden ( BGE 111 V 319 Erw. 2, 322 Erw. 2a; RKUV 1991 Nr. K 867 S. 128, 1989 Nr. K 802 S. 145). Bezüglich des Inhaltes der Androhung hat die Rechtsprechung klargestellt, dass die betreffende Sanktion unmissverständlich anzudrohen ist und der blosse Hinweis auf einen Statutenartikel nicht ausreicht ( BGE 111 V 323 Erw. 2c). b) Im Blick auf diese Rechtsprechung kann der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden. Wohl dürfte aufgrund deren statutarischer Ordnung der Ausschluss eines Mitgliedes u.a. auch bei Zahlungsausständen verfügt werden (Art. 18 der GKK-Statuten, BGE 118 V 264 S. 268 gültig ab 1. Januar 1978). Indes sind im vorliegenden Fall erschwerende Umstände oder ein besonders schweres Verschulden des Beschwerdegegners im Sinne der Rechtsprechung weder dargetan noch ersichtlich. Dessen Versäumnisse erschöpften sich vielmehr in der blossen Verletzung der Beitragspflicht sowie in eher untergeordneten Verstössen gegen die Pflicht zur Meldung von Adressänderungen (Art. 8.2 der GKK-Statuten), und es erscheint daher sein Ausschluss bereits im Lichte der gebotenen Verhältnismässigkeit als zweifelhaft. - Wie es sich im einzelnen damit verhält, kann freilich dahingestellt bleiben. Denn nachdem die Dinge im vorliegenden Fall keineswegs so lagen, dass ein Ausschluss ohne vorgängige schriftliche Androhung und ohne den statutarisch vorgesehenen Erlass einer Verfügung erwogen werden durfte, vermag das Vorgehen der Kasse namentlich den formellen Erfordernissen nicht zu genügen. aa) Soweit dabei die verlangte Ausschlussandrohung in Frage steht, kann eine solche nicht in dem schlichten Hinweis auf die betreffende statutarische Grundlage erblickt werden, wie er in der Verfügung vom 12. August 1985 enthalten war ( BGE 111 V 323 Erw. 2c). Zu Recht wird dergleichen auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht geltend gemacht. Ebensowenig lässt sich indes die Auffassung vertreten, diese Vorkehr sei im vorliegenden Fall entbehrlich gewesen. Diesbezüglich ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, dass sich ihr Vorbringen, die Zustellungen der Kassenmitteilungen seien - vom Versicherten bewusst vereitelt - regelmässig ins Leere gegangen, jedenfalls in dieser absoluten Form nicht halten lässt. Immerhin konnte ihm wenigstens der Zahlungsbefehl problemlos übergeben werden, während die Nachzahlungsverfügung vom 12. August 1985 lediglich mit dem Vermerk "nicht abgeholt" zurückkam. Erst die Zustellung der Pfändungsankündigung scheiterte, wobei der Hinweis auf dem betreibungsamtlichen Formular, die nie bezogene Wohnung betreffend, angesichts der vorgängig daselbst erfolgten Aushändigung des Zahlungsbefehls gewisse Zweifel weckt. bb) Welche Bewandtnis es damit hat, ist freilich nicht von Belang. Denn ein Verzicht auf die Durchführung des förmlichen Ausschlussverfahrens kann bei der gegebenen Sachlage um wo weniger hingenommen werden, als die Beschwerdeführerin ihrerseits den Nachweis schuldig geblieben ist, die von den Kassen bei Unerreichbarkeit ihrer Mitglieder im Hinblick auf deren Ausschluss verlangten Vorkehren getroffen zu haben (RSKV 1977 Nr. 305 S. 214 Erw. II/1b). Zu erinnern gilt es in diesem Zusammenhang etwa daran, BGE 118 V 264 S. 269 dass der Vater des Beschwerdegegners ebenfalls bei der beschwerdeführenden Kasse versichert war und möglicherweise über das Verbleiben seines Sohnes hätte Aufschluss geben können. Aber auch wenn diese Bemühungen fruchtlos geblieben wären, hätte die Kasse nicht ohne Kundgabe des Ausschlusses verfahren dürfen, sondern für die korrekt gefasste Androhung ebenso wie die Eröffnung des Ausschlusses den Weg der formgerechten Zustellung - allenfalls im Sinne einer Ersatzzustellung nach Massgabe des kantonalen Rechts (vgl. KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, N. 8 zu § 10) - beschreiten müssen. c) Nach dem Gesagten fällt demnach die Beendigung der Kassenzugehörigkeit zufolge Ausschlusses des Beschwerdegegners ausser Betracht. 4. Die beschwerdeführende Kasse versucht die Aufhebung der Mitgliedschaft vor dem Eidg. Versicherungsgericht erstmals damit zu begründen, der Beschwerdegegner habe seinen Austritt durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten bekundet. Bei diesem Vorbringen handelt es sich um eine neue Rüge rechtlicher Art, die selbst im Rahmen der engen Kognition ohne weiteres erhoben werden kann und vom Novenverbot, welches sich lediglich auf neue tatsächliche Behauptungen oder die Einreichung neuer Beweismittel bezieht, nicht erfasst wird (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 259). a) Neben dem von der Kasse zu verfügenden Ausschluss (Art. 18 der GKK-Statuten) sehen die Statuten für das Erlöschen der Mitgliedschaft weitere Gründe vor, nämlich in Art. 16 die an den Eintritt bestimmter Tatsachen (Ableben oder Wegzug des Mitglieds, Erschöpfung der Bezugsberechtigung bei nur für Krankengeld versicherten Mitgliedern) geknüpfte automatische Beendigung des Versicherungsverhältnisses einerseits (vgl. MAURER, Sozialversicherungsrecht, Bd. II, S. 298; BONER/HOLZHERR, Krankenversicherung II, SJK Nr. 1314, S. 11) sowie den Austritt anderseits. Diesbezüglich hält Art. 17 der Statuten fest, dass der Kassenaustritt unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist je auf Ende eines Monates erklärt werden kann (Satz 1). Diese Austrittserklärung hat schriftlich zu erfolgen, wobei das Datum des Poststempels massgebend ist (Satz 2). b) Diese Ordnung lässt keine Zweifel offen, dass es im vorliegenden Fall an einer Grundlage für die automatische Beendigung der Mitgliedschaft wegen nachrichtenloser Abwesenheit des Versicherten und/oder wegen Nichtbezahlung der Beiträge fehlt. Damit fällt BGE 118 V 264 S. 270 indes die Annahme dieser Rechtsfolge bereits ausser Betracht, denn sie müsste angesichts ihrer einschneidenden Folgen und ihres gelegentlichen Zwangscharakters ausdrücklich statutarisch oder reglementarisch verankert sein (RKUV 1990 Nr. K 842 S. 173 Erw. 4b). Abgesehen davon käme die automatische Beendigung mit Bezug auf die unterlassenen Beitragszahlungen schon deshalb kaum in Frage, weil die Mitgliedschaft in diesen Fällen ohnehin nur unter erschwerenden Umständen tangiert wird (Erw. 3a) und bei der Beschwerdeführerin hiefür eigens das Ausschlussverfahren vorbehalten ist (Art. 18 der GKK-Statuten). - Was sodann die Möglichkeit des Austritts anbelangt, verlangen die Statuten nach einer schriftlichen Erklärung (Art. 17 der GKK-Statuten), die vorliegendenfalls von seiten des Beschwerdeführers unbestrittenermassen nie ergangen ist. Selbst wenn im übrigen "schriftlich" im Sinne dieser Vorschrift nicht in jeder Hinsicht dasselbe bedeuten muss wie im Zivilrecht ( Art. 12 ff. OR ), handelt es sich dabei nicht um eine blosse Ordnungsvorschrift. Vielmehr scheint es naheliegender, der fraglichen Formvorschrift die Tragweite eines Gültigkeitserfordernisses beizumessen (EVGE 1959 S. 274 Erw. 1), womit die von der Kasse angerufene Möglichkeit eines stillschweigenden oder konkludenten Austrittes von vornherein entfällt. c) Schliesslich vermag die Beschwerdeführerin nicht nur aus ihren eigenen Statuten, sondern auch aus dem Recht der sozialen Krankenversicherung nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Denn weder das KUVG selbst noch seine Vollzugserlasse sehen einen Erlöschungsgrund in dem Sinne vor, dass die Kassenzugehörigkeit durch Unauffindbarkeit und/oder Zahlungsausstände des Mitglieds hinfällig werden könnte. 5. a) Bei dieser Sachlage rechtfertigt es sich, die Fragen der automatischen Beendigung der Mitgliedschaft, einerseits, und des stillschweigenden oder konkludenten Kassenaustritts, anderseits, nach Massgabe der einschlägigen Regeln des Zivilrechts zu beurteilen. Auf diese darf nach gefestigter Rechtsprechung insoweit zurückgegriffen werden, als sie sich mit dem Sozialversicherungsrecht vereinbaren lassen ( BGE 117 V 58 Erw. 3a, BGE 105 V 88 Erw. 2; RKUV 1991 Nr. K 873 S. 190 Erw. 3b; zustimmend RIEMER, Berührungspunkte zwischen Sozialversicherung und Privatrecht, in: Festschrift 75 Jahre EVG, S. 151 f.). b) Die beschwerdeführende Kasse ist in die Rechtsform eines Vereins im Sinne von Art. 60 ff. ZGB gekleidet (Art. 1 der GKK-Statuten), so dass der (privatautonomen) statutarischen Ausgestaltung BGE 118 V 264 S. 271 der Verbandszugehörigkeit vorrangige Bedeutung zukommt ( Art. 63 Abs. 1 ZGB ). Wie bereits dargelegt worden ist (Erw. 4a), verfügt die Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht über eine detaillierte Ordnung (Art. 16 ff. der GKK-Statuten). - Zu prüfen bleibt nunmehr, ob diese Ordnung hinsichtlich der Belange des vorliegenden Falles im Widerspruch zu zwingendem Vereinsrecht steht ( Art. 63 Abs. 2 ZGB ) oder ob sie anderseits lückenhaft ist und - unter Beachtung sozialversicherungsrechtlicher Eigenheiten - der Ergänzung durch das Zivilrecht bedarf. 6. a) Für die Beendigung der Mitgliedschaft enthält das Vereinsrecht in Art. 70 Abs. 2 ZGB (Austritt) und Art. 72 Abs. 3 ZGB (Ausschluss) minimale zwingende Vorschriften (RIEMER, Berner Kommentar, N. 270 zu Art. 70 ZGB , N. 37 zu Art. 72 ZGB und N. 40 zu Art. 63 ZGB ; HEINI, Das Schweizerische Vereinsrecht, Basel 1988, S. 62 ff.). Die Rechtsprechung hat darüberhinaus dem einzelnen Mitglied das Recht eingeräumt, ohne Rücksicht auf die statutarische Ordnung aus wichtigen Gründen mit sofortiger Wirkung aus dem Verein auszutreten ( BGE 71 II 197 ). Diese Befugnis ist aufgrund ihrer Verträglichkeit mit dem Sozialversicherungsrecht auch bei den als Vereinen organisierten Krankenkassen anerkannt worden ( BGE 105 V 88 ). b) Die bei der Beschwerdeführerin statutarisch vorgesehenen Möglichkeiten der Beendigung der Kassenmitgliedschaft bilden - vorbehältlich des sofortigen Austrittsrechts aus wichtigem Grund - eine abschliessende Ordnung, die aus vereinsrechtlicher Sicht keiner Ergänzung bedarf. Auch was die Ausgestaltung dieser Ordnung im einzelnen anbelangt, vermag die Beschwerdeführerin aus zwingendem Recht - wie zu zeigen ist - nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. aa) Dies gilt zunächst für die Regelung des Austritts gemäss Art. 17 der Statuten und die dort verankerte Schriftform. Dass der Einhaltung dieser Form die Bedeutung eines Gültigkeitserfordernisses zukommt, kann nicht zweifelhaft sein (Erw. 4b). Dennoch wäre es verfehlt, in dieser Erschwerung des Austritts einen Verstoss gegen zwingendes Recht, namentlich Art. 70 Abs. 2 ZGB , zu erblicken (RIEMER, a.a.O., N. 18 zu Art. 63 ZGB , vgl. ferner N. 268 zu Art. 70 ZGB ). Unter diesen Umständen muss demnach die Möglichkeit eines stillschweigenden oder konkludenten Kassenaustritts auch aus vereinsrechtlicher Sicht von vornherein entfallen. bb) Selbst wenn indes - entgegen Art. 17 der Statuten - die Zulassung eines nicht formgebundenen Austritts erwogen würde, könnte dem Verhalten des Beschwerdegegners nicht der Sinn eines BGE 118 V 264 S. 272 stillschweigend oder konkludent bekundeten Austritts beigemessen werden. Denn bei der Erklärung des Vereins- oder Kassenaustritts handelt es sich um ein Gestaltungsrecht ( BGE 117 V 61 Erw. 4; RKUV 1991 Nr. K 873 S. 195 Erw. 4a, je mit Hinweisen), dessen Ausübung wesensgemäss keine Unklarheiten erträgt (RIEMER, a.a.O., N. 267 zu Art. 70 ZGB ; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, § 20 Ziff. 4, S. 147). Insofern liesse die Verletzung der Beitragszahlungspflicht durch den Beschwerdegegner verschiedene Deutungen zu, und es bedürfte auch unter Einbezug vertrauenstheoretischer Gesichtspunkte zusätzlicher Anhaltspunkte, damit der Schluss auf einen (konkludenten) Austritt anginge (KRAMER, Berner Kommentar, N. 11 f., 44 f. zu Art. 1 OR ). Aus denselben Gründen müsste im vorliegenden Fall auch ein wenigstens im Schrifttum als möglich erachtetes Ausscheiden ohne statutarische Grundlage, sei es aufgrund einseitigen Entschlusses des Mitgliedes, sei es aufgrund vertraglicher ("stillschweigender") Übereinkunft zwischen diesem und dem Verein ( Art. 1 Abs. 2 OR ), verworfen werden (RIEMER, a.a.O., N. 295 ff. zu Art. 70 ZGB , mit Hinweis auf die Ablehnung einer stillschweigenden Übereinkunft in BGE 55 II 290 f.). cc) Zur Möglichkeit des Ausschlusses gemäss Art. 18 der Statuten bleibt zu ergänzen, dass nicht nur das Sozialversicherungsrecht, sondern ebenso das einschlägige Zivilrecht, nebst materiellen Schranken ( Art. 2 Abs. 2, Art. 28 ZGB ), auch formelle Garantien gewährleistet. In diesem Sinne hat die Rechtsprechung dem betroffenen Mitglied kraft ungeschriebenen Rechts einen Anspruch auf vorgängige Anhörung zuerkannt ( BGE 90 II 347 Erw. 2; zustimmend RIEMER a.a.O., N. 61 zu Art. 72 ZGB ; HEINI, a.a.O., S. 64, Fn. 108). - Schliesslich gilt hinsichtlich der automatischen Beendigung der Mitgliedschaft, dass für diese im Gesetz nicht ausdrücklich erfasste, indes in der Vereinspraxis weit verbreitete Vorkehr eine entsprechende statutarische Grundlage unerlässlich ist (RIEMER, a.a.O., N. 301, 305 zu Art. 70 ZGB ; HEINI, a.a.O., S. 67, Ziff. 3). Dass die Beschwerdeführerin über eine solche Grundlage nicht verfügt, ist bereits dargelegt worden (Erw. 4a und b). 7. Verhält es sich nach dem Gesagten so, dass die beschwerdeführende Kasse einen konkludenten oder stillschweigenden Austritt des Beschwerdegegners auch nicht unter Berufung auf subsidiär anwendbares Zivilrecht zu begründen vermag, entfällt vorliegendenfalls jede Notwendigkeit, dessen Vereinbarkeit mit dem (derogierenden) Recht der Sozialversicherung zu hinterfragen. - BGE 118 V 264 S. 273 Allerdings kann festgehalten werden, dass dieses Ergebnis - sozialversicherungsrechtlich gesehen - aus weiteren Gründen durchaus folgerichtig ausgefallen ist. a) So darf etwa daran erinnert werden, dass das Eidg. Versicherungsgericht die Herabsetzung der Versicherungsdeckung gegen den Willen des Versicherten nur dann zulässt, wenn dieser am Fortbestand oder am bisherigen Mass der Versicherung vernünftigerweise kein Interesse mehr haben kann ( BGE 111 V 333 Erw. 2b). Angesichts der Tragweite eines Kassenaustritts schiene es zweifelsohne geboten, die Fiktion eines solchen Schrittes gestützt auf äussere Umstände, in aller Regel gegen den Willen des betroffenen Versicherten gleichermassen zurückhaltend zu handhaben. - Nachdem keine Anhaltspunkte für ein fehlendes Interesse des Beschwerdegegners an der Weiterführung seiner Kassenmitgliedschaft vorhanden sind, müsste somit die Annahme eines stillschweigend oder schlüssig kundgegebenen Kassenaustritts im vorliegenden Fall auch unter diesem Gesichtspunkt scheitern. b) Des weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung an die Annahme eines stillschweigenden Verzichts auf Versicherungsleistungen sehr strenge Anforderungen stellt. Insbesondere lässt sie das Kriterium des blossen Zeitablaufs nicht genügen (RKUV 1986 Nr. K 690 S. 391 Erw. 3c), sondern es hat ein solcher Verzicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen zu sein, was regelmässig nur dann angenommen worden ist, wenn nach den konkreten Umständen besondere Gründe dafür vorhanden waren ( BGE 116 V 280 mit Hinweisen). Diese Sichtweise muss um so mehr gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - anstelle des Verzichts auf einzelne Versicherungsleistungen derjenige auf die Kassenmitgliedschaft insgesamt in Frage steht. Daran ändert der Umstand nichts, dass in solchen Fällen mit dem Zeitablauf entsprechende Zahlungsausstände anfallen, wodurch die Kassen ihrerseits in ihrer Rechtsstellung betroffen werden. Denn einerseits steht es ihnen frei, gemäss ihrer statutarischen Ordnung und unter Wahrung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes anderweitige Vorkehren zu treffen ( BGE 111 V 320 f.). Anderseits besteht nur auf diese Weise Gewähr, dass der betroffene Versicherte, dessen Untätigsein mannigfache Gründe haben kann, seiner Kassenmitgliedschaft nicht vorschnell verlustig geht. Nach dem Gesagten bedürfte es zur Annahme eines schlüssig kundgegebenen Mitgliedschaftsverzichts nebst dem Zeitablauf zusätzlicher konkreter Umstände, wie sie hier weder dargetan noch BGE 118 V 264 S. 274 ersichtlich sind. - Ob ganz allgemein Fälle denkbar wären, in denen die Kassenmitgliedschaft durch langwährende Verletzung der Beitragspflicht untergehen könnte, mag dahingestellt bleiben. Denn - falls überhaupt - käme dergleichen erst in Frage, wenn sich die ältesten ausstehenden Beiträge zufolge Verwirkung nicht mehr einfordern liessen. Dies wäre mit Blick auf die gesetzliche Ordnung in anderen Sozialversicherungszweigen ( Art. 16 Abs. 1 AHVG ) oder auf die in einschlägigen zivilrechtlichen Verhältnissen anwendbare Verjährungsfrist des Art. 128 Ziff. 1 OR (RIEMER, a.a.O., N. 42 zu Art. 71 ZGB mit Hinweisen) nicht vor Ablauf von fünf Jahren anzunehmen, welche Voraussetzung vorliegend ebenfalls nicht erfüllt ist. c) Der Berufung auf einen Kassenaustritt zufolge stillschweigenden oder schlüssigen Verhaltens könnte vorliegend noch aus einem weiteren Grund nicht stattgegeben werden. Selbst wenn nämlich diese Möglichkeit unter entsprechenden objektiven Umständen in grundsätzlicher Hinsicht anerkannt würde, wäre der Betroffene darüber ins Bild zu setzen gewesen, sei es mittels Verfügung (vgl. BGE 117 V 103 f.), sei es zumindest mittels entsprechender Mitteilung. Wie bereits angedeutet worden ist (Erw. 7a), liefe ein fingierter Verzicht dem wirklichen Willen des Betroffenen in aller Regel geradewegs zuwider. So besehen wäre ein Unterschied zum Ausschluss nicht mehr auszumachen, womit sich die analoge Anwendung der dort geltenden formellen Garantien (RKUV 1991 Nr. K 867 S. 128) aufdrängt. 8. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Vorbringen nicht durchdringt und der angefochtene Gerichtsentscheid im Ergebnis standhält. 9. (Kostenpunkt)
null
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1,992
CH_BGE
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Federation
8a61272e-ccc8-4229-a694-bb00060fe35b
Urteilskopf 100 Ib 445 74. Urteil vom 8. November 1974 i.S. Schweizer Heimatschutz gegen Cresta Ferien AG.
Regeste Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Voraussetzungen. Umfang der Legitimation gesamtschweizerischer Vereinigungen gemäss Art. 12 NHG . 1. Voraussetzungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, Art. 97 Abs. 1 OG (Erw. 2). 2. Legitimation gesamtschweizerischer Vereinigungen gemäss Art. 12 Abs. 1 NHG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde: - Umfang der Beschwerdebefugnis auf dem Gebiet des Gewässerschutzrechtes (Erw. 3). - Beschwerdebefugnis nur im bundesrechtlichen Rechtsmittelverfahren? (Erw. 4.)
Sachverhalt ab Seite 445 BGE 100 Ib 445 S. 445 A.- Durch Vertrag vom 9. Juni 1972 verkaufte die Bürgergemeinde Obersaxen der Cresta Ferien AG ein Areal von rund 46000 m2 zu Fr. 50.- pro m2 für die Errichtung eines Ferienzentrums mit Hotel, Hallenbad, Mehrzwecksportplatz, Eigentumswohnungen und Garagen. Anlässlich der Versammlung vom 15. Dezember 1973 stimmte die Politische Gemeinde Obersaxen dem Bauprojekt BGE 100 Ib 445 S. 446 der Cresta Ferien AG mit 36 Ja gegen 10 Nein zu. Die Beschlussfassung durch die Gemeindeversammlung wurde wegen der Grösse des Projektes und wegen der vorgesehenen Ausnützungsziffer von 0,6-0,66 für notwendig erachtet. In weiteren Verhandlungen zwischen der Bauherrin und dem Gemeindevorstand wurden die mit der Ausnahmebewilligung verbundenen Bedingungen und Auflagen festgelegt. B.- Am 23. Dezember 1973 reichte Beate Schnitter, Architektin, Zürich, bei der Regierung des Kantons Graubünden eine Aufsichtsbeschwerde gegen die Gemeinde Obersaxen ein mit dem Antrag, die in dieser Sache ergangenen Beschlüsse des Gemeindevorstandes Obersaxen und der "Baubewilligungsbeschluss" der Gemeindeversammlung vom 15. Dezember 1973 seien zu kassieren; der Gemeindevorstand sei anzuhalten, das Baugesuch nach Vervollständigung der Gesuchsunterlagen eventuell erneut zu publizieren und ordnungsgemäss zu verabschieden. In ihrer Sitzung vom 8. April 1974 kam die Regierung zum Schluss, dass sie als Oberaufsichtsbehörde über die Gemeindeverwaltungen und über die Planung keine Handhabe besitze, gegen den Beschluss der Gemeindeversammlung Obersaxen vom 15. Dezember 1973 von Amtes wegen einzuschreiten; es sei Aufgabe der zuständigen kommunalen Planungsinstanzen, in Verbindung mit den zugezogenen Fachleuten die sich aus der Grösse des Bauvorhabens ergebenden Probleme zu lösen, insbesondere die Sicherung einer hinreichenden Zufahrt und einer objektbezogenen Abwasserbeseitigung. C.- Gegen diesen Entscheid der Regierung des Kantons Graubünden hat der Schweizer Heimatschutz Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, "der angefochtene Entscheid samt der darin erteilten, allenfalls bestätigten Baubewilligung sei aufzuheben". Die Beschwerde stützt sich im wesentlichen auf die Rüge, die Regierung habe das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 8. Oktober 1971 (GSchG) nicht beachtet, allenfalls nicht richtig angewendet und dadurch Bundesrecht verletzt. Zur Begründung seiner Legitimation beruft sich der beschwerdeführende Verband auf Art. 12 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG). Wie bei der Anwendung des Forstrechtes bestehe auch bei der BGE 100 Ib 445 S. 447 Anwendung des Gewässerschutzgesetzes die in Art. 24sexies Abs. 2 BV und Art. 2 ff. NHG statuierte Pflicht zur Mitberücksichtigung des Natur- und Heimatschutzes. Da der Schweizer Heimatschutz gemäss Art. 12 NHG nur bundesrechtliche Rechtsmittel ergreifen könne und ihm nach dem Recht des Kantons Graubünden keine Beschwerdemöglichkeit offenstehe, brauche nicht geprüft zu werden, ob der angefochtene Entscheid nach kantonalem Recht letztinstanzlich sei. D.- a) Die Regierung des Kantons Graubünden und die Gemeinde Obersaxen beantragen, es sei auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. b) Die Cresta Ferien AG beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. c) In der Vernehmlassung des Eidgenössischen Departements des Innern wird beantragt, es sei festzustellen, dass der Gemeindebeschluss vom 15. Dezember 1973 noch keine definitive Baubewilligung enthalte und dass eine solche durch die Gemeinde erst erteilt werden könne, wenn die Zustimmung der zuständigen kantonalen Behörde vorliege, die ihrerseits von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen sei, insbesondere vom Anschluss an eine Kläranlage oder eventuell von der Errichtung einer Einzelkläranlage. E.- Durch Verfügung vom 24. Juni 1974 hat der Präsident der verwaltungsrechtlichen Kammer der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt und der Cresta Ferien AG untersagt, während der Dauer dieses Verfahrens bauliche Massnahmen im Zusammenhang mit dem strittigen Projekt zu treffen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. In erster Linie ist zu prüfen, ob auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Schweizer Heimatschutzes eingetreten werden kann. Im folgenden wird der Reihe nach untersucht, ob sich die Beschwerde gegen eine Verfügung richtet, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützt oder ob es im angefochtenen Entscheid ausschliesslich um die Anwendung kantonalen und kommunalen Rechts geht, ob die beschwerdeführende Vereinigung gegebenenfalls nach Art. 12 NHG legitimiert ist, die fehlende oder unrichtige Anwendung des Gewässerschutzgesetzes mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu BGE 100 Ib 445 S. 448 rügen, und ob ein im Sinne von Art. 98 lit. g OG beschwerdefähiger kantonaler Entscheid vorliegt. 2. Gemäss Art. 97 OG setzt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde voraus, dass der angefochtene Entscheid im Sinne von Art. 5 VwG eine Verfügung ist, welche sich auf öffentliches Recht des Bundes stützt. a) Der Entscheid der Regierung des Kantons Graubünden über die Aufsichtsbeschwerde Schnitter stützt sich nicht auf Bundesrecht, sondern auf das kantonale Gemeindeorganisations- und Raumplanungsrecht. Das Gewässerschutzrecht des Bundes wird lediglich insofern am Rande erwähnt, als der Regierungsrat in den Erwägungen feststellt, es sei Sache der kommunalen Planungsinstanzen, die sich aus dem grossen Bauvorhaben ergebenden Probleme der Abwasserbeseitigung zu lösen. Die mit der Aufsichtsbeschwerde beanstandeten kommunalen Entscheidungen, vor allem der Beschluss der Gemeindeversammlung vom 15. Dezember 1973, nehmen ebenfalls nicht auf Bundesrecht Bezug und enthalten insbesondere keine gewässerschutzrechtlichen Anordnungen. Es fehlt somit eine auf Bundesrecht gestützte Verfügung. b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann jedoch auch geltend gemacht werden, in der angefochtenen Verfügung werde zu Unrecht eine einschlägige Vorschrift des Bundesverwaltungsrechtes nicht angewendet ( BGE 96 I 689 f E. 1a, BGE 98 V 163 , BGE 100 Ib 120 ). Diese Rüge setzt voraus, dass die vom Bundesrecht geregelte Frage durch den angefochtenen Verwaltungsakt ausdrücklich oder stillschweigend behandelt worden ist. Im vorliegenden Fall muss daher abgeklärt werden, ob der angefochtene Entscheid der Regierung oder vorangehende Verfügungen der Gemeinde die Abwasserbeseitigung ordnen, ohne Bundesrecht zu berücksichtigen, und es sei auch nur in dem negativen Sinn, dass jede Form der Abwasserbeseitigung stillschweigend in Kauf genommen wird. c) Wäre der Beschluss der Gemeindeversammlung vom 15. Dezember 1973, entsprechend der Ankündigung auf der publizierten Traktandenliste, als eigentliche definitive Baubewilligung zu betrachten, dann fehlte in dieser summarischen Bewilligung eine dem GSchG entsprechende Regelung der Abwasserbeseitigung. Jener Beschluss stellt aber nicht die formelle Baubewilligung dar. Die Gemeindeversammlung hatte offenbar über die Bewilligung von Ausnahmen hinsichtlich BGE 100 Ib 445 S. 449 Gebäudegrösse und Grenzabstände zu befinden (Art. 4 BO Obersaxen); die eigentliche formelle Baubewilligung dagegen fällt in die Zuständigkeit des Gemeindevorstandes und ist bis jetzt nicht erteilt worden. Der Gemeindevorstand und die Cresta Ferien AG gehen in ihren Vernehmlassungen davon aus, dass die Frage der Abwasserbeseitigung in der definitiven Baubewilligung des Gemeindevorstandes zu regeln sei. Auch der Aufsichtsentscheid der Regierung bezeichnet die Abwasserbeseitigung als noch offenes, im weitern Verlauf der Vorbereitungen zu lösendes Problem. Damit fehlt zur Zeit eine Verfügung, welche über die gewässerschutzrechtlichen Fragen befinden oder den Beginn des Baus ohne Rücksicht auf die Belange des Gewässerschutzes verbindlich erlauben würde. d) Aufgrund der Akten erscheint zwar die Befürchtung, die Gemeinde werde der Einhaltung des Gewässerschutzrechtes nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken, nicht von vorneherein als unbegründet. Die Gefahr, dass durch eine noch bevorstehende Verfügung Bundesrecht verletzt werden könnte, schafft jedoch keine Beschwerdemöglichkeit; denn solange eine Frage nicht entschieden ist, kann sie mangels eines Anfechtungsobjektes nicht zum Gegenstand einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemacht werden. Auf die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann daher schon deswegen nicht eingetreten werden, weil über die einzige im Zusammenhang mit der Baubewilligung nach Bundesrecht zu beurteilende Frage - nämlich die Abwasserbeseitigung - bisher noch nicht entschieden wurde. Im übrigen dürfte die Gefahr, dass der Gemeindevorstand unter Missachtung des Gewässerschutzgesetzes die definitive Baubewilligung erteilen könnte, heute erheblich geringer sein, nachdem die Regierung in Beantwortung einer kleinen Anfrage von Grossrat Jörimann die gewässerschutzrechtlich zulässigen Lösungen klar umschrieben hat, und die zuständige Bundesbehörde dem konkreten Fall ihre Aufmerksamkeit schenkt. 3. Gemäss Art. 12 NHG steht den gesamtschweizerischen Vereinigungen, die sich statutengemäss dem Natur- und Heimatschutz oder verwandten, rein ideellen Zielen widmen, das Beschwerderecht zu, soweit die Beschwerde an den Bundesrat oder die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist. Dass der Schweizer Heimatschutz zu den unter diese Bestimmung fallenden gesamtschweizerischen BGE 100 Ib 445 S. 450 Vereinigungen gehört, wurde vom Bundesgericht schon wiederholt anerkannt ( BGE 96 I 504 E. 2, 691 E. 1c) und ist unbestritten. Die Beschwerdelegitimation gemäss Art. 12 NHG ist nach dem Sinn und Zweck des Natur- und Heimatschutzes sachlich beschränkt: Sie bezieht sich, wie aus dem Titel des 1. Abschnitts des NHG hervorgeht, ausschliesslich auf Entscheidungen, die in Erfüllung von Bundesaufgaben ergehen und bei deren Fällung gemäss Art. 2 ff. NHG die Interessen des Natur- und Heimatschutzes, insbesondere des Landschafts- und Ortsbildschutzes zu wahren sind. b) Gewässerschutz ist heute - ähnlich wie die Forstpolizei - eine Bundesaufgabe, bei deren Erfüllung die Kantone und Gemeinden massgebend mitwirken. Während jedoch der Landschaftsschutz ein wesentliches Ziel moderner Forstpolizei bildet, dient das Gewässerschutzrecht primär nicht den durch das NHG geschützten Interessen. Durch die Erwähnung des Natur- und Landschaftsschutzes am Ende der Aufzählung in Art. 2 Abs. 1 GSchG wird nicht ein selbständiges Ziel statuiert, sondern lediglich ein gesetzgeberisches Motiv erwähnt. Die Pflicht zum Anschluss aller Bauten an eine öffentliche Kanalisation mit Abwasserreinigungsanlage ( Art. 17 ff. GSchG ) hat allerdings die vom Gesichtspunkt des Landschaftsschutzes aus erwünschte Folge einer Konzentration der Siedlungsräume und einer Hinderung der Streubauweise; die vorgeschriebene Abwasserbeseitigung bringt somit eine gewisse faktische Landschaftsschutzwirkung mit sich, und durch Art. 20 GSchG wird diese planerisch begrüssenswerte Konsequenz sogar bis zu einem gewissen Grad vom Ziel des Gewässerschutzes gelöst und als grundsätzliches Verbot von Bauten ausserhalb des generellen Kanalisationsprojektes (GKP) verselbständigt. c) Diese vom Gesetzgeber zum Teil bewusst verstärkte Auswirkung des Gewässerschutzrechtes im Sinne der Raumplanung und des Landschaftsschutzes macht aber die Gewässerschutzbestimmungen nicht zu eigentlichen Vorschriften des Landschaftsschutzes, bei deren Anwendung im Einzelfall das Beschwerderecht gemäss Art. 12 NHG stets ausgeübt werden könnte. Die Anwendung des Gewässerschutzrechtes ist weitgehend durch technische und planerische Gegebenheiten bestimmt, und im Einzelfall dürfen die Vollzugsorgane des Gewässerschutzes ihre Verfügungen nicht vorab von Überlegungen BGE 100 Ib 445 S. 451 des Landschafts- oder Ortsbildschutzes abhängig machen. Die Baubewilligung für ein störendes, unschönes, eine Landschaft oder ein Ortsbild verunstaltendes Gebäude kann nicht aus ästhetischen Gründen unter Berufung auf Vorschriften des GSchG verweigert werden, vielmehr sind Bauvorhaben innerhalb der Bauzonen respektive innerhalb des GKP nur gewässerschutztechnisch zu beurteilen. Auch die Frage, ob bei Fehlen einer sofortigen Anschlussmöglichkeit gemäss dem zweiten Satz von Art. 19 GSchG ein Bau mit einer vorläufigen Ersatzlösung bewilligt werden kann, ist ausschliesslich nach den Erfordernissen des Gewässerschutzes zu entscheiden; ob das projektierte Gebäude am vorgesehenen Standort störend wirkt, ist im Rahmen der Anwendung von Art. 19 GSchG ohne Belang. Selbst bei der Anwendung von Art. 20 GSchG können Argumente des Landschaftsschutzes grundsätzlich nicht ins Gewicht fallen: Ist ein sachlich begründetes Bedürfnis für die Errichtung eines Gebäudes ausserhalb des GKP nachgewiesen, etwa für den Bau eines Landwirtschaftsbetriebes oder die Errichtung einer Bergbahnstation (vgl. Art. 27 Allg. GSchV), und ist eine befriedigende Lösung für die Abwasserbeseitigung gefunden worden, so kann die Bewilligung nicht unter Berufung auf Art. 20 GSchG zum Schutze der Landschaft doch verweigert werden, denn Art. 20 GSchG ist trotz seiner raumplanerischen Wirkung keine allgemeine bundesrechtliche Landschaftsschutznorm. Es bleibt nach wie vor Sache der Kantone, die erforderlichen Bestimmungen zur Freihaltung schützenswerter Landschaften zu erlassen und anzuwenden. Kommt aber weder Art. 19 noch Art. 20 GSchG eine Tragweite zu, welche im konkreten Anwendungsfall die wertende Berücksichtigung des Landschaftsschutzes erlauben würde, so haben die gesamtschweizerischen Vereinigungen gemäss Art. 12 NHG nicht die Möglichkeit, wegen unrichtiger oder fehlender Anwendung des GSchG gegen Baubewilligungen Beschwerde zu führen. Es dürfte ausser Zweifel stehen, dass der Bundesgesetzgeber mit Art. 12 NHG diesen Vereinigungen keine derart weitgehende Interventionsmöglichkeit im gesamten Baupolizeirecht einräumen wollte, wie sie der Beschwerdeführer für sich in Anspruch nimmt (vgl. auch Verwaltungspraxis der Bundesbehörden, Heft 38/III (1974), Nr. 80). BGE 100 Ib 445 S. 452 d) Aus Art. 12 NHG kann sich bloss dann die Befugnis zur Beschwerdeführung wegen Nichtbeachtung des Gewässerschutzrechtes ergeben, wenn die angefochtene Verfügung unmittelbar die Gefahr einer die Landschaft beeinträchtigenden Gewässerverschmutzung in sich birgt, beispielsweise eine Bewilligung zur Einleitung ungeklärter oder ungenügend geklärter Abwässer in einen Bergsee oder in ein noch nicht verschmutztes fliessendes Gewässer. Soweit aber ausschliesslich die konsequente Durchsetzung der dem Gesetz zugrunde liegenden technischen und planerischen Konzeption der Abwasserbeseitigung in Frage steht und nicht die Abwehr konkreter - im Sinne von Art. 1 NHG relevanter - Verschmutzungsgefahren, fehlt den gesamtschweizerischen Vereinigungen die Beschwerdelegitimation; insbesondere können sie nicht unter Berufung auf das Gewässerschutzrecht gegen ein Bauprojekt ästhetische Einwendungen des Landschafts- und Ortsbildschutzes erheben, welche mit dem Schutz der Gewässer vor Verunreinigung in keinem direkten Zusammenhang stehen. e) Bestände im vorliegenden Fall eine beschwerdefähige Verfügung über die Abwasserbeseitigung, so wäre deshalb auf eine Beschwerde des Schweizer Heimatschutzes nur insoweit einzutreten, als geltend gemacht würde, die bewilligte Abwasserbeseitigung bringe die Gefahr einer die Landschaft beeinträchtigenden Gewässerverschmutzung mit sich. Der projektierte Bau als solcher, seine Lage, seine Gestaltung und seine Wirkung im Landschaftsbild könnten hingegen nicht zum Gegenstand einer gewässerschutzrechtlichen Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemacht werden. 4. Die Regierung hat auf Anzeige hin als Aufsichtsbehörde entschieden. Solche Entscheidungen sind in der Regel mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht anfechtbar (GRISEL, Pouvoir de surveillance et recours de droit administratif, ZBl 74 (1973) 57). Wo die ordentliche Verwaltungsbeschwerde nicht möglich war oder nicht erhoben wurde, ist es nach allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen, einen die beanstandete Verfügung lediglich bestätigenden Aufsichtsentscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde weiterzuziehen. Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch ein besonderes Problem, weil die beschwerdeführende Vereinigung im kantonalen Verfahren zur Beschwerdeführung nicht legitimiert war, sondern gemäss Art. 12 NHG eine Legitimation geltend BGE 100 Ib 445 S. 453 macht, die sich nach dem Wortlaut des Gesetzes ausschliesslich auf bundesrechtliche Rechtsmittelverfahren bezieht. Die Beschwerde des Schweizer Heimatschutzes deckt eine Problematik des Gesetzes auf: Dadurch, dass Art. 12 NHG die Legitimation der dort genannten Vereinigungen auf die Beschwerde an den Bundesrat und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht beschränkt, fehlt diesen. Vereinigungen die Möglichkeit, den kantonalen Instanzenzug zu erschöpfen, wie dies Art. 98 lit. g OG verlangt, es sei denn, das kantonale Recht gewähre ihnen die Beschwerdebefugnis. Wendet man Art. 98 lit. g OG in solchen Fällen konsequent an, so kann auf Verwaltungsgerichts beschwerden gesamtschweizerischer Vereinigungen gemäss Art. 12 NHG immer dann nicht eingetreten werden, wenn der kantonale Instanzenzug nicht von anderer Seite erschöpft wurde. Wie soeben dargelegt wurde, ist ein mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde weiterziehbarer letztinstanzlicher Entscheid auch nicht durch die jedermann offene Aufsichtsbeschwerde (Anzeige) zu erreichen. Damit stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber die Mitwirkung der gesamtschweizerischen Vereinigungen absichtlich auf bundesrechtliche Rechtsmittelverfahren beschränkt hat, oder ob eine Lücke in der Gesetzgebung vorliegt, die in der Weise gefüllt werden könnte, dass den in Art. 12 NHG genannten Vereinigungen die Legitimation zur Beschwerdeführung auch auf kantonaler Ebene zugestanden, oder dass - im Sinne der Argumentation des Beschwerdeführers, entgegen dem Wortlaut von Art. 98 lit. g OG - auf deren Verwaltungsgerichtsbeschwerden auch ohne Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges eingetreten würde. Die Frage braucht indessen nicht entschieden zu werden, da aus den vorstehenden Erwägungen auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ohnehin nicht einzutreten ist. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
public_law
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1,974
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
8a62c593-fdac-4b0e-85d2-b4aa3f84f336
Urteilskopf 111 IV 159 40. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. August 1985 i.S. J. und I. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 303 und 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. 1. Wer sich auf die an den unbekannten Lenker eines bestimmten Fahrzeugs gerichtete Vorladung hin bei der Polizei meldet und sich wahrheitswidrig als Fahrzeuglenker ausgibt, erfüllt den Tatbestand der falschen Selbstbeschuldigung ( Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ) auch dann, wenn er die angezeigte Verkehrsregelverletzung in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht bestreitet. Massgebend ist die fälschliche Übernahme der Angeschuldigtenrolle (E. 1). 2. Der Fahrzeuglenker, der zusammen mit dem Beifahrer beschliesst, dass sich letzterer auf die an den unbekannten Fahrzeugführer gerichtete Vorladung hin bei der Polizei melden und sich wahrheitswidrig als Lenker ausgeben soll, macht sich nicht der falschen Anschuldigung ( Art. 303 StGB ) oder der Mittäterschaft an falscher Selbstbeschuldigung, sondern der Teilnahme (Anstiftung oder Gehilfenschaft) zu falscher Selbstbeschuldigung schuldig (E. 2).
Erwägungen ab Seite 160 BGE 111 IV 159 S. 160 Aus den Erwägungen: 1. Gemäss Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB wird wegen Irreführung der Rechtspflege mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer sich selbst fälschlicherweise bei der Behörde einer strafbaren Handlung beschuldigt. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe den Behörden gegenüber lediglich angegeben, dass sie am 19. Juni 1983 den Pw Pontiac gesteuert habe; sie habe aber stets ihre Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass sie sich bei den fraglichen Überholmanövern etc. absolut verkehrsgerecht verhalten habe, und sie habe sich damit gerade nicht vorsätzlich einer strafbaren Handlung beschuldigt. Die Beschwerdeführerin wusste bereits bei ihrer Einvernahme durch die Kantonspolizei Binningen vom 7. Juli 1983, was dem Lenker des Pw Pontiac zur Last gelegt wurde. Es stellt sich die Frage, ob sie dadurch, dass sie sich auf die an die Fa. I. bzw. den Lenker des Pw X. gerichtete Vorladung hin bei der Polizei meldete und als Fahrzeuglenkerin ausgab, auch dann den Tatbestand der falschen Selbstbeschuldigung ( Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ) erfüllte, wenn sie zugleich bestritt, dass sich der Vorfall so zugetragen habe, wie er in der Anzeige beschrieben wurde, und wenn sie statt dessen behauptete, sie habe sich absolut verkehrsgerecht verhalten. BGE 111 IV 159 S. 161 Der Wortlaut von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB mag auf den ersten Blick für die Ansicht der Beschwerdeführerin sprechen. Dieser Standpunkt ist indessen aus folgenden Gründen verfehlt. a) Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass derjenige, welcher selbst die Behörde aufsucht und sich fälschlicherweise bei dieser einer strafbaren Handlung beschuldigt (celui qui se sera faussement accusé auprès de l'autorité d'avoir commis une infraction; chiunque falsamente incolpa, presso l'autorità, sé medesimo di un atto punibile), nicht demjenigen gleichzustellen ist, der sich fälschlicherweise einer ihm von der Behörde vorgeworfenen strafbaren Handlung für schuldig erklärt, der also ein falsches Geständnis ablegt. Nach der zutreffenden Auffassung namhafter Autoren erfüllt das falsche Geständnis des von der Behörde Angeschuldigten den Tatbestand von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB nicht (SCHULTZ, Falsche Anschuldigung und falsches Zeugnis, ZStrR 73/1958, S. 241, HANS WALDER, Die Vernehmung des Beschuldigten, S. 93/94; GEORG MESSMER, Der strafrechtliche Schutz der Rechtspflege vor Irreführung, Sonderdruck aus Kriminalistik, Ausgabe August bis Oktober 1965; die letzten beiden Autoren mit Hinweis auf ein Urteil des Zürcher Obergerichts vom 23. März 1962 i.S. G.; ferner SJZ 68/1972 S. 217 Nr. 92). BGE 86 IV 184 steht dieser Auffassung nicht entgegen. Jenes Urteil betraf einen Täter, der "bereits wegen einer andern Strafhandlung verfolgt" wurde und im Verlauf dieser Strafuntersuchung eine andere Tat, die überhaupt nicht verübt worden war, gestand. Ob in jenem Fall richtigerweise Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 statt Abs. 2 StGB hätte angewendet werden müssen, kann hier dahingestellt bleiben. In jenem Urteil wurde jedenfalls nicht entschieden, dass der Angeschuldigte, der die ihm von der Behörde zur Last gelegte Tat fälschlicherweise gesteht, nach Art. 304 StGB zu verurteilen ist. Wenn aber das falsche Geständnis des von der Behörde Angeschuldigten, dass er die ihm zur Last gelegte, in Wahrheit von einem andern verübte Tat begangen habe, den Tatbestand der Irreführung der Rechtspflege nicht erfüllt, dann ist konsequenterweise auch das falsche Geständnis dessen, der sich selbst bei der Behörde als Täter meldet, nicht massgebend. Wer sich bei der Behörde meldet und ihr gegenüber eine strafbare Handlung gesteht, die in Tat und Wahrheit von einem andern verübt wurde, macht sich mit andern Worten nicht wegen des falschen Geständnisses, sondern weil er fälschlicherweise die Rolle des Angeschuldigten übernimmt, sich mithin selbst "beschuldigt" (s'accuse), nach Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB strafbar. BGE 111 IV 159 S. 162 b) Dass die fälschliche Übernahme der Angeschuldigtenrolle, die falsche "Selbstanzeige", nicht das falsche Geständnis massgebend ist, ergibt sich klarerweise aus dem Sinn von Art. 304 StGB . Diese Bestimmung schützt den ordnungsgemässen Gang der Rechtspflege. Die Rechtspflege soll vor unnützen Umtrieben, falschen Anzeigen und vor Irreführung geschützt werden (Sten.Bull. Sonderausgabe, NR, S. 495 Votum des Berichterstatters Logoz, S. 499 Votum Seiler; StR, S. 230 Votum des Berichterstatters Baumann); das "frevle Spiel mit dem Strafrichter" soll geahndet werden (Botschaft des Bundesrates, BBl 1918, Bd. IV, S. 63). Art. 304 Ziff. 1 Abs. 1 StGB will verhindern, dass aufgrund falscher Angaben die Strafverfolgungsbehörden tätig werden, wo in Tat und Wahrheit überhaupt keine strafbare Handlung verübt wurde. Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB dagegen will verhindern, dass aufgrund unrichtiger Angaben die Strafverfolgungsbehörden gegen eine falsche Person tätig und dadurch von der Verfolgung des wahren Täters abgehalten werden. Diese Bestimmung betrifft auch denjenigen, welcher fälschlicherweise die Rolle des Angeschuldigten übernimmt; denn infolge der Übernahme der Rolle des Angeschuldigten durch eine Person, welche die angezeigte Tat nicht begangen hat, werden die Behörden zu unnützen Umtrieben veranlasst. Der ordnungsgemässe Gang der Rechtspflege wird gestört, gleichgültig ob die die Rolle des Angeschuldigten übernehmende Person den angezeigten Sachverhalt und/oder dessen rechtliche Subsumtion durch die Strafverfolgungsbehörden anerkennt oder bestreitet. In beiden Fällen werden die Strafverfolgungsbehörden vom wahren Täter abgelenkt und in die Irre geführt. Es kann daher nach dem Sinn des Gesetzes und in Anbetracht des durch Art. 304 StGB geschützten Rechtsgutes nicht darauf ankommen, wie der fälschlicherweise die Rolle des Angeschuldigten Übernehmende zur angezeigten bzw. eingeklagten Tat Stellung nimmt, ob er diese anerkennt oder in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht bestreitet. Durch das Bestreiten des angezeigten bzw. eingeklagten Sachverhalts wird das unnütze Verfahren gegen die falsche Person wegen der allfälligen Notwendigkeit weiterer Beweismassnahmen unter Umständen sogar noch verlängert und der Gang der Rechtspflege damit in noch stärkerem Masse gestört. Die Tatbestandsvariante von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist somit dann erfüllt, wenn jemand fälschlicherweise die Rolle des Angeschuldigten übernimmt; ob er geständig ist oder aber die BGE 111 IV 159 S. 163 angezeigte bzw. eingeklagte Tat in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht bestreitet, ist unerheblich. c) Die Beschwerdeführerin wusste, dass durch die angezeigte Fahrweise verschiedene Verkehrsregeln verletzt wurden und dass sie in bezug auf diese strafbaren Handlungen nicht Angeschuldigte sein konnte, da sie den Pw Pontiac nicht gesteuert hatte. Der Vorsatz ist daher gegeben. Die Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen Irreführung der Rechtspflege durch falsche Selbstbeschuldigung ( Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ) verstösst demnach nicht gegen Bundesrecht. 2. Gemäss Art. 303 StGB wird wegen falscher Anschuldigung mit Zuchthaus oder mit Gefängnis bestraft, "wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen, wer in anderer Weise arglistige Veranstaltungen trifft, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen einen Nichtschuldigen herbeizuführen. Betrifft die falsche Anschuldigung eine Übertretung, so ist die Strafe Gefängnis oder Busse." Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe seine Freundin J. gerade nicht wider besseres Wissen eines Verbrechens, Vergehens oder einer Übertretung beschuldigt, sondern im Gegenteil anlässlich seiner drei Einvernahmen vom 18. Oktober 1983, 7. Februar 1984 und vom 26. Juni 1984 als Auskunftsperson ausgesagt, dass J. korrekt gefahren sei. Er weist sodann darauf hin, dass J. im Zeitpunkt, als er sie gegenüber der Behörde als Fahrzeuglenkerin bezeichnete, bereits Angeschuldigte war und dass er daher gar nicht die Absicht gehabt haben konnte, eine Strafverfolgung gegen sie herbeizuführen. a) Der Tatbestand von Art. 303 StGB ist nur dann erfüllt, wenn der Täter in der Absicht handelte, eine Strafverfolgung gegen einen Nichtschuldigen herbeizuführen; die Absicht, eine bereits laufende Strafuntersuchung fortdauern zu lassen, genügt nicht ( BGE 102 IV 107 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien sowie SCHULTZ, ZStrR 73/1958, S. 235). Die Vorinstanz hat denn auch unter Hinweis auf BGE 102 IV 107 erkannt, dass der Beschwerdeführer bei seinen Aussagen gegenüber der Behörde nicht die Absicht gehabt haben konnte, eine Strafverfolgung gegen seine Freundin J. herbeizuführen, da schon zur Zeit seiner ersten Einvernahme, am 18. Oktober 1983, die Strafverfolgung gegen J. bereits eröffnet war, und dass er somit durch seine unwahre Behauptung BGE 111 IV 159 S. 164 betreffend die Person des Fahrzeuglenkers den Tatbestand von Art. 303 StGB nicht erfüllte. Die Vorinstanz gelangte dennoch zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers wegen falscher Anschuldigung. Nach den Ausführungen im angefochtenen Entscheid fassten der Beschwerdeführer und seine Freundin J. gemeinsam den Entschluss, dass letztere sich auf die Vorladung der Polizei hin bei der Behörde melden und als Fahrzeuglenkerin bezeichnen sollte. Der Beschwerdeführer war nach Ansicht des Obergerichts an der Beschlussfassung massgeblich beteiligt und wirkte auch an der Verwirklichung des Beschlusses mit, indem er die Angaben von J. anlässlich seiner Einvernahmen bestätigte. Während die 1. Instanz (Gerichtspräsident I von Burgdorf) diese Tatbeiträge des Beschwerdeführers als "arglistige Veranstaltungen" im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 2 StGB qualifizierte, wird diese Tatbestandsvariante im angefochtenen Urteil nicht mehr erwähnt; das Obergericht qualifiziert den Beschwerdeführer als Mittäter, der über Tatherrschaft verfügte. b) Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass die Aussagen des Beschwerdeführers bei der Behörde nicht zur Begründung einer Verurteilung wegen falscher Anschuldigung (sei es nach Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1, sei es nach Art. 303 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ) herangezogen werden können, da die in beiden Tatbestandsvarianten vorausgesetzte Absicht, eine Strafverfolgung gegen einen Nichtschuldigen herbeizuführen, nicht gegeben sein kann, weil die Strafverfolgung gegen J. schon im Zeitpunkt der ersten Aussage des Beschwerdeführers gegenüber der Behörde bereits im Gange war. c) Die Mitwirkung des Beschwerdeführers am Beschluss, dass sich seine Freundin J. bei der Polizei melden und als Fahrzeuglenkerin ausgeben sollte, ist entgegen der Ansicht der 1. Instanz keine "arglistige Veranstaltung" im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 2 StGB . Zwar sollte nach HAFTER, den die 1. Instanz zitiert, derjenige, welcher die wahren Verhältnisse kennt und sofort aufklären könnte und dennoch schweigt, um die Verfolgung eines Unschuldigen herbeizuführen, wegen "arglistiger Veranstaltung" im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zur Rechenschaft gezogen werden können (HAFTER, BT, S. 793). Diese Auslegung des Begriffs der "arglistigen Veranstaltung" im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 2 StGB , deren Richtigkeit Hafter angesichts des französischen Gesetzestextes ("machinations astucieuses") selber bezweifelt (a.a.O., S. 793 Fn. 2), wird von der herrschenden Lehre mit Recht abgelehnt (STRATENWERTH, BT II, 3. Aufl., S. 304; BGE 111 IV 159 S. 165 SCHULTZ, op.cit., S. 235, LOGOZ, Code pénal, Partie spéciale, S. 711; MESSMER, op.cit.). d) Indem der Beschwerdeführer am Beschluss, dass seine Freundin J. sich als Fahrzeuglenkerin melden sollte, mitwirkte, hat er diese nicht "bei der Behörde ... beschuldigt", mithin diese Tatbestandsmerkmale von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nicht erfüllt. Er könnte daher nur dann - und zwar als Mittäter - wegen falscher Anschuldigung gemäss Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB verurteilt werden, wenn eine andere Person alle Merkmale dieses Tatbestandes erfüllt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Dadurch, dass J. aufgrund eines zusammen mit dem Beschwerdeführer gefassten Beschlusses sich selbst bei der Behörde meldete und als Fahrzeuglenkerin ausgab, erfüllte sie nicht den Tatbestand der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 StGB , sondern den Tatbestand der Irreführung der Rechtspflege durch falsche Selbstbeschuldigung im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB . Die Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Beschlussfassung zu dieser Tat kann daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht falsche Anschuldigung gemäss Art. 303 StGB , dessen Tatbestandsmerkmale weder der Beschwerdeführer noch J. nach dem Gesagten erfüllten, sondern nur eine Beteiligung an falscher Selbstbeschuldigung im Sinne von Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB sein, dessen Tatbestandsmerkmale J. erfüllte. Diese Beteiligung kann nur als Teilnahme (Anstiftung oder Gehilfenschaft) an der falschen Selbstbeschuldigung qualifiziert werden; Mittäterschaft fällt ausser Betracht, weil Täter nach Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB nur sein kann, wer sich selbst beschuldigt, diese Tat somit von einem Dritten gar nicht verübt werden könnte. Die Vorinstanz wird zu prüfen haben, ob die Mitwirkung des Beschwerdeführers am Beschluss, dass sich J. auf die Vorladung hin bei der Behörde melden und als Fahrzeuglenkerin ausgeben sollte, als Anstiftung ( Art. 24 StGB ) oder als Gehilfenschaft ( Art. 25 StGB ) zu qualifizieren sei. e) J. machte sich dadurch, dass sie sich als Fahrzeuglenkerin ausgab, unbestrittenermassen der Begünstigung ( Art. 305 StGB ) schuldig. Die kantonalen Instanzen prüften nicht, ob sich der Beschwerdeführer als Begünstigter durch seine Mitwirkung am Beschluss, dass sich J. als Fahrzeuglenkerin ausgeben sollte, und allenfalls auch durch seine falschen Aussagen gegenüber dem Gerichtspräsidenten, in denen er die Angaben seiner Freundin betreffend die Person des Fahrzeugführers bestätigte, der Teilnahme - Anstiftung oder Gehilfenschaft - an der Begünstigung schuldig gemacht BGE 111 IV 159 S. 166 habe. Aus dem angefochtenen Entscheid geht nicht hervor, ob das Obergericht die Teilnahme des Begünstigten an der Begünstigung prinzipiell als straflos erachtet habe oder ob nach seiner Ansicht die an sich strafbare Teilnahme (Anstiftung oder Gehilfenschaft) des Begünstigten an der Begünstigung im vorliegenden Fall durch die Verurteilung des Beschwerdeführers konsumiert wird. Der Begünstigte kann unbestrittenermassen nicht Mittäter in bezug auf die ihn betreffende Begünstigung sein. Gemäss BGE 73 IV 237 ff. kann aber der Begünstigte, der einen andern bestimmt hat, ihn zu begünstigen, wegen Anstiftung zu Begünstigung verurteilt werden, wobei die Möglichkeit besteht, in Anwendung von Art. 305 Abs. 2 StGB von Bestrafung Umgang zu nehmen. Ob der Begünstigte auch wegen Gehilfenschaft zu Begünstigung verurteilt werden kann, wurde im zitierten Entscheid offen- gelassen (S. 239), aber letztlich doch eher verneint (S. 240). Ob die Vorinstanz zu Recht den Beschwerdeführer aus diesem oder jenem Grunde nicht auch wegen Teilnahme (Anstiftung oder Gehilfenschaft) an der Begünstigung verurteilte, kann der Kassationshof wegen des Verbots der reformatio in peius nicht prüfen. Daran ändert nichts, dass der Kassationshof die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen falscher Anschuldigung gemäss Art. 303 Ziff. 1 StGB (ein Verbrechen) aufhebt und die Sache zur Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Anstiftung oder Gehilfenschaft zur Irreführung der Rechtspflege durch falsche Selbstbeschuldigung ( Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB , ein Vergehen) an die Vorinstanz zurückweist. Die Antwort auf die Frage, ob der Beschwerdeführer als Begünstigter auch wegen Anstiftung oder Gehilfenschaft zu Begünstigung zu verurteilen sei, hängt nicht davon ab, ob sein Verhalten darüber hinaus als falsche Anschuldigung (so die Vorinstanz) oder als Teilnahme an falscher Selbstbeschuldigung (so gemäss vorliegendem Urteil) qualifiziert wird. Die Frage stellt sich in beiden Fällen in gleicher Weise. Der Kassationshof könnte die Frage der Anwendbarkeit von Art. 305 StGB nur dann prüfen, wenn sie sich gerade erst infolge der Aufhebung der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen falscher Anschuldigung stellte. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie den Beschwerdeführer vom Vorwurf der falschen Anschuldigung ( Art. 303 StGB ) freispreche und ihn statt dessen wegen Anstiftung oder Gehilfenschaft zu falscher Selbstbeschuldigung ( Art. 304 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ) verurteile.
null
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