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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
69074d9b-7667-4cbf-ab9a-66906e2860fa | Urteilskopf
105 IV 181
49. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. September 1979 i.S. B. und S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 18 Abs. 2, 20, 137 Ziff. 2 StGB
.
Der Täter, der nicht weiss, dass nach der Rechtsprechung zwei Personen zur Bildung einer Bande im Sinne von
Art. 137 Ziff. 2 StGB
genügen, kann gleichwohl aufgrund dieser Bestimmung bestraft werden, wenn er die Tatsachen, aus denen das Gericht den rechtlichen Schluss auf bandenmässige Tatbegehung zieht, kannte und wollte (E. 4b).
Diese Unkenntnis begründet keinen Rechtsirrtum (E. 4c). | Erwägungen
ab Seite 181
BGE 105 IV 181 S. 181
Aus den Erwägungen:
4.
Zutreffend gewürdigt hat die Vorinstanz auch den Einwand der Beschwerdeführer, sie seien in Kenntnis des italienischen Rechts, wonach erst drei oder vier Täter eine Bande bildeten, bewusst nur zu zweit aufgetreten, um dem Vorwurf der Bandenmässigkeit zu entgehen; es fehle mithin bezüglich der Bandenmässigkeit am notwendigen Vorsatz.
a) Sollten die Beschwerdeführer tatsächlich aus diesem Grunde auf die Mitwirkung weiterer Komplizen verzichtet haben, so würde gerade auch dadurch ihre besondere Gefährlichkeit bestätigt. Sie delinquierten mit kühler Planung, die auch die Möglichkeit einer Verhaftung einbezog. Sie wollten
BGE 105 IV 181 S. 182
sich für diesen Fall eine günstigere Position vor Gericht verschaffen, wie allenfalls auch die bereits erwähnten unbewaffneten Einbrecher. Gleichzeitig wollten sie aber auf die Vorteile eines Zusammenwirkens nicht verzichten.
b) Ob Bandenmässigkeit gegeben ist, ist eine Rechtsfrage. Der Täter muss nicht wissen, dass nach der Rechtsprechung bereits zwei Personen zur Bildung einer Bande im Sinne von
Art. 137 Ziff. 2 StGB
genügen. Wesentlich für die Bejahung des Vorsatzes ist vielmehr, ob der Täter die Tatsachen kannte und wollte, aus denen das Gericht den rechtlichen Schluss auf bandenmässige Tatbegehung zieht. Dass dies auf B. und S. zutrifft, hat die Vorinstanz verbindlich festgestellt. Zu Recht behaupten die Beschwerdeführer nicht, das Obergericht sei bei seinem Entscheid von einem falschen Vorsatzbegriff ausgegangen.
c) Soweit die Beschwerdeführer mit ihrer Rüge sinngemäss Rechtsirrtum geltend machen, ist sie unhaltbar.
Art. 20 StGB
besagt nicht, dass der Täter aufgrund jener Bestimmung zu bestrafen sei, die er mit seiner Tat zu verletzen glaubte. Auf Rechtsirrtum kann sich vielmehr nur berufen, wer aus zureichenden Gründen annahm, er sei zur Tat berechtigt gewesen. Dass die Beschwerdeführer angenommen hätten, in der Schweiz sei das Stehlen zu zweit erlaubt, behaupten sie zu Recht nicht. | null | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
690de84e-a27b-4259-962c-c0efb8e6b9b2 | Urteilskopf
109 IV 68
20. Urteil des Kassationshofes vom 2. August 1983 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 41 Ziff. 1 StGB
. Bedingter Strafvollzug für Zusatzstrafe.
Die Gewährung des bedingten Strafvollzugs ist ausgeschlossen, wenn die Strafdauer der früher verhängten Grundstrafe(n) und der neuen Zusatzstrafe insgesamt 18 Monate übersteigt. Besondere Problematik, wenn die "Zusatzstrafe" Teil einer neuen Gesamtstrafe ist, mit welcher auch nach der früheren Verurteilung begangene Delikte geahndet werden. | Sachverhalt
ab Seite 69
BGE 109 IV 68 S. 69
A.-
S. ist in den Jahren 1977 bis 1979 zu folgenden unbedingten Freiheitsstrafen verurteilt worden:
25. März 1977 45 Tage Gefängnis
11. April 1978 4 Wochen Haft
20. Oktober 1978 1 Jahr Gefängnis (bestätigt durch Urteil des Obergerichtes vom 13. November 1979)
Wegen eines Einbruchdiebstahls, begangen am 1./2. Juni 1976 in Stallikon, sowie wegen eines versuchten Versicherungsbetrugs, begangen im April 1979 (oder im Juni 1979), sprach das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft S. am 24. Mai 1983 im Appellationsverfahren des Diebstahls, des versuchten Betrugs, der Sachbeschädigung sowie des Hausfriedensbruchs schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 6 Monaten als Teilzusatzstrafe zu den durch die Urteile vom 25. März 1977, 11. April 1978 und 13. November 1979 ausgefällten Strafen. Die Gewährung des bedingten Strafvollzugs erachtete das Obergericht für ausgeschlossen, weil die Teilzusatzstrafe zusammen mit den drei verbüssten Grundstrafen die Limite von 18 Monaten (
Art. 41 Ziff. 1 StGB
) überschreitet.
B.-
S. führt gegen diesen Entscheid des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich ausschliesslich gegen die Verweigerung des bedingten Strafvollzuges.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Art. 68 Ziff. 2 StGB
schreibt vor, dass eine Tat, welche bei rechtzeitiger Abklärung zusammen mit anderen Delikten durch eine Gesamtstrafe gemäss
Art. 68 Ziff. 1 StGB
hätte geahndet werden können, im Rahmen eines nachträglichen separaten Verfahrens nicht schwerer zu bestrafen sei, als wenn die Mehrheit strafbarer Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wäre. Der Täter soll durch die Aufteilung der Strafverfolgung in mehrere Verfahren weder benachteiligt noch besser gestellt werden (
BGE 102 IV 244
,
BGE 94 IV 50
,
BGE 80 IV 225
). Dieser Grundsatz muss sinngemäss auch für die Frage gelten, ob die Gewährung des bedingten Strafvollzuges wegen der Höhe der Strafe gemäss
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
zulässig oder ausgeschlossen ist.
Geht es nur um eine eigentliche Zusatzstrafe gemäss Ziff. 2 von
Art. 68 StGB
, durch welche ein oder mehrere vor der ersten
BGE 109 IV 68 S. 70
(rechtskräftigen) Verurteilung begangene Delikte geahndet werden, so ist gemäss konstanter Praxis die aus Grundstrafe und Zusatzstrafe sich ergebende gesamte Strafdauer dafür massgebend, ob für die Zusatzstrafe objektiv der bedingte Strafvollzug noch in Betracht kommt (
BGE 76 IV 75
,
BGE 80 IV 10
,
BGE 94 IV 49
). Überschreitet die gesamte Strafdauer die Grenze von 18 Monaten nicht, so ist der bedingte Strafvollzug für die Zusatzstrafe nicht ausgeschlossen, selbst wenn der für die Grundstrafe zuständige Richter seinerzeit den bedingten Strafvollzug aus subjektiven Gründen nicht gewährte; die Prognose wird neu geprüft. Wird durch die Zusatzstrafe die gesetzliche Grenze von 18 Monaten überschritten, so entfällt die Möglichkeit des bedingten Strafvollzugs für diese Zusatzstrafe. Ein in einem solchen Fall für die rechtskräftige Grundstrafe gewährter bedingter Strafvollzug bleibt bestehen, obschon das neue Verfahren zeigt, dass bei gleichzeitiger Beurteilung aller Delikte das dann zur Anwendung kommende Strafmass den bedingten Strafvollzug gesamthaft ausgeschlossen hätte. Da die Rechtskraft des die Grundstrafe betreffenden Urteils nicht angetastet wird, hat die Aufspaltung auf zwei Verfahren (
Art. 68 Ziff. 2 StGB
) somit in derartigen Fällen eine gewisse Besserstellung bezüglich der Möglichkeit des bedingten Strafvollzugs zur Folge.
2.
Von den erwähnten Präjudizien unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt insofern, als die neue (zweite) Strafe nur teilweise Zusatzstrafe ist, nämlich soweit es um die Bestrafung der vor dem Zeitpunkt der ersten Verurteilung begangenen Delikte (Einbruch in Stallikon) geht, nicht aber bezüglich der Bestrafung des Versuchs eines Versicherungsbetruges, der während des kantonalen Rechtsmittelverfahrens betreffend Urteil vom 20. Oktober 1978 (1 Jahr Gefängnis) begangen wurde (vgl.
BGE 102 IV 242
,
BGE 94 IV 54
). Die Bemessung einer Freiheitsstrafe für Handlungen, die der Täter teils vor, teils nach einer früheren Verurteilung beging, sollte richtigerweise unter Berücksichtigung des Grundgedankens von
Art. 68 Ziff. 2 StGB
erfolgen. Das Bundesgericht hat jedoch in
BGE 75 IV 162
in Anbetracht der praktischen Schwierigkeiten einer überzeugenden Kombination von
Art. 68 Ziff. 1 und Ziff. 2 StGB
erklärt, das Bundesrecht sei nicht verletzt, wenn in einem solchen Fall aus der Urteilsbegründung nicht hervorgehe, ob für die vor einer früheren Verurteilung begangenen Taten im Sinne von
Art. 68 Ziff. 2 StGB
nur eine "zusätzliche" Bestrafung erfolgt sei. Lässt sich aber aufgrund der Erwägungen der Vorinstanz ohne weiteres feststellen, welcher Anteil der neuen Strafe
BGE 109 IV 68 S. 71
ungefähr als Zusatzstrafe zu einem früheren Urteil zu betrachten ist, so entspricht es der korrekten Anwendung von
Art. 68 und
Art. 41 Ziff. 1 StGB
, die objektive Möglichkeit des bedingten Strafvollzuges davon abhängig zu machen, ob diese in der neuen Gesamtstrafe enthaltene Zusatzstrafe zusammen mit der zugehörigen Grundstrafe die Limite von 18 Monaten übersteigt oder nicht. Es wäre stossend, wenn für eine Bestrafung, welche nach der dargelegten Praxis als selbständige Zusatzstrafe nicht bedingt ausgesprochen werden könnte, der bedingte Strafvollzug zulässig wäre, sobald sie zum Bestandteil einer neuen Gesamtstrafe wird, weil der Täter nach der früheren Verurteilung erneut delinquiert hat. Der negative Umstand der Begehung weiterer Delikte nach der Verurteilung kann nicht eine Besserstellung hinsichtlich der (objektiven) Zulässigkeit des bedingten Strafvollzugs zur Folge haben. Nach der ratio legis ist nicht zweifelhaft, dass der Ausschluss des bedingten Strafvollzuges infolge der Strafdauer nicht dadurch teilweise aufgehoben wird, dass ein Teil der Strafe (Zusatzstrafe) wegen des Zusammentreffens mit späteren Delikten in eine neue Gesamtstrafe eingeht. Allerdings können sich besondere Probleme ergeben, wenn die nach der früheren Verurteilung begangenen Taten viel grösseres Gewicht haben als die für eine frühere Verfehlung in der Gesamtstrafe enthaltene "Zusatzstrafe". Ob in einem solchen Fall wegen des geringen Zusammenhangs der neuen Gesamtstrafe mit einer den bedingten Strafvollzug objektiv ausschliessenden Grundstrafe die Gewährung des bedingten Strafvollzugs unzulässig sein soll oder nicht, kann hier offen bleiben. Die integrierte "Zusatzstrafe" stellt im vorliegenden Fall eindeutig den weitaus überwiegenden Teil der Gesamtstrafe dar - nach den überzeugenden Darlegungen des Obergerichts mindestens 5 der insgesamt 6 Monate - und es erscheint daher als gerechtfertigt, die Frage der objektiven Zulässigkeit davon abhängig zu machen, ob diese "Zusatzstrafe" zusammen mit der zugehörigen Grundstrafe die Grenze von 18 Monaten überschreitet. Die Argumentation des angefochtenen Entscheids ist somit bundesrechtskonform.
3.
Bei der Berechnung der für die Zulässigkeit des bedingten Strafvollzugs massgebenden gesamten Strafdauer sind ausser der Grundstrafe auch allenfalls bereits zu dieser Grundstrafe ausgefällte Zusatzstrafen zu berücksichtigen (
BGE 80 IV 10
). Eine andere Frage ist, ob sämtliche zwischen der Begehung des Deliktes und seiner nachträglichen Beurteilung ausgefällten selbständigen Strafen als Grundstrafen zu addieren sind und zusammen mit der
BGE 109 IV 68 S. 72
Zusatzstrafe das für die Limite des
Art. 41 StGB
entscheidende Strafmass ergeben. Im vorliegenden Fall ist die Vorinstanz so vorgegangen und in der Nichtigkeitsbeschwerde wird dies nicht beanstandet. Für eine abweichende Lösung, etwa für die Bestimmung einer Zusatzstrafe nur zu einer der drei inzwischen ausgesprochenen separaten Strafen (zur ersten, zur letzten oder zur längsten?) lassen sich keine überzeugenden Gründe finden. Muss die nachträgliche Beurteilung nach der Vorschrift des Gesetzes (
Art. 68 Ziff. 2 StGB
) so erfolgen, "dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die mehreren strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären", so entspricht es diesem Grundgedanken, im Falle einer Mehrheit separater Verurteilungen, die nach der Regel des
Art. 68 Ziff. 2 StGB
als Grundstrafen in Betracht kommen, die Summe derselben als Basis für die Bemessung der Zusatzstrafe zu nehmen, mit welcher eine zu allen diesen Verurteilungen im Verhältnis der retrospektiven Realkonkurrenz stehende Tat geahndet wird.
Dass auf diese Weise der bedingte Strafvollzug für die Zusatzstrafe ausgeschlossen ist, sobald sie zusammen mit der Summe der seit der Tat für andere Handlungen erlittenen Bestrafungen die Limite von 18 Monaten Freiheitsentzug überschreitet, steht zu Zweck und Ziel von
Art. 41 Ziff. 1 StGB
nicht im Widerspruch. Der bedingte Strafvollzug ist objektiv nicht mehr zulässig, wenn der Täter durch ein oder mehrere Delikte, die gemäss
Art. 68 Ziff. 1 oder Ziff. 2 StGB
einer gesamthaften Beurteilung zu unterwerfen sind, eine Strafe von mehr als 18 Monaten verwirkt hat. Wird eine Zusatzstrafe gemäss
Art. 68 Ziff. 2 StGB
ausgefällt, so ist es folgerichtig, Strafmass und Zulässigkeit des bedingten Strafvollzuges so zu bestimmen, wie wenn alle zwischen der Begehung der nun nachträglich zu beurteilenden Tat und dem Zeitpunkt ihrer Beurteilung erfolgten Verurteilungen wegen anderer Delikte jetzt gesamthaft vorzunehmen wären. Die Zusatzstrafe stellt bei dieser Betrachtungsweise die für die noch nicht geahndete Verfehlung zusätzlich (zu den rechtskräftigen Strafen) erforderliche Bestrafung dar. Kommt der bedingte Strafvollzug objektiv in Betracht, so werden die subjektiven Voraussetzungen ex nunc nach den Umständen im Zeitpunkt der nachträglichen Beurteilung geprüft.
4.
In der Nichtigkeitsbeschwerde wird nachdrücklich geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe sich nach der Verbüssung der verschiedenen unbedingten Strafen erfolgreich wieder in die Gesellschaft eingegliedert. Es könne nun nicht der Sinn des
BGE 109 IV 68 S. 73
Gesamtstrafenprinzips sein, in dieser Situation den bedingten Strafvollzug zu verweigern, weil eine jetzt zu beurteilende Tat in eine frühere deliktische Phase falle und vor den rechtskräftigen Verurteilungen begangen worden sei.
Unter der Annahme, dass die Schilderung der Bewährung und sozialen Eingliederung zutrifft, was hier nicht abzuklären ist, kommt diesem Argument im Blick auf das Resozialisierungsziel erhebliches Gewicht zu. Der Gesetzgeber hat jedoch die Gewährung des bedingten Strafvollzugs nicht einfach von den Erfordernissen und Erwartungen der Resozialisierung abhängig gemacht, sondern mit der Limite von 18 Monaten der Möglichkeit eines bedingten Aufschubs von Freiheitsstrafen eine starre, objektive Schranke gesetzt. Damit ist die Anwendung von
Art. 41 StGB
durch ein objektives Kriterium klar begrenzt. Da diese Grenze weder durch eine Beurteilung in verschiedenen Verfahren noch durch den Zeitablauf zwischen Tat und Beurteilung aufgehoben wird, ist es möglich, dass im konkreten Einzelfall der durch eine weiter zurückliegende Tat bewirkte Ausschluss des bedingten Strafvollzuges unter dem Aspekt der Resozialisierung als unzweckmässig erscheint. Eine ähnliche Interessenlage kann sich aber auch - ohne Auswirkungen von
Art. 68 StGB
- bei einem einzelnen schwereren Delikt ergeben, wenn bis zur Beurteilung längere Zeit verstrichen ist, der Täter sich inzwischen eine Existenz aufgebaut hat und der Vollzug einer Freiheitsstrafe ihn aus einer positiven Entwicklung herausreisst. Der Konflikt, der in solchen Fällen zwischen der objektiven 18-Monate-Schranke und dem Resozialisierungsziel entstehen kann, lässt sich nicht durch Auslegung von
Art. 41 Ziff. 1 StGB
lösen. Stossende Härten sind allenfalls auf dem Wege der Begnadigung zu mildern.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6911733f-c42a-4113-b87c-a31bf47b3c1f | Urteilskopf
119 II 330
65. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 2 septembre 1993 dans la cause Y. C. et C. G. contre M. S. (recours en réforme) | Regeste
Art. 649 ZGB
; Klage auf Rückerstattung von Ausgaben für eine Sache im Miteigentum; Klageverjährung.
1. Die Regel für die Aufteilung der Kosten und Lasten unter die Miteigentümer, wie sie
Art. 649 ZGB
aufstellt, ist auf alle Ausgaben anwendbar, welche unter die Art. 647 bis 647e ZGB fallen (E. 7a u. b).
2. Die auf
Art. 649 Abs. 2 ZGB
gestützte Klage des Miteigentümers unterliegt der ordentlichen Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäss
Art. 127 OR
(E. 7c). | Sachverhalt
ab Seite 330
BGE 119 II 330 S. 330
Y. C. et C. G. sont les enfants et seuls héritiers de feue M. C., décédée le 30 décembre 1983. Le 20 juin 1984, ils ont acquis en propriété commune la part de copropriété de leur mère sur une parcelle du cadastre de X.
M. C. avait hérité en 1976 de la totalité de ce bien-fonds, sur lequel était sis un bâtiment en partie délabré et dépourvu de tout confort. Par acte notarié du 27 mars 1981, elle en avait cédé la moitié en copropriété à M. S., pour le prix de 26'000 francs.
Estimant que leur réserve héréditaire avait été lésée par l'acte de cession immobilière du 27 mars 1981, Y. C. et C. G. ont, le 28 décembre 1984, ouvert action contre M. S. Par arrêt du 9 mars 1993, la Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté leur action en tant qu'elle était recevable. Elle a en revanche admis les conclusions reconventionnelles du défendeur et condamné les demandeurs, solidairement, à verser à ce dernier 100'000 francs en
BGE 119 II 330 S. 331
remboursement des frais et charges de la copropriété payés en plus de sa part, principalement des dépenses occasionnées par la réfection de l'immeuble.
Les demandeurs ont recouru en réforme au Tribunal fédéral en concluant à l'admission de leurs actions et au rejet des conclusions libératoires et reconventionnelles du défendeur. Le Tribunal fédéral a rejeté leurs recours dans la mesure où ils étaient recevables.
Erwägungen
Extrait des considérants:
7.
Le Tribunal cantonal a condamné les demandeurs, en vertu de l'
art. 649 al. 2 CC
, à verser 100'000 francs au défendeur à titre de contribution aux frais et charges de la copropriété, y compris les dépenses occasionnées par la réfection de l'immeuble litigieux. Il a estimé que les demandeurs avaient soulevé en vain l'exception de prescription: les actions des copropriétaires qui ont contribué aux frais et charges communs en sus de leurs parts se prescrivent selon le délai de dix ans prévu à l'
art. 127 CO
.
Les demandeurs contestent l'application de ces dispositions et soutiennent que les prétentions du défendeur ne peuvent découler que des
art. 671 ss CC
. Il conviendrait en conséquence d'appliquer le délai d'un an de l'
art. 67 CO
. Les prétentions du défendeur seraient dès lors prescrites.
a) Selon l'
art. 649 CC
, les frais d'administration, impôts et autres charges résultant de la copropriété ou grevant la chose commune sont supportés, sauf disposition contraire, par tous les copropriétaires en raison de leurs parts (al. 1). Si l'un des copropriétaires paie au-delà de sa part, il a un recours contre les autres dans la même proportion (al. 2). Le Code civil institue ainsi une obligation réelle à la charge de chaque copropriétaire actuel, au profit de celui qui a trop payé et qui a agi dans les limites tracées par les art. 647 à 647e (
ATF 111 II 28
/29 consid. 5; PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, t. I, 2e éd., p. 357, no 1300).
Par frais d'administration, il faut entendre les dépenses qu'un copropriétaire effectue en faisant usage des compétences qui lui sont conférées aux articles précités. La doctrine mentionne notamment les frais de gestion, d'entretien, de réparations ou de plantations, ainsi que les primes d'assurance. Les autres charges peuvent avoir leur fondement dans le droit privé (remboursement des intérêts hypothécaires, amortissement du capital) ou ressortir au droit public (contribution
BGE 119 II 330 S. 332
aux frais d'établissement ou de correction des routes, aux frais d'éclairage, de trottoirs, etc.; cf. MEIER-HAYOZ, n. 9 et 11 ad
art. 649 CC
, pp. 579/580; HEINZ REY, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, Band I, 1991, p. 161, no 700; STEINAUER, op cit., p. 356, no 1298).
b) Les frais ici en cause tombent sous le coup de l'
art. 649 CC
, comme l'a pertinemment jugé la Cour civile. Cette disposition prévoit en effet une règle de répartition entre les différents copropriétaires quels que soient la nature et le montant des dépenses, quand bien même elles ne se limiteraient pas à financer de simples travaux d'entretien.
Seul importe le fait que la personne ait agi dans le cadre des art. 647 à 647e CC. Les demandeurs ne le contestent pas, mais ils soutiennent que les prétentions du défendeur ne relèvent pas de l'
art. 649 CC
, dans la mesure où il convient de distinguer, comme le font les art. 647c, d et e CC, les dépenses concernant des travaux de construction des simples "contributions aux frais et charges de la copropriété".
Les demandeurs se trompent lorsqu'ils invoquent ces dernières dispositions à l'appui de leur thèse. Les art. 647 à 647e CC posent les règles relatives à l'utilisation et à l'administration de la copropriété, y compris les travaux de construction; l'
art. 649 CC
concerne la répartition des frais valablement engagés au sens des articles précités. Il s'agit de deux aspects différents, traités séparément par le législateur. S'il est vrai qu'en ce qui concerne la prise de décision, le Code civil ne règle pas de la même manière la question des "travaux de construction" et celle des "actes d'administration", rien ne permet toutefois d'en déduire qu'une même distinction devrait être faite pour la répartition des frais entre les copropriétaires. Quant aux
art. 671 ss CC
invoqués, ils traitent du sort des constructions sur le fonds d'autrui. Ils sont donc inapplicables en l'espèce.
c) L'action du copropriétaire fondée sur l'
art. 649 al. 2 CC
est soumise au délai de prescription ordinaire de dix ans prévu à l'
art. 127 CO
(MEIER-HAYOZ, n. 14 ad
art. 649 CC
, p. 581). Certes, l'application de cette disposition suppose, on l'a vu, que le recourant ait agi dans le cadre des pouvoirs d'administration qui lui sont conférés par la loi ou par une convention. A défaut, il ne peut obtenir un éventuel dédommagement qu'en vertu des
art. 62 ss et 419 ss CO
(MEIER-HAYOZ, n. 4 ad.
art. 649 CC
, p. 578). Tel n'est cependant pas le cas en l'espèce, de sorte qu'il convient d'appliquer le délai de dix ans. Les premiers juges n'ont donc pas violé le droit fédéral en estimant
BGE 119 II 330 S. 333
que l'action du défendeur n'était pas prescrite au moment où il a formulé ses conclusions, soit lors du dépôt de sa réponse le 10 septembre 1985. | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
691199e1-236a-41b8-8425-b92b841cbcef | Urteilskopf
117 II 72
17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Mai 1991 i.S. B. AG gegen Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA), Abteilung Arbeitslosenkasse (Berufung) | Regeste
Art. 321a Abs. 1 OR
.
Keine Treuepflichtverletzung des Arbeitnehmers, der zwar in ungekündigter Stellung, jedoch bei voller Erbringung seiner Arbeitsleistungen eine Einzelfirma gründet, die ihre Tätigkeit erst nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufnehmen und den früheren Arbeitgeber nicht konkurrenzieren soll (E. 3 und 4). | Sachverhalt
ab Seite 73
BGE 117 II 72 S. 73
A.-
H. J. war seit dem 1. September 1987 bei der B. AG als Organisator angestellt und beabsichtigte im Herbst 1988, sich im Frühling 1989 selbständig zu machen. Am 14. November 1988 gründete er die Einzelfirma Data Consulting J. mit dem Tätigkeitsbereich "Beratung über, Schulung für und Vermittlung von EDV-Lösungen". Im Gespräch mit zwei Vorgesetzten gab J. am 25. November 1988 zu, dass er eine Firma gegründet hatte. Noch am gleichen Tag wurde J. fristlos entlassen. Bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist Ende Februar 1989 war J. arbeitslos und bezog von der Arbeitslosenversicherung Fr. 12'838.20.
B.-
Das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA), Abteilung Arbeitslosenkasse, auf das die Ansprüche von J. im Umfang der erbrachten Versicherungsleistungen übergegangen waren (
Art. 29 Abs. 2 AVIG
), klagte am 4. Juli 1989 beim Gerichtspräsidenten IV von Bern gegen die B. AG auf Zahlung von Fr. 12'838.20. Der Gerichtspräsident verneinte einen wichtigen Grund für die fristlose Entlassung von J. und hiess die Klage am 21. Juni 1990 gut. Der Appellationshof des Kantons Bern bestätigte das erstinstanzliche Urteil mit Entscheid vom 8. Oktober 1990. Die Beklagte ficht diesen Entschied erfolglos mit Berufung beim Bundesgericht an.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Aus wichtigen Gründen kann ein Arbeitsverhältnis jederzeit fristlos aufgelöst werden (
Art. 337 Abs. 1 OR
). Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn einer Partei die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden darf (Abs. 2). Nach der
BGE 117 II 72 S. 74
Rechtsprechung rechtfertigen nur besonders schwere Verfehlungen des Arbeitnehmers dessen fristlose Entlassung (
BGE 116 II 150
E. 6a). Eine Verfehlung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer entweder seine Arbeitspflichten oder seine Treuepflichten verletzt hat.
4.
Die Beklagte will zur fristlosen Entlassung von J. berechtigt gewesen sein, weil dieser während bestehendem Arbeitsvertrag im Hinblick auf die beabsichtigte selbständige Erwerbstätigkeit eine Einzelfirma gegründet habe.
a) Nach
Art. 321a Abs. 1 OR
hat der Arbeitnehmer die berechtigten Interessen des Arbeitgebers in guten Treuen zu wahren. Er hat insbesondere alles zu unterlassen, was den Arbeitgeber wirtschaftlich schädigen könnte (REHBINDER, N. 3 zu
Art. 321a OR
; STAEHELIN, N. 14 zu
Art. 321a OR
). Die Treuepflicht des Arbeitnehmers ist jedoch nicht schrankenlos. Grenze der Treuepflicht sind die berechtigten eigenen Interessen des Arbeitnehmers an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit, zu denen insbesondere auch das Interesse an einer anderen Tätigkeit gehört (REHBINDER, N. 7, 9 zu
Art. 321a OR
; STAEHELIN, N. 8, 34 zu
Art. 321a OR
; BRÜHWILER, N. 2c zu
Art. 321a OR
). Deshalb darf ein Arbeitnehmer bei bestehendem Arbeitsvertrag eine spätere Tätigkeit vorbereiten. Jedoch verletzt er seine Treuepflicht, wenn diese Vorbereitungen gegen Treu und Glauben verstossen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer noch während der Kündigungsfrist mit der Konkurrenzierung beginnt oder seinem Arbeitgeber Angestellte oder Kunden abwirbt (
BGE 104 II 28
Nr. 6; unveröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Mai 1988 i.S. L. S.A. gegen de M., E. 2); führen die Vorbereitungen zu einer Beeinträchtigung der Arbeitsleistung, verletzt der Arbeitnehmer nicht seine Treuepflicht im Sinne von
Art. 321a OR
, sondern seine Arbeitspflicht. Durch abweichende Parteivereinbarungen können die erwähnten Pflichten, die dem Arbeitnehmer nach dispositivem Gesetzesrecht obliegen, erweitert oder beschränkt werden (REHBINDER, N. 2 zu
Art. 321a OR
; STAEHELIN, N. 9 zu
Art. 321a OR
).
Nach den verbindlichen Feststellungen des Appellationshofes war J. bis zu seiner fristlosen Entlassung am 25. November 1988 während der Arbeitsstunden voll für die Beklagte tätig. Im kantonalen Verfahren war unbestritten, dass die private Tätigkeit von J. nicht zu einer Beeinträchtigung seiner Arbeitsleistungen geführt hatte. Seiner Arbeitspflicht ist J. somit nachgekommen. Der von der Beklagten erhobene Vorwurf der Konkurrenzierung scheitert
BGE 117 II 72 S. 75
an der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, dass das Angebot der Einzelfirma von J. für einen anderen Kundenkreis bestimmt war als das Angebot der Beklagten. Schliesslich bestand zwischen den Parteien auch keine besondere Vereinbarung, welche die Pflichten von J. erweitert und diesem ohne vorgängige Bewilligung der Arbeitgeberin die Gründung einer Einzelfirma verboten hätte, wie die Beklagte unter Hinweis auf ihr Mitarbeiterhandbuch meint. Gegen dieses verstiess das Verhalten von J. weder dem Wortlaut noch dem Sinn nach. Im Handbuch wird einzig die Tätigkeit für Dritte und die Übernahme von Mandaten in einer juristischen Person oder von öffentlichen Ämtern von einer Bewilligung der Arbeitgeberin abhängig gemacht. Die am 14. November 1988 erfolgte Gründung der Einzelfirma von J. war aber weder eine Tätigkeit für Dritte noch eine Mandatsübernahme in einer juristischen Person, sondern eine Handlung, welche die selbständige Erwerbstätigkeit vorbereiten sollte, die J. nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb der Beklagten aufzunehmen beabsichtigte. Auf die Vorbereitung eines erst nach Beendigung des Arbeitsvertrags aktuell werdenden Engagements bezog sich die Bewilligungspflicht für "ausserbetriebliche Tätigkeit" gemäss Mitarbeiterhandbuch selbstverständlich nicht.
b) Zu prüfen bleibt der Einwand der Beklagten, es sei trotzdem eine Treuepflichtverletzung anzunehmen, weil J. seine Einzelfirma in ungekündigter Stellung gegründet habe. Zwar befassen sich Literatur und Judikatur mit den zulässigen Vorbereitungshandlungen während laufender Kündigungsfrist und räumen dem Arbeitnehmer in diesem Zeitraum weitgehende Befugnisse ein wie namentlich die Gründung und Eintragung einer Konkurrenzfirma, solange diese nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist ihre Tätigkeit aufnimmt (REHBINDER, N. 9 zu
Art. 321a OR
; STAEHELIN, N. 34 zu
Art. 321a OR
; BRÜHWILER, N. 2c zu
Art. 321a OR
; STREIFF, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 4. A. 1986, N. 5e zu
Art. 337 OR
; zitiertes Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Mai 1988). Auch gewährt
Art. 329 Abs. 3 OR
dem Arbeitnehmer erst nach erfolgter Kündigung die für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Freizeit.
Daraus darf indessen nicht geschlossen werden, dass vor der Kündigung jede Vorbereitungshandlung des Arbeitnehmers im Hinblick auf seinen Austritt als Treuepflichtverletzung zu qualifizieren wäre mit der unhaltbaren Folge, dass der Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit erst vorbereiten dürfte, nachdem er gekündigt hat.
BGE 117 II 72 S. 76
Das faktische Interesse des Arbeitgebers, dass ein Arbeitnehmer nicht kündigt, ist kein berechtigtes Interesse im Sinne von
Art. 321a Abs. 1 OR
, hat doch jede Partei das Recht, den Arbeitsvertrag unter Einhaltung der Kündigungsfristen einseitig aufzulösen. Auch Vorbereitungen, die der Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses trifft und von deren Ausgang es regelmässig abhängt, ob er überhaupt kündigt, können nicht schon deshalb treuwidrig sein, weil der Arbeitnehmer damit die Absicht bekundet, sein Recht zur Auflösung des Arbeitsvertrags auszuüben und sich vom bisherigen Arbeitgeber zu trennen. Immer unter Wahrung seiner Treuepflichten muss es dem Arbeitnehmer bereits vor der Kündigung freistehen, eine neue Beschäftigung vorzubereiten. Auch im ungekündigten Vertragsverhältnis setzt eine Verletzung der Treuepflicht aber voraus, dass das Verhalten des Arbeitnehmers geeignet ist, die berechtigten wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. Davon kann vorliegend keine Rede sein. Indem sich nämlich J. bei voller Erbringung seiner Arbeitsleistungen damit begnügte, eine Einzelfirma zu gründen, die erst nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ihre Tätigkeit aufnehmen und die Beklagte dabei nicht konkurrenzieren sollte, wurden die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Beklagten in keiner Weise berührt. Daher kann vorliegend offenbleiben, inwieweit sich die Treuepflicht vor der Kündigung von der abgeschwächten Treuepflicht nach der Kündigung unterscheidet (STAEHELIN, N. 34 zu
Art. 329a OR
; THOMAS GEISER, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre Schranken, Diss. Basel 1982, S. 101).
c) Stellte die Firmengründung kein pflichtwidriges Verhalten dar, konnte die Beklagte daraus nicht einen wichtigen Grund für die fristlose Entlassung von J. ableiten. Da es bereits an der Voraussetzung der Verfehlung fehlt, braucht die Auswirkung der Firmengründung auf das Vertrauensverhältnis nicht geprüft zu werden. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6919b809-7c1e-46c6-a9b4-92f28e285195 | Urteilskopf
82 I 1
1. Auszug aus dem Urteil vom 17. Februar 1956 i.S. Legerlotz gegen Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich. | Regeste
Wehrsteuer; schweizerisch-amerikanisches Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (AS 1951, 892).
1. Die Möglichkeit, das Verständigungsverfahren nach Art. XVII des Abkommens einleiten zu lassen, hindert den Steuerpflichtigen nicht, den in der Landesgesetzgebung vorgesehenen Weg der Beschwerde zu beschreiten (Erw. 2).
2. Besteuerung einer in den Vereinigten Staaten wohnenden Person für schweizerischen Grundbesitz und dessen Ertrag.
a) Berechnung des steuerbaren Einkommens. Anspruch auf Nettobesteuerung (Art. IX des Abkommens). Abschreibungen auf Liegenschaften, die nicht zu einem geschäftlichen Betrieb gehören? Analoge Anwendung des Art. III des Abkommens (Betriebsstätten)? (Erw. 5 a).
b) Mass der Einkommenssteuer. Das Abkommen lässt die einschlägige Ordnung der Landesgesetzgebung unberührt. Es schliesst nicht aus, dass der Steuersatz nach Massgabe des Gesamteinkommens bestimmt wird. Tragweite des Art. XV des Abkommens (Erw. 5 b-d). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 82 I 1 S. 2
A.-
Der Beschwerdeführer, der seinen Wohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat, ist Eigentümer dreier Liegenschaften in Zürich. Er wurde für diesen Grundbesitz und das Einkommen daraus der Wehrsteuer unterworfen. Bei der umstrittenen Einschätzung für die VII. Periode wurden vom Rohertrag ein pauschaler Betrag für die Kosten des Unterhalts der Grundstücke und ein verhältnismässiger Teil der Schuldzinsen abgezogen. Der so ermittelte Reinertrag wurde als steuerbares Einkommen behandelt. Die Steuersätze wurden nach Massgabe des Gesamteinkommens und des Gesamtvermögens bestimmt. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen wurde von der kantonalen Rekurskommission am 30. März 1955 abgewiesen.
BGE 82 I 1 S. 3
Die Behörde führte aus, da man es nicht mit einem geschäftlichen Betriebe zu tun habe, seien Abschreibungen nach dem Wehrsteuerrecht nicht zulässig; aus dem schweizerisch-amerikanischen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Einkommenssteuern (im folgenden: Abkommen) ergebe sich nichts anderes. Der Beschwerdeführer leite aus dem Abkommen zu Unrecht ab, dass die Steuersätze ausschliesslich nach Massgabe des in der Schweiz gelegenen Vermögens und des daraus fliessenden Ertrages zu bestimmen seien.
B.-
Gegen diesen Entscheid erhebt der Steuerpflichtige Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, die Einschätzung sei in verschiedenen Punkten zu berichtigen. Er macht u.a. geltend, die Auffassung der Rekurskommission, dass eine im Verfahren nach Art. XVII des Abkommens getroffene Verständigung für sie nicht verbindlich wäre, sei befremdlich. Der bewilligte Pauschalabzug von 2 1/2% für Gebäudeunterhalt sei ungenügend; nach Art. IX Abs. 2 des Abkommens sei auch, wie für Betriebsstätten, eine Abschreibung wegen Wertverminderung zuzulassen; in den Vereinigten Staaten werde ein Pauschalsatz von mehr als 3% angerechnet. Das Abkommen schliesse nach richtiger Auslegung aus, dass für die Bestimmung des Steuersatzes das ausländische Einkommen mitberücksichtigt werde; das ergebe sich namentlich, durch Umkehrschluss, aus Art. XV Abs. 1 lit. b daselbst. Da der Beschwerdeführer nach dem Abkommen so einzuschätzen sei, wie wenn der Ertrag seiner schweizerischen Liegenschaften sein ganzes Einkommen wäre, sei ihm der in Art. 25 WStB vorgesehene Abzug zu gewähren. Aus Gründen der Billigkeit sei auch der Satz der Vermögenssteuer ausschliesslich nach Massgabe der in der Schweiz liegenden Werte festzulegen.
C.-
Die kantonalen Behörden und die eidg. Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht folgt diesem Antrag.
BGE 82 I 1 S. 4
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Nach Art. XVII des Abkommens kann ein Steuerpflichtiger, der glaubt, dass ihm gegenüber eine den Bestimmungen des Abkommens widersprechende Doppelbesteuerung vorliege, seinen Fall dem Staate unterbreiten, dem er angehört oder in dem er Wohnsitz hat; erachtet die zuständige Behörde des angerufenen Staates den Einspruch als begründet, so hat sie eine Verständigung mit der zuständigen Behörde des anderen Staates über eine angemessene Vermeidung der Doppelbesteuerung anzustreben. Der Beschwerdeführer könnte sich gestützt auf diese Bestimmung an die zuständige Behörde der Vereinigten Staaten wenden, wo er seinen Wohnsitz hat. Diese Möglichkeit hindert ihn jedoch nicht, den in der eidg. Gesetzgebung vorgesehenen Weg der Beschwerde zu beschreiten, mit der geltend gemacht werden kann, der angefochtene Entscheid der schweizerischen Behörde verletze das Bundesrecht, zu dem auch jenes Abkommen gehört. Das Bundesgericht hat daher über die vorliegende Beschwerde zu entscheiden, auch soweit damit eine Verletzung des Abkommens geltend gemacht wird. Was von der Auffassung der Rekurskommission, dass eine im Verfahren nach Art. XVII des Abkommens getroffene Verständigung für die schweizerische Beschwerdeinstanz nicht verbindlich sei, zu halten ist, kann offen gelassen werden, da ein solches Verfahren hier nicht eröffnet worden ist.
5.
Das Abkommen betrifft nur die Steuern vom Einkommen, nicht auch diejenigen vom Vermögen (Art. I). Es ist durch die angefochtene Veranlagung zur Wehrsteuer vom Einkommen nicht verletzt.
a) Nach Art. IX Abs. 1 des Abkommens sollen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen nur in dem Vertragsstaate besteuert werden, in welchem dieses Vermögen liegt. Damit ist der Grundsatz anerkannt, dass die Grundstücke, auch hinsichtlich der Steuer, ausschliesslich der Hoheit des Staates unterliegen, in dessen Gebiet sie sich
BGE 82 I 1 S. 5
befinden. Für die Besteuerung des Einkommens aus solchem Vermögen soll grundsätzlich im vollen Umfange das Recht dieses Staates, als des Trägers der Gebietshoheit, anwendbar sein. Indessen kann nach Art. IX Abs. 2 jemand, der Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten hat und Einkünfte aus im andern Vertragsstaate gelegenem unbeweglichen Vermögen bezieht, für jedes Steuerjahr verlangen, in diesem Staate "auf Grund des Nettoeinkommens, d.h. so besteuert zu werden, wie wenn er während des Steuerjahres in diesem andern Staate Geschäftsbeziehungen durch eine Betriebsstätte unterhalten hätte". Der Steuerpflichtige kann demnach beanspruchen, dass die betreffenden Einkünfte gesondert berechnet werden, in dem Sinne, dass vom Rohertrag der Grundstücke die sie belastenden Aufwendungen abgezogen werden, als ob es sich um einen selbständigen Vermögenskomplex handelte. Wie in diesem Falle das Nettoeinkommen zu berechnen ist, sagt das Abkommen nicht. Art. IX Abs. 2 bedeutet nicht etwa, dass die Bestimmungen des Art. III über die Berechnung der Gewinne einer Betriebsstätte, die ein Unternehmen eines der Vertragsstaaten im Gebiete des andern Staates unterhält, anzuwenden sind. Nach Art. II Abs. 2 wird bei Anwendung der Bestimmungen des Abkommens "jeder Vertragsstaat, sofern sich aus dem Zusammenhang nicht etwas anderes ergibt, jedem nicht anders umschriebenen Begriff den Sinn beilegen, der ihm unter der eigenen Steuergesetzgebung zukommt". Danach hat, falls der Pflichtige gemäss Art. IX Abs. 2 des Abkommens die Nettobesteuerung begehrt, der Staat, in dessen Gebiet das unbewegliche Vermögen liegt, das Reineinkommen daraus auf Grund der Bestimmungen des internen Rechtes zu berechnen. Art. IX Abs. 2 wurde in das Abkommen aufgenommen mit Rücksicht darauf, dass nach der Gesetzgebung der Vereinigten Staaten Einkünfte aus dort gelegenem unbeweglichem Vermögen, die an Ausländer mit Wohnsitz im Ausland fliessen, einer Quellensteuer von 30% unterliegen, so dass die Einkommensempfänger unter
BGE 82 I 1 S. 6
Umständen ein Interesse an einer Nettobesteuerung haben (LOCHER, Handbuch der schweizerisch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen, S. 102 f.; I. BLUMENSTEIN in ASA Bd. 20, S. 327). Dagegen hat die Bestimmung für die eidg. Wehrsteuer keine praktische Bedeutung. In der Tat ist nach dem Wehrsteuerbeschluss (Art. 21/22) die Steuer auf den Einkünften, die eine im Ausland wohnende Person aus in der Schweiz liegendem unbeweglichem Vermögen bezieht, ohnehin nur vom Reineinkommen zu berechnen. Diese Ordnung ist daher auch gegenüber Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten ausnahmslos anwendbar. Das Abkommen hat daran nichts geändert.
Übrigens würde die von der Rekurskommission bestätigte Berechnung des wehrsteuerpflichtigen Einkommens auch dann standhalten, wenn die Vorschriften des Art. III des Abkommens über die Ermittlung der Gewinne aus Betriebsstätten analog anzuwenden wären. Was die Kürzungen des Rohertrages anbelangt, wird dort in Abs. 4 lediglich bestimmt: "Bei der Festsetzung der Gewinne aus gewerblicher oder kaufmännischer Tätigkeit einer Betriebsstätte sollen alle billigerweise der Betriebsstätte zurechenbaren Auslagen, mit Einschluss von Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungsunkosten, zum Abzuge zugelassen werden." Das Abkommen enthält keine Vorschrift, wonach Abschreibungen dort zugelassen werden müssten, wo die Gesetzgebung des Landes sie ausschliesst. Und hinsichtlich des Abzugs der Schuldzinsen ist die Ordnung des Wehrsteuerrechts genauer und für den Beschwerdeführer jedenfalls nicht ungünstiger als die unbestimmt lautende Regel in Art. III Abs. 4 des Abkommens.
b) Das Abkommen teilt das Recht zur Besteuerung des Einkommens nach Gegenständen auf. Es enthält auch gewisse Bestimmungen über die Berechnung des dem einen oder andern Staate zur Besteuerung zugewiesenen Einkommens. Dagegen schränkt es die Vertragsstaaten in der Bestimmung des Steuermasses, insbesondere des Steuersatzes,
BGE 82 I 1 S. 7
grundsätzlich nicht ein; eine Ausnahme macht es nur für die Quellensteuern auf Dividenden (Art. VI) und auf Schuldzinsen (Art. VII). Daraus, dass im vorliegenden Falle der Satz der Einkommenssteuer nach Massgabe des Gesamteinkommens bestimmt wird (Art. 44 WStB), ergibt sich keine Doppelbesteuerung im Sinne des Abkommens. Der so ermittelte Satz wird nur angewandt auf das Einkommen, das die Schweiz nach Art. IX des Abkommens besteuern darf. Diese Bestimmung regelt das Steuermass nicht; sie lässt die hierüber in der Landesgesetzgebung getroffene Ordnung unberührt.
Auch Art. III des Abkommens, der die Besteuerung der Betriebstätten betrifft, enthält keine Bestimmung über das Steuermass. Daraus, dass nach Abs. 3 und 4 daselbst die Betriebsstätte wie ein selbständiges Unternehmen zu behandeln, nach der sog. direkten Methode (méthode de la comptabilité séparée) zu besteuern ist (LOCHER, a.a.O. S. 88 a/89), wäre zwar nach dem in
BGE 73 I 202
vertretenen Standpunkt zu schliessen, dass der zur Besteuerung berechtigte Staat bei der Festsetzung des Steuersatzes den Auslandsgewinn nicht zum Inlandsgewinn hinzurechnen dürfe. Ob an diesem Standpunkt, der im hier angefochtenen Entscheide bekämpft wird und auch in der Literatur auf Kritik gestossen ist (I. BLUMENSTEIN in ASA Bd. 17, S. 444, N. 106), festgehalten werden könne, erscheint indessen als zweifelhaft. Die Frage braucht aber im vorliegenden Fall nicht näher erörtert zu werden, da hier Art. III des Abkommens nicht anwendbar ist.
c) Auf das Abkommen können sich berufen die natürlichen Personen, die in einem der Vertragsstaaten Wohnsitz haben, und die nach schweizerischem oder amerikanischem Recht errichteten oder organisierten Unternehmen. Die Vorschriften, die bestimmte Einkommensteile dem Vertragsstaate zuweisen, in dem der Steuerpflichtige nicht seinen Wohnsitz oder Hauptsitz hat, ordnen das Recht dieses Staates zur Besteuerung der betreffenden Objekte erschöpfend. Das gilt insbesondere für Art. IX, ebenso
BGE 82 I 1 S. 8
für Art. III. Dagegen sind die Rechte und Pflichten des andern Vertragsstaates, der nach diesen Bestimmungen die darin erfassten Gegenstände grundsätzlich nicht besteuern darf, ausserdem in Art. XV Abs. 1 geordnet. Die ergänzende Regelung ist indessen für die beiden Vertragsstaaten verschieden. Art. XV Abs. 1 lit. b schreibt im wesentlichen vor, dass die Schweiz, soweit Personen mit Wohnsitz in diesem Staate oder schweizerische Unternehmen in Frage stehen, die Einkommensteile, die nach den einschlägigen besonderen Bestimmungen des Abkommens (Art. III, IX usw.) den Vereinigten Staaten zur Besteuerung zugewiesen sind, "von der Bemessungsgrundlage ausnehmen" wird. Damit werden einfach jene Kollisionsnormen für einen besonderen Fall bestätigt (I. BLUMENSTEIN, ASA Bd. 20, S. 285 ff.). Anderseits erlaubt Art. XV Abs. 1 lit. a den Vereinigten Staaten, bei der Besteuerung ihrer Staatsangehörigen, der auf ihrem Gebiete wohnenden Personen und der amerikanischen Gesellschaften "ungeachtet anderer Bestimmungen des Abkommens" alle Einkommensteile "in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen", die nach der amerikanischen Gesetzgebung steuerbar wären, wenn das Abkommen nicht in Kraft stände; von den auf dieser Basis berechneten amerikanischen Steuern ist jedoch der Betrag der im Abkommen bezeichneten schweizerischen Steuern abzuziehen. Mit der "Bemessungsgrundlage" sind hier sowohl die Elemente für die Berechnung des steuerbaren Einkommens als auch die das Steuermass bestimmenden Faktoren gemeint. Dagegen hat der gleiche Ausdruck in lit. b einen engeren Sinn; er betrifft dort nur die Berechnung des der Schweiz zur Besteuerung zugeteilten Einkommens, nicht auch das Steuermass. Das wird verdeutlicht durch den Schlusssatz der lit. b: "Die Schweiz behält dagegen bei der Festsetzung des anwendbaren Steuersatzes das Recht, auch die gemäss diesem Absatz von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkommensteile in Rechnung zu stellen."
BGE 82 I 1 S. 9
Der Beschwerdeführer vertritt unter Berufung auf eine Auskunft des amerikanischen Treasury Department (International Tax Relations Division) den Standpunkt, die Schweiz dürfe für die Bestimmung des Steuersatzes die den Vereinigten Staaten zur Besteuerung zugewiesenen Einkommensteile nur gegenüber Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und schweizerischen Gesellschaften berücksichtigen, auf die sich Art. XV Abs. 1 lit. b einzig beziehe; sie sei hiezu bei der Besteuerung von Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten für die unter Art. IX oder III fallenden Einkünfte aus schweizerischem Grundeigentum oder schweizerischen Betriebsstätten nicht berechtigt, weil das Abkommen für diese Fälle eine dem Schlusssatz in Art XV Abs. 1 lit. b entsprechende Vorschrift nicht enthalte. Dieser Schlusssatz hat jedoch nicht die Tragweite, die ihm die Beschwerde beilegt. Er bestätigt lediglich den Grundsatz, dass das Abkommen die Vertragsstaaten in der Bestimmung des Steuersatzes nicht beschränkt. Er soll verhindern, dass der in lit. b des Art. XV gebrauchte Ausdruck "Bemessungsgrundlage" missverstanden, in dem weiten Sinne gedeutet wird, der ihm in lit a daselbst zukommt. Im übrigen brauchte jener Grundsatz im Abkommen nicht besonders ausgesprochen zu werden. Er ergibt sich ohne weiteres aus dessen System. Er gilt im Bereich des Abkommens allgemein, soweit dieses nicht etwas anderes vorschreibt (Art. VI und VII). Er ist auch für die Anwendung der entsprechenden Verträge der Schweiz mit anderen Staaten massgebend, selbst wenn er darin nicht, wie in den Abkommen mit Frankreich (Art. 12 Abs. 3, BS 12, 633) und mit Schweden (Schlussprotokoll zu Art. 2-8, AS 1949, 444), ausdrücklich erwähnt wird. Hätte man der Schweiz das Recht zur Bestimmung des Steuersatzes nach Massgabe des Gesamteinkommens - Recht, das sie nach dem Wortlaut von Art. XV Abs. 1 lit. b des Abkommens "behält" - gegenüber den nicht unter diese Bestimmung fallenden Steuerpflichtigen nehmen wollen, so hätte das im Abkommen,
BGE 82 I 1 S. 10
sei es in den einzelnen Vorschriften über die Ausscheidung des Besteuerungsrechts nach Gegenständen (Art. III, IX usw.), sei es in einer Generalklausel, zum Ausdruck kommen müssen, was nicht geschehen ist.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Festlegung des Steuersatzes nach Massgabe des Gesamteinkommens sei dem Rechte der Vereinigten Staaten fremd; die Beibehaltung dieses Systems sei der Schweiz in dem in Art. XV Abs. 1 lit. b des Abkommens bestimmt umschriebenen Umfange bewilligt worden, weil man ihr einen gewissen Ausgleich für die den Vereinigten Staaten in lit. a eingeräumten Vorteile habe bieten wollen; das Entgegenkommen gegenüber der Schweiz sei aber auf die in lit. b bezeichneten Fälle beschränkt. Diesen Sinn kann jedoch Art. XV nicht haben. Das Abkommen greift in das Recht der Vertragsstaaten, das Steuermass nach der eigenen Gesetzgebung festzulegen, nicht ein, soweit es nicht ausdrücklich und unzweideutig etwas Abweichendes bestimmt. Es berücksichtigt vielmehr die Verschiedenheiten der beidseitigen Besteuerungssysteme, indem es, namentlich in Art. XV, besondere Bestimmungen für die Schweiz einer- und für die Vereinigten Staaten anderseits aufstellt. Es verpflichtet die Schweiz in Abs. 1 lit. b ebenda nicht, sich so weitgehend, wie der Beschwerdeführer behauptet, dem System der Vereinigten Staaten anzupassen. Diese Bestimmung betrifft nur die Besteuerung von Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und von schweizerischen Unternehmen. Den hier vorliegenden Fall des Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten und Grundeigentum in der Schweiz erfasst sie gar nicht. Hiefür ist die Kollisionsnorm des Art. IX massgebend, die über das Steuermass nichts bestimmt, woraus zu schliessen ist, dass in dieser Beziehung, nach dem das Abkommen beherrschenden - in Art. XV Abs. 1 lit. b bestätigten - Grundsatz, ausschliesslich die interne Gesetzgebung des zur Besteuerung berechtigten Staates gilt.
d) Die Frage, ob und inwieweit der Steuerpflichtige
BGE 82 I 1 S. 11
Sozialabzüge und Steuerbefreiungen, wie sie in Art. 25 Abs. 1 und Art. 26 WStB vorgesehen sind, beanspruchen könne, betrifft ebenfalls die Steuerbelastung, das Steuermass, nicht die Aufteilung des Besteuerungsrechts und auch nicht die Berechnung des Nettoeinkommens im Sinne des Art. IX des Abkommens. Ihre Ordnung ist der Landesgesetzgebung überlassen. Das Abkommen legt den Vertragsstaaten in dieser Beziehung keine Schranken auf (Art. XVIII Abs. 2). | public_law | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
691fbb60-3c16-49ce-9ab9-f73bb68fc4ca | Urteilskopf
139 III 232
33. Estratto della sentenza della I Corte di diritto civile nella causa A. S.p.A. contro B. SA (ricorso in materia civile)
4A_534/2012 dell'8 aprile 2013 | Regeste
Art. 32 und 44 LugÜ
; Anerkennbarkeit eines italienischen Mahnbescheids (decreto ingiuntivo).
Zulässigkeit einer Beschwerde in Zivilsachen gegen den Entscheid, mit dem das obere kantonale Gericht einen Rechtsbehelf im Sinne von
Art. 43 LugÜ
gutgeheissen hat (E. 1).
Ein sofort mit seinem Erlass für vollstreckbar erklärter italienischer Mahnbescheid stellt keine Entscheidung im Sinne von
Art. 32 LugÜ
dar, die in der Schweiz anerkannt werden kann (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 232
BGE 139 III 232 S. 232
A.
A.a
Con decreto del 17/18 giugno 2011, dichiarato immediatamente esecutivo giusta l'
art. 642 CPC
italiano, il Tribunale ordinario di Milano ha ingiunto all'impresa ticinese B. SA di pagare alla società italiana A. S.p.A. la somma di euro 2'061'852.23, specificando che il debitore ingiunto aveva diritto di proporre la sua opposizione entro il termine di 40 giorni (corretto a 60 il 23 giugno 2011) dalla notifica e che in mancanza di una tale opposizione il decreto sarebbe divenuto definitivo.
A.b
Il 18 aprile 2012 la A. S.p.A. ha chiesto al Pretore della giurisdizione di Mendrisio sud di riconoscere e dichiarare esecutivo in Svizzera il menzionato decreto ingiuntivo e di ordinare il sequestro di beni della B. SA per complessivi fr. 2'559'280.-, oltre interessi.
BGE 139 III 232 S. 233
Il giorno seguente il Pretore aggiunto ha integralmente accolto tali richieste.
B.
Con sentenza 14 agosto 2012 la II Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino ha accolto un reclamo della B. SA, ha respinto l'istanza volta ad ottenere il riconoscimento e l'esecutività in Svizzera del decreto ingiuntivo e ha annullato il sequestro pronunciato dal Pretore. Poiché l'ingiunzione è stata emanata fin dall' inizio in forma esecutiva, i Giudici cantonali l'hanno considerata un provvedimento supercautelare che non costituisce una decisione nel senso dell'art. 32 della Convenzione di Lugano del 30 ottobre 2007 concernente la competenza giurisdizionale, il riconoscimento e l'esecuzione delle decisioni in materia civile e commerciale (CLug; RS 0.275.12) suscettibile di riconoscimento.
C.
Con ricorso in materia civile del 17 settembre 2012 la A. S.p.A. postula, previo conferimento dell'effetto sospensivo al rimedio, la reiezione del reclamo e la conferma della decisione del Pretore. Rimprovera alla Corte cantonale di aver violato la Convenzione di Lugano, negando al decreto ingiuntivo il carattere di decisione riconoscibile.
La Presidente della Corte adita ha, con decreto del 12 ottobre 2012, attribuito effetto sospensivo all'impugnativa.
Con risposta 19 ottobre 2012 la B. SA propone la reiezione del ricorso.
Il Tribunale federale ha respinto il ricorso.
Erwägungen
Dai considerandi:
1.
La decisione impugnata, con cui il Tribunale superiore del Cantone Ticino (Allegato III CLug) ha accolto un ricorso ai sensi dell'
art. 43 CLug
, è suscettiva di un ricorso in materia civile (
art. 44 e Allegato IV CLug
in relazione con gli art. 72 cpv. 2 lett. b n. 1 e 75 cpv. 1 LTF), atteso che anche il valore di lite supera la soglia prevista dall'
art. 74 cpv. 1 lett. b LTF
. Il gravame è pertanto ammissibile.
Si rivela per contro di primo acchito irricevibile, perché posteriore alla decisione impugnata, il certificato del Tribunale di Milano prodotto con il ricorso in cui viene indicato che all'11 settembre 2012 dai registri non risulta alcuna opposizione al decreto ingiuntivo in discussione (
DTF 134 IV 342
consid. 2).
2.
2.1
Come già indicato nella
DTF 135 III 623
consid. 2.1, nel procedimento d'ingiunzione previsto dal Codice di procedura civile
BGE 139 III 232 S. 234
italiano, un creditore può chiedere al giudice di emettere un'ingiunzione di pagamento della somma reclamata o di consegnare la cosa (
art. 633 CPC
italiano) entro un termine di, in linea di principio, 40 giorni, con l'avvertenza della possibilità di far opposizione (
art. 641 CPC
italiano). Una copia del decreto e del ricorso sono notificate al debitore (
art. 643 CPC
italiano). In concreto tuttavia, a differenza della fattispecie posta a fondamento della citata DTF, il giudice italiano non ha dichiarato esecutiva l'ingiunzione su istanza del creditore dopo l'infruttuoso decorso del termine per fare opposizione (
art. 647 CPC
italiano), ma ha invece dichiarato immediatamente esecutivo ex
art. 642 CPC
italiano il decreto ingiuntivo di cui è chiesto il riconoscimento e l'esecuzione in Svizzera in virtù della CLug. In altre parole, il decreto ingiuntivo in discussione è stato dichiarato esecutivo al momento della sua emanazione e quindi prima che il debitore sia stato sentito e abbia avuto la possibilità di opporsi.
2.2
Per costante prassi nell'ambito dell'applicazione della Convenzione di Lugano si tiene conto della giurisprudenza attinente sia alla Convenzione di Bruxelles del 27 settembre 1968 concernente la competenza giurisdizionale e l'esecuzione delle decisioni in materia civile e commerciale, sia al Regolamento (CE) n. 44/2001 del Consiglio del 22 dicembre 2000 concernente la competenza giurisdizionale, il riconoscimento e l'esecuzione delle decisioni in materia civile e commerciale (GU L 12 del 16 gennaio 2001 pag. 1), che ha sostituito quest'ultima Convenzione (
DTF 137 III 261
consid. 1.1.1 con rinvii).
2.3
Nella sentenza del 21 maggio 1980 125/79
Denilauler
(Racc. 1980 pag. 1553) la Corte di giustizia delle Comunità europee (CGCE) ha dichiarato che le decisioni giurisdizionali contenenti autorizzazione di provvedimenti provvisori o cautelari, rese senza che la parte contro cui si rivolgono sia stata citata a comparire e destinate a essere eseguite senza essere state prima notificate, non fruiscono del regime di riconoscimento e di esecuzione della Convenzione di Bruxelles. Nella
DTF 129 III 626
consid. 5.2.1 pag. 633 il Tribunale federale ha già avuto modo di precisare di non veder motivo per dipartirsi da tale giurisprudenza.
Quindici anni più tardi la CGCE ha dichiarato riconoscibile ed eseguibile in forza del III Titolo della Convenzione di Bruxelles un decreto ingiuntivo italiano, insistendo sul fatto che il convenuto era stato posto in condizione di far valere i suoi diritti prima che fosse emanato un provvedimento esecutivo nello Stato d'origine, atteso che la comunicazione congiunta del ricorso per ingiunzione e del
BGE 139 III 232 S. 235
decreto ingiuntivo hanno fatto decorrere il termine entro il quale il convenuto poteva fare opposizione e che prima della scadenza di tale termine l'attore non aveva potuto ottenere un provvedimento esecutivo (sentenza del 13 luglio 1995 C-474/93
Hengst Import BV
, Racc. 1995 I-2113 punti 14, 19 e 20). Tale sentenza va letta quale conferma della necessità per il riconoscimento di un decreto ingiuntivo italiano dell'attivazione del contraddittorio prima dell'esecutorietà della pronuncia (CATERINA SILVESTRI, La disapplicazione dell'art. 633, ultimo comma, c.p.c., a fronte del diritto comunitario, in Il Foro italiano 1998 I pag. 2705 n. 2; sentenza dell'Oberster Gerichtshof austriaco 3 Ob/123/12b del 19 settembre 2012 consid. 3.3,
www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Justiz/JJT_20120919_OGH0002_0030 OB00123_12B0000_000/JJT_20120919_OGH0002_0030OB00123_12B0000_000.pdf
[consultato il 21marzo 2013]). Pure i paesiconfinanti ritengono, in applicazione della citata giurisprudenza della CGCE, che un decreto ingiuntivo dichiarato immediatamente esecutivo ex
art. 642 CPC
italiano non possa beneficiare del riconoscimento e dell'esecuzione prevista dalla Convenzione di Bruxelles, rispettivamente dal Regolamento (CE) n. 44/2001 (v. per la Francia: HÉLÈNE GAUDEMET-TALLON, Compétence et exécution des jugements en Europe, 3
a
ed. 2002, pag. 297; sentenza della Corte di cassazione francese del 18 maggio 1994, in Revue critique de droit international privé 1994 pag. 688; per la Germania: sentenza dell' Oberlandesgericht Zweibrücken del 22 settembre 2005, in Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts im Jahre 2005, 2007, pag. 430; STEFAN LEIBLE, in Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Thomas Rauscher [ed.], 2011, n. 12a ad art. 32 Regolamento [CE] n. 44/2001;PETER F. SCHLOSSER, EU-Zivilprozessrecht, 3
a
ed. 2009, n. 6 ad art. 32 Regolamento [CE] n. 44/2001; perl'Austria: la citata sentenza 3 Ob/123/12b dell' Oberster Gerichtshof austriaco). Giova infine osservare che pure la dottrina italiana è consapevole del fatto che l'ingiunzione pronunciata ab origine in forma esecutiva non può beneficiare del sistema convenzionale (CLAUDIO CONSOLO, La tutela sommaria e la Convenzione di Bruxelles: la "circolazione" comunitaria dei provvedimenti cautelari e dei decreti ingiuntivi, in Rivista di diritto internazionale privato e processuale 1991 pag. 626; CATERINA SILVESTRI, loc. cit.).
2.4
Da quanto precede discende quindi che la decisione impugnata non viola la Convenzione in discussione quando ritiene che - in sintonia con la giurisprudenza dei paesi che ci circondano - un decreto
BGE 139 III 232 S. 236
ingiuntivo dichiarato immediatamente esecutivo con la sua emanazione non possa essere riconosciuto ed eseguito in Svizzera, perché non costituisce una decisione ai sensi dell'
art. 32 CLug
. | null | nan | it | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
692f9b28-062d-4384-8b8c-3d1fb44acf16 | Urteilskopf
85 IV 111
28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Mai 1959 i.S. Affeltranger gegen Bezirksanwaltschaft Winterthur. | Regeste
Art. 272 Abs. 1 und 2, 251 Abs. 2 BStP.
Die Fristen zur Anmeldung und Begründung der Nichtigkeitsbeschwerde beginnen von Gesetzes wegen zu laufen; die kantonalen Behörden haben den Beginn des Fristenlaufes weder festzustellen noch zu verfügen, sondern lediglich in der Rechtsmittelbelehrung darauf hinzuweisen. | Sachverhalt
ab Seite 111
BGE 85 IV 111 S. 111
A.-
Am 16. August 1958 verurteilte das Bezirksgericht Winterthur B. Affeltranger wegen Betruges zu einer
BGE 85 IV 111 S. 112
Gefängnisstrafe von zehn Tagen. Das Urteil wurde der Angeklagten in der Hauptverhandlung mündlich eröffnet und im Dispositiv schriftlich übergeben. Dieses enthielt den Hinweis, dass binnen fünf Tagen gegen das Urteil die Appellation eingelegt werden könne. Am gleichen Tag erklärte der Verteidiger der Angeklagten die Berufung.
B.-
Mit Beschluss vom 21. November 1958, zugestellt am 28. November 1958, trat das Obergericht des Kantons Zürich auf die Berufung nicht ein, weil der Entscheid des Bezirksgerichts nach § 323 a der kantonalen Strafprozessordnung endgültig war.
Am 15. Januar 1959 teilte der Verteidiger dem Obergericht mit, dass seine Berufungserklärung vom 16. August 1958 als Anmeldung der kantonalen und eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde aufzufassen sei. Das Obergericht wies darauf mit Beschluss vom 16. Januar 1959 das Bezirksgericht an, das bei Anmeldung der kantonalen und eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gemäss
§ 431 StPO
und
Art. 272 ff. BStP
vorgesehene Verfahren durchzuführen. Demgemäss nahm das Bezirksgericht Winterthur mit Beschluss vom 27. Februar 1959, zugestellt am 5. März 1959, von der Anmeldung der kantonalen und eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde Vormerk und setzte gleichzeitig der Beschwerdeführerin Frist von zehn Tagen an, um die kantonale Beschwerde zu begründen.
C.-
Am 21. März 1959 reichte der Verteidiger beim Bezirksgericht begründete Nichtigkeitsbeschwerde zuhanden des Kassationshofes des Bundesgerichts ein. Für den Fall, dass die Beschwerdeschrift verspätet sei, ersuchte er gestützt auf
Art. 35 OG
um Wiederherstellung der Frist, weil die vom Bezirksgericht erteilte Rechtsmittelbelehrung falsch gewesen sei.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
(Zusammengefasst). Gegen das Urteil des Bezirksgerichts, das nicht durch ein kantonales Rechtsmittel
BGE 85 IV 111 S. 113
wegen Verletzung eidgenössischen Rechts angefochten werden konnte, war gemäss
Art. 268 BStP
die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts zulässig. Davon hat die Beschwerdeführerin innerhalb der gesetzlichen Fristen nicht Gebrauch gemacht. Nach
Art. 272 Abs. 1 und 2 BStP
ist die zehntägige Frist zur Anmeldung der Beschwerde am 26. August 1958 und die Frist von zwanzig Tagen zu deren Begründung am 6. November 1958 abgelaufen. Die Beschwerdeanmeldung vom 15. Januar 1959 und die Begründung vom 21. März 1959 waren somit verspätet.
2.
(Zusammengefasst). Die Beschwerdeführerin hat durch den ihr am 28. November 1958 zugestellten Beschluss des Obergerichts vom 21. November 1958 davon Kenntnis erhalten, dass die Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts nicht zulässig und die von diesem erteilte Rechtsmittelbelehrung unrichtig war. Damit ist das unverschuldete Hindernis, wenn ein solches im Sinne von
Art. 35 Abs. 1 OG
bestanden hat (vgl.
BGE 76 I 357
), weggefallen und der Beschwerdeführerin die Möglichkeit offen gestanden, innert der zehntägigen Frist des
Art. 35 Abs. 1 OG
das Wiederherstellungsgesuch sowie die versäumte Beschwerdeanmeldung und Begründung einzureichen. Diese Frist, welche am 8. Dezember 1958 ablief, hat sie nicht eingehalten.
Es ist demnach auf das Wiederherstellungsgesuch und demzufolge auch auf die Beschwerde nicht einzutreten.
3.
Daran ändert nichts, dass das Bezirksgericht im Sinne der obergerichtlichen Weisung vom 16. Januar 1959, das kantonale und eidgenössische Beschwerdeverfahren einzuleiten, am 27. Februar 1959 beide Beschwerden als angemeldet vormerkte und für die kantonale Beschwerde Frist ansetzte, wodurch beim Vertreter der Beschwerdeführerin die Meinung hervorgerufen wurde, die zwanzigtägige Frist zur Begründung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde beginne mit der Zustellung der bezirksgerichtlichen
BGE 85 IV 111 S. 114
Verfügung neu zu laufen. Der Zeitpunkt, in welchem die Fristen zur Anmeldung und Begründung der eidgenössischen Nichtigskeitsbeschwerde zu laufen beginnen, ist in
Art. 272 Abs. 1 und 2 BStP
festgelegt und unabänderlich. Der Fristenlauf beginnt von Gesetzes wegen, bedarf also weder einer Feststellung noch einer Verfügung der kantonalen Behörden; deren Aufgabe ist es nur, die Parteien gemäss der Vorschrift des
Art. 251 Abs. 2 BStP
auf die Rechtsmittelfristen und die Behörden, an welche der Entscheid weitergezogen werden kann, hinzuweisen. Das wurde schon im Schreiben des Kassationshofs vom 19. Februar 1958 an das Obergericht des Kantons Zürich und in dem von diesem an die kantonalen Strafgerichte erlassenen Kreisschreiben vom 26. März 1958 dargelegt. Die erwähnten irreführenden Beschlüsse der Vorinstanzen berührten somit den Lauf der eidgenössischen Fristen nicht, ebensowenig aber auch die Frage, ob der Beschwerdeführerin Wiederherstellung zu gewähren sei. Sie waren für die Fristversäumnis nicht kausal, da, wie ausgeführt, sowohl die Fristen des
Art. 270 Abs. 1 und 2 BStP
als auch die Frist des
Art. 35 Abs. 1 OG
bereits abgelaufen waren.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Beschwerde und das Wiederherstellungsgesuch wird nicht eingetreten. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
69317be4-f5db-49b7-9342-417a2d3767e7 | Urteilskopf
117 II 90
20. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Januar 1991 i.S. C. S.A. gegen K. S.A. (Berufung) | Regeste
Art. 4 IPRG
. Gerichtsstand des Arrestortes.
Abgesehen vom "leeren" Arrest begründet jeder Arrest für die gesamte in der Prosequierungsklage geltend gemachte Forderung einen Gerichtsstand am schweizerischen Arrestort, sofern der Arrest für die gleiche Forderung bewilligt worden war (E. 3 und 4). | Sachverhalt
ab Seite 90
BGE 117 II 90 S. 90
A.-
Die luxemburgische K. S.A. machte gegenüber der belgischen C. S.A. eine Forderung von US-$ 1'959'000.-- geltend. Am
BGE 117 II 90 S. 91
24. Januar 1990 liess sie für diese Forderung Guthaben der C. S.A. bei der X. Bank in Zürich im Wert von rund Fr. 40'000.-- verarrestieren. Den Arrest prosequierte sie mit Zahlungsbefehl vom 29. Januar 1990 und - auf den Rechtsvorschlag der C. S.A. hin - mit Klage vom 13. März 1990 über Fr. 2'987'475.-- nebst Zins und Kosten beim Handelsgericht des Kantons Zürich als Arrestort. Die Beklagte bestritt den Arrestgerichtsstand.
B.-
Mit Beschluss vom 25. Juni 1990 bejahte das Handelsgericht den Arrestgerichtsstand nach
Art. 4 IPRG
und verwarf die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten. Mit Berufung an das Bundesgericht beantragt die Beklagte erfolglos, den Beschluss vom 25. Juni 1990 aufzuheben und die Sache mangels eines Arrestgerichtsstandes zur Abschreibung an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventuell das Bestehen eines solchen Gerichtsstandes bloss im Umfang des Wertes der verarrestierten Gegenstände festzustellen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Beide Parteien sind im Ausland domizilierte Firmen; die Klägerin hat in der Schweiz einen Arrest auf Vermögenswerte der Beklagen erwirkt. Der Fall unterliegt der internationalen Zuständigkeitsordnung des neuen Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (
Art. 1 Abs. 1 lit. a IPRG
; STAEHELIN, Das neue Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, BJM 1989 S. 169 ff., S. 174 f.).
Gemäss
Art. 4 IPRG
kann die Klage auf Prosequierung des Arrestes am schweizerischen Arrestort erhoben werden, sofern das IPRG keinen anderen Gerichtsstand in der Schweiz vorsieht (vgl. dazu SCHNYDER, Das neue IPRG-Gesetz, 2. A. 1990, S. 25; STAEHELIN, a.a.O. S. 175 f.). Einen anderen Gerichtsstand nach IPRG behauptete auch die Beklagte nicht, macht jedoch geltend, der Arrestgerichtsstand sei nach richtiger Auslegung von
Art. 4 IPRG
oder als Ergebnis einer Lückenfüllung dann nicht oder jedenfalls nur für den Gegenwert des Arrestgutes gegeben, wenn es sich um einen im Verhältnis zur Forderung "fast leeren" Arrest handle.
4.
a) Der Wortlaut von
Art. 4 IPRG
enthält keinerlei Anhaltspunkte für die Auffassung der Beklagten. Einzige Voraussetzung für den Arrestgerichtsstand ist der Arrest. Nichts deutet darauf hin, dass ein Arrestgerichtsstand nur dann begründet wird, wenn das Arrestgut einen Mindestwert aufweist.
BGE 117 II 90 S. 92
b) Für die streitige Frage, ob ein Arrest mit fast keinem Haftungssubstrat einen Gerichtsstand am Arrestort nach
Art. 4 IPRG
begründet, ist nicht nur auf den Wortlaut dieser Vorschrift abzustellen, sondern auch auf deren Sinn und Zweck (
BGE 114 Ia 196
E. 3b sowie
Art. 1 Abs. 1 ZGB
und MEIER-HAYOZ, N. 38 f. zu
Art. 1 ZGB
). Dabei kommt der aus den Materialien ersichtlichen Regelungsabsicht des Gesetzgebers bei neueren Erlassen wie dem am 1. Januar 1989 in Kraft gesetzten IPRG für die Auslegung eine ausschlaggebende Bedeutung zu (
BGE 114 Ia 196
f.):
Vor dem 1. Januar 1989 war die Regelung des Gerichtsstandes für die Arrestprosequierung den Kantonen überlassen (
BGE 95 II 206
E. 2; STRÄULI/MESSMER, N. 30 zu
§ 9 ZPO
/ZH), die den Gerichtsstand am Arrestort, wenngleich mit unterschiedlicher Ausgestaltung, in den Grenzen von
Art. 59 BV
und unter Berücksichtigung bestehender Staatsverträge anerkannten (dazu GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 3. A. 1979, S. 89 f.; STAEHELIN, a.a.O. S. 175). Als der Bundesgesetzgeber für den internationalen Bereich den eidgenössischen Arrestgerichtsstand des
Art. 4 IPRG
schuf, knüpfte er an die kantonale Ordnung an (Botschaft zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht vom 10. November 1982, BBl 1983 I S. 299 f.). Die Botschaft lässt erkennen, dass die bisherige Regelung bewahrt werden sollte, bis sie durch internationale Rechtsentwicklungen überholt würde, welche die Bedeutung des Arrestgerichtsstandes zurückdrängen (Botschaft a.a.O.; vgl. WALDER, Einführung in das internationale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 165 § 5 Rz. 15; SCHNYDER, a.a.O. S. 25).
Das nach der Absicht des Bundesgesetzgebers mit
Art. 4 IPRG
in das Bundesrecht übernommene kantonale Recht hatte die Zulässigkeit der Prosequierungsklage am Arrestgerichtsstand nicht davon abhängig gemacht, dass das Arrestgut zur Deckung der Forderung ausreiche. Selbst ein geringer Wert des Arrestguts, der nach Abzug der Kosten die Forderung nicht einmal teilweise deckte, genügte zur Begründung des Arrestgerichtsstandes. Dieser wurde nur verweigert, wenn überhaupt keine Vermögenswerte vom Arrestbeschlag erfasst worden waren; damit sollte verhindert werden, dass ein Kläger durch Sucharreste bei Banken den ihm genehmen Gerichtsstand bestimmen konnte (je mit Hinweisen STRÄULI/MESSMER, N. 31 zu
§ 9 ZPO
/ZH; JOLIDON, Procédure civile bernoise, S. 46, Rz. 212.15; LEUCH, N. 5 zu
Art. 25 ZPO
/BE; JAEGER, N. 11 zu
Art. 278 SchKG
). Auch das Bundesgericht verlangte als Voraussetzung für den kantonalrechtlichen
BGE 117 II 90 S. 93
Arrestgerichtsstand einzig das Vorhandensein von Arrestgut schlechthin (vgl.
BGE 63 III 40
f. mit Hinweis); zudem musste die Forderung, für die der Arrest bewilligt worden war, mit der Forderung, für welche der Arrest prosequiert wurde, identisch sein (
BGE 110 III 98
).
c) Somit ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte von
Art. 4 IPRG
kein vom Wortlaut abweichender Sinn. Das Abstellen auf das Vorhandensein von Arrestgut ungeachtet seines Wertes entspricht auch dem Grundgedanken sowohl der früheren kantonalen Regelung wie des heutigen
Art. 4 IPRG
. Durch den Arrestgerichtsstand soll der Gläubiger in die Lage versetzt werden, dort ein Urteil zu erstreiten, wo er verwertbares Vermögen mit Arrest belegt hat; durch den Arrestgerichtsstand nicht sichergestellt wird jedoch, dass dieses Vermögen zu seiner Befriedigung ausreicht. Prosequiert der Gläubiger den Arrest, obwohl das Arrestgut nur geringen Wert aufweist, so mag er dies in der Erwartung tun, dass er im Zeitpunkt der Urteilsvollstreckung zusätzlich zum Arrestgut auf anderes Vermögen werde greifen können. Zu beurteilen, ob das zu erwartende Vollstreckungssubstrat die Prosequierung rechtfertigt, bleibt auf jeden Fall dem Entscheid des Gläubigers anheimgestellt. Das Risiko, trotz erfolgreicher Prosequierung mangels Vollstreckungssubstrats leer auszugehen, würde dem Gläubiger auch nicht durch die mit dem Hauptbegehren der Beklagten befürwortete Auslegung oder Lückenfüllung abgenommen, nach welcher der Arrestgerichtsstand ja bloss bei den "fast leeren" Arresten ausgeschlossen sein soll. Dass eine solche vom Gesetzgeber niemals gewollte Regelung ausserdem zu einer vollständigen Ungewissheit über das Vorhandensein eines Arrestgerichtsstands führen würde, liegt auf der Hand.
Die im Eventualbegehren verlangte Beschränkung des Arrestgerichtsstands auf den zu erwartenden Verwertungserlös aus dem Arrestgut ist ebenso abwegig. Sie hätte zur Folge, dass der Gläubiger einer Forderung, welche den mutmasslichen Erlös übersteigt, den Mehrbetrag an einem anderen Ort einklagen müsste, obwohl im Zeitpunkt der Prosequierungsklage weder der Verwertungserlös aus dem Arrest noch das anderweitig zu erzielende Verwertungsergebnis feststeht. So ist im vorliegenden Fall keineswegs gewiss, dass die Klägerin bei der Vollstreckung eines in Zürich erstrittenen Urteils auf die verarrestierten Guthaben von rund Fr. 40'000.-- beschränkt bleiben wird; unbekümmert um die Vollstreckungsmöglichkeiten im Ausland steht für die Schweiz kraft
BGE 117 II 90 S. 94
Art. 61 BV
fest, dass die Klägerin aufgrund eines solchen Urteils auf alle in diesem Land befindlichen Vermögenswerte wird greifen können. Wäre der neue und in der verspäteten Eingabe der Beklagten vom 9. Oktober 1990 vorgebrachte Einwand, die Klägerin versuche in der Schweiz weitere Arreste zu suchen, zulässig (Art. 54 Abs. 1 und 55 Abs. 1 lit. c OG), spräche er nicht gegen, sondern für die Zulässigkeit des Gerichtsstandes am Arrestort Zürich, scheint doch in der Schweiz noch weiteres Vollstreckungssubstrat vorhanden zu sein als die verarrestierten Guthaben.
d) Wie bereits nach altem Recht begründet abgesehen vom "leeren" Arrest auch nach
Art. 4 IPRG
jeder Arrest für die gesamte in der Prosequierungsklage geltend gemachte Forderung einen Arrestgerichtsstand, sofern für diese gleiche Forderung Arrest genommen worden war. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6931c3a5-c0e9-4274-b871-52460f10c83e | Urteilskopf
115 V 437
62. Urteil vom 17. August 1989 i.S. B. gegen Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn | Regeste
Art. 336c Abs. 2 OR
,
Art. 11 Abs. 3 AVIG
.
- Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bei Erkrankung nach Kündigung des Arbeitsvertrages. Berechnung der Kündigungsfrist gemäss
Art. 336c Abs. 2 OR
(Erw. 2c und 3).
- Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber für die Dauer der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nach
Art. 336c Abs. 2 Satz 2 OR
Arbeit anzubieten, wenn er für diese Zeit einen Lohnanspruch erheben will (Erw. 5 und 6). | Sachverhalt
ab Seite 438
BGE 115 V 437 S. 438
A.-
Am 1. März 1985 trat Beatrice B. bei der Firma B. & Co. eine Stelle als Montagearbeiterin an. Am 13. Juni 1985 wurde ihr auf 31. Juli 1985 gekündigt. Vom 1. bis 12. Juli 1985 war sie krankheitshalber vollständig arbeitsunfähig. In der Folge stellte sie Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 5. August 1985. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn verneinte das Bestehen eines Leistungsanspruchs mit der Begründung, der Versicherten stünden noch Lohnansprüche gegenüber ihrer Arbeitgeberin zu, so dass kein anrechenbarer Arbeitsausfall vorliege (Verfügung vom 10. Oktober 1985).
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 1. April 1986 ab. Zur Begründung führte das Gericht im wesentlichen aus, das unterjährige Arbeitsverhältnis der Versicherten habe unter Beachtung einer einmonatigen Kündigungsfrist am 13. Juni 1985 auf Ende Juli 1985 gekündigt werden können. Weil die Versicherte vom 1. bis 12. Juli 1985 krank gewesen sei, habe der Lauf der Kündigungsfrist in dieser Zeit geruht. Da die Kündigungsfrist am ersten Tag des Kündigungsmonats zu laufen begonnen habe (und nicht ab Empfang der Kündigung), sei das Ende der Kündigungsfrist auf den 12. August 1985 gefallen. Der Arbeitsvertrag sei demnach erst am nächstfolgenden Endtermin, nämlich am 31. August 1985 abgelaufen. Damit stehe fest, dass der Versicherten für den Monat August 1985 noch Lohn zustehe, was zur Verneinung der Anspruchsberechtigung führe.
C.-
Beatrice B. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei in Aufhebung des kantonalen Entscheides und der Kassenverfügung festzustellen, dass sie auch für die Zeit vom 1. August bis 31. August 1985 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe. Zur Begründung macht sie in der Hauptsache geltend, die Kündigungsfrist beginne vom Datum der Zustellung der Kündigung an zu laufen, so dass trotz des wegen ihrer Krankheit
BGE 115 V 437 S. 439
unterbrochenen Ablaufs der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis bereits Ende Juli 1985 beendigt worden sei.
Das kantonale Arbeitsamt Solothurn beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit stellt keinen Antrag.
D.-
Das Eidg. Versicherungsgericht führte zu den arbeitsvertragsrechtlichen Grundsatzfragen des vorliegenden Falles einen Meinungsaustausch mit der I. Zivilabteilung des Bundesgerichts durch.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Zu den Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung gehört gemäss
Art. 8 Abs. 1 AVIG
, dass der Versicherte unter anderem ganz oder teilweise arbeitslos ist (lit. a) und einen anrechenbaren Verdienstausfall erlitten hat (lit. b). Gemäss
Art. 10 Abs. 1 AVIG
gilt als ganz arbeitslos, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und eine Vollzeitbeschäftigung sucht. Nach
Art. 10 Abs. 2 AVIG
gilt als teilweise arbeitslos, wer in keinem Arbeitsverhältnis steht und lediglich eine Teilzeitbeschäftigung sucht (lit. a) oder eine Teilzeitbeschäftigung hat und eine Vollzeit- oder eine weitere Teilzeitbeschäftigung sucht (lit. b). Nach
Art. 11 Abs. 3 AVIG
ist derjenige Arbeitsausfall nicht anrechenbar, für welchen dem Arbeitslosen Lohnansprüche oder wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses Entschädigungsansprüche zustehen.
2.
a) Die Beschwerdeführerin erleidet für den Monat August 1985 keinen anrechenbaren Verdienstausfall, wenn ihr für diese Zeitspanne Lohn- oder Entschädigungsansprüche gegenüber ihrer Arbeitgeberfirma B. & Co. zustehen (
Art. 11 Abs. 3 AVIG
). Ob das zutrifft, hängt unter anderem von der Beantwortung der Frage ab, ob das Arbeitsverhältnis bis Ende August 1985 gedauert hat.
b) Nach Ablauf der Probezeit darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in den ersten vier Wochen einer durch unverschuldete Krankheit oder unverschuldeten Unfall verursachten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht kündigen (
Art. 336e Abs. 1 lit. b OR
in der bis 31. Dezember 1988 gültigen und im vorliegenden Fall anwendbaren Fassung des Gesetzes; neu mit Änderungen unter
Art. 336c Abs. 1 lit. b OR
). Die Kündigung, die während dieser Sperrfrist erklärt wird, ist nichtig; ist dagegen die Kündigung vor Beginn der Frist erfolgt, aber die Kündigungsfrist bis
BGE 115 V 437 S. 440
dahin noch nicht abgelaufen, so wird deren Ablauf unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt (alt
Art. 336e Abs. 2 OR
; neu inhaltlich unverändert unter
Art. 336c Abs. 2 OR
). Gilt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Endtermin, wie das Ende eines Monats oder einer Arbeitswoche, und fällt dieser nicht mit dem Ende der fortgesetzten Kündigungsfrist zusammen, so verlängert sich diese bis zum nächsten Endtermin (alt
Art. 336e Abs. 3 OR
; neu unverändert unter
Art. 336c Abs. 3 OR
; im folgenden wird, wo nichts anderes vermerkt ist, anstelle von alt
Art. 336e Abs. 2 und 3 OR
die neue Zuordnung zu
Art. 336c Abs. 2 und 3 OR
zitiert).
c) Es stellt sich die Frage, was unter Kündigungsfrist gemäss
Art. 336c Abs. 2 OR
zu verstehen ist bzw. ab welchem Zeitpunkt diese läuft. Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass die Kündigungsfrist vom Empfang der Kündigung an zu laufen beginne; demnach setze in ihrem Fall der Lauf der Kündigungsfrist von einem Monat (alt
Art. 336a Abs. 1 OR
) am 14. Juni 1985 ein und ende am 14. Juli 1985. Infolge der vom 1. bis 12. Juli 1985 währenden Arbeitsunfähigkeit gelte indes für diese Zeitspanne die Sperrfrist gemäss
Art. 336c Abs. 2 OR
, weshalb sich die normale Kündigungsfrist um zwölf Tage bis zum 26. Juli 1985 verlängere und das Arbeitsverhältnis demzufolge auf den 31. Juli 1985 zu Ende gegangen sei. Die Vorinstanz vertritt demgegenüber die Auffassung, dass der Beginn der Kündigungsfrist durch Rückrechnung vom Kündigungsendtermin aus festzulegen sei; die einmonatige Kündigungsfrist habe deshalb hier frühestens am 1. Juli 1985 zu laufen begonnen, sei indes vom 1. bis 12. Juli 1985 stillgestanden, so dass das Ende der um diese zwölf Tage verlängerten Monatsfrist auf den 12. August 1985 und der nächstfolgende mögliche Endtermin demzufolge auf den 31. August 1985 gefallen sei.
3.
a) In der kantonalen Rechtsprechung und in der Literatur zu alt
Art. 336e Abs. 2 OR
(bzw. neu
Art. 336c Abs. 2 OR
) sind zu dieser Frage beide Lösungen anzutreffen. Die Auffassung, dass die Kündigungsfrist mit dem Zugang der Kündigungserklärung zu laufen beginne, wird vertreten vom Kantonsgericht Zug (Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts/JAR 1985 S. 223) und von BRÜHWILER (Handkommentar zum Einzelarbeitsvertrag, N. 7a zu Art. 336e, S. 191) sowie STREIFF (Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 4. Aufl., N. 2 zu Art. 336e-f, S. 244). Demgegenüber haben sich das Appellationsgericht Basel-Stadt (JAR 1985 S. 232 bzw.
BGE 115 V 437 S. 441
BJM 1985 S. 149), das Arbeitsgericht Zürich (JAR 1985 S. 238 bzw. ZR 1985 Nr. 120) und das Genfer Tribunal des prud'hommes (SJ 1987 S. 557 Ziff. 5) dafür ausgesprochen, dass der Beginn der Kündigungsfrist retrospektiv vom Endtermin aus zu berechnen ist. Dieser Standpunkt wird ferner geteilt von AUBERT (La jurisprudence sur le contrat de travail à Genève en 1985, in SJ 1986 S. 297 ff.) und KUHN (Aktuelles Arbeitsrecht für die betriebliche Praxis, Band II, Teil 7, Kapitel 2.4.1., S. 8).
b) Für die Beantwortung der Streitfrage ist vom Sinn und Zweck des
Art. 336c Abs. 2 OR
auszugehen, der darin besteht, dass dem gekündigten Arbeitnehmer trotz zeitweiliger Arbeitsunfähigkeit eine ungekürzte Kündigungsfrist garantiert werden soll, damit er in der Lage ist, sich nach einer neuen Stelle umzusehen (
BGE 109 II 332
Erw. 2b mit Hinweisen). Der Arbeitnehmer ist aber gerade gegen Ende seines gekündigten Arbeitsverhältnisses darauf angewiesen, dass eine allfällige Krankheit ihn beim Suchen einer Stelle möglichst nicht behindert. Das trifft insbesondere dann zu, wenn die Stellen in seiner Branche regelmässig kurzfristig besetzt werden. Der vom Gesetzgeber mit
Art. 336c Abs. 2 OR
verfolgte Zweck lässt sich demzufolge in befriedigender Weise nur verwirklichen, wenn die Möglichkeit der Stellensuche während der Schlussphase des bisherigen Arbeitsverhältnisses gewährleistet wird. Der Beginn der Kündigungsfrist gemäss
Art. 336c Abs. 2 OR
ist daher notwendigerweise durch Rückrechnung vom Endtermin aus zu bestimmen (JAR 1985 S. 235 und 242; AUBERT, a.a.O., S. 298; soweit das Eidg. Versicherungsgericht im nicht veröffentlichten Urteil G. vom 30. Oktober 1985 anders entschieden hat, kann daran nicht festgehalten werden).
c) Zu den Zielsetzungen des Art. 336c Abs. 1 lit. b in Verbindung mit
Art. 336c Abs. 3 OR
gehört ferner, dass es zwischen dem alten und dem neuen Arbeitsverhältnis nach Möglichkeit zu keinem Unterbruch kommen soll, damit die Kontinuität des Erwerbseinkommens (während der Krankheitsperiode allenfalls über
Art. 324a OR
) erhalten bleibt. Würde nun aber die Kündigungsfrist vor dem Kündigungstermin ablaufen und das Arbeitsverhältnis demzufolge ohne Rücksicht auf eine allfällige Arbeitsunfähigkeit enden, bestünde in erhöhtem Masse die Gefahr, dass der unterbruchsfreie Anschluss an ein neues Arbeitsverhältnis nicht gelingt, weil sich der Arbeitnehmer in der Schlussphase des bisherigen Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht oder nur eingeschränkt der Stellensuche widmen oder weil er der Krankheit
BGE 115 V 437 S. 442
wegen eine neue Stelle nicht antreten kann. Die Lösung, welche die Kündigungsfrist mit dem Empfang der Kündigungserklärung einsetzen lässt, hätte schliesslich zur Folge, dass die Kündigungsfrist unter Umständen mehrere Wochen oder Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ablaufen würde. Damit würde bei frühzeitiger Kündigung eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gemäss
Art. 336c Abs. 2 OR
zu Lasten des Arbeitnehmers weitgehend ausgeschaltet bzw. nur noch bei langdauernden Arbeitsunfähigkeitsperioden in Frage kommen. Zwar stände dem Arbeitnehmer auch in diesen Fällen für die Stellensuche die der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist entsprechende Zeit zur Verfügung. Doch ist nach dem oben Gesagten entscheidend, dass der Arbeitnehmer auch in der Schlussphase des bisherigen Arbeitsverhältnisses ausreichend Zeit für die Stellensuche haben soll.
d) Gegen die Methode der Rückrechnung ist eingewendet worden, dass sie den Arbeitgeber in exzessiver Weise belaste, weil jede auch noch so kurze Krankheit des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist praktisch immer eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses um einen ganzen Monat bewirke (JAR 1985 S. 224). Nach
Art. 336c Abs. 2 OR
hemmt indes auch eine kurze Arbeitsunfähigkeit den Lauf der Kündigungsfrist, denn nichts lässt darauf schliessen, dass der Gesetzgeber den Kündigungsschutz nur für Arbeitsunfähigkeit von einer gewissen Mindestdauer gewähren wollte. Im Lichte des anzustrebenden Interessenausgleichs zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (Botschaft zum Arbeitsvertragsrecht vom 25. August 1967, BBl 1967 II 379; siehe auch
BGE 113 II 262
Erw. 2a,
BGE 109 II 333
Erw. 2b) lässt sich allerdings fragen, ob der Arbeitnehmer auch dann in den Genuss dieses Schutzes kommen soll, wenn die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ganz unbedeutend ist und die oben dargelegten Arbeitnehmerinteressen dadurch praktisch nicht berührt werden. Dieser unter dem Blickwinkel des Rechtsmissbrauchs (
Art. 2 ZGB
) zu prüfende Sachverhalt ist jedoch kein hinreichender Grund, für den Regelfall nicht jener Lösung den Vorzug zu geben, die dem mit
Art. 336c OR
angestrebten Arbeitnehmerschutz am besten gerecht wird.
e) Aus dem Gesagten folgt, dass sich das Arbeitsverhältnis der Beschwerdeführerin mit der Firma B. & Co., wie von der Vorinstanz festgestellt, aufgrund von
Art. 336c Abs. 2 OR
bis 31. August 1985 verlängerte.
4.
a) Damit bleibt zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin im Monat August 1985 einen anrechenbaren Verdienstausfall erlitten
BGE 115 V 437 S. 443
hat, da die Erstreckung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund von
Art. 336c Abs. 2 OR
nicht ohne weiteres bedeutet, dass der Arbeitnehmer für die Dauer der verlängerten Kündigungsfrist einen Lohnanspruch hat.
Art. 336c Abs. 2 Satz 2 OR
regelt nur die Frage der Unterbrechung und der Fortsetzung des Kündigungsfristenlaufs, nicht auch die Frage der Lohnzahlungspflicht während des erstreckten Arbeitsverhältnisses. Das Gesetz enthält zu letzterem keine besonderen Normen, so dass die ordentlichen konstitutiven Voraussetzungen des Lohnanspruchs massgebend sind.
b) Nach
Art. 361 Abs. 1 OR
darf von
Art. 336c OR
durch Abrede weder zu Ungunsten des Arbeitgebers noch des Arbeitnehmers abgewichen werden. Das heisst, dass die Parteien beim Abschluss oder bei einer Änderung des Arbeitsvertrages nicht zum voraus auf den Kündigungsschutz verzichten dürfen. Dagegen kann praxisgemäss trotz zwingender Kündigungsvorschriften ein Aufhebungsvertrag nach
Art. 115 OR
zulässig sein. Die Parteien können mithin das Arbeitsverhältnis vor Beginn oder während einer durch die Kündigungsbeschränkung gesetzten Sperrfrist durch gegenseitige Übereinkunft auflösen (
BGE 110 II 170
Erw. 3a,
BGE 102 Ia 417
; Botschaft zum Arbeitsvertragsrecht vom 25. August 1967, BBl 1967 II 382; BRÜHWILER, a.a.O., Einleitung Art. 336e, S. 190; REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 9. Aufl., S. 104; STREIFF, a.a.O., N. 2 und 8 zu Art. 336e-f, S. 244 ff.; HOFMANN, Verzicht und Vergleich im Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1985, S. 195; RENZ, Die Saldoquittung und das Verzichtsverbot im schweizerischen Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1979, S. 140; SCHUMACHER, Der Vertragsbruch nach neuem Arbeitsvertragsrecht, Diss. Bern 1974, S. 90). Indes darf eine solche Vereinbarung nicht zu einer klaren Umgehung des zwingenden gesetzlichen Kündigungsschutzes führen (
BGE 110 II 170
Erw. 3a,
BGE 102 Ia 417
). Im vorliegenden Fall besteht demnach kein Lohnanspruch für den Monat August 1985, wenn die Arbeitgeberfirma und die Beschwerdeführerin im gesetzlich zulässigen Rahmen ausdrücklich oder stillschweigend übereingekommen sind, auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses während der verlängerten Kündigungsfrist zu verzichten.
c) Der Firma B. & Co. war anscheinend nicht entgangen, dass ein Tatbestand nach
Art. 336c Abs. 2 OR
vorlag. Sie war jedoch an einer Weiterbeschäftigung der Beschwerdeführerin nicht interessiert und liess es deshalb bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses per Ende Juli 1985 stillschweigend bewenden. Die Beschwerdeführerin
BGE 115 V 437 S. 444
anderseits zog eine Wiederaufnahme der Arbeit im August 1985 nicht in Erwägung, weil sie der rechtsirrtümlichen Meinung war, das Arbeitsverhältnis habe trotz Verlängerung der Kündigungsfrist per Ende Juli 1985 geendet, weshalb sie anfangs August nicht zur Arbeit erschien und auch nichts mehr von sich hören liess. Damit bekundete sie, dass sie das Arbeitsverhältnis mit dem 31. Juli 1985 als abgeschlossen betrachtete. Ob die Arbeitgeberin, die nicht wusste, aus welchen Motiven die Beschwerdeführerin auf die Geltendmachung des Kündigungsschutzes verzichtete, aus diesem Verhalten auf die Absicht zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung bzw. auf eine Offerte zu abredeweiser Verkürzung der gesetzlich verlängerten Kündigungsfrist schliessen durfte, ist fraglich, kann indes offenbleiben. Denn selbst wenn kein Aufhebungsvertrag zustande kam, hätte die Beschwerdeführerin aufgrund der nachstehenden Erwägungen für den Monat August 1985 keinen Lohnanspruch.
5.
a) Wird ein Arbeitsverhältnis aufgrund von
Art. 336c Abs. 2 OR
erstreckt, so bestehen die bisherigen vertraglichen und gesetzlichen Rechte und Pflichten der Parteien unverändert fort. Der Arbeitnehmer ist nach wiedererlangter Arbeitsfähigkeit zur Leistung von Arbeit im Dienste des Arbeitgebers und dieser zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet (
Art. 319 Abs. 1 OR
). Kommt der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nicht nach und liegen keine anerkannten Verhinderungsgründe vor, so gerät er wegen Nichterfüllung des Vertrages in Verzug (
Art. 102 ff. OR
). Der Arbeitgeber kann in diesem Fall für die Dauer der fehlenden Arbeitsleistung den Lohn verweigern (
Art. 82 OR
; REHBINDER, a.a.O., S. 52; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in Schweizerisches Privatrecht VII/1, S. 385). Ebenso gelten die Regeln über den Annahmeverzug des Arbeitgebers. Kann die Arbeit infolge des Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus andern Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist (
Art. 324 Abs. 1 OR
). Arbeitgeberverzug liegt grundsätzlich erst vor, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit eindeutig angeboten hat (SCHWEINGRUBER, Kommentar zum Arbeitsvertrag, S. 103; VISCHER, a.a.O., S. 381; BRÜHWILER, a.a.O., N. 3 zu Art. 324, S. 83).
b) Die Beschwerdeführerin hat nach ihrer Genesung die Arbeit bei der Firma B. & Co. nicht mehr angetreten und der Firma ihre Dienste auch nicht angeboten. Sie ist deshalb (in der Hypothese,
BGE 115 V 437 S. 445
dass das Arbeitsverhältnis nicht durch Aufhebungsvertrag vorzeitig beendet wurde, sondern bis Ende August 1985 Rechtsbestand hatte) mit der Arbeitsleistung in Verzug geraten. Eine Mahnung seitens der Arbeitgeberin war für den Eintritt des Verzuges nicht notwendig (MIESCHER, Die Folgen nicht vertragsgemässer Arbeitsleistung nach dem Dienstvertragsrecht und nach den allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts, Diss. Zürich 1968, S. 43). Die Beschwerdeführerin hat deshalb nach den oben dargelegten Grundsätzen für den Monat August 1985 keinen Lohnanspruch.
6.
a) Dagegen kann nicht eingewendet werden, es liege eine durch die Arbeitgeberin verschuldete Unmöglichkeit der Arbeitsleistung vor. Ein Arbeitgeber gerät grundsätzlich nicht in Annahmeverzug, wenn er es unterlässt, den Arbeitnehmer aufzufordern, seine Arbeit während des nach
Art. 336c Abs. 2 Satz 2 OR
verlängerten Arbeitsverhältnisses weiterzuführen (anders Gewerbliches Schiedsgericht Basel-Stadt/JAR 1983 S. 170; STREIFF, a.a.O., N. 2 zu Art. 336e-f, S. 245). Vielmehr ist es Sache des Arbeitnehmers, seine Dienste anzubieten, und erst wenn diese abgelehnt werden, kommt der Arbeitgeber in Verzug (siehe auch Kantonsgericht St. Gallen/JAR 1984 S. 168; Arbeitsgericht Zürich/JAR 1986 S. 97). Beizufügen bleibt, dass sich die fehlende Aufforderung zur Arbeitsaufnahme oder die fehlende Erkundigung der Arbeitgeberfirma nach den Motiven für das Fernbleiben der Beschwerdeführerin von ihrer Arbeit auch nicht als Freistellung von der Arbeit während der Kündigungsfrist interpretieren lässt.
b) Entgegen der in einem Teil der kantonalen Judikatur (Basel- Stadt: JAR 1986 S. 174 f. und 1983 S. 170; Genf: SJ 1987 S. 554) und von AUBERT in SJ 1987 S. 557 vertretenen Auffassung liegt ein rechtsgenügliches Arbeitsangebot nicht schon dann vor, wenn ein Arbeitgeber aufgrund der Umstände zu vermuten hat, dass der Arbeitnehmer während der verlängerten Kündigungsfrist für eine weitere Beschäftigung an sich zur Verfügung stünde. Von einem tatsächlichen Angebot kann nur gesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unmissverständlich die Absicht bekanntgibt, für ihn während der verlängerten Kündigungsfrist tätig zu sein. Die Bekundung genereller Arbeitsbereitschaft - lediglich dargetan durch die Tatsache, dass der arbeitsfähige Arbeitnehmer nach Ablauf der ursprünglichen Kündigungsfrist ohne Arbeit ist oder sich bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet hat - stellt zum einen keine an den früheren Arbeitgeber gerichtete Mitteilung dar und bringt zum
BGE 115 V 437 S. 446
andern auch nicht ohne weiteres zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer tatsächlich bereit und willens ist, weiterhin für den bisherigen Arbeitgeber tätig zu sein. Es ist Sache des Arbeitnehmers, hier im Interesse seines Lohnanspruchs die notwendige Klarheit zu schaffen, was nur durch ein konkretes Arbeitsangebot an die Adresse des bisherigen Arbeitgebers geschehen kann. Der Kündigungsschutz nach
Art. 336c Abs. 2 Satz 2 OR
geht nicht so weit, dass der Arbeitnehmer, der während der verlängerten Kündigungsfrist auf Stellensuche ist oder für Arbeit an sich verfügbar wäre, unter Wahrung eines Lohnanspruchs untätig zuwarten kann, bis er vom bisherigen Arbeitgeber zur Arbeitsaufnahme aufgefordert wird. Es ist auch hier ein billiger Ausgleich zwischen den Interessen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers anzustreben (siehe dazu genannte Botschaft, a.a.O., S. 379;
BGE 113 II 262
Erw. 2a,
BGE 109 II 333
Erw. 2b).
c) Dass der Arbeitnehmer auf die Verlängerung der Kündigungsfrist gemäss
Art. 336c Abs. 2 OR
aufgrund von
Art. 361 Abs. 1 OR
nicht zum voraus ganz oder teilweise verzichten darf, verpflichtet den Arbeitgeber ebenfalls nicht zur Lohnzahlung schon dann, wenn bloss eine generelle Arbeitsbereitschaft erkennbar ist. Wie oben dargelegt, regelt
Art. 336c Abs. 2 Satz 2 OR
nicht die rechtlichen Voraussetzungen der Lohnzahlungspflicht in diesem Bereich, weshalb sich daraus kein Lohnanspruch unter erleichterten Bedingungen ableiten lässt.
Ebensowenig ist im vorliegenden Fall das Verzichtsverbot nach
Art. 341 OR
beachtlich. Danach kann der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes ergeben, nicht verzichten. Diese Vorschrift betrifft den Verzicht bereits entstandener Forderungen des Arbeitnehmers (siehe
BGE 110 II 168
,
BGE 105 II 39
; HOFMANN, a.a.O., S. 195, N. 28 mit Kritik an
BGE 102 Ia 417
; RENZ, a.a.O., S. 139) oder Rechtspositionen, welche später eintretende Ansprüche begründen und auf die der Arbeitnehmer nicht zum voraus einseitig verzichten kann (siehe
BGE 110 II 168
,
BGE 102 Ia 417
).
Art. 341 OR
schützt jedoch nicht vor Lohnverlusten, die ein Arbeitnehmer erleidet, weil er aus Gründen, die nicht vom Arbeitgeber zu vertreten sind, die arbeitsvertraglichen Lohnvoraussetzungen nicht erfüllt.
d) Am Gesagten vermag nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführerin wegen eines Rechtsirrtums während der verlängerten
BGE 115 V 437 S. 447
Kündigungsfrist die Arbeit bei der Firma B. & Co. nicht fortgesetzt hatte. Ein Arbeitgeber ist in der Regel nach allgemeinen obligationenrechtlichen Grundsätzen nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer auf seine Rechte - hier auf den Kündigungsschutz - aufmerksam zu machen und sich im Hinblick auf solche Informationen die notwendigen Rechtskenntnisse anzueignen, so dass eine solche Unterlassung grundsätzlich nicht zu Verzugsfolgen führt (siehe auch Arbeitsgericht Zürich/JAR 1986 S. 98 und RENZ, a.a.O., S. 49). Eine Verpflichtung zu solchem Handeln ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen zum Kündigungsschutz oder einer allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (siehe dazu REHBINDER, a.a.O., S. 74). Ob sich allenfalls aus allgemeiner Fürsorgepflicht oder als Ausfluss aus dem Gebot des Handelns nach Treu und Glauben eine Aufklärungspflicht dann ergäbe, wenn der Arbeitgeber den Irrtum des Arbeitnehmers bemerkt oder bemerken müsste und gleichzeitig erkennt, dass der Arbeitnehmer durch die Nichtgeltendmachung des Kündigungsschutzes einen irreparablen Nachteil erleidet (wie das Arbeitsgericht Zürich in JAR 1986 S. 98 f. erkannte; siehe auch RENZ, a.a.O., S. 49 mit Hinweisen auf die Lehre), kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Die Firma B. & Co. wusste nämlich nicht, weshalb die Beschwerdeführerin während der verlängerten Kündigungsfrist der Arbeit fernblieb. Daraus ergibt sich, dass die Arbeitgeberin gegen keine gesetzliche Verpflichtung verstiess, weil sie die Beschwerdeführerin über den Kündigungsschutz nicht aufklärte und sich auch nicht danach erkundigte, weshalb diese die Gelegenheit zur Arbeit im Monat August 1985 nicht wahrnahm.
7.
Aus dem Gesagten folgt, dass Verwaltung und Vorinstanz zu Unrecht das Bestehen eines Lohnanspruchs für den Monat August 1985 bejaht und die Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung für diesen Monat verneint haben. Die Sache geht an die Verwaltung zurück, damit diese über das Leistungsgesuch der Beschwerdeführerin unter dem Blickwinkel der weiteren Anspruchsvoraussetzungen befinde. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
693276c3-7549-44b6-afcb-24cdf6d9856a | Urteilskopf
102 Ia 264
40. Urteil vom 19. Mai 1976 i.S. Klee und Schlegel gegen Freisinnig-Demokratische Partei des Bezirks Werdenberg und Regierungsrat des Kantons St. Gallen. | Regeste
Art. 85 lit. a OG
. Bezirksrichterwahlen; Beeinflussung der Wähler durch ein privates Flugblatt.
1. Erschöpfung des Instanzenzuges; Anfechtungsobjekt der Beschwerde (E. 2).
2. Voraussetzungen, unter denen der Stimmbürger wegen unerlaubter Beeinflussung der Willensbildung durch irreführende private Publikationen von Bundesrechts wegen die Ungültigerklärung einer Wahl oder Abstimmung verlangen kann; Kognition des Bundesgerichtes (E. 3).
3. Prüfung der im konkreten Fall erhobenen Rügen: Anfechtung einer Bezirksrichterwahl wegen Verteilung eines privaten Flugblattes, welches, zusammen mit verfahrensmässigen Unregelmässigkeiten, das Wahlergebnis in unzulässiger Weise beeinflusst haben soll (E. 4 und 5). | Sachverhalt
ab Seite 265
BGE 102 Ia 264 S. 265
Am 26./27. April 1975 fanden im Kanton St. Gallen die Erneuerungswahlen der Bezirksgerichte für die Amtsperiode 1975-1979 statt. Im Bezirk Werdenberg waren sieben Richter zu wählen. Acht Kandidaten stellten sich zur Wahl, darunter Dr. X, der bereits seit 12 Jahren das Amt des Bezirksgerichtspräsidenten innehatte, in diesem Wahlgang aber nicht mehr, wie bisher, als Kandidat der Freisinnig-Demokratischen Partei des Bezirkes Werdenberg (im folgenden FdP) auftrat, sondern als solcher der Jungliberalen Bewegung. Die FdP, aus der Dr. X kurz zuvor ausgetreten war, portierte als Gegenkandidaten für das Amt des Gerichtspräsidenten (welcher formell nach erfolgter Volkswahl der Bezirksrichter durch diese aus ihrer Mitte bestimmt wird) Rechtsanwalt Dr. Y. Die übrigen sechs Kandidaten waren unbestritten. Bei einem absoluten Mehr von 2635 Stimmen wurde Dr. Y mit 2921 Stimmen gewählt; Dr. X erhielt 2154 Stimmen und schied aus. Die übrigen sechs gewählten Mitglieder erhielten zwischen 4752 und 4907 Stimmen. Das Ergebnis der Bezirksrichterwahlen wurde im kantonalen Amtsblatt vom 12. Mai 1975 publiziert.
Eugen Klee focht diese Wahl im Anschluss an die Publikation des Ergebnisses mit Kassationsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen an. Gleichzeitig reichte er, zusammen mit Hans Schlegel, gestützt auf
Art. 85 lit. a OG
wegen Verletzung politischer Rechte beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde ein. Die Behandlung dieser Beschwerde wurde im Hinblick auf das vor dem Regierungsrat hängige Verfahren ausgesetzt.
Der Regierungsrat wies die bei ihm erhobene Kassationsbeschwerde am 24. Juni 1975 ab, soweit er darauf eintrat.
Im Anschluss an diesen Entscheid des Regierungsrates führen beide Beschwerdeführer mit gemeinsamer Eingabe erneut staatsrechtliche Beschwerde.
BGE 102 Ia 264 S. 266
Mit beiden staatsrechtlichen Beschwerden wird geltend gemacht, der Ausgang der Bezirksrichterwahlen sei durch Verteilung eines privaten Flugblattes mit irreführendem Inhalt unzulässig beeinflusst worden.
Das Bundesgericht weist die erste staatsrechtliche Beschwerde ab; auf die zweite Beschwerde tritt es nicht ein, soweit sich diese gegen den Entscheid des Regierungsrates richtet, im übrigen weist es sie ebenfalls ab, aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
a) Als "kantonale Wahlen" im Sinne von
Art. 85 lit. a OG
gelten auch Bezirkswahlen (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 342, mit Hinweisen).
b) Die beiden Beschwerdeführer sind im Bezirk Werdenberg stimmberechtigt. Sie sind daher legitimiert, im Zusammenhang mit den beanstandeten Bezirksrichterwahlen wegen Verletzung politischer Rechte gemäss
Art. 85 lit. a OG
staatsrechtliche Beschwerde zu führen.
2.
Staatsrechtliche Beschwerden gemäss
Art. 85 lit. a OG
sind nur gegen letztinstanzliche Entscheide zulässig (
Art. 86 Abs. 1 OG
), d.h. der Beschwerdeführer muss vor der Anrufung des Bundesgerichtes von den kantonalen Rechtsmitteln, die zur Geltendmachung der betreffenden Rügen zur Verfügung stehen, Gebrauch gemacht haben (vgl. dazu LUDWIG, ZBJV 110/1974 S. 188).
Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen ist auf die bei ihm eingereichte Kassationsbeschwerde nur insoweit eingetreten, als damit gewisse Gesetzesverletzungen bei der Durchführung und Überwachung der Stimmabgabe gerügt wurden. Auf die Rüge, der Wahlausgang sei durch ein privates Flugblatt unzulässig beeinflusst worden, trat er nicht ein, da das kantonale Recht einen derartigen Kassationsgrund nicht vorsehe.
a) Zur Geltendmachung dieser letzteren Rüge stand den Beschwerdeführern demnach kein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung. Auf die erste staatsrechtliche Beschwerde, welche unmittelbar im Anschluss an die Publikation des Wahlergebnisses eingereicht worden ist und einzig die erwähnte Rüge zum Gegenstand hat, ist daher einzutreten.
b) In der zweiten, gegen den Regierungsratsentscheid gerichteten staatsrechtlichen Beschwerde wiederholen die Beschwerdeführer
BGE 102 Ia 264 S. 267
die Rüge bezüglich der Auswirkungen des Flugblattes. Dass die kantonale Kassationsinstanz diese Frage hätte prüfen müssen, wird nicht geltend gemacht. Anderseits wird auch nicht behauptet, dass die mit der Kassationsbeschwerde zusätzlich gerügten behördlichen Verfahrensfehler, die der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid einzig prüfte, für sich allein eine Aufhebung der Wahl gerechtfertigt hätten. Wohl wird in der zweiten staatsrechtlichen Beschwerde ausgeführt, dass die Zahl der durch die verfahrensmässigen Unkorrektheiten betroffenen Stimmen höher sei als vom Regierungsrat angenommen, doch wird nicht behauptet, dass der Entscheid der kantonalen Kassationsinstanz bereits unter diesem Gesichtswinkel hätte anders ausfallen müssen. Soweit sich die staatsrechtliche Beschwerde vom 18. August 1975 gegen den Entscheid des Regierungsrates richtet, ist daher nicht auf sie einzutreten.
Es sei immerhin beigefügt, dass der Auffassung des Regierungsrates, er sei zur Aufhebung einer Wahl lediglich dann befugt, wenn von amtlicher Seite Verfahrensfehler begangen worden seien, kaum beigepflichtet werden kann. Wie nachfolgend noch darzutun sein wird, kann eine unerlaubte, wenn nicht gegen kantonales Recht, so doch gegen Bundesrecht verstossende Einwirkung auf ein Wahl- oder Abstimmungsergebnis unter gewissen Voraussetzungen auch von privater Seite her erfolgen. Auch wenn das positive kantonale Recht einen derartigen Kassationsgrund nicht ausdrücklich vorsieht, haben die zuständigen kantonalen Behörden diesem bundesrechtlichen Grundsatz doch Rechnung zu tragen. Jedenfalls kann sich der Stimmbürger in einem Fall wie dem vorliegenden ohne Gefahr eines prozessualen Nachteiles zuerst an die kantonale Kassationsinstanz wenden, bevor er gestützt auf
Art. 85 lit. a OG
staatsrechtliche Beschwerde führt. Die Grundsätze, welche das Bundesgericht in
BGE 94 I 462
festgehalten hat (vgl. auch
BGE 100 Ia 267
, 123;
BGE 97 I 226
), gelten analog auch für Beschwerden nach
Art. 85 lit. a OG
. Das will heissen, dass eine Wahl oder Abstimmung auch noch im Anschluss an den Entscheid der kantonalen Kassationsinstanz unmittelbar mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann, und zwar gegebenenfalls auch mit Rügen, welche mit der kantonalen Kassationsbeschwerde nicht vorgebracht werden konnten. Auf die zweite, erst im Anschluss an
BGE 102 Ia 264 S. 268
den Regierungsratsentscheid eingereichte staatsrechtliche Beschwerde ist daher einzutreten, soweit sie sich gegen die Wahl als solche richtet und im Namen von Eugen Klee erhoben wird. Hans Schlegel, der beim Regierungsrat kein Rechtsmittel eingelegt hat, kann in diesem Stadium nicht nochmals staatsrechtliche Beschwerde führen. Da es sich um eine einzige, gemeinsam eingereichte Beschwerdeschrift handelt, spielt diese Differenzierung hier praktisch keine Rolle.
3.
Jeder Stimmbürger hat einen bundesrechtlich gewährleisteten Anspruch darauf, dass kein Wahl- oder Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt (
BGE 101 Ia 240
;
BGE 99 Ia 183
;
BGE 98 Ia 621
, 78;
BGE 97 I 662
f.;
BGE 91 I 318
, 9;
BGE 90 I 73
;
BGE 89 I 443
). Stellt das Bundesgericht Verfahrensmängel fest, so hebt es die Abstimmung auf, wenn die gerügten Unregelmässigkeiten das Ergebnis beeinflusst haben könnten. Der Stimmbürger muss in einem solchen Fall nicht nachweisen, dass sich der Mangel auf das Ergebnis entscheidend ausgewirkt hat; es genügt, dass nach dem festgestellten Sachverhalt eine derartige Auswirkung im Bereiche des Möglichen liegt (
BGE 101 Ia 240
;
BGE 98 Ia 621
, 78;
BGE 97 I 663
, 665;
BGE 93 I 535
).
Von verfahrensmässigen Fehlern abgesehen, kann auch eine unzulässige Einwirkung auf die Willensbildung des Stimmbürgers die Ungültigkeit einer Abstimmung zur Folge haben. Eine unerlaubte Beeinflussung der Willensbildung liegt beispielsweise vor, wenn die Behörde im Rahmen einer Sachabstimmung ihre Pflicht zur objektiven Information verletzt und den Bürger über Zweck und Tragweite der Vorlage falsch orientiert (
BGE 98 Ia 622
, 78;
BGE 93 I 439
;
BGE 89 I 443
). Darüber hinaus können auch private Publikationen das Ergebnis einer Sachabstimmung in unstatthafter Weise beeinflussen, wenn der Stimmbürger durch falsche und irreführende Angaben getäuscht wird (
BGE 98 Ia 625
, 78 ff.). Einflüsse dieser Art vermögen indessen nur ausnahmsweise die Aufhebung einer Abstimmung zu rechtfertigen. Wohl ist die Verwendung von falschen und irreführenden Angaben im Abstimmungskampf verwerflich, doch lässt sie sich nie völlig ausschliessen und muss aus praktischen Gründen bis zu einem gewissen Grade in Kauf genommen werden. Wie in
BGE 98 Ia 80
ausgeführt, kann von einer unzulässigen Beeinflussung der demokratischen
BGE 102 Ia 264 S. 269
Willensbildung durch private Veröffentlichungen erst dann gesprochen werden, "wenn die Presse in einem so späten Zeitpunkt mit offensichtlich unwahren und irreführenden Angaben in den Abstimmungskampf eingreift, dass es dem Bürger nach den Umständen unmöglich ist, sich ein zuverlässiges Bild von den tatsächlichen Verhältnissen zu schaffen, und wenn überdies keinerlei Zweifel darüber bestehen, dass die Abstimmung dadurch entscheidend beeinflusst worden ist"; bei der Kassation einer Abstimmung wegen unzulässiger Beeinflussung durch die Presse ist "grösste Zurückhaltung" zu üben (im gleichen Sinne
BGE 98 Ia 625
f.).
Die vorstehenden Ausführungen beziehen sich auf die Willensbildung bei Sachabstimmungen. Entsprechendes muss auch gelten in bezug auf kantonale Wahlen (vgl. Urteil vom 3. Februar 1939 i.S. Otto Thomann-Rasi gegen Regierungsrat des Kantons Zürich, gekürzt publiziert in ZBl 40/1939 S. 249 ff.). Es lässt sich nicht vermeiden, dass in einem Wahlkampf zur Unterstützung oder Bekämpfung umstrittener Kandidaten auch unsachliche, übertreibende oder gar unwahre Behauptungen verbreitet werden. Solche Verstösse gegen die guten Wahlsitten sind sicher unerwünscht und verwerflich; sie genügen in der Regel aber noch nicht, um die Gültigkeit eines Wahlganges in Frage zu stellen (vgl. dazu PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen, Diss. Zürich 1945, S. 127 ff.). Aus praktischen Gründen ist auch hier grosse Zurückhaltung geboten; nur bei ganz schwerwiegenden Verstössen kann der Stimmbürger von Bundesrechts wegen eine Wiederholung des Wahlganges verlangen. Dass sich die beanstandete unerlaubte Wahlpropaganda auf das Ergebnis des Wahlganges entscheidend ausgewirkt hat, muss nicht nur im Bereich des Möglichen liegen (was bei Verfahrensmängeln für eine Wiederholung des Urnenganges genügt), sondern ausser Zweifel stehen oder zumindest als sehr wahrscheinlich erscheinen.
Ob diese bundesrechtlichen Voraussetzungen für die Aufhebung einer Wahl oder Abstimmung erfüllt sind, entscheidet das Bundesgericht im Rahmen einer auf
Art. 85 lit. a OG
gestützten Beschwerde mit freier Kognition; die Feststellung des Sachverhaltes durch die kantonalen Behörden überprüft es indessen nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (
BGE 101 Ia 240
;
BGE 98 Ia 621
, 78;
BGE 97 I 663
).
BGE 102 Ia 264 S. 270
4.
Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass die streitige Wahl schon wegen der Verfahrensfehler, die in zwei Gemeinden des Bezirks vorgekommen sind, ungültig sei. Sie begründen ihre Beschwerde in erster Linie unter Hinweis auf ein privates Flugblatt, welches die Willensbildung des Stimmbürgers unzulässig beeinflusst habe. Auf die erwähnten Verfahrensfehler berufen sie sich nur hilfsweise, indem sie geltend machen, dass die Voraussetzungen für eine Kassation der Wahl auf jeden Fall dann gegeben seien, wenn man neben den Auswirkungen des Flugblattes auch noch die möglichen Einflüsse der verfahrensmässigen Unregelmässigkeiten berücksichtige. Es rechtfertigt sich, vorweg zu prüfen, welcher Art diese formellen Mängel waren und welche Auswirkungen sie haben konnten.
Der Regierungsrat stellte hiezu in seinem Beschwerdeentscheid folgendes fest: Es sei unbestritten, dass im Stimmlokal im Bahnhofgebäude Buchs am Freitagabend während der ersten halben Stunde der Öffnungszeit eine korrekte Stimmabgabe nicht gewährleistet gewesen sei. Eine Stimmenzählerin habe, da die Urne zunächst unauffindbar gewesen sei, einzelne Stimmzettel bei sich aufbewahrt und diese erst später ins Kuvert und dann in die Urne gelegt. Damit sei das Stimmgeheimnis und der Grundsatz der persönlichen Stimmabgabe verletzt worden. Sodann sei die Stimmabgabe nicht immer, wie vorgeschrieben, durch beide, sondern zeitweise nur durch einen Stimmenzähler überwacht worden. Es dürfe als gesichert gelten, dass nur 24 Stimmzettel auf diese unkorrekte Weise abgegeben worden seien. Ausserdem hätten am Freitagabend mehrere im fraglichen Abstimmungslokal erschienene Bürger wegen des anfänglichen Fehlens einer Urne ihre Stimme nicht abgegeben. Ob sie später doch noch zur Urne gegangen seien, lasse sich nicht feststellen. Falls die Stimmabgabe unterblieben wäre, weil sie sich auf die publizierten Urnenöffnungszeiten verlassen hätten, läge hierin eine unzulässige Verfälschung des Resultates. Es könne sich aber um höchstens 20-25 Stimmen handeln, die nicht abgegeben worden seien. Insgesamt ergebe sich aus dem fraglichen Zwischenfall eine mögliche Differenz von maximal 50 Stimmen. Daneben seien auch im Dorf Weite Unregelmässigkeiten vorgekommen, indem nicht beide Stimmenzähler dauernd bei der Urne anwesend gewesen seien. Dieser Mangel habe aber das Wahlergebnis nicht beeinflussen
BGE 102 Ia 264 S. 271
können, weil die beiden Stimmenzähler die eintreffenden Stimmbürger jeweils an die Urne begleitet hätten und aufgrund der Umstände ausgeschlossen sei, dass jemand sich unbemerkt hätte an die Urne begeben können. Selbst wenn man sämtliche in Weite abgegebenen Stimmen (153) ebenfalls unberücksichtigt lasse oder sie Dr. X zurechne, ändere sich am Wahlausgang nichts.
Die Beschwerdeführer fechten diese Feststellungen nur insoweit an, als sie die Auffassung vertreten, dass die Zahl der Stimmbürger, die infolge der in Buchs vorgekommenen Unkorrektheiten der Urne ferngeblieben seien, höher liege als vom Regierungsrat angenommen. Dass die Schätzung des Regierungsrates willkürlich sei, wird indessen weder behauptet noch dargetan. Es ist daher auch in diesem Punkt von der Sachverhaltsdarstellung auszugehen, wie sie im Beschwerdeentscheid des Regierungsrates gegeben wird.
Ob der Umstand, dass eine Anzahl Bürger wegen der am Freitagabend im Wahllokal des Bahnhofes Buchs aufgetretenen halbstündigen Verzögerung möglicherweise keine Stimme abgegeben haben, überhaupt als rechtlich relevante Auswirkung dieses Verfahrensmangels angesehen werden kann, erscheint fraglich. Die im betreffenden Zeitabschnitt im Bahnhofwahllokal erschienenen Stimmbürger, welche auf eine Abgabe der Stimme unter den gegebenen Umständen (richtigerweise) verzichteten, konnten ihr Stimmrecht ohne besonderen Aufwand anderweitig (im Wahllokal des Rathauses) oder zu einem späteren Zeitpunkt (am Samstag oder Sonntag) ausüben; eine ernstliche Behinderung der Stimmabgabe lag nicht vor. Aber selbst wenn man zur Ermittlung des möglichen Fehlerbereiches nicht bloss die Zahl der unkorrekt abgegebenen, sondern auch jene der "nicht abgegebenen" Stimmen berücksichtigen will, konnte der Vorfall im Wahllokal des Bahnhofes Buchs nach den Feststellungen des Regierungsrates höchstens 50 Stimmen betreffen. Die Vorkommnisse im Dorf Weite waren nach unangefochtener Darstellung des Regierungsrates nicht geeignet, die Zuverlässigkeit des dortigen Wahlergebnisses in Frage zu stellen. Selbst wenn man von der äussersten, hier völlig unwahrscheinlichen Annahme ausgeht, es seien in Buchs die 24 unkorrekt abgegebenen Stimmzettel alle zugunsten von Dr. Y modifiziert worden und es hätten sämtliche 25 der Urne ferngebliebenen Bürger für Dr. X gestimmt,
BGE 102 Ia 264 S. 272
vermöchte dies am Ausgang der Bezirksrichterwahlen klarerweise nichts zu ändern. Es bleibt zu prüfen, wie der Einfluss des privaten Flugblattes zu bewerten ist.
5.
In der Woche vor den Richterwahlen, d.h. am Donnerstag und Freitag, teilweise bereits am Mittwoch vor dem Abstimmungswochenende, verteilte die Post in alle Haushaltungen des Bezirkes ein von der Freisinnig-Demokratischen Bezirkspartei Werdenberg unterzeichnetes vierseitiges Flugblatt mit dem Titel "Wo liegt die Wahrheit?". Das Flugblatt, das am Mittwoch der Post übergeben worden war, nimmt auf seiner vordersten Seite Bezug auf die Propaganda der Wahlhelfer von Dr. X, die nicht müde würden, "über dessen Amtsführung in der Presse und auch in Interviews weiterhin das Loblied zu singen". "Von einer Anzahl Rechtsuchender, welche die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Gerichtspräsidium Werdenberg selber kennenlernen mussten, erhielten wir jetzt das Einverständnis, mit Einzelheiten an die Öffentlichkeit zu treten". Die beiden folgenden Seiten des Flugblattes enthalten folgenden Text:
S. 2 (erste Innenseite).
DAS SIND DIE TATSACHEN
Das sagen Frauen und Männer, die die Dienste von Dr. X in Anspruch nehmen mussten.
K: "Mein Fall war nach 26 Monaten noch nicht abgeschlossen."
L: "Bei mir ging es vom Mai 1970 bis November 1972, keine Kinder, Geldfragen nicht zu regeln."
L: "Nach der Klage passierte vorerst einmal 10 Monate lang nichts. Die erste Einvernahme war nach 13 Monaten."
G: "Obwohl er zuerst gegen mich als Anwalt aufgetreten ist, sass er nachher über mich zu Gericht."
R: "Mein 'Fall' war nach 5 (fünf) Jahren beendigt, aber wie."
T: "Gegen mich wurde im Dezember 1968 geklagt, nach 4 Jahren und 3 Monaten hat Dr. X seinen Einzelrichterbeschluss herausgegeben."
R: "Ich wurde durch die Frau einvernommen, Dr. X verzog sich zeitungslesend ins Nebenzimmer."
B: "Die Frau wollte mich einvernehmen. Ich verlangte, durch den Präsidenten einvernommen zu werden. Ich musste dann eine halbe Stunde warten, weil er die Akten noch lesen musste."
H: "Es ging 23 Monate bis ich geschieden war. Wir waren beide einverstanden, keine Kinder, Finanzen geregelt."
S: "Seit September 1974 ist mein Mann fort, ich stehe allein mit den
Kindern da. Dr. X hat bis heute noch nichts geregelt."
BGE 102 Ia 264 S. 273
S. 3 (zweite Innenseite)
DAS SAGT DAS KANTONSGERICHT ZU DEN ARBEITEN VON DR. X
... Sein Entscheid ist nicht nur unrichtig, sondern darüber hinaus schlechthin unhaltbar, denn er verletzt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz schwer. Der Entscheid läuft auch dem Gerechtigkeitsgedanken in stossender Weise zuwider. Er muss als willkürlich bezeichnet werden. Unrichtig und darüber hinaus schlechthin unhaltbar ist auch der Kostenspruch. Die Verfahrenskosten hat der STAAT zu tragen...
... Die Vernehmlassung des Gerichtspräsidenten ist verspätet. Auf seine Vorbringen kann nicht mehr eingetreten werden...
... Begründet sind die Beanstandungen hinsichtlich der Zeitspanne von 4 Monaten sowie von 7 1/2 Monaten...
... Auch wäre es mit der Stellung des Gerichtspräsidenten durchaus vereinbar, wenn er ausnahmsweise ein Urteil selber redigieren würde, besonders in einem Fall mit wenigen Akten, die er zudem kennt. Und der Rechtspflege wäre damit erst noch besser gedient, als wenn neue Verfahren, wie das vorliegende, veranlasst werden...
... Die Beschwerde war in erheblichen Punkten begründet, weshalb der STAAT die Kosten zu tragen hat...
... Besonders schwer wiegt der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung. Darin liegt ein irreparabler Mangel. Die sachliche Unzuständigkeit hat die Nichtigkeit zur Folge...
Auf der letzten Seite des Flugblattes wird darauf hingewiesen, dass die FdP die Verantwortung für Dr. X als Gerichtspräsident ablehne und als Kandidaten, der das Vertrauen der Wählerschaft verdiene, Dr. Y vorschlage.
Die Jungliberale Bewegung des Bezirkes Werdenberg antwortete mit einem Flugblatt "Hier liegt die Wahrheit!", in der sie die gegen die Amtsführung von Dr. X erhobenen Vorwürfe in Abrede stellte und die Propagandamethoden der Gegenseite kritisierte. Das Flugblatt wurde auf privatem Wege verteilt. Wann und in welchem Umfang dies geschah, ist nicht genau ersichtlich. Eine Verteilung durch die Post wäre offenbar nicht mehr rechtzeitig möglich gewesen.
a) Die Beschwerdeführer machen geltend, durch das Flugblatt "Wo liegt die Wahrheit?" seien die Stimmbürger des Bezirkes in schwerwiegender Weise irregeführt und das Wahlresultat dadurch in erheblicher Weise beeinflusst worden. Der Stimmbürger habe vor dem Urnengang keine Möglichkeit mehr gehabt, sich über die tatsächlichen Verhältnisse anderweitig zu orientieren, und es sei auch dem angegriffenen Kandidaten nicht mehr möglich gewesen, die unwahren und irreführenden
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Behauptungen wirksam zu widerlegen oder richtigzustellen.
Die unter der Überschrift "Das sind die Tatsachen" auf der ersten Innenseite zitierten Äusserungen einzelner Personen seien nicht überprüfbar, solange die Verfasser des Flugblattes ihre "Quellen" nicht bekanntgäben. Jedenfalls liege eine Irreführung vor. Die meisten der wiedergegebenen Äusserungen beträfen die Verzögerung von gerichtlichen Verfahren. Dem Stimmbürger werde suggeriert, für alle vorgekommenen Verzögerungen sei Dr. X verantwortlich. Der im Gerichtswesen nicht bewanderte Stimmbürger könne nicht wissen, dass ein Prozess häufig auch durch Umstände verzögert werde, für die der Gerichtspräsident nicht verantwortlich sei, so durch Einholung von Gutachten, Fristerstreckungsgesuche von Anwälten usw.
Was die zweite Innenseite anbelange ("Das sagt das Kantonsgericht zu den Arbeiten von Dr. X"), so sei eine Überprüfung der Zitate mangels näherer Bezeichnung der betreffenden kantonsgerichtlichen Entscheide ebenfalls nicht möglich. Jedenfalls werde, in Verbindung mit der Überschrift dieser Seite, der unrichtige Eindruck erweckt, dass das Kantonsgericht mit den fraglichen Sätzen über die Tätigkeit von Dr. X als Gerichtspräsident ein allgemeines Werturteil gefällt habe. Ein Laie sei nicht in der Lage, den Stellenwert solcher Einzelzitate richtig einzustufen. Auch hierin liege eine schwerwiegende Irreführung des Stimmbürgers. Eine derartige Wahlpropaganda dürfe schon aus grundsätzlichen Erwägungen bei Richterwahlen nicht zugelassen werden.
b) Die Beschwerdeführer beanstanden zu Recht, dass im streitigen Flugblatt nicht angegeben wird, von welchen Personen und aus welchen kantonsgerichtlichen Entscheiden die betreffenden Zitate stammen. Die Gegenseite hat dies in ihrer Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde nur zum Teil nachgeholt; sie erklärt sich jedoch bereit, auf Aufforderung des Bundesgerichtes hin die "Prozedurnummern und Unterlagen", aus denen die Zitate stammen, anzugeben.
Wie sich zeigen wird, ist es für die Beurteilung der beiden staatsrechtlichen Beschwerden nicht ausschlaggebend, ob alle im Flugblatt zitierten Äusserungen richtig wiedergegeben und inhaltlich Wahr sind; besondere Abklärungen in dieser Richtung erweisen sich im vorliegenden Verfahren daher nicht als
BGE 102 Ia 264 S. 275
erforderlich. Die Herkunft einzelner Zitate (so u.a. des 1. Zitates auf der zweiten Innenseite des Flugblattes) geht übrigens aus den Akten hervor. Als Beschwerdegrund wird auch gar nicht in erster Linie geltend gemacht, dass die wiedergegebenen Äusserungen und Auszüge aus Urteilsbegründungen von den Initianten des Flugblattes schwer verfälscht oder überhaupt erfunden worden seien. Die Beschwerdeführer weisen nur eher beiläufig darauf hin, dass eine Überprüfung der Zitate nicht möglich sei; das Hauptgewicht ihrer Beschwerde liegt auf der Argumentation, dass selbst bei an sich richtiger Zitierweise eine unzulässige Beeinflussung des Stimmbürgers vorliege.
c) Den Beschwerdeführern ist zuzugeben, dass die Art und Weise, in der der von ihnen unterstützte Kandidat durch das streitige Flugblatt angegriffen worden ist, Bedenken erweckt. Das gilt insbesondere in bezug auf die zweite Innenseite des Flugblattes, wo einzelne Sätze aus der Begründung kantonsgerichtlicher Entscheide zitiert werden. Feststellungen, wonach der Entscheid des unterinstanzlichen Richters "schlechthin unhaltbar" und "willkürlich" sei, "in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufe" usw., sind in der Tat geeignet, bei dem mit dem Gerichtsbetrieb nicht vertrauten Stimmbürger einen falschen Eindruck zu erwecken; wer die rechtstechnische Bedeutung und Funktion solcher Begriffe und Wendungen nicht kennt, könnte den irrigen Schluss ziehen, es werde dem betreffenden unterinstanzlichen Richter ein aussergewöhnlich schweres, seine fachliche Qualifikation geradezu in Frage stellendes Versagen vorgeworfen. Ähnlich verhält es sich mit dem im Flugblatt zitierten Satz aus einer kantonsgerichtlichen Urteilsbegründung, wonach infolge Gutheissung einer Beschwerde "der STAAT die Kosten zu tragen hat" (5. Zitat auf der zweiten Innenseite); auch Zitate dieser Art sind im vorliegenden Zusammenhang unsachlich und irreführend. Andere Äusserungen des Kantonsgerichtes betreffen immerhin die Amtsführung als solche und sind insoweit nicht sachfremd (Zitate 2-4 auf der zweiten Innenseite); doch stellen auch sie in dieser Form keine taugliche Information dar. Auch wenn es bei einer Volkswahl von Richtern grundsätzlich zulässig sein muss, dass die bisherige richterliche Tätigkeit eines Kandidaten im Rahmen eines Wahlkampfes öffentlich kritisiert wird, darf das nur mit statthaften Mitteln geschehen. Die
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Verbreitung unbelegter, aus dem Sachzusammenhang gelöster Zitate aus oberinstanzlichen Entscheiden lässt sich mit geordneten Wahlsitten nur schwer vereinbaren.
Was die auf der ersten Innenseite des Flugblattes wiedergegebenen Äusserungen einzelner (anonymer) Bürger anbelangt, so betreffen sie zum grössern Teil (7 von 10 Zitaten) die Verzögerung von Gerichtsverfahren. Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass derartige Verzögerungen nicht vorgekommen seien. Ebensowenig wird behauptet, dass jene beiden Äusserungen, welche sich auf die Vertretung von Dr. X durch dessen Ehefrau beziehen, sachlich unwahr seien. Es wird lediglich bestritten, dass Dr. X in einem Falle in der vom Bürger "G" geschilderten Weise seine richterliche Ausstandspflicht missachtet habe. Wie es sich damit verhält, kann dahingestellt bleiben; es ist nicht anzunehmen, dass der Stimmbürger diesem einzelnen Punkt eine erhebliche Bedeutung beimass.
d) Trotz der berechtigten Einwände, die sich gegen das umstrittene Flugblatt erheben lassen, erscheint das Begehren der Beschwerdeführer um Kassation der Wahl nicht als begründet. Aus den von der Gegenseite wie auch von den Beschwerdeführern eingelegten Akten geht hervor, dass die im streitigen Flugblatt zum Ausdruck gebrachte Kritik an der Amtsführung von Dr. X im wesentlichen nicht neu war:
Nachdem die Delegiertenversammlung der Freisinnig-Demokratischen Bezirkspartei Werdenberg am 30. Januar 1975 nach einer längeren Diskussion in Anwesenheit von Pressevertretern beschlossen hatte, Dr. X für die Amtsperiode 1975-1979 nicht mehr als Richter zu portieren, erschien hierüber in der "Ostschweiz" vom 1. Februar 1975 ein ausführlicher Bericht. Bereits hieraus konnte die Öffentlichkeit entnehmen, dass Dr. X u.a. vorgeworfen wurde, er habe sein Amt als Gerichtspräsident nicht mit der nötigen Speditivität ausgeübt und verschiedene Gerichtsfälle verschleppt. Entsprechende Berichte über diesen "Hausstreit bei den Werdenberger Freisinnigen" erschienen auch im "Oberländer Tagblatt" vom 1. Februar 1975 und im "Werdenberger und Obertoggenburger" vom 4. Februar 1975. Über die Amtsführung von Dr. X wurde in der Folge auch an den Versammlungen der anderen Parteien diskutiert, worüber in den Zeitungen wiederum berichtet wurde. Am 8. April 1975 publizierte die "Ostschweiz"
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eine längere Erklärung der Freisinnig-Demokratischen Bezirkspartei Werdenberg, in der u.a. ausgeführt wurde, dass Dr. X neben seinem Amt als Gerichtspräsident noch zuviele andere Tätigkeiten ausgeübt habe (arbeitsintensives Verwaltungsratsmandat, kantonale Verwaltungsrekurskommission, privates Anwaltsbüro); damit sei die Erklärung dafür gegeben, "weshalb dem Gerichtspräsidenten neben einem umfangreichen Pendenzen-Katalog gravierende Verschleppungen, ungenügende Vorbereitung von Gerichtsverhandlungen, ungerechtfertigte Entscheide und sogar Fehlurteile zur Last gelegt werden". - In einem Interview, das unter der Überschrift "Der 'Angeklagte' hat das Wort" in der "Ostschweiz" vom 11. April 1975 veröffentlicht wurde, nahm Dr. X zu dieser Kritik Stellung. Die Jungliberale Bewegung, welche Dr. X als Kandidaten portierte, publizierte ebenfalls mehrere Stellungnahmen; sie wies u.a. darauf hin, dass laut eingeholter Statistik das Bezirksgericht Werdenberg keineswegs überdurchschnittlich viele Pendenzen aufweise, sondern im Vergleich zu andern Gerichten sogar gut dastehe. Am 18. April 1975 erschien in der "Ostschweiz" ein längerer Artikel von Dr. X, in welchem er über die verschiedenen Funktionen des Gerichtes sowie über die Zahl und Art der eingegangenen, hängigen und weitergezogenen Fälle detaillierte Angaben machte und auf die steigende Belastung hinwies. Der "Werdenberger und Obertoggenburger" publizierte am 19. April 1975 eine "Entgegnung der FdP", worin die Kritik an der Amtsführung von Dr. X nochmals in allen Punkten dargelegt und begründet wurde. Schliesslich erschienen im April 1975 zahlreiche Leserzuschriften, welche sich unter Bezug auf die erhobene Kritik teils für, teils gegen eine Wiederwahl von Dr. X aussprachen. In einer dieser Zuschriften wurde auch der - später zuoberst auf der zweiten Innenseite des Flugblattes wiedergegebene - Urteilsauszug zitiert, von dem unter Erwägung 5c eingangs die Rede war; Dr. X äusserte sich in einer Einsendung an die "Ostschweiz" am 23. April 1975 zu diesem Zitat, das er als ungenau und irreführend bezeichnete. Zu Beginn der Woche vor den Wahlen liessen die Anhänger von Dr. X zwei Flugblätter verteilen, in denen u.a. ausgeführt wurde, dass die Gegner hinsichtlich der Amtsführung "vereinzelte Fälle tendenziös hochgespielt" hätten. Gesamthaft gesehen ergebe sich jedoch ein gutes Bild; mit Bezug auf die Pendenzen stehe das
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Bezirksgericht Werdenberg gemäss amtlicher Statistik unter 14 Gerichten an viertbester Stelle. Die FdP brachte daraufhin das streitige Flugblatt "Wo liegt die Wahrheit?" zur Verteilung, welches Anlass zu den vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerden gegeben hat.
Aus dieser Schilderung des Wahlkampfverlaufes geht hervor, dass die Vorwürfe bezüglich der Amtsführung von Dr. X, welche im streitigen Flugblatt erhoben wurden, schon früher Gegenstand umfangreicher öffentlicher Diskussionen gebildet hatten. Die Anhänger von Dr. X hatten Gelegenheit, hiezu Stellung zu nehmen und die ihrer Auffassung nach unwahren Behauptungen der Gegenseite richtigzustellen; sie sind denn auch der erhobenen Kritik mit einer Reihe von Publikationen entgegengetreten. Es verhält sich somit nicht so, dass der Stimmbürger gleichsam in letzter Stunde mit völlig neuen, unüberprüfbaren Vorwürfen und Behauptungen konfrontiert worden wäre. Bei den Ausführungen im streitigen Flugblatt handelte es sich der Sache nach um eine Wiederholung jener Kritik, welche die Gegner von Dr. X schon bisher öffentlich verbreitet und zu der sich die Anhänger des angegriffenen Kandidaten ihrerseits bereits ausgiebig geäussert hatten.
Ob und wieweit diese Vorwürfe gegenüber der Amtsführung von Dr. X begründet waren und welche Hintergründe diese Auseinandersetzung haben mochte, ist hier nicht zu untersuchen; es kann auch dahingestellt bleiben, ob die im Flugblatt "Wo liegt die Wahrheit?" verwendeten Zitate im einzelnen alle richtig sind. Auch wenn dieses Flugblatt, unabhängig von der Frage der sachlichen Begründetheit der Vorwürfe und der Richtigkeit der Zitate, zu gewissen berechtigten Beanstandungen Anlass geben mag, dürfte es doch für sich allein nach all den vorangegangenen Publikationen auf die Willensbildung der Stimmbürger keinen grossen Einfluss mehr ausgeübt haben. Nach den unter Erwägung 3 dargelegten bundesrechtlichen Grundsätzen käme jedoch eine Kassation der Wahl nur dann in Betracht, wenn in Berücksichtigung aller konkreten Umstände mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden könnte, dass der Wahlgang ohne Verteilung dieses Flugblattes anders ausgefallen wäre. An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Dr. Y, der Gegenkandidat von Dr. X, erhielt 2921 Stimmen; sein Resultat liegt 286 Stimmen über dem absoluten Mehr von 2635. Dr. X seinerseits, der
BGE 102 Ia 264 S. 279
2154 Stimmen auf sich vereinigte, hätte 481 zusätzliche Stimmen benötigt, um das absolute Mehr zu erreichen. Selbst wenn man die möglichen Auswirkungen der in einem Wahllokal in Buchs vorgekommenen Verfahrensfehler berücksichtigt (vgl. Erw. 4), d.h. vom Ergebnis von Dr. Y 24 oder 25 Stimmen abzieht und jenes von Dr. X um 50 Stimmen erhöht, bleibt das Resultat des ersteren immer noch um rund 250 Stimmen über dem (entsprechend modifizierten) absoluten Mehr. Dass das streitige Flugblatt eine Auswirkung von dieser Grössenordnung gehabt hatte und ohne seine Verteilung wenigstens ein zweiter Wahlgang erforderlich geworden wäre, lässt sich zwar nicht völlig ausschliessen. Es erscheint aber in Anbetracht der geschilderten Umstände - was entscheidend ist - auch nicht als sicher oder sehr wahrscheinlich. Das Begehren um Kassation der Wahl vermag schon aus diesem Grunde nicht durchzudringen. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
69372b4d-62d8-44e1-8d0d-e1cf23e45ce7 | Urteilskopf
124 V 362
61. Auszug aus dem Urteil vom 26. November 1998 i.S. E.F., H.F. gegen Konkordia, Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Aargau | Regeste
Art. 49 Abs. 3 und
Art. 56 KVG
: Vergütung bei Spitalaufenthalt; Abgrenzung der Akutspitalbedürftigkeit von der Pflegebedürftigkeit.
- Das Kriterium der Wirtschaftlichkeit verlangt auch nach neuem Recht, dass ein Aufenthalt im Akutspital zum Spitaltarif nur so lange möglich ist, als vom Behandlungszweck her ein Aufenthalt im Akutspital notwendig ist.
- Die unter der Herrschaft des KUVG ergangene Rechtsprechung, wonach für den Übertritt vom Akutspital in ein Pflegeheim oder eine Pflegeabteilung eine angemessene Anpassungszeit einzuräumen ist, hat seine Gültigkeit ebenfalls bewahrt. | Sachverhalt
ab Seite 363
BGE 124 V 362 S. 363
A.-
Die 1901 bzw. 1906 geborenen Schwestern E.F. und H.F. leiden beide an starker Arteriosklerose und ausgeprägtem psychoorganischem Syndrom. Am 21. Juni 1996 wurden sie vom behandelnden Arzt Dr. med. U. apathisch im Bett bzw. am Boden liegend aufgefunden und notfallmässig ins Spital B. eingewiesen. Der Grund für die akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes lag nach ärztlicher Feststellung vorab in einer ungenügenden Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme. Nach einem ersten Kostengutsprachegesuch vom 21. Juni 1996 stellte das Spital B. am 30. Juli 1996 je ein Verlängerungsgesuch für die Zeit ab 21. Juli 1996. Im Zusatzblatt zu den Gesuchen begründete Dr. U. die weitere Akutspitalbedürftigkeit mit einer intensiven Rehabilitation bei allgemeiner Arteriosklerose und gab an, dass Physiotherapie in Form von Selbständigkeits-Übungen und Gehübungen durchgeführt würde. Die Konkordia, Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung (nachfolgend: Konkordia), bei welcher E.F. und H.F. versichert sind, nahm über ihren Vertrauensarzt Dr. med. L. Abklärungen vor und erteilte dem Spital B. am 29. Oktober 1996 Kostengutsprache nach dem Tarif für Akutspitalbehandlung für die Zeit vom 21. bis 27. Juni 1996 und nach den Ansätzen für Pflegeleistungen für die Zeit vom 28. Juni 1996 bis zum Spitalaustritt am 6. September 1996. Am 23. Juli 1997 erliess sie gleichlautende Verfügungen. Die vom Beirat der Versicherten erhobenen Einsprachen wurden von der Konkordia mit Einspracheentscheiden vom 29. September 1997 abgewiesen.
B.-
Der Beirat der Versicherten liess Beschwerde erheben und beantragen, in Aufhebung der Einspracheentscheide sei die Konkordia zu verpflichten, für die Zeit vom 28. Juni 1996 bis 6. September 1996, eventuell bis 20. Juli 1996, die Kosten für die Akutspitalbehandlung zu entschädigen; zur Frage,
BGE 124 V 362 S. 364
ob und wenn ja, wie lange Akutspitalbedürftigkeit bestanden habe, sei ein Gutachten einzuholen.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau vereinigte die Verfahren und wies die Beschwerden mit Entscheid vom 28. Januar 1998 ab.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Beirat der Versicherten das erstinstanzliche Beschwerdebegehren erneuern.
Die Konkordia beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Gemäss
Art. 49 Abs. 3 KVG
richtet sich bei Spitalaufenthalten die Vergütung nach dem (für den Aufenthalt in Akutspitälern im Sinne von
Art. 39 Abs. 1 KVG
geltenden) Spitaltarif gemäss
Art. 49 Abs. 1 und 2 KVG
, solange der Patient oder die Patientin nach medizinischer Indikation der Behandlung und Pflege oder der medizinischen Rehabilitation im Spital bedarf. Ist diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt, so kommt für den Spitalaufenthalt der Tarif nach
Art. 50 KVG
zur Anwendung. Gemäss dieser Bestimmung vergütet der Versicherer bei Aufenthalt in einem Pflegeheim (
Art. 39 Abs. 3 KVG
) die gleichen Leistungen wie bei ambulanter Krankenpflege und bei Krankenpflege zu Hause; er kann mit dem Pflegeheim pauschale Vergütungen vereinbaren.
b) Der Grundsatz von
Art. 49 Abs. 3 KVG
entspricht der Rechtsprechung, wie sie im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes von
Art. 23 KUVG
entwickelt wurde (Botschaft über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 1992 I 186, Separatausgabe S. 94). Danach hat der an sich spitalbedürftige Versicherte diejenige Heilanstalt oder Spitalabteilung zu wählen, in die er vom medizinischen Standpunkt aus gehört. So hat die Kasse aus der Grundversicherung nicht für Mehrkosten aufzukommen, die sich daraus ergeben, dass der Versicherte sich in eine für intensive Pflege und Behandlung spezialisierte und damit teure Klinik begibt, obwohl er einer solchen Behandlung nicht bedarf und ebensogut in einer einfacher eingerichteten und daher weniger kostspieligen Heilanstalt sachgerecht hätte behandelt werden können. Ebenso hat der spitalbedürftige Versicherte nicht mehr als die gesetzlichen bzw. statutarischen Leistungen zugute, wenn
BGE 124 V 362 S. 365
er gezwungenermassen in einer teuren Klinik hospitalisiert werden muss, weil in der Heilanstalt oder in der Spitalabteilung, die vom medizinischen Standpunkt aus genügen würde und billiger wäre, kein Bett frei ist. Ferner hat die Kasse nicht dafür aufzukommen, wenn ein Versicherter trotz nicht mehr bestehender Spitalbedürftigkeit weiterhin in einer Heilanstalt untergebracht ist, weil z.B. kein Platz in einem geeigneten und für den Versicherten genügenden Pflegeheim (ohne Spitalcharakter) vorhanden ist und mithin der Spitalaufenthalt nur noch auf sozialen Überlegungen beruht (
BGE 115 V 48
f. Erw. 3b/aa; vgl. auch
BGE 120 V 206
Erw. 6a).
Das KVG hat die Leistungen teilweise neu umschrieben, am Wirtschaftlichkeitsgebot und dessen Anwendung auf den Leistungsanspruch bei Spitalaufenthalt jedoch nichts geändert, so dass die genannte Rechtsprechung weiterhin Geltung hat (MAURER, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel/Frankfurt a.M. 1996, S. 71 Fn. 181; nicht veröffentlichtes Urteil in Sachen Erben der I. vom 4. Mai 1998). Aus Art. 56 in Verbindung mit
Art. 49 Abs. 3 KVG
folgt u.a., dass ein Aufenthalt im Akutspital zum Spitaltarif nach
Art. 49 Abs. 1 und 2 KVG
nur so lange durchgeführt werden darf, als vom Behandlungszweck her ein Aufenthalt im Akutspital notwendig ist (LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 2. Aufl., Bern 1997, S. 165 N. 28).
2.
a) Die notfallmässige Einweisung der Beschwerdeführerinnen in das Spital B. am 21. Juni 1996 erfolgte nach den Angaben des behandelnden Arztes Dr. U. vom 18. Oktober 1996 wegen einer vorab auf eine ungenügende Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zurückzuführenden Verschlechterung des Gesundheitszustandes der beiden arteriosklerotisch deutlich veränderten Versicherten. Dass jedenfalls bis zur Behebung des Nahrungs- und Flüssigkeitsdefizits eine Akutspitalbedürftigkeit bestanden hat, ist unbestritten. Nach den Feststellungen des Vertrauensarztes der Beschwerdegegnerin, Dr. L., vom 26. Oktober 1996, war der Mangelzustand jedoch verhältnismässig rasch behoben und vermag für sich allein eine über den 27. Juni 1996 hinausgehende Akutspitalbedürftigkeit nicht zu begründen. Etwas anderes wird auch von Dr. U. nicht geltend gemacht. In einer von den Beschwerdeführerinnen im letztinstanzlichen Verfahren nachgereichten Stellungnahme vom 27. April 1998 bestätigt dieser vielmehr, dass das für die notfallmässige Hospitalisierung ausschlaggebend gewesene Nahrungs- und Flüssigkeitsdefizit im Spital rasch habe behoben werden können.
BGE 124 V 362 S. 366
b) Im Gesuch um Verlängerung der Kostengutsprache vom 30. Juli 1996 wird die weiterbestehende Akutspitalbedürftigkeit mit einer "intensiven Rehabilitation bei allgemeiner Arteriosklerose" begründet, wobei die erforderlichen therapeutischen Massnahmen mit "Physiotherapie: Selbständigkeits-Übungen, Gehübungen" umschrieben werden.
Aus den von Dr. U. eingereichten Leistungsblättern des Spitals B. geht hervor, dass sich die Beschwerdeführerinnen im Juni 1996 an zwei und im Juli 1996 an insgesamt 16 bzw. 18 Tagen einer Gymnastik von jeweils 15 bis 35 Minuten unterzogen haben; für die Zeit ab 27. Juli 1996 enthalten die Leistungsblätter keine Eintragungen über durchgeführte Physiotherapie mehr. Im Begleitschreiben vom 13. September 1996 weist Dr. U. darauf hin, dass vom Pflegepersonal zusätzlich praktisch täglich Gehübungen im Gang, auf der Treppe und auch ausserhalb des Spitals durchgeführt worden seien. Auch unter Berücksichtigung dieser Massnahmen kann nicht von einer den Aufenthalt in einem Akutspital rechtfertigenden Behandlung gesprochen werden. Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen des Vertrauensarztes hätten die nach Behebung des Nahrungs- und Flüssigkeitsdefizits erforderlichen Massnahmen ebenso gut in einer Pflegeabteilung für Chronischkranke durchgeführt werden können. Dr. U. räumt denn auch ein, dass die Dauer der Akutspitalbedürftigkeit im vorliegenden Fall "diskutabel" sei. In einer Stellungnahme zuhanden der Beschwerdegegnerin vom 18. Oktober 1996 vertritt er die Auffassung, dass mit der Annahme einer Akutspitalbedürftigkeit von vier Wochen eine vernünftige, den heutigen Usanzen entsprechende Abgrenzung erreicht werden könnte. Mit einer allfälligen Usanz lässt sich ein weitergehender Anspruch jedoch nicht begründen. Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht feststellt, macht
Art. 49 Abs. 3 KVG
die Anwendung des Spitaltarifs allein von der medizinischen Indikation der Behandlung und Pflege oder der medizinischen Rehabilitation im Spital abhängig; beim Fehlen dieser Indikation kommt zwingend der Tarif für das Pflegeheim nach
Art. 50 KVG
zur Anwendung.
c) Zu beachten ist indessen, dass sich die Begriffe "akute Krankheit" und "Akutspitalbedürftigkeit" einerseits sowie "chronische Leiden" und "Langzeitpflegebedürftigkeit" anderseits nicht streng voneinander abgrenzen lassen (BBl 1992 I 167; Separatausgabe S. 75). Insbesondere wenn es - wie hier - darum geht, die Akutspitalbedürftigkeit von einer anschliessenden blossen Pflegebedürftigkeit abzugrenzen, ist dem behandelnden Arzt ein
BGE 124 V 362 S. 367
gewisser Ermessensspielraum zuzugestehen. Entgegen MAURER (a.a.O., S. 89) rechtfertigt es sich, an der bisherigen Praxis (
BGE 115 V 52
Erw. 3d; RKUV 1991 Nr. K 853 S. 4 f. Erw. I/2) festzuhalten, wonach für den Übertritt vom Akutspital in ein Pflegeheim oder eine Pflegeabteilung eine angemessene Anpassungszeit einzuräumen ist.
Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die hochbetagten Beschwerdeführerinnen an ausgeprägten psychoorganischen Syndromen bei allgemeiner Arteriosklerose sowie an Polyarthronose litten, welche bereits vor Eintritt des Notfalls zu erheblichen Beeinträchtigungen des Allgemeinzustandes geführt hatten. Wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestützt auf die ärztlichen Angaben zu Recht geltend gemacht wird, führte der Nahrungs- und Flüssigkeitsmangel zu einer zusätzlichen Schwächung des Gesamtbefindens, welche mit der blossen Beseitigung des Nahrungs- und Flüssigkeitsdefizits nicht behoben war. Aufgrund ihres prekären Allgemeinzustandes bedurften die Beschwerdeführerinnen darüber hinaus gezielter Massnahmen zur Rekonvaleszenz, verbunden mit einer aktivitätsfördernden Behandlung. Dabei ging es darum, den Gesundheitszustand so weit zu verbessern, dass die Verlegung in ein Chronischkrankenheim umgangen und die Beschwerdeführerinnen nach Hause entlassen werden konnten, was in der Folge auch erreicht wurde. Dass die erforderliche Rehabilitationsbehandlung noch unter den spezifischen Betreuungs- und Überwachungsbedingungen eines Akutspitals erfolgte, erscheint unter den besonderen (in der Beurteilung des Sachverhalts durch den Vertrauensarzt unberücksichtigt gebliebenen) medizinischen Umständen des vorliegenden Falles für eine begrenzte Übergangszeit als begründet. In Würdigung der konkreten Umstände rechtfertigt es sich, der Auffassung des behandelnden Arztes in der nachträglichen Stellungnahme vom 27. April 1998 zu folgen, wonach die Akutspitalbedürftigkeit drei bis vier Wochen gedauert hat, was zur teilweisen Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Umfang des Eventualantrags führt. Von der Einholung eines Gutachtens zur Frage der Dauer der Akutspitalbedürftigkeit, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eventualiter beantragt wird, ist abzusehen, da hievon kaum neue Erkenntnisse zu erwarten wären. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
693b4518-193a-4a9a-81ac-e5eb11151446 | Urteilskopf
140 I 141
11. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit social dans la cause F. contre Etablissement vaudois d'accueil des migrants (EVAM) (recours en matière de droit public)
8C_221/2013 du 11 mars 2014 | Regeste
Art. 12 BV
;
Art. 3 und 8 EMRK
;
Art. 82 AsylG
; Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten; Nothilfe an einen Asylbewerber in einem Wegweisungsverfahren im Rahmen der Dublin-Verordnung.
Ungeachtet der Frage, ob die genannte Richtlinie und die diesbezügliche Rechtsprechung für die Schweiz als Grundlage des Dublin-Rechts verbindlich sind, ist nicht ersichtlich, dass diese ein Recht auf umfangreichere Leistungen als die Mindestleistungen gemäss
Art. 12 BV
gewähren (E. 6.4). | Sachverhalt
ab Seite 142
BGE 140 I 141 S. 142
A.
F., né en 1989, ressortissant étranger, a déposé pour la deuxième fois une demande d'asile en Suisse le 14 décembre 2011. Par décision du 13 janvier 2012, l'Office fédéral des migrations (ODM) a prononcé une décision de non-entrée en matière, en ordonnant le renvoi de l'intéressé en Italie, où son droit d'asile devait être examiné en vertu des accords de Dublin, et a ordonné l'exécution de cette mesure. Par arrêt du 27 janvier 2012, le Tribunal administratif fédéral a rejeté le recours formé contre cette décision par F.
Auparavant, F. avait été attribué au canton de Vaud. Le 4 janvier 2012, il s'était vu attribuer une place d'hébergement dans l'abri de protection civile X., à Z. Le 27 juin 2012, il a requis de l'Etablissement vaudois d'accueil des migrants (EVAM) d'être transféré dans un logement individuel. Par décision du 29 janvier 2012, confirmée sur opposition le 30 juillet 2012, l'EVAM a rejeté cette demande. Le 30 novembre 2012, le chef du Département de l'économie (actuellement Département de l'économie et du sport [DECS]) a rejeté le recours interjeté par l'intéressé contre la décision sur opposition.
B.
F. a recouru contre la décision du département. Par arrêt du 19 février 2013, la Cour de droit administratif et public du Tribunal cantonal vaudois a rejeté son recours.
C.
F. exerce un recours en matière de droit public dans lequel il demande au Tribunal fédéral d'annuler la décision attaquée.
L'EVAM renvoie aux considérants de l'arrêt entrepris.
Le recours a été rejeté.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Le recourant a fait l'objet d'une décision de non-entrée en matière passée en force et de renvoi exécutoire. Au regard des dispositions de la loi du 26 juin 1998 sur l'asile (LAsi; RS 142.31) et des règles de droit cantonal, il a seulement droit à l'aide d'urgence garantie par l'
art. 12 Cst.
(cf. art. 80 al. 1 en liaison avec l'
art. 82 al. 1 LAsi
, dans sa version en vigueur jusqu'au 31 janvier 2014 et art. 49 de la loi [du canton de Vaud] du 7 mars 2006 sur l'aide aux requérants d'asile et à certaines catégories d'étrangers [LARA; RSV 142.21]; voir aussi
ATF 135 I 119
consid. 5.3 p. 123). Selon la législation vaudoise, les bénéficiaires de l'aide d'urgence reçoivent, en principe et en
BGE 140 I 141 S. 143
priorité, des prestations en nature; celles-ci comprennent le logement, en règle générale dans un lieu d'hébergement collectif, la remise de denrées alimentaires et d'articles d'hygiène, ainsi que les soins médicaux d'urgence dispensés en principe par la Policlinique Médicale Universitaire (PMU), en collaboration avec les Hospices cantonaux/CHUV (art. 14 et 15 du règlement cantonal d'application du 3 décembre 2008 de la LARA [RLARA; RSV 142.21.1]).
(...)
5.
Le recourant fait valoir qu'il se trouve en procédure de renvoi "Dublin" et qu'il a droit, de ce fait, au même traitement que les requérants d'asile, à savoir le bénéfice de l'aide sociale. Il invoque la Directive 2003/9/CE du Conseil du 27 janvier 2003 relative à des normes minimales pour l'accueil des demandeurs d'asile dans les Etats membres (JO L 31 du 6 février 2003 p. 18). Il se prévaut également de l'arrêt de la Cour de justice de l'Union européenne (CJUE) du 27 septembre 2012 C-179/11
Cimade et Groupe d'information et de soutien des immigrés (GISTI) contre Ministre de l'Intérieur, de l'Outre-mer, des Collectivités territoriales et de l'Immigration
.
6.
6.1
En vertu de l'art. 1
er
al. 1 de l'Accord entre la Confédération suisse et la Communauté européenne relatif aux critères et aux mécanismes permettant de déterminer l'Etat responsable de l'examen d'une demande d'asile introduite dans un Etat membre ou en Suisse (traité du 26 octobre 2004, entré en vigueur le 1
er
mars 2008; RS 0.142.392. 68), le Règlement de Dublin est appliqué dans les relations entre la Suisse et les Etats membres de l'Union européenne. Ce règlement (Règlement CE n° 343/2003 du Conseil du 18 février 2003) a pour but, comme son nom l'indique, d'établir les critères et mécanismes de détermination de l'Etat membre responsable de l'examen d'une demande d'asile présentée dans l'un des Etats membres par un ressortissant d'un pays tiers. Il vise donc en premier lieu à régler la compétence en matière d'asile en désignant l'Etat responsable.
6.2
S'agissant par ailleurs de la Directive 2003/9/CE, elle fixe notamment des normes minimales concernant les conditions matérielles des demandeurs d'asile, qui comprennent en particulier la nourriture, l'habillement et les soins médicaux nécessaires. Selon la jurisprudence de la Cour de justice, invoquée par le recourant, un Etat membre saisi d'une demande d'asile est tenu d'accorder les conditions minimales d'accueil des demandeurs d'asile établies par la directive,
BGE 140 I 141 S. 144
même à un demandeur d'asile pour lequel il décide, en application du Règlement CE n° 343/2003, de requérir un autre Etat membre aux fins de prendre en charge ou de reprendre en charge ce demandeur en tant qu'Etat membre responsable de l'examen de sa demande d'asile. La Cour a précisé à cet égard que seul le transfert effectif du demandeur d'asile par l'Etat requérant met fin à sa responsabilité quant à la charge financière des conditions d'accueil.
6.3
En réponse à une interpellation de la conseillère nationale Amarelle du 15 juin 2012 (12.3590 - Aide sociale et aide d'urgence pour les requérants d'asile en cours de procédure par rapport à Dublin II), le Conseil fédéral a exprimé l'avis que la directive en cause, déterminante à l'échelle de l'Union européenne, ne faisait pas partie de l'acquis "de Dublin" et qu'elle n'était donc pas contraignante pour la Suisse.
6.4
En l'occurrence, la portée exacte de cette directive et de la jurisprudence précitée qui s'y rapporte, relativement au droit interne suisse, peut toutefois demeurer indécise. En effet, il n'apparaît pas que la Directive 2003/9/CE ouvre le droit à des prestations plus étendues que les prestations minimales garanties par l'
art. 12 Cst.
On note à ce propos que cette directive prévoit que les conditions d'accueil matérielles peuvent être fournies en nature ou sous la forme d'allocations financières ou de bons ou en combinant ces formules (art. 13 ch. 5). Le logement peut être fourni dans des centres d'hébergement (art. 14 ch. 1 let. b), ce par quoi il faut entendre hébergement collectif et non un droit à un logement individuel. La directive réserve d'ailleurs la possibilité de fixer des modalités matérielles d'accueil différentes de celles qui sont prévues lorsque les capacités de logement normalement disponibles sont temporairement épuisées (art. 14 ch. 8), ce qui, on l'a vu, était le cas en l'espèce. | public_law | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
693c618c-4507-4697-9c96-b2eb8accdcb8 | Urteilskopf
121 IV 269
43. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Oktober 1995 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen C. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 185 Ziff. 2 StGB
; qualifizierte Geiselnahme; Drohung, das Opfer zu töten; Einsatz einer ungeladenen Pistole.
Objektive Voraussetzung der Qualifikation aufgrund der Umstände bejaht bei einer Geiselnahme, bei welcher der Täter die Geisel in Anwesenheit der Polizei mit einer ungeladenen Pistole bedroht hat (E. 1c; Konkretisierung der mit
BGE 121 IV 178
begründeten Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 269
BGE 121 IV 269 S. 269
A.-
C. heiratete im Juli 1990 P. Im September 1991 kam es zur Trennung. Am Abend des 22. Februar 1992 fand C., der sich mit dem Scheitern der ehelichen Beziehung nicht abfinden konnte, P. in Begleitung von N. im Restaurant "X." in Zürich vor. C. forderte seine Ehefrau auf, vor das Restaurant zu kommen, um mit ihm zu sprechen. Danach wartete er vor dem Restaurant während ca. einer Viertelstunde. In deren Verlauf behändigte er aus seinem Personenwagen eine Pistole der Marke "SIG", Kal. 9 mm, und lud sie mit einer einzigen Patrone. Nachdem P. gesehen hatte, wie C. mit der Waffe in der Hand wieder Richtung Eingang kam, trat sie vor das Restaurant. C. hielt seine Ehefrau darauf fest und stiess sie derart gegen die Scheibe der Glaseingangstüre, dass sie dort den Kopf anschlug. Nachdem auch N. vor das Restaurant getreten war, kam es zwischen ihm und C. zu einer verbalen Auseinandersetzung. C. zielte dabei mit der Pistole auf N. und forderte ihn auf, sich wegzubegeben. Da N. sich nicht beeindrucken liess und auf C. zuging, zielte C. mit der entsicherten Pistole seitlich neben N. auf den Boden und feuerte einen Schuss ab.
BGE 121 IV 269 S. 270
In der Folge trafen zwei uniformierte Polizeibeamte am Tatort ein und nahmen, nachdem sie von P. über den Ablauf der Ereignisse orientiert worden waren, die Verfolgung von C. auf. Während der Verfolgung richtete C. seine nun nicht mehr geladene Pistole in einem Abstand von wenigen Metern gegen die ihm nacheilenden Polizeibeamten. Es gelang ihm, ins Restaurant zurückzukehren. Dort begab er sich sofort zu seiner Ehefrau, hielt sie fest und richtete die Pistole gegen ihren Kopf. Die wenige Meter hinter ihm ins Restaurant gestürmten Polizeibeamten, die ihre Dienstwaffe in den Händen hielten, forderten die übrigen Gäste zum Verlassen des Restaurants auf. C. versetzte seiner Ehefrau mit der Pistole einen Schlag und begab sich mit ihr in Richtung Saal im oberen Stockwerk des Restaurants. Kurz danach kam er mit ihr wieder ins Parterre, wobei er sie weiterhin mit der Waffe bedrohte und sie derart in ihrer Gewalt hielt. Die beiden Polizeibeamten liessen es deshalb zu, dass C. mit der Geisel das Restaurant verliess. Nachdem in der Zwischenzeit auch die Überfallgruppe der Stadtpolizei Zürich am Tatort eingetroffen war, begab sich C. mit seiner Ehefrau zu seinem Personenwagen. Er befahl ihr, sich ans Steuer zu setzen. Er selber nahm auf dem Hintersitz Platz und richtete von dort die Waffe auf den Hinterkopf seiner Ehefrau. Er forderte die vor dem Personenwagen stehenden Polizeibeamten auf, die Türen des Fahrzeugs zu schliessen. Dabei drohte er, P. zu erschiessen, falls seine Forderung nicht erfüllt werde. Die Polizeibeamten, welche die Drohung ernst nahmen, duldeten es deshalb, dass C. mit seiner Ehefrau wegfuhr. Die Polizei verlor in der Folge den Kontakt zum Fahrzeug. Am folgenden Tag konnte C. verhaftet werden.
B.-
Am 21. April 1995 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich C. unter anderem wegen Geiselnahme gemäss
Art. 185 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
im Zusatz zu einem Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen zu 3 1/2 Jahren Gefängnis. Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Obergericht eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit etwa in mittlerem Grade. Es ordnete eine stationäre Massnahme nach
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
an und schob den Vollzug der Strafe auf.
C.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zum Schuldspruch wegen qualifizierter Geiselnahme nach
Art. 185 Ziff. 2 StGB
an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 121 IV 269 S. 271
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Gemäss
Art. 185 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
wird mit Zuchthaus bestraft, wer jemanden der Freiheit beraubt, entführt oder sich seiner sonstwie bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung zu nötigen. Die Strafe ist Zuchthaus nicht unter drei Jahren, wenn der Täter droht, das Opfer zu töten, körperlich schwer zu verletzen oder grausam zu behandeln (
Art. 185 Ziff. 2 StGB
).
Der Beschwerdegegner hat den Grundtatbestand der Geiselnahme unstreitig erfüllt. Es stellt sich einzig die Frage, ob die Qualifikation nach Ziff. 2 gegeben sei.
b) (Zusammenfassung der mit
BGE 121 IV 178
begründeten Rechtsprechung).
c) P. wusste nicht, dass der Beschwerdegegner seine Pistole nur mit einer einzigen Patrone geladen hatte. Sie glaubte nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
), der Beschwerdegegner könne seine Drohung wahrmachen. Sie wurde deshalb in Todesangst versetzt. Es bestand für sie somit das Risiko eines Schocks. Ihre psychische Belastung während der Geiselnahme war beträchtlich. Sie war dabei, als der Beschwerdegegner N. bedroht und dabei einen Schuss abgegeben hatte, und sie befürchtete in der ersten Phase im Restaurant, dass der Beschwerdegegner sie erschiessen würde. Der Beschwerdegegner, der nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid sehr nervös war, richtete die Pistole wiederholt gegen ihren Kopf. Er versetzte ihr zudem mit der Pistole einen Schlag. Aus dem angefochtenen Urteil geht zwar nicht hervor, wie lange die Geiselnahme genau gedauert hat. Aufgrund des Ablaufs der Ereignisse - der Beschwerdegegner begab sich mit der Geisel zunächst in den oberen Stock des Restaurants, dann wieder ins Parterre, anschliessend vor das Restaurant und schliesslich zu seinem Personenwagen - liegt es jedoch auf der Hand, dass die Geiselnahme länger als nur, wie in
BGE 121 IV 178
, einige Sekunden gedauert hat. Es bestand überdies die naheliegende Möglichkeit einer Befreiungsaktion durch die Polizei mit Risiken auch für die Geisel. Bereits zu Beginn der Geiselnahme waren zwei Polizeibeamte mit gezogener Dienstwaffe anwesend. Später traf auch noch die Überfallgruppe der Stadtpolizei Zürich am Tatort ein. Trotz dieser Polizeipräsenz setzte der Beschwerdegegner die Geiselnahme fort.
BGE 121 IV 269 S. 272
Bei dieser Sachlage sind die Rechtsgüter der Geisel objektiv erheblich stärker beeinträchtigt worden, als das beim Grundtatbestand der Fall ist. In
BGE 121 IV 178
wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich dort um einen Grenzfall handelte (E. 2e). Hier sind die Rechtsgüter der Geisel aber deutlich stärker betroffen worden: Im Unterschied zu jenem Fall gab der Beschwerdegegner vor der Geiselnahme in Anwesenheit der späteren Geisel einen Schuss ab. Er hielt der Geisel die Pistole wiederholt gegen den Kopf und versetzte ihr zudem mit der Waffe einen Schlag; in
BGE 121 IV 178
tat der Täter der Geisel über die kurze Bedrohung hinaus demgegenüber nichts an. Im vorliegenden Fall schliesslich waren Polizeibeamte am Tatort mit gezogener Dienstwaffe anwesend, in dem in
BGE 121 IV 178
zu beurteilenden Fall dagegen nicht.
d) Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie wird sich darüber auszusprechen haben, ob die gegenüber dem Grundtatbestand objektiv erheblich stärkere Beeinträchtigung der Rechtsgüter der Geisel vom Vorsatz des Beschwerdegegners umfasst war. Bejahendenfalls wird sie ihn der qualifizierten Geiselnahme nach
Art. 185 Ziff. 2 StGB
schuldig zu sprechen haben. | null | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6943ed15-eb96-4316-9840-02f07f712b34 | Urteilskopf
116 II 422
78. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. September 1990 i.S. M. gegen D. (Berufung) | Regeste
Art. 58 OR
. Werkeigentümerhaftung.
Werkmangel bejaht bei einem sog. "Plauschbad", wo die bauliche Anlage und das Betriebskonzept jugendliche Badegäste dazu verleitet, an einer gefährlichen Stelle ins Wasser zu springen, und wo die Werkeigentümerin trotz erkannter Gefahr keine zumutbaren Schutzvorkehren trifft (E. 1 und 2). Bedeutung des Selbstverschuldens für den Kausalzusammenhang (E. 3) und die Bemessung des Schadenersatzes; Verschuldenskompensation (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 423
BGE 116 II 422 S. 423
A.-
Im Wellenbad S. in A., das der M. St. Gallen gehört, sprang der damals fünfzehnjährige D. am 5. Februar 1987 am südlichen Bassinrand aus 1,3 m Höhe kopfvoran in das 1,6 m tiefe Wasser. Er zog sich dabei eine Querschnittläsion zu und ist seither Tetraplegiker.
B.-
Am 5. Juli 1988 erhob D. beim Bezirksgericht Gossau gegen die Werkeigentümerin Teilklage auf Zahlung von Fr. 35'786.90 Schadenersatz, entsprechend den wegen Selbstverschuldens um 25% reduzierten, durch die IV nicht gedeckten Kosten für ein Auto mit Rollstuhlausbau, für die invalidengerechte Ausgestaltung der elterlichen Liegenschaft und für einen Personalcomputer, zu dessen Bedienung die motorischen Funktionen des Klägers noch ausreichten. Das Bezirksgericht reduzierte die Ersatzforderung wegen Selbstverschuldens um einen Drittel und schützte die Klage für Fr. 31'810.55 nebst Zins. Auf Berufung der Beklagten hin bestätigte das Kantonsgericht St. Gallen am 10. Januar 1990 das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagte führt gegen den Entscheid des Kantonsgerichts erfolglos Berufung beim Bundesgericht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 58 Abs. 1 OR
haftet der Werkeigentümer für den Schaden, der durch fehlerhafte Anlage oder Herstellung oder durch mangelhaften Unterhalt des Werkes verursacht wird. Ob ein Werk fehlerhaft angelegt oder mangelhaft unterhalten ist, hängt vom Zweck ab, den es zu erfüllen hat, da es einem bestimmungswidrigen Gebrauch nicht gewachsen zu sein braucht. Ein Werkmangel liegt deshalb vor, wenn es beim bestimmungsgemässen Gebrauch keine genügende Sicherheit bietet (
BGE 106 II 210
E. 1a mit Hinweisen). Ein Werk gilt nur dann als mängelfrei, wenn es mit denjenigen baulichen und technischen Schutzvorrichtungen versehen ist, die notwendig sind, um eine sichere Benutzung zu gewährleisten (
BGE 106 II 210
E. 1a mit Hinweisen,
BGE 77 II 311
E. 2; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. II/1, S. 203 Rz. 69; zu Badeanlagen im besonderen DIETER WEBER, Zivilrechtliche Haftung öffentlicher und privater Badeanstalten, Diss. Bern 1977, S. 19).
BGE 116 II 422 S. 424
Wohl darf der Werkeigentümer mit einem vernünftigen und dem allgemeinen Durchschnitt entsprechenden vorsichtigen Verhalten der Benützer des Werkes rechnen und braucht geringfügige Mängel, die bei solchem Verhalten normalerweise nicht Anlass zu Schädigungen geben, nicht zu beseitigen (OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 209 f. Rz. 81 mit zahlreichen Hinweisen). Schaffen indessen wie im vorliegenden Fall die Konzeption und Zweckbestimmung der Anlage, der vom Werkeigentümer angesprochene Kreis der Benützer und das von einem Teil dieser Benützer zu erwartende unvernünftige Verhalten einen gefährlichen Zustand, kann sich der Werkeigentümer entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf berufen, bei vernünftiger Benützung liege kein oder nur ein geringfügiger Mangel vor. Sind solche Umstände gegeben, ist vielmehr alles Zumutbare vorzukehren, damit sich die Gefahr nicht verwirklicht. Allein der Umstand, dass Badeunfälle einen grossen Teil aller Sportunfälle ausmachen, zeigt, dass gerade Badeanstalten nicht zu unterschätzende Gefahren bergen, denen es zum Schutz der Badegäste mit allen Mitteln zu begegnen gilt, sofern sich diese im Rahmen des wirtschaftlich und technisch Zumutbaren bewegen. Fehlt es an zumutbaren Schutzvorkehren, so liegt ein Werkmangel vor, für den der Werkeigentümer nach
Art. 58 OR
haftet.
Besonders strenge Sicherheitsanforderungen sind zu stellen, wenn die Gefährdung wie im vorliegenden Fall zutage tritt (OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 205 Rz. 72). Dabei kann diese Gefährdung auch auf ein Verhalten der Benützer zurückzuführen sein, das von der ursprünglichen Zweckbestimmung des Werkeigentümers abweicht. Trifft der Werkeigentümer trotz erkannter Gefahr keine Massnahmen, um die Benützer an einem solchen Verhalten zu hindern, kann er sich nicht auf den Zweck berufen, für den er die Anlage bestimmt hat, sondern muss sich die als gefährlich erkannte tatsächliche Benützung entgegenhalten lassen, wenn er nichts dagegen unternimmt (
BGE 74 II 155
Nr. 26, vollständig publiziert in: SJ 1949 S. 181 ff., insbesondere S. 187 f. E. 1c). Die Duldung einer erkannten Gefahr begründet sodann regelmässig einen Schuldvorwurf mit der Folge, dass bei einem schädigenden Ereignis auch die Haftungsvoraussetzungen nach
Art. 41 OR
gegeben sind (WEBER, a.a.O., S. 69 f.).
2.
In der Berufung gibt die Beklagte das angefochtene Urteil unvollständig wieder. Das Kantonsgericht begnügt sich keineswegs mit der Feststellung, der Mangel habe darin bestanden,
BGE 116 II 422 S. 425
dass an der Einsprungstelle keine Verbotstafel angebracht gewesen sei.
a) Aufgrund von Augenscheinen stellt die Vorinstanz, die für den Sachverhalt ergänzend auf den erstinstanzlichen Entscheid verweist, in tatsächlicher Hinsicht für das Bundesgericht vorbehältlich der Ausnahmen von
Art. 63 Abs. 2 OG
verbindlich fest, dass sich am südlichen Kopfende des Bassins, wo das Wasser mit 1,6 m am tiefsten und der Abstand zwischen Wasserspiegel und Bassinrand mit 1,3 m am grössten sei, ein aus ästhetischen Gründen angebrachtes, nischenartiges Plätzchen von gut 2 m Tiefe befinde, das von hinten über ein paar Treppenstufen bequem zugänglich sei und gegen das Bassin hin durch einen Pflanzentrog abgegrenzt werde. In Blickrichtung zum Bassin hin seien im linken Teil des Pflanzentrogs Steine, rechts vom Pflanzentrog Felsblöcke aufgeschichtet, die ein Weiterkommen unmöglich machten. Hingegen befinde sich zwischen den Steinen und den Felsblöcken ein 90 cm breiter "Durchgang" zum Wasser, durch den die über die Treppe kommenden Badegäste trotz "den paar im Pflanzentrog eingesteckten Blattwedeln" aus Plastik "geradewegs auf das Blau des Schwimmbads" blickten. Beschränkt gewesen sei der Zugang zum Wasser im Unfallszeitpunkt im Bereich dieser 90 cm abgesehen von der "Bepflanzung" lediglich durch den 28 cm hohen und einschliesslich Umfassungen knapp 1 m "breiten" Pflanzentrog; die auf der Bassinseite 31 cm und auf der anderen Seite 40 cm breite Umfassung sei mit griffigen, nicht unangenehm zu betretenden Keramikplatten bedeckt. Dieser "Durchgang", wo der Kläger ins Wasser gesprungen sei, habe als "eigentliche Einladung zum Hineinspringen empfunden" werden können, zumal das Wellenbad S. über keine Sprunganlage verfüge und diese praktisch die einzige Stelle sei, von der aus ein sportliches Eintauchen als möglich erscheine. Das Fehlen von zumutbaren Vorkehren wie Verbotstafeln und Abschrankungen in diesem kritischen Bereich stelle einen Werkmangel dar, der nicht bloss als geringfügig zu bezeichnen sei.
aa) Unbegründet ist die in der Berufung erhobene Rüge, die Vorinstanz nehme aus offensichtlichem Versehen im Sinne von
Art. 55 Abs. 1 lit. d OG
an, die vom Kläger zu überwindende "Breite" des 28 cm hohen Pflanzentrogs habe knapp 1 m betragen, obwohl insgesamt 1 m "Tiefe" zu überwinden gewesen sei. Ob die Distanz von knapp einem Meter als Breite oder als Tiefe bezeichnet wird, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Von oben
BGE 116 II 422 S. 426
betrachtet ist das 28 cm hohe Hindernis knapp 1 m breit, von der Nische her betrachtet knapp 1 m tief.
bb) Den festgestellten Tatsachen widersprechend und damit unzulässig (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
) ist die Berufung insoweit, als die Beklagte den Werkmangel mit der Behauptung bestreitet, bei der "Bepflanzung" habe es sich um eine wirksame Schranke in Form eines "grünen Vorhangs" gehandelt. Dass die "Bepflanzung" keineswegs undurchdringlich, sondern mit Leichtigkeit zu überwinden war, wird ausserdem durch die vorinstanzliche Feststellung bestätigt, dass die Plastikpflanzen öfters durch ins Wasser springende Badegäste beiseite gedrückt worden seien, weshalb sie vom Bademeister wiederholt hätten gerichtet und ersetzt werden müssen.
b) Nachdem feststeht, dass die Beklagte mit der baulichen Gestaltung ihrer Anlage einen "ziemlich starken" Anreiz schuf, an der fraglichen Stelle, die angesichts der geringen Wassertiefe und der Einsprunghöhe von 1,3 m für Kopfsprünge unstreitig gefährlich ist, ins Wasser zu springen, sprechen die Berufungsvorbringen über den bestimmungsgemässen Gebrauch der Anlage nicht gegen, sondern für einen Werkmangel:
aa) Die Beklagte beruft sich wie bereits im kantonalen Verfahren auch noch in der Berufungsschrift und ihrem Parteivortrag vor Bundesgericht mit Nachdruck darauf, dass ihre Anlage ein "Plausch- und Vergnügungsbad" und nicht ein Sportbad sei. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen liegt der Anlage die Philosophie zugrunde, dass das Freiheitsgefühl der Benutzer nicht eingeengt werden solle, wobei sich das Angebot des Wellenbades S. nicht nur an ein älteres Publikum, sondern auch an Kinder und Jugendliche richte. Nebst der entspannten Atmosphäre trügen die malerisch angeordneten Steinblöcke, die Felsen mit der tropischen Bepflanzung und das intensive Blau des Wassers das ihre dazu bei, Kinder und Jugendliche zu übermütigen Handlungen zu stimulieren.
bb) War die Anlage dazu bestimmt, die Besucher zu uneingeschränktem Badevergnügen, zu dem bei Kindern und Jugendlichen selbstredend auch das Hineinspringen gehört, zu stimulieren, hatte die Beklagte insbesondere nach erkannter Gefährdung alles vorzukehren, um ein gefahrloses Vergnügen zu gewährleisten. Hielt die Beklagte Verbotstafeln mit ihrer "Plauschphilosophie" für unvereinbar, so hatte sie durch bauliche Massnahmen dafür zu sorgen, dass das Bad sicher benutzt werden konnte, beispielsweise
BGE 116 II 422 S. 427
durch eine Abschrankung oder dadurch, dass die Umfassung des Pflanzentrogs statt mit Keramikplatten mit spitzen Steinen, die nicht zum Daraufstehen eingeladen hätten, belegt worden wäre. Das Fehlen derartiger, für die Beklagte ohne weiteres zumutbarer Massnahmen stellte in Anbetracht der baulichen Anlage, des freiheitlichen Betriebskonzepts, der jugendlichen Benützer und der Tatsache der erkannten Gefahr einen erheblichen Werkmangel dar, für den die Beklagte als Werkeigentümerin einzustehen hat.
Ein gewisses, freilich mit grosser Zurückhaltung zu bewertendes Indiz dafür, dass die Beklagte ihre Anlage selbst als mangelhaft anerkennt, ergibt sich aus der vorinstanzlichen Feststellung, dass an der Unfallstelle nachträglich ein - entsprechend der "Plauschphilosophie" - diskretes Hinweisschildchen mit der Aufschrift "Hier springen wir nicht hinein" angebracht und ein Seil gespannt worden sei (OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 212 Rz. 85 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung in Fn. 310).
3.
Wurden jugendliche Badegäste durch die bauliche Anlage und das Betriebskonzept der Beklagten dazu verleitet, an der fraglichen Stellen ins Wasser zu springen, so ist das Verhalten des Klägers entgegen den Berufungsvorbringen nicht derart abwegig und unvernünftig, dass der Werkmangel als Unfallursache völlig in den Hintergrund gedrängt würde und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Lebenserfahrung nicht mehr als adäquate Schadensursache erschiene (
BGE 108 II 54
E. 3 mit Hinweisen).
4.
Ebenso unbegründet ist das in der Berufung gestellte Eventualbegehren, das Selbstverschulden des Klägers gestützt auf
Art. 44 Abs. 1 OR
wenigstens als Grund zur Herabsetzung des Schadenersatzes von zwei Dritteln auf einen Viertel zu berücksichtigen. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen war für den damals 15jährigen Kläger die Annahme verständlich, er dürfe gleich andern, von der Aufsicht so wenig wie er abgehaltenen Badbesuchern den Sprung von jener Stelle aus wagen. Ob bei einer Sprunghöhe von 1,3 m eine Wassertiefe von 1,6 m ausreicht, hängt entscheidend vom Eintauchwinkel ab; dass sie unter Umständen ungenügend sein könnte, hat jedoch der Kläger laut Vorinstanz mangels Hinweisen der Beklagten nicht erkennen können. Zum Verschulden, das bei Kindern und Jugendlichen ohnehin milder beurteilt wird (
BGE 102 II 368
), gereicht ihm daher allein das Ausserachtlassen der Tatsache, dass der Ort seines Absprunges offensichtlich nicht als Einsprungsort konzipiert war. Eine Herabsetzung seines Anspruches um mehr als einen Drittel rechtfertigt sich deswegen nicht. Sie wird bereits durch
BGE 116 II 422 S. 428
die Tatsache ausgeschlossen, dass ein Werkmangel vorlag, an dem die Beklagte, die nach den vorinstanzlichen Feststellungen trotz erkannter Gefahr keine Schutzvorkehren getroffen und das Bad nur lückenhaft überwacht hat (
BGE 113 II 427
f. E. 1c; WEBER, a.a.O., S. 71 und 86), zusätzlich auch ein Verschulden trifft, welches das Selbstverschulden des Klägers zu einem grossen Teil kompensiert. Praxisgemäss findet bei leichtem Verschulden eine Reduktion um einen Viertel bis zu einem Drittel statt (
BGE 106 II 212
E. 3,
BGE 103 II 246
E. 5,
BGE 91 II 212
E. 5c,
BGE 60 II 348
E. 5; vgl. auch die Zusammenstellung bei BREHM, N 29 zu
Art. 44 OR
).
Seitens des Klägers ist das Ausmass der Reduktion nicht angefochten. Daher kann offenbleiben, ob und wieweit das Verschulden der Beklagten das Selbstverschulden des Klägers nicht weitergehend zu kompensieren vermöchte (
BGE 111 II 443
E. 3b, zurückhaltend
BGE 113 II 328
E. 1c). | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6946ab5c-54d6-4230-b410-509e11045237 | Urteilskopf
121 I 102
15. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Mai 1995 i.S. K. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 Abs. 1 BV
; unterschiedliche Entlöhnung von Hauptlehrern und Lehrbeauftragten an den Zürcher Berufsschulen.
Die unterschiedliche Entlöhnung von Hauptlehrern und Lehrbeauftragten an den Zürcher Berufsschulen hält - auch soweit allgemeinbildende Fächer zur Diskussion stehen - mit Blick auf die Unterschiede in Funktion und Rechtsstellung der beiden Lehrerkategorien vor
Art. 4 Abs. 1 BV
stand (E. 4a-d).
Anspruch auf besoldungsmässige Gleichbehandlung von Lehrbeauftragten mit den Hauptlehrern bei besonders langdauernden Lehrauftragsverhältnissen? (E. 4e). | Sachverhalt
ab Seite 103
BGE 121 I 102 S. 103
Die Zürcher Verordnung vom 1. Oktober 1986 über das Dienstverhältnis der Lehrer an Berufsschulen (in der Fassung vom 3. Oktober 1990; Berufsschullehrerverordnung, BSLV; Zürcher Gesetzessammlung 413.105) unterscheidet zwischen Hauptlehrern (vom Regierungsrat auf eine Amtsdauer von sechs Jahren gewählt; §§ 11 ff. BSLV), Lehrbeauftragten I und II (semesterweise durch die Schulleitung ernannt; §§ 15 f. BSLV) sowie Lehrbeauftragten III (durch die Aufsichtskommission mit einer garantierten Zahl von Lektionen für sechs Semester ernannt; § 17 BSLV). Die Lehrbeauftragten II mit abgeschlossener pädagogischer Ausbildung und die Lehrbeauftragten III werden besoldungsmässig grundsätzlich gleich behandelt (vgl. § 3 Abs. 2 BSLV); Hauptlehrer sind dagegen lohnmässig besser gestellt (vgl. § 2 BSLV).
K. unterrichtet seit Mai 1986 an der Abteilung "Druck-, Gestalter- und Malerberufe" der Allgemeinen Berufsschule Zürich die allgemeinbildenden Fächer Deutsch, Rechnen, Geschäfts- und Rechtskunde sowie Staats- und Wirtschaftskunde. Am 22. Februar 1991 eröffnete ihm das Amt für Berufsbildung auf seinen Wunsch seine Besoldungseinreihung als Lehrbeauftragter II, Kategorie B, mit begründeter Verfügung, wogegen er erfolglos an die Direktion für Volkswirtschaft und anschliessend an den Regierungsrat des Kantons Zürich rekurrierte.
Gegen den regierungsrätlichen Entscheid hat K. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 und
Art. 22ter BV
eingereicht. Das Bundesgericht weist diese ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
In der Sache rügt der Beschwerdeführer vor allem die Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes nach
Art. 4 Abs. 1 BV
aufgrund der
BGE 121 I 102 S. 104
unterschiedlichen Besoldung von Hauptlehrern und Lehrbeauftragten II und III an Berufsschulen. Damit verlangt der Beschwerdeführer eine vorfrageweise Überprüfung der Bestimmungen der kantonalen Berufsschulverordnung auf ihre Verfassungsmässigkeit, was im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde zulässig ist. Die Rüge, eine kantonale Norm widerspreche der Bundesverfassung, kann noch bei der Anfechtung eines diese Norm anwendenden Entscheides vorgebracht werden. Die allfällige Verfassungswidrigkeit der fraglichen Norm führt indessen in diesem Verfahren nicht zu deren Aufhebung, sondern hat lediglich zur Folge, dass die Vorschrift auf den Beschwerdeführer nicht angewendet und der gestützt auf sie ergangene Entscheid aufgehoben wird (
BGE 117 Ia 97
E. 1 S. 99 f. mit Hinweis).
a) Ein Erlass verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit und damit
Art. 4 Abs. 1 BV
, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird; vorausgesetzt ist, dass sich der unbegründete Unterschied oder die unbegründete Gleichstellung auf eine wesentliche Tatsache bezieht. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet werden je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbotes ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit (
BGE 118 IV 192
E. 2e S. 195;
BGE 117 Ia 97
E. 3a S. 101 mit Hinweisen). Dies gilt in besonderem Masse in Organisations- und Besoldungsfragen (
BGE 121 I 49
E. 3b).
b) Der Regierungsrat hat ausgeführt, die Besoldung gemäss Hauptlehrertarif nach § 2 BSLV setze die Wahl als Hauptlehrer voraus. Die Unterscheidung zwischen auf Amtsdauer gewählten Hauptlehrern und befristet ernannten Lehrbeauftragten sei wegen der besonderen Erfordernisse des Berufsschulunterrichts notwendig (verschiedene Fächerkombinationen, stets schwankende Lehrlingszahlen, Interesse der Schulbehörde an einer möglichst guten Ausschöpfung der Berufspraxis der Lehrbeauftragten). Aufgrund der unterschiedlichen Wahl- bzw. Anstellungsbedingungen stünden die für sechs Jahre gewählten Hauptlehrer der Berufsschule in der Regel vollamtlich zur
BGE 121 I 102 S. 105
Verfügung, während die überwiegend in Teilzeit beschäftigten Lehrbeauftragten nur lose an die Schule gebunden seien. Aufgrund der Berufsschullehrerverordnung seien nur die Hauptlehrer grundsätzlich verpflichtet, ein volles Pensum mit 25-26 Lektionen pro Woche zu übernehmen (§ 19 BSLV); nur sie treffe rechtlich die Pflicht zur Übernahme von Stellvertretungen (§ 25 BSLV), die Wohnsitzpflicht (§ 29 BSLV) und die Bewilligungspflicht für Nebenbeschäftigungen (§ 27 BSLV).
c) Der Beschwerdeführer räumt ein, dass die besonderen Erfordernisse des Berufsschulunterrichts die Unterscheidung zwischen gewählten Hauptlehrern und befristet ernannten Lehrbeauftragten rechtfertigten; dies gelte allerdings nur für den berufskundlichen Unterricht, der oft von Lehrkräften erteilt werde, die eine hauptberufliche Tätigkeit in einem Betrieb ausübten, nicht aber für Lehrkräfte, die - wie er - allgemeinbildende Fächer unterrichteten. Für diese stelle der Berufsschulunterricht in der Regel die Existenzgrundlage dar; zudem sei die Anzahl der Schüler sowie der Fächer relativ konstant.
Wie bereits dargelegt, steht dem kantonalen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber hinsichtlich Organisation und Besoldung im öffentlichen Dienst ein grosser Spielraum zu. Innerhalb der Grenzen des Willkürverbots und des Rechtsgleichheitsgebots ist er befugt, aus der Vielzahl denkbarer Anknüpfungspunkte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Einteilung und Besoldung von Lehrkräften massgebend sein sollen, und damit festzulegen, welche Kriterien eine Gleich- bzw. eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Im vorliegenden Fall hat der Verordnungsgeber bei der Besoldungsfestsetzung nur die Schulart (Berufsschule), die Ausbildung (vgl. § 3 Abs. 2 BSLV) und den Status (Lehrbeauftragter oder Hauptlehrer) berücksichtigt und von einer weiteren Differenzierung nach der Art der unterrichteten Fächer abgesehen. Die grundsätzliche Gleichbehandlung von Lehrkräften berufskundlicher und allgemeinbildender Fächer entspricht dem doppelten Auftrag der Berufsschulen, die notwendigen theoretischen Grundlagen zur Ausübung des Berufs zu vermitteln und durch eine allgemeine Bildung die Entfaltung der Persönlichkeit zu fördern (Art. 27 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. April 1978 über die Berufsbildung, BBG; SR 412.10), und dem grundsätzlich gleichen Stellenwert beider Fächergruppen für eine umfassende Berufsbildung. Grundsätzlich ist somit die vom Verordnungsgeber getroffene Unterscheidung zwischen den auf eine Amtsperiode von sechs Jahren gewählten, in der Regel voll der Berufsschule zur Verfügung
BGE 121 I 102 S. 106
stehenden Hauptlehrern und den auf kürzere Dauer ernannten, nur mit einem Teilpensum betrauten Lehrbeauftragten bei Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse des Berufsschulunterrichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, und zwar auch soweit, als sie die Lehrkräfte allgemeinbildender Fächer betrifft. Diesen steht von Verfassungs wegen kein genereller Anspruch darauf zu, als Hauptlehrer beschäftigt bzw. besoldungsmässig den Hauptlehrern gleichgestellt zu werden.
d) Der Beschwerdeführer ist allerdings der Auffassung, Statusunterschiede allein könnten eine unterschiedliche Besoldung nicht rechtfertigen. Auch wenn das öffentliche Interesse die Einreihung einer Lehrkraft in die Kategorie der Lehrbeauftragten rechtfertige, habe diese Anspruch auf das gleiche Gehalt, wenn sie dieselbe Leistung wie ein Hauptlehrer erbringe, dieselben Fähigkeiten besitze und denselben Belastungen ausgesetzt sei. Diese Voraussetzungen seien bei Lehrbeauftragten II mit abgeschlossener pädagogischer Ausbildung bzw. Lehrbeauftragten III - jedenfalls in den allgemeinbildenden Fächern - grundsätzlich gegeben und träfen insbesondere auch auf seine Person zu. Die vom Regierungsrat genannten rechtlichen Unterschiede zwischen Hauptlehrern und Lehrbeauftragten vermöchten angesichts der tatsächlichen Verhältnisse an den Berufsschulen eine unterschiedliche Besoldung nicht zu rechtfertigen: Die meisten Lehrbeauftragten in allgemeinbildenden Fächern würden es vorziehen, höhere Pensen zu erhalten, anstatt sich für schlechter bezahlte Stellvertretungen melden zu müssen, um einen Zusatzverdienst zu erhalten. Auf der anderen Seite nehme unter den Hauptlehrern der Trend zu Teilpensen zu. Die tatsächliche Belastung von Lehrbeauftragten mit Stellvertretungen, Verpflichtungen ausserhalb der eigentlichen Unterrichtsstunden und ähnlichem sei nicht geringer als diejenige der Hauptlehrer.
aa) Es mag zutreffen, dass im Fall des Beschwerdeführers hinsichtlich Ausbildung, Berufserfahrung, Verantwortung und Aufgabenbereich kein Unterschied zu Hauptlehrern an Berufsschulen besteht. Dass die Wahl zum Hauptlehrer eine entsprechende - in einem besonderen Wahlverfahren festzustellende - Qualifikation voraussetzt und diese Funktion in der Regel auch mit bestimmten zusätzlichen administrativen Aufgaben verbunden ist, darf jedoch bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der gerügten Ungleichbehandlung nicht ausser acht gelassen werden. Es wäre auch realitätswidrig zu verlangen, dass der Status eines Beamten in diesem Zusammenhang völlig ohne Einfluss bleiben muss und die Besoldung allein
BGE 121 I 102 S. 107
nach der Qualität der geleisteten Arbeit bzw. den tatsächlich gestellten Anforderungen bestimmt werden dürfe. Der für den öffentlichen Dienst typischen Zuordnung bestimmter Stellen zu bestimmten Besoldungsstufen ist ein gewisser Schematismus inhärent, da an typische generelle Merkmale und nicht oder nicht primär an die individuelle Leistung und den Einsatz des konkreten Beamten angeknüpft wird. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz gemäss
Art. 4 Abs. 1 BV
belässt in diesem Bereich sowohl dem Gesetzgeber wie auch den für die Besoldungsfestsetzung im Einzelfall zuständigen Behörden einen gewissen Spielraum. Es ist nicht von vornherein unzulässig und verfassungswidrig, dem auf Amtsdauer gewählten Hauptlehrer eine höhere Besoldung zu gewähren als dem mit gleichen fachlichen Aufgaben betrauten Lehrbeauftragten, zumal mit dem Status des Hauptlehrers typischerweise gewisse zusätzliche Rechtspflichten verbunden sind (vgl. oben, E. 4b). Die Zulässigkeit solcher Unterschiede ist eine Frage des Masses (unveröffentlichter Entscheid i.S. E. B. vom 10. Dezember 1993, E. 5a/aa).
bb) Der Regierungsrat hat dargelegt, dass bei einem - wegen der unterschiedlichen Pensen und Jahresstufeneinteilungen rein theoretischen - Vergleich die Jahresgrundbesoldung eines Lehrbeauftragten in Kategorie B, Jahresstufe 8, Fr. 110'975.-- betrage, während ein Hauptlehrer Fr. 118'812.-- verdiene. Diese - vom Beschwerdeführer nicht bestrittene - Differenz von jährlich Fr. 7'837.--, d.h. rund 6,6%, gegenüber der Besoldung eines Hauptlehrers ist zwar nicht unerheblich, doch hält sie sich im Rahmen des Vertretbaren.
e) Der Beschwerdeführer wirft den zürcherischen Behörden vor, die Kategorie der Lehrbeauftragten zu missbrauchen und aus Kostengründen Lehrbeauftragte an Stelle von Hauptlehrern zu ernennen, auch wo dies nicht durch sachliche Bedürfnisse der Berufsschule gerechtfertigt sei. Die vom Regierungsrat genannten Zahlen sprechen jedoch gegen eine derartige Annahme: Im angefochtenen Entscheid wird, unter Berufung auf den Geschäftsbericht des Regierungsrates 1991, ausgeführt, dass trotz der hohen Zahl von Lehrbeauftragten (1637 gegenüber 446 Hauptlehrern) immerhin über 50% der Lektionen an Berufsschulen von Hauptlehrern erteilt werden. Daraus lässt sich ableiten, dass die Lehrbeauftragten in der Regel für provisorische Aufgaben bzw. zur Erteilung einzelner, spezifischer Lektionen eingesetzt werden.
Auch bei Betrachtung der konkreten Situation des Beschwerdeführers ergibt sich nichts anderes: Im Entscheid i.S. E. B. vom 10. Dezember 1993
BGE 121 I 102 S. 108
betreffend Lehrkräfte an zürcherischen Mittelschulen hat das Bundesgericht erwogen, dass ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit Hauptlehrern bei besonders langdauernden Lehrauftragsverhältnissen aus dem Rechtsgleichheitsgebot abgeleitet werden könne, sofern der Nachweis erbracht sei, dass sich der oder die betreffende Lehrbeauftragte hinsichtlich Ausbildung, Berufserfahrung, Verantwortung und Aufgabenbereich nicht von den Hauptlehrern unterscheide. Dabei wurde eine zeitliche Grenze von 15 Jahren in Betracht gezogen (a.a.O., E. 5a/dd). Diese Grenze war im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des regierungsrätlichen Entscheids längst nicht erreicht und ist auch heute noch nicht überschritten worden. | public_law | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
694b35ac-99a9-4359-80ba-8358ee01f87e | Urteilskopf
120 IV 287
48. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 18 octobre 1994 en la cause S. et O. c. Fédération romande des consommatrices, Fédération suisse des consommateurs et Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 3 lit. l und
Art. 23 UWG
; öffentliche Auskündigungen über Kleinkredite.
Begriff der öffentlichen Auskündigung im Sinne von
Art. 3 lit. l UWG
(E. 2a u. d).
Art. 3 lit. l UWG
will nach seinem Sinn und Zweck den Konsumenten vor den Verlockungen des Kleinkredits schützen; er betrifft somit die Werbung, die dem Kunden die Vorteile des Kleinkredits anpreist, ohne ihn über die damit verbundenen Kosten zu informieren (E. 2e-g). | Sachverhalt
ab Seite 288
BGE 120 IV 287 S. 288
A.-
S., né en 1927, a travaillé pendant près de vingt ans pour le compte de la Banque Procrédit à Zurich, dont il a été en dernier lieu le directeur. O. a dirigé différentes succursales de la SBS jusqu'à la fin 1983; depuis lors, il a repris la direction de la Banque Finalba à Zurich.
En novembre 1990, la Banque Procrédit, dont le siège est à Zurich, a fait placarder, notamment en ville de Lausanne, une douzaine d'affiches, dont certaines de format mondial. Ces affiches représentaient une liasse de billets de banque, dont celui de dessus était une imitation d'un billet de 1'000 fr., portant toutefois le chiffre de 2'000 au lieu de 1'000, sur laquelle apparaissaient deux visages de jeunes gens, qui montraient une voiture, ou le visage d'un jeune homme, qui montrait une caméra vidéo. Au haut de l'affiche était inscrit, précédé d'une croix rouge, le mot "Procrédit". Enfin, sur le premier billet de banque ou au pied de l'affiche était ajoutée la mention "pour un prêt personnel".
A la même époque, la Banque Procrédit a fait publier dans différents journaux, notamment le quotidien "24 Heures" et la publication tous ménages "Lausanne-Cité", des annonces publicitaires, représentant également un billet de banque de 2'000 fr., sur la partie droite duquel apparaissait le visage d'un homme ou d'une femme, qui désignait du doigt un meuble, une voiture ou d'autres objets. Dans une bulle s'inscrivaient les mots "Mon prêt personnel - un procrédit". Chacune de ces annonces comportait sur sa droite une partie à découper, dont le texte pouvait être complété par un éventuel client, qui devait indiquer le montant du prêt désiré, les mensualités qu'il rembourserait ainsi que ses nom, adresse et signature. En dessous du texte, le nom de la banque, l'adresse de sa succursale à Lausanne et son numéro de téléphone figuraient en caractères gras, tandis qu'en dessous il était précisé: "taux d'intérêts jusqu'à 16,5% maximum par année, inclus assurances solde de dette, frais administratifs et commissions".
Dès la fin octobre et durant le mois de novembre 1990, la Banque Finalba, dont le siège est à Zurich, a fait publier, dans le quotidien "24 Heures" et dans l'hebdomadaire "Femina", des annonces publicitaires montrant notamment une girafe au volant d'une voiture ou un hippopotame sur un fauteuil, avec au-dessus les inscriptions suivantes: "le crédit confiance Finalba m'a tout de suite branché", "maintenant je frime", respectivement "maintenant je suis bien installé". Sur la droite de ce graphique,
BGE 120 IV 287 S. 289
figuraient le nom de la banque et les adresses de ses principales succursales romandes. A gauche, un bulletin pouvait être découpé par le lecteur, qui devait indiquer, outre son identité, le prêt souhaité et le montant mensuel remboursable.
B.-
Le 30 novembre 1990, la Fédération romande des consommatrices et la Fédération suisse des consommateurs ont déposé plainte pénale contre la Banque Procrédit, la Banque Finalba et la Banque cantonale vaudoise (BCV), en fondant leur qualité pour agir sur les
art. 10 et 23 LCD
.
Le 31 janvier 1991, un substitut du Juge d'instruction cantonal vaudois a ordonné la disjonction des causes concernant Procrédit et Finalba de celle concernant la BCV, estimant que les autorités zurichoises étaient compétentes pour instruire et juger la première. Sur recours des fédérations plaignantes, le Tribunal d'accusation cantonal vaudois, par arrêt du 11 avril 1991, a refusé cette disjonction en fixant le for pénal dans le canton de Vaud. S., pour Procrédit, et O., pour Finalba, ont alors saisi la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral d'une plainte, demandant que le for pénal soit fixé à Zurich; par arrêt du 14 juin 1991, la Chambre d'accusation a rejeté cette plainte et déclaré les autorités vaudoises compétentes (cf.
ATF 117 IV 364
ss).
La plainte contre la BCV a été retirée le 13 février 1992.
C.-
Par jugement du 26 novembre 1993, le Tribunal de police du district de Lausanne a condamné S. et O., pour infraction à la LCD, respectivement à 20'000 fr. et à 25'000 fr. d'amende, avec délai d'épreuve en vue de radiation de deux ans.
Par arrêt du 7 mars 1994, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours interjeté par les condamnés contre ce jugement et a confirmé ce dernier.
D.-
S. et O. se sont pourvus en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral contre cet arrêt.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Les recourants soutiennent que les conditions objectives de l'
art. 3 let
. l LCD ne sont pas réalisées en l'espèce.
a) La loi fédérale contre la concurrence déloyale (LCD) du 19 décembre 1986 est entrée en vigueur le 1er mars 1988 (RS 241).
Plusieurs dispositions de cette loi, notamment son
art. 3 let
. l, ont été modifiées le 18 juin 1993; cette modification est entrée en vigueur le 1er
BGE 120 IV 287 S. 290
avril 1994 (RO 1994 I 375/376). Le nouvel
art. 3 let
. l LCD prévoit qu'agit de façon déloyale celui qui omet, dans des annonces publiques en matière de crédit à la consommation, de désigner clairement sa raison de commerce ou de donner des indications claires sur le montant net du crédit, le coût total du crédit et le taux annuel effectif global.
Les faits reprochés aux recourants remontant toutefois aux mois d'octobre et novembre 1990, leur est applicable la LCD dans sa teneur du 19 décembre 1986, ce qui n'est du reste pas contesté. Aux termes de l'
art. 3 let
. l LCD ici applicable, agit de façon déloyale celui qui omet, dans des annonces publique en matière de petits crédits, de désigner nettement sa raison de commerce, de donner des indications claires sur le montant du crédit ou le maximum de la somme globale remboursable ou de chiffrer exactement, en francs et en pour cent par année, la charge maximale des intérêts.
Dans son arrêt du 14 juin 1991, rendu à la suite de la plainte déposée par les recourants dans le cadre de la procédure en fixation de for (cf. supra, let. B), le Tribunal fédéral a précisé que le comportement réprimé par l'
art. 3 let
. l LCD consiste à se livrer, par voie d'annonces publiques, à des actes de publicité déloyale en omettant des indications essentielles pour le choix opéré par le consommateur, une mise en danger concrète conduisant à la tromperie ou à l'erreur ne paraissant pas nécessaire; il s'est référé à ce sujet à l'opinion de plusieurs auteurs de doctrine, notamment à DAVID (Schweizerisches Werberecht, 1ère éd., Zurich 1977, p. 276 ch. 54.5) et THOMAS WYLER (Werbung mit dem Preis als unlauterer Wettbewerb, Bâle 1990, p. 132 ch. I et p. 133 ch. II). Il a également précisé que la notion d'"annonces publiques" comprend toute manifestation publicitaire qui ne s'adresse pas à un cercle clairement défini de personnes, telle qu'annonces dans les journaux, affiches, etc., se référant sur ce point au Message du Conseil fédéral concernant la loi sur le crédit à la consommation du 12 juin 1978 (FF 1978 p. 606 ch. 225.2 al. 4 et 608 art. 13) ainsi qu'au Message du Conseil fédéral à l'appui d'une modification de loi fédérale contre la concurrence déloyale qui y renvoie (FF 1983 II 1102 ch. 241.38 al. 2 concernant l'
art. 3 let
. l de la nouvelle LCD) (cf.
ATF 117 IV 364
consid. 2b et les références).
...
d) Selon les constatations de l'arrêt attaqué, les annonces litigieuses ont été diffusées par voie d'affiches placardées et/ou d'annonces publiées dans divers journaux et ne contenaient pas d'indications claires sur le montant du crédit ou le maximum de la somme globale remboursable, ni ne chiffraient
BGE 120 IV 287 S. 291
exactement, en francs et en pour cent par année, la charge maximale des intérêts. Ces constatations relatives à l'étendue du cercle des destinataires et au contenu des annonces relèvent de l'établissement des faits et lient donc la Cour de cassation saisie d'un pourvoi en nullité (
art. 277bis PPF
; cf. supra, consid. 1a). Il en résulte qu'il s'agit bien d'annonces "publiques" (cf. supra, lettre a) et qu'elles ne contenaient pas les "indications claires" prévues par l'
art. 3 let
. l LCD. Les recourants, du reste, ne le contestent pas, mais soutiennent uniquement que ces annonces n'étaient pas soumises aux exigences prévues par cette disposition. Seule est donc litigieuse ici la question de savoir ce qu'il faut entendre par "annonces ... en matière de petits crédits" au sens de l'
art. 3 let
. l LCD et, partant, si les annonces litigieuses étaient visées par cette disposition et devaient donc contenir les indications qui y sont prévues.
e) A ce jour, le Tribunal fédéral ne s'est pas prononcé sur cette question.
Celle-ci n'a été que peu abordée dans la doctrine. Pour LUCAS DAVID, lorsque la loi exige, pour la publicité en matière de petits crédits, que soient fournies des indications claires sur le montant et les coûts du crédit, cela ne peut signifier qu'une pure publicité de rappel pour une institution de petit crédit serait déjà illicite; il faut que l'on se trouve en présence d'une publicité pour des limites de crédit déterminées (Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 2ème éd., Berne 1988, p. 142 no 527). Cette opinion est partagée par THOMAS WYLER, qui se réfère expressément à DAVID sur ce point (Werbung mit dem Preis als unlauterer Wettbewerb, Bâle 1990, p. 133 ch. III). Se référant par ailleurs au message de 1978, cet auteur précise que l'
art. 3 let
. l LCD est aussi applicable à la publicité pour des crédits en compte courant, où ni la somme des montants perçus, ni, par conséquent, les intérêts ne peuvent être déterminés d'avance; dans ce cas, il suffira cependant de donner un exemple en admettant que le crédit a été épuisé jusqu'à la limite absolue et en indiquant les intérêts maximums dus en tel cas (cf. ibidem). Il ajoute que, lorsque des petits crédits sont simplement proposés comme "avantageux", il n'est pas nécessaire d'indiquer le taux d'intérêt annuel dans la publicité (cf. ibidem; en ce sens cf. également DANIEL LINDER, Das UWG als Ansatz des Konsumentenschutzes, thèse Zürich 1993, p. 145/146). Dans son ouvrage "La loi fédérale contre la concurrence déloyale du 19 décembre 1986 (LCD)", Lausanne 1988, de même que dans sa contribution "La nouvelle loi contre la concurrence déloyale", in
BGE 120 IV 287 S. 292
CEDIDAC, Lausanne 1988, p. 9 ss, EDMOND MARTIN-ACHARD ne s'est pas exprimé sur cette question précise.
Dans son avis de droit du 19 octobre 1991, le Professeur Bernard Dutoit, avec DAVID notamment, estime que la ratio de l'
art. 3 let
. l LCD réside dans la protection des consommateurs contre les tentations alléchantes du petit crédit et distingue entre la simple "réclame de rappel" (Erinnerungswerbung) et la réclame contenant des incitations à recourir au petit crédit, seule cette seconde publicité tombant sous le coup de l'
art. 3 let
. l LCD. Il se distance en revanche de DAVID dans la mesure où, selon lui, même une publicité sans limites de crédit déterminées peut parfaitement dépasser la simple "réclame de rappel"; il faut bien plutôt examiner, dans chaque cas concret, si la réclame incriminée contient ou non des incitations à recourir au petit crédit. A son avis, les annonces litigieuses contiennent toutes, à des degrés divers, des incitations à recourir au petit crédit et sont donc soumises aux exigences de l'
art. 3 let
. l LCD. Dans son avis de droit du 18 février 1993, Mme le Professeur Régina Ogorek, considérant que le législateur n'a finalement pas voulu de la loi sur le crédit à la consommation, estime que les dispositions de la LCD ne peuvent être interprétées qu'à la lumière de cette loi, les buts de la loi sur le crédit à la consommation ne pouvant être pris en compte que dans la mesure où ils ont été repris dans la réglementation de la LCD; l'idée de protection sociale qui prévalait dans la loi sur le crédit à la consommation ne peut donc être prise en considération qu'autant qu'il s'agit de garantir d'une manière indirecte une concurrence loyale et non faussée. Pour déterminer quelle est la publicité soumise aux exigences de l'
art. 3 let
. l LCD, il faut donc distinguer, compte tenu du but spécifique de cette loi, entre les messages publicitaires nécessitant la transparence et ceux qui, par leur nature, ne peuvent être transparents. A son avis, la transparence, par la concrétisation de chiffres (montant du crédit, somme globale remboursable, coûts du crédit), n'est nécessaire que si l'on a recours à des chiffres dans le message publicitaire, non pas lorsque celui-ci ne contient pas d'offre déterminée mais se borne à rappeler d'une manière générale le produit au consommateur. Les offres de crédit étant toutefois variables dans leur contenu, il y a encore lieu de distinguer entre les cas où l'offre mentionne un montant de crédit déterminé, un taux d'intérêt déterminé ou des exemples, lorsqu'elle ne reproduit qu'une image d'argent ou contient un bulletin réponse, etc.
Il résulte de ce qui précède qu'il y a unanimité entre les auteurs précités pour admettre que toute publicité en matière de petit crédit, quelle que
BGE 120 IV 287 S. 293
soit son contenu, n'est pas soumise aux exigences de l'
art. 3 let
. l LCD; en particulier, la pure publicité de rappel (Erinnerungswerbung) - par laquelle l'annonceur se borne à rappeler sans plus qu'il pratique le petit crédit - échapperait à ces exigences. Au-delà, les opinions divergent, au moins en partie.
f) La LCD ne précise pas ce qu'il faut entendre par annonces en matière de petits crédits au sens de l'
art. 3 let
. l LCD. Aussi convient-il de rechercher la véritable portée de cette norme en la dégageant de tous les éléments à considérer, à savoir de la lettre, de l'esprit et du but de la loi ainsi que des travaux préparatoires (cf.
ATF 114 II 404
consid. 3, 353 consid. 1 et les arrêts cités).
Une solution à la question litigieuse ne peut être dégagée du seul texte de l'
art. 3 let
. l LCD, qui se borne à énumérer les indications que doivent contenir les annonces publiques en matière de petits crédits, sans qu'il soit possible d'en tirer des déductions quant à la définition des annonces. En particulier, ce n'est pas parce que cette disposition impose notamment d'indiquer le montant du crédit que l'on peut en déduire, comme le font les recourants, qu'elle ne vise que la publicité pour des crédits d'un montant déterminé. Il n'apparaît du reste pas que DAVID, auquel se réfère les recourants sur ce point, tire une telle déduction du texte de l'
art. 3 let
. l LCD, mais bien plutôt du fait qu'il estime que la ratio de cette disposition réside dans la protection des consommateurs contre les tentations alléchantes du petit crédit (cf. supra, lettre e).
La let. l de l'
art. 3 LCD
correspond à la lettre k de l'art. 1 al. 2, qui devait être introduite dans la LCD du 30 septembre 1943 par une loi fédérale sur le crédit à la consommation (cf. FF 1978 II 606-608, 642), dont on sait qu'elle n'a finalement pas vu le jour; elle a cependant été introduite dans la LCD lors de la modification de celle-ci en 1983. C'est donc à juste titre que les recourants relèvent que cette disposition doit être interprétée en fonction du but de la loi contre la concurrence déloyale, et non de la loi sur le crédit à la consommation refusée par le Parlement. Toutefois, cela n'exclut pas que les buts de la loi sur le crédit à la consommation soient pris en considération dans la mesure où ils ont été repris dans la LCD.
Le but de la LCD est défini à l'art. 1 de cette loi, qui dispose que celle-ci "vise à garantir, dans l'intérêt de toutes les parties concernées, une concurrence loyale et qui ne soit pas faussée". La LCD a ainsi un double but: d'une part, elle vise à garantir une concurrence loyale et non faussée et, d'autre part, elle tend à assurer par là la protection des intéressés, notamment des concurrents et des consommateurs. Ces deux buts sont étroitement liés; la réglementation de la concurrence n'est pas une fin en
BGE 120 IV 287 S. 294
soi, mais, comme cela ressort du texte de l'art. 1er, a elle-même pour but de protéger les intérêts des parties concernées, parmi lesquelles les consommateurs. La clause générale de l'
art. 2 LCD
définit du reste comme déloyal et illicite "tout comportement ou pratique commercial qui est trompeur ou qui contrevient de toute autre manière aux règles de la bonne foi et qui influe sur les rapports entre concurrents ou entre fournisseurs et clients". Que la protection des consommateurs, notamment, soit aussi un des buts de la loi résulte en particulier et précisément de l'
art. 3 let
. l LCD, qui tend spécifiquement à les protéger d'une manière accrue dans le domaine de la publicité en matière de petits crédits, ainsi que de l'
art. 10 al. 2 let. b LCD
, qui confère aux organisations d'importance nationale ou régionale se consacrant statutairement à la protection des consommateurs, la qualité pour intenter les actions prévues à l'
art. 9 al. 1 et 2 LCD
.
Ce double but de la LCD a du reste été souligné à plusieurs reprises lors des débats devant les Chambres fédérales portant sur la modification de la LCD proposée par le Conseil fédéral dans son message de 1983. Ainsi, le rapporteur de langue allemande au Conseil national relevait que "Schutzobjekt des Gesetzes bleibt, wie bisher, der faire wirtschaftliche Wettbewerb. Indirekte Schutzobjekte bleiben primär die im Wettbewerb stehenden Unternehmer und in verstärktem Masse als bisher die Konsumenten" (cf. Bull.stén. CN 1985 p. 813); de son côté, le rapporteur de langue française relevait qu'"il est fondamental de protéger la concurrence dans son ensemble en tant que principe cardinal de notre vie économique, car elle permet la croissance de l'efficacité économique ainsi que la protection optimale des consommateurs" (cf. Bull.stén. CN 1985 p. 814). Le rapporteur de langue allemande au Conseil des Etats remarquait également que "im Interesse aller Beteiligten verdeutlicht die Absicht des Gesetzgebers, den Geltungsbereich des UWG über die Konkurrenten hinaus auch auf die Konsumenten auszudehnen" (Bull.stén. CE 1986 p. 415). On peut encore noter ici que, lors de la discussion du projet de loi article par article, l'
art. 3 let
. l et l'art. 10 al. 2 let. b ont été adoptés sans opposition, tant au Conseil national qu'au Conseil des Etats (cf. Bull.stén. CN 1986 p. 1251-1254; Bull.stén. CE 1986 p. 423).
Au vu de ce qui précède, il n'est pas douteux qu'en visant à garantir une concurrence loyale et non faussée, la LCD tend aussi et par là à protéger les intérêts de toutes les parties concernées, dont les consommateurs, et que le législateur, en édictant l'
art. 3 let
. l LCD, a voulu assurer à ceux-ci une protection particulière dans le domaine de la publicité en
BGE 120 IV 287 S. 295
matière de petits crédits. Il y a donc lieu d'admettre que la ratio de l'
art. 3 let
. l LCD réside dans la protection des consommateurs contre les tentations alléchantes du petit crédit. A cette fin, le législateur a voulu que la publicité en matière de petits crédits contienne des indications précises, qu'il a énumérées à l'
art. 3 let
. l LCD, à savoir, outre la désignation nette de la raison de commerce de l'annonceur, des indications claires sur le montant du crédit ou sur le maximum de la somme globale remboursable ou des indications chiffrant exactement, en francs et en pour cent par année, la charge maximale des intérêts. Du but ainsi poursuivi et des exigences posées par le législateur, il faut déduire que ce que l'on a voulu éviter c'est que le consommateur ne soit tenté de recourir au petit crédit par une publicité qui lui en présente les avantages sans attirer son attention sur les coûts supplémentaires qui en résulteront pour lui et, partant, que la publicité qui peut avoir de tels effets est visée par l'
art. 3 let
. l LCD. Il n'est pas nécessaire de trancher ici la question de savoir si et dans quelle mesure une publicité qui ne fait que rappeler au consommateur que l'annonceur pratique le petit crédit (publicité dite de simple rappel) serait ou non soumise aux exigences de l'
art. 3 let
. l LCD; en effet, il a été retenu à juste titre que les publicités litigieuses, au vu de leur contenu tel qu'il a été décrit dans l'arrêt attaqué (cf. supra, let. A), vont au-delà d'une simple publicité de rappel. En revanche, dès qu'une publicité, arguments à l'appui, incite le consommateur à recourir au petit crédit en lui en présentant les avantages, elle doit contenir les indications prévues par cette disposition. Rien ne permet d'interpréter plus restrictivement la notion d'annonces publiques en matière de petits crédits; en particulier, ni le texte ni le but de cette disposition n'autorisent à en limiter l'application à la publicité faite pour des limites de crédit déterminées ou aux messages publicitaires contenant des chiffres. Si le législateur avait voulu restreindre l'application de l'
art. 3 let
. l LCD à de tels cas, il l'aurait sans aucun doute précisé; à tout le moins cette volonté ressortirait des travaux parlementaires au cours desquels le projet de LCD, notamment son
art. 3 let
. l, a été discuté et adopté; tel n'a cependant pas été le cas, la disposition en question ayant été adoptée sans opposition ainsi qu'on l'a vu. Le juge ne saurait donc, par voie d'interprétation, restreindre la protection accordée par la loi à des cas déterminés sans que le texte légal et la volonté exprimée par le législateur ne lui permettent de le faire.
Au demeurant, comme l'a relevé la cour cantonale, et quoiqu'en disent les recourants, les restrictions proposées par ces derniers auraient manifestement pour effet de limiter considérablement l'application de
BGE 120 IV 287 S. 296
l'
art. 3 let
. l LCD, voire de le vider en bonne partie de sa portée. En effet, toute publicité en matière de petits crédits qui ne mentionnerait pas un montant de crédit déterminé échapperait alors aux exigences prévues par cette disposition. Comme le montre la publicité litigieuse en l'espèce, il serait ainsi aisé de vanter au consommateur les avantages du petit crédit sans avoir à attirer son attention sur les coûts supplémentaires qui en résulteront pour lui. Il n'est pas douteux que la loi serait ainsi contournée dans de très nombreux cas.
On ne saurait non plus suivre l'argumentation des recourants selon laquelle il serait quasiment impossible dans la pratique de fournir les indications prévues par l'
art. 3 let
. l LCD lorsque le montant, la durée et le taux des crédits sont variables. Comme le leur a déjà objecté à juste titre la cour cantonale, il est démontré, notamment par la publicité diffusée par la BCV, que, dans ces cas aussi, il est possible de respecter les exigences légales, notamment par l'inclusion d'un exemple. Le fait que cela rende l'annonce ou l'affiche moins lisible ou moins attractive ne saurait justifier des entorses à la loi que le législateur n'a pas prévues.
g) En l'espèce, les publicités litigieuses invitent les consommateurs à recourir au petit crédit pour acquérir certains biens de consommation, tels qu'une voiture, une caméra vidéo ou des meubles, en leur suggérant qu'ils pourront aisément les obtenir par ce moyen. Elles devaient donc satisfaire aux exigences de l'
art. 3 let
. l LCD. Dès lors qu'il est établi et au demeurant non contesté, que leur attention n'a été attirée d'aucune manière sur les coûts supplémentaires qui en résulteront pour eux, la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral en considérant que les conditions objectives de l'
art. 3 let
. l LCD étaient réalisées. | null | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
694fb75e-9391-460b-8ce6-e9137bacf18f | Urteilskopf
89 I 298
46. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. September 1963 i.S. Florida International Fruchtsaftgetränke GmbH. gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum. | Regeste
Markenrecht. Schutzverweigerung gegenüber international hinterlegter Marke wegen Täuschungsgefahr über die Herkunft der Ware. Madrider Abkommen Art. 5. Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon 1958) Art. 6 Abs. 1. MSchG Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2.
Frage der Zulässigkeit geographischer Angaben.
Verwendung der Firma als Marke. | Sachverhalt
ab Seite 299
BGE 89 I 298 S. 299
A.-
Die in Frankfurt a.M. ansässige Firma Florida International Fruchtsaftgetränke G. m. b. H. liess am 12. Oktober 1962 gestützt auf das Madrider Abkommen von 1891/1934 betr. die internationale Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken im internationalen Register unter der Nr. 260 838 eine Bildmarke für "Boissons non alcooliques" eintragen. Diese Marke besteht aus dem von einer -Kreislinie umrandeten Brustbild eines Negerjungen, der einen breitkrempigen Hut trägt und in der rechten Hand ein Glas hält, aus dem er mit einem Saughalm trinkt; auf seinem Hemd ist in Blockschrift das Wort "FLORIDA" angebracht Das Eidg. Amt für geistiges Eigentum teilte am 29. März 1963 dem Internationalen Amt unter Berufung auf Art. 5 des Madrider Abkommens mit, dass diese Marke in der Schweiz nur teilweise zugelassen werden könne, nämlich nur für "Boissons non alcooliques provenant d'Amérique ou fabriquées avec des produits provenant d'Amérique". Denn sonst wäre die Marke wegen des darin enthaltenen Wortes "FLORIDA" geeignet, das Publikum über die Herkunft der Ware zu täuschen und würde daher gegen die guten Sitten verstossen. Dabei verwies das Amt auf Art. 6 Abs. 1 der Pariser Verbandsübereinkunft (PVU) und auf
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
.
B.-
Gegen diese teilweise Schutzverweigerung, die
BGE 89 I 298 S. 300
das Internationale Amt am 1. Mai 1963 der Markeninhaberin bekanntgab, erhob diese verwaltungsgerichtliche Beschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag auf uneingeschränkte Zulassung der Marke für das Gebiet der Schweiz.
C.-
Das Eidg. Amt für geistiges Eigentum beantragt die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die angefochtene Verfügung stütze sich zu Unrecht auf Art. 6 Abs. 1 PVU; wegen Täuschungsgefahr könnte die Marke höchstens gestützt auf Art. 6 lit. B Ziff. 3 PVU beanstandet werden.
Die Beschwerdeführerin übersieht jedoch, dass die angefochtene Schutzverweigerung sich nicht auf die Londoner Fassung der PVU vom Jahre 1934 stützt, welche die Beschwerde offenbar im Auge hat, sondern auf den am 31. Oktober 1958 revidierten Text von Lissabon (AS 1963 S. 123 ff.), der in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland seit dem 17. Februar 1963 in Kraft steht und somit im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung (29. März 1963) galt. Art. 6 Abs. 1 der Lissaboner Fassung bestimmt aber im Einklang mit Art. 5 des Madrider Abkommens von 1891/1934, dass die Bedingungen für die Hinterlegung und Eintragung von Fabrik- oder Handelsmarken in jedem Land durch die Landesgesetzgebung bestimmt werden.
Wie übrigens das Amt zutreffend ausführt, wäre die Rechtslage die nämliche, wenn auf die Londoner Fassung der PVU von 1934 abgestellt würde, weil diese zur Zeit der Eintragung der streitigen Marke im internationalen Register noch in Kraft stand. Denn gemäss Art. 6 lit.B Ziff. 3 der Londoner Fassung darf ein Verbandsland einer Marke den Schutz verweigern, wenn sie gegen die guten Sitten verstösst, was namentlich auf Marken zutrifft, die geeignet sind, das Publikum zu täuschen.
BGE 89 I 298 S. 301
2.
Kraft des Vorbehaltes von Art. 6 Abs. 1 PVU zugunsten der Landesgesetzgebung ist das Eidg. Amt befugt, einer Marke den Schutz zu verweigern, wenn sie zur Täuschung des Publikums geeignet ist und daher gegen die guten Sitten verstösst (
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
).
3.
Eine Marke, die in einer geographischen Angabe besteht oder eine solche enthält, erweckt nach der Lebenserfahrung im allgemeinen beim Käufer die Vorstellung, das damit bezeichnete Erzeugnis stamme aus dem Land, auf das sich die Angabe bezieht. Ist das Erzeugnis tatsächlich anderer Herkunft, so kann die Marke irreführend wirken und ist daher unzulässig (
BGE 89 I 51
,
BGE 79 I 253
'
BGE 76 I 170
,
BGE 56 I 472
). Anders verhält es sich nur, wenn die geographische Angabe offensichtlich blossen Phantasiecharakter hat und nicht als Herkunftsbezeichnung aufgefasst werden kann (
BGE 89 I 51
,
BGE 72 I 240
,
BGE 56 I 475
,
BGE 55 I 271
). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
4.
a) Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass die Angabe "FLORIDA" geeignet sei, das Publikum über die Herkunft der Ware irrezuführen. Neben den bildlichen Elementen der Marke komme dem auf dem Hemd des Negerjungen angebrachten Wort "FLORIDA" nur untergeordnete Bedeutung zu, da es im Gesamteindruck der Marke untergehe.
Die Betrachtung der streitigen Marke widerlegt jedoch diesen Einwand eindeutig. Die Angabe "FLORIDA" ist das einzige in der Marke enthaltene Wort. Es ist in verhältnismässig grossen Blockschrift-Buchstaben angebracht und tritt derart augenfällig in Erscheinung, dass es selbst bei bloss flüchtiger Betrachtung nicht übersehen werden kann.
b) Die Beschwerdeführerin wendet weiter ein, dass die Käufer nicht alkoholischer Getränke in der Regel der Herkunft der Ware keine Bedeutung beimässen, weshalb auch keine Täuschungsgefahr bestehe.
Auch dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Infolge der
BGE 89 I 298 S. 302
Internationalisierung von Handel und Verkehr haben die alkoholfreien Getränke ausländischer Herkunft auf dem schweizerischen Markt eine wichtige Stellung erobert. Sie werden heute vom Schweizer Publikum in erheblichem Umfang konsumiert, und dieses ist bereit, dafür einen beträchtlich höheren Preis zu bezahlen. Auch in dieser Hinsicht ist das Publikum wählerischer und anspruchsvoller geworden, so dass sich heute nicht mehr sagen lässt, es werde nur beim Kauf alkoholischer Getränke Wert auf die Herkunft gelegt.
c) Fehl geht schliesslich auch der Einwand der Beschwerdeführerin, den wenigsten Abnehmern ihrer Ware sei bekannt, dass in Florida Produkte gediehen, aus denen Fruchtsäfte und dergleichen hergestellt werden könnten. Seit Jahren wird der schweizerischen Öffentlichkeit Florida durch Film, Radio, Fernsehen und Verkehrswerbung als ein paradiesisch schönes, mit einer üppigen Vegetation gesegnetes Land gepriesen. Weite Kreise der in Betracht fallenden Abnehmer wissen, dass in Florida in grossem Masse Früchte - namentlich Ananas - angebaut werden. Für sie liegt die Annahme nahe, dass die mit der streitigen Marke versehenen Getränke in Florida, d.h. in den USA oder zum mindesten unter Verwendung von dorther stammender Früchten hergestellt worden seien.
Alle diese Überlegungen führen zwingend zum Schluss, dass die von der Beschwerdeführerin beanspruchte Marke für die schweizerischen Abnehmer irreführend ist und gemäss
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
ohne den vom Amt geforderten präzisierenden Zusatz nicht zugelassen werden kann.
5.
Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass die streitige Marke in Deutschland anstandslos und mit unbeschränktem Warenverzeichnis eingetragen worden sei. Das ist jedoch ohne Belang. Gemäss ständiger Rechtsprechung ist jedes Verbandsland befugt, über die Zulässigkeit einer Marke unter dem hier in Frage stehenden Gesichtspunkt selbständig zu befinden (
BGE 82 I 52
,
BGE 79 I 256
,
BGE 76 I 171
).
BGE 89 I 298 S. 303
6.
Die Beschwerdeführerin ficht die Verfügung des Amtes schliesslich unter Hinweis auf eine Reihe von ihm bewilligter Markeneintragungen gestützt auf
Art. 4 BV
als willkürlich an.
Diese Rüge ist offensichtlich haltlos. Eine Entscheidung, die - wie oben dargelegt wurde - der geltenden Gesetzgebung entspricht, ja sogar von ihr zwingend verlangt wird, kann nicht willkürlich sein. Das gilt auch, wenn das Amt in den von der Beschwerde angeführten Fällen die streitige Vorschrift zum Vorteil der betreffenden Markeninhaber unrichtig angewendet haben sollte. Die Beschwerdeführerin kann nicht beanspruchen, dass eine solche Gesetzesverletzung auch zu ihren Gunsten vorgenommen werde. Zudem kann weder einer Gerichts-, noch einer Verwaltungsbehörde verwehrt sein, von einer als gesetzwidrig erkannten Praxis abzugehen.
7.
Zu Unrecht glaubt die Beschwerdeführerin endlich, sich darauf berufen zu können, dass der Markenbestandteil "FLORIDA" gleichzeitig den Hauptteil ihres Firmanamens bilde, der gemäss
Art. 1 MSchG
als Handelsmarke gelte. Die markenmässig gebrauchte Firma ist nach ständiger Rechtsprechung nur zulässig, soweit sie ihrer Beschaffenheit nach ein gültiges Zeichen sein kann; auch sie muss also den Anforderungen des MSchG genügen (
BGE 78 II 460
; MATTER, Kommentar zum MSchG, S. 54 f.). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
69596629-40bd-4907-9d93-91af318621af | Urteilskopf
92 IV 198
49. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 11 novembre 1966 dans la cause Ministère public du canton de Vaud contre Birr. | Regeste
Art. 268 Ziff. 1 BStP
,
Art. 41 StGB
.
1. Unter kantonalen Rechtsmitteln im Sinne von
Art. 268 Ziff. 1 BStP
sind nur solche zu verstehen, die der oberen kantonalen Instanz erlauben, die Anwendung eidgenössischen Rechts frei zu überprüfen.
2. Befugnis des waadtländischen Kassationshofes zur Prüfung der Anwendung von
Art. 41 StGB
(nur beschränkt auf "Willkür" in Ermessensfragen). | Sachverhalt
ab Seite 199
BGE 92 IV 198 S. 199
Résumé des faits:
A.-
Le 25 juillet 1966, le Tribunal de police correctionnelle du district d'Avenches a condamné Marie-Louise Birr, pour homicide par négligence et infraction à la loi sur la circulation routière, à vingt jours d'emprisonnement et à 400 fr. d'amende avec sursis pendant deux ans.
Saisie d'un recours par le Ministère public du canton de Vaud, qui concluait au refus du sursis, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a confirmé, le 31 août 1966, le jugement de première instance.
B.-
Contre cet arrêt, le Ministère public du canton de Vaud s'est pourvu en nullité. Il conclut au refus du sursis.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
En seconde instance cantonale déjà, le Ministère public avait contesté, non pas la condamnation prononcée, mais seulement le sursis dont elle était assortie. Dans l'arrêt attaqué, la Cour de cassation vaudoise a dit qu'elle ne pouvait revoir la question "que sous l'angle de l'arbitraire". Quelle que soit la définition que l'on en donne, un tel examen n'est pas libre; il est au contraire restreint. Or l'application de l'art. 41 CP pose, en plus d'une question d'appréciation, diverses questions qui relèvent exclusivement du droit. On pourrait donc conclure des termes employés par la cour cantonale que, pour celles-ci également, elle a entendu limiter à l'arbitraire son pouvoir d'examen. Dans ce cas, le présent pourvoi serait irrecevable.
En effet, l'art. 268 ch. 1 PPF déclare le pourvoi en nullité recevable contre les jugements cantonaux qui ne peuvent donner lieu à un recours cantonal pour violation du droit fédéral. Selon la jurisprudence constante, cette disposition ne vise que les voies de recours qui permettent à l'autorité cantonale supérieure de revoir librement l'application du droit fédéral, comme le fait la cour de céans elle-même de par l'art. 269 al. 1 PPF (RO 71 IV 223;
74 IV 128
;
82 IV 179
;
85 IV 161
consid. 1). Lorsque, touchant cette application, le pouvoir d'examen de l'autorité cantonale supérieure est restreint de quelque manière, l'arrêt qu'elle prononce ne peut faire l'objet d'un pourvoi en
BGE 92 IV 198 S. 200
nullité. C'est alors le jugement de l'autorité cantonale inférieure qui, seul, le peut dans la mesure où la deuxième phrase de l'art. 268 ch. 1 PPF le permet (v., sur ce point, RO 92 IV 54, 152).
En l'espèce cependant, le pouvoir d'examen de la cour vaudoise, touchant l'application du droit fédéral, n'était pas restreint, nonobstant les termes dont cette cour a fait usage pour le définir. Il était identique à celui du Tribunal fédéral saisi d'un pourvoi en nullité. L'application de l'art. 41 CP, on l'a dit, pose à la fois des questions de droit et d'appréciation. Celles-là sont soumises à la libre censure de la cour de céans (art. 269 al. 1 PPF); celles-ci y échappent en revanche, à moins que l'autorité cantonale n'ait excédé les limites du pouvoir que la loi lui accorde; dans ce cas, effectivement, elle viole le droit fédéral au sens de l'art. 269 al. 1 PPF (RO 73 IV 78 consid. 1, 84 consid. 2;
74 IV 138
consid. 1;
77 IV 68
consid. 1;
88 IV 6
). Après avoir dit qu'elle ne revoyait la question du sursis que sous l'angle de l'arbitraire, la Cour de cassation vaudoise s'est référée à son arrêt Guichardaz. Or, dans cet arrêt (publié dans le JdT 1966 IV 62), elle a nettement mis en rapport la limitation de son pouvoir d'examen avec le pouvoir d'appréciation que l'art. 41 CP confère au juge; c'est uniquement sur l'usage que le juge a fait de ce dernier pouvoir qu'elle a restreint sa censure à l'arbitraire et il faut considérer comme arbitraire l'appréciation injustifiable du cas selon l'art. 41 CP, c'est-à-dire, comme on l'a rappelé, la violation du droit fédéral (BONNARD, Les rapports entre le pourvoi en nullité et les moyens de droit cantonal, RPS, 1959, p. 204, note 42). Touchant la mesure de la peine, voire le sursis, la cour de céans a fréquemment, du reste, dit que le juge cantonal abusait de son pouvoir d'appréciation lorsqu'il fondait sa décision sur des motifs manifestement insoutenables et elle a appliqué le terme d'arbitraire à une telle décision (RO 77 IV 142;
78 IV 72
consid. 2;
81 IV 123
consid. 6; 90 IV/79 consid. 4 no 16, 155 consid. 5a; BONNARD, op.cit., p. 205, note 45a). Cette interprétation de l'arrêt cantonal apparaît d'autant plus assurée, en l'espèce, que la Cour de cassation vaudoise a examiné, en droit, si le juge de première instance avait violé l'art. 41 CP.
Touchant le sursis, par conséquent, cette cour revoit librement l'application du droit fédéral. Selon les principes rappelés plus haut, le présent pourvoi est donc recevable.
2.
(Sur le fond: rejet.) | null | nan | fr | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
695a5f39-8332-4e4c-b11c-3ad95ad0d765 | Urteilskopf
82 II 72
10. Auszug aus dem Urteil der H. Zivilabteilung vom 20. Januar 1956 i.S. Durrer gegen Durrer. | Regeste
Bäuerliches Vorkaufsrecht (
Art. 6 ff. EGG
).
Verzicht gegen Abfindung.
Rückforderung dieser Leistung wegen widerrechtlichen Inhalts der Vereinbarung oder wegen Übervorteilung? (
Art. 1 EGG
,
Art. 20, 21, 66 OR
). | Sachverhalt
ab Seite 73
BGE 82 II 72 S. 73
Mit Vertrag vom 7. Januar 1954 verkaufte Durrer seine im Jahre 1931 für Fr. 47'000.-- erworbene, aus Wohnhaus, Stall und "Landgut" bestehende Liegenschaft für Fr. 110'000.-- an Barmettler. Hievon gemäss Art. 13 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) verständigt, teilte die Ehefrau Durrers dem Grundbuchamt am 25. Januar 1954 mit, dass sie gemäss Art. 12 dieses Gesetzes das Vorkaufsrecht "zum Werte der aufhaftenden Grundpfandforderungen" (Fr. 43'599.08) geltend mache. Daraufhin vereinbarten Durrer und Barmettler am 13. Februar 1954 die Aufhebung des am 7. Januar 1954 geschlossenen Kaufvertrags, wovon das Grundbuchamt Frau Durrer am 15. Februar 1954 unterrichtete. Diese stellte hierauf am 1. März 1954 beim Friedensrichteramt das Begehren, das von ihr ausgeübte Vorkaufsrecht sei gerichtlich zu schützen und das Eigentum an der Liegenschaft zum Schätzungswert bezw. zum Betrage der Grundpfandbelastung ihr zuzusprechen. Der Vermittlungsvorstand vom 8. März 1954 führte nicht zu einer Einigung. Am 11. März 1954 kam dann aber zwischen den Eheleuten Durrer, die beide durch ihre Anwälte vertreten waren, eine Vereinbarung zustande, wonach Frau Durrer gegen eine Abfindung von Fr. 40'000.-- auf ihr Vorkaufsrecht verzichtete. Gleichentags schloss Durrer mit Barmettler über seine Liegenschaft einen neuen Kaufvertrag, worin der Kaufpreis wieder auf Fr. 110'000.-- festgesetzt wurde. Der Kauf wurde sogleich ins Grundbuch eingetragen. Mit der von Barmettler geleisteten Anzahlung erfüllte Durrer den Vergleich mit seiner Ehefrau.
BGE 82 II 72 S. 74
Anfangs April 1954 stellte Durrer beim Friedensrichteramte das Begehren, die Vereinbarung vom 11. März 1954 sei "als nichtig, anfechtbar und rechtsunverbindlich zu erklären" und seine Ehefrau sei zu verpflichten, ihm Fr. 40'000.-- nebst 5% Zins seit 11. März 1954, eventuell einen Betrag nach richterlichem Ermessen zu bezahlen. Am 1. Juli 1954 brachte er dieses Rechtsbegehren beim Gericht an. Er machte u.a. geltend, die Vereinbarung verfolge einen widerrechtlichen Zweck und verstosse gegen die guten Sitten(
Art. 20 OR
); ausserdem sei sie wegen Übervorteilung (
Art. 21 OR
) für ihn unverbindlich.
Die kantonalen Gerichte und das Bundesgericht weisen die Klage ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
In materieller Beziehung macht der Kläger vor allem geltend, die Vereinbarung vom 11. März 1954, wonach die Beklagte gegen eine Abfindung auf ihr Vorkaufsrecht verzichtete, widerspreche dem in
Art. 1 EGG
genannten Zweck dieses Gesetzes, die Bindung zwischen Familie und Heimwesen zu festigen, und sei daher gemäss
Art. 20 OR
nichtig. Den nach
Art. 6 ff. EGG
vorkaufsberechtigten Personen stehe nur die Wahl offen, entweder das Vorkaufsrecht auszuüben und das Heimwesen an sich zu ziehen oder aber auf die Ausübung des Vorkaufsrechts ohne Entschädigung zu verzichten.
Diese Auffassung findet im Gesetz keine Stütze. Richtig ist zwar, dass die im Gesetz vorgesehenen Vorkaufsrechte, insbesondere das privilegierte Vorkaufsrecht der Blutsverwandten in gerader Linie und des Ehegatten, in erster Linie aus agrarpolitischen Gründen und nicht einfach im Interesse der vorkaufsberechtigten Personen eingeführt wurden. Ihr Endzweck liegt nicht darin, diesen Personen einen finanziellen Vorteil zu bieten, den sie ebensogut durch Ausübung des Vorkaufsrechts wie durch einen entgeltlichen Verzicht hierauf realisieren können, sondern eben darin, die in
Art. 1 EGG
umschriebenen Ziele zu erreichen.
BGE 82 II 72 S. 75
Dies ändert aber nichts daran, dass es sich beim Vorkaufsrecht im Sinne von
Art. 6 ff. EGG
um einen privatrechtlichen Anspruch handelt, der zwar höchstpersönlicher Natur (
Art. 9 Abs. 1 EGG
), im übrigen aber in keiner Weise der freien Verfügbarkeit entrückt ist, die für vermögensrechtliche Ansprüche des Zivilrechts gemeinhin gilt. Ob die Gewährung eines solchen Anspruchs ein taugliches Mittel sei, um die vom Gesetz verfolgten Ziele zu erreichen, ist eine gesetzgeberische, vom Richter nicht zu überprüfende Frage. Der Standpunkt, dass aus den in Art. 1 genannten Zwecken des Gesetzes ein Verbot des entgeltlichen Verzichts auf das Vorkaufsrecht abgeleitet werden müsse, obwohl die Art. 6 ff. hiefür keine Anhaltspunkte bieten und eine solche Beschränkung der Verfügbarkeit dem privatrechtlichen Charakter des Anspruchs widerspricht, liesse sich höchstens dann vertreten, wenn jene Zwecke durch die Zulassung eines solchen Verzichts geradezu vereitelt würden. So verhält es sich indessen nicht. Den Zwecken des Gesetzes kann die Einräumung von Vorkaufsrechten nicht nur dadurch dienen, dass sie in Fällen des Verkaufs die Übernahme des Betriebs durch. Verwandte (oder allenfalls Pächter oder Dienstpflichtige) fördert und den in Art. 12 genannten Berechtigten die Übernahme zu einem Vorzugspreis ermöglicht, sondern auch dadurch, dass sie die Verkaufslust zurückdämmt. Dieser Erfolg wird auch dann erreicht, wenn dem Eigentümer die Möglichkeit gelassen wird, die Vorkaufsberechtigten durch eine Abfindung von der Durchsetzung ihres Anspruchs abzuhalten. Mancher wird lieber auf einen Gewinn verzichten als ihn mit andern teilen. Die streitige Vereinbarung fällt daher nicht unter
Art. 20 OR
.
Selbst wenn es anders wäre, könnte im übrigen das Begehren des Klägers, dass ihm die Abfindungssumme zurückzuzahlen sei, keinen Schutz finden. Der Kläger müsste sich in diesem Falle entgegenhalten lassen, dass die Zahlung an die Beklagte in der Absicht geschehen sei, einen rechtswidrigen Erfolg herbeizuführen, so dass die Rückforderung
BGE 82 II 72 S. 76
gemäss
Art. 66 OR
ausgeschlossen wäre (vgl.
BGE 74 II 23
ff., insbesondere 27 Erw. 3). Das EGG enthält keine Bestimmung, welche die Anwendung von
Art. 66 OR
ausschliessen würde, wie Art. 42 Abs. 2 a.E. des Bundesratsbeschlusses über Massnahmen gegen die Bodenspekulation usw. vom 19. Januar 1940/7. November 1941 (BMB) das für den Bereich dieses Erlasses getan hat (
BGE 79 II 204
).
5.
Der Kläger macht weiter geltend, die Beklagte habe ihn übervorteilt, indem sie sich für den Verzicht auf das Vorkaufsrecht Fr. 40'000.-- habe versprechen und auszahlen lassen, obwohl sie an der Liegenschaft in Wirklichkeit gar kein Interesse gehabt habe. In diesem Zusammenhang macht er Ausführungen darüber, dass die Beklagte infolge ihres Alters und weiterer Umstände nicht in der Lage gewesen wäre, die Liegenschaft selber zu bewirtschaften. Letzteres brauchte sie indessen gar nicht zu beabsichtigen. Die Blutsverwandten in gerader Linie können zwar das privilegierte Vorkaufsrecht von
Art. 12 EGG
nur dann ausüben, wenn sie die Liegenschaft zur Selbstbewirtschaftung beanspruchen. Für den Ehegatten gilt diese Beschränkung aber nicht. Die Beklagte wäre also berechtigt gewesen, das Gewerbe zu verpachten (was der Kläger übrigens implicite zugibt, indem er sagt, das Interesse an einer Übernahme zwecks Verpachtung sei für die Beklagte klein gewesen). Es lässt sich also nicht sagen, die Beklagte habe auf ein Recht verzichtet, das für sie überhaupt keinen Wert gehabt habe. Der Vorteil, den ihr die Durchsetzung des Vorkaufsrechts geboten hätte, war aber auch nicht etwa so geringfügig, dass aus diesem Grunde von einem offenbaren Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gesprochen werden könnte. Der Kläger lief nach seiner eigenen Darstellung das Risiko, aus der Liegenschaft Fr. 63'000.-- weniger zu lösen, wenn die Beklagte auf ihrem Anspruch beharrte (vgl. S. 20 unten der Berufungsschrift). Der Beklagten stand also ein entsprechender Gewinn in Aussicht, den sie freilich unter
BGE 82 II 72 S. 77
Umständen erst nach 15 Jahren hätte realisieren können (
Art. 12 Abs. 5 EGG
). Wenn sie nun durch Verzicht auf das Vorkaufsrecht dem Kläger ermöglichte, einen Teil dieses Gewinns für sich zu retten, so kann von einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung keine Rede sein. Die Anfechtung wegen Übervorteilung ist daher abzuweisen, ohne dass zu prüfen wäre, ob die sonstigen Voraussetzungen von
Art. 21 OR
erfüllt seien. | public_law | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
695fc09b-868f-4e2c-835f-6505963e6446 | Urteilskopf
102 II 370
53. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. November 1976 i.S. Fischer gegen Attenhofer AG | Regeste
Art. 1 und 26 Abs. 1 Ziff. 1 PatG
. Nichtigkeit eines Patentes.
1. Anforderungen an die Erfindungshöhe, wenn die Erfindung in der Übertragung einer vorbekannten Lehre auf neue Gebiete oder Stoffe besteht (Erw. 1).
2. Wer eine bereits bekannte Lösung auf einen neuen Ski überträgt, erbringt keine schöpferische Leistung von Erfindungshöhe (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 370
BGE 102 II 370 S. 370
A.-
Der Skifabrikant Josef Fischer stellte am 7. Dezember 1960 in Österreich ein Patentgesuch für eine Erfindung, die er am 27. November 1961 auch in der Schweiz zur Patentierung anmeldete. Das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum erteilte ihm dafür am 15. April 1966 das Patent Nr. 411'659, dessen Hauptanspruch wie folgt lautet:
"Mehrschichtenski, bei welchem ein mehrteiliger Holz- oder Kunststoffkern an seiner oberen und unteren Begrenzungsfläche durch eine Metallplatte abgedeckt ist, wobei die untere Deckplatte an den laufflächenseitigen Rändern durchgehende Stahlkanten trägt, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den Stahlkanten und der unteren Metallplatte eine Zwischenlage aus einem nichtsynthetischen, elastischen Hochpolymer mit einer Festigkeit von 200-300 kg/cm2 und einer elastischen Dehnbarkeit von 500-600% angeordnet ist, welche mit den an sie angrenzenden Teilen fest verbunden ist."
Dem Hauptanspruch ist ein Unteranspruch zugeordnet, der in der Patentschrift wie folgt umschrieben wird:
BGE 102 II 370 S. 371
"Mehrschichtenski nach Patentanspruch, dadurch gekennzeichnet, dass die Zwischenlage mit den an sie anschliessenden Teilen durch Vulkanisieren
verbunden ist."
B.-
Im Dezember 1968 liess Fischer beim Obergericht des Kantons Luzern gegen die A. Attenhofer AG, Zürich, die ebenfalls Skier herstellt, Klage wegen Patentverletzung einreichen. Er beantragte insbesondere, der Beklagten die Herstellung, das Anbieten und den Verkauf von Skiern gemäss Patent Nr. 411'659 bei Strafe zu verbieten, im Besitze der Beklagten befindliche Skier dieser Art zu beschlagnahmen und die Beklagte zu Schadenersatz zu verurteilen.
Die Beklagte bestritt eine Patentverletzung und beantragte, die Klage abzuweisen. Sie erhob zudem Widerklage auf Feststellung, dass das Patent Nr. 411'659 nichtig sei, weil weder von Erfindungshöhe noch von einem technischen Fortschritt die Rede sein könne.
Das Obergericht zog zunächst B. als Begutachter bei. Dieser bejahte die Neuheit, verneinte dagegen die erforderliche Erfindungshöhe und liess offen, ob der Gegenstand des Streitpatentes einen technischen Fortschritt aufweise. Zahlreiche Ergänzungsfragen beider Parteien veranlassten den Experten nicht, seine Auffassung zu ändern.
Auf Begehren des Klägers ordnete das Obergericht eine weitere Begutachtung an. Auf Vorschlag beider Parteien bezeichnete es V. und E. als Oberexperten. Diese hielten den in den Patentansprüchen des Klägers umschriebenen Mehrschichtenski für neu und technisch fortschrittlich, verneinten aber eine für die Patentierung genügende Erfindungshöhe.
Am 28. April 1976 wies das Obergericht des Kantons Luzern die Klage ab und erklärte das Patent Nr. 411'659 in Gutheissung der Widerklage nichtig.
C.-
Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingereicht. Er beantragt, es aufzuheben, die Widerklage abzuweisen und die Sache zur Beurteilung der Hauptklage an die Vorinstanz zurückzuweisen; es sei zudem ein Ergänzungsgutachten einzuholen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Eine Erfindung im Sinne des
Art. 1 PatG
liegt nur vor, wenn die technisch fortschrittliche Leistung Erfindungshöhe
BGE 102 II 370 S. 372
aufweist, d.h. nicht ohne weiteres schon von durchschnittlich ausgebildeten Fachleuten in normaler Fortentwicklung der Technik erbracht werden konnte, sondern einen zusätzlichen schöpferischen Aufwand erforderte (
BGE 85 II 138
und 513,
BGE 89 II 109
und 167,
BGE 92 II 51
,
BGE 93 II 512
).
Welche Anforderungen an die Erfindungshöhe zu stellen sind, entscheidet sich nicht allgemein, sondern nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach dem Gebiet, dem die umstrittene Regel angehört, nach dem vorbekannten technischen Wissen, den zur Verfügung stehenden Mitteln und der Grösse des technischen Fortschritts; je bedeutender dieser ist, desto eher ist die Erfindungshöhe zu bejahen, und umgekehrt (
BGE 89 II 166
Erw. 5 mit Zitaten). Besteht die Erfindung in einer blossen Übertragung einer vorbekannten Lösung auf neue Gebiete oder Stoffe, so ist zu berücksichtigen, dass eine solche dem Durchschnittsfachmann in der Regel durch den Stand der Technik nahegelegt wird; sie ist nur dann patentierbar, wenn der Gedanke zur Übertragung über das von einem Durchschnittsfachmann zu Erwartende hinausging oder bei der Übertragung Schwierigkeiten zu überwinden waren (
BGE 92 II 54
Erw. 4 und dort angeführte Urteile; siehe auch BLUM/PEDRAZZINI, Anm. 33 zu
Art. 1 PatG
; TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Aufl. Bd. I. S. 199 ff.).
2.
Nach der Auffassung der Oberexperten, denen sich die Vorinstanz angeschlossen hat, kann dem Patent Nr. 411'659 ein gewisser technischer Fortschritt gegenüber dem Stand der Technik am Stichtag nicht abgesprochen werden. Man dürfe als sicher annehmen, dass durch die elastische Einlage die Schwingungen zwischen Skikörper und Kante in beiden Richtungen mehr gedämpft werden als nach vorbekannten Lösungen; diese Dämpfung sei aber ein Vorteil, zumal sie nur eine Relativbewegung zwischen dem Skikörper und der Kante, nicht aber zwischen der Lauffläche und dem Skioberteil zulasse. Das Obergericht hält die Gutachten auch bezüglich der erforderlichen Erfindungshöhe, die von allen Experten klar verneint worden sei, für überzeugend. Es geht mit den Sachverständigen davon aus, dass Bildstein schon im Jahre 1935 das Einbringen einer Gummischicht zwischen Kante und Skikörper gelehrt habe; die damals auf den Holzski bezogene Erfindung auch einmal auf die neuen Mehrschichtenskier anzuwenden, habe zur Zeit, als der Kläger sein Patent anmeldete,
BGE 102 II 370 S. 373
aber durchaus nahegelegen und könne deshalb nicht als besondere Leistung mit Erfindungshöhe gelten.
a) Der Kläger hält dem entgegen, die Lehre Bildsteins sei im Jahre 1939 von Klemm ausdrücklich abgelehnt worden; dieser habe eine starre Befestigung der Stahlkanten verlangt, und die Fachwelt sei ihm bis zur Erfindung gemäss Streitpatent ausnahmslos gefolgt. Während 23 Jahren habe somit über die Befestigung der Stahlkanten am Skikörper ein festeingewurzeltes technisches Vorurteil bestanden, das sich vom Holzski auf den aus Metall und Holz bestehenden Sandwich-Ski übertragen habe. Die Überwindung dieses Vorurteils beweise Erfindungshöhe, was die Vorinstanz verkannt habe.
Von der Überwindung eines Vorurteils könnte indes nur gesprochen werden, wenn die Lehre des Klägers sich auf einen Holzski beziehen würde. Das trifft nach seinen Patentansprüchen aber nicht zu. In der Widerklageantwort machte er übrigens geltend, die Lehre Bildsteins sei für die Befestigung von Stahlkanten an Holzskiern wegen deren besonderen Eigenschaften praktisch unbrauchbar gewesen, während die Lehre gemäss Streitpatent beim modernen Mehrschichtenski eine gute Verbindung von Kante und Skikörper ergebe. In der Berufungsschrift schliesst er dagegen nicht aus, dass "bei Bildstein noch ein gewisser Anhaltspunkt für die Entwicklung gemäss Streitpatent vorhanden" war.
Selbst wenn die Lehre Bildsteins für den Bau von Holzskiern angeblich nicht taugte, hinderte das den Fachmann nicht daran, auf sie zurückzugreifen und sie am Mehrschichtenski auszuprobieren, als dieser den Holzski ablöste. Ein solcher Versuch lag umso näher, als nach dem Stand der Technik anzunehmen war, dass die Gummieinlage beim Mehrschichtenski sich gerade wegen dessen Besonderheiten nicht nur leichter anbringen lasse, sondern auch anders wirken könnte als beim Holzski. Der Fachmann brauchte daher zur Zeit, als der Kläger seine Erfindung zur Patentierung anmeldete, bloss zu prüfen, ob die Lehre Bildsteins sich auf den modernen Mehrschichtenski übertragen lasse und welches ihre Wirkungen seien. Diese Übertragung geht aber nicht über das von einem Durchschnittsfachmann zu Erwartende hinaus und ist daher keine patentfähige Erfindung. Von einer solchen kann umsoweniger die Rede sein, als 1960/61 nach dem angefochtenen Urteil auch die Verteilung von Gummi auf die
BGE 102 II 370 S. 374
ganze Skibreite und die verschiedenen Möglichkeiten, auf Mehrschichtenskiern Stahlkanten anzubringen, bereits bekannt waren.
b) Die Vorinstanz hat die erforderliche Erfindungshöhe auch verneint, weil keiner der Experten von einem besonderen oder erheblichen technischen Fortschritt gesprochen habe; ihre ausserordentliche Mühe, die Frage zu beantworten, zeige gerade, dass es sich nicht um einen auffallenden Fortschritt handeln könne, der erlauben würde, bei der Prüfung der Erfindungshöhe einen weniger strengen Massstab anzulegen.
Der Kläger bemerkt dazu mit Recht, dass die Frage nach dem technischen Fortschritt im Gutachten B. offengelassen worden ist; die angeführte Erwägung des Obergerichtes ist in diesem Sinne richtigzustellen. Das heisst indes nicht, B. habe bezüglich des technischen Fortschrittes Zweifel gehabt; er machte bloss von der ihm im Expertenauftrag eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, diese Frage nicht zu prüfen, falls die erforderliche Erfindungshöhe nach seiner Auffassung zu verneinen war.
Ebensowenig geht es an, die Mühe der Oberexperten, den technischen Fortschritt einigermassen verlässlich abzuschätzen, als Indiz für die nötige Erfindungshöhe auszulegen. Eine solche Mühe spricht eher gegen eine zusätzliche schöpferische Leistung und damit gegen die Patentierbarkeit, zumal wenn es sich, wie hier, um eine blosse Übertragungserfindung handelt. Das ist auch dem Einwand entgegenzuhalten, Erfindungshöhe bewiesen ferner die Tatsachen, dass es heute noch keinen besseren Ski als jenen gemäss Streitpatent auf dem Markte gebe und dass mit diesem Ski grösste Rennerfolge erzielt worden seien. Weder das eine noch das andere hilft darüber hinweg, dass die Erfindung des Klägers zur Hauptsache in der Anwendung einer vorbekannten Lösung gemäss der Lehre Bildsteins besteht. Die Auffassung des Klägers läuft denn auch darauf hinaus, die erhöhten Anforderungen, welche nach der Rechtsprechung an die Patentierbarkeit einer Übertragungserfindung zu stellen sind, beträchtlich herabzusetzen oder aufzuheben.
c) Der Kläger wendet weiter ein, die Oberexperten hätten zur Frage der besonders fortschrittlichen Leistung mittelbar dadurch Stellung genommen, dass sie erklärten, man sei diesbezüglich auf Mutmassungen angewiesen. Um über das Ausmass
BGE 102 II 370 S. 375
des technischen Fortschrittes eine direkte Antwort zu erhalten, habe er am 24. Mai 1974 Erläuterungsfragen gestellt und ein Ergänzungsgutachten beantragt, das aber vom Obergericht im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung abgelehnt worden sei.
Auch dieser Rüge ist vorweg entgegenzuhalten, dass nicht zu verstehen ist, inwiefern der Kläger eine schöpferische Leistung von Erfindungshöhe erbracht haben könnte, indem er trotz der seit der Lehre Klemms bestehenden Bedenken die Anwendung einer Gummieinlage zwischen Kante und Skikörper befürwortete. Es handelte sich für ihn einfach darum, diese Bedenken zu überwinden und durch Versuche festzustellen, ob die befürchteten Nachteile eintreten würden. Damit ist nicht nur dem angeblich beträchtlichen technischen Fortschritt, den der Kläger aus dem Fahrverhalten des Mehrschichtenskis gemäss Streitpatent ableitet, sondern auch seinem Antrag auf Ergänzung der Gutachten die Grundlage entzogen (vgl.
BGE 85 II 142
und 514,
BGE 86 II 103
,
BGE 89 II 163
,
BGE 91 II 70
Erw. 2). Fragen kann sich bloss, ob das Obergericht den Begriff der erforderlichen Erfindungshöhe oder anderer technischer Fragen verkannt habe. Das behauptet der Kläger jedoch selber nicht und ist auch nicht zu ersehen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts (I. Kammer) des Kantons Luzern vom 28. April 1976 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6961833e-6e4c-499d-9c73-9cfa6494a75a | Urteilskopf
92 II 354
52. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. November 1966 i.S. Bremgarten-Dietikon-Bahn AG gegen Deringer. | Regeste
Eisenbahnhaftpflicht für Sachschaden (
Art. 11 Abs. 2;
Art. 21 EHG
).
Mit der in
Art. 21 EHG
genannten Konzession ist die eidgenössische Eisenbahnkonzession gemeint. Keinesfalls kann mit einer kantonalen "Konzession" (recte: Bewilligung zur Sondernutzung der öffentlichen Strasse) die Haftpflicht der Eisenbahnunternehmung über das EHG hinaus verschärft werden (Erw. 3).
Baumaschine auf Strasse neben Bahngeleise; beiderseitige Vorsichtspflichten. Anwendbarkeit der Verkehrsregeln des SVG auf die auf der Strasse fahrende Bahn (Art. 48, 1, 26, 40;
Art. 1 VRV
) (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 354
BGE 92 II 354 S. 354
A.-
Am 27. März 1963 war H. Deringer im Auftrag des Kantons Zürich damit beschäftigt, in Dietikon den frostbeschädigten Belag der Bremgartenstrasse neben dem Geleise der
BGE 92 II 354 S. 355
BDB mit seinem Löffelbagger auszubaggern. Das Aushubmaterial wurde auf Lastwagen verladen. Zu diesem Zwecke musste der Baggerarm jeweils um 1800 von der Aushubstelle zum Lastwagen und zurück geschwenkt werden. Diese Schwenkung erfolgte über dem Geleise der Bahn, weil sie infolge verschiedener Hindernisse anders nicht möglich war. Als Deringer einmal den Baggerarm wieder vom Lastwagen auf die Aushubstelle zurückschwenkte, stiess ein (für ihn von hinten) aus der Richtung Bremgarten herkommender Triebwagen der BDB gegen den Baggerarm. Es entstand sowohl am Triebwagen als am Bagger Sachschaden.
B.-
Deringer erhob gegen die BDB beim Bezirksgericht Zürich Klage auf Schadenersatz. Er machte geltend, der Unfall sei ausschliesslich auf die Unaufmerksamkeit des Führers des Triebwagens der BDB, Bürgi, zurückzuführen; die Bahn müsse ihm daher den ganzen erlittenen Schaden ersetzen, und zwar sowohl auf Grund von
Art. 11 Abs. 2 EHG
als gemäss § 4 der Zürcher Verordnung betr. die Leitungen und Geleiseanlagen in und über dem öffentlichen Grund (vom 21. Juli 1921), auf welche Art. 2 der kantonalen Konzessionsbedingungen der BDB, gestützt auf
Art. 21 EHG
, verweise.
Das Bezirksgericht wies die Klage in Anwendung des EHG wegen ausschliesslichen Selbstverschuldens des Klägers ab.
C.-
Auf Berufung des Klägers lehnte das Obergericht des Kantons Zürich die Anwendbarkeit der angerufenen kantonalen Verordnung ab, schützte jedoch die Klage gemäss
Art. 11 Abs. 2 EHG
grundsätzlich in der Höhe eines Viertels des Schadens, weil den Wagenführer der Bahn ein kausales Mitverschulden in diesem Verhältnis treffe.
D.-
Mit der vorliegenden Berufung beantragt die beklagte BDB gänzliche Abweisung der Klage.
Mit Anschlussberufung verlangt der Kläger Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zum Entscheid über die - von dieser verneinte - Frage, ob nicht in Anwendung von
Art. 21 EHG
durch die Konzessionsbedingungen des Kantons Zürich an die BDB eine über die Haftpflichtbestimmungen des EHG hinausgehende Haftung der Beklagten begründet worden sei.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
und 2. - (Zulässigkeit der Berufung in Ansehung von Art. 50, 43 Abs. 2 und 60 Abs. 1 lit. c OG).
BGE 92 II 354 S. 356
3.
Nach
Art. 21 EHG
kann die Konzession eine über die Bestimmungen dieses Gesetzes hinausgehende Haftpflicht begründen. Mit dieser Konzession ist die vom Bund gemäss dem früheren Bundesgesetz über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft (vom 23. Dezember 1872) Art. 1-4 zu erteilende Konzession gemeint (BS 7 S. 3 ff.; vgl. auch das frühere Bundesgesetz über den Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen vom 21. Dezember 1899, Art. 1 Abs. 4 u. Art. 2, BS 7 S. 117 ff.). Von einer andern, kantonalen "Konzession" war in den erwähnten Bundesgesetzen nie die Rede. Das frühere EHG vom 1. Juli 1875 kannte keine dem Art. 21 des heutigen EHG ähnliche Bestimmung. Trotzdem wurden in Art. 22 der eidgenössischen Konzession, die im Jahre 1894 der Gesellschaft zum Bau der Jungfrau-Bahn erteilt wurde, verschärfte Haftpflichtbestimmungen aufgenommen (vgl. ÖTIKER, Die Eisenbahngesetzgebung des Bundes, Bd. II S. 509). Das führte dann dazu, dass bei der Beratung des neuen, heute geltenden EHG (von 1905) der Art. 21 aufgenommen wurde (im Kommissionsentwurf Art. 16bis). Damit wollte man die Praxis der Eidg. Räte, "in ganz ausserordentlichen Fällen durch die Konzession selbst eine über die Bestimmungen des EHG hinausgehende Haftpflicht der konzessionierten Unternehmung zu begründen", sanktionieren (vgl. Votum des Kommissionsreferenten Loretan, StenBull NR 1902 S. 437 und die auf Antrag von Scherrer-Füllemann im damaligen Art. 18 - heute Art. 23 - aufgenommene Übergangsbestimmung, a.a.O. S. 421 f.). Mit keinem Wort aber wurde in den Beratungen je auf die Möglichkeit angespielt, dass Kantone und Gemeinden im Zusammenhang mit der Erteilung der Bewilligung zur Sondernutzung von Strassengebiet die Haftpflicht der Eisenbahnunternehmung verschärfen könnten. (Weder ÖTIKER [a.a.O.] noch GUYER, Komm. zum EHG S. 146, ziehen das überhaupt in Betracht). Es trifft also nicht zu, wenn in der Berufungsantwort ausgeführt wird, dass bei der Redaktion von
Art. 21 EHG
nicht nur an eidgenössische, sondern auch an kantonale Konzessionen gedacht wurde.
Die vom Berufungsbeklagten angeführten Arbeiten von TINNER, Die Rechtsbeziehungen zwischen Bund und Kantonen im Eisenbahnwesen, S. 168 f., sowie von K. STAEBLIN, Die Eisenbahnkonzession nach schweizerischem Recht, S. 135 und
BGE 92 II 354 S. 357
373, vermögen seinen Standpunkt nicht zu unterstützen. Es ist zwar richtig, dass - wie die beiden Autoren ausführen - einerseits die Bundeskonzession für Strassenbahnen nicht erteilt wird, wenn der betreffende Kanton oder die betreffende Gemeinde die Bewilligung zur Sondernutzung des Strassengebiets nicht erteilen, und dass anderseits bei erteilter Bewilligung in der Bundeskonzession darauf verwiesen wird (entweder auf allgemeine Vorschriften über die Sondernutzung öffentlicher Strassen oder auf sog. Pflichtenhefte im Einzelfall). Das besagt aber nicht, dass durch die kantonalen oder kommunalen Vorschriften das Bundesrecht abgeändert werden darf. Wie TINNER a.a.O. S. 169 f. ausführt, bedeutet die Erwähnung der kantonalen Pflichtenhefte in der Bundeskonzession nicht, dass sie materiell geprüft und genehmigt worden sind. Erweist sich eine Bestimmung des Pflichtenheftes zum vornherein als bundesrechtswidrig, so wird freilich die Bundeskonzession überhaupt nicht erteilt. Das hat jedoch nicht zur Folge, dass Pflichtenhefte Rechtskraft erlangen, wenn allfällige bundesrechtswidrige Bestimmungen bei der Erteilung der Bundeskonzession übersehen wurden. An diesem Sachverhalt ist durch das neue Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (AS 1958 S. 335 ff.) nichts geändert worden. In dessen Art. 5 Abs. 1 wurde lediglich die unter den früheren Gesetzen gehandhabte Praxis verankert durch Aufnahme des Satzes: "Für Strassenbahnen muss die nach kantonalem Recht nötige Bewilligung zur Benützung der öffentlichen Strasse erteilt oder zugesichert sein".
Den Ausführungen der Vorinstanz (E. 2 des angefochtenen Urteils) ist auch insoweit zuzustimmen, als sie den Kantonen ganz allgemein das Recht abspricht, die bundesrechtlichen Haftpflichtvorschriften zu ändern oder gar zu verschärfen. Das verstiesse gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (vgl. dazu OFTINGER, Haftpflichtrecht Bd. I S. 24). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Bund die Haftpflicht für eine bestimmte Materie in einem Spezialgesetz geordnet hat, wie es im vorliegenden Fall zutrifft. Vorliegend folgt daraus, dass § 4 der Zürcher Verordnung betr. die Leitungen und Geleiseanlagen in und über dem öffentlichen Grund vom 21. Juli 1921 unbeachtlich ist.
Die Anschlussberufung ist somit abzuweisen.
4.
Abgesehen vom Fall des
Art. 11 Abs. 1 EHG
, der hier nicht vorliegt, ist die Eisenbahnunternehmung nach
Art. 11
BGE 92 II 354 S. 358
Abs. 2 EHG
für den Schaden an Gegenständen, die weder als Frachtgut noch als Reisegepäck aufgegeben worden sind, nur dann ersatzpflichtig, wenn ihr ein Verschulden nachgewiesen wird. Von dieser Haftung kann sie - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht schon dann entbunden werden, wenn der Geschädigte sich grobfahrlässig verhalten hat. Eine Befreiung könnte in einem solchen Fall nur dann eintreten, wenn die Eisenbahnunternehmung bewiese, dass ihr Verschulden für den Unfall nicht adäquat kausal gewesen war (vgl. dazu OFTINGER a.a.O. S. 100). Es muss deshalb, trotz dem zweifellos grob fahrlässigen Verhalten des Klägers, vorerst entschieden werden, ob die Organe oder Angestellten der Beklagten (
BGE 76 II 390
) Handlungen vorgenommen oder Unterlassungen begangen haben, die der Beklagten als Verschulden angelastet werden müssen. Sollte diese Frage bejaht werden, so wäre weiter der Einwand der Beklagten zu prüfen, ihr Verschulden sei für den Unfall nicht kausal gewesen.
a) Mit Recht hat der Kläger in der Berufungsantwort seine vor der Vorinstanz vertretene Ansicht nicht wieder aufgenommen, die Beklagte habe schuldhaft unterlassen, Sicherheitsmassnahmen gegen allfällige Gefährdungen des Bahnverkehrs durch die Bauarbeiten anzuordnen. Es kann diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen in Erw. 5 und 6 lit. a des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Wohl hatte Strassenmeister Fahrni die Beklagte mündlich über den Beginn der Bauarbeiten unterrichtet, jedoch keine besonderen Gefahren für den Bahnverkehr erwähnt. Während vier Wochen vor dem Unfall musste die BDB verschiedene Baustellen befahren, ohne dass sich solche Gefahren zeigten. Die neue Baustelle am Unfallort war erst anderthalb Tage vor dem Unfall eröffnet worden. Eine Mitteilung an die Beklagte, dass dort der Baggerarm den Lichtraum der Bahn in Anspruch nehmen müsse und dass deswegen besondere Anordnungen der Beklagten nötig seien, war nicht erfolgt. Gemäss Fahrplan verkehren auf der Strecke täglich von ca. 05.00-24.00 Uhr in beiden Richtungen rund 40 Züge, sodass an der Baustelle durchschnittlich alle 30 Minuten ein Zug durchfuhr. Nach den Aussagen des Strassenwärters Lang mussten von 10 Zügen 8 wegen der Baustelle anhalten. Das konnten sie offenbar, weil das der Durchfahrt entgegenstehende Hindernis vom Wagenführer frühzeitig wahrgenommen werden konnte oder dieser vom Vorarbeiter gewarnt wurde.
BGE 92 II 354 S. 359
Unter solchen Umständen bestanden für das Zugspersonal kein Anlass und keine Pflicht, die Verwaltung der Beklagten auf eine besondere Gefährdung des Bahnbetriebes aufmerksam zu machen. Es war vielmehr Sache der auf der Baustelle beschäftigten Leute, insbesondere des Klägers, dafür zu sorgen, dass die Bahn entweder ungehindert durchfahren oder rechtzeitig vor einem allfälligen Hindernis anhalten konnte. Zur Zeit des Unfalls hatte sich der Vorarbeiter, der sonst auf dem Platze aufpasste, entfernt, und der Kläger schwenkte den Baggerarm herum, ohne sich zu vergewissern, dass kein Zug nahte.
b) Gemäss
Art. 48 SVG
gelten die Verkehrsregeln dieses Gesetzes auch für Eisenbahnfahrzeuge auf Strassen, soweit dies mit Rücksicht auf die Besonderheiten dieser Fahrzeuge, ihres Betriebs und der Bahnanlagen möglich ist. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei der Bremgartenstrasse um eine öffentliche Strasse im Sinne von
Art. 1 Abs. 1 SVG
handelt. Darunter sind nach
Art. 1 VRV
die von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen oder Fussgängern benutzten Verkehrsflächen zu verstehen. Nach
Art. 1 Abs. 2 SVG
gelten die Verkehrsregeln für die Führer von Motorfahrzeugen und die Radfahrer auf allen dem öffentlichen Verkehr dienenden Strassen, für die übrigen Strassenbenützer nur auf den für Motorfahrzeuge oder Fahrräder ganz oder beschränkt offenen Strassen. Aus dieser Bestimmung und aus der Tatsache, dass die Bremgartenstrasse während der Strassenarbeiten angeblich für den Verkehr von Motorfahrzeugen und Fahrrädern polizeilich gesperrt war, will die Beklagte ableiten,
Art. 48 SVG
könne auf das Verhalten des Triebwagenführers Bürgi nicht angewendet werden. Die Frage, ob eine bloss vorübergehende Sperre überhaupt geeignet ist, einer Strasse, die sonst von Motorfahrzeugen und Fahrrädern befahren wird, den Charakter einer öffentlichen Strasse im Sinne von
Art. 1 SVG
während der Zeit der Sperre zu nehmen, kann offen bleiben. Im vorliegenden Fall ist wesentlich, dass die Strasse nur für den durchgehenden Motorfahrzeugverkehr gesperrt war (vgl. auch Urteil des Bezirksgerichts S. 2). Der lokale Motorfahrzeugverkehr dagegen war zugelassen, ebenso der Fahrradverkehr. Die Ausnahmebestimmung des
Art. 1 Abs. 2 SVG
kommt deshalb zum vornherein nicht in Betracht. Zudem wären Strassenbahnfahrzeuge den Motorfahrzeugen und nicht den "übrigen Strassenbenützern" gleichzustellen. Bürgi hatte demzufolge - unter den in
Art. 48 SVG
genannten Vorbehalten - die Verkehrsregeln
BGE 92 II 354 S. 360
des SVG zu beachten. In Betracht fallen die Art. 26, 31, 32 und 40 SVG.
c) Nach der Grundregel des
Art. 26 SVG
muss sich im Verkehr jedermann so verhalten, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet. Daraus ergibt sich schon, dass Bürgi, auch wenn er nach der Annahme der Vorinstanz damit rechnete, dass die von ihm wahrgenommene Baumaschine allenfalls ein Bagger sein könnte, nicht zum vorneherein erwarten musste, der Baggerarm werde in den Lichtraum der Bahn gedreht; denn die Inanspruchnahme dieses Raumes durch den Bagger gehörte nicht zur "ordnungsgemässen Benützung" der Strasse. Bürgi, der die Strecke seit Eröffnung der Baustelle erst einmal, am Vorabend als diese nicht in Betrieb war, befahren hatte, wusste überhaupt nicht, dass der Baggerführer gezwungen war, den Baggerarm beim Beladen des Lastwagens über das Geleise der Bahn zu schwenken. Es kann ihm deshalb auch nicht
Art. 26 Abs. 2 SVG
entgegengehalten werden, wonach u.a. dann besondere Vorsicht geboten ist, wenn Anzeichen dafür bestehen, dass sich ein Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird. Solche Anzeichen für eine bevorstehende Gefahr fehlten. Bürgi brauchte auch nicht damit zu rechnen, dass - sofern es sich um einen Bagger handelte - der Baggerführer sich über die elementarsten Sorgfaltspflichten hinwegsetzen und den Baggerarm, ohne sich umzusehen, in den Lichtraum der heranfahrenden Bahn drehen werde. Bei einer erlaubten Geschwindigkeit von 40 km/h hatte Bürgi eine solche von 35 km/h eingehalten und sie schon in einiger Entfernung von der Baustelle auf 32 km/h herabgesetzt. Da keine Gefahrsanzeichen vorlagen, bestand kein Anlass, diese an sich geringe Geschwindigkeit noch weiter herabzusetzen oder gar auf Schrittempo zu ermässigen. Ebensowenig drängte sich die Abgabe eines Pfeifsignals auf, das übrigens vom Baggerführer wegen des Lärms seiner Maschine doch nicht gehört worden wäre. Bürgi hätte den Zusammenstoss nur vermeiden können, wenn er sich beim Herumschwenken des Auslegers noch in einer Entfernung befunden hätte, welche das Anhalten durch eine Schnellbremsung vor dem Bagger noch ermöglichte. Für eine solche Annahme fehlt jeder Beweis.
Aus alledem ergibt sich, dass dem Wagenführer Bürgi keine Schuld vorgeworfen werden kann. Es wäre zwar denkbar, dass
BGE 92 II 354 S. 361
das sog. Pflichtenheft, von dem in Erw. 3 hievor die Rede war (Bedingungen für die Erteilung der Bewilligung zur Sondernutzung der Strasse), gewisse fahrtechnische Vorschriften enthielte, deren Nichtbeachtung der Beklagten als Verschulden angerechnet werden müsste. Den Ausführungen der Vorinstanz (Erw. 4) ist jedoch zu entnehmen, dass die kantonale "Konzession" keine derartigen Bestimmungen enthält.
Da somit ein Verschulden der Beklagten im Sinne von
Art. 11 Abs. 2 EHG
fehlt, ist ihre Berufung begründet und die Klage gänzlich abzuweisen. Die von der Vorinstanz am Schlusse ihrer Erwägungen erörterte und bejahte Frage, ob der Kläger grundsätzlich Anspruch auf eine "weitergehende Entschädigung" im Sinne von
Art. 12 Satz 2 EHG
hätte, stellt sich mithin nicht mehr.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Anschlussberufung wird abgewiesen. Die Hauptberufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
69636b26-45c1-487a-92f4-4e72b9b20c85 | Urteilskopf
99 V 31
8. Auszug aus dem Urteil vom 9. März 1973 i.S. X gegen Eidgenössische Ausgleichskasse und Versicherungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Dauer der Rentenkürzung bei grobfahrlässig verursachter Invalidität (
Art. 7 IVG
).
Die Kürzung soll grundsätzlich so lange währen, als die Kausalität des Verschuldens nachwirkt (Bestätigung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 31
BGE 99 V 31 S. 31
Aus den Erwägungen:
Nach
Art. 7 Abs. 1 IVG
können die Geldleistungen der Invalidenversicherung dauernd oder vorübergehend verweigert, gekürzt oder entzogen werden, wenn der Versicherte seine Invalidität vorsätzlich oder grobfahrlässig oder bei der Verübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert hat. Damit soll verhütet werden, dass die Invalidenversicherung über Gebühr mit Schäden belastet wird, welche die Leistungsansprecher hätten vermeiden können, wenn sie die ihnen zumutbare Sorgfalt angewandt hätten. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass die Versicherten die gesetzliche Leistung entsprechend ihrem Verschulden ganz oder teilweise einbüssen. In EVGE 1962 S. 307 hat das Gericht erklärt,
BGE 99 V 31 S. 32
die dauernde Kürzung werde "wenigstens die Regel darstellen", soweit Renten in Frage stehen. Diese Auffassung hat es in EVGE 1967 S. 98 bestätigt mit der Begründung, dass wegen des aleatorischen Charakters von Höhe und Dauer der einzelnen Rente nur die prozentuale Kürzung während der ganzen Rentendauer den gesetzlichen Zweck gewährleiste. Würde man eine Invalidenrente von unbekannter Dauer zum vornherein nur für eine bestimmte Zeitspanne kürzen, so verzichtete man darauf, die Sanktion der Höhe des Schadens anzupassen, welchen die Versicherung wegen des schuldhaften Verhaltens des Anspruchsberechtigten zu tragen habe. Ein solcher Verzicht liefe daraufhinaus, die Kürzung vor allem nach strafrechtlichen Kriterien zu gestalten. Dies widerspräche dem Sinn der Kürzung, der keine Straffunktion zukomme (EVGE 1966 S. 98).
Immerhin anerkannte das Gericht schon in EVGE 1962 S. 307, dass Abweichungen von der Regel der dauernden Rentenkürzung möglich seien. In EVGE 1967 S. 98 beschränkte es diese möglichen Abweichungen ausdrücklich auf Ausnahmefälle.
An dieser Rechtsprechung, welche die Kürzungsdauer grundsätzlich von der Dauer der zeitlichen Einwirkung des schuldhaften Verhaltens auf die Invalidität abhängig macht, ist festzuhalten. Die abweichende Auffassung des Bundesamtes, die insbesondere in Rz. 258 der Wegleitung über Invalidität und Hilflosigkeit ihren Niederschlag gefunden hat, entspricht nicht dem Zweckgedanken der Kürzungsnorm des
Art. 7 Abs. 1 IVG
. Deshalb vermag ihr das Eidg. Versicherungsgericht nicht beizupflichten. Es wird zunächst Aufgabe des Bundesamtes sein, unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung Richtlinien betreffend die Ausnahmen vom Grundsatz der dauernden Rentenkürzung aufzustellen. | null | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
6967f332-d80b-4f23-9a81-f0716a4904bf | Urteilskopf
121 V 371
54. Auszug aus dem Urteil vom 7. September 1995 i. S. Rhätische Bahn AG (RhB) gegen Amt für Wirtschaft und Tourismus Graubünden und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 31 Abs. 1 lit. b und d,
Art. 32 Abs. 1 lit. a,
Art. 33 Abs. 1 lit. b AVIG
,
Art. 51 Abs. 2 AVIV
: Kurzarbeitsentschädigung für Arbeitnehmer öffentlichrechtlicher Institutionen.
Die Verkürzung der Arbeitszeit in der Hauptwerkstätte eines Verkehrs- und Transportunternehmens als Folge der Subventionskürzung des Bundes begründet keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. | Sachverhalt
ab Seite 372
BGE 121 V 371 S. 372
A.-
Die Rhätische Bahn AG (RhB) erneuerte am 10. Dezember 1993 ihr zuvor zurückgezogenes (mit Subventionskürzungen begründetes) Gesuch vom 27. August 1993 um Voranmeldung von Kurzarbeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1994 für die Betriebsabteilung Hauptwerkstätte in Landquart (138 Arbeitnehmer, 1 Arbeitnehmerin; voraussichtlicher prozentualer Arbeitsausfall pro Monat 20%) mit folgender Begründung:
"Durch die anhaltende Rezession sind im laufenden Geschäftsjahr die
Verkehrsleistungen beachtlich zurückgegangen. Aufgrund der mittelfristigen
Wirtschaftsprognosen müssen wir davon ausgehen, dass sich ein spürbares
Wirtschaftswachstum erst wieder in den Jahren ab 1995 einstellen wird.
Diese Ausgangslage verlangt, dass der vorbeugende Unterhalt an den
Bahnanlagen vorübergehend stark (bis 20%) gekürzt werden muss. Diese
Massnahme trifft die RhB ab Januar 1994. Die dadurch nicht ausführbaren
Unterhaltsarbeiten müssen in den folgenden Jahren nachgeholt werden. Die
Hauptwerkstätte, welche für den Fahrzeugbereich zuständig ist, wird dadurch
stark betroffen. Die Überkapazität wird vorübergehend bis zu 20% betragen,
wenn wir von Entlassungen absehen wollen. Zudem ist zu bemerken, dass sich
viele Mitarbeiter in der meist langjährigen Tätigkeit in unseren
Werkstätten spezifisches Fachwissen für den Eisenbahnfahrzeugunterhalt
angeeignet haben. Dies würde bei einer entlassungsbedingten Abwanderung in
andere Betriebe verloren gehen und müsste bei einer Rekrutierung von neuen
Mitarbeitern zuerst wieder aufgebaut werden. Die dadurch entstehenden
Mehrkosten wären beachtlich."
Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) hielt am 30. Dezember 1993 unter Hinweis auf seine Beurteilung vom 1. Oktober 1993 zuhanden der Kantonalen Amtsstelle fest, im Grunde habe sich mit dem neuen Gesuch materiell nichts geändert: Wären die Bundessubventionen ganz gewährt worden, könnte der vorübergehende Kapazitätsüberhang finanziert werden. Die Kurzarbeitsentschädigung könne nicht bewilligt werden, weil der geltend gemachte Arbeitsausfall auf Subventionskürzungen (strukturelles Defizit) und nicht auf einen wirtschaftlichen Grund (ungenügende Nachfrage nach Dienstleistungen) zurückzuführen sei.
Mit Entscheid vom 13. Januar 1994 erhob das Amt für Wirtschaft und Tourismus des Kantons Graubünden (KIGA) Einspruch und lehnte das Gesuch
BGE 121 V 371 S. 373
unter Bezugnahme auf die rechtliche Beurteilung des BIGA ab.
B.-
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wies mit Entscheid vom 3. Juni 1994 die von der RhB dagegen erhobene Beschwerde ab.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die RhB beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei dem Gesuch vom 27. August 1993 bzw. vom 10. Dezember 1993 um Voranmeldung von Kurzarbeit für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1994 stattzugeben; eventuell sei die Sache zu neuem Entscheid an das KIGA zurückzuweisen.
Das KIGA verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das BIGA hat sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
(Kognition)
2.
a) Gemäss
Art. 31 Abs. 1 AVIG
haben Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben (lit. a in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung), der Arbeitsausfall anrechenbar ist (lit. b), das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt (lit. c) und der Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre Arbeitsplätze erhalten werden können (lit. d). Ein Arbeitsausfall ist u.a. anrechenbar, wenn er auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen und unvermeidbar ist (
Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG
). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (unveröffentlichte Urteile Gemeinde H. vom 26. Mai 1994 und S. vom 6. Dezember 1985).
Ob der Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend ist und der Arbeitsplatz durch Kurzarbeit erhalten werden kann, kann im Zeitpunkt der Voranmeldung in der Regel nur prognostisch anhand von Vermutungen geprüft werden. Nach der Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass ein Arbeitsausfall wahrscheinlich vorübergehend sein wird und die Arbeitsplätze durch die Einführung von Kurzarbeit erhalten werden können, solange nicht konkrete Anhaltspunkte die gegenteilige Schlussfolgerung zulassen (
BGE 111 V 385
f. Erw. 2b). Dabei sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der
BGE 121 V 371 S. 374
angefochtenen Einspruchsverfügung prospektiv zu beurteilen (ARV 1989 Nr. 12 S. 124 Erw. 3a).
Ein auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführender und darum grundsätzlich anrechenbarer Arbeitsausfall gilt u.a. dann nicht als anrechenbar, wenn er durch Umstände verursacht ist, die zum normalen Betriebsrisiko des Arbeitgebers gehören (
Art. 33 Abs. 1 lit. a AVIG
), oder wenn er branchen-, berufs- oder betriebsüblich ist oder durch saisonale Beschäftigungsschwankungen verursacht wird (
Art. 33 Abs. 1 lit. b AVIG
). Damit will das Gesetz vor allem regelmässig wiederkehrende Arbeitsausfälle von der Kurzarbeitsentschädigung ausschliessen (ARV 1986 Nr. 9 S. 41 Erw. 1, 1985 Nr. 17 S. 104 Erw. 1 und S. 107 Erw. 1 sowie Nr. 18 S. 112 Erw. 3b).
b) Nach
Art. 32 Abs. 3 AVIG
regelt der Bundesrat für Härtefälle die Anrechenbarkeit von Arbeitsausfällen, die auf behördliche Massnahmen oder auf andere, vom Arbeitgeber nicht zu vertretende Umstände zurückzuführen sind. Nach
Art. 51 Abs. 1 AVIV
sind auch Arbeitsausfälle anrechenbar, die auf behördliche Massnahmen oder andere nicht vom Arbeitgeber zu vertretende Umstände zurückzuführen sind, wenn der Arbeitgeber sie nicht durch geeignete, wirtschaftlich tragbare Massnahmen vermeiden oder keinen Dritten für den Schaden haftbar machen kann. Dabei ist der Arbeitsausfall insbesondere anrechenbar (
Art. 51 Abs. 2 AVIV
), wenn er durch Ein- oder Ausfuhrverbote für Rohstoffe oder Waren (lit. a), Kontingentierung von Roh- oder Betriebsstoffen einschliesslich Brennstoffen (lit. b), Transportbeschränkungen oder Sperrung von Zufahrtswegen (lit. c), länger dauernde Unterbrüche oder erhebliche Einschränkungen der Energieversorgung (lit. d) oder Elementarschadenereignisse verursacht wird.
c) Die Einschränkung, dass regelmässig wiederkehrende Arbeitsausfälle nicht mit Kurzarbeitsentschädigung ausgeglichen werden können, gilt nach der Rechtsprechung sinngemäss auch dann, wenn die Anrechenbarkeit des Arbeitsausfalles an sich aufgrund eines unter
Art. 32 Abs. 3 AVIG
und
Art. 51 AVIV
fallenden Sachverhalts zu bejahen ist. Denn der eine wie der andere Fall steht unter dem Vorbehalt des normalen Betriebsrisikos oder der Branchen-, Berufs- oder Betriebsüblichkeit. Ist somit ein solcher Grund für die Verneinung der Anrechenbarkeit des Arbeitsausfalles gegeben, so ist es letztlich unerheblich, ob diesem ein Sachverhalt nach
Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG
oder nach
Art. 32 Abs. 3 AVIG
in Verbindung mit
Art. 51 AVIV
zugrunde liegt (ARV 1987 Nr. 8 S. 81 Erw. 1, 1985 Nr. 18 S. 113 Erw. 4).
BGE 121 V 371 S. 375
3.
a) Der Zweck der Kurzarbeitsentschädigung besteht darin, einerseits dem Versicherten einen angemessenen Ersatz für Erwerbsausfälle wegen Kurzarbeit zu garantieren und Ganzarbeitslosigkeit, d.h. Kündigung und Entlassung, zu verhindern. Der Verhütungsgedanke ist dabei sowohl von sozialen und wirtschaftlichen Überlegungen getragen als auch davon, die finanzielle Belastung der Arbeitslosenversicherung, wie sie ihr durch Ganzarbeitslose entsteht, möglichst gering zu halten. Anderseits dient die Kurzarbeitsentschädigung der Erhaltung von Arbeitsplätzen im Interesse sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber, indem die Möglichkeit der Erhaltung eines "intakten Produktionsapparates" über die Zeit der Kurzarbeit hinweg geboten wird (
BGE 120 V 526
Erw. 3b).
4.
a) In der Betriebsabteilung "Hauptwerkstätte der RhB in Landquart", welche für den Fahrzeugbereich zuständig ist, werden u.a. Unterhaltsarbeiten an Eisenbahnwagen durchgeführt. Laut den Gesuchen um Voranmeldung von Kurzarbeit vom 27. August und 10. Dezember 1993 ist die RhB von Kürzungen der Beiträge von Bund und Kanton betroffen wie auch durch den infolge der anhaltenden Rezession bewirkten beachtlichen Rückgang der Verkehrsleistungen. Diese Ausgangslage verlange, "dass der vorbeugende Unterhalt an den Bahnanlagen vorübergehend stark (bis 20%) gekürzt werden muss". Die dadurch nicht ausführbaren Unterhaltsarbeiten müssten in den folgenden Jahren nachgeholt werden.
b) Zu prüfen ist zunächst, ob ein anrechenbarer Arbeitsausfall vorliegt. Darunter wird der Wegfall oder das Fehlen einer Arbeitsgelegenheit für einen Arbeitnehmer verstanden, zu deren Wahrnehmung dieser verpflichtet oder berechtigt wäre (GERHARDS, a.a.O., N. 3 zu
Art. 32-33 AVIG
). Der Arbeitsausfall muss einen Verdienstausfall zur Folge haben (GERHARDS, a.a.O., N. 7 f. zu
Art. 32-33 AVIG
). Die Beschwerdeführerin erklärt in beiden Gesuchen zur Voranmeldung von Kurzarbeit, aufgrund der angespannten Finanzlage müssten in der Hauptwerkstätte Unterhaltsarbeiten an Eisenbahnwagen zurückgestellt und in den kommenden Jahren nachgeholt werden. Der "Arbeitsausfall" ist somit nach den zutreffenden Ausführungen des KIGA in der Vernehmlassung an die Vorinstanz nicht durch ein von der Beschwerdeführerin nicht beeinflussbares Fehlen an Arbeitsgelegenheit verursacht. Vielmehr sind es auf Budgetgründen beruhende betriebswirtschaftliche Überlegungen, welche die RhB veranlassen, an und für sich anstehende Unterhaltsarbeiten, soweit
BGE 121 V 371 S. 376
technisch verantwortbar, auf bessere Zeiten zu verschieben. Ein - unvermeidbarer - Arbeitsausfall im Sinne des Gesetzes liegt nicht vor.
Daran vermag der Einwand der Beschwerdeführerin in der Replik zur Vernehmlassung des KIGA an die Vorinstanz nichts zu ändern, der Rückgang der effektiv erbrachten Transportleistung infolge konjunkturell bedingten Nachfragerückganges führe automatisch zu weniger Unterhalt. Diese Behauptung widerspricht der Begründung im Gesuch um Voranmeldung von Kurzarbeit, wo von "vorbeugendem" Unterhalt insbesondere im Fahrzeugbereich gesprochen wird. Darauf ist die Beschwerdeführerin zu behaften.
c) Selbst wenn ein Arbeitsausfall im Sinne des Gesetzes vorläge, wäre er nicht auf einen wirtschaftlichen, d.h. konjunkturellen Grund zurückzuführen. Der Wegfall einer Subvention stellt keinen wirtschaftlichen Grund dar. Arbeitsausfälle trotz vorhandener Arbeit als Folge von Subventionskürzungen begründen keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (nicht publiziertes Urteil vom 29. September 1994 im Falle der Organisation gegen die Folter).
Daran ändert der Umstand nichts, dass die Sparmassnahmen des Bundes und die daraus folgenden Subventionskürzungen der öffentlichen Hand Folge der schlechten Wirtschaftslage sind. Im übrigen war ein allfälliger rezessionsbedingter Rückgang der Verkehrsleistungen nicht der entscheidende Grund für die Zurückstellung der Unterhaltsarbeiten im Fahrzeugbereich.
d) Es liegen auch keine Umstände im Sinne von
Art. 51 AVIV
vor, die im Härtefall die Anrechenbarkeit von Arbeitsausfällen zuliessen, welche auf behördliche Massnahmen zurückzuführen sind und die Beschäftigung von Arbeitnehmern objektiv verunmöglichen. Eine Ergänzung des - nicht abschliessenden - Katalogs von
Art. 51 Abs. 2 AVIV
mit dem Tatbestand der Subventionskürzungen, welche einen anrechenbaren Arbeitsausfall verursachen, ist nach dem Gesagten ausgeschlossen, weil kein Arbeitsausfall im Sinne des Gesetzes vorliegt.
e) Schliesslich hat die Vorinstanz zu Recht entschieden, dass ein infolge Subventionskürzungen eingetretener allfälliger Arbeitsausfall im vorliegenden Fall deswegen nicht anrechenbar wäre, weil er für Transportunternehmungen zum normalen Betriebsrisiko (
Art. 33 Abs. 1 lit. a AVIG
) gehört branchenüblich (
Art. 33 Abs. 1 lit. b AVIG
) und angesichts der Finanzlage des Bundes voraussichtlich auch nicht bloss vorübergehender Natur ist (
Art. 31 Abs. 1 lit. d AVIG
). | null | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
696e314c-f9bc-4a00-b32a-6f12e3f821da | Urteilskopf
111 Ia 154
28. Arrêt de la IIe Cour civile du 28 mars 1985 dans la cause Gatoil (Suisse) S.A. contre Jan S.A. et Cour de justice du canton de Genève (revision) | Regeste
Zusprechung einer Parteientschädigung, obwohl es die betreffende Partei formell nicht verlangt hat; Revisionsgesuch gestützt auf
Art. 136 lit. b OG
.
1. Es ist zulässig, eine Revisionsgesuch einzig gegen die Kosten- und Entschädigungsregelung zu richten, wenn der angerufene Revisionsgrund sich direkt auf die Kosten- und Entschädigungsfestsetzung bezieht (E. 2).
2. Im Beschwerde- und Berufungsverfahren setzt das Bundesgericht wie bei den direkten Prozessen die Parteientschädigung gemäss
Art. 159 OG
von Amtes wegen fest. Es kann daher der obsiegenden Partei eine Parteientschädigung zusprechen, ohne dass diese es formell verlangt hat (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 4 und 5). | Sachverhalt
ab Seite 154
BGE 111 Ia 154 S. 154
A.-
Le 4 avril 1984, la société Gatoil (Suisse) S.A. a formé un recours de droit public pour arbitraire contre un arrêt rendu le 24 février 1983 par la Première Section de la Cour de justice du canton de Genève dans la cause qui divise la recourante d'avec la société Jan S.A. Elle demandait l'annulation de la décision attaquée. L'intimée Jan S.A. a pris les conclusions suivantes dans sa réponse du 3 juillet 1984:
BGE 111 Ia 154 S. 155
"Plaise au Tribunal fédéral:
... donner acte (à l'intimée) de ce qu'elle s'en rapporte à l'appréciation du Haut Tribunal Fédéral;
Dire et prononcer que chacune des parties supportera ses propres frais d'instance et dépens."
B.-
Par arrêt du 4 octobre 1984, la IIe Cour civile a rejeté le recours et mis à la charge de la recourante les frais judiciaires, ainsi qu'une indemnité de 4'000 francs à payer à l'intimée à titre de dépens.
C.-
Gatoil (Suisse) S.A. présente une demande de revision. Elle conclut à ce que le chiffre 2 lettre d du dispositif de l'arrêt fédéral, en vertu duquel elle est condamnée à payer à Jan S.A. une indemnité de 4'000 francs à titre de dépens, soit annulé et à ce qu'il soit prononcé que les dépens de l'instance ayant abouti à l'arrêt susmentionné sont compensés.
L'intimée Jan S.A. propose le rejet de la demande de revision.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La requérante invoque l'
art. 136 lettre b OJ
, aux termes duquel la demande de revision d'un arrêt du Tribunal fédéral est recevable lorsque le tribunal a accordé à une partie soit plus que ce qu'elle a demandé ou autre chose sans qu'aucune prescription spéciale de la loi le permette, soit moins que ce que la partie adverse a reconnu devoir. Elle fait valoir que, en allouant des dépens à l'intimée, qui n'avait pas pris de conclusions dans ce sens, le Tribunal fédéral accorde à celle-ci plus que ce qu'elle a demandé.
2.
Dans un arrêt du 20 février 1962, publié aux
ATF 88 II 60
ss, le Tribunal fédéral a dit qu'une demande de revision dirigée uniquement contre la liquidation des frais et dépens est irrecevable (consid. 1a, p. 61). Cette jurisprudence a été dégagée à propos d'une demande de revision fondée sur l'
art. 137 lettre b OJ
, selon lequel la revision peut être requise lorsque le requérant a connaissance subséquemment de faits nouveaux importants ou trouve des preuves concluantes qu'il n'avait pas pu invoquer dans la procédure précédente. Elle a été critiquée (BONNARD, Jdt 1962 I 351/352). Sans entendre la remettre en question de manière générale (Ire Cour de droit public: arrêt non publié M., du 17 août 1981), le Tribunal fédéral en a néanmoins atténué la portée: il est possible de former une demande de revision uniquement contre le dispositif relatif aux frais et dépens lorsque le motif de revision
BGE 111 Ia 154 S. 156
invoqué se rapporte directement à la liquidation des frais et dépens (Chambre de droit administratif: arrêt non publié M., du 13 octobre 1978; Ire Cour de droit public: arrêt non publié Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement, du 28 décembre 1981; IIe Cour de droit public: arrêt non publié S. AG, du 25 mai 1982). Ce principe a été posé au sujet de demandes de revision présentées sur la base de l'art. 136 lettre c OJ, le Tribunal fédéral ayant omis d'allouer des dépens à la partie qui avait obtenu gain de cause, bien qu'elle eût pris des conclusions dans ce sens. On peut l'étendre au cas où le requérant, qui a succombé, fait valoir que la partie gagnante a obtenu des dépens alors qu'elle n'en avait pas demandé.
3.
Dans sa réponse au recours, l'intimée, après avoir formulé ses conclusions, sous lettre A, s'exprimait en ces termes ("B. Remarques préliminaires"):
"Bien que, de l'avis de l'intimée, l'arrêt rendu par la Première Section de la Cour de justice le 24 février 1984 soit critiquable en ce sens que la mesure ordonnée se confond avec les effets d'un jugement au fond, elle considère néanmoins que cette décision n'est pas arbitraire au sens de l'art. 4 CF. Pour cette raison, l'intimée s'en rapporte à l'appréciation du Haut Tribunal Fédéral.
De ce fait, et au cas où, par impossible, le Tribunal de céans viendrait à annuler l'arrêt de la Cour de justice du 24 février 1984, chacune des parties devra alors supporter ses propres frais d'instance et dépens."
L'intimée fait valoir que, si elle a conclu à la compensation des dépens, c'était uniquement dans la perspective où le recours serait admis, puisqu'elle s'en rapportait à justice; en revanche, il est évident, dit-elle, qu'en cas de rejet du recours les dépens devaient être mis à la charge de la recourante. Cette interprétation n'est pas exclue, d'autant que l'intimée précisait que la décision attaquée n'était pas arbitraire à ses yeux. Mais on peut aussi penser que, si Jan S.A. n'a pas expressément conclu à l'allocation de dépens, c'est parce qu'elle n'a pas envisagé l'éventualité où le recours serait rejeté. Quoi qu'il en soit, elle n'a pas formellement demandé des dépens en cas de rejet du recours.
4.
La question qui se pose est dès lors de savoir si, en procédure de recours, le Tribunal fédéral ne peut, à moins d'aller au-delà des conclusions des parties, allouer des dépens que lorsqu'ils ont été réclamés expressément. La recourante nie que l'attribution de dépens à la partie qui a obtenu gain de cause puisse se faire d'office; elle se prévaut de
BGE 111 Ia 154 S. 157
BIRCHMEIER (Organisation der Bundesrechtspflege, p. 528 n. 1 ad art. 159/160 OJ), ainsi que d'un arrêt du 1er juillet 1966, publié aux
ATF 92 II 128
ss (p. 133 consid. 4).
Ces références ne sont pas décisives. BIRCHMEIER se borne à dire que des dépens ne sont alloués que s'ils ont été demandés explicitement; il n'étaie cette affirmation d'aucun argument. Certes, en procédure de recours, le Tribunal fédéral a statué à de multiples reprises que l'allocation de dépens ne se fait qu'en cas de conclusions expresses (cf. BONNARD, op.cit., p. 351, qui parle d'une "jurisprudence constante"). Mais aucun arrêt publié n'explique, notamment avec des motifs tirés de l'étude des textes légaux, une jurisprudence fondée sur l'application stricte de la maxime des débats. L'arrêt
ATF 92 II 133
consid. 4 est dénué de pertinence à ce sujet; après avoir dit que, "vu les
art. 156 al. 2 et 159 OJ
, le Ministère public genevois ne saurait obtenir l'allocation de dépens", le Tribunal fédéral constate simplement: "Il n'en a du reste par réclamé."
En revanche, dans un arrêt du 28 janvier 1972, publié aux
ATF 98 Ib 133
ss, le Tribunal fédéral, statuant sur un recours de droit administratif, a alloué des dépens au recourant qui obtenait gain de cause, bien que celui-ci eût omis d'en demander. En matière de recours de droit administratif, a-t-il dit, le tribunal tranche d'office la question de l'attribution des dépens (p. 140 consid. 5). Il convient de donner à ce principe une portée générale.
Aux termes de l'
art. 159 OJ
, le Tribunal fédéral décide, en statuant sur la contestation elle-même, si et dans quelle mesure les frais de la partie qui obtient gain de cause seront supportés par celle qui succombe (al. 1); en règle générale, cette dernière est tenue de rembourser tous les frais indispensables occasionnés par le litige (al. 2 première phrase). Cette disposition légale ne fait pas dépendre explicitement l'allocation des dépens de la demande de la partie gagnante. Sa rédaction incite plutôt à penser que la question des dépens est l'accessoire de l'objet du procès: le tribunal la tranche d'office, car elle est déduite en justice avec la contestation elle-même, à laquelle elle est étroitement liée. Il n'est dès lors pas nécessaire que le plaideur qui obtient gain de cause réclame expressément des dépens pour s'en voir attribuer. C'est l'interprétation que LEUCH donne de l'art. 58 al. 1 du code de procédure civile bernois, dont le texte est analogue à celui de l'art. 159 al. 2 première phrase OJ ("La partie qui succombe sera, en règle générale, condamnée au remboursement intégral des
BGE 111 Ia 154 S. 158
dépens de son adversaire"): vu les termes utilisés, dit-il, l'attribution d'office des dépens paraît préférable à l'attribution seulement sur demande, car la réclamation des dépens peut très bien être considérée comme allant de soi (Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3e éd., p. 95/96, n. 1 ad art. 58; cf., dans le sens de l'allocation d'office, pour l'art. 92 du code de procédure civile vaudois, ROGNON, Les conclusions, étude de droit fédéral et de procédure civile vaudoise, thèse Lausanne 1974, p. 101/102, et POUDRET, JdT 1976 III 71 ss; pour le § 68 de code de procédure civile zurichois, STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2e éd., p. 150 n. 1 et la jurisprudence citée).
Au surplus, l'
art. 69 al. 1 PCF
dispose que, dans les procès directs au sens des
art. 41 et 42 OJ
, le Tribunal fédéral statue d'office sur les frais, en conformité des
art. 153, 156 et 159 OJ
. Il n'y a aucun motif que le tribunal s'en tienne à des principes opposés selon qu'il juge en instance unique ou en procédure de recours. Le renvoi à l'
art. 159 OJ
ne peut, au contraire, que confirmer l'interprétation dégagée du texte même de cette disposition légale. Le législateur de 1947 a explicitement précisé ce qui n'était qu'impliqué dans la loi fédérale d'organisation judiciaire de 1943. Si, selon le message du Conseil fédéral, l'
art. 69 al. 1 PCF
pose en principe que le juge statue d'office sur les frais du procès, c'est que la réclamation des dépens va de soi (cf. le texte allemand, qui ne prête à aucune équivoque, BBl 1947 I 1017 in fine: "Art. 69 Abs. 1, führt den Grundsatz ein, dass der Richter vom Amtes wegen über die Prozesskosten entscheidet; denn die Kostenforderung der Partei ist selbstverständlich"): cette considération a une portée générale.
5.
Ainsi, tranchant d'office la question de l'attribution des dépens, en procédure de recours comme en instance unique, le Tribunal fédéral peut allouer des dépens au plaideur qui a obtenu gain de cause sans qu'il les ait explicitement réclamés. Sont réservés, bien entendu, la renonciation expresse ou les accords entre les parties.
En l'espèce, si l'intimée n'a pas pris de conclusion tendant à l'allocation de dépens au cas où le recours serait rejeté, elle n'y a cependant pas formellement renoncé. Aucun motif ne justifiait que, bien qu'obtenant gain de cause, il ne lui fût pas alloué de dépens. Dès lors, le Tribunal fédéral ne pouvait que s'en tenir à la règle générale de l'art. 159 al. 2 première phrase OJ.
BGE 111 Ia 154 S. 159
Les conditions d'application de l'
art. 136 lettre b OJ
ne sont partant pas réalisées: le tribunal n'est pas allé au-delà des conclusions de l'intimée en lui accordant plus que ce qu'elle demandait. La demande de revision ne peut donc qu'être rejetée. | public_law | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
696fb5a6-ff23-4057-820c-543639287d32 | Urteilskopf
85 II 512
74. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. November 1959 i.S. Fischli gegen Matthée & Genecand "Trima". | Regeste
1. Art. 1, 16 Abs. 1 Ziff. 1 aPatG. Begriff der Erfindung.
2.
Art. 67 Ziff. 1 OG
. Wann rechtfertigt es sich, in Streitigkeiten über Erfindungspatente die tatsächlichen Feststellungen über technische Verhältnisse zu überprüfen und neue Beweismassnahmen zu treffen? | Erwägungen
ab Seite 513
BGE 85 II 512 S. 513
Aus den Erwägungen:
1.
Nach Art. 16 Abs. 1 aPatG, der gemäss
Art. 112 lit. a PatG
auf die vor dem 1. Januar 1956 erteilten Patente anwendbar geblieben ist, hat der Richter das Patent unter anderem dann nichtig zu erklären, wenn keine Erfindung vorhanden (Ziff. 1) oder wenn diese nicht neu ist (Ziff. 4). Der Kläger bestreitet die Neuheit des Gegenstandes der angefochtenen Patente nicht, macht jedoch geltend, dass er nicht die Eigenschaften einer Erfindung aufweise.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes (
BGE 85 II 138
und dort angeführte Entscheide) liegt eine Erfindung vor, wenn der Gegenstand des Patentes einen klar erkennbaren technischen Fortschritt aufweist und auf einem schöpferischen, nicht schon jedem durchschnittlich gut ausgebildeten Fachmann naheliegenden Gedanken beruht (Erfindungshöhe). Daran ist festzuhalten. Der Kläger versucht denn auch nicht, den Begriff der Erfindung anders zu umschreiben, sondern beschränkt sich auf Darlegungen, wonach die beiden Merkmale im vorliegenden Falle nicht erfüllt seien.
2.
Der Kläger will die tatsächlichen Verhältnisse, aus denen nach der Auffassung des Handelsgerichts der durch die Trima-Schnalle erzielte klar erkennbare technische Fortschritt und die Erfindungshöhe hervorgehen, durch Sachverständige widerlegen. Er beantragt dem Bundesgericht, solche zu befragen und sie allenfalls zur Urteilsberatung beizuziehen.
Gemäss
Art. 67 Ziff. 1 OG
in der Fassung des
Art. 118 PatG
kann das Bundesgericht in Streitigkeiten über Erfindungspatente die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz über technische Verhältnisse auf Antrag oder von Amtes wegen überprüfen und zu diesem Zwecke die erforderlichen Beweismassnahmen treffen, insbesondere den
BGE 85 II 512 S. 514
Sachverständigen der Vorinstanz zu einer Ergänzung seines Gutachtens veranlassen oder einen oder mehrere neue Sachverständige bestellen oder einen Augenschein vornehmen.
Nach dem Wortlaut dieser Norm "kann" das Bundesgericht Beweismassnahmen treffen. Es ist nicht verpflichtet, einem dahin gehenden Begehren einer Partei unbesehen Folge zu geben. Ein Antrag in der Bundesversammlung, der dem Gesetz diesen Sinn geben wollte, wurde abgelehnt (StenBull NatR 1952 450 ff., StR 1953 406 f.;
BGE 85 II 142
).
Was die Voraussetzungen betrifft, unter denen sich neue Beweismassnahmen rechtfertigen, ist zu berücksichtigen, dass
Art. 67 OG
im Rahmen der Bestimmungen über die Berufung (
Art. 43-67 OG
) steht und daher im Geiste dieses Rechtsmittels auszulegen ist. Er macht es nicht zur Appellation, die das Bundesgericht verpflichten würde, den Rechtsstreit in tatsächlicher Hinsicht, soweit sich technische Fragen stellen, allseits neu zu beurteilen, d.h. die Beweise selber zu würdigen und sie allenfalls zu ergänzen. Art. 67 Ziff. 1 lässt das Verfahren ein Berufungsverfahren sein, in dem das Urteil auf Grund des vom kantonalen Richter festgestellten Tatbestandes gefällt wird, mit der Einschränkung, dass die tatsächlichen Feststellungen über technische Verhältnisse der Überprüfung und Berichtigung zugänglich sind, wenn das Bundesgericht einen Grund hat, an ihrer Richtigkeit oder Vollständigkeit zu zweifeln. Solche Gründe liegen namentlich dann vor, wenn der kantonale Richter, von unzutreffenden Rechtsbegriffen ausgehend, sich die technischen Fragen nicht richtig und vollständig gestellt hat oder wenn seine Feststellungen unklar, unzusammenhängend oder ungenau sind, sich widersprechen oder auf irrtümlichen oder unvollständigen Überlegungen beruhen. Feststellungen, die keine solchen oder ähnlichen Mängel aufweisen, sind dagegen nicht durch neue Beweismassnahmen zu überprüfen. Insbesondere sind neue Sachverständige nicht schon zu ernennen, wenn möglich ist,
BGE 85 II 512 S. 515
dass sie vom Gutachten der in der kantonalen Instanz befragten Sachverständigen abweichen würden, namentlich wenn eine Partei es durch Einlegung eines Privatgutachtens beanstandet. Ein solches Suchen nach anderen Auffassungen widerspräche nicht nur der Natur der Berufung, sondern könnte die Streitigkeiten über Erfindungspatente so verlängern, dass die Rechtslage urteilsmässig erst abgeklärt wäre, wenn die Dauer des Patentes annähernd oder vollständig abgelaufen und das Interesse am Urteil im wesentlichen dahingefallen ist. Laut Ergänzungsbotschaft vom 28. Dezember 1951 zur Vorlage über die Revision des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente war auch schon der Bundesrat der Auffassung,
Art. 67 Ziff. 1 OG
bedeute nicht, dass die Feststellungen der kantonalen Instanz über technische Verhältnisse in jedem Falle insgesamt überprüft werden müssten, sondern nur, dass das Bundesgericht nicht verpflichtet sei, "sie tale quale hinzunehmen"; das Bundesgericht "bleibe aber berechtigt, sie hinzunehmen in allen Fällen, wo ein Grund für eine Änderung nicht besteht" (BBl 1952 I 23). Im Nationalrat wurde erklärt, neue Beweismassnahmen seien nur zu treffen, wenn das Bundesgericht sich sage, eine nähere Abklärung sei noch erforderlich (StenBull NatR 1952 453, Votum des Berichterstatters Huber). Der Berichterstatter im Ständerat wies darauf hin, dass der vorgeschlagene Wortlaut in der Zulassung der Überprüfung des Tatbestandes wohl an die äusserste Grenze dessen gehe, was mit dem Berufungsverfahren noch vereinbart werden könne (StenBull StR 1953 406). Er war also der Auffassung, dass das Rechtsmittel trotz des
Art. 67 OG
eine Berufung bleibe. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
69734442-25f5-47d1-816d-10bf560c24cf | Urteilskopf
112 V 180
32. Auszug aus dem Urteil vom 16. Mai 1986 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Signer und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Art. 47 Abs. 2 AHVG
,
Art. 49 IVG
.
- Beginn der einjährigen Verwirkungsfrist, wenn die Verwaltung ihre für die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs erforderliche Kenntnis noch mit zusätzlichen Abklärungen vervollständigen muss (Erw. 4b).
- Falls es für die Ermittlung des Rückforderungsanspruchs des Zusammenwirkens mehrerer hiemit betrauter Verwaltungsstellen (hier: Invalidenversicherungs-Kommission und Ausgleichskasse) bedarf, genügt es für den Beginn des Fristenlaufs, wenn die erforderliche Kenntnis bei einer der zuständigen Verwaltungsstellen vorhanden ist (Änderung der Rechtsprechung; Erw. 4c). | Erwägungen
ab Seite 181
BGE 112 V 180 S. 181
Aus den Erwägungen:
4.
a) Nach
Art. 47 Abs. 2 Satz 1 AHVG
verjährt der Rückforderungsanspruch mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ausgleichskasse davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren seit der einzelnen Rentenzahlung. Bei diesen Fristen handelt es sich um Verwirkungsfristen (
BGE 111 V 135
).
In Anlehnung an die Praxis zu
Art. 82 Abs. 1 AHVV
betreffend die Verwirkung von Schadenersatzforderungen im Sinne von
Art. 52 AHVG
hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass die einjährige Verwirkungsfrist in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in welchem die Verwaltung bei Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Rückerstattung bestehen (
BGE 110 V 305
Erw. 2b). Um die Voraussetzungen für eine Rückerstattung beurteilen zu können, müssen der Verwaltung alle im konkreten Einzelfall erheblichen Umstände zugänglich sein, aus deren Kenntnis sich der Rückforderungsanspruch dem Grundsatz nach und in seinem Ausmass gegenüber einem bestimmten Rückerstattungspflichtigen ergibt (vgl. dazu
BGE 108 V 50
). Für die Beurteilung des Rückforderungsanspruchs genügt es nicht, dass der Kasse bloss Umstände bekannt werden, die möglicherweise zu einem
BGE 112 V 180 S. 182
solchen Anspruch führen können, oder dass dieser Anspruch bloss dem Grundsatz nach, nicht aber in masslicher Hinsicht feststeht; das gleiche gilt, wenn nicht feststeht, gegen welche Person sich die Rückforderung zu richten hat (
BGE 111 V 16
Erw. 3). Ferner ist die Rückforderung als einheitliche Gesamtforderung zu betrachten. Vor Erlass der Rückerstattungsverfügung muss die Gesamtsumme der unrechtmässig ausbezahlten Renten feststellbar sein (
BGE 111 V 19
Erw. 5).
Die fünfjährige Verwirkungsfrist des
Art. 47 Abs. 2 Satz 1 AHVG
beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, an welchem die Leistung effektiv erbracht worden ist, und nicht etwa mit dem Datum, an welchem sie hätte erbracht werden sollen (
BGE 111 V 17
Erw. 3 in fine, 108 V 4).
b) Die mit
BGE 110 V 304
begründete Praxis, wonach der Beginn der einjährigen Verwirkungsfrist unter dem Gesichtspunkt der von der Verwaltung geforderten Aufmerksamkeit zu bestimmen ist, hat nicht nur bei der Beantwortung der Frage zu gelten, ob die von einem Dritten erstattete Meldung die erforderliche Kenntnis der Verwaltung auszulösen vermag. Sie ist sinngemäss auch auf die von der Verwaltung in der Folge zu treffenden Abklärungen auszudehnen. Die Verwaltung hat die ihr zumutbare Aufmerksamkeit insbesondere auch bei den sich allenfalls aufdrängenden Erhebungen anzuwenden, damit ihre noch ungenügende Kenntnis so vervollständigt wird, dass der Rückforderungsanspruch die nötige Bestimmtheit erhält. Wenn die Verwaltung nicht die erforderlichen Anstrengungen unternimmt, um über ihre noch ungenügend bestimmte Forderung innert absehbarer Zeit ein klares Bild zu erhalten, so darf sich ihre Säumnis nicht zu ihren Gunsten und zuungunsten des Versicherten auswirken. In einem solchen Fall ist der Beginn der Verwirkungsfrist vielmehr auf den Zeitpunkt festzusetzen, in welchem die Verwaltung ihre unvollständige Kenntnis mit dem erforderlichen und zumutbaren Einsatz so hätte ergänzen können, dass der Rückforderungsanspruch die nötige Bestimmtheit erhält und der Erlass einer Verfügung möglich wird.
c) Nachdem vorliegend die Rückerstattungsverfügung vom 3. Mai 1983 innerhalb der Verwirkungsfrist von fünf Jahren erging, ist zu prüfen, ob die Ausgleichskasse die zu Unrecht seit 1. Juli 1981 bezogenen Rentenbetreffnisse rechtzeitig innerhalb der einjährigen Verwirkungsfrist geltend machte.
Zunächst stellt sich die Frage, ob sich die Ausgleichskasse die Kenntnis der Invalidenversicherungs-Kommission (IVK) anrechnen
BGE 112 V 180 S. 183
lassen muss. Nach dem Wortlaut von
Art. 47 Abs. 2 Satz 1 AHVG
ist die Kenntnis der Ausgleichskasse ausschlaggebend. Dem entspricht die bisherige Praxis, wonach die Frist erst in jenem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in welchem die für die Rückerstattungsfrage zuständige Kassenstelle - und nicht die IVK - vom Rückforderungsanspruch Kenntnis erhält (EVGE 1964 S. 196 Erw. 3). An dieser Praxis kann nicht festgehalten werden. Gemäss
Art. 49 IVG
findet
Art. 47 AHVG
für das Gebiet der Invalidenversicherung lediglich "sinngemäss Anwendung". Es ist daher der Besonderheit der Invalidenversicherung Rechnung zu tragen. Im Gegensatz zur AHV (vgl.
Art. 49 AHVG
) sind in der Invalidenversicherung neben den Ausgleichskassen noch andere Verwaltungsstellen mit der Durchführung der Versicherung betraut (vgl.
Art. 53 IVG
). Wo die Ursache des unrechtmässigen Leistungsbezugs den Aufgabenbereich mehrerer Verwaltungsstellen betrifft und deren Zusammenwirken somit für die Ermittlung des Rückforderungsanspruchs erforderlich ist, kann für den Beginn des Fristenlaufs nicht allein die Kenntnis der Ausgleichskasse ausschlaggebend sein. In solchen Fällen muss die einjährige Verwirkungsfrist für die zuständigen Verwaltungsstellen zusammen Geltung besitzen. Falls zwei Verwaltungsstellen mit geteilten Kompetenzen - wie vorliegend die IVK und die Ausgleichskasse - für die Durchführung zuständig sind, genügt es für den Beginn des Fristenlaufs, dass die nach der Praxis erforderliche Kenntnis bei einer der zuständigen Verwaltungsstellen vorliegt. Diese Auslegung kann die Aufgabe von Ausgleichskasse und IVK nicht über Gebühr erschweren, da die beiden Verwaltungsstellen im Bereich der Renten und Hilflosenentschädigungen ohnehin in enger Verbindung tätig werden müssen (vgl. Art. 69 Abs. 1, 74 Abs. 2, 77 Abs. 2, 88 IVV); wo die Angelegenheit in die Zuständigkeit einer kantonalen Ausgleichskasse fällt, besteht zudem eine direkte Verbindung zur IVK schon dadurch, dass die Ausgleichskasse das Sekretariat der IVK führt (
Art. 57 IVG
).
Ferner ist die Frage zu beurteilen, wann die einjährige Verwirkungsfrist zu laufen begann. Die IVK erfuhr von den veränderten Einkommensverhältnissen des Beschwerdegegners erstmals mit dem Eingang des Berichts des Sozialdienstes am 12. März 1982. Gestützt darauf war indessen die Verwaltung noch nicht in der Lage, ihren Rückforderungsanspruch zu ermitteln. Hiezu waren weitere Abklärungen erforderlich, insbesondere darüber, ob die Lohnangaben des Sozialdienstes, die dieser ausdrücklich als
BGE 112 V 180 S. 184
"gemäss Angaben des Patienten" machte, richtig waren. Die Arbeitgeberin führte denn auch im Fragebogen vom 8. Mai 1982 teilweise erheblich abweichende Lohnzahlen an. Des weitern musste die Frage eines allfälligen Soziallohnes sowie der Zumutbarkeit der Arbeit geprüft und das hypothetische Erwerbseinkommen ohne Invalidität ermittelt werden. Vor dem Eintreffen des Arbeitgeberberichts vom 8. Mai 1982 liess sich überhaupt noch nicht feststellen, ob die Revisionsvoraussetzungen des
Art. 41 IVG
erfüllt waren. Da bei den Abklärungen keine unannehmbare Verzögerung eingetreten ist, wäre die Verwaltung frühestens aufgrund der Angaben des am 10. Mai 1982 bei der IVK eingegangenen Arbeitgeberberichts vom 8. Mai 1982 in der Lage gewesen, den Rückforderungsanspruch dem Grundsatz nach und in seinem Ausmass zu ermitteln. Es ist daher davon auszugehen, dass die einjährige Verwirkungsfrist frühestens am 10. Mai 1982 zu laufen begann. Daraus folgt, dass die Rückerstattungsverfügung vom 3. Mai 1983 innerhalb der Jahresfrist des
Art. 47 Abs. 2 AHVG
erging. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann demnach der Rückerstattungsanspruch der Ausgleichskasse nicht als verwirkt betrachtet werden. | null | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
69737dc7-ce9b-439b-b2e1-4136364f0d7f | Urteilskopf
81 II 223
39. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 21 juin 1955 dans la cause Fabrique d'emballages métalliques SA contre demoiselle Monney. | Regeste
Art. 55 ZGB
, 55 und 339 OR, 129 KUVG.
Haftung des Dienstherrn, der dem KUVG unterstellt ist.
Aktiengesellschaft als Dienstherr.
Begriff des Organs im Sinne von
Art. 55 ZGB
. | Sachverhalt
ab Seite 224
BGE 81 II 223 S. 224
Résumé des faits:
La Fabrique d'emballages métalliques est une société anonyme qui a pour but la fabrication de tous emballages métalliques en fer blanc ou autre métal ainsi que la confection d'articles d'étampes et de masse. Le 17 janvier 1954 une de ses ouvrières, demoiselle Monney a été victime d'un accident professionnel. En emboutissant une membrane, elle se fit prendre la main gauche dans une presse; l'index et le médius furent mutilés et durent être partiellement amputés. Estimant insuffisantes les prestations de la Caisse nationale, elle a actionné son employeur en payement d'une indemnité pour tort corporel et moral. Confirmant le jugement rendu par le tribunal de première instance, la Cour d'appel de l'Etat de Fribourg a fait droit partiellement aux conclusions de la demande. Sur recours de la défenderesse, le Tribunal fédéral a réformé l'arrêt cantonal en ce sens qu'il a débouté la demanderesse de ses conclusions en payement d'une indemnité pour tort corporel.
Erwägungen
Extrait des motifs:
1.
Suivant l'art. 129 LAMA, l'employeur qui a payé les primes auquel il est astreint dans l'assurance obligatoire - ce qui est le cas de la recourante - n'est civilement responsable de l'accident subi par ses employés ou ouvriers que s'il l'a causé intentionnellement ou par faute grave. Ainsi qu'on l'a déjà relevé à maintes reprises, cette limitation est en principe indépendante des causes de la responsabilité, lesquelles demeurent régies par le droit commun, sous réserve toutefois, dans certains cas, de la question de la répartition du fardeau de la preuve (cf. RO 72 II 312/313 et les arrêts cités). La responsabilité de l'employeur soumis à la LAMA peut donc se trouver engagée en raison
BGE 81 II 223 S. 225
de l'inobservation qui découle pour lui, aussi bien que pour tout autre employeur, des art. 55 et 339 CO. Encore faut-il, s'il s'agit - comme en l'espèce - d'une société anonyme que le fait (action ou inaction) qui a été la cause de l'accident puisse être imputé à faute soit à la société elle-même, ayant agi ou négligé d'agir par l'entremise de ses représentants légaux ou statutaires, soit à une autre personne ou autre groupement de personnes possédant la qualité d'organe au sens de l'art. 55 CC.
En l'espèce, la Cour cantonale a admis que le premier accident a été dû au fait que la presse à laquelle travaillait l'intimée, au lieu d'être munie d'un étrier complètement fermé, n'avait qu'un étrier à demi-fermé, non adapté au travail auquel se livrait l'intimée et d'autant moins indiqué en l'occurrence que cette dernière était gauchère, ce que le contremaître Folly ne pouvait ignorer. On ne saurait contester qu'en ne s'assurant pas que son subordonné Maradan avait adapté à la presse à laquelle travaillait l'intimée le dispositif qui lui aurait assuré la protection nécessaire, le contremaître Folly a commis une faute grave en rapport de causalité adéquat avec l'accident. Folly qui avait été instruit par le délégué de la Caisse nationale de moyens propres à assurer la meilleure protection des ouvrières ne pouvait, en effet, ignorer le danger que présentait le travail aux presses. Sa négligence ne saurait toutefois, d'après les principes rappelés ci-dessus, être imputée à faute à la recourante que dans les deux hypothèses suivantes, à savoir:
a) s'il était prouvé - cette preuve incombant à l'intimée - que la recourante avait commis une faute grave en confiant à Folly les fonctions dont il était chargé, ou en ne l'ayant pas suffisamment instruit sur ses devoirs, ou encore en n'ayant pas exercé sur lui la surveillance voulue;
b) si Folly devait être considéré en l'occurrence comme un organe de la société.
ad a) La recourante n'a rien allégué qui autorise à dire
BGE 81 II 223 S. 226
que Folly n'était pas capable de remplir le poste qu'il occupait. Il était au contraire considéré comme un employé qualifié et consciencieux, et il faut bien admettre qu'il méritait d'une façon générale la confiance de son employeur, puisque ce dernier, postérieurement aux accidents, l'a promu au poste de chef de fabrication. Quant à Maradan, les manquements qui ont pu lui être reprochés ne furent découverts qu'après l'accident et ils ont entraîné son renvoi immédiat. On ne saurait non plus reprocher à la recourante d'avoir omis de donner à Folly et à Maradan des instructions sur la manière de se servir des presses. Ils avaient été en effet initiés à l'emploi des étriers par un technicien de la Caisse nationale que la recourante avait fait venir spécialement à cet effet. Il se peut enfin que la recourante eût dû surveiller mieux qu'elle ne l'a fait la façon dont Folly et Maradan s'acquittaient de leur tâche et, en particulier, s'assurer par un contrôle fréquent qu'ils suivaient bien les prescriptions de la Caisse nationale. Mais, étant donné ce qu'on vient de dire au sujet des qualités professionnelles de Folly, il s'agirait là tout au plus d'une faute légère ne suffisant par conséquent pas à engager sa responsabilité en vertu de l'art. 129 LAMA.
ad b) Il est exact, ainsi que le relève la Cour cantonale, que depuis l'entrée en vigueur du code civil suisse, le Tribunal fédéral a parfois donné une interprétation très large de l'art. 55 CC, allant même jusqu'à attribuer la qualité d'organe au chef-monteur d'une usine électrique (cf. au sujet de l'évolution de la jurisprudence l'arrêt Julita contre Compagnie genevoise des tramways électriques, RO 68 II 289/290). Dans ce même arrêt le Tribunal fédéral s'est toutefois demandé si une telle extension de la notion d'organe résisterait à un nouvel examen. Qu'on ne se borne pas à qualifier d'organe au sens de l'art. 55 CC la personne ou le groupe de personnes auxquels, suivant l'espèce de personnes morales dont il s'agit, la loi confère cette qualité, sans doute faut-il l'admettre si l'on ne veut pas rendre illusoire la protection qu'institue l'art. 55 CC.
BGE 81 II 223 S. 227
Mais encore faut-il qu'il s'agisse de personnes ou de groupes de personnes qui, de par la situation qu'ils occupent dans l'affaire et les pouvoirs qui leur sont dévolus par les statuts ou les règles qui régissent l'organisation interne de l'affaire, participent effectivement et d'une façon décisive à la formation de la volonté sociale. Aussi bien l'organe est-il, selon l'art. 55, le canal naturel par lequel s'exprime la volonté de la personne morale.
Si l'on applique ces principes en l'espèce, il est clair que le contremaître Folly n'occupait pas, dans la société recourante, une situation telle qu'il puisse être considéré comme ayant participé d'une manière quelconque à la formation de la volonté de la société. C'est en vain qu'à ce propos la Cour cantonale mentionne qu'il avait à vérifier l'état des machines, à s'assurer qu'elles fonctionnaient normalement, qu'il avait été chargé de prendre contact avec la Caisse nationale au sujet des mesures de sécurité à prendre, que c'est à lui, enfin, qu'elle avait donné les instructions nécessaires. Ce sont là des fonctions de surveillance et d'exécution. C'est d'ailleurs la direction de l'entreprise et non Folly de son propre chef qui avait décidé de s'adresser à la Caisse nationale, et le fait que lorsqu'il s'est agi de prendre de nouvelles mesures c'est lui qui s'est trouvé en contact avec le technicien de la Caisse ne présente aucun intérêt. Il était naturel que les explications sur la manière d'utiliser les nouveaux appareils fussent données directement à celui qui était chargé de les mettre en service. La responsabilité de la recourante ne pouvait donc se trouver engagée du fait de Folly. | public_law | nan | fr | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6978e389-ba86-4a16-a855-86a905504030 | Urteilskopf
83 II 538
74. Arrêt de la IIe Cour civile du 21 novembre 1957 dans la cause Commune de Sion et consorts contre Jordan. | Regeste
Art. 69 EntG
.
1. Berufung gegen das auf Grund von.
Art. 69 EntG
ausgefällte Urteil des ordentlichen Richters. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 1).
2. Die Frage des Rechtes der Anstösser oder anderer Personen auf Zugang zum öffentlichen Verkehrsweg untersteht dem kantonalen Recht und kann vom Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht nachgeprüft werden (Erw. 2).
3. Der nach
Art. 69 EntG
angerufene ordentliche Richter hat zu entscheiden, ob jemand, der in seinem Recht auf Zugang zur öffentlichen Strasse beeinträchtigt wird, grundsätzlich eine Entschädigung zu beanspruchen hat, und darf nur deren Bemessung der Schätzungskommission anheimgeben (Erw. 3).
4. Er hat über den bestrittenen Bestand eines Anspruchs aus Nachbarrecht zu befinden, ebenso über die Beeinträchtigung dieses Anspruchs; der Schätzungskommission steht nur die Bemessung der allfälligen Entschädigung zu (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 539
BGE 83 II 538 S. 539
A.-
Les époux Alphonse et Emma Jordan sont propriétaires de l'immeuble dans lequel ils exploitent le café du Pont du Rhône, à Sion; ils l'ont acquis en 1944. Le bâtiment est situé à proximité de la route communale Sion-Chandoline. La voie ferrée industrielle, qui relie la gare de Sion à l'usine électrique de la société anonyme l'Energie de l'Quest-Suisse (EOS), à Chandoline, est parallèle à cette route; elle se trouve entre l'immeuble des époux Jordan et la route. Elle a été construite sur le terrain appartenant à la commune de Sion par la Dixence SA dans les années 1930, au moment de l'érection du premier barrage de la Dixence et de l'usine de Chandoline. Le niveau de la chaussée a été alors surélevé; à l'est de l'entrée du bâtiment des époux Jordan, la voie ferrée a été établie à environ 80 cm plus haut que la route. L'EOS a repris plus tard la Dixence SA En 1949/1950 ont commencé les travaux de construction du deuxième barrage de la Dixence par la société La Grande Dixence SA Depuis lors, la voie ferrée a été utilisée de façon accrue pour le transport des matériaux jusqu'à l'usine de Chandoline, d'où part le téléphérique qui va jusqu'au chantier du barrage.
Le 24 février 1955, les époux Jordan ont saisi la Commission fédérale d'estimation du 2e arrondissement d'une demande d'indemnité de 100 000 fr. dirigée contre la Commune de Sion en sa qualité de propriétaire du terrain sur lequel se trouve la voie industrielle, l'EOS comme propriétaire de la voie et La Grande Dixence SA à titre d'usager de la voie. Ils ont fait valoir que l'utilisation accrue de la voie, depuis le début des travaux de la Grande Dixence, leur causait un préjudice considérable, du fait
BGE 83 II 538 S. 540
que de nombreux trains passaient et stationnaient à proximité du café, coupaient son accès à la route, ébranlaient et lézardaient le bâtiment, faisaient du bruit et dégageaient des odeurs malsaines.
Les défenderesses ont conclu à l'irrecevabilité de la demande pour cause d'incompétence de la Commission d'estimation et ont demandé subsidiairement que la procédure devant cette autorité fût suspendue et un délai d'un mois, fixé à l'expropriant pour ouvrir action devant le juge ordinaire.
Le 15 octobre 1955, les parties ont conclu, devant la Commission d'estimation, une convention disposant notamment ce qui suit:
"Les époux Jordan admettent que l'art. 69 de la loi fédérale sur l'expropriation est applicable.
En conséquence, la procédure pendante devant la Commission fédérale d'estimation pour le 2e arrondissement est suspendue et un délai d'un mois dès ce jour est fixé à l'expropriant pour ouvrir action devant le juge ordinaire afin de faire constater l'inexistence des droits faisant l'objet de la demande d'indemnité des époux Jordan.
A défaut d'ouverture d'action dans le délai fixé, les droits seront considérés comme existants."
Par acte du 14 novembre 1955, la Commune de Sion, l'EOS et La Grande Dixence SA ont introduit action contre les époux Jordan devant le Tribunal cantonal du Valais et pris les conclusions suivantes:
"Plaise au Tribunal cantonal valaisan statuer:
1) La réclamation des époux Alphonse Jordan est mal fondée, les demandeurs ne s'étant rendus coupables d'aucun excès quelconque, au détriment de la propriété des défendeurs, en exploitant leur ligne de chemin de fer.
Il n'existe en conséquence aucun droit pouvant faire l'objet d'une demande d'indemnité de la part des époux Jordan contre les trois demandeurs.
2) Les époux Alphonse Jordan sont condamnés aux frais de la procédure et du jugement."
Les défendeurs ont conclu au rejet de l'action.
Par jugement du 1er février 1957, le Tribunal cantonal du Valais a prononcé:
"La demande est écartée dans le sens des considérants.
Toutes autres conclusions sont écartées..."
BGE 83 II 538 S. 541
Se référant à LEYVRAZ (Les utilisations normales de la voie publique par les particuliers, thèse Lausanne 1956, p. 70 ss.) et à l'arrêt du Tribunal fédéral du 3 décembre 1952 dans la cause Frei, la juridiction valaisanne estime que les époux Jordan ont un droit d'accès à la route de Bramois et que cet accès direct leur a été coupé par la voie ferrée industrielle. A son avis, la question de savoir s'il y a atteinte à ce droit d'accès et si l'atteinte est grave ou non ressortit à la compétence de la Commission d'estimation, à laquelle il appartient d'apprécier les circonstances de la cause et d'accorder ou de refuser l'indemnité réclamée.
Quant aux droits résultant des dispositions sur les rapports de voisinage, le Tribunal cantonal exprime l'opinion qu'il incombe à la Commission d'estimation de dire si et dans quelle mesure les trépidations, le bruit, les émissions de gaz et d'odeurs provoqués par les trains circulant sur la voie industrielle sont de nature à porter atteinte à la propriété des défendeurs.
B.-
Contre ce jugement, les demanderesses ont recouru en réforme au Tribunal fédéral en reprenant les conclusions qu'elles avaient formulées dans l'instance cantonale.
Les intimés concluent au rejet du recours dans la mesure où il est recevable et subsidiairement au renvoi de la cause à la juridiction cantonale pour nouveau jugement.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon l'
art. 5 LEx
, peuvent faire l'objet de l'expropriation les droits réels immobiliers, les droits résultant des dispositions sur la propriété foncière en matière de rapports de voisinage, en outre les droits personnels des locataires ou fermiers de l'immeuble à exproprier. D'autre part, aux termes de l'
art. 69 LEx
, si l'existence d'un droit faisant l'objet d'une demande d'indemnité est contestée, la procédure est suspendue et il est fixé à l'expropriant un délai pour ouvrir action devant le juge
BGE 83 II 538 S. 542
ordinaire, à défaut de quoi le droit est considéré comme existant; les parties peuvent toutefois, par une déclaration expresse, attribuer le jugement de la contestation à la commission; la décision de celle-ci est, sur ce point, susceptible d'être déférée au Tribunal fédéral conformément à l'
art. 77 LEx
.
En l'espèce, les parties sont convenues de soumettre au juge ordinaire la question de l'existence des droits faisant l'objet de la demande d'indemnité des époux Jordan. C'est comme juridiction de réforme et non comme autorité de recours au sens de l'
art. 77 LEx
que le Tribunal fédéral est saisi de la contestation divisant les parties, et sa cognition est déterminée par les art. 43 ss. OJ. Il ne peut dès lors revoir que l'application du droit fédéral. A cet égard, il est compétent pour examiner librement si la décision attaquée viole le droit fédéral.
2.
Le Tribunal cantonal a admis que les époux Jordan avaient un droit d'accès à la route qui passe à proximité de leur immeuble. Il est constant d'autre part que cette route est une voie publique. Or, selon l'
art. 664 CC
, les biens du domaine public sont soumis à la haute police de l'Etat sur le territoire duquel ils se trouvent; c'est la législation cantonale qui règle l'exploitation et le commun usage des biens du domaine public tels que routes, places, cours d'eau et lits de rivière. Dès lors, la question de savoir quel droit d'accès à la route publique peuvent avoir les riverains ou d'autres personnes relève du droit cantonal (arrêt du Tribunal fédéral du 3 décembre 1952 en la cause Frei, consid. 3; HAAB, note 17 à l'art. 664). Il s'ensuit que le Tribunal fédéral saisi d'un recours en réforme ne peut pas revoir si les intimés ont un droit d'accès à la route publique et dans quelle mesure ils sont lésés. En tant qu'il critique sur ce point le jugement déféré, le recours est irrecevable.
3.
Le jugement attaqué (p. 14) cite LEYVRAZ (op. cit. p. 75) selon lequel les riverains n'ont droit à une indemnité qu'en cas d'atteinte grave au droit d'accès et ne peuvent
BGE 83 II 538 S. 543
par conséquent faire valoir aucune réclamation tant que la voie publique qui dessert leurs propriétés reste affectée à l'usage de tous et assure un accès suffisant à leurs immeubles, compte tenu de toutes les circonstances. Le Tribunal cantonal ne dit pas expressément qu'il partage l'opinion de l'auteur auquel il se réfère; comme il ne la critique pas non plus, on peut en déduire qu'il la fait sienne. Il ne pouvait toutefois se borner à énoncer le principe qu'une indemnité n'est due qu'en cas d'atteinte grave au droit d'accès et renvoyer à la Commission d'estimation la question de savoir si, dans l'espèce, cette condition est réalisée. En procédant ainsi, il a violé l'
art. 69 LEx
. Il devait examiner si l'atteinte au droit d'accès des époux Jordan à la voie publique est grave ou non et décider si elle justifie en principe une indemnité. Il ne pouvait renvoyer à la Commission d'estimation que la fixation du montant de l'indemnité. Cela étant, le jugement déféré doit être annulé et la cause renvoyée à la juridiction valaisanne pour qu'elle dise si les intimés sont en principe fondés à réclamer une indemnité pour atteinte à leur droit d'accès à la route. A cet égard, le Tribunal cantonal tiendra compte du fait que le niveau de la chaussée a été surélevé et la voie ferrée, établie à 80 cm plus haut que la route vers les années 1930 déjà, et que, par conséquent, l'accès à la voie publique ne laissait pas d'être malaisé avant que les intimés acquissent l'immeuble.
4.
Il est de jurisprudence que les
art. 679 et 684 CC
sont applicables lorsqu'une corporation publique excède son droit de propriété. Il faut cependant distinguer suivant qu'il s'agit d'actes ressortissant à l'exercice de la puissance publique ou d'actes de la corporation publique comme propriétaire foncier. Dans le premier cas, la prétention à une indemnité de droit public remplace l'action civile; dans le second, la corporation publique répond des abus de son droit de propriété selon les
art. 679 et 684 CC
(RO 75 II 119, 79 I 202, arrêts du 3 décembre 1952 dans la cause Frei et du 4 juillet 1956 dans la cause Aregger).
BGE 83 II 538 S. 544
Si, dans la procédure en fixation de l'indemnité d'expropriation, l'existence du droit de voisinage est contestée, il appartient au juge ordinaire de trancher ce point, à moins que les parties n'aient attribué le jugement de la contestation à la Commission d'estimation (
art. 69 LEx
., RO 79 I 203). Dans l'espèce, les parties sont convenues de soumettre le litige au juge ordinaire. Dès lors, le Tribunal cantonal ne pouvait pas, sans violer l'
art. 69 LEx
, renvoyer à la Commission d'estimation la question de savoir s'il y avait atteinte aux droits résultant pour les époux Jordan des dispositions sur la propriété foncière en matière de rapports de voisinage. Il était tenu au contraire de juger ce point, la Commission d'estimation n'ayant qu'à fixer l'éventuelle indemnité qui pourrait être due. Il s'ensuit qu'à cet égard l'affaire doit être renvoyée à la juridiction cantonale pour qu'elle se prononce sur l'existence des droits de voisinage que prétendent les intimés.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est admis dans la mesure où il est recevable, le jugement attaqué est annulé et l'affaire est renvoyée à l'autorité cantonale pour qu'elle statue à nouveau dans le sens des considérants. | public_law | nan | fr | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
698a3ad1-a240-4e11-b5eb-d6eb23420801 | Urteilskopf
110 Ib 222
38. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. September 1984 i.S. A. & Cie gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Warenumsatzsteuer auf der Lieferung und dem Eigenverbrauch gewerbsmässig hergestellter Waren (Art. 15 Abs. 2, 16 Abs. 1 lit. b und 10 Abs. 2 WUStB).
1. Unter welchen Voraussetzungen ist die Warenumsatzsteuer auf dem Eigenverbrauch (Reparatur und Instandsetzung von Baumaschinen) geschuldet (E. 1 und 2)?
2. Die Warenumsatzsteuer kennt kein Konzernrecht. Wird von einer Konzerngesellschaft eine Maschine einer anderen Konzerngesellschaft repariert, so liegt eine steuerpflichtige Lieferung vor (E. 3 und 4a-c). Präzisierung der in ASA 46, 123 ff. publizierten Rechtsprechung (E. 4d). | Sachverhalt
ab Seite 223
BGE 110 Ib 222 S. 223
Die Kommanditgesellschaft A. & Cie mit Sitz in M. bezweckt gemäss Handelsregistereintrag die Übernahme und die Ausführung von Bauarbeiten jeder Art, den An- und Verkauf von Liegenschaften, die Fabrikation von und den Handel mit Baumaterialien, die Vermietung von Baumaschinen sowie die Durchführung von Transporten. Seit dem 1. Januar 1966 ist sie als Grossistin im Register der Steuerpflichtigen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung eingetragen. Die Firma gehört zu der im Baugewerbe tätigen A.-Gruppe, die zahlreiche Gesellschaften in der ganzen Schweiz umfasst. Alle diese Gesellschaften sind als voneinander unabhängige Grossisten ebenfalls im Register der Warenumsatzsteuerpflichtigen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung eingetragen.
Die A. & Cie betreibt an ihrem Sitz in M. unter anderem eine Werkstätte, in der sie ihre eigenen Baumaschinen, die Maschinen der anderen Gesellschaften der A.-Gruppe sowie gelegentlich auch solche von anderen Dritten unterhält und instand stellt.
Die A. & Cie verlangt die Rückerstattung derjenigen Warenumsatzsteuerbetreffnisse, die sie seit dem 1. Januar 1974 als Lieferungs- und Eigenverbrauchssteuer auf den Instandstellungsarbeiten an ihren eigenen Baumaschinen sowie an Maschinen der ihr nahestehenden Gesellschaften der A.-Gruppe abgerechnet und entrichtet hatte. Zur Begründung führt sie aus, die Unternehmen der A.-Gruppe seien Schwestergesellschaften von ihr und wie sie ausnahmslos beherrscht von A. selbst. Die A.-Gruppe bilde eine wirtschaftliche Einheit, weshalb die von der A. & Cie ausgeführten Reparaturarbeiten an Baumaschinen von Gesellschaften der A.-Gruppe nicht als Lieferungen im Sinne des Warenumsatzsteuerbeschlusses zu gelten hätten. Die ausgeführten Reparaturarbeiten an Baumaschinen von Dritten, die nicht zur A.-Gruppe gehörten, würden die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung aufgestellten Toleranzwerte für die Begründung der Gewerbsmässigkeit nicht überschreiten, weshalb auch keine Eigenverbrauchssteuer für die Reparaturen an den eigenen Maschinen geschuldet sei. Im übrigen beruft sich die A. & Cie auf das Urteil des Bundesgerichtes vom 13. Februar 1976 i.S. X AG (ASA 46, 123 ff.) und verlangt aus Wettbewerbs- und Konkurrenzgründen gleich behandelt zu
BGE 110 Ib 222 S. 224
werden wie die damalige Beschwerdeführerin. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus den folgenden Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 13 Abs. 1 lit. a WUStB
unterliegen der Warenumsatzsteuer unter Vorbehalt von Art. 14 die Lieferung im Inland und der Eigenverbrauch von Waren durch Grossisten.
a) Eine Lieferung im Inlande liegt nach
Art. 15 Abs. 1 WUStB
vor, wenn der Grossist den Abnehmer oder an dessen Stelle einen Dritten instand setzt, im eigenen Namen über eine Ware zu verfügen, die sich im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht im Inlande befindet.
Als Warenlieferung gilt auch die Ablieferung der auf Grund eines Werkvertrages oder Auftrages hergestellten Ware (
Art. 15 Abs. 2 WUStB
). Als Herstellung wird jede Verarbeitung, Bearbeitung, Zusammensetzung, Instandstellung, Veredelung oder sonstige Umgestaltung (Art. 10 Abs. 2 zweiter Satz) betrachtet. Als Herstellung gilt somit nicht nur die Anfertigung von neuen Waren, sondern auch die Vornahme von Unterhaltsarbeiten und Reparaturen (ASA 52, 393/4 E. 2a; 49, 499 ff.; KELLER, Die warenumsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen zwischen wirtschaftlich eng verbundenen Unternehmen, ASA 51, 230, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; METZGER, Handbuch der Warenumsatzsteuer, N. 296-298). Der Grossist hat die Warenumsatzsteuer auf dem gesamten Entgelt (Material und Arbeit), das er für die Herstellung bezieht, zu entrichten (
Art. 20 Abs. 1 lit. a,
Art. 22 Abs. 1 WUStB
).
b) Eigenverbrauch liegt unter anderem vor, wenn der Grossist Waren, die er in seinem Geschäftsbetrieb gewerbsmässig hergestellt hat, anders verwendet als zum Wiederverkauf oder als Werkstoff für die gewerbsmässige Herstellung von Waren oder Bauwerken (
Art. 16 Abs. 1 lit. b WUStB
). Der Grossist hat beim Eigenverbrauch die Steuer auf dem Wert der verwendeten Waren (
Art. 20 Abs. 1 lit. b WUStB
) zum Satz für Detaillieferungen zu entrichten (
Art. 19 Abs. 1 lit. a WUStB
).
Gewerbsmässig hergestellt ist eine Ware, wenn der Geschäftsbetrieb des Herstellers die Herstellung für fremde Rechnung, die Veräusserung, Vermietung oder Verpachtung solcher Waren zum Zwecke hat (Art. 10 Abs. 2 dritter Satz WUStB). Der Grossist hat somit den Eigenverbrauch von selbst hergestellten (reparierten
BGE 110 Ib 222 S. 225
oder instand gesetzten) Waren zu versteuern, wenn in seinem Geschäftsbetrieb eine anhaltende Bereitschaft zu Herstellungsarbeiten dieser Art besteht (
BGE 108 Ib 42
E. 2b; METZGER, a.a.O., N. 401; kritisch zur bundesgerichtlichen Praxis in einem hier nicht streitigen Punkte: KELLER, a.a.O., S. 232/3 Anm. 20).
2.
Daraus folgt für die Steuerpflicht bei der Reparatur und Wartung von (Bau-)Maschinen:
a) Führt ein Grossist ausschliesslich Reparaturen an eigenen Maschinen durch, so hat er nur das nötige Material steuerbelastet zu beziehen (
Art. 14 Abs. 1 lit. a,
Art. 15 Abs. 3 WUStB
) oder ausnahmsweise die Warenumsatzsteuer auf dem Eigenverbrauch des verwendeten, steuerfrei eingekauften Materials zu entrichten (
Art. 16 Abs. 1 lit. a WUStB
; METZGER, a.a.O., N. 399). Denn in diesem Fall führt er die als Herstellung geltenden Reparaturen nicht gewerbsmässig durch.
b) Hält der Grossist aber regelmässig auch Maschinen von Dritten instand, so tut er dies gewerbsmässig, und in diesem Falle schuldet er die Lieferungssteuer auf dem Entgelt für die auf fremde Rechnung ausgeführten Reparaturen und die Eigenverbrauchssteuer auf dem Wert der Instandstellungsarbeiten für eigene Rechnung (METZGER, a.a.O., N. 400; KELLER, a.a.O., S. 231/2; AMONN, Der Eigenverbrauch in der eidgenössischen Warenumsatzsteuer, Diss. Bern 1957, S. 57).
c) In der Praxis wird die Gewerbsmässigkeit und damit die Pflicht, den Eigenverbrauch von Material und Arbeit auch hinsichtlich der für den eigenen Bedarf ausgeführten Arbeiten gleicher Art abzurechnen und zu versteuern (METZGER, a.a.O., N. 400, 402), allerdings erst dann angenommen, wenn die für Dritte ausgeführten Reparaturen mehr als 5% des Gesamtaufwandes für Instandstellungen erreichen. Noch keine Gewerbsmässigkeit liegt nach der Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung hinsichtlich der für den eigenen Bedarf vorgenommenen Reparaturarbeiten aber auch vor, wenn nicht mehr als 33 1/3% der gleichartigen Bearbeitungsvorgänge auf Lieferungen an Abnehmer entfallen, die zum Hersteller in naher Beziehung (Tochtergesellschaft, Muttergesellschaft, Schwestergesellschaft) stehen; vorausgesetzt wird dabei von der Eidgenössischen Steuerverwaltung eine Beteiligung von mehr als 50% des Aktienkapitals (ASA 49, 497 E. 5a). Das Bundesgericht hat diese in der Praxis angewandten Toleranzgrenzen nicht in Zweifel gezogen (ASA 49, 495/6 E. 3c; 38, 514 E. 1; 37, 54).
BGE 110 Ib 222 S. 226
Machen solche Arbeiten für Dritte weniger als 5% bzw. 33 1/3% aus, so wird nur die Lieferungssteuer auf dem dafür eingenommenen Entgelt geschuldet, nicht jedoch die Eigenverbrauchssteuer auf dem Wert der an den eigenen Maschinen vorgenommenen Arbeiten.
3.
Die Beschwerdeführerin stellt sich im wesentlichen auf den Standpunkt, dass alle Unternehmungen der A.-Gruppe zusammen als wirtschaftliche Einheit betrachtet werden müssen und dass demzufolge die Reparaturarbeiten an den Baumaschinen von anderen Gruppengesellschaften nicht als Herstellung für fremde Rechnung zu betrachten und daher nicht der Lieferungssteuer zu unterwerfen seien. Die Eidgenössische Steuerverwaltung ist demgegenüber der Ansicht, die einzelnen Gesellschaften der A.-Gruppe seien selbständige Steuersubjekte und die Leistungen unter den Gesellschaften seien genauso als Lieferungen zu betrachten, wie wenn die einzelnen Unternehmungen miteinander wirtschaftlich nicht verbunden wären.
a) Das Schweizerische Steuerrecht trägt im allgemeinen der wirtschaftlichen Einheit eines Konzerns keine Rechnung (
BGE 108 Ib 37
E. 4c; PESTALOZZI, Einige Fragen aus der Praxis des Konzernrechtes, SJZ 75 (1979) S. 254 ff.; DRUEY, Aufgaben eines Konzernrechts, ZSR 99 (1980) II 332 f.; ANNE PETITPIERRE, Droit des sociétés et groupes de sociétés, S. 19 ff.; TINNER, Konzernstruktur und Steuerplanung, Diss. St. Gallen 1984, S. 11 ff., mit Nachweisen). Eine Ausnahme bildet im wesentlichen nur das bei den direkten Steuern vielfach vorgesehene Holdingprivileg (vgl. für die direkte Bundessteuer
Art. 59 BdBSt
).
b) Auch die Warenumsatzsteuer kennt kein Konzernrecht. Steuersubjekt in der Warenumsatzsteuer ist gemäss
Art. 8 Abs. 1 lit. a WUStB
der Grossist, der im Inland Waren liefert oder im Eigenverbrauch verwendet. Als Grossist gilt dabei jedermann, der bei der Abwicklung von Umsatzgeschäften nach aussen in eigenem Namen auftritt (ASA 49, 500 E. 2; METZGER, a.a.O., N. 145; WELLAUER, Warenumsatzsteuer, N. 75) und die weiteren Voraussetzungen von
Art. 9 ff. WUStB
erfüllt. Als Grossisten kommen demnach nicht nur natürliche und juristische Personen, sondern auch Handelsgesellschaften ohne juristische Persönlichkeit (Kollektivgesellschaften, Kommanditgesellschaften), Erbengemeinschaften und Personengesamtheiten ohne Rechtsfähigkeit, die unter gemeinsamer Firma Warenumsätze tätigen (einfache Gesellschaften; vgl. ASA 49, 501 E. 2), in Frage (vgl. METZGER, a.a.O.,
BGE 110 Ib 222 S. 227
N. 146 f.; WELLAUER, a.a.O., N. 77 ff.). Kein Steuersubjekt im warenumsatzsteuerrechtlichen Sinne aber stellt eine blosse Mehrheit von Unternehmungen dar, die keine einfache Gesellschaft bilden und nach aussen nicht unter einem gemeinsamen Namen auftreten, auch wenn sie wirtschaftlich eng verwandt sind. Rechtlich selbständige, bloss wirtschaftlich eng verbundene Unternehmungen bilden je für sich selbständige Steuersubjekte (ASA 49, 501 E. 3a; sinngemäss auch ASA 52, 393 E. 2a). Eine Organschaft, wie sie dem deutschen Umsatzsteuerrecht eigen ist (vgl. dazu z.B. WINKELBAUER, Überwirkungen der deutschen Umsatzsteuer auf die Schweiz, StR 32 (1977) S. 501 ff.), ist dem schweizerischen Warenumsatzsteuerrecht unbekannt. Werden zwischen rechtlich selbständigen Unternehmungen eines Konzerns Lieferungen ausgeführt, so unterliegt daher das Entgelt der Warenumsatzsteuer (ASA 49, 502 E. 3b in fine; 44, 296 ff.).
c) Das Entgelt, das die Beschwerdeführerin für die Instandhaltung des Maschinenparkes der anderen Unternehmungen der A.-Gruppe erhält, bezieht sie für Lieferungen im Sinne des Warenumsatzsteuerrechts. Denn die einzelnen Gesellschaften der Gruppe sind rechtlich selbständige juristische Personen oder Handelsgesellschaften.
4.
Die Beschwerdeführerin beruft sich nun allerdings auf das Urteil des Bundesgerichtes vom 13. Februar 1976 i.S. X AG (ASA 46, 123 ff.). Sie verlangt aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit und des Wettbewerbs die Gleichbehandlung mit der damaligen Beschwerdeführerin.
a) In diesem Urteil betrachtete das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Gewerbsmässigkeit der Reparaturarbeiten (Herstellung) an eigenen Maschinen gemäss
Art. 10 Abs. 2 WUStB
Schwestergesellschaften im gleichen Konzern nicht als Dritte (ASA 46, 130 E. 3b). Jene Gesellschaft hatte ihren Schwestergesellschaften Baumaschinen auf Anordnung des Konzernleiters gegen eine von diesem festgesetzte "Belastung" zum Gebrauch überlassen. Das Bundesgericht erblickte darin keinen Mietvertrag. Es schloss dementsprechend aus, dass die Reparaturarbeiten gewerbsmässig ausgeführt würden und Gegenstand der Eigenverbrauchssteuer (
Art. 16 Abs. 1 lit. b WUStB
) bilden könnten (ASA 46, 130 E. 3c).
b) Der Sachverhalt des vorliegenden Falles unterscheidet sich wesentlich von demjenigen im Falle der X AG. Bei der A.-Gruppe ist das Eigentum an den Baumaschinen nicht bei der Beschwerdeführerin
BGE 110 Ib 222 S. 228
konzentriert. Dementsprechend hält die Beschwerdeführerin nicht eigene, sondern fremde Baumaschinen, nämlich diejenigen der anderen Gesellschaften der Gruppe, gegen Entgelt instand. Das Bundesgericht hat nie in Betracht gezogen, dass solche Lieferungen nicht steuerpflichtig sein könnten, auch nicht im Fall der X AG (ASA 46, 127 E. 2c unten und 129 E. 3a). Im Gegenteil hat das Bundesgericht - wie die Eidgenössische Steuerverwaltung zu Recht vermerkt - bereits mit Urteil vom 25. April 1980 (ASA 49, 499 ff.) und sinngemäss mit Urteil vom 8. Februar 1980 (ASA 49, 489 ff.) entschieden, dass diese der Steuerpflicht unterliegen.
c) Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, ihr Fall sei anders gelagert als diese beiden vom Bundesgericht zuletzt beurteilten Fälle. Beide damaligen Beschwerdeführerinnen seien unterlegen, weil sich die juristischen Personen in ihrer wirtschaftlichen Zwecksetzung unterschieden hätten und nach aussen nicht als einheitliches Gebilde, sondern als selbständige, voneinander getrennte Gesellschaften aufgetreten seien. Die A.-Gruppe dagegen habe sich juristisch aufsplittern müssen, um in mehreren Kantonen arbeiten zu können. Sinngemäss bringt die Beschwerdeführerin damit vor, als im Baugewerbe tätige Unternehmung sei ihre Gruppe im Gegensatz zu jenen Unternehmungen (ASA 49, 489 ff. und ASA 49, 499 ff.) zu einer Aufsplitterung gezwungen gewesen. Daraus kann sie jedoch nichts zu ihren Gunsten ableiten. Es steht jedem Unternehmer frei, seine Unternehmung so zu organisieren, dass ihm steuerlich und in anderer Hinsicht - etwa in bezug auf Submissionen der öffentlichen Hand - Vorteile erwachsen; die daraus allenfalls erwachsenden Steuernachteile sind aber ebenfalls in Kauf zu nehmen. Die Beschwerdeführerin befindet sich daher in derselben warenumsatzsteuerrechtlichen Situation wie die Unternehmungen in den beiden erwähnten Fällen.
d) Im übrigen ist es fraglich, ob am Entscheid vom 13. Februar 1976 i.S. X AG (ASA 46, 123 ff.) bei erneuter Beurteilung festgehalten werden könnte. Bereits in ASA 49, 501/2 E. 3b hat das Bundesgericht ausgeführt, dass aus diesem Urteil nicht generell abgeleitet werden dürfe, zwischen Schwestergesellschaften mit personell identischen Organen bestehe grundsätzlich keine Drittbeziehung. Insbesondere wurde festgehalten, dass die Feststellung, Konzernverträge hätten nicht Vertragscharakter, in dieser Allgemeinheit nicht zutreffe. Ob der Schluss, zu dem das Bundesgericht 1976 in jenem Sonderfall kam, einer erneuten Überprüfung
BGE 110 Ib 222 S. 229
standhielte, kann jedoch offen bleiben, nachdem der vorliegende Fall anders gelagert ist.
5.
Im vorliegenden Fall ist zwar nicht bestritten, dass der Anteil der Reparaturen, die die Beschwerdeführerin für aussenstehende Dritte ausführt, unter 5% des Gesamtaufwandes liegt. Ebenso unbestritten ist jedoch, dass der Anteil der Instandstellungsarbeiten an Maschinen der anderen Gesellschaften der A.-Gruppe allein mehr als einen Drittel des gesamten Reparaturaufwandes der Beschwerdeführerin ausmacht. Damit ist die in der Verwaltungspraxis eingeräumte Toleranz jedenfalls klar überschritten. Die A. & Cie erfüllt hinsichtlich der Reparatur- und Instandstellungsarbeiten an Baumaschinen das Kriterium der Gewerbsmässigkeit. Sie hat daher neben der Lieferungssteuer auf dem Entgelt, welches sie als Gegenleistung für diese Arbeiten von den aussenstehenden Dritten und von den Gesellschaften der A.-Gruppe bezieht, auch die Eigenverbrauchssteuer auf dem Wert der an den eigenen Maschinen ausgeführten Reparatur- und Instandstellungsarbeiten zu entrichten. | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
698ee334-0be9-4044-a10a-c387c6443972 | Urteilskopf
136 III 261
38. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. R. gegen Stockwerkeigentümergemeinschaft S. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_108/2010 vom 6. April 2010 | Regeste
Art. 647d Abs. 2 und
Art. 647e Abs. 2 ZGB
; bauliche Massnahmen beim Stockwerkeigentum; Vetorecht des nicht zustimmenden Stockwerkeigentümers.
Die Vorschriften über bauliche Massnahmen gemäss
Art. 647c ff. ZGB
betreffen beim Stockwerkeigentum die gemeinschaftlichen Teile und berücksichtigen die unterschiedlichen Interessen der Stockwerkeigentümer mit verschieden hohen Zustimmungserfordernissen (E. 2). Das Vetorecht des nicht zustimmenden Stockwerkeigentümers gegen nützliche und luxuriöse bauliche Massnahmen setzt ein Nutzungs- und Gebrauchsrecht voraus, dessen Ausübung durch die rechtsgültig beschlossenen Änderungen oder Arbeiten im Gesetzessinne beeinträchtigt wird (E. 3). Ein ausschliessliches Nutzungs- und Gebrauchsrecht an gemeinschaftlichen Teilen bedarf der Grundlage im Reglement oder in einem Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft und kann nicht formlos begründet werden (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 262
BGE 136 III 261 S. 262
Am Grundstück Nr. x besteht Stockwerkeigentum. Es umfasst das Wohn- und Geschäftshaus "S.". Zwischen dem Gebäude und der Grundstücksgrenze am B.-Bach befindet sich eine offene Terrasse. Als Stockwerkeinheiten sind im Erdgeschoss Ladenlokale für eine Bank und für ein Restaurant ausgeschieden, deren Eingangs- und Fensterfront sich gegen die Terrasse hin öffnet. Eine reglementarische Sondernutzung ist vorbehalten am Luftschutzkeller, an Dachterrassen, an zwei Schaukästen im Erdgeschoss und an zwei Schaufenstern neben den Eingangstüren.
R. ist Eigentümer und Betreiber des Restaurants, umfassend die Stockwerkeigentumsanteile Nr. 14 (Restaurant) und Nr. 6 (Keller) mit einer Wertquote von insgesamt 31/1000 und mit zwei Kopfstimmen. Er nutzte die Terrasse vor dem Restaurant und teilweise vor dem Fenster der benachbarten Bank Z. für den Gastwirtschaftsbetrieb (mit acht Tischen und 32 Sitzplätzen). Die Bank Z. ist Eigentümerin der Stockwerkeigentumsanteile Nr. 12 (Ladenräume), Nr. 13 (Bankräume) und Nr. 17 (Büroräume) mit einer Wertquote von insgesamt 254/1000 und mit drei Kopfstimmen. Sie liess die Terrasse vor der Bank umbauen und im Sommer 2006 namentlich einen Blumentrog als Sichtschutz vor dem Fenster der Bankräume aufstellen.
An der Stockwerkeigentümerversammlung vom 14. Mai 2007 wurden die von der Bank Z. vorgenommenen Umgebungsarbeiten mit 23 Kopfstimmen und 797 Wertquoten gegen 5 Kopfstimmen und 111 Wertquoten genehmigt. R. (Beschwerdeführer) focht den Genehmigungsbeschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft S. (Beschwerdegegnerin) an. Seine Klage begründete er damit, dass sein Restaurantbetrieb durch die Umgestaltung der Terrasse eingeschränkt
BGE 136 III 261 S. 263
werde und insbesondere wegen des Blumentrogs zwei Tische mit 8 Sitzplätzen weniger aufgestellt werden könnten. Die Klage wurde in erster Instanz gutgeheissen, in zweiter Instanz hingegen abgewiesen. Der Beschwerdeführer erneuert seine Klagebegehren vor Bundesgericht, das seine Beschwerde abweist, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Obergericht hat die Gültigkeit des angefochtenen Beschlusses nach den Bestimmungen über bauliche Massnahmen gemäss
Art. 647c ff. ZGB
geprüft. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von
Art. 712a ZGB
.
2.1
Stockwerkeigentum ist der Miteigentumsanteil an einem Grundstück, der dem Miteigentümer das Sonderrecht gibt, bestimmte Teile eines Gebäudes ausschliesslich zu benutzen und innen auszubauen (
Art. 712a Abs. 1 ZGB
). Während die bauliche Ausgestaltung der im Sonderrecht stehenden Gebäudeteile im Abschnitt über das Stockwerkeigentum geregelt ist (
Art. 712a Abs. 2 ZGB
), wird für die baulichen Massnahmen an den gemeinschaftlichen Teilen auf die Bestimmungen über das Miteigentum verwiesen (
Art. 712g Abs. 1 ZGB
). Die Gesamtsache betreffende bauliche Massnahmen werden in notwendige (
Art. 647c ZGB
), nützliche (
Art. 647d ZGB
) und luxuriöse (
Art. 647e ZGB
) eingeteilt mit je unterschiedlichen Zustimmungserfordernissen für ihre Anordnung im Einzelfall (vgl.
BGE 130 III 441
E. 3.4 S. 448 f.). Auf diese Vorschriften verweist vorbehaltlos das Benutzungs- und Verwaltungsreglement der Beschwerdegegnerin.
2.2
Die Terrasse vor den zu Sonderrecht ausgeschiedenen Räumen für das Restaurant und die Bank steht als Teil des Bodens der Liegenschaft kraft Gesetzes (vgl.
Art. 712b Abs. 2 Ziff. 1 ZGB
) im gemeinschaftlichen Eigentum aller Stockwerkeigentümer, so dass die Zulässigkeit baulicher Massnahmen nach
Art. 647c ff. ZGB
zu beurteilen ist. Seinen gegenteiligen Standpunkt begründet der Beschwerdeführer mit der Interessenlage. Er macht geltend, die bauliche Veränderung der Terrasse vor den Bankräumen sei aus der Sicht der Gesamtsache weder notwendig noch nützlich noch luxuriös, sondern werde ausschliesslich zum Vorteil der Bank Z. gestattet. Richtig ist, dass die
Art. 647c ff. ZGB
beim Stockwerkeigentum die baulichen Massnahmen im gemeinschaftlichen Interesse betreffen (vgl. MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 1981, N. 8 zu
Art. 647c ZGB
). Ob
BGE 136 III 261 S. 264
die Bank Z. die Terrasse vor den Bankräumen baulich umgestalten darf, ist jedoch auch eine Frage, die das gemeinschaftliche Interesse angeht (z.B. Mitbenutzung der Terrasse, spätere Wiederherstellung usw.), selbst wenn das Hauptinteresse an der baulichen Veränderung bei der Bank Z. liegt. Die Interessenlage berücksichtigt das Gesetz durch die unterschiedlichen Zustimmungserfordernisse, die umso höher sind, je weniger die bauliche Massnahme der Gesamtsache zum Vorteil gereicht. Die bauliche Massnahme (z.B. der Anbau eines Balkons), die ausschliesslich der Wertsteigerung eines einzigen Anteils dient, ist deshalb eher zu den luxuriösen als zu den nützlichen baulichen Massnahmen zu zählen (vgl. BRUNNER/WICHTERMANN, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 3. Aufl. 2007, N. 3 zu
Art. 647d ZGB
; zur Abgrenzung im Einzelfall:
BGE 130 III 441
E. 3.3-3.5 S. 447 ff.; Urteile 5C.110/2001 vom 15. Oktober 2001 E. 5b und 5C.264/2006 vom 30. März 2007 E. 5, in: ZBGR 86/2005 S. 257 und 89/2008 S. 246).
2.3
Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers sind die
Art. 647c ff. ZGB
hier anwendbar. Da keine notwendige bauliche Massnahme in Frage gestanden ist, hat das Obergericht beurteilt, ob die bauliche Massnahme die Voraussetzungen der Art. 647d oder
Art. 647e Abs. 2 ZGB
erfüllt. Die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung der Mehrheit der Stockwerkeigentümer, die zugleich den grösseren Teil der Sache vertritt, hat mit 23 Kopfstimmen und 797 Wertquoten gegen 5 Kopfstimmen und 111 Wertquoten vorgelegen. Streitig ist, ob dem nicht zustimmenden Beschwerdeführer ein Vetorecht zusteht. Denn nützliche bauliche Massnahmen, die einem Stockwerkeigentümer den Gebrauch oder die Benutzung der Sache zum bisherigen Zweck erheblich und dauernd erschweren oder unwirtschaftlich machen, können nicht ohne seine Zustimmung durchgeführt werden (
Art. 647d Abs. 2 ZGB
), und mit Mehrheitsbeschluss angeordnete luxuriöse bauliche Massnahmen können gegen den Willen eines nicht zustimmenden Stockwerkeigentümers ausgeführt werden, sofern dieser durch sie in seinem Nutzungs- und Gebrauchsrecht nicht dauernd beeinträchtigt wird und die übrigen Stockwerkeigentümer ihm für eine bloss vorübergehende Beeinträchtigung Ersatz leisten und seinen Kostenanteil übernehmen (
Art. 647e Abs. 2 ZGB
). Das Gesetz gewährleistet damit einen gewissen Minderheitenschutz, der allerdings nicht voraussetzungslos besteht und im Vergleich zum Erfordernis der Einstimmigkeit, z.B. für Zweckänderungen (
Art. 648 Abs. 2 ZGB
), abgeschwächt ist (vgl. zum Minderheitenschutz im
BGE 136 III 261 S. 265
Stockwerkeigentum:
BGE 131 III 459
E. 5 S. 461 ff.; für einen Anwendungsfall bei baulichen Massnahmen: Urteil 5C.110/2001 vom 15. Oktober 2001 E. 5d/bb, in: ZBGR 86/2005 S. 259 f.).
3.
Nach Ansicht des Obergerichts setzt das Vetorecht eine geschützte Rechtsposition voraus und begründet die blosse Duldung des Gastwirtschaftsbetriebs auf der Terrasse kein Vetorecht gegen nützliche oder luxuriöse bauliche Massnahmen. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von
Art. 647d Abs. 2 ZGB
und macht geltend, der Tatbestand fordere für ein Veto kein Recht oder gar Sondernutzungsrecht für den bisherigen Nutzer.
3.1
Das gesetzliche Vetorecht setzt im Fall von
Art. 647e Abs. 2 ZGB
eine Beeinträchtigung des Rechts auf Nutzung und Gebrauch voraus, verlangt hingegen im Fall von
Art. 647d Abs. 2 ZGB
, dass der Gebrauch oder die Benutzung der Sache zum bisherigen Zweck erheblich und dauernd erschwert oder unwirtschaftlich gemacht wird. Die unterschiedliche Formulierung des Vetorechts findet sich auch in den französischen und italienischen Gesetzestexten (
Art. 674e Abs. 2 ZGB
: "droit d'usage et de jouissance" bzw. "diritto d'uso e di godimento";
Art. 647d Abs. 2 ZGB
: "l'usage ou la jouissance de la chose selon sa destination actuelle" bzw. "l'uso o il godimento cui la cosa era fino allora destinata").
3.2
Das Vetorecht gemäss
Art. 647d Abs. 2 ZGB
schützt den Gebrauch und die Nutzung der Sache zum bisherigen Zweck. Es steht damit vor dem Hintergrund des auch im Stockwerkeigentum anwendbaren
Art. 648 ZGB
, wonach jeder Miteigentümer namentlich befugt ist, die Sache insoweit zu gebrauchen und zu nutzen, als es mit den Rechten der andern verträglich ist (Abs. 1), und wonach insbesondere die Veränderung der Zweckbestimmung der Sache der Übereinstimmung aller Miteigentümer bedarf, soweit diese nicht einstimmig eine andere Ordnung vereinbart haben (Abs. 2). Ein Gebrauch und eine Nutzung, die zweckwidrig oder mit den Rechten der anderen Stockwerkeigentümer unverträglich sind, können das Vetorecht gemäss
Art. 647d Abs. 2 ZGB
deshalb nicht begründen. Dabei bedürfen Gebrauch und Nutzung von gemeinschaftlichen Teilen - wie hier - durch einen Stockwerkeigentümer mit Ausschlusswirkung gegenüber anderen Stockwerkeigentümern einer schuldrechtlichen Grundlage (z.B. eines Sondernutzungsrechts) oder einer dinglichen Berechtigung (z.B. einer Dienstbarkeit), sollen sie rechtswirksam ausgeübt werden können (vgl. MEIER-HAYOZ/REY, Berner Kommentar, 1988, N. 37 ff. zu
Art. 712g ZGB
; WERMELINGER, La
BGE 136 III 261 S. 266
propriété par étages, 2008, N. 143-145 und 151 ff. zu
Art. 712a ZGB
). Eine bloss geduldete Nutzung oder ein auf Zusehen hin gestatteter Gebrauch schaffen keine Berechtigung (vgl. Urteil 5C.40/2006 vom 18. April 2006 E. 9, in: ZBGR 88/2007 S. 473, betreffend Benutzung eines Weges) und sind unter Vorbehalt eines Verstosses gegen das Verbot offenbaren Rechtsmissbrauchs jederzeit widerrufbar (vgl.
BGE 127 III 506
E. 4 S. 512 ff.). Entgegen der allenfalls missverständlichen Formulierung des Gesetzestextes setzt das Vetorecht gemäss
Art. 647d Abs. 2 ZGB
- gleich wie dasjenige nach
Art. 647e Abs. 2 ZGB
- ein Recht auf Nutzung und Gebrauch voraus.
3.3
Aus den dargelegten Gründen ist die obergerichtliche Ansicht richtig, der Beschwerdeführer könne sich einer nützlichen wie einer luxuriösen baulichen Massnahme nur widersetzen, wenn ihm ein Recht auf den Gebrauch oder die Nutzung der Terrasse zustehe, dessen Ausübung die von der Beschwerdegegnerin beschlossene bauliche Massnahme im Gesetzessinne erschwere oder unwirtschaftlich mache (
Art. 647d Abs. 2 ZGB
) oder beeinträchtige (
Art. 647e Abs. 2 ZGB
). Blosse Duldung der Nutzung oder des Gebrauchs begründet kein Vetorecht.
4.
Das Obergericht hat ein Gebrauchs- oder Nutzungsrecht des Beschwerdeführers verneint. Es ist davon ausgegangen, der Beschwerdeführer verfüge weder über ein Sonderrecht noch über ein Sondernutzungsrecht noch über die Zustimmung der anderen Stockwerkeigentümer, die Terrasse vor dem Restaurant und teilweise vor der Bank für seinen Gastwirtschaftsbetrieb zu nutzen. Das langjährige Dulden der Nutzung bedeute keine geschützte Rechtsposition, die das Vetorecht begründe. Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung betreffend die Zustimmung der Stockwerkeigentümer und reicht vor Bundesgericht die Bau-, Gastwirtschafts- und Gewässerschutzpublikation für das Restaurant vom 29. September 1983 ein. Daraus und aus dem Gründungsakt ergebe sich sein spezialvertragliches Nutzungsrecht an der Terrasse.
4.1
Das eingereichte Bewilligungsgesuch wurde den kantonalen Gerichten nicht vorgelegt. Gemäss
Art. 99 Abs. 1 BGG
dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit neuer Vorbringen sind in der Beschwerde zu begründen (vgl.
BGE 133 III 393
E. 3 S. 395). Eine darauf bezogene Begründung fehlt. Der Beschwerdeführer legt dar, dass das heute nachgereichte Bewilligungsgesuch für die kantonalen Gerichte
BGE 136 III 261 S. 267
gerichtsnotorisch und kein Novum sei. Weshalb es für das Bundesgericht nicht neu und unzulässig ist, begründet der Beschwerdeführer nicht. Der nachträglich eingereichte Beleg kann nicht berücksichtigt werden. Willkür oder andere Verfassungsverletzungen gegenüber den kantonalen Gerichten, die die angebliche Notorietät verkannt haben sollen, rügt der Beschwerdeführer nicht (
Art. 106 Abs. 2 BGG
). Der Beweiswert des neu eingereichten Belegs ist im Übrigen fraglich. Zum einen handelt es sich lediglich um die Veröffentlichung des Bewilligungsgesuchs, so dass damit nicht belegt werden kann, welche Bewilligungen tatsächlich erteilt wurden. Zum anderen soll das Gesuch "ca. 28 Plätze" auf einer Terrasse umfassen, so dass in dieser ungefähren Angabe ("ca.") sowohl die vom Beschwerdeführer beanspruchten 32 Plätze als auch die nach der Umgebungsgestaltung ihm verbliebenen 24 Plätze unter Willkürgesichtspunkten als erfasst gelten könnten. Für den genauen Inhalt des angeblichen Nutzungsrecht erscheint der nachgereichte Beleg insoweit als wenig beweiskräftig.
4.2
Die Terrasse zwischen dem Wohn- und Geschäftsgebäude und dem B.-bach kann einem Stockwerkeigentümer kraft Gesetzes nicht zu Sonderrecht zugeschieden werden, handelt es sich doch um den Boden der Liegenschaft (
Art. 712b Abs. 2 Ziff. 1 ZGB
). Der Beschwerdeführer behauptet ein besonderes Nutzungsrecht an der Terrasse auf Grund des Begründungsaktes. Er widerspricht damit der Erklärung des damaligen Notars an der Versammlung der Stockwerkeigentümer vom 14. Mai 2007, wonach die Benutzung der Terrasse durch den Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin bis jetzt geduldet worden sei, der Beschwerdeführer aber kein eigentliches Recht auf die Terrasse besitze und diesbezüglich auch kein Sondernutzungsrecht bestehe. Der damalige Notar ist zwar der heutige Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin, doch spricht für die Richtigkeit seiner Erklärung, dass das Benutzungs- und Verwaltungsreglement der Beschwerdegegnerin ausdrücklich Sondernutzungsrechte, z.B. an der Dachterrasse, begründet, aber gerade nicht an der Terrasse im Erdgeschoss, und dass der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers an der Versammlung der Stockwerkeigentümer vom 14. Mai 2007 beantragt hatte, die Beschlussfassung über die Umgebungsgestaltung auszusetzen, "damit ein Sondernutzungsrecht erarbeitet werden kann". Daraus darf unter Willkürgesichtspunkten gefolgert werden, dass vor Einleitung des Anfechtungsprozesses allseits Einigkeit geherrscht hat, es bestehe kein Sondernutzungsrecht
BGE 136 III 261 S. 268
des Beschwerdeführers an der Terrasse. Die daherige Beweiswürdigung des Obergerichts erweist sich insgesamt nicht als willkürlich (
Art. 9 BV
; vgl. zum Begriff:
BGE 134 V 53
E. 4.3 S. 62;
BGE 129 I 8
E. 2.1 S. 9). Aber selbst wenn zu Gunsten des Beschwerdeführers angenommen werden wollte, Sondernutzungsrechte an der Terrasse im Erdgeschoss seien vergessen worden und das Reglement insoweit lückenhaft, müsste davon ausgegangen werden, dass sich ein derartiges Recht auf die Terrasse unmittelbar vor dem Restaurant beschränkte und nicht auf die Terrasse vor den Fenstern der Bank erstreckte, zumal das Reglement im Erdgeschoss verschiedene Geschäftsräume zu Sonderrecht ausscheidet mit im Zweifelsfalle gleichen Nutzungsbefugnissen für alle Gewerbetreibenden. Darüber gehen die Forderungen des Beschwerdeführers indessen hinaus.
4.3
Aus den dargelegten Gründen kann nicht beanstandet werden, dass das Obergericht ein Nutzungs- und Gebrauchsrecht und damit ein Vetorecht des Beschwerdeführers im Sinne von
Art. 647d Abs. 2 und
Art. 647e Abs. 2 ZGB
verneint hat. Es durfte insoweit auch offenlassen, ob die genehmigte bauliche Massnahme als nützliche oder luxuriöse zu betrachten ist. Soweit der Beschwerdeführer behaupten will, ein Nutzungsrecht könne auch formlos eingeräumt werden, kann ihm nicht gefolgt werden. Der Vertrag über die Einräumung eines Sondernutzungsrechts bedarf keiner besonderen Form, setzt aber einen ordnungsgemäss zustande gekommenen Beschluss der Versammlung der Stockwerkeigentümer, d.h. einen schriftlichen Zirkulationsbeschluss oder einen mündlich gefassten und protokollierten Beschluss voraus, bestimmten Stockwerkeigentümern ein vertragliches Recht auf ausschliessliche Nutzung gewisser gemeinschaftlicher Teile einzuräumen (Urteil 5C.264/2006 vom 30. März 2007 E. 3.2, in: ZBGR 89/2008 S. 244, mit Hinweis auf
BGE 127 III 506
E. 3 S. 508 ff.). Am Nachweis eines entsprechenden Beschlusses der Stockwerkeigentümerversammlung fehlt es im vorliegenden Fall. | null | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
698effee-c188-47c4-b84e-cc848ca6aa2b | Urteilskopf
113 IV 58
18. Urteil des Kassationshofes vom 15. Mai 1987 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 117 StGB
; fahrlässige Tötung (Kausalität).
Haben mehrere Personen eine einzige (sorgfaltswidrige) Handlung beschlossen und in arbeitsteiliger Weise durchgeführt, so hat die Bejahung der Kausalität zwischen der gemeinsam vorgenommenen Gesamthandlung und dem eingetretenen Erfolg die Strafbarkeit aller Beteiligten zur Folge. | Sachverhalt
ab Seite 58
BGE 113 IV 58 S. 58
Am 21. April 1983, gegen 18.55 Uhr, bemerkten A. und B. auf der Rückfahrt von ihrer Waldhütte in X. neben der Strasse am rechten Tössufer zwei grosse Steinbrocken, welche sie auf Anregung von A. den dortigen Abhang bzw. über einen überhängenden Felsen hinunterzurollen beabsichtigten. Da ihnen einerseits die örtlichen Verhältnisse bestens bekannt waren, sie insbesondere wussten, dass sich in jenem Bereich am Tössufer öfters Leute - vorwiegend Fischer - aufhielten, und ihnen andererseits bewusst war, dass mit den grossen Steinen von ca. 52 kg bzw. über 100 kg Gewicht eine Person, die sich zufällig im Gefahrenbereich aufhält, getroffen werden könnte, ging B. auf Vorschlag von A. ein paar Schritte nach vorn gegen den Abgrund, um abzuklären, ob sich jemand unten am Abhang bzw. im Bereich des Tössufers aufhalte. Dabei rief er einmal laut hinunter, ob jemand unten sei, wobei er aber von seinem Standort aus das rechte Tössufer nicht einsehen konnte. Nachdem auf das Rufen niemand geantwortet hatte, kehrte B. zu A. zurück, behändigte den grossen, über 100 kg schweren Stein und liess ihn den Abhang hinunterrollen. Unmittelbar nachher rollte A. den kleineren, ca. 52 kg schweren Stein ebenfalls hinunter. Es steht fest, dass der unter dem Abhang befindliche Fischer C. von einem der beiden Steine tödlich getroffen wurde; jedoch konnte nicht geklärt werden, von welchem der beiden.
BGE 113 IV 58 S. 59
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach A. am 3. Juli 1986 im Berufungsverfahren der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Strafe von drei Monaten Gefängnis. Die gegen diesen Entscheid gerichtete eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde weist der Kassationshof ab.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Beide kantonalen Instanzen haben offengelassen, von welchem der beiden Steine C. tödlich getroffen wurde. Das Obergericht geht von einer gemeinsamen Entschlussfassung der Angeklagten aus, die beiden Steine den Abhang hinunterrollen zu lassen. Gemeinsames Handlungsziel sei gewesen, beide Steine vom Wegrand zu entfernen. Insofern habe die arbeitsteilige Vornahme einer einzigen Gesamthandlung vorgelegen. Der Geschehensablauf sei von der Entschlussfassung bis zu deren Verwirklichung als einheitliches Tun aufzufassen. Entscheidend sei, dass das Hinunterrollen beider Steine ursächlich für den Tod des Geschädigten gewesen sei.
Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, das Obergericht habe zu Unrecht angenommen, das Vorgehen des Beschwerdeführers A. sei für den Tod von C. kausal geworden.
2.
Gemäss
Art. 117 StGB
macht sich strafbar, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht.
Der tatbestandsmässige Erfolg und die Fahrlässigkeit sind vorliegendenfalls unstrittig gegeben. Zu prüfen bleibt einzig, ob der Tod des C. dem Verhalten des A. zugerechnet werden kann, obwohl nicht festgestellt ist, dass der von A. den Hang hinuntergerollte Stein den C. getötet hat.
Täter einer fahrlässigen Straftat ist jeder, der durch sorgfaltswidriges Verhalten zur Tatbestandserfüllung beiträgt (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht AT I, Bern 1982, S. 416), obschon er bei Beachtung der ihm persönlich obliegenden Sorgfaltspflicht die derart herbeigeführte Verwirklichung des Straftatbestandes hätte voraussehen und vermeiden können (SCHULTZ, Schweizerisches Strafrecht AT I, 4. Aufl., Bern 1982, S. 202). Dies gilt auch dann, wenn andere neben ihm in ähnlicher Weise mitgewirkt haben (STRATENWERTH, a.a.O., S. 416), m.a.W. sind mehrere Personen, die fahrlässig denselben Erfolg herbeigeführt haben, alle als Fahrlässigkeitstäter strafbar (NOLL/TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht AT I, 2. Aufl., Zürich 1986, S. 170; ebenso SCHUBARTH,
BGE 113 IV 58 S. 60
Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Bern 1982, N 87 zu
Art. 117 StGB
). Vorliegendenfalls steht fest, dass beide Angeklagten gemeinsam die beiden Steine den Abhang hinunterrollen lassen wollten. Bei einer derartigen Konstellation ist nicht danach zu fragen, ob der jeweilige Einzelbeitrag für den tatbestandsmässigen Erfolg kausal geworden ist, sondern ob die Kausalität zwischen der gemeinsam vorgenommenen Gesamthandlung und dem eingetretenen Erfolg zu bejahen ist. Jedenfalls muss dies gelten, wenn, wie vorliegendenfalls, die sorgfaltswidrige Handlung gemeinsam beschlossen und in der Folge in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang gemeinsam durchgeführt wird, wobei es der zufälligen Arbeitsteilung überlassen bleibt, wer welchen Stein ins Rollen bringt. Ist aber davon auszugehen, dass jedenfalls einer der beiden Steine den Tod des Opfers bewirkt hat, genügt dies zur Feststellung, dass das Verhalten des Beschwerdeführers für den eingetretenen Tod kausal geworden ist. Anders zu entscheiden wäre dann, wenn die beiden Angeklagten unabhängig voneinander gehandelt hätten.
Die Vorinstanz hat somit die Kausalität zu Recht bejaht. Damit erübrigt es sich, auf die zusätzliche Erwägung des Obergerichtes einzugehen, die Verurteilung könne auch in Anwendung der Risikoerhöhungstheorie erfolgen, da durch den Steinwurf des Beschwerdeführers eine wesentliche Risikoerhöhung im Sinne jener Lehre zweifellos zu bejahen sei. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
698fac54-fd48-4a87-aec2-9214e92c5e78 | Urteilskopf
101 II 253
42. Arrêt de la IIe Cour civile du 30 septembre 1975 dans la cause Fly S.A. contre Rochat. | Regeste
Art. 839 Abs. 2 ZGB
.
Begriff der Vollendung der Arbeit. | Sachverhalt
ab Seite 253
BGE 101 II 253 S. 253
A.-
Denis Huguenin, commerçant indépendant d'appareils ménagers à Nyon, procurait des commandes à la société anonyme Fly S.A., qui livre notamment des installations de cuisine complètes; Fly S.A. lui octroyait des commissions sur le prix des commandes.
En 1972, Yves Rochat, propriétaire, à Nyon, d'un immeuble dont il entreprenait la transformation, chargea Huguenin, entre autres travaux, de l'installation complète de sa cuisine. Huguenin transmit la commande à Fly S.A., qui établit un plan le 6 septembre 1972. Le 19 septembre 1972, Fly S.A. adressa à Huguenin une confirmation de la commande, avec un descriptif détaillé. Le coût total de l'installation de la cuisine s'élevait à 17'895 fr.; une remise de 15% (2'685 fr.) était concédée à Huguenin. Par la suite furent convenus quelques
BGE 101 II 253 S. 254
modifications et compléments à l'installation initiale. Le 11 octobre 1972, Fly S.A. confirma la commande de ces travaux à Huguenin, pour un prix total brut de 2'780 fr., lui octroyant également une remise de 15% (420 fr.).
Les travaux furent, dans l'essentiel, achevés en décembre 1972. Le 11 décembre 1972 déjà, Huguenin adressa à Rochat une facture pour un montant de 14'586 fr. 50, calculé comme il suit:
- montant total du prix convenu le
19 septembre 1972 Fr. 17'895.--
- prix convenu le 11 octobre 1972 pour les
travaux supplémentaires Fr. 2'780.--
-------------
total Fr. 20'675.--
sous déduction d'un acompte versé par Rochat
le 20 octobre 1972 Fr. 6'088.50
-------------
montant restant à payer Fr. 14'586.50
Rochat paya ce montant au début de mars 1973 à un établissement d'encaissement auquel Huguenin avait entre-temps cédé sa créance. Le 28 décembre 1972 déjà, il avait payé à Huguenin 8'633 fr., sur la base d'une facture de celui-ci du 18 décembre 1972, pour divers travaux d'entreprise (maçonnerie, gypserie, etc.).
Le 11 janvier 1973, Fly S.A. envoya à Rochat, "pour adresse M. Denis Huguenin", une facture de 17'570 fr., savoir 20'675 fr., montant total des commandes du 19 septembre et du 11 octobre 1972, déduction faite de la commission de 15% accordée à Huguenin. Huguenin reconnut cette facture, en contresignant l'extrait d'un décompte que Fly S.A. lui avait adressé le 28 juin 1973. Entre-temps, le 17 janvier 1973, un employé de Fly S.A. avait encore procédé chez Rochat, à la suite d'une demande d'intervention du 14 décembre 1972, aux travaux suivants: réglage d'un carrousel et des fermetures de tiroirs et d'armoires, pose d'un tiroir extensible et rectification des angles des surfaces en formica.
Le 4 avril 1973, Fly S.A. requit l'inscription d'une hypothèque légale des artisans et entrepreneurs sur le fonds de Rochat. Le juge instructeur de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois l'ordonna le 13 avril 1973, à concurrence de 17'570 fr., avec intérêt à 5% l'an dès le 5 avril 1973. Le 13 juillet 1973, Fly S.A. demanda à la Cour civile l'inscription définitive de cette hypothèque légale. Rochat conclut à libération.
BGE 101 II 253 S. 255
Entre-temps, Huguenin, qui était aux prises avec des difficultés financières, avait présenté, en été 1973, une demande de sursis concordataire. Cette demande fut refusée: la faillite fut ouverte et sommairement liquidée. Il semble que les créanciers d'Huguenin n'ont pas reçu de dividendes. En outre, Huguenin fut condamné par le Tribunal correctionnel du district de Nyon, le 25 novembre 1974, à quatre mois d'emprisonnement avec sursis pendant trois ans, pour abus de confiance. Le Tribunal estima que cette infraction (art. 140 ch. 1 al. 2 CP) était réalisée du fait que l'accusé n'avait pas transféré à Fly S.A. les montants encaissés pour les commandes (sous déduction de la commission concédée) alors qu'il avait pleine conscience que la propriété économique de ces sommes lui échappait.
B.-
La Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté l'action de la demanderesse le 23 janvier 1975. Elle a considéré, à titre principal, que, les travaux ayant été achevés dans le courant du mois de décembre 1972, l'inscription provisoire de l'hypothèque légale n'avait pas été opérée en temps utile.
C.-
Fly S.A. a recouru en réforme au Tribunal fédéral. Elle demande que son action soit admise.
L'intimé Yves Rochat conclut, avec dépens, au rejet du recours. La Cour civile du Tribunal cantonal vaudois se réfère aux considérants de son jugement.
Erwägungen
Considérant en droit:
Au vu des faits constatés par la Cour cantonale, qui lient le Tribunal fédéral (art. 63 al. 2 OJ), on doit poser en principe que les travaux exécutés dans la cuisine de l'intimé étaient, dans l'essentiel, achevés en décembre 1972 et que la cuisine pouvait être utilisée avant la fin de ce mois. Le délai de déchéance de l'art. 839 al. 2 CC n'est respecté par l'inscription provisoire du 13 avril 1973 que si l'on admet que l'installation de la cuisine a été terminée par les travaux exécutés le 17 janvier 1973 par un employé de la recourante.
Selon une doctrine et une jurisprudence bien établies, il y a achèvement des travaux, au sens de l'art. 839 al. 2 CC, quand tous les travaux qui constituent l'objet du contrat d'entreprise ont été exécutés et que l'ouvrage est livrable; des prestations tout à fait accessoires et de peu d'importance, ainsi que de simples travaux de mise au point, n'entrent pas en considération
BGE 101 II 253 S. 256
(LEEMANN, n. 18-20 ad art. 839 CC; RO 39 II 777, 40 II 25). En particulier, le fait que l'entrepreneur présente une facture pour son travail donne à penser, en règle générale, qu'il estime l'ouvrage achevé (GAUTSCHI, n. 12 ad art. 367 CO; RJB 69/1933 p. 82 ss). La détermination du moment où les travaux ont été achevés, de ce qui est prestation sans importance ou accessoire, ou encore travail de mise au point est au premier chef une question de fait, que le Tribunal fédéral n'a pas compétence pour revoir (RO 48 II 52).
En l'espèce, la Cour civile cantonale a jugé sans aucun doute à juste titre que le réglage d'un carrousel et des fermetures de tiroirs et d'armoires, ainsi que la rectification des angles des surfaces en formica constituaient des travaux de mise au point, qui ne sont pas compris dans la notion d'achèvement (LEEMANN, n. 20 ad art. 839 CC). Quant à la pose d'un tiroir extensible, le Tribunal a constaté qu'il ne s'agissait que d'un élément de minime importance; la cuisine était auparavant déjà utilisable et avait été utilisée. Il s'agit là d'une constatation de fait. La recourante n'avance rien qui puisse renverser l'argumentation des premiers juges. Le descriptif prévoyait déjà, dans l'agencement de la cuisine, un meuble de base comprenant "un extensible avec dispositifs casseroles et bouteilles". Rien, dans le dossier, ne permet de dire pourquoi la livraison n'a eu lieu qu'en janvier 1973. Il est possible que cet élément n'ait pas été en dépôt chez la recourante et qu'on ait oublié de le poser lors de l'aménagement de la cuisine. Quoi qu'il en soit, il ne pouvait s'agir que d'installer le tiroir avec des éclisses dans la niche déjà préparée à cet effet. Quand la Cour cantonale considère ce travail comme secondaire et accessoire, on ne saurait lui reprocher de violer le droit fédéral.
Ainsi, on ne peut que se rallier aux premiers juges quand ils estiment que la requête d'inscription provisoire de l'hypothèque légale était tardive, si bien que l'action de la demanderesse doit être écartée. Il y a donc lieu de rejeter le recours. | public_law | nan | fr | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6991ac3e-dc41-47d6-81b6-cde549966d59 | Urteilskopf
83 II 53
9. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Januar 1957 i.S. Casor G.m.b.H. gegen Heggendorn. | Regeste
1.
Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
. Wann genügt der Berufungsantrag auf Rückweisung der Sache? (Erw. 1).
2.
Art. 753, 827 OR
. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann aus Tatsachen, die allen Gründern bei der Gründung bekannt waren, keinen Schadenersatzanspruch gegen die Gründer ableiten (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 53
BGE 83 II 53 S. 53
A.-
Walter Heggendorn und Jakob Weissberg gründeten am 4. Juni 1951 eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in Fortführung des bisher von Heggendorn als Einzelinhaber geführten Geschäftes die Herstellung von Uhrenschalen, Armbändern und ähnlichen Waren bezweckte.
BGE 83 II 53 S. 54
Die Gründung erfolgte, weil Heggendorn durch sein Geschäft in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und Weissberg als Teilhaber in ein Unternehmen mit Fabrikationsberechtigung einzutreten wünschte. An das Stammkapital von Fr. 20'000.-- leistete Weissberg durch Bareinzahlung Fr. 9000.--. Heggendorn verpflichtete sich zu einer Stammeinlage von Fr. 11'000.--, bestehend in den Aktiven und Passiven seines Geschäftes. Die Aktiven wurden im Übernahmevertrag und in den Statuten unter Verweisung auf Inventar und Bilanz vom 30. April 1951 auf Fr. 80'785.30, die Passiven auf Fr. 69'785.30 beziffert. Wie beide Gründer wussten, waren Inventar und Bilanz insofern inhaltlich unwahr, als sie das Warenlager zu hoch bewerteten und nicht alle von der Gesellschaft übernommenen Schulden aufführten. Laut Gründungsurrkunde stand die Geschäftsführung beiden Gesellschaftern zu. Die Gesellschaft, mit Sitz in Lengnau bei Biel, wurde am 8. Juni 1951 unter der Firma Walter Heggendorn G.m.b.H. in das Handelsregister eingetragen.
Am 6. September 1952 trat Heggendorn seinen Gesellschaftsanteil gegen Entgelt an Weissberg ab. Dieser führte das Geschäft unter der neuen Firma Jakob Weissberg G.m.b.H. weiter und verlegte den Sitz am 6. Januar 1953 nach Arch. Am 11. Mai 1953 starrb Weissberg. Seine beiden Erben traten ihre Gesellschaftsanteile am 9. Oktober 1953 unentgeltlich an Eduard Hugi ab, unter Hinweis darauf, dass die Schulden der Gesellschaft die Aktiven um Fr. 42'464.06 überstiegen. Hugi änderte am gleichen Tage den Namen der Gesellschaft in Casor G.m.b.H. ab.
B.-
Mit Klage vom 23. Januar 1956 beantragte die Casor G.m.b.H. dem Appellationshof des Kantons Bern, Heggendorn sei zu verurteilen, ihr Fr. 23'942.35 nebst 5% Zins seit 17. August 1955, Fr. 8272.45 nebst Zins zu 6% seit 1. Januar 1952 und einen nach richterlichem Ermessen zu bestimmenden weiteren Betrag zu bezahlen. Sie machte geltend, sie habe Fr. 23'942.35 auslegen müssen, um Geschäftsschulden des Beklagten zu tilgen, die er in die Bilanz
BGE 83 II 53 S. 55
vom 30. April 1951 bewusst nicht aufgenommen habe, und eine weitere solche Schuld von Fr. 8272.45 sei von einem Gläubiger auf Rechnungsruf der Klägerin hin angemeldet worden. Den nach richterlichem Ermessen zu bestimmenden weitern Betrag verlange sie, weil der Beklagte den Wert des Warenlagers in der Eröffnungsbilanz statt auf Franken 24'810.-- auf Fr. 48'450.-- beziffert habe. Die Schadenersatzpflicht ergebe sich aus
Art. 753 OR
.
Am 11. Juli 1956 wies der Appellationshof die Klage entsprechend dem Antrage des Beklagten ab, weil Weissberg bei der Gründung der Gesellschaft nicht irregeführt worden sei und daher gegen den Beklagten keinen Verantwortlichkeitsanspruch erlangt habe, und weil die vorbehaltlose Auseinandersetzung zwischen Weissberg und dem Beklagten anlässlich dessen Ausscheiden vom September 1952 einer formellen Décharge-Erklärung gleichzustellen sei, wodurch die Verantwortlichkeitsansprüche, die der Gesellschaft allenfalls noch zustehen mochten, untergegangen seien. Der Appellationshof führte aus, nachdem die Klägerin die Gesellschaft von den Erben Weissberg unter Ausschluss jeder Gewähr mit Aktiven und Passiven übernommen habe, könne sie nicht mehr Rechte geltend machen, als Weissberg nach dem Ausscheiden des Beklagten zustanden. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, dass sie gegen den Beklagten Ansprüche besitze, die Weissberg nicht bekannt gewesen wären.
C.-
Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Ergänzung der Akten und zu neuer Beurteilung an den Appellationshof zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Wenn die Schadenersatzpflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin für sein Verhalten als Gründer zu bejahen wäre, müsste die Sache zur Feststellung des Schadens an den Appellationshof zurückgewiesen werden. Unter diesen Umständen genügt der Rückweisungsantrag
BGE 83 II 53 S. 56
der Klägerin den Anforderungen, die
Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
an die Anträge der Berufungsschrift stellt (
BGE 71 II 186
,
BGE 75 II 230
; vgl. auch
BGE 81 III 91
).
2.
Die bei der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligten Personen sind für ihre Handlungen und Unterlassungen nach den Bestimmungen des Aktienrechts verantwortlich (
Art. 827 OR
). Sie werden demnach der Gesellschaft, den einzelnen Gesellschaftern und den Gesellschaftsgläubigern unter anderem dann schadenersatzpflichtig, wenn sie absichtlich oder fahrrlässig dazu beitragen, dass Sacheinlagen in den Statuten oder in einem Gründerbericht unrichtig oder unvollständig angegeben werden oder die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister auf Grund einer Bescheinigung oder Urkunde erfolgt, die unrichtige Angaben enthält (
Art. 753 Ziff. 1 und 2 OR
). Die Haftung gegenüber der Gesellschaft besteht aber nicht, wenn diese mit den Handlungen oder Unterlassungen, die sie dem Gründer vorwirft, aus freiem Entschlusse einverstanden gewesen ist. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann, wie jede andere handlungsfähige juristische oder natürliche Person, in eine Minderung ihres Vermögens oder in das Ausbleiben einer Vermögensvermehrung einwilligen. Insbesondere verbietet ihr das Gesetz nicht, auf Anrechnung an ihr Stammkapital Sacheinlagen anzunehmen, von denen sie weiss, dass sie den ihnen durch die Statuten, die Gründungsurkunde und den Übernahmevertrag beigemessenen Wert nicht haben. Wer, ohne durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusst zu sein, einer Handlung zustimmt, deren Auswirkung auf sein Vermögen ihm in jeder Beziehung bekannt ist, erlangt nach bewährter Lehre keinen Schadenersatzanspruch (volenti non fit injuria).
In dieser Lage befindet sich die Klägerin. Sie hat notwendigerweise das gleiche gewusst und gewollt wie ihrre zwei einzigen Gesellschafter Heggendorn und Weissberg, die zusammen ihr oberstes Organ waren (
Art. 808 Abs. 1 OR
) und gemeinsam ihre Geschäfte führten (
Art. 811
BGE 83 II 53 S. 57
Abs. 1 OR
). Dass die Klägerin Persönlichkeit erst durch die Eintragung in das Handelsregister erlangt hat (
Art. 783 Abs. 1 OR
), die unwahre Bilanz, die Statuten, die Gründungsurkunde und der Übernahmevertrag jedoch vorher aufgestellt worden sind, ändert nichts. Denn die beiden Gesellschafter haben im Zeitpunkt der Entstehung der Klägerin nichts anderes wollen können als vorher. Nicht nur der Beklagte, sondern auch Weissberg wusste und billigte damals, dass das mit Aktiven und Passiven als Sacheinlage übernommene Geschäft des Beklagten ein überbewertetes Warenlager und gewisse in Inventar und Bilanz vom 30. April 1951 unterdrückte Schulden enthielt, welche die Klägerin werde tilgen müssen, und zwar waren beiden Gesellschaftern alle Tatsachen, aus denen die Klägerin Ansprüche ableitet, schon damals bekannt. Der Beklagte ist daher der Klägerin nicht zu Schadenersatz verpflichtet. Daran vermag der Umstand, dass die Gesellschaftsanteile seit der Gründung in andere Hände übergegangen sind, nichts zu ändern.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern vom 11. Juli 1956 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6993eb8e-bdd5-4a12-a701-1a04faaac9ae | Urteilskopf
119 III 75
21. Estratto della sentenza 14 luglio 1993 della II Corte civile nella causa G contro P e Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello del Cantone Ticino (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Rechtsvorschlag in der Wechselbetreibung; Hinterlegung der Forderungssumme.
1. Die Verfügung, mit der dem Gläubiger einerseits die Hinterlegung der Forderungssumme durch den Betriebenen angezeigt und andererseits Frist zur Anhebung der Klage auf Zahlung angesetzt wird, ist ein Endentscheid im Sinne von
Art. 87 OG
(E. 1a).
2. Eine Solidarbürgschaft stellt keine hinreichende Hinterlegung im Sinne von
Art. 182 Ziff. 4 SchKG
dar (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 76
BGE 119 III 75 S. 76
A.-
Il 30 settembre 1991 P ha emesso un vaglia cambiario di fr. 80'000.-- all'ordine di A, senza indicazione di scadenza. Il vaglia è stato protestato per mancato pagamento il 24 gennaio 1992. Il 3 febbraio 1992 G, avvocato di A e agente quale creditore, ha promosso contro P un'esecuzione cambiaria per la somma di fr. 80'000.--, oltre interessi e spese di protesto. L'escusso, dal canto suo, ha interposto opposizione, che è stata rigettata dal Pretore. Adita dal debitore, la Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello ha annullato, il 10 febbraio 1993, il giudizio di primo grado e ha ammesso l'opposizione, dietro deposito, entro dieci giorni dalla notifica della sentenza, della somma di fr. 87'000.-- in denaro o valori subito realizzabili. Nel medesimo tempo è stato fissato a G un termine di dieci giorni dalla comunicazione dell'avvenuto deposito per promuovere l'azione di pagamento. La decisione è stata intimata il 19 febbraio 1993 e non è stata impugnata. Il 4 marzo 1993 il Presidente della Camera ha comunicato alle parti, e in particolare al procedente, che P aveva depositato, il 2 marzo 1993, una fideiussione solidale della Banca Y di Lugano per la somma di fr. 87'000.--. G veniva pertanto diffidato a promuovere, entro dieci giorni da tale notifica, l'azione di pagamento dell'importo del vaglia cambiario, con la comminatoria che il mancato rispetto di tale termine avrebbe reso caduca la fideiussione.
B.-
Il 31 marzo 1993 G ha presentato al Tribunale federale un ricorso di diritto pubblico, fondato sulla violazione dell'
art. 4 Cost.
, con cui chiede che l'ordinanza del 4 marzo 1993 appena citata venga annullata e che l'opposizione interposta al precetto esecutivo cambiario del 3 febbraio 1992 non sia ammessa. Con risposta del 21 maggio 1993 P si oppone all'accoglimento del gravame.
Erwägungen
Dai considerandi:
1.
a) Contrariamente all'opinione dell'escusso, l'ordinanza impugnata non si limita a fissare al ricorrente il termine di dieci giorni
BGE 119 III 75 S. 77
previsto dall'
art. 184 cpv. 2 LEF
, ma accettando, quale deposito giusta l'
art. 182 n. 4 LEF
, la fideiussione bancaria prodotta dallo stesso escusso, conferma la validità dell'opposizione. Si tratta pertanto di una decisione finale secondo l'
art. 87 OG
contro la quale è esperibile un ricorso di diritto pubblico (cfr.
DTF 104 III 96
consid. 1;
DTF 95 I 253
segg., in particolare il consid. 3).
2.
a) L'
art. 182 n. 4 LEF
prevede il deposito della somma per cui si procede "in danaro o valori". La giurisprudenza ha già avuto modo di precisare che tale deposito non rappresenta una garanzia alla stregua di una costituzione in pegno, ma un pagamento anticipato condizionato che estingue il debito (
DTF 110 III 34
consid. 2;
DTF 104 III 96
consid. 1;
DTF 42 III 364
seg.). Tale opinione è condivisa dalla dottrina (cfr. oltre agli autori citati nelle predette sentenze anche: AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5a ed., § 37 n. 32, e GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2a ed., pag. 259 in fondo).
b) Il ricorrente giudica del tutto incompatibile con l'
art. 182 n. 4 LEF
, e quindi arbitraria, l'accettazione quale deposito di un atto di fideiussione. Egli nega che si tratti, come lo esige la legge, di un valore subito realizzabile e rileva che, nel caso in esame, la fideiussione è tanto meno accettabile, in quanto è stata prestata a favore del Tribunale di appello e non del creditore procedente.
c) La ragione per la quale la legge esige un deposito in denaro o in titoli facilmente realizzabili consiste nel fatto che, attraverso tali valori, il credito dev'essere immediatamente soddisfatto e non semplicemente garantito. Di conseguenza la giurisprudenza ha ritenuto insufficiente il deposito di obbligazioni non quotate in borsa, prive di un corso fisso (
DTF 110 III 33
segg.). Il fideiussore, anche solidale, dispone di eccezioni proprie, indipendenti da quelle del debitore principale, a cui non può rinunciare (
art. 492 cpv. 4 CO
). Egli può, ad esempio, sollevare l'eccezione di invalidità dell'atto di fideiussione oppure fornire garanzie reali (
art. 501 cpv. 2 CO
; GUHL/MERZ/DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8a ed., pag. 568 n. 2). A ciò si aggiunge che, in concreto, la banca dichiara di costituirsi fideiussore solidale non verso il creditore, ma verso l'autorità cantonale. La fideiussione non assicura quindi l'immediato e incondizionato soddisfacimento del credito ed è pertanto escluso che possa essere considerata un deposito sufficiente ai sensi dell'
art. 182 n. 4 LEF
. Ciò giustifica l'accoglimento del ricorso e l'annullamento della decisione impugnata. | null | nan | it | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
69957b24-1ed6-4e66-a03e-e8406061524d | Urteilskopf
137 III 49
9. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_270/2010 vom 25. November 2010 | Regeste
Art. 122 ff. ZGB
; Verpfändung von Mitteln der beruflichen Vorsorge für Wohneigentum zum eigenen Bedarf.
Grundsätze und Möglichkeiten des Ausgleichs der Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte seinen Anspruch auf Vorsorgeleistungen oder einen Betrag bis zur Höhe seiner Freizügigkeitsleistung für Wohneigentum zum eigenen Bedarf verpfändet hat. Anwendungsfall, in dem eine angemessene Entschädigung gemäss
Art. 124 ZGB
in Raten geschuldet ist (E. 2-4). | Sachverhalt
ab Seite 50
BGE 137 III 49 S. 50
X. (Ehefrau), Jahrgang 1972, und Y. (Ehemann), Jahrgang 1968, heirateten 1996. Sie wurden Eltern zweier Töchter, geboren in den Jahren 1998 und 2001. Die Ehefrau besorgte während der Ehe zur Hauptsache den Haushalt der Familie und betreute die Kinder. Der Ehemann arbeitete als Verkaufsleiter im Aussendienst. Die Ehegatten trennten sich Ende November 2005. Mit Eingabe vom 1. Februar 2008 leitete der Ehemann das Scheidungsverfahren ein. Die Ehegatten beantragten gemeinsam die Scheidung. Das Kreisgericht K. schied die Ehe und regelte die Scheidungsfolgen. Streitig blieb der Anspruch der Ehefrau aus beruflicher Vorsorge gegen den Ehemann. Dessen Vorsorgeguthaben ist bei der Kantonalbank zur Absicherung von Hypotheken verpfändet, die eine Eigengutsliegenschaft (Wohnhaus) des Ehemannes belasten. Das Kreisgericht sprach X. (Beschwerdeführerin) eine Entschädigung im Betrag der hälftigen Austrittsleistung von Fr. 72'755.60 nebst Zins zu und verpflichtete Y. (Beschwerdegegner), die Entschädigung in monatlichen Raten abzuzahlen. Beide Parteien erhoben je Berufung. Was die berufliche Vorsorge angeht, entschied das Kantonsgericht St. Gallen neu wie folgt:
Es wird festgestellt, dass der Vorsorgeausgleich nicht geregelt werden kann.
Y. hat die St. Galler Kantonalbank jährlich, erstmals auf Ende 2010, um Zustimmung zur Übertragung von Austrittsleistungen im Umfang von Fr. 72'755.60 auf die Vorsorgeeinrichtung der Ehefrau zu ersuchen. Er hat X. über das Ergebnis seiner Anfrage, eine Aufhebung der Verpfändung des Vorsorgeguthabens oder einen Verkauf der Liegenschaft zu informieren.
Die Beschwerdeführerin hat dagegen Beschwerde erhoben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und verpflichtet den Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin [recte: den Beschwerdegegner, der Beschwerdeführerin] eine angemessene Entschädigung gemäss
Art. 124 ZGB
von Fr. 72'755.60 nebst Zins in monatlichen Raten zu bezahlen.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass die Beschwerdeführerin gegen den Beschwerdegegner eine Forderung aus beruflicher Vorsorge von Fr. 72'755.60 hat und dass das Vorsorgeguthaben des Beschwerdegegners für das von den Parteien während der Ehe selbst genutzte Wohnhaus verpfändet ist. Das Kreisgericht hat die
BGE 137 III 49 S. 51
Teilvereinbarung der Parteien genehmigt, wonach die während der Ehe erworbenen BVG-Guthaben nach Gesetz aufzuteilen sind. Es ist davon ausgegangen, ohne die Zustimmung der Pfandgläubigerin, die verweigert werde, könne das Vorsorgeguthaben des Beschwerdegegners nicht geteilt und der Betrag von Fr. 72'755.60 nicht auf das Vorsorgekonto der Beschwerdeführerin übertragen werden. Der Beschwerdegegner schulde der Beschwerdeführerin deshalb eine angemessene Entschädigung, die auf Fr. 72'755.60 festzusetzen und in Raten abzuzahlen sei. Im kantonalen Berufungsverfahren haben die Parteien beantragt, auf die Abgeltung der Ansprüche aus beruflicher Vorsorge zu verzichten (Beschwerdegegner) bzw. die Ratenzahlungen abweichend festzusetzen (Beschwerdeführerin). Das Kantonsgericht ist davon ausgegangen, die Teilung des verpfändeten Vorsorgeguthabens sei möglich, doch könne wegen der Verpfändung und der fehlenden Zustimmung der Pfandgläubigerin der Vorsorgeausgleich nicht geregelt werden. Die Parteien müssten deshalb das Scheidungsurteil ergänzen lassen, sobald die Liegenschaft verkauft werde, die Verpfändung der Vorsorgeguthaben dahinfalle oder die Pfandgläubigerin einer Übertragung der Vorsorgeguthaben an die Beschwerdeführerin zustimme. In diesem Sinn hat das Kantonsgericht den Beschwerdegegner verpflichtet, sich um die Zustimmung der Pfandgläubigerin zu bemühen und die Beschwerdeführerin zu informieren. Der Entscheid über das Prinzip der Teilung und über den Anspruch auf angemessene Entschädigung fällt in die sachliche Zuständigkeit des Scheidungsgerichts und nicht des Berufsvorsorgegerichts (vgl.
BGE 136 V 225
E. 5.3 und E. 5.4 S. 227 ff.).
3.
Fallbezogen zeigt sich die rechtliche Ausgangslage wie folgt:
3.1
Die
Art. 122 ff. ZGB
regeln die Scheidungsfolgen betreffend "Berufliche Vorsorge" (Marginalie). Gehört ein Ehegatte oder gehören beide Ehegatten einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge an und ist bei keinem Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten, so hat jeder Ehegatte Anspruch auf die Hälfte der nach dem Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 (FZG; SR 831.42) für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen Ehegatten (
Art. 122 Abs. 1 ZGB
). Stehen den Ehegatten gegenseitig Ansprüche zu, so ist nur der Differenzbetrag zu teilen (
Art. 122 Abs. 2 ZGB
). Ist bei einem oder bei beiden Ehegatten ein Vorsorgefall bereits eingetreten oder können aus andern Gründen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge, die während der Dauer der Ehe erworben worden sind, nicht geteilt werden, so ist eine angemessene Entschädigung
BGE 137 III 49 S. 52
geschuldet (
Art. 124 Abs. 1 ZGB
). Bei beiden Anspruchsgrundlagen ist
Art. 123 ZGB
über "Verzicht und Ausschluss" (Marginalie) zu beachten (vgl. zum System des Vorsorgeausgleichs zuletzt: Urteil 5A_648/2009 vom 8. Februar 2010 E. 4.1, in: FamPra.ch 2010 S. 441 f.).
3.2
Mittel der beruflichen Vorsorge können für selbst genutztes Wohneigentum eingesetzt werden. Die Möglichkeit geht auf das Bundesgesetz vom 17. Dezember 1993 über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge zurück, in Kraft getreten am 1. Januar 1995 (AS 1994 2372, 2378). Die einschlägigen Bestimmungen finden sich in
Art. 331d und
Art. 331e OR
sowie in Art. 30a-g des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40). Sie unterscheiden zwischen der Verpfändung und dem Vorbezug.
3.2.1
Für den Vorbezug sehen
Art. 331e OR
und
Art. 30c BVG
insbesondere vor, dass der Arbeitnehmer bzw. Versicherte von seiner Vorsorgeeinrichtung einen Betrag für Wohneigentum zum eigenen Bedarf geltend machen kann (Abs. 1), dass beim verheirateten Arbeitnehmer bzw. Versicherten der Bezug nur mit schriftlicher Zustimmung des Ehegatten zulässig ist (Abs. 5) und dass der Vorbezug als Freizügigkeitsleistung gilt und nach den
Art. 122, 123 und 141 ZGB
sowie
Art. 22 FZG
geteilt wird, wenn vor Eintritt eines Vorsorgefalls die Ehe geschieden wird (Abs. 6). Für die vorbezogenen Mittel besteht namentlich im Falle einer Veräusserung des Wohneigentums eine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber der Vorsorgeeinrichtung (
Art. 30d Abs. 1 BVG
;
Art. 331e Abs. 8 OR
). Die Rückzahlungsverpflichtung wird grundbuchlich sichergestellt (
Art. 30e BVG
;
Art. 331e Abs. 8 OR
).
3.2.2
Die im Wesentlichen gleiche Regelung gilt für die Verpfändung von Mitteln der beruflichen Vorsorge. Gemäss
Art. 30b BVG
kann der Versicherte den Anspruch auf Vorsorgeleistungen oder einen Betrag bis zur Höhe seiner Freizügigkeitsleistung nach
Art. 331d OR
verpfänden. Der verwiesene
Art. 331d OR
sieht insbesondere vor, dass der Arbeitnehmer den Anspruch auf Vorsorgeleistungen oder einen Betrag bis zur Höhe seiner Freizügigkeitsleistung für Wohneigentum zum eigenen Bedarf verpfänden kann (Abs. 1), dass beim verheirateten Arbeitnehmer die Verpfändung nur mit schriftlicher Zustimmung des Ehegatten zulässig ist (Abs. 5) und dass
BGE 137 III 49 S. 53
Art. 30d-f BVG
Anwendung finden, wenn das Pfand vor dem Vorsorgefall verwertet wird (Abs. 6).
3.2.3
Eine unterschiedliche Behandlung erfahren Vorbezug und Verpfändung von Mitteln der beruflichen Vorsorge auch im Scheidungsfall nicht. Der Vorbezug gilt als Freizügigkeitsleistung und wird nach
Art. 122 ZGB
geteilt (
Art. 30c Abs. 6 BVG
;
Art. 331e Abs. 6 OR
). Das bedeutet, dass der Vorbezug zur Austrittsleistung im Zeitpunkt der Scheidung hinzuzurechnen ist (vgl.
BGE 132 V 332
E. 3 S. 333). Eine entsprechende Regelung fehlt für die Verpfändung von Mitteln der beruflichen Vorsorge und ist auch nicht erforderlich. Denn die blosse Verpfändung verändert im Gegensatz zum Vorbezug die Höhe des Vorsorgeguthabens nicht. Die zwar verpfändete, aber im Vermögen der Vorsorgeeinrichtung unverändert vorhandene Austrittsleistung kann nach
Art. 122 ZGB
ermittelt werden, ohne dass es der Hinzurechnungen oder Sondervorschriften bedürfte.
3.3
Trotz der gesetzlichen Rückzahlungsverpflichtung und deren Sicherstellung kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Wohneigentum, in das vorbezogene oder verpfändete Mittel der beruflichen Vorsorge investiert wurden, an Wert verliert und dass das Pfand für Wohneigentum, das aus Mitteln der beruflichen Vorsorge gestellt wurde, zu Gunsten der Gläubiger verwertet wird.
3.3.1
Im Umfang des eingetretenen Verlustes fallen die vorbezogenen oder verpfändeten Beträge aus dem System der beruflichen Vorsorge heraus. Sie sind für die Vorsorge verloren und bei der Ermittlung der zu teilenden Austrittsleistung gemäss
Art. 122 ZGB
nicht mehr zu berücksichtigen. Der Verlust ist von beiden Ehegatten gemeinsam (im Normalfall je hälftig) zu tragen, namentlich weil das während der Ehe mit Hilfe des Vorbezugs oder der Verpfändung erworbene Wohneigentum in der Regel als gemeinsame Wohnung der Ehegatten dient und diese Finanzierung des einen Ehegatten nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten möglich ist (vgl.
BGE 132 V 332
E. 4.2-4.4 S. 333 ff.;
BGE 135 V 436
E. 3.3 S. 440 mit Hinweisen).
3.3.2
Nach der Lehre gelten die Grundsätze nicht nur für den Fall des im Zeitpunkt der Scheidung tatsächlich eingetretenen Wertverlustes, sondern auch für den im Zeitpunkt der Scheidung
absehbaren
Wertverlust. Bei einem absehbaren Wertverlust des Wohneigentums ist nur derjenige Teil des Vorbezugs zur teilbaren Austrittsleistung hinzuzurechnen, der im Falle einer Veräusserung an die Vorsorgeeinrichtung zurückbezahlt werden müsste. Die Bestimmung dieses hypothetischen Erlöses, d.h. des Wertes des Wohneigentums
BGE 137 III 49 S. 54
abzüglich der hypothekarisch gesicherten Schulden (vgl.
Art. 30d Abs. 5 BVG
), bzw. des Wertverlustes wird regelmässig eine Schätzung des Wohneigentums im Rahmen der Scheidung erforderlich machen (vgl.ANDREA BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung und Scheidung, 2008, N. 614 S. 299 f. mit Hinweisen).
3.3.3
Die Frage des absehbaren Wertverlustes stellt sich in gleicher Weise bei der Verpfändung von Mitteln der beruflichen Vorsorge. Die Bewertung des Wohneigentums zeigt, ob und in welchem Umfang das Pfand beansprucht werden dürfte. Der Betrag, der nach der absehbaren Pfandverwertung und der Verteilung des Erlöses übrig bleibt, gehört zum Vorsorgeguthaben.
3.4
Ist ein vollständiger Wertverlust weder tatsächlich eingetreten noch absehbar, kann die Berechnung gemäss
Art. 122 ZGB
ergeben, dass der Ehegatte, der Mittel der beruflichen Vorsorge für Wohneigentum zum eigenen Bedarf vorbezogen oder verpfändet hat, gegenüber dem anderen Ehegatten ausgleichspflichtig ist. Es stellt sich die Frage nach der Durchführung der Teilung.
3.4.1
Das vorbezogene Kapital gilt im Falle einer Scheidung vor Eintritt des Vorsorgefalls zwar kraft Gesetzes als Freizügigkeitsleistung, ist aber in Wirklichkeit im Wohneigentum investiert und steht deshalb nicht in Form eines Vorsorgeguthabens bzw. einer Austrittsleistung zur Verfügung (
BGE 136 V 57
E. 3.2 S. 59 f.). Die Durchführung der Teilung kann deshalb Schwierigkeiten bereiten.
3.4.2
Die Lage zeigt sich nicht wesentlich anders bei der Verpfändung von Mitteln der beruflichen Vorsorge. Das verpfändete Kapital befindet sich zwar bei der Vorsorgeeinrichtung. Für die Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung, für die Auszahlung der Vorsorgeleistung und auch für die Übertragung eines Teils der Freizügigkeitsleistung infolge Scheidung auf eine Vorsorgeeinrichtung des anderen Ehegatten ist jedoch die schriftliche Zustimmung des Pfandgläubigers erforderlich, soweit die Pfandsumme betroffen ist. Dieses Zustimmungserfordernis ist in Art. 9 Abs. 1 der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge (WEFV; SR 831.411) ausdrücklich vorgesehen. Verweigert der Pfandgläubiger die Zustimmung, kann die Erfüllung des Anspruchs, der dem anderen Ehegatten gemäss
Art. 122 ZGB
zusteht, unter Umständen Schwierigkeiten bereiten.
3.4.3
In
BGE 135 V 324
hat das Bundesgericht anhand der Lehre verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie die Forderung des
BGE 137 III 49 S. 55
ausgleichsberechtigten Ehegatten durch den Ehegatten, der seine Mittel der beruflichen Vorsorge für Wohneigentum zum eigenen Bedarf vorbezogen hat, getilgt werden kann. Ausgangspunkt bildet dabei die Annahme, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte Eigentümer der Liegenschaft bleibt, für die der Vorbezug verwendet wurde. Es bestehen unter anderem folgende Möglichkeiten: (1.) Wurden nicht sämtliche Mittel der beruflichen Vorsorge vorbezogen, ist die Ausgleichsforderung des anderen Ehegatten durch die noch vorhandene Freizügigkeitsleistung zu tilgen. (2.) Verfügt der ausgleichspflichtige Ehegatte über genügend Vermögen, kann er den geschuldeten Betrag an seine Vorsorgeeinrichtung zurückbezahlen, die den Anspruch des anderen Ehegatten durch Übertragung einer Freizügigkeitsleistung erfüllt. (3.) Erwähnt wird die Möglichkeit, durch Gestaltungsurteil dem ausgleichsberechtigten Ehegatten die bedingte Forderung auf vorzeitige Rückzahlung des Vorbezugs ganz oder teilweise zu übertragen. (4.) Ist zwischen den Ehegatten eine vertragliche Einigung erzielbar, kann die Fälligkeit der Forderung, die dem ausgleichsberechtigten Ehegatten zusteht, für eine bestimmte Zeitspanne aufgeschoben werden, wobei die Forderung durch ein Grundpfand auf dem Wohneigentum zu sichern ist und die Vorsorgeeinrichtungen beider Ehegatten in die Vereinbarung einbezogen werden müssen. (5.) Ist eine vertragliche Einigung ausgeschlossen und verfügt der ausgleichspflichtige Ehegatte über keine finanziellen Mittel, um den Anspruch des anderen Ehegatten aus beruflicher Vorsorge unverzüglich zu erfüllen, verbleibt nur mehr als Lösung, dass das Gericht die Teilung des Vorbezugs verweigert (
Art. 123 Abs. 2 ZGB
) und dem ausgleichsberechtigten Ehegatten eine angemessene Entschädigung (
Art. 124 Abs. 1 ZGB
) in der Höhe der geschuldeten Austrittsleistung zuspricht, die der ausgleichspflichtige Ehegatte in Raten abzuzahlen hat (vgl.
BGE 135 V 324
E. 5.2.1 S. 329 ff. mit Hinweisen). Die für den Vorbezug aufgezeigten Lösungen können auf die Verpfändung übertragen werden, wobei die besondere Rechtsnatur des Pfandes zu berücksichtigen ist, namentlich das Zustimmungserfordernis des Gläubigers, weil das Pfand das Recht als Ganzes belastet, selbst wenn es betragsmässig begrenzt sein kann.
3.5
Es stellt sich abschliessend die Frage, ob der Vorsorgeausgleich in Anbetracht der Schwierigkeiten, die die Durchführung der Teilung bereiten kann, in ein Ergänzungs- oder Nachverfahren verwiesen werden darf. Einer derartigen Verweisung steht der Grundsatz
BGE 137 III 49 S. 56
der Einheit des Scheidungsurteils entgegen, wonach das mit der Scheidung befasste Gericht auch für die Regelung aller sich aus der Scheidung ergebenden Nebenfolgen ausschliesslich zuständig ist und hierüber im gleichen Verfahren zu entscheiden hat. Die einzige Ausnahme vom Grundsatz betrifft die güterrechtliche Auseinandersetzung, die in ein separates Verfahren verwiesen werden kann, soweit die Regelung der anderen Scheidungsfolgen nicht von ihrem Ergebnis abhängt (
BGE 134 III 426
E. 1.2 S. 429; vgl. Art. 283 der künftigen Schweizerischen Zivilprozessordnung, AS 2010 1806, SR 272). Im Bereich des Vorsorgeausgleichs besteht zwar eine gesetzliche Durchbrechung des Grundsatzes, wenn sich die Ehegatten über die Teilung der Austrittsleistungen nicht einigen, doch entscheidet das Gericht in diesem Fall wenigstens über das Teilungsverhältnis, bevor es die Sache an das nach dem Freizügigkeitsgesetz zuständige Gericht überweist (
Art. 142 ZGB
; vgl.
BGE 135 V 232
E. 2.3 S. 235). Ergänzungs- und Nachverfahren könnten allenfalls in Betracht fallen, wenn der im Scheidungsurteil geregelte Ausgleich der beruflichen Vorsorge sich im Nachhinein als unvollständig erweist (vgl.
BGE 129 III 481
E. 3.6.3 S. 492 f.). Eine Verweisung des Vorsorgeausgleichs insgesamt aber erscheint im Grundsatz als unzulässig und hier mit Rücksicht auf die gezeigten Lösungsmöglichkeiten auch nicht als unabdingbar. Eine Ausnahme wäre allenfalls in Betracht zu ziehen, wenn einerseits die erforderlichen Informationen über bestehende Vorsorgeguthaben kaum bzw. gar nicht erhältlich gemacht werden können und andererseits der Vorsorgeausgleich den nachehelichen Unterhalt (
Art. 125 Abs. 2 Ziff. 8 ZGB
) nicht beeinflussen kann und durch weitere Abklärungen die Scheidung verzögert würde (vgl. den kantonalen Entscheid, in: FamPra.ch 2006 S. 426).
4.
Die Rechtsanwendung ergibt im vorliegenden Fall Folgendes:
4.1
In tatsächlicher Hinsicht steht unangefochten fest, dass während der Ehe beide Beschwerdeparteien einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge angehört haben und bei keinem Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten ist. Die zu teilenden Austrittsleistungen haben Fr. 3'570.90 für die Beschwerdeführerin und Fr. 149'082.12 für den Beschwerdegegner betragen, insgesamt Fr. 152'653.02. Davon steht den Beschwerdeparteien die Hälfte zu (Fr. 76'326.51). Nach Abzug ihrer Austrittsleistung (Fr. 3'570.90) beläuft sich der Anspruch der Beschwerdeführerin aus beruflicher Vorsorge auf Fr. 72'755.60. Es handelt sich dabei um den Differenzbetrag zwischen den
BGE 137 III 49 S. 57
Austrittsleistungen beider Beschwerdeparteien und nicht, wie das Kantonsgericht angenommen hat, um die Hälfte der während der Ehe erworbenen Austrittsleistungen des Ehemannes.
4.2
Das Kantonsgericht hat auf die Feststellung des Kreisgerichts verwiesen, wonach der Beschwerdegegner sein gesamtes Vorsorgeguthaben für Wohneigentum zum eigenen Bedarf verpfändet hat. Die Feststellung trifft zu und ist unangefochten. Der Vollständigkeit halber kann ergänzt werden, dass die Beschwerdeführerin die "Verpfändungs-Mitteilung" an die Vorsorgeeinrichtung wie auch den "Rahmenvertrag für Darlehen" mitunterzeichnet hat. Gemäss Rahmenvertrag ist das von der Kantonalbank gewährte Darlehen von Fr. 650'000.- durch zwei Inhaberschuldbriefe über Fr. 220'000.- (1. Rang) und über Fr. 450'000.- (2. Rang), lastend auf der Eigengutsliegenschaft des Beschwerdegegners, sowie durch die Verpfändung aller Ansprüche auf Fr. 100'000.- aus einer gebundenen Vorsorgepolice, auf Fr. 100'000.- aus einer Lebensversicherungspolice und auf das gesamte Pensionskassen-Guthaben des Beschwerdegegners gesichert. In ihrer Durchführbarkeitserklärung vom 23. April 2009 hat die Vorsorgeeinrichtung darauf aufmerksam gemacht, dass der Beschwerdegegner seine Freizügigkeitsleistung und die versicherten Leistungen für Wohneigentum zum eigenen Bedarf verpfändet habe und dass sie sich verpflichtet habe, vor der Auszahlung der verpfändeten Leistungen die Zustimmung des Pfandgläubigers einzuholen.
4.3
Die entscheidende Frage, ob ein Wertverlust, d.h. die Verwertung der verpfändeten Vorsorgeguthaben absehbar sei, hat das Kantonsgericht nicht beantwortet und als unklar bezeichnet. Es ist davon ausgegangen, über den Vorsorgeausgleich könne derzeit nicht entschieden werden, weil die Pfandgläubigerin wiederholt die Zustimmung zur Übertragung eines Teils des Vorsorgeguthabens an die Beschwerdeführerin verweigert habe und sich die beteiligte Vorsorgeeinrichtung nicht bereit erklärt habe, eine bedingte Anweisung entgegenzunehmen. Die Ehegatten müssten das Urteil ergänzen lassen, sobald die Liegenschaft verkauft werde, die Verpfändung der Vorsorgeguthaben dahinfalle oder die Pfandgläubigerin einer Übertragung der Vorsorgeguthaben an die Beschwerdeführerin zustimme. Die Beschwerdeführerin erblickt in dieser Verweisung des Vorsorgeausgleichs in ein Nachverfahren zu Recht eine Verletzung von Bundesrecht. Es besteht kein Grund, eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils zuzulassen. Sämtliche Unterlagen
BGE 137 III 49 S. 58
für die Beurteilung des Vorsorgeausgleichs liegen vor (E. 3.5 hiervor).
4.4
Entscheidend ist zunächst, ob und in welchem Umfang ein Verlust der verpfändeten Vorsorgeguthaben absehbar ist (E. 3.3 hiervor). Die Beschwerdeführerin bestreitet eine Überschuldung der Liegenschaft des Beschwerdegegners. Es kann ergänzt werden, dass keine der Parteien im kantonalen Berufungsverfahren eine gutachterliche Schätzung des Liegenschaftswertes beantragt hat. Abzustellen ist auf die betreibungsamtliche Schätzung und die bankinterne Schätzung, auf die das Kantonsgericht verwiesen hat. Gemäss der bankinternen Schätzung vom 19. Dezember 2008 beträgt der Verkehrswert des Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung und zwei Garagen, Eigentum des Beschwerdegegners, Fr. 700'000.-. Die betreibungsamtliche Schätzung vom 22. September 2008 lautet auf Fr. 617'655.- bei im Lastenverzeichnis verzeichneten grundpfandlich gesicherten Forderungen von Fr. 654'680.-. Auf Grund der beiden Verkehrswertschätzungen kann willkürfrei davon ausgegangen werden, dass das verpfändete Vorsorgeguthaben im Betrag der während der Ehe angesparten Austrittsleistung von rund Fr. 150'000.- im Falle einer Verwertung nicht oder nur bis zur Hälfte in Anspruch genommen werden würde. Unter Willkürgesichtspunkten ist somit ein Verlust des Vorsorgeguthabens, der die vom Beschwerdegegner der Beschwerdeführerin geschuldeten Fr. 72'755.60 nebst Zins erfasste, nicht absehbar. Entgegen der Annahme des Beschwerdegegners kommt es in diesem Zusammenhang auf seine weiteren Schuldverpflichtungen nicht an, ist doch sein Vorsorgeguthaben ausschliesslich für das Wohneigentum verpfändet und haftet für andere Schulden nicht.
4.5
Die Möglichkeiten, wie der Beschwerdegegner den Anspruch der Beschwerdeführerin aus beruflicher Vorsorge erfüllen könnte, sind beschränkt, zumal das gesamte Vorsorgeguthaben verpfändet ist, frei verfügbare Mittel nicht vorhanden sind, eine Einigung der Parteien irgendwelcher Art nicht zustande gekommen ist und eine Veränderung im Vorsorgeguthaben mangels Zustimmung der Pfandgläubigerin und der Vorsorgeeinrichtung ausser Betracht fällt. In Frage kommt nur mehr eine angemessene Entschädigung in Raten gemäss
Art. 124 Abs. 1 ZGB
(E. 3.4.3 hiervor). Die Lösung steht zwar nicht im Vordergrund und geht den anderen Möglichkeiten nach, lässt sich aber auf den Gesetzeswortlaut stützen, wonach eine angemessene Entschädigung nicht nur geschuldet ist, wenn bei
BGE 137 III 49 S. 59
einem oder beiden Ehegatten ein Vorsorgefall bereits eingetreten ist, sondern weitergehend im Sinne eines Auffangtatbestandes auch dann, wenn - wie hier - aus andern Gründen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge, die während der Ehe erworben worden sind, nicht geteilt werden können. | null | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
69989257-10bf-43fb-908d-837e49f2839f | Urteilskopf
119 III 57
15. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 23. Juni 1993 i.S. T. AG (Rekurs) | Regeste
Zustellung von Betreibungsurkunden (
Art. 65 und 66 SchKG
).
Begründet eine Aktiengesellschaft ihr Domizil bei einer Aktiengesellschaft, so nimmt diese die Stellung eines Bevollmächtigten ein, wie ihn der am Betreibungsort nicht anwesende Schuldner bestimmen kann. Ist die Zustellung an einen zuständigen Vertreter der Domizilhalterin erfolglos versucht worden, so darf die Betreibungsurkunde einem andern Angestellten des Betriebes ausgehändigt werden. | Sachverhalt
ab Seite 57
BGE 119 III 57 S. 57
Frau Z., eine Angestellte der B. AG in Z., nahm drei gegen die T. AG ausgestellte Zahlungsbefehle entgegen. Als die T. AG in der Folge Rechtsvorschlag erhob, teilte ihr das Betreibungsamt mit, dass dieser verspätet erfolgt sei.
Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde der T. AG gegen die Zustellung der Zahlungsbefehle ab.
BGE 119 III 57 S. 58
Demgegenüber heisst die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts den hierauf bei ihr erhobenen Rekurs der T. AG gut und weist das Betreibungsamt an, aufgrund der von den Gläubigern mit Name und Wohnort des Vertreters der B. AG zu ergänzenden Betreibungsbegehren die Zustellung der Zahlungsbefehle zu wiederholen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
3.
Anlass zum Rekurs gibt die Zustellung der Zahlungsbefehle und Konkursandrohungen an die Angestellte einer Aktiengesellschaft, bei welcher die Rekurrentin ihr Domizil begründet hat.
a) Für Aktiengesellschaften mit Sitz in der Schweiz ist der Hauptsitz ausschliesslicher allgemeiner Betreibungsort (
Art. 46 Abs. 2 SchKG
; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. A. Bern 1993, S. 86 N 10; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2. A. Lausanne, 1988, S. 83; FORSTMOSER, Schweizerisches Aktienrecht, Band I/Lieferung 1, Zürich 1981, S. 106 N 136). Der Sitz einer Aktiengesellschaft ergibt sich aus ihren Statuten (
Art. 626 Ziff. 1 OR
). Hat die Gesellschaft am Orte des statutarischen Sitzes kein Geschäftsbüro, so muss zudem im Handelsregister eingetragen werden, bei wem sich an diesem Orte das Domizil befindet (
Art. 43 Abs. 1;
Art. 78 Abs. 1 lit. f HRegV
).
b) Nicht nur der Betreibungsort, sondern auch die Zustellung der Betreibungsurkunden wird durch die abschliessende Regelung des Schuldbetreibungsrechts bestimmt. Diese gilt zwingend und zwar sowohl für den Betreibenden, als auch für jeden, der aufgrund der gesetzlichen Ordnung zur Entgegennahme von Betreibungsurkunden berechtigt ist. Damit wird der Bedeutung Rechnung getragen, die diesen Urkunden, insbesondere dem Zahlungsbefehl, zukommt (AMONN, a.a.O., S. 105 N 10). Die Betreibung wird nämlich ausschliesslich aufgrund einer Behauptung des Betreibenden in Gang gesetzt; der Zahlungsbefehl wird somit ausgestellt, ohne dass vorab eine Prüfung der geltend gemachten Forderung auf ihren Bestand und auf ihre Vollstreckbarkeit erfolgt. Der Betriebene seinerseits muss innert 10 Tagen ab Zustellung des Zahlungsbefehls Rechtsvorschlag erheben, um sich dem Ansinnen der Betreibenden ganz oder teilweise widersetzen zu können (AMONN, a.a.O., S. 119 N 1).
c) In dem gegen eine Aktiengesellschaft eröffneten Betreibungsverfahren hat die Zustellung der Betreibungsurkunden an einen Vertreter
BGE 119 III 57 S. 59
derselben zu erfolgen; als solcher gilt jedes Mitglied der Verwaltung sowie jeder Prokurist (
Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG
). Damit die ordnungsgemässe Zustellung gewährleistet ist, hat der Betreibende in seinem Begehren nicht nur die Aktiengesellschaft, sondern auch den Namen und den Wohnsitz ihres Vertreters anzuführen. Fehlen diese Angaben, so hat das Betreibungsamt sich beim Gläubiger zu erkundigen, welcher natürlichen Person der Zahlungsbefehl auszuhändigen ist; hingegen muss es nicht selber nachforschen, wer berechtigter Vertreter einer juristischen Person ist (
BGE 118 III 12
E. 3a;
BGE 117 III 13
E. 5b;
BGE 116 III 10
;
BGE 109 III 6
E. 1b).
d) Im vorliegenden Fall geht aus den Zahlungsbefehlen hervor, dass die Rekurrentin bei der B. AG in Z. ein Domizil begründet hat; die Rekurrentin bestreitet diesen Umstand nicht. Mitteilungen aller Art sind somit grundsätzlich an dieses Domizil zu richten (
BGE 100 Ib 458
E. 4), da es gleichsam die Empfangsstelle der juristischen Person ist. Demzufolge ist eine Zustellung an einen Verwaltungsrat oder einen Prokuristen der Rekurrentin nicht mehr zulässig. Ein Domizilhalter nimmt also gleichsam die Stellung eines Bevollmächtigten ein, wie ihn der am Betreibungsort nicht anwesende Schuldner bestimmen kann (
Art. 66 Abs. 1 SchKG
;
BGE 69 III 35
/36). Wäre das Domizil bei einer natürlichen Person begründet worden, so hätte die Zustellung der Betreibungsurkunden ohne weiteres an diese erfolgen müssen. Übernimmt aber - wie dies für die Rekurrentin zutrifft - eine Aktiengesellschaft das Domizil einer Aktiengesellschaft, so ist eine Betreibungsurkunde dem nach
Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG
zuständigen Vertreter der Domizilhalterin auszuhändigen.
e) Gemäss den verbindlichen Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde sind die Betreibungsurkunden weder einem Mitglied des Verwaltungsrates noch einem Prokuristen, sondern einer Angestellten am Domizil der Rekurrentin zugestellt worden. Diese kann in Betreibungssachen vorerst für die Domizilgesellschaft nicht rechtsgültig auftreten. Erst wenn die Zustellung an ein Organ im Sinne von
Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG
erfolglos versucht worden ist, darf die Betreibungsurkunde aufgrund von
Art. 65 Abs. 2 SchKG
an einen andern Angestellten des Betriebes vorgenommen werden. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6998af86-ab58-45cf-8f2c-66bc04e9c6f5 | Urteilskopf
106 V 74
16. Urteil vom 6. August 1980 i.S. S. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Art. 25 Abs. 1 AHVV
.
Keine Grundlagenänderung, wenn nach Wegfall einer von mehreren selbständigen Erwerbsquellen sich das Gesamt-Erwerbseinkommen nicht vermindert. | Sachverhalt
ab Seite 74
BGE 106 V 74 S. 74
A.-
Hans S. ist seit Jahren hälftiger Teilhaber der einfachen Gesellschaft X., die nach eigenen Angaben den Erwerb und die Überbauung von Grundstücken bezweckt. Zudem führte er ein Blumengeschäft, das er aus gesundheitlichen Gründen Ende 1970 aufgab. Die Ausgleichskasse des Kantons Zürich nahm wegen der Aufgabe des Blumengeschäftes eine Änderung der Einkommensgrundlagen an und setzte die persönlichen Sozialversicherungsbeiträge ab 1971 im ausserordentlichen Verfahren fest. Während die kantonale Wehrsteuerverwaltung in der Meldung vom Dezember 1973 für 1969 und 1970 Gesamteinkommen (aus dem Blumen- und dem Liegenschaftsgeschäft) von Fr. 58'215.-- bzw. Fr. 69'632.-- angegeben hatte, meldete sie am 25. Januar 1976 für 1971 ein Einkommen von Fr. 111'917.-- und für 1972 ein solches von Fr. 895'982.--, wobei in letzterem ein Gewinn aus dem Verkauf zweier Liegenschaften in Höhe von Fr. 781'605.-- enthalten war. Am 26. April 1976 erliess die Ausgleichskasse drei Beitragsverfügungen für 1971 bis 1975, denen sie - vor Abzug der Eigenkapitalverzinsung, aber nach Aufrechnung der jeweiligen Sozialversicherungsbeiträge - folgende Erwerbseinkommen zugrunde legte:
1971 Fr. 115'909.--
1972 Fr. 899'884.--
1973 Fr. 507'896.--
1974/75 je Fr. 529'104.--
B.-
Hans S. liess hiegegen Beschwerde erheben, wobei er beanstandete, dass der 1972 erzielte ausserordentliche Liegenschaftsgewinn
BGE 106 V 74 S. 75
während nicht weniger als vier Jahren bei der Beitragsberechnung berücksichtigt werde.
Mit Entscheid vom 9. September 1977 wies die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich die Beschwerde ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die Aufgabe des Blumengeschäftes stelle eine Änderung der Einkommensgrundlagen dar, welche die Höhe des Einkommens wesentlich beeinflusse; die Beiträge seien deshalb von 1971 an zu Recht im ausserordentlichen Verfahren festgesetzt worden.
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt Hans S., dass auch nach dem 1. Januar 1971 das ordentliche Verfahren angewendet werde. Er sei schon vor und auch nach dem genannten Zeitpunkt immer als Selbständigerwerbender tätig gewesen; eine Grundlagenänderung habe mithin nicht stattgefunden.
Die Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf deren Gutheissung schliesst.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Im vorliegenden Fall ist allein streitig, ob die Beiträge ab 1971 im ausserordentlichen oder im ordentlichen Verfahren festzusetzen sind. Die Vorinstanz stellt in ihrem Entscheid die einschlägigen Verordnungsbestimmungen (insbesondere
Art. 25 Abs. 1 und 2 AHVV
in der hier massgeblichen, bis Ende 1978 gültig gewesenen Fassung) sowie die Unterschiede der beiden Verfahren zutreffend dar...
2.
Der Beschwerdeführer besass ursprünglich als Selbständigerwerbender zwei verschiedene Erwerbsquellen, nämlich das Blumengeschäft und die Teilhaberschaft an der einfachen Gesellschaft X. Ende 1970 trat insofern eine Veränderung ein, als mit der Aufgabe des Blumengeschäftes die eine der beiden Erwerbsquellen wegfiel. Ausgleichskasse und Vorinstanz nahmen deswegen eine Änderung der Einkommensgrundlagen im Sinne des
Art. 25 Abs. 1 AHVV
an und legten der Beitragsberechnung für 1971 das von der Wehrsteuerverwaltung gemeldete Gegenwartseinkommen von Fr. 111'917.-- bzw. von Fr. 115909.-- (nach Aufrechnung der Sozialversicherungsbeiträge für 1971) zugrunde, während im Falle der Beitragsfestsetzung im ordentlichen Verfahren für 1971 in gleicher Weise wie
BGE 106 V 74 S. 76
für 1970 auf das (aus den Akten nicht ersichtliche) Durchschnittseinkommen der Jahre 1967/68 abzustellen gewesen wäre.
In den beiden folgenden Jahren setzten sie das 1971 begonnene ausserordentliche Verfahren fort. Der Beitragsberechnung für 1972 legten sie ebenfalls das gemeldete Gegenwartseinkommen (Fr. 895'982.-- einschliesslich Liegenschaftsgewinn bzw. - nach Beitragsaufrechnung - Fr. 899884.--) zugrunde, während sie beim Beitrag für 1973 (Vorjahr der nächsten ordentlichen Beitragsperiode) vom durchschnittlichen Erwerbseinkommen der Jahre 1971/72 von Fr. 503'949.-- bzw. - aufgerechnet - von Fr. 507'896.-- ausgingen. Im Falle des ordentlichen Verfahrens hätte den Beiträgen für 1972 und 1973 dagegen das durchschnittliche Erwerbseinkommen der Jahre 1969/70 von Fr. 63'923.-- zugrunde gelegt werden müssen.
Für 1974/75 schliesslich stellten Kasse und Vorinstanz entsprechend den Bestimmungen über das ordentliche Verfahren auf das durchschnittliche Erwerbseinkommen von 1971/72 von Fr. 503'949.-- bzw. - nach Aufrechnung der für diese beiden Jahre geschuldeten Beiträge (Fr. 3'992.-- bzw. Fr. 46'317.--) - von Fr. 529'104.-- ab.
Nach der vorstehenden Berechnung führt die Annahme einer Grundlagenänderung zufolge Aufgabe des Blumengeschäfts somit im Ergebnis dazu, dass sich der im Jahre 1972 erzielte Liegenschaftsgewinn während insgesamt vier Jahren auf die Beitragsfestsetzung auswirkt. Dies ist die Konsequenz der Bestimmungen über das ausserordentliche Verfahren, welche der Richter zu beachten hat; eine rechtsungleiche Behandlung kann darin nicht erblickt werden (ZAK 1976 S. 270 Erw. 1 in fine; unveröffentlichtes Urteil i.S. Jäger vom 8. Juli 1975).
3.
Es fragt sich indessen, ob bei den hier gegebenen Verhältnissen überhaupt Anlass für die Durchführung des ausserordentlichen Verfahrens besteht.
a)
Art. 25 Abs. 1 AHVV
will - abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall der Neuaufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit - den Veränderungen des Erwerbseinkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Beitragspflichtigen durch eine Zwischentaxation Rechnung tragen unter der vierfachen Voraussetzung:
1. dass qualitativ diese Veränderung nicht allein auf "normalen" Einkommensschwankungen, sondern auf einer Veränderung
BGE 106 V 74 S. 77
der Einkommensgrundlage als solcher beruht (Berufs- oder Geschäftswechsel, Wegfall oder Hinzutritt einer Einkommensquelle, Neuverteilung des Betriebs- oder Geschäftseinkommens oder - neu ab 1. Januar 1979 - Invalidität);
2. dass in zeitlicher Hinsicht diese qualitative Veränderung von Dauer ist;
3. dass quantitativ eine wesentliche Veränderung der Einkommenshöhe vorliegt, wobei auf das - allenfalls aus verschiedenen Erwerbsquellen stammende - Gesamteinkommen abzustellen ist, auf welchem schliesslich die Sozialversicherungsbeiträge zu erheben sind;
4.
dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Veränderung der Einkommensgrundlagen und der Veränderung der Einkommenshöhe besteht (vgl. den Wortlaut des
Art. 25 Abs. 1 AHVV
: "... dauernd verändert und wurde dadurch ... beeinflusst"); Kausalität in diesem Sinne bedeutet, dass der Wegfall bzw. der Hinzutritt einer Einkommensquelle gemäss obiger Ziff. 1 die Einkommenshöhe gemäss Ziff. 3 negativ bzw. positiv "beeinflusst"; ist dies nicht der Fall, indem beispielsweise die zufolge Wegfalls einer Einkommensquelle an sich zu erwartende Einkommensverminderung durch den reichlicheren Ertrag einer andern Einkommensquelle ausgeglichen wird, so besteht kein Kausalzusammenhang zwischen dem Wegfall der Einkommensquelle und dem Gesamteinkommen und insoweit auch kein Anlass für eine Zwischentaxation.
b) In den Jahren 1969 und 1970 erzielte der Beschwerdeführer aus beiden Erwerbstätigkeiten ein Erwerbseinkommen von Fr. 58'215.-- bzw. Fr. 69'632.--. Nach der Aufgabe des Blumengeschäftes stieg das Erwerbseinkommen im Jahre 1971 auf Fr. 111'917.--, und zwar offenbar allein aufgrund eines entsprechenden Mehrertrages der einfachen Gesellschaft. Im Sinne der vorstehenden Erwägungen besteht daher kein Kausalzusammenhang zwischen der Aufgabe des Blumengeschäftes und der nachfolgenden Veränderung des Gesamteinkommens, weshalb eine der Voraussetzungen des
Art. 25 Abs. 1 AHVV
für die Anwendung des ausserordentlichen Verfahrens im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist. Wie das Bundesamt für Sozialversicherung zutreffend festhält, sind die Beiträge ab 1971 vielmehr im ordentlichen Verfahren festzusetzen. Im weiteren ist
BGE 106 V 74 S. 78
zu bemerken, dass der 1972 erzielte Liegenschaftsgewinn seinerseits keine Grundlagenänderung darstellt und deshalb auch kein Anlass für die Anwendung des ausserordentlichen Verfahrens ab 1972 besteht; dieser Gewinn ist im ordentlichen Verfahren zu erfassen, und zwar im Rahmen der Bemessungsbasis (1971/1972) für die Beitragsjahre 1974 und 1975. Es ist Aufgabe der Ausgleichskasse, an welche die Sache zurückgewiesen wird, die entsprechenden Berechnungen vorzunehmen und hernach neue Beitragsverfügungen für die fraglichen Jahre zu erlassen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 9. September 1977 und die Verfügungen der Ausgleichskasse des Kantons Zürich vom 26. April 1976 aufgehoben und die Sache an die Ausgleichskasse zurückgewiesen, damit sie die Beiträge im Sinne der Erwägungen neu festsetze. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
699eb622-4e5b-4633-a128-28c393538817 | Urteilskopf
107 Ia 1
1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. März 1981 i.S. X. gegen Y., Generalprokurator-Stellvertreter des Kantons Bern und Obergericht (II. Strafkammer) des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
(Anspruch auf Begründung eines Entscheides);
Art. 93 Abs. 2 OG
.
Der Mangel der ungenügenden Begründung des angefochtenen Entscheides ist im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren heilbar, wenn der Beschwerdeführer zu den in der Vernehmlassung der letzten kantonalen Instanz enthaltenen Motiven in einer Beschwerdeergänzung Stellung nehmen kann und ihm dadurch kein Nachteil erwächst. | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 107 Ia 1 S. 1
Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern sprach den Beschwerdeführer in 2. Instanz von der Anklage des Betruges frei, verwies die Privatklage auf den Zivilweg, verweigerte ihm eine Entschädigung und auferlegte ihm Prozesskosten. Das Bundesgericht weist die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
1.
Die Beschwerde betrifft die Art der Erledigung der Adhäsionsklage der Privatklägerin, die Kostenverteilung, die
BGE 107 Ia 1 S. 2
Verweigerung einer Entschädigung im Sinne von Art. 258 sowie diejenige einer solchen für die Verteidigungskosten gemäss Art. 263 des bernischen Gesetzes über das Strafverfahren vom 20. Mai 1928. In allen diesen Punkten rügt der Beschwerdeführer in erster Linie eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch ungenügende Begründung des angefochtenen Urteils. Die II. Strafkammer des Obergerichts hat in ihrer Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde die Urteilsbegründung in den erwähnten Punkten ergänzt. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer in Anwendung von
Art. 93 Abs. 2 OG
Gelegenheit gegeben, seine Beschwerde ebenfalls zu ergänzen. Der Beschwerdeführer machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und äusserte sich nochmals zu sämtlichen Beschwerdepunkten, hielt jedoch einleitend daran fest, dass die Urteilsbegründung unzulänglich gewesen und ihm dadurch das rechtliche Gehör verweigert worden sei. Er ersucht das Bundesgericht, die Verletzung festzustellen, ohne aber in diesem Zusammenhang den Antrag zu stellen, der angefochtene Entscheid sei aus diesem formellen Grunde aufzuheben. Aus der geltend gemachten formellen Rechtsverweigerung leitet er nur den Anspruch ab, in der Beschwerdeergänzung auch neue Rügen rechtlicher Art vorbringen zu können, und er ersucht um Berücksichtigung des behaupteten Fehlers bei der Regelung des Kostenpunktes.
Das Bundesgericht ist gemäss
Art. 93 Abs. 1 OG
verpflichtet, Vernehmlassungen der kantonalen Behörden, deren Entscheide mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden, entgegenzunehmen und zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer erhält gemäss
Art. 93 Abs. 2 OG
Gelegenheit, sich zum Inhalt der Vernehmlassung in einer die Beschwerde ergänzenden Rechtsschrift auszusprechen. Das Bundesgericht hat hieraus geschlossen, im Gegensatz zu anderen Formmängeln sei derjenige der ungenügenden Begründung heilbar, wenn der betroffenen Partei daraus kein Nachteil erwachse, d.h. wenn sie ihre Rechte im Beschwerdeverfahren voll wahrnehmen könne (
BGE 104 Ia 214
;
BGE 104 V 154
f.;
99 Ib 99
E. 2a, 135 E. 2a). Diese Rechtsprechung ist in der Lehre sowohl auf Zustimmung (B. Knapp, Précis de droit administratif, S. 88 f., N. 394 f.; für das deutsche Recht Wolff-Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, S. 421) als auch auf Ablehnung gestossen (J. Meylan, La motivation des actes administratifs à la lumière
BGE 107 Ia 1 S. 3
de la jurisprudence récente du Tribunal fédéral, in: RDAF 29/1973, S. 379; Imboden-Rhinow, Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage 1976, S. 536 IV b). Trotz der geäusserten Kritik ist daran festzuhalten. Es würde einen durch nichts zu rechtfertigenden prozessualen Leerlauf bedeuten, den angefochtenen Entscheid wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs aufzuheben und die übrigen Rügen des Beschwerdeführers nicht zu behandeln, wenn dieser sich in Beschwerdeschrift und Beschwerdeergänzung zusammen umfassend zu den Motiven äussern konnte (vgl. Imboden-Rhinow, a.a.O., S. 537 V c). Der Grundsatz, wonach in der Beschwerdeergänzung keine Rügen erhoben werden dürfen, die schon im Anschluss an die Verfügung selbst hätten erhoben werden können (
BGE 102 Ia 213
E. 1;
101 Ia 48
E. 3, 242; W. Birchmeier, Bundesrechtspflege, S. 400), darf unter diesen Umständen nicht zu eng angewendet werden. Auf die in der Beschwerdeergänzung enthaltenen Vorbringen des Beschwerdeführers ist daher einzugehen. Zusätzlichen Bemühungen seines Anwaltes ist je nach dem Ausgang des Beschwerdeverfahrens und den übrigen Umständen des Falles bei der Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen angemessen Rechnung zu tragen (vgl. Wolff-Bachof, a.a.O., S. 421). Die Rüge der mangelnden Begründung des angefochtenen Entscheides bedarf daher im vorliegenden Verfahren keiner weiteren Behandlung, und es ist auf die übrigen Beschwerdepunkte einzutreten. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
69a53023-9197-455a-980f-51cfd38dee07 | Urteilskopf
105 IV 203
54. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. September 1979 i.S. Z. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden und D. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
1. Die einem wegen Vernachlässigung der Unterstützungspflichten Verurteilten erteilte richterliche Weisung, die künftigen Alimente pünktlich zu bezahlen, verstösst nicht gegen Bundesrecht (E. 2a).
2. In der Weisung zur Bezahlung der verfallenen Alimente sind Höhe und Fälligkeit der einzelnen Raten möglichst genau festzusetzen. Die Weisung muss unter Berücksichtigung der gesamten Umstände im Zeitpunkt ihres Erlasses als erfüllbar und zumutbar erscheinen (E. 2b). | Erwägungen
ab Seite 204
BGE 105 IV 203 S. 204
Aus den Erwägungen:
2.
Die dem Beschwerdeführer von den kantonalen Instanzen erteilte Weisung enthält zwei Gebote - Zahlung der laufenden Beiträge und Abzahlung der verfallenen Alimente -, deren Zulässigkeit getrennt zu untersuchen ist.
a) Gegen die ausdrückliche Verpflichtung, die laufenden Unterhaltsbeiträge pünktlich zu bezahlen, macht der Beschwerdeführer geltend, sie sei völlig unnötig, da bei Nichtzahlung der laufenden Unterhaltsbeiträge während der Probezeit durch eine neue Strafklage gemäss
Art. 217 StGB
ohnehin der Widerruf des bedingten Strafvollzuges herbeigeführt werden könne. Eine Weisung dieses Inhalts könne gar nicht erteilt werden, da dem Verurteilten die Pflicht zur Bezahlung der laufenden Unterhaltsbeiträge bereits vom Gesetzgeber durch die Strafandrohung nach
Art. 217 StGB
auferlegt werde.
Mit der Weisung, die künftigen Alimente pünktlich zu zahlen, wird tatsächlich nur eine ohnehin bestehende und für den Fall der schuldhaften Unterlassung mit Strafandrohung versehene Pflicht nachdrücklich in Erinnerung gerufen. Auch ohne eine solche Weisung kann die erneute schuldhafte Nichtzahlung laufender Alimente bei Stellung eines Strafantrages ausser der neuen Bestrafung den Vollzug der jetzt bedingt ausgefällten Strafe zur Folge haben. Die Weisung schafft an sich die Möglichkeit, das Ausbleiben der Zahlungen unmittelbar zum Anlass für ein Widerrufsverfahren zu nehmen, ohne dass neuerdings ein Strafantrag gestellt und wegen der neuen Unterlassungen zuerst ein Strafverfahren durchgeführt werden müsste. Ob es zweckmässig ist, die ex lege bestehende Androhung des Widerrufs bei künftiger Vernachlässigung der Unterstützungspflichten noch durch eine Weisung hervorzuheben und gewissermassen von einer erneuten Bestrafung unabhängig
BGE 105 IV 203 S. 205
zu machen, mag zweifelhaft sein (für die Zulässigkeit einer solchen Weisung: Kantonsgericht Graubünden RStrS 1943 Nr. 227; Obergericht Bern ZBJV 82/1946, S. 260; gegenteiliger Auffassung: Obergericht Zürich SJZ 50/1954, S. 101; Obergericht Bern und SCHULTZ ZBJV 98/1962, S. 351; vgl. auch die Basler Dissertationen von BRUNO PEIER, Der Widerruf des bedingten Strafvollzuges, 1969, S. 55, und BRIGITTA FELLMANN, Die Weisung gemäss
Art. 41 Ziff. 2 StGB
, 1973, S. 125). Der Hinweis auf die rechtlich ohnehin bestehende Pflicht, die laufenden Unterhaltsbeiträge pünktlich zu bezahlen, mag zunächst als überflüssig erscheinen, verstösst aber nicht gegen die ratio legis von
Art. 41 Ziff. 2 StGB
und verletzt kein Bundesrecht. Entgegen gewissen Äusserungen in der Judikatur und Doktrin (vgl. B. FELLMANN, a.a.O., S. 125 f., und ZBJV 98/1962, S. 351) wird durch eine solche Auflage nicht die mögliche Bestrafung gewissermassen "verdoppelt"; denn auch ohne eine derartige Weisung kann ja, wie erwähnt, die schuldhafte Nichtbezahlung der Alimente während der Probezeit den Vollzug der bedingten und die Verurteilung zu einer neuen Gefängnisstrafe zur Folge haben. Im Gegenteil kann bei künftiger schuldhafter Nichtbezahlung dank einer solchen Weisung eine "doppelte Bestrafung" unter Umständen vermieden werden, indem der Berechtigte, statt Strafantrag zu stellen, sich damit begnügt, den Richter auf den Verstoss gegen die Weisung aufmerksam zu machen. In diesem Fall wird mangels Antrag keine neue Strafe ausgefällt, die allenfalls wegen ungünstiger Prognose sogar unbedingt vollzogen werden müsste, sondern es wird, nach erfolgloser förmlicher Mahnung, höchstens der bedingte Strafvollzug widerrufen. Auch unter praktischen Gesichtspunkten dürfte es zudem durchaus angebracht sein, einem Verurteilten, der durch eine Weisung zur Bezahlung der rückständigen Beiträge angehalten wird (siehe lit. b), gleichzeitig klar zu sagen, dass er - um sich im Sinne von
Art. 41 Ziff. 4 StGB
zu bewähren - auch die laufenden Unterhaltspflichten pünktlich erfüllen muss; der Irrtum, die ratenweise Zahlung rückständiger Alimente genüge zur Abwendung des Widerrufs, wird damit ausgeschlossen.
b) Dass durch richterliche Weisung die Abzahlung rückständiger Unterhaltsbeiträge angeordnet werden kann, ist in der Doktrin und Praxis unbestritten. Die Tilgung der aufgelaufenen Alimentenschuld kann, soweit sie Gegenstand einer Bestrafung
BGE 105 IV 203 S. 206
gemäss
Art. 217 StGB
bildete, unter den Begriff der Schadensdeckung subsumiert werden. Weisungen über die Schadensdeckung werden in
Art. 41 Ziff. 2 StGB
ausdrücklich erwähnt. Auch in der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde wird die Zulässigkeit einer solchen Weisung nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, es sei ihm mit dem besten Willen nicht möglich, eine Alimentenschuld von total Fr. 7'460.- innert der Probezeit von drei Jahren abzutragen. Dies würde voraussetzen, dass er ausser den laufenden Beiträgen von monatlich Fr. 350.- noch Abschlagszahlungen von je Fr. 200.- pro Monat leisten könnte; diese Auflage sei für ihn nicht erfüllbar.
Die Vorinstanz hat sich mit der Frage, ob der Beschwerdeführer die Alimentenschuld, welche zur Bestrafung gemäss
Art. 217 StGB
geführt hat, in der dreijährigen Probezeit zu tilgen vermöge, nicht auseinandergesetzt. Auch im erstinstanzlichen Urteil des Strafgerichts Nidwalden bzw. in dem zum Urteil erhobenen Antrag der Staatsanwaltschaft findet sich dazu nur folgende summarische Erwägung:
"Der Angeschuldigte betreibt heute ein eigenes Geschäft. Es ist ihm,
obwohl er nun einen neuen Hausstand gegründet hat, zuzumuten, die laufenden
Alimente pünktlich zu entrichten und die verfallenen in gleichmässigen
Beträgen nachzuholen. Es soll daher an die Gewährung des bedingten
Strafvollzuges diese Weisung geknüpft werden."
Diese allgemeine Überlegung genügt den Anforderungen nicht, welche an die Begründung einer Weisung zur Leistung periodischer Zahlungen zu stellen sind. Der Richter hat unter zahlenmässiger Feststellung der Belastung abzuklären, ob die vorgesehene Weisung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände als erfüllbar und zumutbar erscheint. Im vorliegenden Fall muss angenommen werden, dass eine solche Abklärung unterblieb.
Die Formulierung der Weisung ist zudem zu unbestimmt. Um dem Besserungszweck zu dienen und
Art. 41 Ziff. 2 StGB
zu entsprechen, muss eine solche Weisung möglichst genau sein (vgl. SCHULTZ, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, 2. Band, 3. Aufl., S. 98/99). In einer Weisung über die Schadensdeckung sind mithin Höhe und Fälligkeit der einzelnen Raten zu bestimmen. Dabei ist keineswegs erforderlich, dass der gesamte Betrag der aufgelaufenen Alimente am Ende
BGE 105 IV 203 S. 207
der Probezeit bezahlt sei; schon aus Art. 41 Ziff. 2 Abs. 1 i.f. StGB ergibt sich, dass die "bestimmte Frist", innerhalb welcher der Schaden zu decken ist, mit der Probezeit nicht identisch sein muss. Der Richter hat die Abzahlungsraten an die rückständigen Unterhaltsbeiträge vielmehr so festzusetzen, dass seine Weisung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände im Zeitpunkt ihres Erlasses als erfüllbar und zumutbar erscheint.
Die angefochtene Weisung ist daher aufzuheben, soweit sie die verfallenen Unterhaltsbeiträge betrifft. Die Vorinstanz wird im Sinne der vorstehenden Erwägungen zu prüfen haben, zu welchen Abzahlungsraten an die verfallenen Unterhaltsbeiträge der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung seiner finanziellen Verhältnisse, des Notbedarfs seiner Familie und der Höhe der laufenden Alimente verpflichtet werden kann. Selbstverständlich darf der Gesamtbetrag dieser Abzahlungsraten die Summe der aufgelaufenen und nicht verjährten Unterhaltsbeiträge nicht übersteigen. Auch die Frage einer allfälligen teilweisen Verjährung wird vom Kantonsgericht abzuklären sein. | null | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
69a64d88-19c7-4f5c-9334-d094d7fb2549 | Urteilskopf
120 II 365
66. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 3 novembre 1994 dans la cause dame S. et Caisse cantonale neuchâteloise d'assurance contre le chômage contre Masse en faillite de B. SA (recours en réforme) | Regeste
Gesetzliche Subrogation der Arbeitslosenkasse (
Art. 29 Abs. 1 und 2 AVIG
); Kollokationsklage.
Legitimation der Arbeitslosenkasse, in eigenem Namen eine Kollokationsklage im Konkurs des Arbeitgebers ihrer Versicherten zu erheben; Voraussetzungen und Verhältnis zur Parallelklage der Arbeitnehmerin. | Sachverhalt
ab Seite 365
BGE 120 II 365 S. 365
A.-
Dans la faillite de B. SA, dame S. a produit une créance correspondant à des salaires impayés pour la période comprise entre le 1er juin 1992 et le 31 janvier 1993; cette créance a été écartée par l'administration de la faillite.
Le 23 octobre 1992, dame S. et la Caisse cantonale neuchâteloise d'assurance contre le chômage (ci-après: la Caisse) - cette dernière agissant en vertu de la subrogation légale - ont ouvert action en contestation de l'état de collocation. La masse en faillite s'y est opposée en déniant à la Caisse la qualité pour agir et en contestant, de surcroît, l'existence même de ladite créance.
BGE 120 II 365 S. 366
Par jugement du 6 décembre 1993, la Ire Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Neuchâtel, admettant partiellement la demande, a ordonné la collocation en première classe d'une créance en faveur de chacune des deux demanderesses.
B.-
Dame S. et la Caisse interjettent un recours en réforme au Tribunal fédéral aux fins d'obtenir l'intégralité de leurs conclusions. Par la voie du recours joint, la défenderesse conclut, de son côté, à la réforme du jugement cantonal en tant qu'il admet la qualité pour agir de la Caisse.
Le Tribunal fédéral admet le recours principal, mais rejette le recours joint.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
La défenderesse conteste la qualité pour agir de la Caisse. A titre subsidiaire, elle ne l'admet que jusqu'à concurrence des indemnités de chômage versées à l'assurée pour les mois de novembre et décembre 1992. Elle souligne, à ce propos, que la Caisse n'a jamais produit, dans la faillite de B. SA, la créance qu'elle avait acquise de son assurée par l'effet de la subrogation légale et en déduit que la Caisse n'était donc pas légitimée à ouvrir action en contestation de l'état de collocation, voire ne l'était tout au plus que pour les indemnités qu'elle avait versées postérieurement au 11 septembre 1992, date à laquelle elle avait annoncé à l'administration de la masse qu'elle se subrogeait à son assurée dans ses droits concernant la créance de salaire.
Dans le jugement attaqué, la cour cantonale constate, de manière à lier la juridiction de réforme, que la Caisse a versé à son assurée des indemnités de chômage pour les mois de juin 1992 à janvier 1993 et qu'elle a régulièrement informé l'administration de la subrogation légale découlant de ces versements. Elle en tire la conclusion que la qualité de la Caisse pour agir en contestation de l'état de collocation doit être admise en ce qui concerne les prestations dont a pu bénéficier l'assurée et qui doivent être imputées sur la créance de salaire.
Lorsque la caisse verse l'indemnité de chômage parce qu'elle a des doutes quant aux droits de son assuré découlant du contrat de travail, elle se subroge au chômeur dans tous ses droits, y compris le privilège légal, jusqu'à concurrence de ses prestations (
art. 29 al. 1 et 2 LACI
; RS 837.0). La subrogation légale de la caisse intervient également lors du versement de l'indemnité en cas d'insolvabilité (
art. 54 al. 1 LACI
). Pour qu'elle ne
BGE 120 II 365 S. 367
demeure pas sans effet, la loi prévoit expressément, dans cette dernière hypothèse, que, dans la procédure de faillite ou de saisie, le travailleur est tenu de prendre toutes les mesures propres à sauvegarder son droit envers l'employeur, jusqu'à ce que la caisse l'informe de la subrogation dans ladite procédure (
art. 55 al. 1 LACI
; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, vol. II, p. 218, n. 5), faute de quoi il devra rembourser l'indemnité dans les cas visés par l'
art. 55 al. 2 LACI
(cf. l'ATF
ATF 112 V 55
consid. 4). La production de la créance de salaire dans la faillite de l'employeur constitue l'une de ces mesures (GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, vol. I, n. 4 ad art. 55-56; STAUFFER, Die Arbeitslosenversicherung, p. 181; SPÜHLER, Grundriss des Arbeitslosenversicherungsrechts, p. 69). De l'
art. 55 al. 1 LACI
on peut donc déduire, d'une part, le droit du travailleur de produire même des créances de salaire qui ont déjà été transférées à la caisse par l'effet de la subrogation légale, d'autre part, la possibilité pour la caisse de décider à quel moment elle deviendra partie à la procédure de faillite. Cela étant, rien ne s'oppose à l'adoption d'une telle solution pour le cas similaire des droits qui ont été acquis par la caisse en vertu de la subrogation instituée par l'
art. 29 al. 2 LACI
. Au contraire, en présence de situations de fait essentiellement semblables, il sied d'appliquer par analogie les règles de procédure régissant l'une des deux hypothèses voisines à celle qui n'a pas fait l'objet d'une réglementation sur ce point. Par conséquent, dans le cas particulier, la Caisse avait le droit d'intervenir personnellement dans la procédure de faillite et d'intenter en son propre nom une action en contestation de l'état de collocation (voir aussi l'
ATF 78 II 265
consid. 2). Il faut encore souligner qu'à l'ouverture de la faillite, la qualité pour agir, relativement à la créance de salaire future exigible dès ce moment-là (
art. 208 LP
), n'appartenait qu'à dame S. (BK-REHBINDER, n. 17 ad
art. 325 CO
) et relever, en outre, que la Caisse a régulièrement informé l'administration de la faillite de la subrogation intervenue ultérieurement. Dans ces conditions, l'administration de la faillite aurait sans doute dû assimiler ces communications de la Caisse à des productions et rendre une décision à leur sujet. La défenderesse se prévaut, dès lors, à tort de l'absence d'une telle décision pour contester la qualité pour agir de la Caisse, d'autant plus que l'administration de la faillite n'a pas écarté la créance litigieuse par le motif que la travailleuse n'en était pas la titulaire exclusive, mais parce qu'elle a considéré que cette créance n'avait pas de fondement juridique.
BGE 120 II 365 S. 368
Au demeurant, les conditions d'une rectification de la collocation au profit de la Caisse pour une partie de la créance produite par la travailleuse seraient assurément réalisées dans la présente espèce. Force est, enfin, d'observer que la loi interdit, en principe, à la caisse de chômage de renoncer à faire valoir ses droits résultant de la subrogation (
art. 29 al. 2 LACI
).
Pour toutes ces raisons, les objections soulevées par la défenderesse au sujet de la qualité pour agir de la Caisse ne peuvent pas être retenues. | public_law | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
69a65313-8cc7-4255-b38e-7b45521a1399 | Urteilskopf
119 III 51
13. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 15. September 1993 i.S. F. W. (Rekurs) | Regeste
Betreibungsort (
Art. 46 Abs. 1,
Art. 48 SchKG
).
Schuldner, die weder in der Schweiz noch im Ausland einen festen Wohnsitz haben, können an ihrem schweizerischen Aufenthaltsort betrieben werden; diese Regelung gilt ohne weiteres auch für die Betreibung auf Konkurs. | Sachverhalt
ab Seite 51
BGE 119 III 51 S. 51
Am 20. Januar 1993 sprach F. W. auf dem Betreibungsamt vor, bei welcher Gelegenheit ihm in der Betreibung Nr. ... die Konkursandrohung ausgehändigt wurde.
BGE 119 III 51 S. 52
Das Bezirksgerichtspräsidium als untere Aufsichtsbehörde und das Kantonsgericht St. Gallen als obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs wiesen die von F. W. dagegen erhobene Beschwerde ab.
F. W. hat sich mit Rekurs vom 23. August 1993 an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts gewandt. Er beantragt die Aufhebung des Entscheides der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde und die Feststellung, dass die ihm in der Betreibung Nr. ... zugestellte Konkursandrohung nichtig und aufzuheben sei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat das Betreibungsamt X. als zuständig erachtet, da der Rekurrent im Zeitpunkt der Zustellung der Konkursandrohung weder in der Schweiz noch im Ausland einen Wohnsitz vorweisen könne, sich jedoch an seinem früheren Wohnort X. aufgehalten habe.
a) Nach
Art. 46 SchKG
ist der Schuldner an seinem schweizerischen Wohnsitz zu betreiben, wobei das Betreibungsrecht hier an das Zivilrecht anknüpft. Der Wohnsitz einer Person befindet sich demnach an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält und den sie zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen gemacht hat (
Art. 23 Abs. 1 ZGB
; BUCHER, Berner Kommentar,
Art. 23 ZGB
N 8 ff.). Gibt der Schuldner seinen bisherigen Wohnsitz in der Schweiz auf, ohne dass er irgendwo einen neuen begründet, so ist
Art. 24 Abs. 1 ZGB
nicht anwendbar. Er kann nun allenfalls an einem besondern Betreibungsort belangt werden (
Art. 48 ff. SchKG
; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. A. Bern 1993, S. 86 ff.).
b) In tatsächlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Rekurrent am 19. September 1992 aus der ehelichen Wohnung in X. ausgezogen ist, sich am 29. August 1992 bei der Einwohnerkontrolle in X. abgemeldet hat und die militärische Bewilligung des Auslandsaufenthalts sowie eine zeitlich beschränkte Aufenthaltsbewilligung für Spanien vorweisen kann. Überdies hat er für die Dauer von zwei Jahren in Spanien eine Wohnung gemietet und beabsichtigt, dort eine Unternehmung aufzubauen. Allerdings kann er für den Zeitpunkt, an welchem ihm die Konkursandrohung zugestellt worden ist, weder eine Aufenthaltsbewilligung noch eine Arbeitserlaubnis der spanischen Behörden vorweisen. Wenn der Rekurrent auch Anstalten
BGE 119 III 51 S. 53
getroffen hat, die auf eine Wohnsitznahme in Spanien hinweisen könnten, so darf doch nicht ausser acht gelassen werden, dass er auf den 1. Oktober 1992 auch in Y. eine Wohnung gemietet hat und zudem in der Schweiz als Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft tätig ist.
Weitere Anhaltspunkte, die auf einen Lebensmittelpunkt des Rekurrenten hinweisen könnten, liegen nicht vor. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat somit durchaus zu Recht den Schluss gezogen, dass der Rekurrent weder in Spanien noch in der Schweiz einen neuen Wohnsitz begründet habe.
c) Schuldner, die weder in der Schweiz noch im Ausland einen festen Wohnsitz haben, können an ihrem schweizerischen Aufenthaltsort betrieben werden (
Art. 48 SchKG
; AMONN, a.a.O., S. 86 N 14). Diese Regelung gilt auch für die Betreibung auf Konkurs (JAEGER, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, 1. Band, 3. A. Zürich 1911,
Art. 166 N 6
; BAUMANN, Die Konkurseröffnung nach dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Diss. Zürich 1979, S. 62 und S. 64). Aus dem Hinweis des Rekurrenten auf AMONN (a.a.O., S. 84-88) kann kein anderer Schluss gezogen werden. Dies gilt insbesondere für dessen Aussage, an einem besondern Betreibungsort könne, abgesehen von
Art. 50 Abs. 1 SchKG
, niemals ein Konkurs ausgesprochen werden (AMONN, a.a.O., S. 84 N 3). Sie wird nämlich im wesentlichen durch den Hinweis auf
BGE 107 III 53
begründet, woraus hervorgeht, dass weder am Spezialdomizil (
Art. 50 Abs. 2 SchKG
) noch am Arrestort (
Art. 52 SchKG
) ein Konkurs eröffnet werden könne zum Betreibungsort des Aufenthaltes brauchte sich das Bundesgericht in dem zu beurteilenden Falle nicht zu äussern.
d) Aufenthalt bedeutet Verweilen an einem bestimmten Orte, wobei eine bloss zufällige Anwesenheit nicht genügt (BUCHER, Berner Kommentar,
Art. 23 ZGB
N 15). Gemäss den Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde konnte das Betreibungsamt X. dem Rekurrenten am 13. Oktober 1992, am 30. Oktober 1992, am 2. Dezember 1992, am 14. Dezember 1992 und am 20. Januar 1993 rechtshilfeweise Betreibungsurkunden des Betreibungsamtes Zürich zustellen; er war für das Betreibungsamt persönlich oder über seine Ehefrau ohne weiteres erreichbar. Damit durfte die kantonale Aufsichtsbehörde zu Recht davon ausgehen, dass der Rekurrent nicht bloss zufällig in X. anwesend war, sondern dort einen Aufenthalt begründet hat.
Der Rekurs erweist sich somit insgesamt als unbegründet. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
69a74efd-fbfb-4c90-a381-13921647a0a3 | Urteilskopf
137 IV 313
46. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public du canton du Valais et Y. (recours en matière pénale)
6B_143/2011 du 16 septembre 2011 | Regeste
Art. 173 StGB
;
Art. 16 Abs. 2 BV
,
Art. 10 EMRK
; üble Nachrede; Zulassung zum Wahrheitsbeweis; Meinungsäusserungsfreiheit.
Einer Person zu unterstellen, sie habe Sympathien für das Nazi-Regime, ist selbst für einen Politiker ehrverletzend. Voraussetzungen von
Art. 173 Ziff. 3 StGB
für die Zulassung zum Entlastungsbeweis im Sinne von
Art. 173 Ziff. 2 StGB
(E. 2).
Grenzen der Meinungsäusserungsfreiheit in der politischen Diskussion (E. 2.1.4 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 314
BGE 137 IV 313 S. 314
A.
Le 31 août 2007, X. a fait paraître dans l'hebdomadaire "B.", dont il est le rédacteur en chef, un article, préparé par ses soins et signé de sa plume, intitulé "Comme un parfum des années 1930". Au centre de cet article, sur la moitié de sa largeur et plus des deux tiers de sa hauteur figurait un photomontage. Celui-ci, sur un fond noir, présentait le portrait de Y. à côté de celui d'Adolf Hitler - ce dernier apparaissant en uniforme brun du parti nazi et brassard portant la croix gammée -, accompagné du sous-titre, dans la police de caractères la plus importante utilisée dans l'article, "Autrichiens: on a déjà donné!". Le texte, quant à lui, évoquait notamment différents comportements prétendument adoptés par le parti Z. et ses membres, indiquant que "bref, cela sent bon les années 1930". Il affirmait ensuite que le parti Z. utilisait le même type de méthodes que celles employées durant ces années, méthodes qui avaient permis à Hitler d'être élu démocratiquement.
Par jugement du 15 octobre 2009, le Juge des districts de Martigny et Saint-Maurice a condamné X. pour diffamation à 120 heures de travail d'intérêt général, avec sursis et délai d'épreuve de deux ans. Il a pour le surplus réservé les droits civils de Y., statué sur les frais et ordonné la publication du dispositif du jugement assorti d'un bref commentaire préliminaire.
B.
Par jugement du 7 décembre 2010, la Cour pénale I du Tribunal cantonal valaisan a rejeté l'appel de X. et confirmé la sentence prononcée, le commentaire préliminaire destiné à la publication étant légèrement modifié.
C.
X. forme un recours en matière pénale, concluant notamment à son acquittement.
Par ordonnance du 22 mars 2011, le Président de la cour de céans a admis la requête d'effet suspensif.
Il n'a pas été ordonné d'échange d'écritures.
BGE 137 IV 313 S. 315
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant conteste sa condamnation pour diffamation au sens de l'
art. 173 CP
.
2.1
L'
art. 173 ch. 1 CP
réprime le comportement de celui qui, en s'adressant à un tiers, aura accusé une personne, ou jeté sur elle le soupçon de tenir une conduite contraire à l'honneur, ou de tout autre fait propre à porter atteinte à sa considération, ou aura propagé une telle accusation ou un tel soupçon. Ce comportement peut être réalisé sous n'importe quelle forme d'expression, notamment par l'écriture ou l'image (cf.
art. 176 CP
;
ATF 131 IV 160
consid. 3.3 p. 163).
2.1.1
L'
art. 173 ch. 1 CP
protège la réputation d'être une personne honorable, c'est-à-dire de se comporter comme une personne digne a coutume de le faire selon les conceptions généralement reçues. L'honneur protégé par le droit pénal est conçu de façon générale comme un droit au respect qui est lésé par toute assertion propre à exposer la personne visée au mépris en sa qualité d'homme (
ATF 132 IV 112
consid. 2.1 p. 115).
Est attentatoire à l'honneur le fait d'assimiler une personne à un parti politique que l'histoire a rendu méprisable ou de suggérer qu'elle a de la sympathie pour le régime nazi (cf.
ATF 121 IV 76
consid. 2a/bb p. 82; également arrêts 6B_737/2010 du 1
er
février 2011; 6S.504/2005 du 28 février 2006 consid. 2.1; 6S.295/2000 du 1
er
novembre 2000 consid. 4a; 6S.287/1998 du 3 juin 1998 consid. 2b).
2.1.2
Alors que la diffamation ou la calomnie (
art. 174 CP
) suppose une allégation de fait, un jugement de valeur, adressé à des tiers ou à la victime, peut constituer une injure au sens de l'
art. 177 CP
. Pour distinguer l'allégation de fait du jugement de valeur, il faut se demander, en fonction des circonstances, si les termes litigieux ont un rapport reconnaissable avec un fait ou sont employés pour exprimer le mépris. La notion de jugement de valeur doit être comprise dans un sens large. Il s'agit d'une manifestation directe de mésestime ou de mépris, au moyen de mots blessants, de gestes ou de voies de fait (
ATF 128 IV 53
consid. 1f/aa p. 61 s et références citées).
2.1.3
Pour apprécier si une déclaration est attentatoire à l'honneur, il faut se fonder non pas sur le sens que lui donne la personne visée, mais sur une interprétation objective selon la signification qu'un destinataire non prévenu doit, dans les circonstances d'espèce, lui
BGE 137 IV 313 S. 316
attribuer (
ATF 133 IV 308
consid. 8.5.1 p. 312). Cette interprétation doit tenir compte, comme dans le cas d'espèce, non seulement du contenu textuel de l'article mais également des photos qui y sont utilisées et de la présentation graphique de l'article (
ATF 131 IV 160
consid. 3.3.3 p. 164 et 165).
Selon la jurisprudence, un texte doit être analysé non seulement en fonction des expressions utilisées, prises séparément, mais aussi selon le sens général qui se dégage du texte dans son ensemble. Ce qui précède ne signifie cependant pas qu'il faille faire abstraction de l'impact particulier d'un titre ou d'un intertitre. Rédigés en plus gros caractères et en gras, ceux-ci frappent spécialement l'attention du lecteur. Très généralement, ils sont en outre censés résumer très brièvement l'essentiel du contenu de l'article. De plus, il n'est pas rare que des lecteurs, parce qu'ils n'en prennent pas la peine ou parce qu'ils n'en ont pas le temps, ne lisent que les titre et intertitre, par lesquels ils peuvent être induits en erreur si leur contenu ne correspond pas à celui de l'article (arrêt 6S.862/2000 du 20 mars 2001 consid. 1a). Aussi la jurisprudence a-t-elle admis le caractère diffamatoire d'un intertitre faisant état d'une escroquerie à l'assurance, quand bien même il ressortait de l'article qu'aucune condamnation de ce chef n'avait encore été prononcée (
ATF 116 IV 31
consid. 5b p. 42). A également été jugé diffamatoire un article de presse dont le titre et l'intertitre affirmaient qu'un enfant de moins de 7 ans avait tué sa petite soeur, alors qu'il était ensuite expliqué dans l'article proprement dit qu'il ne s'agissait là que de l'hypothèse la plus vraisemblable émise par le juge d'instruction (arrêt 6S.368/2000 du 4 décembre 2000 consid. 2b).
Déterminer le contenu d'un message relève des constatations de fait. Le sens qu'un destinataire non prévenu confère aux expressions et images utilisées constitue en revanche une question de droit (
ATF 133 IV 308
consid. 8.5.1 p. 312;
ATF 131 IV 23
consid. 2.1 p. 26).
2.1.4
Dans la discussion politique, l'atteinte à l'honneur punissable ne doit être admise qu'avec retenue et, en cas de doute, niée. La liberté d'expression indispensable à la démocratie implique que les acteurs de la lutte politique acceptent de s'exposer à une critique publique, parfois même violente, de leurs opinions. Il ne suffit ainsi pas d'abaisser une personne dans les qualités politiques qu'elle croit avoir. La critique ou l'attaque porte en revanche atteinte à l'honneur protégé par le droit pénal si, sur le fond ou dans la forme, elle ne se
BGE 137 IV 313 S. 317
limite pas à rabaisser les qualités de l'homme politique et la valeur de son action, mais est également propre à l'exposer au mépris en tant qu'être humain (
ATF 128 IV 53
consid. 1a p. 58 s; également
ATF 131 IV 23
consid. 2.1 p. 26; CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. I, 3
e
éd. 2010, n° 10 ad
art. 173 CP
; FRANZ RIKLIN, in Basler Kommentar, Strafrecht, vol. II, 2
e
éd. 2007, n° 25 ad Vor
art. 173 CP
).
2.1.5
Exception faite du régime particulier découlant de l'
art. 28a CP
, le journaliste ne bénéficie d'aucun privilège en cas d'atteinte à l'honneur par voie de presse (
ATF 131 IV 160
consid. 3.3.2 p. 164).
2.1.6
Du point de vue subjectif, l'
art. 173 ch. 1 CP
exige que l'auteur ait eu conscience du caractère attentatoire à l'honneur de ses propos et qu'il les ait néanmoins proférés. Il n'est pas nécessaire qu'il ait eu la volonté de blesser la personne visée (
ATF 119 IV 44
consid. 2a p. 47 et la jurisprudence citée).
2.2
La décision attaquée reproduit in extenso l'article comprenant le photomontage. Elle retient également que ce photomontage est inspiré d'affiches utilisées à l'époque par le parti Z. du Valais romand.
S'agissant des circonstances entourant la parution de cet article, l'autorité précédente a constaté qu'il avait été diffusé durant la campagne électorale pour le conseil national en 2007, dans le cadre de laquelle l'intimé était candidat valaisan sur la liste du parti Z. Y., professeur d'allemand, a fondé la section du parti Z. Valais en 1999, section qu'il préside encore. L'hebdomadaire dans lequel a paru l'article litigieux est l'organe de presse du parti G. valaisan. Il est édité par la société C. SA, dont le recourant était au moment des faits président du conseil d'administration. Ce journal est publié à plusieurs milliers d'exemplaires. L'article litigieux était également consultable sur le site internet du journal "B." durant une semaine ensuite de sa parution papier.
2.3
Le recourant soutient que l'article se borne à comparer les méthodes de campagne dont ont usé, pour accéder démocratiquement au pouvoir, les nationaux-socialistes allemands au début des années 30 à celles du parti Z., notamment valaisan. Il invoque également qu'il ne s'agit là que d'une démonstration par l'absurde et que le photomontage revêt une dimension satirique évidente. Selon lui, son article s'inscrivait dans un combat politique particulièrement rude mené en pleine campagne électorale.
BGE 137 IV 313 S. 318
2.3.1
L'élément le plus marquant de l'article est sans conteste le photomontage. Celui-ci a été placé par le recourant au centre de son article, dans un format occupant la moitié de sa largeur et plus de la moitié de sa hauteur, sur un fond noir et accompagné du titre - dans la police de caractères de loin la plus grande de l'article - "Autrichiens: on a déjà donné !". La photo d'Adolf Hitler, choisie par le recourant, est un portrait connu qui permet de reconnaître immédiatement le "Führer", en uniforme brun du parti nazi et brassard portant la croix gammée, soit la personne qui a imaginé et surtout mis en place l'extermination de plusieurs millions de personnes.
Placer le portrait de l'intimé, candidat du parti Z. au conseil national et de père autrichien, à côté de ce portrait d'Hitler, également d'origine autrichienne, en accompagnant ces photos du sous-titre "Autrichiens: on a déjà donné !", procède d'un amalgame et jette clairement le soupçon que l'intimé sympathise avec l'idéologie nazie.
Le photomontage, tel qu'il a été réalisé par le recourant, ne comporte aucun élément permettant de limiter l'assimilation de l'intimé à Hitler aux seules méthodes démocratiques de campagne utilisées par les nationaux-socialistes, qui plus est "au début des années 30". Quant au titre de l'article, "Comme un parfum des années 1930", il se réfère expressément à toute la décennie, soit une période déjà meurtrière, si l'on pense notamment à l'ouverture en 1934 du premier camp de concentration ou la Nuit des longs couteaux, le 30 juin 1934, au cours de laquelle Hitler a fait assassiner une centaine de personnes.
Au vu du montage choisi par le recourant, le texte de l'article apparaît clairement secondaire. Cela étant, ce texte, s'il n'explicite certes pas le soupçon que l'intimé sympathise avec les idées criminelles d'Hitler et veuille suivre ses traces, renforce par son contenu l'assimilation faite par le photomontage entre les deux hommes. Ainsi, il compare les méthodes utilisées par les nationaux-socialistes menées par Hitler "pour faire peur, alerter la population" à celles du parti Z. valaisan dirigé par l'intimé, déclarant en particulier qu'il s'agirait là de "réchauffé absolu". La comparaison entre l'élection démocratique d'Hitler et celle recherchée par l'intimé renforce encore ce rapprochement entre les deux hommes.
Un tel soupçon, même jeté en pleine campagne électorale, dépasse clairement les limites pourtant larges posées à la liberté d'expression et lèse l'honneur de l'intimé, non pas seulement en tant que politicien, mais en tant qu'homme. La diffusion par le recourant de
BGE 137 IV 313 S. 319
l'article litigieux, pris dans son ensemble, est donc objectivement attentatoire à l'honneur.
Le recourant ne s'est pas borné à émettre un jugement de valeur ni à critiquer l'activité professionnelle de l'intimé. Il a suggéré que ce dernier avait, pour le moins, des sympathies pour l'idéologie nazie. Le soupçon litigieux constitue donc non pas un jugement de valeur, mais une allégation de fait susceptible de tomber sous le coup de l'
art. 173 CP
.
2.3.2
Le recourant ne peut être suivi lorsqu'il soutient que le photomontage revêtirait une "dimension satirique évidente". Il a en effet été publié dans un journal qui n'a rien de satirique. Le titre et le sous-titre n'ont aucun caractère humoristique. Au contraire, ils rappellent l'une des plus sombres pages de l'histoire. Il ressort d'ailleurs des réactions figurant au dossier pénal que le lecteur moyen n'a pas tenu le photomontage pour une simple plaisanterie. En effet, on cherche ce qu'il y aurait d'amusant à laisser croire qu'une personne partage la vision d'un génocidaire. De plus, la parution de l'article s'est inscrite dans un contexte qui ne permet pas non plus de retenir une approche satirique, le recourant indiquant que l'article et le photomontage ont été publiés dans le cadre d'"un combat politique particulièrement rude mené en pleine campagne électorale par l'organe du parti G. valaisan contre le parti Z." avec "la volonté de faire valoir des arguments politiques", de "mettre en parallèle" et de "dénoncer". Le seul fait que le recourant ait repris la mise en forme adoptée par l'une des affiches du parti Z. ne permet pas de retenir le caractère "burlesque" "destiné à faire rire" du photomontage litigieux.
2.3.3
Le fait que l'intimé soit un provocateur ne permet en rien de justifier un soupçon aussi disproportionné lancé à son encontre. L'article dépasse ce que le droit à la dignité permet.
2.3.4
Le recourant ne pouvait ignorer qu'assimiler une personne à Adolf Hitler était propre à attenter à son honneur. Il le reconnaît d'ailleurs, admettant avoir publié l'article litigieux afin d'atteindre l'intimé dans sa dignité d'homme en suggérant une parenté d'idées entre ce dernier et Hitler. Le recourant a donc agi intentionnellement au sens de l'
art. 173 ch. 1 CP
.
2.3.5
Dans ces conditions, l'autorité cantonale n'a pas violé le droit fédéral en considérant que l'article litigieux et notamment le photomontage figurant en son centre étaient diffamatoires au sens de l'
art. 173 ch. 1 CP
.
BGE 137 IV 313 S. 320
2.4
A titre subsidiaire, le recourant invoque qu'il aurait offert de prouver la vérité de ses assertions, mais que l'administration de cette preuve lui aurait été refusée, ce en violation de l'
art. 173 ch. 3 CP
.
2.4.1
Selon le jugement entrepris, le recourant a affirmé qu'il considérait l'intimé comme un homme honorable n'ayant aucune ressemblance avec Hitler et connaissait, partant, la fausseté de ses allégations.
Au vu de ces faits, dont le caractère arbitraire n'a pas été démontré, les autorités cantonales auraient pu envisager la qualification de calomnie (
art. 174 CP
). Toutefois, compte tenu de l'interdiction de la reformatio in pejus, il n'y a plus lieu d'envisager cette qualification juridique. Il faut s'en tenir à la diffamation.
2.4.2
L'
art. 173 ch. 2 CP
dispose que l'inculpé n'encourra aucune peine s'il prouve que les allégations qu'il a articulées ou propagées sont conformes à la vérité ou qu'il avait des raisons sérieuses de les tenir de bonne foi pour vraies.
Aux termes de l'
art. 173 ch. 3 CP
, l'inculpé ne sera pas admis à apporter ces preuves et sera punissable si ses allégations ont été articulées ou propagées sans égard à l'intérêt public ou sans autre motif suffisant, principalement dans le dessein de dire du mal d'autrui, notamment lorsqu'elles ont trait à la vie privée ou à la vie de famille.
Le juge examine d'office si ces conditions sont remplies (CORBOZ, op. cit., n° 54 ad
art. 173 CP
). C'est toutefois à l'auteur du comportement attentatoire à l'honneur de décider s'il veut apporter des preuves libératoires (TRECHSEL/LIEBER, in Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, n° 27 ad
art. 173 CP
). Il s'agit en effet d'une possibilité offerte à l'accusé (CORBOZ, op. cit., n° 51 ad
art. 173 CP
; RIKLIN, op. cit., n° 10 ad
art. 173 CP
).
2.4.3
Comme les autorités précédentes l'ont retenu, le fait attentatoire à l'honneur est le soupçon lancé par le recourant que l'intimé aurait des sympathies pour l'idéologie nazie. Les preuves libératoires visées par l'
art. 173 ch. 2 CP
ne peuvent dès lors porter que sur la vérité de ce soupçon, respectivement la bonne foi du recourant à le tenir pour vrai.
Le recourant n'a jamais offert d'apporter de preuve sur ce point. En vertu de l'art. 58 al. 1 du Code de procédure pénale du canton du Valais du 22 février 1962 (CPP/VS), en vigueur jusqu'au 31 décembre 2010, lorsque le juge d'instruction estime l'enquête suffisante, il rend
BGE 137 IV 313 S. 321
une ordonnance d'inculpation d'office ou sur requête et assigne aux parties un délai dans lequel elles peuvent requérir un complément d'instruction. Dans ce délai, le recourant a certes requis la production de plusieurs pièces. Aucune d'elles ne portait toutefois sur des éléments propres à établir que le soupçon litigieux était conforme à la vérité ou que le recourant avait des raisons sérieuses de le tenir de bonne foi pour vrai. Rien dans les décisions cantonales ni même la déclaration d'appel du recourant ne permet non plus de retenir qu'il aurait offert d'apporter cette preuve. Dans son recours en matière pénale, le recourant reprend d'ailleurs les preuves libératoires qui auraient, selon lui, dû être ordonnées. Aucune d'elles ne porte sur la véracité du soupçon litigieux.
Le recourant, dès le début de l'enquête, a nié que son article ait pu être compris comme assimilant l'action politique d'Hitler à celle de l'intimé. Devant l'autorité de première instance, il a soutenu qu'il n'avait pas souhaité une telle assimilation, qualifiant l'intimé d'homme honorable. Dans le cadre de son appel, il a à nouveau réfuté que son article puisse être interprété dans ce sens. Enfin, dans son recours en matière pénale, il a réaffirmé que "jamais, ni l'article ni le photomontage ne disent ni ne laissent entendre qu'il y aurait entre l'intimé et Adolf Hitler sympathie ou parenté d'idées ni, sous réserve du type de méthodes de campagne dénoncées, parenté d'autres méthodes, notamment criminelles, dont a usé le national-socialisme".
Il résulte de ce qui précède que le recourant n'a jamais offert ni manifesté la volonté durant la procédure cantonale que des preuves libératoires relatives au soupçon litigieux soient administrées. Au contraire, il a expressément contesté l'exactitude d'un tel soupçon. Dans ces conditions, les autorités cantonales, en n'administrant pas de preuves libératoires au sens de l'
art. 173 ch. 2 CP
, n'ont pas violé cette disposition, ni l'
art. 173 ch. 3 CP
.
2.4.4
Au demeurant, la jurisprudence admet que l'auteur d'une atteinte à l'honneur se voit refuser le droit d'apporter des preuves libératoires lorsqu'il s'est exprimé sans motif suffisant
et
a agi principalement dans le dessein de dire du mal d'autrui. Déterminer le dessein de l'auteur (en particulier s'il a agi pour dire du mal d'autrui) relève de l'établissement des faits. En revanche, la notion de motif suffisant est une question de droit (
ATF 132 IV 112
consid. 3.1 p. 116).
En l'occurrence, l'autorité cantonale a retenu que le recourant poursuivait le double but de choquer le parti Z., en faisant prendre
BGE 137 IV 313 S. 322
conscience à ses membres qu'une campagne d'affichage doit demeurer dans le respect de la dignité humaine, et d'atteindre l'intimé dans sa dignité d'homme, en suggérant une parenté d'idées entre lui et Hitler, ce alors qu'il savait la fausseté du soupçon qu'il diffusait.
Le recourant a ainsi agi notamment afin de dire du mal d'autrui. De plus, il ne dénonçait pas un comportement qu'il tenait pour avéré. Au contraire, il a diffusé un soupçon qu'il savait faux. Il ne s'agissait ainsi pas pour le recourant d'informer le public, mais de faire ressentir à une personne et à son parti, ce que provoquait une attaque à l'honneur, ce par le biais d'une telle attaque. Il résulte de ce qui précède que les conditions prévues par l'
art. 173 ch. 3 CP
pour le droit à la preuve ne sont pas réunies.
3.
Le recourant invoque une violation des
art. 16 et 17 Cst.
ainsi que de l'
art. 10 CEDH
.
3.1
Faute de toute motivation, les griefs de violation des
art. 16 et 17 Cst.
sont irrecevables.
3.2
Le recourant voit une violation de l'
art. 10 CEDH
pour le motif que l'autorité précédente a considéré que l'article et le photomontage étaient attentatoires à l'honneur.
3.3
A l'instar de l'
art. 16 al. 2 Cst.
, l'
art. 10 par. 1 CEDH
garantit à toute personne le droit à la liberté d'expression. Ce droit comprend la liberté d'opinion et la liberté de recevoir ou de communiquer des informations ou des idées sans qu'il puisse y avoir ingérence d'autorités publiques et sans considération de frontière. L'exercice de ces libertés comporte toutefois des devoirs et des responsabilités et peut être soumis à certaines formalités, conditions, restrictions ou sanctions prévues par la loi, qui constituent des mesures nécessaires, dans une société démocratique, notamment à la défense de l'ordre et à la protection de la morale, de la réputation ou des droits d'autrui (cf.
art. 10 par. 2 CEDH
).
3.3.1
La liberté d'expression, à l'instar des autres droits fondamentaux, n'a donc pas une valeur absolue. Une ingérence dans son exercice est conforme à l'
art. 10 CEDH
si elle est prévue par la loi, si elle poursuit un but légitime de protection de l'intérêt public, notamment de la réputation et des droits d'autrui, et si elle est proportionnée au but légitime poursuivi (arrêts de la CourEDH
RTBF contre Belgique
du 29 mars 2011 § 95;
Bergens Tidende et autres contre Norvège
du 2 mai 2000 § 33 et 48 ss). Ces critères correspondent à ceux
BGE 137 IV 313 S. 323
posés en matière de restrictions des droits fondamentaux par l'
art. 36 Cst.
, disposition qui exige que de telles restrictions reposent sur une base légale, soient justifiées par un intérêt public ou par la protection d'un droit fondamental d'autrui et, selon le principe de la proportionnalité, se limitent à ce qui est nécessaire et adéquat à la réalisation des buts d'intérêt public poursuivis (
ATF 130 I 369
consid. 7.2 p. 380 et auteurs cités; également
ATF 136 IV 97
consid. 6.3.1 p. 114; HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7
e
éd. 2008, n. 488 p. 146; KLEY/TOPHINKE, Die Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2
e
éd. 2008, n° 13 ad
art. 16 Cst.
).
3.3.2
L'article 10 par. 2 CEDH ne laisse toutefois guère de place pour des restrictions à la liberté d'expression dans le domaine du discours et du débat politique, dans lequel cette liberté revêt la plus haute importance. En outre, les limites de la critique admissible sont plus larges à l'égard d'un homme politique, visé en cette qualité, que d'un simple particulier : à la différence du second, le premier s'expose inévitablement et consciemment à un contrôle attentif de ses faits et gestes tant par les journalistes que par la masse des citoyens. Il doit, par conséquent, montrer une plus grande tolérance (arrêts de la CourEDH
Lindon, Otchakovsky-Laurens et July contre France
du 22 octobre 2007 §46 et références citées;
Brasilier contre France
du 11 avril 2006 § 41; en droit suisse également, cf. supra consid. 2.1.4).
L'auteur d'un article, à l'instar de tout créateur, n'échappe toutefois pas aux possibilités de limitation que ménage l'
art. 10 par. 2 CEDH
: quiconque se prévaut de la liberté d'expression assume, selon les termes de ce paragraphe, des "devoirs et responsabilités" (cf. arrêt
Lindon, Otchakovsky-Laurens et July
§ 51). En raison de ces "devoirs et responsabilités", la garantie que l'
art. 10 CEDH
offre aux journalistes en ce qui concerne les comptes rendus sur des questions d'intérêt général est subordonnée à la condition que les intéressés agissent de bonne foi de manière à fournir des informations exactes et dignes de crédit dans le respect de la déontologie journalistique (parmi beaucoup d'autres, arrêts de la CourEDH
Brunet Lecomte et Lyon Mag contre France
du 6 mai 2010 § 41;
Stoll contre Suisse
du 10 décembre 2007 § 103 et 104;
Lindon, Otchakovsky-Laurens et July
§ 67;
Cumpana et Mazare contre Roumanie
du 17 décembre 2004 § 102). L'auteur doit donc s'être conformé à l'obligation ordinaire incombant aux journalistes de vérifier une déclaration factuelle. Cette obligation signifie qu'il doit s'appuyer sur une base factuelle
BGE 137 IV 313 S. 324
suffisamment précise et fiable qui pût être tenue pour proportionnée à la nature et à la force de l'allégation, sachant que plus l'allégation est sérieuse, plus la base factuelle doit être solide (arrêt de la CourEDH
Pederson et Baadsgaard contre Danemark
du 17 décembre 2004 § 78et arrêts cités). Il n'en reste pas moins que la liberté journalistique comprend aussi le recours possible à une certaine dose d'exagération, voire même de provocation (arrêts
Brunet Lecomte et Lyon Mag
§ 42;
Stoll
§ 148).
3.3.3
Dans un arrêt portant sur des propos contenus dans un roman visant notamment Jean-Marie Le Pen, ancien leader du Front national français, la Cour européenne a estimé qu'assimiler un individu, fût-il un homme politique, à un "chef de bande de tueurs", affirmer que l'assassinat perpétré par un personnage même de fiction a été "recommandé" par lui et le qualifier de "vampire qui se nourrit de l'aigreur de ses électeurs mais aussi parfois de leur sang", outrepasse les limites admises en la matière. La Cour européenne a souligné ainsi que, quelle que soit la vigueur des luttes politiques, il est légitime de vouloir leur conserver un minimum de modération et de bienséance, ce d'autant plus que la réputation d'un politicien, fût-il controversé, doit bénéficier de la protection garantie par la Convention. Elle a enfin rappelé qu'elle portait attention à la nature des termes employés, notamment à l'intention qu'ils expriment de stigmatiser l'adversaire, et au fait que leur teneur est de nature à attiser la violence et la haine, excédant ainsi ce qui est tolérable dans le débat politique, même à l'égard d'une personnalité occupant sur l'échiquier une position extrémiste (arrêt
Lindon, Otchakovsky-Laurens et July
§ 57 et références citées).
3.4
Le recourant se réfère à l'arrêt de la CourEDH
Roland Dumas contre France
du 15 juillet 2010, dans lequel une violation de l'
art. 10 CEDH
a été admise. Cet arrêt repose notamment sur les faits suivants, différents de la présente cause: durant une audience judiciaire, le requérant, alors accusé, avait déclaré au procureur "vous auriez pu siéger dans les sections spéciales". Le requérant avait ensuite présenté ses excuses au procureur. Cette déclaration n'avait donné lieu à aucune réaction ni plainte de ce dernier. Le requérant, lorsqu'il l'avait réitérée deux ans plus tard dans un ouvrage, l'avait replacée dans un contexte de révolte et avait pris ses distances avec ses "propres outrances". La Cour européenne a également reconnu la légitimité pour le requérant de rédiger un livre relatant la complexité de l'affaire dans
BGE 137 IV 313 S. 325
laquelle il avait été mis en cause, en tant qu'ancien ministre français des affaires étrangères, et le retentissement médiatique du procès. Elle a de plus considéré que les écrits du requérant donnaient des informations intéressant l'opinion publique sur le fonctionnement du pouvoir judiciaire. Enfin, sur l'ouvrage entier, seul un propos a été considéré comme attentatoire à l'honneur.
Le recourant se contente de citer des passages choisis de cet arrêt et d'invoquer que ceux-ci sont "transposables, mutatis mutandis, à l'examen de la présente cause". Il n'explicite pas en quoi cet arrêt lui serait applicable malgré les circonstances d'espèce clairement différentes. Sa motivation ne répond pas aux exigences posées par l'
art. 106 al. 2 LTF
, si bien que le moyen est irrecevable.
3.5
Le recourant invoque également la jurisprudence européenne relative à la protection de l'expression satirique et l'arrêt de la CourEDH
Alves Da Silva contre Portugal
du 20 octobre 2009. Cet arrêt traitait du cas d'une personne condamnée pour diffamation pour avoir circulé durant un carnaval avec un guignol en plâtre, censé représenter le maire de la ville, accompagné d'un sac bleu, image évoquant au Portugal des sommes illicites non comptabilisées officiellement. La Cour européenne a estimé que compte tenu de la nature et des propos en cause ainsi que du contexte - les festivités du carnaval - dans lesquelles l'action du requérant avait eu lieu, l'on pouvait difficilement prendre à la lettre ses accusations (§ 28). Comme on l'a vu (cf. supra consid 2.3.2), malgré l'utilisation d'une présentation similaire aux affiches du parti Z., l'article du recourant et notamment le soupçon litigieux, compte tenu du contexte et du support utilisé, apparaissaient sérieux. La jurisprudence plus souple adoptée en matière de satire n'est donc pas applicable ici.
3.6
Le recourant a volontairement diffusé par voie de presse un soupçon grave qu'il savait infondé. Il n'a dès lors pas agi de bonne foi de manière à fournir des informations exactes et dignes de crédit dans le respect de la déontologie journalistique. Il ne doit partant pas pouvoir se prévaloir de la garantie offerte par l'
art. 10 CEDH
.
Au demeurant, la restriction apportée à la liberté d'expression du recourant repose sur une base légale suffisante et poursuit un but légitime de protection de la réputation et des droits d'autrui (cf. arrêt 6S.295/2000 du 1
er
novembre 2000 consid. 6c). Elle demeure en outre proportionnée. Même dans un débat politique, il ne peut en effet être admis de comparer un adversaire politique au plus grand
BGE 137 IV 313 S. 326
criminel du vingtième siècle. La protection de l'honneur de la personne visée doit ici l'emporter sur le droit du recourant de s'exprimer librement. | null | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
69b11646-08df-4a51-93ec-fce93a73d112 | Urteilskopf
105 Ib 28
5. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 16 février 1979, en la cause Département de justice et police du canton de Genève contre Tribunal administratif du canton de Genève et Diallo (recours de droit administratif) | Regeste
Die Abnahme und der vorsorgliche Entzug des Führerausweises, Beschwerden (
Art. 24 und 54 Abs. 4 SVG
,
Art. 35 und 39 VZV
).
Ist
Art. 24 SVG
analog anzuwenden, wenn der Führerausweis vorsorglich abgenommen oder entzogen wird? (Frage offen gelassen.) Dem Bundesrecht widerspricht jedenfalls nicht, auf kantonaler Ebene ein Rechtsmittel gegen eine solche Massnahme vorzusehen. Falls das kantonale Recht keine solche Beschwerdemöglichkeit gewährt, kann der vorsorgliche Entzug unmittelbar mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. | Sachverhalt
ab Seite 28
BGE 105 Ib 28 S. 28
A.-
Naby Diallo est titulaire d'un permis de conduire étranger depuis le 27 novembre 1967 et il a reçu un permis suisse sans passer d'examen le 12 septembre 1974.
BGE 105 Ib 28 S. 29
Le 11 mars 1978, vers 02 h. 45, Diallo fut interpellé par la police genevoise à la rue du Rhône. Comme il présentait des signes extérieurs d'ivresse, il fut soumis au test de l'éthylomètre, puis à un prélèvement sanguin, qui révéla un taux d'alcoolémie de 2,24 à 2,28o/oo. La police procéda à la saisie de son permis de conduire.
Le 14 mars, Diallo a écrit au Service des automobiles pour "solliciter votre clémence - afin de pouvoir récupérer mon permis de conduire qui est presque synonyme de gagne-pain pour moi". Il expliquait, à ce sujet, qu'il travaillait à Versoix et qu'il commençait son travail à 04.00 h. du matin, alors que le premier train de Genève n'arrive qu'aux environs de 06.00 h. Par lettre du 16 mars, l'employeur de Diallo a confirmé qu'il était disposé à tolérer jusqu'à fin avril une dérogation à cet horaire mais que, dès le mois de mai, Diallo serait obligé de reprendre l'horaire normal, faute de quoi il se verrait congédié.
Le 14 avril, Diallo a écrit au Tribunal administratif du canton de Genève. Il émettait des doutes quant à la légalité de la procédure suivie à son égard. Dans une deuxième lettre du 18 avril 1978, adressée à la même autorité, il a déclaré "faire recours contre la procédure et la décision de me saisir mon permis, utilisées par les agents".
Par arrêt du 10 mai, le Tribunal administratif a admis le recours et dit que "faute de pouvoir prendre immédiatement une décision, le Département de justice et police aurait dû restituer le permis de M. Diallo".
B.-
Contre cet arrêt, le Département de justice et police du canton de Genève a formé un recours de droit administratif que le Tribunal fédéral a rejeté.
C.-
Par décision du 17 avril, le Département cantonal de justice et police a prononcé contre Diallo un retrait du permis de conduire d'une durée de 5 mois.
Diallo a formé un nouveau recours au Tribunal administratif contre cette dernière décision. Le recours a été rejeté par arrêt du 7 juin 1978, qui n'a pas été attaqué.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Selon les art. 97 OG et 5 PA, le recours de droit administratif n'est recevable que contre une décision fondée sur le droit public fédéral. En l'espèce, il n'apparaît pas clairement si, pour admettre l'existence d'une voie de recours cantonale contre une mesure de saisie du permis de
BGE 105 Ib 28 S. 30
conduire par la police, le Tribunal administratif s'est fondé sur le droit public cantonal ou sur le droit public fédéral. C'est toutefois sans importance en ce qui concerne la recevabilité du présent recours, car a supposer même que le Tribunal administratif se soit fondé sur le droit cantonal, le recours de droit administratif serait ouvert pour faire valoir qu'il a été fait à tort application du droit cantonal aux lieu et place du droit fédéral, seul applicable par hypothèse. Or, le recourant fait valoir précisément qu'en admettant l'existence d'une voie cantonale de recours, le Tribunal administratif a violé le droit fédéral.
b) Selon l'art. 103 lettre c, une autorité cantonale n'a, comme telle, qualité pour former un recours de droit administratif que si la législation fédérale lui en accorde le droit. En l'espèce, la seule disposition qui, de ce point de vue, puisse entrer en ligne de compte est l'
art. 24 al. 5 LCR
, aux termes duquel le droit de recourir devant les autorités cantonales et fédérales appartient, notamment, à "l'autorité qui a pris la décision de première instance, lorsque l'autorité cantonale de recours est indépendante de l'administration" (lettre a).
Formellement, l'
art. 24 LCR
ne concerne que les recours "attaquant des décisions fondées sur le titre deuxième de la présente loi". Or, la saisie du permis de conduire est prévue par l'
art. 54 LCR
, qui figure au titre troisième de la loi. La qualité du Département cantonal de justice et police pour former un recours de droit administratif contre une décision cantonale infirmant une mesure prise en application de l'
art. 54 LCR
ne pourrait donc se fonder sur l'
art. 24 al. 5 LCR
qu'autant que cette disposition serait reconnue applicable également aux mesures de ce genre.
Autrement dit, si l'on nie que l'
art. 24 LCR
soit applicable en pareil cas, le présent recours doit être déclaré irrecevable, faute de qualité du département cantonal. Mais, d'un autre côté, si l'on devait aboutir par ailleurs à la conclusion que le droit fédéral impose ou, en tout cas, n'exclut pas que les cantons prévoient une voie de recours contre des mesures de ce genre, le recours, à supposer qu'il soit recevable, devrait être rejeté pour cette raison même. On peut donc se borner à examiner cette dernière question et laisser indécise celle de la qualité du département cantonal pour former un recours de droit administratif.
BGE 105 Ib 28 S. 31
2.
Selon l'
art. 54 al. 4 LCR
, les permis saisis par la police doivent être immédiatement transmis à l'autorité compétente pour prononcer le retrait et celle-ci doit prendre sans délai une décision. Jusqu'à droit connu, la saisie opérée par la police déploie les mêmes effets qu'un retrait du permis. L'
art. 39 OAC
précise que le permis doit être transmis à l'autorité compétente dans les cinq jours. Il répète que cette dernière autorité doit prendre une décision sans délai et il ajoute que l'art. 35 est applicable. L'
art. 35 OAC
détermine les garanties de procédure dont doit bénéficier le conducteur contre lequel une mesure de retrait est envisagée (droit de consulter le dossier et de se déterminer oralement ou par écrit sur la mesure envisagée) (al. 1) et les formes selon lesquelles la décision de retrait doit être notifiée (al. 2), et il ajoute que "le permis de conduire peut être retiré immédiatement, à titre préventif, jusqu'à ce que les motifs d'exclusion aient été élucidés" (al. 3).
Il résulte ainsi des
art. 39 et 35 al. 3 OAC
combinés que l'autorité compétente pour prononcer une mesure de retrait qui reçoit un permis frappé de saisie par la police doit examiner s'il y a lieu à retrait immédiat, de caractère préventif, avant même que les motifs d'exclusion aient pu être élucidés. Dans l'affirmative, elle prononcera ce retrait préventif et sa décision se substituera alors à la mesure de saisie décidée par la police. Si elle parvient, au contraire, à la conclusion qu'un tel retrait préventif ne se justifie pas, elle devra alors, en bonne logique, restituer le permis, de sorte que la mesure de saisie tombera d'elle-même. Dans ces conditions, il est douteux qu'un recours dirigé contre la mesure de saisie présente un intérêt pratique.
La question se pose en des termes tout différents en ce qui concerne un éventuel recours contre la décision que l'autorité compétente pour prononcer le retrait doit prendre en vertu de l'
art. 35 al. 3 OAC
. Il faut admettre, par identité de motifs si ce n'est pas à fortiori, que le retrait préventif prononcé en application de cette disposition déploie les mêmes effets qu'un retrait pur et simple. Or, entre le moment où cette autorité se prononce sur un éventuel retrait préventif et le moment où elle rend sa décision définitive, il peut s'écouler un certain laps de temps, en raison, notamment, des garanties de procédure instituées par l'
art. 35 OAC
. La présente affaire en est l'illustration: alors que, comme il résulte du dossier, le Département a été en possession au plus tard le 13 mars du permis de Diallo saisi par la police le 11 mars, la décision définitive de cette
BGE 105 Ib 28 S. 32
autorité n'est intervenue que le 17 avril, soit plus d'un mois après. Or, un retrait préventif est de nature à causer à l'intéressé - surtout si, par la suite, l'autorité compétente renonce à toute mesure ou se contente d'un simple avertissement - exactement le même préjudice qu'une mesure de retrait pur et simple. On ne comprendrait pas que l'administré ait la possibilité de recourir contre un retrait pur et simple d'une durée d'un mois mais qu'il n'ait pas la même possibilité s'agissant d'un retrait préventif qui, par hypothèse, pourrait se prolonger pendant un laps de temps identique.
Des considérations qui précédent, il faut en tout cas déduire qu'une mesure de retrait préventif prise en application de l'
art. 35 al. 3 OAC
doit pouvoir faire l'objet d'un recours auprès d'une autorité quelconque. On ne saurait donc affirmer que le droit fédéral exclut une telle possibilité. C'est d'ailleurs ce que le Tribunal fédéral avait déjà admis implicitement dans un arrêt non publié du 5 août 1974, en la cause Schmid.
Autre chose est de savoir si le droit fédéral impose aux cantons de prévoir une possibilité de recours sur le plan cantonal contre de telles mesures. A supposer même, en effet, que l'on résolve cette question par la négative et qu'un canton ne prévoie aucune voie de droit contre une mesure de retrait préventif, celle-ci pourrait alors faire directement l'objet d'un recours de droit administratif au Tribunal fédéral. Même dans ce cas, le besoin de protection de l'administré contre une mesure abusive de retrait préventif serait donc satisfait.
Les cantons sont, en principe, libres d'aménager leur juridiction administrative à leur guise, même lorsqu'il s'agit du contrôle de décisions cantonales prises en application du droit fédéral. Il n'en va autrement qu'en cas de disposition contraire d'une loi fédérale. On ne saurait dès lors admettre facilement que le droit fédéral oblige les cantons à prévoir une possibilité de recours sur le plan cantonal. Or, l'
art. 24 LCR
ne vise formellement que les mesures prises en application du titre deuxième de cette loi. A cela s'ajoute que, dans le cas particulier, on est en présence non pas d'une décision prise par le département et par laquelle celui-ci aurait prononcé un retrait préventif, mais d'une absence de décision. Même si l'on admettait une application analogique de l'
art. 24 LCR
aux décisions de retrait préventif prises en application de l'
art. 35 al. 3 OAC
, il ne s'ensuivrait pas encore que les cantons devraient, en vertu
BGE 105 Ib 28 S. 33
de ce même
art. 24 LCR
, ouvrir également une possibilité de recours lorsque, contrairement aux
art. 39 et 35 al. 3 OAC
, l'autorité cantonale compétente s'abstient de prendre une décision ou tarde à le faire.
Ces questions peuvent toutefois demeurer indécises dès lors que, comme on vient de le voir, le Tribunal administratif n'a en tout cas violé aucune disposition de droit fédéral en admettant l'existence, sur le plan cantonal, d'une possibilité de recours contre une mesure de retrait préventif prise en application de l'
art. 35 al. 3 OAC
ou un refus ou un retard à statuer en violation des
art. 39 et 35 al. 3 OAC
.
Dans ces conditions, il n'est pas non plus nécessaire de rechercher si le recours aurait dû être déclaré irrecevable pour d'autres raisons encore, notamment pour défaut de préjudice irréparable (
ATF 99 Ib 415
/416 et les arrêts cités) ou pour défaut d'intérêt actuel. | public_law | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
69bb78a4-a408-464c-8385-38bfc1842188 | Urteilskopf
95 IV 154
38. Urteil des Kassationshofes vom 8. Dezember 1969 i.S. Kläusli gegen Stadtrat Winterthur. | Regeste
Art. 18 Abs. 1 und 19 VRV
.
Verbotenes Linksparkieren liegt auch vor, wenn das Parkfeld über das Trottoir angesteuert und verlassen wird. | Sachverhalt
ab Seite 154
BGE 95 IV 154 S. 154
A.-
Am Nachmittag des 24. Februar 1968 stellte ein Parkplatzkontrolleur der Stadtpolizei Winterthur fest, dass der Personenwagen des Bruno Kläusli auf der Merkurstrasse am linken Trottoirrand, in der Wagenrichtung gesehen, parkiert war.
B.-
Das Polizeiamt verurteilte Kläusli in Anwendung von Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 2 lit. a und 96 VRV zu Fr. 10.- Busse. Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Winterthur wies die Einsprache Kläuslis ab und bestätigte die Busse von Fr. 10.- wegen verbotenen Linksparkierens.
Das Obergericht wies am 29. September 1969 die Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten ab.
C.-
Kläusli beantragt mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde Aufhebung der Bussenverfügung und Rückweisung zum Freispruch. Er beansprucht eine Entschädigung von Fr. 350.--.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Art. 18 Abs. 1/19 VRV verbietet das Linksparkieren, ausser wenn rechts ein Strassenbahngleis verläuft oder ein Parkverbot signalisiert ist oder auf schmalen Strassen mit
BGE 95 IV 154 S. 155
schwachem Verkehr. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass eine dieser Ausnahmen auf die Merkurstrasse zutreffe. Das Linksparkieren ist verboten zur Verhinderung von Verkehrsstörungen und Gefährdungen, wie sie beim Queren des Gegenverkehrs entstehen. Der Beschwerdeführer leitet daraus ab, das Verbot gelte nicht, wenn der Gegenverkehr überhaupt nicht gestört werde. Er irrt. Eine solche Störung ist weder Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes noch führt sie stets zur Bestrafung (nicht in den vom Gesetz genannten Ausnahmefällen).
Wollte man mit dem Beschwerdeführer vom klaren Wortlaut der Bestimmung absehen und nur auf ihren Zweck abstellen, so dürfte sich diese Auslegung nicht auf die Beachtung des fahrenden Verkehrs und überdies nur auf die Phase der Zufahrt beschränken. Art. 18/19 VRV dienen wie das übrige Verkehrsrecht der Sicherheit des Strassenverkehrs im weitesten Sinne (vgl.
Art. 1 Abs. 2 SVG
,
BGE 92 IV 11
). Das Fahrmanöver des Beschwerdeführers gefährdete nicht unmittelbar den Gegenverkehr, dafür in hohem Mass den Fussgängerverkehr auf dem Trottoir und bei der Wegfahrt den Fahrzeugverkehr durch die Rückwärtseinfahrt über den Trottoirrand hinunter in die Museumsstrasse. Diese Gefährdung war umso grösser, als Kläusli beide Male die Zugangswege zum Fussgängerstreifen und teilweise diesen selbst befuhr, bei der Wegfahrt zudem in Rückwärtsfahrt, also mit beschränkter Sicht und Beweglichkeit. Ob der Beschwerdeführer in direkter Vorwärtsfahrt auf das Parkfeld gelangen konnte oder ob er das für kurze Parklücken übliche Parkierungsmanöver anwandte, ist bedeutungslos.
2.
Der Beschwerdeführer meint, das Verbot des Linksparkierens gelte nicht, wenn das Trottoir befahren werde, um so auf eine Parkfläche am Trottoirrand zu gelangen. Das Parkfeld sei dann doch wieder rechts vom Fahrzeug und der Gegenverkehr auf der Strasse werde nicht gekreuzt.
Für die Führer von Motorfahrzeugen gelten die Verkehrsregeln (
Art. 26-57 SVG
in Verbindung mit den entsprechenden Ausführungsvorschriften der VRV) nur auf den dem öffentlichen Verkehr dienenden Strassen (
Art. 1 Abs. 2 SVG
). Strassen sind die von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen oder Fussgängern benützten Verkehrsflächen (
Art. 1 Abs. 1 VRV
), und öffentlich sind Strassen, die nicht ausschliesslich privatem Gebrauch dienen (
Art. 1 Abs. 2 VRV
;
BGE 92 IV 11
).
BGE 95 IV 154 S. 156
Die Verkehrsregeln gelten somit grundsätzlich auf der ganzen öffentlichen Strasse. Durch die Anlage von Trottoirs, Fahrradstreifen, Verkehrsinseln und dergleichen wird lediglich für gewisse Verkehrsteilnehmer die Benützung eines Teils der Strassenfläche eingeschränkt, nicht aber auch das Anwendungsgebiet der generellen Regeln. Nach der These des Beschwerdeführers könnte jedermann eine Einbahnstrasse in verbotener Richtung befahren, Höchstgeschwindigkeiten übertreten oder rechts am Verkehrsstrom vorbeifahren, wenn er hiefür das Trottoir benützte. Diese Auffassung ist absurd. Sind am Rande der Fahrbahn Parkflächen angebracht, sei es auf der Strasse, sei es teils oder ganz auf dem Trottoir, so dürfen diese ausnahmslos nur auf dem normalen Wege angesteuert werden, während das Linksparkieren auch bei Benützung des Trottoirs verboten bleibt.
3.
Der Beschwerdeführer hätte ausser wegen verbotenen Linksparkierens auch wegen unerlaubten Befahrens des Trottoirs verfolgt und bestraft werden sollen (
Art. 41 VRV
). Es wäre in diesem Falle am Platz gewesen, ihm eine erheblich höhere Busse aufzuerlegen, als dies tatsächlich geschehen ist. Die Abänderung des Urteils zu Ungunsten des Beschwerdeführers kommt indessen nicht in Frage, weil das Polizeiamt nur wegen verbotenen Parkierens Anzeige erhoben und das Urteil nicht angefochten hat.
Die Nichtigkeitsbeschwerde, mit der Freispruch und gar noch die Zusprache einer Entschädigung verlangt wird, ist mutwillig.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
69c1972d-12b5-451f-9d87-b0e4ebb37b05 | Urteilskopf
113 Ib 393
61. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Dezember 1987 i.S. K. und Mitbeteiligte gegen S. AG und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichts- und staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Betriebseinschränkungen zur Vermeidung unnötiger Immissionen; Art. 11 Abs. 2 und 3,
Art. 12 Abs. 2 und
Art. 16 Abs. 1 USG
.
Wird ein Baubewilligungs- oder ein Entscheid über Lärmschutzmassnahmen beim Bundesgericht wegen Verletzung des Bundesgesetzes über den Umweltschutz und des kantonalen Baurechts angefochten, so sind sowohl Verwaltungsgerichts- als auch staatsrechtliche Beschwerde zu erheben (E. 1).
Betriebseinschränkungen zur Vermeidung unnötiger Immissionen können gegenüber bestehenden ortsfesten Anlagen direkt gestützt auf Art. 16 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2 und 3 sowie
Art. 12 Abs. 2 USG
verfügt werden (E. 3).
Prüfung der im einzelnen angeordneten Massnahmen (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 394
BGE 113 Ib 393 S. 394
Die Firma S. AG betreibt an der Aeschstrasse bzw. am Blumenweg in Wohlen (AG) eine Mosterei, eine Tafelgetränkeproduktion sowie einen Handel mit selber hergestellten Getränken und mit Fremdprodukten, unter anderem auch mit Wein. Zum Betrieb, der gemäss Zonenplan der Gemeinde Wohlen in der Wohnzone W2, erste Etappe, liegt, gehört eine Flaschenreinigungs- und -abfüllanlage. Auf dem Abstellplatz neben dem Betriebsgebäude, wo 5000-10000 Harasse lagern, sind ständig drei bis vier Personen damit beschäftigt, Harasse und leere Flaschen zu sortieren.
Am 14. Oktober 1982 stellten K. und weitere Nachbarn beim Gemeinderat Wohlen das Begehren, die Firma S. AG sei zu verpflichten, die von ihrem Betrieb ausgehenden Immissionen auf das zulässige Mass zu reduzieren und zwar insbesondere dadurch, dass sie das Harassenlager und den gesamten damit zusammenhängenden Warenumschlag aus der Wohnzone entferne. Am 27. Juni 1983 erliess der Gemeinderat Wohlen den folgenden Beschluss:
"1. Die S. AG hat das offene Harassenlager auf Parzelle 1673 per 31. März 1984 aufzuheben und von diesem Tag an jegliche Werktätigkeit im Freien zu unterlassen.
2. Der freiwerdende Platz ist dauernd freizuhalten. Jede Nutzung wäre bewilligungspflichtig.
3. In der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 07.00 Uhr, samstags ab 12.00 Uhr und sonntags dürfen auf den Parzellen 1673 und 4091 keine Lastwagen (Motorwagen über 3,5 t Gesamtgewicht) parkiert werden. Ebenso dürfen während dieser Zeit keine Lastwagen zu- oder wegfahren.
BGE 113 Ib 393 S. 395
4. Für sämtlichen Fahrzeugverkehr ist um das Betriebsgebäude eine zwangsweise Einbahnregelung einzurichten, so dass auch Ortsunkundige nur über die Aeschstrasse zu- und wegfahren können, und zwar mit Zufahrt auf der südöstlichen Gebäudeseite und Wegfahrt auf der nordwestlichen.
5. Während des Betriebes der Flaschenreinigungs- und -abfüllanlage sowie überhaupt bei lärmenden Verrichtungen sind Fenster und Türen des Betriebsgebäudes geschlossen zu halten, und zwar mit sofortiger Wirkung."
Im Zusammenhang mit den Streitigkeiten über die Rechtmässigkeit der von der S. AG ausgeübten Tätigkeiten führte der Gemeinderat Wohlen in der Folge ein nachträgliches Bau- und Zweckänderungsbewilligungsverfahren durch und erteilte mit Entscheid vom 22. April 1985 den Einrichtungen im Betriebsgebäude, insbesondere der Flaschenabfüllanlage, seine Genehmigung.
Gegen den Beschluss des Gemeinderates vom 27. Juni 1983 reichte die Firma S. AG zunächst beim Baudepartement und hierauf beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde ein. Das Verwaltungsgericht hiess am 22. Oktober 1986 die Beschwerde teilweise gut und ordnete folgendes an:
"1. ...
a) Die S. AG wird verpflichtet, folgende Betriebsteile auf ihren Parzellen Nrn. 1673 und 3609 aufzuheben:
aa) Das Leergut-Harassenlager, soweit es nicht im Rahmen der Eigenproduktion als Pufferlager benötigt wird (maximal 2400 Harasse).
bb) Die Standplätze für Nutzfahrzeuge über 3,5 t Gesamtgewicht, mit folgenden Ausnahmen:
- Während der Mostereisaison (1. September bis 30. November) maximal 3 Fahrzeuge.
- Während der übrigen Saison maximal 2 Fahrzeuge.
Bezüglich der Zu- und Wegfahrten gilt lit. b hienach.
b) Es ist der S. AG untersagt, in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 07.00 Uhr sowie samstags ab 12.00 Uhr und sonntags Nutzfahrzeuge über 3,5 t Gesamtgewicht auf die Parzellen Nrn. 1673 und 3609 zu- und davon wegfahren zu lassen.
c) Es ist der S. AG untersagt, auf den Parzellen Nrn. 1673 und 3609 irgendwelches Leergut zu sortieren. Die Anlieferung von Harassen mit Leergut ist ausschliesslich in sortiertem Zustand zulässig. Die Lagerung dieser Harasse hat, soweit der Platz innerhalb des Betriebsgebäudes dazu nicht ausreicht, ausschliesslich auf der Südostseite des Gebäudes sowie auf dem nordöstlichen Teil des "Vorplatzes"
BGE 113 Ib 393 S. 396
zu erfolgen. Der Platz südwestlich des Betriebsgebäudes darf dafür nicht mehr verwendet werden.
d) Der S. AG sind auf den Parzellen Nrn. 1673 und 3609 ausserdem noch folgende Tätigkeiten im Freien erlaubt:
aa) Bedienung der Obstsilos in der Mostereisaison (1. September bis 30. November), soweit diese Silos rechtskräftig bewilligt sind.
bb) Umlad und Abführung von Mostobst.
cc) Abführung des Obstsaftes, der Eigenprodukte und der Trockentrester.
dd) Betrieb der Lastwagenwaage sowie Vornahme von Mostobstwägungen.
2. Die Auflagen gemäss Ziffer 1 hievor sind innert Jahresfrist ab Rechtskraft dieses Entscheides zu erfüllen.
3. Die Regelung gemäss Ziffer 1 hievor trägt provisorischen Charakter. Sie gilt vorderhand bis zum 31. Dezember 1989. Auf diesen Zeitpunkt hin hat der Gemeinderat Wohlen, allenfalls nach Durchführung entsprechender Lärmmessungen bei der S. AG, in einer anfechtbaren Verfügung darüber zu entscheiden, ob die erwähnte Regelung in ein Definitivum überführt werden kann oder ob weitere geeignete Immissionsschutzmassnahmen anzuordnen sind.
4. Mit dem Vollzug wird der Gemeinderat Wohlen beauftragt.
..."
Gegen den Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichtes haben K. und die Mitbeteiligten sowohl Verwaltungsgerichts- wie auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist die beiden Beschwerden in den Hauptpunkten ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführer haben gegen den Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichtes sowohl Verwaltungsgerichts- wie auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Ob diese Rechtsmittel zulässig seien, hat das Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen (vgl.
BGE 112 V 83
E. 1,
BGE 108 Ib 74
E. 1b,
BGE 106 Ia 152
).
a) Das angefochtene Urteil ist einerseits in Anwendung des kantonalen Baugesetzes vom 2. Februar 1971 (BauG) erlassen worden und stützt sich andererseits auf die Vorschriften des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG). Diese bundesrechtlichen Bestimmungen dienen nicht nur als Auslegungshilfe für das kantonale Recht, ihnen kommt vielmehr - wie noch zu zeigen sein wird (vgl. E. 3) - selbständige Bedeutung zu. Der angefochtene
BGE 113 Ib 393 S. 397
Entscheid ist im übrigen von der letzten kantonalen Instanz ausgegangen und kann kantonalrechtlich nur noch mit ausserordentlichen Rechtsmitteln in Frage gestellt werden.
b) Gemäss
Art. 97 OG
in Verbindung mit
Art. 5 VwVG
kann die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen gerichtet werden, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen (
BGE 112 Ib 165
E. 1, 237 E. 2a), sofern diese von den in
Art. 98 OG
genannten Vorinstanzen erlassen worden sind, keiner der in
Art. 99-101 OG
oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist und die Missachtung von Bundesrecht gerügt wird (
Art. 104 lit. a OG
). Dies gilt auch für Verfügungen, die sowohl auf kantonalem bzw. kommunalem wie auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage steht (
BGE 112 Ib 237
ff.,
BGE 108 Ib 74
ff., 105 Ib 107 E. 1b und c; s. auch
BGE 112 Ib 321
, 359). Der Entscheid des Aargauer Verwaltungsgerichtes ist demnach, soweit er sich auf das Umweltschutzgesetz stützt und dessen Anwendung bzw. Missachtung beanstandet worden ist, zu Recht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten worden, verweist doch das Umweltschutzgesetz selbst auf die allgemeinen Rechtsmittelbestimmungen des OG und des VwVG (
Art. 54 Abs. 1 USG
) und liegt keiner der Ausnahmefälle nach
Art. 99-101 OG
vor; insbesondere geht es hier schon deshalb nicht um eine Bau- oder Betriebsbewilligung für technische Anlagen im Sinne von
Art. 99 lit. e OG
, weil das Verwaltungsgericht nicht über das technische Genügen der Betriebsanlagen der Beschwerdegegnerin befunden hat (vgl.
BGE 104 Ib 124
f.,
BGE 103 Ib 153
E. 2). An der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde änderte auch nichts, wenn der angefochtene Entscheid im Rahmen eines Bau- oder Zweckänderungsbewilligungsverfahren selbst ergangen wäre, obwohl die raumplanerischen Entscheide - ausgenommen die Entscheide über Entschädigungen als Folge von Eigentumsbeschränkungen und über Bewilligungen im Sinne von Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) - nach ausdrücklicher Vorschrift von
Art. 34 Abs. 3 RPG
der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen und nur mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar sind. Wenn der Gesetzgeber auf dem Gebiete des Umweltschutzes wie in anderen in das Baubewilligungsverfahren hineinspielenden Bereichen des Bundesrechts (Gewässerschutz-, Forstpolizei-, Natur- und Heimatschutzgesetz, Bundesgesetz über bauliche Massnahmen im Zivilschutz
BGE 113 Ib 393 S. 398
usw.), den betroffenen Privaten, dem Gemeinwesen und teilweise auch gesamtschweizerischen Organisationen ein ordentliches Rechtsmittel auf Bundesebene zur Verfügung gestellt hat, so sollte die volle Rechts- und allenfalls auch Ermessenskontrolle stets stattfinden und nicht davon abhängen, ob das fragliche Gesetz in einem Verfahren nach
Art. 5 oder 24 RPG
, nach den anderen Bestimmungen des Raumplanungsgesetzes oder in einem nicht vom Raumplanungsgesetz geregelten Verfahren zur Anwendung komme. Die Vorschrift von
Art. 34 RPG
, die eine Ausnahme zur allgemeinen bundesrechtlichen Rechtsmittelordnung schafft, kann daher dem Grundsatze nach nur für die richterliche Überprüfung der Auslegung und Anwendung der raumplanerischen kantonal- und bundesrechtlichen Normen selbst, dagegen nicht für andere, unmittelbar anwendbare Bundesrechtsbestimmungen gelten. Die bereits in
BGE 113 Ib 384
E. 4c aufgeworfene Frage des Verhältnisses von
Art. 34 RPG
zu Art. 54 f. USG ist in diesem Sinne zu beantworten.
c) Der angefochtene Entscheid stützt sich wie erwähnt nicht nur auf Bundesrecht, sondern gleichzeitig auf kantonales Baurecht, insbesondere auf die Bestimmungen über die Bestandesgarantie und die Baubewilligung. Insoweit ist gemäss
Art. 34 RPG
in Verbindung mit
Art. 84 lit. a OG
die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte gegeben. ...
d) Die von den Beschwerdeführern eingereichten Rechtsmittel sind somit beide zulässig. In der Tat ist hier von einer Verzweigung des Rechtsmittelweges auszugehen: Soweit die Streitsache dem Bundesverwaltungsrecht untersteht, sind Bundesrechtsverletzungen - mit der erwähnten Ausnahme hinsichtlich des Raumplanungsrechtes - mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend zu machen; insofern dagegen die Anwendung kantonalen Rechts beanstandet wird, muss staatsrechtliche Beschwerde erhoben und kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (vgl.
BGE 105 Ib 108
f., 222 f. E. 2a). Im vorliegenden Fall sind zwei getrennte Rechtsschriften eingereicht worden, doch hätten die beiden Beschwerden auch in einer einzigen Eingabe erhoben werden können (BGE
BGE 105 Ib 223
E. 2a,
BGE 100 Ia 280
E. 1b).
3.
Das Verwaltungsgericht ist im angefochtenen Urteil von § 135 BauG ausgegangen, wonach bereits vorhandene Bauten für Industrie und Gewerbe, die nicht in einer für sie bestimmten Zone liegen, weiterbestehen und angemessen erweitert werden dürfen, wenn ihre unvermeidlichen Einwirkungen auf die Nachbarschaft nicht übermässig sind. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes
BGE 113 Ib 393 S. 399
ergibt sich die Bedeutung der in dieser Vorschrift enthaltenen Emissionsschranke heute in erster Linie aus dem am 1. Januar 1985 in Kraft getretenen Umweltschutzgesetz. Wenn in § 135 BauG von "unvermeidlichen" Einwirkungen die Rede sei, so heisse dies nunmehr, dass die Emissionen so weit zu begrenzen seien, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar sei (
Art. 11 Abs. 2 USG
). Vorbehalten blieben die besonderen Vorschriften über die Sanierungen, namentlich über die Erleichterungen im Einzelfall (Art. 16 ff. und insbesondere
Art. 17 USG
), die indessen hier keine Rolle spielten.
Diese Ausführungen erwecken den Eindruck, dem Bundesrecht komme lediglich die Rolle einer blossen Auslegungshilfe des kantonalen Rechts zu und es sei nicht selbständig anwendbar. Dem ist aber nicht so. Wie das Bundesgericht schon verschiedentlich festgestellt hat, sind das Bundesgesetz über den Umweltschutz und nun auch die auf den 1. April 1987 in Kraft getretene Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV) mit Rücksicht auf die öffentlichen Interessen, die diese Normen wahren, auf alle Verfahren, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgeschlossen sind, grundsätzlich unmittelbar anwendbar (
BGE 113 Ib 62
f., 382 E. 4a, 112 Ib 42, 306 E. 12, 441 E. 7e). Soweit sich der materielle Gehalt der kantonalrechtlichen Vorschriften über den Umweltschutz mit dem Bundesrecht deckt oder weniger weit geht als dieses, verliert das kantonale Recht seine selbständige Bedeutung; es behält sie dort, wo es die bundesrechtlichen Bestimmungen ergänzt oder - soweit erlaubt (vgl.
Art. 65 Abs. 2 USG
) - verschärft (HAEFELIN/HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 112; Entscheid des Obergerichtes des Kantons Schaffhausen vom 17. Dezember 1985, publ. in ZBl 88/1987 S. 87 f., Entscheid des Verwaltungsgerichtes des Kantons Zürich vom 28. Februar 1986, publ. in Baurechtsentscheide Kanton Zürich 1986 Nr. 34 S. 9). Nun hat das Aargauer Verwaltungsgericht hier in Anwendung von § 135 BauG und
Art. 11 Abs. 2 USG
gegenüber der Beschwerdegegnerin verfügt, welche Emissionsquellen auszuschalten und inwieweit die verbleibenden Emissionen einzuschränken seien, während es die Überprüfung der Frage, welche Immissionen auf die Nachbarliegenschaften einwirkten und ob diese noch zu dulden seien, auf einen späteren Zeitpunkt verschob. Emissionsbeschränkungen, wie sie hier das Verwaltungsgericht festgesetzt hat, hätte dieses aber allein schon gestützt auf Bundesrecht erlassen können. Nach
Art. 16 Abs. 1 USG
müssen Anlagen, die den Vorschriften des Umweltschutzgesetzes
BGE 113 Ib 393 S. 400
nicht genügen, saniert werden. Zu diesen Vorschriften zählt auch
Art. 11 Abs. 2 und 3 USG
, wonach Emissionen im Rahmen der Vorsorge unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung so weit zu begrenzen sind, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (Abs. 2). Wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden, sind die Emissionsbegrenzungen zu verschärfen (Abs. 3). Solche Begrenzungen werden gemäss
Art. 12 Abs. 2 USG
durch Verordnungen oder, soweit diese nichts vorsehen, durch unmittelbar auf das Umweltschutzgesetz abgestützte Verfügungen vorgeschrieben. Da von der Betriebsanlage der Beschwerdegegnerin unbestrittenermassen mehr Emissionen ausgingen, als nach
Art. 11 USG
zugelassen werden kann, konnte das Verwaltungsgericht die Betriebseinschränkungen gestützt auf die genannten bundesrechtlichen Vorschriften anordnen. Daran ändert nichts, dass hier noch nicht bekannt ist, ob die Immissionsgrenzwerte überschritten werden, und Art. 13 der heute ebenfalls anwendbaren Lärmschutz-Verordnung die Sanierungspflicht nur für jene bestehenden ortsfesten Anlagen vorsieht, welche wesentlich zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte beitragen. Wie bereits erwähnt, können nach
Art. 12 Abs. 2 USG
Emissionsbegrenzungen durch unmittelbar auf das Umweltschutzgesetz abgestützte Verfügungen erlassen werden und sind nach der Vorschrift von
Art. 12 Abs. 2 USG
, die im Sinne des Zweckartikels 1 des Gesetzes der Vorsorge dient, Schutzmassnahmen nicht erst zu ergreifen, wenn die Umweltbelastung schädlich oder lästig wird, sondern müssen schon sämtliche unnötigen Emissionen vermieden werden (vgl. Kommentar zum Umweltschutzgesetz, N. 15 zu Art. 11, N. 1 zu Art. 16).
6.
a) Die Beschwerdeführer gehen auch in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde davon aus, Standplätze, Harassenlager und Werktätigkeit im Freien seien für die Parzellen Nrn. 1673 und 3609 nie rechtskräftig bewilligt worden. Dass das Verwaltungsgericht die Parzelle Nr. 3609 zu Unrecht mit ins Verfahren einbezogen hat, wurde bereits unter E. 4 ausgeführt. Im Zusammenhang mit der Prüfung der staatsrechtlichen Beschwerde hat sich sodann ergeben, dass das Verwaltungsgericht ohne Verfassungsverletzung annehmen durfte, Fahrzeugstandplätze, Harassenlager und Werktätigkeit im Freien hätten, soweit betriebsnotwendig, als durch die bereinigende
BGE 113 Ib 393 S. 401
Baubewilligung des Gemeinderates Wohlen vom 22. April 1985 bewilligt zu gelten.
Für das Abstellen von Lastwagen enthält Ziffer 3 des das vorliegende Verfahren auslösenden Beschlusses des Gemeinderates Wohlen vom 27. Juni 1983 eine ausdrückliche Regelung. Danach dürfen in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 07.00 Uhr, samstags ab 12.00 Uhr und sonntags auf den Parzellen Nrn. 1673 und 4091 keine Lastwagen (Motorwagen über 3,5 t Gesamtgewicht) parkiert werden. Ebenso dürfen während dieser Zeit keine Lastwagen zu- und wegfahren. Das Verwaltungsgericht hat die zeitliche Regelung für erlaubte Zu- und Wegfahrten übernommen. Es hat zudem lediglich die Parkiererlaubnis für zwei Fahrzeuge, bzw. während der Mostereisaison für drei Fahrzeuge, dahingehend erweitert, dass diese auch zwischen 19.00 Uhr und 07.00 Uhr, also während 24 Stunden am Tag auf dem Betriebsareal stehengelassen werden dürfen. Gleichzeitig hat es die gemeinderätliche Anordnung aber verschärft, indem ausser den speziell aufgeführten Ausnahmen keine Nutzfahrzeuge über 3,5 t Gesamtgewicht mehr auf dem Betriebsareal stationiert werden dürfen.
b) Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, die von der Vorinstanz zugelassenen zwei bzw. drei Standplätze für Nutzfahrzeuge über 3,5 t Gesamtgewicht bewirkten Immissionen, die in einer reinen Wohnzone mit dem Immissionsgrad I (nicht störend) nicht hingenommen werden müssten. Die Beschwerdegegnerin sei auf die Standplätze nicht angewiesen. Sie könne die Lastwagen problemlos in der Gewerbezone "Rigacker" stationieren. Von dort aus könnten sie zum alten Betriebsgebäude gefahren und auf der dafür vorgesehenen Rampe be- und entladen werden. Die durch die Vorinstanz ausgesprochene Bewilligung der genannten Standplätze verletze
Art. 11 Abs. 2 USG
. Dasselbe gelte für das Leergut-Harassenlager von maximal 2400 Harassen sowie die unter Ziffer 1 lit. d bewilligten Tätigkeiten im Freien. Der Beschwerdegegnerin stünden genügend Leerräume innerhalb des Betriebsgebäudes zur Verfügung und zudem würden im neuen Betriebsgebäude "Rigacker" neue Lagermöglichkeiten geschaffen.
Wie vorn unter E. 3 dargelegt, sind im vorliegenden Fall die Artikel 16 Abs. 1, 11 Abs. 1 und 2 und 12 USG anwendbar. Nach
Art. 11 Abs. 1 USG
werden Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen und Strahlen durch Massnahmen bei der Quelle begrenzt (Emissionsbegrenzungen). Dabei sind die Emissionen unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung so weit zu begrenzen, als
BGE 113 Ib 393 S. 402
dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist. Nach
Art. 12 Abs. 1 lit. c USG
können die Emissionen unter anderem auch durch den Erlass von Betriebsvorschriften eingeschränkt werden. Genau das hat aber die Vorinstanz mit ihren Anordnungen betreffend die Lastwagen-Standplätze, das Harassenlager und die Tätigkeit auf dem Betriebsareal der Beschwerdegegnerin getan. Dass die endgültige Ermittlung der Aussenlärmsituation auf später verschoben worden ist, läuft entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ebenfalls nicht auf eine Verletzung des Umweltschutzgesetzes hinaus. Vor dem Abschluss der Umorganisation des Betriebes der Beschwerdegegnerin können die in Zukunft zu erwartenden Immissionen nicht mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden. Auch ist nicht abschätzbar, wie sich die bereits angeordneten Emissionsbegrenzungen auswirken werden. Das Verwaltungsgericht durfte sich deshalb in seinem Entscheid unter dem Vorbehalt, dass die verbleibenden Immissionen nach einer Übergangsfrist neu ermittelt würden, mit einer provisorischen Regelung begnügen, die - wie sich im folgenden (E. 6c) zeigt - noch etwas zu verschärfen ist.
c) Im angefochtenen Urteil wird das heutige Lager von 5000-10000 Harassen und der Betrieb darum herum als für die Nachbarn klarerweise unzumutbar bezeichnet und dessen Umfang auf maximal 2400 Harasse beschränkt. Zudem wird der S. AG untersagt, auf der Parzelle Nr. 1673 irgendwelches Leergut zu sortieren. Die Lagerung der Harasse habe, soweit der Platz innerhalb des Betriebsgebäudes hiefür nicht ausreiche, ausschliesslich auf der Südostseite des Gebäudes sowie auf dem nordwestlichen Teil des "Vorplatzes" zu erfolgen. Das Eidgenössische Departement des Innern wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob nicht auch der Harassenumschlag gleich wie die Fahrzeugbewegungen auf die normalen Betriebszeiten beschränkt werden sollte. Diese Frage erscheint berechtigt. Eine entsprechende Emissionsbeschränkung erfüllt die Voraussetzungen von
Art. 11 Abs. 2 USG
und ist daher vom Bundesgericht anzuordnen. Das gleiche gilt auch für das Be- und Entladen der Lastwagen. Auch in diesem Punkte ist das angefochtene Urteil in dem Sinne etwas zu verschärfen, als das Be- und Entladen der Lastwagen nur während gewissen Zeiten zulässig ist. Die von den Beschwerdeführern geforderten weiteren Beschränkungen, insbesondere auch hinsichtlich der Werktätigkeit im Freien, wären dagegen zur Zeit unter den gegebenen Umständen unverhältnismässig. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
69c34da0-bcfd-4e30-99e4-8e5fa86808e4 | Urteilskopf
120 Ib 179
26. Estratto della sentenza 23 giugno 1994 della I Corte di diritto pubblico nella causa Ufficio federale di polizia c. X e Presidente della Camera dei ricorsi penali del Tribunale di appello del Cantone Ticino (ricorso di diritto amministrativo) | Regeste
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Durchsuchung von Papieren; aufschiebende Wirkung (
Art. 9, 12 und 21 Abs. 4 IRSG
).
Die Vorschrift von
Art. 21 Abs. 4 IRSG
, wonach Beschwerden gegen Entscheide, mit denen die Erteilung von Auskünften aus dem Geheimbereich an die ersuchende ausländische Behörde bewilligt wird, von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt, ist auf alle sowohl eidgenössischen wie auch kantonalen Beschwerdeverfahren anwendbar. Im übrigen gilt - unter Vorbehalt der Bestimmung von
Art. 9 IRSG
- das in Strafsachen massgebende Verfahrensrecht (
Art. 12 IRSG
). | Sachverhalt
ab Seite 179
BGE 120 Ib 179 S. 179
La Procura distrettuale della Repubblica di Catania, Direzione distrettuale antimafia, procede contro X e altri amministratori di società
BGE 120 Ib 179 S. 180
facenti parte del gruppo imprenditoriale X per concorso aggravato (art. 81, 110, 112 n. 1 CPI e 8 della legge 7 gennaio 1929, n. 4 sulle norme generali per la repressione delle violazioni alle norme finanziarie) in fatti di formazione e utilizzazione di documenti ideologicamente falsi, di dissimulazione di attività o simulazione di passività (IV comma ultima parte del D.P.R. 26 ottobre 1972, n. 633 circa l'istituzione e disciplina dell'imposta sul valore aggiunto e art. 4 n.ri 5 e 7 del D.L. 10 luglio 1982, n. 429 norme per la repressione della evasione in materia di imposte sui redditi e sul valore aggiunto e per agevolare la definizione delle pendenze in materia tributaria, convertito nella legge 7 agosto 1982, n. 516), di false comunicazioni ed illegale ripartizione di utili (art. 2621 CCI), nonché di associazione per delinquere (art. 416 CPI).
Il 9 dicembre 1993 il Ministero degli interni italiano trasmetteva all'Ufficio federale di polizia (UFP) una domanda di assistenza del 29 novembre 1993 stilata dai dott. Vincenzo D'Agata e Nicolò Marino. I magistrati italiani, dopo aver ricordato che una precedente domanda del Giudice istruttore di Roma, dott. Aurelio Galasso era stata respinta con sentenza 10 luglio 1986 della Camera dei ricorsi penali (CRP), chiedevano di accertare se un conto presso la Banca Y sul quale erano pervenute somme di denaro - presumibilmente frutto di illecite operazioni di fatturazione -, fosse riconducibile all'imputato X, ev. a suoi congiunti, oppure a dipendenti o società facenti parte del gruppo. Essi postulavano inoltre la trasmissione della documentazione completa del suddetto conto.
L'UFP trasmetteva il 24 dicembre 1993 al Ministero pubblico del Cantone Ticino la domanda, pregandolo di darvi seguito, dopo averne esaminato l'ammissibilità ai sensi degli
art. 78 AIMP
(RS 351.1) e 14 OAIMP (RS 351.11).
Con decisione dell'11 marzo 1994 il Procuratore pubblico ha accolto la domanda di assistenza, ordinato il sequestro della documentazione completa relativa al suddetto conto, già in possesso dell'autorità giudiziaria, e la sua trasmissione allo Stato richiedente. Nella motivazione il Procuratore pubblico rilevava dapprima che tutta la documentazione bancaria, già trasmessa dalla banca in occasione della precedente rogatoria, si trovava ancora in possesso dell'autorità giudiziaria (Camera dei ricorsi penali). Egli osservava inoltre che il requisito della doppia incriminazione era adempiuto, i fatti indicati nella domanda italiana essendo punibili in Svizzera perlomeno a titolo di falsità in documenti (
art. 251 CP
), ev. di appropriazione indebita (
art. 140 CP
). Per contro, il Procuratore pubblico
BGE 120 Ib 179 S. 181
ha escluso la prestazione dell'assistenza per i reati fiscali e di associazione a delinquere.
Il titolare della relazione bancaria è insorto con reclamo del 24 marzo 1994 alla CRP postulando che, conferito al rimedio effetto sospensivo, la decisione 11 marzo 1994 del Procuratore pubblico fosse annullata. Con decreto del 25 marzo 1994 il Presidente della CRP ha conferito al reclamo effetto sospensivo giusta l'art. 4 cpv. 3 della legge ticinese di applicazione della legge federale sull'assistenza internazionale in materia penale (LA AIMP) e ha invitato il Procuratore pubblico e l'UFP a presentare le osservazioni entro dieci giorni.
Insorto al Tribunale federale con un ricorso di diritto amministrativo l'UFP chiede la revoca dell'effetto sospensivo accordato al reclamo 24 marzo 1994 dal Presidente della CRP.
Erwägungen
Dai considerandi:
3.
a) Nel caso di specie, è manifestamente sfuggito all'UFP che il Procuratore pubblico non si era limitato a ordinare il sequestro della documentazione, ma ne aveva già disposto - senza preventivo esame (v.
DTF 112 Ib 604
seg. consid. 14a) - la trasmissione alla Parte richiedente. In tale misura, come ancora si vedrà, il reclamo all'autorità cantonale aveva già per legge effetto sospensivo (cfr.
art. 21 cpv. 4 AIMP
).
b) Secondo l'UFP, la CRP - diversamente da altre autorità cantonali - concederebbe sistematicamente l'effetto sospensivo ai ricorsi presentati contro le decisioni di ammissibilità di domande di assistenza: tale prassi sarebbe contraria all'
art. 21 cpv. 4 AIMP
e impedirebbe alla Svizzera di dar tempestivamente seguito alle domande di assistenza.
Nelle proprie osservazioni al ricorso il Presidente della CRP contesta tale asserzione e rileva che l'effetto sospensivo viene conferito solo per il particolare provvedimento coercitivo della perquisizione di documenti. In quest'ambito è a suo avviso applicabile, in virtù del rinvio contenuto all'
art. 12 AIMP
, la procedura penale cantonale, segnatamente l'
art. 123 cpv. 2 CPP
ticinese, norma che consente al detentore delle carte di consegnarle sotto suggello e di provocare la decisione del giudice sul punto se debbano essere perquisite o meno. Non vi sarebbe poi alcun motivo per negare nell'ambito delle procedure di assistenza la garanzia di un controllo giudiziario imparziale sulle perquisizioni, quando tale garanzia viene riconosciuta in tutti i procedimenti interni. Inoltre, il richiamo
BGE 120 Ib 179 S. 182
all'
art. 21 cpv. 4 AIMP
non cadrebbe in acconcio, poiché questa disposizione si limita a derogare all'
art. 111 cpv. 2 OG
, quindi ad una norma processuale applicabile in sede federale. Infine, il Presidente rileva che finora i reclami diretti alla CRP sono sempre stati evasi in termini accettabili. Dal canto suo, il titolare della relazione bancaria osserva che l'ordine del Procuratore pubblico ha per oggetto il sequestro di documenti, e non di averi, presso la stessa CRP e che quindi la concessione dell'effetto sospensivo non pregiudica l'esito della procedura. Per il resto, egli solleva gli stessi argomenti del Presidente della CRP.
c) Secondo l'
art. 12 AIMP
, salvo diversa disposizione di tale legge, le autorità cantonali applicano le prescrizioni vigenti per esse e, per gli atti procedurali, il diritto procedurale determinante in materia penale. La tesi della CRP, per cui il diritto di procedura penale cantonale è applicabile, è quindi per principio corretta. Essa tuttavia disattende che, trattandosi di perquisizione e di suggellamento di carte, l'art. 9 seconda frase AIMP, disposizione speciale per rispetto all'
art. 12 AIMP
, rinvia ai principi sanciti nell'
art. 69 PP
(v.
DTF 109 IV 58
segg.).
Il rinvio alla procedura penale federale è stato introdotto dalla Commissione del Consiglio degli Stati per garantire in questa materia una procedura uniforme in tutta la Svizzera, atteso che diversi codici di procedura penale non contenevano norme sulla procedura di perquisizione e di suggellamento di carte (SCHULTZ, Bankgeheimnis und internationale Rechtshilfe in Strafsachen, pag. 22; MARKEES, SJK, n. 423a, pag. 14 seg. e riferimenti). Attualmente diversi Cantoni disciplinano tale procedura (v. a titolo non esaustivo art. 123 CCP TI; 101 CCP ZH; 103 CCP VS; 131 CCP UR; 113 CCP SG; 40 SZ; 58 SO; 170 NE; 189 SH; 117quater LU). La perquisizione di carte costituisce una grave ingerenza nei diritti personali del detentore (OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, pag. 373; HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2a edizione, pag. 201 seg.). Per questo motivo gli deve essere concessa la facoltà di esprimersi sul loro contenuto. In caso di opposizione, i documenti devono essere suggellati e posti in luogo sicuro fino alla decisione del giudice (
art. 69 cpv. 3 PP
). Questa procedura serve a proteggere la sfera privata del detentore: è il giudice e non l'autorità inquirente che deve stabilire se l'interesse pubblico al perseguimento penale è superiore a quello di mantenere il segreto del detentore (
DTF 114 Ib 360
, 107 Ia 48 in basso).
BGE 120 Ib 179 S. 183
In concreto, la CRP ha quindi giustamente attribuito effetto sospensivo al ricorso volto contro l'ordine di perquisizione dei documenti bancari, applicando l'
art. 123 CPP
ticinese, norma che corrisponde ai principi sanciti nell'
art. 69 PP
. Non giova al ricorrente richiamarsi all'
art. 21 cpv. 4 AIMP
. È bensì vero che - contrariamente a quanto sostiene la CRP - questa norma è applicabile a tutte le procedure di ricorso, sia a livello federale che cantonale, nella misura in cui conferisce effetto sospensivo ope legis ai ricorsi volti contro le decisioni che autorizzano la comunicazione all'estero di informazioni concernenti la sfera segreta (v. Messaggio del Consiglio federale all'AIMP, in FF 1976 II pag. 457 [l'
art. 18 del
messaggio corrisponde ora all'art. 21], MARKEES, SJK, n. 421a, pag. 22; cfr. inoltre
DTF 115 Ib 66
, 90 consid. a). Per il resto è però applicabile, con la riserva di quanto prevede l'
art. 9 AIMP
, il diritto procedurale determinante in materia penale, nella specie la procedura penale cantonale (
art. 12 AIMP
; v.
DTF 112 Ib 134
consid. 3a). D'altra parte, come osserva a ragione l'autorità cantonale, non sussiste alcun motivo per scostarsi nell'ambito dell'assistenza giudiziaria in materia penale dalla procedura prevista per la perquisizione di carte nei procedimenti interni (v. in tal senso MARKEES, SJK, n. 423a, pag. 15). | public_law | nan | it | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
69c4af92-e097-4fa1-a6cf-fed65b47078c | Urteilskopf
103 II 168
29. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 27 octobre 1977 dans la cause X. contre Y. | Regeste
Art. 151 Abs. 1 ZGB
.
Grundbedingung der Zusprechung einer Entschädigung (oder einer Unterhaltsrente) ist, dass das Verschulden des Ehegatten, der eine solche beansprucht, an sich leicht ist: Der Richter darf demnach nicht eine rein vergleichende Prüfung der Verschulden der Ehegatten vornehmen. | Sachverhalt
ab Seite 168
BGE 103 II 168 S. 168
Prononçant le divorce des époux X.-Y., le Tribunal civil de l'arrondissement de la Sarine a alloué à l'épouse une rente d'indemnité de 200 fr. par mois. Saisie par le mari, la Cour d'appel du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg s'est bornée à réduire l'indemnité à 100 fr. par mois. Elle a maintenu la décision du premier juge dans son principe, pour le motif que les torts de l'époux étaient nettement prépondérants.
Sieur X. a recouru au Tribunal fédéral, qui a dénié à dame Y. tout droit à une indemnité.
BGE 103 II 168 S. 169
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Selon la jurisprudence fédérale, le juge doit pouvoir accorder une indemnité, éventuellement réduite, si les conditions de l'espèce font apparaître inéquitable (
art. 4 CC
) de refuser toute prestation à un conjoint dont la faute, sans être tout à fait secondaire au point qu'elle puisse être tenue pour négligeable, apparaît comme légère au regard de l'ensemble des circonstances et de la faute prépondérante de l'autre époux (
ATF 99 II 130
, 355). Le Tribunal fédéral a tenu à "laisser la porte ouverte à une solution nuancée", partant de l'idée, exprimée d'abord à propos de la pension alimentaire de l'
art. 152 CC
puis reprise au sujet de l'indemnité de l'
art. 151 al. 1 CC
, qu'il ne faut pas faire payer trop durement à un conjoint divorcé des manquements légers, qui, en soi, n'auraient pas conduit au divorce (
ATF 98 II 13
).
En l'espèce, la Cour d'appel constate que "ni l'un ni l'autre des époux n'est sans reproche". "Mais, poursuit-elle, la question est de savoir si les torts du mari l'emportent à un point tel qu'ils soient qualifiés de prépondérants, l'épouse revêtant alors la qualité de conjoint innocent". Au terme de l'examen du cas, la Cour conclut: "C'est en définitive l'écart de conduite du mari avec dame B. qui, dans la comparaison des torts réciproques des époux, fait pencher la balance en défaveur du mari, au point que les torts de l'épouse, bien que réels, ne la privent pas de la qualité de conjoint innocent."
Alors que le Tribunal fédéral a assoupli le critère indiqué à l'
art. 151 CC
, les juges d'appel l'ont modifié: à la notion d'époux innocent, ils ont substitué celle du conjoint le moins coupable. L'étude des torts des parties à laquelle ils ont procédé a ainsi été essentiellement comparative: l'intimée a obtenu une indemnité parce que la désunion est surtout imputable au mari. C'est là sortir du cadre de la loi et perdre de vue que la condition première de l'octroi d'une indemnité est que la faute de celui qui y prétend soit légère en soi.
Tel n'est précisément pas le cas en l'occurrence. Dame Y. ne le cédait en rien à son mari sur le plan des injures. Elle s'enivre, devenant ainsi violente, même à l'égard des enfants; selon la Cour d'appel, ces abus d'alcool "ont dû jouer un rôle dans la tension survenue entre les époux". Enfin, elle a eu une
BGE 103 II 168 S. 170
liaison suspecte avec G. Elle a d'abord dit que G. était "un bon ami auquel elle se confiait", mais, en instance d'appel, elle a reconnu avoir entretenu des relations sexuelles avec lui dès le 7 octobre 1975, date du dépôt de la requête de conciliation, alors que les époux n'étaient pas encore séparés. Cette liaison étant très proche de la suspension de la vie commune, la Cour cantonale n'exclut pas qu'elle ait été un obstacle à une éventuelle réconciliation: la tentative de conciliation a été suspendue lors de la première audience, du 27 octobre 1975, et l'échec n'en a été constaté qu'à une audience postérieure, du 16 décembre 1975. L'intimée s'est ainsi rendue coupable d'un adultère dont elle n'a pas établi qu'il soit sans relation de causalité avec la rupture définitive du lien conjugal.
Ayant commis des fautes répétées et caractérisées, dont certaines sont graves, dame Y. ne peut prétendre être l'époux innocent au sens de l'
art. 151 al. 1 CC
, lors même que les torts du mari apparaissent prépondérants. | public_law | nan | fr | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
69c58ba2-b1bc-4cb0-a0bc-76c333fc8d9c | Urteilskopf
96 I 686
104. Estratto della sentenza 16 dicembre 1970 nella causa Lega svizzera per la protezione della natura contro Bonetti-Soldati e liteconsorti | Regeste
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG). Widerruf einer amtlichen Bewilligung.
1. Der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen nicht nur Verfügungen, die sich auf das Bundesrecht stützen, sondern auch solche, in denen es zu Unrecht nicht angewendet wird (Erw. la; Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Der Schweizerische Bund für Naturschutz ist auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes und der Forstpolizei zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt (Erw. 1c).
3. Die Beschwerdefrist ist gewahrt, wenn die Beschwerde innert 30 Tagen seit dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der angefochtenen Verfügung Kenntnis nehmen konnte, eingereicht wird (Erw. 1d).
4. Schutz der Ufervegetation. Sie darf nur beseitigt werden, wenn ein öffentliches Interesse es erfordert (
Art. 21 und 22 Abs. 2 NHG
) (Erw. 2a).
5. Unwiderruflichkeit der polizeilichen Bewilligung, wenn der Empfänger gutgläubig bedeutende Beträge aufgewendet hat, um von ihr Gebrauch zu machen. Ausnahmen (Erw. 2 c). | Sachverhalt
ab Seite 687
BGE 96 I 686 S. 687
Riassunto della fattispecie:
A.-
Matilde Bonetti-Soldati, Silvio Soldati e Antonio Soldati sono proprietari della particella n. 481 di Muzzano, situata sulle rive del lago di Lugano. Il 20 dicembre 1968 Silvio Soldati presentò una domanda intesa ad ottenere l'autorizzazione a costruire su quel fondo una darsena con locali d'abitazione al piano rialzato. Il 17 aprile 1969, aderendo ad una richiesta di modifica dei piani formulata dalla Commissione cantonale per la protezione delle bellezze naturali e del paesaggio, i proprietari sottoposero nuovi piani. Mediante convenzione stipulata fra il Dipartimento delle pubbliche costruzioni del Cantone Ticino ed i proprietari il 31 ottobre 1969, e ratificata dal Consiglio di Stato con risoluzione del 4 dicembre 1969, sono state costituite a titolo gratuito sul fondo degli interessati due servitù a favore del Cantone Ticino: l'una che contempla un divieto di edificare
BGE 96 I 686 S. 688
su di una porzione di terreno della larghezza di m. 60 dal livello medio del lago e della lunghezza di m. 130; l'altra che garantisce un passaggio pubblico pedonale in prossimità della costruzione.
Il 4 novembre 1969 il Consiglio di Stato ticinese autorizzò i proprietari a costruire conformemente ai nuovi piani. Il 17 novembre seguente, il Dipartimento cantonale delle pubbliche costruzioni approvò il progetto a diverse condizioni, che si riferiscono all'intangibilità del bosco circostante e al suo miglioramento, oltre che alla posa di una fossa biologica. Esso fissò l'inizio dei lavori dopo la scadenza del periodo di pubblicazione all'albo comunale o, in caso di ricorso, dopo esaurimento della relativa procedura.
I proprietari diedero indilatamente avvio ai lavori. La darsena, già coperta nel maggio 1970, é oggigiorno terminata e utilizzata.
B.-
Su istanza delle associazioni cantonali per la protezione della natura e del paesaggio, l'Ispettorato federale delle foreste aveva invitato il Dipartimento cantonale delle pubbliche costruzioni, con lettera del 3 marzo 1970, ad ordinare la sospensione dei lavori sino a che non fosse chiarita la questione circa un'eventuale violazione dell'art. 21 della legge federale sulla protezione della natura e del paesaggio (LPNP). Esso sollecitava inoltre l'invio di una copia del permesso cantonale accordato il 17 novembre 1969, affinché le associazioni abilitate a ricorrere potessero esaminare l'opportunità di far uso del loro diritto. L'Ispettorato federale intervenne ancora il 24 marzo 1970.
Avvertita a sua volta dal presidente della Società pescatori professionisti del Ceresio, la Lega svizzera per la protezione della natura aveva chiesto al Dipartimento cantonale delle pubbliche costruzioni, con lettere del 23 e 25 marzo 1970, di vietare la prosecuzione delle opere. Essa esigeva parimenti il testo dell'autorizzazione cantonale, riservandosi di esercitare la facoltà di ricorso.
Il 3 aprile 1970 il Dipartimento comunicò all'Ispettorato federale il tenore della decisione accordante la licenza e trasmise il preavviso favorevole dell'Ispettorato forestale cantonale, nonchè l'atto di costituzione delle note servitù. Rifiutava per contro la sospensione dei lavori, avendo un recente sopralluogo dimostrato l'inutilità del provvedimento. Nel contempo, esso inviava
BGE 96 I 686 S. 689
copia della lettera alla Lega svizzera per la protezione della natura.
C.-
Il 2 maggio 1970, la Lega svizzera per la protezione della natura ha presentato un ricorso di diritto amministrativo contro la decisione 4 novembre 1969 del Consiglio di Stato, come pure contro la licenza edilizia accordata il 17 novembre 1969 dal Dipartimento cantonale delle pubbliche costruzioni. La ricorrente fa valere la violazione degli art. 21 e 22 cpv. 2 LPNP e dell'art. 31 della legge federale concernente l'alta vigilanza della Confederazione sulla polizia delle foreste.
D.-
I proprietari della particella n. 481 di Muzzano chiedono, in via principale, che il ricorso sia dichiarato irricevibile; subordinatamente ch'esso sia respinto.
Il Consiglio di Stato e il Dipartimento delle pubbliche costruzioni del Cantone Ticino propongono di respingere il ricorso.
Erwägungen
Riassunto dei considerandi:
1.
Il ricorso della Lega svizzera per la protezione della natura adempie tutti i requisiti di ricevibilità posti dalla legge di organizzazione giudiziaria in ordine al fondamento delle decisioni impugnate, all'esaurimento delle istanze inferiori, alla qualità per ricorrere e al rispetto del termine stabilito.
a) Secondo l'
art. 97 cpv. 1 OG
, possono dar luogo a ricorso di diritto amministrativo soltanto le decisioni definite dall'art. 5 cpv. 1 PAF, vale a dire quelle fondantisi sul diritto pubblico federale. Nella fattispecie, la decisione emanata dal Consiglio di Stato il 4 novembre 1969 invoca unicamente la legge cantonale del 30 novembre 1961 sulla delimitazione delle acque pubbliche e la protezione delle rive dei laghi, nonché il regolamento cantonale di applicazione del 3 agosto 1962. Quanto alla decisione presa dal Dipartimento cantonale delle pubbliche costruzioni il 17 novemlbre 1969, essa ha in vista senza dubbio la legge federale sulla protezione delle acque dell'inquinamento (LPA), accanto a diverse leggi e regolamenti cantonali, ma la sua validità non é contestata per violazione di questo testo federale. Così, nella misura in cui sono impugnate, le due citate decisioni non si fondano sul diritto federale. Questo non significa tuttavia che, per non essere delle decisioni a'sensi dell'art. 5 cpv. 1 PAF, esse non siano suscettibili di un ricorso di diritto amministrativo.
BGE 96 I 686 S. 690
Occorre a tal proposito ispirarsi alla giurisprudenza anteriore all'ultima revisione della OG nel campo della protezione delle acque dall'inquinamento. L'art. 14 LPA apre la via del ricorso di diritto amministrativo contro "le decisioni emanate in ultima istanza cantonale in applicazione della presente legge". Chiamato a statuire sulla portata di questa norma, il Tribunale federale ha considerato ricevibile un ricorso di diritto amministrativo che rimproverava all'autorità cantonale di essersi fondata sul diritto cantonale invece che sul diritto federale; esso ha ritenuto che la citata norma non si riferisce soltanto alle decisioni che si assidono sul diritto federale, ma anche a quelle che omettono ingiustamente di applicarlo (RU 92 I 72 in fine).
Questo ragionamento vale anche per il diritto attualmente in vigore, nel senso che, avvalendosi dell'inosservanza della legislazione federale sulla protezione della natura e delle foreste, la ricorrente ha interposto validamente un ricorso di diritto amministrativo, indipendentemente dal fondamento delle decisioni impugnate. Un'altra soluzione non si concilierebbe con le finalità che persegue la giurisdizione amministrativa federale. Con la sua istituzione nel 1928 e la sua estensione nel 1968, il legislatore mirava a garantire l'applicazione regolare del diritto amministrativo federale. Orbene, se le autorità amministrative potessero sfuggire al controllo giudiziario basandosi sul diritto cantonale laddove trova applicazione il diritto federale, lo scopo perseguito non sarebbe raggiunto.
b) L'art. 98 lett. g OG sottopone al ricorso di diritto amministrativo le decisioni emanate in ultima istanza dalle autorità cantonali, salvo se il diritto federale prevede un ricorso a uno degli organi menzionati alle lettere da b a f. Le condizioni enunciate da questa norma sono adempiute nella fattispecie. Innanzitutto, secondo il parere espresso dal Tribunale cantonale amministrativo e trasmesso al Consiglio di Stato, le decisioni impugnate sono state emanate in ultima istanza: da un lato, la decisione del Governo cantonale non è suscettibile di impugnazione presso il Tribunale cantonale amministrativo, non avendo nessuna norma di legge introdotto una tale possibilità di ricorso; dall'altro lato, in mancanza di una regola procedurale cantonale sulle associazioni di importanza nazionale, la Lega svizzera per la protezione della natura non aveva veste per deferire al Tribunale cantonale amministrativo la decisione del Dipartimento delle pubbliche costruzioni.
BGE 96 I 686 S. 691
Inoltre, il diritto federale non assegna a uno degli organi previsti dall'
art. 98 lett. b OG
il potere di controllare le decisioni in materia. Ne consegue che il principio dell'esaurimento delle istanze inferiori non costituisce un ostacolo alla ricevibilità del presente ricorso.
Manifestamente, l'estensione della giurisdizione amministrativa federale non ha avuto come effetto quello di obbligare le autorità cantonali ad esaminare il merito di ricorsi che nessuna norma di diritto federale o cantonale fa rientrare nella loro competenza. Questa ingerenza nella procedura cantonale non si concilierebbe con l'intenzione del legislatore federale, che ha inteso sottrarre alla legge federale sulla procedura amministrativa le procedure istruite da autorità cantonali (cfr. art. 1 cpv. 3 PAF). Il presente ricorso non è pertanto da rinviare al Tribunale amministrativo ticinese.
c) La ricorrente ha veste per chiedere, mediante ricorso di diritto amministrativo, il rispetto delle disposizioni federali che salvaguardano la natura e in special modo le foreste. L'art. 12 cpv. 1 LPNP attribuisce questo rimedio di diritto alle associazioni nazionali che, in virtù dei loro statuti, mirano per fini di natura ideale a raggiungere gli scopi prefissi dalla legge e di cui la ricorrente fa incontestabilmente parte. Inoltre, dal momento che la salvaguardia della natura e del paesaggio comprende quella delle foreste, la ricorrente può parimenti prevalersi della pretesa trasgressione dell'art. 31 della legge concernente l'alta vigilanza della Confederazione sulla polizia delle foreste, mediante ricorso di diritto amministrativo. Il Tribunale federale ha adottato questa soluzione nella sentenza del 19 giugno 1970 concernente la foresta di Thyon. Anche il Consiglio federale ha interpretato in maniera estensiva l'art. 12 cpv. 1 LPNP, riconoscendo alle associazioni considerate da questa disposizione la facoltà di ricorrere per violazione della legge sulla caccia e la protezione degli uccelli (ZBl 1970 pag. 279).
d) L'eccezione di tardività sollevata nelle osservazioni al ricorso è infondata. L'art. 34 cpv. 1 PAF, applicabile alle autorità sia cantonali che federali, fa obbligo a queste di notificare per scritto le loro decisioni alle parti. Orbene, la ricorrente, pur dovendo essere considerata quale parte in causa secondo quanto esposto sopra, non ha ricevuto copia delle decisioni impugnate. Le autorità ticinesi potevano, certo, avvalersi dell'art. 36 lettera c PAF per pubblicare le loro decisioni in un foglio ufficiale:
BGE 96 I 686 S. 692
esse non hanno però ossequiato nemmeno questa norma, la quale non accenna alla possibilità di far capo all'esposizione all'albo. In siffatte condizioni, in virtù dell'
art. 107 cpv. 3 OG
che non fa ricadere sulle parti le conseguenze pregiudizievoli di una notificazione irregolare, la ricorrente aveva la facoltà di insinuare un ricorso di diritto amministrativo nel termine di giorni trenta a decorrere dalla data in cui le era stato possibile di prendere conoscenza delle decisioni in questione. Dal momento che il testo le è stato trasmesso il 17 aprile 1970, nonostante i reclami del 23 e 25 marzo 1970, il memoriale del 2 maggio 1970 è stato inoltrato in tempo utile.
2.
Il ricorso essendo ricevibile, occorre statuire sulle pretese violazioni del diritto riguardanti il merito ed eventualmente sulle conseguenze di ordine giuridico che tali violazioni comportano.
a) L'art. 21 LPNP vieta in principio la distruzione della vegetazione delle acque pubbliche; come risulta dal titolo marginale "Vegetazione ripuale", questa norma si applica alle piante che ricoprono le rive come pure a quelle che crescono nell'acqua. Una sola norma, fra quelle che contengono una deroga alla regola generale, può eventualmente entrare in considerazione nel caso in esame. È più precisamente l'art. 22 cpv. 2 LPNP, il quale abilita l'autorità cantonale competente a permettere la soppressione della vegetazione ripuale "qualora l'interesse pubblico lo esiga".
Nel caso particolare risulta da numerose fotografie che la costruzione della darsena litigiosa ha provocato la scomparsa delle piante cresciute nell'acqua o lungo la riva. Ancorché sembri che questa vegetazione sia stata piuttosto rada, anzi parzialmente deperita, é da sottolineare che essa beneficiava comunque della protezione che il citato art. 22 accorda in maniera assoluta. Essa non poteva essere annientata che con il consenso dell'autorità cantonale competente e per rispondere a un'esigenza di interesse pubblico.
Ora, una tale esigenza qui non sussiste. E'vero che, nella misura in cui gli intimati si sono impegnati mediante convenzione di servitù a non edificare su una fascia del loro terreno e a garantire il libero transito dei pedoni attorno alla darsena, essi hanno integrato la protezione legale, che non è né assoluta né al riparo da una modificazione. Ciò non significa tuttavia che esistesse un interesse pubblico tale da giustificare la rimozione
BGE 96 I 686 S. 693
della vegetazione acquatica. Si può affermare tutt'al più che questo interesse pubblico non vi si opponeva in modo categorico. Parimenti, se i lavori eseguiti dagli intimati hanno reso accessibile ai campeggiatori una boscaglia sino a quel momento impenetrabile, non si può certo sostenere che detti lavori fossero richiesti per delle ragioni di interesse pubblico. L'interesse di alcuni viandanti a incamminarsi nei boschi manifestamente non prevale sull'interesse della comunità a preservare l'aspetto naturale del luogo. Con riferimento agli art. 21 e 22 LPNP, la distruzione delle piante acquatiche non era giustificata, né di conseguenza era giustificata l'autorizzazione a costruire che presupponeva tale eliminazione.
b) L'art. 31 della legge concernente l'alta vigilanza della Confederazione sulla polizia delle foreste dispone che l'area boschiva della Svizzera non può essere diminuita (cpv. 1); esso subordina il dissodamento delle foreste non protettrici all'autorizzazione del Governo cantonale e quello delle foreste protettrici all'autorizzazione del Consiglio federale (cpv. 2); a seconda della natura e della funzione protettrice o non protettrice, compete al Consiglio federale o al Governo cantonale la decisione se e in qual misura convenga compensare una diminuzione per mezzo di rimboschimenti (cpv. 3). L'art. 26 dell'ordinanza di esecuzione del 1. ottobre 1965 prescrive, nell'esame delle domande di dissodamento, di considerare tanto gli interessi della collettività alla conservazione della foresta, quanto gli interessi del richiedente, segnatamente con riguardo alla funzione protettiva della foresta, ai suoi effetti benefici e al suo aspetto panoramico (cpv. 1); esso prevede che, ordinariamente, ogni dissodamento dev'essere compensato con un equivalente rimboschimento nella stessa regione (cpv. 3).
Si può discutere sulla questione a sapere se le decisioni impugnate, in quanto hanno condotto all'abbattimento di alberi, siano compatibili con questi testi. E'bensì vero che il Dipartimento delle pubbliche costruzioni ha fatto dipendere l'autorizzazione accordata da determinate clausole che fanno obbligo agli intimati di preservare intatta la foresta e di trattarla colturalmente. Risulta parimenti che il Consiglio di Stato ha fatto precedere all'abbattimento una martellazione ufficiale. Cionondimeno, non è provato che l'art. 31 cpv. 2 della legge concernente l'alta vigilanza della Confederazione sulla polizia delle foreste sia stato rispettato. Tutte le foreste ticinesi essendo
BGE 96 I 686 S. 694
considerate protettrici (Foglio ufficiale cantonale 1913, pag. 587), l'autorizzazione a dissodarle non può emanare il linea di principio che dal Consiglio federale. Infatti, dopo aver delegato alle autorità cantonali il potere di autorizzare i dissodamenti di una superficie massima di 3000 mq., mediante circolare del 24 dicembre 1909, il Consiglio federale medesimo ha poi costatato la nullità di questa delegazione di competenza (decisione del 6 maggio 1970 nella vertenza Lega svizzera per la protezione della natura e liteconsorti contro Consiglio di Stato del Canton Svitto, pubblicata in ZBl 1970, pag. 375 e segg.). Ci si può inoltre chiedere se, conformemente all'art. 26 dell'ordinanza di esecuzione, le autorità cantonali abbiano soppesato sufficientemente gli interessi divergenti e se abbiano rinunciato a ragione a esigere la sostituzione delle piante eliminate. La questione può tuttavia rimanere insoluta, dovendo il ricorso essere respinto per altre ragioni. Si vuole però rivolgere un invito all'autorità cantonale a riesaminare l'opportunità di un equivalente rimboschimento, che risponda meglio alle intenzioni del legislatore federale e che consenta di rimediare in parte alle conseguenze negative dell'autorizzazione.
c) In principio, un'autorizzazione di polizia é irrevocabile allorquando il beneficiario abbia in buona fede investito somme ragguardevoli in vista della sua utilizzazione; questa regola trova segnatamente applicazione in materia di permessi di costruzione dopo l'inizio dei lavori (RU 90 I 15, 91 I 96, 92 I 235, 94 I 344). Eccezioni sono ammissibili soltanto se l'autorizzazione viola in modo particolarmente grave un interesse pubblico eminente e in questo caso la revoca sarà, generalmente, subordinata al pagamento di un'indennità (RU 88 I 227 e seg.).
In virtù del permesso che il Dipartimento delle pubbliche costruzioni aveva loro rilasciato il 17 novembre 1969, gli intimati erano in diritto di edificare la darsena a datare dalla pubblicazione della decisione all'albo comunale o, in caso di ricorso, una volta terminata la procedura. Orbene, nessun ricorso era ancora stato interposto nel momento in cui essi hanno dato inizio ai lavori, vale a dire nei primi mesi del 1970. Siccome le decisioni cantonali non menzionano né la legge federale sulla protezione della natura e del paesaggio, né quella che concerne l'alta vigilanza della Confederazione sulla polizia delle foreste, un intervento fondato su queste norme non era nemmeno prevedibile in quel momento. Ne consegue che gli intimati hanno
BGE 96 I 686 S. 695
fatto uso in buona fede dell'autorizzazione ottenuta. Il ricorso interposto dalla Lega svizzera per la protezione della natura in data 2 maggio 1970, ad una epoca in cui la darsena era già ricoperta, non può avere come effetto l'annullamento delle decisioni impugnate. Un'altra diversa soluzione potrebbe essere adottata soltanto se la costruzione ledesse in un modo particolarmente incisivo interessi superiori che il legislatore intendeva salvaguardare. Ciò però non è il caso. Per quanto spiacevole, la scomparsa della vegetazione acquatica e di parecchi alberi su di una porzione poco estesa non altera il sito considerato nel suo assieme. E'anche verosimile che, con l'andare del tempo, i danni causati possano essere parzialmente riparati. In queste condizioni, dovendo le decisioni impugnate essere confermate, non mette conto di esaminare se il loro annullamento ed il conseguente obbligo di demolire la darsena avrebbero potuto condurre al pagamento di un'indennità.
E'certo che l'impossibilità di rimediare nella fattispecie alla violazione di norme legali non soddisfa il sentimento del diritto. Questa soluzione risulta dal fatto che l'interesse degli intimati è, se raffrontato con l'interesse pubblico in giuoco, preponderante. E'vero che se le decisioni in discorso fossero state regolarmente notificate alle parti la ricorrente avrebbe avuto modo di agire prima dell'inizio dei lavori autorizzati e avrebbe ottenuto l'annullamento o perlomeno la modifica del permesso di costruire. Nonostante ciò, la ricorrente non può avvalersi dell'
art. 107 cpv. 3 OG
, in virtù del quale le parti non devono sopportare le conseguenze di una notificazione irregolare. Questa disposizione non riguarda solamente la ricorrente ma anche gli intimati, i cui interessi sono in questo caso prevalenti.
Poco importa poi che, stando alle osservazioni di risposta del Consiglio di Stato, gli intimati abbiano abusato dell'autorizzazione accordatagli, aprendo attraverso il bosco due strade di accesso alla darsena. L'abuso di un'autorizzazione non la vizia né può quindi condurre alla sua revoca. Incombe alla competente autorità disporre perché siano prese le misure atte a ripristinare uno stato di cose conforme al diritto. D'altra parte il Consiglio di Stato si è già dichiarato pronto a decretare simili provvedimenti.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è respinto. | public_law | nan | it | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
69c701ea-be26-4477-b1ed-22a245da97b2 | Urteilskopf
112 Ib 65
11. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 18 juin 1986 dans la cause X. contre Département fédéral de justice et police (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 21 und 49 BüG
. Wiedereinbürgerungsgesuch; vorgängige Suche nach der Abstammung von einem schweizerischen Vorfahren.
1. Erste Voraussetzung für eine Wiedereinbürgerung bildet das Bestehen des Schweizerbürgerrechts vor dessen Verwirkung. Dieses muss strikte nachgewiesen werden. Die Beweislast obliegt dem Gesuchsteller, dem die kantonale Verwaltungsbehörde jedoch entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben anzugeben hat, über welche Tatsachen genau er den Beweis zu erbringen hat (E. 2-5).
2. Der negative Entscheid der Behörde jenes Kantons, dessen Kantonsbürgerrecht in Frage steht (
Art. 49 BüG
), besitzt, einmal in Rechtskraft erwachsen, absolute Wirkung und nicht nur relative für das laufende Wiedereinbürgerungsverfahren (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 66
BGE 112 Ib 65 S. 66
X. est né le 19 juin 1952 à Bucarest. Devenu réfugié politique roumain résidant en Suisse depuis juin 1975, il a demandé la réintégration dans la nationalité suisse le 27 septembre 1979, en vertu de l'
art. 21 LN
, au Département fédéral de justice et police (DFJP), nationalité qu'auraient encore possédée son grand-père et son père.
Interpellé sur ce problème du droit de la famille, le Service fédéral de l'état civil est arrivé à la conclusion que la filiation du requérant n'était pas suffisamment établie. Dès le 7 août 1980, X. avait requis le Département de l'intérieur du canton de Zurich de constater sa nationalité suisse (
art. 49 LN
). La requête a été rejetée le 8 avril 1981. L'Office fédéral de la police (OFP) a de nouveau demandé l'avis de cette autorité, se fondant sur l'
art. 18 al. 2 LN
. Le Département cantonal de l'intérieur a maintenu sa décision. L'OFP en a avisé le requérant et lui a rappelé que les difficultés venaient en premier lieu d'une question d'identité et d'état civil; il lui a proposé de laisser le dossier en suspens jusqu'à ce que soit enfin constatée sa descendance d'ancêtres suisses par des inscriptions idoines dans les registres de sa commune d'origine, ce qui ne serait sans doute possible que par une action judiciaire en constatation d'état civil.
Le 11 septembre 1985, l'OFP a confirmé sa position définitive. A la demande du requérant, le DFJP a rendu, le 19 décembre 1985, une décision susceptible de recours. Il a refusé d'entrer en matière sur la requête de réintégration.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, X. a demandé au Tribunal fédéral de prononcer sa réintégration. Le recours a été rejeté.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
S'il avait acquis la nationalité suisse par filiation, le recourant l'a perdue par péremption le 19 juin 1974 (
art. 10 LN
). Il demande sa réintégration en vertu de l'
art. 21 LN
. Aux termes de cette disposition, peut être réintégré quiconque a omis, pour des raisons excusables, de s'annoncer ou de souscrire une déclaration comme l'exige l'art. 10 et a perdu, de ce fait, la nationalité suisse par péremption.
Si le Département jouit d'un certain pouvoir d'appréciation quant au caractère excusable des causes de l'omission et quant à la réintégration elle-même (arrêt non publié D, du 30 mai 1980, consid. 4),
BGE 112 Ib 65 S. 67
la condition première de la mesure, c'est l'existence de la nationalité suisse avant la péremption. Sur ce point fondamental, la preuve doit être stricte. Sans doute la jurisprudence admet-elle que la loi de 1952, après avoir battu en brèche la pérennité de la citoyenneté suisse, définit largement l'"annonce" au sens de l'
art. 10 al. 3 LN
et exclut toute rigueur en matière d'appréciation des preuves et des indices, car la perte de la nationalité suisse par péremption ne devrait intervenir que dans des cas extrêmes (arrêt non publié D, du 13 février 1980, consid. 2). Elle concède aussi que l'ignorance de la loi, à moins qu'elle ne soit fautive, peut constituer une raison excusable au sens de l'
art. 21 LN
(
ATF 105 Ib 156
/157 consid. 2,
ATF 101 Ib 121
ss). Mais ces aspects de la péremption et de la réintégration n'empêchent pas que le requérant doit d'abord avoir été citoyen suisse pour perdre, puis recouvrer cette nationalité.
3.
En matière administrative, les faits doivent en principe être établis d'office et, dans la mesure où l'on peut raisonnablement exiger de l'autorité qu'elle procède à cette recherche, les règles sur la répartition du fardeau de la preuve ne s'appliquent pas. Certes, les parties sont tenues de collaborer à la constatation des faits dans une procédure qu'elles introduisent elles-mêmes (
art. 13 al. 1 lettre a PA
), ce qui n'influence pas le fardeau de la preuve (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2e éd., p. 281). Mais le Département reconnaît que, hors le fait qu'il n'a pas ouvert une action civile d'état, le recourant a déployé avec ténacité de gros efforts pour éclaircir sa situation de famille, alors que les difficultés ne manquaient pas: ancienneté des faits, survenus dans un pays de l'Est dont le recourant est réfugié; manque de coopération du père en Suède; documents disparus dans un tremblement de terre qui aurait détruit sa maison paternelle le 4 mars 1977. Il n'en demeure pas moins que, lorsque les preuves font défaut, ou si l'on ne peut raisonnablement exiger de l'autorité qu'elle les recueille, la règle de l'
art. 8 CC
est applicable par analogie (
ATF 106 Ib 80
/81 et les références;
ATF 104 V 211
;
ATF 103 V 65
/66, consid. 2a; GYGI, op.cit., p. 280 ss; GRISEL, Traité de droit administratif, II p. 929/930; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5e éd., n. 2 B V c, p. 11). Pour les faits constitutifs d'un droit - donc la réintégration -, le fardeau de la preuve incombe au requérant (
ATF 106 Ib 75
ss consid. 5, 81). Ces principes doivent cependant s'appliquer conformément aux règles de la bonne foi. Ainsi, l'administration ne saurait faire supporter à l'administré les
BGE 112 Ib 65 S. 68
conséquences de la répartition du fardeau de la preuve, lorsque l'intéressé n'a aucune raison de savoir sur quel point particulier on attend de lui une preuve. Tel n'a pas été le cas en l'espèce: le Département a indiqué d'emblée, puis précisé en cours d'instruction, les preuves qu'il exigeait.
5.
(résumé) Si le père du recourant n'est pas un enfant légitime du citoyen zurichois indiqué par X., une reconnaissance avec suite d'état civil par le père présumé ou un jugement déclaratif de paternité étaient exclus selon le droit suisse alors en vigueur (art. 304 aCC). Une éventuelle reconnaissance à l'étranger n'aurait porté aucun effet en Suisse. Un lien de filiation illégitime n'aurait donc en aucun cas conféré la nationalité suisse au père du recourant.
Reste alors la seule hypothèse d'un mariage bigame du grand-père paternel, le cas échéant jusqu'à la majorité du père, survenue le 21 mai 1940 (
art. 1er al. 2 lettre a LN
). Le Département estime que la preuve n'en a pas été rapportée, faute d'un acte de mariage (
art. 28 OEC
et 9 CC).
Ainsi qu'on l'a vu, la preuve de la nationalité suisse antérieure doit être stricte. L'administration se départira d'autant moins de cette rigueur lorsque cette nationalité ne saurait résulter que d'une situation aussi exceptionnelle - et contraire au droit suisse - que la bigamie entre un Suisse et une Roumaine: les intéressés ne se trouvaient pas, en l'espèce, en pays musulmans ou en Afrique noire, par exemple, ou encore dans un pays très éloigné de la Suisse, en distance et par sa culture. Il existe certes des indices de bigamie, mais ils ne sont pas suffisants.
6.
Ainsi, les documents produits par le recourant ne sauraient fournir une preuve stricte du niveau d'un acte d'état civil.
a) Aux termes de l'
art. 49 LN
, en cas de doute sur la nationalité d'une personne, l'autorité du canton dont le droit de cité est en cause statue d'office ou sur demande; le Département fédéral de justice et police a également qualité pour présenter la demande.
En l'espèce, c'est le requérant à la réintégration qui a saisi la Direction de l'intérieur du canton de Zurich, le 7 août 1980 déjà. Cette autorité a jugé, le 8 avril 1981, que le recourant n'avait jamais possédé la citoyenneté de Zurich et Turbenthal ni, partant, la nationalité suisse; elle lui en avait déjà donné les raisons par lettre du 20 août 1980; à son avis, le citoyen zurichois indiqué par X. comme étant son grand-père paternel ne se trouvait même plus en Roumanie depuis 1915 et n'y serait plus retourné.
BGE 112 Ib 65 S. 69
Cette décision administrative, prise par l'autorité compétente, est définitive, n'ayant pas été attaquée, malgré l'indication de la voie de recours au Conseil d'Etat (cf. en outre l'art. 50 al. 1 ch. 2 lettre c LN). Elle a été rendue à titre principal, et non - comme jusqu'en 1940 (arrêtés gouvernementaux des 20 décembre 1940 et 11 novembre 1941) - à titre préjudiciel, pour le litige en cours uniquement. Une fois en force, elle a donc joui d'une autorité absolue, et non plus simplement relative à la procédure de réintégration en cours (AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, I p. 369/370 Nos 987 et 988; GRISEL, L'autorité des décisions prises au sujet du droit de cité, Mélanges G. Sauser-Hall, Neuchâtel 1952, p. 94 à 96;
ATF 75 I 287
consid. 2).
b) Quelle que soit la possibilité de réexaminer la décision négative du 8 avril 1981 (
ATF 75 I 287
ss consid. 3; AUBERT, op.cit., p. 370 No 988; GRISEL, op.cit., p. 94/95), la suite de l'instruction de la requête de réintégration n'a pas révélé des faits ou documents nouveaux qui, on l'a vu, auraient dû conduire le Département à constater que la preuve stricte de l'indigénat suisse initial était rapportée. Aussi bien la Direction cantonale zurichoise de l'intérieur n'avait-elle pas changé d'avis lorsqu'elle adressa une nouvelle prise de position au Département, à sa requête, le 21 juin 1985. C'est donc l'échec de la preuve rigoureuse exigée que le recourant doit supporter. | public_law | nan | fr | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
69ca7cdd-081d-4338-8561-c8678a2e6f14 | Urteilskopf
81 II 309
51. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Oktober 1955 i. S. Schwegler gegen Zollikofer und Streitgenossen. | Regeste
Berufung. Streitwertangabe (
Art. 55 Abs. 1 lit. a OG
). Inwiefern ist sie unentbehrlich? Elemente des Streitwertes einer Widerspruchs- und Anfechtungsklage.
"Unzulässige Berufung".
Art. 60 Abs. 1 lit. a OG
. | Sachverhalt
ab Seite 309
BGE 81 II 309 S. 309
A.-
In der für eine Forderung von Fr. 17'850.-- gegen Frau Zollikofer-Ruppert (die nun geschiedene Ehefrau von Dr. Zollikofer) gerichteten Betreibung Nr. 41086 Luzern erwirkte der Gläubiger Schwegler die Pfändung von neun im Gewahrsam des Dr. Zollikofer befindlichen Gegenständen.
BGE 81 II 309 S. 310
Dieser beanspruchte die Sachen für sich und die Kinder zu Eigentum. Schwegler bestritt den Anspruch, worauf ihm das Betreibungsamt gemäss
Art. 109 SchKG
Frist zur Widerspruchsklage setzte. Im nachfolgenden Prozess bezeichnete der Kläger die von der Schuldnerin vorgenommene Schenkung als ungültig, weil die Vormundschaftsbehörde ihr nicht gemäss
Art. 177 Abs. 2 ZGB
zugestimmt habe, und focht sie ferner im Sinne von
Art. 285 ff. SchKG
an. Das Bezirksgericht See wies die Klage gänzlich ab, das Kantonsgericht St. Gallen schützte sie inbezug auf das Pfändungsobjekt Nr. 1; hinsichtlich der übrigen Pfändungsobjekte wies es die Klage ab, soweit sie sich gegen die Kinder Zollikofer richtete, dagegen hiess es sie gegenüber dem Beklagten Dr. Zollikofer gut.
B.-
Gegen dieses Urteil vom 20. November 1954 legte der Kläger (neben einer kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde, die am 4. Juni 1955 abgewiesen wurde) Berufung an das Bundesgericht ein, mit folgenden Anträgen:
"1. Das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 20. November 1954 sei aufzuheben.
2. Die von den Beklagten geltend gemachten Eigentumsansprüche in der Betreibung Nr. 41 086 des Betreibungsamtes Luzern gegen Frau Julia Ruppert, St. Gallen, an den gepfändeten Gegenständen 1 - 9 It. Pfändungsurkunde vom 9.2.1954 (Schätzung Fr. 10'450.--) seien auf Grund der
Art. 285 ff. SchKG
, ev. 177 Abs. 2 und 646 ev. 652 ZGB in vollem Umfange und gegenüber sämtlichen Beklagten gerichtlich abzuerkennen und die Beklagten zu deren Aushingabe zwecks Verwertung zu verpflichten."
C.-
Die Beklagten trugen auf Abweisung der Berufung an und erklärten ferner Anschlussberufung mit dem Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage. ....
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Berufung ermangelt der in
Art. 55 Abs. 1 lit. a OG
vorgeschriebenen Streitwertangabe. Dieser Mangel macht die Berufung unwirksam (
BGE 71 II 252
). Allerdings könnte darüber hinweggesehen werden, wenn der übrige Inhalt der Berufungsschrift eindeutig erkennen liesse, wie
BGE 81 II 309 S. 311
hoch der Berufungskläger den Streitgegenstand wertet, oder das kantonale Urteil eine genaue Streitwertschätzung enthielte, die beim Fehlen abweichender Angaben als vom Berufungskläger anerkannt zu gelten hätte. Die erwähnte Formvorschrift so milde zu handhaben, wäre gerechtfertigt, entsprechend der neuern Rechtsprechung zu
Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
, wonach es genügt, wenn das Streitbegehren entweder aus der Berufungsbegründung oder aus dem angefochtenen Urteil ohne weiteres ersichtlich ist (
BGE 78 II 448
Erw. 1). Auch bei solcher Betrachtungsweise vermag aber die vorliegende Berufung die gesetzlichen Erfordernisse nicht zu erfüllen. Es handelt sich um eine Widerspruchs- und Anfechtungsklage, mit der ein betreibender Gläubiger für die Verwertung Sachen in Anspruch nimmt, indem er das von einem Dritten (dem Beklagten) behauptete Eigentum bestreitet und dessen Erwerb eventuell im Sinne von
Art. 285 ff. SchKG
anficht. Bei solchen Klagen ist das Streitinteresse nicht schlechthin dem Werte der streitigen Sachen gleich (die laut dem Berufungsantrag im vorliegenden Falle auf Fr. 10'450.-- geschätzt sind). Vielmehr ist das Streitinteresse ferner durch den Betrag der in Betreibung gesetzten Forderung des klagenden Gläubigers begrenzt (die sich allerdings laut der Berufungsbegründung auf Fr. 17'850.-- beläuft), und es ist endlich zu berücksichtigen, ob der Drittansprecher selbst mit einer Forderung an der Pfändung teilnimmt und deshalb das vom Kläger zu erwartende Betreffnis schmälert (
BGE 38 II 742
). Nun wird auf Seite 3 der Berufungsschrift ausgeführt, der Beklagte Dr. Zollikofer habe sich mit einer Forderung von Fr. 7550.-- der Pfändung angeschlossen. Man erfährt aber nicht, ob dieser gemäss
Art. 111 SchKG
erklärte Anschluss endgültig ist und daher im Sinne des angeführten Präjudizes in Betracht fällt. Wenn ja, wäre der Streitwert (sofern beide Forderungen in der gleichen Klasse zu kollozieren sein sollten) nur Fr. 7343.80, entsprechend dem nach dem erwähnten Schätzungswert für den Kläger zu erwartenden Betreffnis (während auf die Forderung des Beklagten
BGE 81 II 309 S. 312
Fr. 3106.20 entfielen). Unter Umständen, sofern nämlich die Schuldnerin an die Forderung des Klägers Abzahlungen geleistet haben sollte, wäre der Streitwert noch niedriger. Dafür liegt nun freilich nach den Ausführungen der Berufungsschrift nichts vor. Die blosse Ungewissheit darüber lässt jedoch den eben vom Berufungskläger nicht angegebenen Streitwert als unbestimmt erscheinen. Selbst wenn dieser übrigens nur entweder Fr. 10'450.-- oder aber Fr. 7343.80 betragen könnte, müsste der Zweifel darüber, welcher dieser beiden Beträge zutreffe, die vorliegende Berufung als formungültig erscheinen lassen, zumal im Hinblick auf
Art. 62 OG
, wonach es für das Berufungsverfahren von Bedeutung ist, ob der Streitwert den Betrag von Fr. 8000.-- erreicht oder nicht.
Auf eine nicht in gültiger Form eingelegte Berufung kann nicht eingetreten werden, sowenig wie auf eine von vornherein unzulässige. Sie ist daher als "unzulässig" im Sinne von
Art. 60 Abs. 1 lit. a OG
zu erachten (vgl. BIRCHMEIER, N. 2 hiezu), sodass bei der vorhandenen Einstimmigkeit ohne öffentliche Beratung auf Nichteintreten zu erkennen ist.
Bei diesem Schicksal der Berufung fällt die Anschlussberufung dahin (
Art. 59 Abs. 4 OG
).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten; die Anschlussberufung fällt infolgedessen dahin. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
69cde86b-fcd2-4406-a196-3f92520bad20 | Urteilskopf
136 III 497
71. Auszug aus der Verfügung der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Vormundschaftsrat des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_432/2010 vom 26. Juli 2010 | Regeste
Art. 397a und 397d ZGB
;
Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG
; fürsorgerische Freiheitsentziehung; Entlassung der Beschwerde führenden Person aus der psychiatrischen Anstalt während des vor Bundesgericht hängigen Beschwerdeverfahrens; aktuelles rechtlich geschütztes Interesse an der Behandlung der Beschwerde in Zivilsachen.
Mit der Entlassung der von einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung betroffenen Person aus der Anstalt fällt das aktuelle rechtlich geschützte Interesse an der Behandlung ihrer Beschwerde dahin. Ist auch kein virtuelles Interesse erstellt, so wird das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren als gegenstandslos abgeschrieben. Es erfolgt keine Prüfung der Frage, ob mit der Anordnung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung bzw. mit der Verweigerung der Entlassung des oder der Betroffenen aus der Anstalt Bestimmungen der EMRK verletzt worden sind (E. 1 und 2). | Sachverhalt
ab Seite 498
BGE 136 III 497 S. 498
A.
X., geboren 1966, leidet seit vielen Jahren an Zwangsvorstellungen. Sie hat Angst vor elektromagnetischen Übergriffen auf ihren Körper und begegnet ihrer Furcht vor Erkrankungen mit andauernden Hygienemassnahmen. (...)
B.
In der Annahme, sie leide an einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, verfügte der Vormundschaftsrat des Kantons Basel-Stadt am 12. März 2010 gestützt auf
Art. 397a Abs. 1 ZGB
die Einweisung von X. in die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK). In den Erwägungen dieses Entscheids wurden die UPK und die Vormundschaftsbehörde beauftragt, bis zum 30. September 2010 ein Gutachten darüber zu erstellen, wo X. untergebracht werden könne und wie weiter vorzugehen sei. X. gelangte gegen die Einweisung am 18. März 2010 an das Appellationsgericht Basel-Stadt mit dem Begehren, den Entscheid des Vormundschaftsrates aufzuheben. (...) Mit Urteil vom 20. April 2010 gab das Appellationsgericht dem Rekurs von X. nicht statt.
C.
Dagegen hat X. beim Bundesgericht mit einem am 7. Juni 2010 der Post übergebenen Schriftsatz Beschwerde in Zivilsachen erhoben mit den Anträgen, das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben (...) und die UPK superprovisorisch anzuweisen, sie sofort zu entlassen. (...)
In seiner Stellungnahme vom 9. Juni 2010 weist der Vormundschaftsrat darauf hin, dass die Explorationen der Beschwerdeführerin abgeschlossen sind und diese am Vormittag des 9. Juni 2010 aus den UPK entlassen worden ist. (...)
(...)
E.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2010 wurde die Beschwerdeführerin darum ersucht, zur beabsichtigten Abschreibung des
BGE 136 III 497 S. 499
bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens zufolge Gegenstandslosigkeit und zur Kostenverlegung Stellung zu nehmen. Dieser Aufforderung kam sie am 25. Juni 2010 nach. Das Bundesgericht schreibt das Verfahren als gegenstandslos ab.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Nach der Praxis der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts setzt die Beschwerde in Zivilsachen gegen den letztinstanzlichen Entscheid betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung ein aktuelles rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides voraus, welches nicht mehr gegeben ist, wenn die betroffene Person aus der fürsorgerischen Freiheitsentziehung entlassen worden ist (
Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG
; Urteile 5C.3/1997 vom 20. Januar 1997 E. 2 und 5C.11/2003 vom 22. Januar 2003 E. 1.2). Die Rechtsprechung verzichtet aber auf das Erfordernis des aktuellen und fortdauernden praktischen Interesses, wenn sich die gerügte Rechtsverletzung jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (sog. virtuelles Interesse; Urteile 5C.11/2003 vom 22. Januar 2003 E. 1.2 und 5C.3/1997 vom 20. Januar 1997 E. 2b mit Hinweis auf
BGE 111 Ib 56
E. 2b S. 59;
BGE 107 Ib 391
E. 1 S. 392;
BGE 106 Ib 109
E. 1b S. 112).
1.2
Die Beschwerdeführerin ist am 9. Juni 2010 nach Abschluss der Explorationen aus den UPK entlassen worden, womit kein aktuelles Interesse an der Überprüfung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung besteht. Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, in ihrem Fall seien bereits mehrmals kurzfristige Freiheitsentziehungen angeordnet worden, die nie rechtzeitig auf ihre Vereinbarkeit mit
Art. 397a Abs. 1 ZGB
, Art. 5 Ziff. 1 lit. e bzw.
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
hätten überprüft werden können. Auch beruft sie sich nicht darauf, dass eine entsprechende Gefahr in ihrem Fall konkret besteht. Unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Camenzind gegen Schweiz
vom 16. Dezember 1997 (
Recueil CourEDH 1997-VIII S. 2880
) lässt sie ausführen, die Aktualität des Rechtsschutzinteresses solle nicht verneint werden, soweit EMRK-Garantien infrage stehen, deren Verletzung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geltend gemacht werden können.
BGE 136 III 497 S. 500
2.
2.1
Fehlt es am aktuellen praktischen Interesse und ist auch kein virtuelles Interesse auszumachen, wird die Beschwerde in Anwendung von
Art. 32 Abs. 2 BGG
im Verfahren nach
Art. 108 BGG
durch die Präsidentin bzw. den Präsidenten der Abteilung als gegenstandslos abgeschrieben, soweit der rechtliche Nachteil des angefochtenen Entscheides nach Einreichung der Beschwerde weggefallen ist (Verfügung 5A_20/2007 vom 1. März 2007). Ist der Nachteil hingegen bereits bei Einreichung der Beschwerde nicht gegeben, wird auf die Beschwerde nicht eingetreten (z.B. Urteil 5A_470/2009 vom 14. Juli 2009; zur Unterscheidung zwischen Nichteintreten und Gegenstandslosigkeit:
BGE 118 Ia 488
E. 1a). In diesen Fällen wird der Betroffene für eine Feststellung der Widerrechtlichkeit der angeordneten Freiheitsentziehung auf die Verantwortlichkeitsklage nach
Art. 429a ZGB
verwiesen.
2.2
Eine der II. zivilrechtlichen Abteilung entsprechende Praxis verfolgt grundsätzlich auch die I. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts bei der Beurteilung öffentlich-rechtlicher Beschwerden gegen Entscheide betreffend Untersuchungshaft. So wird ein aktuelles rechtlich geschütztes Interesse nach Beendigung der Haft verneint. Trotzdem werden aber bestimmte Rügen unter besonderen Umständen behandelt (statt vieler
BGE 125 I 384
E. 5 S. 404). In
BGE 136 I 274
E. 1.3 hat die I. öffentlich-rechtliche Abteilung solche Umstände bejaht, wenn eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention offensichtlich ist und dem Beschwerdeführer durch eine entsprechende Feststellung im Dispositiv des Urteils und eine für ihn vorteilhafte Kostenregelung sogleich die verlangte Wiedergutmachung verschafft werden kann. Bevor abgeklärt wird, ob entsprechende Umstände (offensichtliche Verletzung der EMRK) im vorliegenden Fall gegeben sind, ist zu prüfen, ob diese neue Praxis für den Bereich der fürsorgerischen Freiheitsentziehung im Grundsatz übernommen werden soll. Wird nämlich dieser Praxis gefolgt, dürften nach Entlassung der betroffenen Person kaum mehr Verfahren nach
Art. 108 BGG
möglich sein.
2.3
Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung hat im besagten Entscheid die Befürchtung geäussert, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte könnte im Fall einer Beschwerde erkennen, der Beschwerdeführer habe im nationalen Verfahren über keine wirksame Beschwerde im Sinn von
Art. 13 EMRK
zur Geltendmachung einer Verletzung von
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
verfügt. Zur Begründung dieser
BGE 136 III 497 S. 501
Befürchtung hat sie auf das Urteil
Camenzind
verwiesen. Im besagten Fall war das Bundesgericht auf die vom Betroffenen bei ihm gegen eine Hausdurchsuchung eingereichte Beschwerde mangels aktuellen praktischen Interesses nicht eingetreten, da die Hausdurchsuchung abgeschlossen war. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs stand dem Beschwerdeführer damit keine wirksame Beschwerde nach
Art. 13 EMRK
zur Geltendmachung der gerügten EMRK-Verletzungen zur Verfügung. Dabei erachtete er den Einwand der Schweiz als nicht massgeblich, der Beschwerdeführer hätte seine Rügen der Verletzung der EMRK insbesondere in einem Entschädigungsverfahren nach
Art. 99 VStrR
(SR 313.0) geltend machen können (siehe dazu insb. die §§ 51 ff. des zitierten Urteils).
2.4
Im Bereich der fürsorgerischen Freiheitsentziehung erweisen sich solche Befürchtungen als unbegründet: Nach
Art. 429a ZGB
hat derjenige, der durch eine widerrechtliche Freiheitsentziehung verletzt wird, Anspruch auf Schadenersatz und, wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, auf Genugtuung. Auch in diesem Verantwortlichkeitsprozess ist die Feststellung der Widerrechtlichkeit als "eine andere Art der Genugtuung" möglich und zulässig (
BGE 118 II 254
Nr. 52). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellt die Klage nach
Art. 429a ZGB
eine wirksame Beschwerde im Sinn von
Art. 13 EMRK
zur Überprüfung der Einhaltung von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
dar. Überdies genügt sie den Anforderungen von
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
(Anspruch auf Schadenersatz) (Urteil
A.B.
gegen
Schweiz
vom 6. April 2000, Zusammenfassung in: VPB 64/2000 Nr. 134 S. 1323). Stellt aber die Klage nach
Art. 429a ZGB
eine wirksame Beschwerde zur Geltendmachung von EMRK-Verletzungen und zur Durchsetzung daraus resultierender Schadenersatzansprüche dar, besteht für die II. zivilrechtliche Abteilung keine Veranlassung, ihre bisherige Praxis bei Entlassung der betroffenen Person aus der fürsorgerischen Freiheitsentziehung aufzugeben und sich der Rechtsprechung der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung anzuschliessen. Damit kann offenbleiben, ob
BGE 136 I 274
überhaupt auf den vorliegenden Fall anwendbar wäre (Offensichtlichkeit der EMRK-Verletzung) und ob mangels ausdrücklichen Antrages seitens der anwaltlich verbeiständeten Beschwerdeführerin überhaupt auf Feststellung einer EMRK-Verletzung erkannt werden könnte. | null | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
69ce5961-01c6-4e6c-b65e-684ac9c4e8b0 | Urteilskopf
111 II 76
18. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 30 avril 1985 dans la cause United Overseas Bank S.A. contre Petroship International S.A. et autres (recours en réforme) | Regeste
Dokumenten-Akkreditiv. Widerrechtliches Verhalten des Akkreditiv-Auftraggebers.
Ist bei einem internationalen Kaufgechäft die Bezahlung des Kaufpreises durch ein Dokumenten-Akkreditiv gesichert und hindert der Akkreditiv-Auftraggeber die eröffnende Bank auf widerrechtliche Weise an der Verfügung über die Ware oder die nach Akkreditiv vorgeschriebenen Dokumente, so hat er die Bank aufgrund seiner Verpflichtungen aus dem Aufrag zu entschädigen. | Sachverhalt
ab Seite 77
BGE 111 II 76 S. 77
En octobre 1980, Petroship International S.A. à Panama (ci-après Petroship) a acheté à Petchem Company Ltd à Hong Kong (ci-après: Petchem) 300'000 barils de pétrole "high speed", le paiement du prix devant être couvert par un accréditif documentaire.
Sur ordre de Petroship, United Overseas Bank S.A. à Genève (ci-après: UOB) a, le 14 octobre 1980, ouvert un accréditif, irrévocable et transférable, à l'intention de Chartered Bank à Hong Kong, qui l'a confirmé le lendemain.
L'une des clauses de l'accréditif prévoyait que le chargement se ferait en deux envois d'environ 150'000 barils chacun, le premier entre le 14 et le 25 octobre 1980, le second le 10 novembre 1980 au plus tard, tous deux par un navire qui serait indiqué par le donneur d'ordre directement au bénéficiaire.
Petroship donna pour instruction à UOB, par divers télex ultérieurs, d'apporter plusieurs amendements à l'accréditif précité; figurait au nombre de ceux-ci la désignation du navire "British Fidelity", sur lequel devrait se faire la première cargaison. UOB répercuta ces demandes d'amendements sur Chartered Bank.
Sans qu'il soit établi qu'elle connût la désignation, par Petroship, du navire "British Fidelity", Petchem a fait embarquer, le 19 octobre 1980, le pétrole à Singapour sur le navire "Cys Mariner". Tout en protestant contre cette décision et affirmant que le contrat de vente avait été valablement annulé par elle, faute d'exécution conforme par Petchem, Petroship a pris livraison de la marchandise - à un lieu et à un moment non déterminés - et l'a revendue en Turquie. Petroship a agi ainsi sans avoir acquis le droit à la marchandise, chargée contre remise d'un connaissement, et sans l'autorisation du possesseur du connaissement, soit d'UOB.
Le 30 octobre 1980, Interpetrol a présenté à UOB les documents utiles au paiement de l'accréditif. Ces documents portent tous le nom du navire "Cys Mariner". Les considérant néanmoins comme
BGE 111 II 76 S. 78
conformes, UOB a accepté de payer le montant réclamé, soit US$ 6'143'686.--, somme dont elle fut remboursée par Chartered Bank le lendemain auprès de Bankamerica International. Le 5 novembre 1980, Chartered Bank a accepté à son tour de négocier les mêmes documents en faveur de Petchem, laquelle a substitué ses propres factures au montant de US$ 6'405'916.50. Le même jour, UOB fut débitée de ce montant auprès de Bankamerica International.
Invitée par UOB à lui rembourser ce dernier montant, Petroship s'y est refusée. Elle estime avoir subi un préjudice important du fait que la banque a accepté des documents non conformes à l'accréditif et elle n'a, en deux versements, remboursé à UOB que US$ 3'893'015.23, pour solde de compte selon elle.
UOB a assigné en paiement Petroship ainsi que d'autres personnes concernées par cette affaire. Elle a requis que les défendeurs soient solidairement condamnés à lui payer Fr. 6'992'367.22 avec intérêts; ensuite, elle a modifié ses conclusions, demandant le paiement d'une somme de US$ 3'222'289.04, plus intérêts.
Par jugement du 9 juin 1983, le Tribunal de première instance du canton de Genève a condamné Petroship à payer à UOB Fr. 5'452'995.60 avec intérêts; il a rejeté la demande contre Petroship pour le surplus, ainsi que les demandes dirigées contre les autres défendeurs.
Statuant le 2 novembre 1984, sur appel de toutes les parties, la Cour de justice du canton de Genève a intégralement rejeté la demande.
Contre cet arrêt, UOB interjette un recours en réforme devant le Tribunal fédéral, en reprenant ses dernières conclusions.
Erwägungen
Extrait des motifs:
3.
a) Pour ce qui est tout d'abord de la demande dirigée contre Petroship, la lettre d'ouverture du crédit documentaire No 800'595 se réfère expressément aux Règles et usances uniformes relatives aux crédits documentaires commerciaux, revision de 1974, codifiées par la Chambre de commerce internationale (ci-après: RUU). Petroship n'a manifesté d'aucune manière son désaccord, de sorte qu'elle a tacitement admis comme étant une clause contractuelle cette référence à des conditions générales établies par une association professionnelle (
ATF 100 II 149
). Rien
BGE 111 II 76 S. 79
ne s'oppose en soi à l'inclusion de telles conditions générales dans un contrat, dont l'applicabilité au présent cas d'espèce n'est du reste pas remise en cause. Par ailleurs, Petroship s'est également soumise aux clauses générales de la banque, devenues également ainsi clauses contractuelles.
b) Quoique tenant le contrat de vente pour annulé, Petroship s'est emparée sans droit de la marchandise qui lui était destinée, sans être en possession du connaissement ni avoir obtenu l'autorisation d'UOB qui le détenait. La cour cantonale et la recourante se sont peu attachées à la portée juridique de ce fait. Pour la première, ce serait seulement une cause d'enrichissement illégitime (
art. 62 CO
); pour la seconde, ce serait là une violation positive du contrat selon l'
art. 97 CO
et un acte illicite selon l'
art. 41 CO
obligeant Petroship à payer des dommages-intérêts en réparation du dommage causé. De son côté, l'intimée se défend d'avoir voulu de la sorte confirmer la vente, prétendant qu'elle n'a agi ainsi que pour limiter le dommage, dans son intérêt et dans celui de la recourante. S'agissant là d'une question de droit, celle-ci doit être examinée d'office par le Tribunal fédéral (
art. 63 OJ
).
aa) Le comportement de l'acheteur, soit du donneur d'ordre, doit être jugé au regard de la fonction des ventes internationales avec paiement du prix au moyen de crédits documentaires. A cet égard, il est sans pertinence de savoir si Petroship a ou non ratifié le contrat de vente en s'emparant sans droit de la marchandise. Il ne s'agit, en effet, pas ici de déterminer l'incidence qu'a pu avoir un tel comportement sur le rapport de base, notamment sur la régularité de la livraison, mais uniquement ses conséquences quant aux rapports juridiques liés à l'accréditif.
bb) Dans les relations entre banques, d'une part, et entre bénéficiaire et banque, d'autre part, le Tribunal fédéral a jugé que la banque qui refuse de payer le montant demandé de l'accréditif ne peut ni conserver les documents, ni disposer de la marchandise. Si elle conserve notamment le connaissement ou dispose de la marchandise, elle est obligée de payer le montant intégral de l'accréditif; en effet, tout comportement de la banque émettrice qui prive le bénéficiaire ou la banque remettante du pouvoir de disposer de la marchandise doit produire les mêmes effets qu'une acceptation sans réserve des documents (
ATF 104 II 278
,
ATF 90 II 307
/8). Ces principes ne peuvent qu'être confirmés (cf. également EISEMANN-EBERTH, Das Dokumenten-Akkreditiv, 2e éd., p. 162/3, ZAHN, Zahlungs- und Zahlungssicherung im Aussenhandel, 5e éd., p. 145/6, CANARIS, in HGB, Grosskommentar, vol. III/2, 3e éd., p. 785 n. 401, REICHWEIN, RSJ 1965, p. 56, SCHÖNLE, RSJ 1983, p. 55 n. 19).
BGE 111 II 76 S. 80
cc) Il y a lieu d'examiner si la même règle vaut également dans les rapports entre la banque émettrice et son mandant, le donneur d'ordre. A cet égard, la banque intervient en faveur de son mandant selon le même système, destiné à remplacer le paiement comptant dans les ventes internationales à distance, où les titres représentatifs de la marchandise sont remis contre paiement du prix (
ATF 100 II 150
,
ATF 78 II 52
). Ainsi la banque émettrice, ayant reçu les documents de la banque remettante et payé le montant de l'accréditif après contrôle desdits documents, ne se défera de ceux-ci en faveur de son mandant que contre paiement du prix, sauf convention contraire (cf. ZAHN, op.cit., p. 173 ss, 184 ss, HARTMANN, Der Akkreditiv-Eröffnungsauftrag, thèse Zurich 1974, p. 107 ss). Si donc le mandant s'empare, de façon illicite, des titres ou de la marchandise, il met la banque dans l'incapacité de faire valoir ses droits de disposition sur la marchandise; aussi ne saurait-il, sans violer gravement les règles de la bonne foi, contester son obligation de rembourser la banque (cf. aussi HARTMANN, op.cit., p. 110 n. 18).
On relèvera du reste que, à l'instar du rapport contractuel existant entre la banque émettrice et la banque remettante, le donneur d'ordre (accréditeur) est lié à la banque émettrice par un contrat de mandat (
ATF 78 II 50
/51 consid. 4); rien ne s'oppose à ce que, sur ce point, l'on soumette aux mêmes règles l'exécution de l'un et de l'autre de ces mandats. Sans doute la règle prévue à l'art. 8 lettre f RUU vise-t-elle expressément les relations entre la banque émettrice et la banque remettante. Le Tribunal fédéral a, cependant, rappelé dans l'arrêt précité (
ATF 104 II 278
/9) que c'était là l'expression d'un principe général, dont le bénéficiaire de l'accréditif pouvait également se prévaloir à l'encontre de la banque émettrice; on ne voit pas pourquoi il devrait en aller autrement dans les rapports entre la banque émettrice et le donneur d'ordre.
c) Pour ce motif déjà, l'action de la banque est donc fondée dans son principe.
Il n'est dès lors pas nécessaire à la solution du présent litige d'examiner la nature et la portée exactes de la clause relative à la désignation par le donneur d'ordre du navire transporteur qui figurait dans l'accréditif et de déterminer s'il s'agissait là d'une
BGE 111 II 76 S. 81
condition de l'accréditif lui-même, comme l'a jugé la cour cantonale, ou au contraire d'une condition ressortissant exclusivement au rapport de base entre acheteur et vendeur. | public_law | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
69d2508d-6ce6-49e6-bb01-9769c8991a60 | Urteilskopf
89 I 366
53. Arrêt du 25 septembre 1963 dans la cause von Roten contre Conseil d'Etat du canton de Vaud. | Regeste
Art. 4 und 33 BV
, 5 Ueb. Best. der BV. Handels- und Gewerbefreiheit; Freizügigkeit für wissenschaftliche Berufe; Rechtsgleichheit.
In Basel niedergelassener Anwalt, der die Bewilligung zur ständigen Berufsausübung im Kanton Waadt besitzt und von diesem Vertretungen im Armenrecht zugewiesen erhält. Weigerung dieses Kantons, ihm im Falle von Reisen zu Gerichtsverhandlungen in diesen Armenrechtssachen die Reisekosten von Basel bis zur waadtländischen Grenze zu ersetzen, während die im Kanton Waadt niedergelassenen Anwälte in solchen Sachen grundsätzlich für alle Reisekosten entschädigt werden. Rechtsungleiche Behandlung, die mit der für freie Berufe gewährleisteten Freizügigkeit unvereinbar ist. | Sachverhalt
ab Seite 366
BGE 89 I 366 S. 366
A.-
La profession d'avocat est régie dans le canton de Vaud par une loi du 22 novembre 1944 sur le barreau
BGE 89 I 366 S. 367
(LB). Nul ne peut exercer cette profession dans le canton sans être inscrit sur un tableau des avocats, dressé et tenu à jour par le Tribunal cantonal (art. 6 LB). L'avocat établi dans un autre canton peut plaider des causes déterminées devant les juridictions vaudoises à condition d'en avoir obtenu du Tribunal cantonal l'autorisation spéciale (art. 14 LB). S'il désire être admis à pratiquer plus régulièrement dans le canton, il doit se faire inscrire au tableau des avocats (art. 13 LB). Les avocats inscrits au tableau sont tenus de plaider à tour de rôle les causes de parties bénéficiant de l'assistance judiciaire (art. 31 LB). Conformément à l'art. 14 de la loi vaudoise du 2 décembre 1947 sur l'assistance judiciaire gratuite en matière civile (LAJ), le Tribunal cantonal désigne les avocats d'office à tour de rôle. Ceux-ci ont droit notamment à des indemnités de transport (art. 16 LAJ). L'art. 22 de l'arrêté du Conseil d'Etat vaudois du 6 décembre 1958 sur les déplacements en matière judiciaire (ADMJ) dispose en particulier: "Les avocats... désignés d'office... reçoivent pour toute audience hors du chef-lieu du district dans lequel ils pratiquent habituellement... une indemnité de transport de 30 centimes par kilomètre, dès leur lieu de travail habituel".
B.-
Peter von Roten est titulaire d'un brevet d'avocat valaisan. Il pratique le barreau à Bâle. Le 8 juin 1954, il a été inscrit sur le tableau des avocats vaudois. Depuis lors, il n'a jamais plaidé devant les juridictions vaudoises pour un client qui l'aurait librement consulté. En revanche, de 1955 à ce jour, il a été désigné comme avocat d'office dans dix-huit procès.
L'un de ces procès avait pour objet le divorce des époux Comte-Taddei. Il a pris fin par un jugement du Tribunal du district de Vevey, du 31 mai 1961. Le 3 février 1962, von Roten a présenté sa liste de frais au greffier de ce tribunal. Pour ses déplacements jusqu'au lieu des diverses audiences, notamment à Vevey, il avait calculé les indemnités de transport à partir de Bâle. Le greffier
BGE 89 I 366 S. 368
ne lui a accordé une indemnité que depuis Avenches, chef-lieu du district situé le plus au nord du canton et, par conséquent, le plus près de Bâle. Le Département de justice et police du canton de Vaud a confirmé cette décision. Le 7 mai 1963, le Conseil d'Etat vaudois a rejeté (sauf sur un point qui n'est plus litigieux ici) un recours que von Roten lui avait adressé. Dans le silence de la loi, a-t-il dit, l'avocat étranger au canton est réputé avoir son étude dans le district le plus rapproché du lieu où il réside dans son propre canton; "il ne serait en effet pas admissible que la défense d'office d'un justiciable entraîne des frais trois à quatre fois plus élevés pour le seul motif que l'avocat désigné n'a pas d'étude permanente dans le canton".
C.-
Agissant par la voie du recours de droit public, von Roten requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision du Conseil d'Etat et d'inviter ce dernier à lui rembourser, dans les causes d'office, tous ses frais de voyage et non pas seulement ceux correspondant au parcours effectué sur territoire vaudois. Il se plaint d'une violation des art. 4 Cst. et 5 disp. trans. Cst.
Le Conseil d'Etat conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Comme juridiction constitutionnelle, le Tribunal fédéral ne peut en principe qu'annuler les décisions cantonales contraires à la constitution. Dans la mesure où les conclusions du recourant excèdent ce pouvoir, elles sont irrecevables (RO 87 I 445, consid. 2, et les arrêts cités).
2.
Selon la jurisprudence, l'avocat qui a reçu l'autorisation générale de pratiquer dans un canton dont il ne possède pas le brevet peut être tenu d'y assumer des défenses d'office en matière civile ou pénale. Peu importe à cet égard qu'il y pratique effectivement d'une manière habituelle ou non (RO 80 I 154 et les arrêts cités). Il lui appartient de choisir, entre l'autorisation spéciale et l'autorisation générale (cf. RO 80 I 151, consid. 2), celle
BGE 89 I 366 S. 369
qui lui convient le mieux, compte tenu de la charge attachée à l'autorisation générale et concernant les causes d'office. S'il ne pratique pas habituellement dans le canton ou qu'il craigne d'être chargé d'un trop grand nombre de ces procès, il a généralement avantage à ne demander que des autorisations spéciales de cas en cas. Supposé que celles-ci lui soient refusées ou qu'elles soient soumises à des conditions inadmissibles au regard de la constitution ou de la jurisprudence, par exemple à des émoluments excessifs (cf. RO 75 I 116/117) ou à des formalités constituant de pures chicanes, il a toujours la faculté de saisir le Tribunal fédéral de la question par un recours de droit public fondé sur les art. 33 et 5 disp. trans. Cst. Toutefois, lorsqu'il choisit, comme il est libre de le faire (RO 80 I 152), l'autorisation générale, il ne saurait, pour ce qui concerne les défenses d'office, être soumis à un régime plus sévère que les avocats du canton. Sinon il pourrait se plaindre d'une inégalité de traitement propre à porter atteinte au droit de "libre passage" (RO 67 I 335) que lui garantit l'art. 5 disp. trans. Cst.
3.
En l'espèce, le litige ne porte que sur le calcul des indemnités dues à l'avocat d'office en vertu de l'art. 22 ADMJ pour son transport aux audiences. D'après cette disposition, l'indemnité est payable uniquement lorsque l'audience est tenue hors du chef-lieu du district où l'avocat pratique habituellement. Elle est alors calculée dès le lieu de travail habituel. Le Conseil d'Etat détermine cet endroit d'une manière différente selon que l'avocat exerce le barreau sur le territoire cantonal ou en dehors. Dans le premier cas, il tient compte du domicile professionnel effectif; dans le second, il considère, par une fiction, que l'avocat a son étude à l'intérieur du district vaudois le plus rapproché de l'endroit où il réside en son propre canton.
Les conséquences de l'interprétation que le Conseil d'Etat donne à l'art. 22 ADMJ sont les suivantes: quand le procès d'office n'est pas plaidé au chef-lieu du district
BGE 89 I 366 S. 370
où se trouve le domicile professionnel réel ou fictif, l'avocat qui pratique dans le canton reçoit une indemnité complète, tandis que l'avocat étranger supporte ses frais de transport jusqu'à la frontière vaudoise et n'a droit ainsi qu'à une indemnité partielle; lorsque la cause est plaidée à ce chef-lieu, l'avocat qui pratique dans le district ne peut prétendre à une indemnité; mais généralement il n'a pas de frais non plus car il possède son étude au cheflieu; en revanche, l'avocat étranger a des frais de transport; il ne saurait néanmoins réclamer d'indemnité.
Comme les autres indemnités allouées à l'avocat d'office ne varient pas selon que ce dernier pratique dans le canton ou non, les frais qui, en fin de compte, restent à la charge de l'avocat résidant hors du canton peuvent être beaucoup plus élevés que ceux supportés par l'avocat exerçant sa profession sur territoire vaudois. Ils le sont notamment dans le cas particulier, où le domicile professionnel du recourant est relativement éloigné du district vaudois le plus proche. En ce qui concerne les défenses d'office, von Roten est dès lors soumis à un régime nettement plus sévère que les avocats vaudois. La lourde charge qui pèse sur lui en raison des frais de transport importants qu'il doit débourser porte atteinte à son droit de "libre passage".
Certes, le Tribunal fédéral a jugé qu'il appartient à l'avocat d'office de faire en sorte que son établissement hors du canton ne charge pas son client de frais supplémentaires et excessifs (RO 80 I 155, no 25). Toutefois, le Conseil d'Etat ne saurait en tirer argument et faire valoir que les indemnités de transport risquent d'être réclamées en définitive au client assisté d'office et de constituer pour lui la charge trop lourde interdite par la jurisprudence. En effet, les plaideurs dont le recourant a dû s'occuper d'office habitaient en très grande majorité Bâle, les environs de cette ville ou des localités qui en étaient plus proches que du canton de Vaud. A supposer qu'ils aient dû rembourser à l'Etat les indemnités de transport payées au recourant, ils ont eu en revanche,
BGE 89 I 366 S. 371
pour conférer avec lui, des frais beaucoup moins élevés que s'il avait possédé son étude sur territoire vaudois. Le fait que leur procès a été confié à un avocat pratiquant à Bâle ne leur a donc pas causé de frais supplémentaires et excessifs.
Contraire à la constitution, la décision attaquée ne saurait être maintenue.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
Admet le recours en tant qu'il est recevable et annule la décision attaquée. | public_law | nan | fr | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
69d96227-6ec9-4a31-b222-991e0195254c | Urteilskopf
109 II 34
10. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 15 février 1983 dans la cause Rey-Bellet S.A. contre Berrut (recours en réforme) | Regeste
Geometervertrag;
Art. 363 ff. OR
. Begriff des Werks. Verjährung.
1. Gegenstand des Werkvertrags kann ein körperliches oder ein unkörperliches Werk sein (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 3b).
Die Vereinbarung, mit der sich ein Geometer verpflichtet, ein Grundstück zu vermessen und die Messwerte in einen Situationsplan einzutragen, untersteht den Regeln des Werkvertrags (E. 3c).
2. Die spezielle Verjährung von fünf Jahren gemäss
Art. 371 Abs. 2 OR
ist auf die Haftung des Geometers nicht anwendbar, da der Vertrag nicht die Ausführung des unbeweglichen Bauwerks selber zum Gegenstand hat (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 35
BGE 109 II 34 S. 35
A.-
L'architecte Berrut a demandé, en 1970, à Georges Rey-Bellet, géomètre officiel à Monthey, d'établir le nivellement des profils en travers sur une parcelle destinée à la construction, précisant qu'il voulait "quelque chose en vitesse". Il lui remit pour cela un plan de situation, sur lequel le géomètre reporta le nivellement effectué par ses soins.
Une erreur s'est toutefois glissée dans le report sur plan. Il en est résulté, dans les profils établis sur la base de ces mensurations, des pentes moins fortes qu'en réalité; aux points extrêmes, l'insuffisance de hauteur par rapport à la réalité était de 4,60 m pour le profil A, 4,40 m pour le profil B, et 0,50 m pour le profil C. Personne ne s'est alors rendu compte de cette erreur, laquelle n'est apparue à l'architecte et aux promoteurs qu'en octobre 1975. Elle exigea une modification des plans de construction, des fouilles en pleine masse plus importantes que si le profil établi avait été conforme à la réalité, ainsi que la construction de deux murs de soutènement.
B.-
Les droits de la société immobilière Courteraya S.A., propriétaire de la parcelle en cause, ont été cédés à Berrut. De son côté, la société Georges Rey-Bellet S.A. a repris les droits et obligations de Georges Rey-Bellet. Par demande du 6 juillet 1978, Berrut a conclu à ce que Georges Rey-Bellet S.A. soit condamnée à lui payer, principalement 197'640 fr. 40 avec intérêt à 5% dès le 1er mai 1976 sur 116'574 fr. 95 et dès le jugement sur le solde, subsidiairement 116'879 fr. 75 avec intérêt à 5% dès le 1er mai 1976,
BGE 109 II 34 S. 36
avec la constatation pour le surplus de la responsabilité de la défenderesse pour 81'065 fr. 45 au minimum.
Par jugement du 28 janvier 1982, le Tribunal cantonal du canton du Valais a admis la demande à concurrence de 31'308 francs avec intérêt à 5% dès le 1er mars 1977 et 40'990 francs, avec intérêt à 5% dès le jugement.
C.-
Georges Rey-Bellet S.A. interjette un recours en réforme contre ce jugement, concluant principalement au rejet de la demande et demandant subsidiairement la fixation d'"une nouvelle répartition des responsabilités" avec renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour la détermination du dommage futur.
Le demandeur propose le rejet du recours.
Erwägungen
Extrait des motifs:
1.
L'autorité cantonale considère que les parties ont été liées par un contrat de mandat, se référant à cet égard, par analogie, à la jurisprudence du Tribunal fédéral à propos du contrat d'architecte. La recourante conteste ce point de vue. Elle fait valoir que le contrat passé avec le demandeur est un contrat d'entreprise, soumis aux exigences de la vérification et de l'avis des défauts de la chose (
art. 367 CO
) et que dès lors la prescription de l'action fondée sur lesdits défauts est en l'occurrence, conformément aux
art. 371 al. 1 et 210 CO
, d'un an dès la réception de l'ouvrage. Elle soutient en outre avoir valablement invoqué ces moyens, notamment la prescription, devant l'autorité cantonale, laquelle n'aurait pas été amenée à les examiner en raison de la qualification juridique erronée donnée au contrat.
3.
a) Dans le contrat d'entreprise, l'entrepreneur s'oblige à exécuter un ouvrage dont le maître s'engage à payer le prix (
art. 363 CO
). En revanche, dans le mandat, le mandataire s'oblige à gérer l'affaire dont il est chargé ou à rendre les services qu'il a promis, contre une rémunération lorsque la convention ou l'usage en assure une (
art. 394 al. 1 et 3 CO
); en outre, les règles du mandat s'appliquent aux travaux qui ne sont pas soumis aux dispositions légales régissant d'autres contrats (
art. 394 al. 2 CO
). Ainsi, le propre du contrat d'entreprise est que l'entrepreneur promet un ouvrage - soit le résultat d'une activité -, alors que, selon les caractéristiques du mandat, le mandataire s'engage seulement à gérer une affaire ou rendre des services en vue d'un résultat qui n'est pas garanti.
BGE 109 II 34 S. 37
b) Dans sa jurisprudence antérieure (cf.
ATF 63 II 179
), le Tribunal fédéral considérait que le contrat d'architecte relevait du contrat d'entreprise quand il avait pour objet la fourniture d'esquisses, de projets de construction, de plans d'exécution ou de détails, tandis que pour le reste il relevait du mandat. Dans l'arrêt Sauter (
ATF 98 II 305
ss), le Tribunal fédéral a modifié sa jurisprudence en soumettant sans réserve le contrat d'architecte aux règles du mandat. Il s'est appuyé pour cela notamment sur l'opinion de GAUTSCHI (n. 5 ad
art. 363-379 CO
et n. 63a ad art. 394), d'après laquelle le contrat d'entreprise ne peut avoir pour objet qu'un ouvrage matériel. Cette jurisprudence a ensuite été confirmée (cf. SJ 1978 p. 385, 392). Des opinions très divergentes ont été exprimées à propos de ce revirement jurisprudentiel, concernant soit sa motivation, soit sa solution (pro: GAUTSCHI, dans RSJ 1974 p. 21 ss, HOFSTETTER, SPR VII/2 p. 21; contra: JÄGGI, dans RSJ 1973 p. 301 ss, GAUCH, Der Unternehmer im Werkvertrag, 2e éd. n. 17 ss et dans Droit de la construction, 1981, p. 13 ad no 7, STEFFEN, Bemerkungen zur Qualifikation des Architektenvertrags, Droit de la construction 1982, p. 48 ss, SCHLUEP, SPR VII/2 p. 903 ss; pour la solution mais en partie avec d'autres motifs: MERZ, RJB 1974 p. 66 ss, PEDRAZZINI, SPR VII/1 p. 506; sceptique: Extr. arrêts du Tribunal cantonal fribourgeois 1977 p. 28, TERCIER, Droit de la construction 1979 p. 9; indécis: DESSEMONTET, Quelques remarques à propos du contrat d'architecte, dans "le Centenaire du code des obligations" p. 485 ss, spéc. 499 ss; critique concernant l'ouvrage immatériel: OFJ dans JAAC 1980 no 17). Depuis lors, toutefois, dans son arrêt non publié du 22 décembre 1981 en la cause Adressen und Propagandazentrale Schaffhausen A.G. c. DVD Daten-Verarbeitungs-Dienst A.G. (spécialement consid. 2), le Tribunal fédéral a considéré que l'opinion selon laquelle le contrat d'entreprise ne peut avoir pour objet que le résultat d'un travail portant sur une chose matérielle était erronée. L'ouvrage, au sens des
art. 363 ss CO
, peut au contraire revêtir une forme aussi bien matérielle qu'immatérielle (cf. à cet égard Rapport complémentaire du Conseil fédéral au Message du 3.3.1905 concernant la revision du Code des obligations, du 1.6.1909, in FF 1909 vol. 3 p. 774; cf. également OSER/SCHÖNENBERGER, n. 19 ad
art. 363 CO
; BECKER, n. 4 et 5 ad
art. 363 CO
; PEDRAZZINI, op.cit., p. 510). En conséquence, il a considéré comme un contrat d'entreprise un accord relatif à l'établissement périodique de décomptes de salaires
BGE 109 II 34 S. 38
au moyen d'un ordinateur. Aux arguments pertinents de cet arrêt, on peut encore en ajouter d'autres qui se rapportent à la ratio legis de la réglementation du mandat et du contrat d'entreprise: dès lors qu'il est révocable en tout temps, en principe sans indemnité (
art. 404 CO
), le mandat se prête aux relations contractuelles présupposant une grande confiance réciproque entre parties pendant toute leur durée, au point qu'une partie ne puisse imposer à l'autre une continuation non désirée du contrat; au contraire, le contrat d'entreprise, qui ne peut pas être résilié en tout temps par l'entrepreneur mais peut l'être par le maître, en général contre indemnité (
art. 377 CO
), prend en considération l'intérêt légitime que peuvent avoir les contractants au respect de leurs engagements quant à l'exécution à terme d'un ouvrage. Si l'on devait exclure du contrat d'entreprise les ouvrages immatériels, en les soumettant au droit du mandat, les parties ne pourraient obtenir la protection de cet intérêt. Aussi est-ce à juste titre que la jurisprudence a soumis au droit du contrat d'entreprise des contrats tels que ceux qui avaient pour objet la fourniture de l'éclairage électrique ou du chauffage (
ATF 48 II 370
ss, 83 II 529), la fourniture d'un spectacle par un organisateur (
ATF 70 II 215
, 80 II 26, ce dernier pour une représentation cinématographique), d'une production artistique par un artiste (TF dans SJ 1953 p. 257) ou un orchestre (TF dans SJ 1961 p. 161); en effet, les parties à de telles conventions ont un intérêt digne de protection à pouvoir en obtenir l'exécution.
Ainsi donc, on ne saurait suivre la jurisprudence de l'arrêt Sauter, qui doit être précisée dans ce sens, lorsqu'elle fait sortir l'ouvrage immatériel du champ d'application du contrat d'entreprise. En revanche, il n'est pas nécessaire en l'occurrence de décider si cette jurisprudence, en tant qu'elle se rapporte à la qualification du contrat d'architecte, doit être maintenue.
c) Par le contrat litigieux, le géomètre s'est obligé à effectuer sur le terrain des mesures de hauteur et de distance, relatives à la configuration du sol, puis à reporter les chiffres ainsi obtenus sur un plan de situation qui lui a été remis, et qu'il devait restituer, enrichi de ces indications, à son cocontractant. Sa prestation caractéristique consistait donc à faire bénéficier ce dernier du résultat demandé, soit d'un ouvrage. Dans ces conditions, la question de savoir si, comme l'admet l'autorité cantonale, le travail du géomètre consistant à représenter sur plan la topographie d'un lieu est le fruit d'une activité intellectuelle, ou si au contraire,
BGE 109 II 34 S. 39
comme le soutient la recourante, le travail confié in casu au bureau de géomètres ne comportait aucune activité intellectuelle ou créatrice, n'a, compte tenu des considérations qui précèdent, pas d'incidence décisive sur la qualification à donner au contrat litigieux. En outre, il n'existe pas, entre des partenaires tels que les parties au présent contrat, de rapports de confiance particulièrement étroits, comme le présuppose le contrat de mandat; il n'est dès lors pas nécessaire d'examiner si, dans le cas contraire, cette circonstance devrait être prise en considération pour déterminer la nature juridique du contrat. Il suffit, en l'occurrence, de constater que les éléments caractéristiques du contrat d'entreprise, dont en particulier l'ouvrage promis, sont réunis et que par conséquent la convention conclue entre les parties est soumise à la réglementation des
art. 363 ss CO
(cf. dans le même sens l'avis donné par l'OFJ à propos d'un contrat de mensurations parcellaires, in JAAC 1980 no 17). Il s'ensuit que le géomètre répond des défauts de son ouvrage dans le cadre des
art. 367 ss CO
et que l'action en responsabilité dirigée contre lui est soumise au délai de prescription de l'
art. 371 CO
.
4.
La recourante prétend avoir valablement invoqué la prescription en instance cantonale; de même, à ce qu'elle dit, elle pourrait se prévaloir à son profit des règles sur la vérification et l'avis des défauts de l'ouvrage.
a) Tenant le géomètre pour un mandataire, dont la responsabilité serait soumise à la prescription ordinaire de dix ans, la cour cantonale n'a pas encore examiné les moyens en question, qui dépendent en partie du droit de procédure cantonale. Elle n'a pas non plus consigné dans son jugement les constatations de fait qui devraient permettre au Tribunal fédéral d'appliquer le droit fédéral. Un renvoi de la cause à la juridiction cantonale est par conséquent inévitable (
art. 64 OJ
).
b) De toute manière, la prescription prévue par l'
art. 371 al. 2 CO
ne saurait s'appliquer à l'action en dommages-intérêts dirigée en l'espèce contre le géomètre. Aux termes de cette disposition, l'action du maître en raison des défauts d'une construction immobilière se prescrit contre l'entrepreneur, de même que contre l'architecte ou l'ingénieur qui a collaboré à l'exécution de l'ouvrage, par cinq ans à compter de la réception. Le Tribunal fédéral a jugé que, s'agissant de l'action contre l'entrepreneur, cette disposition ne s'appliquait qu'aux contrats dont l'objet même est une construction immobilière, mais qu'elle ne s'étendait toutefois pas
BGE 109 II 34 S. 40
à ceux qui se rapportent à une construction immobilière sans avoir cette dernière même pour objet (
ATF 93 II 245
/246). En cela, cette réglementation se distingue de celle de l'
art. 837 al. 1 ch. 3 CC
, qui accorde le droit à l'inscription d'une hypothèque légale à tous les artisans et entrepreneurs, fussent-ils sous-traitants, ayant fourni pour le bâtiment des matériaux et du travail ou du travail seulement. Ces considérations-là de l'arrêt précité n'appellent pas un nouvel examen (cf. MERZ, RJB 1969 p. 37/38; SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährung, Verwirkung und Fatalfristen, § 299 n. 19, p. 712; GAUCH, op.cit., nos 820 ss, p. 196 ss), même si cet arrêt a été contesté sur un autre point, soit en tant qu'il ne tient pas le ravalement d'une façade pour une construction immobilière (GAUCH, op.cit. nos 828 ss, RSJ 1976 p. 161; PEDRAZZINI, SPR VII/1, p. 529, n. 87). Or, en l'espèce, il est patent que l'objet du contrat est l'établissement de mensurations du terrain actuel, c'est-à-dire un travail qui, en tant que tel, n'est pas une construction immobilière, fût-ce même en partie.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet partiellement le recours de Georges Rey-Bellet S.A., annule le jugement attaqué et renvoie la cause au Tribunal cantonal du Valais pour nouveau jugement dans le sens des considérants. | public_law | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
69d968ca-0cbb-40f6-bb41-a7df6c7bda9f | Urteilskopf
120 III 16
8. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 7. April 1994 i.S. Rudolf M. (Rekurs) | Regeste
Berechnung des Existenzminimums (
Art. 93 SchKG
,
Art. 2 ZGB
).
Dem Schuldner, der entgegen einer gerichtlichen Obhutsregelung seine Kinder zu sich nimmt und in natura für ihren Unterhalt aufkommt, stehen bei der Berechnung seines Existenzminimums keine Unterhaltszuschläge zum Grundbetrag und keine Auslagen für eine Haushalthilfe zu. | Sachverhalt
ab Seite 16
BGE 120 III 16 S. 16
A.-
Gestützt auf den definitiven Rechtsöffnungsentscheid für ausstehende Kinderunterhaltsbeiträge über insgesamt Fr. 19'200.-- stellte X. B. am 23. August 1993 in der Betreibung Nr. ... das Fortsetzungsbegehren. Das Betreibungsamt Z. vollzog am 27. September 1993 bei A. B. die Lohnpfändung, wobei es dessen Existenzminimum auf Fr. 3'411.-- festlegte; am 13. Dezember 1993 nahm es eine erneute Berechnung vor, womit sich der Notbedarf für A. B. mit Wirkung auf den 1. Januar 1994 auf Fr. 3'676.-- erhöhte.
B.-
X. B. wandte sich gegen den A. B. zugestandenen Notbedarf an das Vizegerichtspräsidium Frauenfeld, welches ihre Beschwerde guthiess und in
BGE 120 III 16 S. 17
der Berechnung des schuldnerischen Existenzminimums die Zuschläge für die Kinder von insgesamt Fr. 600.-- und für die Haushalthilfe von Fr. 400.-- strich. Die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau als kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs wies die von A. B. dagegen erhobene Beschwerde am 24. Januar 1994 ab.
C.-
A. B. hat sich mit Rekurs vom 7. März 1994 an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts gewandt; er beantragt, sein Existenzminimum ab 1. Januar 1994 auf Fr. 3'676.-- festzulegen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Anlass zum Rekurs gibt die Berechnung des Existenzminimums, soweit die kantonale Aufsichtsbehörde - unabhängig ob die betreibungsrechtlichen Richtlinien vom 1. April 1992 oder diejenigen vom 1. Januar 1994 zur Anwendung gelangen - den Unterhalt der beiden beim Schuldner wohnenden Kinder beim Grundbetrag nicht berücksichtigte und die Auslagen für eine Haushalthilfe strich.
a) Einkünfte können nur in dem Umfang gepfändet werden, als sie nicht nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie unumgänglich notwendig sind (
Art. 93 SchKG
). Die von der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz erlassenen Richtlinien richten daher den Grundbetrag nach der familiären Wohnsituation aus und sehen für den Unterhalt von Kindern altersmässig abgestufte Unterhaltszuschläge vor (
BGE 119 III 70
E. 3a S. 72).
b) Im vorliegenden Fall stellte das Vizegerichtspräsidium Frauenfeld die beiden minderjährigen Kinder der Ehegatten B. am 19. September 1991 für die Dauer des Scheidungsverfahrens unter die Obhut der Mutter, welche Regelung im Zeitpunkt der Pfändung immer noch gültig war. Ebenso blieb der Rekurrent gegenüber seinen Kindern nach wie vor im Umfang des Massnahmeentscheides unterhaltspflichtig.
c) Der Rekurrent besteht nun aber nicht auf der Berücksichtigung der ihm auferlegten Kinderunterhaltsbeiträge, was die Rechtsprechung ohnehin nur zulässt, falls diese tatsächlich geleistet werden (
BGE 111 III 13
E. 4 S. 15), sondern beansprucht die in den betreibungsrechtlichen Richtlinien für den Unterhalt von Kindern vorgesehenen Zuschläge sowie die Auslagen für eine Haushalthilfe. Dem ist entgegenzuhalten, dass er nicht verpflichtet
BGE 120 III 16 S. 18
ist, die beiden Kinder zu sich zu nehmen und in natura für ihren Unterhalt aufzukommen. Tut er dies gleichwohl und vor allem entgegen einer gerichtlichen Obhutsregelung, sind die ihm durch sein Verhalten entstandenen Auslagen bei der Berechnung des Existenzminimums nicht zu berücksichtigen. Jede andere Betrachtungsweise widerspräche dem Grundsatz von Treu und Glauben (
Art. 2 ZGB
), der auch im Rahmen des gestützt auf
Art. 19 Abs. 1 SchKG
erhobenen Rekurses zu beachten ist (
BGE 117 III 44
E. 2a S. 46).
d) Das Existenzminimum des Rekurrenten bleibt nicht nur nach der von ihm verteidigten Berechnungsweise des Betreibungsamtes, sondern auch nach derjenigen des angefochtenen Entscheides gedeckt. Überdies hat die kantonale Aufsichtsbehörde festgestellt, dass die Gläubigerin ihre Lebens- und Wohnsituation auf die Betreuung der Kinder ausgerichtet habe, was mit Unkosten verbunden sei. Damit ist der Umfang der aufgrund des von der kantonalen Aufsichtsbehörde festgelegten Notbedarfs möglichen Pfändung keineswegs nichtig (
BGE 111 III 13
E. 5 S. 15 und E. 7 S. 20).
Der sich als unbegründet erweisende Rekurs ist demzufolge abzuweisen. | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
69e2d4b2-cd06-41cc-9f4d-7e1eaa2ebfc5 | Urteilskopf
112 II 312
52. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. August 1986 i.S. Stockwerkeigentümergemeinschaft Zähringerstrasse 21-23, Bern, gegen Csizmas (Berufung) | Regeste
Kostenbefreiung bei fehlendem Nutzen einer gemeinschaftlichen Anlage oder Einrichtung für eine einzelne Stockwerkeinheit (
Art. 712h Abs. 3 ZGB
).
Art. 712h Abs. 3 ZGB
ist nur mit Zurückhaltung anzuwenden. Dabei ist in erster Linie von einer objektiven Betrachtungsweise auszugehen: entscheidend ist, ob eine bestimmte Anlage oder Einrichtung einer Stockwerkeinheit tatsächlich keinen Nutzen bringt. Fehlt es an einem solchen Nutzen, so können subjektiv bedingte Sondernutzungen nur dagegen aufgerechnet werden, wenn für deren gesonderte Berücksichtigung im Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft eine genügende Rechtsgrundlage besteht (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 313
BGE 112 II 312 S. 313
A.-
Michael Csizmas ist Stockwerkeigentümer der Attikawohnung des Gebäudes Zähringerstrasse 21-23 in Bern. Das Gebäude ist mit einer zentralen Zu- und Abluftanlage ausgestattet, an die sämtliche Wohnungen angeschlossen sind. Da bei der Attikawohnung jedoch alle Räume durch Fenster gelüftet werden können, liess Michael Csizmas die Anschlüsse der Attikawohnung an das Lüftungssystem im Jahre 1982 verschliessen.
Michael Csizmas stellte in der Folge bei der Stockwerkeigentümergemeinschaft den Antrag, von der Beteiligung an den Kosten der Belüftungsanlage befreit zu werden. An der Generalversammlung vom 24. Januar 1985 wurde der Antrag jedoch einstimmig abgelehnt.
B.-
Gegen diesen Beschluss erhob Michael Csizmas Klage beim Appellationshof des Kantons Bern. Er beantragte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Feststellung, dass er an die Lüftungsanlage keine Betriebskosten zu leisten habe.
BGE 112 II 312 S. 314
Mit Urteil vom 16. Dezember 1985 hob der Appellationshof den angefochtenen Beschluss auf. Das Feststellungsbegehren wurde hingegen abgewiesen.
C.-
Gegen dieses Urteil hat die Stockwerkeigentümergemeinschaft Zähringerstrasse 21-23, Bern, Berufung beim Bundesgericht erhoben. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit damit der Beschluss der Generalversammlung der Stockwerkeigentümergemeinschaft vom 24. Januar 1985 aufgehoben worden ist, und die Abweisung der Klage. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Michael Csizmas beantragt die Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hätte auf einen Anschluss der Wohnung des Klägers an die zentrale Lüftungsanlage verzichtet werden können. Die Attikawohnung des Klägers benötigt diese nicht, da sämtliche Räume durch Fenster belüftet werden können. Der Kläger liess den Zu- und den Abluftanschluss zu seiner Wohnung zudem verschliessen. Er benützt die zentrale Lüftungsanlage somit tatsächlich nicht. Hingegen verbleibt ihm eine potentielle Nutzungsmöglichkeit: ein Wiederanschluss ist jederzeit möglich und könnte dann notwendig werden, wenn die heutige 5 1/2-Zimmerwohnung in zwei Wohnungen unterteilt würde, wie es im ursprünglichen Baukonzept vorgesehen war.
a)
Art. 712h Abs. 1 ZGB
schreibt vor, dass die Stockwerkeigentümer an die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums und an die Kosten der gemeinschaftlichen Verwaltung Beiträge nach Massgabe ihrer Wertquoten zu leisten haben. Gemäss der beispielhaften Aufzählung der einzelnen Lasten und Kosten in Abs. 2 fallen auch die Betriebs- und Unterhaltskosten einer gemeinschaftlichen Anlage oder Einrichtung darunter. Dienen bestimmte gemeinschaftliche Bauteile, Anlagen oder Einrichtungen einzelnen Stockwerkeinheiten indessen nicht oder nur in ganz geringem Masse, so ist dies nach
Art. 712h Abs. 3 ZGB
bei der Verteilung der Kosten zu berücksichtigen. Diese Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine zwingende Gesetzesvorschrift (
BGE 107 II 144
).
BGE 112 II 312 S. 315
Zu prüfen bleibt somit, ob bei der Nutzungsmöglichkeit, welche die Lüftungsanlage im vorliegenden Fall mit sich bringt, noch angenommen werden kann, die Lüftungsanlage diene der Stockwerkeinheit des Klägers im Sinne von
Art. 712h Abs. 3 ZGB
nicht oder nur in ganz geringem Masse.
b) In der Lehre wird im allgemeinen die Auffassung vertreten,
Art. 712h Abs. 3 ZGB
solle nur mit Zurückhaltung angewendet werden. Zur Begründung wird angeführt, eine zu grosszügige Anwendung führe zu komplizierten, unübersichtlichen und aufwendigen Kostenverteilungen, die weder im Interesse der Stockwerkeigentümer noch im Interesse der Verwaltung lägen (RIESEN, Verteilung der Liftkosten unter den Stockwerkeigentümern, in: Aktuelles Stockwerkeigentum, Zürich 1984, S. 107). FRIEDRICH weist auf die Gefahr dauernder Auseinandersetzungen unter den Stockwerkeigentümern hin (SJK Blatt 1303 S. 6). Dieser Autor verlangt auch, dass ein zuverlässiger Massstab für die Feststellung des Masses der Benutzung der betreffenden Einrichtungen oder Leistungen zur Verfügung stehe (Das Stockwerkeigentum, S. 96).
Diese Auffassungen entsprechen dem Sinn von
Art. 712h Abs. 3 ZGB
. Die Voraussetzungen für eine Verminderung oder ein Entfallen der Kostenbeteiligung sind nur mit Zurückhaltung zu bejahen, weil die gemeinsamen Anlagen und Einrichtungen normalerweise den Standard der gesamten in Stockwerkeigentum unterteilten Liegenschaft bestimmen, wovon alle Stockwerkeigentümer einen mindestens ideellen Nutzen ziehen.
c) Bei der konkreten Anwendung von
Art. 712h Abs. 3 ZGB
ist demzufolge in erster Linie von einer objektiven Betrachtungsweise auszugehen. Ein Stockwerkeigentümer kann sich grundsätzlich nicht dadurch von den Betriebs- und Unterhaltskosten einer ihm objektiv nützlichen gemeinsamen Anlage befreien, dass er sie aus subjektiven Gründen nicht benützt. Dies gilt z.B. für den Eigentümer eines oberen Stockwerkes, der sich der Beteiligung an den Kosten des Aufzugs unter Hinweis darauf entziehen möchte, dass er aus gesundheitlichen Gründen immer die Treppe benütze. Anderseits hat ein Stockwerkeigentümer, der einen eigenen Zugang zu seiner Stockwerkeinheit hat und das allgemeine Treppenhaus auch nicht als Zugang zum Estrich oder Keller benötigt, nicht an die Kosten des allgemeinen Treppenhauses beizutragen (PETER-RUETSCHI, Das schweizerische Stockwerkeigentum, S. 35). In diesem Sinne führt MÜLLER zutreffend aus, nicht der effektive Gebrauch, sondern die "potentielle Benutzungsmöglichkeit" sei
BGE 112 II 312 S. 316
massgebend (Der Verwalter von Liegenschaften mit Stockwerkeigentum, Diss. Zürich 1965, S. 124). Dabei kann es allerdings weniger auf die bloss denkbare Benutzungsmöglichkeit ankommen als auf den Nutzen, den die Anlage objektiverweise tatsächlich mit sich bringt. Nicht zu folgen wäre der Meinungsäusserung von MÜLLER daher, wenn sie dahingehend zu verstehen wäre, dass auch ein bloss zukünftig möglicher Nutzen zu einer Kostenbeteiligung führe. In zeitlicher Hinsicht ist darauf abzustellen, ob einer Stockwerkeinheit aus einer gemeinsamen Anlage oder Einrichtung in der betreffenden Abrechnungsperiode ein Nutzen erwächst oder nicht.
d) Im vorliegenden Fall steht fest, dass die zentrale Lüftungsanlage der Stockwerkeinheit des Klägers zur Zeit objektiv nichts nützt. Zwar trifft es zu, dass sich dieser Zustand dereinst bei einer Nutzungsänderung der Stockwerkeinheit des Klägers verändern könnte. Wenn im Hinblick auf diesen eventuellen künftigen Nutzen gleichwohl bereits für den heutigen Zustand von einem gewissen Nutzen gesprochen werden sollte, so geht dieser Nutzen jedenfalls nicht über das hinaus, was
Art. 712h Abs. 3 ZGB
als Dienen in ganz geringem Masse bezeichnet. Daran ändert auch nichts, wenn überdies die Tatsache berücksichtigt wird, dass die zentrale Lüftungsanlage bei einer langen Abwesenheit eine gewisse Lüftung bestimmter Räume der Wohnung sicherstellen könnte, ohne dass die Hilfe von Drittpersonen beansprucht werden müsste. Ausserdem bereitet im vorliegenden Fall die Feststellung des Masses der Benutzung als Voraussetzung für eine zuverlässige Abrechnung keine Schwierigkeiten, nachdem der Kläger die Lüftungsanlage überhaupt nicht benützt. Es besteht somit kein Grund, es hier bei der Kostenverteilung nach Wertquoten bewenden zu lassen.
e) Die Beklagte ist der Auffassung, der fehlende Nutzen der Lüftungsanlage für die Stockwerkeinheit des Klägers werde durch eine Sondernutzung anderer gemeinsamer Anlagen durch den Kläger ausgeglichen.
Diesbezüglich ist vorweg zu beachten, dass die Vorinstanz über die angeblichen Sondernutzungen des Klägers keine Feststellungen getroffen hat. Die Beklagte macht in diesem Zusammenhang keine Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften geltend. Auch ein offensichtliches Versehen im Sinne von
Art. 63 Abs. 2 OG
liegt nicht vor. Wären die fehlenden Feststellungen der Vorinstanz über die angeblichen Sondernutzungen des Klägers für den
BGE 112 II 312 S. 317
vorliegenden Fall entscheidend, so wäre die Sache daher gemäss
Art. 64 Abs. 1 OG
zur Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese Voraussetzung ist indessen nicht erfüllt.
Art. 712h Abs. 3 ZGB
stellt nach seinem eindeutigen Wortlaut eine Sonderregel auf für den Fall, dass bestimmte gemeinschaftliche Bauteile, Anlagen oder Einrichtungen einzelnen Stockwerkeinheiten nicht oder nur in ganz geringem Masse dienen. Erfasst werden somit objektive Vorteile, die einer Stockwerkeinheit unabhängig von den subjektiven Bedürfnissen des jeweiligen Eigentümers erwachsen. Die von der Beklagten in gewissem Rahmen geltend gemachten Sondernutzungen des Klägers sind indessen alle allein in der Person bzw. Familie des Klägers begründet und fallen daher nicht unter
Art. 712h Abs. 3 ZGB
. Diese sind demzufolge nicht geeignet, im Sinne einer Kompensation auszuschliessen, dass
Art. 712h Abs. 3 ZGB
hinsichtlich des objektiv fehlenden Nutzens der Lüftungsanlage zum Tragen kommt.
Damit ist allerdings nicht gesagt, dass subjektiv bedingte Sondernutzungen nicht nach dem Reglement der Stockwerkeigentümer bei der Kostenverteilung berücksichtigt werden könnten. Insbesondere bei Einrichtungen, deren Nutzen nur schwer objektivierbar ist, weil er in erster Linie von den subjektiven Bedürfnissen abhängig ist, wie z.B. hinsichtlich der Benützung einer Waschmaschine, muss es möglich bleiben, entsprechend dem dispositiven Charakter von
Art. 712h Abs. 1 ZGB
eine von den Wertquoten abweichende Kostenverteilung vorzusehen. Der Stockwerkeigentümergemeinschaft steht dabei auch ein gewisser Ermessensspielraum zu, welche Sondernutzungen und inwiefern sie diese bei der Kostenverteilung berücksichtigen will. Unzulässig ist es jedoch, (angebliche oder mögliche) Sondernutzungen ganz allgemein gegenüber
Art. 712h Abs. 3 ZGB
ins Feld zu führen, d.h. ohne dass ein rechtsgültiger Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft besteht, wonach die betreffenden Sondernutzungen bei der Kostenverteilung gesondert zu berücksichtigen sind, und ohne dass Abklärungen über das Mass der Sondernutzung getroffen worden sind. Damit würde
Art. 712h Abs. 3 ZGB
zum vornherein jedes Sinnes beraubt, so dass der Gesetzgeber für eine solche Möglichkeit auf eine Bestimmung dieses Inhalts hätte verzichten müssen, wie das in ausländischen Rechtsordnungen geschehen ist. Unter diesen Umständen bleibt daher einzig die grundsätzlich bejahte Frage zu entscheiden, ob der fehlende Nutzen der
BGE 112 II 312 S. 318
Lüftungsanlage für die Stockwerkeinheit des Klägers einen Anwendungsfall von
Art. 712h Abs. 3 ZGB
bildet.
4.
Schliesslich ergibt sich ohne weiteres, dass dem Kläger nicht vorgehalten werden kann, er habe seine Stockwerkeinheit im Wissen um seine Beitragspflicht gekauft und handle daher treuwidrig, wenn er seine Beiträge nun verweigere. Zweck des vorliegenden Verfahrens bildet ja gerade die Feststellung, ob diese Beitragspflicht hinsichtlich der zentralen Belüftungsanlage besteht oder nicht. | public_law | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
69e45083-f68f-4e80-b241-8e197df9009a | Urteilskopf
102 Ia 69
13. Urteil vom 21. Januar 1976 i.S. Gemeinde Bergün/Bravuogn gegen Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. | Regeste
Gemeindeautonomie (Graubünden). Rückwirkung von Erlassen.
1. Autonomie der Bündner Gemeinden im Bereiche der kommunalen Elektrizitätsversorgung. Kognition des Bundesgerichtes in bezug auf die Handhabung allgemeiner ungeschriebener Verfassungsgrundsätze (E. 2).
2. Rückwirkende Erhebung von Stromanschlussgebühren. Fehlendes Vorliegen "triftiger Gründe" für die Rückwirkung (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 69
BGE 102 Ia 69 S. 69
Die zuständige Stelle der Gemeinde Bergün/Bravuogn erteilte G. Bächtold im September 1971 die Bewilligung, die Elektroheizung seines Hauses an das örtliche Stromnetz anzuschliessen, unter der Voraussetzung, dass der Gesuchsteller die vollen Kosten des Anschlusses bezahle und ausserdem eine "allfällige" Anschlussgebühr entrichte. Nach dem damals in Bergün geltenden kommunalen Reglement über die Abgabe von elektrischer Energie aus dem Jahre 1966 konnte der Grundeigentümer unter bestimmten Bedingungen lediglich zu
BGE 102 Ia 69 S. 70
einem Beitrag an die Anschlusskosten herangezogen werden; eine Anschlussgebühr war nicht vorgesehen. - Nachdem die fragliche Elektroheizung im Dezember 1971 angeschlossen und in Betrieb genommen worden war, stimmte die Gemeindeversammlung von Bergün am 23. November 1972 einer neuen Verordnung zu. Diese sah nunmehr auch die Erhebung von Anschlussgebühren vor, und zwar, entsprechend einem an der Gemeindeversammlung beschlossenen Zusatz, "rückwirkend für alle Anschlüsse, die in den Jahren 1971/72 unter der Voraussetzung bewilligt wurden, dass dann diese Taxen nachbezahlt werden müssten".
Die Gemeinde Bergün verlangte in der Folge von G. Bächtold eine Anschlussgebühr von Fr. 6'500.-- sowie die Übernahme der Anschlusskosten von rund Fr. 4'600.--. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hiess einen Rekurs Bächtolds gut, und zwar sowohl in bezug auf die Bemessung des Anschlusskostenbeitrages (die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet) als auch in bezug auf die Anschlussgebühr, deren rückwirkende Erhebung als unzulässig bezeichnet wurde. Die Gemeinde Bergün führt in diesem letzteren Punkt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
(...)
2.
Nach Art. 40 Abs. 2 der Bündner Kantonsverfassung steht jeder Gemeinde "das Recht der selbständigen Gemeindeverwaltung, mit Einschluss der niedern Polizei, zu. Sie ist befugt, die dahin einschlagenden Ordnungen festzusetzen, welche jedoch den Bundes- und Kantonsgesetzen und dem Eigentumsrechte Dritter nicht zuwider sein dürfen". Das Gemeindegesetz vom 28. April 1974 rechnet die Wasser- und Energieversorgung dem kommunalen Aufgabenbereich zu (Art. 4 lit. e); es erklärt sodann die Gemeinden ausdrücklich für befugt, von den Benützern kommunaler Werke, Unternehmungen und Einrichtungen Gebühren zu erheben (Art. 46). Da das kantonale Recht die kommunale Elektrizitätsversorgung selber nicht näher regelt, ist ohne weiteres anzunehmen, dass den Bündner Gemeinden in diesem Sachbereich eine relativ
BGE 102 Ia 69 S. 71
erhebliche Entscheidungsfreiheit zusteht und dass daher die vorliegend in Frage stehenden Reglemente autonomes Gemeinderecht darstellen. Die Gemeinde Bergün geniesst somit gegenüber dem kantonalen Verwaltungsgericht, welches als Rechtsmittelinstanz über die Anwendung der kommunalen Vorschriften über die Elektrizitätsabgabe zu befinden hatte, den Schutz der Gemeindeautonomie. Sie kann sich dagegen zur Wehr setzen, dass die kantonale Rechtsmittelinstanz autonomes Gemeinderecht unrichtig handhabt oder die ihr nach kantonalem Recht zustehende Prüfungsbefugnis überschreitet (
BGE 101 Ia 265
E. 2,
BGE 100 Ia 203
E. 2a, mit Hinweisen). Soweit jedoch nicht die Auslegung und Anwendung spezieller Normen des eidgenössischen oder kantonalen Verfassungsrechtes in Frage steht, prüft das Bundesgericht den Entscheid der kantonalen Behörde nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (
BGE 101 Ia 395
E. 2, 265 E. 2, 261 E. 2, mit Hinweisen).
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass dem Verwaltungsgericht als Rekursinstanz lediglich eine Rechtskontrolle zustand (Art. 53 des Verwaltungsgerichtsgesetzes). Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass das Gericht seine Überprüfungsbefugnis überschritten habe. Sie macht vielmehr geltend, die kantonale Rekursinstanz habe ihre Rechtskontrolle willkürlich ausgeübt und zu Unrecht angenommen, dass die Erhebung der streitigen Anschlussgebühr gegen das Rückwirkungsverbot verstosse. Die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Regeln über die Rückwirkung von Erlassen gelten zwar, ebenso wie etwa das Prinzip der Legalität, der Grundsatz der Verhältnismässigkeit und das Gebot von Treu und Glauben, als allgemeine Grundsätze des eidgenössischen Verfassungsrechtes (GRISEL, L'application du droit public dans le temps, ZBl 75/1974 S. 245 ff.). Soweit jedoch diese Grundsätze nicht in Zusammenhang mit einem speziellen, seinerseits eine freie Prüfung erfordernden Verfassungsrechtssatz angerufen werden, prüft das Bundesgericht ihre Handhabung nur unter dem Gesichtswinkel von
Art. 4 BV
, d.h. nach Massgabe der Rechtsgleichheit und des Willkürverbotes (
BGE 100 Ia 347
E. 4,
BGE 99 Ia 67
E. 4,
BGE 98 Ia 369
E. 6; GRISEL, a.a.O. S. 245 f.). Entsprechendes gilt, wenn eine Gemeinde im Rahmen einer Autonomiebeschwerde die Verletzung bzw. unrichtige Handhabung solcher Grundsätze rügt (
BGE 99 Ia 67
E. 4).
BGE 102 Ia 69 S. 72
Da sich im vorliegenden Fall die Frage, ob die kantonale Instanz einen Verstoss gegen die Regeln über die Rückwirkung annehmen durfte, nicht in Zusammenhang mit der Auslegung oder Anwendung anderweitiger, spezieller Verfassungsvorschriften stellt, prüft das Bundesgericht das angefochtene Urteil auch in diesem Punkt nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür.
3.
Das Verwaltungsgericht geht in Übereinstimmung mit Rechtsprechung und Lehre davon aus, dass eine Rückwirkung von Verwaltungserlassen nur zulässig ist, wenn sie ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt ist, wenn sie in zeitlicher Beziehung mässig ist, zu keinen stossenden Rechtsungleichheiten führt, sich durch triftige Gründe rechtfertigen lässt und nicht in wohlerworbene Rechte eingreift (vgl.
BGE 101 Ia 235
mit Hinweisen). Im Lichte von
BGE 97 I 340
ff. könnte man sich allerdings fragen, ob hier überhaupt eine Rückwirkung vorliegt. Der zu beurteilende Fall unterscheidet sich indessen grundlegend von jenem Präjudiz; es geht hier nicht darum, dass eine ganze öffentliche Anlage (Werkleitung, Kanalisation, Kläranlage) neu erstellt und die Abgaberegelung darauf angelegt worden wäre, alle Benützer, d.h. auch bereits angeschlossene Grundstücke, gleichmässig an dieses Werk beitragen zu lassen.
Die Anschlussgebühr ist eine öffentlichrechtliche Gegenleistung für die Gewährung des Anschlusses an die Leitung eines öffentlichen Werkes. Die rechtlichen Voraussetzungen für ihre Erhebung bestimmen sich daher grundsätzlich nach dem Zeitpunkt, in dem der Anschluss vollzogen wird (Urteil vom 28. Januar 1976 i.S. Schoop u. Assarson; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3. A. Bd. I S. 154, Nr. 312 IIIc). Mit der Einführung einer Anschlussgebühr für bereits angeschlossene Grundstücke wurde die Abgabepflicht an ein in der Vergangenheit liegendes, einmaliges Ereignis geknüpft (GRISEL, a.a.O. S. 242). Das Verwaltungsgericht verfiel somit nicht in Willkür, wenn es den vorliegenden Tatbestand nach den Grundsätzen über die Rückwirkung von Abgabeerlassen behandelte. Es bleibt zu prüfen, ob seine Annahme, wonach die vorerwähnten Voraussetzungen für eine rückwirkende Abgabeerhebung hier nicht erfüllt seien, haltbar ist.
a) Dass auch für die in den Jahren 1971/72 angeschlossenen Grundstücke eine Anschlussgebühr zu leisten ist, wurde
BGE 102 Ia 69 S. 73
durch eine ergänzende Bestimmung der Verordnung vom 23. November 1972 ausdrücklich angeordnet. Die Rückwirkung beruht somit auf einer klaren Grundlage und ist vom Gesetzgeber eindeutig gewollt.
b) Für den Beschwerdegegner Bächtold, der den Gemeindebeschluss vom 23. November 1972 nicht angefochten hat, liegt der Anschluss nicht einmal ein Jahr zurück (Dezember 1971). Dass die Verordnung eine Rückwirkung für eine Zeitspanne von zwei Jahren anordnete, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang. Im Rahmen der konkreten Normenkontrolle kann nur noch berücksichtigt werden, ob die Vorschrift hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den betroffenen Grundeigentümer verfassungsmässig ist (
BGE 96 I 566
E. 2;
BGE 90 I 91
E. 1 und 80 E. 1). Eine Rückwirkung von nicht einmal ganz einem Jahr sprengt indessen den Rahmen des Zulässigen nicht. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtes ist insoweit nicht zutreffend.
c) Das Verwaltungsgericht verneinte die Zulässigkeit der Rückwirkung auch mit der Begründung, dass die Gemeinde für ihr Vorgehen lediglich fiskalische Gründe geltend machen könne. Fiskalische Gründe reichten indessen nicht aus, um Abgaben rückwirkend zu erheben (vgl. dazu
BGE 95 I 10
; GRISEL, a.a.O. S. 247; IMBODEN, a.a.O. S. 161, Nr. 313 Ib).
In der staatsrechtlichen Beschwerde wird demgegenüber geltend gemacht, es seien für die Gemeinde nicht fiskalische Erwägungen, sondern solche der rechtsgleichen Behandlung massgebend gewesen. Hiezu ist jedoch zu bemerken, dass jede Änderung von Abgabeerlassen, durch die eine Abgabe erhöht oder neu eingeführt wird, notwendigerweise zur Folge hat, dass diejenigen günstiger behandelt werden, für die sich der abgabepflichtige Sachverhalt vor dem Inkrafttreten der Änderung ereignet hat. Wollte man das Gebot der rechtsgleichen Behandlung so verstehen wie die Beschwerdeführerin, könnte für alle Abgabeerlasse eine Rückwirkung angeordnet werden. Die Rückwirkung muss indessen durch "triftige Gründe" gerechtfertigt sein, d.h. durch Gründe besonderer Art, die nicht nur den selbstverständlichen Folgen entgegentreten wollen, die mit jeder derartigen Rechtsänderung verbunden sind. Blosse allgemeine Überlegungen der Rechtsgleichheit wären immer auch von einem mindestens gleich starken und gleichlaufenden, kaum unterscheidbaren fiskalischen Interesse an
BGE 102 Ia 69 S. 74
der Rückwirkung begleitet. Eine Rückwirkung lässt sich auch nicht schon allein damit begründen, dass man den Bürger daran hindern will, noch rechtzeitig seine Dispositionen auf eine kommende Abgabeerhöhung hin zu treffen (
BGE 95 I 10
).
Die Rückwirkung von Erlassen steht im Widerspruch zu dem - im Legalitätsprinzip enthaltenen - Grundsatz der Voraussehbarkeit staatlicher Massnahmen (GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, S. 190;
BGE 92 I 232
). Ob eine Rückwirkung im Einzelfall zulässig ist, hängt insoweit auch davon ab, ob das besondere öffentliche Interesse an der rückwirkenden Inkraftsetzung des Erlasses das entgegenstehende Interesse des Bürgers an der Voraussehbarkeit der Rechtsordnung überwiegt (BGE
BGE 92 I 232
; vgl. auch
BGE 95 I 10
). Es ist daher im vorliegenden Fall nicht ohne Belang, dass die Rückwirkung nach dem Wortlaut der Verordnung nur jene in den Jahren 1971/72 angeschlossenen Grundstücke betrifft, bei denen der Anschluss unter dem Vorbehalt bewilligt wurde, dass später festzulegende Anschlusstaxen noch zu bezahlen seien. Im Schreiben vom 13. September 1971, mit dem das Ingenieurbüro Graf dem Beschwerdegegner den Anschluss bewilligt hatte, war nur von einer durch die "EW-Kommission" noch festzusetzenden "allfälligen Anschlussgebühr" die Rede, was an sich auch dahin verstanden werden konnte, dass es sich um eine im Reglement bereits vorgesehene Abgabe handle. Selbst wenn man annehmen wollte, es sei damit die Erhebung einer erst künftig einzuführenden Anschlussgebühr vorbehalten worden, würde dies die Rechtslage nicht grundlegend ändern. Wenn es im Zeitpunkt des Anschlusses an einer gesetzlichen Grundlage für die Erhebung der fraglichen Abgabe fehlte, konnte dieser Mangel nicht dadurch behoben werden, dass man den Anschluss nur unter dem Vorbehalt bewilligte, dass der Grundeigentümer eine in einem späteren Erlass eventuell vorgesehene Abgabe von irgendwelcher Höhe nachzubezahlen habe (vgl. ZBl 74/1975 S. 495 f). Ein derartiges Vorgehen müsste auf einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage beruhen, und es vermöchte die spätere Einführung einer rückwirkenden Abgabepflicht auch nur dann zu rechtfertigen, wenn zugleich die Höhe der künftigen Abgabe bereits bestimmt oder wenigstens begrenzt worden wäre. Im vorliegenden Fall stand indessen
BGE 102 Ia 69 S. 75
die Höhe der möglichen Anschlussgebühr keineswegs fest, als der Beschwerdegegner gestützt auf die erteilte Bewilligung den Anschluss an das kommunale Netz vornahm. Die Lage ist insoweit dieselbe, wie wenn bei der Bewilligungserteilung überhaupt kein Vorbehalt gemacht worden wäre; die nachträgliche Belastung war im wesentlichen nicht voraussehbar. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, die Rückwirkung sei durch keine triftigen Gründe gerechtfertigt, hält somit dem Vorwurf der Willkür stand.
d) Schliesslich konnte das Verwaltungsgericht ebenfalls ohne Willkür annehmen, dass die fragliche Anschlussgebühr auch im anwendbaren Regulativ von 1966 keine Grundlage habe. Wohl kann danach in gewissen Fällen "der Energiepreis vom Tarif abweichend" festgesetzt (Art. 3) und der Grundeigentümer zu einem "Beitrag an die Kosten der Zuleitung" verpflichtet werden (Art. 6), doch ist klar, dass eine eigentliche Anschlussgebühr, wie sie hier in Frage steht, in diesen Bestimmungen nicht vorgesehen ist. Was die Gemeinde hiegegen vorbringt, dringt ebenfalls nicht durch. Ihre Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
69e895ec-92bc-4fb8-b52b-27465e7b2f0f | Urteilskopf
80 II 82
11. Arrêt de la Ire Cour civile du 1 er février 1954 dans la cause Brodard contre Bigio. | Regeste
Check, Anweisung.
Eine vom Unterzeichner als Check bezeichnete Urkunde, die den Ort der Ausstellung nicht angibt und neben dem Namen des Ausstellers keine Ortsangabe enthält, ist als Check ungültig (
Art. 1100 Ziff. 5, 1101 Abs. 4 OR
; Erw. 2).
Konversion von Rechtsgeschäften. Ein formungültiger Check ist in der Regel als Anweisung gültig (Erw. 3).
Die Anweisung verschafft an sich dem Anweisungsempfänger kein Rückgriffsrecht gegenüber dem Anweisenden, wenn der Angewiesene die Zahlung verweigert (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 83
BGE 80 II 82 S. 83
A.-
Samy Bigio, domicilié à Paris, a établi, le 13 novembre 1947, sur une formule de l'Union de Banques Suisses, un document dont le recto a la teneur suivante:
"Le treize Novembre 47: Frs 10.000.--
UNION DE BANQUES SUISSES GENEVE
Payez contre ce chèque à l'ordre de ... ... au porteur .........la somme de francs...........dix mille francs suisses-----
(timbre) Samy Bigio (sig.)
Samy Bigio
Chèque Série D no 150 898."
(suit une note concernant le droit de timbre).
Il remit ce papier à Karl Bitter-Sonnenreich. Le 22 décembre 1947, il signala à l'Union de Banques Suisses, à Genève, que le "chèque" avait été perdu et il la pria de le considérer comme nul et d'en refuser le paiement.
Ce document fut présenté à la banque le 29 janvier 1948 par un tiers, Victor-Emmanuel Guillaume, de Paris. Elle refusa de le payer. Le 30 juin 1949, le même papier fut présenté par André Brodard, qui le tenait de Guillaume. La banque agit de même.
B.-
Brodard fit séquestrer, à Genève, des biens appartenant à Bigio et intenta à ce dernier une poursuite pour 10 000 francs avec intérêt à 5% dès le 13 novembre 1947 et 19 fr. 30 de frais de séquestre. Bigio fit opposition, mais Brodard obtint la mainlevée provisoire.
Bigio intenta une action en libération de dette devant les tribunaux genevois, pour faire constater l'inexistence de l'obligation dont l'exécution lui était réclamée.
Par jugement du 5 novembre 1952, le Tribunal de première instance débouta le demandeur de ses conclusions.
En appel, la Cour de justice de Genève a admis la demande et prononcé que Bigio ne devait pas la somme pour laquelle il était poursuivi. Elle considère que le document litigieux n'est pas un chèque, attendu qu'il n'indique
BGE 80 II 82 S. 84
pas le lieu où il a été créé et qu'aucun nom de lieu ne figure à côté de celui du tireur; qu'il ne constitue pas non plus un papier-valeur innomé, car il n'accorde au porteur aucun droit contre le tiré ou le tireur; qu'il doit donc être considéré comme une simple assignation; que, dans ces conditions, il incombe à Brodard d'établir que Bitter ou Guillaume lui ont cédé leurs droits et qu'ils étaient bien créanciers de Bigio; que cette preuve n'a pas été apportée; que Brodard, en effet, n'est pas au bénéfice d'une cession de créance, de sorte qu'il n'a pas qualité pour agir; qu'au surplus, il n'a été prouvé ni par les dépositions des témoins ni par d'autres indices que Bigio eût une dette envers Bitter ou Guillaume.
C.-
Contre cet arrêt, Brodard recourt en réforme au Tribunal fédéral en concluant à ce que Bigio soit débouté de sa demande. Il admet que le document litigieux n'est pas un chèque, mais allègue qu'il s'agit d'un papier-valeur au porteur, selon les art. 978 et suiv. CO. Dès lors, dit-il, l'intimé ne peut lui opposer que les exceptions prévues à l'art. 979 CO, dont les conditions ne sont pas remplies en l'espèce. Enfin, il déclare que, si l'on considère, d'accord avec la Cour de justice, le "chèque" comme une simple assignation, il n'entend pas discuter l'arrêt attaqué, qui, sur ce point, repose sur des constatations de fait.
L'intimé conclut au rejet du recours en réforme.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La qualification juridique du document litigieux doit être déterminée selon la lex fori, c'est-à-dire d'après le droit suisse (RO 59 II 399 consid. 2; cf. également 65 II 71, consid. 3).
A son art. 1139 al. 1, le CO reprend l'art. 4 al. 1 de la Convention de Genève du 19 mars 1931 destinée à régler certains conflits de lois en matière de chèques. Aux termes de cette disposition, la forme des engagements pris au moyen de chèques est réglée par la loi du pays sur le territoire duquel ces engagements ont été souscrits; toutefois,
BGE 80 II 82 S. 85
l'observation des formes prescrites par la loi du lieu de paiement suffit. En l'espèce, cette dernière est la loi suisse, tandis que le pays où l'engagement a été souscrit est la France. Pour être valable comme chèque, il suffirait donc que le document litigieux satisfasse aux formes exigées dans l'un de ces deux pays. Or la France comme la Suisse ont adopté dans leur législation nationale les art. 1er et 2 de l'Annexe I de la Convention de Genève du 19 mars 1931 portant loi uniforme sur les chèques (pour la Suisse, art. 1100 et 1101 CO; pour la France, art. 1er et 2 du décret-loi du 30 octobre 1935 unifiant le droit en matière de chèques). Le titre signé par Bigio ne constitue donc un chèque que s'il est conforme à ces dispositions.
2.
A l'encontre de l'art. 1100 ch. 4 et 5 CO (qui correspond à l'art. 1er ch. 4 et 5 du décret-loi français du 30 octobre 1935), le "chèque" produit n'indique ni le lieu où le paiement doit s'effectuer, ni le lieu où il a été créé. En règle générale, le défaut d'une des mentions exigées par la loi entraîne la nullité du chèque comme tel (art. 1101 al. 1 CO). Mais ce n'est pas le cas de celles qui manquent sur le titre signé par Bigio. L'indication du lieu d'émission et celle du lieu de paiement ne sont pas absolument indispensables, en ce sens qu'en cas de silence du titre la loi y supplée au moyen de présomptions et n'annule pas le chèque ipso facto.
Pour l'endroit où le chèque doit être présenté, l'art. 1101 al. 2 CO prescrit en effet qu'à défaut d'indication spéciale, le lieu désigné à côté du nom du tiré est réputé être le lieu de paiement. En l'espèce, le nom du tiré, l'Union de Banques Suisses, est accompagné d'un nom de ville: Genève. C'est donc ce lieu qui est considéré comme l'endroit où le paiement doit être effectué. Dès lors, le "chèque" satisfait sur ce point aux conditions exigées par la loi.
Quant au lieu d'émission, l'art. 1101 al. 4 CO dispose que le chèque qui ne porte aucune indication à ce sujet est considéré comme souscrit dans le lieu désigné à côté du nom du tireur. En l'occurrence, toutefois, aucun lieu
BGE 80 II 82 S. 86
n'est mentionné à côté du nom de Bigio. La présomption de l'art. 1101 al. 4 CO ne peut donc s'appliquer, ce qui emporte la nullité du titre comme chèque. En effet, si le défaut d'indication au sujet du lieu d'émission n'entraîne pas d'emblée la conséquence prévue par l'art. 1101 al. 1 CO, il n'en constitue pas moins un vice qui ne peut être réparé que par la désignation d'un nom de lieu à côté du nom du tireur. Car le lieu d'émission joue un rôle important dans le règlement des conflits de lois. En particulier, c'est la loi du pays sur le territoire duquel les obligations résultant du chèque ont été souscrites qui règle les effets de ces engagements (art. 1140 CO; Convention de Genève du 19 mars 1931 destinée à régler certains conflits de lois en matière de chèques, art. 5). La sécurité juridique exige donc que le lieu de création soit à tout le moins clairement déterminable par le titre. Si cette condition n'est pas remplie, le document ne saurait constituer un chèque.
3.
Brodard prétend cependant que le titre qu'il produit est en tout cas un papier-valeur innomé. Cette question doit être tranchée à la lumière du droit suisse, qui est la lex fori.
A l'encontre du code civil allemand (§ 140), le droit suisse ne contient aucune disposition générale sur la conversion des actes juridiques. La doctrine et la jurisprudence considèrent cependant que, lorsqu'un acte nul remplit les conditions d'un autre acte juridique, ce dernier est valable s'il a un but et produit un résultat semblable à ceux du premier et s'il faut admettre que telle aurait été la volonté des parties dans le cas où elles auraient eu connaissance de cette nullité (RO 75 II 91 consid. 4, 76 II 13 consid. 5 et les références indiquées, 76 II 278, consid. 3). Toutefois, l'acte substitué ne saurait évidemment aller au delà de celui qui était voulu par les parties et imposer à l'une ou l'autre de ces dernières des obligations plus strictes.
En l'espèce, on peut se dispenser de juger si, comme le soutient le recourant, il existe en droit suisse des papiersvaleurs
BGE 80 II 82 S. 87
innomés, c'est-à-dire des documents qui, sans que cette qualité leur soit expressément reconnue par la loi, sont des papiers-valeurs par le seul fait qu'ils remplissent les conditions générales des art. 965 et suiv. CO et que les parties ont voulu leur donner ce caractère (cf. RO 65 II 77, consid. 6). Car, même si l'on tranchait cette question par l'affirmative, la conversion voulue par le recourant ne pourrait être opérée. Ce dernier prétend en effet que le titre litigieux est un papier-valeur qui donne au porteur le droit inconditionnel de se faire payer 10 000 fr. Or, si le document en cause était un chèque, le porteur ne pourrait recourir contre le tireur qu'à la condition que le titre, présenté en temps utile, n'ait pas été payé par le tiré et que le refus de paiement ait été constaté conformément à la loi (art. 1128 CO). Ainsi, la conversion proposée par le recourant aggraverait les obligations du souscripteur, ce qui exclut cette opération. Du reste, il ressort de la loi que le législateur n'a pas voulu qu'un chèque nul en la forme soit considéré comme un papier-valeur innomé. L'art. 1102 al. 2 CO dispose en effet que le chèque qui n'est pas tiré sur un banquier vaut comme simple assignation; il n'y a aucune raison que le chèque tiré sur un banquier mais entaché d'un vice de forme ait un sort différent et reste un papier-valeur.
4.
Mais le chèque n'est qu'une forme qualifiée de l'assignation. Comme elle, il donne à une personne le pouvoir d'encaisser un certain montant chez une autre et à cette dernière le pouvoir de se libérer en main de la première. On doit donc admettre, en règle générale, qu'un chèque nul en la forme constitue une assignation. Cependant, même si l'on opère cette conversion en l'occurrence, le recours doit être rejeté, ainsi que Brodard le reconnaît. En effet, l'assignation, en elle-même, ne donne pas à l'assignataire le droit de se retourner contre l'assignant si l'assigné refuse le paiement. Une garantie du paiement ne résulte pas de la nature de l'assignation, qui peut sans doute comporter, mais qui n'implique nullement une dette
BGE 80 II 82 S. 88
préexistante ou un engagement de la part de l'assignant envers l'assignataire (RO 40 II 408). Il eût dès lors incombé au recourant de prouver l'existence d'une dette de Bigio envers lui. Or, sur ce point, le juge du fait a constaté, de manière à lier le Tribunal fédéral, que Brodard n'était pas au bénéfice d'une cession de ceux qui pourraient être créanciers de l'intimé et qu'au surplus l'existence d'une dette de ce dernier n'était pas établie.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est rejeté et l'arrêt attaqué est confirmé. | public_law | nan | fr | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
69f8c4b4-8c1a-4022-9f45-bce88282b695 | Urteilskopf
123 V 98
16. Auszug aus dem Urteil vom 21. Mai 1997 i.S. E. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 6 UVG
: adäquater Kausalzusammenhang.
- Bestätigung der Praxis, wonach in Fällen, in welchen die zum typischen Beschwerdebild eines Schleudertraumas der HWS gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben sind, im Vergleich zur vorliegenden ausgeprägten psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten, die Beurteilung unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Fehlentwicklung nach Unfall vorzunehmen ist.
- Bestätigung der Rechtsprechung zum adäquaten Kausalzusammenhang bei psychischen Unfallfolgen; keine Anpassung an die abweichende Anwendung des Grundsatzes der adäquaten Kausalität im Haftpflichtrecht. | Erwägungen
ab Seite 99
BGE 123 V 98 S. 99
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers nach UVG vorausgesetzten adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und nachfolgend einsetzenden psychischen Gesundheitsstörungen, welche die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen (
BGE 115 V 135
ff. Erw. 4 ff.), zutreffend dargelegt. ... Zu ergänzen ist, dass in Fällen, in welchen die zum typischen Beschwerdebild eines Schleudertraumas der HWS gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben sind, im Vergleich zur vorliegenden ausgeprägten psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten, die Beurteilung praxisgemäss unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Fehlentwicklung nach Unfall vorzunehmen ist (Urteile F. vom 6. Januar 1995, auszugsweise publiziert in RKUV 1995 Nr. U 221 S. 117, und R. vom 9. September 1994, auszugsweise publiziert in RKUV 1995 Nr. U 221 S. 115; unveröffentlichtes Urteil N. vom 12. April 1991).
b) Aufgrund der medizinischen Unterlagen kann als erstellt gelten, dass es sich beim psychischen Gesundheitsschaden der Versicherten um eine natürliche Folge des Unfallereignisses vom 2. September 1992 handelt. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)und die Vorinstanz haben indessen die Adäquanz des Kausalzusammenhangs verneint, wobei sie die Beurteilung nach der Rechtsprechung zu den psychischen Unfallfolgen (
BGE 115 V 133
) und nicht anhand der Kriterien, wie sie für Schleudertraumen der HWS entwickelt wurden (
BGE 117 V 359
, insbesondere S. 367 Erw. 6a), vorgenommen haben. Dies erweist sich bei der gegebenen Aktenlage als sachgerecht. Denn es ist offensichtlich, dass das in den ersten Monaten
BGE 123 V 98 S. 100
nach dem Unfall durch die Schleuderverletzung geprägte Beschwerdebild in der Folge in eine psychische Überlagerung umgeschlagen hat, welche schliesslich eindeutige Dominanz aufwies.
c) Was die Beschwerdeführerin gegen die Anwendung der massgeblichen Kriterien auf den vorliegenden Fall und deren Gesamtwürdigung durch das kantonale Gericht vorbringt, vermag nicht durchzudringen. Der Unfall ist klarerweise dem mittleren Bereich zuzuordnen, ohne dass ein Grenzfall zu den schweren Unfällen anzunehmen wäre. Keines der unfallbezogenen Kriterien ist in besonders ausgeprägter Weise erfüllt. Auch sind die nach der Rechtsprechung massgebenden Kriterien weder in gehäufter noch in auffallender Weise gegeben. Dem Unfallereignis vom 2. September 1992 kommt somit für die Entstehung der psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit keine rechtlich massgebende Bedeutung zu. ... Die Vorinstanz hat den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und der anhaltenden, psychisch bedingten Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit zu Recht verneint.
3.
a) Die Beschwerdeführerin postuliert eine Änderung der Rechtsprechung, indem sie zunächst vorbringt, dass gemäss
Art. 36 Abs. 2 UVG
Pflegeleistungen und Kostenvergütungen nicht, Invalidenrenten und Integritätsentschädigungen jedoch angemessen gekürzt werden, wenn die Gesundheitsschädigung nur teilweise die Folge eines Unfalles ist. Insbesondere würden Gesundheitsschädigungen, die vor dem Unfall zu keiner Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt haben, nicht berücksichtigt. Trotz dieses klaren gesetzgeberischen Willens halte das Eidg. Versicherungsgericht bezüglich Haftungsvoraussetzung des Unfallversicherers am bisherigen Grundsatz fest, dass dem Unfall im Sinne der adäquaten Kausalität eine massgebende Bedeutung an der Entstehung der Erwerbsunfähigkeit zukommen müsse. Dies treffe dann zu, wenn er objektiv eine gewisse Schwere aufweise oder mit anderen Worten ernsthaft ins Gewicht falle (
BGE 117 V 366
Erw. 6a). Anderseits und zu Recht habe das Eidg. Versicherungsgericht Regeln aufgestellt, die in eine haftungserweiternde Richtung weisen: Für die Frage, ob ein Unfall nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sei, eine psychische Gesundheitsstörung herbeizuführen, sei auf eine weite Bandbreite der Versicherten abzustellen. Hiezu gehörten auch jene Versicherten, die aufgrund ihrer Veranlagung anfälliger sind und einen Unfall seelisch weniger gut verkraften als Gesunde. Nach der in der
BGE 123 V 98 S. 101
Verwaltungsgerichtsbeschwerde geäusserten Auffassung sollten hier nicht nur die Veranlagung, sondern auch die besonderen Umstände des Betroffenen (soziales Umfeld, wirtschaftliche Situation usw.) einbezogen werden.
Anderseits wiederum würden praxisgemäss klar fassbare physische Befunde nach einem Unfall diesem zugeordnet, selbst wenn es sich um eine singuläre bzw. aussergewöhnliche Unfallfolge handle. Die adäquate Kausalität decke sich in diesen Fällen weitgehend mit der natürlichen. Im Sinne der Rechtsgleichheit müsse die Diskrepanz in der Behandlung der Versicherten, je nachdem, ob eine Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit nach einem Unfall auf organisch nachweisbare Ausfälle zurückzuführen sei oder nicht, überwunden werden (
BGE 117 V 364
Erw. 5d).
Die heutige Praxis vermöge nach wie vor nicht zu befriedigen. Das gesetzgeberische Instrumentarium,
Art. 36 UVG
einerseits sowie der allgemein gültige und anerkannte Adäquanzbegriff anderseits, müssten genügen. In diesem Zusammenhang werde auf einen neuesten Entscheid des Bundesgerichts in Sachen J. vom 13. Dezember 1994 (vgl. Pra 1995 Nr. 172 S. 551 f. Erw. 1d) verwiesen, wo wörtlich ausgeführt wurde:
"Sodann entspricht es entgegen der Ansicht der Beklagten durchaus der
allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Auffahrkollision, die jedenfalls
nicht als bloss geringfügig bezeichnet werden kann, bei den Insassen der
darin verwickelten Fahrzeuge zu Gesundheitsschädigungen von der Art, wie
sie die Klägerin erlitten hat, führen kann. Schliesslich begrenzt die
Adäquanz die Haftung des Unfallverantwortlichen ohnehin bloss für
Folgeschäden wegen aussergewöhnlicher Umstände, die als vom Unfall derart
weit entfernt scheinen, dass sie dem Unfallverantwortlichen
vernünftigerweise nicht mehr zugerechnet werden können, nicht aber für
unmittelbar durch den Unfall verursachte Schädigungen, wie der
Appellationshof vorliegend für das Bundesgericht verbindlich festgestellt
hat (Erw. 1c)."
Dies, nachdem das Bundesgericht festgehalten hatte, dass "sich die Adäquanz nicht nach herrschenden medizinischen Lehrmeinungen, sondern allein nach rechtlichen Gesichtspunkten beurteilt". Diese Praxis müsse dahingehend geändert werden, dass beim klaren (medizinischen) Nachweis der natürlichen Kausalität die Adäquanz gar nicht mehr geprüft werden müsse, sondern als erstellt gelte. Eine posttraumatische Belastungsstörung sei ja per definitionem unfallkausal und man verstricke sich in unüberwindbare Widersprüche, wenn man die natürliche Unfallkausalität bejahe, jedoch die Adäquanz verneine.
BGE 123 V 98 S. 102
b) In
BGE 122 V 417
Erw. 2c hat das Eidg. Versicherungsgericht die in jenem Fall vom Verwaltungsgericht des Kantons Bern vertretene Auffassung, bei klarem medizinischem Nachweis des natürlichen Kausalzusammenhangs könne auf die Prüfung des adäquaten Kausalzusammenhangs verzichtet und dieser als erstellt betrachtet werden, verworfen. Es hat dargelegt, dass mit der Theorie des adäquaten Kausalzusammenhanges, die im Sozialversicherungsrecht mit EVGE 1960 S. 158 Einzug gehalten hat (MEYER-BLASER, Kausalitätsfragen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts, in SZS 1994 S. 82), dem rechtlich bestehenden Bedürfnis nach Eingrenzung und Auswahl von Tatsachen aus der natürlichen Kausalkette Rechnung getragen wird (MEYER-BLASER, a.a.O.; MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 460; LAURI, Kausalzusammenhang und Adäquanz im schweizerischen Haftpflicht- und Versicherungsrecht, Diss. Bern 1976, S. 12; SCARTAZZINI, Les rapports de causalité dans le droit suisse de la sécurité sociale, Diss. Genf 1991, S. 18 f.). Entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts besteht kein Anlass, bei medizinisch zwar angenommenem, jedoch nicht (hinreichend) organisch nachweisbarem natürlichem Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall mit Schleudertrauma der HWS und andauernden Beschwerden, welche die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit einschränken, von einer Prüfung der Adäquanz abzusehen, welche grundsätzlich bei sämtlichen Gesundheitsschädigungen, die aus ärztlicher Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als natürliche Unfallfolgen gelten können, Platz zu greifen hat (
BGE 121 V 49
Erw. 3a mit Hinweisen; MAURER, a.a.O., S. 460; MEYER-BLASER, a.a.O., S. 82). Von einer Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs entbindet auch nicht die Tatsache, dass sich bei organisch nachweisbar behandlungsbedürftigem Befund die adäquate, d.h. rechtserhebliche Kausalität weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt (
BGE 118 V 291
f. Erw. 3a, 117 V 365 Erw. 5d/bb mit Hinweisen). Auch bei Verletzungen der HWS geht es, wie bei allen anderen Verletzungen, darum, im Einzelfall unter Wertung von Indizien, die für oder gegen die - rechtliche - Zuordnung bestimmter Funktionsausfälle zum Unfall sprechen, im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu einer versicherungsmässig vernünftigen und gerechten Abgrenzung haftungsbegründender und haftungsausschliessender Unfälle zu gelangen, wobei der jeweilige Stand der medizinischen Wissenschaft eine untergeordnete Rolle spielt (
BGE 117 V 366
oben). Der Voraussetzung des adäquaten Kausalzusammenhangs kommt mit andern
BGE 123 V 98 S. 103
Worten die Funktion einer Haftungsbegrenzung zu (
BGE 117 V 382
Erw. 4a;
115 V 142
Erw. 7 in fine). Der Verzicht auf die Adäquanz als Wertungselement (vgl. MAURER, a.a.O., S. 463; MEYER-BLASER, a.a.O., S. 103) führte zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung der Versicherten, die an den Folgen eines Schleudertraumas der HWS leiden, gegenüber Versicherten mit anderen Verletzungsfolgen, wie die SUVA zutreffend bemerkt.
c) Die weiteren Argumente, die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde für eine Änderung der Rechtsprechung angeführt werden, vermögen nicht zu überzeugen. Was namentlich das "gesetzgeberische Instrumentarium" des
Art. 36 UVG
und den allgemein anerkannten Adäquanzbegriff anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass schon DUC, Les névroses et la LAA, in SZS 1983 S. 260 und SZS 1988 S. 225 ff., unter Berufung auf
Art. 36 Abs. 2 UVG
, die Auffassung vertreten hat, für die Leistungspflicht des Unfallversicherers werde ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Unfall und psychischer Störung nicht mehr vorausgesetzt, weshalb auch Begehrungsneurosen zu entschädigen seien, sofern der Versicherte nicht schon vor dem Unfall aus psychischen Gründen in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei. Das Eidg. Versicherungsgericht ist dieser Ansicht, die Sinn und Zweck des
Art. 36 Abs. 2 UVG
nicht gerecht wird, nicht gefolgt, weil die Adäquanz des Kausalzusammenhanges ein Wesensmerkmal der sozialen Unfallversicherung darstellt. Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretene Ansicht übersieht, dass sich die Frage der Kürzung nach
Art. 36 Abs. 2 UVG
erst stellt, wenn überhaupt ein leistungsbegründender adäquater Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall und einer Gesundheitsschädigung zu bejahen ist. Die Leistungskürzung setzt mithin das Bestehen eines adäquaten Kausalzusammenhangs voraus (
BGE 121 V 333
f. Erw. 3c,
BGE 115 V 415
Erw. 12c/bb; MURER, Neurosen und Kausalzusammenhang in der sozialen Unfallversicherung, 2. Teil, in SZS 1989 S. 21).
d) Sodann kann die Beschwerdeführerin auch aus dem vorstehend zitierten Urteil des Bundesgerichts in Sachen J. vom 13. Dezember 1994 nichts zu ihren Gunsten ableiten.
Wohl trifft es zu, dass der Begriff der adäquaten Kausalität in allen Rechtsgebieten, insbesondere auch im Sozialversicherungsrecht, identisch ist (vgl.
BGE 119 Ib 342
Erw. 3c und 345 Erw. 5b). Als adäquate Ursache eines Erfolges hat ein Ereignis dann zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen
BGE 123 V 98 S. 104
herbeizuführen, der Eintritt dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint (
BGE 122 V 416
Erw. 2a,
BGE 121 V 49
Erw. 3a,
BGE 119 V 406
Erw. 4a, je mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 121 IV 15
Erw. 3,
BGE 119 Ib 343
Erw. 3c).
Hingegen unterscheiden sich die gesetzlichen Haftungsvoraussetzungen. Dies führt mit Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes, z.B. des Zivil- und des Strafrechts, notwendigerweise dazu, dass der Grundsatz der adäquaten Kausalität unterschiedlich angewendet wird (vgl.
BGE 115 II 444
Erw. 4a), und hat namentlich auch zur Folge, dass im Recht der sozialen Unfallversicherung der Adäquanz als Wertungselement im Hinblick auf eine versicherungsmässig vernünftige und gerechte Abgrenzung haftungsbegründender und haftungsausschliessender Unfälle (
BGE 122 V 417
Erw. 2c mit Hinweisen) andere Beurteilungskriterien und Massstäbe zugrunde gelegt werden als im Haftpflichtrecht (vgl.
BGE 115 V 414
f. Erw. 12b mit Hinweisen). Zu beachten gilt es in diesem Zusammenhang, dass die zivilrechtliche Praxis selbst bei weitgehender Preisgabe der steuernden oder begrenzenden Funktion des Adäquanzbegriffs, wie sie im zitierten Urteil J. des Bundesgerichts vom 13. Dezember 1994 zum Ausdruck kommt, im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht nach Art. 43 f. OR immer die Möglichkeit zu einem differenzierten Schadensausgleich hat, wenn die Haftungsvoraussetzungen im Grundsatz bejaht werden. Demgegenüber ist mit dem Inkrafttreten des UVG am 1. Januar 1984 das bisherige Kürzungskorrektiv des
Art. 91 KUVG
durch den neuen
Art. 36 UVG
stark eingeschränkt worden (MEYER-BLASER, a.a.O., S. 97).
In einem neusten Urteil S. vom 4. Februar 1997 (
BGE 123 III 110
) hat das Bundesgericht ebenfalls an der unterschiedlichen Abgrenzung adäquater Unfallfolgen von inadäquaten im Haftpflicht- und im Sozialversicherungsrecht festgehalten. Es hat insbesondere dargelegt, dass die auf einer wertenden Betrachtung beruhende Beurteilung der Adäquanz unter Berücksichtigung des anwendbaren Normenkomplexes zu erfolgen hat, wobei die rechtspolitische Zielsetzung der beiden Rechtsgebiete berücksichtigt werden muss.
e) Ebensowenig kann der Meinung der Beschwerdeführerin gefolgt werden, in die Adäquanzbeurteilung seien auch das soziale Umfeld, die wirtschaftliche Situation und weitere besondere Gegebenheiten des Betroffenen miteinzubeziehen.
Ein solches Vorgehen liefe einer objektivierten Betrachtungsweise, wie sie bei der Prüfung des adäquaten
BGE 123 V 98 S. 105
Kausalzusammenhanges Platz zu greifen hat (
BGE 115 V 138
ff. Erw. 6), zuwider, und es drohte die Gefahr, dass die Adäquanz ihre haftungsbegrenzende Funktion (
BGE 122 V 417
Erw. 2c mit Hinweisen) verlöre.
f) Für den Fall, dass an der bisherigen Praxis, deren Ursprung zweifelsfrei der Gedanke der Haftungsbeschränkung sei, festgehalten werde, vertritt die Beschwerdeführerin sodann den Standpunkt, es sei immer dann, wenn der "spezielle Adäquanzbegriff" ("Schleudertrauma"/"psychogene Beschwerden") zur Debatte stehe, eine Umkehr der Beweislast vorzunehmen. Dieser Vorschlag ist abwegig. Eine Beweislastumkehr könnte lediglich im Zusammenhang mit dem Nachweis der natürlichen Kausalkette als einer Tatfrage, nicht aber bei einer Rechtsfrage, wie sie die Adäquanz darstellt, diskutiert werden. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
69f94da6-84d0-49a1-b677-d9b1c29500fd | Urteilskopf
124 V 201
34. Urteil vom 19. Mai 1998 i.S. R. gegen CSS Versicherung und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Art. 67 Abs. 1 KVG
: Taggeldversicherung von über 65jährigen Personen.
Taggeldversicherungen nach KVG fallen mit der Vollendung des 65. Altersjahres nicht von Gesetzes wegen dahin.
Die Versicherer sind aber befugt, die Taggeldversicherung für Personen, die das 65. Altersjahr vollendet haben, statutarisch einzuschränken oder aufzuheben.
Besondere Regeln sind hinsichtlich der Einstellung oder Reduktion laufender Versicherungsansprüche zu beachten. | Sachverhalt
ab Seite 202
BGE 124 V 201 S. 202
A.-
R., geboren 1913, ist seit dem Jahre 1929 bei der CSS Versicherung (nachfolgend: CSS) für Krankheit und Unfall versichert. Bis Ende 1995 war er u.a. für ein Taggeld von 2 Franken ab 1. Tag und 50 Franken ab 61. Tag versichert.
Mit Formularbrief vom 13. November 1995 setzte die CSS R. davon in Kenntnis, dass das Reglement für die Taggeldversicherung auf den 1. Januar 1996 in der Weise geändert werde, dass bei allen Versicherten auf Ende des Monats, in welchem sie das 65. Altersjahr erreichten, das Taggeld auf 2 Franken herabgesetzt werde. Auf Verlangen des Versicherten erliess die CSS am 16. Februar 1996 eine beschwerdefähige Verfügung, mit welcher sie an der Herabsetzung des versicherten Taggeldes auf 2 Franken ab 1. Januar 1996 festhielt. Mit Einspracheentscheid vom 15. Mai 1996 bestätigte sie diese Verfügung.
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher R. die Fortführung der Taggeldversicherung im bisherigen Umfang beantragte, wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 8. September 1997 abgewiesen.
C.-
R. erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Erneuerung seines vorinstanzlichen Rechtsbegehrens.
Die CSS schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf Vernehmlassung.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Streitig ist die von der CSS verfügte Herabsetzung der Taggeldversicherung des Beschwerdeführers auf 2 Franken aufgrund einer Reglementsänderung, welche die Krankenkasse im Hinblick auf das Inkrafttreten des KVG auf den 1. Januar 1996 vorgenommen hat. Anwendbar sind daher die Bestimmungen des neuen Rechts (
Art. 102 Abs. 1 KVG
).
b) Weil die fragliche Taggeldversicherung zur sozialen Krankenversicherung gemäss KVG gehört (
Art. 1 Abs. 1 KVG
), fällt die Beurteilung der vorliegenden Streitsache in die Zuständigkeit des Eidg. Versicherungsgerichts (
Art. 91 KVG
).
2.
a) Nach
Art. 67 Abs. 1 KVG
kann, wer in der Schweiz Wohnsitz hat oder erwerbstätig ist und das 15., aber noch nicht das 65. Altersjahr zurückgelegt hat, bei einem Versicherer gemäss
Art. 68 KVG
eine Taggeldversicherung abschliessen. Die Versicherer sind verpflichtet, in ihrem örtlichen Tätigkeitsbereich jede zum
BGE 124 V 201 S. 203
Beitritt berechtigte Person aufzunehmen (
Art. 68 Abs. 1 KVG
). Das versicherte Taggeld wird vom Versicherer mit dem Versicherungsnehmer vereinbart (
Art. 72 Abs. 1 KVG
). Das Gesetz enthält in
Art. 72 KVG
zwingende Bestimmungen insbesondere zum Anspruchsbeginn (Abs. 2), zur Dauer des Anspruchs (Abs. 3) sowie zur Kürzung der Leistung bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit (Abs. 4) und bei Überentschädigung (Abs. 5).
Art. 109 KVV
hält ergänzend fest, dass jede Person, welche die Voraussetzungen von
Art. 67 Abs. 1 KVG
erfüllt, zu den gleichen Bedingungen, namentlich hinsichtlich der Dauer und der Höhe des Taggeldes, wie sie für die andern Versicherten gelten, der Taggeldversicherung beitreten kann, soweit dadurch voraussichtlich keine Überentschädigung entsteht.
b) In übergangsrechtlicher Hinsicht bestimmt
Art. 102 Abs. 1 KVG
, dass mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (am 1. Januar 1996) das neue Recht gilt, wenn anerkannte Krankenkassen nach bisherigem Recht bestehende Krankengeldversicherungen nach neuem Recht weiterführen.
Art. 103 Abs. 2 KVG
bestimmt des weitern, dass beim Inkrafttreten dieses Gesetzes laufende Krankengelder aus bestehenden Krankengeldversicherungen bei anerkannten Krankenkassen noch für längstens zwei Jahre nach den Bestimmungen des bisherigen Rechts über die Leistungsdauer zu gewähren sind.
c) Das am 1. Januar 1996 in Kraft getretene Reglement "Taggeldversicherung nach KVG" der CSS hält in Art. 2 Ziff. 1 in Übereinstimmung mit
Art. 67 Abs. 1 KVG
fest, dass eine Taggeldversicherung abschliessen kann, wer in der Schweiz Wohnsitz hat oder erwerbstätig ist und das 15., aber noch nicht das 65. Altersjahr zurückgelegt hat. Unter dem Titel "Herabsetzung der Taggeldversicherung" bestimmt Art. 9 des Reglements, dass die Taggeldversicherung auf Ende des Kalendermonates, in welchem das 65. Altersjahr erreicht wird, auf 2 Franken herabgesetzt wird.
3.
a) Streitig ist, ob die CSS berechtigt war, die Taggeldversicherung des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 9 des Kassenreglements mit Wirkung ab 1. Januar 1996 auf 2 Franken herabzusetzen. Sowohl die Krankenkasse als auch der Beschwerdeführer berufen sich in ihren gegenteiligen Anträgen und Begründungen auf
Art. 67 Abs. 1 KVG
. Zu prüfen ist daher, welche Bedeutung dieser Bestimmung für die vorliegende Streitfrage zukommt.
BGE 124 V 201 S. 204
b) Dem Titel ("Beitritt"/"Adhésion"/"Adesione") und dem Wortlaut nach ("Taggeldversicherung abschliessen"/"conclure une assurance d'indemnités journalières"/"stipulare un'assicurazione d'indennità giornaliera") regelt
Art. 67 Abs. 1 KVG
ausschliesslich die Frage nach den altersmässigen Voraussetzungen für den Abschluss einer Taggeldversicherung. Es folgt daraus u.a., dass Personen, die das 65. Altersjahr zurückgelegt haben, keine Taggeldversicherung nach
Art. 1 Abs. 1 KVG
mehr abschliessen können. Wie in der Botschaft über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 zu Art. 59 Abs. 1 des bundesrätlichen Gesetzesentwurfs ausgeführt wird, sollte damit das Höchsteintrittsalter im Gesetz und nicht mehr in den Bestimmungen der Versicherer festgelegt werden, wobei es als richtig erachtet wurde, auf die Altersgrenze für die Pensionierung abzustellen und auf eine Unterscheidung nach dem Geschlecht des Versicherten zu verzichten (BBl 1992 I 199 f.).
Der Gesetzesentwurf hatte in der deutschen Fassung dahin gelautet, dass, wer in der Schweiz Wohnsitz hat oder erwerbstätig ist und das 15., aber noch nicht das 65. Altersjahr zurückgelegt hat, sich bei einem Versicherer nach Artikel 60 für ein Taggeld versichern kann (BBl 1992 I 278). Im Laufe der parlamentarischen Beratung wurde der Wortlaut der Bestimmung unter Hinweis auf die Ausführungen in der Botschaft vom 6. November 1991 und die französische Fassung des Gesetzesvorschlags ("peut conclure une assurance") auf Beschluss der ständerätlichen Kommission dahin geändert, dass der Ausdruck "für ein Taggeld versichern (kann)" mit "eine Taggeldversicherung abschliessen (kann)" ersetzt wurde. Es sollte damit klargestellt werden, dass die Bestimmung die Aufnahmepflicht in die Taggeldversicherung zum Gegenstand hat und ihr nicht die Bedeutung zukommt, dass Versicherte, die das 65. Altersjahr zurückgelegt haben, von Gesetzes wegen aus der Taggeldversicherung ausscheiden (Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit [SGK] des Ständerates, Protokoll der Sitzung vom 4. bis 6. November 1992, S. 41 ff.).
c) Weder aus dem Wortlaut noch aus den Materialien zu
Art. 67 Abs. 1 KVG
folgt somit, dass bestehende Taggeldversicherungen mit Erreichen des 65. Altersjahres von Gesetzes wegen dahinfallen. Etwas anderes ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der Bestimmung nicht. Zwar hat der Gesetzgeber die Krankenversicherer vom Versicherungsrisiko von Personen, welche das 65. Altersjahr zurückgelegt haben, befreien wollen. Dies jedoch
BGE 124 V 201 S. 205
nur insoweit, als das Gesetz in
Art. 67 Abs. 1 KVG
ein Höchstalter für den Beitritt zur Taggeldversicherung vorsieht. Aus der gesetzlichen Zielsetzung folgt dagegen nicht, dass eine Weiterführung bestehender Taggeldversicherungen über das 65. Altersjahr hinaus ausgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung der CSS kann nicht gesagt werden, dass die Bestimmung von
Art. 67 Abs. 1 KVG
damit ihres Sinns entleert wird. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass Personen, die kurz vor dem 65. Altersjahr stehen, neu eine Taggeldversicherung abschliessen, um für die Folgezeit gegen krankheits- oder unfallbedingten Erwerbsausfall gedeckt zu sein. Den Krankenversicherern bleibt es jedoch unbenommen, die Taggeldversicherung für Personen, die das 65. Altersjahr vollendet haben, einzuschränken oder aufzuheben, wie sich aus Erw. 4 hienach ergibt.
d) Der gesetzlichen Regelung lässt sich ebensowenig entnehmen, dass die Krankenversicherer eine Weiterversicherung für die Zeit nach Vollendung des 65. Altersjahres zwingend zu gewähren haben. Bei Erlass des KVG hat der Gesetzgeber davon abgesehen, eine einheitlich geregelte obligatorische Taggeldversicherung einzuführen; er hat sich darauf beschränkt, einige zwingende Vorschriften zu erlassen, im übrigen die Versicherung aber der Vertragsautonomie der Beteiligten überlassen (vgl. BBl 1992 I 138 ff.; MAURER, Das neue Krankenversicherungsrecht, S. 107 f.). Angesichts dieser Ordnung kann der nicht näher begründeten Auffassung von MAURER (a.a.O., S. 109 f.) nicht gefolgt werden, wonach eine Beendigung der Taggeldversicherung mit dem 65. Altersjahr im Gesetz selbst festgelegt sein müsste und eine gegenteilige vertragliche Klausel nicht zulässig sei. Vielmehr hätte es einer ausdrücklichen Bestimmung bedurft, wenn der Gesetzgeber die Vertragsautonomie der Krankenversicherer in dem Sinne hätte beschränken wollen, dass die Herabsetzung oder Aufhebung einer laufenden Taggeldversicherung mit Erreichen des 65. Altersjahres ausgeschlossen ist. An einer solchen Bestimmung fehlt es jedoch.
Etwas anderes sieht das Gesetz auch für die bei Inkrafttreten des KVG bestehenden Taggeldversicherungen nicht vor. Nach
Art. 103 Abs. 2 KVG
besteht eine beschränkte "Besitzstandsgarantie" lediglich in bezug auf die Leistungsdauer des Taggeldes.
4.
a) Zu prüfen bleibt, ob die Krankenkasse im Lichte der für die soziale Krankenversicherung geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätze zum Erlass einer Reglementsbestimmung befugt war, wonach laufende Taggeldversicherungen mit der Vollendung des
BGE 124 V 201 S. 206
65. Altersjahres in allen Fällen (und ungeachtet der erwerblichen Verhältnisse des Versicherten) auf 2 Franken herabgesetzt werden.
b) Nach der Rechtsprechung zum KUVG konnten die Krankenkassen die Beiträge und die über die gesetzlichen Minima hinausgehenden Leistungen zugunsten oder zuungunsten der Mitglieder grundsätzlich jederzeit anpassen. Das Eidg. Versicherungsgericht hat hiezu festgestellt, dass im Falle von Statutenänderungen der Weiterbestand altrechtlicher Ansprüche unter der Herrschaft der neuen statutarischen Ordnung grundsätzlich ausgeschlossen ist. Ausnahmen können sich lediglich im Falle wohlerworbener Rechte ergeben. Solche liegen praxisgemäss vor, wenn die Statuten eine entsprechende Garantie vorsehen oder die Ansprüche ihren Grund in Umständen haben, die nach Treu und Glauben zu respektieren sind, wie es bei besonders qualifizierten Zusicherungen im Einzelfall zutreffen kann (
BGE 113 V 302
Erw. 1a mit Hinweisen). Wesentliche neue statutarische oder reglementarische Bestimmungen sind mitteilungsbedürftig und für den Versicherten grundsätzlich erst ab gehöriger Bekanntgabe verbindlich (
BGE 107 V 161
).
Bezüglich der Auswirkungen von Statutenänderungen auf laufende Leistungen hat das Gericht ausgeführt, dass eine Kürzung oder Aufhebung laufender Ansprüche bedeutenden Umfangs den Betroffenen nur mit grosser Zurückhaltung zuzumuten ist. Denn eine solche Massnahme stellt eine schwere Beeinträchtigung des von der Kasse begründeten Vertrauens auf Versicherungsschutz und unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit einen ebenso einschneidenden Eingriff in die Rechte der betroffenen Mitglieder dar. Eine Schmälerung solcher Ansprüche bedarf daher besonderer Rechtfertigungsgründe (
BGE 113 V 305
Erw. 3b mit Hinweisen).
c) Aufgrund dieser Rechtsprechung hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass eine statutarische Herabsetzung der Krankengeldversicherung auf das gesetzliche Minimum nach Eintritt der AHV-Rentenberechtigung gesetzmässig ist. Ausdrücklich festgehalten wurde, dass dies auch dann gilt, wenn der Versicherte über das Pensionsalter hinaus erwerbstätig bleibt. Begründet wurde dies damit, dass die normale Aktivitätsdauer einer Person mit dem Beginn der Anspruchsberechtigung auf die Altersrente als abgeschlossen zu betrachten sei. Diese Beschränkung sei vor allem deshalb gerechtfertigt, weil die Versichertengemeinschaft nicht mit der Finanzierung des schlechten Risikos belastet werden solle, welches die Versicherung einer Kategorie von
BGE 124 V 201 S. 207
Personen darstelle, die der Gesetzgeber als im Durchschnitt "wenig arbeitstauglich" ansehe. Diese Begründung gelte in gleicher Weise für die Versicherung der noch erwerbstätigen Rentner wie der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen (
BGE 97 V 130
Erw. 1 mit Hinweis).
d) Auch wenn die Begründung von
BGE 97 V 130
nicht in allen Teilen zu befriedigen vermag, ist der Vorinstanz darin beizupflichten, dass an dieser Rechtsprechung auch unter der Herrschaft des KVG festzuhalten ist. Wie im angefochtenen Entscheid zutreffend ausgeführt wird, sieht das Gesetz eine freiwillige Taggeldversicherung vor, auch wenn die Versicherer zu deren Abschluss im Rahmen von
Art. 67 Abs. 1 KVG
verpflichtet sind. Insbesondere unterliegt der Entscheid über die Höhe des versicherten Taggeldes dem Vertragswillen der Beteiligten. Auch unter dem KVG haben die Krankenversicherer daher grundsätzlich die Möglichkeit, die Leistungen jederzeit zugunsten oder zuungunsten der Versicherten anzupassen. Eine solche Anpassung kann auch darin bestehen, dass die Taggeldversicherung mit dem Eintritt ins AHV-Rentenalter statutarisch oder reglementarisch herabgesetzt oder aufgehoben wird. Gegen wohlerworbene Rechte, die eine Abweichung vom Grundsatz rechtfertigen, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Beständigkeit der statutarischen oder reglementarischen Rechtslage hat (
BGE 113 V 301
mit Hinweisen), verstösst eine solche Regelung nicht. Dies auch dann nicht, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - Versicherte betrifft, die nach Erreichen des 65. Altersjahres weiterhin erwerbstätig sind. Anders wäre allenfalls zu entscheiden, wenn die Reglementsänderung laufende Ansprüche zum Gegenstand hätte (
BGE 113 V 304
Erw. 3). So verhält es sich hier jedoch nicht. Die Vorinstanz hat die gegen den Einspracheentscheid vom 15. Mai 1996 erhobene Beschwerde somit zu Recht abgewiesen.
5.
An diesem Ergebnis vermögen die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts zu ändern. Fehl geht insbesondere der Hinweis auf
BGE 111 V 329
ff. und die in diesem Entscheid genannten Voraussetzungen zur Anpassung von Taggeldversicherungen. Sie haben die Anpassung laufender Ansprüche zum Gegenstand, wofür besondere Regeln gelten. Im übrigen räumt der Beschwerdeführer selber ein, dass die umstrittene Reglementsänderung unter dem früheren Recht hätte vorgenommen werden können. Er macht lediglich geltend, dass die Rechtsprechung zum KUVG nicht unbesehen auf das KVG übertragen werden könne. Nach dem Gesagten besteht aber kein stichhaltiger
BGE 124 V 201 S. 208
Grund, die Rechtsprechung zum KUVG in diesem Punkt nicht auch im Rahmen des KVG als anwendbar zu erachten. Von einer unzulässigen Risikoselektion kann im vorliegenden Zusammenhang nicht die Rede sein. Gerade der Umstand, dass das Gesetz den Beitritt von Personen, welche das 65. Altersjahr vollendet haben, in die Taggeldversicherung ausschliesst, zeigt, dass der Gesetzgeber dem Alter als Abgrenzungskriterium in der Taggeldversicherung besondere Bedeutung beimessen wollte.
Nicht beanstanden lässt sich auch das Mass der reglementarischen Herabsetzung des Taggeldes bei Erreichen des 65. Altersjahres. Weil das neue Recht kein gesetzliches Mindesttaggeld mehr kennt, hätte auch eine Aufhebung des Taggeldes vorgesehen werden können.
Schliesslich kann nicht gesagt werden, die Vorinstanz habe dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör verweigert, indem sie sich mit den erwähnten Ausführungen von MAURER (Das neue Krankenversicherungsrecht, S. 109 f.) nicht näher befasst habe (vgl.
BGE 99 V 188
mit Hinweis). | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
69fb0bc2-db99-4a4e-8975-8b4082a23959 | Urteilskopf
114 IV 83
26. Urteil des Kassationshofes vom 12. Dezember 1988 i.S. U. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 3 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
; Anrechnung einer im Ausland verbüssten Strafe.
Die Auflage gemäss § 56 b Abs. 2 Ziff. 2 des deutschen StGB (Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse) weist einen derart strafähnlichen Charakter auf, dass sie bei der Anwendung des
Art. 3 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
wie eine Geldstrafe zu behandeln ist. | Sachverhalt
ab Seite 83
BGE 114 IV 83 S. 83
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen verurteilte U. am 26. August 1988 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand zu 25 Tagen Gefängnis und rechnete ihm einen Tag Untersuchungshaft an die Strafe an. Aufgrund des gleichen Sachverhalts hatte ihn bereits das Amtsgericht Waldshut-Tiengen (Bundesrepublik Deutschland) am 21. Januar 1988, rechtskräftig geworden am 3. März 1988, verurteilt; es verhängte wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine bedingte Freiheitsstrafe von 3 Monaten, verbunden mit der Auflage, einen Geldbetrag von DM 6'000.-- an die Björn-Steiger-Stiftung zu bezahlen. Das Obergericht lehnte eine Anrechnung dieses von U. bezahlten Betrages ab.
U. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die DM 6'000.-- mit wenigstens 24 Tagen Gefängnis an die Strafe anrechne.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die
Art. 3-7 StGB
regeln wie die §§ 3-7 des deutschen StGB das sogenannte internationale Strafrecht, das bei Taten mit internationalem Bezug von Bedeutung ist. Diese Bestimmungen umschreiben
BGE 114 IV 83 S. 84
den räumlichen und persönlichen Geltungsbereich des schweizerischen respektive des deutschen Strafrechts. Sie betreffen jedoch nicht das Verhältnis zu anderen Strafrechtsordnungen, weshalb die Anwendung mehrerer Strafrechtsordnungen möglich ist. Unter Umständen kann daher wegen derselben Tat sowohl eine Verurteilung in der Schweiz als auch in Deutschland erfolgen. Eine derartige Doppelverurteilung und -bestrafung verstösst nach allgemeiner Ansicht nicht gegen den Grundsatz "ne bis in idem" (vgl. SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, 23. Aufl., Vorbemerkungen zu den
§
§ 3-7 N 1
und 72). Der offensichtlichen Härte und Unbilligkeit solcher faktischer Doppelbestrafung begegnet sowohl die schweizerische als auch die deutsche Rechtsordnung durch Anerkennung oder Anrechnung ausländischer Urteile. Dieser Grundsatz ist für die Schweiz in
Art. 3 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
festgelegt (
BGE 99 IV 123
f. E. a). Danach muss der Richter dem Täter eine im Ausland abgegoltene Freiheits- oder Geldstrafe anrechnen (
BGE 111 IV 3
f.).
2.
a) Bei der Anrechnung einer ausländischen Strafe stellt sich - wie auch bei der Übernahme einer Strafvollstreckung eines ausländischen Urteils - die Frage, wie vorzugehen ist, wenn die ausländische Rechtsordnung eine Sanktion vorsieht, die das schweizerische Recht in dieser Form nicht kennt (vgl. LOGOZ/SANDOZ, art. 3 ch. 2c). Die Vorinstanz ging davon aus, der dem Beschwerdeführer auferlegte Geldbetrag stelle weder eine Geldstrafe noch eine Massnahme dar und sei somit nicht anrechnungspflichtig.
b) Die vorliegend angeordnete Verpflichtung, DM 6'000.-- zu bezahlen, stellt nach deutschem Recht formal keine Geldstrafe im Sinne von § 40, sondern eine Auflage gemäss § 56b Abs. 2 Ziff. 2 des deutschen StGB dar. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen; es kann ihm auferlegen, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen.
c) Dass diese Auflage eventuell an eine gemeinnützige Einrichtung zu leisten ist, unterscheidet sie nicht wesentlich von einer Geldstrafe; und dass sie im Unterschied zur Geldstrafe nicht in Tagessätzen ausgesprochen wird, ist im Vergleich mit den Sanktionen des schweizerischen Rechts bedeutungslos, weil die Geldbusse gemäss
Art. 48 StGB
ebensowenig auf dem Tagessatzsystem beruht. Im übrigen wird in der Literatur die Auffassung vertreten,
BGE 114 IV 83 S. 85
dass bei der Geldzahlungspflicht gemäss § 56b Abs. 2 Ziff. 2 des deutschen StGB Parallelen zur echten Geldstrafe bestehen (HORN Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch,
§ 56b N 9
und 10 mit dem Hinweis, dass bei der Verpflichtung zur Zahlung an die Staatskasse "die Bewährungsauflage ganz eindeutig den Charakter einer Geldstrafe" erhält).
Ob die Geldzahlung an den Staat oder an eine gemeinnützige Einrichtung zu erfolgen hat, beeinträchtigt ihren geldstrafenähnlichen Charakter nicht; dem steht auch nicht entgegen, dass im schweizerischen Recht Geldstrafen stets an den Staat zu zahlen sind. Eine Ausnahme wäre nur gerechtfertigt, wenn eine Auflage die Funktion der Schadenswiedergutmachung hat (so § 56 Abs. 2 Ziff. 1 des deutschen StGB), was vorliegendenfalls nicht zutrifft. Dementsprechend bestimmt das deutsche Recht, dass bei einem Widerruf des bedingten Strafvollzugs eine bereits erbrachte Geldleistung auf die zu verbüssende Strafe angerechnet werden kann (§ 56f Abs. 3 deutsches StGB). Dabei wird teilweise angenommen, angesichts des strafähnlichen Charakters der Auflage bestehe eine Anrechnungspflicht (HORN, a.a.O., § 56 f. N 39; SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE, § 56 f. N 19).
Zusammenfassend weist die fragliche Auflage sowohl in ihren Wirkungen als auch aufgrund ihrer Rechtsnatur einen derart strafähnlichen Charakter auf, dass sie bei der Anwendung des Anrechnungsprinzips gemäss
Art. 3 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
wie eine Geldstrafe zu behandeln ist. Deshalb ist die Beschwerde insoweit gutzuheissen, als das Obergericht den bezahlten Geldbetrag auf die Strafe anzurechnen hat. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6a075280-88ce-4aa2-a8ad-fdae7d6e44dd | Urteilskopf
116 II 253
46. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Juni 1990 i.S. Verein X. gegen Z. (Berufung) | Regeste
Haftung des die Erbschaft ausschlagenden Erben; Klage gemäss
Art. 579 ZGB
.
1. Der Entscheid eines kantonalen Gerichts, die Klage abzuweisen, weil der Kläger nicht aktivlegitimiert sei, kann von diesem ungeachtet der Natur der Forderung, für die der Erbe belangt wird (im konkreten Fall: Anspruch aus einem öffentlichrechtlichen Verhältnis), beim Bundesgericht mit Berufung angefochten werden (Erw. 1).
2. Zur Erhebung der Klage gemäss
Art. 579 ZGB
ist der einzelne Gläubiger des Erblassers auch dann legitimiert, wenn der Nachlass im Sinne der
Art. 573 Abs. 1 ZGB
und 193 Abs. 1 SchKG durch das Konkursamt liquidiert worden ist (Erw. 2-5). | Sachverhalt
ab Seite 253
BGE 116 II 253 S. 253
Am 19. Februar 1988 starb in einem dem Verein X. gehörenden Heim A.Y. Ihre Tochter B.Z. schlug die Erbschaft aus, worauf der Nachlass im Sinne der
Art. 573 Abs. 1 ZGB
und 193 Abs. 1 SchKG durch das Konkursamt liquidiert wurde. Der Verein X., der eine Kostgeldforderung von Fr. 118'575.40 angemeldet hatte, erhielt aus der Liquidation Fr. 7'736.95 ausbezahlt. Das Liquidationsverfahren wurde am 2. Februar 1989 als geschlossen erklärt.
Mit Eingabe vom 9. August 1988 hatte der Verein X. beim kantonalen Verwaltungsgericht gegen B.Z. eine Forderungsklage
BGE 116 II 253 S. 254
über Fr. 118'575.40, in der Folge abgeändert auf Fr. 126'987.45, nebst Zins zu 5% eingereicht. Zur Klagebegründung wurde ausgeführt, B.Z. habe innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tod ihrer Mutter von dieser Vermögenswerte empfangen, die bei einer Erbteilung der Ausgleichung unterlägen, so dass sie gestützt auf
Art. 579 ZGB
für die Schulden ihrer Mutter hafte.
B.Z. bestritt unter anderem die Aktivlegitimation des Vereins X. mit der Begründung, die ausgeschlagene Erbschaft sei durch das Konkursamt liquidiert worden, weshalb ein allfälliger Anspruch aus
Art. 579 ZGB
nicht einem einzelnen Gläubiger, sondern der Konkursmasse zustehe bzw. zugestanden hätte.
In seinem auf die Frage der Aktivlegitimation beschränkten Urteil vom 25. September 1989 erkannte das Verwaltungsgericht, dass die Klage abgewiesen werde.
Gegen diesen Entscheid hat der Verein X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
erhoben.
B.Z. und das Verwaltungsgericht haben auf Abweisung der Beschwerde geschlossen.
In ihrer Sitzung vom 3. Mai 1990 hat die erkennende Abteilung beschlossen, dass die staatsrechtliche Beschwerde als Berufung behandelt werde, und am heutigen Tag ist die Berufungsverhandlung gemäss
Art. 62 OG
durchgeführt worden. Während der Kläger nunmehr beantragt, es sei in Gutheissung der Berufung festzustellen, dass er zu der beim kantonalen Verwaltungsgericht eingereichten Klage legitimiert sei, schliesst die Beklagte auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) In seiner Beschwerdeschrift vertritt der Kläger die Ansicht, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. September 1989 könne auch bezüglich der Rechtsanwendung einzig mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
angefochten werden. Er weist darauf hin, dass Streitgegenstand in der Hauptsache eine Geldforderung bilde, die ihren Rechtsgrund im öffentlichen Recht des Kantons ... habe (Kostgeld für die verstorbene Mutter der Beklagten); auch wenn das Verfahren (zur Zeit) auf Vorfragen des Zivilrechts sowie des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts beschränkt sei, handle es sich nicht um eine Zivilrechtsstreitigkeit und sei daher die Berufung ausgeschlossen.
Dass die Beklagte der klägerischen Betrachtungsweise nicht widerspricht, bindet das Bundesgericht nicht. Die erkennende
BGE 116 II 253 S. 255
Abteilung hat vielmehr von Amtes wegen zu prüfen, ob das eingelegte Rechtsmittel zulässig ist.
b) Gemäss
Art. 84 Abs. 2 OG
ist die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder bei einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann. Hier drängt sich vor allem die Frage auf, ob entgegen der Annahme des Klägers der Weg der Berufung nicht doch offen ist.
aa) Der Kläger verkennt nicht, dass die Frage der Legitimation zu der von ihm erhobenen Klage zivilrechtlicher Natur ist. Unter Berufung auf HABSCHEID (Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, § 62, Rz. 1083), GULDENER (Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A., S. 541) und BIRCHMEIER (Bundesrechtspflege, S. 123) bringt er indessen vor, der Umstand, dass in einer öffentlichrechtlichen Streitsache privatrechtliche Vorfragen zu beurteilen seien, reiche zur Annahme einer Zivilrechtsstreitigkeit nicht aus.
bb) Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich etwa von dem von BIRCHMEIER (a.a.O.) angeführten Fall, wo in einer Steuerstreitigkeit vorfrageweise der Wohnsitz zu bestimmen ist. Wohl liegt der beim kantonalen Verwaltungsgericht eingereichten Klage eine Forderung öffentlichrechtlicher Natur zugrunde. Indessen wird die Beklagte gestützt auf
Art. 579 Abs. 1 ZGB
belangt. Darnach haften die Erben eines zahlungsunfähigen Erblassers, welche die Erbschaft ausgeschlagen haben, den Gläubigern des Erblassers gleichwohl insofern, als sie von diesem innerhalb der letzten fünf Jahre vor seinem Tod Vermögenswerte empfangen haben, die bei der Erbteilung der Ausgleichung unterworfen sein würden. Diese - auf der Erbenstellung beruhende und damit zivilrechtliche - Haftung hat selbständigen Charakter. Ob sie hier zum Tragen kommt, d.h. ob die Beklagte für die vom Kläger gegenüber ihrer verstorbenen Mutter geltend gemachte Kostgeldforderung einzustehen hat, ist in dem vom Kläger angehobenen Prozess die Hauptfrage und wird keineswegs nur im Sinne einer Vorfrage zu entscheiden sein. Die Auseinandersetzung, die der Kläger mit seiner Eingabe vor das Bundesgericht getragen hat, stellt nach dem Gesagten ausschliesslich eine Zivilrechtsstreitigkeit dar. Soweit es um die Rechtsanwendung geht, ist somit die Berufung zulässig und die staatsrechtliche Beschwerde ausgeschlossen.
c) In seiner Eingabe beanstandet der Kläger, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts auf einer willkürlichen Auslegung der
BGE 116 II 253 S. 256
Art. 579 ZGB
und 200 SchKG beruhe. Darin ist zwangsläufig die Rüge enthalten, die kantonale Instanz habe Bundesrecht verletzt (vgl.
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Da die gesetzlichen Anforderungen auch sonst erfüllt sind, ist die staatsrechtliche Beschwerde als Berufung zu behandeln. Der Streitwert übersteigt den zur Durchführung einer Parteiverhandlung im Sinne von
Art. 62 OG
erforderlichen Betrag von 15'000 Franken bei weitem.
2.
a) Unter Berufung auf
BGE 67 III 185
hält das Verwaltungsgericht dafür, es stehe in einem Fall wie dem vorliegenden der Konkursmasse zu, die Haftung des Erben nach
Art. 579 ZGB
in Anspruch zu nehmen; angesichts der gemeinsamen Befriedigung der Gläubiger, wie sie im Konkurs von Gesetzes wegen vorgesehen sei, leuchte dies auch ohne weiteres ein. Aus dem Grundsatz der Gleichstellung der Gläubiger im Konkursverfahren leitet die Vorinstanz ferner ab, dass das Klagerecht unter den gegebenen Umständen ausschliesslich der Konkursmasse zustehe; dass der Konkurs abgeschlossen sei, vermöge in Anbetracht von
Art. 269 SchKG
daran nichts zu ändern.
b) In dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Urteil - wo eine Klage der Konkursverwaltung zur Beurteilung gestanden hatte - hat das Bundesgericht ohne nähere Begründung ausgeführt, dass dort, wo eine Erbschaft aufgrund von
Art. 597 ZGB
(d.h. im Verfahren der amtlichen Liquidation gemäss den
Art. 593 ff. ZGB
) als überschuldet zur Liquidation an das Konkursamt gelange, es - wie im Falle der Ausschlagung - der Konkursmasse zustehe, die Haftung nach
Art. 579 ZGB
in Anspruch zu nehmen; mit den Worten "dessen (d.h. des Erblassers) Gläubigern" gebe
Art. 579 ZGB
nicht etwa nur der Klage einzelner Gläubiger Raum; vielmehr sei im Erbschaftskonkurs ein Klagerecht der durch das Konkursamt vertretenen Konkursmasse anzuerkennen, gleich wie bei der Anfechtungsklage gemäss den
Art. 285 ff. SchKG
; nur wenn es nicht zum Erbschaftskonkurs komme, sondern die Erbschaft trotz Zahlungsunfähigkeit des Erblassers von den einen Erben angenommen und nur von einzelnen ausgeschlagen werde, sei es Sache des einzelnen Erbschaftsgläubigers, gegen den Erben, der ausgeschlagen habe, aus
Art. 579 ZGB
zu klagen (
BGE 67 III 185
).
c) Für die Situation, wie sie hier gegeben ist, scheint das Bundesgericht im angeführten Entscheid tatsächlich davon ausgegangen zu sein, legitimiert, die Klage aus
Art. 579 ZGB
zu erheben, sei ausschliesslich die Konkursmasse. Unter Berufung auf eben
BGE 116 II 253 S. 257
dieses bundesgerichtliche Urteil hält ESCHER (N 8 zu
Art. 579 ZGB
) fest, dass die Erbschaftsgläubiger, soweit in der konkursamtlichen Liquidation aus der Masse nicht befriedigt, noch einen Anspruch gemäss
Art. 579 ZGB
hätten, der durch die Konkursmasse geltend gemacht werden "könne". Ebenfalls ohne nähere Begründung vertritt PIOTET (Erbrecht, in: Schweizerisches Privatrecht, Band IV/2, S. 643) die Ansicht, im Falle einer konkursamtlichen Liquidation der Erbschaft - sowohl nach Art. 573 als auch nach
Art. 597 ZGB
- würden die Betreibung gegen den aus
Art. 579 ZGB
haftenden Erben und ein allfälliger Schuldanerkennungsprozess von der durch die Konkursverwaltung vertretenen Konkursmasse oder vom Zessionar der Masse angehoben; in den übrigen Fällen würden die Gläubiger individuell diese Rechtshandlungen vornehmen und, soweit die Haftung des Ausschlagenden ausreiche, in der Reihenfolge befriedigt, in der sie die Betreibung angehoben hätten.
3.
Welche Person als Kläger aufzutreten berechtigt ist (aktive Legitimation zur Sache), und welche Person eingeklagt werden muss (passive Legitimation zur Sache), damit eine konkrete Klage durchdringen kann, ist eine Frage des materiellen Rechts (GULDENER, a.a.O., S. 139; WALDER-BOHNER, Zivilprozessrecht, S. 272, Anm. 4; vgl. auch HABSCHEID, a.a.O., § 20, Rz. 320). Aktivlegitimiert ist grundsätzlich der Träger des fraglichen Rechts, passivlegitimiert die Person, gegen die sich das Recht richtet. Für gewisse Fälle sieht das Gesetz allerdings vor, dass - etwa zur Wahrung eines öffentlichen Interesses - auch ein Dritter, der materiell an dem zu beurteilenden Recht oder Rechtsverhältnis nicht beteiligt ist, zur Prozessführung in eigenem Namen als Partei berechtigt sein kann (so etwa
Art. 78 ZGB
: behördliche Klage auf Auflösung eines Vereins;
Art. 121 ZGB
: Klage durch die zuständige Behörde (Abs. 1) bzw. durch jedermann, der ein Interesse hat (Abs. 2), auf Nichtigerklärung einer Ehe; weitere Beispiele bei GULDENER, a.a.O., S. 140 f., und VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2. A., S. 150, Rz. 92). Die Aktivlegitimation ist in der Praxis schliesslich auch Personen zuerkannt worden, die im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt sind. So ist nach der Rechtsprechung zur Stellung eines Entmündigungsbegehrens berechtigt jeder gemäss
Art. 328 ZGB
unterstützungsberechtigte und unterstützungspflichtige Verwandte der zu entmündigenden Person (vgl.
BGE 112 II 481
E. 2).
4.
Dem Wortlaut von
Art. 579 Abs. 1 ZGB
ist nicht zu entnehmen, wer im Fall einer konkursamtlichen Liquidation des
BGE 116 II 253 S. 258
Nachlasses im Sinne von
Art. 573 Abs. 1 ZGB
gegenüber dem Erben, der die Erbschaft ausgeschlagen hat, Haftungsansprüche geltend zu machen berechtigt ist. Eine nähere Betrachtung der Natur des Haftungsanspruchs ergibt, dass dieser zu keiner Zeit dem Erblasser gegenüber bestanden hat und dass es sich umgekehrt auch nicht um einen Anspruch handelt, der je dem Erblasser zugestanden hätte. Aus dieser Sicht ist der Anspruch gemäss
Art. 579 ZGB
in der Tat den Anfechtungsansprüchen nach den
Art. 285 ff. SchKG
ähnlich, die vom Bundesgericht in
BGE 67 III 185
wie auch von der Vorinstanz zum Vergleich herangezogen wurden. Bezüglich der hier zu beurteilenden Aktivlegitimation besteht ein entscheidender Unterschied zunächst jedoch darin, dass
Art. 285 Abs. 2 SchKG
ausdrücklich bestimmt, wer zur Erhebung der Anfechtungsklage berechtigt ist (Gläubiger, der einen Verlustschein erhalten hat, einerseits und Konkursverwaltung bzw. Abtretungsgläubiger andererseits).
Sodann knüpft der Anspruch gemäss
Art. 579 ZGB
nicht an eine Vorkehr des Erblassers, namentlich nicht an die Zuwendung an den nachmaligen Erben, an; im Mittelpunkt der genannten Bestimmung steht vielmehr die vom Erben eingenommene Haltung. Der Sinn von
Art. 579 ZGB
besteht darin, die Unbilligkeit, welche die Ausschlagung der Erbschaft für die Gläubiger des Erblassers mit sich bringen kann, durch eine - freilich auf den Wert des Vorempfangs beschränkte - persönliche Haftung des Erben zu mildern (dazu PIOTET, a.a.O., S. 638; TUOR/PICENONI, N 20 zu
Art. 579 ZGB
). Anders als bei den Anfechtungstatbeständen der
Art. 285 ff. SchKG
geht es hier nicht darum, durch die Rückabwicklung eines Rechtsgeschäfts Vermögen des Gemeinschuldners in die Masse, d.h. in das Vollstreckungssubstrat, zurückzuführen (dazu AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. A., § 52, Rz. 39 ff.; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2. A., S. 398). Während denn die Anfechtungsansprüche gemäss den
Art. 285 ff. SchKG
- neben demjenigen nach
Art. 214 SchKG
(Verrechnung) - in
Art. 200 SchKG
ausdrücklich als zur Konkursmasse gehörend erklärt werden, ist dies für den hier in Frage stehenden Haftungsanspruch richtigerweise nicht der Fall.
5.
In Anbetracht der dargelegten Grundlagen der Haftungsklage nach
Art. 579 ZGB
geht es entgegen der in
BGE 67 III 185
vertretenen Ansicht nicht an, dem einzelnen Gläubiger des Erblassers die Aktivlegitimation abzusprechen. Der Hinweis der Beklagten
BGE 116 II 253 S. 259
auf die verwaltungsgerichtliche Feststellung, mit den Vorbringen des Klägers hätte sich auch eine Anfechtungsklage begründen lassen, ist nach dem Gesagten unbehelflich. Auch wenn die Auffassung der kantonalen Instanz zutreffen sollte, vermöchte dies nichts daran zu ändern, dass bei der vom Kläger ausdrücklich gestützt auf
Art. 579 ZGB
erhobenen Klage - deren Wesen entsprechend - die Aktivlegitimation anders geregelt ist als bei der Anfechtungsklage. Die Pauliana und die Klage gestützt auf
Art. 579 ZGB
können, aber müssen sich nicht überschneiden.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist somit aufzuheben, und die Sache ist an die kantonale Instanz zurückzuweisen, damit diese die Klage weiter behandle. Ob der Anspruch unter den hier gegebenen Umständen auch von der Konkursverwaltung geltend gemacht werden könnte bzw. hätte geltend gemacht werden können, braucht nicht näher erörtert zu werden. Unbegründet sind auf jeden Fall die Bedenken der Beklagten, sie würde Gefahr laufen, den Vorempfang mehr als ein Mal herausgeben zu müssen, wenn angenommen würde, die Aktivlegitimation sei nicht auf ein einziges Rechtssubjekt beschränkt. Der Erbe, der von einem Erbschaftsgläubiger (oder von der Konkursmasse) aufgrund von
Art. 579 ZGB
ins Recht gefasst würde, nachdem er unter dem gleichen Titel bereits Leistungen erbracht hat, könnte dem neuen Kläger ohne weiteres die entsprechende Verminderung des Vorempfangs entgegenhalten. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6a09f4ad-56f7-493d-a946-a0ca16b7ccd5 | Urteilskopf
108 II 140
28. Arrêt de la Ire Cour civile du 26 avril 1982 dans la cause Loup contre Caisse de retraite de Zyma S.A. (recours de droit public) | Regeste
Mitteilung einer Änderung des Mietvertrages gemäss
Art. 20 BMM
, wonach der Mieter eine neue Abgabe für die Kehrichtabfuhr als Nebenkosten zu tragen hat.
Es ist willkürlich, über die Berechtigung dieser neuen Forderung des Vermieters zu urteilen, ohne dem Mieter Gelegenheit zu geben darzulegen, dass diese Kostenerhöhung durch die Senkung verschiedener anderer Kosten ausgeglichen wird. | Sachverhalt
ab Seite 140
BGE 108 II 140 S. 140
A.-
Depuis avril 1974, Paul Loup est locataire d'un appartement dans un immeuble sis à Nyon, propriété de la Caisse de retraite de Zyma S.A. En 1976, la commune de Nyon institua une taxe pour l'enlèvement des ordures, due par les propriétaires d'immeubles. La bailleresse introduisit, à ce titre, une somme de 45 fr. 60 dans le décompte de chauffage et d'eau chaude qu'elle
BGE 108 II 140 S. 141
adressa à Loup pour la période du 1er mai 1977 au 30 avril 1978. Elle fut condamnée à lui restituer ce montant, faute d'une disposition contractuelle mettant de telles taxes à la charge du preneur.
Le 18 juillet 1979, la Caisse de retraite de Zyma S.A. fit savoir à Loup, sur formule officielle, qu'elle élevait une "prétention nouvelle", qui devait prendre effet à l'échéance du contrat et dont l'objet était le suivant:
"Clause complémentaire au contrat: le locataire participe au paiement
des taxes publiques, notamment de la taxe sur l'enlèvement des ordures
prélevée par la commune de Nyon. Le propriétaire présente un décompte
concernant la répartition de cette charge établi sur la base du volume des
locaux loués. La part du locataire pourra être portée dans le compte de
chauffage sous la rubrique 'divers'."
Paul Loup fit opposition.
B.-
La Caisse de retraite de Zyma S.A. a agi pour faire reconnaître le bien-fondé de ses nouvelles prétentions. Elle a été déboutée par un jugement rendu le 19 août 1980 par le président du Tribunal du district de Nyon et confirmé le 4 novembre 1980 par la Chambre des recours du Tribunal cantonal du canton de Vaud. L'autorité cantonale a considéré que la bailleresse, qui devait supporter une charge nouvelle, ne pouvait que proposer une augmentation de loyer et non la modification du bail pour y introduire une clause mettant ces frais supplémentaires à la charge du preneur. Statuant sur recours de droit public le 1er juin 1981, la Cour de céans a jugé cette opinion arbitraire et a annulé l'arrêt rendu le 4 novembre 1980 par la Chambre des recours (
ATF 107 II 264
ss).
La Chambre des recours du Tribunal cantonal a statué à nouveau par arrêt du 24 novembre 1981 et a reconnu bien fondées les prétentions nouvelles élevées par la Caisse de retraite de Zyma S.A.
C.-
Paul Loup a interjeté un recours de droit public pour arbitraire.
Le Tribunal fédéral a admis le recours dans la mesure où il était recevable et annulé l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Irrecevabilité de conclusions qui vont au-delà de l'annulation de l'acte attaqué.)
BGE 108 II 140 S. 142
2.
L'introduction d'une taxe assise sur les immeubles, qui n'est pas compensée par l'octroi d'avantages nouveaux, représente pour le propriétaire un accroissement de ses charges. Il peut en principe s'en prévaloir pour demander une hausse correspondante de ses loyers, selon l'
art. 15 al. 1 lettre b AMSL
, ou pour introduire dans le bail une clause mettant la taxe à la charge de ses locataires à titre de frais accessoires.
Le propriétaire qui choisit de reporter la taxe nouvelle par une augmentation de loyer doit se laisser opposer d'éventuels facteurs de baisse, qui peuvent compenser tout ou partie de la hausse demandée (
ATF 106 II 356
ss). La Cour cantonale estime que tel n'est en revanche pas le cas lorsque le propriétaire choisit d'introduire une clause mettant la taxe nouvelle à la charge du locataire, à titre de frais accessoires. Le recourant, qui affirme avoir allégué et prouvé l'existence de facteurs de baisse, tient ce point de vue pour arbitraire.
Les parties à un contrat de bail ne sauraient mettre en cause le montant de leur loyer à l'occasion de chacun des comptes périodiques établis pour les charges qu'elles sont convenues de traiter comme frais accessoires. Elles peuvent toutefois le faire lors de l'introduction d'une clause qui fait supporter au preneur, à titre des frais accessoires, des charges qui eussent incombé au bailleur de par la loi. Une telle clause entraîne en effet une augmentation de l'ensemble des prestations dues par le preneur, à moins qu'elle ne soit compensée par une baisse équivalente du loyer proprement dit, et elle peut donc être assimilée à une hausse de loyer. Partant, il est impossible d'apprécier si cette aggravation de la position du locataire représente un abus sans prendre en considération l'ensemble et des facteurs de hausse et des facteurs de baisse. On aboutirait sinon à privilégier, sans aucune raison, le propriétaire qui reporte directement une taxe nouvelle sur ses locataires, en la traitant comme frais accessoires, par rapport à celui qui ne ferait que l'invoquer pour demander une augmentation de loyer proprement dite. La solution retenue par la Cour cantonale apparaît dès lors incompatible avec l'esprit de la loi. Elle heurte, de plus, le sentiment de la justice et de l'équité. Elle permettrait au bailleur d'invoquer des charges nouvelles pour élever des prétentions accrues, sans avoir à se laisser opposer les allégements dont il a pu bénéficier par ailleurs. Elle fonderait l'aggravation de la position du locataire sur un accroissement des charges du propriétaire, alors que l'ensemble de ces charges pourrait n'avoir
BGE 108 II 140 S. 143
pas augmenté, voire avoir diminué. On ne saurait, au demeurant, renvoyer le locataire à faire valoir les facteurs de baisse dans une instance indépendante introduite en conformité de l'
art. 19 AMSL
. Il n'a en principe aucune raison de solliciter une baisse tant que le propriétaire accepte de supporter lui-même des taxes nouvelles qui compensent la réduction de certains autres de ses frais. Et lorsque le propriétaire demande l'introduction d'une clause mettant ces taxes à la charge du locataire, à titre de frais accessoires, ce dernier peut avoir, sans sa faute, laissé passer le délai pour solliciter une baisse de loyer correspondante, prenant effet à la même date (
ATF 107 II 260
ss). Arbitraire dans la mesure où elle dénie au recourant le droit d'opposer des facteurs de baisse de loyer aux prétentions nouvelles de l'intimée, la décision attaquée doit donc être annulée. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6a0a6442-cce1-4248-9d16-ad5cc02668d5 | Urteilskopf
126 II 495
50. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. November 2000 i.S. X. gegen Bezirksgericht Zürich sowie Bezirksanwaltschaft, Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 9 und 80e lit. b IRSG
;
Art. 69 BStP
; Anwaltsgeheimnis; Zulässigkeit kantonaler Rechtsmittel gegen Zwischenentscheide im Rechtshilfeverfahren; Entsiegelung und Durchsuchung von bei einem Anwalt beschlagnahmten Daten.
Ein Entscheid über die Entsiegelung von Daten, die zum Zwecke der Rechtshilfe beschlagnahmt worden sind, ist ein Zwischenentscheid im Rechtshilfeverfahren (E. 3).
Die Aufzählung von unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteilen in
Art. 80e lit. b Ziff. 1 und 2 IRSG
ist abschliessend (E. 5a - d). Enthält ein Datenträger auch Daten, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen, so muss der Entsiegelsrichter selbst jene Daten ausscheiden, die durch das Anwaltsgeheimnis geschützt sind. Eine Zwischenverfügung des Entsiegelsrichters, welche die Ausscheidung durch die Rechshilfe- und Untersuchungsbehörden anordnet, greift in das Anwaltsgeheimnis ein (E. 5e/aa). Sie ist trotzdem nicht selbständig anfechtbar (E. 5e/bb-dd). | Sachverhalt
ab Seite 496
BGE 126 II 495 S. 496
Die Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin führt gegen verschiedene Personen ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachtes. Nach ihren bisherigen Erkenntnissen habe die Täterschaft im Zuge der deutschen Wiedervereinigung über verschiedene Firmen Lieferungen nach Ungarn vorgetäuscht und dafür zu Unrecht die Konvertierung transferabler Rubel in Deutsche Mark erreicht. Dadurch sei der Bundesrepublik Deutschland ein Schaden von rund 115 Mio. DM entstanden. Am Schluss einer längeren Kette von Zahlungen sei es zu Überweisungen der "F. AG" an die "U. AG" gekommen, deren wirtschaftliche Eigentümer die Nutzniesser der Scheingeschäfte gewesen seien. Repräsentant der "U. AG" sei Rechtsanwalt Dr. Y. gewesen, dessen Aufgaben aber inzwischen von seinem Sohn, Rechtsanwalt X. wahrgenommen würden.
Am 31. März 1998 ersuchten die deutschen Behörden im Zusammenhang mit dieser Strafuntersuchung um die Sicherstellung von Unterlagen über die "U. AG" bei X. In dessen Anwaltspraxis führte die Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich daraufhin eine Hausdurchsuchung durch, beschlagnahmte ein Datenband ("Streamerband") samt dazugehörigem Inhaltsinventar und versiegelte dieses sogleich.
Es kam daraufhin zu verschiedenen prozessualen Weiterungen, unter anderem am 25. Juni 1999 zu einem Entscheid der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich, mit dem eine Ordnungsbusse aufgehoben wurde. Diese war von der 2. Abteilung des Bezirksgerichts Zürich gegen X. verhängt worden, weil er sich geweigert hatte, das EDV-System zu bezeichnen, welches die gespeicherten Daten sichtbar hätte machen können. Schliesslich wurde das Entsiegelungsverfahren der 3. Abteilung des Bezirksgerichts
BGE 126 II 495 S. 497
zugeteilt. Diese ordnete die Entsiegelung sowie die Durchsuchung der Unterlagen durch die Bezirksanwaltschaft an. Hiergegen erhob X. Rekurs an das Obergericht des Kantons Zürich.
Mit Beschluss vom 16. Juni 2000 trat die III. Strafkammer des Obergerichts nicht auf den Rekurs von X. ein. Sie erwog, der angefochtene Entsiegelungsentscheid sei ein Zwischenentscheid im Rechtshilfeverfahren, gegen welchen das Bundesrecht kantonale Rechtsmittel ausschliesse. Eventualiter begründete die III. Strafkammer, warum der Rekurs hätte abgewiesen werden müssen, wenn auf ihn hätte eingetreten werden können.
X. führt gegen den Beschluss der III. Strafkammer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Entscheids und eine Rückweisung der Sache an das Obergericht zur materiellen Beurteilung. Eventuell beantragt er eine Abweisung des Entsiegelungsbegehrens. Er macht in erster Linie geltend, der angefochtene Entscheid sei kein Zwischenentscheid in einem Rechtshilfeverfahren, sondern ein Entscheid in einem selbstständigen kantonalen Verfahren, gegen den im kantonalen Recht vorgesehene Rechtsmittel zur Verfügung stünden. Eventualiter bringt er vor, nach Bundesrecht hätte auf seinen kantonalen Rekurs eingetreten werden müssen, da ihm ein nicht wieder gutzumachender Nachteil gedroht habe. In diesem Rahmen nimmt er zu den Ausführungen des angefochtenen Entscheids zur materiellen Berechtigung der Entsiegelung Stellung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die III. Strafkammer stützt ihr Nichteintreten darauf, dass
Art. 80e lit. b IRSG
kantonale Rechtsmittel gegen Zwischenentscheide im Rechtshilfeverfahren nur zulasse, sofern diese aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken würden.
Der Beschwerdeführer macht als Hauptstandpunkt geltend, ein Entsiegelungsentscheid sei kein Zwischenentscheid im Rechtshilfeverfahren, sondern ein Entscheid in einem selbstständigen kantonalen Verfahren, auch wenn die Entsiegelung zwecks Gewährung von Rechtshilfe erfolge. Er beruft sich dabei auf
BGE 121 II 245
E. 4d/aa S. 247, wonach die Bezeichnung der zuständigen Behörden für Fragen im Zusammenhang mit Siegelungen dem kantonalen Recht obliege. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass auf das Entsiegelungsverfahren
BGE 126 II 495 S. 498
selbst auch bundesrechtliche Regeln anwendbar sind. So schreibt
Art. 9 IRSG
vor, dass für die Versiegelung von Papieren die Grundsätze von
Art. 69 BStP
gelten. Das Bundesgericht hat entschieden, dass die vom IRSG vorgesehene Rechtsmittelordnung auch in einem kantonalen Verfahren betreffend kantonaler Zwangsmassnahmen gilt, sobald es direkt ein nach dem IRSG abzuwickelndes Rechtshilfeverfahren und damit den Umfang der allenfalls zu leistenden Rechtshilfe betrifft (
BGE 120 Ib 112
E. 3 S. 116 ff.). Es ist offensichtlich, dass das kantonale Entsiegelungsverfahren im vorliegenden Fall den Umfang der möglicherweise zu leistenden Rechtshilfe bestimmt. Wäre das Begehren, die Entsiegelung zu verweigern, gutgeheissen worden, so hätten die versiegelten Informationen dem ersuchenden Staat auch nach einer das Ersuchen gutheissenden Schlussverfügung nicht übermittelt werden können. Das vorliegende Entsiegelungsverfahren bildet somit Teil des Rechtshilfeverfahrens. Die umstrittene Anordnung dient der Ausführung des Rechtshilfeersuchens und gilt als Verfügung der mit der Ausführung betrauten kantonalen Rechtshilfebehörden.
Am 1. Februar 1997 ist das IRSG revidiert worden und insbesondere
Art. 80e lit. b IRSG
in Kraft getreten. Dabei wurden die Möglichkeit, Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zu führen, und auch die auf kantonaler Ebene zulässigen Rechtsmittel eingeschränkt (vgl. Urteil des Bundesgerichts i.S. des Beschwerdeführers vom 15. Juli 1998 E. 2a und 2b, und hinten E. 5a-c). Anders war das Ziel einer Beschleunigung der Verfahren (vgl.
Art. 17a IRSG
) nicht zu erreichen und waren Missbrauchsmöglichkeiten nicht zu vermeiden.
Art. 80e IRSG
sieht gegen Verfügungen in Rechtshilfesachen ein kantonales Rechtsmittelverfahren vor, das einer bundesrechtlichen Sonderregelung unterworfen ist, die dem kantonalen Verfahrensrecht vorgeht (vgl. MICHEL FÉRAUD, Die neue Rechtsmittelordnung in der Rechtshilfe zur Unterstützung eines Strafverfahrens im Ausland, in: Solothurner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1998, 1998, S. 659). Wie die III. Strafkammer zu Recht festgehalten hat, bedeutet der in
Art. 9 IRSG
enthaltene Verweis auf
Art. 69 BStP
nicht, dass das Entsiegelungsverfahren von der Rechtsmittelordnung der Art. 80e f. IRSG ausgenommen wäre. Diese gilt abschliessend für alle Anordnungen der ausführenden Behörden. Darunter fallen - wie gesagt - auch Entscheide des Entsiegelungsrichters. Die III. Strafkammer hat somit zu Recht
Art. 80e IRSG
auf die Frage angewandt, ob der kantonale Rekurs des Beschwerdeführers zulässig sei.
BGE 126 II 495 S. 499
4.
Eventualiter macht der Beschwerdeführer geltend, nach
Art. 80e lit. b IRSG
hätte die III. Strafkammer auf seinen Rekurs eintreten müssen, weil der Entsiegelungsentscheid des Bezirksgerichts einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirkt habe. Die III. Strafkammer führt aus, der bezirksgerichtliche Entscheid bewirke weder eine Beschlagnahme von Vermögenswerten oder Wertgegenständen noch eine Anwesenheit von Personen, die am ausländischen Prozess beteiligt seien. Es sei somit keiner der beiden in
Art. 80e lit. b IRSG
genannten Fälle, die einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnten, gegeben.
Der Beschwerdeführer behauptet nicht, das zu entsiegelnde "Streamerband" sei ein Wertgegenstand oder Vermögenswert. Hingegen macht er geltend, bei einer von der Bezirksanwaltschaft ausgeführten Durchsicht werde diese mittelbar oder unmittelbar die deutschen Behörden von seinen sämtlichen Mandatsbeziehungen informieren, bevor eine Schlussverfügung ergehe. Wie die III. Strafkammer zu Recht festgehalten hat, ist die Anwesenheit von ausländischen Beamten oder Prozessbeteiligten im bisherigen Verfahren nicht bewilligt worden. Die Gefahr einer vorzeitigen Kenntnisnahme durch Untersuchungsorgane des ersuchenden Staates besteht somit nicht. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, auch sonstwie könnte der ersuchende Staat vorzeitig zu Informationen kommen, ist festzuhalten, dass entsiegelte Akten und Informationen daraus dem ersuchenden Staat erst zugehen dürfen, wenn die Schlussverfügung vorliegt und der Betroffene Gelegenheit hatte, sich gegen eine Beschlagnahme und Übermittlung in einem Rechtshilfeverfahren zur Wehr zu setzen. Die mit der Durchsuchung betraute kantonale Behörde wird sich strikte daran halten, zumal die Erwägungen des Bezirksgerichts und der III. Strafkammer einen entsprechenden Hinweis enthalten. Es handelt sich daher um keinen Fall, in dem ein unmittelbarer und nicht wieder gutzumachender Nachteil durch die Anwesenheit von ausländischen Beamten oder Prozessbeteiligten drohen würde. Die III. Strafkammer hat somit zu Recht verneint, dass einer der beiden in
Art. 80e lit. b Ziff. 1 und 2 IRSG
aufgezählten Fälle vorliegen würde.
5.
Die III. Strafkammer geht sinngemäss davon aus, die in
Art. 80e lit. b Ziff. 1 und 2 IRSG
enthaltene Aufzählung von Fällen, in denen eine Zwischenverfügung selbstständig anfechtbar ist, sei abschliessend. Das Bundesgericht konnte bisher die Frage offen lassen, ob - mit Blick auf den Schutz der Berufsgeheimnisse - im
BGE 126 II 495 S. 500
Einzelfall weitere Ausnahmen von der restriktiven gesetzlichen Regelung zulässig sein könnten (vgl. unveröffentlichte Entscheide des Bundesgerichts vom 24. August 2000 i.S. E. E. 2d und vom 15. Juli 1998 i.S. des Beschwerdeführers E. 2d sowie unveröffentlichte E. 1a von
BGE 125 II 411
). Im vorliegenden Fall ist diese Frage zu entscheiden, da der Beschwerdeführer sein Anwaltsgeheimnis anruft (vgl. hinten E. 5e).
a)
Art. 80e lit. b IRSG
erlaubt die selbstständige Anfechtung von "Zwischenverfügungen, die einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken:
1.
durch die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen;
oder
2.
durch die Anwesenheit von Personen, die am ausländischen Prozess
beteiligt sind."
Dieser Wortlaut spricht gegen die Möglichkeit, andere als die beiden ausdrücklich erwähnten Nachteile zu berücksichtigen, selbst wenn sie unmittelbar und nicht wieder gutzumachen sind. Vor der Aufzählung der Ziff. 1 und 2 steht ein Doppelpunkt, es fehlt ein vorangehendes Wort wie "insbesondere" und die beiden aufgezählten Fälle werden durch die Konjunktion "oder" getrennt.
b) Der Bundesrat hatte eine Formulierung vorgeschlagen, nach der jeder unmittelbare und nicht wieder gutzumachende Nachteil Zwischenverfügungen selbstständig anfechtbar gemacht hätte (vgl. BBl 1995 III 54). Wie ein roter Faden zog sich durch die Beratungen der Räte das Anliegen, das Verfahren zu beschleunigen und die Anzahl möglicher Rechtsmittel einzuschränken (vgl. AB 1995 II N 2620 [Votum Engler], 2621 f. [de Dardel], 2624 [Rechsteiner], 2625 [David], 2636 [Dormann], 2648 [Bundesrat Koller]; AB 1996 S 223 [Küchler], 224 [Marty, Danioth], 225 f. [Bundesrat Koller], 237 f. [Marty] und 243 [Küchler]; AB 1996 I N 743 [Engler]). Daher schlug die ständerätliche Kommission eine Formulierung vor, von der sie berichtete, es sei ihr gelungen, mit Hilfe der Expertenkommission die Fälle eines unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteils abschliessend aufzuzählen. Sie habe befürchtet, die Formulierung in der bundesrätlichen Botschaft könne trölerische Rekurse auslösen (AB 1996 S 243 [Votum Küchler]). Nachdem im Nationalrat auch der Vertreter des Bundesrats eine solche abschliessende Aufzählung befürwortet hatte (AB 1996 I N 746), wurde sie Gesetz.
c) Eine Beschränkung auf die beiden in
Art. 80e lit. b IRSG
aufgezählten Fälle entspricht auch dem von Bundesrat und Räten erklärten
BGE 126 II 495 S. 501
Zweck der IRSG-Revision. Dieser bestand darin, Doppelspurigkeiten und Missbrauchsmöglichkeiten auszuschliessen. Daher sollten Zwischenverfügungen nur noch in sehr seltenen Ausnahmefällen selbstständig anfechtbar sein (vgl. BBl 1995 III 11, 13 und 30; AB 1995 II N 2625 [Votum David]).
d) Auch in der Literatur wird davon ausgegangen, dass die Aufzählung des
Art. 80e lit. b IRSG
abschliessend sei (vgl. MARC FORSTER, Straffung des Verfahrens, eingeschränkter Rechtsschutz: Die Praxis nach der Revision des Bundesgesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Anwalts-Revue 1999, Heft 6-7, S. 13; PIERRE-DOMINIQUE SCHUPP, La révision de la loi fédérale sur l'entraide internationale en matière pénale [EIMP], ZStrR 115/1997 S. 186; RUDOLF WYSS, Die Revision der Gesetzgebung über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, SJZ 93/1997 S. 36), wobei dies vereinzelt gerade für Entsiegelungen von Unterlagen kritisiert wird, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen (FORSTER, a.a.O.).
e) Der Beschwerdeführer ruft sein Anwaltsgeheimnis an, das durch die Entsiegelung des "Streamerbands" und insbesondere durch dessen Durchsuchung durch die Bezirksanwaltschaft verletzt werde. Er macht geltend, wenn eine Zwischenverfügung in einem Rechtshilfeverfahren einen Eingriff in das Anwaltsgeheimnis bewirke, müsse sie sofort selbstständig anfechtbar sein, um einen unmittelbaren und nicht wieder gutzumachenden Nachteil zu verhindern. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu prüfen, ob der bezirksgerichtliche Entscheid entgegen der Eventualbegründung der III. Strafkammer überhaupt einen Eingriff in das Anwaltsgeheimnis bewirkt. Falls dies zutrifft, stellt sich die Frage, ob aus diesem Grunde derartige Anordnungen selbstständig anfechtbar sein müssen.
aa) In Rechtshilfesachen ist zwar grundsätzlich auf den Sachverhalt abzustellen, wie er im Rechtshilfegesuch geschildert wird (
BGE 118 Ib 111
E. 5b S. 121 f.;
BGE 115 Ib 68
E. 3b/bb S. 78 mit Hinweisen). Im Weiteren gilt das Anwaltsgeheimnis nicht für Informationen im Zusammenhang mit einer Tätigkeit, bei der das kaufmännische Element überwiegt (
BGE 120 Ib 112
E. 4 S. 119 mit Hinweisen), oder wenn der Anwalt selbst beschuldigt ist (
BGE 106 IV 413
E. 7c S. 424; vgl. auch
BGE 125 I 46
E. 6 S. 50 mit Hinweisen). Auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen greift jedoch der bezirksgerichtliche Entscheid in das Anwaltsgeheimnis ein, soweit er eine Durchsuchung des "Streamerbands" durch die Bezirksanwaltschaft anordnet, obwohl sich auf diesem unbestrittenermassen auch Daten befinden, die vom Anwaltsgeheimnis geschützt sind.
BGE 126 II 495 S. 502
Das Anwaltsgeheimnis schützt Informationen, die einem Anwalt im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit zugekommen sind, - einschliesslich seiner Aufzeichnungen und Korrespondenz in diesem Zusammenhang - gegen eine Einsichtnahme durch die Untersuchungsbehörden (vgl.
Art. 321 StGB
und §§ 103 und 130 des Zürcher Gesetzes betreffend den Strafprozess vom 4. Mai 1919 [StPO/ZH, LS 321]).
Im vorliegenden Verfahren geht es um ein "Streamerband", von dem der Beschwerdeführer behauptet, darauf sei seine gesamte anwaltliche Korrespondenz während einer bestimmten Periode aufgezeichnet. Die kantonalen Behörden stellen nichts Gegenteiliges fest. Der Beschwerdeführer ist auch als Anwalt tätig und er ist nicht Beschuldigter. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers darf das "Streamerband" gleichwohl nach nicht dem Anwaltsgeheimnis unterstehenden Daten durchsucht werden, die Gegenstand des Rechtshilfeersuchens sind und ebenfalls darauf aufgezeichnet sind. Hingegen rechtfertigt die Situation besondere Massnahmen um zu verhindern, dass die Bezirksanwaltschaft bei der Durchsuchung dem Anwaltsgeheimnis unterstehende Daten zur Kenntnis nehmen kann.
In
BGE 102 IV 210
ging es um eine Entsiegelung gegenüber einem mitbeschuldigten Anwalt. Gewisse zu entsiegelnde Informationen fielen unbestrittenermassen unter dessen Anwaltsgeheimnis, andere unter demselben Siegel aufbewahrte interessierten jedoch legitimerweise die Untersuchungsbehörden. Das Bundesgericht hat entschieden, dass erstere selbst in einem solchen Falle nicht zur Kenntnis der Untersuchungsbehörden gelangen dürfen, und hat daher die Untersuchung selbst vorgenommen (E. 6 S. 216 f.). Ebenso hat es in einem Rechtshilfefall ein Testament behandelt, das bei einem Anwalt versiegelt worden war (unveröffentlichter Entscheid vom 2. März 1998 i.S. Bundesanwaltschaft c. X. E. 3b/bb). Eine Durchsuchung und Ausscheidung durch den Richter selbst hat im vorliegenden Verfahren auch die III. Strafkammer in ihrem Entscheid vom 25. Juni 1999 angeregt. Die Lehre empfiehlt ebenfalls ein solches Vorgehen, wenn dem Anwaltsgeheimnis unterliegende Unterlagen durchsucht werden müssen (vgl. GÉRARD PIQUEREZ, Procédure pénale suisse, Zürich 2000, S. 543; ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4. Auflage, 1999, S. 302; LORENZ ERNI, Anwaltsgeheimnis und Strafverfahren, in: Das Anwaltsgeheimnis, Zürich 1997, S. 32). Im vorliegenden Falle wurden auch keine technischen Massnahmen angeordnet, um eine Einsicht der Bezirksanwaltschaft in Informationen über Mandanten, die nichts
BGE 126 II 495 S. 503
mit dem Ersuchen zu tun haben, zu verunmöglichen (vgl. dazu Entscheid des Bundesgerichts vom 10. Februar 1995 i. S. J. E. 3b in RDAT 1995 II Nr. 21 S. 63).
Danach hätte die Untersuchung des Bandes, auf dem sich unbestrittenermassen auch dem Anwaltsgeheimnis unterstehende Informationen befinden, nicht den das Rechtshilfeersuchen ausführenden Untersuchungsbehörden überlassen werden dürfen. Das Gericht hätte die Ausscheidung derjenigen Daten, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen, wenn nötig unter Beizug eines Sachverständigen, richtigerweise selbst vornehmen müssen. Der Bezirksanwaltschaft hätten nur die für das Rechtshilfeverfahren gemäss dem Rechtshilfeersuchen relevanten Unterlagen übermittelt werden sollen, von denen das Bezirksgericht festgestellt hätte, dass sie nicht durch das Anwaltsgeheimnis geschützt sind.
bb) Da die von der III. Strafkammer in der Eventualbegründung des angefochtenen Entscheids geschützte bezirksgerichtliche Anordnung einer Durchsuchung durch die Bezirksanwaltschaft in das Anwaltsgeheimnis eingreift, fragt sich, ob dies dazu führen muss, dass die entsprechende Zwischenverfügung selbstständig und sofort anfechtbar ist.
Die Auslegung von
Art. 80e lit. b IRSG
hat ergeben, dass die Aufzählung der selbstständig anfechtbaren Zwischenverfügungen in dessen Ziff. 1 und 2 grundsätzlich abschliessend ist. Eine Ausnahme könnte nur angenommen werden, wenn eine sachlich richtige Entscheidung, ausgerichtet auf ein angesichts der Wertungen der Rechtsordnung befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis, in derartigen Fällen eine selbstständige Anfechtbarkeit des Zwischentscheids verlangt (vgl. zu diesem traditionell als "unechte Lücke" bezeichneten Fall und zur Frage, wieweit diese von einem Gericht "geschlossen" werden dürfte,
BGE 121 III 219
E. 1d/aa S. 224 ff. mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre sowie seither DAVID DÜRR, Zürcher Kommentar, N. 322-335, 384-394 und 410-416 zu
Art. 1 ZGB
).
cc) Für eine selbstständige Anfechtbarkeit in Fällen wie dem vorliegenden spricht, dass der Gesetzgeber mit
Art. 9 IRSG
und dem dortigen Verweis auf
Art. 69 BStP
bundesrechtlich sicherstellen wollte, dass Berufsgeheimnisse auch im innerstaatlichen Rechtshilfeverfahren gewahrt bleiben. Wenn die das Rechtshilfebegehren ausführenden Untersuchungsbehörden Akten durchsuchen, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen, so ist der daraus entstehende Nachteil angesichts der Bedeutung des Anwaltsgeheimnisses für
BGE 126 II 495 S. 504
den Rechtsstaat nicht geringer als die Nachteile für das Vermögen und die Geheimsphäre, welche in
Art. 80e lit. b Ziff. 1 und 2 IRSG
ausdrücklich aufgezählt werden.
dd) Überwiegende Gründe sprechen jedoch auch in Fällen einer in das Anwaltsgeheimnis eingreifenden Zwischenverfügung gegen eine selbstständige Anfechtbarkeit.
Zunächst liegt es in der Natur des mit der IRSG-Revision gewählten "Genfer Modells", welches das Rechtsmittelverfahren auf die Schlussverfügung verschiebt, dass zunächst eine Untersuchung mit Zwangsmassnahmen stattfindet und erst später über deren Zulässigkeit entschieden wird.
Wenn das Anwaltsgeheimnis (oder ein anderes Berufsgeheimnis) zum Ergreifen von Rechtsmitteln gegen Zwischenverfügungen berechtigen würde, könnten die Geheimnisträger Zwangsmassnahmen mit Leichtigkeit selbstständig anfechten. Sie müssten nur behaupten, unter den zu entsiegelnden Daten befänden sich auch solche, von denen sie glaubhaft machen würden, dass sie dem Anwaltsgeheimnis unterstünden. Müssten kantonale Rechtsmittelinstanzen und das Bundesgericht bereits auf Beschwerden gegen Entsiegelungen eintreten, hiesse dies, dass ihnen im gleichen Rechtshilfefall zwei Mal hintereinander analoge Fragen zur Beurteilung vorgelegt werden könnten. Zuerst müssten sie auf Beschwerde gegen den Zwischenentscheid hin beurteilen, ob das Anwaltsgeheimnis einer Entsiegelung entgegensteht. Sodann müssten sie auf Beschwerde gegen die Schlussverfügung hin prüfen, ob das Anwaltsgeheimnis der Übermittlung der entsiegelten Informationen an den ersuchenden Staat entgegensteht. In diesem Zusammenhang ist auch der Gefahr des Rechtsmissbrauchs Rechnung zu tragen. Ein Abweichen von der restriktiven gesetzlichen Regelung könnte von Anwälten in den praktisch häufigen Fällen, in denen sie auch kommerziell tätig sind, geradezu als Einladung missverstanden werden, das Verfahren zu verlängern und zu komplizieren. Damit wäre aber die vom Gesetzgeber gewollte und für die internationale Verbrechensbekämpfung unerlässliche Verfahrensbeschleunigung für eine praktisch wichtige Fallgruppe hinfällig. Der vorliegende Fall zeigt, dass es mit verschiedenen Rechtsmitteln möglich war, eine Entsiegelung von Akten, die am 22. Oktober 1998 versiegelt worden waren, bis heute zu verhindern und das Rechtshilfeverfahren so lahm zu legen.
Weiterhin gilt es zu berücksichtigen, dass der Eingriff in das Anwaltsgeheimnis, den die vom Bezirksgericht angeordnete Vorgehensweise bei der Entsiegelung bewirkt, aus verschiedenen
BGE 126 II 495 S. 505
Gründen eng eingegrenzt ist (vgl. auch
BGE 119 IV 175
E. 3 S. 178). Schon anlässlich der Versiegelung kann der Anwalt in der Regel Akten über andere als die vom Rechtshilfeersuchen betroffenen Klienten aussondern (vgl. auch
BGE 111 Ib 50
E. 3b S. 52 und
BGE 102 Ia 516
E. 5c S. 527 mit Hinweis). Im Übrigen untersteht die durchsuchende Bezirksanwaltschaft dem Amtsgeheimnis. Wie das Bezirksgericht in seinem Entscheid in Erinnerung gerufen hat, darf sie die gewonnenen Informationen vor Ergehen einer anfechtbaren Schlussverfügung nicht an die ausländischen Behörden weitergeben (vgl.
Art 65a Abs. 3 IRSG
). Die Entsiegelung selbst ist von einem Gericht beschlossen worden, vor dem der Betroffene sein Anwaltsgeheimnis geltend machen konnte. Die Durchsuchung muss nach
Art. 69 BStP
in einer Weise durchgeführt werden, die Berufsgeheimnisse wahrt. Der Betroffene kann daran teilnehmen. Auch bei elektronisch gespeicherten Dateien kann die Bezirksanwaltschaft eine Durchsuchungsmethode wählen, die eine Kenntnisnahme von Daten, die unbestrittenermassen dem Anwaltsgeheimnis unterstehen, verunmöglicht (vgl. Entscheid des Bundesgerichts vom 10. Februar 1995 i. S. J. E. 3b in RDAT 1995 II Nr. 21 S. 63). Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit bestimmt, wieweit Angaben des Anwalts über den Inhalt seiner Unterlagen überprüft werden müssen (BERNARD CORBOZ, Le secret professionnel de l'avocat selon l'art. 321 CP, SJ 1993 S. 101). Jedenfalls muss auf die Einsicht in bestimmte Daten verzichtet werden, sobald feststeht, dass diese dem Anwaltsgeheimnis unterstehen.
Informationen, welche dem Anwaltsgeheimnis unterstehen und welche die Bezirksanwaltschaft trotz aller Vorsichtsmassnahmen bei der Durchsuchung erfahren würde, dürften grundsätzlich nicht verwendet werden. "Zufallsfunde" dürfen für Strafverfolgungen oder Rechtshilfemassnahmen nur verwendet werden, wenn die Voraussetzungen für deren rechtmässiges Erlangen auf Grund einer nachträglichen Prüfung gegeben wären (vgl. zu Informationen, die bei einer Telephonüberwachung erlangt wurden,
BGE 125 I 46
E. 5 S. 49 mit Hinweisen). Unterlagen und Daten, die dem Anwaltsgeheimnis unterstehen und nicht einen beschuldigten Anwalt betreffen, könnten die Behörden jedoch gar nicht rechtmässig beschlagnahmen. Daher dürften sie diese auch nicht verwerten (BGE
BGE 103 Ia 206
E. 9b S. 217;
BGE 96 I 437
E. 3b S. 440 f. mit Hinweisen).
Schliesslich kann der Entsiegelungsentscheid zusammen mit der Schlussverfügung an kantonale Rechtsmittelbehörden und an das Bundesgericht weitergezogen werden (vgl.
Art. 80e lit. a und 80f
BGE 126 II 495 S. 506
Abs. 1 IRSG
). Diese können somit das Aufkommen einer das Anwaltsgeheimnis verletzenden Praxis allgemein verhindern und im konkreten Einzelfall zumindest die Übermittlung derart erlangter Unterlagen an den ersuchenden Staat untersagen.
f) Zusammenfassend sind Zwischenverfügungen im Rechtshilfeverfahren in anderen als den beiden in Art. 80e lit. b Ziff. 1 und 2 aufgezählten Fällen grundsätzlich nicht selbstständig anfechtbar. Eine Durchsuchung von teilweise unbestrittenermassen dem Anwaltsgeheimnis unterstehenden Unterlagen durch die das Rechtshilfeersuchen ausführenden Untersuchungsbehörden, wie sie das Bezirksgericht angeordnet hat, greift zwar in das Anwaltsgeheimnis ein und sollte daher künftig in gleich gelagerten Fällen vermieden werden. Trotzdem ist eine Zwischenverfügung nicht deshalb selbstständig anfechtbar, weil sie eine derartige Anordnung enthält. Die III. Strafkammer ist somit entsprechend der Hauptbegründung des angefochtenen Entscheids zu Recht auf den kantonalen Rekurs des Beschwerdeführers nicht eingetreten. | public_law | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6a0b5ee6-3ca7-4856-a91c-ebf19b5cc63e | Urteilskopf
113 Ib 60
11. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. März 1987 i.S. Oltner Lagerhaus- und Speditionsgesellschaft AG gegen Einwohnergemeinde Olten und Regierungsrat des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 10 USG
; Katastrophenschutz; Wegschaffungspflicht und Wiedereinlagerungsverbot von Chemikalien.
1. Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz (USG) ist unmittelbar anwendbar; einer gestützt auf Art. 10 Abs. 4 und allenfalls
Art. 39 Abs. 1 USG
erlassenen bundesrätlichen Verordnung bedarf es nicht (E. 3).
2. Beim Katastrophenschutz darf die Behörde im Sinne einer vorläufigen Massnahme relativ undifferenzierte Anordnungen erlassen; diese sind aber alsdann innert nützlicher Frist nach dem neuen Erkenntnisstand zu präzisieren (E. 5a und 6). | Sachverhalt
ab Seite 60
BGE 113 Ib 60 S. 60
Die Oltner Lagerhaus- und Speditionsgesellschaft AG (OLG) führt auf der Liegenschaft der Gerberei Olten AG (GEROLAG) ein Lager von
BGE 113 Ib 60 S. 61
mehreren tausend Tonnen Chemikalien. Sie benützt dazu je mindestens 100 Jahre alte, teilweise in Holz erstellte Gebäulichkeiten der ehemaligen Gerberei, deren Betrieb vor ungefähr 20 Jahren aufgegeben wurde. Die Chemikalien stammen hauptsächlich von drei Auftraggebern, nämlich der Ciba-Geigy, der BASF und der Colorchemie. Ein Teil der Lokalitäten ist an eine grosse Zahl weiterer Betriebe verschiedener Branchen untervermietet. Im Bereich des Lagerhauses herrscht ein reger Personenverkehr, wobei auch Drittpersonen, die nicht mit den Anlageinhabern in Beziehung stehen, Zugang haben.
Kanton und Firma bemühen sich seit längerer Zeit, die sich aus der Lagerung ergebenden Gefahren einzudämmen. Nach der Brandkatastrophe von Schweizerhalle vom 1. November 1986 kam der Regierungsrat zum Schluss, dass das Sicherheitsrisiko nicht länger zu verantworten sei und deshalb Sofortmassnahmen getroffen werden müssten, um das Chemielager abzubauen. Er verfügte daher am 16. Dezember 1986 im wesentlichen, die Beschwerdeführerin habe ihr Lager teils mengenmässig zu beschränken, teils ganz aufzuheben und entsprechende Schutzmassnahmen zu treffen.
Im einzelnen lautet die Verfügung - soweit hier interessierend - wie folgt:
"1. Die Firma OLG hat so rasch als möglich die Gesamtmenge der eingelagerten Chemikalien auf höchstens 2500 Tonnen zu beschränken. Als äusserster Termin gilt Ende März 1987. Eine weitere Plafonierung wird in einer Anschlussverfügung festgelegt.
...
3. Es wird untersagt, anstelle von weggeschafften Chemikalien neue Stoffe im Sinne von Ziffer 4 einzulagern.
4. Folgende Stoffe sind sofort, spätestens jedoch bis Ende März 1987 wegzuschaffen:
- Im Brandfall toxische Brandgase abgebende Substanzen (beispielsweise chlorierte Dioxine oder Furane)
- Besonders ökotoxische oder humantoxische Stoffe
- Stoffe, die elementares Quecksilber oder Quecksilberverbindungen nicht nur als unvermeidliche Verunreinigung enthalten
- Lösungsmittel mit einem Flammpunkt unter 55o C
- Chemikalien der Brandklasse 2
- Biologisch schwer abbaubare Stoffe (beispielsweise Chlorkohlenwasserstoffe, metallorganische Verbindungen etc.)
Diese Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Anlageinhaber
sind verpflichtet, im Rahmen der Selbstverantwortung gegebenenfalls weitere Einschränkungen vorzunehmen.
BGE 113 Ib 60 S. 62
..."
Die OLG erhob gegen diesen Entscheid am 16. Januar 1987 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ihn vollumfänglich, eventuell nur hinsichtlich bestimmter Ziffern aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass Art. 10 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (Umweltschutzgesetz; USG), auf den sich die angefochtene Verfügung stützt, unmittelbar anwendbar sei. Sie ist der Ansicht, hiefür bedürfe es vorerst der in Abs. 4 vorgesehenen bundesrätlichen Verordnung.
a) Nach
Art. 10 Abs. 1 USG
trifft, wer Anlagen betreibt oder betreiben will oder Stoffe lagert, die bei ausserordentlichen Ereignissen den Menschen oder seine natürliche Umwelt schwer schädigen können, die zum Schutz der Bevölkerung und der Umwelt notwendigen Massnahmen. Nach ihrem klaren Wortlaut richtet sich die Vorschrift an den Privaten und auferlegt ihm direkte Verhaltenspflichten. Insoweit bedarf es zu ihrem Vollzug, d.h. ihrer Durchsetzung durch einzelfallweise Anordnungen der Behörden, keines ausführenden Rechtes. Auch hindert der Umstand für sich allein, dass in einer Vorschrift eine weitere rechtssatzmässige Regelung in Aussicht genommen wird, die direkte Anwendbarkeit der Bestimmung nicht (
BGE 112 Ib 43
/44 E. 1c). Das Bundesgericht hat ausgeführt, es entscheide mangels entsprechender Ausführungsvorschriften nach der Regel, die es als Verordnungsgeber aufstellen würde (a.a.O., S. 46 E. 4a). Dies ist ein allgemeiner Grundsatz; das Bundesgericht hat ihn - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht auf die Fälle beschränkt, in denen "z.B. bezüglich Lärmimmissionen oder bezüglich Umweltverträglichkeitsprüfung bereits Normen des Bundes, der Kantone oder von Fachgremien bestehen oder aus den Beratungen und der Botschaft zum Gesetzesentwurf abgeleitet werden können". Etwas anderes lässt sich weder aus dem von der Beschwerdeführerin angeführten Entscheid vom 25. Juli 1986 i.S. Adolf Besmer und Mitbeteiligte c. EMD (
BGE 112 Ib 280
ff.) noch aus dem Umstand, dass im oben zitierten Urteil im konkreten Fall auf die bisherigen Unterlagen zur Lärmbeurteilung von zivilen Schiessanlagen abzustellen war, herleiten. Zu prüfen bleibt indessen, ob
BGE 113 Ib 60 S. 63
im vorliegenden Fall dieser Grundsatz deshalb nicht Anwendung finden kann, weil das Gesetz die Modalitäten des Katastrophenschutzes zu unbestimmt regelt, wie dies die Beschwerdeführerin geltend macht.
b) Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, es gehe nicht an, die unter
Art. 10 USG
fallenden Stoffe in Fallgruppen zusammenzufassen und die Zuteilung einzelner Stoffe in die entsprechenden Gruppen ihr zu überlassen. Dass weder der Regierungsrat des Kantons Solothurn noch die einlagernden Chemiefirmen in der Lage seien, die erforderliche Auflistung vorzunehmen, zeige, dass der angefochtenen Verfügung die rechtliche Grundlage fehle.
Die unmittelbare Anwendbarkeit von
Art. 10 USG
hängt in der Tat davon ab, ob die Norm sachlich so abgefasst ist, dass sie ohne weitere rechtssatzmässige Konkretisierung privates Verhalten hinreichend bestimmt steuern kann. Die Bestimmung umschreibt die von ihr ins Auge gefassten Produkte nicht in der Weise, wie dies offenbar der Beschwerdeführerin vorschwebt; sie zählt keine einzelnen chemischen Stoffe oder Verbindungen wie etwa im Bereich der Arzneimittel, der Sprengstoffe oder des Treibstoffes auf. Vielmehr umschreibt sie diese in allgemeiner Form nach Massgabe der jeweiligen Umweltrelevanz; entscheidend ist ihre biologische Wirkung (
Art. 7 Abs. 5 USG
) und das damit verbundene Gefahrenpotential für den Menschen und seine natürliche Umwelt (
Art. 10 Abs. 1 USG
).
Es ist der Beschwerdeführerin darin beizupflichten, dass
Art. 10 Abs. 1 USG
seinen sachlichen Geltungsbereich und die Pflichten der Betreiber von Anlagen und Lagern mit relativ hoher Abstraktheit definiert. Es trifft indessen offensichtlich nicht zu, dass keine tauglichen Kriterien für die Beurteilung des Gefährdungspotentials von Chemikalien existieren.
Art. 10 Abs. 1 USG
hat hauptsächlich die umweltgefährdenden Stoffe im Sinne von Art. 26 ff. im Auge. Für deren Humantoxizität kann beispielsweise auf die Giftklassen-Einteilung der Bundesgesetzgebung über den Verkehr mit Giften abgestellt, für die Umwelttoxizität die am 1. September 1986 in Kraft getretene Verordnung über umweltgefährdende Stoffe vom 9. Juni 1986 beigezogen werden. Dies schliesst nicht aus, dass für eine detaillierte Triage erhebliche Beurteilungsschwierigkeiten bestehen bleiben. Dies hindert indessen die unmittelbare Anwendbarkeit von
Art. 10 Abs. 1 USG
nicht. Die Anforderungen an die Bestimmtheit von Rechtssätzen hängt massgeblich von der Eigenart des Regelungsgegenstandes ab. Verlangt ist eine den jeweiligen Verhältnissen angemessene, optimale
BGE 113 Ib 60 S. 64
Bestimmtheit (vgl. hiezu
BGE 109 Ia 282
ff. E. 4d mit zahlreichen Hinweisen). Bei der Katastrophenschutzpflicht geht es namentlich in bezug auf Chemikalien vermehrt und stärker als beim bisherigen Polizeirecht um langfristige, schleichende Gefahren mit besonderem Vorsorgebedürfnis und ungewohnten Unsicherheitsfaktoren (vgl. Botschaft zum USG, BBl 1979 III 754 /755, 788/789;
Art. 1 Abs. 2 USG
). Der Gesetzgeber musste sich mit einem offenen Gefahrenverdacht begnügen, um der Komplexität der naturwissenschaftlich-technischen, sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhänge und der Lückenhaftigkeit des naturwissenschaftlich-technischen Wissens gerecht zu werden. Angesichts der drängenden Probleme konnte er nicht bis zum Vorliegen gesicherter Erkenntnisse zuwarten, sondern musste zu aussergewöhnlichen Lösungen schreiten. Insoweit erscheint die relative Unbestimmtheit von
Art. 10 Abs. 1 USG
sachgerecht.
c) Wohl mag es zutreffen, dass eine gestützt auf Art. 10 Abs. 4 und allenfalls auf
Art. 39 Abs. 1 USG
erlassene bundesrätliche Verordnung den Vollzug von
Art. 10 Abs. 1 USG
erleichtern würde. Das Eidg. Departement des Innern weist aber zu Recht darauf hin, dass letztlich nur die privaten Firmen die Verantwortung für die detaillierte Risikobeurteilung innerhalb ihrer Betriebe und Lagerstätten übernehmen könnten und die Chemiefirmen dies in der Vergangenheit im Sinne eines Rechtes den staatlichen Behörden gegenüber auch in Anspruch genommen hätten. Tatsächlich ist der Staat beim Umweltschutz in weitgehendem Masse auf Informationen durch die Privaten angewiesen, und die Umweltschutzgesetzgebung setzt deren Selbstverantwortung voraus (vgl. etwa die Pflicht zur Selbstkontrolle gemäss
Art. 26 USG
). Mit dieser Selbstverantwortung und der Pflicht der Behörden zur Beratung (
Art. 6 USG
) lässt sich die relative Unbestimmtheit von
Art. 10 Abs. 1 USG
kompensieren. Hinzu kommt, dass bei komplexen und ungewissen Situationen, wie sie beim Katastrophenschutz vorliegen können, den besonderen Umständen und den tatsächlichen Gegebenheiten mit Einzelfallentscheiden durchaus Rechnung getragen werden kann (vgl. GEORG MÜLLER, Inhalt und Formen der Rechtsetzung als Problem der demokratischen Kompetenzordnung, Basel/Stuttgart 1979, S. 85). Dies gilt namentlich im vorliegenden Fall, wo der Regierungsrat seine Verfügung als vorläufige Massnahme versteht, die nach Massgabe weiterer Erkenntnisse durch Anschlussverfügungen abzulösen oder zu ergänzen sei (vgl. dazu E. 5a
BGE 113 Ib 60 S. 65
unten). Dass dieser Weg gangbar ist, zeigt der Umstand, dass die Haupteinlagerer - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin - durchaus in der Lage waren, den Abtransport der in der Verfügung genannten Stoffkategorien zu organisieren.
d) Diese Erwägungen führen zusammenfassend zum Schluss, dass
Art. 10 Abs. 1 USG
unmittelbar anwendbar ist. Zu prüfen bleibt, ob der Regierungsrat die Vorschrift im einzelnen korrekt angewendet hat.
5.
a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann dem Regierungsrat nicht zur Last gelegt werden, die gelagerten ca. 430 Produkte anhand der vorhandenen Produkteblätter nicht überprüft und seine Verfügung deshalb zu unbestimmt abgefasst zu haben. Wohl hat er in Ziff. 4 der Verfügung die Stoffe in Fallgruppen zusammengefasst und die Zuordnung des Lagergutes zu diesen der Beschwerdeführerin überlassen. Die Akten zeigen indessen, dass der Kanton die von ihm unter den gegebenen Umständen zu erwartende Überprüfung durchaus vorgenommen hat. Es entspricht dem Wesen des Katastrophenschutzes, bloss die als gefährlich erachteten Eigenschaften der Stoffe festzulegen, wenn anders die Pflicht der Behörden zu sofortigem Handeln nicht erfüllt werden kann. Selbstverantwortung der Privaten und Beratung durch die Verwaltung (vgl. E. 3b und c oben) haben für weitere Konkretisierung zu sorgen. Der Regierungsrat versteht denn auch seine Verfügung richtigerweise, wie bereits erwähnt, bloss als vorläufige Massnahme, die nach Massgabe weiterer Erkenntnisse durch Anschlussverfügungen abzulösen oder zu ergänzen sei. Ein solches pragmatisches Vorgehen, sich mit Vorläufigem abzufinden, Erfahrungen und Informationen zu sammeln und dann Verbesserungen vorzunehmen, ist in ausserordentlichen Lagen wie der vorliegenden zulässig. Alsdann sind aber die Anordnungen innert nützlicher Frist nach dem neuen Erkenntnisstand weiter zu präzisieren. Diese Pflicht wird der Regierungsrat namentlich auch beim Erlass der in Ziff. 1 des angefochtenen Entscheids vorgesehenen Anschlussverfügung und im Zusammenhang mit einer allfälligen Wiedereinlagerung von Stoffen (vgl. dazu E. 6 unten) zu beachten haben.
In Ziff. 1 der Verfügung wird die Beschwerdeführerin verpflichtet, die Gesamtmenge der "Chemikalien" auf höchstens 2500 Tonnen zu beschränken. Der Regierungsrat räumt ein, dass durch den Wortlaut dieser Ziffer der Eindruck entstehen könnte, der
BGE 113 Ib 60 S. 66
Beschwerdeführerin werde die Einlagerung jeglicher Art von industriell hergestellten Stoffen untersagt; die fragliche Weisung beziehe sich nur auf umweltgefährdende Stoffe im Sinne von
Art. 10 Abs. 1 USG
. Insoweit ist die Verfügung zu präzisieren.
6.
Das von der Beschwerdeführerin ebenfalls angefochtene Verbot, die weggeschafften Chemikalien wieder einzulagern, ergänzt grundsätzlich notwendigerweise die Wegschaffungspflicht. Diese wäre sinnlos, wenn die streitigen Stoffe ohne weiteres wieder zurückgebracht werden könnten. Einzuräumen ist aber, dass die Formulierung des Verbots zu Missverständnissen Anlass geben kann; es ist zeitlich nicht befristet, ohne dass - anders als in Ziff. 1 - ein Hinweis auf eine Anschlussverfügung enthalten ist. Sie steht damit nicht im Einklang mit den Erwägungen im angefochtenen Entscheid, wonach dieser als Sofortmassnahme zu verstehen ist, auf die nach Massgabe neuer Erkenntnisse zurückzukommen sei, dies namentlich dann, wenn die Anlageinhaberin ein Lagerkonzept mit Massnahmeplan und Notfallplanung vorlege, aus denen ersichtlich sei, dass
Art. 10 USG
Genüge getan werde.
Der Regierungsrat hat in seinen dem Bundesgericht eingereichten Bemerkungen den Charakter der angefochtenen Verfügung als bloss vorläufige Massnahme auch im Zusammenhang mit dem Einlagerungsverbot bestätigt. Er schliesst danach nicht für alle Zeiten aus, dass die Beschwerdeführerin in ihren Lagerräumen Chemikalien lagern dürfe, falls sie den Nachweis erbringe, dass die baulichen Massnahmen die erforderliche Sicherheit gewährleisteten und eine Notfallplanung durchgeführt sei; er erachtet es als durchaus möglich, dass unter diesen Umständen auf die angefochtene Verfügung zurückgekommen werde. Darauf ist er zu behaften. Wohl ist ein generelles und undifferenziertes Einlagerungsverbot als vorläufige Massnahme zulässig. Diese muss aber alsdann innert nützlicher Frist in eine definitive Regelung überführt werden (vgl. E. 5a oben). Der Beschwerdeführerin muss es freistehen, ein Gesuch um Wiedereinlagerung zu stellen, sobald die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind; dieses wird von der zuständigen Behörde umfassend zu prüfen sein. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
6a0e4047-67a7-4698-89bb-d6fd76e3935a | Urteilskopf
117 II 372
68. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 28 novembre 1991 dans la cause G. contre dlle G. (recours en réforme) | Regeste
Pflicht eines Elternteils, für den Unterhalt seines Kindes über dessen Mündigkeit hinaus weiterhin aufzukommen (
Art. 277 Abs. 2 ZGB
).
Handelt es sich um ein Studium an einer schweizerischen Universität, so genügt grundsätzlich die Erlangung eines Lizentiats, damit man davon ausgehen kann, das Kind habe eine Ausbildung im Sinne der zu
Art. 277 Abs. 2 ZGB
entwickelten Rechtsprechung erhalten: Dieser akademische Grad bildet den Abschluss der ersten Ausbildungsstufe und ermöglicht seinem Inhaber in der Regel die Ausübung eines Berufs, der ihm erlaubt, seine materiellen Bedürfnisse zu befriedigen. Dagegen gehört ein ergänzender Titel (vorliegend ein Diplom in Psychologie) nicht zu der Ausbildung, die durch das Gesetz ins Auge gefasst wird. | Erwägungen
ab Seite 372
BGE 117 II 372 S. 372
Extrait des considérants:
5.
a) Le recourant soutient que la Cour de justice a violé l'
art. 277 al. 2 CC
en l'astreignant à subvenir à l'entretien de sa fille: en effet, dit-il, la formation professionnelle de l'intimée était acquise par l'obtention de la licence en psychologie en juillet 1987; dès cette date, celle-ci pouvait exercer une activité lucrative dans la branche.
b) La règle posée par l'
art. 277 al. 2 CC
revêt un caractère exceptionnel par rapport à celle de l'alinéa premier. Le devoir
BGE 117 II 372 S. 373
d'entretien du père et de la mère de l'enfant majeur est destiné à permettre à celui-ci d'acquérir une formation, savoir les connaissances qui lui permettront de gagner sa vie dans un domaine correspondant à ses goûts et à ses aptitudes; la formation tend donc à l'acquisition de ce qui est nécessaire pour que l'enfant puisse se rendre autonome par la pleine exploitation de ses capacités, soit pour faire face par ses propres ressources aux besoins matériels de la vie (
ATF 114 II 207
/208 consid. 3a et b initio et les références; cf.
ATF 115 II 126
consid. 4b;
ATF 117 II 129
consid. 3b).
aa) S'agissant des études universitaires, la doctrine estime qu'en principe la formation est achevée avec la licence: une deuxième licence ou des examens de doctorat ne sont pas couverts (J. GROB, Die familienrechtlichen Unterhalts- und Unterstützungsansprüche des Studenten, thèse Berne 1975, p. 63; R. REUSSER, Unterhaltspflicht, Unterstützungspflicht, Kindesvermögen, in Das neue Kindesrecht, Berne 1978, p. 64; B. SCHNEIDER, L'obligation d'entretien des père et mère, Fiche juridique suisse 333, p. 6). Dans un arrêt récent, non publié, relatif à des diplômes délivrés par une université américaine, le Tribunal fédéral a dit incidemment que, si l'on s'en tient aux diplômes délivrés dans les universités suisses, l'obtention d'une licence suffit pour qu'on puisse admettre que l'enfant a acquis une formation au sens dégagé par la jurisprudence relative à l'
art. 277 al. 2 CC
: obtenu après des études d'une durée de trois ans au moins, ce grade consacre l'achèvement du premier cycle universitaire; en règle générale, il assure à son détenteur la possibilité d'exercer une activité professionnelle lui permettant de faire pleinement face à ses besoins matériels (arrêt P., du 25 avril 1991). Il faut s'en tenir en principe à cette ligne directrice ferme: la sécurité du droit commande que soit adopté un critère précis.
bb) En l'espèce, l'intimée a obtenu sa licence en psychologie le 10 juillet 1987. Par la suite, elle a entrepris de passer un diplôme en psychologie, qu'elle a obtenu en mars 1989, tout en étant assistante à l'Université dès le mois de janvier 1989. Il est courant de préparer un diplôme à la suite d'une licence et un assistant diplômé est mieux rémunéré qu'un assistant licencié. Ayant constaté ces faits, la Cour de justice a estimé que "le diplôme subséquent à la licence en psychologie constitue une formation complémentaire, qui, à défaut d'être absolument nécessaire, se révèle à tout le moins utile, dès lors qu'elle permet à l'appelante d'obtenir un poste mieux rémunéré et d'atteindre ainsi sa pleine capacité de gain".
BGE 117 II 372 S. 374
Ce raisonnement n'est pas convaincant. La licence achève le premier cycle d'études et permet à celui qui l'a obtenue d'exercer une activité professionnelle satisfaisant à ses besoins matériels. Titre complémentaire, vraisemblablement délivré à la fin d'un deuxième cycle, le diplôme n'est pas indispensable: en effet, il n'est pas nécessaire pour la pratique de la profession de psychologue, mais, à l'instar du doctorat, peut améliorer la situation de son détenteur. Selon l'intimée elle-même, il s'agit d'un diplôme "supérieur", courant pour les étudiants "doués", soit 20 à 25% des licenciés; c'est dire que la majorité des étudiants s'en tient à la licence. On doit donc admettre, comme le Tribunal de première instance, que la formation envisagée par la loi était acquise dès l'obtention de la licence et que le diplôme subséquent n'en fait pas partie.
La Cour de justice n'ajoute rien qui permette d'allouer à l'intimée une contribution pour une période plus étendue. Elle relève que la jeune fille a suivi régulièrement ses études et a réussi brillamment ses examens dans les délais minimaux prévus. Mais ce n'est pas décisif. Le devoir de l'
art. 277 al. 2 CC
étant exceptionnel, il prend fin dès que l'enfant a acquis une formation suffisante, conforme à ses goûts et à ses aptitudes, et peut ainsi subvenir à ses besoins par ses propres ressources.
La cour cantonale se réfère aussi à l'arrêt S. contre S., du 26 novembre 1981, selon lequel il se pourra, le cas échéant, qu'il n'y ait pleine capacité de gain qu'après l'achèvement d'une formation complémentaire (
ATF 107 II 468
ss consid. 5). Mais les données du cas étaient différentes. Dans l'arrêt S. contre S., il s'agissait d'un enfant encore mineur, qui avait seulement terminé sans succès un apprentissage de bureau. Dans la présente espèce, en revanche, l'intimée, que son père a déjà aidée au-delà de sa majorité, a obtenu un titre universitaire dans une discipline correspondant à ses dispositions. | public_law | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6a114f3e-7ce0-4e77-acbe-f749a9396f53 | Urteilskopf
139 V 289
37. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. S. gegen Eidgenössische Ausgleichskasse (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_336/2012 vom 6. Mai 2013 | Regeste
Art. 9 ATSG
; Art. 43
bis
Abs. 2 und Art. 46 Abs. 2 zweiter Satz AHVG; Art. 48 Abs. 2 zweiter Satz IVG (in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung); verspätete Anmeldung; weitergehende Nachzahlung nicht bezogener Hilflosenentschädigung.
Dass ein objektiv gegebener anspruchsbegründender Sachverhalt nicht erkennbar gewesen ist oder dass die versicherte Person trotz entsprechender Kenntnis krankheitsbedingt daran gehindert wurde, sich anzumelden oder jemanden mit der Anmeldung zu betrauen, wird von der Rechtsprechung nur sehr zurückhaltend angenommen; Kasuistik dazu (E. 4).
Massgebend für die Nachzahlung hinsichtlich eines Zeitraums, welcher über die der Anmeldung vorangehenden zwölf Monate zurückreicht, ist die Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts vonseiten der versicherten Person oder ihres gesetzlichen Vertreters. Einem solchen Nachzahlungsanspruch steht der Umstand nicht entgegen, dass die in
Art. 66 IVV
und
Art. 67 AHVV
genannten, zur Geltendmachung des Anspruchs befugten Drittpersonen den leistungsbegründenden Sachverhalt allenfalls bereits in einem früheren Zeitpunkt gekannt haben (Bestätigung der Rechtsprechung
BGE 108 V 226
und
BGE 102 V 112
E. 2c S. 117; E. 6.1 und 6.2). | Sachverhalt
ab Seite 291
BGE 139 V 289 S. 291
A.
Die 1922 geborene S. leidet beidseitig an fortgeschrittenem grünem Star und einer schweren Hornhauterkrankung (vollständige Erblindung des rechten Auges), an ausgeprägter Altersschwerhörigkeit, kognitiven Defiziten im Sinne einer dementiellen Entwicklung vom Alzheimertyp, Diabetes mellitus, Osteoporose im Frakturstadium sowie zeitweise an Harn- und Stuhlinkontinenz. Im April 2009 reichte ihr Sohn das Anmeldeformular für den Bezug einer Hilflosenentschädigung der AHV ein. Mit Verfügung vom 2. September 2010 und Einspracheentscheid vom 14. Januar 2011 sprach die Eidgenössische Ausgleichskasse S. mit Wirkung ab 1. April 2008 eine Hilflosenentschädigung wegen schwerer Hilflosigkeit zu. Es sei unbestritten, dass die Versicherte seit mehreren Jahren und weiterhin in schwerem Grade hilflos sei. Es könne indes offenbleiben, ob die Hilfsbedürftigkeit bereits seit 2003 oder erst ab 2004 bestehe. Zufolge verspäteter Geltendmachung könne die Hilflosenentschädigung ohnehin lediglich für die zwölf der Anmeldung vorangehenden Monate nachbezahlt werden. Die Voraussetzungen für eine weitergehende Nachzahlung seien nicht erfüllt.
B.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 29. Februar 2012 ab (Dispositiv-Ziffer 2), soweit sie nicht gegenstandslos geworden war (Dispositiv-Ziffer 1).
C.
S. führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Nachzahlung der Hilflosenentschädigung bereits ab 1. Januar 2005.
Ausgleichskasse, kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
4.1
Macht ein Versicherter den Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der AHV mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Entschädigung in Abweichung von
Art. 24 Abs. 1 ATSG
(SR 830.1) lediglich für die zwölf Monate ausgerichtet, die der Geltendmachung vorangehen (Art. 46 Abs. 2 erster Satz AHVG). Weiter gehende Nachzahlungen werden erbracht, wenn der Versicherte den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte und die Anmeldung innert zwölf Monaten nach Kenntnisnahme vornimmt (zweiter Satz von
Art. 46 Abs. 2 AHVG
).
BGE 139 V 289 S. 292
4.2
Unter dem anspruchsbegründenden Sachverhalt ist in Anlehnung an
Art. 4 und 5 IVG
sowie
Art. 8 und 9 ATSG
der körperliche, geistige oder psychische Gesundheitsschaden zu verstehen, der eine voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Hilfs- oder Überwachungsbedürftigkeit bei alltäglichen Lebensverrichtungen zur Folge hat. Mit der Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts ist nicht das subjektive Einsichtsvermögen der versicherten Person gemeint, sondern es geht nach dem Wortlaut von Art. 46 Abs. 2 zweiter Satz AHVG vielmehr darum, ob der anspruchsbegründende Sachverhalt objektiv feststellbar ist oder nicht (
BGE 114 V 134
; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 22/02 vom 8. Juli 2002 E. 2b; vgl. auch die analog anwendbare Rechtsprechung zu
Art. 48 Abs. 2 IVG
[in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung]:
BGE 120 V 89
E. 4b S. 94;
BGE 102 V 112
E. 1a S. 113;
BGE 100 V 114
E. 2c S. 119; ZAK 1984 S. 403, I 132/83 E. 1; Urteil 8C_262/2010 vom 12. Januar 2011 E. 4.2).
Dass ein objektiv gegebener anspruchsbegründender Sachverhalt nicht erkennbar gewesen ist oder dass die versicherte Person trotz entsprechender Kenntnis krankheitsbedingt daran gehindert wurde, sich anzumelden oder jemanden mit der Anmeldung zu betrauen, wird von der Rechtsprechung nur sehr zurückhaltend angenommen, so namentlich bei Schizophrenie (
BGE 108 V 226
E. 4 S. 228; Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 824/05 vom 20. Februar 2006 E. 4.3; I 705/02 vom 17. November 2003 E. 4.3; I 141/89 vom 1. März 1990 E. 2b; vgl. auch RDAT 2003 I Nr. 71 S. 277, I 125/02 E. 3), bei einer schweren narzisstischen, depressiven Persönlichkeitsstörung im Sinne eines Borderlinezustandes an der Grenze zur schizophrenen Psychose (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 418/96 vom 12. November 1997 E. 3b), bei einer schweren Persönlichkeitsstörung (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 205/96 vom 21. Oktober 1996 E. 3c), bei Urteilsunfähigkeit zufolge einer (nicht näher bezeichneten) schweren psychischen Erkrankung (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 71/00 vom 29. März 2001 E. 3a); allenfalls auch in Fällen von schwerer Depression (
BGE 102 V 112
E. 3 S. 118) oder Persönlichkeitsstörungen mit sekundärem chronischem Alkoholismus (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts I 149/99 vom 16. März 2000 E. 3b).
BGE 139 V 289 S. 293
5.
Das kantonale Gericht hat festgestellt, weitergehende, d.h. sich auf einen Zeitraum vor April 2008 erstreckende Nachzahlungen im Sinne des dargelegten zweiten Satzes von
Art. 46 Abs. 2 AHVG
fielen schon deshalb ausser Betracht, weil ein früherer Anspruch auf die Hilflosenentschädigung gar nicht rechtsgenüglich nachweisbar sei.
5.1
Diese Schlussfolgerung lässt sich angesichts der bestehenden Aktenlage nicht halten: Nachdem der Sohn der Beschwerdeführerin im April 2009 im Anmeldeformular für eine Hilflosenentschädigung der AHV angekreuzt hatte, dass seine Mutter bei sämtlichen alltäglichen Lebensverrichtungen der Hilfe ihrer beiden im selben Haus wohnenden Kinder sowie der dauernden Pflege und persönlichen Überwachung bedürfe, präzisierte er diese Angaben im Januar 2010 u.a. dahingehend, dass die Hilfsbedürftigkeit seit 2004, die Pflegebedürftigkeit (Verabreichen von Medikamenten und diversen Augentropfen, Wechseln der Inkontinenzhosen) seit 2002 und die Überwachungsbedürftigkeit seit ca. 2004 bestehe. Die Versicherte könne zufolge ihrer Verwirrung kaum allein gelassen werden; die meiste Zeit verbringe sie auf dem Bett oder dem Sofa liegend. Der Allgemeinmediziner Dr. E., der die Beschwerdeführerin seit März 2001 hausärztlich betreut, bescheinigte die eingangs angeführten Diagnosen (lit. A hievor) und bestätigte die Angaben des Sohnes. Für aufwändige pflegerische Verrichtungen (intensive Dekubitusbehandlung, Verbände anlegen usw.) werde die Spitex beigezogen (Bericht vom 17. Januar 2010). In Ergänzung zu den bisherigen Angaben klärte die zuständige Sachbearbeiterin der IV-Stelle des Kantons St. Gallen am 16. Juni 2010 die Hilflosigkeit im Gespräch mit dem Sohn einlässlich weiter ab und hielt im entsprechenden Bericht fest, dass die Versicherte seit mehreren Jahren an fortschreitender Demenz, starker Beeinträchtigung der Sehfähigkeit, Schwerhörigkeit sowie an Bewegungseinschränkungen zufolge Osteoporose leide. Sie müsse bei sämtlichen Aktivitäten des Alltags geführt und begleitet werden; von sich aus würde sie "kaum mehr etwas machen". Ferner lag der Verwaltung ein Zeugnis von Dr. R., stellvertretender Chefarzt an der Augenklinik des Spitals X., vom 9. Januar 2006 vor, wonach die Sehfunktion der von ihm ophthalmologisch betreuten Beschwerdeführerin seit Behandlungsbeginn im April 2002 stark eingeschränkt sei; sie sei auf fremde Hilfe angewiesen. Schliesslich lässt sich dem im Verlaufe des Einspracheverfahrens eingereichten Schreiben des Hausarztes Dr. E. an Prof. Dr. O., Facharzt
BGE 139 V 289 S. 294
an der Augenklinik des Spitals Y., vom 21. Februar 2007 entnehmen, dass sich in den letzten Jahren in zunehmendem Masse kognitive Defizite im Sinne einer dementiellen Entwicklung eingestellt hätten. Aufgrund des schleichenden, progredienten Verlaufs und bisher fehlender begleitender neurologischer Symptome sowie Ereignisse akuter cerebrovaskulärer Ischämien müsse am ehesten von einer Demenz vom Alzheimertyp ausgegangen werden. Im Oktober 2006 sei die Versicherte mittels Minimentaltest (Ergebnis: 23 von 30 Punkten) und Uhrentest (Resultat: fünf von sieben Punkten) evaluiert worden; weitere Abklärungen seien bisher nicht veranlasst worden.
5.2
Wenn die Vorinstanz im Lichte der angeführten Unterlagen von Beweislosigkeit einer vor April 2008 (zwölf Monate vor der Anmeldung) eingetretenen leistungsbegründenden Hilflosigkeit ausgeht, muss diese Beweiswürdigung als willkürlich bezeichnet werden. Sie ist vom Bundesgericht zu korrigieren (nicht publ. E. 1). Obgleich dem kantonalen Gericht darin beizupflichten ist, dass "ein dementielles Syndrom (...) - zumindest im Anfangsstadium - nicht zwingend eine Hilflosigkeit in den massgeblichen Lebensverrichtungen" begründet, darf nicht ausgeblendet werden, dass der Hausarzt bereits in seinem Schreiben von Anfang 2007 von einer mehrjährigen Entwicklung gesprochen hat; sie veranlasste ihn auch zu den Abklärungsmassnahmen von Herbst 2006. Bei diesen Gegebenheiten durfte jedenfalls schon längere Zeit vor April 2008 nicht mehr vom "Anfangsstadium" einer dementiellen Entwicklung ausgegangen werden. Entscheidend ist jedoch, dass die Hilfsbedürftigkeit anfänglich in erster Linie auf die fortschreitende Beeinträchtigung der Sehfunktion beider Augen zurückzuführen war, welche fachärztlich schon im Jahre 2002 als stark eingeschränkt qualifiziert wurde. Die weitere Verschlechterung führte denn auch zur rechtsseitigen Erblindung. Unter diesen Umständen geht es - entgegen der vorinstanzlichen Auffassung - nicht an, von der hausärztlichen Bestätigung einer spätestens seit 2004 bestehenden Hilfs-, Pflege- und Überwachungsbedürftigkeit abzuweichen, ohne zu begründen, weshalb auf die Angaben seitens Dr. E. und die anderen hievor zitierten Unterlagen nicht abgestellt werden kann. Wird die zusätzliche gesundheitliche Fragilität der betagten Beschwerdeführerin aufgrund der Osteoporose, des medikamentös nicht immer optimal eingestellten Diabetes mellitus vom Typ 2, der früheren rezidivierenden Lungenembolien sowie der wiederkehrenden Harnwegsinfekte berücksichtigt, ist in Übereinstimmung mit der Ausgleichskasse (im Einspracheentscheid vom
BGE 139 V 289 S. 295
14. Januar 2011) von einer (spätestens) 2004 vorliegenden Hilflosigkeit schweren Grades auszugehen.
6.
Eine andere Frage ist, ob und - bejahendenfalls - wieweit der Beschwerdeführerin die ihr an sich seit Anfang 2005 zustehende (
Art. 43
bis
Abs. 2 AHVG
) Hilflosenentschädigung gemäss Art. 46 Abs. 2 zweiter Satz AHVG über April 2008 hinaus nachgezahlt werden kann. Die Ausgleichskasse verneinte jegliche Nachzahlung, weil dem Sohn der Versicherten deren prekärer Gesundheitszustand bekannt gewesen sei und er demzufolge seine Mutter bereits früher hätte anmelden können.
6.1
In seinen in
BGE 108 V 226
und
BGE 102 V 112
E. 2c S. 117 publizierten Urteilen vom 25. März 1982 und 5. Mai 1976 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht für den Anwendungsbereich von Art. 48 Abs. 2 zweiter Satz IVG (ab 1. Januar 2012:
Art. 48 Abs. 2 lit. a und b IVG
) und - in Analogie dazu (vgl. E. 4.2 hievor) - auch für denjenigen von Art. 46 Abs. 2 zweiter Satz AHVG Folgendes festgelegt: Massgebend für die Nachzahlung hinsichtlich eines Zeitraums, welcher über die der Anmeldung vorangehenden zwölf Monate zurückreicht, ist die Kenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhalts vonseiten der versicherten Person oder ihres gesetzlichen Vertreters. Einem Nachzahlungsanspruch für mehr als zwölf Monate vor der Anmeldung steht der Umstand nicht entgegen, dass die in
Art. 66 IVV
(SR 831.201) und
Art. 67 AHVV
(SR 831.101) genannten, zur Geltendmachung des Anspruchs befugten Drittpersonen den leistungsbegründenden Sachverhalt (vgl. E. 4.2 hievor) allenfalls bereits in einem früheren Zeitpunkt gekannt haben (
BGE 108 V 226
E. 3 S. 228;
BGE 102 V 112
E. 2c S. 117). Beiden in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Urteilen lagen Beschlüsse des Gesamtgerichts zugrunde.
6.2
Entgegen der Auffassung der Verwaltung ist diese Rechtsprechung keineswegs "offensichtlich überholt". Im Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts H 22/02 vom 8. Juli 2002 E. 2a erfuhr sie insofern eine Präzisierung, als der Anspruch auf eine weiter gehende Nachzahlung der Hilflosenentschädigung der AHV abgelehnt wurde, weil die Hilflosigkeit als anspruchsbegründender Sachverhalt dem Ehemann als Beistand der Versicherten (welche an seniler Demenz vom Alzheimertyp litt) erkennbar war. Ansonsten wurde die dargelegte Rechtsprechung seit Erlass der beiden Grundsatzentscheide in gegen einem Dutzend Urteilen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts und (seit 1. Januar 2007) des Bundesgerichts
BGE 139 V 289 S. 296
bestätigt (vgl. etwa ZAK 1984 S. 403, I 132/83 E. 1 in fine; Urteile 9C_670/2009 vom 11. Dezember 2009 E. 2; I 705/02 vom 17. November 2003 E. 4.3; I 199/02 vom 20. August 2002 E. 2.2; I 71/00 vom 29. März 2001 E. 2a; vgl. auch ANDRÉ PIERRE HOLZER, Verjährung und Verwirkung der Leistungsansprüche im Sozialversicherungsrecht, 2005, S. 92; ULRICH MEYER-BLASER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], in: Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Murer/Stauffer [Hrsg.], 1997, S. 284). Für eine Änderung der Rechtsprechung besteht kein Anlass, zumal sich eine solche grundsätzlich nur begründen liesse, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelter Rechtsanschauung entspräche (
BGE 138 II 162
E. 2.3 S. 166;
BGE 138 III 270
E. 2.2.2 S. 273,
BGE 137 V 359
E. 6.1 S. 361;
BGE 137 III 352
E. 4.6 S. 360;
BGE 137 V 133
E. 6.1 S. 137,
BGE 137 V 210
E. 3.4.2 S. 252, 282 E. 4.2 S. 291, 314 E. 2.2 Ingress S. 316). Solches wird denn auch von keiner Seite geltend gemacht. An dieser Betrachtungsweise ändert nichts, dass das Eidgenössische Versicherungsgericht in seinem von Verwaltung und Vorinstanz erwähnten Urteil H 374/00 vom 9. August 2002 E. 4 - ohne Auseinandersetzung mit seiner ständigen Gerichtspraxis in dieser Frage - anders entschieden hat. Für den vorliegenden Fall lässt sich daraus nichts ableiten.
6.3
Nach dem Gesagten spielt es für den geltend gemachten Nachzahlungsanspruch ab 1. Januar 2005 keine Rolle, dass der Sohn der Beschwerdeführerin den Gesundheitszustand, welcher zur schweren Hilflosigkeit geführt hatte, zweifellos kannte und seine Mutter bereits viel früher hätte anmelden können (einzig seine Rechtsunkenntnis verhinderte dies).
Hingegen ist der Frage nachzugehen, inwiefern oder besser: wie lange die Beschwerdeführerin selber den anspruchsbegründenden Sachverhalt trotz ihrer kognitiven Defizite (noch) erkennen konnte (vgl. E. 4.2 hievor). Denkbar ist auch, dass die Versicherte (anfänglich) trotz (noch) vorhandener objektiver Kenntnis (bereits) krankheitsbedingt daran gehindert wurde, sich für eine Hilflosenentschädigung anzumelden oder jemanden mit der Anmeldung zu betrauen. In diese Richtung weisen etwa die Ausführungen des Dr. E. zur ablehnenden Haltung der Beschwerdeführerin gegenüber einem Beizug der Spitex: Die diesbezügliche Malcompliance sei auf die dementielle Störung zurückzuführen (bereits erwähntes Schreiben vom 21. Februar 2007). Das kantonale Gericht, an welches die Sache zur Vornahme ergänzender Abklärungen und anschliessender neuer Entscheidung
BGE 139 V 289 S. 297
über die weiter gehende Nachzahlung der Hilflosenentschädigung im Sinne von Art. 46 Abs. 2 zweiter Satz AHVG zurückzuweisen ist, wird am ehesten beim (seit Anfang 2001 behandelnden) Hausarzt der Versicherten Antworten auf die noch offenen Fragen finden. Soweit die Vorinstanz auch mit Bezug auf die spezifisch kognitiven Auswirkungen der dementiellen Entwicklung im Zeitraum vor April 2008 Beweislosigkeit annimmt, liegt wiederum eine (letztinstanzlich zu korrigierende) Bundesrechtsverletzung vor. Das kantonale Gericht übersieht nämlich, dass von Beweislosigkeit erst ausgegangen werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes anhand einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (
BGE 117 V 261
E. 3b S. 264 mit Hinweis). Von einer derartigen beweisrechtlichen Pattsituation kann indessen im hier zu beurteilenden Fall solange nicht gesprochen werden, als noch von keiner Seite Abklärungen darüber getätigt wurden, wie weit und gegebenenfalls wie lange die Beschwerdeführerin trotz ihrer dementiellen Erkrankung überhaupt in der Lage war, sich um die Anmeldung für die Hilflosenentschädigung zu kümmern (vgl. die im zweiten Abschnitt von E. 4.2 hievor angeführten Urteile). | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
6a24a564-5ea6-4c09-9d28-6eb34430e8ea | Urteilskopf
92 I 293
51. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Oktober 1966 i.S. Aktiengesellschaft für industrielle Elektronik AGIE Losone bei Locarno und Gysin gegen Eidg. Amt für das Handelsregister. | Regeste
Handelsregister, nationale Bezeichnung in einer Firma;
Art. 944 Abs. 2 OR
,
Art. 45 Abs. 1 und 2 HRegV
.
Tragweite des Begriffs "besondere Umstände" in
Art. 45 HRegV
(Erw. 2).
Frage der Zulässigkeit des Zusatzes "Verkauf Schweiz" für ein Unternehmen, das sich als Tochtergesellschaft eines schweizerischen Fabrikationsunternehmens mit dem Vertrieb von dessen Erzeugnissen im Gebiete der Schweiz befassen soll (Erw. 3, 4). | Sachverhalt
ab Seite 293
BGE 92 I 293 S. 293
A.-
Die "AG für industrielle Elektronik AGIE Losone bei Locarno" setzt etwa 20% ihrer Erzeugnisse in der Schweiz ab. Sie beabsichtigt, diesen Teil des Verkaufes durch eine neu zu gründende Tochtergesellschaft mit Sitz in Luzern besorgen zu lassen, die sie "AGIE Verkauf Schweiz" nennen will. Am 24. Mai 1966 ersuchte ihr Anwalt das eidgenössische Amt für das Handelsregister um Bewilligung dieser nationalen Bezeichnung. Das Amt wies dieses Gesuch am 22. Juni 1966 ab, nachdem es gestützt auf
Art. 45 Abs. 2 HRegV
die Meinungsäusserung des Vororts des schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins eingeholt hatte, der sich gegen die Erteilung der Bewilligung aussprach.
BGE 92 I 293 S. 294
Am 24. Juni 1966 reichte die Gesuchstellerin ein Wiedererwägungsgesuch ein. Das Amt trat darauf ein, wies es aber nach nochmaliger Anhörung des Vororts am 14. Juli 1966 ab.
B.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 12. August 1966 beantragen die AG für industrielle Elektronik und ihr als Mitgründer der geplanten Verkaufsgesellschaft auftretender Verwaltungsratspräsident dem Bundesgericht, diesen Entscheid aufzuheben und die nationale Bezeichnung in der Firma "AGIE Verkauf Schweiz" zu gestatten.
Das eidgenössische Amt für das Handelsregister beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
Der Bundesrat hat auf Grund von
Art. 944 Abs. 2 OR
den Einzelfirmen, Handelsgesellschaften und Genossenschaften verboten, in ihrer Firma nationale Bezeichnungen zu verwenden. Das eidgenössische Amt für das Handelsregister kann jedoch Ausnahmen gestatten, wenn sie durch besondere Umstände gerechtfertigt sind (
Art. 45 Abs. 1 und 2 HRegV
). Das bedeutet nicht, das Amt dürfe die Bewilligung nach Belieben erteilen oder verweigern. Wenn "besondere Umstände" vorliegen, muss es die Ausnahme bewilligen. Auch die Frage, wann die Umstände "besondere" seien, darf es nicht nach Gutdünken beantworten. Es hat sich von sachlichen Gesichtspunkten und den Grundsätzen von Recht und Billigkeit leiten zu lassen (
Art. 4 ZGB
). Ein Entscheid, der diesen Anforderungen nicht entspricht, fällt aus dem Rahmen des Ermessens und verstösst im Sinne des
Art. 104 Abs. 1 OG
gegen Bundesrecht (
BGE 81 I 384
,
BGE 86 I 248
,
BGE 91 I 216
).
3.
Die Beschwerdeführer beabsichtigen, in den Statuten der zu gründenden Gesellschaft zu bestimmen, sie bezwecke "den Verkauf von und den Service für die Produkte der Aktiengesellschaft für industrielle Elektronik AGIE Losone bei Locarno im Gebiete der Schweiz". Mit der Firma "AGIE Verkauf Schweiz" wollen sie auf diesen Zweck hinweisen.
Dieser Name eignet sich hierzu in der Tat. Er ist dahin zu verstehen, die Gesellschaft veräussere Erzeugnisse der Beschwerdeführerin 1) und beschränke den Verkauf auf das Gebiet der Schweiz. Dass alle Erzeugnisse der Beschwerdeführerin in der Schweiz abgesetzt würden, kann daraus nicht abgeleitet werden.
Es drängt sich gegenteils der Schluss auf, AGIE-Erzeugnisse würden auch exportiert, aber nicht durch die "AGIE Verkauf
BGE 92 I 293 S. 295
Schweiz". Das eidgenössische Amt für das Handelsregister sieht daher zu Unrecht im Umstand, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin sich weitgehend auf ausländischen Märkten abspielt, ein Hindernis für die Gestattung der Firma "AGIE Verkauf Schweiz".
Diese Firma lässt auch nicht den Gedanken aufkommen, der Sitz der Beschwerdeführerin befinde sich im Ausland. Dieser Schluss wäre nur möglich, wenn ausschliesslich Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen Zusätze wie "Verkauf Schweiz", "(Schweiz)" und dergl. in die Firma aufnehmen dürften. Eine dahin gehende Praxis, wie das eidgenössische Amt sie offenbar anstrebt, wäre jedoch verfehlt. Es ist nicht zu ersehen, weshalb nur ausländische Gesellschaften die Firmen ihrer Tochtergesellschaften mit Hinweisen auf das Land ihrer geschäftlichen Tätigkeit sollten versehen dürfen. Die unterschiedliche Behandlung wäre geradezu willkürlich. Damit ist nicht gesagt, dass jede von einer schweizerischen Muttergesellschaft gegründete schweizerische Verkaufsgesellschaft Anspruch auf einen Zusatz wie z.B. "Verkauf Schweiz" habe. Wenn die Muttergesellschaft überhaupt nur für den schweizerischen Markt arbeitet, wirkt ein solcher Zusatz reklamehaft und führt sogar zum unrichtigen Schluss, die Erzeugnisse der Muttergesellschaft würden auch in das Ausland geliefert. Die Befürchtung des Amtes, es müsste den Zusatz zahllosen schweizerischen Verkaufsorganisationen schweizerischer Produktionsgesellschaften gestatten, ist daher nicht begründet. Im übrigen darf auf die Zahl der Firmen, die sich in gleicher Lage befinden wie die Beschwerdeführerin und die "AGIE Verkauf Schweiz", nichts ankommen; der Entscheid über die Erteilung oder Verweigerung der Bewilligung ist ausschliesslich nach sachlichen Gesichtspunkten zu treffen.
Der Zusatz "Verkauf Schweiz" sagt nichts über die Höhe des Grundkapitals, weshalb das Argument des Vorortes des schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins, die zu gründende Gesellschaft werde nur ein Grundkapital von Fr. 50 000.-- haben, zur Verweigerung der Bewilligung nicht taugt.
Der erwähnte Zusatz erweckt auch nicht etwa den Gedanken, die Gesellschaft besitze eine sich auf das ganze Gebiet der Schweiz erstreckende Organisation, ein Netz von Zweigniederlassungen, Verkaufsstellen oder Handelsreisenden. "Verkauf Schweiz" sagt nichts darüber aus, wie der Verkauf organisiert sei, an welchen Orten der Schweiz er stattfinde und welchen
BGE 92 I 293 S. 296
Umfang er habe. Die Wendung unterscheidet sich in dieser Hinsicht z.B. vom Wort "schweizerisch", dessen Verwendung in einer Firma die Meinung aufkommen lässt, ihr Träger sei in der ganzen Schweiz tätig.
Unter dem Gesichtspunkt der Firmenwahrheit lässt sich daher gegen den Zusatz "Verkauf Schweiz" nichts einwenden. Er wirkt auch nicht reklamehaft oder marktschreierisch. Er dient einem berechtigten und Treu und Glauben im Geschäftsverkehr nicht widersprechenden Zweck. Ob er der zu gründenden Gesellschaft ein Gewicht verleihe, das ihr im Wettbewerb nützen kann, wie das Amt glaubt, ist unerheblich. Man darf einen den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung tragenden, wahren und auch sonst berechtigten Zusatz nicht deshalb verweigern, weil er sich für den Inhaber der Firma im Wettbewerb günstig auszuwirken vermag.
4.
Das Hauptargument des eidgenössischen Amtes für das Handelsregister geht dahin, der Zweck des Zusatzes "Verkauf Schweiz" lasse sich ebensogut z.B. durch die Wendung "Verkauf Inland" oder "Inlandmarkt" erreichen. Den Einwand, daraus wäre nicht ohne weiteres zu ersehen, dass mit dem "Inland" das Gebiet der Schweiz gemeint sei, lässt es nicht gelten, weil das massgebende Publikum das schweizerische sei, wenn die Geschäftstätigkeit auf das Gebiet der Schweiz beschränkt werde.
Das Amt verkennt, dass auch eine Gesellschaft, die ausschliesslich in der Schweiz Erzeugnisse absetzt, in die Lage kommen kann, mit dem Ausland zu verkehren. Die Gesellschaft hat ein berechtigtes Interesse, dass jedermann, nicht nur das schweizerische Publikum, ohne weiteres erkenne, dass sie sich nur mit dem Verkauf in der Schweiz befasst. Die Bezeichnung "Verkauf Schweiz" gibt hierüber klar Auskunft, während den Wendungen "Verkauf Inland" oder "Inlandmarkt" dieser Sinn nur durch eine Schlussfolgerung entnommen werden kann. Diese ist nur Personen möglich, die wissen, dass die Gesellschaft ihren Sitz in der Schweiz hat. Dazu kommt, dass die Firma "AGIE Verkauf Schweiz" die Gesellschaft unmittelbar und deutlich auch von Verkaufsgesellschaften abhebt, welche die Beschwerdeführer allenfalls im Ausland errichten und durch die Abkürzung AGIE und einen Hinweis auf das Absatzgebiet kennzeichnen könnten. Von Wendungen wie "Verkauf Inland" oder "Inlandmarkt" kann das nicht gesagt werden. Sie könnten sogar Verwirrung stiften, wenn auch ausländische Staaten verlangen
BGE 92 I 293 S. 297
würden, dass die in ihrem Gebiet niedergelassenen Tochtergesellschaften an Stelle einer nationalen Bezeichnung eine solche Wendung zu gebrauchen hätten.
Die Überlegung, die Beschwerdeführer könnten den Zweck, den sie mit dem Zusatz "Verkauf Schweiz" verfolgen, ebensogut durch einen anders lautenden erreichen, ist übrigens kein Grund zur Verweigerung der Bewilligung. Sonst dürften überhaupt nationale Bezeichnungen nie Bestandteil einer Firma sein. Namentlich dürfte das Wort "schweizerisch" nicht mehr vorkommen, denn der Gedanke, den es in einer Firma ausdrückt, lässt sich immer durch "inländisch" oder eine ähnliche Wendung äussern. Der Vorort des schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins müsste sich z.B. "Vorort des inländischen Handels- und Industrie-Vereins" nennen, und Namen wie "Schweizerische Bankgesellschaft" müssten durch "Inländische Bankgesellschaft" und dergl. ersetzt werden. Es kann indessen nicht der Sinn des
Art. 944 Abs. 2 OR
und des
Art. 45 HRegV
sein, nationale Bezeichnungen seien nur zuzulassen, wenn sie unvermeidbar sind. Diese Normen wollen nur Missbräuchen vorbeugen. Ein solcher liegt hier nicht vor, denn die Beschwerdeführer haben ein schützenswertes Interesse, der zu gründenden Gesellschaft den Namen "AGIE Verkauf Schweiz" zu geben, und das Publikum kann durch ihn nicht irregeführt werden. Darin liegen die "besonderen Umstände" im Sinne des
Art. 45 Abs. 1 HRegV
. Es kann nicht gesagt werden, bei dieser Auslegung der Bestimmung werde die Bewilligung der nationalen Bezeichnung zur Regel, während sie nach dem Willen der Verordnung die Ausnahme sein solle. Dass das Amt "Ausnahmen" gestatten kann, heisst nicht, es müsse dafür sorgen, dass nationale Bezeichnungen in Firmen möglichst selten vorkämen. Es hat nach sachlich einleuchtenden Grundsätzen zu entscheiden, selbst auf die Gefahr hin, dass die Zahl der Bewilligungen jene der Verweigerungen übersteige.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des eidgenössischen Amtes für das Handelsregister vom 14. Juli 1966 aufgehoben und den Beschwerdeführern gestattet, den Bestandteil "Verkauf Schweiz" in die Firma der zu gründenden Tochtergesellschaft der AG für industrielle Elektronik AGIE Losone bei Locarno aufzunehmen. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6a24d712-f813-4066-b126-18705d88284d | Urteilskopf
115 V 27
6. Arrêt du 16 février 1989 dans la cause D. contre Caisse de pensions de l'ASCOOP et Tribunal cantonal valaisan des assurances | Regeste
Art. 28 BVG
,
Art. 331a und 331b OR
: Freizügigkeit. Berechnung der Freizügigkeitsleistung, wenn der Anschluss an die zahlungspflichtige Vorsorgeeinrichtung vor dem 1. Januar 1985 erfolgt war (Erw. 4c).
Art. 10 Abs. 2 BVG
,
Art. 331a und 331b OR
: Ende des Vorsorgeverhältnisses. Fall eines Versicherten, der nachträglich einen Lohnanspruch geltend macht, weil die Kündigung vor Beginn einer Sperrfrist nach alt
Art. 336e OR
erklärt worden war (Erw. 5).
Art. 11 und 12 BVV 2
,
Art. 102 und 104 OR
: Verspätete Überweisung der Freizügigkeitsleistung. Verzug der Vorsorgeeinrichtung und Zinssatz (Erw. 8). | Sachverhalt
ab Seite 27
BGE 115 V 27 S. 27
A.-
Roger D., né en 1933, est entré au service de la Compagnie A. le 15 septembre 1982. Il a été affilié, dès le 1er octobre de la même année, à la Coopérative pour l'assurance du personnel des entreprises suisses de transport (ASCOOP).
BGE 115 V 27 S. 28
Le 29 janvier 1986, Roger D. a été licencié par son employeur pour le 31 mars suivant. Ultérieurement, il a demandé et obtenu le versement de son salaire pour le mois d'avril 1986, car il avait été incapable de travailler du 26 février au 9 mars 1986. Les parties admirent ainsi que le délai de résiliation avait été prolongé jusqu'au 30 avril 1986. Aucune cotisation n'a toutefois été payée à l'ASCOOP sur ce dernier salaire.
Le 16 octobre 1986, l'ASCOOP a notifié à Roger D. qu'elle transférerait à la nouvelle institution de prévoyance à laquelle celui-ci avait été affilié entre-temps une prestation de libre passage d'un montant de 8'328 francs, selon le décompte suivant:
Versement d'entrée Fr. 372.--.
Cotisations personnelles de l'assuré
(versées jusqu'au 31 mars 1986) Fr. 7'792.--.
Intérêts Fr. 164.--.
-------------
Total Fr. 8'328.--.
B.-
Roger D. a ouvert action contre l'ASCOOP en paiement d'une somme supplémentaire de 3'962 francs, représentant les cotisations versées ou dues par son employeur pour la période du 1er janvier 1985 (date de l'entrée en vigueur de la LPP) au 30 avril 1986, ainsi que des intérêts composés. Par jugement du 14 octobre 1987, le Tribunal des assurances du canton du Valais a condamné l'ASCOOP à verser à l'assuré, en sus du montant de 8'328 francs, la somme de 33 fr. 25 représentant "l'intérêt pro rata temporis sur l'avoir de vieillesse au 31 décembre 1985". Pour le surplus, il a rejeté l'action.
C.-
Roger D. interjette un recours de droit administratif dans lequel il conclut derechef au versement de la somme de 3'962 francs avec intérêts à 4 pour cent l'an dès le 1er mai 1986.
L'ASCOOP conclut au rejet du recours. Quant à l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS), il propose également de rejeter celui-ci, mais demande au tribunal de modifier l'arrêt cantonal en ce sens que l'ASCOOP ne soit pas tenue de verser le montant de 33 fr. 25, d'une part, et que la prestation de libre passage soit calculée en tenant compte du fait que l'affiliation de l'assuré a pris fin le 30 avril 1986, d'autre part.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Compétence)
2.
(Pouvoir d'examen)
BGE 115 V 27 S. 29
3.
a) Dans les limites des exigences minimales fixées par la LPP, la prestation de libre passage garantit à l'assuré, en cas de dissolution des rapports de travail, le maintien de la prévoyance professionnelle (
art. 27 al. 1 LPP
). L'assuré a droit à une prestation de libre passage lorsque ses rapports de travail ont été dissous avant la survenance d'un cas d'assurance et qu'il quitte l'institution de prévoyance (
art. 27 al. 2 LPP
).
Selon l'
art. 28 al. 1 LPP
, le montant de la prestation de libre passage équivaut à l'avoir de vieillesse acquis par l'assuré au moment du transfert. L'avoir de vieillesse comprend les bonifications de vieillesse afférentes à la période durant laquelle l'assuré a appartenu à l'institution de prévoyance, avec les intérêts, et les prestations de libre passage portées au crédit de l'assuré, conformément à l'
art. 29 al. 1 LPP
, avec les intérêts (
art. 15 al. 1 LPP
). Les bonifications de vieillesse sont calculées annuellement en pour-cent du salaire coordonné, selon des taux qui varient en fonction de l'âge et du sexe de l'assuré (
art. 16 et 95 LPP
).
Comme la LPP n'est en vigueur que depuis le 1er janvier 1985, seules peuvent entrer en considération, pour l'application de l'
art. 28 al. 1 LPP
, des bonifications de vieillesse mises en compte à partir de cette date; la somme de celles-ci (y compris les intérêts) détermine le montant minimum de la prestation de libre passage à laquelle l'assuré peut prétendre dans le domaine de la prévoyance obligatoire. Dans cette mesure, la loi garantit un libre passage intégral, en ce sens que le changement d'emploi n'entraîne aucun désavantage pour le passant (RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, p. 109, note 6; UMBRICHT/LAUR, La nouvelle loi sur les caisses de pension, tome I, ch. 5/5.1, p. 2).
b) Selon l'
art. 28 al. 2 LPP
, la prestation de libre passage sera calculée conformément à l'art. 331a ou 331b du code des obligations, si l'application de ces articles donne un montant plus élevé.
Ces dispositions du code des obligations concernent la prévoyance qui excède le minimum obligatoire (dite prévoyance pré-obligatoire, sous-obligatoire et sur-obligatoire) ou, en d'autres termes, la prévoyance plus étendue (cf.
ATF 114 V 37
in initio). Elles fixent le montant minimum de la créance du travailleur lorsque ce dernier a versé des cotisations d'assurance vieillesse-survivants ou invalidité à un fonds d'épargne (art. 331a) ou à une institution d'assurance (art. 331b) et qu'il n'en reçoit pas de prestations à la fin du contrat de travail. Dans le cas d'une
BGE 115 V 27 S. 30
institution d'assurance, cette créance correspond au moins aux contributions du travailleur, déduction faite des prestations versées en couverture d'un risque pour la durée des rapports de travail (
art. 331b al. 1 CO
); si les cotisations du travailleur et de l'employeur ou, en vertu d'un accord, de l'employeur seulement, ont porté sur cinq années ou davantage, la créance du travailleur comprend une part équitable, eu égard aux années de cotisations, de la réserve mathématique calculée au moment où prend fin le contrat (
art. 331b al. 2 CO
).
c) L'ASCOOP est une institution de prévoyance dite enveloppante, en ce sens qu'elle alloue à ses affiliés des prestations qui vont au-delà du minimum obligatoire (
art. 49 al. 2 LPP
; RIEMER, op.cit., p. 38, note 41). Sous le titre "Sortie de l'assuré", l'art. 29 al. 1 de son règlement dispose ce qu'il suit:
"Lors de la sortie de l'assuré du service du preneur d'assurance, la caisse de pensions bonifie à la nouvelle institution de prévoyance la somme qui a été créditée à l'assuré lors de son entrée et les cotisations qu'il a versées par la suite, sans intérêts. Pour chaque année révolue dépassant 4 années de cotisation complètes, cette bonification est majorée d'un complément de 4% des cotisations de l'assuré, sans versement d'entrée. Après 30 années de cotisation complètes, la bonification représente le capital de couverture disponible..."
Du moment que la durée de cotisations de l'assuré ne dépassait en l'occurrence pas quatre années, l'ASCOOP a alloué à ce dernier une prestation de libre passage correspondant aux seules contributions versées par lui entre le 1er octobre 1982 et le 31 mars 1986 (7'792 francs), montant auquel s'ajoutaient un versement d'entrée (372 francs) et un intérêt dès le 1er avril 1986 (164 francs), soit 8'328 francs au total. C'est ce dernier montant, a-t-elle estimé, qui devait être pris en considération, car il était plus élevé que celui de l'avoir de vieillesse acquis du 1er janvier 1985 au 31 mars 1986 (4'291 fr. 10).
4.
a) Au sujet du calcul de la prestation de libre passage qui doit être fournie par une institution de prévoyance enveloppante, les avis ne sont pas unanimes sur l'interprétation qu'il convient de donner à l'
art. 28 LPP
.
Selon l'opinion dominante et conformément à la pratique des institutions de prévoyance, la prestation de libre passage est calculée en comparant 1) le montant de l'avoir de vieillesse selon la LPP et 2) le montant de la créance du salarié déterminée selon les
art. 331a ou 331b CO
, ces dernières dispositions étant
BGE 115 V 27 S. 31
appliquées à l'ensemble de la prévoyance (prévoyance obligatoire et prévoyance plus étendue); la somme la plus élevée est allouée au passant (méthode comparative; LEUTWILER in HELBLING, Personalvorsorge und BVG, p. 444; WALSER in HELBLING, op.cit., p. 408; au sujet de la pratique des institutions de prévoyance, voir en particulier: RUGGLI, Die gegenwärtige Regelung zur Bemessung der Freizügigkeit in der beruflichen Vorsorge, Prévoyance professionnelle suisse 6/88, p. 222 ss).
Certains auteurs, en particulier RIEMER (op.cit., p. 111, note 9), ont soutenu que cette solution n'était pas compatible avec le système légal. Selon eux, il convient de séparer le régime de l'assurance obligatoire de celui de la prévoyance plus étendue. Pour ce qui est de la prévoyance obligatoire, le passant a droit à une prestation fixée selon l'
art. 28 al. 1 ou 2 LPP
. A cela s'ajoute un montant calculé - dans les seules limites de la prévoyance plus étendue - conformément aux
art. 331a ou 331b CO
(méthode cumulative; voir également, dans le même sens, MATZINGER, Interpretation zur Berechnung der Freizügigkeit, SZS 1987, p. 200 ss).
b) Dans un arrêt J. du 19 décembre 1988 (
ATF 114 V 239
), le Tribunal fédéral des assurances n'a pas adopté ce dernier point de vue. Pour autant, il ne s'est pas rallié sans réserves à la solution préconisée par les institutions de prévoyance. En effet, celles-ci tiennent généralement compte, dans le calcul de la prestation de libre passage selon le code des obligations, de l'ensemble des années d'assurance (y compris, s'il y a lieu, des années antérieures au 1er janvier 1985) et, le cas échéant, de la prestation de libre passage apportée par l'assuré ou des contributions de rachat versées par lui. Par conséquent, lorsque le passant a été affilié à une ou plusieurs institutions de prévoyance avant l'entrée en vigueur de la LPP, le montant calculé selon les
art. 331a et 331b CO
sera, dans la plupart des cas et pendant un certain nombre d'années encore, plus élevé que l'avoir de vieillesse au sens de l'
art. 28 al. 1 LPP
. Autrement dit, l'exigence du libre passage intégral, dans le domaine de la prévoyance obligatoire, ne serait pleinement réalisée qu'après une période transitoire relativement longue (cf. SCHWANDER, Zur Auslegung von Art. 28 BVG, SZS 1987, p. 191; PFITZMANN in HELBLING, op.cit., p. 364), ce qui irait à l'encontre du but recherché par le législateur. Au surplus, l'institution de prévoyance est tenue, en cas de libre passage, de verser au moins une somme équivalant à l'avoir de vieillesse acquis par l'assuré;
BGE 115 V 27 S. 32
elle ne saurait donc être libérée de cette obligation légale par le simple fait que l'on prend en considération, pour fixer la créance du salarié selon le droit des obligations, des capitaux accumulés durant la période pré-obligatoire et/ou auprès d'une autre institution.
Aussi bien le tribunal a-t-il considéré qu'il convenait de procéder selon la méthode comparative, mais en adoptant des bases de comparaison identiques dans le temps. Dans l'affaire J., déjà mentionnée, il s'agissait d'un assuré qui était entré dans une nouvelle caisse de pension le 1er mai 1985 et qui en était sorti le 30 avril 1986. Lors de cette nouvelle affiliation, il avait apporté une prestation de libre passage et avait versé des contributions de rachat, ce qui représentait, au total, 210'439 francs. L'avoir de vieillesse acquis entre le 1er mai 1985 et le 30 avril 1986 atteignait 3'729 francs. Durant la même période, les cotisations personnelles de l'assuré s'étaient élevées à 3'310 francs. Dans une situation de ce genre, a estimé le tribunal, il s'imposait de faire abstraction, dans le calcul de la prestation selon le droit des obligations, du montant de 210'439 francs: c'est la somme de 3'310 francs qui devait être comparée avec celle de 3'729 francs, en l'occurrence plus élevée. La prestation de libre passage, exigible à fin avril 1986, s'élevait donc à 214'168 francs (210'439 plus 3'729 francs).
Le tribunal a encore relevé, à l'appui de cette solution, qu'une prestation de libre passage apportée par l'assuré, ainsi que d'éventuelles sommes de rachat, ne représentaient d'aucune manière des contributions du travailleur au sens des
art. 331a et 331b CO
; juridiquement, il n'était donc pas possible de les inclure dans le calcul prescrit par l'
art. 28 al. 2 LPP
, qui se réfère explicitement à ces dispositions du code des obligations.
c) La solution adoptée dans l'arrêt J. permet ainsi de tenir compte de l'exigence formulée par l'
art. 28 al. 1 LPP
dans les cas où il y a eu changement d'institution de prévoyance après le 1er janvier 1985 et où l'assuré a apporté une prestation de libre passage et/ou a versé des contributions de rachat. On notera d'autre part que le calcul comparatif ne pose aucun problème lorsque le passant a été assujetti à la prévoyance professionnelle obligatoire pour la première fois postérieurement à l'entrée en vigueur de la LPP.
Qu'en est-il maintenant lorsque - comme en l'espèce - l'affiliation à l'institution tenue de fournir la prestation de libre passage remonte à une date antérieure au 1er janvier 1985?
BGE 115 V 27 S. 33
Toujours dans l'arrêt J., le Tribunal fédéral des assurances a laissé indécis le point de savoir s'il convient, en pareille hypothèse, de comparer les seuls montants constitués auprès de l'institution après l'entrée en vigueur de la LPP. Les considérations émises ci-dessus, quant à la nécessité d'adopter des bases de comparaison identiques dans le temps, conduisent logiquement à répondre par l'affirmative à cette question: plus précisément, il y a lieu d'effectuer la comparaison entre les deux valeurs indiquées à l'
art. 28 LPP
, en retranchant du montant de la prestation de libre passage calculée selon le code des obligations la prestation de libre passage arrêtée (fictivement) au 31 décembre 1984; la somme la plus élevée doit être allouée au passant en plus, bien entendu, du montant afférent à la prévoyance pré-obligatoire. L'on aboutit ainsi à une dissociation, non pas entre les parties obligatoire et facultative de la prévoyance professionnelle (méthode cumulative), mais entre les parties antérieure et postérieure au 1er janvier 1985 (voir également, dans le même sens, SCHWANDER, loc.cit., p. 197, dont l'opinion se fonde sur la garantie des droits acquis par les assurés avant l'entrée en vigueur de la LPP, consacrée par l'
art. 91 LPP
).
5.
La fixation du montant de la prestation de libre passage suppose en l'espèce que l'on détermine le moment auquel l'affiliation du recourant a pris fin. L'ASCOOP, suivie en cela par la juridiction cantonale, a retenu comme date de sortie le 31 mars 1986, alors que le recourant et l'OFAS soutiennent que le rapport de prévoyance a duré jusqu'au 30 avril suivant.
Aux termes de l'
art. 10 al. 2 LPP
, l'obligation d'être assuré cesse, entre autres éventualités, en cas de dissolution des rapports de travail. Le rapport de prévoyance prend donc fin en même temps que les rapports de travail et c'est à ce moment-là que la prestation de libre passage devient exigible (
art. 27 al. 2 LPP
); il en est de même en ce qui concerne la prévoyance plus étendue (art. 331 a al. 1 et 331b al. 1 CO; cf.
ATF 114 V 39
).
Dans le cas particulier, le recourant a été congédié le 29 janvier 1986 pour le 31 mars suivant. A partir de cette dernière date et selon toute vraisemblance, il a été libéré de son obligation de travailler. Toutefois, comme le congé avait été donné avant le début d'une période d'incapacité de travail, qui a duré du 26 février au 9 mars 1986, le délai de résiliation a été suspendu pendant l'écoulement de cette période (ancien
art. 336e al. 2 CO
). De ce fait, le contrat de travail a pris fin le 30 avril 1986, soit à l'expiration
BGE 115 V 27 S. 34
du délai de résiliation prolongé jusqu'au prochain terme usuel (ancien
art. 336e al. 3 CO
; G. AUBERT, La jurisprudence sur le contrat de travail à Genève en 1985, SJ 1986, p. 297 s.). Aussi bien l'employeur a-t-il admis de payer le salaire du mois d'avril 1986.
Il faut donc considérer que l'affiliation à l'intimée s'est prolongée jusqu'au 30 avril 1986, date qui coîncidait avec celle de l'extinction des rapports de travail et qui, en particulier, correspondait à la fin des obligations de l'employeur. Que l'assuré n'ait effectivement pas travaillé durant le mois d'avril 1986 n'y change rien. De même, il importe peu qu'aucune cotisation n'ait été payée à l'ASCOOP sur le salaire afférent à ce même mois; il incombera à l'intimée de l'encaisser auprès de l'employeur, qui en est le débiteur (
art. 66 al. 2 LPP
; art. 11 al. 1 du règlement).
6.
De ce qui précède, il résulte que la prestation litigieuse comprend les cotisations payées par l'assuré jusqu'au 31 décembre 1984, y compris le versement d'entrée. A cela s'ajoute le montant le plus élevé résultant de la comparaison entre 1) l'avoir de vieillesse calculé du 1er janvier 1985 au 30 avril 1986 et 2) la somme des cotisations versées par l'assuré durant la même période.
Il y a lieu de relever encore que le recourant ne saurait, contrairement à ses conclusions, prétendre des intérêts composés sur ses propres cotisations. Comme on l'a vu, le règlement de l'institution exclut expressément l'octroi de tels intérêts, solution qui est conforme aux dispositions du code des obligations. En effet, contrairement à ce que prévoit la loi dans le cas d'un fonds d'épargne, le salarié ne reçoit pas d'intérêts sur ses contributions à une institution d'assurance (voir, à propos de cette différence, VISCHER, Traité de droit privé suisse, volume VII, tome I, 2 p. 133; FF 1967 II 371 s.).
Cela étant, le Tribunal fédéral des assurances n'est pas en mesure de procéder à un calcul précis, faute de disposer de toutes les données nécessaires et quand bien même il apparaît d'emblée que le recourant pourra prétendre, pour la partie postérieure au 1er janvier 1985, une prestation équivalant à l'avoir de vieillesse. Il s'impose donc de renvoyer la cause à la juridiction cantonale pour instruction complémentaire.
La présente affaire a cependant soulevé d'autres questions, de nature à influer sur l'issue définitive du litige et qu'il convient de trancher au stade actuel de la procédure.
7.
Pour des motifs qui ne ressortent pas clairement du jugement attaqué, la juridiction cantonale a condamné l'intimée à
BGE 115 V 27 S. 35
verser au recourant une somme de 33 fr. 25 au titre d'"intérêt pro rata temporis sur l'avoir de vieillesse au 31 décembre 1985", cela pour la période du 1er janvier au 31 mars 1986. Il sied d'observer à ce propos que la mise en compte d'intérêts sur les bonifications de vieillesse est réglée par l'
art. 15 LPP
, ainsi que par les
art. 11 et 12 OPP 2
. En particulier, le compte de vieillesse doit être crédité, à la fin de l'année civile, de l'intérêt annuel calculé sur l'avoir de vieillesse existant à la fin de l'année civile précédente (
art. 11 al. 2 let. a OPP 2
); si l'assuré quitte l'institution de prévoyance en cours d'année, le compte sera crédité d'un intérêt calculé jusqu'au jour du paiement de la prestation de libre passage (
art. 11 al. 3 let. a OPP 2
). Autrement dit, l'avoir de vieillesse selon l'
art. 28 al. 1 LPP
comprend, par définition, les intérêts sur les bonifications de vieillesse échus au moment de la sortie de l'assuré (
art. 15 al. 1 let. a LPP
; RIEMER, op.cit., p. 29, note 14). Le procédé de la juridiction cantonale se révèle donc incompatible avec le système légal.
8.
Il faut enfin examiner la question de l'intérêt moratoire sur la prestation de libre passage en tant que telle, car il est constant en l'espèce que celle-ci n'a pas été immédiatement transférée à la nouvelle institution de prévoyance. Pour cette raison, l'ASCOOP a bonifié à l'assuré un montant de 164 francs, ce qui correspond approximativement aux intérêts courus du 1er avril au 1er octobre 1986, au taux de 4 pour cent l'an.
a) Se fondant sur un avis de l'Office fédéral de la justice (cf. JAAC 51/1987, No 4, p. 28 ss), l'OFAS a établi une directive à l'intention des institutions de prévoyance, concernant précisément le "paiement des intérêts en cas de transfert tardif de la prestation de libre passage". Selon cette directive (voir RCC 1987 p. 89), la prestation de libre passage, dans le domaine de la prévoyance obligatoire, doit être créditée d'un intérêt de 4 pour cent l'an jusqu'au jour du paiement, cela conformément aux
art. 11 al. 3 let. a et 12 OPP 2
. Pour ce qui est de la prévoyance plus étendue, il est dit que "les dispositions générales du CO ne contiennent qu'une réglementation morcelée et lacunaire qui ne favorise pas, souvent en raison du caractère particulier du rapport de prévoyance, la recherche de solutions concrètes à ce problème". Aussi bien l'OFAS préconise-t-il, en se ralliant à l'opinion de l'Office fédéral de la justice, d'appliquer également, mais par analogie, les dispositions précitées de l'OPP 2.
b) Cette manière de voir ne peut pas être partagée. Il est utile à cet égard de rappeler la teneur de l'
art. 11 OPP 2
:
BGE 115 V 27 S. 36
"1 L'institution de prévoyance tiendra, pour chaque assuré, un compte de vieillesse indiquant son avoir de vieillesse conformément à l'article 15, 1er alinéa, LPP.
2 A la fin de l'année civile, le compte individuel de vieillesse sera crédité:
a. De l'intérêt annuel calculé sur l'avoir de vieillesse existant à la fin de l'année civile précédente;
b. Des bonifications de vieillesse sans intérêt pour l'année civile écoulée.
3 Si un événement assuré se réalise ou si l'assuré quitte l'institution de prévoyance en cours d'année, le compte de vieillesse sera crédité:
a. De l'intérêt prévu au 2e alinéa, lettre a, calculé jusqu'à la survenance du cas d'assurance ou jusqu'au jour du paiement de la prestation de libre passage;
b. Des bonifications de vieillesse sans intérêt, calculées jusqu'à la survenance du cas d'assurance ou jusqu'à la sortie de l'assuré."
Quant à l'
art. 12 OPP 2
, il prévoit que l'avoir de vieillesse sera crédité d'un intérêt d'au moins 4 pour cent l'an.
On constate donc que cette réglementation concerne uniquement la tenue des comptes individuels de vieillesse, comme l'indique d'ailleurs le titre marginal de l'
art. 11 OPP 2
; elle n'a pas pour objet de régler la question des intérêts moratoires dus sur la prestation de libre passage échue en raison de la sortie de l'assuré de l'institution de prévoyance. Le fait que l'
art. 11 al. 3 let. a OPP 2
prescrit le versement d'un intérêt "jusqu'au jour du paiement de la prestation de libre passage" n'y change rien, car l'application de cet article ne suppose pas nécessairement un versement tardif.
Au demeurant, si l'on admettait que le Conseil fédéral avait véritablement voulu régler aussi le problème des intérêts moratoires en édictant les
art. 11 et 12 OPP 2
, cela impliquerait qu'il ait reçu du législateur le pouvoir spécial d'adopter une réglementation particulière en cette matière (voir p.ex., dans le domaine de l'assurance-vieillesse et survivants, l'
art. 14 al. 4 let
. e LAVS; cf. également WALSER, Aktuelle rechtliche Probleme im Hinblick auf den Vollzug des BVG, SZS 1988, p. 302 s.). Or, les
art. 15 et 16 LPP
, sur lesquels se fondent les
art. 11 et 12 OPP 2
, ne contiennent aucune délégation législative dans ce sens: l'
art. 15 al. 2 LPP
autorise seulement le Conseil fédéral à fixer "le taux d'intérêt minimal en tenant compte des possibilités de placement", disposition qui, à l'évidence, se rapporte aux seuls intérêts sur les bonifications de vieillesse afférentes à la période durant laquelle l'assuré a appartenu à l'institution de prévoyance et sur les prestations de libre passage portées au crédit de l'assuré (
art. 15 al. 1 LPP
).
BGE 115 V 27 S. 37
c) En fait, il y a lieu de constater que la LPP, qui est muette sur la question des intérêts moratoires, n'a d'aucune manière remis en cause la réglementation qui, sur ce point, était applicable avant son entrée en vigueur. A cet égard, il a toujours été admis que les employés assurés étaient liés à l'institution de prévoyance par un contrat innommé (sui generis) soumis notamment à la partie générale du code des obligations (
ATF 112 II 249
, 101 Ib 238 consid. 3c; RIEMER, op.cit., p. 101, note 12) et donc, en particulier, aux
art. 102 ss CO
. Dès lors, même si les rapports juridiques issus de la prévoyance obligatoire ne sont pas véritablement de nature contractuelle (cf. RIEMER, op.cit., p. 100; voir aussi, du même auteur: Vorsorge-, Fürsorge- und Sparverträge der beruflichen Vorsorge, in Festgabe zum 60. Geburtstag von Walter R. Schluep, p. 234), on doit considérer que l'intérêt moratoire à servir est en première ligne celui qui découle du règlement de l'institution. A défaut, il convient de se fonder sur l'
art. 104 al. 1 CO
, ce qui conduit à appliquer un taux de 5 pour cent l'an.
L'on ajoutera que l'intérêt moratoire est dû à partir du moment où la prestation devient exigible et sans qu'une interpellation de l'assuré créancier soit nécessaire (
art. 102 al. 2 CO
; cf.
ATF 93 I 666
; ZR 80 (1981), p. 12 ss). Encore faut-il que l'avertissement régulier au sens de cette disposition (en l'occurrence la communication par laquelle l'institution de prévoyance est avisée de la cessation prochaine des rapports de travail) contienne les indications nécessaires quant au destinataire du paiement; dans le cas contraire, l'on ne saurait parler de demeure de l'institution débitrice (voir, à propos de l'obligation d'informer dans le domaine de la prévoyance obligatoire, l'art. 13 de l'ordonnance sur le maintien de la prévoyance et le libre passage, du 12 novembre 1986).
9.
En conclusion, le recours de droit administratif se révèle partiellement bien fondé; il appartiendra à la juridiction cantonale de rendre un nouveau jugement dans le sens des considérants qui précédent. | null | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
6a263b55-769b-4c3d-8cba-ac80b35cacfd | Urteilskopf
93 I 67
9. Urteil vom 17. Februar 1967 i.S. Primault gegen Schweiz. Eidgenossenschaft. | Regeste
Vermögensrechtliche Ansprüche eines vom Bundesrat entlassenen Mitglieds der Landesverteidigungskommission.
1. Zuständigkeit des Bundesgerichts als einziger Instanz nach
Art. 110 und 112 OG
(Erw. 1).
2. Bis wann hat der Kläger nach Art. 22 und 23 des BRB über den Flugdienst der Fliegertruppen vom 30. Dezember 1958 Anspruch auf Entschädigung für das Flugtraining? (Erw. 2).
3. Dem Kläger können die in Art. 9 Abs. 4 der Verordnung über die Rechtsstellung der Mitglieder der Landesverteidigungskommission vom 21. November 1961 vorgesehenen Zusatzleistungen nicht gewährt werden, da er nach einer besonderen Übergangsbestimmung dieser Verordnung im Beamtenverhältnis stand (Erw. 3).
4. Der Anspruch des Klägers auf Genugtuung nach Art. 6 Abs. 2 des Verantwortlichkeitsgesetzes ist unbegründet, weil die Rechtmässigkeit der Entlassungsverfügung gemäss Art. 12 dieses Gesetzes im Verantwortlichkeitsverfahren nicht überprüft werden kann und weder die Art der Mitteilung der sofortigen Dienstenthebung an den Betroffenen noch deren Bekanntgabe im Parlament und im Rundspruch widerrechtlich ist (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 68
BGE 93 I 67 S. 68
A.-
Oberstdivisionär Etienne Primault war seit dem 1. Januar 1953 Kommandant und Waffenchef der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen. Als solcher gehörte er nach Art. 1 der Verordnung über die Rechtsstellung der Mitglieder der Landesverteidigungskommission (RStV) dieser Kommission an, und
BGE 93 I 67 S. 69
zwar bis Ende 1961 auf Grund der alten RStV vom 24. Februar 1953 (AS 1953 S. 83) nur mit beratender Stimme, seit Anfang 1962 auf Grund der neuen RStV vom 21. November 1961 (AS 1961 S. 1009) ohne diese Beschränkung; doch blieb er nach der Übergangsbestimmung in Art. 13 Abs. 1 der neuen RStV bis Ende 1964 (Ablauf der Amtsdauer) dem Beamtengesetz unterstellt.
Die aus Kommissionen des Nationalrates und des Ständerates gebildete Arbeitsgemeinschaft, welche die Angelegenheit der Beschaffung der Mirage-Flugzeuge für die Flugwaffe abzuklären hatte, warf ihm in ihrem Bericht vom 1. September 1964 vor, er habe entgegen den Weisungen des Generalstabchefs kein militärisches Pflichtenheft für die Wahl des Flugzeugmodells erstellt, habe das Pflichtenheft für die Elektronik zu spät erlassen und sei mitverantwortlich für die Kürzung gewisser Kreditposten ohne hinreichende Begründung. Hierauf legte ihm der Bundesrat (gleich wie dem Generalstabchef) nahe, sein Amt zur Verfügung zu stellen. Oberstdivisionär Primault lehnte dies jedoch (im Gegensatz zu jenem) ab und verlangte eine administrative Untersuchung über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Am 6. Oktober 1964 beschloss der Bundesrat, ihn wegen der ihm vorgeworfenen Verfehlungen auf den 1. Januar 1965 aus dem Amte zu entlassen, und stellte ihn zugleich für den Rest des Jahres 1964 darin ein. Der Bundesrat erklärte, die verlangte Untersuchung werde dartun, ob die Entlassung im Sinne der Statuten der Eidg. Versicherungskasse verschuldet sei. Die von ihm eingesetzte Untersuchungskommission, deren Vorsitzender alt Bundesrichter Abrecht war, verneinte diese Frage in ihrem Bericht vom 4. August 1965. Darauf wies der Bundesrat die Versicherungskasse an, dem Entlassenen die statutarischen Kassenleistungen auszurichten.
B.-
Mit verwaltungsrechtlicher Klage vom 31. Dezember 1965 beantragt Etienne Primault, die Schweiz. Eidgenossenschaft sei zu verurteilen, ihm
1) Fr. 1500.-- entsprechend der Entschädigung für Flugtraining im letzten Vierteljahr 1964 zu zahlen,
2) Zusatzleistungen von jährlich Fr. 11'000.-- für die Jahre 1965, 1966 und 1967 zu gewähren,
3) eine vom Gericht zu bestimmende Genugtuung zu leisten. Zum Rechtsbegehren 1 führt der Kläger aus, nach dem Bericht der Kommission Abrecht sei seine sofortige Einstellung
BGE 93 I 67 S. 70
im Amte ungerechtfertigt gewesen. Dadurch sei ihm zu Unrecht die Möglichkeit des Flugtrainings und der Anspruch auf Entschädigung dafür entzogen worden. Nach den Bestimmungen des BRB über den Flugdienst der Fliegertruppen vom 30. Dezember 1958 (Flugdienst-BRB, AS 1959 S. 3) sei er für die Monate Oktober bis Dezember 1964 mit je Fr. 500.-- zu entschädigen.
Zum Rechtsbegehren 2 bringt er vor, nach Art. 9 Abs. 4 RStV gebührten ihm für drei Jahre Zusatzleistungen in der Höhe des Unterschiedes zwischen der früher bezogenen Jahresentschädigung und den Leistungen der Versicherungskasse. Solche Zusatzleistungen seien bisher allen vor Erreichung des 65. Altersjahres pensionierten Mitgliedern der Landesverteidigungskommission gewährt worden. Es sei willkürlich und verstosse gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit, sie dem Kläger vorzuenthalten. Der Bundesrat habe ihm nicht einmal Gelegenheit gegeben, zu den Vorwürfen, auf welche seine Entlassung gestützt worden sei, Stellung zu nehmen. Diese Vorwürfe hätten sich als unbegründet erwiesen. Der Kläger sei ohne sein Verschulden entlassen worden, während der Generalstabchef, den nach dem Bericht der Kommission Abrecht die Hauptschuld an der Mirage-Angelegenheit treffe, zu den bisherigen Bedingungen im Dienste des Bundes behalten worden sei.
Zum Rechtsbegehren 3 macht der Kläger geltend, er sei durch die zu Unrecht und einzig gegen ihn verfügte sofortige Einstellung im Dienst, deren Bekanntgabe im Parlament und am schweizerischen Radio und die Art ihrer Durchführung sowie durch die ebenfalls unbegründete und nur ihm gegenüber angeordnete Entlassung in seinen persönlichen Verhältnissen schwer verletzt worden. Auch nachdem die Kommission Abrecht festgestellt habe, dass ihn keinerlei Verschulden treffe, habe der Bundesrat nichts getan, um das ihm angetane Unrecht einigermassen gutzumachen, und ihm nicht einmal die während 37 Jahren der Eidgenossenschaft geleisteten Dienste verdankt. Der Anspruch auf Genugtuung sei nach Art. 6 Abs. 2 des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958 (VG) begründet.
C.-
Die Eidgenossenschaft beantragt Abweisung der Klage. Sie führt u.a. aus, die parlamentarische Untersuchung der Mirage-Angelegenheit habe gezeigt, dass die Konzeption der Luftverteidigung überprüft werden müsse. Der Kläger sei jedoch nicht geeignet gewesen, bei der Überprüfung mitzuwirken, da er sich auf die bisherige Konzeption festgelegt habe. Deshalb
BGE 93 I 67 S. 71
habe er als Kommandant und Waffenchef der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen ersetzt werden müssen.
D.-
In Replik und Duplik halten die Parteien an ihren Vorbringen fest. Der Kläger fügt bei, die von ihm vertretene Konzeption der Luftverteidigung habe seit Jahrzehnten gegolten und gelte auch heute noch.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Klagebegehren 2 und 3 betreffen vermögensrechtliche Ansprüche des Klägers gegen die Eidgenossenschaft aus seinem Beamtenverhältnis bzw. seiner Stellung als Mitglied der Landesverteidigungskommission und aus dem Verantwortlichkeitsgesetz. Sie sind nach
Art. 110 OG
und
Art. 10 VG
vom Bundesgericht als einziger Instanz zu beurteilen.
Mit Bezug aus das Klagebegehren 1 hat die Beklagte zunächst die Zuständigkeit des Bundesgerichts bezweifelt mit der Begründung, es handle sich hier nicht um eine beamtenrechtliche, sondern um eine militärische Streitigkeit, die im Verfahren nach Art. 126 Abs. 2 lit. e und Art. 130 des BB über die Verwaltung der schweizerischen Armee vom 30. März 1949/13. Oktober 1965, in letzter Instanz von der Rekurskommission der Eidg. Militärverwaltung, zu beurteilen sei. Diese Frage braucht nicht entschieden zu werden, nachdem sich die Beklagte schliesslich mit der prozessökonomisch gebotenen Lösung, dass dieses Klagebegehren gemeinsam mit den anderen durch das Bundesgericht beurteilt wird, einverstanden erklärt hat. Es liegt eine Prorogation im Sinne des
Art. 112 OG
vor. Sie ist zulässig, da der Streitwert bei Zusammenrechnung aller in der Klage geltend gemachten Ansprüche (vgl.
Art. 47 OG
) mehr als Fr. 20'000.-- beträgt.
2.
Das Klagebegehren 1 betrifft die Entschädigung für das Flugtraining nach Art. 22 Flugdienst-BRB. Diese wird (im Gegensatz zu der jährlichen Entschädigung für ausserordentliche Dienstleistungen nach Art. 24, die der Kläger für das ganze Jahr 1964 erhalten hat) monatlich ausgerichtet. Art. 23 enthält Vorschriften für Fälle der Einstellung des Flugdienstes im Laufe des Jahres. Gemäss Abs. 1 am Ende wird bei Einstellung im Flugdienst nach Art. 16 der eventuell noch angebrochene Monat voll entschädigt. Die Absätze 4 und 5 bestimmen, dass bei vorläufiger Einstellung im Flugdienst aus medizinischen Gründen sowie bei vorübergehendem Unterbruch des Flugtrainings infolge Auslandaufenthalts von nicht mehr als sechs
BGE 93 I 67 S. 72
Monaten unter Beibehaltung des Wohnsitzes in der Schweiz die Entschädigung für den angebrochenen Monat und ausserdem einmal im Jahr höchstens noch für die zwei folgenden Monate ausgerichtet wird. Für andere als die in den Absätzen 4 und 5 genannten Fälle sieht Art. 23 nicht vor, dass die Entschädigung auch für die zwei Monate, die dem angebrochenen Monat folgen, gewährt werden kann.
Der Kläger ist weder aus medizinischen Gründen noch wegen vorübergehenden Auslandaufenthalts im Flugdienst eingestellt worden. Er macht jedoch geltend, die in Art. 23 Abs. 4 und 5 Flugdienst-BRB getroffene Ordnung sei in seinem Falle analog anwendbar; denn bei unbegründeter Einstellung im Amte sei ein Anspruch auf Entschädigung für die dort vorgesehene Dauer erst recht gerechtfertigt.
Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Die Absätze 4 und 5 des Art. 23 betreffen besondere Fälle, in denen von vornherein feststeht oder zum mindesten vorausgesetzt wird, dass das Flugtraining nicht endgültig eingestellt, sondern lediglich unterbrochen wird. Hier verhält es sich jedoch anders; denn der Kläger ist durch die Verfügung des Bundesrates vom 6. Oktober 1964 nicht nur für eine bestimmte Zeit im Amte eingestellt, sondern zugleich endgültig daraus entlassen und damit auch endgültig im Flugdienst eingestellt worden.
In einem solchen Fall ist nach der allgemeinen Regel, die Art. 23 Abs. 1 am Ende Flugdienst-BRB aufstellt, die Entschädigung lediglich noch für den angebrochenen Monat geschuldet. Diese Bestimmung verweist auf Art. 16, wonach der Waffenchef aus den dort angeführten Gründen Flieger im Flugdienst einstellen kann. Art. 16 ist analog anwendbar, wenn der Waffenchef selber von der vorgesetzten Behörde, dem Bundesrat, aus einem dieser Gründe im Flugdienst eingestellt wird. Das ist hier geschehen: Der Kläger wurde vom Bundesrat im Flugdienst eingestellt, weil keine militärische Notwendigkeit mehr bestand, dass er weiterhin diesem Dienst obliege (Art. 16 lit. e).
Der Kläger hat daher allerdings - entgegen dem Standpunkt der Beklagten - noch Anspruch auf die Trainingsentschädigung für den Monat Oktober 1964, der im Zeitpunkt seiner Einstellung im Flugdienst angebrochen war. Dagegen ist der für die zwei folgenden Monate erhobene Anspruch unbegründet. Die Trainingsentschädigung, die für die hier massgebende Kategorie Fr. 500. - im Monat ausmacht (Art. 22 Flugdienst-BRB), ist somit nur in diesem Betrage zuzusprechen.
BGE 93 I 67 S. 73
3.
Nach Art. 9 Abs. 4 RStV, worauf das Klagebegehren 2 gestützt wird, kann der Bundesrat Mitgliedern der Landesverteidigungskommission, sofern sie ohne eigenes Verschulden gemäss Art. 4 entlassen werden, im Anschluss an die Entlassung für drei Jahre (jedoch längstens bis zur Erreichung des 65. Altersjahres) eine Zusatzleistung gewähren, die dem Unterschied zwischen der Pension (Invalidenrente der Eidg. Versicherungskasse, gegebenenfalls in Verbindung mit einer Zusatzrente gemäss Instruktorenordnung) und dem bis anhin ausgerichteten Gehalt (Jahresentschädigung gemäss Art. 8) entspricht. Art. 4 gibt dem Bundesrat die Möglichkeit, Mitglieder der Landesverteidigungskommission jederzeit (nach Anhören der Kommission) zu entlassen. Den unter diese Bestimmung fallenden Offizieren ist also - im Gegensatz zu den Beamten - nicht eine feste Amtsdauer garantiert. Die Zusatzleistung soll einerseits einen Ausgleich für diese Unsicherheit ihrer Stellung schaffen und anderseits dem Bundesrat erleichtern, von der Möglichkeit der jederzeitigen Entlassung Gebrauch zu machen.
Der Kläger ist jedoch nicht auf Grund des Art. 4 RStV entlassen worden. Diese Bestimmung konnte ihm gegenüber vor Ende 1964 gar nicht angewendet werden, weil er bis dahin nach der Übergangsbestimmung des Art. 13 Abs. 1 RStV dem Beamtengesetz unterstand, d.h. die Garantie der Amtsdauer genoss, die für ihn letztmals Ende 1964 ablief. Tatsächlich ist er erst auf das Ende dieser letzten Amtsdauer entlassen worden und hat er bis zu diesem Zeitpunkt auch sein Gehalt bezogen. Die Garantie der Amtsdauer, die er bis Ende 1964 besass, schliesst es aus, dass ihm die Zusatzleistungen gewährt werden, die er auf Grund des Art. 9 Abs. 4 RStV für die Jahre 1965, 1966 und 1967 beansprucht. Daran ändert es nichts, dass er vom 1. Januar 1965 an ohnehin nicht mehr in Beamteneigenschaft Mitglied der Landesverteidigungskommission hätte bleiben können. Entscheidend ist, dass er bis Ende 1964 mit einer festen Amtsdauer rechnen konnte, sich also bis dahin, im Gegensatz zu den übrigen Mitgliedern der Landesverteidigungskommission, nicht in der unsicheren Stellung befand, welche nach Art. 9 Abs. 4 RStV Voraussetzung des Zuspruchs von Zusatzleistungen ist.
4.
Das Klagebegehren 3, mit welchem eine vom Gericht zu bestimmende Genugtuung verlangt wird, stützt sich auf das Verantwortlichkeitsgesetz. Nach Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 dieses Gesetzes hat Anspruch gegen den Bund auf
BGE 93 I 67 S. 74
Genugtuung, wer in seinen persönlichen Verhältnissen durch ein widerrechtliches und schuldhaftes Verhalten eines Bundesbeamten verletzt wird, sofern die Verletzung und das Verschulden des Beamten besonders schwer sind. Bundesbeamte im Sinne des Verantwortlichkeitsgesetzes sind nach Art. 1. Abs. 1 lit. b auch die Mitglieder des Bundesrates.
Der Kläger erachtet als widerrechtlich in erster Linie seine sofortige Einstellung im Dienst und seine Entlassung. Der Beschluss vom 6. Oktober 1964, mit dem der Bundesrat diese Massnahmen angeordnet hat, stellt eine Verfügung dar, die nicht durch ein Rechtsmittel angefochten werden kann, also formell rechtskräftig ist. Nach
Art. 12 VG
kann aber die Rechtmässigkeit einer solchen Verfügung nicht in einem Verantwortlichkeitsverfahren überprüft werden. Ist somit die erwähnte Verfügung des Bundesrates vom 6. Oktober 1964 im Verantwortlichkeitsprozess als rechtmässig anzusehen, so erweist sich der Genugtuungsanspruch des Klägers insoweit, als er auf die behauptete Widerrechtlichkeit dieser Verfügung gestützt wird, ohne weiteres als unbegründet.
Sodann macht der Kläger geltend, widerrechtlich sei auch die Bekanntgabe seiner sofortigen Dienstenthebung im Parlament und im schweizerischen Radio sowie die Art der Mitteilung an ihn, nämlich durch das Telephon während einer von ihm vorgenommenen Inspektion. Indessen könnten diese Handlungen nur dann als widerrechtlich betrachtet werden, wenn der Bundesrat damit gegen seine Amtspflichten verstossen oder sein Ermessen missbraucht hätte (vgl.
BGE 91 I 455
Erw. 5 c). Das ist jedoch offensichtlich nicht der Fall.
Der Bundesrat musste vor dem Ständerat, der in der kritischen Zeit über die Anträge der parlamentarischen Arbeitsgemeinschaft in der Mirage-Angelegenheit beriet, am 7. Oktober 1964 hiezu Stellung nehmen und dabei auch die soeben gegenüber dem Kläger getroffene Verfügung bekanntgeben. Dazu war er auf Grund seiner politischen Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament verpflichtet. Aber auch die Öffentlichkeit hatte ein berechtigtes Interesse daran, über den Stand der Mirage-Angelegenheit, die von grosser staatspolitischer Bedeutung war und allgemeines Aufsehen erregte, laufend aufgeklärt zu werden. Es war daher gegeben, dass die Enthebung des Klägers von seinem Amte auch der Bevölkerung, durch das Mittel des Rundspruchs und der Presse, unverzüglich mitgeteilt wurde. Gegenüber
BGE 93 I 67 S. 75
dem Interesse der Öffentlichkeit hieran hatten die privaten Interessen des Klägers zurückzutreten.
Die sofortige Dienstenthebung musste indessen vorab dem Kläger selber eröffnet werden. Es war richtig, dass dies geschah, bevor die Massnahme allgemein bekannt wurde; denn es wäre für den Kläger besonders stossend gewesen, wenn ihm die Nachricht zuerst durch den Rundspruch oder die Presse zugetragen worden wäre. Es ist daher verständlich, dass der Weg der telephonischen Mitteilung gewählt wurde. Gewiss kann man sich fragen, ob nicht ein etwas weniger brüskes Vorgehen angezeigt gewesen wäre. Aber geradezu widerrechtlich ist die telephonische Eröffnung nicht. Sie ist es umsoweniger, als sie den Kläger nicht ganz unvorbereitet traf; war ihm doch kurz vorher nahegelegt worden, sein Amt zur Verfügung zu stellen.
Der Genugtuungsanspruch des Klägers ist somit im vollen Umfange schon deshalb unbegründet, weil den Mitgliedern des Bundesrates nicht ein widerrechtliches Handeln zur Last gelegt werden kann.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird teilweise gutgeheissen, indem die Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger Fr. 500.-- als Trainingsentschädigung für den Monat Oktober 1964 zu bezahlen. Die weitergehenden Begehren des Klägers werden abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6a2c0741-6cef-42b6-bae2-9e14f294fcaf | Urteilskopf
122 I 222
31. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Juli 1996 i.S. Adir Cumali u. Mitb. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Persönliche Freiheit, Meinungsäusserungsfreiheit,
Art. 8 und
Art. 10 EMRK
;
Art. 13d Abs. 2 ANAG
; Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht; Zürcher Verordnung über die Polizeigefängnisse.
Anfechtbarkeit unveränderter Normen bei der Teilrevision eines Erlasses (E. 1b).
Bundesrechtliche Minimalanforderungen an den Vollzug ausländerrechtlicher Administrativhaft (E. 2).
Verfassungsrechtliche Prüfung kantonaler Vollzugsbestimmungen betreffend Spaziergang (E. 4), Besuch (E. 5 u. 8), Briefverkehr (E. 6b), Drucksachen (E. 6c) und Arbeit (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 223
BGE 122 I 222 S. 223
Am 1. Februar 1995 trat das Bundesgesetz vom 18. März 1994 über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht (AS 1995, 146 ff.) in Kraft. Es änderte unter anderem die im Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) vorgesehenen Bestimmungen betreffend den Vollzug ausländerrechtlicher Massnahmen: Neu kann ein Ausländer, der keine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besitzt, während der Vorbereitung des Entscheids über seine Aufenthaltsberechtigung unter bestimmten Voraussetzungen für drei Monate in Vorbereitungshaft genommen werden (
Art. 13a ANAG
). Nach Eröffnung eines erstinstanzlichen Weg- oder Ausweisungsentscheids ist eine bis zu neun Monaten dauernde Ausschaffungshaft möglich (
Art. 13b ANAG
).
Am 5. April 1995 änderte der Regierungsrat des Kantons Zürich verschiedene Bestimmungen der Verordnung vom 25. Juni 1975 über die kantonalen Polizeigefängnisse (PVO). Unter anderem erklärte er neu die Verordnung ausdrücklich auch auf Personen in Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft anwendbar (§ 1 Abs. 1 lit. c PVO).
Adir Cumali, Selahattin Kilinc und Mehmet Sari haben am 29. Mai 1995 beim Bundesgericht hiergegen staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie beantragen, den § 33 PVO (Spaziergang) generell sowie die geänderten §§ 38
BGE 122 I 222 S. 224
Abs. 1 (Besuche), 39 dritter Satz (Abwicklung des Besuchs) und 41 Abs. 1 (Kontrolle der Briefe) und die unverändert belassenen §§ 27 Abs. 1 (Arbeitsverrichtung), 41 Abs. 3 und 4 (Kontrolle der Briefe) und 44 Ziff. 6 PVO (schwere Disziplinarvergehen) für Ausschaffungs- und Vorbereitungshäftlinge sowie andere Administrativhäftlinge aufzuheben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass ist legitimiert, wer durch die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar oder virtuell (d.h. mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder später einmal) in seiner rechtlich geschützten Stellung betroffen wird (
BGE 119 Ia 197
E. 1c S. 200,
BGE 118 Ia 427
E. 2a S. 430 f.). Die Beschwerdeführer sind ausländische Staatsangehörige und wohnen im Kanton Zürich. Es könnte gegen sie mit der erforderlichen minimalen Wahrscheinlichkeit ausländerrechtliche Haft angeordnet werden, wobei allenfalls der angefochtene Erlass Anwendung fände. Sie sind deshalb befugt, diesen mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten.
b) Die Änderung der Verordnung über die kantonalen Polizeigefängnisse wurde im Zürcher Amtsblatt vom 28. April 1995 veröffentlicht. Die Beschwerde ist am 29. Mai 1995 der Post übergeben und damit rechtzeitig eingereicht worden (
Art. 89 Abs. 1 OG
) und zwar auch insofern, als die Beschwerdeführer Bestimmungen beanstanden, die in ihrem Wortlaut unverändert geblieben sind:
aa) Dem Bundesgericht können bei der Revision eines Erlasses Normen, die ohne Änderung aus der bisherigen Regelung übernommen wurden, zur verfassungsrechtlichen Prüfung unterbreitet werden, sofern ihnen im Rahmen des geänderten Gesetzes eine gegenüber ihrem ursprünglichen Gehalt veränderte Bedeutung zukommt bzw. sie durch die Gesetzesrevision in einem neuen Licht erscheinen und dem Beschwerdeführer dadurch Nachteile entstehen (
BGE 110 Ia 7
E. 1d S. 12,
BGE 108 Ia 126
E. 1b u. c S. 130 f. mit Hinweisen; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl., Bern 1994, S. 349 f.). Dies gilt auch für Bestimmungen des früheren Erlasses, die sich nicht im Änderungstext finden, jedoch fortbestehen und als Folge der Änderungen eine abweichende Bedeutung erhalten. Es ist eine Frage der Gesetzestechnik, ob bei einer Revision der ganze Erlass in seiner
BGE 122 I 222 S. 225
neuen Formulierung beschlossen wird oder ob lediglich einzelne Artikel oder Absätze ausgewechselt werden. Für die Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde kann es hierauf nicht ankommen. Normen gewinnen ihre Bedeutung aus dem Zusammenhang; ihr Rechtssinn kann sich mit diesem ändern. Hat die Teilrevision eines Erlasses zur Folge, dass Bestimmungen, die in ihrem Wortlaut gleich bleiben, einen andern Rechtssinn erhalten, sind auch sie anfechtbar.
bb) Nach § 1 lit. c PVO in der Fassung vom 5. April 1995 gilt die Verordnung über die Polizeigefängnisse neu auch für Personen in Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft. Wohl sah § 1 lit. c PVO bereits bisher vor, dass u.a. auch administrativ Festgenommene bis zu ihrer Überführung in eine entsprechende Anstalt in die Polizeigefängnisse aufgenommen werden. Dabei handelte es sich aber (noch) nicht um ausländerrechtlich Inhaftierte, da im Jahre 1975 für eine solche Haft keine gesetzliche Grundlage bestand. Ausschaffungshaft sah - auf 30 Tage beschränkt - erstmals
Art. 14 Abs. 2 ANAG
in der Fassung vom 20. Juni 1986 vor. Auch wenn gestützt hierauf festgenommene Ausländer in der Folge teilweise in Polizeigefängnissen inhaftiert wurden, erweiterte doch erst die Änderung vom 5. April 1995 den Anwendungsbereich der Haftbedingungen generell-abstrakt auch auf diese Häftlingskategorie. Mit Blick auf die gegenüber der bisherigen Ausschaffungshaft strengere Regelung im Bundesgesetz über die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht und die dort umschriebenen minimalen Haftbedingungen änderte sich die Tragweite der beanstandeten Bestimmungen der Gefängnisordnung grundlegend. Die staatsrechtliche Beschwerde ist deshalb auch bezüglich jener Normen zulässig, die in ihrem Wortlaut unverändert blieben, aber infolge der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verordnung eine neue Tragweite erfahren haben (§§ 27 Abs. 1 [Arbeitsverrichtung], 41 Abs. 3 und 4 [Kontrolle der Briefe] und 44 Ziff. 6 [schwere Disziplinarvergehen]).
cc) ...
2.
a) Nach
Art. 13d Abs. 2 ANAG
ist die ausländerrechtliche Administrativhaft in geeigneten Räumlichkeiten zu vollziehen, wobei die Zusammenlegung mit Personen in Untersuchungshaft oder im Strafvollzug vermieden werden soll. Soweit möglich, ist den Inhaftierten zudem geeignete Beschäftigung anzubieten. Das Bundesgericht hat diese bundesrechtlichen Minimalanforderungen an den Haftvollzug gestützt auf die Ausführungen in der Botschaft des Bundesrats (Botschaft zum Bundesgesetz über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht vom 22. Dezember 1993, BBl 1994 I
BGE 122 I 222 S. 226
305 ff.), die parlamentarischen Beratungen, die Rechtsprechung bezüglich der Grundrechtsbeschränkungen anderer Häftlingskategorien sowie die europäischen und internationalen Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen inzwischen konkretisiert (vgl.
BGE 122 II 49
ff., Urteil Messaoudi vom 23. August 1995, veröffentlicht in EuGRZ 1995, S. 609 ff.):
aa) Die Beschränkung der Freiheitsrechte (insbesondere der persönlichen Freiheit) von Gefangenen darf nicht über das hinausgehen, was zur Gewährleistung des Haftzwecks und zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen Anstaltsbetriebs erforderlich ist (
BGE 118 Ia 64
E. 2d S. 73,
BGE 113 Ia 325
E. 4 S. 328 mit Hinweisen). Obwohl völkerrechtlich nicht verbindlich, sind dabei die Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen, wie sie das Ministerkomitee des Europarats am 19. Januar 1973 mit der Resolution (73) 5 beschlossen und am 12. Februar 1987 in überarbeiteter Fassung in der Empfehlung 87 (3) gebilligt hat, mitzuberücksichtigen, da sie die gemeinsame Rechtsüberzeugung der Mitgliedstaaten des Europarats zum Ausdruck bringen (BGE
BGE 118 Ia 64
E. 2a S. 70 mit Hinweisen). Art. 10 Abs. 1 des Internationalen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2), der für die Schweiz am 18. September 1992 in Kraft getreten ist, verlangt seinerseits menschenwürdige Haftbedingungen. Was als menschenwürdig zu gelten hat, ist auslegungsbedürftig. Massstab bilden die genannten Grundsätze, die vorerst vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen weltweit verabschiedet (Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners, angenommen durch Resolution 663C I [XXIV] vom 31. Juli 1957, ergänzt mit Resolution 2076 [LXII] vom 13. Mai 1977) und hernach im Rahmen des Europarats den europäischen Verhältnissen angepasst wurden (vgl. MANFRED NOWAK, CCPR-Kommentar, Kehl/Strassburg/Arlington 1989, Rzn. 1 und 6 zu Art. 10).
bb) In seiner Botschaft zu den Zwangsmassnahmen führt der Bundesrat aus, die Modalitäten der ausländerrechtlichen Haft seien im Lichte des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes auszugestalten und dürften nicht weiter gehen, als es der Haftzweck unabdingbar erfordere. Das Haftregime habe sich - insbesondere hinsichtlich Sicherheitsstandard und Unterbringung - grundsätzlich von jenem für Untersuchungs- und Strafgefangene zu unterscheiden. Die Haft sei in geeigneten, dem Haftzweck angepassten Räumlichkeiten zu vollziehen; wo kein allzu hoher Sicherheitsstandard verlangt sei, könnten die Betroffenen auch in Kollektivunterkünften
BGE 122 I 222 S. 227
untergebracht werden (BBl 1994 I 316, 326). Die Trennung von Ausländern in Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft von andern Häftlingen soll auch äusserlich zeigen, dass die Haft nicht wegen des Verdachts einer Straftat angeordnet wurde, sondern einen administrativen Hintergrund hat (
BGE 122 II 49
E. 5a S. 53). Sie dient in erster Linie dazu, den Ausländer bis zum Verlassen des Landes festzuhalten und so sicherzustellen, dass er sich den Behörden zur Verfügung hält. Anders als bei Untersuchungshäftlingen erfordert der Haftzweck daher regelmässig keine Beschränkungen des Kontakts mit der Aussenwelt oder mit andern Personen, die sich ebenfalls in Vorbereitungs- oder Ausschaffungshaft befinden. Einschränkungen rechtfertigen sich über den mit der Haft notwendigerweise verbundenen Sicherungszweck hinaus nur aus Erfordernissen des Anstaltsbetriebs oder bei konkreten Sicherheitsbedenken. Auch nach den Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen sollen nichtstrafrechtlich Inhaftierte keiner grösseren Beschränkung oder Strenge unterworfen werden, als zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung notwendig erscheint (Ziff. 94 der Mindestgrundsätze des Europarats 1973 sowie Ziff. 99 der überarbeiteten Fassung 1987). Die verschiedenen in
Art. 13a und
Art. 13b ANAG
genannten Haftgründe, die vom administrativen Fehlverhalten bis zu strafrechtlich relevanten Verstössen reichen, können zwar unterschiedliche Sicherheitsbedürfnisse begründen. Diesen ist aber nicht generell durch ein strikteres Haftregime für alle ausländerrechtlich Inhaftierten Rechnung zu tragen, sondern jeweils im Einzelfall nach Massgabe der konkreten Notwendigkeiten. Die Unterbringung der ausländerrechtlichen Administrativhäftlinge muss grundsätzlich ein von andern Häftlingskategorien abweichendes freieres Haftregime (Gemeinschaftsräumlichkeiten, Besuchsausübung, Freizeitaktivitäten usw.) zulassen (vgl. PETER UEBERSAX, Menschenrechtlicher Schutz bei fremdenpolizeilichen Einsperrungen, in: recht 1995, S. 56; ANDREAS ZÜND, Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: ZBJV 132/1996, S. 90 ff.). Bauliche, organisatorische und personelle Gegebenheiten dürfen dabei nicht als unabänderbar gelten; sie müssen zumindest insoweit geschaffen oder angepasst werden, als dies für einen verfassungskonformen Haftvollzug nötig erscheint (
BGE 122 II 49
E. 5a S. 53; Urteil Messaoudi vom 23. August 1995, E. 2a, veröffentlicht in EuGRZ 1995, S. 610; unveröffentlichte Urteile vom 11. Dezember 1995 i.S. M., E. 2 u. 3, vom 27. Februar 1996 i.S. A.S., E. 3, und vom 18. April 1996 i.S. A.S., E. 4).
BGE 122 I 222 S. 228
b) In formeller Hinsicht hat das Bundesgericht wiederholt festgehalten, es sei aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unerlässlich, die wichtigsten mit dem Haftvollzug verbundenen Freiheitsbeschränkungen generell-abstrakt zu regeln; dies schütze den Gefangenen vor Willkür (
BGE 99 Ia 262
E. III/4 S. 268; in BGE
BGE 106 Ia 355
ff. nicht veröffentlichte E. 3a/aa). Das Gefängnisreglement klärt die Rechtsstellung des Häftlings namentlich gegenüber den Gefängnisbehörden. Die Vollzugsinstanzen sind darauf angewiesen, sich rasch und zuverlässig am Wortlaut der einzelnen Bestimmungen orientieren zu können, ohne grössere interpretatorische Überlegungen anstellen zu müssen. Die inhaftierte Person ihrerseits befindet sich wegen des Freiheitsentzugs in einer Ausnahmesituation, in der sie weitere Beschränkungen ihrer Rechte in stärkerem Masse empfindet. Das Gefängnisreglement hat deshalb durch ausreichende Regelungsdichte und klare Fassung erhöhte Gewähr für die Vermeidung verfassungswidriger Anordnungen zu bieten (
BGE 106 Ia 136
E. 3b S. 138). Ob dies für ausländerrechtlich Inhaftierte hinreichend sichergestellt ist, wenn ihre Haftbedingungen - wie hier - im gleichen Erlass wie für die andern Häftlinge geregelt sind, braucht nicht generell entschieden zu werden. Der Notwendigkeit der klaren Regelung und Unterscheidung des Haftregimes ist jedoch im Rahmen der Auslegung der einzelnen Bestimmungen Rechnung zu tragen.
3.
Die angefochtenen kantonalen Vollzugsbestimmungen sind vor diesem Hintergrund auf ihre Verfassungsmässigkeit zu prüfen, auch wenn der Regierungsrat hiergegen grundsätzlich einwendet, die Polizeigefängnisse seien lediglich für die kurzfristige Aufnahme unterschiedlicher Kategorien inhaftierter Personen konzipiert, was einheitliche Haftbedingungen erforderlich mache. Wohl sieht § 1 Abs. 2 PVO vor, dass der Aufenthalt in Polizeigefängnissen in der Regel eine Woche nicht überschreiten soll. Der Regierungsrat räumt aber selber ein, dass in der Praxis ausländerrechtlich Inhaftierte mehrfach selbst länger als 30 Tage in den Polizeigefängnissen untergebracht wurden und dies auch noch Ende 1995 der Fall war; am 19. Dezember 1995 befanden sich immerhin noch sechs ausländerrechtliche Administrativhäftlinge länger als eine Woche in einem Polizeigefängnis, einer sogar länger als 30 Tage. Auch ein einwöchiger Aufenthalt in einem Polizeigefängnis kann nicht als derart kurz bezeichnet werden, dass den Besonderheiten der ausländerrechtlichen Haft überhaupt nicht Rechnung zu tragen wäre. Zwar mag nach einer polizeilichen Anhaltung - etwa im
BGE 122 I 222 S. 229
Drogenmilieu - nicht sofort klar sein, ob Untersuchungshaft angeordnet wird oder ob - bei illegalem Aufenthalt - ausländerrechtliche Haft in Betracht fällt. Das klärt sich aber meist schon nach Stunden, spätestens aber nach der Vorführung beim Untersuchungsbeamten bzw. der Anordnung der Fremdenpolizei. In diesem Sinne mag den Polizeigefängnissen kurzfristig eine gewisse "Triage"-Funktion zukommen, während der sich die Haftbedingungen in den wesentlichen Punkten unter Umständen nicht unterscheiden. Das trifft aber für die nach § 1 Abs. 2 PVO vorgesehene Haftdauer von einer Woche nicht mehr zu; erst recht nicht, wenn diese überschritten wird.
4.
Die Beschwerdeführer beanstanden vorab § 33 PVO, wonach die Gefangenen nach dem vierten Tag täglich mindestens eine halbe Stunde unter Aufsicht spazieren können. Diese Regelung sei zu restriktiv und verstosse gegen die persönliche Freiheit und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.
a) Gefangenen, die nicht im Freien arbeiten oder in einer offenen Anstalt untergebracht sind, ist nach den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen bzw. den Mindestgrundsätzen für die Behandlung der Gefangenen (Empfehlung Nr. R [87] 3, Ziff. 86, Entschliessung [73] 5, Ziff. 20 [1]) täglich mindestens eine Stunde Spaziergang oder geeignete Bewegung im Freien zu gestatten. Das Bundesgericht hat dieser Empfehlung im Rahmen seiner Verfassungsrechtsprechung zusehends grössere Bedeutung beigemessen: Im Jahre 1973 befand es eine Regelung, welche die körperliche Bewegungsmöglichkeit im Freien auf mindestens drei halbstündige Spaziergänge pro Woche festlegte, noch als verfassungsrechtlich zulässig, doch unterstrich es schon damals, dass die entsprechende kantonale Norm lediglich eine "Minimalregel" enthalte und die in der Beschwerde geforderte tägliche Bewegung dort, wo es praktisch durchführbar sei, tatsächlich gewährt werden müsse (
BGE 99 Ia 262
V. E. 8d S. 281). Drei Jahre später bezeichnete es einen täglichen Spaziergang von einer halben Stunde nach einer Haftdauer von einer Woche als verfassungsrechtliches Minimum. Es müsse aber Ziel der kantonalen Behörden und des Bundes sein, künftig den Gefangenen einen einstündigen Aufenthalt im Freien zu gewähren, auch wenn mit Rücksicht auf die praktischen Verhältnisse aus der persönlichen Freiheit ein entsprechender Grundrechtsanspruch nicht abgeleitet werden könne (
BGE 102 Ia 279
E. 7c S. 292). In einem Urteil aus dem Jahre 1992 erkannte das Bundesgericht, dass nach einer Haftdauer von einem Monat ungeachtet der tatsächlichen Verhältnisse ein täglicher Spaziergang von mindestens einer Stunde notwendig sei. Von Beginn weg müsse im übrigen ein
BGE 122 I 222 S. 230
Aufenthalt im Freien von mindestens einer halben Stunde und, wo es die Verhältnisse erlaubten, von einer Stunde gewährt werden (
BGE 118 Ia 64
E. 3k S. 82). Die hierfür nötigen baulichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen seien, wo sie noch nicht bestünden, ohne Verzug zu schaffen; andernfalls erscheine die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit in einem künftigen Beschwerdefall nicht ausgeschlossen (Urteil vom 10. Dezember 1993 veröffentlicht in EuGRZ 1994, S. 238 E. 3b/bb, und
BGE 118 Ia 360
E. 3c S. 364).
b) Im Bereich der ausländerrechtlichen Haft hielt das Bundesgericht am 23. August 1995 schliesslich fest, bauliche, organisatorische und personelle Voraussetzungen könnten nicht als Rechtfertigung für die Einschränkung des täglichen Spaziergangs angeführt werden (bereits zitiertes Urteil i.S. Messaoudi, veröffentlicht in EuGRZ 1995, S. 609). Mehr als 20 Jahre nach Verabschiedung der Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen lässt es sich nicht mehr vertreten, ausländerrechtlichen Administrativhäftlingen den minimalen Anspruch auf Spaziergang zu verweigern. Der Kanton Zürich hat am 1. Februar 1995, mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, zu den bereits bestehenden kantonalen Polizeigefängnissen das sogenannte "provisorische Polizeigefängnis" (Propog) auf der Kasernenwiese in Betrieb genommen. Es geht nicht an, dort den einstündigen Spaziergang im Freien von Beginn der Haft weg - auf jeden Fall aber ab dem zweiten Tag der Administrativhaft - zu verweigern. Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung stets Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse und die praktischen Schwierigkeiten genommen, diese umzugestalten. Es hat aber immer deutlich unterstrichen, dass der einstündige Spaziergang im Freien verwirklicht werden müsse. Eine Regelung, die diesen Minimalanforderungen bei ausländerrechtlichen Administrativhäftlingen nicht gerecht wird, lässt sich verfassungsrechtlich nicht halten; sie ist im Hinblick auf den Haftzweck mit dem Grundrecht der persönlichen Freiheit unvereinbar. § 33 PVO ist im Rahmen der Anträge und der Beschwerdebegründung aufzuheben, soweit er die ausländerrechtlichen Administrativhäftlinge betrifft.
5.
Gemäss § 38 Abs. 1 PVO bedürfen die Gefangenen für Besuche der Zustimmung der für sie zuständigen Stelle; nach § 39 dritter Satz PVO wird der Besuch zudem - vorbehältlich
Art. 46 Ziff. 3 StGB
und
§ 18 StPO
- beaufsichtigt. Die Beschwerdeführer erachten sowohl das Erfordernis einer
BGE 122 I 222 S. 231
Besuchsbewilligung wie die Überwachung der Besuche mit Blick auf den Haftzweck als unverhältnismässigen Eingriff in das verfassungsmässige Recht auf persönliche Freiheit.
a) Die ausländerrechtliche Administrativhaft dient in erster Linie dazu, die inhaftierte Person festzuhalten, um den Vollzug ihrer Weg- oder Ausweisung sicherzustellen. Dieser Haftzweck rechtfertigt grundsätzlich keine Bewilligungspflicht im Hinblick auf eine allfällige Kollusionsgefahr; sie ist jedoch aus betrieblichen Gründen bzw. konkreten Sicherheitsbedenken gegenüber dem Inhaftierten oder Besuchern verfassungsrechtlich zulässig (vgl. UEBERSAX, a.a.O., S. 56): Auch wenn der ausländerrechtlich Inhaftierte an sich relativ frei Besuche empfangen darf, verursachen diese doch einen gewissen administrativen Aufwand, der durch die Vollzugsorgane im täglichen Betriebsablauf zu berücksichtigen ist. Auch die Beschwerdeführer anerkennen dies, wenn sie davon ausgehen, es dürfe von den Besuchern eine Voranmeldung verlangt werden. In besonders gelagerten Einzelfällen lässt sich mit Blick auf die verschiedenen ausländerrechtlichen Haftgründe jedoch ebenfalls nicht ausschliessen, dass ein Besuch aus Sicherheitsgründen verweigert werden muss oder nur unter besondern Vorkehrungen erlaubt werden kann. Wird das Bewilligungsverfahren in diesem Sinne verfassungskonform gehandhabt, ist es nicht zu beanstanden. Mit den modernen Kommunikationsmitteln kann sichergestellt werden, dass bei der Behandlung der Bewilligungsgesuche keine ins Gewicht fallenden Verzögerungen eintreten.
b) Berechtigt ist die Kritik der Beschwerdeführer, soweit sie beanstanden, die Besuche würden zu Unrecht unter Vorbehalt von
Art. 46 Ziff. 3 StGB
und
§ 18 StPO
generell beaufsichtigt. Zwar lässt sich § 39 PVO so verstehen, dass der Vorbehalt, der sich nach seinem Wortlaut nur auf den Anwaltsbesuch bei Strafgefangenen und Untersuchungshäftlingen bezieht, auch für die ausländerrechtliche Haft gilt, mithin auch hier Anwaltsbesuche von der Beaufsichtigung ausgenommen sind. Die Grenze muss jedoch generell weiter gezogen werden: Der ausländerrechtlich Inhaftierte ist in der Regel allgemein berechtigt, Besuche unbeaufsichtigt zu empfangen. Nach dem europäischen Strafvollzugsgrundsatz 92 Ziff. 2 ist Untersuchungsgefangenen zu gestatten, Besuche unter menschenwürdigen Bedingungen zu empfangen; sie dürfen nur insoweit eingeschränkt und überwacht werden, als dies im Interesse der Rechtspflege sowie der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt erforderlich ist. Auch Besuche bei Untersuchungshäftlingen sollen nicht
BGE 122 I 222 S. 232
ausnahmslos überwacht werden; es bedarf hierzu eines legitimen Eingriffszwecks im Einzelfall. Dies muss vom Haftzweck her um so mehr bei der Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft gelten. Das Bundesgericht hat die gesetzliche Verpflichtung, ausländerrechtlich inhaftierte Personen von Untersuchungshäftlingen zu trennen, wiederholt damit begründet, dass nur so ein freieres Haftregime möglich sei; dabei nahm es ausdrücklich auf die liberalere Ausübung des Besuchsrechts Bezug (
BGE 122 II 49
E. 5a mit Hinweisen). Die Beaufsichtigung von Besuchen ist nur insoweit zulässig, als sie durch Sicherheitsbedenken im Einzelfall geboten erscheint (vgl.
BGE 122 II 49
E. 5b/bb S. 55: Beziehungen zur Rauschgiftszene). Wenn der Regierungsrat des Kantons Zürich auf einen relativ "tiefen baulich-technischen Sicherheitsstandard" der Polizeigefängnisse verweist, der die Beaufsichtigung der Besuche gebiete, überzeugt dies nicht. Er kann mit dieser Begründung nicht generell in einem neu erstellten Gefängnis (Propog) das für die ausländerrechtlich Inhaftierten bestehende Recht einschränken, Besuche unbeaufsichtigt zu empfangen. Sollte die Behauptung zutreffen, wäre der baulich-technische Sicherheitsstandard den bundesrechtlichen Anforderungen an den Haftvollzug anzupassen. § 39 Satz 3 PVO erweist sich für ausländerrechtlich Inhaftierte als mit dem verfassungsmässigen Recht auf persönliche Freiheit unvereinbar und ist daher insofern aufzuheben.
6.
a) Hinsichtlich des Postverkehrs beanstanden die Beschwerdeführer vorerst die Regelung von § 41 Abs. 1 PVO, wonach ein- und ausgehende Briefe und andere Sendungen grundsätzlich über die für den Gefangenen zuständige Stelle geleitet werden; verzichtet diese auf eine Kontrolle, kann sie durch den Gefängnisdienst vorgenommen werden, wenn Grösse oder Beschaffenheit der Sendung ein Sicherheitsrisiko darstellen. Die Beschwerdeführer rügen, die Kontrolle der Post der ausländerrechtlich Inhaftierten bleibe damit dem Ermessen der zuständigen Stelle überlassen; sie erklären, es sei eine "griffigere Formulierung" vorzuziehen. Dies genügt den Begründungsanforderungen an eine staatsrechtliche Beschwerde indessen nicht ([...]); auf ihre Rüge ist nur insoweit einzugehen, als sie hinreichend begründet geltend machen, aufgrund der Formulierung der Bestimmung könne auch die Anwaltskorrespondenz kontrolliert werden, was mit der persönlichen Freiheit und
Art. 10 EMRK
unvereinbar erscheine.
Aus dem Wortlaut von § 41 Abs. 1 PVO ergibt sich nicht, dass der Briefverkehr zwischen der inhaftierten Person und ihrem Rechtsvertreter inhaltlich kontrolliert werden dürfte. Die Bestimmung besagt lediglich,
BGE 122 I 222 S. 233
dass ein- und ausgehende Post der zuständigen Stelle, hier der Fremdenpolizei, weiterzuleiten sei, womit sichergestellt wird, dass nicht das Gefängnispersonal davon Kenntnis erhält (vgl.
BGE 107 Ia 148
ff.); sie äussert sich nicht dazu, wie weit die Kontrolle gehen darf. Die Anwaltskorrespondenz untersteht dem ungeschriebenen verfassungsmässigen Recht der Meinungsäusserungsfreiheit, die ebenfalls in
Art. 10 EMRK
garantiert ist, und dem in
Art. 8 EMRK
verankerten Anspruch auf freien Briefverkehr (
BGE 119 Ia 71
E. 3 S. 73 ff.). Anwaltskorrespondenz inhaftierter Personen darf deshalb inhaltlich keiner Kontrolle unterzogen und normalerweise auch nicht geöffnet werden (
BGE 119 Ia 505
E. 3d u. 4a); etwas anderes kann nur bei besonders gefährlichen Häftlingen gelten, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass die Postsendung nicht lediglich Schriftstücke enthält, wobei sicherzustellen ist, dass vom Briefinhalt keine Kenntnis genommen wird (
BGE 119 Ia 505
E. 3d S. 508, 106 Ia 219 E. 3d S. 224 f.). Bei ausländerrechtlicher Haft dürfte die Notwendigkeit eines solchen Vorgehens kaum je gegeben sein. Die fragliche Bestimmung lässt sich demnach ohne weiteres verfassungskonform auslegen.
b) In § 41 Abs. 3 PVO wird der Briefverkehr mit Mitgefangenen und früheren Mitgefangenen (nahe Angehörige ausgenommen) untersagt. Die Beschwerdeführer erachten diese Bestimmung für ausländerrechtlich Inhaftierte als mit dem Grundrecht der persönlichen Freiheit und dem in
Art. 8 EMRK
verankerten Anspruch auf Achtung des Briefverkehrs unvereinbar. Zu Recht: Die Bestimmung zielt auf die Verhinderung von Kollusion im Strafverfahren. Es ist nicht ersichtlich, welchen Sinn sie im Bereich ausländerrechtlicher Haft haben soll. Rechtfertigen sich hier in der Regel (anders als bei Untersuchungshäftlingen) keine besonderen Beschränkungen des Kontakts mit der Aussenwelt oder mit andern Personen in Vorbereitungs- oder Ausschaffungshaft, kann auch ein entsprechender Briefverkehr grundsätzlich nicht untersagt sein. Somit ist der erste Satz von § 41 Abs. 3 PVO für die ausländerrechtlichen Administrativhäftlinge aufzuheben; hingegen nicht der restliche Teil des Absatzes (Nichtweiterleitung von Briefen, die den Haftzweck gefährden), der für ausländerrechtlich Inhaftierte keine Bedeutung hat und auch nicht als verfassungswidrig beanstandet ist.
c) Nach § 41 Abs. 4 PVO dürfen den Gefangenen unter Vorbehalt von § 36 PVO keine Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und anderen Drucksachen zugestellt werden. § 36 Abs. 3 PVO sieht vor, dass Gefangene mit Zustimmung der für sie zuständigen Stelle auf eigene Kosten bis zu drei Zeitungen oder
BGE 122 I 222 S. 234
Zeitschriften abonnieren können, die ihnen jedoch vom Verlag oder einer Zeitungsagentur direkt zuzustellen sind. Diese Regelung verstösst, soweit sie die Zustellung von Zeitungen, Zeitschriften, Büchern und Drucksachen von privater Seite für ausländerrechtlich Inhaftierte ausschliesst, wie die Beschwerdeführer zu Recht geltend machen, gegen die persönliche Freiheit und die Freiheit zum Empfang von Nachrichten und Ideen im Sinne von
Art. 10 Ziff. 1 EMRK
: Bei der Untersuchungshaft darf der Bezug von Büchern und Druckschriften von aussen beschränkt werden, da auf diesem Weg unerlaubte Verbindungen zwischen einem Gefangenen und der Aussenwelt hergestellt werden könnten (BGE
BGE 103 Ia 165
E. 2c S. 166). Bei Zustellung über eine Privatperson besteht die Gefahr unerlaubter Mitteilungen, die nur mit einem erheblichen und nicht zu rechtfertigenden Kontrollaufwand zu beseitigen wäre, weshalb verlangt werden kann, dass Bücher und Zeitungen über eine Buchhandlung oder vom Verlag zu beziehen sind (
BGE 102 Ia 279
E. 8c S. 295). Bei der ausländerrechtlichen Administrativhaft rechtfertigt der Haftzweck einen solchen Eingriff indessen nicht. Fremdsprachige Zeitschriften und Bücher lassen sich über Verlage nicht immer leicht beziehen; die Betroffenen sind deshalb gerade in besonderem Masse darauf angewiesen, sich auch von privater Seite mit Drucksachen versorgen zu lassen. § 41 Abs. 4 PVO ist mit Bezug auf ausländerrechtlich Inhaftierte somit aufzuheben.
7.
Gemäss § 27 Abs. 1 PVO werden in den Polizeigefängnissen keine Arbeitsbetriebe geführt. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 2 ÜbBest. BV (derogatorische Kraft des Bundesrechts);
Art. 13d Abs. 2 ANAG
verlange, dass den Inhaftierten soweit möglich Beschäftigung angeboten werde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann bei kürzerer Haftdauer von einer Beschäftigungsmöglichkeit abgesehen werden, bloss bei längerer Haft ist diese zwingend geboten, da sonst die Psyche der inhaftierten Person beeinträchtigt werden könnte (unveröffentlichte Urteile vom 1. November 1995 i.S. D., E. 2b, und i.S. K. vom 6. September 1995, E. 3c). Nach § 1 Abs. 2 PVO soll der Aufenthalt in den Polizeigefängnissen "in der Regel" nicht länger als eine Woche dauern, allerdings sind - wie dargelegt - Ausnahmen möglich und vorgekommen. Das Bundesgericht kann im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle und der von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen nicht überprüfen, ob die Polizeigefängnisse in ihrer baulichen Ausgestaltung generell geeignete Anstalten für ausländerrechtliche Haft sind. Ist davon auszugehen, dass sie gemäss
BGE 122 I 222 S. 235
§ 1 Abs. 2 PVO grundsätzlich nur für eine Aufnahme von einer Woche bestimmt sind, lassen sich die fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten mit
Art. 13d Abs. 2 ANAG
und der einschlägigen Rechtsprechung hierzu aber vereinbaren. Dauert die Unterbringung im Polizeigefängnis im Einzelfall länger als eine Woche, ist es Sache des Haftrichters zu prüfen, ob durch besondere Vorkehren oder durch Verlegung in ein anderes Gefängnis der Anspruch auf Beschäftigung eingehalten werden kann. § 27 Abs. 1 PVO als solcher verstösst deshalb nicht gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts.
8.
Die Beschwerdeführer beanstanden schliesslich § 44 Ziff. 6 PVO, wonach die unerlaubte Kontaktnahme mit Mitgefangenen oder Personen ausserhalb des Gefängnisses als schweres Disziplinarvergehen mit Arrest geahndet wird. Diese Bestimmung lässt sich aber ebenfalls verfassungskonform verstehen: Personen in ausländerrechtlicher Haft dürfen grundsätzlich mit andern Gefangenen und Personen ausserhalb des Gefängnisses in Kontakt treten. Macht der inhaftierte Ausländer hiervon Gebrauch, ist dies grundsätzlich nicht unerlaubt. In den meisten Fällen dürfte er deshalb den Disziplinartatbestand gar nicht erfüllen. War der Kontakt mit Blick auf den Haftzweck konkret beschränkt, kann sich der Betroffene aber im Einzelfall zur Überprüfung der Massnahme letztinstanzlich wiederum an das Bundesgericht wenden. Erscheint eine generell-abstrakte Regelung unter normalen Verhältnissen, wie sie der Gesetzgeber voraussetzen durfte, als verfassungsrechtlich haltbar, so vermag die ungewisse Möglichkeit, dass sie sich in besonders gelagerten Einzelfällen als verfassungswidrig erweisen könnte, ein Eingreifen des Verfassungsrichters im allgemeinen noch nicht zu rechtfertigen. Wird im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle eine Verfassungswidrigkeit verneint, hindert dies den Bürger nicht, diese bei der Anwendung im Einzelfall erneut geltend zu machen, womit ein hinreichender verfassungsrechtlicher Schutz gewährleistet bleibt (
BGE 118 Ia 305
E. 1f S. 309 mit Hinweisen). | public_law | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6a2cd0c7-0c71-4d04-a5a7-13e239a5833f | Urteilskopf
101 IV 154
40. Urteil des Kassationshofes vom 11. August 1975 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen Kaufmann | Regeste
1.
Art. 139 StGB
. Der Tatbestand des Raubes ist objektiv dann nicht gegeben, wenn die Widerstandsunfähigkeit des Angegriffenen durch diesen selbst und nicht durch den Täter herbeigeführt worden ist (Erw. 1).
2.
Art. 129 StGB
. Wer einen völlig Betrunkenen in einer regnerischen, aber nicht besonders kalten Novembernacht mit Hut und Mantel bekleidet unter dem Vordach einer Baracke zurücklässt, bringt diesen in der Regel nicht in eine unmittelbare Lebensgefahr (Erw. 2).
3.
Art. 182 StGB
. Wer einen völlig Betrunkenen gegen dessen vermutlichen Willen an einen andern Aufenthaltsort verbringt, macht sich der Freiheitsberaubung nicht schuldig (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 154
BGE 101 IV 154 S. 154
A.-
Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft am 26. September 1972 arbeitete Kaufmann als Grill-Verkäufer zusammen mit dem in Würenlingen (AG) wohnhaften Walker. Beide steckten in Geldschwierigkeiten und suchten nach Gelegenheiten, um sich mittels deliktischer Handlungen Geld zu verschaffen.
BGE 101 IV 154 S. 155
So hielt sich Kaufmann u.a. am 13. November 1972 mit Walker und dessen Ehefrau in der "Old Town"-Bar in Baden (AG) auf. Der dort ebenfalls anwesende Berner trug in seiner Brieftasche einige tausend Franken Bargeld mit sich. Weil er sich für Walkers Ehefrau interessierte und mit dieser ein Abenteuer suchte, konsumierte er mit ihr zusammen Weisswein; auch prahlte er Frau Walker und der Bar-Dame gegenüber mit seinem Geldbesitz, indem er die mitgeführten Banknoten vorzeigte. Daraufhin schlug Kaufmann den Eheleuten Walker vor, Berner in ihr Haus nach Würenlingen zu locken, um ihm dann dort das Geld abzunehmen. Als Berner die Bar verliess, sprach ihn Frau Walker demgemäss an, wobei sie ihn zu einem Trunk nach Hause einlud. Auf Umwegen fuhr sie hierauf in ihrem Wagen mit Berner nach Würenlingen, während Kaufmann und Walker sich direkt dorthin begaben und im Hause versteckten. Nach der Ankunft bot Frau Walker ihrem Gast einen "Grand Marnier" an; Berner verlor bald darauf das Bewusstsein. Hierauf nahm Frau Walker die in der Rocktasche Berners befindlichen Fr. 6'500.-- an sich; einen Teilbetrag von Fr. 2'000.-- erhielt Kaufmann.
Nach der Tat verluden Kaufmann und die Eheleute Walker zusammen den betrunkenen Berner in Walkers Auto und fuhren mit ihm Richtung Bözberg. Etwa 500 m vor der Ortschaft Gallenkirch (AG) luden sie den vollständig betrunkenen, offensichtlich bewusstlosen Berner bei einer Materialbaracke aus und legten ihn an die Hüttenwand unter ein Vordach. Da es regnete, deckten sie Berner mit Hut und Mantel zu und fuhren schliesslich weg, um nochmals die Bar "Old Town" in Baden aufzusuchen.
B.-
a) Für zahlreiche andere Delikte, welche nicht mehr streitig sind, sowie für das oben geschilderte Verhalten vom 13. November 1972, welches als gewerbs- und bandenmässiger Diebstahl gemäss Art. 137 Ziff. 1 und 2 Abs. 2 und 3 StGB qualifiziert wurde, hat das Kriminalgericht des Kantons Luzern Kaufmann zu 3 Jahren Zuchthaus, abzüglich 508 Tagen Untersuchungshaft sowie zu einer Geldbusse von Fr. 300.-- verurteilt.
b) Die II. Kammer des Obergerichts des Kantons Luzern hat auf Appellation der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern und auf Anschlussappellation Kaufmanns hin, unter Einbeziehung weiterer Anklagen, die im gegenwärtigen Verfahren
BGE 101 IV 154 S. 156
ebenfalls nicht mehr strittig sind, letztern mit Urteil vom 13. Dezember 1974 zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus, abzüglich Untersuchungshaft seit 18. August 1972, sowie zu einer Geldbusse von Fr. 300.-- verurteilt. Im übrigen hat es das kriminalgerichtliche Urteil - insbesondere hinsichtlich der Qualifikation der Vorgänge vom 13. November 1972 als blossen gewerbsmässigen und bandenmässigen Diebstahl gemäss Art. 137 Ziff. 1 und 2 Abs. 2 und 3 StGB - bestätigt.
C.-
Gegen das obergerichtliche Urteil führt die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragt, Kaufmann sei für die Vorgänge vom 13. November 1972 nicht bloss des gewerbsmässigen und bandenmässigen Diebstahls, sondern des bandenmässigen Raubes gemäss
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 3 StGB
, der Gefährdung des Lebens gemäss
Art. 129 Abs. 1 StGB
und ausserdem der Freiheitsberaubung gemäss
Art. 182 Ziff. 1 StGB
schuldig zu erklären und die auszufällende Strafe entsprechend zu erhöhen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Des Raubes gemäss
Art. 139 StGB
macht sich u.a. schuldig, wer in der Absicht, einen Diebstahl zu begehen, an einer Person entweder Gewalt verübt oder sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben bedroht oder sie in anderer Weise zum Widerstand unfähig macht. Der Räuber nötigt mithin sein Opfer auf eine der erwähnten Arten, einen Diebstahl zu dulden. Er macht dazu sein Opfer durch physische Gewalt, durch schwere Drohung für Leib oder Leben oder durch andere ebenbürtige Mittel (Narkose, Hypnose usw.) zum Widerstand unfähig (SCHWANDER, Das schweiz. Strafgesetzbuch, 2. Aufl. Nr. 540). Die Ausschaltung der Widerstandsfähigkeit beim Opfer, in deren Gefolge die Ausführung eines Diebstahls beabsichtigt ist, muss mithin immer vom Täter selber bewirkt, also die Folge seiner Einwirkung auf das Opfer sein (
BGE 71 IV 122
/3). Der Täter, welcher einen Diebstahl gegenüber einer Person ausführt, die auf andere Weise als durch Einwirkung des Täters widerstandsunfähig gemacht worden ist, fällt daher nicht unter die Strafbestimmung des
Art. 139 StGB
. Er bleibt nur gemäss
Art. 137 StGB
strafbar.
Im vorliegenden Falle steht nach dem angefochtenen Urteil fest, dass Berner am 13. November 1972 infolge übermässigen
BGE 101 IV 154 S. 157
Alkoholkonsums zum Widerstand gegen den von Kaufmann und dem Ehepaar Walker an ihm geplanten Gelddiebstahl unfähig war. Er war in der Wohnung Walker schliesslich völlig betrunken, so dass ihm die Brieftasche mit den Fr. 6'500.-- ohne jede Schwierigkeit weggenommen werden konnte. Danach ist für die Frage, ob auf den Sachverhalt vom 13. November 1972
Art. 139 StGB
anwendbar sei, entscheidend, ob dieser Zustand völliger Trunkenheit und Bewusstlosigkeit - also die Widerstandsunfähigkeit - durch die Handlungsweise eines der drei Mittäter oder aber durch eine von dieser unabhängigen, andern Ursache bewirkt worden ist. Dieser Umstand ist eine vom Sachrichter zu entscheidende Tatfrage, an deren Beantwortung der Kassationshof gebunden ist (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
).
Das Obergericht erachtet für erwiesen, dass nicht einer der drei Mittäter - insbesondere nicht Kaufmann - Berner in jenen Zustand völliger Trunkenheit und Bewusstlosigkeit versetzt haben, sondern dass dieser durch den über den ganzen Tag hinwegreichenden, übermässigen Alkoholkonsum entstanden ist, und dass die Täter sich mit der Hilfe von Frau Walker diesen Umstand für den von ihnen geplanten Gelddiebstahl bloss nutzbar gemacht haben. So stellt das Obergericht einmal fest, Berner habe am 13. November 1972 schon am Nachmittag im "Du Pont" in Ennetbaden Alkohol konsumiert; in der "Old Town-Bar" in Baden habe er sodann den grössten Teil einer Flasche Weisswein, die er mit drei jungen Leuten trank, selber konsumiert. Als die Eheleute Walker um 19.30 Uhr die Bar betraten, habe Berner zum mindesten angeheitert, wenn nicht angetrunken oder gar betrunken gewirkt. Als er um etwa 20.00 Uhr die Bar verlassen wollte, habe ihn Walker aufgefordert, Getränke zu bezahlen, worauf er den Damen Weisswein angeboten habe, da er an einem sexuellen Abenteuer mit einer von ihnen interessiert gewesen sei; dass Berner dabei auch selber weitergetrunken hätte, stellt die Vorinstanz nicht fest. Hingegen steht fest, dass er zwischen 21.30 und 22.00 Uhr die Bar verliess und dabei nach wie vor angetrunken war. Wichtig ist sodann die verbindliche Feststellung des Obergerichts, dass Berner zwar ziemlich alkoholisiert, jedoch noch durchaus zurechnungsfähig gewesen sei, als er das Anerbieten von Frau Walker angenommen habe, mit ihr nach Hause zu fahren und dort noch etwas zu trinken. Ins
BGE 101 IV 154 S. 158
Gewicht fällt weiter die Feststellung, dass bis zu diesem Zeitpunkt weder Kaufmann noch das Ehepaar Walker überhaupt irgend etwas zur Trunkenheit Berners beigetragen haben. Der Kassationshof hat daher davon auszugehen, dass der Zustand Berners bis zur Ankunft im Hause Walker nicht etwa auf die Einwirkung eines der drei Mittäter, sondern allein auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen war.
Weiter steht fest, dass Frau Walker ihrem Gast mit dessen Einverständnis ein grösseres Glas Grand Marnier zu trinken gab; Berner trank dieses aus freien Stücken in einem Zuge aus. Zwar hatte sich Frau Walker erkundigt, was er zu trinken wünsche. Das kann nichts anderes heissen, als dass Berner in diesem Zeitpunkt auf ein Getränk oder zumindest auf Alkohol noch hätte verzichten und dass er auch die Art dieses allfälligen alkoholischen Getränks selber hat bestimmen können. Auch geht daraus hervor, dass keiner der drei Täter Berner veranlasst hat, den von ihm gewählten "Grand Marnier" in einem einzigen Zuge zu trinken, sondern dass er das aus freien Stücken tat. Dass dem so ist, erhellt aus der obergerichtlichen Feststellung, wonach er sich aus eigenem Antrieb und ohne nennenswerte Einwirkung von Seiten der Eheleute Walker oder Kaufmanns allmählich in einen alkoholisierten Zustand versetzte. In der Tat ist der eigene Beitrag, den Berner an die Herbeiführung seiner Bewusstseinslosigkeit und Widerstandsunfähigkeit geleistet hat, derart, dass es an einer für die Anwendung von
Art. 139 StGB
ausreichenden Mitverursachung dieses Zustandes durch die drei Mittäter offensichtlich fehlt. War die Widerstandsunfähigkeit Berners, während welcher der Diebstahl verübt wurde, somit eine Folge seiner eigenen Handlungsweise und nicht diejenige der Täter selber, so kann Kaufmann nicht des Raubes gemäss
Art. 139 StGB
schuldig erklärt werden. Die Frage, ob dieses Delikt in einfacher oder qualifizierter Form verübt worden sei, wird damit gegenstandslos.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach den Ausführungen in der Beschwerde das Ehepaar Walker für ihre Mitwirkung an den Handlungen dieses Tages von einem andern Gericht gemäss
Art. 139 Ziff. 1 StGB
schuldig erklärt worden sein soll. Denn für die Verurteilung des Kaufmann ist allein der Sachverhalt massgeblich, von dem das Luzerner Obergericht im angefochtenen Urteil ausgegangen ist.
BGE 101 IV 154 S. 159
Die Beschwerde ist in diesem Punkte demzufolge als unbegründet abzuweisen.
2.
Die Beschwerdeführerin vertritt sodann die Meinung, Kaufmann sei für die ihm als Mittäter anzulastenden Vorfälle vom 13. November 1972 zusätzlich auch der Gefährdung des Lebens gemäss
Art. 129 StGB
schuldig zu erklären, wie dies die aargauischen Gerichte gegenüber den Eheleuten Walker auch getan hätten.
a) Dieses Deliktes macht sich schuldig, wer einen Menschen wissentlich und gewissenlos in unmittelbare Lebensgefahr bringt; blosse Gesundheitsgefährdung genügt nicht (STRATENWERTH Bd I S. 69 Mitte). Eine solche unmittelbare Lebensgefahr liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn überhaupt eine nahe Möglichkeit der Tötung vorliegt, über die wissentlich sich hinwegzusetzen als gewissenlos erscheint (
BGE 94 IV 62
E. 2). Ob Kaufmann (zusammen mit den Eheleuten Walker) für Berner eine solche Gefahr geschaffen habe oder nicht, hat die Vorinstanz offen gelassen. Sie hätte diese Frage indes füglich verneinen dürfen. Denn indem Berner in einer regnerischen und stürmischen, aber nicht besonders kalten Novembernacht unter dem Vordach einer Baracke in völlig betrunkenem Zustand abgesetzt wurde, hat eine nahe Möglichkeit der Tötung nicht vorgelegen; dies umsoweniger, als die Täter Berner mit Hut und Mantel vor den Unbilden der Witterung schützten. Wohl bestand nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit einer Erkältung des Opfers, keinesfalls jedoch die unmittelbare Möglichkeit eines Ablebens als Folge dieser Absetzung. Daran ändert auch die völlige Trunkenheit nichts, war nach der Lebenserfahrung doch damit zu rechnen, dass Berner seinen Rausch ausschlafen und wieder zu sich kommen werde, so dass er den Heimweg selber finden werde. So hat sich nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz der Vorfall denn auch abgespielt. Fehlte es somit bereits an der nahen Möglichkeit der Tötung, so war es von den Tätern aber auch nicht gewissenlos im Sinne von
Art. 129 StGB
, sich über die darob tatsächlich zu befürchtenden, weit geringern möglichen Folgen hinwegzusetzen. Der Straftatbestand des
Art. 129 StGB
ist daher schon in objektiver Beziehung nicht erfüllt.
b) Dazu kommt, dass es auch in subjektiver Hinsicht an dem nach
Art. 129 StGB
erforderlichen Gefährdungsvorsatz
BGE 101 IV 154 S. 160
fehlt. Dieser wäre nur gegeben, wenn Kaufmann die Gefahr gekannt und trotzdem gehandelt hätte (
BGE 94 IV 63
Mitte). Das Obergericht stellt ausdrücklich fest, dass die Täter (worunter Kaufmann) sich zwar bewusst gewesen seien, dass Berner sich durch die Aussetzung in einer regnerischen Novembernacht zwar wohl erkälten könnte. Dagegen hätten sie keinesfalls mit der nahen Möglichkeit seines Ablebens als Folge der Aussetzung gerechnet, eine solche vielmehr für geringfügig erachtet. Da es sich bei solcher Würdigung der Überlegungen der Täter um einen innern Vorgang, also um einen dem Tatsächlichen angehörenden Umstand handelt, ist sie für den Kassationshof verbindlich (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
). Demzufolge fehlte den Tätern, insbesondere Kaufmann, jegliche Kenntnis einer nahen Möglichkeit der Tötung Berners durch das von ihnen geplante Verhalten. Das Beschwerdebegehren, es sei Kaufmann auch der Gefährdung des Lebens schuldig zu erklären, ist deshalb ebenfalls als unbegründet abzuweisen.
3.
a) Der Freiheitsberaubung gemäss
Art. 182 StGB
soll sich Kaufmann endlich dadurch schuldig gemacht haben, dass er (mit den Eheleuten Walker) Berner nach dem Diebstahl seiner Barschaft in das Auto verbracht und an einen unbekannten Ort geführt hat, wozu der Widerstandsunfähige weder seine Zustimmung gegeben hatte noch je gegeben hätte. Das Obergericht hat Kaufmann dieser Straftat nicht schuldig erklärt, weil einerseits die Täter mit ihrem Tun gerade Vorbereitungen trafen, Berner die körperliche Bewegungsfreiheit zu verschaffen; und anderseits, weil die Erzwingung einer Aufenthaltsortsveränderung, wie sie hier erfolgt ist, grundsätzlich keine Freiheitsberaubung sein kann. Endlich habe Berner, weil er völlig betrunken war, während der Dauer dieses Zustandes seiner Bewegungsfreiheit überhaupt nicht beraubt werden können.
b) Der Freiheitsberaubung gemäss
Art. 182 Ziff. 1 StGB
macht sich u.a. schuldig, wer jemandem unrechtmässig die Freiheit entzieht. Das Delikt hebt also die Freiheit auf, sich nach eigener Wahl vom Orte, an dem man sich befindet, an einen andern Ort zu begeben (SCHWANDER, a.a.O. Nr. 630 und STRATENWERTH Bd. I S. 93 Ziff. 1a). Hätten die Täter Berner nach ausgeführtem Diebstahl beispielsweise in der Wohnung Walker eingesperrt oder sonstwie zurückgehalten, um ihn beim Erwachen am Verlassen des Hauses zum Zwecke
BGE 101 IV 154 S. 161
der Heimkehr oder der Anzeigeerstattung zu hindern, so läge nach dem Gesagten Freiheitsberaubung gemäss
Art. 182 StGB
vor, weil Berner damit in der freien Wahl eines andern Aufenthaltsortes behindert worden wäre.
Im vorliegenden Falle wird den Tätern jedoch nicht ein solcher Sachverhalt vorgeworfen, sondern vielmehr Berner gegen seinen wirklichen oder vermutlichen Willen an einen andern Aufenthaltsort verbracht zu haben. Solcher Zwang, einen Ort zu verlassen, ist jedoch keine Freiheitsberaubung im Sinne von
Art. 182 StGB
(SCHWANDER a.a.O. und STRATENWERTH a.a.O.).
Zudem fehlt es im vorliegenden Falle auch an dem nach
Art. 182 StGB
erforderlichen Vorsatz, welcher darin besteht, dass die Täter Berner mit ihrem Tun an der freien Wahl seines Aufenthaltsortes gehindert hätten (STRATENWERTH Bd. I S. 95 Ziff. 2). Denn das Obergericht stellt verbindlich fest, die Täter seien gegenteils gerade darauf ausgegangen, Berner wieder die körperliche Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Das aber schliesst den Tatvorsatz aus.
Aus diesen Gründen ist das Begehren der Beschwerdeführerin, Kaufmann gemäss
Art. 182 Ziff. 1 StGB
schuldig zu erklären, unbegründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6a2df858-0f36-413e-b8cf-5617ad94ab58 | Urteilskopf
121 I 297
41. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. November 1995 i.S. Z. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht (III. Strafkammer) des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
; Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
Erfolgt der Freiheitsentzug am Ende eines gerichtlichen Verfahrens, d.h. als Ergebnis einer strafrechtlichen Verurteilung im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK
, so ist die von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
verlangte Kontrolle in der Regel für die gesamte Dauer des Freiheitsentzugs im Strafurteil des Gerichts mit enthalten. Keine Abweichung von dieser Regel in einem Fall, in welchem die Verwaltungsbehörde eine Verfügung betreffend die Übertragung des Vollzugs eines schweizerischen Strafurteils an die Behörden eines ausländischen Staates widerrufen und die Fortsetzung des Strafvollzugs in der Schweiz angeordnet hatte. | Sachverhalt
ab Seite 298
BGE 121 I 297 S. 298
Der israelische Staatsangehörige Z. wurde am 27. November 1987 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 16 Jahren Zuchthaus, abzüglich 519 Tage Untersuchungshaft, verurteilt. Er hatte die Strafe am 4. Mai 1987 vorzeitig angetreten. Nach mehrmaligem Anstaltswechsel trat er am 8. Dezember 1988 in die Strafanstalt Regensdorf ein. Am 9. August 1991 verfügte der stellvertretende Generalsekretär der Direktion der Justiz des Kantons Zürich, Z. werde zur Fortsetzung des Vollzugs der gegen ihn vom Obergericht des Kantons Zürich ausgesprochenen Strafe am 14. August 1991 in Tel Aviv den Behörden des Staates Israel übergeben. Z. wurde am 14. August 1991 nach Israel überführt. Da er gegenüber den beiden Polizeibeamten, die ihn im Flugzeug nach Israel begleiteten, erklärt hatte, diese Freilassung habe ihn eine bestimmte Geldsumme gekostet, und da er in Israel das Flughafengebäude als freier Mann hatte verlassen können, wurde im November 1991 gegen den Beamten der Justizdirektion, welcher die Verfügung vom 9. August 1991 erlassen hatte, ein Strafverfahren eingeleitet. Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte den Beamten am 29. November 1993 wegen Amtsmissbrauchs und Begünstigung zu drei Monaten Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs. Am 18. Februar 1994 wurde Z. international zur Verhaftung ausgeschrieben. Er wurde am 15. März 1994 in Rom verhaftet und am 29. Juli 1994 an die Schweiz ausgeliefert. Das Amt für Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Zürich (ASMV) widerrief am 30. August 1994 die Verfügung der Justizdirektion vom 9. August 1991 und ordnete die Fortsetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe in der Schweiz mit Wirkung ab 29. Juli 1994 an. Den
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dagegen eingelegten Rekurs wies die Justizdirektion am 18. April 1995 ab. Das Obergericht trat am 30. Mai 1995 auf den Rekurs, den Z. gegen diesen Entscheid der Justizdirektion erhoben hatte, nicht ein.
Die staatsrechtliche Beschwerde, welche Z. am 20. Juni 1995 gegen den Entscheid des Obergerichts vom 30. Mai 1995 einreichte, heisst das Bundesgericht teilweise gut und hebt den angefochtenen Entscheid mit Bezug auf die Kostenregelung auf. Im übrigen weist es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Die Rüge, das Obergericht habe mit dem Nichteintretensentscheid den Anspruch auf eine gerichtliche Haftprüfung verletzt, hält das Bundesgericht für unbegründet,
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
3.
a) Die Justizdirektion hatte am 9. August 1991 verfügt, der Beschwerdeführer werde zur Fortsetzung des Vollzugs der gegen ihn vom Obergericht am 27. November 1987 ausgesprochenen Zuchthausstrafe am 14. August 1991 den Behörden des Staates Israel übergeben. Das ASMV widerrief diese Verfügung am 30. August 1994 und ordnete die Fortsetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe in der Schweiz mit Wirkung ab 29. Juli 1994 an. Der Beschwerdeführer erhob dagegen Rekurs, den die Justizdirektion mit Verfügung vom 18. April 1995 abwies. Obgleich ihm die Justizdirektion mündlich mitgeteilt hatte, dass ihr Rekursentscheid kantonal letztinstanzlich sei, focht der Beschwerdeführer diesen Entscheid mit einem Rekurs beim Obergericht an. Er vertrat die Ansicht, die Zuständigkeit des Obergerichts ergebe sich direkt aus
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
. Der Beschwerdeführer machte geltend, mit dem Entscheid der Justizdirektion sei im Sinne dieser Vorschrift in seine Freiheitsrechte eingegriffen worden. Da die Rechtmässigkeit des Eingriffs von tatsächlichen und rechtlichen Umständen abhänge, die erst nach der Verurteilung im Jahre 1987 eingetreten seien, sei die gerichtliche Kontrolle des Entscheids der Justizdirektion "zwingendes Gebot". Dabei gehe es nicht darum, das Urteil des Obergerichts vom 27. November 1987 zu überprüfen, sondern einzig um die Frage, ob es zulässig sei, ihn nach seiner Entlassung aus dem schweizerischen Strafvollzug erneut in Haft zu nehmen. Mit Beschluss vom 30. Mai 1995 trat das Obergericht auf den Rekurs nicht ein, da im vorliegenden Fall kein Anspruch auf eine richterliche Haftprüfung im Sinne von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
bestehe.
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b) Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, es habe mit seinem Nichteintretensentscheid den in
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
gewährleisteten Anspruch auf gerichtliche Haftprüfung, das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit und
Art. 4 BV
(Verbot formeller Rechtsverweigerung; Grundsatz von Treu und Glauben) verletzt.
aa) Nach
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
hat jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht so rasch als möglich über die Rechtmässigkeit der Haft entschieden und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Das Obergericht hielt im angefochtenen Beschluss fest, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sei die von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
verlangte Haftprüfung in der gerichtlichen Entscheidung enthalten, mit der jemandem nach Abschluss des Strafverfahrens die Freiheit entzogen werde. Soweit lediglich eine ausgefällte Strafe weiterverbüsst werde, bedürfe es daher in der Regel keines weiteren Verfahrens, um die Überprüfung der Rechtmässigkeit der Haft zu ermöglichen. Ein Recht auf anschliessende Prüfung der Rechtmässigkeit der Haft (in vernünftigen zeitlichen Abständen) könne jedoch dann gegeben sein, "wenn diese von persönlichen Eigenschaften oder sonstigen veränderlichen Umständen" abhängig sei. Das Obergericht ging in der Folge näher auf zwei solche Ausnahmefälle ein, in welchen der EGMR von der erwähnten Regel abgewichen sei (Urteile vom 24. Juni 1982 i.S. Van Droogenbroeck, Serie A, Band 50 = EuGRZ 1984, S. 6 ff., und vom 2. März 1987 i.S. Weeks, Serie A, Band 114 = EuGRZ 1988, S. 316 ff.). Es betonte, dass in diesen Fällen die Dauer der Vollstreckung der Strafhaft in das Ermessen der Strafvollstreckungsbehörde bzw. einer Verwaltungsbehörde gestellt worden sei und deren Entscheid nach
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
einer gerichtlichen Überprüfung habe zugänglich sein müssen. Im weiteren führte das Obergericht aus, der Beschwerdeführer verweise auf MARK E. VILLIGEr (Handbuch der EMRK, Zürich 1993, S. 216, N. 364), der die Rechtsprechung des EGMR zusammenfasse und festhalte, ein Anspruch auf Haftprüfung entstehe bei Fortdauer der Haft immer dann und dann immer wieder (selbst wenn eine gerichtliche Kontrolle vorangegangen sei), wenn neue Umstände die Rechtmässigkeit der Haft nachträglich in Frage zu stellen vermöchten. Dabei könne es auch aufgrund der von VILLIGER angeführten Beispiele "keinem Zweifel unterliegen", dass der EGMR die "neuen Umstände" in seiner
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bisherigen Rechtsprechung eng begrenzt habe und darunter jedenfalls nicht beliebige neue Umstände verstanden werden könnten. Das Obergericht legte sodann dar, weshalb nach der erwähnten Rechtsprechung des EGMR im vorliegenden Fall kein Anspruch auf eine richterliche Haftprüfung im Sinne von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
bestehe. Es führte aus, der Beschwerdeführer sei vom Obergericht am 27. November 1987 zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Die Inhaftnahme des Beschwerdeführers sei somit am Ende eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt, d.h. als Ergebnis einer strafrechtlichen Verurteilung gemäss
Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK
, weshalb die in
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
vorgesehene Kontrolle für die gesamte Dauer der 16jährigen Zuchthausstrafe im gerichtlichen Urteil vom 27. November 1987 enthalten sei. In diesem Urteil sei die Dauer der Strafe weder von persönlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers noch von sonstigen veränderlichen Umständen abhängig gemacht worden. Den Strafvollzugsbehörden sei kein Ermessen eingeräumt worden, das über die vom Bundesgesetzgeber in
Art. 38 Ziff. 1 StGB
vorgesehene Möglichkeit der bedingten Entlassung nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe hinausgehe. Mit Verfügung der Justizdirektion vom 9. August 1991 sei der Beschwerdeführer zur Fortsetzung des Vollzugs der gegen ihn ausgesprochenen Strafe den Behörden des Staates Israel übergeben worden. Das ASMV habe diese Verfügung am 30. August 1994 widerrufen und die Fortsetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe in der Schweiz mit Wirkung ab 29. Juli 1994 angeordnet. Die Justizdirektion habe einen dagegen erhobenen Rekurs mit Entscheid vom 18. April 1995 abgewiesen. Sowohl der Rekursentscheid als auch die Verfügung vom 30. August 1994 hätten Fragen der Zulässigkeit des Widerrufs der Verfügung vom 9. August 1991 betroffen, mithin ausschliesslich verwaltungsrechtliche Fragen, die in keinem Zusammenhang zu persönlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers oder zu "sich mit dem Zeitablauf per se ändernden Umständen" gestanden seien. Zwar sei nicht zu verkennen, dass auch der Rekursentscheid der Justizdirektion vom 18. April 1995 ein Ermessensentscheid sei, zumal verschiedene Interessen hätten gegeneinander abgewogen werden müssen. Es sei jedoch zu betonen, dass es dabei einzig um die Frage des Widerrufs der Verfügung vom 9. August 1991 gegangen sei. Zu keinem Zeitpunkt sei es im Ermessen der Vollzugsbehörden gestanden, über die Dauer der Strafe schlechthin zu entscheiden, und es sei bisher auch nicht über eine (bedingte) Entlassung entschieden worden. Nach dem Gesagten bestehe im
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vorliegenden Fall kein Anspruch auf eine richterliche Haftprüfung im Sinne von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
, weshalb auf den Rekurs nicht einzutreten sei.
bb) Der Beschwerdeführer wendet dagegen im wesentlichen ein, in der Literatur werde für die Frage des Anspruchs auf eine gerichtliche Haftkontrolle darauf abgestellt, ob seit der letzten Haftüberprüfung neue Umstände hinzugekommen seien, die für die Beurteilung der Rechtmässigkeit der Haft von Belang seien. Nach der Auffassung des Obergerichts unterliege es "keinem Zweifel", dass der EGMR die "neuen Umstände" in seiner bisherigen Rechtsprechung eng begrenzt habe und darunter jedenfalls nicht beliebige neue Umstände verstanden werden könnten. Dem sei insofern zuzustimmen, als tatsächlich nicht jeder beliebige, sondern nur ein erheblicher neuer Umstand eine Haftprüfung gebiete. Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Überführung aus dem geschlossenen Strafvollzug in der Schweiz in ein offenes Rehabilitationsprogramm in Israel (gestützt auf die Verfügung der Justizdirektion vom 9. August 1991) sei ein "neuer Umstand", welcher bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit des Entscheids über die Fortsetzung des Strafvollzugs in der Schweiz "erheblich" sei. Das Obergericht vertrete allerdings die Meinung, dieser neue Umstand berühre die Anwendbarkeit von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
nicht, da er in keinem Zusammenhang zu persönlichen Eigenschaften des Rekurrenten oder zu "sich mit dem Zeitablauf per se ändernden Umständen" stehe. Eine solche Eingrenzung der neuen Umstände sei mit der ratio legis von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
unvereinbar, stehe in Widerspruch zur herrschenden Lehre und lasse sich nicht auf die Rechtsprechung der Strassburger Organe abstützen. Hinzu komme, dass sehr wohl ein Umstand vorliege, der sich "mit dem Zeitablauf per se" ändere, denn die Frage des Widerrufs der Verfügung der Justizdirektion vom 9. August 1991 hänge u.a. auch davon ab, wieviel Zeit seither verstrichen sei.
cc) Nach der Rechtsprechung des EGMR besteht aufgrund von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
ein Anspruch auf Überprüfung der Rechtmässigkeit der Haft durch ein Gericht immer dann, wenn diese durch eine Verwaltungsbehörde verfügt wurde. Hat dagegen ein Gericht den Freiheitsentzug durch Strafurteil angeordnet, ist die von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
verlangte Kontrolle in der gerichtlichen Entscheidung mit enthalten (Urteile vom 18. Juni 1971 i.S. De Wilde, Ooms und Versyp, Serie A, Band 12, S. 40, Ziff. 76, und vom 8. Juni 1976 i.S. Engel u.a., Serie A, Band 22, S. 32, Ziff. 77 = EuGRZ 1976, S. 230).
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Diese Regel, wonach der ursprüngliche richterliche Entscheid über einen Freiheitsentzug die in
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
vorgesehene Kontrolle mit einschliesst, gilt jedoch nicht in den Fällen, in denen sich eine Person aufgrund von
Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK
(z.B. wegen Geisteskrankheit, Alkoholismus oder Drogensucht) in Haft befindet. Da die Gründe, welche die Internierung erforderlich machten, wegfallen können, wäre es, wie der EGMR festhielt, mit dem Sinn und Zweck von
Art. 5 EMRK
unvereinbar, wenn Ziff. 4 der Vorschrift dahin ausgelegt würde, dass eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs nicht verlangt werden könne, weil dieser von einem Gericht angeordnet worden sei. Der Gerichtshof betonte, es sei in solchen Fällen angesichts der Natur des in Frage stehenden Freiheitsentzugs notwendig, dass die Rechtmässigkeit in vernünftigen Abständen überprüft werden könne (Urteile vom 24. Oktober 1979 i.S. Winterwerp, Serie A, Band 33, S. 23, Ziff. 55 = EuGRZ 1979, S. 656, vom 5. November 1981 i.S. X, Serie A, Band 46, S. 22 f., Ziff. 52 = EuGRZ 1982, S. 104 f., und vom 23. Februar 1984 i.S. Luberti, Serie A, Band 75, S. 15, Ziff. 31 = EuGRZ 1985, S. 645). Ein Recht auf periodische gerichtliche Prüfung besteht sodann, was hier nur beiläufig erwähnt sei, bei Fortdauer der Untersuchungshaft, denn auch hier können aufgrund veränderter Umstände die Gründe, welche die Anordnung der Haft rechtfertigten (Tatverdacht, Flucht-, Kollusions- oder Fortsetzungsgefahr), nachträglich wegfallen (VILLIGER, a.a.O., S. 216 f., N. 364; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl/Strassburg/Arlington 1985, S. 98, N. 119; Urteil des EGMR vom 25. Oktober 1989 i.S. Bezicheri, Serie A, Band 164, S. 10, Ziff. 20). Erfolgt der Freiheitsentzug am Ende eines gerichtlichen Verfahrens, d.h. als Ergebnis einer strafrechtlichen Verurteilung im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK
, wird die von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
geforderte Kontrolle grundsätzlich für die gesamte Dauer der Strafhaft von der gerichtlichen Verurteilung mit erfasst (VILLIGER, a.a.O., S. 217, N. 364; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., S. 97 f., N. 117 und 118; Urteil des EGMR i.S. De Wilde, Ooms und Versyp, a.a.O.; Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 17. Juli 1980 i.S. Caprino, DR 22, S. 5 ff., Ziff. 66 = EuGRZ 1982, S. 534). Ausnahmsweise entsteht selbst nach einer strafrechtlichen Verurteilung ein Anspruch auf gerichtliche Haftprüfung, und zwar dann, wenn nach einer bedingten Entlassung des Strafgefangenen die Verwaltungsbehörde beim Entscheid über die Rückversetzung in den Strafvollzug über einen weiten Ermessensspielraum verfügte oder wenn vom
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Gericht unbegrenzte Strafhaft verhängt und die Dauer der Vollstreckung in das Ermessen der Strafvollstreckungsbehörden gestellt wurde (Urteil des EGMR vom 24. Juni 1982 i.S. Van Droogenbroeck, a.a.O., Ziff. 44 ff., betreffend die belgische Bestimmung der "mise à disposition du Gouvernement des récidivistes et des délinquants d'habitude, avec possibilité d'internement", sowie die Urteile vom 2. März 1987 i.S. Weeks, a.a.O., Ziff. 46 ff., und vom 25. Oktober 1990 i.S. Thynne, Wilson und Gunnell, Serie A, Band 190-A, Ziff. 65 ff. = RUDH 1990, S. 455 ff., betreffend die "peines perpétuelles discrétionnaires" bzw. "discretionary life sentences" des englischen Rechts; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., S. 98, N. 118 und 119; VILLIGER, a.a.O., S. 217, N. 364; ARTHUR HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 80). In der Literatur wird zur Frage der Abweichung von der erwähnten Regel ausgeführt, ein Anspruch auf gerichtliche Haftprüfung bestehe (auch wenn eine Kontrolle durch ein Gericht vorangegangen sei) immer dann, wenn der Freiheitsentzug von persönlichen Eigenschaften (z.B. Geisteskrankheit) oder sonstigen veränderlichen Umständen abhängig sei oder wenn neue Umstände die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs nachträglich in Frage zu stellen vermöchten bzw. wenn sich nach dem gerichtlichen Entscheid neue, die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs betreffende Fragen stellen würden (FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., S. 97, N. 117; VILLIGER, a.a.O., S. 216 f., N. 364; HAEFLIGER, a.a.O., S. 84; GIORGIO MALINVERNI, Die Europäische Menschenrechtskonvention, SJK Nr. 1373, S. 22 f.; VELU/ERGEC, La Convention européenne des droits de l'homme, Bruxelles 1990, S. 300 ff.).
Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer vom Obergericht am 27. November 1987 zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Er verbüsste diese Strafe bis zum 13. August 1991 in der Schweiz. Am 14. August 1991 wurde er gestützt auf die Verfügung der Justizdirektion vom 9. August 1991 zur Fortsetzung des Vollzugs der Freiheitsstrafe nach Israel überführt. Das ASMV widerrief diese Verfügung am 30. August 1994 und ordnete die Fortsetzung des Vollzugs der Strafe in der Schweiz mit Wirkung ab 29. Juli 1994 an. Zur Begründung führte es aus, die vom Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) erforderliche Zustimmung zur Übertragung des Strafvollzugs von der Schweiz nach Israel sei nicht erteilt worden und auch der Staat Israel habe die Übernahme des Strafvollzugs nicht in rechtsgenügender Weise bestätigt. Da somit keine rechtsgültige Übertragung des Strafvollzugs an die Behörden
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des Staates Israel erfolgt sei, seien nach wie vor die schweizerischen Behörden für den Vollzug der gegen den Beschwerdeführer ausgefällten Strafe zuständig. Die Justizdirektion wies am 18. April 1995 den gegen den Entscheid des ASMV erhobenen Rekurs des Beschwerdeführers ab. Wird jemandem nach einer gerichtlichen Verurteilung im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK
die Freiheit entzogen, so ist, wie ausgeführt, die von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
verlangte Kontrolle in der Regel für die gesamte Dauer des Freiheitsentzugs im Strafurteil des Gerichts mit enthalten, sofern nicht ein Ausnahmefall vorliegt. Das Obergericht nahm an, im hier zu beurteilenden Fall seien die Voraussetzungen für eine Abweichung von der Regel nicht erfüllt. Diese Auffassung ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers mit dem Sinn und Zweck von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
durchaus vereinbar und steht auch nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung der Strassburger Organe und zur herrschenden Lehre. Im Urteil vom 27. November 1987 ist, wie das Obergericht mit Recht festhielt, die Dauer der Strafe weder von persönlichen Eigenschaften des Beschwerdeführers noch von sonstigen veränderlichen Umständen abhängig gemacht worden, und den Strafvollzugsbehörden wurde kein Ermessen eingeräumt, das über die in
Art. 38 Ziff. 1 StGB
vorgesehene Möglichkeit der bedingten Entlassung nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe hinausging. Zu keinem Zeitpunkt stand es im Ermessen der Vollzugsbehörden, über die Dauer der Strafe schlechthin zu entscheiden, und das Obergericht führte mit Recht aus, soweit der Justizdirektion Ermessen zugestanden habe, habe es sich einzig auf den Widerruf der früheren Verfügung, nicht aber auf Strafe und Strafdauer bezogen. Es ging bei der umstrittenen Entscheidung der Verwaltungsbehörde auch nicht um eine Rückversetzung des Verurteilten nach einer bedingten Entlassung. Der Beschwerdeführer verlangte die gerichtliche Überprüfung eines Entscheids, mit dem die Justizdirektion einzig darüber zu befinden hatte, ob das ASMV zu Recht angenommen habe, die am 9. August 1991 verfügte Übertragung des Strafvollzugs an die Behörden des Staates Israel sei nicht rechtsgültig erfolgt, weshalb die betreffende Verfügung zu widerrufen und die Fortsetzung des Vollzugs der Strafe in der Schweiz anzuordnen sei. Wohl trifft es zu, dass diese Fragen durch Tatsachen ausgelöst wurden, die erst nach der strafrechtlichen Verurteilung vom 27. November 1987 eingetreten sind. Es handelte sich jedoch bei den neuen Umständen nicht um solche, welche die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs in Frage zu stellen vermochten oder auf dessen Dauer Bezug gehabt hätten. Die Fragen, welche sich im Rekursentscheid vom 18. April 1995 stellten,
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waren ausschliesslich verwaltungsrechtlicher Natur und betrafen die Rechtmässigkeit des auf dem Strafurteil des Obergerichts vom 27. November 1987 beruhenden Freiheitsentzugs oder dessen Dauer nicht. Das Obergericht hat daher
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
richtig ausgelegt, wenn es zum Schluss gelangte, es bestehe im vorliegenden Fall kein Anspruch auf eine gerichtliche Haftprüfung. Es verstiess demzufolge nicht gegen diese Konventionsbestimmung, wenn es auf den vom Beschwerdeführer gegen den Entscheid der Justizdirektion vom 18. April 1995 erhobenen Rekurs nicht eintrat.
dd) Auch eine Verletzung des verfassungsmässigen Rechts der persönlichen Freiheit und des
Art. 4 BV
liegt nicht vor. Der Anspruch auf eine gerichtliche Haftprüfung, auf den sich der Beschwerdeführer in seinem Rekurs stützte, wird durch
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
und nicht durch das Grundrecht der persönlichen Freiheit und schon gar nicht durch das aus
Art. 4 BV
hergeleitete Prinzip von Treu und Glauben gewährleistet. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass dieser Grundsatz und die persönliche Freiheit durch den Nichteintretensentscheid verletzt worden wären. Die Rüge der formellen Rechtsverweigerung ist ebenfalls unbegründet. Da das Obergericht im vorliegenden Fall einen Anspruch auf gerichtliche Haftprüfung ohne Verstoss gegen die Konvention verneinen durfte, bedeutete es keine formelle Rechtsverweigerung, wenn es auf den Rekurs des Beschwerdeführers nicht eintrat. | public_law | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6a2e3227-da7d-4321-b3a3-acc3884da035 | Urteilskopf
89 II 177
25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Mai 1963 i.S. Delgrosso gegen Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich und Peyer. | Regeste
Bestellung einer Beiratschaft nach
Art 395 Abs 1 und 2 ZGB
für betagte Witwe: Deren Absicht, ihre Liegenschaft zu gutem Preis zu verkaufen und mit dem Erlös ihre Lebensverhältnisse zu verbessern, ist nicht unvernünftig, wenn weder Unfähigkeit zur Vermögensverwaltung noch Neigung zu Verschwendung nachgewiesen ist.
Das blosse Interesse der Erben an der Erhaltung und Äufnung des Nachlassgutes vermag Einschränkung der Handlungsfähigkeit nicht zu rechtfertigen. | Sachverhalt
ab Seite 177
BGE 89 II 177 S. 177
A.-
Frau Wwe. Delgrosso, geb. 1891, wohnte im Dachstock ihres Hauses in Zürich, ihr Sohn als Mieter in einer Parterrewohnung. Ihr Einkommen besteht aus dem Reinertrag der Vermietung (Fr. 250.--), einer Rente aus dem Nachlass ihres früheren Ehemannes (Fr. 200.--) und der AHV-Rente (Fr. 95. - im Monat). Wegen häufiger Streitigkeiten mit dem Sohn und dessen Frau entschloss sich
BGE 89 II 177 S. 178
Frau D., anderswo eine kleine Wohnung zu beziehen, dann die eigene Liegenschaft zu verkaufen und in ihrem Heimatkanton Tessin eine neue Wohnung zu erwerben. Sie setzte sich mit einer Immobilien A.-G. in Verbindung, die ihr sofort eine Zweizimmerwohnung verschaffte, wogegen Frau D. der Immobilien A.-G. ein Vorkaufsrecht auf die Liegenschaft zum Preise von Fr. 430'000. - einräumte, der nach Abzug der Belastungen und Abgaben einen Reinerlös von ca. Fr. 285'000.-- ergäbe.
B.-
Der Sohn möchte den Verkauf der Liegenschaft verhindern. Er ersuchte die Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich, für die Verbeiratung der Mutter zu sorgen und den Vorkaufsvertrag anfechten zu lassen, zu dem sich Frau D. voreilig und unüberlegt habe bewegen lassen. Aus einem Verkauf des Hauses könne, wenn man noch einige Zeit zuwarte, ein erheblich grösserer Gewinn erzielt werden. Auch bestünde die Gefahr, dass Frau D., wenn sie in den Besitz eines grösseren Barvermögens gelangte, zu richtiger Verwaltung desselben unfähig wäre, in kurzer Zeit viel Geld ausgäbe und in eine Notlage geriete.
Die Vormundschaftsbehörde hörte die Interdizendin an und liess sie durch Dr. med. O. E. Pfister, Bezirksarztadjunkt, begutachten. Gestützt auf dessen Bericht kam die Vormundschaftsbehörde zum Schluss, dass für eine Entmündigung oder für eine Verbeiständung nach Art. 392/93 ZGB keine Gründe vorlägen, wohl aber die Errichtung einer Beiratschaft nach
Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB
geboten sei. Sie stellte in diesem Sinne Antrag an den Bezirksrat Zürich, und dieser entsprach mit Beschluss vom 29. Juni 1962 dem Begehren.
C.-
Die Beklagte erhob Beschwerde an die Direktion der Justiz des Kantons Zürich. Diese bestätigte jedoch, nachdem sie noch einen ergänzenden Bericht von Dr. Pfister eingeholt hatte, mit Verfügung vom 9. Januar 1963 den Entscheid des Bezirksrates. Sie fand, das Handeln der Beklagten - Auszug aus dem ihr feindlichen Familienkreis, Wohnungsmiete in Verbindung mit der Einräumung
BGE 89 II 177 S. 179
eines Vorkaufsrechts zu einem der Vermehrung ihres Vermögensertrags dienenden Preis - sei zwar "an sich" nicht unvernünftig gewesen; aber ihr Charakter zeige doch eine gewisse Unzuverlässigkeit. Dem Experten seien "kleinere Widersprüche und Inkonsequenzen" aufgefallen, die den Verdacht erregen müssten, dass sie in entscheidenden Momenten ihren Affekten oder ihrer Phantasie nachgeben und sich dadurch schädigen könnte. Eine Gewähr dafür, dass sie sich weiterhin durch den von ihr selbst beigezogenen Anwalt beraten lassen werde, bestehe nicht.
D.-
Gegen diesen Entscheid legte die Beklagte die vorliegende Berufung ein mit dem Antrag, die Anordnung einer Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft sei aufzuheben; ev. sei die Sache zur Aktenergänzung und neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich trägt auf Abweisung der Berufung an, ebenso der im kantonalen Verfahren neben der Vormundschaftsbehörde als Beschwerdegegner figurierende Sohn der Beklagten Anton Peyer.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Zulässigkeit der Berufung).
2.
Nach
Art. 395 Abs. 1 ZGB
ist eine Beiratschaft nur zu errichten, wenn sie sich im Interesse des Interdizenden als notwendig erweist. Es muss also bewiesen oder doch sehr wahrscheinlich sein, dass dieser bei selbständiger Vermögensverwaltung sich selbst oder von ihm zu erhaltende Familienangehörige in eine Notlage bringen würde. Eine allfällige Beeinträchtigung von Anwartschaften seiner Erben bildet keinen Grund, ihn unter Beiratschaft zu stellen. (
BGE 78 II 336
f.,
BGE 88 II 249
f.).
3.
Vorliegend erblicken die Vormundschaftsbehörde und die Vorinstanzen den Nachweis oder doch die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beklagte sich finanziell gefährden würde, in der Art und Weise, wie sie ihr Haus verkaufen und den Erlös verwenden will. Konkrete Tatsachen für diese Gefährdung, d.h. für eine Neigung zu leichtfertigem
BGE 89 II 177 S. 180
Handeln in finanziellen Fragen werden aber nicht genannt.
a) Die Beklagte hat offenbar nicht unvorsichtig und leichtfertig, sondern im Gegenteil recht umsichtig gehandelt, wenn sie Offerten von Fr. 380'000. - und Franken 400'000. - für das Vorkaufsrecht abgelehnt und, nach eigenen Berechnungen, es erst zu Fr. 430'000.-- eingeräumt hat. Dieser Preis erscheint nach den Akten heute als angemessen, ja als eher hoch. Die Überprüfungen von Bezirksrichter Dr. Kuster ergaben, dass zur Zeit mit einem Erlös von mindestens Fr. 400'000. - zu rechnen sei; soviel wie die "Mobag" für den Fall ihres Vorkaufs (Fr. 430.000.--) habe sonst niemand geboten. Wie die Vorinstanz zu ihrer Hypothese kam, es könnte "bei einer geschickten Verhandlungstaktik" noch mehr gelöst werden, ist nicht ersichtlich. Offenbar müsste diese Taktik vor allem in einem Zuwarten bestehen, bis die Konjunktur die Preise noch höher hinaufgetrieben hat. Es kann aber der Beklagten gewiss nicht als unvernünftiges Handeln ausgelegt werden, dass sie, bald 72-jährig, jetzt verkaufen will, um sich mit ihrem Geld ihren Lebensabend angenehmer zu gestalten. Und dass sie mit dem Vorkaufsvertrag die Möglichkeit einhandelte, sofort eine Mietwohnung zu erhalten und damit den unschönen häuslichen Verhältnissen zu entgehen, ist ebenfalls, wie die Vorinstanz selbst festhält, "nicht abwegig".
b) Bis zu ihrem Auszug aus dem eigenen Haus hat die Beklagte, wie die Vorinstanz feststellt, ihr Vermögen, im Wesentlichen aus diesem Haus bestehend, selbst verwaltet. Dass sie dabei irgendwie verschwenderisch oder sonst unvorsichtig gehandelt hätte, ist nicht festgestellt, und warum sie nach dem Verkauf des Hauses nicht mehr zur Verwaltung des Barvermögens fähig sein sollte, ergibt sich aus den Akten nicht. Die von der Vorinstanz genannten "kleinen Widersprüche und Affektäusserungen" bilden kein ernsthaftes Indiz in dieser Richtung. Die Widersprüche beziehen sich auf die Pläne über die teilweise Verwendung des Verkaufserlöses - Kauf einer Wohnung im Tessin,
BGE 89 II 177 S. 181
ev. vorläufiges Verbleiben in Zürich, Schenkung von je Fr. 50'000. - an die beiden Kinder, an den Sohn aber nur, wenn er anständig sei. Die Affektäusserungen erfolgten, als das Gespräch mit dem psychiatrischen Gutachter auf die hässlichen Szenen mit Sohn und Schwiegertochter kam. Daraus auf eine Unfähigkeit zur Vermögensverwaltung zu schliessen, geht zu weit. Übrigens stellt die Vorinstanz selbst fest, die Beklagte würde nicht in eine Notlage geraten, falls sie die Absicht, den Kindern Fr. 100'000. - zu überlassen, ausführen sollte.
c) Die Beklagte hat selbst einen Anwalt beigezogen und ausdrücklich erklärt, sie werde sich von ihm auch beim Hausverkauf und bei der spätern Vermögensverwaltung beraten und vertreten lassen. Dass sie das nicht ernst meine, es vielmehr nur vorschütze, um damit der Verbeiratung zu entgehen, ist nicht dargetan und ergibt sich insbesondere, nach dem bereits Gesagten, keineswegs aus den erwähnten Widersprüchen und affektbedingten Äusserungen. Somit fehlt es auch in dieser Hinsicht an der Notwendigkeit einer Einschränkung der Handlungsfreiheit.
4.
.....
5.
Auf die Aussagen des Gutachters, die Beklagte leide hinsichtlich weit zurückliegender Daten an Gedächtnislücken, bei Rechnungsexperimenten ermüde sie rasch und es liege "sehr wahrscheinlich" eine beginnende Arteriosklerose vor, hat die Vorinstanz mit Recht kein grosses Gewicht gelegt. Diese Erscheinungen, welche die Beklagte mit vielen Leuten ihres Alters gemeinsam hat, sind keine die Beschränkung der Handlungsfähigkeit rechtfertigenden Anomalien. Entscheidend muss sein, dass sie, wie der Gutachter festhält, heute "im Ganzen geistig noch recht beweglich" und ihr Denken "normal geordnet" ist.
Es ist somit nicht erwiesen, dass die Beklagte sich bisher durch eine unvernünftige Vermögensverwaltung gefährdete, oder dass sie mit ihren derzeitigen finanziellen Plänen eine Gefährdung herbeiführen werde, falls ihr nicht ein amtlicher Beirat zur Seite steht. Die blosse Möglichkeit, dass
BGE 89 II 177 S. 182
sie sich durch einen gesetzlichen Beirat zu einer Anfechtung des Vorkaufsvertrages, zu einem Aufschub des Hausverkaufs und damit zu einem besseren Verkaufsgeschäft - aber auch inzwischen zu einem bescheideneren persönlichen Lebensaufwand zugunsten der Äufnung von Erbschaftsgut bewegen liesse, kann nach der erwähnten Praxis, an der festzuhalten ist, die Einschränkung ihrer Handlungsfähigkeit nicht rechtfertigen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
In Gutheissung der Berufung werden die Verfügung der Direktion der Justiz des Kantons Zürich vom 9. Januar 1963 und der Verbeiratungsbeschluss des Bezirksrates Zürich vom 29. Juni 1962 aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6a2ea2e5-b9ea-4902-9285-53b5b1553078 | Urteilskopf
139 V 592
78. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. M. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_541/2012 vom 31. Oktober 2013 | Regeste
Art. 16 ATSG
;
Art. 18 Abs. 1 UVG
; Bemessung des Invalideneinkommens gestützt auf Lohnangaben aus der Dokumentation von Arbeitsplätzen (DAP).
Prüfung grundsätzlicher Einwände gegen die Bemessung des Invalideneinkommens gestützt auf die DAP; Bestätigung der Zulässigkeit der DAP-Methode (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 592
BGE 139 V 592 S. 592
A.
Die 1954 geborene M. war als Raumpflegerin der X. AG bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als sie am 29. Juni 2002 beim Fensterputzen von einem Schemel rutschte und sich am rechten Fuss verletzte. Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Nach einem zunächst befriedigenden Heilungsverlauf liess die Versicherte der SUVA am 21. Februar 2006 einen Rückfall melden. Die SUVA anerkannte die Rückfallkausalität und erbrachte erneut Leistungen. Für die verbleibenden Folgen des Unfallereignisses sprach die Anstalt der Versicherten mit Verfügung vom 21. November 2009 und Einspracheentscheid vom 17. Mai 2011 eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Einbusse von 15 % sowie ab 1. November 2009 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 10 % zu.
B.
Die von M. hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 14. Mai 2012 ab.
BGE 139 V 592 S. 593
C.
Mit Beschwerde beantragt M., es sei ihr unter Anpassung der Verfügung und Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 32 % und eine Integritätsentschädigung bei einer Einbusse von mindestens 35 % zuzusprechen. Zudem sei die SUVA zu verpflichten, "die gesamte DAP-Sammlung offen zu legen". Gleichzeitig stellt die Versicherte ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Während die SUVA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
D.
In Ihrer Eingabe vom 8. Oktober 2012 hält M. an ihren Anträgen fest.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Erleidet der Versicherte durch den Unfall eine dauernde erhebliche Schädigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Integrität, so hat er gemäss
Art. 24 Abs. 1 UVG
Anspruch auf eine angemessene Integritätsentschädigung.
2.2
Ist eine versicherte Person infolge des Unfalles mindestens zu 10 Prozent invalid, so hat sie gemäss
Art. 18 Abs. 1 UVG
Anspruch auf eine Invalidenrente. Zur Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss
Art. 16 ATSG
(SR 830.1) das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der unfallbedingten Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog. Valideneinkommen).
2.3
Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach der Rechtsprechung primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn. Ist kein solches tatsächlich erzieltes Erwerbseinkommen
BGE 139 V 592 S. 594
gegeben, namentlich weil die versicherte Person nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihr an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, so können nach der Rechtsprechung entweder Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) oder die Zahlen der Dokumentation von Arbeitsplätzen (DAP) der SUVA herangezogen werden (
BGE 129 V 472
E. 4.2.1 S. 475 mit Hinweisen).
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine höhere als die zugesprochene Invalidenrente und auf eine höhere als die zugesprochene Integritätsentschädigung hat.
(...)
6.
Vorinstanz und Verwaltung haben das Invalideneinkommen der Versicherten aufgrund von DAP-Löhnen bestimmt.
6.1
Die DAP ist eine Sammlung von Beschreibungen in der Schweiz tatsächlich existierender Arbeitsplätze. Damit unterscheidet sie sich von der tabellarischen Darstellung von Durchschnittslöhnen, die im Rahmen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) vom Bundesamt für Statistik regelmässig erhoben werden. Neben allgemeinen Angaben und Verdienstmöglichkeiten werden in der DAP die physischen Anforderungen an die Stelleninhaber oder Stelleninhaberinnen festgehalten. Der Raster der körperlichen Anforderungskriterien basiert auf dem internationalen medizinischen Standard EFL nach Isernhagen (ergonomische Funktions- und Leistungsprüfung). Vor Schaffung der DAP hatte die SUVA die mutmasslichen Verdienstverhältnisse von Invaliden aus der jährlichen "Lohn- und Gehaltserhebung" des damaligen Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA, heute SECO) abgeleitet, wobei das Eidgenössische Versicherungsgericht (heute: I. und II. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts) von den Zahlen der BIGA-Lohnstatistik je nach Beruf, Behinderung und weiteren allenfalls lohnwirksamen Faktoren des Einzelfalls Abzüge zwischen 10-35 % vorzunehmen begann, da die Statistik keine entsprechenden Differenzierungen enthielt. In der seit 1994 durchgeführten LSE werden personen- und arbeitsplatzbezogene Merkmale zwar erfasst, konnten aber von den Rechtsanwendenden im Rahmen der Invaliditätsbemessung nur schwer mit der erforderlichen statistischen Zuverlässigkeit auf den Einzelfall übertragen werden; dies führte in
BGE 124 V 323
zur Weiterführung der Praxis zum Abzug von den Tabellenlöhnen und in
BGE 126 V 77
zu deren Präzisierung. Die SUVA entschloss sich
BGE 139 V 592 S. 595
deshalb 1995 zum Aufbau der DAP mit dem Zweck, das Invalideneinkommen entsprechend den gerichtlichen Anforderungen so konkret wie möglich ermitteln zu können (KLAUS KORRODI, SUVA-Tabellenlöhne zur Ermittlung des Invalideneinkommens, in: Rechtsfragen der Invalidität in der Sozialversicherung, 1999, S. 117-124; STEFAN A. DETTWILER, Suva "DAP"t nicht im Dunkeln - Invalidenlohnbemessung anhand konkreter Arbeitsplätze [DAP], SZS 2006 S. 6-15).
6.2
In
BGE 129 V 472
wurden grundsätzliche Einwendungen gegen die Festsetzung des Invalideneinkommens aufgrund von DAP-Lohnangaben überprüft. Vorab wurde festgestellt, dass ein ungeregeltes Nebeneinander der Invaliditätsbemessung gestützt auf die DAP oder die LSE in dem Sinne, dass nach freiem Ermessen entweder die eine oder die andere Methode gewählt werden kann, nicht zu befriedigen vermag. Der einen Praxis grundsätzlich den Vorrang einzuräumen, erschien beim damaligen Stand der Dinge schwierig, da beide Methoden je aus ihrer Entstehung und Eigenart heraus Vor- und Nachteile aufweisen. Im Urteil 8C_790/2009 vom 27. Juli 2010 E. 4.3 erachtete es das Bundesgericht als wünschenswert, dass die SUVA einen Auszug aus der DAP-Datenbank zu den Akten nimmt, wenn sie das Invalideneinkommen aufgrund der LSE bestimmt, um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, sie stelle im Hinblick auf ein gewünschtes Resultat auf die LSE und nicht auf die DAP-Profile ab (RUMO-JUNGO/HOLZER, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 4. Aufl. 2012, S. 137).
6.3
Gemäss dem erwähnten Grundsatzentscheid
BGE 129 V 472
hat sich die Ermittlung des Invalideneinkommens auf mindestens fünf zumutbare Arbeitsplätze zu stützen. Zusätzlich sind Angaben zu machen über die Gesamtzahl der aufgrund der gegebenen Behinderung in Frage kommenden dokumentierten Arbeitsplätze, über den Höchst- und den Tiefstlohn sowie über den Durchschnittslohn der dem jeweils verwendeten Behinderungsprofil entsprechenden Gruppe. Damit soll die Überprüfung des Auswahlermessens ermöglicht werden, und zwar in dem Sinne, dass die Kenntnis der Gesamtzahl der dem verwendeten Behinderungsprofil entsprechenden Arbeitsplätze sowie des Höchst-, Tiefst- und Durchschnittslohnes im Bereich des Suchergebnisses eine zuverlässige Beurteilung der von der SUVA verwendeten DAP-Löhne hinsichtlich ihrer Repräsentativität erlaubt. Das rechtliche Gehör ist dadurch zu wahren, dass die SUVA die für die Invaliditätsbemessung im konkreten Fall
BGE 139 V 592 S. 596
herangezogenen DAP-Profile mit den erwähnten zusätzlichen Angaben auflegt und die versicherte Person Gelegenheit hat, sich dazu zu äussern. Allfällige Einwendungen der versicherten Person bezüglich des Auswahlermessens und der Repräsentativität der DAP-Blätter im Einzelfall sind grundsätzlich im Einspracheverfahren zu erheben, damit sich die SUVA im Einspracheentscheid damit auseinandersetzen kann. Ist die SUVA nicht in der Lage, im Einzelfall den erwähnten Anforderungen zu genügen, kann im Bestreitungsfall nicht auf den DAP-Lohnvergleich abgestellt werden; die SUVA hat diesfalls im Einspracheentscheid die Invalidität aufgrund der LSE-Löhne zu ermitteln. Im Beschwerdeverfahren ist es Sache des angerufenen Gerichts, die Rechtskonformität der DAP-Invaliditätsbemessung zu prüfen, gegebenenfalls die Sache an den Versicherer zurückzuweisen oder an Stelle des DAP-Lohnvergleichs einen Tabellenlohnvergleich gestützt auf die LSE vorzunehmen (
BGE 129 V 472
E. 4.7.2 S. 480 f.).
7.
Die Beschwerdeführerin erhebt grundsätzliche Einwände gegen die Ermittlung des Invalideneinkommens auf der Grundlage der DAP.
7.1
Die DAP-Datenbank steht nur der SUVA, nicht aber den anderen zugelassenen Unfallversicherern im Sinne von
Art. 58 UVG
zur Verfügung. Die Beschwerdeführerin erblickt darin eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, zumal bei der Verwendung der DAP höhere Invalideneinkommen und damit tiefere Invaliditätsgrade resultieren würden. Es trifft zu, dass die Invaliditätsbemessung gestützt auf die DAP zu anderen Ergebnissen als eine solche auf Grundlage der LSE führen kann. Indessen kann nicht gesagt werden, die Verwendung der DAP führe bei korrekter Anwendung dieser Methode stets zu höheren Invalideneinkommen (vgl. beispielsweise Urteil 8C_123/2013 vom 5. September 2013 E. 4.2.3). Der Vorteil der DAP-Methode besteht darin, dass dem konkreten Einzelfall besser Rechnung getragen werden kann als mit der LSE-Methode und sie daher dem Ziel näherkommt, das Invalideneinkommen aufgrund der beruflich-erwerblichen Situation, in welcher die versicherte Person konkret steht, zu bestimmen. Als Vorteil kann auch gesehen werden, dass der Invalidenlohn allein anhand von Löhnen aus der Region der versicherten Person bestimmt wird und die Löhne auf dem tatsächlichen - und nicht auf dem ausgeglichenen - Arbeitsmarkt ausgerichtet werden. Dass die Methode lediglich bei Personen angewendet wird, welche bei der SUVA versichert
BGE 139 V 592 S. 597
sind - und auch bei diesen aufgrund ungenügender Profile nicht in jedem Fall -, ist bedauerlich, stellt indessen kein Hindernis dar, sie nicht wenigstens in jenen Fällen zu benutzen, in denen dies möglich ist.
7.2
Was die Rüge anbetrifft, die DAP dokumentiere mehrheitlich Arbeitsplätze in der Industrie und nicht im Dienstleistungsbereich, ist darauf hinzuweisen, dass in den Fällen der SUVA-Versicherten, bei denen die DAP-Methode zur Anwendung kommt, die Valideneinkommen (mehrheitlich) ebenfalls im Produktions- und nicht im Dienstleistungsbereich erzielt wurden (vgl.
Art. 66 UVG
). Soweit auch in SUVA-unterstellten Betrieben Dienstleistungen erbracht werden, ist davon auszugehen, dass auch diese Löhne in die DAP einfliessen.
7.3
Weiter erblickt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots im Umstand, dass bei Anwendung der DAP- Methode - anders als bei Verwendung der LSE - keine Abzüge im Sinne von
BGE 126 V 75
E. 5b/cc S. 80 vorgenommen werden. Rechtsprechungsgemäss sind indessen im Rahmen des DAP-Systems, bei welchem aufgrund der ärztlichen Zumutbarkeitsbeurteilung anhand von Arbeitsplatzbeschreibungen konkrete Verweisungstätigkeiten ermittelt werden, Abzüge grundsätzlich nicht sachgerecht. Abzüge sind nur vorzunehmen, wenn zeitliche oder leistungsmässige Reduktionen medizinisch begründet sind. Im Übrigen wird spezifischen Beeinträchtigungen in der Leistungsfähigkeit bei der Auswahl der zumutbaren DAP-Profile Rechnung getragen. Bezüglich der weiteren persönlichen und beruflichen Merkmale (Teilzeitarbeit, Alter, Anzahl Dienstjahre, Aufenthaltsstatus), die bei der Anwendung der LSE zu einem Abzug führen können, ist darauf hinzuweisen, dass auf den DAP-Blättern in der Regel nicht nur ein Durchschnittslohn, sondern ein Minimum und ein Maximum angegeben sind, innerhalb deren Spannbreite auf die konkreten Umstände Rücksicht genommen werden kann (
BGE 129 V 472
E. 4.2.3 S. 482).
7.4
Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie erleide als gesundheitlich angeschlagene Person wegen der mit der Invalidität verbundenen Risiken für einen Arbeitgeber jedenfalls eine Lohneinbusse, ist die Problematik nicht methodenspezifisch. Auch in der LSE werden tatsächlich erzielte Einkommen von zumeist nicht behinderten Personen erhoben. Soweit ersichtlich fehlt es bis anhin an Erhebungen über die Löhne gesundheitlich eingeschränkter Personen. Im Interesse einer noch genaueren Bestimmung von
BGE 139 V 592 S. 598
Invalideneinkommen wären derartige Untersuchungen zu begrüssen (vgl. SUSANNE LEUZINGER-NAEF, Der Einkommensvergleich - Rückblick und Ausblick, in: Validen- und Invalideneinkommen, Ueli Kieser [Hrsg.], 2013, S. 9 ff., 43 f.).
7.5
Die Versicherte erachtet es im Weiteren nicht als einsichtig, weshalb bei der DAP-Methode - anders als bei der LSE-Methode (vgl.
BGE 135 V 297
E. 5.1 S. 301,
BGE 135 V 58
E. 3.4.3 S. 61) - der Parallelität der Bemessungsfaktoren bei unterdurchschnittlichem Valideneinkommen keine Rechnung getragen werde. Diese Rüge ist unbegründet. Bei einer korrekten Anwendung der DAP-Methode werden bei unterdurchschnittlichem Valideneinkommen in der Regel ebenfalls unterdurchschnittliche DAP-Blätter ausgewählt (vgl. Urteil 8C_744/2011 vom 25. April 2012 E. 7.1 m.H. auf die Urteile 8C_445/2008 vom 1. Dezember 2008 E. 5.3.2 und 8C_413/2010 vom 26. August 2010 E. 7). Entsprechend wurde im vorliegenden Fall vorgegangen: So liegt der Durchschnitt der Löhne der ausgewählten DAP- Blätter unter jenem der Durchschnittslöhne der grundsätzlich in Frage kommenden Stellenprofile.
7.6
Insofern die Beschwerdeführerin auf die ungenügende statistische Aussagekraft von lediglich fünf Stellenprofilen hinweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass die DAP gerade keine solche Aussagekraft beansprucht. Vielmehr soll mit der DAP der Forderung der Rechtsprechung, die beiden Vergleichseinkommen seien so konkret wie möglich zu bestimmen, Rechnung getragen werden (vgl. E. 7.1 hiervor).
7.7
Für die Bestimmung des der Invaliditätsbemessung zugrunde zu legenden Invalideneinkommens ist das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Invaliditätseintritt auf dem für sie in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt erzielen könnte, massgeblich. Auf die Verfügbarkeit der zumutbaren Stellen auf dem konkreten Arbeitsmarkt kommt es nicht an (vgl. auch Urteil 8C_237/2011 vom 19. August 2011 E. 2.3). Somit ist nicht erheblich, ob die durch die DAP nachgewiesenen Stellen besetzt und damit auf dem tatsächlichen Arbeitsmarkt nicht erhältlich sind.
7.8
Die Beschwerdeführerin erblickt im Abstellen auf die DAP zufolge fehlender Veröffentlichung der gesamten Sammlung eine Gehörsverletzung und eine Verletzung von Treu und Glauben. In
BGE 129 V 472
E. 4.2.2 wurde hiezu angeführt, dass das Recht auf Akteneinsicht und Aktenzugang auf jene Akten beschränkt ist, die Grundlage einer Entscheidung bilden. Es könne daraus keine Pflicht der
BGE 139 V 592 S. 599
Behörde zur umfassenden Veröffentlichung interner Dokumentationen abgeleitet werden. Um die Repräsentativität im Einzelfall zu gewährleisten, genügt nach der Rechtsprechung der Nachweis von fünf zumutbaren Arbeitsplätzen. Die entsprechenden DAP-Blätter müssen aufgelegt werden, sodass in diesem Rahmen das rechtliche Gehör gewahrt ist. Um die Repräsentativität der im Einzelfall ausgewählten DAP-Profile und der daraus abgeleiteten Lohnangaben überprüfen zu können, hat der Unfallversicherer zusätzlich Angaben zu machen über die Gesamtzahl der aufgrund der gegebenen Behinderung in Frage kommenden dokumentierten Arbeitsplätze, über den Höchst- und den Tiefstlohn sowie über den Durchschnittslohn der dem jeweils verwendeten Behinderungsprofil entsprechenden Gruppe (sog. "Durchschnitt der Durchschnittslöhne", vgl. DETTWILER, a.a.O., S. 11). Bezüglich der Gesamtheit aller den Abfragekriterien entsprechenden Arbeitsplatz-Profile besteht allerdings kein Einsichtsrecht. Da weder die versicherte Person noch die Gerichte auf die DAP- Datenbank Zugriff haben, wird in der jüngeren Literatur als zweifelhaft erachtet, ob damit im Gerichtsverfahren unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit ein faires Verfahren im Sinne von
Art. 6 EMRK
möglich ist (RUMO-JUNGO/HOLZER, a.a.O., S. 136 mit Hinweis auf das Urteil des EGMR
Yvon gegen Frankreich
vom 24. April 2003, 44962/09, betreffend den einer Verfahrenspartei vorbehaltenen Zugriff auf das Grundbuch; vgl. auch DEECKE/HÜGEL, Bei der Suva "DAP"en Sie in die Falle!, HAVE 2012 S. 24 ff.). Indessen ist nicht erkennbar, welchen Vorteil die Versicherten aus der Kenntnis sämtlicher dokumentierter Arbeitsplätze gegenüber der geltenden Rechtslage hätten, denn das Auswahlermessen kann bereits anhand der Gesamtzahl sowie des Höchst-, Tiefst- und Durchschnittslohns der aufgrund der gegebenen Behinderung in Frage kommenden DAP-Blätter ausreichend überprüft werden. Insbesondere sind die versicherte Person und die Rechtsmittelinstanz in der Lage zu beurteilen, ob die SUVA bei der Auswahl den persönlichen und beruflichen Merkmalen der Person (vgl. E. 7.3) und einem allfälligen branchenunüblich tiefen Validenlohn (vgl. E. 7.5) angemessen Rechnung getragen hat. Die Frage des rechtlichen Gehörs braucht aber nicht abschliessend beantwortet zu werden, da sich vorliegend gestützt auf die LSE ohnehin kein höherer Invaliditätsgrad als gestützt auf die DAP ergibt (nicht publ. E. 8). | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
6a31a849-82a6-4107-9a1f-88625031b92e | Urteilskopf
85 II 86
17. Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. Februar 1959 i.S. Trebitsch gegen Scharf. | Regeste
Gerichtsstandsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869.
1. Für Klagen betr. Teilung des Nachlasses eines in der Schweiz verstorbenen Franzosen ist gemäss Art. 5 des Staatsvertrags das Gericht des letzten Wohnsitzes des Erblassers in Frankreich zuständig, selbst wenn die Testamentseröffnung in der Schweiz erfolgt war (Erw. 2 a und c).
2. Der Umstand, dass der Erblasser neben der französischen Staatsangehörigkeit noch diejenige eines dritten Staates besass, steht der Anwendung von Art. 5 des Staatsvertrags grundsätzlich nicht entgegen (Erw. 2 b).
3. Ob der Erblasser die französische Staatsangehörigkeit bereits zur Zeit seines Wohnsitzes in Frankreich besessen oder sie erst später erworben habe, ist unter dem Gesichtspunkte von Art. 5 des Staatsvertrages unerheblich (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 87
BGE 85 II 86 S. 87
A.-
Der Schriftsteller Siegfried Trebitsch, der nach den vorliegenden Geburtszeugnissen am 22. Dezember 1868 in Wien geboren worden war und im Jahre 1907 das Ehrenbürgerrecht der Stadtgemeinde Wigstadtl im österreichischen Kronlande Schlesien, im Jahre 1920 "definitiv" das Heimatrecht in dieser nun zur Tschechoslowakei gehörenden Gemeinde und zugleich die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit erhalten hatte, wohnte nach seinen beeidigten Angaben in einem Gesuch um das amerikanische Einwanderungsvisum vom 30. Juni 1941 mit Unterbrechungen infolge von Auslandreisen bis 1938 (d.h. offenbar bis zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich) in Wien, von 1938 bis 1940 in Paris und von da an in Zürich, wo er laut Bescheinigung des Polizeiamtes der Stadt Zürich schon vom 14. Juli bis zum 7. September 1919, vom 7. Juni 1938 bis zum Mai 1939 und vom 19. Oktober 1939 bis zum 5. Januar 1940 gewohnt hatte und vom 17. September 1940 an ununterbrochen wohnhaft war. Sein am 15. März 1938 in Wien ausgestellter tschechoslowakischer Pass nennt als seinen Wohnort Wien, welche Angabe am 6. Mai 1938 amtlich in "Paris" abgeändert wurde. Am 8. Oktober 1939 wurde ihm gemäss Feststellung der Vorinstanz ehrenhalber die französische Staatsangehörigkeit verliehen. Bei der Veröffentlichung dieser Einbürgerung im Journal officiel de la République française vom gleichen Tage wurde er als "demeurant à Paris" bezeichnet.
BGE 85 II 86 S. 88
B.-
In den Jahren 1955 und 1956 errichtete Siegfried Trebitsch, der seit 1954 verwitwet war und keine Kinder hatte, in Zürich mehrere letztwillige Verfügungen, worin er die Eheleute Adolf und Luise Scharf in Wien als Alleinerben je zur Hälfte einsetzte mit der Verpflichtung, verschiedene Vermächtnisse auszurichten. Nachdem er am 3. Juni 1956 in Zürich gestorben war, wurden diese Verfügungen dem Einzelrichter für nichtstreitige Rechtssachen des Bezirksgerichtes Zürich eingereicht und von diesem am 13. Juli 1956 in Gegenwart des Willensvollstreckers und des Vertreters der eingesetzten Erben eröffnet. Am 5. Februar 1957 ordnete der Einzelrichter die Mitteilung der Verfügungen an die inzwischen ermittelten gesetzlichen Erben und an die eingesetzten Erben und die Vermächtnisnehmer an.
C.-
Am 5./8. Februar 1958 leitete einer der gesetzlichen Erben, Leopold Trebitsch, in Zürich gegen Adolf und Luise Scharf Klage ein, mit der er im wesentlichen verlangte, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers seien ungültig zu erklären und der Nachlass (der gemäss Steuerinventar keine Liegenschaften umfasst, sondern aus Wertschriften, Forderungen, Barschaft und Fahrhabe besteht) unter den Kläger und dessen Vetter Alexander Trebitsch zu gleichen Teilen aufzuteilen. Die Beklagten bestritten unter Hinweis auf Art. 5 des schweizerischfranzösischen Gerichtsstandsvertrages vom 15. Juni 1869 die Zuständigkeit der zürcherischen Gerichte. Am 22. Mai 1958 schützte das Bezirksgericht Zürich diese Einrede. Das Obergericht des Kantons Zürich (I. Zivilkammer), an das der Kläger rekurrierte, hat am 25. Juli 1958 im gleichen Sinn entschieden.
D.-
Gegen diesen Entscheid hat der Kläger unter Berufung auf
Art. 68 lit. b OG
Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag, die zürcherischen Gerichte seien zur Behandlung seiner Klage zuständig zu erklären.
BGE 85 II 86 S. 89
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Ausführungen darüber, dass das vom Kläger eingelegte Rechtsmittel als Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig ist, dagegen als Berufung entgegengenommen werden kann.)
2.
Der erste Satz von Art. 5 des Gerichtsstandsvertrages von 1869 (GStV) lautet in der amtlichen Übersetzung des französischen Originaltextes (BS 12 S. 349):
"Jede Klage betreffend Liquidation oder Teilung einer Erbschaft, sei es in Folge von Testament oder von Intestaterbrecht, und betreffend die Abrechnung zwischen Erben und Legataren, ist vor dem Gerichte des Ortes geltend zu machen, wo die Erbschaft eröffnet worden ist, und zwar, wenn es sich um die Verlassenschaft eines Franzosen handelt, der in der Schweiz verstorben ist, vor dem Gerichte seines letzten Wohnortes in Frankreich, und wenn es sich um die Verlassenschaft eines Schweizers handelt, der in Frankreich verstorben ist, vor dem Gerichte seines Heimatortes."
Es steht ausser Zweifel und ist denn auch unbestritten, dass die vorliegende Klage eine solche betreffend Liquidation oder Teilung einer Erbschaft im Sinne dieser Bestimmung ist und die Verlassenschaft eines Franzosen zum Gegenstand hat, der in der Schweiz verstorben ist. Nach dem auf solche Verlassenschaften bezüglichen Abschnitt dieser Bestimmung gehört die vorliegende Klage daher unter der Voraussetzung, dass der Erblasser früher in Frankreich gewohnt hat, vor das Gericht seines letzten Wohnortes in Frankreich.
Was der Kläger gegen diese Schlussfolgerung vorbringt, ist nicht stichhaltig.
a) Aus der Tatsache, dass die letztwilligen Verfügungen des Erblassers vom Einzelrichter des Bezirrksgerichtes Zürich eröffnet wurden, folgt entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass Zürich der Ort sei, wo im Sinne von Art. 5 GStV die Erbschaft eröffnet worden ist, und dass das Bezirksgericht Zürich "für die Behandlung der Erbschaftsprozesse örtlich zuständig" geworden sei, "auch wenn vorher die örtliche Zuständigkeit fraglich gewesen
BGE 85 II 86 S. 90
wäre". Die Eröffnung der Erbschaft (ouverture de la succession) fällt schon nach dem allgemeinen juristischen Sprachgebrauch nicht mit der Testamentseröffnung (ouverture du testament) zusammen. Im Rahmen von Art. 5 GStV verbietet sich eine solche Gleichstellung erst recht. Diese Bestimmung gilt, wie darin ausdrücklich gesagt wird, nicht nur bei testamentarischer, sondern auch bei gesetzlicher Erbfolge (succession ab intestat) und mithin auch in Fällen, wo eine Testamentseröffnung nicht in Frage kommt. Die Vorschrift, dass für die Klagen betreffend Liquidation oder Teilung einer Erbschaft das Gericht des Ortes zuständig ist, wo die Erbschaft eröffnet wurde, hätte also in einem Teil der Fälle, für die sie Geltung beansprucht, überhaupt keinen Sinn, wenn die Auffassung des Klägers richtig wäre, dass mit der Eröffnung der Erbschaft die Testamentseröffnung gemeint sei. Gegen diese Auslegung spricht aber vor allem der Umstand, dass Art. 5 GStV sich nicht mit der Vorschrift begnügt, Klagen der erwähnten Art seien vor dem Gerichte des Ortes geltend zu machen, wo die Erbschaft eröffnet wurde, sondern beifügt: "und zwar, wenn es sich um die Verlassenschaft eines Franzosen handelt, der in der Schweiz verstorben ist, vor dem Gerichte seines letzten Wohnortes in Frankreich, und wenn es sich um die Verlassenschaft eines Schweizers handelt, der in Frankreich verstorben ist, vor dem Gerichte seines Heimatortes". Dieser Zusatz hat, wie sich aus der einleitenden Wendung "und zwar" (Originaltext "c'est-à-dire" = das heisst) unzweideutig ergibt, den Sinn einer Verdeutlichung. Es sollte damit ein für allemal klargestellt werden, was im Sinne von Art. 5 GStV unter dem Orte der Eröffnung der Erbschaft zu verstehen ist, und dabei wurde eben nicht der Ort der Testamentseröffnung als massgebend bezeichnet, sondern je nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers dessen letzter Wohnort in Frankreich bezw. dessen Heimatort, was nicht das gleiche ist wie der Ort, wo das Testament eröffnet wurde. Neben der Bestimmung, dass
BGE 85 II 86 S. 91
am letzten Wohnsitz in Frankreich bezw. am Heimatort des Erblassers zu klagen sei, behält die dadurch erläuterte Vorschrift, dass das Gericht am Ort der Eröffnung der Erbschaft zuständig sei, überhaupt keine selbständige Bedeutung. Die bundesrätliche Botschaft vom 28. Juni 1869 (Bundesblatt 1869 II, deutsch S. 476 ff., franz. S. 493 ff.), die den GStV im übrigen einlässlich kommentiert, spricht denn auch bei Erörterung des in Art. 5 aufgestellten Grundsatzes (S. 490 bezw. 506/07) mit keinem Worte vom Gerichtsstand des Ortes, wo die Erbschaft eröffnet wurde, sondern sagt nur, in Art. 5 werde die Frage der Gerichtsstandes in Erbschaftssachen behandelt und im allgemeinen in der Weise geordnet, dass jeweilen das heimatliche Gericht des Erblassers zuständig sein solle, so zwar, dass für die Verlassenschaft eines in der Schweiz gestorbenen Franzosen das Gericht seines letzten Domizils in Frankreich und für die Verlassenschaft eines Schweizers, der in Frankreich gestorben ist, dasjenige seiner Heimat kompetent sein solle; eine Regelung gleicher Art sei durch den neuen Niederlassungsvertrag (vom 22. Juli 1868/1. Mai 1869) zwischen der Schweiz und Italien geschaffen worden (wo Erbstreitigkeiten zwischen den Erben eines in der Schweiz verstorbenen Italieners vor den Richter des letzten Wohnsitzes des Erblassers in Italien, solche zwischen den Erben eines in Italien verstorbenen Schweizers vor den Richter des Heimatortes des Erblassers verwiesen wurden; Art. 17 des Vertrags und Art. 1V des Zusatzprotokolls, BS 11 S. 679, 681). Wenn im Vertragstext der entscheidenden Vorschrift, die je nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers den Gerichtsstand des letzten Wohnsitzes in Frankreich oder denjenigen des Heimatortes vorsieht, die Bestimmung vorangestellt wurde, dass die in Frage stehenden Klagen vor das Gericht des Ortes der Eröffnung der Erbschaft gehören, so lässt sich dies nur aus dem Bestreben erklären, jene beiden Gerichtsstände aus redaktionellen Gründen unter einen gemeinsamen Oberbegriff
BGE 85 II 86 S. 92
zu stellen, ohne ihren Geltungsbereich irgendwie einzuschränken. Als solcher Oberbegriff ohne selbständige Bedeutung eignete sich der Begriff des Gerichtsstandes des Ortes, wo die Erbschaft eröffnet wurde, da dieser Begriff nur durch positive Vorschriften darüber, wo die Erbschaftseröffnung zu lokalisieren sei, einen bestimmten Sinn erhält. Streitigkeiten über die Teilung der Verlassenschaft eines in der Schweiz verstorbenen Franzosen unterliegen also (wenigstens dann, wenn es sich wie hier ausschliesslich um bewegliches Vermögen handelt und folglich der auf Immobilien bezügliche, lautBGE 68 II 160in seiner Tragweite umstrittene zweite Satz von Art. 5 Abs. 1 GStV nicht eingreift) vorbehaltlos dem Gerichtsstand seines letzten Wohnsitzes in Frankreich. Der Umstand, dass die letztwilligen Verfügungen des Erblassers auf Grund von
Art. 551 und 556 ff. ZGB
in Zürich eröffnet wurden, kann den Entscheid über die Zuständigkeit für die Beurteilung der vorliegenden Erbteilungsklage um so weniger beeinflussen, als die Testamentseröffnung zu den sichernden Massnahmen gehört, für welche der durch die Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 in die Gerichtsstandsvereinbarung eingefügte Art. 2 bis in Bestätigung einer schon vorher einhellig vertretenen Auffassung (vgl.
BGE 62 I 245
) den Grundsatz aufgestellt hat, dass die in der Gesetzgebung eines der beiden Staaten vorgesehenen vorläufigen oder sichernden Massnahmen bei den Behörden dieses Staates nachgesucht werden können, welches immer auch die Gerichtszuständigkeit für die Entscheidung über die Sache selbst sei. Die Zuständigkeit für die Testamentseröffnung und diejenige für die Beurteilung des Erbteilungsprozesses sind hienach voneinander unabhängig (vgl. ZR 55 Nr. 101 S. 213/14).
b) Wenn der Erblasser neben der französischen noch die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit besessen hat, so lässt sich hieraus, wie die Vorinstanz gegenüber den Ausführungen des Klägers in der kantonalen Rekursschrift zutreffend festgestellt hat, keineswegs ableiten,
BGE 85 II 86 S. 93
dass Art. 5 GStV auf seinen Nachlass nicht anwendbar sei. Diese Bestimmung kann zwar dann keine Anwendung finden, wenn der Erblasser französisch-schweizerischer Doppelbürger war, weil nicht angenommen werden kann, dass die Vertragsstaaten eigene Bürger als Fremde behandeln wollten, und weil sich aus der Anwendung von Art. 5 GStV bei solchem Doppelbürgerrecht jeweilen zwei miteinander konkurrierende Gerichtsstände ergäben (
BGE 43 I 96
f.,
BGE 81 II 498
f.). Diese Erwägungen erlauben indessen nicht, die Anwendung von Art. 5 GStV auch in Fällen auszuschliessen, wo der Erblasser ausser der Staatsangehörigkeit eines der beiden Vertragsstaaten auch noch diejenige eines dritten Staates besitzt. Wird Art. 5 GStV auf solche Fälle angewendet, wie es dem Wortlaut dieser Bestimmung entspricht, da man es auch hier mit Schweizern bezw. mit Franzosen zu tun hat, so kommen die Vertragsstaaten nicht in die Lage, eigene Bürger als Fremde behandeln zu müssen, und entstehen keine konkurrierenden Zuständigkeiten. Zu Konflikten könnte die Anwendung von Art. 5 GStV auf in der Schweiz gestorbene Franzosen, die auch noch das Bürgerrecht eines dritten Staates besitzen, nur dann führen, wenn mit diesem Drittstaate ebenfalls eine Gerichtsstandsvereinbarung bestünde, deren Anwendung zu einem andern Ergebnis führen würde als diejenige von Art. 5 des schweizerischfranzösischen Vertrages. Mit einem solchen Falle hat man es aber hier nicht zu tun, da zwischen der Schweiz und der Tschechoslowakei kein Staatsvertrag über diese Materie besteht; der von diesen beiden Staaten am 21. Dezember 1926 abgeschlossene Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (BS 12 S. 381) stellt keine Gerichtsstandsvorschriften auf. Im übrigen hatte der Kläger in der Klageschrift selber ausgeführt, der Erblasser habe die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit wahrscheinlich verloren.
c) Sollten die französischen Gerichte, wie der Kläger behauptet, die Behandlung einer Klage der vorliegenden
BGE 85 II 86 S. 94
Art davon abhängig machen, dass die letztwilligen Verfügungen des Erblassers in Frankreich eröffnet wurden, und sollte eine Testamentseröffnung in Frankreich nicht mehr möglich sein, nachdem eine solche in Zürich erfolgt ist, so vermöchte dies den zürcherischen Gerichten entgegen der Auffassung des Klägers nicht eine Zuständigkeit zu verschaffen, die ihnen nach Art. 5 GStV abgeht. Im übrigen ist nicht einzusehen, warum es ausgeschlossen sein sollte, die Testamentseröffnung nötigenfalls in Frankreich unter Beobachtung der Formen des französischen Rechts (Art. 1007 des Code civil) zu wiederholen. Eine solche Notwendigkeit dürfte aber kaum bestehen, da nach französischer Rechtsprechung für die sichernden Massnahmen der Eröffnung und Hinterlegung des Testaments das Recht des Ortes massgebend ist, wo das Testament entdeckt wurde (PLANIOL/RIPERT, Traité pratique de droit civil français, V. Band, 2. Aufl. 1957, No. 587 S. 739), was sich übrigens für das schweizerisch-französische Verhältnis auch aus Art. 2 bis GStV ergibt, und da zudem nach französischer Auffassung die Nichteinhaltung der in Art. 1007 des Code civil vorgesehenen (nur für das eigenhändige Testament und das "testament mystique" geltenden) Formalitäten keine Sanktionen nach sich zieht (PLANIOL/RIPERT a.a.O. No. 548 S. 692).
3.
Aus den von ihr verbindlich festgestellten Tatsachen (namentlich aus den unter A hievor angeführten eigenen Angaben des Erblassers, den Vermerken in seinem tschechoslowakischen Reisepass, der Wohnortangabe im französischen Amtsblatt vom 8. Oktober 1939 und der Bescheinigung des Polizeiamtes der Stadt Zürich, wonach sich der Erblasser in der Zeit zwischen seiner Auswanderung aus Österreich und dem 17. September 1940 nur zeitweise in Zürich aufgehalten hatte) konnte die Vorinstanz ohne Verletzung von Art. 5 GStV oder anderer Vorschriften des Bundesrechts den Schluss ziehen, dass der Erblasser, bevor er sich in Zürich niederliess, im Sinne jener Bestimmung in Paris Wohnsitz gehabt habe.
BGE 85 II 86 S. 95
Ob dieser Wohnsitz zur Zeit der Verleihung der französischen Staatsangehörigkeit noch bestanden oder der Erblasser damals bereits in Zürich Wohnsitz gehabt habe, ist entgegen der Auffassung des Klägers gleichgültig. Art. 5 GStV macht die Zuständigkeit des Gerichtes am letzten Wohnort in Frankreich nicht davon abhängig, dass der Erblasser die französische Staatsangehörigkeit besass, als er noch in Frankreich wohnte, sondern erklärt dieses Gericht für die Beurteilung von Streitigkeiten über die Teilung des Nachlasses von Personen, die als Franzosen in der Schweiz gestorben sind, allgemein als zuständig. Die Anwendung dieser Bestimmung von Erfordernissen abhängig zu machen, die der Vertragstext nicht vorsieht, geht um so weniger an, als das Bestreben der Vertragsstaaten beim Abschluss des GStV unverkennbar dahin ging, alle Erbschaften der in der Schweiz verstorbenen Franzosen und der in Frankreich verstorbenen Schweizer der Jurisdiktion des Heimatstaates zu unterstellen (vgl. die in Erw. 2 a wiedergegebene Stelle der bundesrätlichen Botschaft: "dass jeweilen das heimatliche Gericht des Erblassers zuständig sein soll", woraus verschiedene Autoren sogar geschlossen haben, Art. 5 GStV sei auf den Nachlass eines in der Schweiz verstorbenen Franzosen grundsätzlich selbst dann anwendbar, wenn dieser nie in Frankreich Wohnsitz hatte (ROGUIN, Conflits des lois suisses en matière internationale et intercantonale, Lausanne 1891, No 231 S. 348; AUJAY, Etudes sur le traité franco-suisse du 15 juin 1869, Paris 1903, No 161 S. 199; BOISSONNAS, Les successions et la convention francosuisse du 15 juin 1869, Genf 1912, S. 55; HOHL, Die erbrechtlichen Bestimmungen des Staatsvertrages der Schweiz mit Frankreich vom 15. Juni 1869, Bern 1922, S. 68; anderer Meinung NIBOYET, Traité de droit international privé français, Paris 1949, Band VI No 1870 S. 509, und
BGE 84 II 493
Erw. 4; unentschieden PILLET, Les conventions internationales relatives à la compétence judiciaire et à l'exécution des jugements, Paris 1913, S. 150/51).
BGE 85 II 86 S. 96
Ist somit der letzte Wohnsitz in Frankreich nach Art. 5 GStV für den Gerichtsstand ohne Rücksicht darauf massgebend, ob der als Franzose in der Schweiz verstorbene Erblasser schon während seines Wohnsitzes in Frankreich die französische Staatsangehörigkeit besessen habe, so betreffen die Rügen, welche der Kläger gegenüber der Annahme der Vorinstanz erhebt, dass der Erblasser "im besonderen zur Zeit der Verleihung der französischen Staatsangehörigkeit" in Frankreich Wohnsitz gehabt habe, einen für die Entscheidung unerheblichen Punkt. Schon deshalb ist den in diesem Zusammenhang gestellten Beweisergänzungsanträgen keine Folge zu geben. Dass der Kläger der Vorinstanz vorwirft, sie habe den Zeitpunkt des Erwerbs der französischen Staatsangehörigkeit nicht genügend abgeklärt, ist im übrigen unverständlich, da er in seinem Rekurs an die Vorinstanz selber ausdrücklich erklärt hatte, dem Erblasser sei unbestrittenermassen die französische Staatsangehörigkeit ehrenhalber verliehen worden, "und zwar am 8.10.1939" (d.h. eben an dem Tage, auf den die Vorinstanz diesen Akt verlegt).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten. Als Berufung wird das Rechtsmittel abgewiesen, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 25. Juli 1958 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6a357182-95f8-448b-b266-cd1f6b0d1e52 | Urteilskopf
92 I 324
58. Urteil vom 22. September 1966 i.S. Stadt Zürich und Jakob Disch gegen den Kleinen Rat des Kantons Graubünden. | Regeste
Ausschluss des Einspruchs gegen Liegenschaftskäufe, wenn Rechtsgeschäfte, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben abgeschlossen werden, in Frage stehen (
Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG
).
1. Berücksichtigung neuer Tatsachen (Erw. 2).
2. Kauf zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe? (Erw. 3).
a) Die Errichtung von Klassenlagern ist im Kanton Zürich eine öffentliche Aufgabe (Erw. 4).
b) Nicht nur das Gemeinwesen am Ort der gelegenen Sache kann sich auf die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe berufen (Erw. 5a).
c) Wann dient ein Landkauf unmittelbar einem öffentlichen Zweck, wann der Schaffung einer Landreserve? (Erw. 5c). | Sachverhalt
ab Seite 325
BGE 92 I 324 S. 325
A.-
Am 18. Oktober 1963 verkaufte Jakob Disch, geb. 1897, seine Liegenschaft Mataun am Stelserberg - 4,5 ha Wiesland mit Haus und Stall in der Gemeinde Schiers - für Fr. 160'000.-- an die Stadt Zürich. Gegen diese Veräusserung erhob das Departement des Innern und der Volkswirtschaft des Kantons Graubünden am 1. November 1963 Einsprache im Sinne von Art. 19 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG; AS 1952 S. 403 ff.). Die Käuferin und der Verkäufer haben sich dem Einspruch widersetzt. Die Landwirtschaftskommission bestätigte indessen den Einspruch; der Kleine Rat des Kantons Graubünden wies eine dagegen erhobene Beschwerde am 13. Dezember 1965 ab.
Der Kleine Rat führte in der Begründung aus,
Art. 21 lit. b EGG
sei nicht anwendbar, weil die Stadt Zürich das Grundstück nicht unmittelbar für die Verwirklichung eines öffentlichen Zweckes, sondern bloss als Landreserve für die spätere Erstellung eines Schülerheimes erwerben wolle. Hingegen verliere ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit; denn das Talgut Luzein bilde für sich keine genügende Existenzgrundlage. Übrigens wären die Voraussetzungen von
Art. 19
BGE 92 I 324 S. 326
lit. c EGG
auch dann erfüllt, wenn man annehme, die verkaufte Bergliegenschaft bilde keine notwendige Einheit mit der Talliegenschaft Luzein; denn auch kleine Heimwesen müssten den Schutz des EGG geniessen. Wichtige Gründe für eine Ausnahmebewilligung seien nicht gegeben.
B.-
Die Stadt Zürich und der Verkäufer Jakob Disch fechten den Beschluss des Kleinen Rates mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an. Sie verlangen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und damit des Einspruchs gegen den Kaufvertrag.
Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG
ssei anwendbar. Die Durchführung von Klassenlagern sei eine öffentliche Aufgabe im Sinne dieser Vorschrift. Damit sei jeder Einspruch ausgeschlossen. Wohl falle
Art. 21 EGG
für die Schaffung einer allgemeinen Landreserve nicht in Betracht; eine solche hätte für die Stadt Zürich aber auch gar keinen Sinn. Richtig sei zwar, dass vom Landerwerb bis zum Beginn der Bauarbetein eine gewisse Zeit verstreiche; dies sei aber verständlich, da die Projektierungsarbeiten erst nach dem Landerwerb begonnen werden könnten und das Raumprogramm verschiedenen Instanzen unterbreitet werden müsse. Für die Realisierung des Bauvorhabens seien daher drei Jahre erforderlich.
Müsste die Streitsache nach
Art. 19 EGG
beurteilt werden, so läge ebenfalls kein Einsprachegrund vor. Es stehe weder Spekulation noch Güteraufkauf im Spiele. Die Liegenschaft Mataun bilde auch keine Betriebseinheit mit dem Talgut in Luzein. Auf alle Fälle wäre der Verkauf aus wichtigenGründen gerechtfertigt. Der Sohn Luzi Disch, der die Liegenschaft im Tal erworben habe und das Heimwesen am Stelserberg nicht übernehmen wolle, sollte die verlotterten Gebäude des Talgutes mit dem Verkaufserlös in Stand stellen. Das Talgut biete ihm mit etwas Pachtland eine ausreichende Existenz.
C.-
Der Kleine Rat des Kantons Graubünden beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Er verweist zunächst darauf, dass mit der Beschwerde an das Bundesgericht neue Behauptungen aufgestellt und neue Beweismittel eingereicht worden seien. Eine öffentliche Aufgabe im Sinne von
Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG
liege nicht vor, weil die Erstellung des Schülerheimes nicht unmittelbar bevorstehe. Die Stadt Zürich besitze, auch im Kanton Graubünden, genug Unterkunftsmöglichkeiten für Klassenlager und überdies weitere Landreserven. Abgesehen
BGE 92 I 324 S. 327
davon handle es sich nicht um eine öffentliche Aufgabe des Kantons Graubünden oder einer Bündner Gemeinde. Aber selbst wenn das Vorliegen einer öffentlichen Aufgabe bejaht würde, müsste die Beschwerde abgewiesen werden. In Stels sei eine von Bund und Kanton unterstützte Melioration durchgeführt und damit eine öffentliche Aufgabe erfüllt worden. Dabei sei auch der Zugang zur verkauften Liegenschaft verbessert worden. Der bereits realisierten öffentlichen Aufgabe gebühre der Vorrang gegenüber der öffentlichen Aufgabe eines fremden Gemeinwesens.
D.-
Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement äussert sich mit Zuschrift vom 20. Mai 1966 zur Streitsache, ohne einen Antrag zu stellen. Das Departement hält dafür, dass sich auf
Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG
nur Gemeinwesen am Orte der gelegenen Sache berufen können. Die Einrichtung des "Schulferienlagers" lasse noch mindestens drei Jahre auf sich warten und hänge von einer Volksabstimmung ab, sei also unsicher. Dagegen schliesst das Departement nicht aus, dass wichtige Gründe im Sinne von
Art. 19 lit. c EGG
gegeben seien.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Frage der Legitimation).
2.
Zu prüfen ist, ob Bundesrecht verletzt sei (
Art. 104 Abs. 1 OG
). Dabei kann das Bundesgericht von sich aus oder auf Begehren einer Partei prüfen, ob der angefochtene Entscheid auf einer unrichtigen oder unvollständigen Ermittlung des Sachverhalts beruhe (
Art. 105 OG
). Daraus ergibt sich die Befugnis des Bundesgerichts, nicht nur die den kantonalen Behörden vorgetragenen oder von ihnen ermittelten, sondern auch weitere Tatsachen zu berücksichtigen (vgl.
BGE 89 I 337
). Es besteht daher kein Hindernis, den ganzen mit der Beschwerde beigebrachten Prozessstoff zu prüfen.
3.
Das EGG stellt in seinem dritten Abschnitt (Art. 18 ff.) den Kantonen das Einspruchsverfahren anheim; es bezeichnet aber in seinem Artikel 21 die Rechtsgeschäfte, auf die das Einspruchsverfahren nicht angewendet werden darf. Darunter fallen u.a. nach Abs. 1 lit. b "Rechtsgeschäfte, für die das Enteignungsrecht gegeben ist oder die zur Erfüllung öffentlicher, gemeinnütziger oder kultureller Aufgaben abgeschlossen werden". Dass die Stadt Zürich in Graubünden Land für die Errichtung von Klassenlagern enteignen könne, behauptet
BGE 92 I 324 S. 328
niemand. Umstritten ist einzig, ob die Stadt das gekaufte Grundstück zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe benötige.
4.
Die Klassenlager bezwecken im Kanton Zürich, ganze Klassen der mittleren und oberen Volksschulstufe während einer oder zwei Arbeitswochen in eine fremde Landesgegend zu verlegen. Es geht also nicht um "Schulferienlager". Die Errichtung von Klassenlagern wird den Gemeinden vom Kanton zwar nicht vorgeschrieben, aber empfohlen. Sie ist durch ein Reglement des Erziehungsrates vom 5. Dezember 1961 geordnet und wird gemäss Kantonsratsbeschluss vom 21. Januar 1963 vom Staat durch Beiträge unterstützt. Richtig ist, dass die Beiträge des Kantons nur versuchsweise ausgerichtet werden. In der Weisung vom 26. Juli 1962, mit welcher der Regierungsrat dem Kantonsrat die Gewährung eines jährlichen Kredites für diesen Zweck empfohlen hatte, heisst es aber, es werde bei weiterhin gutem Ergebnis "eine gesetzliche Verankerung im Schulleistungsgesetz in Betracht zu ziehen sein". Es handelt sich bei der Errichtung von Klassenlagern im Kanton Zürich somit um eine öffentliche Aufgabe im Sinne von
Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG
, zu deren Verwirklichung der Grundstückkauf in Mataun diente. Da es von Bundesrechts wegen unerheblich ist, ob sich die Stadt Zürich durch einen anderen Grundstückkauf hätte behelfen können, ist die Beschwerde gutzuheissen und der Einspruch gegen den Kaufvertrag zu beseitigen.
5.
Was der Kleine Ratdagegen vorbringt, dringt nichtdurch: a) Der Kleine Rat macht in seiner Vernehmlassung geltend, nur das Gemeinwesen am Ort der gelegenen Sache - vorliegend also die Gemeinde Schiers oder der Kanton Graubünden - könne sich auf
Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG
berufen. Allein für diese einschränkende Auslegung gibt der Wortlaut des Gesetzes keine Handhabe, auch nicht der vom Kleinen Rat vergleichsweise herangezogene
Art. 10 lit. b EGG
. Vom Standpunkt des Bundesrechtes aus ist es belanglos, ob das Gemeinwesen, in dessen Herrschaftsbereich das Grundstück liegt, oder ein anderes Gemeinwesen in der Schweiz mit dem Erwerb des Grundstückes eine öffentliche Aufgabe erfüllen will. Der Hinweis auf das Enteignungsrecht, das sowohl in Art. 21 Abs. 1 lit. b als auch in
Art. 10 lit. b EGG
erwähnt ist, nützt dem Kleinen Rate nichts; denn den Fällen, in denen ein Enteignungsrecht gegeben ist, ist der Erwerb eines Grundstückes zur Erfüllung einer beliebigen öffentlichen, gemeinnützigen oder
BGE 92 I 324 S. 329
kulturellen Aufgabe gleichgestellt. Nun besitzen Kanton und Gemeinden zur Verwirklichung öffentlicher Aufgaben im eigenen Herrschaftsbereich in aller Regel das Enteignungsrecht und sind insoweit unbestrittenermassen vom Einspruch gegen Liegenschaftskäufe ausgenommen. Die Gleichstellung deutet somit gerade darauf hin, dass Geschäfte wie das vorliegende ebenfalls vom Einspruchsverfahren befreit sein sollen.
b) Der Kleine Rat macht in seiner Vernehmlassung weiter geltend, die Stadt Zürich beabsichtige überhaupt nicht ernsthaft, ein Schülerheim zu erstellen. So werde im Beschluss des Stadtrates vom 23. August 1963, in dem die verschiedenen Projekte, namentlich auch jene im Kanton Graubünden, aufgezählt seien, das Vorhaben am Stelserberg nicht erwähnt. Nun konnte aber der Unterhändler der Stadt das Grundstück erst am 18. Oktober 1963 kaufen. Das erklärt, warum im Stadtratsbeschluss vom 23. August 1963 noch nicht die Rede davon war.
c) Der Kleine Rat bringt zudem vor, die Erstellung des Schülerheimes stehe noch nicht unmittelbar bevor. Bei dieser Sachlage sei die Einsprache zu Recht erfolgt, wie sich dies aus
BGE 83 I 71
ergebe. In diesem Entscheid ist ausgeführt,
Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG
sei unanwendbar, wenn "der Kauf im Hinblick auf allfällige, zur Zeit des Abschlusses noch ganz unbestimmte öffentliche Bedürfnisse, zur Schaffung einer allgemeinen Landreserve vorgenommen wird". Dabei wird besonders hervorgehoben, es fehle "an konkreten Angaben, denen zu entnehmen wäre, dass der umstrittene Landkauf unmittelbar einem öffentlichen Zweck zu dienen habe". In diesem Entscheid wird zudem auf
BGE 80 I 413
Erw. 4 verwiesen. Dort ist dargelegt, "unmittelbar" für einen öffentlichen Zweck bestimmt wäre eine Liegenschaft, "wenn der Erwerber auf dem Grundstück ein Armen- oder Krankenhaus erstellen wollte oder wenn eine gemeinnützige Anstalt, z.B. eine Erziehungs- oder Strafanstalt, das Land benötigte zur Erweiterung ihres landwirtschaftlichen Betriebes".
Betrachtet man die hier umstrittene Handänderung unter diesem Gesichtswinkel, so kann die unmittelbar bevorstehende Verwendung des Grundstücks für eine öffentliche Aufgabe nicht verneint werden. Auf dem Fragebogen hat der vom Finanzvorstand der Stadt Zürich beauftragte Unterhändler als Zweck des Erwerbes folgendes angegeben:
BGE 92 I 324 S. 330
"Landreserve für die spätere Erstellung eines Schülerheimes; analog dem vor der Realisierung stehenden Projekt in Valbella/Lenzerheide."
Der Ausdruck Landreserve war dabei unglücklich gewählt und auch der Hinweis auf die "spätere" Erstellung eines Schülerheimes mochte zunächst Zweifel bewirken. Allein diese sind durch die folgenden Erklärungen der Stadt Zürich beseitigt worden. Danach will sie mit der Projektierung sofort beginnen, sobald sie Eigentümerin des gekauften Grundstückes sein wird. Richtig ist, dass das endgültige Projekt durch drei städtische Behörden genehmigt und der Kredit dafür durch Volksabstimmung gewährt werden muss. Allein das schliesst nicht aus, dass es sich um ein konkretes Vorhaben handelt. Es wäre einem Gemeinwesen nicht zumutbar, die grossen Kosten der Projektierung und des Genehmigungsverfahrens aufzuwenden, solange der Eigentumserwerb nicht feststeht. Der Umstand, dass der Ausgang der Volksabstimmung noch offen ist, schliesst nicht aus, dass das umstrittene Rechtsgeschäft zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe abgeschlossen wird.
d) Auch der Umstand, dass das Grundstück im Zusammenhang mit einer Bodenverbesserung und Güterzusammenlegung durch eine neue Strasse erschlossen worden ist, kann die Anwendung von
Art. 21 Abs. 1 lit. b EGG
nicht hindern. Es kann sich höchstens fragen, ob ein Teil der dafür ausgerichteten Beiträge des Bundes und des Kantons zurückzuerstatten sei (vgl. Art. 85 Abs. 2 des BG vom 3. Oktober 1951 über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes, AS 1953 S. 1096; Art. 12 des Meliorationsgesetzes des Kantons Graubünden vom 7. April 1957, Bündner Rechtsbuch S. 1579). Diese Frage steht hier nicht zur Beurteilung.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen; der angefochtene Entscheid des Kleinen Rates des Kantons Graubünden vom 13. Dezember 1965 und damit der Einspruch gegen den Kaufvertrag werden aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6a485c56-56fa-44fc-b77f-316b5d884db3 | Urteilskopf
104 III 28
9. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. April 1978 i.S. Konkursmasse W. Fuchs & Co. gegen Electricité S.A. Lausanne und Mitbeteiligte | Regeste
Zugehöreigenschaft von Hotelmobiliar (Art. 644/645 ZGB).
- Tragweite einer Anmerkung im Grundbuch, die sich auf das Mobiliar eines inzwischen abgerissenen Hotels bezieht (E. 2).
- Klarer Wille des Eigentümers, das Mobiliar als Zugehör des Hotels zu betrachten (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 28
BGE 104 III 28 S. 28
A.-
Am 26. Oktober 1949 liess die damalige Eigentümerin der Liegenschaft Hotel Continental in Lausanne im Grundbuch das Hotelmobiliar im Gesamtwert von Fr. 338'317.80 auf Grund einer detaillierten Inventarliste als Zugehör anmerken.
Das Hotel ging am 22. November 1960 ins Eigentum der Kommanditgesellschaft W. Fuchs & Co. über. Diese entfernte daraus das Mobiliar, brach das Gebäude ab, erstellte ein neues Hotel und rüstete es mit völlig neuem Mobiliar aus. Die bisherige
BGE 104 III 28 S. 29
Zugehöranmerkung blieb wie bis anhin bestehen. Für die Finanzierung des Hotelbaus hatte die W. Fuchs & Co. den Crédit Foncier Vaudois am 12. Dezember 1961 um die Gewährung eines Baukredites von Fr. 6'500'000.- ersucht. Der dem Gesuch beigelegte Finanzierungsplan sah Erstellungs- und Einrichtungskosten mit Einschluss der Möblierung von Fr. 10'000'000.- vor, die zu 65% mit dem erwähnten Baukredit finanziert werden sollten. In einem Schreiben an die W. Fuchs & Co. vom 27. Januar 1962 hielt der Crédit Foncier verschiedene Punkte von vorausgegangenen Abmachungen fest und führte wörtlich aus:
"Si vous n'avez pas d'objection à formuler quant à ce qui précède,
nous vous prions de charger votre notaire de la suite des opérations,
c'est-à-dire, la stipulation de la cédule hypothécaire de Fr. 6'500'000.-.
A ce sujet, nous nous permettons de relever que le mobilier et le matériel
d'exploitation de l'hôtel-restaurant devront faire partie du gage, sous
forme de mention d'accessoires, inscrite au Registre foncier, le moment
venu."
Am 23. Februar 1962 unterzeichneten die Parteien einen Krediteröffnungsvertrag für den Baukredit von Fr. 6'500'000.-, in dem auf die Sicherstellung dieses Kredites durch einen Schuldbrief hingewiesen wird, jedoch von der Mitverpfändung von Mobiliar als Zugehör nicht ausdrücklich die Rede ist. Am gleichen Tag errichtete die W. Fuchs & Co. einen öffentlich beurkundeten Inhaberschuldbrief über den Betrag von Fr. 6'500'000.-, in dem unter der Liegenschaftenbeschreibung die alte Zugehöranmerkung vom Jahre 1949 aufgeführt wird und der unter den Darlehensbedingungen unter anderem folgenden Passus enthält:
"Le créancier aura en tout temps le droit de demander le remboursement,
même avant l'expiration du terme et sans avertissement: en cas...
de refus d'inscrire une mention d'accessoires..."
B.-
Am 5. November 1965 fiel die W. Fuchs & Co. in Konkurs. Die Liegenschaft Hotel Continental wurde am 25. März 1969 mit Einschluss des Mobiliars für insgesamt Fr. 12'350'000.- versteigert. Von diesem Erlös, der sich in der Folge noch um Mietzinseingänge vermehrte, zweigte das Konkursamt Altstetten einen Betrag von Fr. 1'232'256.70 als auf das Mobiliar entfallend ab. In einem anschliessenden Beschwerdeverfahren über die Zugehöreigenschaft des Mobiliars stellte die
BGE 104 III 28 S. 30
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit Entscheid vom 18. Dezember 1973 fest, der Kollokationsplan und das Lastenverzeichnis enthielten keinen klaren Entscheid der Konkursverwaltung über diese Frage; sie wies deshalb das Konkursamt Altstetten an, das Versäumte nachzuholen (
BGE 99 III 66
ff.). Mit Verfügung vom 16. August 1974 kam die Konkursverwaltung dieser Anweisung nach und entschied, das Hotelmobiliar sei nicht als Zugehör zu betrachten und die Pfandhaft erstrecke sich daher nicht auf es.
C.-
Die Electricité S.A. Lausanne und neun weitere Gläubiger von durch Bauhandwerkerpfandrechte gesicherten Forderungen sowie die Konkursmasse IBZ-Finanz AG und die Wirtschaftsbank Zürich AG als Besitzer bzw. Faustpfandgläubiger von auf der Liegenschaft Hotel Continental lastenden Inhaberschuldbriefen, die alle bei der Verwertung Pfandausfälle erlitten hatten, fochten diese Verfügung mit zwei getrennten Klagen gegen die Konkursmasse W. Fuchs & Co. gerichtlich an. Sie beantragten, es sei festzustellen, dass sich die Pfandhaft auf den auf das Mobiliar entfallenden Teil des Verwertungserlöses von Fr. 1'232'256.70 (nebst den seit der Verwertung aufgelaufenen Zinsen) erstrecke. Ihre Klagen wurden vom Einzelrichter im beschleunigten Verfahren des Bezirksgerichts Zürich mit Urteilen vom 10. September 1975 abgewiesen, vom Obergericht des Kantons Zürich dagegen, das die beiden Prozesse vereinigte, mit Urteil vom 9. September 1977 gutgeheissen. Beide Instanzen gelangten zum Ergebnis, die am 26. Oktober 1949 angemeldete Zugehöranmerkung für das Mobiliar des alten Hotel Continental könne keine Vermutung dafür begründen, dass das neu angeschaffte Mobiliar Zugehör des neu erstellten Hotels sei. Einen Ortsgebrauch, wonach Hotelmobiliar in Lausanne allgemein Zugehör darstelle, stellten sie beide nicht fest. Hingegen leitete das Obergericht im Gegensatz zum erstinstanzlichen Richter aus den Verhandlungen zwischen dem Crédit Foncier Vaudois und der W. Fuchs & Co. über die Eröffnung und Sicherstellung eines Baukredits einen klar erkennbaren Willen der W. Fuchs & Co. ab, das neue Hotelmobiliar zur Zugehör des neuen Hotels zu erklären.
D.-
Gegen das Urteil des Obergerichts erklärte die Konkursmasse W. Fuchs & Co. die Berufung ans Bundesgericht mit dem Antrag auf Abweisung der Klagen. Die Kläger beantragen die Abweisung der Berufung.
BGE 104 III 28 S. 31
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 644 Abs. 2 ZGB
sind Zugehör die beweglichen Sachen, die nach der am Orte üblichen Auffassung oder nach dem klaren Willen des Eigentümers der Hauptsache dauernd für deren Bewirtschaftung, Benutzung oder Verwahrung bestimmt und durch Verbindung, Anpassung oder auf andere Weise in die Beziehung zur Hauptsache gebracht sind, in der sie Ihr zu dienen haben. Dass Hotelmobiliar grundsätzlich Zugehör im Sinne dieser Bestimmung sein kann, ist unbestritten und ergibt sich zudem aus
Art. 805 Abs. 2 ZGB
. Die Vorinstanz hat keinen Ortsgebrauch festgestellt, wonach in Lausanne Hotelmobiliar allgemein oder doch unter bestimmten, hier vorliegenden Verhältnissen Zugehör der Hotelliegenschaft bilde. Zu prüfen ist somit einzig, ob dem Hotelmobiliar nach dem klaren Willen des Eigentümers der Hauptsache Zugehöreigenschaft zukommen sollte.
2.
Den beiden kantonalen Instanzen ist insofern zuzustimmen, als sie es ablehnten, die Zugehöreigenschaft des Hotelmobiliares aus der Anmerkung vom 26. Oktober 1949 abzuleiten. Jene Anmerkung beruhte auf einer Willenserklärung der früheren Eigentümerin der Liegenschaft, bezog sich auf Mobiliar, das heute nicht mehr vorhanden ist und zu einem Hotel gehörte, das in der Folge abgerissen wurde. Eine klare Willensäusserung der W. Fuchs & Co. als neuer Grundeigentümerin, dass auch das für das neu erbaute Hotel vollständig neu angeschaffte Mobiliar Zugehör des neuen Hotels bilden solle, lässt sich aus dieser alten Grundbuchanmerkung nicht ableiten. Wohl bezieht sich eine solche Anmerkung in der Regel auch auf Mobilien, die als Ersatz für defekte Stücke oder zur Ergänzung und Vervollständigung des früheren Bestandes neu angeschafft werden, ohne dass jedesmal eine neue Grundbuchanmerkung oder eine Vervollständigung des Inventars erfolgen muss (MEIER/HAYOZ, N. 28 zu Art. 644/45 ZGB). Wo aber ein neuer Grundeigentümer die alte Zugehör entfernt und veräussert oder vernichtet, das Gebäude abreisst, ein neues erstellt und dieses neu möbliert, kann eine frühere Anmerkung nicht weiterhin ihre Wirkung entfalten, sondern es bedarf einer neuen Willensäusserung des nunmehrigen Eigentümers, die sich auf das neue Mobiliar und das neue Gebäude bezieht. Dabei ist es unerheblich, ob als Hauptsache die Liegenschaft
BGE 104 III 28 S. 32
oder (wie die Vorinstanz annimmt) das Hotelgebäude zu betrachten ist. Hotelmobiliar kann nur Zugehör einer mit einem Hotel überbauten Liegenschaft sein. Mit der Entfernung des Mobiliars aus dem alten Hotel war somit dessen Zugehöreigenschaft untergegangen, und mit dem Abbruch des früheren Hotel Continental hatte auch die Liegenschaft die Eigenschaft einer Hauptsache, die Hotelmobiliar als Zugehör aufweisen kann, verloren. Eine derartige Verbindung konnte nach Erstellung eines neuen Hotelgebäudes und Anschaffung neuen Mobiliars nur durch eine neue Willenserklärung geschaffen werden. Daran vermochte auch der Fortbestand der früheren Anmerkung im Grundbuch nichts zu ändern; auch wenn den Klägern zuzugeben ist, dass sie aus dieser Anmerkung in guten Treuen auf den Bestand eines Zugehörverhältnisses schliessen durften, so konnte doch das tatsächliche Fehlen einer solchen Beziehung durch die Grundbuchanmerkung nicht geheilt oder gar ersetzt werden.
3.
Unter diesen Umständen hängt das Schicksal der Klagen allein davon ab, ob die W. Fuchs & Co. nach dem Erwerb der Liegenschaft den klaren Willen zu erkennen gegeben hat, dass das neu angeschaffte Hotelmobiliar Zugehör der neuen Hotelliegenschaft sein solle. Die Vorinstanz hat einen dahingehenden Willen und dessen Äusserung durch konkludentes Verhalten mit zutreffender Begründung bejaht. Was in der Berufungsschrift dagegen vorgebracht wird, schlägt nicht durch.
a) Aus dem Brief des Crédit Foncier Vaudois vom 27. Januar 1962 schliesst die Beklagte, die Parteien der damaligen Krediteröffnungsverhandlungen, nämlich die W. Fuchs & Co. einerseits und der Crédit Foncier Vaudois anderseits, hätten eine neue Zugehöranmerkung im Grundbuch und damit eine Ausdehnung der Pfandhaft auf das Mobiliar erst für einen späteren Zeitpunkt ("le moment venu") in Aussicht genommen. Es kommt jedoch nicht darauf an, für welchen Zeitpunkt die Parteien eine neue Grundbuchanmerkung in Aussicht nahmen. Sie konnten diese sehr wohl auf einen späteren Zeitpunkt vorsehen, aber trotzdem den übereinstimmenden Willen haben, das Mobiliar solle vom Moment der Anschaffung an Zugehör des Hotels sein; denn für die Zugehöreigenschaft ist die Grundbuchanmerkung nicht Gültigkeitserfordernis. Dass die Anmerkung der Zugehör im Zeitpunkt der Krediterteilung noch nicht mittels eines detaillierten Inventars erfolgen konnte, versteht
BGE 104 III 28 S. 33
sich von selbst, da das Mobiliar ja noch nicht angeschafft war. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, die W. Fuchs & Co. habe damals noch keinen Widmungswillen gehabt, sondern sie habe vorgesehen, erst zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls den Willen zu haben, das Mobiliar als Zugehör der Hotelliegenschaft zu betrachten. Eine solche Annahme, für die ein vernünftiger Grund nicht ersichtlich ist, wäre künstlich. Die Beklagte vermengt das Erfordernis des Pertinenzierungswillens mit der Äusserung dieses Willens in Form der Anmerkung im Grundbuch.
b) Richtig ist freilich, dass im Krediteröffnungsvertrag vom 23. Februar 1962 nicht ausdrücklich vom Hotelmobiliar und dessen Widmung als Zugehör die Rede ist. Indessen nimmt dieser Vertrag Bezug auf die Verpfändung eines die Liegenschaft Hotel Continental belastenden Schuldbriefs, der denn auch noch am gleichen Tag errichtet wurde. Im Errichtungsakt wird dem Gläubiger der Schuldbriefforderung das Recht eingeräumt, die sofortige Rückzahlung des Schuldbriefkapitals zu verlangen, sofern sich der Schuldner weigern sollte, eine Zugehöranmerkung im Grundbuch einzutragen. Diese Bestimmung kann nicht anders verstanden werden, als dass das Hotelmobiliar nach dem Willen der W. Fuchs & Co. als Ausstellerin der Urkunde als Zugehör mitverpfändet sein sollte, besonders wenn man sie im Zusammenhang mit dem Schreiben des Crédit Foncier Vaudois vom 27. Januar 1962 betrachtet. Eine Verpflichtung, das Hotelmobiliar im Grundbuch als Zugehör anzumerken, hat nur dann einen Sinn, wenn davon ausgegangen wird, der Eigentümer habe den Willen, das Mobiliar rechtlich dauernd das Schicksal der Hotelliegenschaft teilen zu lassen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine Verpflichtung zur Äusserung des Widmungswillens in Form einer Anmerkung nicht vorstellbar ohne die gleichzeitige Annahme des Vorliegens dieses Willens.
c) Ist im erwähnten Passus in der Schuldbrieferrichtungsurkunde unter den gegebenen Umständen eine hinreichende Äusserung des Pertinenzierungswillens zu erblicken, so fallen die Ausführungen in der Berufungsschrift über die Tragweite des Krediteröffnungsvertrags ins Leere. Es ist daher unerheblich, was sich die angerufenen Zeugen Fuchs und Brugger bei der Erteilung des Baukredits dachten, und die Einvernahme dieser Zeugen durfte ohne Verletzung von Bundesrecht unterbleiben.
BGE 104 III 28 S. 34
Ebenso irrelevant ist, ob eine Bankusanz bestehe, gemäss welcher Vorbesprechungen und vorbereitende Korrespondenzen über Baukredite und Pfandsicherheiten immer unter dem Vorbehalt von schriftlichen Verträgen stünden, hat doch die W. Fuchs & Co. ihren Pertinenzierungswillen nicht nur durch konkludentes Handeln, sondern im Schuldbrieferrichtungsakt auch schriftlich geäussert. Über die behauptete Usanz brauchte deshalb ebenfalls kein Beweis abgenommen zu werden.
d) Schliesslich macht die Beklagte geltend, der Crédit Foncier Vaudois habe in seinem Schreiben vom 27. Januar 1962 nur vom Mobiliar des "hôtel-restaurant" gesprochen. Darunter sei nur das Mobiliar des Restaurants, nicht aber das eigentliche Hotelmobiliar zu verstehen. Selbst wenn man also eine Zugehörwidmung annehmen wollte, könnte sich diese nur auf die Einrichtung des Restaurants beziehen. Diese Auffassung ist jedoch schon aus sprachlichen Gründen nicht haltbar. Mit dem Begriff "hôtel-restaurant" ist offensichtlich der aus Hotel und Restaurant bestehende Gesamtkomplex der Liegenschaft Continental gemeint, und nicht bloss das sich im Hotelgebäude befindliche Restaurant. Was auf deutsch mit einem Wort als "Hotelrestaurant" bezeichnet werden kann, heisst auf französisch "restaurant de l'hôtel". Abgesehen davon bestand für den Crédit Foncier Vaudois kein vernünftiger Grund, nur gerade den Einbezug des Restaurantmobiliars in die Pfandhaft zu verlangen.
Die Berufung erweist sich somit ohne Zweifel als unbegründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 9. September 1977 bestätigt. | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6a4a439d-9f0f-4cf6-9681-fe6136d6f3bb | Urteilskopf
124 III 215
40. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 4. Mai 1998 i.S. P. GmbH (Beschwerde) | Regeste
Art. 268 ff. OR
;
Art. 37 Abs. 2 SchKG
und
Art. 206 SchKG
.
Das Retentionsrecht des Vermieters von Geschäftsräumen (
Art. 268 ff. OR
) wird wegen
Art. 37 Abs. 2 SchKG
betreibungsrechtlich zwar als Faustpfand betrachtet, und demzufolge ist die Retention durch Betreibung auf Pfandverwertung zu prosequieren. Doch kann das Retentionsrecht nicht der Pfandbestellung durch einen Dritten gleichgestellt werden, welche nach der Ausnahmeregelung des Art. 206 Abs. 1 zweiter Satz SchKG im Konkurs des Schuldners die Aufhebung der Betreibung verhindert (E. 1).
Fällt der Mieter in Konkurs, so muss der Vermieter von Geschäftsräumen seine Forderung und das Retentionsrecht im Konkurs anmelden (E. 2a). | Sachverhalt
ab Seite 216
BGE 124 III 215 S. 216
Die P. GmbH, welche H. Geschäftsräume vermietet hatte, liess für ausstehende Mietzinse Gegenstände des Mieters retinieren und leitete gegen diesen die Betreibung ein. Vor der Verwertung wurde indessen über den Mieter der Konkurs eröffnet. Die Konkursverwaltung anerkannte einige Dritteigentumsansprüche und schied die entsprechenden Retentionsgegenstände aus.
Mit Verfügung vom 18. November 1997 wies das Betreibungsamt Kirchberg ein Gesuch der P. GmbH, bezüglich der ausgeschiedenen Retentionsgegenstände das Widerspruchsverfahren einzuleiten, ab. Zur Begründung berief sich das Betreibungsamt auf
Art. 206 Abs. 1 SchKG
(sowie
Art. 53 KOV
[SR 281.32] und
BGE 99 III 12
).
Über diese Verfügung beschwerte sich die P. GmbH beim Gerichtspräsidium Alttoggenburg als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs. Sie machte insbesondere geltend, dass die retinierten Gegenstände als Pfand eines Drittpfandeigentümers im Sinne von Art. 206 Abs. 1 zweiter Satz SchKG zu betrachten seien und dass deshalb die von ihr eingeleiteten Betreibungen nicht aufgehoben seien.
Das Bezirksgericht Alttoggenburg wies die Beschwerde am 21. Januar 1998 ab. Denselben Entscheid fällte am 18. März 1998 das Kantonsgericht St. Gallen als obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs.
Auch die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts wies die in der Folge bei ihr erhobene Beschwerde der P. GmbH ab.
BGE 124 III 215 S. 217
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Nach der grundsätzlichen Vorschrift von
Art. 206 Abs. 1 SchKG
werden mit der Konkurseröffnung alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen aufgehoben und können neue Betreibungen für Forderungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, während des Konkursverfahrens nicht eingeleitet werden. Ausgenommen sind - gemäss dem zweiten Satz dieser Bestimmung, welcher mit der Revision vom 16. Dezember 1994 in das Gesetz aufgenommen worden ist (vgl. BBl 1991 III 121 f.) - Betreibungen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind.
Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, die von ihr zur Prosequierung der Retention eingeleiteten Betreibungen seien jenen auf Verwertung von Pfändern im Sinne von Art. 206 Abs. 1 zweiter Satz SchKG gleichzustellen, und begründet dies damit, dass ein Eigentumsvorbehalt an den retinierten Gegenstände eingetragen sei. Diese Meinung hat das Kantonsgericht St. Gallen verworfen.
b) Der Rechtsauffassung der Vorinstanz ist beizupflichten:
Das Retentionsrecht des Vermieters von Geschäftsräumen (
Art. 268 ff. OR
) wird wegen
Art. 37 Abs. 2 SchKG
betreibungsrechtlich zwar als Faustpfand betrachtet, und demzufolge ist die Retention durch Betreibung auf Pfandverwertung zu prosequieren (AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage Bern 1997, § 32 N. 6, § 34 N. 2; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, Lausanne 1993, S. 86, 111, 113, 363; HIGI, Kommentar, N. 89 und 95 zu
Art. 268-268b OR
). Damit ausnahmsweise eine Betreibung mit der Konkurseröffnung nicht aufgehoben wird, muss jedoch das Pfand von einem Dritten bestellt worden sein. Das hat die Rechtsprechung schon unter altem Recht verlangt (
BGE 121 III 93
E. 1, mit Hinweisen); und die jetzt geltende Vorschrift des Art. 206 Abs. 1 zweiter Satz SchKG ist denn auch nichts anderes als die Festschreibung der Praxis.
Nun hat aber die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren selber erklärt, dass an den hier zur Diskussion stehenden Gegenständen ein Eigentumsvorbehalt geltend gemacht werde; und eine entsprechende Feststellung ist im kantonalen Verfahren denn auch getroffen worden. Von der Pfandbestellung durch einen Dritten kann somit keine Rede sein.
c) Die Beschwerdeführerin übersieht vorab, dass sie die Weiterführung der von ihr eingeleiteten Betreibungen nicht unter
BGE 124 III 215 S. 218
Berufung auf die Rechte jener Gläubiger verlangen kann, die einen Eigentumsvorbehalt haben eintragen lassen; denn nur diese Gläubiger wären zur Geltendmachung der daraus abgeleiteten Rechte legitimiert. Sodann verkennt die Beschwerdeführerin, dass der Eigentumsvorbehalt - wie gesagt - etwas grundsätzlich anderes ist als die Pfandbestellung durch einen Dritten. Aus diesem Grund kann sie nichts zu ihren Gunsten aus dem
BGE 121 III 93
vorangestellten Leitsatz ableiten, der von einem "Gegenstand der einem Dritten gehört" ("un objet appartenant à un tiers") spricht. Sollte aber die Beschwerdeführerin dieses Kriterium auf ihr eigenes Rechtsverhältnis zum Gläubiger anwenden wollen, so muss sie zur Kenntnis nehmen, dass die Retention des Vermieters von Geschäftsräumen den Besitz nicht voraussetzt (HIGI, Kommentar, N. 12 zu
Art. 268-268b OR
; ZIHLMANN, Das Mietrecht, 2. Auflage Zürich 1995, S. 120).
Insoweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von
Art. 206 SchKG
geltend macht, erweist sich somit ihre Beschwerde als unbegründet. Dem Rechtsbegehren Ziff. 1, dass das Betreibungsamt K. anzuweisen sei, die von der Beschwerdeführerin eingeleiteten Betreibungen fortzusetzen, kann nicht stattgegeben werden.
2.
a) Ins Leere fällt damit das Rechtsbegehren Ziff. 2 der Beschwerdeführerin, dass das Betreibungsamt anzuweisen sei, das Widerspruchsverfahren durchzuführen.
Wie schon die Vorinstanz der Beschwerdeführerin erklärt hat, muss diese ihre Forderung und das Retentionsrecht im Konkurs des H. anmelden (Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band II, Zürich 1993, § 63 Rz. 27, mit Hinweis auf
BGE 43 III 335
). Insoweit Eigentumsvorbehalt angemeldet worden ist, hat - worauf zur Abrundung der vorinstanzlichen Erklärung hingewiesen wird - die Konkursverwaltung die Aussonderung im Sinne von 242 SchKG vorzunehmen (vgl. dazu AMONN/GASSER, a.a.O., § 40 N. 25 ff., insbesondere N. 28), was sie im vorliegenden Fall denn auch schon getan hat. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6a50e86a-7e2e-4cfc-9f71-363a4ff48c7e | Urteilskopf
103 Ia 624
91. Extrait de l'arrêt du 21 décembre 1977 en la cause Donadoni contre Ministère public fédéral | Regeste
Auslieferung, Europäisches Auslieferungs-Übereink. vom 13. Dezember 1957; Vertrag zwischen der Schweiz und Belgien über die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern, vom 13. Mai 1874.
Mehrheit von Auslieferungsbegehren, von Italien und Belgien gestellt. Zuständigkeit des Bundesgerichts (E. 1). Anwendung von Art. 17 des Europ. Auslieferungs-Übereink. auf den konkreten Fall, weil nach dem Staatsvertrag mit Belgien der ersuchte Staat frei ist nach seinem Gutfinden zu entscheiden bei Mehrheit von Begehren (E. 2). Art. 17, Aufzählung der Kriterien für die Wahl (E. 3). Anwendung dieser Kriterien im konkreten Fall (E. 9). | Sachverhalt
ab Seite 624
BGE 103 Ia 624 S. 624
La police genevoise a arrêté Gian Angelo Donadoni, ressortissant italien.
Le 18 mars 1977, les autorités italiennes ont demandé l'arrestation, à titre extraditionnel, de Donadoni, qui s'était évadé le 22 octobre 1976 d'une prison de Florence. Le 14 avril 1977, l'Ambassade d'Italie à Berne a demandé l'extradition de Donadoni en vue de l'exécution du solde de la peine prononcée par la Cour d'appel de Florence le 8 mars 1976. Par note du 12 mai 1977, ladite ambassade a requis l'extradition en vue de l'exécution d'une peine prononcée par le Pretore de Vipiteno le 12 novembre
BGE 103 Ia 624 S. 625
1975. Enfin, cette ambassade a remis aux autorités suisses, le 20 juin 1977, une troisième note, demandant l'extradition de Donadoni pour des faits motivant d'autres inculpations.
Le 31 mars 1977, Donadoni, entendu sur commission rogatoire internationale décernée par le procureur du roi, à Bruxelles, a reconnu avoir participé à plusieurs vols à main armée commis en Belgique. Le 1er avril 1977, les autorités belges ont demandé l'arrestation, à titre extraditionnel, de Donadoni. Par note du 19 avril 1977, l'Ambassade de Belgique à Berne a requis des autorités suisses l'extradition de Donadoni des chefs de vols à l'aide de violences ou de menaces et tentatives de vol à l'aide de violences ou de menaces. Par la suite, les 5 mai et 6 juillet 1977, l'Ambassade de Belgique a présenté deux autres demandes d'extradition pour des faits motivant diverses inculpations.
Donadoni a été informé de ces demandes d'extradition. Il a déclaré consentir à son extradition en Italie, en demandant qu'elle ait lieu le plus rapidement possible. En revanche, il s'est opposé à la requête d'extradition belge. Il conteste avoir commis certaines des infractions pour lesquelles la demande précitée a été présentée. Il fait valoir divers arguments en faveur d'une extradition prioritaire à l'Italie.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La Belgique et l'Italie ont requis l'extradition de Donadoni, ressortissant italien, pour des faits différents. Donadoni a fait opposition à la demande belge; il s'est en outre déterminé sur la priorité qu'il faudrait accorder, selon lui, à la demande italienne.
Confirmant ce qui avait été convenu lors d'un échange de vues intervenu en 1976 entre le Conseil fédéral et le Tribunal fédéral, ce dernier a jugé, dans un arrêt récent (arrêt du 30 novembre 1977 en la cause Panovski et Letnikovski), qu'il lui appartient, en cas de concours de requêtes, de désigner l'Etat requérant auquel l'extradition sera accordée en priorité, lorsque l'individu réclamé a fait opposition à l'une ou à l'autre des demandes. Tel est le cas en l'espèce.
2.
La solution qu'il convient d'adopter en cas de concours de demandes d'extradition peut ne pas s'imposer d'emblée, si
BGE 103 Ia 624 S. 626
les traités qui lient l'Etat requis aux Etats requérants contiennent, sur une telle concurrence, des règles différentes. Il n'est pas exclu que l'Etat requis soit alors dans l'impossibilité de respecter ses engagements internationaux (SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, p. 205; SCHWARZENBACH, Das materielle Auslieferungsrecht der Schweiz, Zurich 1901, p. 234 ss). Saisies de demandes d'extradition émanant de plusieurs Etats et concernant le même individu, les autorités suisses s'efforceront de régler la question du concours de requêtes d'entente avec les Etats intéressés. Mais si aucune solution ne peut être adoptée d'un commun accord, les autorités d'extradition doivent statuer sur l'ordre de priorité; dans ce cas, elles veilleront à respecter, dans la mesure du possible, les engagements internationaux de la Confédération.
a) La Suisse est liée par des traités d'extradition avec l'Italie et avec la Belgique. La Convention européenne d'extradition, conclue le 13 décembre 1957, règle les rapports italo-suisses; les relations entre la Suisse et la Belgique sont régies par la convention sur l'extradition réciproque des malfaiteurs conclue le 13 mai 1874 et modifiée le 11 septembre 1882 (ci-après: le traité de 1874).
La Convention européenne d'extradition contient une disposition sur le concours de requêtes (art. 17). Le traité de 1874 ne dit en revanche rien sur ce point. Ce silence a été voulu par les parties. Ainsi que le relève le Conseil fédéral dans son Message du 20 mai 1874 concernant le traité d'extradition revisé entre la Suisse et la Belgique, "le Gouvernement belge a demandé ... qu'en cas de pluralité de demandes, chaque Etat restât libre de décider comme il le jugerait opportun. Nous avons cru devoir adhérer à ce désir, qui nous paraît légitime" (FF 1874, vol. I, p. 848 ss, 851). Il convient de tenir compte de cette déclaration pour l'interprétation du traité (
ATF 101 Ia 537
consid. 5).
La loi fédérale sur l'extradition, du 22 janvier 1892 (LExtr.), règle à son art. 14 le concours de requêtes. D'après la jurisprudence, en matière d'extradition comme dans d'autres domaines, les traités internationaux ont le pas sur la loi nationale, même s'ils lui sont antérieurs; en cas de contradiction entre les dispositions de la loi et celles d'un traité, celles-ci l'emportent sur celles-là. Ainsi, la loi fédérale ne s'applique pas lorsque la Suisse et l'Etat requérant sont liés par une convention.
BGE 103 Ia 624 S. 627
Il n'en va autrement que dans certaines hypothèses, notamment si la loi peut être appliquée concurremment avec le traité et pour en combler une lacune, à la condition qu'elle ne conduise pas à une solution contraire (
ATF 102 Ia 319
).
b) En l'espèce, la Belgique ne peut exiger que la priorité soit donnée à sa demande. La Confédération ne violera donc pas ses obligations découlant du traité de 1874 si elle livre l'individu réclamé à un autre Etat. La liberté d'appréciation que le traité précité donne aux autorités suisses ne signifie toutefois pas que celles-ci puissent statuer comme bon leur semble. L'
art. 14 LExtr
. sera en effet applicable si la question du concours de requêtes ne fait pas l'objet d'une disposition du traité conclu entre la Suisse et l'Etat qui a présenté la demande d'extradition concurrente.
L'extradition de Donadoni devrait être accordée de manière prioritaire à l'Italie si cet Etat pouvait exiger que la préférence soit donnée à sa requête en se fondant sur l'art. 17 de la Convention européenne d'extradition. Mais tel n'est pas le cas. La disposition précitée n'impose pas, en cas de concours de requêtes, l'application stricte d'une seule règle précise. Elle laisse au contraire à l'Etat requis un large pouvoir d'appréciation, en prescrivant qu'il statuera "compte tenu de toutes circonstances" et, notamment, de la gravité relative et du lieu des infractions, des dates respectives des demandes, de la nationalité de l'individu réclamé et de la possibilité d'une extradition ultérieure à un autre Etat. Dans la plupart des cas, l'Etat requis pourra ainsi statuer sur le concours de requêtes sans violer ses engagements internationaux (G. VON SALIS, Der multilaterale Auslieferungsvertrag des Europarates, thèse Zurich 1962, p. 69).
Ni la Belgique, ni l'Italie ne peuvent donc prétendre en l'espèce avoir un droit à ce que la priorité soit accordée à leur demande d'extradition. En revanche, l'Italie peut attendre des autorités suisses qu'elles statuent sur le concours de requêtes en tenant compte de toutes les circonstances, et, notamment, des critères de choix énumérés à l'art. 17 de la Convention européenne d'extradition. Certes, la doctrine italienne paraît écarter l'application de cette disposition en cas de concours de requêtes n'émanant pas toutes d'Etats ayant adhéré à la Convention (cf. ROLANDO QUADRI, sous "Estradizione" dans Enciclopedia del diritto, Varese 1967, vol. XVI, ch. 4, p. 11). Mais rien ne
BGE 103 Ia 624 S. 628
s'oppose à ce que la Suisse, Etat requis, tranche sur la base de l'art. 17 de la Convention, lorsque la demande concurrente est celle d'un Etat avec lequel aucun traité d'extradition n'a été conclu; il doit en aller de même lorsque cet Etat et la Suisse sont liés par une convention qui laisse à l'Etat requis le soin de statuer comme il le juge opportun.
Ainsi, les autorités suisses, saisies de requêtes d'extradition concurrentes présentées l'une par l'Italie, l'autre par la Belgique, doivent statuer sur ce concours de demandes en faisant application de l'art. 17 de la Convention européenne d'extradition; dans la mesure où elles observent cette disposition, elles ne peuvent violer les engagements internationaux de la Confédération, quelle que soit la demande à laquelle la priorité est accordée.
3.
L'art. 17 de la Convention européenne d'extradition laisse à l'Etat requis un large pouvoir d'appréciation. Il ne pose en effet pas une règle stricte, que l'extradition soit demandée par plusieurs Etats pour les mêmes faits ou pour des faits différents. L'Etat requis statuera sur le concours de requêtes compte tenu de toutes les circonstances. L'art. 17 énumère certes les critères dont il convient de tenir compte, mais sans établir entre eux une hiérarchie quelconque. Chacun de ces critères - gravité relative et lieu des infractions, dates respectives des demandes, nationalité de l'individu réclamé et possibilité d'une extradition ultérieure à un autre Etat - peut en soi, suivant les circonstances du cas, être celui qui emporte la décision.
Certes, sur un plan général, ces critères n'ont pas tous un poids égal. Il faut certainement tenir compte de la gravité des infractions, car on ne peut laisser impunis les crimes ou délits les plus graves; mais suivant les circonstances du cas, il sera justifié d'accorder la priorité à la demande d'un Etat sur le territoire duquel plusieurs infractions relativement légères ont été commises, même si la requête concurrente a été présentée pour des faits motivant une inculpation particulièrement grave. Le lieu des infractions revêt également une importance particulière, notamment lorsque les demandes concurrentes sont présentées pour des mêmes faits, ou pour des faits différents commis uniquement sur le territoire de l'un des Etats requérants. Statuer sur le concours de requêtes en se basant sur les dates respectives des demandes est apparemment une solution simple; mais on ne saurait ignorer que l'application de ce critère
BGE 103 Ia 624 S. 629
peut aboutir, dans certains cas, à des résultats insatisfaisants (LAMMASCH, Auslieferungspflicht und Asylrecht, p. 507). La nationalité de l'individu réclamé et la possibilité d'une extradition ultérieure à un autre Etat sont des critères étroitement liés l'un à l'autre, dont l'application peut toutefois conduire à des solutions opposées. Le reclassement social de l'individu paraît être mieux assuré si cette personne est extradée dans l'Etat dont elle est ressortissante et où elle a, en règle générale, son domicile et le centre de ses relations. Mais le principe généralement admis de la non-extradition des nationaux (cf. SCHULTZ, op.cit., p. 481 ss) peut alors s'appliquer au détriment d'une juste répression pénale, si les dispositions applicables dans l'Etat national ne permettent pas la condamnation de l'individu pour des infractions commises à l'étranger.
Tous les critères énumérés à l'art. 17 de la Convention européenne d'extradition permettent aux autorités de l'Etat requis de statuer sur l'ordre de priorité. Si, sur un plan général, certains d'eux paraissent mériter plus de considération que d'autres, chacun peut cependant être, compte tenu des circonstances du cas, le critère décisif.
4.
D'après la jurisprudence, le Tribunal fédéral examine d'office si les conditions d'octroi de la demande d'extradition sont remplies, sans être lié à cet égard par les moyens soulevés par l'opposant. Cette règle vaut également pour les conditions formelles d'extradition, sur lesquelles il appartient en premier lieu à la Division fédérale de police de se prononcer (
ATF 101 Ia 421
et les arrêts cités). En revanche, le Tribunal fédéral ne se prononce pas sur la culpabilité de l'individu réclamé, car il est lié par les faits énoncés dans l'acte de poursuite qui est à la base de la demande d'extradition; c'est au juge du fond qu'il appartient de vérifier si la personne extradée est coupable de l'infraction pour laquelle l'extradition a été requise et accordée. Cette règle n'est cependant pas absolue. Elle n'empêche pas le juge d'extradition de tenir compte des erreurs, lacunes ou contradictions qui entachent les pièces présentées, ni de refuser l'extradition en raison d'infractions qu'il est manifestement exclu de mettre à la charge de l'opposant (
ATF 101 Ia 408
, 424).
5.
Donadoni a fait opposition à la demande d'extradition présentée par la Belgique. Il ne s'est en revanche pas opposé à la requête italienne, à laquelle - selon lui - la priorité devrait être accordée. Le Tribunal fédéral doit ainsi se prononcer sur
BGE 103 Ia 624 S. 630
l'opposition à la requête belge, puis sur l'admission de la demande d'extradition italienne et, enfin, sur l'ordre de priorité qu'il convient en l'espèce d'adopter.
6.
(Rejet de l'opposition à la demande d'extradition belge.)
7.
et 8.- (Examen de la demande d'extradition italienne.)
9.
Les demandes d'extradition de l'Italie et de la Belgique devant toutes deux être accordées, il appartient au Tribunal fédéral de se prononcer sur l'ordre de priorité qu'il faut en l'espèce adopter, en tenant compte de toutes les circonstances du cas et sur la base des critères énumérés par l'art. 17 de la Convention européenne d'extradition.
a) Prendre comme critère décisif les dates des demandes ne serait pas satisfaisant in casu. La première requête dont les autorités suisses ont été saisies, déposée le 14 avril 1977 par l'Italie, a été suivie quelques jours plus tard par la première demande d'extradition belge. La deuxième requête de la Belgique précède de quelques jours la deuxième demande italienne. Enfin, l'Ambassade d'Italie a requis l'extradition de Donadoni par une troisième note, du 20 juin 1977, de quinze jours antérieure à la troisième demande d'extradition belge.
b) La priorité doit être accordée à la demande d'extradition belge si l'on tient compte de la gravité relative des infractions. Celle-ci doit être déterminée au regard des peines prévues par les dispositions de droit suisse. La plus grave des infractions dont Donadoni est inculpé est l'assassinat, puni de la réclusion à vie. Selon l'art. 139 al. 2, 2e phrase, CP, le juge peut prononcer la réclusion à vie si les violences exercées ont entraîné la mort et si l'auteur avait pu le prévoir. La peine maximale prévue pour le brigandage qualifié est de 20 ans de réclusion (
art. 139 al. 2 et 35 CP
).
Donadoni a certes nié avoir participé à l'attaque à main armée commise le 1er décembre 1976 à Bruxelles. On a vu toutefois que l'on ne pouvait exclure qu'il ne soit l'un des auteurs de cette infraction. Quoi qu'il en soit, Donadoni a admis sa participation à quatre autres vols à main armée commis en Belgique. Les infractions perpétrées dans ce pays apparaissent donc comme étant plus graves que celles qui ont été commises en Italie.
A cet égard, on peut aussi tenir compte d'un élément qui, s'il n'est pas cité par l'art. 17 de la Convention, mérite néanmoins
BGE 103 Ia 624 S. 631
considération. La Division fédérale de police relève que les instructions pénales ouvertes en Belgique n'en sont qu'à leur début, alors que deux jugements exécutoires ont déjà été prononcés en Italie. Elle souligne en outre que Donadoni a exercé ses activités coupables en Belgique avec d'autres personnes. Elle considère dès lors, à juste titre, que les autorités belges seraient placées devant de grandes difficultés, si elles devaient poursuivre l'instruction des affaires pénales en l'absence de Donadoni, extradé de manière prioritaire à l'Italie. Certes, les autorités de ce dernier pays se heurteront aussi à des difficultés du même ordre, si la préférence est donnée à la demande d'extradition belge. Mais il semble bien que ces difficultés seraient moindres que celles que rencontreraient les autorités belges dans le cas inverse.
c) Au nombre des critères énumérés à l'art. 17 de la Convention européenne d'extradition figurent la nationalité de l'individu réclamé et la possibilité d'une extradition ultérieure à un autre Etat. Etant admis que le reclassement social du détenu sera mieux assuré si la détention, puis la libération de cette personne, ont lieu dans le pays dont elle est ressortissante, la préférence devrait être donnée à la demande d'extradition de cet Etat. Il faut toutefois observer que l'extradition accordée de préférence à un autre Etat peut être assortie de la condition que l'extradé, après jugement et punition, soit remis aux autorités de l'Etat dont il est ressortissant, afin d'être jugé pour les infractions commises dans ce pays. Les conditions optimales d'une réinsertion sociale seront ainsi réalisées au moment de la libération. Il convient cependant d'admettre que cette solution peut être défavorable, du point de vue du reclassement social de l'individu réclamé, dans la mesure où elle pourra rendre difficiles, sinon impossibles, durant un certain temps, les contacts que les proches du détenu voudraient avoir avec celui-ci.
Une extradition ultérieure à un autre Etat sera généralement exclue si la personne réclamée est extradée, de manière prioritaire, à l'Etat dont il a la nationalité. Suivant les circonstances du cas, c'est là un élément qui peut, à lui seul, dicter la décision.
En l'espèce, si l'extradition est accordée de préférence à la Belgique, les autorités de ce pays pourront être saisies d'une demande d'extradition de l'Italie. Cette demande sera examinée au regard des dispositions réglant les relations entre ces deux pays ou, à leur défaut, du droit d'extradition belge. Mais
BGE 103 Ia 624 S. 632
il est admissible, en vue de garantir la poursuite des infractions commises en Italie et pour lesquelles ce pays a requis l'extradition, que les autorités suisses subordonnent l'extradition accordée de préférence à la Belgique à la condition qu'après jugement et punition, Donadoni soit extradé en Italie. Le traité de 1874 ne met pas obstacle à ce qu'une telle condition soit posée, l'Etat belge n'ayant au surplus aucun droit à ce que la priorité soit donnée à sa demande. Une telle condition peut en outre être considérée comme le consentement de la Suisse à une extradition ultérieure de Donadoni à l'Italie, en raison des faits motivant les inculpations pour lesquelles la demande d'extradition italienne a été admise.
d) Donadoni s'oppose à ce que la préférence soit donnée à la demande belge, car il craint d'être jugé à nouveau en Italie pour les infractions commises et jugées en Belgique. Certes, les dispositions pénales italiennes permettraient que tel soit le cas. Mais les peines subies à l'étranger seraient alors déduites des peines prononcées après coup en Italie. Dans ces conditions, l'argument soulevé perd une grande part de sa portée.
En définitive, et au regard de l'ensemble des circonstances du cas, il convient d'accorder l'extradition de préférence à la Belgique, sous condition, après jugement et punition, de réextradition à l'Italie. | public_law | nan | fr | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
6a5152b2-729d-4180-be4b-2ab1636c0ebd | Urteilskopf
101 Ib 87
15. Auszug aus dem Urteil vom 2. Mai 1975 i.S. Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und Schweizerische Butterunion gegen Primolk AG und Eidg. Volkswirtschaftsdepartement | Regeste
Milchwirtschaft: Mitgliedschaft in der Schweizerischen Zentralstelle für Butterversorgung (Butyra), Voraussetzungen, Unterscheidung zwischen "Organisationen" und "Firmen" des Buttergrosshandels.
Art. 26 LwG
,
Art. 15 MB
, Art. 11 ff. Verordnung vom 25. Oktober 1960 über die Butyra.
1. Legitimation von Mitgliedern der Butyra zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Verfügung über die Einstufung eines neuen Unternehmens des Buttergrosshandels (Erw. 2a).
2. Ist ein von Detaillisten gebildetes Unternehmen des Buttergrosshandels als "Organisation" oder als "Firma" einzustufen? Auslegung der Art. 12 und 13 Butyra-Verordnung (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 88
BGE 101 Ib 87 S. 88
Die Butyra, Schweizerische Zentralstelle für Butterversorgung ist eine Genossenschaft des öffentlichen Rechts im Sinne des
Art. 829 OR
. Nach
Art. 15 MB
ist ausschliesslich ihr - unter Vorbehalt der Bestimmungen über den kleinen Grenzverkehr - die Einfuhr von Butter gestattet. Eine Verordnung des Bundesrates vom 25. Oktober 1960 (SR 916.357.1, im folgenden: V) und die Statuten der Butyra regeln im einzelnen deren Organisation und Tätigkeit.
Mitglieder der Butyra können "Organisationen" und "Firmen" sein, "zu deren dauerndem Geschäftszweck der Buttergrosshandel gehört" (
Art. 15 Abs. 2 MB
, Art. 1 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 1 V). Unter Buttergrosshandel ist die Vermittlung von Butter an Abnehmer zu verstehen, welche nicht die letzten Verbraucher (Konsumenten, Gewerbe, Industrie) sind (Art. 11 Abs. 1 V). Die Genossenschafter haben Anspruch darauf, von der Butyra mit Butter zu Grossistenpreisen beliefert zu werden, und Butter produzierende Genossenschafter (Butterzentralen) sind verpflichtet, andere Genossenschafter zu denselben Bedingungen zu beliefern (Art. 3, 21 und 22 V).
Als "Organisationen des Buttergrosshandels" gelten nach Art. 12 Abs. 1 V "der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten sowie Zusammenschlüsse von Grossisten (Art. 13) oder von andern Wiederverkäufern in privatrechtlichen Körperschaften, welche Buttergrosshandel betreiben". Sie müssen in Perioden von zwei Jahren durchschnittlich pro Jahr mindestens einen im Sinne des Art. 14 V anrechenbaren Umsatz von 400'000 kg Butter erreichen (Art. 12 Abs. 2 V).
Als "Firmen des Buttergrosshandels" (Grossisten) gelten nach Art. 13 Abs. 1 V "Einzelfirmen und Personengesellschaften sowie privatrechtliche Körperschaften, die nicht Organisationen des Buttergrosshandels sind". Sie müssen mindestens die Hälfte ihres Butterumsatzes an Wiederverkäufer liefern und in Perioden von zwei Jahren durchschnittlich pro Jahr mindestens einen im Sinne des Art. 14 V anrechenbaren Umsatz von 120'000 kg Butter erreichen (Art. 13 Abs. 2 V).
Ein Genossenschafter der Butyra verliert die Mitgliedschaft, sobald festgestellt ist, dass er den erforderlichen anrechenbaren Mindestumsatz nicht oder nicht mehr erreicht (Art. 18 Abs. 1 V).
Die Primolk AG, Luzern, wurde am 24. Juli 1972 gegründet. Gründer und Aktionäre sind fünf im Butterdetailhandel
BGE 101 Ib 87 S. 89
tätige Firmen. Die neue Unternehmung stellte das Gesuch, als "Firma" in die Butyra aufgenommen zu werden. Der Vorstand der Butyra nahm die Gesuchstellerin als "Organisation" mit Wirkung ab 1. November 1972 auf. Die Gesuchstellerin erhob Beschwerde beim Eidg. Volkswirtschaftsdepartement (EVD). Dieses entschied wie folgt:
"1. Die Beschwerde wird abgewiesen und festgestellt, dass ab
1. November 1972 die Primolk AG nur als Organisation in die Butyra
aufgenommen werden konnte.
2. Aufgrund veränderter Verhältnisse wird die Butyra angewiesen,
der Primolk AG ab 1. November 1973 die Mitgliedschaft als Firma
zuzuerkennen."
In der Begründung wird ausgeführt, anfänglich habe die Rekurrentin nur die fünf Aktionäre beliefert; nun treibe sie aber auch mit andern, von ihr unabhängigen Unternehmen Buttergrosshandel.
Der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und die Schweizerische Butterunion, eine Organisation von Buttergrossisten, führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das Dispositiv 2 des Entscheids des EVD sei aufzuheben, und das Gesuch der Primolk AG, als "Firma" in die Butyra aufgenommen zu werden, sei abzuweisen. Es wird geltend gemacht, die Beschwerdegegnerin sei nach wie vor eine "Organisation" des Buttergrosshandels.
Das Bundesgericht Weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Hinsichtlich der Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist hier
Art. 103 lit. a OG
massgebend; die lit. b und c ebenda fallen ausser Betracht.
Art. 103 lit. a OG
verlangt, dass der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung hat. Dieses Interesse kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein; es braucht nicht durch das anwendbare materielle Recht geschützt zu sein. Erforderlich ist aber ein besonderes Interesse, das nur Einzelnen oder jedenfalls nur einem beschränkten Personenkreis eigen ist, und zwar ein unmittelbares Interesse, d.h. eine Beziehung des Beschwerdeführers zum Gegenstand des Streites, die so nahe ist, dass sie vom
BGE 101 Ib 87 S. 90
Richter berücksichtigt zu werden verdient (
BGE 99 Ib 105
ff., 206, 213;
100 Ib 336
ff.).
a) ... Hier geht es um die Anwendung der Bestimmungen der V über die zwei Arten von Genossenschaftern der Butyra. Diese Bestimmungen sind wirtschaftspolitischer und nicht polizeilicher Natur. Aus Gründen, auf die in Erw. 3 hiernach zurückzukommen ist, soll den Unternehmen, die durch den Zusammenschluss von Butterdetailgeschäften entstanden sind, der Eintritt in den Buttergrosshandel erschwert werden; damit wird bezweckt, die bisherige Struktur dieses Wirtschaftszweiges zugunsten der bereits in der Butyra zusammengeschlossenen Handelsunternehmen nach Möglichkeit zu erhalten. Die der Butyra angehörenden Beschwerdeführer bzw. ihre eigenen Mitglieder sind als potentielle Konkurrenten eines Unternehmens, das Buttergrosshandel treiben will, zweifellos daran interessiert, dass dieses Unternehmen nur Mitglied der Butyra werden und bleiben kann, wenn die bundesrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Dieses Interesse ist im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
schutzwürdig, da die massgebenden Vorschriften der V, ähnlich wie eine Kontingentsordnung (
BGE 100 Ib 423
f.), für alle Konkurrenten eine besondere Beziehungsnähe schaffen. Die beiden Beschwerdeführer haben somit ein genügendes Interesse an einem Entscheid des Gerichts darüber, ob die Beschwerdegegnerin in der Butyra auch dann verbleiben kann, wenn sie in einer zweijährigen Periode durchschnittlich pro Jahr nur einen anrechenbaren Umsatz von 120'000 kg und nicht von 400'000 kg Butter erreicht. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten ...
3.
a) Die Primolk AG ist eine privatrechtliche Körperschaft, die durch den Zusammenschluss von "anderen Wiederverkäufern" im Sinne von Art. 12 Abs. 1 V geschaffen wurde, um Buttergrosshandel zu treiben. Unter "andern Wiederverkäufern" sind Detaillisten zu verstehen, im Gegensatz zu den in Art. 12 Abs. 1 V unmittelbar vor ihnen erwähnten Grossisten, die auch Wiederverkäufer sind. Detaillisten wie Grossisten sind Abnehmer von Butter, die nicht die letzten Verbraucher (Konsumenten, Gewerbe, Industrie) darstellen (Art. 11 Abs. 1 V).
Solche Zusammenschlüsse von Detaillisten sind nach dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 V als "Organisationen" des Buttergrosshandels zu betrachten. Sie müssten folglich nach
BGE 101 Ib 87 S. 91
Art. 12 Abs. 2 V einen anrechenbaren Umsatz von 400'000 kg Butter erreichen, um dauernd Mitglieder der Butyra bleiben zu können.
Bilden irgendwelche Bürger, die nicht Detaillisten sind, eine privatrechtliche Körperschaft zum Zwecke des Buttergrosshandels, so qualifiziert sich ihr Unternehmen nach Art. 13 Abs. 1 V als "Firma" des Buttergrosshandels. Solche "Firmen" des Buttergrosshandels müssen nach Art. 13 Abs. 2 V einen anrechenbaren Umsatz von 120'000 kg Butter erreichen, um in der Butyra bleiben zu können. Schliessen sich aber mehrere Detaillisten zu einem neuen Grosshandelsunternehmen in der Form einer privatrechtlichen Körperschaft zusammen, so können sie sich auf Art. 13 V nach dessen Text nicht berufen, weil ihr Unternehmen die in Art. 12 Abs. 1 V genannten Merkmale aufweist, also eine "Organisation" des Buttergrosshandels ist.
Diese Sonderbehandlung der Unternehmen, die durch den Zusammenschluss von Butterdetaillisten gegründet werden, ist offensichtlich eine vom Bundesrat gewollte Regelung zum Schutze der bei der Butyra bestehenden Handelsstruktur. Die Butterdetailgeschäfte sind besonders daran interessiert, zu Grosshandelspreisen Butter beziehen zu können. Es war vorauszusehen, dass namentlich von Detaillisten gegründete neue Unternehmen des Buttergrosshandels um die Aufnahme in die Butyra nachsuchen würden. Das Erfordernis des hohen anrechenbaren Umsatzes von 400'000 kg Butter und die weitere Vorschrift, dass die Verkäufe an "verbundene Wiederverkäufer" nur zur Hälfte angerechnet werden (Art. 14 Abs. 1 lit. b V), erschienen als geeignet, den Anschluss solcher Unternehmen an die Butyra zu erschweren. Gegenüber neuen Unternehmen, die nicht von Butterdetaillisten gegründet wurden, hielt der Bundesrat eine derartige Erschwerung nicht für zulässig oder nicht für angezeigt. Sie müssen demnach nur den erwähnten anrechenbaren Umsatz von 120'000 kg Butter erreichen.
EVD und Beschwerdeführer gehen zu Recht davon aus, dass die Beschwerdegegnerin auch nach der Änderung ihrer Statuten noch immer auf einem Zusammenschluss von Detaillisten beruht und insofern der Begriffsumschreibung von Art. 12 Abs. 1 V entspricht. Den Beschwerdeführern ist auch zuzugeben, dass Art. 12 Abs. 1 V nicht darauf abstellt, an wen
BGE 101 Ib 87 S. 92
die dort als "Organisationen" aufgeführten Unternehmen des Buttergrosshandels liefern. Soll die bestehende Marktstruktur nach Möglichkeit geschützt und der Eintritt neuer durch Zusammenschluss von Detaillisten gegründeter Unternehmen erschwert werden, so ist es durchaus sinnvoll, Art. 12 Abs. 1 V auch dann anzuwenden, wenn die neue Unternehmung neben den sie tragenden Detailfirmen noch weitere Detaillisten beliefert. Ja es liegt nahe, dass unter einer Mehrzahl von Detaillisten, die an einer solchen neuen Gründung interessiert sind, sich nur ein Teil direkt an der Gründung beteiligt und dass die andern sich als "nicht verbundene Wiederverkäufer" beliefern lassen, damit die Käufe dieser weiteren Firmen, die mit den Gründern sympathisieren, voll und nicht nur zur Hälfte angerechnet werden. Wären also für die Beurteilung der Streitigkeit ausschliesslich der Wortlaut und der sprachlich nächstliegende Sinn der Art. 12 und 13 V massgebend, so müsste die Beschwerde gutgeheissen werden.
b) Verordnungsvorschriften sind jedoch im Lichte der übergeordneten Bestimmungen auszulegen. Die Anwendung der Butyra-Verordnung muss deshalb in allen Teilen dem Landwirtschaftsgesetz und dem Milchbeschluss entsprechen.
Erschwerungen des Eintritts in den Buttergrosshandel sind daher nur so weit zulässig, als sie "zur Sicherung einer geordneten Versorgung des Landes mit Milchprodukten", hier mit Butter, im Sinne von
Art. 26 Abs. 1 LwG
notwendig sind. Zweck des LwG ist der Schutz der Landwirtschaft. Zu deren Schutz darf nötigenfalls von der Handels- und Gewerbefreiheit abgewichen werden. Zugunsten von Wirtschaftszweigen, die infolge der Ausgestaltung der Schutzmassnahmen für die Landwirtschaft in ihrer Existenz gefährdet sein könnten, kann der Bundesgesetzgeber zwar auch Einschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit anordnen (
Art. 31bis Abs. 3 lit. a BV
); ein dahingehender Wille muss aber aus dem Gesetz klar hervorgehen. Eine derartige Schutzvorschrift für die Struktur des Buttergrosshandels kann nun aber dem LwG nicht entnommen werden. Dagegen ist zu beachten, dass der Milchbeschluss (Art. 15 Abs. 2) für diesen Wirtschaftszweig eine öffentlich-rechtliche Zwangsgenossenschaft vorgesehen hat. Die Möglichkeiten, die Mitgliedschaft in der Butyra zu erwerben und zu behalten, müssen also den Grundgedanken des Genossenschaftsrechtes entsprechen. Grundprinzipien des
BGE 101 Ib 87 S. 93
Genossenschaftsrechtes sind die gemeinsame Selbsthilfe (
Art. 828 OR
), die nicht geschlossene Mitgliederzahl (
Art. 828,
Art. 839 Abs. 2 OR
) und die Rechtsgleichheit der Genossenschafter, soweit sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt (
Art. 854 OR
). Sie müssen grundsätzlich auch für eine öffentlich-rechtliche Genossenschaft gelten, unbeschadet der Vorschrift von
Art. 17 Abs. 3 MB
, dass das OR nur so weit zur Anwendung kommt, als dieser Beschluss, die Verordnung und die Statuten nichts Gegenteiliges bestimmen. Es darf also insbesondere für niemanden, auch nicht für Unternehmen, die durch Zusammenschluss von Butterdetaillisten entstanden sind, der Eintritt übermässig erschwert werden (
Art. 839 Abs. 2 OR
). Das EVD war deshalb berechtigt und verpflichtet, zu prüfen, ob die in der Butyra-Verordnung nach ihrem Wortlaut vorgesehene starke Erschwerung der Mitgliedschaft für Zusammenschlüsse von Detaillisten "zur Sicherung einer geordneten Versorgung des Landes" mit Butter geboten ist. Das EVD darf und soll die vom Bundesrat angeordneten Schutzmassnahmen gegebenenfalls lockern, soweit die Lockerung die geordnete Versorgung des Landes mit Butter nicht gefährdet.
Die "geordnete Versorgung des Landes" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der sowohl dem Bundesrat als auch dem mit der Rechtsanwendung beauftragten Departement einen weiten Beurteilungsspielraum belässt. Das Departement hat dabei die Auswirkungen von Veränderungen der Marktstruktur sowohl auf die Handelsmargen - allfällige Verteuerung der Butter und dadurch bewirkte Erschwerung des Absatzes - als auch auf die zur gemeinsamen Selbsthilfe verpflichteten Branchenangehörigen zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall geht das EVD stillschweigend davon aus, dass die Zulassung von Unternehmen, die zwar durch Zusammenschluss von Detaillisten entstanden sind, aber zu einem erheblichen Teil auch andere, nicht verbundene Detaillisten beliefern, keine Störung der geordneten Versorgung des Landes mit Butter verursacht. Die Beschwerdeführer bringen nichts vor, was darauf schliessen liesse, dass eine solche Liberalisierung, die das EVD für angezeigt erachtet, zu einer im öffentlichen Interesse zu vermeidenden Störung der Versorgungslage führen würde. Der blosse Umstand, dass einzelne Buttergrosshändler mit einem Rückgang ihres Umsatzes rechnen müssen, wenn neue Unternehmen
BGE 101 Ib 87 S. 94
in der Art der Beschwerdegegnerin in die Butyra aufgenommen werden müssen, kann nicht als eine Störung der Versorgungslage betrachtet werden, und anderweitige störende Auswirkungen der Aufnahme der Beschwerdegegnerin und weiterer rechtsgleich zu behandelnder Anwärter haben die Beschwerdeführer nicht geltend gemacht.
Das EVD hat deshalb kein Bundesrecht verletzt, wenn es abweichend vom Wortlaut der Art. 12 und 13 V, aber in Übereinstimmung mit
Art. 26 LwG
und
Art. 15 MB
angenommen hat, der Beschwerdegegnerin müsse ab 1. November 1973 die Mitgliedschaft in der Butyra weiterhin zuerkannt werden, auch wenn das Unternehmen nur einen anrechenbaren Umsatz von 120'000 kg Butter - das für die "Firmen" des Buttergrosshandels geforderte Minimum - erreiche. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
6a536c9b-4769-4ccb-a3eb-81b009846018 | Urteilskopf
108 III 13
6. Arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 23 juin 1982 dans la cause X. c. Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et faillite du canton de Genève (recours LP) | Regeste
Lohnpfändung gegenüber dem Ehemann; Beiträge der Ehefrau.
Im Falle einer Pfändung gegen den Ehemann hat das Betreibungsamt unter Berücksichtigung der konkreten Umstände die Beiträge der Ehefrau an die ehelichen Lasten festzusetzen, wobei ihm ein weites Ermessen zusteht. | Erwägungen
ab Seite 13
BGE 108 III 13 S. 13
Considérant en droit:
1.
L'autorité de surveillance des offices de poursuite pour
BGE 108 III 13 S. 14
dettes et faillite du canton de Genève a confirmé, en date du 7 juin 1982, la décision de l'Office des poursuites fixant à 1'300 francs la retenue à effectuer sur le salaire du débiteur.
Le recourant reproche à ces autorités de n'avoir ajouté au salaire du débiteur que le tiers de celui de l'épouse pour déterminer la part saisissable du salaire; il fait valoir que, conformément à la jurisprudence du Tribunal fédéral, c'est au moins la moitié du produit de l'activité lucrative de l'épouse qui aurait dû être prise en considération pour déterminer la somme à retenir sur le salaire du débiteur.
2.
En cas de saisie contre le mari, il faut tenir compte du montant des contributions de la femme aux charges de la communauté conjugale (
art. 192 al. 2 et 246 CC
) pour estimer quelle est la part de son salaire qui peut être saisie. En l'espèce, seule la question du montant saisissable est litigieuse.
a) Le Tribunal fédéral a estimé que, pour fixer le montant de la contribution de l'épouse, il convient de tenir compte des besoins actuels de la famille, des ressources et des charges du mari comme de la femme, ainsi que des autres prestations fournies par cette dernière en faveur de la communauté conjugale et, notamment, pour la tenue du ménage (
ATF 94 III 8
et les arrêts cités; LEMP, No 15 ad art. 192, 21 ad art. 246). Le Tribunal fédéral a encore précisé que la contribution de la femme peut être fixée, suivant les circonstances, à la moitié et même aux deux tiers de son gain, lors même qu'il ne s'agirait pas d'une poursuite en paiement d'une créance d'aliments pour laquelle la jurisprudence admet en général une contribution plus élevée de l'épouse.
b) Toutefois, et contrairement à ce que prétend le recourant, on ne saurait tirer de la jurisprudence susmentionnée le principe selon lequel l'Office des poursuites devrait prendre systématiquement en considération la moitié au moins du salaire de l'épouse. Au contraire, c'est en se fondant sur les circonstances de l'espèce que l'Office doit prendre sa décision, dès lors qu'il jouit d'un pouvoir d'appréciation étendu. Néanmoins, il devra tenir compte en particulier des prestations supplémentaires que l'épouse fournit pour le ménage et la famille. En effet, dans la mesure où la femme exerce une activité lucrative hors de son foyer et a recours à des tiers qui effectuent des travaux domestiques à sa place, son salaire se trouve réduit d'un montant équivalent à la somme qu'elle doit verser à ces tiers; le cas échéant, il conviendra d'ajouter cette somme dans le calcul du minimum vital de la famille. Si, en revanche, tout en exerçant son activité,
BGE 108 III 13 S. 15
l'épouse continue à s'occuper des travaux du ménage, l'économie due à cette double charge doit profiter à la famille et non au créancier du mari (
ATF 65 III 28
, 73 II 101; LEMP, No 15 ad art. 192).
3.
En l'espèce, les salaires des époux s'élèvent respectivement à 3'000 francs pour le mari et à 1'700 francs pour la femme; le minimum vital a été fixé à 2'370 francs. Ces chiffres ne sont pas contestés. L'épouse entretient elle-même le ménage et ne confie à des tiers la garde de son enfant de deux ans qu'à raison de 6 heures par semaine. Dans des circonstances semblables, l'Office ne prend, en général, en considération que le tiers du salaire de la femme à titre de contribution aux charges du mariage. Cette pratique correspond aux normes d'insaisissabilité en vigueur dans le canton de Genève.
En réalité si, comme l'a fait l'Office, l'on fixe le salaire déterminant pour le calcul de la retenue à 3'567 francs (salaire du mari 3'000 francs; 1/3 du salaire de l'épouse soit 1/3 de 1'700 francs: 567 francs), duquel il sied de déduire le minimum vital de 2'370 francs, on constate que le montant saisissable ne devrait pas dépasser la somme de 1'197 francs. Or, l'Office a fixé ce montant à 1'300 francs. De surcroît, si l'on devait prendre en considération non pas le tiers mais la moitié du salaire de l'épouse, comme le recourant le demande (d'où il convient de déduire les frais occasionnés par une aide extérieure, une femme de ménage, par exemple), la différence entre le montant ainsi obtenu et celui accordé effectivement au créancier serait minime.
Ainsi en fixant à 1'300 francs la retenue à effectuer sur le salaire du débiteur, compte tenu du tiers du revenu de l'activité lucrative de l'épouse, l'Office des poursuites n'a nullement enfreint une règle de droit fédéral ni outrepassé ou abusé de son pouvoir d'appréciation. Il convient donc de rejeter le recours. | null | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6a598839-c606-4a62-b85c-167391ab22ac | Urteilskopf
94 I 446
61. Extrait de l'arrêt du 18 juin 1968 dans la cause Impérial Watch SA contre Conseil d'Etat du canton du Valais. | Regeste
Steuerbefreiung. Wohlerworbene Rechte.
Eine dem Gesetz gemäss gewährte Steuerbefreiung begründet ein wohlerworbenes Recht. Sie kann nur aufgehoben werden, wenn sie durch ein arglistiges Verhalten des Steuerpflichtigen erwirkt worden ist oder dieser den übernommenen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Begriff der "neuen Industrie dauernden Charakters". | Sachverhalt
ab Seite 446
BGE 94 I 446 S. 446
A.-
"Impérial Watch SA" est une entreprise de l'industrie horlogère dont le siège était à La Chaux-de-Fonds, et qui commerçait essentiellement avec l'étranger, en faisant préparer des montres par des termineurs travaillant dans leurs propres locaux à La Chaux-de-Fonds, le vallon de St-Imier et même Delémont.
En 1960, elle envisagea d'ouvrir à Saxon son propre atelier de terminage sous la direction de Fernand Rohner, qui travaillait alors comme termineur à La Chaux-de-Fonds. Elle entra en pourparlers avec la "Société valaisanne de recherches économiques et sociales" et la commune de Saxon. Par lettre du 10 novembre 1960, le Conseil communal de Saxon lui confirma qu'à la suite de l'entrevue du 8 novembre, il avait pris acte:
BGE 94 I 446 S. 447
"- que votre société a abandonné l'idée de construire un atelier du moins dans l'immédiat;
- que vous désirez faire une expérience pour vous assurer de la rentabilité de l'entreprise et qu'en conséquence vous choisissez de louer un local adéquat ou à défaut 2 locaux séparés;
- que vous désireriez par la suite un appui de la Commune pour financer l'achat de machines modernes;
- que le siège social de votre société serait transféré à Saxon dès la fin de cette année",
et qu'il avait alors décidé:
"1) une exonération fiscale en faveur de l'Impérial Watch Co sous réserve de l'approbation des autorités cantonales,
2) une participation de la Commune pour le loyer des locaux servant d'atelier à concurrence de 50% du montant."
Par décision du 29 décembre 1960, l'assemblée générale de la société a transféré son siège à Saxon et modifié les statuts en conséquence.
Le 28 février 1961, le Conseil d'Etat du canton du Valais, donnant suite à une requête de la société du 29 décembre 1960 et sur préavis de la commune de Saxon, décida d'exonérer Impérial Watch de l'impôt cantonal et communal pour les années 1961 à 1965, en se fondant sur l'art. 19 de la loi des finances, qui dispose:
"Le Conseil d'Etat peut exonérer en totalité ou en partie des impôts cantonaux et, les communes entendues, des impôts communaux, les industries nouvelles de caractère permanent, si des intérêts importants de l'économie du canton ou d'une région (une ou plusieurs communes) le justifient; cette exonération peut également être accordée à des entreprises hydro-électriques durant la période de construction.
L'exonération ne peut être accordée pour une durée supérieure à 10 ans."
B.-
Dans le courant de l'année 1962, la société rencontra des difficultés avec son chef d'atelier Rohner, qui avait égale ment monté un atelier de terminage pour son compte, dans le même immeuble. Le 25 octobre 1962, Rohner donna son congé pour le 30 novembre 1962 à la société. Celle-ci, pouvant difficilement faire venir d'ailleurs un chef d'atelier pour remplacer Rohner, décida de mettre fin à son activité à Saxon, d'autant plus que le personnel voulait suivre Rohner. Les salaires et la location furent payés jusqu'à la fin de l'année 1962.
BGE 94 I 446 S. 448
Ayant toujours son siège social à Saxon, la société continua de déposer régulièrement ses comptes annuels et son bilan auprès des autorités fiscales valaisannes.
C.-
Le 19 janvier 1966, la société décida de retransférer son siège à La Chaux-de-Fonds. Cette décision fut publiée dans la FOSC du 25 février 1966.
Le 26 avril 1967, le Service cantonal des contributions écrivit à la société notamment ceci: "... Votre activité en Valais ne présentait donc pas la durée permanente qui est une des conditions d'exonération prévues à l'art. 19 de la loi des finances, de sorte que nous nous voyons obligés de vous notifier les taxations pour les années écoulées". Etaient annexés à cette lettre les bordereaux d 'impôt cantonal pour les années 1961, 1962, 1963, 1964, 1965 et pour 19 jours de l'année 1966. Quant aux borderaux d'impôt communal, ils furent notifiés le 2 mai 1967 pour les mêmes périodes.
La société adressa le 23 mai 1967 une réclamation contre ces taxations au Service cantonal des contributions, contestant le principe de l'imposition, et non pas les montants des bordereaux.
Le 10 octobre 1967, le Conseil d'Etat du canton du Valais, après avoir constaté que par son départ au terme de la période d'exonération, Impérial Watch SA ne remplissait plus la condition d'une "industrie nouvelle à caractère permanent", annula l'exonération fiscale avec effet rétroactif.
D.-
Agissant par la voie du recours de droit public, Impérial Watch SA requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision du Conseil d'Etat du 10 octobre 1967. Elle se plaint de violation de la garantie de la propriété et d'arbitraire. Le service cantonal des contributions conclut au rejet du recours.
Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
...
2.
Une exonération fiscale accordée conformément à une disposition légale crée un droit acquis, qui bénéficie de la garantie de la propriété (RO 65 I 302/3
;
70 I 134
). Elle ne peut dès lors être annulée que si l'autorité a été amenée à l'accorder par un comportement astucieux du bénéficiaire ou si celui-ci n'accomplit pas les conditions qu'il avait acceptées (BLUMENSTEIN, System, p. 225). Cette opinion est partagée par les autorités valaisannes, qui considèrent que la recourante s'était
BGE 94 I 446 S. 449
engagée à s'établir de façon durable en Valais, mais qu'elle a violé cet engagement en transférant à nouveau son siège et son activité à La Chaux-de-Fonds, ce qui justifierait le retrait de l'exonération.
Or il résulte des lettres de la commune (du 10 novembre 1960) et du Conseil d'Etat (du 28 février 1961) que le seul engagement pris par la recourante à l'époque consistait à transférer son siège à Saxon à fin 1960. On ne lui a nullement imposé d'exploiter son atelier de Saxon pendant un nombre minimum d'années; les autorités fiscales valaisannes savaient au contraire que l'exploitation envisagée à Saxon devait constituer une expérience, que la recourante souhaitait concluante; elles devaient aussi compter, en cas d'insuccès, avec l'arrêt de l'exploitation. Ayant accordé l'exonération en connaissant cette éventualité, elles ne peuvent la révoquer au moment où cette éventualité se réalise par la suite.
Il ressort des explications données par la recourante, et non contestées par le canton du Valais, que ce sont des motifs tout à fait valables qui ont déterminé la société à abandonner son activité à Saxon à fin 1962: en raison du congé donné par Rohner et de l'intention du personnel de suivre son chef d'atelier, on ne pouvait pas raisonnablement attendre de la recourante qu'elle reprenne son expérience ailleurs avec un autre chef d'atelier.
Ainsi l'exonération fiscale - du moins en ce qui concerne l'atelier de Saxon - était conforme à la loi si, au moment où elle a été accordée, la société avait, en toute bonne foi, l'intention d'implanter en Valais une nouvelle industrie à caractère permanent. Or l'ensemble des circonstances permet de conclure que cette condition était réalisée. L'opinion du Conseil d'Etat, selon laquelle l'exonération doit être révoquée dans sa totalité et avec effet rétroactif si la nouvelle industrie ne peut pas se maintenir, n'est pas compatible avec la loi. Le caractère permanent d'une industrie existe indépendamment du fait que telle entreprise particulière de la branche peut ou non subsister du point de vue économique. Aux industries de caractère permanent s'opposent les industries qui, en raison de leur nature même, ne peuvent avoir qu'une activité limitée dans le temps, comme par exemple l'exploitation d'une gravière ou d'un chantier pour la construction d'un barrage hydroélectrique. Ainsi dans la mesure où le Conseil d'Etat prétend imposer
BGE 94 I 446 S. 450
après coup la société sur le bénéfice réalisé en Valais en 1961 et 1962, sa décision est incompatible avec la loi et la constitution: elle viole un droit acquis de la recourante et, partant, la garantie constitutionnelle de la propriété. Elle doit donc, dans cette mesure, être annulée.
Il en irait autrement si l'atelier fondé en Valais avait, à la fin de la période d'exonération et sans motifs impérieux, été transféré avec machines et personnel dirigeant dans une autre localité en dehors du canton. Une telle manière d'agir eût été contraire au principe de la bonne foi. En ce sens, on peut admettre l'opinion du Service cantonal des contributions, selon lequel il ne s'agit pas uniquement de savoir si, au moment de l'octroi de l'exonération, la nouvelle industrie présentait bien le caractère permanent prévu par la loi; le bénéficiaire d'une exonération ne doit pas, sans motifs impérieux, éluder les espérances du canton et de la commune, qui comptaient, en accordant cette exonération, sur le caractère durable de l'entreprise. Mais on ne peut reprocher une telle attitude à la recourante; au contraire, c'est à fin 1962 déjà que, pour des motifs tout à fait sérieux, elle a dû mettre un terme à son exploitation de Saxon, se contentant de poursuivre un genre d'activité qu'elle avait déjà exercé auparavant en dehors du Valais.
3.
A la suite de l'insuccès de son expérience, la recourante, qui n'avait plus d'activité en Valais, ne pouvait plus bénéficier désormais d'une exonération fiscale fondée sur l'art. 19 LF. Elle devait en être consciente et aurait dû, en vertu du principe de la bonne foi, aviser les autorités fiscales valaisannes de la cessation de son activité à Saxon, à fin 1962. L'exonération fiscale, qui était désormais contraire à la loi, aurait été révoquée à partir de ce moment-là. L'exigence de l'application correcte du droit objectif devait dans un tel cas l'emporter sur celle de la sécurité du droit ou sur l'intérêt au maintien d'une décision antérieure (RO 88 I 227).
Mais le canton n'a eu connaissance de la cessation de l'activité de la recourante à Saxon que par la publication, en 1966, du transfert du siège social de Saxon à La Chaux-de-Fonds. Aussi était-il légitimé à informer la recourante, le 26 avril 1967, que l'exonération fiscale ne pouvait plus avoir d'effet à partir du moment où l'activité industrielle avait été arrêtée; il avait même l'obligation de le faire. Ainsi, dans la mesure où le canton et la commune veulent imposer la société pour les années postérieures
BGE 94 I 446 S. 451
à la cessation de son activité à Saxon, soit pour 1963, 1964 et 1965, la recourante ne peut pas s'y opposer en faisant valoir l'exonération fiscale accordée en 1961.
4./5. - ... | public_law | nan | fr | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6a5ba4e3-5d9d-40df-9881-522e47e65a28 | Urteilskopf
112 Ia 93
17. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 2 mai 1986 dans la cause G. contre Chef du Département des finances du canton de Neuchâtel (recours de droit public) | Regeste
Art. 88 OG
: Beschwerdelegitimation.
Werden die Voraussetzungen der Gewährung eines Steuererlasses durch das kantonale Gesetz nicht genau umschrieben, so besitzt der Steuerpflichtige keinen Anspruch auf einen solchen Erlass und damit auch kein rechtlich geschütztes Interesse, das ihn nach
Art. 88 OG
zur Beschwerde legitimieren würde. | Sachverhalt
ab Seite 93
BGE 112 Ia 93 S. 93
En 1984, G. a obtenu du Chef du Département des finances du canton de Neuchâtel une remise d'impôt de 66,2%. Pour l'année fiscale 1985, G. a présenté une nouvelle demande de remise d'impôt totale au sens de l'art. 124 de la loi neuchâteloise sur les contributions directes.
Après avoir pris des renseignements auprès des services intéressés, le Chef du Département des finances a, par décision sommairement motivée du 13 décembre 1985, rejeté la demande.
BGE 112 Ia 93 S. 94
G. a formé un recours de droit public contre cette décision et a conclu à son annulation.
Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
La qualité pour recourir appartient aux particuliers et aux collectivités lésés par des arrêtés ou par des décisions qui les concernent personnellement ou qui sont d'une portée générale (
art. 88 OJ
). Ainsi, le recours de droit public n'est ouvert à un particulier que si l'inconstitutionnalité dont il se prévaut l'atteint dans ses intérêts personnels et juridiquement protégés. Le Tribunal fédéral examine librement si ces conditions sont remplies (
ATF 109 Ia 93
,
ATF 108 Ia 25
).
a) L'art. 124 de la loi neuchâteloise sur les contributions directes (LCD) dispose que:
"L'impôt, la surtaxe, l'intérêt moratoire et les frais de poursuite
peuvent être remis totalement ou partiellement au contribuable qui, par
suite de circonstances indépendantes de sa volonté, se trouve dans une
situation telle que leur paiement aurait pour lui des
conséquences très dures (al. 1).
Le Chef du Département des finances statue après avoir consulté
l'office de perception et, le cas échéant, l'autorité de taxation et le
Conseil communal ou son délégué (al. 3).
Le Chef du Département des finances peut, avec l'accord du Conseil
communal, accorder une remise valable à la fois pour l'impôt direct
cantonal et pour l'impôt direct communal (al. 4)."
b) Dans un arrêt du 22 octobre 1982 (publié in Archives 53, p. 216 consid. 1b), le Tribunal fédéral avait laissé ouverte la question de savoir si cette disposition donnait au contribuable neuchâtelois un droit juridiquement protégé à obtenir une remise partielle ou totale de ses impôts. Il s'agissait alors d'un cas où le Chef du Département avait accordé la remise pour l'impôt cantonal, mais où la commune de Neuchâtel avait refusé de rendre une décision dans le même sens pour l'impôt communal. La question de la qualité pour agir ne peut cependant demeurer indécise plus longtemps surtout lorsque, comme en l'espèce, la décision du Chef du Département des finances conduit au rejet de toute remise d'impôt.
c) L'
art. 124 al. 1 LCD
ne fait que prévoir la possibilité, pour le contribuable, d'obtenir une remise totale ou partielle de ses impôts, lorsque leur paiement entraînerait pour lui des conséquences très dures.
BGE 112 Ia 93 S. 95
Contrairement à d'autres lois cantonales (voir par ex. l'art. 160 al. 1 de la loi bernoise sur les impôts de l'Etat et des communes, in Archives 52, p. 518), les conditions auxquelles une remise d'impôt est accordée ne sont pas définies de manière précise. Le Chef du Département des finances dispose donc d'un très large pouvoir d'appréciation pour juger si la situation du contribuable nécessite ou non une remise d'impôt. Il statue en instance unique pour l'impôt cantonal et sa décision peut s'étendre à l'impôt communal si le Conseil de la commune concernée donne son accord (
art. 124 al. 4 LCD
). Il en résulte que le droit neuchâtelois n'attribue pas un caractère contraignant à la remise de l'impôt; l'autorité reste ainsi libre de l'accorder ou pas, suivant la façon dont elle apprécie les ressources financières du contribuable.
Dans un tel cas, le recourant ne peut se prévaloir d'un intérêt juridiquement protégé à obtenir une remise partielle ou totale de ses impôts. Il n'a dès lors pas qualité pour agir au sens de l'
art. 88 OJ
et son recours doit être déclaré irrecevable dans la mesure où il porte sur le fond de la décision prise par le Chef du Département des finances. Il faut toutefois signaler que cette constatation implique un changement de jurisprudence par rapport à l'arrêt Koger du 19 octobre 1982 (publié in Repertorio 117/1984, p. 87). Dans cette affaire, le Tribunal fédéral était en effet entré en matière sur l'application de l'art. 224 al. 1 de la loi tessinoise (legge tributaria), alors que la teneur de cette disposition correspond pratiquement à celle de l'
art. 124 al. 1 LCD
et n'accorde donc pas non plus au contribuable un droit à une remise d'impôt.
d) La jurisprudence admet cependant une exception à l'irrecevabilité du recours de droit public lorsque le recourant se plaint d'un déni de justice formel et invoque la violation de règles de procédure qui, en droit cantonal, lui garantissent sa position de partie (
ATF 109 Ib 180
consid. 2,
ATF 107 Ia 185
consid. 3c).
En l'espèce, le recourant se borne à invoquer une violation du droit d'être entendu, plus spécialement du droit de s'expliquer devant l'autorité et d'obtenir d'elle une décision motivée. Il ne fait ainsi valoir aucune disposition de droit cantonal de procédure qui obligerait l'autorité intimée à entendre le contribuable avant de prendre une décision sur une demande de remise d'impôt ou à motiver cette décision. Or, dans la mesure où le recourant n'a pas qualité pour agir sur le fond au sens de l'
art. 88 OJ
, il ne peut pas non plus se prévaloir d'une violation du droit d'être entendu en se
BGE 112 Ia 93 S. 96
fondant sur l'
art. 4 Cst.
(
ATF 109 Ia 180
consid. 2,
ATF 107 Ia 186
consid. 3c). La possibilité d'invoquer un tel grief ne serait réalisée que s'il existait des dispositions cantonales accordant au contribuable des droits dans la procédure de remise d'impôt. Cette hypothèse n'est toutefois pas réalisée en l'espèce, étant donné que l'
art. 124 LCD
- qui supprime expressément toute voie de recours au niveau cantonal - ne donne au contribuable que le droit de formuler une requête de remise d'impôt.
Dans ces conditions, il n'y a pas lieu non plus d'entrer en matière sur le grief de violation du droit d'être entendu formulé par le recourant. | public_law | nan | fr | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
6a5dcf12-7b4a-401d-9c4a-071bed78f59c | Urteilskopf
100 V 88
22. Urteil vom 4. September 1974 i.S. Wittwer gegen Ausgleichskasse schweizerischer Elektrizitätswerke und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Art. 23 Abs. 2 AHVG
.
Unerheblich für den Anspruch der geschiedenen Frau auf Witwenrente ist, ob die Pflicht des Ehemannes zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen auf einen bestimmten Zeitpunkt (vor oder nach seinem Tode) beschränkt war. | Sachverhalt
ab Seite 88
BGE 100 V 88 S. 88
A.-
Julia Wittwer wurde mit Urteil vom 1. Juli 1964 nach mehr als zehnjähriger Ehedauer von ihrem Ehemanne geschieden. Dieser wurde verpflichtet, neben den Unterhaltsbeiträgen für die 1956 und 1959 geborenen Kinder seiner geschiedenen Ehefrau ab 30. Oktober 1964 für die Dauer von 4 Jahren monatlich Fr. 200.-- zu bezahlen. Nach seinem Tode (28. November 1965) sprach die Ausgleichskasse der Versicherten für die Zeit vom 1. Dezember 1965 bis 30. September 1968 eine (gemäss
Art. 41 AHVG
auf den Alimentenbetrag gekürzte) Witwenrente zu (Verfügung vom 17. Januar 1966). Am 23. Juni 1973 ersuchte Julia Wittwer auf Grund der 8. AHV-Revision um Ausrichtung der Witwenrente, rückwirkend auf den 1. Januar 1973. Mit Verfügung vom 26. Juni 1973 lehnte die Ausgleichskasse das Gesuch ab.
B.-
Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich wies durch Entscheid vom 16. August 1973 eine von Julia Wittwer gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde unter Hinweis auf EVGE 1950 S. 144 Erw. 2 ab.
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Julia Wittwer, die Witwenrente sei ihr ab Januar
BGE 100 V 88 S. 89
1973 wieder auszurichten. Sie macht geltend,. ihr Ehemann habe nach der Scheidung über die gerichtlich festgesetzten Beiträge hinaus freiwillige Leistungen für die Kinder erbracht, die, wenn er noch leben würde, weiter entrichtet worden wären. Sie habe daher durch seinen Tod einen Versorgerschaden erlitten.
Während die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung verzichtet, stellt das Bundesamt für Sozialversicherung den Antrag, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei gutzuheissen, der kantonale Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Verfügung über die der Versicherten ab 1. Januar 1973 zustehende Witwenrente an die Ausgleichskasse zurückzuweisen. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen zurückzukommen sein.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Anspruch der geschiedenen Frau auf eine Witwenrente ergibt sich aus
Art. 23 Abs. 2 AHVG
, der durch die 8. AHV-Revision keine Änderung erfuhr und der lautet:
"Die geschiedene Frau ist nach dem Tode ihres geschiedenen Ehemannes der Witwe gleichgestellt, sofern der Mann ihr gegenüber zu Unterhaltsbeiträgen verpflichtet war und die Ehe mindestens 10 Jahre gedauert hatte."
Nach ständiger Rechtsprechung (EVGE 1950 S. 144 Erw. 2, ZAK 1952 S. 438, nicht veröffentlichtes Urteil vom 5. Juni 1963 i.S. Textor) und Verwaltungspraxis (vgl. Wegleitung über die Renten, gültig ab 1. Januar 1971, Rz. 113 und 114) muss die Verpflichtung des geschiedenen Ehemannes zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen im Zeitpunkt seines Todes noch bestehen. Ist die bei seinem Ableben noch bestehende Verpflichtung befristet, so kann die Witwenrente der geschiedenen Frau nur bis zu dem Zeitpunkt gewährt werden, in welchem die Unterhaltspflicht des früheren Mannes aufgehört hätte, wenn er nicht vorher gestorben wäre.
Nach Auffassung des Bundesamtes für Sozialversicherung ist fraglich, ob diese Auslegung noch dem Willen des Gesetzgebers entspricht, wenn die auf den 1. Januar 1973 im Bereiche des Anspruchs geschiedener Frauen auf Witwenrente
BGE 100 V 88 S. 90
eingetretenen Änderungen berücksichtigt werden. Nachdem die Kürzung der Witwenrente der geschiedenen Frau (
Art. 41 AHVG
) weggefallen sei, dürften Höhe und Dauer der Unterhaltsbeiträge nicht mehr massgebend sein. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat daher in dem ab 1. Januar 1974 gültigen Nachtrag zur Wegleitung über die Renten die Rz. 113 wie folgt geändert (Rz. 114 wurde gestrichen):
"Unerheblich für den Rentenanspruch ist, ob der geschiedene Ehemann seine Unterhaltspflicht bei seinem Tode z.B. durch Zahlung einer Abfindungssumme ganz erfüllt hatte, oder ob die Pflicht zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen auf einen bestimmten Zeitpunkt vor oder nach dem Tode des Mannes beschränkt war."
2.
Art. 41 AHVG
(in der Fassung gemäss Bundesgesetz vom 19. Dezember 1963) lautete:
"Die gemäss Artikel 23, Absatz 2, einer geschiedenen Frau zukommende Witwenrente wird gekürzt, soweit sie den der Frau gerichtlich zugesprochen gewesenen Unterhaltsbeitrag überschreitet."
Laut dieser Bestimmung durfte höchstens der Betrag der entfallenden Unterhaltsleistungen mit der Witwenrente ersetzt werden. Und folgerichtig änderte der Anspruch auf Witwenrente in dem Zeitpunkt, in welchem die Alimentationsverpflichtung des früheren Mannes aufhören würde, falls er nicht früher verstorben wäre. Der Ausdruck "sofern" in
Art. 23 Abs. 2 AHVG
war deshalb im Sinne von "soweit" zu verstehen (EVGE 1950 S. 145). Da die Gleichstellung mit der Witwe einzig aus Rücksicht darauf erfolgte, dass die Unterhaltsleistungen des früheren Ehemannes die Scheidung überdauern und es sich in Anwendung zivilrechtlicher Grundsätze nur darum handeln konnte, die gerichtlich zugesprochenen und durch den Tod des geschiedenen Mannes ausfallenden Leistungen an den Lebensunterhalt zu ersetzen, wurde der Witwenrentenanspruch der geschiedenen Frau nur für die im Scheidungsurteil festgesetzte Dauer der Verpflichtung des Mannes anerkannt.
Anlässlich der 8. AHV-Revision vertrat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 11. Oktober 1971 die Auffassung, dass es nicht als wünschenswert erscheine, durch eine Teilrevision der AHV den Revisionsbestrebungen im Familienrecht vorzugreifen (BBl 1971 II 1089 und 1096 f.). Der Gesetzesentwurf beschränkte sich daher auf eine Korrektur, die sich im Rahmen
BGE 100 V 88 S. 91
des Versorgerprinzips hielt. Es sollte bei der Witwenrente der geschiedenen Frau der Mindestbetrag der ordentlichen Vollrente von der Kürzung ausgenommen werden. Der Entwurf sah daher in Art. 41 folgende Ergänzung vor (letzter Satz): "Die Kürzung unterbleibt, soweit der Unterhaltsbeitrag den Mindestbetrag der ordentlichen Vollrente nicht übersteigt" (BBl 1971 II 1176). Im Parlament dagegen wurde auf Antrag der Kommission des Nationalrates die Bestimmung über die Kürzung der der geschiedenen Frau zukommenden Witwenrente auf die ihr zustehenden Unterhaltsbeiträge mit Wirkung ab 1. Januar 1973 diskussionslos gestrichen (Amtl. Bull. der Bundesversammlung 1972, NR S. 397, StR S. 301).
3.
Mit der Streichung des alten
Art. 41 AHVG
fiel die Kürzung der Witwenrente auf den Betrag des gerichtlich zugesprochen gewesenen Unterhaltsbeitrages weg. Es wäre daher an sich möglich, die Rechtsprechung zu
Art. 23 Abs. 2 AHVG
aufrechtzuerhalten, welche den Anspruch der geschiedenen Frau auf die Witwenrente begrenzt auf die Dauer der Unterhaltspflicht des früheren Ehemannes. Da indessen das jener Rechtsprechung zugrunde liegende zivilrechtliche Versorgerprinzip in Bezug auf die Höhe des Unterhaltsbeitrages. im AHVG gestrichen wurde, ist es nicht mehr vertretbar, an diesem Prinzip hinsichtlich der Dauer festzuhalten, dies auf Grund einer Auslegung des
Art. 23 Abs. 2 AHVG
, welche sich nicht auf dessen Wortlaut, sondern auf den alten
Art. 41 AHVG
stützte.
Trotz unverändertem Wortlaut erhält daher
Art. 23 Abs. 2 AHVG
wegen des Wegfalls der Kürzungsbestimmung von
Art. 41 AHVG
einen andern Sinn. Die Dauer der in
Art. 23 Abs. 2 AHVG
festgelegten Verpflichtung des Ehemannes zu Unterhaltsleistungen gegenüber der geschiedenen Ehefrau ist nach einem Beschluss des Gesamtgerichts nicht mehr Voraussetzung für den Anspruch auf eine Witwenrente. Unerheblich dafür ist mit andern Worten, ob die Pflicht zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen auf einen bestimmten Zeitpunkt vor oder nach dem Tode des früheren Mannes beschränkt war. - Die daraus sich ergebende Auslegungsdifferenz zu
Art. 84 Abs. 2 KUVG
und
Art. 30 Abs. 2 MVG
(vgl. dazu EVGE 1969 S. 82 Erw. 2 a-c) ist vom Gesetzgeber offenbar gewollt.
Im übrigen ist auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichtes auf dem Gebiete des Familienrechts hinzuweisen,
BGE 100 V 88 S. 92
wonach die Dauer einer nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB
in Rentenform ausgerichteten Entschädigung nur beschränkt werden kann, wenn triftige Gründe dafür sprechen (
BGE 98 II 164
ff.).
4.
Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin, deren Ehe über 10 Jahre gedauert hatte, Anspruch auf einen - auf 4 Jahre befristeten - Unterhaltsbeitrag ihres geschiedenen Ehemannes. Bei dessen Tode wurde ihr bis zum 30. September 1968 eine auf diesen Beitrag gekürzte Witwenrente ausgerichtet. Auf Grund der neuen Rechtslage im Zusammenhang mit der 8. AHV-Revision und des in Erw. 3 Gesagten kann ihr Rentenanspruch indessen nicht mehr auf die Dauer der Unterhaltsbeiträge begrenzt werden. Es fragt sich somit, ob der am 30. September 1968 erloschene Rentenanspruch am 1. Januar 1973 wieder aufleben kann. Diese Frage ist gemäss den in
BGE 99 V 200
(im Rahmen des
Art. 23 Abs. 1 lit. c AHVG
) aufgestellten Grundsätzen zu bejahen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden die angefochtene Kassenverfügung vom 26. Juni 1973 und der Entscheid der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom 16. August 1973 aufgehoben und es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführerin mit Wirkung ab 1. Januar 1973 wieder eine Witwenrente zusteht.
Die Sache wird an die Ausgleichskasse zur Berechnung der Rente zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
6a660d6b-e8dc-4cd7-aeea-e84fa1d9ee14 | Urteilskopf
83 II 427
59. Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Oktober 1957 i.S. Leiber gegen Risch und Mitkläger. | Regeste
1. Auslegung eines Testaments.
a) Grundsätze hiefür.
b) Nachverfügung und Ersatzverfügung (Vermächtnis, Erbeinsetzung,
Art. 487, 488 ZGB
).
2. 2. Verzugszinsanspruch des Vermächtnisnehmers (bzw. seiner Erben) gegen den Testamentserben; er kann geltend gemacht werden
a) gegen den vermächtnisbeschwerten Erben, auch wenn die Erbschaft vom Willensvollstrecker verwaltet wird, sowohl mit Feststellungs- als mit Leistungsklage,
b) vom Zeitpunkt der Fälligkeit des Vermächtnisses an (
Art. 562 Abs. 2 ZGB
), jedenfalls von der Mahnung an (
Art. 102 OR
);
c) auch bloss von einem Teil der Erben des Vermächtnisnehmers.
d) Die Sperre seitens der Schweiz. Verrechnungsstelle gegenüber diesen steht der Inverzugsetzung nicht entgegen. | Sachverhalt
ab Seite 428
BGE 83 II 427 S. 428
A.-
Am 27. März 1946 starb in Schaffhausen als Junggeselle im Alter von 87 Jahren Frank Alfred Stokar von Neuforn. An gesetzlichen Erben waren nur solche des grosselterlichen Stammes auf der Mutterseite vorhanden. Über seinen ganzen Nachlass, bestehend in zwei Grundstücken in Schaffhausen mit dem Wohnhaus sowie in Wertschriftenvermögen, im Gesamtbetrage von gegen Fr. 900'000.--, hatte Stokar mit eigenhändigem Testament
BGE 83 II 427 S. 429
vom 12. September 1945, mit Abänderungen vom 15. Oktober 1945 hinsichtlich einiger kleinerer Summenvermächtnisse, verfügt und zwar in der Hauptsache zugunsten seiner beiden badischen Hausangestellten Theodora Leiber, geb. 1872, und deren um 37 Jahre jüngeren Nichte Pia Leiber, geb. 1909. Das Testament enthält in 43 Ziffern folgende Anordnungen (im Auszug):
1.- Vermächtnis an Theodora Leiber: Fr. 180'000.-- sowie die Hälfte der Liegenschaften;
2.- Vermächtnis an Pia Leiber: Fr. 180'000.-- sowie die andere Hälfte der Liegenschaften, nebst einer Reihe von Mobilien und Schmucksachen; "die übrigen, nicht genannten Mobilien, Hausgeräte und persönlichen Effekten sollen den beiden Fräulein Leiber zur beidseitigen Benutzung dienen, im Hause verbleiben und der überlebenden als Eigentum zugeteilt werden".
3.- Der gesamte Grundbesitz mit Gebäuden soll den beiden Fräulein Leiber zu Gesamteigentum zukommen, die ihn nur bei zwingender Not und mit beidseitiger Zustimmung verkaufen dürfen. "Wenn das.. eine der Fräulein stirbt, so soll der ganze Grundbesitz an die Überlebende übergehen, ohne dass die Erben der Verstorbenen. irgend einen Anspruch erheben können (
Art. 488 ZGB
). Die Überlebende hat das Recht, den Erlös eines eventuell verkauften Teilstückes von dem Nachlass der Verstorbenen zurückzuverlangen.
..".
4.- Fr. 22'000.-- an die Friedhofverwaltung für Grabunterhalt.
5.-37. - Summenlegate von Fr. 15'000.-- bis Fr. 500.-- an verschiedene Personen.
38.-42. - Vermächtnis von Familienwertsachen und Kunstgegenständen an entfernte Verwandte und das städtische Museum.
43.- "Was schliesslich an Kapital, Mobilien und Gerätschaften noch vorhanden ist, können Fräulein Theodora und Pia Leiber unter sich verteilen."
Sämtliche Vermächtnisse sollen erbsteuerfrei ausbezahlt werden. Als Willensvollstrecker wird Staatsanwalt Dr. F. Rippmann bestimmt.
Diesem am 12. September 1945 unterzeichneten Testament schliesst sich unmittelbar folgender, vom gleichen Tage datierter Nachtrag an:
"In Ergänzung meiner eigenhändigen letztwilligen Verfügung datiert vom 12. September 1945 füge ich folgende Bestimmung ninzu:
1.- Sollte eine der beiden Vermächtnisnehmer Fräulein Theodora und Pia Leiber vor mir sterben, so setze ich die Überlebende der beiden Fräulein Leiber als die alleinige Vermächtnisnehmerin der Liegenschaften am Cometsträsschen ... und am Stokargässchen ein, damit der ganze Grundbesitz ungeteilt beisammen bleibt.
BGE 83 II 427 S. 430
2.- Ebenso soll die Überlebende der beiden Fräulein Leiber den ganzen Bestand an Kapitalien, Hausrat und persönlichen Effekten, über die ich nicht ausdrücklich im Testament verfügt habe, als Eigentum zugeteilt erhalten."
B.-
Am 20. Dezember 1946, neun Monate nach ihrem Dienstherrn, starb auch Theodora Leiber. Ihre Erben waren die Nachkommen ihrer sechs vorverstorbenen Geschwister. Bei der Teilung des Nachlasses der Theodora Leiber blieben deren Ansprüche an den noch unverteilten Nachlass Stokar unberücksichtigt. In der Folge ergab sich mit Bezug auf letzteren zwischen den Erben der Theodora Leiber einerseits und Pia Leiber anderseits Streit über die Auslegung des Testamentes Stokar. Die Erben der Theodora Leiber machten geltend, das Testament enthalte eine Nachverfügung zugunsten der Pia Leiber nur in Ziff. 3 bezüglich der Liegenschaften (und in Ziff. 2 i.f. bezüglich der "übrigen Mobilien und Effekten"), nicht aber bezüglich des Barvermächtnisses von Fr. 180'000.-- und der Erbeneinsetzung für das Restvermögen (Ziff. 43), weshalb diese Vermögenskomplexe des Nachlasses Stokar in den Nachlass de Theodora Leiber fielen.
Demgegenüber stellte sich Pia Leiber auf den Standpunkt, die Ergänzungsverfügung des Testamentes enthalte in Ziff. 2 ein Nachvermächtnis zu ihren Gunsten auch bezüglich der Fr. 180'000.-- und des Restvermögens.
C.-
Die Erben von 5 der 6 Geschwisterstämme der Theodora Leiber - ohne denjenigen der Pia Leiber und ihrer Geschwister - erhoben gegen Pia Leiber Klage auf Feststellung ihres Anspruches auf Fr. 150'000.-- (= 5/6 der Fr. 180'000.--) und 5/6 des halben Restvermögens. Die Beklagte beantragte Abweisung dieser Rechtsbegehren.
Mit Urteil vom 25. Oktober 1955 schützte das Kantonsgericht Schaffhausen die Auffassung der Beklagten und wies die Klage in den genannten Punkten ab. Das Kantonsgericht führte aus, unklar am Testament und daher zu ermitteln sei, was der Erblasser mit Ziff. 2 der Ergänzung habe sagen wollen. In dem einleitenden Worte
BGE 83 II 427 S. 431
"Ebenso" könne man eine Bezugnahme auf den in Ziff. 1 gesetzten Fall, dass eine der Hauptbedachten vor dem Erblasser sterben sollte, erblicken, anderseits aber auch eine Gleichstellung der Kapitalien mit den Liegenschaften in dem Sinne, dass nach dem Willen des Erblassers die Kapitalien überhaupt das Schicksal der Liegenschaften teilen sollten, und zwar nicht nur beim Tod einer der Bedachten vor dem Erblasser, sondern auch nach demselben. Die letztere Auslegung gewinne an Wahrscheinlichkeit, wenn man das Testament als eine Einheit betrachte und daraus die Willensrichtung des Testators zu ermitteln suche. Stokar habe seinen ganzen Nachlass - von einer Reihe unbedeutender Legate an Dritte abgesehen - je zur Hälfte den beiden Fräulein Leiber zugewiesen und an verschiedenen Stellen (Testament Ziff. 2 i.f., Ziff. 3, Ergänzung Ziff. 1) den Willen bekundet, das Nachlassvermögen nach Möglichkeit beisammen zu halten und vor jeder Verzettelung zu bewahren. Unklar sei ferner, ob in Ziff. 2 der Ergänzung unter die "Kapitalien, über die ich nicht ausdrücklich im Testament verfügt habe", auch die Barlegate von Fr. 180'000.-- fielen oder nicht. Um die Unklarheiten, die der Text hinsichtlich des darin bekundeten Willens des Testators lasse, womöglich zu beheben, habe das Kantonsgericht den Willensvollstrecker Dr. F. Rippmann, der den Erblasser bei der Abfassung des Testamentes beraten habe, als Zeugen einvernommen. Nach dessen Aussage sei es Stokars Wille gewesen, dass Pia Leiber in jedem Falle, ob ihre Tante Theodora vor oder nach dem Erblasser sterbe, in deren Rechte eintreten, mithin Liegenschaften und Kapitalien, und zwar das Barlegat wie das Restvermögen, das gleiche Schicksal haben, also an Pia Leiber übergehen sollten.
D.-
In Gutheissung der Berufung der Kläger hat dagegen das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Urteil vom 28. September 1956 die Klage gutgeheissen und (in den hier noch interessierenden Punkten) festgestellt, dass das Testament bezüglich des der Theodora
BGE 83 II 427 S. 432
Leiber ausgesetzten Barvermächtnisses von Fr. 180'000. - sowie bezüglich des ihr zugewendeten Erbrechts an der Hälfte des Rechtsvermögens kein Nachvermächtnis bezw. kein Nacherbrecht zugunsten der Pia Leiber anordne und daher diese Zuwendungen Stokars zu 5/6 den klagenden Erben der Theodora Leiber zufallen, und zwar das Vermächtnis erbschaftssteuerfrei und mit Verzugszins seit 10. August 1954.
Die Vorinstanz führt aus, mit Recht erblickten beide Parteien in der Zuweisung von je Fr. 180'000.-- und der Liegenschaften an die beiden Fräulein Leiber Vermächtnisse, in der Zuwendung des Restvermögens eine Erbeinsetzung. Aus dieser allgemeinen Struktur des Testaments ergebe sich, dass bei Vorabsterben der Theodora Leiber vor dem Erblasser sowohl die Vermächtnisse zu ihren Gunsten als ihr Erbteil der als Alleinerbin verbleibenden Pia Leiber zugefallen wären. Für die Beurteilung der streitigen Frage des Sinnes von Ziff. 2 der Ergänzung dahin, ob sie, wie Ziff. 1 für die Liegenschaft, lediglich eine Ersatzverfügung bezüglich des Restvermögens für den Fall, dass eine der beiden Erbinnen vor dem Erblasser sterbe, oder aber ein Nachvermächtnis und eine Nacherbeneinsetzung zugunsten der Überlebenden enthalte, sei von der Natur der letzwilligen Verfügung als formbedürftigem Rechtsgeschäft auszugehen. Es könne nur der im Testament erklärte Wille des Erblassers Rechtswirkungen haben. Eine Ergänzung der im Testament erklärten Anordnungen, etwa auf Grund nachgewiesener mündlicher Äusserungen des Erblassers, sei nicht statthaft. Eine Auslegung des Testaments sei nicht angängig, wenn dessen Wortlaut klar sei, sofern nicht ein abweichender wirklicher Wille - analog dem Falle des
Art. 18 Abs. 1 OR
- unter unrichtiger Bezeichnung doch klar zu ermitteln sei. Rechtswirksam werde der Wille des Testators auch dann, wenn er in der Verfügung nur unvollkommen, andeutungsweise und nicht zweifelsfrei ausgedrückt sei; ja es genüge dabei u. U. auch ein dem Erblasser nicht voll bewusster,
BGE 83 II 427 S. 433
gewissermassen latenter Wille. Die Auslegung als Ermittlung des erklärten Willens ziele auf die Feststellung eines "innern", in der Person des Verfügenden verwirklichten historischen Sachverhaltes. Es dürften dabei alle schlüssigen Tatsachen zu Hilfe gezogen werden, auch wenn sie aus dem Testament nicht ersichtlich seien.
In casu lasse der Wortlaut der streitigen Ziff. 2 der "Ergänzung", ohne den Zusammenhang mit der Ziff. 1 und das einleitende Wort "Ebenso" betrachtet, die Annahme sowohl einer Ersatzverfügung als einer Nacherbeneinsetzung zu; denn die Bezeichnung "die Überlebende der beiden Fräulein Leiber" lasse offen, ob der Fall des Überlebens der einen gegenüber der andern als vor oder nach dem Tode des Erblassers eintretend gedacht sei. Bezüglich der von Ziff. 2 erfassten Nachlasswerte spreche der Wortlaut für die These der Kläger, dass die Barvermächtnisse von je Fr. 180'000.-- nicht darunter fielen, weil der Testator damit über diese Mittel "ausdrücklich verfügt" habe. Wenn das Kantonsgericht nur die ausdrücklichen Verfügungen zugunsten Dritter vorbehalten wolle, so scheine das auf eine unzulässige Ergänzung des Testamentsinhalts hinauszulaufen. Die Frage könne jedoch offen bleiben, wenn Ziff. 2 nur eine - nicht aktuell gewordene - Ersatzverfügung enthalte. Zu beachten sei, dass die "Ergänzung" gleichsam eine Nachschrift zum Testament bilde, ferner dass der Erblasser im Einleitungssatz sage, er füge "folgende Bestimmung", also eine Bestimmung hinzu. Wesentlich sei aber, dass Ziff. 2 mit dem Worte "Ebenso" anfange, womit nach Sprachgebrauch klar sei, dass damit die Anordnung in Ziff. 2 derjenigen in Ziff. 1 analog an die Seite gestellt sei. Angesichts dieses engen Zusammenhangs mit Ziff. 1 gehe der Sinn der Ziff. 2 dahin: ebenso wie ich die Überlebende der beiden Fräulein, falls eines derselben vor mir sterben sollte, als die alleinige Vermächtnisnehmerin der Liegenschaften einsetze, soll diese Überlebende auch den ganzen Bestand an Kapitalien etc. ... zugeteilt erhalten. Die Auslegung
BGE 83 II 427 S. 434
der Beklagten und des Kantonsgerichts, in Ziff. 2 eine Ersatz- und Nachverfügung zu erblicken, widerspreche völlig dem allgemeinen Sprachgebrauch, eine Rückverweisung durch das einleitende Wort "Ebenso" auf das unmittelbar Vorangehende zu beziehen. Die Rückverweisung erscheine umso mehr auf Ziff. 1 beschränkt, als der Nachtrag redaktionell eine Einheit bilde. Es gehe somit nicht an, auf Grund des Textes eine gleichzeitige Rückverweisung auf einen weitern, im Testament viele Seiten vorher unter Ziff. 3 behandelten Überlebensfall anzunehmen. Der Wortlaut der streitigen Anordnung sei so klar, dass die sich daraus ergebenden Folgerungen nicht widerlegt werden könnten durch Überlegungen über den "innern Willen" des Testators auf Grund von anderweitigen Indizien und Zeugenaussagen.
Das Obergericht nimmt sodann trotzdem der Vollständigkeit halber diese Beweiswürdigung, namentlich anhand der Zeugenaussagen des Vertrauten und Helfers des Testators bei der Abfassung des Testamentes, Dr. F. Rippmann, noch vor, mit dem Ergebnis, es müsse angenommen werden, dass der Erblasser tatsächlich den Willen gehabt habe, auch bezüglich der den beiden Fräulein Leiber zugewendeten Barvermächtnisse und Restkapitalien ein gegenseitiges Nachvermächtnis bezw. eine Nacherbschaft anzuordnen.
Entscheidend sei indessen, dass er diesen Willen im Testament nicht zum Ausdruck gebracht habe; Ziff. 2 des Nachtrags enthalte, wie dargetan, ganz offenbar nur eine Ersatzverfügung mit Bezug auf Fahrnisvermögen, wie Ziff. 1 eine solche bezüglich der Liegenschaften. Daher falle das Barlegat von Fr. 180'000.-- sowie der Erbteil des halben Restvermögens der Theodora Leiber an deren Erben, nicht an Pia Leiber.
Da das erbschaftssteuerfreie Legat von Fr. 180'000. - der Theodora Leiber an sich zur Auszahlung an ihre Erbengemeinschaft fällig und der Anspruch der Kläger darauf beim Willensvollstrecker am 9. August 1954 formell
BGE 83 II 427 S. 435
erhoben worden sei, trete die Verzugsfolge der Verzinsung von jenem Zeitpunkt an ein.
E.-
Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Beklagten Pia Leiber mit dem Antrag auf Abweisung der Klagebegehren Disp. 5 und 6, aus den vor den Vorinstanzen geltend gemachten Gründen.
Die Kläger tragen auf Bestätigung des Urteils an.
F.-
Die Beklagte Pia Leiber sowie ihre anfänglich mitbeklagten vier Geschwister haben gegen das obergerichtliche Urteil die kantonale Kassationsbeschwerde erhoben, die sich aber nur gegen dessen Kosten- und Entschädigungsdispositive (7 und 8) richtet. Daher wurde die Streitsache mit Recht - in Abweichung von
Art. 57 Abs. 1 OG
- zuerst dem Bundesgericht zur Beurteilung der Berufung zugestellt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Bei seiner Beurteilung der Tragweite der allein noch streitigen Ziff. 2 des Nachtrages hat sich das Obergericht an die richtigen, von ihm zutreffend umschriebenen Grundsätze und Richtlinien gehalten. Für die Auslegung eines Testamentes ist vom Wortlaut desselben auszugehen. Der Text verkörpert allein den rechtsgültigen letzten Willen des Erblassers. Wenn der Text des Testamentes, für sich betrachtet und aus sich selbst erklärt, klar ist, so hat es bei dieser Aussage zu bleiben; dann geht es nicht an, aus Elementen und Umständen, die im Testamente keinen Niederschlag gefunden haben, Rechtsfolgerungen zu ziehen und auf diese Weise etwas in dasselbe hineinzuinterpretieren, was nicht darin steht. Was der Erblasser allenfalls mit Bezug auf seinen Nachlass gedacht, gewünscht und sich vorgestellt hat, ist rechtlich nur insoweit relevant, als es im formbedürftigen Testament formgültig zum Ausdruck gelangt ist. Nur wenn Testamentsbestimmungen der Klarheit in dem Masse entbehren, dass sie ebensogut im einen wie im andern Sinne ausgelegt werden können, dürfen anderweitige Äusserungen des
BGE 83 II 427 S. 436
Testators, Aussagen eines Beraters u. dgl. zur Interpretation herangezogen werden (
BGE 64 II 187
,
BGE 69 II 382
,
BGE 70 II 13
,
BGE 72 II 232
,
BGE 75 II 284
; ESCHER, Vorbem. zum 14. Titel, N. 13, PICENONI, Auslegung von Testament und Erbvertrag, S. 46).
Im vorliegenden Fall ist der Auffassung des Obergerichtes beizupflichten, dass der Wortlaut der Nachtragsbestimmung sowohl für sich als im Zusammenhang mit dem Testament als Ganzem betrachtet einen durchaus klaren und vernünftigen Sinn ergibt.
b) In den die beiden Hauptbedachten, Theodora und Pia Leiber betreffenden Verfügungen des Haupttestamentes geht der Erblasser von der Voraussetzung aus, dass jene beiden ihn überleben werden. Dies geht - abgesehen von der allgemeinen Bedingung des Erlebens des Erbganges für Erben und Legatare gemäss Art. 542/3 ZGB - auch daraus hervor, dass der Testator beim Vermächtnis des Grundbesitzes an die beiden Legatarinnen den
Art. 652 ZGB
betr. Gesamteigentum erwähnt und nur gemeinsamen Verkauf erlaubt (Ziff. 3). Wo er den Fall ins Auge fasst, dass "das eine der Fräulein" stirbt und eine "Überlebende" vorhanden ist (Ziff. 2 i. f., Ziff. 3), ist immer nur an den Ablauf der Dinge gedacht, der angesichts des Alters der drei beteiligten Personen als der natürrliche erschien, nämlich dass die beiden Bedachten zunächst den Erblasser überleben werden und dann in der Folge eine von ihnen wegsterben werde. Diesen Fall sieht das Haupttestament vor und trifft Anordnungen dafür mit Bezug auf den Grundbesitz und den Erlös aus allfällig vorher verkauften Teilen desselben (Ziff. 3), sowie auf die "übrigen Mobilien" etc., die im Hause bleiben sollen (Ziff. 2 i. f.). Diese Anordnungen sind mithin Nachvermächtnisse (
Art. 488 Abs. 3 ZGB
).
Nach der Niederschrift und Unterzeichnung dieses Testamentes kam es offenbar dem Erblasser oder seinem Berater in den Sinn, dass es mit dem Sterben nicht immer dem Alter nach geht. Er fügte daher eine "Ergänzung"
BGE 83 II 427 S. 437
an, in welcher er den Fall ins Auge fasst, dass eine der beiden Bedachten vor ihm sterben würde. In diesem Falle sollten gemäss Ziff. 1 die Liegenschaften gänzlich der andern, überlebenden zufallen; "ebenso" gemäss Ziff. 2 der ganze Bestand an Kapitalien, Hausrat und persönlichen Effekten, über die der Testator nicht im Testament ausdrücklich verfügt hat. Damit stellt Ziff. 1 des Nachtrags ein Ersatzvermächtnis gegenüber Ziff. 1, 2 und 3 des Haupttestaments dar, eben für den Fall, dass das dort vorausgesetzte Überleben beider Legatarinnen (gegenüber dem Erblasser) nicht zur Tatsache würde, sondern die eine derselben vor dem Testator sterben sollte; und in Ziff. 2 des Nachtrags ist gegenüber den Bestimmungen bezüglich der nicht in Liegenschaften bestehenden Zuwendungen, insbesondere des Restvermögens (Ziff. 43), für den gleichen Fall - Tod der einen Haupterbin vor dem Erblasser - eine Ersatz-Erbeneinsetzung verfügt (
Art. 487 ZGB
). Bei unbefangener Lektüre dieser Bestimmungen kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Nachtragsbestimmungen beide unter der gleichen Voraussetzung stehen, nämlich dass eine der beiden Hauptbedachten vor dem Erblasser sterben würde. Dies gilt für Ziff. 1, wo es ausdrücklich gesagt ist, aber ebenso klar auch für Ziff. 2. Dies ergibt sich, wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, aus dem Eingangsworte "ebenso", das auf die unmittelbar vorausgehende Ziff. 1 zurückverweist und damit selbstverständlich auf die Hauptvoraussetzung dieser Bestimmung, das Vorversterben der einen Bedachten vor dem Erblasser. Es ergibt sich auch aus den Worten in Ziff. 2 "die Überlebende der beiden Fräulein Leiber", womit nach dem Zusammenhange das gleiche bezw. die gleiche gemeint ist wie mit dem genau gleichen Ausdruck in Ziff. 1, nämlich diejenige Bedachte, welche die andere überlebt, bevor der Erblasser stirbt. Freilich bedeutet der Begriff "die Überlebende der beiden Fräulein Leiber" an sich im ganzen Testament nur: diejenige, welche die andere überlebt; jedoch ist dieses Überleben im Nachtrag als
BGE 83 II 427 S. 438
vor dem Tode des Erblassers, in Ziff. 2 i. f. und Ziff. 3 des Haupttestaments dagegen nach demselben gedacht, und insofern ist die Überlebenssituation beidemal eine andere. Fraglos ist die in Ziff. 2 des Nachtrags gemeinte Situation diejenige der unmittelbar vorhergehenden Ziff. 1, nicht die davon verschiedene fünf Seiten weiter vorn im Testament. Die Auffassung des Kantonsgerichts, man könne in Ziff. 2, ebensogut wie eine Bezugnahme auf Ziff. 1, eine Gleichstellung der Kapitalien mit den Liegenschaften sehen in dem Sinne, dass die Kapitalien überhaupt das Schicksal der Liegenschaften teilen sollen und zwar beim Tode einer der Bedachten sowohl vor als nach dem Erblasser, lässt sich nicht vertreten, ohne dass die Systematik des Haupttestamentes ihres Sinnes beraubt würde; denn dann wäre nicht einzusehen, wieso der Erblasser den Fall des Absterbens einer Legatarin nach ihm im Haupttestament ausführlich vorgesehen hätte, nämlich in Ziff. 3, aber hier das Nachvermächtnis ganz eindeutig nur für die Liegenschaften (und allfälligen Verkaufserlös aus solchen) angeordnet hätte. Dass anderseits Ziff. 2 in Verbindung mit Ziff. 1 des Nachtrags eine solche Gleichbehandlung von Liegenschaften und übrigem Vermögen in beiden Überlebenssituationen als gewollt erscheinen lasse, verträgt sich nicht nur nicht mit dem Wortlaut der Ziff. 1 ("vor mir sterben"); wollte man darin neben der klaren Ersatz- auch eine Nachverfügung erblicken, so läge darin bezüglich der Liegenschaften eine Wiederholung der bereits in Ziff. 3 viel präziser getroffenen Anordnung. Dann wäre wieder nicht erklärlich, wieso der Testator die Ziff. 3 so bestimmt auf die Liegenschaften beschränkt hätte.
Nach Wortlaut und Systematik des Testamentes liegt mithin dem ganzen Nachtrag, sowohl Ziff. 2 als Ziff. 1, die Annahme zugrunde, dass die eine der Hauptbedachten vor dem Testator sterbe.
Es kann daher offen bleiben, ob unter die in Ziff. 2 des Nachtrags erwähnten "Kapitalien..., über die ich nicht
BGE 83 II 427 S. 439
ausdrücklich im Testament verfügt habe", das Legat von Fr. 180'000.-- fiele oder nicht.
Angesichts des klaren und in sich widerspruchslosen Wortlautes des Testaments erübrigt es sich, auf Grund aussertestamentarischer Umstände und Zeugenaussagen nach einem davon abweichenden "wahren Willen des Erblassers" zu forschen. Die Feststellung der beiden Vorinstanzen, es müsse angenommen werden, dass der Testator tatsächlich den Willen hatte, bezüglich der Barvermächtnisse und der Restkapitalien ein gegenseitiges Nachvermächtnis bezw. eine Nacherbschaft anzuordnen, ist freilich für das Bundesgericht verbindlich. Sie ist aber ohne Belang; denn dieser Wille hat im Testament keinen Ausdruck gefunden.
Die danach vorhandene Diskrepanz macht indessen das Testament nicht zu einem wegen Irrtums anfechtbaren oder richtigzustellenden. Weder hat sich der Testator über irgend einen für seine Anordnungen wesentlichen Sachverhalt im Irrtum befunden (
Art. 469 Abs. 1 ZGB
) noch im Testament eine Person oder Sache irrtümlich bezeichnet (Abs. 3; vgl.
BGE 50 II 335
,
BGE 64 II 190
,
BGE 72 II 230
Erw. 2).
Nachdem die Voraussetzung des ganzen Nachtrags - Versterben einer Bedachten vor dem Testator - nicht eingetreten ist, fällt der Nachtrag ausser Betracht, und die Ansprüche der beiden Bedachten am Nachlass Stokar richten sich ausschliesslich nach den Bestimmungen des Haupttestaments, namentlich den Ziff. 1, 2, 3 und 43. Eine Nachverfügung besteht somit nur gemäss Ziff. 2 i.f. ("übrige Mobilien" etc.) und Ziff. 3 (Liegenschaften), nicht aber mit Bezug auf die Barlegate von Fr. 180'000.-- und das Restvermögen gemäss Ziff. 43. Das Vermächtnis und die Restvermögenshälfte der Theodora Leiber fallen daher in deren Nachlass.
2.
Den Anspruch auf Verzugszins von 5/6 des Barvermächtnisses der Theodora Leiber haben die Kläger damit begründet, dass der Willensvollstrecker mit der
BGE 83 II 427 S. 440
Auszahlung des Betrages von Fr. 150'000.-- in Verzug geraten sei. Die Vorinstanz hat den Anspruch geschützt mit der Begründung, das erbschaftssteuerfreie Barlegat sei an sich zur Auszahlung fällig, und anspruchsberechtigt sei die Erbengemeinschaft der Theodora Leiber; nachdem aber die Erben des Stammes Eduard Leiber (Pia und Geschwister) nicht gewillt gewesen seien, den Anspruch auf Auszahlung des Vermächtnisses gegenüber dem Willensvollstrecker geltend zu machen, seien die Kläger mindestens befugt, ihren quotalen Anteil herauszuverlangen. Ihr Anwalt habe den Anspruch bereits am 25. Juni 1954 und ein zweites Mal mit Schreiben vom 9. August 1954 an den Willensvollstrecker angemeldet; damit sei die Verzugsfolge ab 10. August 1954 eingetreten und der Verzugszins ab diesem Datum begründet.
Die Berufungsklägerin erblickt hierin eine Verletzung der Bestimmung von
Art. 602 ZGB
. Sie macht geltend, bis zur Teilung bestehe zwischen sämtlichen Erben eine Erbengemeinschaft. Als Gesamteigentümer könnten die Erben über den Nachlass nur gemeinsam verfügen. Da die Kläger nur 5/6 der Erbengemeinschaft verträten, seien sie vor der Teilung nicht herausgabeberechtigt; bis zu diesem Zeitpunkte seien auch die - noch streitigen - Erbteile noch nicht in ihrem Umfange festgestellt und könnten darum nicht fällig sein. Ein Anspruch auf Herausgabe und damit eine Inverzugsetzung des Besitzers des Nachlasses sei darum erst nach erfolgter Teilung möglich. Zudem müsste ein solcher Anspruch sich nicht gegen die Beklagte richten, sondern gegen den Willensvollstrecker, welcher allein die Verfügungsgewalt über den Nachlass Stokar besitze. Übrigens unterlägen die Nachlässe Stokar und Theodora Leiber nach wie vor der Sperre der Schweizerischen Verrechnungsstelle; solange keine Bewilligung zur Auszahlung vorliege, sei ein Verzug des Willensvollstreckers wie der Beklagten ausgeschlossen. Die Zusprechung von Verzugszinsen widerspreche überdies der vom Obergerichte vertretenen Auffassung, dass die vorliegende
BGE 83 II 427 S. 441
Klage eine blosse Feststellungsklage sei; nur bei einer vom Obergerichte ausgeschlossenen Erbschaftsklage wären solche möglich.
a) Die Vorinstanz hat indessen auch mit Bezug auf dieses Rechtsbegehren betr. Verzugszinse den Charakter als Feststellungsklage betont und die Gutheissung desselben im Dispositiv 5 lit. c auch nur in der Form einer Feststellung, nicht etwa einer Verpflichtung der Beklagten zur Leistung, ausgesprochen. Deshalb ist auch der Einwand, die Klage hätte sich gegen den Willensvollstrecker als Besitzer des Nachlasses richten sollen, unbehelflich. Übrigens wäre der Einwand auch gegenüber einer Forderungsklage nicht zu schützen. Auch wenn sich die beklagte Erbin nicht im Besitze der Erbschaft befindet, sondern diese vom Willensvollstrecker verwaltet wird, ist doch sie die mit den Legaten Beschwerte und haftet, da sie die Erbschaft angetreten hat, für deren Ausrichtung. Die Legatare haben einen persönlichen Anspruch hierauf (
Art. 562 Abs. 1 ZGB
) und sind Gläubiger hiefür (Vgl.
BGE 59 II 122
E. 1;
BGE 69 II 384
E. 4; SJZ 14, S. 88 Nr. 67).
b) Dieser Anspruch wird gemäss
Art. 562 Abs. 2 ZGB
fällig, sobald der Beschwerte die Erbschaft angenommen hat oder sie nicht mehr ausschlagen kann, was in casu längst (seit 1946) der Fall ist. Schon mit diesem Zeitpunkte war ein bestimmter Verfalltag gegeben, der nach Analogie von
Art. 102 Abs. 2 OR
in Verbindung mit
Art. 7 ZGB
ohne weitere Mahnung den Verzug der Beschwerten herbeiführte; jedenfalls aber sind Verzugszmse spätestens von der Mahnung an zu bezahlen (TUOR, zu Art. 562 N. 10). Eine solche hat, nach Feststellung der Vorinstanz, der Anwalt der Kläger am 9. August 1954 erlassen, sodass spätestens vom 10. August 1954 an der Anspruch auf Verzugszinsen besteht. Dem stände es auch nicht entgegen, wenn der Anspruch auf das Legat noch nicht liquid wäre und erst später definitiv festgestellt werden könnte (vgl. BECKER, zu
Art. 102 OR
, N. 27).
BGE 83 II 427 S. 442
c) Der Umstand, dass das Vermächtnis der Theodora Leiber ihrer ganzen Erbengemeinschaft von sechs Geschwisterstämmen zusteht, kann der Klage der bloss fünf Stämme nicht entgegengehalten werden. Wenn ein Miterbe aus einer Erbengemeinschaft darauf verzichtet, eine Mahnung zu erlassen, so kann dies die übrigen nicht hindern, es für ihre Anteile zu tun; denn darin liegt nicht eine "Verfügung" über die Erbschaftssache (das Legat der Theodora Leiber), für die es des gemeinsamen Handelns aller bedürfte (
Art. 602 Abs. 2 ZGB
).
d) Ebensowenig stand die Sperre seitens der Schweiz. Verrechnungsstelle der Inverzugsetzung entgegen. Es handelt sich dabei nicht um ein absolutes behördliches Zahlungsverbot. Vielmehr hätten Zahlungen zu gunsten der Erben der Theodora Leiber jederzeit auf Konto Zahlungssperre bei der Schweizerischen Nationalbank erfolgen können (Art. 1 BRB vom 27. April 1945, AS 61, S. 267), oder mit Genehmigung der Schweizerischen Verrechnungsstelle auf andere Weise (Art. 7 BRB vom 16. Februar 1945, AS 61, S. 85), wie z.B. auf ein gesperrtes Konto bei einer andern schweizerischen Bank (Art. 4 Verfügung des EPD vom 27. Juni 1947, AS 63, S. 787), und einer solchen Zahlung zugunsten deutscher Gläubiger wäre zivilrechtlich befreiende Wirkung zugekommen (Art. 11 Abs. 3 BRB vom 6. März 1953, AS 1953, S. 137), die Schuldnerin somit nicht in Verzug geraten.
e) Schliesslich liegt den gesetzlichen Bestimmungen über die Verzugszinsen der Gedanke zu Grunde, dass derjenige, der eine fällige Schuld nicht zahlt, also Geld zurückhält, mit diesem unterdessen arbeiten könne, aber dem Gläubiger verunmögliche, dies zu tun, weshalb diesem in Gestalt des Verzugszinses ein Schadenersatz gebühre. Im vorliegenden Falle wäre es stossend, wenn die Erben der Legatarin mehr als elf Jahre nach dem Tode des Erblassers das Legat im damaligen Wert annehmen müssten, während das Geld doch offenbar inzwischen irgendwo zugunsten der beschwerten Erbin am Zins lag.
BGE 83 II 427 S. 443
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 28. September 1956, soweit angefochten, bestätigt unter Vorbehalt des Entscheides über die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde bezüglich des Kostenspruches (Dis. 7 und 8). | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6a69b45a-39c6-47b5-8584-58a6aa65d89d | Urteilskopf
141 III 265
38. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Staatliche Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_510/2014 vom 23. Juni 2015 | Regeste
Art. 128 und 206 ZPO
; Ordnungsbusse im Schlichtungsverfahren.
Darf die Schlichtungsbehörde eine Partei für ihr Nichterscheinen zur Schlichtungsverhandlung gestützt auf
Art. 128 ZPO
mit Ordnungsbusse bestrafen? Vorliegend ist die Verhängung von Ordnungsbussen jedenfalls mangels vorgängiger Androhung unzulässig (E. 3-5). | Sachverhalt
ab Seite 265
BGE 141 III 265 S. 265
A.
A.A. und B.A. (Beschwerdeführer) sind Vermieter einer Liegenschaft in Basel. Sie sind bzw. waren als Beklagte an mehreren - von verschiedenen Mietern dieser Liegenschaft eingeleiteten - Gerichtsverfahren beteiligt. In fünf Verfahren vor der Staatlichen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten blieben sie den auf den Vormittag
BGE 141 III 265 S. 266
des 26. März 2014 angesetzten Schlichtungsverhandlungen fern. Mit separaten "Kosten-Verfügungen" vom gleichen Tag auferlegte die Schlichtungsstelle A.A. und B.A. "in Anwendung von Art. 128 der Schweizerischen Zivilprozessordnung" fünf Ordnungsbussen von je Fr. 200.- wegen Nichterscheinens zur Schlichtungsverhandlung.
Diese fünf Verfügungen fochten A.A. und B.A. jeweils beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt an, das die Beschwerden am 15. Juli 2014 in einem einzigen Entscheid abwies.
B.
A.A. und B.A. erhoben dagegen Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Am 23. Juni 2015 führte das Bundesgericht eine öffentliche Urteilsberatung durch. Es heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Gemäss
Art. 128 ZPO
wird, wer im Verfahren vor Gericht den Anstand verletzt oder den Geschäftsgang stört, mit einem Verweis oder einer Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken bestraft. Das Gericht kann zudem den Ausschluss von der Verhandlung anordnen (Abs. 1). Das Gericht kann zur Durchsetzung seiner Anordnungen die Polizei beiziehen (Abs. 2). Bei bös- oder mutwilliger Prozessführung können die Parteien und ihre Vertretungen mit einer Ordnungsbusse bis zu 2000 Franken und bei Wiederholung bis zu 5000 Franken bestraft werden (Abs. 3).
3.2
Dass die in
Art. 128 ZPO
vorgesehenen Disziplinarmassnahmen grundsätzlich auch von der Schlichtungsbehörde ergriffen werden dürfen, stellen die Beschwerdeführer zu Recht nicht in Frage. Die Anwendbarkeit der Bestimmung im Schlichtungsverfahren folgt bereits aus ihrer Stellung im 1. Kapitel (Prozessleitung) des 9. Titels (Prozessleitung, prozessuales Handeln und Fristen) des 1. Teils (Allgemeine Bestimmungen) der Zivilprozessordnung (vgl. zur Gesetzessystematik allgemein Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [nachfolgend:Botschaft ZPO], BBl2006 7240 Ziff. 3.1). Die entsprechende Disziplinarbefugnis der Schlichtungsbehörde wird denn auch von der Lehre befürwortet (so ausdrücklich DOLGE, in: Schlichtungsverfahren nach Schweizerischer Zivilprozessordnung, 2012, S. 51; vgl. ferner TAPPY/NOVIER, La procédure de conciliation et la médiation dans le Code de procédure civile suisse [...], in: Il
BGE 141 III 265 S. 267
Codice di diritto processuale civile svizzero, Bernasconi und andere[Hrsg.], 2011, S. 107; für eine
analoge
Anwendung der Bestimmung HONEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung[ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013,N. 3 zu
Art. 206 ZPO
). Sie ist insbesondere auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil
Art. 128 Abs. 1 ZPO
bloss das
Verfahren vor Gericht
erwähnt, zumal der Wortlaut der Bestimmung soweit erkennbar nicht mit Blick auf ihren Geltungsbereich gewählt wurde, sondern zwecks Harmonisierung mit
Art. 33 BGG
, in dem vom "Verfahren vor dem Bundesgericht" die Rede ist (siehe Botschaft ZPO, a.a.O., 7246 [Ziff. 3.3] und 7306 zu Art. 126; vgl. auch
Art. 60 VwVG
[SR172.021]). Schliesslichentspricht es zweifellos einem praktischen Bedürfnis, dass der Schlichtungsbehörde nötigenfalls die erforderlichen disziplinarischen Mittel zur Verfügung stehen, um das Ziel einer einvernehmlichen Streitbeilegung in einem
geordneten
Verfahren verfolgen zu können, und zwar unabhängig davon, ob ihr gemäss
Art. 212 ZPO
Entscheidkompetenz zukommt.
4.
4.1
Die Beschwerdeführer rügen, im Gesetz sei nicht vorgesehen, dass das Nichterscheinen der beklagten Partei zur Schlichtungsverhandlung Sanktionen nach sich ziehen könne, namentlich weder in
Art. 204 ZPO
betreffend das persönliche Erscheinen der Parteien noch in
Art. 206 Abs. 2 ZPO
, der die Folgen des Ausbleibens der beklagten Partei regle. Der Gesetzgeber - so die Beschwerdeführer - habe mithin darauf verzichtet, das Nichterscheinen der beklagten Partei zu sanktionieren, und die Verhängung einer Ordnungsbusse sei aus diesem Grund unzulässig.
4.2
Dem Entscheidverfahren geht ein Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungsbehörde voraus (
Art. 197 ZPO
). Die Parteien müssen persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen (
Art. 204 Abs. 1 ZPO
). Sie können sich von einer Rechtsbeiständin, einem Rechtsbeistand oder einer Vertrauensperson begleiten lassen (
Art. 204 Abs. 2 ZPO
). Nicht persönlich erscheinen muss und sich vertreten lassen kann, wer sich auf einen gesetzlich vorgesehenen Dispensationsgrund berufen kann, so namentlich, wer ausserkantonalen oder ausländischen Wohnsitz hat oder wegen Krankheit, Alter oder anderen wichtigen Gründen verhindert ist (
Art. 204 Abs. 3 lit. a und b ZPO
).
Bei Säumnis der klagenden Partei gilt das Schlichtungsgesuch als zurückgezogen; das Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben (
Art. 206 Abs. 1 ZPO
). Bei Säumnis der beklagten Partei verfährt
BGE 141 III 265 S. 268
die Schlichtungsbehörde, wie wenn keine Einigung zu Stande gekommen wäre, das heisst gemäss den Artikeln 209-212 der Zivilprozessordnung (
Art. 206 Abs. 2 ZPO
). Sie hat somit die Klagebewilligung zu erteilen (
Art. 209 Abs. 1 ZPO
). In gewissen Fällen kann sie stattdessen den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten (
Art. 210 Abs. 1 ZPO
) oder auf Antrag der klagenden Partei die Streitigkeit entscheiden (
Art. 212 Abs. 1 ZPO
).
4.3
In der Literatur wird von einzelnen Autoren vertreten, das Nichterscheinen einer Partei im Schlichtungsverfahren könne nicht mit Ordnungsbusse gemäss
Art. 128 ZPO
geahndet werden, weil
Art. 206 ZPO
die Säumnisfolgen abschliessend regle (so STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, S. 368 § 20 Rz. 24; WYSS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 1 zu
Art. 206 ZPO
).
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen: Wohl hält
Art. 206 ZPO
verbindlich fest, wie die Schlichtungsbehörde bei Säumnis einer Partei in prozessualer Hinsicht zu verfahren hat. Die Bestimmung regelt mithin ausdrücklich die Säumnisfolgen für dieses Verfahrensstadium, wie von
Art. 147 Abs. 2 ZPO
vorbehalten. Im Urteil 4C_1/2013 vom 23. Juni 2013 stellte das Bundesgericht in anderem Zusammenhang fest, die Zivilprozessordnung regle (in ihren Artikeln 204 und 206) die Pflicht zum Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung und die Folgen der Nichtbeachtung - im Verhältnis zum kantonalen Recht - abschliessend (E. 4).
Demgegenüber sind allfällige
disziplinarische
Folgen des Verhaltens der Parteien im Verfahren von vornherein nicht Gegenstand von
Art. 206 ZPO
. Disziplinarmassnahmen bleiben somit möglich, sofern eine gesetzliche Grundlage dafür besteht (in diesem Sinne - beide unter Hinweis auf
Art. 128 ZPO
- INFANGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 16 zu
Art. 206 ZPO
; MAAG, MietRecht aktuell 2014 S. 136 f.). Demnach ist jedenfalls aufgrund des Regelungsgehalts von
Art. 206 ZPO
nicht ausgeschlossen, dass die Schlichtungsbehörde das (unentschuldigte) Fernbleiben einer Partei von der Schlichtungsverhandlung disziplinarisch ahndet.
5.
5.1
Angesichts der Bedeutung der persönlichen Anwesenheit der Parteien für die Durchführung einer wirksamen Schlichtung (siehe dazu
BGE 140 III 70
E. 4.3 S. 71 f. mit Hinweisen) scheint es denn auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Schlichtungsbehörde
BGE 141 III 265 S. 269
eine Partei, die der Schlichtungsverhandlung ohne Grund fernbleibt und damit nicht nur prozessual säumig ist, sondern gleichzeitig ihre Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach
Art. 204 Abs. 1 ZPO
verletzt, gemäss Art. 128 Abs. 1 oder 3 ZPO bestraft. Dies gilt namentlich für die beklagte Partei, die ansonsten durch ihr Nichterscheinen den gesetzgeberischen Willen, dass ein Einigungsversuch stattfinden soll, sanktionslos vereiteln könnte (siehe INFANGER, in: Schlichtungsverfahren nach Schweizerischer Zivilprozessordnung, 2012, S. 107, mit dem Hinweis, die Säumnisfolgen des Schlichtungsverfahrens seien für die säumige beklagte Partei nicht griffig, "weshalb zur Disziplinierung unbedingt die Disziplinarbefugnisse nach
Art. 128 ZPO
ausgeschöpft werden müssen").
Eine disziplinarische Ahndung mit Ordnungsbusse setzt aber immerhin voraus, dass das Nichterscheinen zur Schlichtungsverfahren eine Störung des Geschäftsgangs gemäss
Art. 128 Abs. 1 ZPO
respektive eine bös- oder mutwillige Prozessführung nach
Art. 128 Abs. 3 ZPO
darstellt. Welche qualifizierenden Umstände hierfür erforderlich sind und unter welchen Voraussetzungen die Ausfällung einer Ordnungsbusse konkret gerechtfertigt ist, braucht an dieser Stelle indessen nicht weiter beurteilt zu werden (siehe aber DOLGE, a.a.O., S. 127, die annimmt, eine Ordnungsbusse wegen Störung des Geschäftsgangs gemäss
Art. 128 Abs. 1 ZPO
rechtfertige sich "nur ausnahmsweise", etwa wenn die Partei den Termin verschieben lasse, um dann gleichwohl unentschuldigt nicht zu erscheinen).
5.2
Denn nach den auch im Zivilverfahren geltenden Grundsätzen der Verhältnismässigkeit (
Art. 5 Abs. 2 BV
) und des Handelns nach Treu und Glauben (
Art. 5 Abs. 3 BV
;
Art. 52 ZPO
) sowie mit Blick auf das rechtliche Gehör der Parteien (
Art. 29 Abs. 2 BV
) sind nicht nur prozessuale Säumnisfolgen (vgl. hierzu
Art. 147 Abs. 3 ZPO
), sondern auch disziplinarische Massnahmen vor ihrer Anordnung - jedenfalls soweit möglich und zweckmässig -
anzudrohen
(vgl. etwa
Art. 191 Abs. 2 ZPO
; hinsichtlich der Praxis des Bundesgerichts zu
Art. 33 BGG
: Urteile 5A_447/2012 vom 27. August 2012 E. 5; 5F_5/2010 vom 7. Juli 2010 E. 8). Dies gilt auch mit Bezug auf
Art. 128 ZPO
(so GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO],Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu
Art. 128 ZPO
; WEBER, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 8 zuArt. 128 ZPO; differenzierend: AFFENTRANGER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker &McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 11 zuArt. 128 ZPO).
BGE 141 III 265 S. 270
5.3
Dass die Beschwerdeführer von der Schlichtungsstelle auf die disziplinarischen Konsequenzen ihres Nichterscheinens zu den Schlichtungsverhandlungen vom 26. März 2014 aufmerksam gemacht worden wären, geht aus den massgeblichen Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Entscheids (vgl.
Art. 105 Abs. 1 BGG
) nicht hervor. Im Gegenteil räumte die Schlichtungsstelle in ihrer Vernehmlassung vom 6. November 2014 selber ein, die Vorladung an die Parteien habe in der bis zum 21. Juli 2014 gebräuchlichen Fassung unter der Rubrik "Wichtige Hinweise" im hier interessierenden Punkt wie folgt gelautet: "Bei Nichterscheinen der beklagten Partei verfährt die Schlichtungsstelle, wie wenn keine Einigung zu Stande gekommen wäre."
5.4
Aufgrund dieser Formulierung mussten die Beschwerdeführer nicht damit rechnen, dass die Schlichtungsstelle sie für ihre Abwesenheit an den Schlichtungsverhandlungen jeweils mit einer Ordnungsbusse belegen würde, zumal sich diese Konsequenz auch aus dem Gesetz nicht ausdrücklich ergibt (siehe dazu E. 3 und 4). Die Verhängung von Ordnungsbussen war somit im vorliegenden Fall jedenfalls mangels vorgängiger Androhung unzulässig. Demnach kann offenbleiben, ob qualifizierende Umstände für eine ausnahmsweise Auferlegung von Ordnungsbussen vorlagen. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet, unabhängig davon, dass die entsprechende Kritik im bundesgerichtlichen Verfahren erstmals erhoben wurde (vgl.
Art. 57 ZPO
;
Art. 106 Abs. 1 BGG
). | null | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6a6b1c4c-f88d-4d11-b3bf-4f9fbafd6cab | Urteilskopf
109 III 107
30. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 26. Oktober 1983 i.S. G. (Rekurs) | Regeste
Sicherheitsleistung bei einer Steigerung;
Art. 45 Abs. 1 lit. e VZG
.
1. Es ist nicht bundesrechtswidrig, in den Steigerungsbedingungen für einen bestimmten Betrag Barzahlung und für den Restpreis Sicherheitsleistung vorzusehen. In diesem Falle hat der Steigerungsleiter die mit dem Zuschlag verbundenen Kosten zu schätzen und die zu verlangende Sicherheit dementsprechend anzusetzen (E. 3).
2. Bei der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit eines Steigerers darf der Steigerungsleiter dessen Steuerkraft und die Tatsache, dass von ihm beherrschte Gesellschaften zahlungsunfähig sind, mitberücksichtigen (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 108
BGE 109 III 107 S. 108
Am 15. Juni 1983 wurde die der P. G. AG gehörende Liegenschaft an der Goldauerstrasse in Zürich versteigert. Die Steigerungsbedingungen sahen unter Ziff. 10 vor:
"10. Die Barzahlung nach Ziff. 7 und 8 hiervor sind wie folgt zu leisten:
Fr. 50'000.-- in bar oder in einem Bankcheck einer schweizerischen Grossbank, oder der Zürcher Kantonalbank, an die Order des Betreibungsamtes Zürich 5 (keine Privatcheks), anlässlich der Steigerung unmittelbar vor dem Zuschlag. Den Rest auf spezielle Aufforderung des Betreibungsamtes hin, welche nach Eintritt der Rechtskraft des Zuschlages erlassen wird, unter Ansetzung einer zehntägigen Zahlungsfrist.
Wird ein Zahlungstermin bewilligt, so ist die gestundete Summe bis zur Zahlung zu 5% zu verzinsen. Das Betreibungsamt behält sich das Recht vor, neben der vor dem Zuschlag zu leistenden Barzahlung noch Sicherheit für den gestundeten Betrag durch Bürgschaft oder Hinterlage von Wertpapieren zu verlangen. Kann oder will der Bieter einer solchen Aufforderung an der Steigerung keine Folge leisten, so fällt sein Angebot dahin, und es wird durch dreimaliges Ausrufen des nächst tieferen Angebotes die Steigerung fortgesetzt (VZG Art. 60 Abs. 2). Jeder Bieter bleibt bei seinem Angebote so lange behaftet, als nicht dem Höherbietenden der Zuschlag erteilt ist."
Bei der Steigerung machte M. G. das mit Fr. 10'247'000.-- höchste Angebot, weshalb der Zuschlag an ihn erfolgen sollte. G. leistete die vorgesehene Barzahlung von Fr. 50'000.--. Auf die
BGE 109 III 107 S. 109
Aufforderung des Gantleiters, für den Restpreis Sicherheit zu leisten, legte er jedoch nur eine kaum lesbare Fotokopie eines angeblichen Kreditbriefes vor. Dieses Schriftstück wurde nicht als Sicherheit anerkannt, weil es weder eine Bürgschaft zum Inhalt habe, noch ein Wertpapier darstelle. Der Gantleiter griff deshalb auf das mit Fr. 10'197'000.-- nächsttiefere Angebot der Gebrüder M. zurück und schlug, da dieses Angebot nicht mehr überboten wurde, das Grundstück diesen zu. Er verzichtete auf eine Sicherheitsleistung, da ihm die "Bonität der Gebrüder M. bekannt" sei.
Die gegen den Zuschlag erhobenen Beschwerden von G. wurden von beiden kantonalen Aufsichtsbehörden abgewiesen. Mit fristgerechtem Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt G., den angefochtenen Beschluss der II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 30. September 1983 und den Zuschlag des umstrittenen Grundstücks an die Gebrüder M. aufzuheben.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Rekurrent macht zunächst geltend, die Steigerungsbedingungen seien bundesrechtswidrig. Auf diese Rüge kann grundsätzlich nicht mehr eingetreten werden, weil sie verspätet ist. Tatsächlich hat der Rekurrent während der öffentlichen Auflage der Steigerungsbedingungen dagegen keine Beschwerde erhoben. Ebenso liess er sich anlässlich der Steigerung, als die Bedingungen vorgelesen wurden, nicht verlauten, sondern unterwarf sich ihnen stillschweigend und machte selber mehrere Angebote. Soweit er sich somit gegen die Steigerungsbedingungen als solche wendet, kann er nicht mehr gehört werden. Soweit er allerdings geltend macht, er habe vor der Steigerung nicht wissen können, dass der Gantleiter diese Bedingungen bundesrechtswidrig auslegen und anwenden werde, ist seine Rüge zu prüfen.
3.
a) Nach der Meinung des Rekurrenten ergibt sich aus
Art. 45 Abs. 1 lit. e VZG
, dass Barzahlung und Sicherheitsleistung nicht kumulativ, sondern nur alternativ verlangt werden dürfen. Eine Sicherheitsleistung ist tatsächlich ausgeschlossen, wenn die Barzahlung des ganzen Zuschlagspreises verlangt wird. Hingegen ist nicht einzusehen, weshalb das Verlangen von Sicherheiten ausgeschlossen sein sollte, wenn - wie im vorliegenden Fall - nur
BGE 109 III 107 S. 110
eine relativ kleine Anzahlung in bar verlangt wird. Ebensowenig ist ersichtlich, weshalb zwar Sicherheiten für den ganzen Zuschlagspreis sollen verlangt werden dürfen, nicht aber für einen - selbst beträchtlichen - Teil desselben. Eine solche Auslegung von
Art. 45 Abs. 1 lit. e VZG
wäre offensichtlich unvernünftig.
b) Der Rekurrent bemerkt zu Recht, dass der genaue Betrag des Zuschlagspreises erst nach dem rechtskräftigen Zuschlag ausgerechnet werden könne, weil vom Betrag des höchsten Angebots zum Teil andere gemäss Art. 8 der Steigerungsbedingungen mit dem Zuschlag zu übernehmende Kosten der Verwertung und der Eigentumsübertragung sowie die Steuern abhängen. Er geht jedoch fehl, wenn er aus dieser Tatsache ableitet, Ziffer 10 Absatz 1 der Steigerungsbedingungen müsse so verstanden werden, dass vom Ersteigerer nur dann Sicherheiten verlangt werden können, wenn er den Restpreis nicht innert der vom Betreibungsamt nach Eintritt der Rechtskraft des Zuschlages angesetzten zehntägigen Zahlungsfrist begleiche. Gegen eine solche Auslegung spricht nebst dem Zweck der Sicherheitsleistung auch Absatz 3 derselben Ziffer 10 der Steigerungsbedingungen. Danach behält sich das Betreibungsamt das Recht vor, "neben der vor dem Zuschlag zu leistenden Barzahlung noch Sicherheit ... zu verlangen". Würde der Ansicht des Rekurrenten gefolgt, so hätte zudem die Bestimmung in
Art. 45 Abs. 1 lit. e VZG
keinen Sinn, wonach für den Fall, dass die Sicherheit an der Steigerung selbst verlangt wird, der Zuschlag von ihrer Leistung abhängig zu machen ist. Da der endgültige Zuschlagspreis vor dem Zuschlag nicht genau bestimmbar ist, könnte dafür nie Sicherheit verlangt werden. Die Auslegung des Rekurrenten würde demnach zu einer Aushöhlung der zwingenden Vorschriften gemäss
Art. 45 Abs. 1 lit. e VZG
und zu einem Circulus vitiosus führen, wie er vom Verordnungsgeber sicher nicht beabsichtigt war. Das einzig vernünftige, sowohl
Art. 45 Abs. 1 lit. e VZG
als auch Ziffer 10 der Steigerungsbedingungen entsprechende Vorgehen besteht darin, die mit dem Zuschlagspreis verbundenen Kosten zu schätzen und die zu verlangende Sicherheit dementsprechend anzusetzen.
c) Der Rekurrent beschwert sich auch darüber, dass die angefochtene Auslegung von Ziffer 10 der Steigerungsbedingungen nicht üblich sei. Er unterlässt es jedoch, aufzuzeigen, worin das Unübliche am gerügten Vorgehen liegen und was daran allenfalls bundesrechtswidrig sein soll. Wie die Vorinstanz zu Recht
BGE 109 III 107 S. 111
ausführt, können die vorgedruckten Steigerungsbedingungen nicht als unüblich bezeichnet werden. Zudem entsprechen sie den Art. 45 Abs. 1 lit. e und 60 Abs. 2 VZG, die sich beide auf Art. 137 letzter Satz SchKG stützen.
4.
Der Rekurrent macht weiter sinngemäss geltend, der Gantleiter habe sein Ermessen missbraucht und gegen die Interessen von Gläubiger und Schuldner gehandelt, weil er ihn als Höchstbietenden beim Zuschlag übergangen habe. Von einer Verletzung der Gläubiger- und Schuldnerinteressen könnte aber nur gesprochen werden, wenn der Höchstbietende auch Gewähr für die Zahlung des Zuschlagspreises böte. Kann dieser jedoch diesen Preis nicht bezahlen, so dass die Übertragung der Liegenschaft rückgängig gemacht und eine neue Steigerung angesetzt werden muss, sind die Interessen der Gläubiger und Schuldner durch die sich daraus ergebenden Verzögerungen verletzt, und zwar selbst dann, wenn der reuige oder insolvente Ersteigerer für den Ausfall und allen weiteren Schaden samt Zinsen gemäss
Art. 143 Abs. 2 SchKG
aufkommen könnte. Gerade um diese Nachteile zu vermeiden, sieht
Art. 60 Abs. 2 VZG
vor, dass die Steigerung fortgesetzt wird, wenn der Höchstbietende die Steigerungsbedingungen nicht erfüllt.
5.
Der Rekurrent wirft dem Gantleiter auch vor, er habe sich beim Entscheid, Sicherheit von ihm zu verlangen, auf sachfremde Kriterien gestützt und sei von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Er dürfe nicht mit "seinen Firmen", bei denen es sich um selbständige Aktiengesellschaften handle, identifiziert werden. Die Kreditwürdigkeit dieser Firmen und namentlich auch die Zahlungsunfähigkeit der betriebenen P. G. AG hätten bei der Beurteilung seiner Solvenz keine Rolle spielen dürfen. Es liege somit eine Ermessensüberschreitung vor.
Weder das Betreibungsamt noch die beiden Aufsichtsbehörden haben die vom Rekurrenten bestrittene Identität je angenommen. Die behauptete Bundesrechtsverletzung ist deshalb gegenstandslos. Trotzdem ist festzuhalten, dass die zweifelhafte Zahlungsfähigkeit der dem Rekurrenten "gehörenden" Firmen ein Indiz für seine eigene zweifelhafte Zahlungsfähigkeit sein kann. Der Gantleiter konnte dieses Indiz sehr wohl mitberücksichtigen. Es verlöre nur dann an Bedeutung, wenn andere Umstände die finanzielle Lage des Rekurrenten als derart gesichert erscheinen liessen, dass er imstande wäre, kurzfristig mehr als zehn Millionen Schweizerfranken zu bezahlen. Der Rekurrent unterlässt jedoch entsprechende
BGE 109 III 107 S. 112
Hinweise. Er unterlässt es auch, im Rekurs darzulegen, weshalb er gemäss den eigenen Steuererklärungen in den letzten Jahren weder über Einkommen noch über Vermögen verfügte. Unter diesen Umständen kann dem Gantleiter und den Aufsichtsbehörden nicht vorgeworfen werden, sie hätten ihr Ermessen überschritten, wenn sie vom Rekurrenten vor dem Zuschlag der Liegenschaft Sicherheit verlangten. Dem Bundesgericht steht es im Rekursverfahren gemäss
Art. 19 SchKG
hinsichtlich der Ermessensbetätigung der kantonalen Behörden nicht zu, mehr als dessen Missbrauch oder Überschreitung zu prüfen. Insbesondere hat es nicht darüber zu befinden, ob ein Entscheid angemessen sei (
BGE 105 III 76
,
BGE 104 III 78
,
BGE 101 III 54
mit Verweisen).
6.
Schliesslich beklagt sich der Rekurrent über ungleiche Behandlung, weil von ihm Sicherheiten verlangt worden seien, von den Gebrüdern M. aber nicht. Der Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung besagt, dass Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln ist (
BGE 88 I 159
,
BGE 86 I 279
). Im vorliegenden Fall wurde für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass der Gantleiter die Gebrüder M. kannte und namentlich auch wusste, dass gegen die in seinem Betreibungskreis domizilierten Firmen, welche von ihnen beherrscht werden, in den vergangenen Jahren nie betreibungsrechtliche Massnahmen getroffen werden mussten. Im Vergleich dazu ergaben sich beim Rekurrenten Anzeichen, die berechtigten Anlass gaben, an der Möglichkeit des Rekurrenten zu zweifeln, innert zehn Tagen über zehn Millionen Franken aufbringen zu können. Eine ungleiche Behandlung der Steigerer rechtfertigte sich daher auch unter dem Gesichtspunkt der rechtsgleichen Behandlung. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6a769d19-fc1a-4793-a0fa-73968fe0e7d2 | Urteilskopf
102 II 413
60. Arrêt de la Ire Cour civile du 14 décembre 1976 dans la cause Commune X. contre Y. | Regeste
Art. 371 Abs. 2 OR
.
Die Verjährungsfrist von fünf Jahren betrifft nur die Klage wegen Mängeln eines unbeweglichen Bauwerkes. Sie bezieht sich nicht auf Schadenersatzansprüche gegen den Unternehmer, den Architekten oder den Ingenieur wegen Vertragsverletzungen, aus denen keine Mängel im Sinne der
Art. 367 ff. OR
entstehen. | Sachverhalt
ab Seite 413
BGE 102 II 413 S. 413
En vue de la création d'un réseau communal d'égouts, en rapport avec une entreprise d'améliorations foncières, la commune X. a désigné Y., ingénieur et géomètre officiel, en qualité de technicien de cette entreprise et l'a chargé de l'étude du réseau d'égouts. Elle a confié l'exécution des travaux de canalisation à l'entrepreneur M. Ces travaux ont été achevés pour l'essentiel en 1964.
L'entreprise M. a présenté sa facture pour l'ensemble des travaux le 21 juin 1965. Y. a reconnu l'exactitude de ce décompte le 29 juin et il en a informé le 30 juin la commune X. Il avait lui-même remis le 22 juin à la commune sa propre note d'honoraires.
Le 6 août 1971, la commune X. a introduit contre Y. une poursuite portant sur 140'581 fr. Elle a ouvert action, par demande du 21 mars 1973, en paiement de 140'000 fr. avec intérêt à 5% dès le 6 août 1971, ramenant par la suite ses conclusions à 11'842 fr. avec intérêt.
Le défendeur a conclu à libération, en invoquant la prescription.
BGE 102 II 413 S. 414
Par jugement du 25 juin 1976, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois, admettant l'exception de prescription, a rejeté la demande.
La demanderesse recourt en réforme au Tribunal fédéral en concluant au paiement de 10'943 fr. 31 avec intérêt à 5% dès le 6 août 1971.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Le jugement déféré constate que l'action de la demanderesse était primitivement fondée essentiellement sur de prétendus défauts de l'ouvrage, savoir la réalisation du réseau communal d'égouts. Les conclusions relatives à ces défauts ont toutefois été retirées pour ne laisser subsister que celles qui concernent les fautes imputées au défendeur dans le contrôle des factures de l'entrepreneur M.
Dans son recours, la demanderesse précise que les prétentions soumises au Tribunal fédéral se composent de deux postes: le premier se rapporte "au paiement à double du "tout venant" du remblayage des fouilles" par 6'418 fr. 78, ce paiement en trop à l'entreprise résultant d'une faute du défendeur. Quant au second poste, il s'agit d'un montant de 4'524 fr. 53 que la commune a payé en trop à l'entrepreneur à la suite d'un calcul opéré par le défendeur contrairement à une convention passée par les parties au sujet des fouilles.
b) Le Tribunal cantonal a jugé que l'action de la demanderesse était soumise au délai de prescription de cinq ans de l'
art. 371 al. 2 CO
, cette disposition étant applicable en raison d'erreurs affectant aussi bien la construction dont il s'est occupé que d'autres de ses activités, par exemple la vérification des factures. Les travaux exécutés par l'entrepreneur M. ayant été reçus en tout cas le 29 juin 1965, lorsque le décompte final établi par cet entrepreneur a été reconnu exact par le défendeur, la prescription de cinq ans était acquise au moment de la notification de la poursuite, le 6 août 1971.
2.
Aux termes de l'
art. 371 al. 2 CO
, l'action du maître en raison des défauts d'une construction immobilière se prescrit contre l'entrepreneur, de même que contre l'architecte ou l'ingénieur qui a collaboré à l'exécution de l'ouvrage, par cinq ans à compter de la réception. Le Tribunal cantonal admet que, "pris à la lettre", le texte de cette disposition vise seulement l'action du maître dérivant des défauts de l'ouvrage, et
BGE 102 II 413 S. 415
ne s'applique pas aux actions fondées sur un autre grief. A l'appui de son interprétation extensive, il invoque toutefois la jurisprudence du Tribunal fédéral (
ATF 89 II 405
ss; arrêt non publié Benguerel c. Meystre et consorts, du 22 juin 1918), "fondée d'une part sur la ratio legis de la loi, d'autre part sur la difficulté qu'il y aurait en pratique à distinguer ce qui relève des défauts et ce qui leur est étranger".
a) L'arrêt
ATF 89 II 405
ss concerne une action en dommages-intérêts intentée à l'architecte et aux entrepreneurs à la suite de défauts d'une construction immobilière. Le maître de l'ouvrage reprochait à l'architecte d'avoir mal examiné la nature du terrain, de n'avoir pas pris les mesures pour parer aux infiltrations d'eau et d'avoir négligé la surveillance des travaux. Le Tribunal fédéral considère que le texte même de l'
art. 371 al. 2 CO
vise la contribution de l'architecte, sans distinguer selon les services rendus ou le contrat conclu. Confirmant le point de vue adopté dans l'arrêt Benguerel, du 22 juin 1918 (consid. 1 in fine), il rejette la distinction préconisée par PORRET (RSJ 9 p. 387 s.) entre la garantie en raison des défauts de construction, qui se prescrirait par cinq ans, et celle dérivant de la conception des plans et de la vérification des comptes, qui se prescrirait par dix ans; selon cet auteur, la première est une responsabilité pour autrui, et le législateur a limité la prescription à cinq ans pour remédier à l'anomalie que constituait la différence entre les délais de prescription de l'action contre l'entrepreneur et de celle contre l'architecte ou l'ingénieur, ce dernier risquant ainsi d'être privé de son recours contre le premier. Le Tribunal fédéral tient la distinction de Porret pour malaisée en pratique et ne trouvant pas sa justification dans le texte légal. Se référant à OSER/SCHÖNENBERGER (n. 7 ad
art. 371 CO
), il relève que la réduction du délai a été voulue de façon uniforme, et que le texte légal ne fait aucune distinction entre les services que l'architecte peut être appelé à rendre au maître de l'ouvrage; il serait très aléatoire, dans l'espèce soumise à la Cour, de diviser le dommage suivant que l'obligation inexécutée ressortissait au contrat d'entreprise ou au mandat.
b) De même que l'arrêt Benguerel de 1918, l'arrêt
ATF 89 II 405
ss concerne une action en dommages-intérêts dirigée contre l'architecte - et contre l'entrepreneur - en raison de défauts d'une construction immobilière. En déclarant que le
BGE 102 II 413 S. 416
texte de l'
art. 371 al. 2 CO
"vise la contribution de l'architecte sans distinguer selon les services rendus ou le contrat conclu", le Tribunal fédéral fait allusion aux différentes activités de l'architecte, lorsqu'il assume "tout à la fois l'établissement des plans et la mise en mouvement, la surveillance et la revision des travaux". Il ne déclare toutefois pas le délai de prescription de cinq ans applicable à toutes les actions en dommages-intérêts, y compris celles qui ne dérivent pas de défauts de l'ouvrage; le délai n'est de dix ans, dit-il seulement, que lorsque l'entrepreneur, l'ingénieur ou l'architecte a intentionnellement dissimulé les défauts. Le Tribunal fédéral paraît également n'envisager que l'action fondée sur les défauts lorsqu'il écarte la distinction retenue par Porret en relevant qu'en l'espèce - où l'on reprochait à l'architecte d'avoir mal examiné la nature du terrain, de n'avoir pas pris les mesures pour parer aux infiltrations d'eau et négligé la surveillance des travaux -, "il serait extrêmement aléatoire, en pratique, de diviser le dommage suivant que l'obligation inexécutée ressortissait en soi au contrat d'entreprise ou au mandat". Quant au texte légal, également invoqué, le Tribunal fédéral ne dit nullement qu'il serait trop restrictif en parlant de l'action du maître "en raison des défauts d'une construction immobilière" ("wegen allfälliger Mängel des Werkes").
Dans la mesure où l'on voudrait néanmoins interpréter l'arrêt
ATF 89 II 405
ss, et l'arrêt Benguerel auquel il se réfère, en ce sens que la prescription de cinq ans de l'
art. 371 al. 2 CO
s'appliquerait également aux prétentions du maître ne dérivant pas de défauts de l'ouvrage - par exemple à l'action fondée sur une vérification insuffisante des factures d'un entrepreneur -, on n'y trouverait en tout cas pas de motifs propres à justifier une telle dérogation au texte clair de la loi.
L'arrêt
ATF 58 II 140
ss, également cité par l'arrêt
ATF 89 II 407
, concerne l'application de la prescription décennale dans un cas où le maître de l'ouvrage avait été intentionnellement induit en erreur au sujet des défauts invoqués. Il n'autorise aucune déduction en l'espèce.
c) OSER/SCHÖNENBERGER (n. 7 ad art. 371), que cite le jugement déféré, exposent qu'en soumettant également à la prescription de cinq ans les architectes et ingénieurs, le législateur a voulu éliminer l'anomalie provenant du fait que ceux-ci
BGE 102 II 413 S. 417
pouvaient encore être attaqués pour des défauts de l'ouvrage, alors que l'action récursoire contre les entrepreneurs était prescrite. Mais, ajoutent les commentateurs, ce délai de prescription ne concerne pas seulement les prétentions qui permettent aux architectes et ingénieurs d'exercer une action récursoire; "eine solche Auffassung (SJ Porret S. 387) lässt sich durch den Wortlaut des Abs. 2 nicht begründen". OSER/SCHÖNENBERGER ne traitent donc ici que de l'action fondée sur des défauts de l'ouvrage; ils n'envisagent nullement que d'autres prétentions du maître de l'ouvrage contre l'architecte ou l'ingénieur soient également soumises à la prescription de cinq ans.
BECKER (n. 4 ad art. 371, citée par le jugement déféré; n. 5-7 ad art. 371) ne vise lui aussi que la prescription des actions issues des défauts de l'ouvrage. Le titre précédant les notes 4-7 ("Verjährung wegen Mängeln eines unbeweglichen Bauwerkes") l'indique clairement.
Quant à GAUTSCHI (n. 22 ad art. 371), il distingue expressément, parmi les manquements dont répondent les architectes ou ingénieurs, ceux qui sont à l'origine de défauts de l'ouvrage (erreurs dans l'élaboration des plans, la conception de l'ouvrage par rapport au terrain à bâtir, la direction et l'organisation de la construction; "Konstruktionsfehler") et ceux qui ne remplissent pas cette condition, mais concernent les comptes de construction, les mesures de sécurité ou l'adjudication des travaux, c'est-à-dire tout ce qui touche à la "Geschäftsbesorgung". Après avoir relevé une déclaration du conseiller aux Etats Hoffmann (Bull.stén. CE 1910 p. 228), selon laquelle seule l'action en responsabilité dérivant de défauts de l'ouvrage doit se prescrire par cinq ans, GAUTSCHI écrit ce qui suit:
"Der Ausschluss der Geschäftsbesorgung von Architekten und Ingenieuren aus der abgekürzten Verjährung und zwar nicht nur dann, wenn eine absichtliche Täuschung oder sogar ein Deliktsbestand (z.B. Verletzung der Regeln der Baukunde) gegeben ist, entspricht sowohl dem Randtitel zu
Art. 367-371 OR
"Haftung für Mängel" als auch dem Wortlaut von Art. 371 II OR, wo nur von Ansprüchen "wegen allfälliger Mängel" die Rede ist."
GAUTSCHI ajoute que l'arrêt
ATF 89 II 407
s. a néanmoins ("trotzdem") admis que la prescription de cinq ans visait toutes les actions contre un architecte qui a collaboré à l'exécution
BGE 102 II 413 S. 418
d'une construction immobilière, "gleichgültig welcher Art die Dienste oder die Geschäftsbesorgung des Architekten oder Ingenieurs gewesen sei".
Dans ses notes 19 et 23 à l'
art. 371 CO
, citées par le jugement déféré - qui omet en revanche de mentionner la note 22 -, GAUTSCHI observe que la prescription de cinq ans s'applique à l'architecte ou à l'ingénieur indépendamment du fait qu'il est lié avec le maître de l'ouvrage par un contrat de travail ou de mandat (n. 19). Il relève en outre que les architectes et ingénieurs qui manquent à leurs obligations ne peuvent que rarement recourir contre les entrepreneurs et que, dans l'hypothèse où ceux-ci répondent du même défaut, il n'y a pas de solidarité entre l'architecte et l'entrepreneur, qui répondent en vertu de causes différentes (n. 23). Ces remarques n'infirment donc nullement le point de vue exprimé dans la note 22, à savoir que l'
art. 371 al. 2 CO
règle uniquement la prescription des actions dérivant des défauts de l'ouvrage.
3.
Que l'on considère l'
art. 371 al. 2 CO
selon sa lettre ou selon la ratio legis, qui était d'éviter que l'architecte ou l'ingénieur ne doive répondre des défauts d'une construction immobilière alors qu'il ne peut plus se retourner contre l'entrepreneur, on ne saurait appliquer cette disposition à toute action du maître contre l'entrepreneur, l'architecte ou l'ingénieur fondée sur l'inexécution ou l'exécution défectueuse de leurs obligations contractuelles. La prescription de cinq ans concerne les prétentions dérivant des défauts - sauf si le maître a été induit en erreur intentionnellement -, sans égard à la qualification des rapports contractuels noués entre le maître de l'ouvrage et l'architecte ou l'ingénieur. Elle ne vise en revanche pas l'action en dommages-intérêts que le maître peut exercer contre l'entrepreneur, l'architecte ou l'ingénieur répondant d'une violation de leurs obligations contractuelles, mais sans qu'il en résulte des défauts au sens des
art. 367 ss CO
: ainsi en cas de retard dans l'exécution de l'ouvrage, ou de dommage causé lors de cette exécution à un arbre ou une autre construction du maître de l'ouvrage.
L'
art. 371 al. 2 CO
n'est donc pas applicable, en l'espèce, à l'action intentée par la demanderesse contre le défendeur, pour le dommage consécutif à des fautes commises dans le contrôle des factures de l'entrepreneur M. Ces fautes ne
BGE 102 II 413 S. 419
sont pas à l'origine de défauts de la construction immobilière, elles ont seulement amené la demanderesse à payer à l'entrepreneur en question plus qu'il ne lui était dû. L'action est dès lors soumise à la prescription ordinaire de dix ans, selon l'
art. 127 CO
.
L'entrepreneur M. a présenté le 21 juin 1965 sa facture au défendeur, qui l'a reconnue exacte le 29 juin et l'a transmise le lendemain 30 juin à la demanderesse en disant qu'elle pouvait la payer. La prescription n'était donc en tout cas pas acquise lorsqu'elle a été interrompue par voie de poursuite le 6 août 1971. Il convient en conséquence d'annuler le jugement déféré et de renvoyer la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle statue quant au fond sur les prétentions de la demanderesse.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours, annule le jugement rendu le 25 juin 1976 par la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouveau jugement dans le sens des considérants. | public_law | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6a77b5b1-a10f-458e-9b41-4b612c0fb139 | Urteilskopf
103 IV 71
19. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 5 juillet 1977 dans la cause Syndicat X. contre C. et cst. | Regeste
Art. 29 StGB
.
Der Wille, Strafantrag zu stellen, muss in der vorgesehenen Form vor Ablauf der Frist von drei Monaten geäussert werden.
Will der Verletzte durch einen Vertreter handeln oder handelt ein Dritter für ihn ohne Vollmacht, so ist der Strafantrag nur gültig, wenn die Vollmacht bzw. Genehmigung vor Ablauf der Frist beigebracht wird. | Sachverhalt
ab Seite 71
BGE 103 IV 71 S. 71
L'avocat N. a déposé plainte au nom d'un syndicat ouvrier, pour atteintes à l'honneur résultant de publications et propos datant des 5 et 11 mai 1976, contre C., R. et H. Ceux-ci ont recouru au Tribunal d'accusation du Tribunal cantonal du canton de Vaud qui, statuant le 27 avril 1977, les a mis au bénéfice d'un non-lieu. En effet, à la requête du juge informateur, l'avocat N. avait produit, le 30 septembre 1976, une procuration en sa faveur signée par Y. et par Z., disant agir au nom du syndicat, mais qui ne possédaient pas eux-mêmes les pouvoirs d'engager le syndicat et n'étaient pas au bénéfice d'une procuration établie par les personnes autorisées à le faire. Ce n'est qu'après l'échéance du délai de plainte et en dehors du délai fixé par le juge informateur qu'ils ont déposé une procuration établie par les personnes ayant le pouvoir d'engager le syndicat.
Le Tribunal d'accusation a donc considéré que la plainte était irrégulière, partant irrecevable en la forme.
Le syndicat se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Il conclut au renvoi de la cause aux autorités judiciaires cantonales pour qu'elles donnent suite à la poursuite pénale.
BGE 103 IV 71 S. 72
Erwägungen
Considérant en droit:
4.
a) Le seul moyen sur lequel le Tribunal fédéral puisse entrer en matière, dans le cadre du pourvoi en nullité, est celui qui consiste à soutenir qu'il y aurait eu ratification de la plainte par le syndicat et qu'une ratification même postérieure à l'échéance du délai de plainte est possible en vertu du droit fédéral.
b) La ratification dont se prévaut la recourante ne peut être que l'attestation signée le 11 décembre 1976 par les nouveaux caissiers et secrétaires du syndicat qui, dès le 26 septembre 1976, avaient qualité pour l'engager juridiquement. On peut en effet admettre qu'il ressort de cette attestation que les personnes habilitées à engager le syndicat après le 26 septembre 1976, soit après l'échéance du délai de plainte, ont ratifié la plainte déposée auparavant par Y. et Z. déclarant agir pour le syndicat.
Une telle ratification, survenue après l'échéance du délai de plainte, doit cependant être considérée comme inopérante. En vertu de l'
art. 29 CP
, le droit de porter plainte se prescrit par trois mois. Or l'exercice de ce droit implique que le lésé a manifesté dans le délai de trois mois, et dans les formes prévues, sa volonté de déposer plainte. S'il veut agir par l'entremise d'un représentant, cette manifestation de volonté doit ressortir des pouvoirs conférés au représentant et, dès lors, être au moins contemporaine de l'octroi de ces pouvoirs, si elle ne lui est antérieure. Elle peut également ressortir de la ratification des actes d'un représentant sans pouvoirs, la ratification constituant alors la manifestation de volonté; mais pour être opérante elle doit s'exercer avant l'échéance du délai de trois mois de l'
art. 29 CP
. Toute autre manière de voir serait contraire au but et au sens du délai de plainte. Ce point de vue est d'ailleurs celui de la doctrine (REHBERG, in RPS 1969/85 p. 258-259; WALTER HUBER, die allgemeinen Regeln über den Strafantrag, p. HAUSER et REHBERG Strafrecht I, p. 109; cf. aussi, en droit allemand: JESCHECK, Lehrbuch, allg. Teil, 2e éd., p. 666).
Ainsi, la manifestation de la volonté de déposer plainte du syndicat contenue dans la ratification émanant des personnes habilitées à l'engager juridiquement n'étant que postérieure à l'échéance du délai de plainte, elle est impropre à valider la
BGE 103 IV 71 S. 73
plainte déposée dans le délai par les représentants sans pouvoirs qu'étaient Y. et Z.
c) C'est en vain, enfin, que la recourante invoque l'arrêt publié in
ATF 73 IV 68
. Cet arrêt concerne un représentant qui était habilité à représenter la personne morale lésée, ce qui n'est pas le cas dans la présente espèce. A supposer même, comme le prétend la recourante, que Y. et Z. avaient certains pouvoirs de représentation, qu'ils exerçaient en fait dans le cadre du syndicat, de tels pouvoirs ne sauraient en aucun cas s'étendre au droit strictement personnel que constitue le droit de déposer une plainte pour atteinte à l'honneur. Dans un tel cas, une procuration spéciale est toujours nécessaire (
ATF 99 IV 4
-5).
Le pourvoi doit donc être rejeté dans la mesure où il est recevable. | null | nan | fr | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6a7ee1eb-9880-46d8-9fa0-8d9301827883 | Urteilskopf
88 IV 143
35. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 24. November 1962 i.S. François gegen Bezirksgericht Zürich und Tribunal de police du canton de Genève. | Regeste
Art. 264 BStP
.
Bei Antragsdelikten steht dem Verletzten sowohl im Falle eines negativen wie eines positiven Kompetenzkonfliktes zwischen den beteiligten Kantonen die Befugnis zu, die Anklagekammer zur Bestimmung des Gerichtsstandes anzurufen (Änderung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 143
BGE 88 IV 143 S. 143
Aus den Erwägungen:
Art. 264 BStP
räumt das Recht, wegen des Gerichtsstandes die Anklagekammer des Bundesgerichtes anzurufen, ausser den beteiligten Kantonen bloss dem Beschuldigten ein. Über den Gesetzeswortlaut hinausgehend, hat jedoch die Rechtsprechung die genannte Befugnis auch dem Antragsteller zuerkannt (
BGE 78 IV 250
), sie aber - wie beim Strafanzeiger und dem Strafkläger (
BGE 71 IV 58
,
BGE 73 IV 62
,
BGE 86 IV 134
) - auf den Fall des negativen Kompetenzkonfliktes beschränkt. Da ein solcher Konflikt hier nicht besteht, wäre nach der bisherigen Praxis auf das Gesuch mangels Legitimation des Gesuchstellers nicht einzutreten. Indessen ist nicht zu sehen, warum die Gesuchsberechtigung des Antragstellers davon abhängen sollte,
BGE 88 IV 143 S. 144
ob es sich um einen negativen oder um einen positiven Kompetenzkonflikt unter den beteiligten Behörden handle. Wie die Anklagekammer in
BGE 78 IV 250
f. auseinandergesetzt hat, wurde dem Antragsteller die Legitimation nach
Art. 264 BStP
als Ersatz dafür zugestanden, dass er infolge der durch die Praxis eingeführten Änderung des Rechtsmittelsystems (
BGE 73 IV 54
) des Rechtes verlustig ging, kantonale Vor- und Zwischenentscheide wegen Verletzung der
Art. 346 ff. StGB
mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde anzufechten. Nachdem aber
Art. 270 Abs. 1 BStP
bei Antragsdelikten den Verletzten als Antragsteller vorbehaltlos zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert erklärt, ist es nur folgerichtig, ihm auch im Rahmen des
Art. 264 BStP
die Befugnis, an die Anklagekammer zu gelangen, uneingeschränkt, d.h. sowohl im Falle eines negativen wie eines positiven Kompetenzkonfliktes zuzugestehen (ebenso COUCHEPIN, Les conflits de compétence, ZStR 1948 S. 115). Auf das Gesuch des Antragstellers ist daher einzutreten. | null | nan | de | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6a7f0701-b82f-47b1-a66a-684217d997a7 | Urteilskopf
111 Ia 108
20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung von 7. Juni 1985 i.S. X. gegen Kantonsgericht Schwyz (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 33 BV
und Art. 5 ÜbBest. BV.
Ein von einem Kanton ohne Examen ausgestelltes Anwaltspatent braucht in einem anderen Kanton in der Regel nicht als Befähigungsausweis im Sinne von Art. 5 ÜbBest. BV anerkannt zu werden (Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 108
BGE 111 Ia 108 S. 108
Die Zivilprozessordnung des Kantons Glarus vom 2. Mai 1965 bestimmt in Art. 48:
Den Anwaltsberuf ausüben und damit Parteien vertreten dürfen nur Personen, die im Besitz des Aktivbürgerrechts sind und die zur Ausübung des Berufes notwendigen Kenntnisse besitzen. Sie haben sich beim Obergericht anzumelden unter Vorweisung eines Leumundszeugnisses, allfälliger Zeugnisse und Ausweise über Studiengang sowie praktische Betätigung, über deren Zulänglichkeit das Obergericht nach freiem Ermessen befindet. ...
Gestützt auf diese Bestimmung hat das Obergericht am 31. Mai 1976 ein Reglement über die Zulassung zum Anwaltsberuf und zur
BGE 111 Ia 108 S. 109
öffentlichen Beurkundung im Kanton Glarus erlassen. Gemäss Art. 2 Abs. 1 sind zur Erlangung des Anwaltspatentes folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
a) ...
b) Abschluss juristischer Studien (Doktorat oder Lizentiat) an der juristischen Fakultät einer schweizerischen Universität oder ähnliche Studien oder Examina, sofern diese gleichwertig sind und vom Obergericht anerkannt werden;
c) Einjährige vollamtliche Praxis auf der Gerichtskanzlei oder in einem geeigneten Anwaltsbüro im Kanton Glarus. In besonderen Fällen kann auch eine ausserhalb des Kantons ausgeübte praktische Tätigkeit anerkannt werden;
d) Erfolgreiche Ablegung einer vom Obergericht angeordneten Prüfung.
Die Prüfung kann das Obergericht unter Mitwirkung ausserkantonaler Instanzen und Sachverständiger durchführen (Abs. 2). Sofern besondere Umstände gegeben sind, kann beim Vorliegen des Doktorats oder des Lizentiats der juristischen Fakultät einer schweizerischen Universität auf die Abnahme einer Prüfung verzichtet werden (Abs. 3).
Am 15. Juli 1981 erwarb der Beschwerdeführer an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich das Lizentiat der Rechtswissenschaft mit dem Prädikat "magna cum laude". In der Folge absolvierte er ein einjähriges Volontariat bei Rechtsanwalt X in Glarus. In seinem Schreiben vom 24. November 1982 an das Obergericht des Kantons Glarus erklärte sich Rechtsanwalt X als "ausserordentlich zufrieden" mit den Leistungen. Der Beschwerdeführer habe während seines einjährigen Volontariates etwa 70 bis 80 Fälle selbständig bearbeitet und zahlreiche Rechtsschriften, die von Rechtsanwalt X unterzeichnet worden seien, ausgearbeitet.
Mit Beschluss vom 10. Januar 1983 erteilte das Obergericht des Kantons Glarus dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufes. Auf die Durchführung eines Examens wurde verzichtet. In seiner Begründung wies das Obergericht darauf hin, dass der Gesuchsteller während seiner einjährigen Praktikumszeit bei Rechtsanwalt X keine Möglichkeit gehabt habe, als Substitut vor Obergericht zu plädieren. Hingegen hätten die erstinstanzlichen Gerichte einen guten Eindruck von seinem Prozessgebaren gewonnen. Sein Auftreten sei korrekt gewesen, die Ausführungen sachkundig, die Fälle seien jeweils gründlich vorbereitet und dabei die wesentlichen Punkte erkannt und untersucht
BGE 111 Ia 108 S. 110
worden. Es bestünden "deshalb keine konkreten Hinweise darauf, dass an der Eignung zur selbständigen Ausübung des Anwaltsberufes gezweifelt werden müsste". Daher könne "bedenkenlos auf die Anordnung eines Examens verzichtet werden".
Mit Beschluss vom 30. Oktober 1984 wies das Kantonsgericht Schwyz ein Gesuch des Beschwerdeführers um Erteilung der Bewilligung zur berufsmässigen Vertretung und Verbeiständung von Parteien als Anwalt im Kanton Schwyz ab. Hiegegen richtet sich die vorliegende, insbesondere auf
Art. 33 BV
und Art. 5 ÜbBest. BV gestützte staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
Der Anwaltsberuf gehört zu den wissenschaftlichen Berufsarten, deren Ausübung die Kantone von einem Nachweis der Befähigung abhängig machen können (
Art. 33 Abs. 1 BV
). Der in einem Kanton erlangte Befähigungsausweis berechtigt zur Berufsausübung in der ganzen Eidgenossenschaft (Art. 5 ÜbBest. BV). Verlangt ein Bewerber aufgrund eines solchen Ausweises in einem anderen Kanton zur Advokatur zugelassen zu werden, so darf daher die Behörde des ersuchten Kantons die Bewilligung nicht davon abhängen lassen, ob die Voraussetzungen vorliegen, an welche die eigene Ordnung dieses Kantons die Erlangung des Fähigkeitsausweises knüpft. Andererseits braucht sie den ausserkantonalen Ausweis aber auch nicht unbesehen hinzunehmen. Sie darf in gewissem Umfange prüfen, ob damit die berufliche Eignung des Bewerbers dargetan sei. "Sie muss sich mit der Feststellung der Behörde des anderen Kantons, dass bestimmte Formerfordernisse erfüllt sind, nicht begnügen, sondern darf verlangen, dass der Ausstellung des Ausweises eine materielle Untersuchung über die erforderlichen wissenschaftlichen und auch praktischen Fähigkeiten des Bewerbers, sei es im Wege eines Examens, sei es auf andere Weise, vorausgegangen ist" (
BGE 84 I 27
; vgl.
BGE 69 I 2
ff.)
Nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichts genügte für den Nachweis der wissenschaftlichen Fähigkeiten der Ausweis einer schweizerischen Universität über ein erfolgreich bestandenes Schlussexamen. Daneben konnte aber ein Ausweis über die praktischen Fähigkeiten verlangt werden; dazu reichte ein akademischer Titel nicht aus (
BGE 69 I 3
ff.,
BGE 84 I 28
ff.). Hingegen genügte jede auf einer materiellen Untersuchung beruhende, gesetzmässige
BGE 111 Ia 108 S. 111
Feststellung der zuständigen Behörde, dass der Patentinhaber die erforderlichen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten habe; es kam nicht darauf an, ob die Untersuchung der wissenschaftlichen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten sehr eingehend, z. B. durch ein Examen, oder in summarischer Weise, z. B. durch blosse Beurteilung der bisherigen praktischen Leistungen stattgefunden hatte (
BGE 45 I 365
). Für das letztere genügte allerdings die blosse Feststellung, dass das erforderliche Praktikum absolviert wurde, nicht, obwohl man dies aus einem alten Entscheid des Bundesgerichts (
BGE 30 I 366
/7) schliessen könnte (vgl. NEF, SJK 619 IV S. 12 f.). Im nicht publizierten Entscheid i.S. Dr. Y. vom 10. September 1982 erachtete es das Bundesgericht noch als genügende Untersuchung, dass das Patent erteilt worden war einerseits aufgrund einer Dissertation über die Glarner Zivilprozessordnung und andererseits unter Berücksichtigung einer einjährigen praktischen juristischen Tätigkeit auf dem Bezirksgericht Zürich und eines einjährigen Praktikums bei einem Rechtsanwalt im Kanton Glarus sowie anhand von Beobachtungen und entsprechender Beurteilung der praktischen Fähigkeiten des Bewerbers durch das Obergericht des Kantons Glarus als Zulassungsbehörde.
2.
Die ausserordentliche Grosszügigkeit der alten Praxis des Bundesgerichts lässt sich wohl aus der Erwartung des baldigen Erlasses eines Bundesgesetzes im Sinne von
Art. 33 Abs. 2 BV
erklären. Nach dieser Bestimmung hätte der Bundesgesetzgeber für den Erwerb des Fähigkeitsausweises einheitliche Vorschriften zu erlassen, die entweder in einer eidgenössischen Prüfung oder in einheitlichen gesetzlichen Anforderungen an kantonale Prüfungen bestehen könnten (vgl. BURCKHARDT, Kommentar BV, 3. Aufl. 1931, S. 279). Nachdem sich diese Erwartung bis heute nicht erfüllt hat und in absehbarer Zeit kaum erfüllen wird, obliegt es der Praxis, einstweilen nach der Übergangsbestimmung der Bundesverfassung die Mindestanforderungen festzulegen, denen der Fähigkeitsausweis eines Kantons genügen muss, um in einem anderen Kanton anerkannt zu werden. Art. 5 ÜbBest. BV gibt somit dem Bundesgericht auf, einen vertretbaren Standard für den Befähigungsausweis zu finden, solange der Bundesgesetzgeber dies nicht tut. Dieser Mindeststandard kann heute nicht mehr unbesehen der gleiche sein wie vor dem ersten Weltkrieg oder auch noch zu Beginn der vierziger Jahre, als das eidgenössische Strafgesetzbuch in Kraft trat und eine rasche Zunahme der verwaltungsrechtlichen Erlasse auf verschiedensten Gebieten einsetzte. In neuerer Zeit ist
BGE 111 Ia 108 S. 112
denn auch eine deutliche Verschärfung der Anforderungen an die beruflichen Fähigkeiten eines Anwaltes eingetreten, weil die Gesetzgebung, in der sich ein Anwalt auskennen muss, vielfältiger und sehr viel differenzierter geworden ist. Seither wurden die Ausbildungsmöglichkeiten für Anwälte besser. Auch die Bedeutung einer an das Universitätsstudium anschliessenden praktischen Ausbildung und deren Prüfung erhöhte sich durch diese Entwicklung. Eine solche Prüfung zwingt den angehenden Anwalt, sich mit spezifischen Fragen besonders des Verfahrens- und des kantonalen Rechts auseinanderzusetzen und sich einem gewissen psychischen Druck zu unterziehen, dem er später bei der Ausübung seines Berufes ebenfalls ausgesetzt sein wird. Auch den Vorbereitungen auf eine solche Prüfung kann demnach ein positiver Wert nicht abgesprochen werden. In Änderung der bisherigen Praxis ist somit die Abnahme einer Prüfung als Standard im Sinne von Art. 5 ÜbBest. BV festzulegen. Von diesem Normalfall gibt es durchaus Ausnahmen, nach denen beim Vorliegen "besonderer Umstände" im Einzelfall auf die Durchführung einer Prüfung verzichtet werden kann. Solche Ausnahmen kennen denn auch die grösseren Kantone, die seit jeher die Anwaltskandidaten einer Prüfung unterziehen. Zu denken ist etwa an Fälle, wo ein Fähigkeitsausweis gestützt auf die lange praktische Tätigkeit eines Kandidaten in der Rechtspflege oder im Staatsdienst ohne Anwaltsprüfung erteilt wird.
3.
Vorliegendenfalls unterzog das Obergericht des Kantons Glarus den Beschwerdeführer keiner Prüfung. Es hat auf die Beurteilung der erstinstanzlichen Gerichte sowie auf das Schreiben von Rechtsanwalt X, bei dem der Beschwerdeführer ein einjähriges Praktikum absolvierte, abgestellt. Daraus erhellt, dass der Beschwerdeführer beim Erwerb des Patentes gerade das - aber nicht mehr - erfüllte, was in anderen Kantonen als Voraussetzung zur Zulassung zum Anwaltsexamen verlangt wird. Um sich aber ein Bild von den fachlichen und praktischen Fähigkeiten des Beschwerdeführers zu machen, hätte die Patenterteilungsbehörde den Beschwerdeführer einer Prüfung unterziehen müssen. Wohl wird von ihr der Unterschied gemacht, der blosse Ausweis über die Absolvierung eines Praktikums genüge nicht; der Bewerber müsse in dieser Zeit auch gezeigt haben, dass er sich die nötigen Kenntnisse angeeignet habe. Es ist nun aber offensichtlich, dass dieses Kriterium kaum praktikabel ist. Das zeigt sich hier besonders gut, lässt sich doch die Beurteilung durch die erstinstanzlichen Gerichte
BGE 111 Ia 108 S. 113
und durch einen Privaten (Rechtsanwalt X) überhaupt nicht überprüfen. Auch geht die Art und Weise, wie das Obergericht das Reglement über die Zulassung zum Anwaltsberuf im Kanton Glarus handhabt, über die dargestellten Ausnahmen, bei denen auf die Abnahme einer Prüfung verzichtet werden kann, hinaus. Obwohl als Regel die Ablegung einer Prüfung verlangt wird (Art. 2 Abs. 1 lit. d) und davon nur abgesehen werden kann, "sofern besondere Umstände gegeben sind" (Abs. 3), scheinen bisher sämtlichen Bewerbern diese besonderen Umstände zugebilligt worden zu sein. Man kann zwar diese Praxis nicht allein dem Obergericht zum Vorwurf machen. Denn gemäss Art. 48 der Zivilprozessordnung hat es über die Zulänglichkeit der vom Bewerber vorgelegten Zeugnisse und Ausweise über Studiengang sowie praktische Betätigung nach freiem Ermessen zu befinden. Ob der damit dem Obergericht eingeräumte Ermessensspielraum als gesetzliche Grundlage bereits genügt, um für die Zulassung zur Advokatur im Kanton Glarus ein Examen zu verlangen, erscheint fraglich. Unter diesen Umständen kann aber Art. 2 des Reglements im Zusammenhang mit Art. 5 ÜbBest. BV zwanglos dahingehend ausgelegt werden, jenen Anwaltskandidaten eine Prüfung zu ermöglichen, die später in einem anderen Kanton zu praktizieren wünschen (vgl. MAURER, Die Voraussetzungen der Zulassung zur Advokatur und deren verfassungsrechtliche Grundlagen, Diss. Zürich 1941, S. 46 ff. und besonders 52 f.).
4.
Man könnte sich allenfalls fragen, ob aus der Praxisänderung des Bundesgerichts für den Beschwerdeführer eine nicht zu rechtfertigende Härte entsteht. Das ist zu verneinen. Das Bundesgericht hat bereits in seinem (nicht publizierten) Entscheid vom 10. September 1982 i.S. Dr. Y die Tendenz erkennen lassen, den Kantonen strengere Anforderungen bei der Gewährung der Freizügigkeit zu ermöglichen. Das konnte auch dem Beschwerdeführer, der in seinem Gesuch an das Kantonsgericht Schwyz ausdrücklich auf den genannten Entscheid hinwies und sich im bundesgerichtlichen Verfahren von Dr. Y, dem damaligen Beschwerdeführer, vertreten lässt, nicht entgangen sein. Im Falle Dr. Y lagen zudem insofern "besondere Umstände" vor, als der Gesuchsteller eine Dissertation über das kantonale Zivilprozessrecht geschrieben hatte, was dem Obergericht ermöglichte, sich ein Bild gerade über jene Kenntnisse zu machen, die für die praktische Anwaltstätigkeit von besonderer Bedeutung sind, durch ein akademisches Studium aber nicht ohne weiteres vermittelt werden.
BGE 111 Ia 108 S. 114
Hinzu kommt, dass das Obergericht sich auf eigene Feststellungen über die praktische Tätigkeit des Bewerbers stützen konnte und dieser nebst einem einjährigen Praktikum bei einem Glarner Anwalt zusätzlich ein einjähriges Praktikum bei einem Zürcher Bezirksgericht absolviert hatte. Es versteht sich von selbst, dass derartige partikuläre Gesichtspunkte keine tauglichen Kriterien für eine allgemeine Freizügigkeitspraxis ergeben. Es braucht hier auch nicht geprüft zu werden, ob an jener Begründung noch festgehalten werden könnte. Auf jeden Fall ist nach gründlicher Überprüfung der Rechtslage und der Anforderungen, welche heute an die Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten gestellt werden, festzuhalten, dass eine Patentierung gestützt auf den Universitätsabschluss und die Feststellung, dass der Bewerber während seines einjährigen Anwaltspraktikums bei den Gerichten nicht unangenehm aufgefallen sei, heute nicht mehr genügt, um andere Kantone zur Zulassung nach Art. 5 ÜbBest. BV zu verhalten. Indem das Kantonsgericht Schwyz dem Beschwerdeführer die Zulassung zur Advokatur im Kanton Schwyz verweigerte, hat es
Art. 33 BV
in Verbindung mit Art. 5 ÜbBest. BV nicht verletzt.
5.
Auch eine Verletzung von
Art. 31 BV
durch Ungleichbehandlung von Gewerbegenossen liegt nicht vor.
Nach seiner früheren Praxis liess das Kantonsgericht Schwyz die Glarner Anwälte zu in der Annahme, diese hätten keine Möglichkeit, eine Anwaltsprüfung abzulegen. Es nahm indessen am 3. März 1983 eine Praxisänderung vor, als es im Zusammenhang mit dem Gesuch eines anderen Bewerbers die Rechtslage im Kanton Glarus in Erfahrung brachte. Dass es noch im Jahre 1982 drei Gesuchstellern die Berufsausübung zugestand, obwohl sie von der bei ihrer Patentierung bestehenden Möglichkeit eines Examens keinen Gebrauch gemacht hatten, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, da es in diesem Zeitpunkt vom Reglement des Obergerichtes des Kantons Glarus keine Kenntnis hatte.
Viel schwierigere Übergangsprobleme stellen sich bei denjenigen Bewerbern, die im Zeitpunkt ihrer Patentierung überhaupt noch keine Möglichkeit hatten, eine Prüfung abzulegen. Ob in solchen Fällen die seitherige längere Berufsausübung vom ersuchten Kanton anerkannt werden muss oder dieser die Zulassung zur Advokatur auf seinem Gebiet von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig machen darf, ist hier indessen nicht zu entscheiden. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
6a8142f6-dd9c-42da-a61f-39666f27e507 | Urteilskopf
117 Ib 243
31. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. September 1991 i.S. Wasserversorgung Horgen, Thalwil, Rüschlikon, Kilchberg gegen Regierungsrat des Kantons Schwyz und Eidgenössisches Departement des Innern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 24sexies Abs. 5 BV
,
Art. 16 und 18a NHG
, Art. 1 Hochmoorverordnung vom 21. Januar 1991; befristete Massnahmen zum Schutz von Moorlandschaften.
1. Anwendbarkeit von
Art. 16 NHG
(E. 2a).
2. Als Objekt des Bundesinventars der Hoch- und Übergangsmoore von nationaler Bedeutung stellt das fragliche Gebiet nach
Art. 24sexies BV
ein Schutzobjekt dar (E. 2b).
3. Interessenabwägung zwischen den Interessen des Naturschutzes einerseits und andern öffentlichen Interessen sowie der Eigentumsgarantie andererseits (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 243
BGE 117 Ib 243 S. 243
Der Zweckverband Wasserversorgung Horgen, Thalwil, Rüschlikon, Kilchberg (HTRK) besitzt Trinkwasserfassungen und
BGE 117 Ib 243 S. 244
Transportleitungsanlagen auf dem Kantonsgebiet Schwyz, im Raum Rothenthurm-Biberbrugg. Die Trinkwasserversorgungsanlage besteht seit dem Jahr 1909; sie sichert für rund 30 000 Einwohner mit Spitälern usw. die Trinkwasserversorgung und den zugehörigen Feuerschutz.
Von der 7,2 km langen Transportleitung von Rothenthurm bis Biberbrugg befinden sich ca. 3,3 km im Hochmoorgebiet. Die Leitung liegt auf diesem Teilstück in etwa parallel zur Biber, welche das Hochmoorgebiet von Rothenthurm bis zum Stöckentobel in vielen Schlaufen durchquert. Da sich aufgrund des Mäandrierens der Biber immer wieder Bachlaufveränderungen ergeben und instabile Uferbereiche der Biber der erodierenden Wirkung des periodisch auftretenden Hochwassers nicht standhalten können, sind zur Sicherung der Leitungsanlagen immer wieder kleinere Bauarbeiten und Uferbefestigungen nötig.
Im Hinblick auf eine beabsichtigte Verordnung zum Schutz der Hochmoorebene von Biberbrugg-Rothenthurm erliess der Regierungsrat des Kantons Schwyz mit Beschluss vom 29. Januar 1985 gestützt auf
Art. 27 RPG
eine Planungszone für die Hochmoorebene Biberbrugg-Rothenthurm. Das Justizdepartement des Kantons Schwyz verlängerte am 19. Dezember 1989 gestützt auf § 12 Abs. 2 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 14. Mai 1987 die Geltungsdauer dieser bis Ende 1989 befristeten Massnahme bis Ende 1990. Mit Verfügung vom 13. Dezember 1990 erliess das EDI gestützt auf
Art. 16 NHG
vorsorgliche Massnahmen zum Schutz des Moorgebietes Biberbrugg-Rothenthurm. Danach werden unter anderem innerhalb des gesamten Gebietes das Errichten von neuen Bauten und Anlagen, Veränderungen der Ufer der Biber und der übrigen Bachläufe sowie die Beseitigung der bachbegleitenden Gehölze untersagt. In der Zone B gilt ein Verbot der Vornahme von Entwässerungen, Abgrabungen und Aufschüttungen sowie der Anlagen von neuen Wölbäckern. In der Zone C sind unter anderem Terrainveränderungen verboten. Diese Bestimmungen gelten bis zum Inkrafttreten einer definitiven kantonalen Schutzverordnung, längstens aber bis zum 31. Dezember 1994.
Mit Eingabe vom 21. Januar 1991 führt die Wasserversorgung Horgen, Thalwil, Rüschlikon, Kilchberg (HTRK) Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht.
Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
BGE 117 Ib 243 S. 245
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Das EDI stützt die angefochtene Verfügung auf
Art. 16 NHG
. Nach dieser Bestimmung kann das EDI, wenn einer Naturlandschaft im Sinne von
Art. 15 NHG
, einer geschichtlichen Stätte oder einem Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung unmittelbare Gefahr droht, ein solches Objekt durch befristete Massnahmen unter den Schutz des Bundes stellen und die nötigen Sicherungen zu seiner Erhaltung anordnen. Objekt von nationaler Bedeutung sind in erster Linie Stätten und Sachen, die als solche in die vom Bund nach
Art. 5 und
Art. 18a NHG
zu erstellenden Inventare aufgenommen worden sind. Schutzwürdig sind aber auch solche Objekte, die nicht oder noch nicht in das Verzeichnis aufgenommen wurden, wenn an ihrer Erhaltung ein über den Kanton oder die Gegend, in der sie liegen, hinausgreifendes Interesse besteht (
BGE 100 Ib 163
E. 2).
Damit
Art. 16 NHG
anwendbar ist, muss dem Schutzobjekt eine unmittelbare Gefahr drohen. Das bedeutet insbesondere, dass die Gefahr zeitlich unmittelbar bevorstehen muss. Diese Wendung ist nach einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Auslegung auch dahingehend zu verstehen, dass die Gefahr das Objekt von nationaler Bedeutung unmittelbar in seinem bisherigen Bestand treffen muss (
BGE 100 Ib 164
).
b) Die angefochtene Schutzverfügung bezieht sich auf das Gebiet der bisherigen kantonalen Planungszone Biberbrugg-Rothenthurm. Das Gebiet ist Teil der Moorlandschaft Rothenthurm-Altmatt-Biberbrugg, welche als Objekt Nr. 1308 im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgeführt ist. Es umfasst Biotope von nationaler Bedeutung im Sinne von
Art. 18a NHG
: Mit der Verordnung über den Schutz der Hoch- und Übergangsmoore von nationaler Bedeutung (Hochmoorverordnung) vom 21. Januar 1991 wurde das Bundesinventar der Hoch- und Übergangsmoore von nationaler Bedeutung geschaffen. Das von der angefochtenen Verfügung betroffene Gebiet ist darin als Teil des Objektes Nr. 303 Altmatt-Biberbrugg aufgeführt. Nach dem Entwurf zu einer Flachmoorverordnung sollen die Flachmoore in diesem Gebiet als Objekt Nr. 1951 ins Bundesinventar der Flachmoore von nationaler Bedeutung aufgenommen werden. Sowohl Art. 1 der Hochmoorverordnung als auch Art. 1 der im Entwurf vorliegenden Flachmoorverordnung stellen fest, dass die inventarisierten Objekte das
BGE 117 Ib 243 S. 246
Erfordernis der besonderen Schönheit im Sinne von Art. 24sexies
Art. 5 BV
erfüllen. Solche Objekte, nämlich Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung, stellen nach
Art. 24sexies Abs. 5 BV
besondere Schutzobjekte dar.
3.
Die Beschwerdeführerin stellt die gesetzliche Grundlage sowohl für die vorsorglichen Massnahmen als auch für den Schutz der Hoch- und Flachmoore als solche zu Recht nicht in Frage. Sie rügt eine überlange Dauer der Beschränkung der Eigentümerbefugnisse, indem mit der angefochtenen Verfügung das bereits seit sechs Jahren bestehende Veränderungsverbot um weitere vier Jahre verlängert werde. Weiter macht sie geltend, es sei zu Unrecht eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Naturschutzes und den damit kollidierenden, ebenfalls öffentlichen Interessen an der unversehrten Bewahrung der Wassertransportanlage unterblieben.
a) Die Eigentumsgarantie gewährleistet das Eigentum, wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung festhält, nicht unbeschränkt, sondern nur innert den Schranken, die ihm im öffentlichen Interesse durch die Rechtsordnung gezogen sind. Wichtige öffentliche Interessen, wie die in der Bundesverfassung verankerten Anliegen der Raumplanung, des Umweltschutzes, des Gewässerschutzes und des Natur- und Heimatschutzes, sind der Gewährleistung des Eigentums grundsätzlich gleichgestellt. Die Zulässigkeit darauf gestützter, eigentumsbeschränkender Massnahmen basiert somit auf einer Interessenabwägung mit der Eigentumsgarantie (
BGE 105 Ia 336
f. E. 3c mit Hinweisen).
b) Um dem Aussterben einheimischer Tier- und Pflanzenarten entgegenzuwirken, sind genügend grosse Lebensräume (Biotope) zu erhalten (
Art. 18 Abs. 1 NHG
). Moore und andere Standorte, die eine ausgleichende Funktion im Naturhaushalt erfüllen oder besonders günstige Voraussetzungen für Lebensgemeinschaften aufweisen, sind besonders zu schützen (
Art. 18 Abs. 1bis NHG
). Die Beeinträchtigung derartiger Lebensräume durch technische Eingriffe ist grundsätzlich zu vermeiden (
Art. 18 Abs. 1ter NHG
). Erst wenn sich Eingriffe unter Abwägung aller Interessen als unvermeidlich erweisen, stellt sich die Frage nach Schutz-, Wiederherstellungs- oder Ersatzmassnahmen. Mit dem Erlass von
Art. 24sexies Abs. 5 BV
(in Kraft seit 6. Dezember 1987) und der Art. 18a bis 18d NHG (in Kraft seit 1. Februar 1988) wurde der Biotopschutz noch einmal verstärkt (
BGE 114 Ib 272
f. E. 4 mit
BGE 117 Ib 243 S. 247
Hinweisen). Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung (
Art. 24sexies Abs. 5 BV
) ebenso wie Biotope von nationaler Bedeutung (
Art. 18a Abs. 1 NHG
) sind zwingend geschützt (
BGE 116 Ib 208
f. E. 4b). Im örtlichen Anwendungsbereich von
Art. 24sexies Abs. 5 BV
dürfen weder Anlagen gebaut noch Bodenveränderungen irgendwelcher Art vorgenommen werden. Stellt ein Gebiet ein Schutzgebiet im Sinne dieser Verfassungsbestimmung dar, so besteht darin ein absolutes Veränderungsverbot (vgl. THOMAS FLEINER-GERSTER, in Kommentar BV, Art. 24sexies, Rz. 45). Ausnahmen sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Verfassungsbestimmung nur zulässig für "Einrichtungen, die der Aufrechterhaltung des Schutzzweckes und der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung dienen". Eine Interessenabwägung gegenüber dem verfassungsmässig vorgesehenen Veränderungsverbot kann im Einzelfall nicht in Frage kommen. Vielmehr sind Interessenabwägung und Verhältnismässigkeit diesbezüglich bereits in der abstrakten Rechtsnorm vorab entschieden worden.
c) Anderes ergibt sich auch aus der Besitzstandsgarantie nicht. Danach dürfen neue Eigentumsbeschränkungen auf nach altem Recht rechtmässig erstellte Bauten nur angewendet werden, wenn ein gewichtiges öffentliches Interesse dies verlangt und das Gebot der Verhältnismässigkeit eingehalten ist (
BGE 113 Ia 122
E. 2a). Denn die angefochtenen Massnahmen beziehen sich auf das Errichten von neuen Bauten und Anlagen, Veränderungen der Ufer der Biber und auf Terrainveränderungen, und damit nicht unmittelbar auf die bestehenden Bauten und Anlagen. Zudem können, wie das EDI in seiner Vernehmlassung ausführt, Ausnahmen von der zuständigen kantonalen Behörde auf Gesuch hin bewilligt werden, wenn sie mit den verfassungsrechtlich zulässigen Ausnahmen im Einklang stehen.
d) Die von der Beschwerdeführerin angefochtenen Bestimmungen betreffen allesamt Massnahmen, die nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck von
Art. 24sexies Abs. 5 BV
, soweit diese Verfassungsbestimmung Anwendung findet, ausgeschlossen oder nur dem Schutzzweck entsprechend zulässig sind. Wie weit dieser Anwendungsbereich und damit der Schutzbereich von
Art. 24sexies Abs. 5 BV
in örtlicher und sachlicher Hinsicht definitiv geht, braucht hier jedoch nicht im einzelnen geprüft zu werden. Im Rahmen der vorsorglichen Massnahmen kann es nicht darum gehen, über den örtlichen und sachlichen Umfang des
BGE 117 Ib 243 S. 248
Schutzobjektes verbindlich zu entscheiden und der definitiven Nutzungsplanung und damit der Frage, welche Massnahmen mit dem Schutzzweck verträglich sind, vorzugreifen. Hiezu erweist sich die in Ziff. 1.7 der angefochtenen Verfügung vorgesehene Prüfung einzelner Massnahmen auf ihre ausnahmsweise Zulässigkeit hin als geeignet. Auch die von der Beschwerdeführerin gestellten Eventualbegehren sind deshalb als unbegründet abzuweisen.
e) Nachdem Teile der Anlagen der Beschwerdeführerin unbestrittenermassen im Moorgebiet liegen und die definitive kantonale Schutzverordnung bis Ende 1994 in Aussicht steht, erscheint die angefochtene Verfügung auch in zeitlicher Hinsicht nicht als unverhältnismässig. Inwieweit sich aus der Eigentumsbeschränkung ein Entschädigungsanspruch aus materieller Enteignung ergeben kann, ist nicht im vorliegenden Verfahren zu prüfen. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
6a893273-ff33-42cd-afdb-20e76d670cf9 | Urteilskopf
119 IV 59
11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Januar 1993 i.S. H. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 305bis Ziff. 1 StGB
; Verstecken von Drogengeld.
Den Grundtatbestand der Geldwäscherei erfüllt jede Tathandlung, die geeignet ist, die Einziehung der Verbrechensbeute zu vereiteln (E. 2).
Bedeutung des Randtitels für die Auslegung (E. 2b/cc).
Das Verstecken von Drogengeld (
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
) ist eine Vereitelungshandlung (E. 2d). | Sachverhalt
ab Seite 60
BGE 119 IV 59 S. 60
A.-
H. wusste, dass in seiner Wohnung vom Juli bis Dezember 1990 Geld aus Drogenhandel versteckt war. Als er bei einem Nachzählen feststellte, dass die anfänglichen Fr. 70'000.-- inzwischen auf rund Fr. 120'000.-- angewachsen waren, entfernte er das Geld aus dem Versteck auf seinem Balkon und verbarg es in seiner Küche. Einen Teil des Geldes verbrauchte er.
B.-
Am 1. November 1991 verurteilte das Strafamtsgericht Bern H. unter anderem wegen wiederholter und fortgesetzter Geldwäscherei zu 24 Monaten Gefängnis.
Auf seine Berufung bestrafte ihn das Obergericht des Kantons Bern am 15. Mai 1992 unter anderem wegen wiederholter Geldwäscherei mit 20 Monaten Gefängnis.
C.-
H. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt sinngemäss, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz verzichtete auf Gegenbemerkungen. Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des
Art. 305bis StGB
. Er bringt vor, Ziel der Strafnorm sei der Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Eine systematische und historische Auslegung zeige, dass der Gesetzgeber das "Waschen" von Drogenerlös durch das organisierte Verbrechertum unter Strafe habe stellen wollen, nicht aber denjenigen, der zufällig in den Besitz von deliktisch erlangten Vermögenswerten gelangt sei.
b) Die Vorinstanz führt aus, dieser Ansatz sei nicht Gesetz geworden. Die Tatbestandsmässigkeit ergebe sich nicht aus der Art und
BGE 119 IV 59 S. 61
Weise des Vorgehens, sondern aus dessen Eignung, das Ermitteln der Herkunft, das Auffinden oder Einziehen von schmutzigen Vermögenswerten zu vereiteln. Der Täter müsse sich nicht des Finanzmarktes bedient oder für eine Verbrechensorganisation gehandelt haben. Das Gesetz erfasse folglich auch strafbares Verhalten ausserhalb solcher Organisationen. Diese Lösung ergebe sich e contrario aus
Art. 305bis Ziff. 2 Abs. 2 StGB
.
Der Beschwerdeführer habe das Verstecken des Drogenerlöses durch einen Dritten auf seinem Balkon geduldet und das Geld sodann in seiner Küche verborgen. Sein Vorgehen sei geeignet gewesen, die Einziehung zu vereiteln. Das Geld sei bei der ersten polizeilichen Hausdurchsuchung denn auch nicht gefunden worden. Er habe damit vorübergehend die Einziehung des Geldes sogar verhindert.
2.
Den Tatbestand der Geldwäscherei erfüllt, wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffindung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiss oder annehmen muss, aus einem Verbrechen herrühren (
Art. 305bis Ziff. 1 StGB
).
Die Bestimmung findet Anwendung, wenn die Haupttat ein Verbrechen darstellt. Diese Voraussetzung ist hier gegeben (
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
). Zu prüfen ist, ob das Verstecken solcher Vermögenswerte ("schmutziges" Geld) auch dann unter diese Bestimmung fällt, wenn der Täter nicht für eine Verbrechensorganisation oder als Mitglied einer solchen gehandelt hat.
a) Wie aus der Botschaft über die Änderung des schweizerischen Strafgesetzbuches (Gesetzgebung über Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Geldgeschäften) vom 12. Juni 1989 (BBl 1989 II 1061 ff.) ersichtlich, wurde als Anknüpfungspunkt nicht die kriminelle Organisation selbst oder deren Unterstützung gewählt. Der Bundesrat entschied sich für eine Einreihung unter die Rechtspflegedelikte und folgte damit dem Vorentwurf (a.a.O., S. 1076, 1081).
In der parlamentarischen Beratung wurde darauf hingewiesen,
Art. 305bis StGB
sei bewusst offen formuliert worden. Tatobjekt seien generell Vermögenswerte. Geldwäscherei sei nicht nur im Anschluss an Drogendelikte, sondern nach sämtlichen Straftaten von Gewicht strafbar. Als Tathandlung kämen neben der eigentlichen Vereitelung der Einziehung auch die Vereitelung der Ermittlung der Herkunft und der Auffindung in Frage (Bundespräsident Koller, Amtl.Bull. 1990 S 195). Der Geldwäschereiartikel umfasse nicht bloss Gelder, die kriminellen Organisationen gehörten, wie z.B.
BGE 119 IV 59 S. 62
Drogengelder, sondern alle Vermögenswerte, die von einem Verbrechen herrührten (Fischer-Sursee, Amtl.Bull. 1989 N 1868).
Demnach bezweckte der Gesetzgeber mit dem Erlass des
Art. 305bis StGB
nicht einzig die Bekämpfung des organisierten Verbrechens.
b) Dafür spricht auch der Gesetzeswortlaut.
aa) Geldwäscherei ist der Vorgang des Verheimlichens oder Verschleierns von Vermögenswerten illegaler Herkunft, mit dem Ziel, den Eindruck zu erwecken, sie seien legal erworben. Die ursprünglich "schmutzigen" Vermögenswerte werden durch diesen Vorgang "gewaschen" und dann in den legalen wirtschaftlichen Kreislauf wieder eingeschleust (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 19. Auflage, Band 12. S. 713). Tatgegenstand bilden alle Vermögenswerte, die durch Verbrechen im Sinne des
Art. 9 StGB
erzielt wurden (BBl 1989 II 1082).
bb)
Art. 305bis Ziff. 1 StGB
enthält keine täterschaftliche Qualifikation ("Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist ..."). Dem besonderen Gefährdungspotential einer Verbrechensorganisation bzw. des "organized crime" (BBl 1989 II 1085) wird mit der Qualifikation in Ziff. 2 Rechnung getragen. Wäre die Norm nur auf Verbrechensorganisationen anwendbar, ergäbe der Grundtatbestand keinen Sinn.
cc) Zu Unrecht bringt der Beschwerdeführer vor, der Randtitel zeige, dass nur das "Waschen" von Geld bestraft werden solle. Zum Gesetzestext gehören zwar auch die Titel und Marginalien. Doch sind diese nicht selten unvollständig oder ungenau, so dass sie sich nur mit Vorsicht zur Interpretation der einzelnen Tatbestände heranziehen lassen (GERMANN, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Erste Lieferung 1953,
Art. 1 N 7
/4; vgl. TRECHSEL, Kurzkommentar,
Art. 1 N 17
). Die Rechtsprechung hat zwar den Randtitel zur Auslegung des Tatbestandes der ungetreuen Geschäftsführung (
Art. 159 StGB
) herangezogen (
BGE 77 IV 204
,
BGE 80 IV 246
f.). Umgekehrt hat sie angenommen, dass der sich aus dem Wortlaut ergebende Sinn nicht einfach aufgrund der unvollständigen und ungenauen Marginalie umgedeutet werden darf, um so den Anwendungsbereich der Bestimmung einzuschränken (
BGE 108 IV 162
f.,
BGE 94 IV 87
,
BGE 89 IV 20
). Der Beschwerdeführer stützt sich für seine Argumentation auf eine in den Beratungen vertretene Minderheitsauffassung, die nicht Gesetz wurde (vgl. Berichterstatter Bonny und Bundesrat Koller, Amtl.Bull. 1989 N 1845 f., 1854).
c) Zum gleichen Ergebnis führen die in der Literatur vertretenen Auffassungen (SCHMID, Anwendungsfragen der Straftatbestände
BGE 119 IV 59 S. 63
gegen die Geldwäscherei, vor allem StGB Art. 305bis, in Schweizerischer Anwaltsverband (Hrsg.), Geldwäscherei und Sorgfaltspflicht, Zürich 1991, S. 111). Allgemein wird die enge Beziehung des organisierten Verbrechens zur Geldwäscherei betont (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Teilrevisionen 1987 bis 1990, S. 71 N 1; ULLRICH, Harte Zeiten für Geldwäscher?, in Schweizerischer Anwaltsverband (Hrsg.), a.a.O., S. 27; ZUBERBÜHLER, Die Geldwäschereibekämpfung, in Peter Nobel (Hrsg.), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- und Börsenplatzes Schweiz, Bern 1993, S. 126 f.). Deshalb ist dem Gesetz auch Kritik erwachsen, weil befürchtet wird, es könnten vorwiegend Handlungen erfasst werden, die mit der Geldwäscherei in diesem Sinn nichts zu tun haben (STRATENWERTH, a.a.O., S. 75 N 13; derselbe, Geldwäscherei - ein Lehrstück der Gesetzgebung, in Pieth (Hrsg.), Bekämpfung der Geldwäscherei, Basel 1992, S. 102; GRABER, Geldwäscherei, Bern 1990, S. 139 f.; ARZT, Erste rechtskräftige Verurteilung wegen Geldwäscherei, recht 1992, S. 112).
Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass der Tatbestand nicht nur Vermögenswerte aus dem illegalen Betäubungsmittelhandel, sondern aus allen Verbrechen im Sinne des schweizerischen Strafrechts erfasst (ZUBERBÜHLER, a.a.O.) und beispielsweise ein Verstecken der Verbrechensbeute genügen könne (STRATENWERTH, a.a.O., S. 75 N 13; GRABER, a.a.O., S. 140). Dass unter anderem die Einrichtung von Verstecken in Häusern und Büroräumen oder in Transportmitteln strafbar sei, wurde bereits im Bericht zum Vorentwurf vertreten; es sei notwendig, die Ebene der Strafbarkeit bei den Ausführungshandlungen festzulegen (BERNASCONI, Die Geldwäscherei im Schweizerischen Strafrecht, Bericht mit Vorschlägen zu einer Gesetzesrevision (neuer Artikel 350bis StGB), Lugano 1986, S. 34, 35 Ziff. 10.5; vgl. die Botschaft zum Übereinkommen des Europarats über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, BBl 1992 VI 9).
d) Der Beschwerdeführer bringt vor, nach der Botschaft stelle das blosse Vergraben der Beute keine Geldwäscherei dar. Der Bundesrat führte jedoch aus, Vermögenswerte einer Verbrechensorganisation würden systematisch mit den Mitteln des Finanzmarktes getarnt, nicht durch blosses Vergraben, damit sie dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane entzogen werden könnten und dabei in ihrem wirtschaftlichen Wert erhalten blieben. Diesen Sachverhalt müsse eine kriminologische Definition der Geldwäscherei enthalten, um Grundlage für die strafrechtliche Definition bilden zu können (BBl 1989 II
BGE 119 IV 59 S. 64
1066). Der Satz bedeutet mithin nicht, das Vergraben (d.h. Verstecken) der Beute sei nicht strafbar, sondern Verbrechensorganisationen tarnten ihre Beute mit den Mitteln des Finanzmarktes (nicht durch blosses Vergraben). Dass mit "blossem Vergraben" des Geldes die Ziele des Werterhalts und der Disponibilität nicht in gleichem Masse erreicht werden und dieses Verhalten gegebenenfalls einer kriminologischen Definition der Geldwäscherei nicht entspricht (vgl. GRABER, a.a.O., S. 56), kann für sich genommen an der Strafbarkeit nichts ändern.
Auch auf
BGE 115 IV 256
beruft sich der Beschwerdeführer zu Unrecht. Das Bundesgericht beurteilte dort Finanzoperationen beim Drogenhandel auf der Grundlage des
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 7 BetmG
.
Art. 305bis StGB
war noch nicht in Kraft und bildete nicht Gegenstand des Entscheids.
e) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Tatbestand des
Art. 305bis Ziff. 1 StGB
nicht nur das organisierte Verbrechen erfasst. Vielmehr kann jedermann tatbeständlich handeln. Vorausgesetzt ist eine Tathandlung, die geeignet ist, das geschützte Rechtsgut zu gefährden. Diese Eignung ist abstrakter Natur. Das Verstecken der Verbrechensbeute ist eine Verdeckungshandlung; sie ist geeignet, den Vereitelungserfolg herbeizuführen. Vorliegend hatte der Beschwerdeführer die Einziehung des Geldes vorübergehend sogar verhindert. Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6a8dd316-f174-4077-b2b4-310ab218fb0a | Urteilskopf
140 I 201
16. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause Université de Lausanne contre Section vaudoise de la société suisse de Zofingue (recours en matière de droit public)
2C_421/2013 du 21 mars 2014 | Regeste
Art. 8, 9, 23, 35 und 36 BV; Art. 10 des Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau; Weigerung einer Universität, eine Studentenverbindung, die keine Frauen zur Mitgliedschaft zulässt, anzuerkennen und dieser Leistungen zu erbringen; Rechtsgleichheit; Gleichberechtigung von Mann und Frau; Vereinigungsfreiheit; Lösung von Grundrechtskollisionen.
Darf ein Verwaltungsträger, der eine staatliche Aufgabe wahrnimmt und deswegen an die Grundrechte gebunden ist, einer zivilrechtlichen Studentenverbindung den Status als universitäre Vereinigung verwehren und die zugehörigen Leistungen verweigern, weil sie Frauen von der Mitgliedschaft ausschliesst (E. 5)? Eingriff in die universitäre Autonomie (E. 6.1-6.3). Grundrechtskollision, d.h. einerseits die legitime Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau durch die Universität, anderseits die Vereinigungsfreiheit und rechtsgleiche Behandlung der Studentenverbindungen (E. 6.4 und 6.5). Methodik und Problemlösung im vorliegenden Fall im Sinne des Vorrangs der Vereinigungsfreiheit (E. 6.6-6.8). | Sachverhalt
ab Seite 202
BGE 140 I 201 S. 202
A.
La Société suisse de Zofingue (ci-après: la Société suisse), constituée en 1820, est une association d'étudiants dont les statuts visent notamment à "former des personnalités capables d'assumer des responsabilités civiques", ainsi qu'à étudier "des problèmes politiques
BGE 140 I 201 S. 203
et économiques suisses et des questions universitaires, culturelles et sociales" (cf. art. 1
er
des Statuts centraux du 1
er
juillet 1972). Elle comporte différentes sections, dont la Section vaudoise de la Société suisse de Zofingue (ci-après: la Section vaudoise), qui est elle-même une association au sens du Code civil suisse, avec siège à Lausanne. Son but consiste, outre les objectifs poursuivis par la Société suisse, à cultiver "l'amitié, les libertés individuelles et la culture" (art. 2 des statuts de la Section vaudoise du 5 décembre 2006 [ci-après: lesStatuts/VD]). Pour êtremembre actif de la Section vaudoise, il faut avoir dix-huit ans révolus, être de sexe masculin, être immatriculé dans une des Hautes Ecoles de Suisse, accomplir la procédure d'admission et être admis aux deux tiers des voix (art. 6 Statuts/VD; cf. art. 8 Statuts centraux).
B.
B.a
Dès 1994, la Section vaudoise a bénéficié de fait d'un statut d'association reconnue par l'Université de Lausanne (ci-après: l'Université). Par lettre du 15 mai 2007, cette dernière a informé la Section vaudoise que le statut de l'ensemble des associations serait reconsidéré sur la base d'une nouvelle directive adoptée la même année par la Direction de l'Université. Saisie d'une requête de la Section vaudoise tendant à la confirmation de son statut antérieur, la Direction de l'Université, le 30 janvier 2008, a refusé de lui accorder le statut d'association universitaire, au motif que celle-ci excluait les femmes de son sociétariat.
La Section vaudoise a recouru contre cette décision auprès de la Commission de recours de l'Université de Lausanne (ci-après: la Commission de recours), qui l'a déboutée par prononcé du 22 mai 2008. Sur recours, la Cour de droit administratif et public du Tribunal cantonal du canton de Vaud (ci-après: le Tribunal cantonal) a, le 16 septembre 2009, annulé le prononcé du 22 mai 2008 au motif que l'Université n'était pas habilitée à refuser la reconnaissance de la Section vaudoise en raison de son sociétariat limité aux personnes de sexe masculin, et a renvoyé la cause à la Commission de recours pour qu'elle examine si les autres conditions permettant la reconnaissance universitaire étaient remplies. Le recours de l'Université dirigé contre cet arrêt incident de renvoi a été déclaré irrecevable par le Tribunal fédéral (arrêt 2C_687/2009 du 17 février 2010).
B.b
A la suite de diverses péripéties procédurales et d'actes d'instruction, la Direction de l'Université, par décision du 25 novembre
BGE 140 I 201 S. 204
2011, a constaté que la Section vaudoise n'était pas une association universitaire, aux motifs que seule la minorité de ses membres appartenait en 2010 à la communauté universitaire et qu'il était impossible pour les femmes d'y adhérer, contrairement aux missions de l'Université, à sa Charte et aux principes qu'elle devait respecter. Par arrêt du 3 mai 2012, la Commission de recours a rejeté le recours formé par la Section vaudoise à l'encontre de la décision du 25 novembre 2011. Saisi d'un recours de la Section vaudoise contre l'arrêt du 3 mai 2012, le Tribunal cantonal l'a admis et a réformé l'arrêt, "en ce sens que celui-ci réforme la décision de la Direction de l'Université du 29 août 2011 et maintient la recourante dans son statut d'association universitaire de [l'Université], respectivement constate qu'elle dispose de cette qualité".
C.
L'Université forme un recours en matière de droit public auprès du Tribunal fédéral contre l'arrêt du Tribunal cantonal du 28 mars 2013. Elle conclut (...) à l'annulation de l'arrêt, subsidiairement à sa réforme, "en ce sens qu'il est constaté que la Section vaudoise n'a pas la qualité d'association universitaire". (...)
D.
Après avoir délibéré en séance publique le 21 mars 2014, le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
5.
Avant d'examiner les griefs soulevés, il est nécessaire de cerner l'objet exact de la présente affaire.
Le litige porte sur la question de savoir si le Tribunal cantonal a considéré à bon droit que l'Université de Lausanne ne pouvait, notamment en se fondant sur les art. 5 et 10, 2
e
condition, du règlement d'application du 6 avril 2005 de la loi vaudoise du 6 juillet 2004 sur l'Université de Lausanne (RLUL/VD; RSV 414.11.1), ainsi que 14 de la loi du 6 juillet 2004 sur l'Université de Lausanne [LUL/VD; RSV 414.11],refuser de qualifier d'association universitaire la Section vaudoise de la société suisse de Zofingue, du fait que cette dernière exclut les femmes de son sociétariat. Est ainsi en jeu la question de savoir si un établissement de droit public assumant une tâche de l'Etat et pour cette raison lié par les droits fondamentaux en vertu de l'
art. 35 al. 2 Cst.
(cf. arrêt 2C_167/2012 du 1
er
octobre 2012 consid. 4.4, in SJ 2013 I p. 341; CÉLINE MARTIN, Grundrechtskollisionen, 2007, p. 34 ss) est en droit de refuser le
BGE 140 I 201 S. 205
statut d'association universitaire et les avantages qui y sont liés à une association de droit privé qui n'est pas directement soumise au respect des droits fondamentaux, au motif qu'au travers d'une telle reconnaissance, l'autorité universitaire considérerait agir à l'encontre de ses missions visant à mettre en oeuvre l'égalité entre les sexes dans ses domaines de compétence (
art. 8 al. 3 et
art. 35 Cst.
).
Contrairement à l'analyse résultant de l'arrêt querellé et aux considérations de l'intimée, il ne s'agit donc pas, dans le cadre du présent litige, de s'interroger
directement
sur la compatibilité des statuts ou de la pratique de l'intimée avec le principe fondamental de l'égalité des sexes, ni sur sa faculté, protégée par la liberté d'association (
art. 23 Cst.
) et par le principe de l'autonomie associative de droit privé (
art. 63 CC
; cf. arrêts 2C_116/2011 du 29 août 2011 consid. 9, in SJ 2011 I p. 405; 2C_887/2010 du 28 avril 2011 consid. 5.1), de déterminer librement son sociétariat ainsi que de s'opposer à ce qu'une personne, voire une catégorie de personnes en fasse partie.
6.
Sous l'angle de l'interdiction de l'arbitraire, la recourante reproche au Tribunal cantonal d'avoir, en examinant si la Section vaudoise remplissait les conditions posées à la qualification d'association universitaire, substitué sa propre appréciation à celle de la Direction de l'Université, alors même que la décision de cette dernière avait été prise en toute légalité, sans excès ni abus de son pouvoir d'appréciation. Ce faisant, la précédente instance aurait gravement violé l'art. 5 LUL/VD, qui confère à l'Université une autonomie, de même qu'entravé la poursuite des missions, dont fait partie la promotion de l'égalité des sexes, qui définissent l'activité de la recourante.
6.1
Une décision est arbitraire (
art. 9 Cst.
) lorsqu'elle contredit clairement la situation de fait, qu'elle viole gravement une norme ou un principe juridique clair et indiscuté ou qu'elle heurte d'une manière choquante le sentiment de la justice et de l'équité. Il n'y a pas arbitraire du seul fait qu'une solution autre que celle de l'autorité cantonale semble concevable, voire préférable. Pour qu'une décision soit annulée, il ne suffit pas que sa motivation soit insoutenable; il faut encore que cette décision apparaisse arbitraire dans son résultat (
ATF 138 I 49
consid. 7.1 p. 51;
ATF 137 I 1
consid. 2.4 p. 5).
L'autorité chargée d'appliquer la loi dispose d'un pouvoir d'appréciation lorsque la loi lui laisse une certaine marge de manoeuvre. Cette dernière peut notamment découler de la liberté de choix entre
BGE 140 I 201 S. 206
plusieurs solutions, ou encore de la latitude dont l'autorité dispose au moment d'interpréter des notions juridiques indéterminées contenues dans la loi (THIERRY TANQUEREL, Manuel de droit administratif, 2011, p. 166 ss). Bien que l'interprétation de notions juridiques indéterminées relève du droit, que le juge revoit en principe librement, un tribunal doit néanmoins restreindre sa cognition lorsqu'il résulte de l'interprétation de la loi que le législateur a voulu, par l'utilisation de telles notions, reconnaître à l'autorité de décision une marge de manoeuvre que le juge doit respecter (cf.
ATF 132 II 257
consid. 3.2 p. 263), étant précisé que cette marge de manoeuvre ne revient pas à limiter le pouvoir d'examen du juge à l'arbitraire (
ATF 137 I 235
consid. 2.5.2 p. 240 s.; arrêt 1C_567/2012 du 16 août 2013 consid. 2). Viole le principe de l'interdiction de l'arbitraire le tribunal cantonal qui, outrepassant son pouvoir d'examen, corrige l'interprétation défendable qu'une autorité disposant d'autonomie a opérée d'une norme déterminée (cf.
ATF 136 I 395
consid. 2 p. 397, consid. 4.3.1 p. 401 et consid. 4.3.5 p. 403; arrêt 1C_4/2013 du 19 avril 2013 consid. 3.3, in RtiD 2013 II p. 89).
En l'occurrence, il convient d'examiner, premièrement, si le législateur cantonal a entendu conférer un pouvoir d'appréciation important à l'Université s'agissant de l'admission des associations universitaires (consid. 6.2); deuxièmement, dans l'affirmative, si le Tribunal cantonal s'est immiscé dans ladite marge, respectivement dans le droit cantonal qui fonde cette dernière (consid. 6.3); troisièmement, en cas d'immixtion de la part des juges cantonaux, si celle-ci a eu lieu conformément au droit ou si, au contraire, elle a indûment et donc arbitrairement omis de faire preuve de retenue par rapport au pouvoir d'appréciation reconnu à l'Université (consid. 6.4). Cette dernière question porte à s'interroger sur la question de savoir si le Tribunal cantonal a établi un juste équilibre entre les intérêts et droits conflictuels qui opposent l'Université à l'intimée dans le présent litige (consid. 6.5-6.7).
6.2
En sa qualité d'établissement de droit public autonome doté de la personnalité morale (cf. art. 1 LUL/VD), et chargé par la loi cantonale (cf. art. 2 et 4 LUL/VD) de s'acquitter de la tâche d'intérêt public (cf.
art. 48 al. 1 Cst./VD
) consistant à assurer un enseignement universitaire adéquat à la population (cf. arrêts 2C_167/2012 du 1
er
octobre 2012 consid. 4.2, in SJ 2013 I p. 341; 1C_312/2010 du 8 décembre 2010 consid. 3.2, in RDAF 2011 I p. 48), l'Université s'organise elle-même dans le cadre de la loi (cf. art. 5 LUL/VD). De
BGE 140 I 201 S. 207
façon générale, le législateur cantonal lui a donc conféré une large autonomie dans l'accomplissement de ses tâches et missions.
S'agissant spécifiquement des critères applicables aux associations universitaires, l'Université dispose également d'une marge de manoeuvre. D'une part, en effet, l'art. 10 al. 1 RLUL/VD renvoie, sans autres précisions, aux missions ainsi qu'à la Charte de l'Université et aux principes que celle-ci doit respecter, dont la définition et la concrétisation reviennent en large partie à l'Université elle-même (cf. Charte). D'autre part, l'association intimée n'a pas requis un simple comportement d'abstention de la part de l'Université, mais a sollicité une reconnaissance officielle à laquelle se rattachent des prestations positives auxquelles il n'existe, en général, aucun droit (cf.
ATF 138 I 274
consid. 2.2.2 p. 282;
ATF 138 II 191
consid. 4.4.1 p. 203;
ATF 132 V 6
consid. 2.5.2 s. p. 14 s.; cf., en lien avec la liberté d'association, GIOVANNI BIAGGINI, Vereinigungsfreiheit und Koalitionsfreiheit, in Grundrechte in Österreich, der Schweiz und in Liechtenstein, 2007, n. 4 p. 589; voir aussi MATTI PELLONPÄÄ, Kontrolldichte des Grund- und Menschenrechtsschutzes in mehrpoligen Rechtsverhältnissen aus der Sicht des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EuGRZ 2006 p. 483 ss, 485).
Il s'ensuit que le législateur cantonal a effectivement accordé à l'Université une certaine marge de manoeuvre pour interpréter et appliquer les critères figurant à l'art. 10 al. 1 RLUL/VD, de sorte à imposer de la retenue au juge cantonal s'agissant d'interpréter ces critères.
6.3
Comme il a été vu, l'art. 10 al. 1 RLUL/VD permet à l'Université de qualifier d'associations universitaires celles dont les buts ou les activités s'inscrivent dans les missions et la Charte de l'Université et les principes que celle-ci doit respecter. L'Université est légalement tenue de respecter l'égalité des chances, notamment entre femmes et hommes, à tous les échelons universitaires. Elle adopte des mesures spécifiques à cet effet (cf. art. 14 LUL/VD). En outre, cette disposition intègre non seulement la notion d'égalité des chances, mais peut aussi être comprise, ce que l'instance précédente n'a pas dénié, en laissant la question ouverte, dans un sens plus large de non-discrimination et d'égalité de droit entre femmes et hommes, interprétation que corroborent tant le devoir d'adopter des mesures spécifiques prévu à l'art. 14 LUL/VD que les travaux préparatoires cités dans l'arrêt attaqué. Par conséquent, il est défendable pour la recourante d'avoir interprété le terme de "missions" à l'art. 10 al. 1 RLUL/VD
BGE 140 I 201 S. 208
comme incluant le respect et la promotion du principe d'égalité entre femmes et hommes.
Or, en jugeant que l'Université avait à tort refusé de constater la qualité d'association universitaire de la Section vaudoise et en maintenant cette dernière dans son statut d'association universitaire, l'arrêt attaqué a pour résultat d'obliger la recourante à fournir des prestations à une association dont l'encouragement par une entité chargée de tâches d'intérêt public devait, de son point de vue, être considéré comme contrevenant à l'une des missions de base qu'elle s'était fixée. Il en découle que le Tribunal cantonal s'est concrètement immiscé dans le pouvoir d'appréciation laissé à la recourante, de sorte qu'il y a eu ingérence dans son autonomie.
6.4
Encore faut-il se demander si l'obligation que les précédents juges ont imposée à l'Université de traiter la Section vaudoise en tant qu'association universitaire a
arbitrairement
entravé l'autonomie de la recourante. Cette question implique, au préalable, de situer dans leur contexte général les missions dont cette dernière se trouve investie, ainsi que de déterminer les intérêts d'autrui qu'il lui faut respecter dans l'accomplissement de celles-ci.
6.4.1
Il résulte, notamment, du statut de l'Université en tant qu'entité assumant une tâche de l'Etat, ainsi que de l'
art. 3 al. 2 let
. d LUL/VD, selon lequel les tâches de l'Université dans la formation et la recherche impliquent le respect des dispositions nationales et internationales en matière de protection des droits fondamentaux, que l'Université est liée par les droits fondamentaux en vertu de l'
art. 35 al. 2 Cst.
Par conséquent, la liberté d'appréciation dont dispose l'Université, bien que demeurant importante, n'est pas illimitée. Elle doit en particulier ménager un juste équilibre entre, d'une part, les droits ou principes fondamentaux que cet établissement entend promouvoir de façon accrue et, d'autre part, les droits fondamentaux d'autrui qui pourraient entrer en conflit avec les principes précités. La liberté d'appréciation dont dispose la recourante doit de surcroît s'exercer dans le respect des principes généraux de droit public (cf. arrêts 2C_167/2012 du 1
er
octobre 2012 consid. 4.4, in SJ 2013 I p. 341; 1C_312/2010 du 8 décembre 2010 consid. 3.5), dont font notamment partie l'interdiction de l'arbitraire, l'égalité de traitement, la proportionnalité, de même que le devoir de l'autorité d'adopter une attitude neutre et objective (cf.
ATF 138 I 274
consid. 2.2.2 p. 283;
ATF 127 I 164
consid. 3b p. 171).
BGE 140 I 201 S. 209
6.4.2
A juste titre, l'Université recourante a considéré que le respect et la réalisation du principe de l'égalité entre femmes et hommes faisait partie de ses obligations institutionnelles. En effet, la recourante est liée par l'
art. 8 al. 3 Cst.
(cf. aussi l'
art. 10 al. 2 et 3 Cst./VD
mentionné par la recourante, dont la teneur est analogue à celle de l'
art. 8 al. 2 et 3 Cst.
), selon lequel l'homme et la femme sont égaux en droit, la loi pourvoyant à l'égalité de droit et de fait, en particulier dans les domaines de la famille, de la formation et du travail. Bien que l'art. 8 al. 3, 2
e
phrase, Cst. ne s'adresse formellement qu'au législateur, cet article d'effet direct oblige aussi les autorités d'application du droit (administration, juges) à contribuer, dans les limites de leurs attributions, à la mise en oeuvre de l'égalité des sexes (cf.
ATF 137 I 305
consid. 3.1 p. 317; Message du 14 novembre 1979 sur l'initiative populaire "pour l'égalité des droits entre hommes et femmes", FF 1980 I 73, 147 ch. 532; ETIENNE GRISEL, Egalité, 2000, n. 181 p. 97; RAINER J. SCHWEIZER, in Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2
e
éd. 2008, n° 51 ad
art. 8 Cst.
, p. 203 ).
S'ajoute à cela que l'
art. 8 al. 3 Cst.
concrétise la clause interdisant toute discrimination notamment basée sur le sexe, ancrée à l'
art. 8 al. 2 Cst.
(MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4
e
éd. 2008, p. 737; BERNHARD WALDMANN, Das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV: Neue Ansätze für die Dogmatik der Rechtsgleichheit?, in L'égalité entre femmes et hommes en Suisse et dans l'UE, 2004, p. 1 ss, 11). Or, d'après l'
art. 8 al. 2 Cst.
, il y a discrimination lorsqu'une personne est traitée différemment en raison de son appartenance à un groupe particulier qui, historiquement ou dans la réalité sociale actuelle, souffre d'exclusion ou de dépréciation. Si le principe de non-discrimination n'interdit pas toute distinction basée sur l'un des critères énumérés à l'
art. 8 al. 2 Cst.
, il fonde toutefois le soupçon ou la présomption d'une différenciation inadmissible, de sorte que les inégalités résultant d'une telle distinction doivent faire l'objet d'une justification particulière (cf.
ATF 138 I 205
consid. 5.4 p. 213,
ATF 138 I 265
consid. 4.2.1 p. 267;
ATF 137 V 334
consid. 6.2.1 p. 348). Enfin, l'art. 10 de la Convention du 18 décembre 1979 sur l'élimination de toutes les formes de discrimination à l'égard des femmes (RS 0.108; ci-après: CEDEF) oblige les Etats à éliminer la discrimination à l'égard des femmes afin de leur assurer des droits égaux à ceux des hommes dans tous les secteurs de l'éducation, notamment à leur accès à la formation (cf. aussi HAUSAMMANN/SCHLÄPPI, Menschenrechte und Frauenrechte, PJA 1995 p. 32 ss, 44).
BGE 140 I 201 S. 210
En sa qualité d'entité dotée de compétences autonomes, l'Université est ainsi, dans les limites de sa marge d'appréciation, non seulement en droit mais aussi dans l'obligation de contribuer à la réalisation de l'égalité des sexes dans le contexte éducatif.
6.5
A l'évidence, les droits et principes fondamentaux que l'Université doit observer dans l'accomplissement de ses tâches et missions ne se limitent pas ici à la réalisation du principe de l'égalité entre les sexes (cf. consid. 6.4.2 supra). Il lui faut aussi, notamment, tenir compte des droits fondamentaux de l'association intimée; en font partie le respect de la liberté d'association ainsi que l'égalité de traitement entre associations estudiantines, dont se prévaut la Section vaudoise aux fins de s'opposer au refus de la recourante de la reconnaître en tant qu'association universitaire.
6.5.1
Selon l'
art. 8 al. 1 Cst.
, tous les êtres humains sont égaux devant la loi. Les personnes morales peuvent également s'en prévaloir (AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, vol. II, 3
e
éd. 2013, n. 1029 p. 479). Une décision ou un arrêté viole le principe de l'égalité de traitement consacré à l'
art. 8 al. 1 Cst.
lorsqu'il établit des distinctions juridiques qui ne se justifient par aucun motif raisonnable au regard de la situation de fait à réglementer ou qu'il omet de faire des distinctions qui s'imposent au vu des circonstances, c'est-à-dire lorsque ce qui est semblable n'est pas traité de manière identique et ce qui est dissemblable ne l'est pas de manière différente. Il faut que le traitement différent ou semblable injustifié se rapporte à une situation de fait importante (
ATF 137 V 334
consid. 6.2.1 p. 348). Il y a notamment inégalité de traitement lorsque l'Etat accorde un privilège ou une prestation à une personne, mais dénie ceux-ci à une autre personne qui se trouve dans une situation comparable (cf., s'agissant de l'usage accru du domaine public,
ATF 105 Ia 91
consid. 4b p. 97; a contrario:
ATF 138 I 475
consid. 3.3.1 s. p. 480 ss).
En l'espèce, la non-reconnaissance de l'intimée par l'Université, alors même que cette dernière continue à qualifier d'universitaires d'autres associations estudiantines poursuivant des buts et activités similaires, est susceptible de fonder une inégalité de traitement et entre, partant, dans le champ de protection de l'
art. 8 al. 1 Cst.
6.5.2
En vertu de l'
art. 23 Cst.
(cf. aussi
art. 11 CEDH
), la liberté d'association est garantie (al. 1). Toute personne a le droit de créer des
BGE 140 I 201 S. 211
associations, d'y adhérer ou d'y appartenir et de participer aux activités associatives (al. 2). La liste des aspects protégés par la liberté d'association n'est pas exhaustive; sous réserve des restrictions appliquées conformément à l'
art. 36 Cst.
, cette liberté interdit non seulement les mesures qui visent à l'entraver directement, mais également les obstacles indirects à son épanouissement, tels que l'obligation faite à un individu de révéler sa participation, respectivement à une association de publier la liste de ses adhérents (
ATF 97 II 97
consid. 3 p. 100 ss; CHRISTOPH ROHNER, in Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2
e
éd. 2008, n° 14 ad
art. 23 Cst.
, p. 468). Conjugué à l'
art. 35 Cst.
, l'
art. 23 Cst.
oblige l'Etat, entre autres, à créer les infrastructures juridiques permettant de garantir l'existence des associations, et à prendre en compte, dans le cadre de ses propres activités, les intérêts légitimes de la vie associative (cf. BIAGGINI, op. cit., n. 16 et 20 p. 594 s.). Contrairement à l'interprétation retenue sous l'empire de l'
art. 56 aCst
, qui réservait la titularité de ce droit aux seules personnes physiques (cf.
ATF 100 Ia 277
consid. 5 p. 286;
ATF 97 I 116
consid. 4 p. 121), une personne morale peut, en principe, se prévaloir de la liberté d'association (cf. Message du 20 novembre 1996 relatif à une nouvelle Constitution fédérale, FF 1997 I 1, 169 s. ad art. 19; ROHNER, op. cit., n° 9 ad
art. 23 Cst.
, p. 467 et les références doctrinales citées; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, op. cit., n. 732 p. 351), notamment lorsqu'elle prétend être entravée dans le libre exercice de son activité associative (cf. MÜLLER/SCHEFER, op. cit., p. 603; comparer avec l'arrêt de la CourEDH
Sindicatul "Pastorul cel Bun" contre Roumanie [GC]
du 9 juillet 2013, req. 2330/09, destiné à la publication au Recueil, §§ 136 ss).
Certes, le refus par la recourante de conférer le statut d'"association universitaire" à la Section vaudoise ne prive pas celle-ci de la faculté d'organiser librement son sociétariat, d'exercer ses activités, ou d'entrer en contact avec des membres potentiels. Toutefois, ce refus revient, indirectement (ce qui est suffisant pour qu'un état de fait entre dans le champ de protection de l'
art. 23 Cst.
), à traiter défavorablement l'intimée en raison de son sociétariat, en la privant d'une reconnaissance officielle par la recourante ainsi que du droit d'accéder en toute égalité aux prestations (mise à disposition d'un site internet, location de salles, etc.) que l'Université a décidé d'octroyer aux associations reconnues comme "universitaires", ce qui est en outre susceptible de rendre plus difficile le recrutement de nouveaux membres dans les enceintes universitaires.
BGE 140 I 201 S. 212
6.6
Lorsque l'exercice d'un droit fondamental par une personne (voire la concrétisation d'un tel droit par une autorité à travers la poursuite d'un intérêt public) se heurte à l'exercice d'un ou de plusieurs autres droits fondamentaux par une autre personne, il y a conflit entre/de libertés ("Grundrechtskollision" ou "mehrpoliges Grundrechtsverhältnis"; cf. AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, op. cit., n. 276 p. 125; CHRISTOPH GRABENWARTER, Das mehrpolige Grundrechtsverhältnis im Spannungsfeld zwischen europäischem Menschenrechtsschutz und Verfassungsgerichtsbarkeit, in Völkerrecht als Wertordnung, Festschrift für Christian Tomuschat, 2006, p. 193 ss, 195; WOLFGANG HOFFMANN-RIEM, Kontrolldichte und Kontrollfolgen beim nationalen und europäischen Schutz von Freiheitsrechten in mehrpoligen Rechtsverhältnissen, EuGRZ 2006 p. 492 ss; MICHEL HOTTELIER, Grundrechtskonkurrenzen und Grundrechtskollisionen, in Grundrechte in Österreich, der Schweiz und in Liechtenstein, 2007, n. 33 p. 135).
Un tel conflit de libertés existe en l'occurrence. Dans le cadre de l'autonomie dont jouit l'Université aux fins de définir ses objectifs propres et reconnaître les "associations universitaires" qui s'y conforment, la priorité accordée au principe de l'égalité entre femmes et hommes est en effet susceptible d'entrer en collision, à tout le moins indirectement, avec les droits fondamentaux des associations qui, à l'instar de l'intimée, se voient dénier cette forme de reconnaissance officielle. Il s'ensuit que la réponse à la question de savoir si, comme l'affirme la recourante, l'arrêt du Tribunal cantonal a arbitrairement enfreint l'autonomie que le droit cantonal lui concède en matière de reconnaissance d'associations universitaires dépend de la question de savoir si, au vu des circonstances du cas d'espèce, la décision querellée a établi un juste équilibre entre, d'une part, le principe de l'égalité entre les sexes que promeut l'Université et, d'autre part, la liberté d'association ainsi que l'égalité de traitement dont se prévaut l'intimée.
6.7
En vue de résoudre un conflit de libertés (lorsqu'il n'a pas été préalablement ou entièrement désamorcé par le législateur à travers une harmonisation normative des intérêts antagonistes ou par une hiérarchisation légale des valeurs dans un contexte déterminé [cf. AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, op. cit., n. 278 p. 126; MARTIN, op. cit., p. 125 ss, 255 s. et 281; voir, mutatis mutandis,
ATF 140 II 157
consid. 7.3 p. 161]), c'est au juge qu'il incombe de vérifier que la décision entreprise ménage un juste équilibre entre les différents
BGE 140 I 201 S. 213
principes constitutionnels et droits fondamentaux en jeu (
ATF 128 I 327
consid. 4.3.2 p. 344 s.; HOFFMANN-RIEM, op. cit., p. 494 s.; HOTTELIER, op. cit., n. 43 p. 138; MARTIN, op. cit., p. 131 ss et 205 ss; CHARLES-ALBERT MORAND, Vers une méthodologie de la pesée des valeurs constitutionnelles, in De la Constitution, Etudes en l'honneur de Jean-François Aubert, 1996, p. 59), étant rappelé que la Constitution fédérale ne prévoit elle-même aucune hiérarchie entre les droits fondamentaux (
ATF 137 I 167
consid. 3.7 p. 176).
Pour parvenir, de façon rationnelle et transparente, à l'établissement d'un tel équilibre, le juge se laissera en règle générale guider par les principes ancrés à l'
art. 36 Cst.
, en les adaptant le cas échéant aux besoins spécifiques qui découlent des conflits entre plusieurs libertés ou intérêts collectifs fondamentaux, et tout en faisant preuve d'une certaine retenue face à la pesée qu'aurait déjà opérée l'instance précédente (cf. HOFFMANN-RIEM, op. cit., p. 496 s.). L'al. 2 de l'
art. 36 Cst.
, qui exige que toute restriction d'un droit fondamental soit justifiée par un intérêt public ou par la protection d'un autre droit fondamental, envisage en effet l'hypothèse de conflits entre libertés, en traitant de l'opposition entre, d'une part, le droit fondamental dont la restriction est contestée par un particulier et, d'autre part, soit un intérêt central d'un autre particulier, soit un intérêt public opposé qui tend, notamment, à défendre certaines valeurs ou droits fondamentaux de la collectivité face aux intérêts ou actions de l'individu (cf. HOTTELIER, op. cit., n. 39 p. 137; par rapport aux clauses de restriction de la CEDH: PELLONPÄÄ, op. cit., p. 483).
6.7.1
En l'espèce, l'observation des droits fondamentaux conflictuels, de même que les restrictions que l'exercice de l'un peut occasionner à l'autre dans le cas sous examen, trouvent appui dans la réglementation concernant l'Université (cf.
art. 3 al. 2 let
. d et 14 LUL/VD; art. 10 RLUL/VD) et disposent ainsi d'une base légale suffisante au sens de l'
art. 36 al. 1 Cst.
Il n'est cependant pas possible de déduire des normes précitées que le législateur aurait d'emblée préféré l'un de ces droits conflictuels à l'autre.
6.7.2
Sous l'angle de l'
art. 36 al. 2 Cst.
, en vertu duquel toute restriction d'un droit fondamental doit être justifiée par un intérêt public ou par la protection d'un droit fondamental d'autrui, la Section vaudoise peut se prévaloir de sa liberté d'association pour s'opposer aux mesures qui ont pour effet de la défavoriser ou de l'influencer en raison de la composition statutaire non mixte de son sociétariat.
BGE 140 I 201 S. 214
L'intimée peut en outre faire valoir que, lorsqu'un acteur étatique décide de fournir des prestations, il doit en règle générale y procéder dans le respect du principe de l'égalité de traitement. Quant à l'Université recourante, elle peut, par le biais de l'autonomie qui lui est reconnue, et elle doit, de par l'
art. 35 Cst.
, contribuer à la réalisation de l'égalité des sexes dans le domaine éducatif. Dans le cas d'espèce, elle entend, d'une part, promouvoir l'égalité des sexes aussi à travers les rapports qu'elle entretient avec les étudiants et les associations privées; d'autre part, elle refuse de cautionner -, par le biais de la reconnaissance de la Section vaudoise et de la fourniture de prestations à cette dernière, - la pratique d'exclusion des femmes d'une association qu'elle retient comme étant contraire à l'une de ses missions de base.
6.7.3
Sous l'angle du principe de la proportionnalité (
art. 36 al. 3 Cst.
; voir aussi
art. 5 al. 2 Cst.
; cf.
ATF 136 IV 97
consid. 5.2.2 p. 104;
ATF 135 I 169
consid. 5.6 p. 174;
ATF 140 I 168
consid. 4.2.1), il est possible d'établir des distinctions selon que l'invocation des droits fondamentaux (qui ne connaissent certes aucune hiérarchie entre eux) dans une situation donnée a pour but d'obliger l'Etat (cf.
art. 35 Cst.
) à s'abstenir de porter atteinte à un droit fondamental particulier ("Unterlassungspflicht"), à protéger activement ce droit ("Schutzpflicht") et/ou à mettre en oeuvre des stratégies en vue de le réaliser pleinement au sein des institutions et de la société ("Gewährleistungspflicht"). En fonction du type d'obligation en cause, la marge de manoeuvre dont disposera l'autorité pour mettre en oeuvre un droit fondamental et, par voie de conséquence, la possibilité de choisir, parmi les mesures envisageables, celle qui porte le moins atteinte à d'autres droits et principes fondamentaux, sera en effet plus ou moins grande (cf. GIOVANNI BIAGGINI, BV, Bundesverfassung [...], 2007, n° 4 ad
art. 35 Cst.
, p. 251; GREGOR T. CHATTON, Vers la pleine reconnaissance des droits économiques, sociaux et culturels, 2013, notamment p. 456 s.; KÄLIN/KÜNZLI, Universeller Menschenrechtsschutz, 3
e
éd. 2013, p. 104 et 120 s.; SCHWEIZER, op. cit., n
os
3 ss ad
art. 35 Cst.
, p. 707 ss).
Les droits et intérêts dont se prévalent les parties mettent précisément à contribution des niveaux d'obligations distincts. Ainsi, lorsqu'elle conteste le refus par l'Université de la reconnaître en tant qu'association universitaire, l'intimée réclame, certes, une prestation positive de la part de la recourante, mais elle se plaint avant tout de ce que l'Université, alors qu'elle reconnaît d'autres associations
BGE 140 I 201 S. 215
estudiantines, lui refuse la reconnaissance égale pour le seul motif que ses statuts excluent les femmes, de sorte à entraver sa liberté d'association, à la désavantager vis-à-vis d'autres associations estudiantines et à sanctionner, indirectement, son organisation interne.
Pour sa part, l'Université veut éviter d'encourager ou de cautionner, à travers la reconnaissance et la fourniture de prestations en faveur de la Section vaudoise, une association dont les statuts instaurent une inégalité entre les sexes. En soi légitime, cette préoccupation doit toutefois être relativisée, dans la mesure où en fournissant des prestations positives à des associations estudiantines, l'Université est, comme il a été vu, tenue de respecter et garantir les droits fondamentaux vis-à-vis de toutes les associations en cause, y compris de la Section vaudoise; elle ne peut faire prévaloir le contenu d'un droit sur celui d'un autre sans avoir au préalable procédé à une pesée de tous les intérêts en présence (cf.
ATF 139 I 306
consid. 2.2 p. 309 s.;
ATF 138 I 274
consid. 2.2.2 p. 282 s.; cf. aussi arrêt 1C_312/2010 du 8 décembre 2010 consid. 3.5, in SJ 2011 I p. 233). En tant que la pratique litigieuse de l'Université poursuit également l'objectif avéré, lui aussi légitime en soi, de promouvoir l'égalité entre femmes et hommes, l'on rappellera que la mise en oeuvre d'une telle obligation incitative par une entité étatique laisse à cette dernière, de manière générale, un vaste choix de mesures pour y parvenir, parmi lesquelles l'autorité doit, corrélativement, veiller à appliquer les mesures qui portent le moins atteinte aux intérêts d'autrui. Or, au lieu de refuser la reconnaissance égale et des prestations aux associations, telle l'intimée, dont le sociétariat accueille uniquement les étudiants d'un genre, l'Université aurait dû et pu envisager des mesures qui, tout en poursuivant le but promotionnel sus-évoqué, ne constituent pas simultanément une entrave (indirecte) au libre exercice de la vie associative de l'intimée, ni ne la désavantagent vis-à-vis d'autres associations estudiantines pour le seul motif que ses statuts, a priori conformes au droit privé associatif, excluaient les femmes du sociétariat.
En second lieu, il convient de comparer l'impact ou les enjeux concrets induits par le refus de l'Université de reconnaître la Section vaudoise en qualité d'association universitaire.
Du point de vue de la recourante, et tel que les précédents juges l'ont rappelé à juste titre, la reconnaissance "officielle" et les prestations qui s'y rapportent n'exercent un impact que très limité sur
BGE 140 I 201 S. 216
l'organisation de l'Université, dont les prestations positives qu'elle accorde en pratique à ces associations se confinent au droit de tenir des assemblées dans ses locaux "dans la mesure des disponibilités" et pour un certain temps (cf. art. 10 al. 3 RLUL/VD), à la possibilité d'être hébergées et de publier une page de présentation sur le site internet universitaire, ainsi que de bénéficier d'une adresse de messagerie électronique associative. En outre, et bien que la Section vaudoise propose, du constat des précédents juges, aux seuls étudiants masculins une certaine formation politique et économique complémentaire à leurs études ordinaires suivies au sein de l'Université, ainsi que la possibilité de nouer des contacts professionnels utiles à leur carrière ("réseautage"), l'impact de cette association doit être fortement relativisé du fait qu'elle ne réunit en son sein qu'un nombre restreint d'étudiants actuels et anciens dans un contexte à prépondérance festive et culturelle (cf. SAMANTHA BESSON, Liberté d'association et égalité de traitement: une dialectique difficile, RDS 120/2001 I p. 43 ss, 45; cf., mutatis mutandis,
ATF 130 III 699
consid. 4.1 p. 702).
Dans la perspective de l'association intimée en revanche, il est vrai (et l'intimée n'affirme pas le contraire) que l'absence de reconnaissance par l'Université ne l'empêche pas d'exercer librement ses activités et ne viole en tout état pas le noyau intangible de la liberté d'association. Toutefois, le fait d'être privée de telles prestations, dont bénéficient nombre d'autres associations estudiantines, est susceptible d'entraver sérieusement les possibilités pour cette association, d'une part, de bénéficier d'une certaine notoriété et légitimité institutionnelle à l'instar des autres associations reconnues s'adressant à un public majoritairement estudiantin et, d'autre part, de se faire connaître et d'entrer en contact avec ses membres potentiels, qui sont en majorité les étudiants fréquentant l'Université recourante.
6.7.4
En résumé, l'atteinte à la liberté d'association que le refus de reconnaissance universitaire cause à la Section vaudoise s'oppose à la volonté et au devoir de l'Université de promouvoir l'égalité entre les sexes dans le milieu éducatif; ce dernier intérêt doit toutefois être fortement relativisé du moment où la recourante disposait de mesures moins invasives pour atteindre le but promotionnel recherché, son intérêt à ne pas devoir fournir des prestations positives à une association dont les buts ou l'organisation sont potentiellement contraires à ses propres missions étant, qui plus est, affaibli par le
BGE 140 I 201 S. 217
libre choix de l'Université d'encourager des associations estudiantines. En outre, les avantages que l'association intimée offre à ses membres ne revêtent pas une importance telle que les femmes qui s'en trouvent privées d'accès en pâtiraient substantiellement et sans alternative possible au niveau de leur carrière ou formation professionnelle, de sorte que, dans de telles circonstances, une intervention étatique du genre considéré dans l'autonomie organisationnelle de l'intimée s'avérait déraisonnable. Par conséquent, la pesée globale des intérêts en présence fait, dans le cas particulier et compte tenu de la mesure litigieuse envisagée, pencher la balance en faveur de la liberté d'association et de l'égalité de traitement invoquées par l'intimée, au détriment du principe, en soi légitime et important, de l'égalité entre femmes et hommes que souhaite instaurer dans les faits et promouvoir la recourante.
6.8
Il s'ensuit qu'en jugeant que l'Université avait à tort refusé de constater la qualité d'association universitaire de la Section vaudoise et en maintenant cette dernière dans son statut d'association universitaire, le Tribunal cantonal ne s'est pas arbitrairement immiscé dans l'autonomie reconnue à la recourante, mais s'est contenté d'interdire une mesure conduisant à une violation du droit d'association de l'intimée. Les griefs tirés des
art. 8, 9 et 35 Cst.
, ainsi que de la CEDEF doivent donc être écartés. Les considérants qui précèdent conduisent partant au rejet du recours. | public_law | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6a9239bb-7670-4915-8d7c-071f01d91d4c | Urteilskopf
136 III 178
27. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. SA gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_640/2009 vom 2. März 2010 | Regeste a
Art. 93 OR
,
Art. 11 GestG
; Bewilligung eines Selbsthilfeverkaufs; örtliche Zuständigkeit.
Zweck des Selbsthilfeverkaufs nach
Art. 93 OR
. Die Bewilligung erfordert die blosse Glaubhaftmachung der Voraussetzungen. Überprüfbarkeit des Bewilligungsentscheids in einem späteren ordentlichen Verfahren, beispielsweise um Schadenersatz (E. 5.1). Zuordnung der Bewilligung des Selbsthilfeverkaufs zur freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne von
Art. 11 GestG
(E. 5.2). Frage nach dem Bestand eines alternativen Gerichtsstands am Ort der gelegenen Sache offengelassen (E. 5.3).
Regeste b
Art. 93 OR
; Voraussetzung des Annahmeverzugs bezüglich einer Sachleistung.
Die Nebenpflicht zur Rückgabe der Sache, die der Schuldner im Rahmen eines Werkvertrags zur Reparatur oder Wartung in Besitz erhalten hat, beschlägt eine Sachleistung (E. 7.1). | Sachverhalt
ab Seite 179
BGE 136 III 178 S. 179
A.
Die X. SA (Beschwerdeführerin) ist Eigentümerin eines vierstrahligen Geschäftsreiseflugzeugs vom Typ Lockhead L-1329-25 Jetstar II, Baujahr 1979, Werknummer 5233, welches das Schweizer Luftfahrzeugkennzeichen HB-JGK trägt. Dieses befindet sich zur Zeit auf dem Gelände des Flughafens Genf-Cointrin, wo es von der Y. AG (Beschwerdegegnerin) gewartet und instand gestellt wurde. Die Beschwerdegegnerin forderte die Beschwerdeführerin mehrmals erfolglos auf, das fertig gestellte Flugzeug abholen zu lassen.
B.
Am 20. Februar 2009 ersuchte die Beschwerdegegnerin beim Zivilgericht Basel-Stadt um Bewilligung der öffentlichen Versteigerung des sich in Genf befindlichen Flugzeugs nach vorgängiger Androhung gegenüber der Beschwerdeführerin. Der Einzelrichter bewilligte am 3. Juni 2009 nach durchgeführter Verhandlung die öffentliche Versteigerung und setzte die Androhungsfrist auf sechs Wochen fest. Als Versteigerungsort bestimmte er Genf. Auf den weiteren Antrag auf Bestimmung des Hinterlegungsortes trat er nicht ein.
Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Sie beantragte, auf das Gesuch sei mangels Zuständigkeit nicht einzutreten, eventualiter sei es abzuweisen, subeventualiter sei die Sache an die
BGE 136 III 178 S. 180
Erstinstanz zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. Mit Urteil vom 14. September 2009 wies das Appellationsgericht (...) die Beschwerde ab.
C.
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, es sei auf das Gesuch der Beschwerdegegnerin, es sei ihr zu bewilligen, nach vorgängiger Androhung gegenüber der Beschwerdeführerin in Genf das Flugzeug mit dem Kennzeichen HB-JGK des Herstellers Lockhead Aircraft Corporation, Typ 1329-25 Jetstar II, Serie Nr. 5233, zu versteigern, nicht einzutreten. Eventualiter sei dieses Gesuch der Beschwerdegegnerin abzuweisen. Subeventualiter sei der Fall zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
Die Vorinstanz befand, dass die Bewilligung des Selbsthilfeverkaufs nach
Art. 93 OR
der freiwilligen Gerichtsbarkeit angehöre. Somit richte sich die örtliche Zuständigkeit nach
Art. 11 GestG
(SR 272). Zuständig sei demnach das Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz der gesuchstellenden Partei, hier Basel. Die Beschwerdeführerin rügt die fehlende örtliche Zuständigkeit der Basler Gerichte. Ihrer Meinung nach bildet die Bewilligung des Selbsthilfeverkaufs streitige Gerichtsbarkeit. Massgebend sei demnach
Art. 3 GestG
, sodass der Richter am Wohnsitz bzw. Sitz der Gesuchsgegnerin zuständig sei, hier Genf.
5.1
Ist nach der Beschaffenheit der Sache oder nach der Art des Geschäftsbetriebs eine Hinterlegung nicht tunlich oder ist die Sache dem Verderben ausgesetzt oder erheischt sie Unterhaltungs- oder erhebliche Aufbewahrungskosten, so kann der Schuldner nach vorgängiger Androhung mit Bewilligung des Richters die Sache öffentlich verkaufen lassen und den Erlös hinterlegen (
Art. 93 Abs. 1 OR
).
Das Gesetz regelt die Wirkungen des Gläubigerverzugs bei Sachleistungen (Hinterlegung und Selbsthilfeverkauf,
Art. 92-94 OR
) und bei "anderen Leistungen" (Rücktritt vom Vertrag,
Art. 95 OR
). Zu Recht betont die Vorinstanz den engen Zusammenhang zwischen Hinterlegung und Selbsthilfeverkauf, bildet Letzterer doch nur eine besondere Form der Hinterlegung. Der Selbsthilfeverkauf bezweckt, eine nicht hinterlegungsfähige Sache durch eine hinterlegungsfähige zu ersetzen. Die Befreiung des Schuldners tritt dabei
BGE 136 III 178 S. 181
nicht bereits mit dem Verkauf der Sache, sondern erst mit der Aushändigung des Verkaufserlöses an den Gläubiger oder bei Annahmeverweigerung mit der Hinterlegung ein. Der Schuldner kann sich ferner dadurch befreien, dass er den Verkaufserlös mit einer Geldforderung gegen den Gläubiger verrechnet (BERNET, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2007, N. 7 zu
Art. 93 OR
; SCHRANER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2000, N. 52 zu
Art. 93 OR
; WEBER, Berner Kommentar, 4. Aufl. 2005, N. 48 ff. zu
Art. 93 OR
).
Der Schuldner muss den beabsichtigten Selbsthilfeverkauf dem Gläubiger vorgängig androhen. Zudem muss er ihn vom Richter bewilligen lassen. Der Richter bestimmt den Versteigerungsort. Er hat die Voraussetzungen des Selbsthilfeverkaufs in einem raschen, summarischen Bewilligungsverfahren zu prüfen, wie dies vorliegend denn auch erfolgte. Der Richter prüft, ob der Gesuchsteller das Vorliegen der Voraussetzungen des Gläubigerverzugs und diejenigen des Selbsthilfeverkaufs glaubhaft gemacht hat. Der Gläubiger ist nach Möglichkeit anzuhören (WEBER, a.a.O., N. 30 ff. zu
Art. 93 OR
; BERNET, a.a.O., N. 9 zu
Art. 93 OR
; SCHRANER, a.a.O., N. 29 ff. zu
Art. 93 OR
). Die Beurteilung des Richters im summarischen Verfahren bindet den Richter in einem späteren ordentlichen Verfahren (z.B. in einem Schadenersatzprozess) nicht. Nach einhelliger Lehre gilt dies zunächst hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des Gläubigerverzugs (vgl. SCHRANER, a.a.O., N. 32 zu
Art. 93 OR
; BERNET, a.a.O., N. 9 zu
Art. 93 OR
). Angesichts des Umstands, dass im summarischen Bewilligungsverfahren die blosse Glaubhaftmachung genügt, muss der ordentliche Richter nach zutreffender Auffassung der herrschenden Lehre aber auch nachprüfen können, ob die besonderen Voraussetzungen des Selbsthilfeverkaufs erfüllt waren (SCHRANER, a.a.O., N. 32 zu
Art. 93 OR
; WEBER, a.a.O., N. 34 zu
Art. 93 OR
; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1929, N. 5 zu
Art. 93 OR
; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 2a zu
§ 219 ZPO
/ZH; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 323; DEMIAN STAUBER, Die Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs, 2009, S. 173 Rz. 452; Frage offengelassen in
BGE 42 II 219
E. 3 S. 224). BECKER (Berner Kommentar, 2. Aufl. 1941, N. 30 zu Art. 92/94 OR) hegt dagegen Bedenken, weil der Schuldner hinsichtlich der besonderen Voraussetzungen, insbesondere der Angemessenheit der dem Gläubiger angesetzten Frist, seine Massnahmen treffen müsse, ohne stets die individuellen
BGE 136 III 178 S. 182
Verhältnisse des Gläubigers zu kennen. Deshalb sei es billig, dass der Entscheid des summarischen Richters endgültig sei und er sich darauf verlassen könne. Dem hält WEBER (a.a.O.) überzeugend entgegen, dass Sinn und Zweck von
Art. 93 OR
keine Unüberprüfbarkeit des Bewilligungsentscheids verlangen und sich bei unbilligen Schadenersatzforderungen wegen eines ungerechtfertigten Selbsthilfeverkaufs eine Korrektur immer noch dadurch bewirken lasse, dass der Richter bei der Schadenersatzbemessung eine Korrektur vornehme.
5.2
Freiwillige (nichtstreitige) Gerichtsbarkeit meint die Mitwirkung staatlicher Organe, seien es Gerichte oder Verwaltungsbehörden, bei der Begründung, Änderung oder Aufhebung von Privatrechtsverhältnissen (MAX GULDENER, Grundzüge der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Schweiz, 1954, S. 2; im Folgenden: Gerichtsbarkeit). Rechtsprechung und Lehre haben sich eingehend mit dem Begriff der freiwilligen Gerichtsbarkeit befasst, ohne dass sich dabei eine eindeutige Definition herauskristallisiert hätte (NICOLAS VON WERDT, in: Kommentar zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, Berger und andere [Hrsg.], 2005, N. 6 zu
Art. 11 GestG
; vgl. auch
BGE 118 Ia 473
E. 2c S. 476). Meist tritt nur eine einzige Partei als Gesuchsteller auf. Mitunter handelt die Behörde von Amtes wegen. Das Vorliegen eines Ein- oder Mehrparteienverfahrens bildet nicht das entscheidende Abgrenzungsmerkmal. Zwar besteht das Wesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht wie bei der streitigen Gerichtsbarkeit darin, dass im Verhältnis zwischen einem Kläger und einem Beklagten entschieden wird, was rechtens ist. Doch erfolgt die Rechtsanwendung auch bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit in einem Verfahren, in dem sich unter Umständen zwei Parteien gegenüberstehen können, aber nicht notwendig gegenüberstehen müssen (GULDENER, Gerichtsbarkeit, a.a.O., S. 2;
derselbe
, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 42 und 44; im Folgenden: Zivilprozessrecht). Zudem mündet ein solches Verfahren in ein (streitiges) Zweiparteienverfahren, wenn ein Betroffener gegen den Entscheid bzw. eine Amtshandlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit Einspruch erhebt oder ein Rechtsmittel ergreift; diesfalls wird das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sachlich zu einem Zivilprozess, der aber formell als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit weitergeführt wird (GULDENER, Gerichtsbarkeit, a.a.O., S. 6;
derselbe
, Zivilprozessrecht, a.a.O., S. 44). Generell lässt sich sagen, dass im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit getroffene Entscheidungen nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, d.h. auf sie zurückgekommen werden
BGE 136 III 178 S. 183
kann (HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl. 1990, S. 80; vgl. z.B.
BGE 128 III 318
E. 2.2.1).
Der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne von
Art. 11 GestG
werden diejenigen Zivilverfahren zugeordnet, die nicht unter den Begriff der Zivilrechtsstreitigkeit fallen (VON WERDT, a.a.O., N. 10 zu
Art. 11 GestG
; CLAUDIA SPÜHLER, in: Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen, Kommentar, Spühler/Tenchio/Infanger [Hrsg.], 2001, N. 3 zu
Art. 11 GestG
). Als Zivilrechtsstreitigkeit gilt ein kontradiktorisches Verfahren zwischen mindestens zwei Parteien, das auf die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse im Sinne einer res iudicata abzielt (vgl.
BGE 124 III 44
E. 1a;
BGE 123 III 346
E. 1a S. 349). Letzteres Element fehlt bei der Bewilligung des Selbsthilfeverkaufs. Das richterliche Bewilligungsverfahren dient der Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Selbsthilfeverkauf erfüllt sind. Es führt aber nicht zu einem Urteil mit materieller Rechtskraftwirkung über das Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger (vgl. die vorstehende Erwägung 5.1). Dass der Gläubiger nach Möglichkeit anzuhören ist, ändert nichts, da wie ausgeführt auch bei der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwei Parteien auftreten können (in diesem Sinn auch
BGE 118 Ia 473
E. 2c S. 476;
BGE 104 II 163
E. 3b).
Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, verfängt nicht. Sie argumentiert, durch den Selbsthilfeverkauf werde erheblich in die Rechte des Gläubigers eingegriffen und die ursprüngliche Sachleistungsschuld in eine Geldleistungsschuld umgewandelt; der Richter befreie den Schuldner endgültig von seiner Sachleistungspflicht und ermögliche ihm die Vertragserfüllung durch Aushändigung oder Hinterlegung des Verkaufserlöses; der Selbsthilfeverkauf könne nach seiner Abwicklung nicht mehr rückgängig gemacht werden; es könne damit nicht davon gesprochen werden, dass mit dem Entscheid nach
Art. 93 OR
keine zivilrechtlichen Verhältnisse im Sinne einer res iudicata geregelt würden. Damit verkennt die Beschwerdeführerin, dass mit der Bewilligung des Selbsthilfeverkaufs selber noch keine Umgestaltung des Schuldverhältnisses zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner erfolgt. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdegegnerin denn auch lediglich bewilligt, nach vorgängiger Androhung mit einer Frist von sechs Wochen das Flugzeug öffentlich versteigern zu lassen. Dem Gläubiger steht es innerhalb dieser Frist frei, die Sache entgegenzunehmen und damit den Selbsthilfeverkauf und die Umgestaltung des Rechtsverhältnisses
BGE 136 III 178 S. 184
abzuwenden (vgl. WEBER, a.a.O., N. 26 zu
Art. 93 OR
; SCHRANER, a.a.O., N. 27 zu
Art. 93 OR
). Es kann auch insoweit nicht davon gesprochen werden, dass die richterliche Bewilligung nach
Art. 93 OR
auf eine endgültige Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse zielt.
Das Gesuchsverfahren zur richterlichen Bewilligung des Selbsthilfeverkaufs zählt demnach zur freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinne von
Art. 11 GestG
(so auch DONZALLAZ, Commentaire de la loi fédérale sur les fors en matière civile, 2001, N. 19 zu
Art. 11 GestG
; VON WERDT, a.a.O., N. 64 zu
Art. 11 GestG
; STAUBER, a.a.O., S. 171 Rz. 449; ohne nähere Begründung a.A.: WIRTH, in: Gerichtsstandsgesetz, Kommentar, Müller/Wirth [Hrsg.], 2001, N. 43 zu
Art. 11 GestG
).
Nach
Art. 11 GestG
ist das Gericht am Wohnsitz bzw. Sitz der gesuchstellenden Partei zuständig, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Letzteres trifft für die Bewilligung des Selbsthilfeverkaufs nach
Art. 93 OR
nicht zu, weshalb hierfür der Richter am Wohnsitz bzw. Sitz der gesuchstellenden Partei örtlich zuständig ist (so ausdrücklich BERNET, a.a.O., N. 5 zu
Art. 93 OR
; SCHRANER, a.a.O., N. 29 zu
Art. 93 OR
; LOERTSCHER, in: Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2003, N. 8 zu
Art. 93 OR
; STAUBER, a.a.O., S. 172 Rz. 450 in fine).
5.3
Ob aus Praktikabilitätsgründen und zur Vermeidung unnötiger Kosten neben dem Wohnsitz bzw. Sitz der gesuchstellenden Partei der Ort der gelegenen Sache als alternativer Gerichtsstand in Frage kommt, wie dies mehrere Autoren befürworten (WEBER, a.a.O., N. 30 zu
Art. 93 OR
; BERNET, a.a.O., N. 5 zu
Art. 93 OR
; LOERTSCHER, a.a.O., N. 8 zu
Art. 93 OR
; FRANK/STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N. 2 zu
§ 219 ZPO
/ZH; STAUBER, a.a.O., S. 172 Rz. 450), braucht nicht entschieden zu werden, da in casu derselbe nicht angerufen wurde.
5.4
Da vorliegend die Bewilligung des Selbsthilfeverkaufs nicht als vorsorgliche Massnahme ausgesprochen wurde (vgl. nicht publizierte E. 3), kommt
Art. 33 GestG
, der für vorsorgliche Massnahmen zwingend den Gerichtsstandstand der Hauptsache oder des Vollstreckungsortes vorsieht, nicht zur Anwendung.
5.5
Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Einzelrichter des Zivilgerichts Basel-Stadt zu Recht als örtlich zuständig erklärt.
(...)
7.
Die Vorinstanz entschied, dass der Beschwerdegegnerin das Recht zum Selbsthilfeverkauf zukomme, da sie die Voraussetzungen des
BGE 136 III 178 S. 185
Gläubigerverzugs und die speziellen Voraussetzungen des Selbsthilfeverkaufs glaubhaft gemacht habe. Die Beschwerdeführerin bestreitet das eine wie das andere.
7.1
Sie macht zunächst geltend, es liege keine Sachleistung vor. Bestehe die schuldnerische Hauptverpflichtung in einer Arbeitsleistung wie vorliegend in der Wartung oder Reparatur einer Sache, fehle es schon begrifflich an einer Sachleistung. Ein Selbsthilfeverkauf sei daher ausgeschlossen. Als Rechtsbehelf stehe dem Schuldner nur der Rücktritt vom Vertrag nach
Art. 95 OR
offen.
Ist eine andere als eine Sachleistung geschuldet, zum Beispiel eine Arbeits- oder Dienstleistung, scheidet eine Hinterlegung (mit oder ohne vorausgehendem Selbsthilfeverkauf) selbstredend aus. Es gibt nichts Körperliches, das hinterlegt werden könnte. In diesem Fall greift der Rechtsbehelf des Vertragsrücktritts nach
Art. 95 OR
. Dieser dient insbesondere dem Unternehmer im Rahmen eines Werkvertrags, wenn der Besteller durch die Verweigerung der ihm obliegenden Vorbereitungshandlungen Beginn oder Vollendung des Werks verhindert (WEBER, a.a.O., N. 11 zu
Art. 95 OR
mit weiteren Hinweisen). Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, ist die Situation anders bei Werkverträgen, welche die Reparatur oder die Wartung einer Sache zum Gegenstand haben, die der Schuldner in Besitz erhalten hat und die er nach Werkvollendung dem Gläubiger zurückgeben soll. Ist dem Schuldner die Rückgabe der Sache wegen des Gläubigerverzugs verunmöglicht, muss ihm eine Hinterlegung nach den
Art. 92-94 OR
gestattet sein (SCHRANER, a.a.O., N. 26 zu
Art. 93 OR
; WEBER, a.a.O., N. 25 zu
Art. 93 OR
; BERNET, a.a.O., N. 4 zu
Art. 93 OR
; VON THUR/ESCHER, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, 3. Aufl. 1974, S. 82 bei Fn. 53). Die Nebenpflicht zur Rückgabe der Sache beschlägt eine Sachleistung im Sinne von
Art. 93 OR
. Dies hat die Vorinstanz zutreffend erkannt und demnach kein Bundesrecht verletzt. | null | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6a954904-8895-47d4-81cc-0600ef2f4c24 | Urteilskopf
137 I 296
29. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause X. contre Service de la population du canton de Vaud (recours en matière de droit public)
2C_745/2010 du 31 mai 2011 | Regeste
Art. 89 Abs. 1 und
Art. 111 Abs. 3 BGG
; Art. 5 Ziff. 4 und 5,
Art. 8 und 13 EMRK
; Freilassung während des Rekursverfahrens vor der letzten kantonalen Instanz; aktuelles Rechtsschutzinteresse; Grundsätze der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges und der Einheit des Verfahrens.
Der Grundsatz der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges (
Art. 111 Abs. 3 BGG
) gilt als eingehalten, wenn der Beschwerdeführer vor der letzten kantonalen Instanz sämtliche Rügen vorbringen konnte, die er in der Folge auch vor Bundesgericht erheben kann. Um festzustellen, ob die kantonale Behörde den vorliegenden Rekurs zu Recht nicht materiell behandelt hat, ist zu prüfen, wie das Bundesgericht in einer vergleichbaren Situation vorgegangen wäre. Bei Vorliegen besonderer Umstände nimmt das Bundesgericht eine materielle Prüfung vor, obwohl der Beschwerdeführer kein aktuelles Rechtsschutzinteresse mehr hat. Mit Hinblick auf den Grundsatz der Einheit des Verfahrens ist dies etwa dann der Fall, wenn der Beschwerdeführer hinreichend substantiiert und in vertretbarer Weise eine Verletzung der EMRK behauptet ("grief défendable"; vgl.
Art. 13 EMRK
i.V.m.
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
) (E. 4 und 5). Entsteht bei materieller Prüfung der Eindruck, dass die ausgestandene Haft illegal war, so ist dies festzuhalten. Bezüglich eines allfälligen Entschädigungsbegehrens kann die mit dem Rekurs befasste kantonale Instanz entweder aus verfahrensökonomischen Gründen selbst einen Entscheid fällen oder die Angelegenheit an die für Staatshaftungsfragen zuständige Behörde überweisen (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 297
BGE 137 I 296 S. 297
X., ressortissant de Bosnie-et-Herzégovine né en 1984, son épouse Y. et leur enfant Z. ont déposé une demande d'asile en Suisse le 2 juillet 2009, sur laquelle l'Office fédéral des migrations a refusé d'entrer en matière. Cette décision, assortie d'un délai de départ, est entrée en force le 24 septembre 2009. Le 2 mars 2010, X. a refusé de signer une déclaration de retour volontaire, alors qu'il bénéficiait d'un laissez-passer pour la Bosnie-et-Herzégovine.
BGE 137 I 296 S. 298
Arrêté par la police cantonale le 5 août 2010, X. a été placé en détention administrative par ordonnance du Juge de paix vaudois du même jour, ce dernier estimant que l'intéressé aurait "tenté de se soustraire à son refoulement". Au moment de l'arrestation de X., son épouse aurait menacé les policiers avec un couteau, ce qui a entraîné sa mise en détention pénale. Ses deux parents ayant été incarcérés, l'enfant Z., alors âgé de 2 ans, a été placé dans une famille d'accueil le jour-même.
X. a immédiatement déclaré recourir auprès de la Chambre des recours du Tribunal cantonal du canton de Vaud (ci-après: le Tribunal cantonal) contre l'ordonnance du Juge de paix du 5 août 2010, en concluant en substance à l'annulation de celle-ci et à sa libération immédiate. Le 12 août 2010, X. a déposé un "nouveau recours" contre l'ordonnance du Juge de paix et a conclu à la constatation d'une violation de l'
art. 5 par. 1 let
. f CEDH, ainsi qu'à l'allocation d'une indemnité pour tort moral.
Le 7 septembre 2010, le Service de la population du canton de Vaud (ci-après: le Service cantonal) a ordonné la libération immédiate de X. Par acte du 13 septembre 2010, le Tribunal cantonal a considéré que le recours de X. n'avait plus d'objet et a rayé la cause du rôle sans frais.
Après avoir délibéré en séance publique du 31 mai 2011 sur le recours (en matière de droit public) interjeté contre la décision du Tribunal cantonal du 13 septembre 2010, le Tribunal fédéral a admis celui-ci, a annulé la décision attaquée et a renvoyé la cause à l'autorité précédente pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Il reste à examiner si le Tribunal cantonal aurait dû, tel que l'affirme le recourant, entrer en matière sur le bien-fondé des conclusions prises à l'encontre de l'ordonnance de mise en détention du 5 août 2010.
4.1
Sous réserve de la violation de droits fondamentaux et du droit cantonal (cf.
art. 106 al. 2 LTF
), le Tribunal fédéral applique le droit d'office (
art. 106 al. 1 LTF
).
Selon l'
art. 111 al. 3 LTF
, l'autorité qui précède immédiatement le Tribunal fédéral doit pouvoir examiner au moins les griefs visés aux art. 95 à 98 LTF, au nombre desquels figure la violation du droit
BGE 137 I 296 S. 299
fédéral (
art. 95 let. a LTF
). Le principe de l'épuisement des instances est observé, au sens de l'
art. 111 al. 3 LTF
, lorsque le recourant est à même d'invoquer, devant la dernière autorité cantonale, tous les griefs qu'il pourra par la suite soulever devant le Tribunal fédéral, sans qu'il ne soit pour autant nécessaire que l'autorité analyse ces questions d'office (BERNARD CORBOZ, in Commentaire de la LTF, 2009, n° 30 ad
art. 111 LTF
p. 1115). Pour déterminer si le Tribunal cantonal était en droit de ne pas entrer en matière sur le recours de l'intéressé, il convient donc de vérifier de quelle manière, confronté à une situation similaire dans laquelle la libération du recourant serait intervenue en cours de procédure devant le Tribunal fédéral, ce dernier l'aurait résolue. Si le Tribunal fédéral était entré en matière, le Tribunal cantonal aurait dû, conformément à l'
art. 111 al. 3 LTF
, se prononcer sur le fond et ne pas rayer la cause du rôle (arrêts 1C_133/2008 du 6 juin 2008 consid. 2.1; 1C_82/2007 du 19 novembre 2007 consid. 3.1).
4.2
En principe, la qualité pour recourir auprès du Tribunal fédéral suppose un intérêt actuel et pratique à obtenir l'annulation de la décision attaquée. Cet intérêt doit exister tant au moment du dépôt du recours qu'à celui où l'arrêt est rendu (cf.
ATF 137 II 40
consid. 2 p. 41;
ATF 136 II 101
consid. 1.1 p. 103). A priori, il n'existe plus lorsqu'une personne recourant contre sa détention est comme en l'espèce libérée durant la période de recours. Ceci vaut tant pour la privation de liberté dans le domaine pénal (
ATF 136 I 274
consid. 1.3 p. 276) qu'en matière administrative (
ATF 137 I 23
consid. 1.3 p. 24; arrêt 2A.748/2006 du 18 janvier 2007 consid. 2.2), ou encore pour la privation de liberté (civile) à des fins d'assistance (
ATF 136 III 497
consid. 1.1 p. 499).
4.3
La jurisprudence admet toutefois que, dans des circonstances particulières, il se justifie d'examiner le recours au fond malgré la libération du recourant intervenue durant la procédure devant le Tribunal fédéral (cf.
ATF 136 I 274
consid. 1.3 p. 276;
ATF 125 I 394
consid. 5f p. 404 in fine).
4.3.1
La I
re
Cour de droit public a admis de telles circonstances en présence d'une violation manifeste de la CEDH. Dans un tel cas, conformément aux exigences tirées d'un procès équitable (
art. 29 al. 1 Cst.
) et de l'économie de la procédure, il incombait au Tribunal fédéral de traiter les griefs du détenu libéré au cours de la procédure et de constater, comme il le demandait expressément, une violation de la CEDH (
ATF 136 I 274
consid. 1.3 p. 276 s.).
BGE 137 I 296 S. 300
En entrant en matière, le Tribunal fédéral satisfaisait de plus à l'
art. 13 CEDH
, selon lequel "toute personne dont les droits et libertés reconnus dans la présente Convention ont été violés, a droit à l'octroi d'un recours effectif devant une instance nationale" (cf.
ATF 136 I 274
consid. 1.3 p. 277). Cette disposition exige en effet un recours interne permettant d'examiner le contenu d'un "grief défendable" fondé sur la Convention et d'offrir une réparation appropriée, sans qu'elle ne puisse s'interpréter comme imposant "un recours interne pour toute doléance, si injustifiée soit-elle, qu'un individu peut présenter sur le terrain de la Convention" (arrêts de la CourEDH
M.S.S. contre Belgique et Grèce
, du 21 janvier 2011, req. 30696/09, §§ 288 ss;
Boyle et Rice contre Royaume-Uni
du 27 avril 1988, série A vol. 131 § 52). En cas de détention, une entrée en matière est en outre imposée par l'
art. 5 par. 4 CEDH
qui, constituant une
lex specialis
par rapport aux exigences plus générales de l'
art. 13 CEDH
(arrêt
Chahal contre Royaume-Uni
du 15 novembre 1996,
Recueil CourEDH 1996-V p. 1831
§§ 126 s.), prévoit que "toute personne privée de sa liberté par arrestation ou détention a le droit d'introduire un recours devant un tribunal, afin qu'il statue à bref délai sur la légalité de sa détention et ordonne sa libération si la détention est illégale" (s'agissant de son applicabilité en instance d'appel, cf. consid. 3.3 non publié).
Pour justifier l'entrée en matière, le Tribunal fédéral a souligné que, s'il ne traitait pas les griefs formulés dans le cas particulier, la CourEDH pourrait reconnaître une violation de ces dispositions conventionnelles (
ATF 136 I 274
consid. 1.3 p. 277). Elle l'a fait dans un arrêt du 16 décembre 1997 dans la cause
Camenzind contre Suisse
(
Recueil CourEDH 1997-VIII p. 2880
§ 57). Dans cette affaire, le Tribunal fédéral n'était pas entré en matière car la perquisition objet du recours était terminée. Comme a tranché la CourEDH, ce faisant le recourant ne disposait d'aucun recours effectif au sens de l'
art. 13 CEDH
. La Cour a considéré comme non décisive (§§ 51 ss) l'objection formulée par la Suisse qui consistait à dire que le recourant aurait eu la possibilité de faire valoir ses griefs de violation de la CEDH, en particulier dans le cadre d'une procédure d'indemnité au sens de l'
art. 99 DPA
(RS 313.0) (
ATF 136 I 274
consid. 1.3 p. 277). De même, sur le terrain de l'
art. 5 par. 4 CEDH
, la CourEDH a retenu que le seul fait qu'une mesure d'internement ou de détention provisoire "a expiré ne saurait priver l'intéressé du droit à faire contrôler la légalité de cette mesure même après son expiration". A ce défaut, l'on viderait de leur sens les garanties offertes par cette
BGE 137 I 296 S. 301
disposition, "si le contrôle judiciaire d'une détention provisoire, qui est par nature limitée dans le temps, n'était possible qu'aussi longtemps que les effets de la mesure privative perdurent" (arrêt
Herz contre Allemagne
du 12 juin 2003, req. 44672/98, § 68; cf. aussi l'arrêt
N.C. contre Italie
du 18 décembre 2002,
Recueil CourEDH 2002-X p. 203
§§ 49 s.).
4.3.2
Dans l'
ATF 136 I 274
, le Tribunal fédéral a aussi pris en considération le fait que l'autorité de première instance ne s'était pas prononcée sur les griefs de violation de la CEDH, quand bien même le recourant les avait formulés devant elle. Or, si le Tribunal fédéral devait lui aussi ne pas traiter matériellement ces griefs, aucune autorité nationale ne se serait prononcée à leur sujet. Si le recourant portait cette affaire devant la CourEDH, il était à prévoir que cette dernière considérerait le recours comme recevable et se prononcerait sur les griefs, dès lors que pour cette juridiction, l'actualité d'un intérêt digne de protection ne constitue pas un critère pertinent (arrêt précité, consid. 1.3 p. 277). C'est ainsi que, dans la cause
Kaiser contre Suisse
(arrêt du 15 mars 2007, req. 17073/04, §§ 13 et 41), la CourEDH a examiné (et retenu) une violation de l'
art. 5 par. 3 CEDH
, quand bien même le recourant avait déjà été remis en liberté avant que le Tribunal fédéral n'eût rendu son arrêt (cf.
ATF 136 I 274
consid. 1.3 p. 277). Partant, dans son arrêt précité, le Tribunal fédéral a jugé que le principe de l'unité de la procédure lui imposait d'examiner les griefs pouvant être formulés devant la Cour européenne et a accepté de traiter le recours sur le fond comme le demandait expressément le recourant (consid. 1.3 p. 277).
Plus récemment, dans l'affaire
Jusic contre Suisse
(arrêt du 2 décembre 2010, req. 4691/06), qui concernait le recours d'un étranger contre sa détention administrative en vue de l'exécution du renvoi, la CourEDH a examiné (et constaté) une violation de l'
art. 5 par. 1 CEDH
en dépit du fait que l'intéressé avait été libéré en cours de procédure devant le Tribunal fédéral, lequel avait estimé que le recours était devenu sans objet et avait ainsi rayé la cause du rôle (cf. arrêt 2A.503/2005 du 1
er
septembre 2005). A cette occasion, la CourEDH avait écarté l'exception préliminaire de la Suisse portant sur le non-épuisement des voies de recours nationales, au motif que "la voie de droit suivie par le requérant [pour faire constater l'illicéité de sa détention] était de loin la plus naturelle dans les circonstances de l'affaire, où l'intéressé contestait une détention qu'il considérait comme illégale" (arrêt
Jusic
précité, § 57).
BGE 137 I 296 S. 302
4.3.3
Se fondant sur l'
ATF 136 I 274
, le Tribunal fédéral a plusieurs fois jugé que l'autorité de recours doit entrer en matière pour examiner la licéité de la détention d'une personne libérée en cours de la procédure, dans la mesure où le recourant invoque une violation de l'
art. 5 CEDH
(arrêts 1B_125/2011 du 8 avril 2011 consid. 1.2; 1B_25/2011 du 14 mars 2011 consid. 1.2, non publié in
ATF 137 IV 13
; 1B_10/2011 du 14 février 2011 consid. 2; 1B_94/2010 du 22 juillet 2010 consid. 1.3; 1B_161/2010 du 12 juillet 2010 consid. 1).
4.3.4
Comme il a été vu (consid. 4.3.2), la jurisprudence développée par la I
re
Cour de droit public procède entre autres du principe de l'unité de la procédure, qui tend notamment à ce que les griefs invocables devant la Cour européenne soient examinés en amont par le Tribunal fédéral et que les griefs qui peuvent être vérifiés par ce dernier le soient par les instances inférieures. Elle offre à la personne qui s'estime lésée dans ses droits reconnus par la CEDH la possibilité, avant le dépôt de toute requête auprès de la Cour européenne, de faire constater cette violation alléguée dans le cadre d'un recours national interjeté contre l'acte litigieux, quand bien même l'intérêt actuel à former un tel recours en droit suisse aurait entretemps disparu en raison de la cessation (des effets) de la mesure en question. Cette jurisprudence concilie donc les critères de la recevabilité avec les exigences liées au droit à un recours effectif au sens de l'
art. 13 CEDH
. Par ailleurs, cette solution n'a pas pour effet d'assouplir à outrance les conditions de la recevabilité, dès lors qu'elle insiste non seulement sur le devoir du recourant de se prévaloir expressément, devant les autorités judiciaires, d'une violation de la CEDH et qu'elle l'oblige aussi à rendre "défendable" son grief, ce qui présuppose une obligation de motivation accrue comparable à celle qui est déjà prévue à l'
art. 106 al. 2 LTF
.
En conséquence, rien ne s'oppose à ce que la nouvelle pratique amorcée par la I
re
Cour de droit public soit reprise par la Cour de céans s'agissant des détentions administratives.
5.
Il convient encore d'examiner si les conditions qui auraient permis au Tribunal fédéral et qui, par voie de conséquence, obligeraient le Tribunal cantonal d'entrer en matière en dépit de la perte de l'intérêt actuel à recourir (cf. consid. 4.1), sont réunies dans le cas d'espèce.
5.1
Au fond, le recourant se prévaut d'une violation tant de l'art. 5 que de l'
art. 8 CEDH
(cf. consid. 2.2 non publié). Sa mise en détention
BGE 137 I 296 S. 303
administrative aurait été illégale et disproportionnée. Ayant conduit au placement temporaire de son enfant Z. dans une famille d'accueil, elle aurait en outre violé son droit à la protection de la sphère familiale. Ces griefs, qui entrent dans le champ de protection des dispositions conventionnelles dont se prévaut le recourant, ont été déjà invoqués devant le Tribunal cantonal. En outre, ils sont
prima facie
défendables compte tenu des circonstances d'espèce. Il est en effet permis de s'interroger au sujet de la justification de détenir une personne en vue de son renvoi (cf. art. 76 al. 1 let. b ch. 3 et 4 LEtr[RS 142.20]), alors qu'elle vit en Suisse depuis plusieurs années avec sa famille, qu'elle n'est pas partie dans la clandestinité et que, à la suite du comportement de la mère, la détention administrative du père aboutit au placement en foyer d'un enfant alors âgé de 2 ans (cf.
art. 80 al. 4 LEtr
;
art. 8 CEDH
). Dans l'arrêt
Jusic
précité, la Cour européenne a, nonobstant une décision de renvoi exécutoire et le refus exprimé par l'intéressé de quitter la Suisse, retenu une violation de l'
art. 5 par. 1 CEDH
s'agissant de la mise en détention d'un père de quatre enfants mineurs à sa charge dont l'épouse souffrait d'une maladie psychique, et qui avait toujours déféré aux convocations des autorités (arrêt
Jusic
précité, §§ 80 ss).
5.2
Il découle de ce qui précède que, si le recourant avait été libéré après avoir porté son recours devant le Tribunal fédéral, les conditions permettant à ce dernier de déroger à l'exigence de l'intérêt actuel et d'examiner le fond du litige auraient été réunies. Par conséquent, en n'entrant pas en matière sur les griefs d'une violation des
art. 8 et 5 CEDH
invoqués par le recourant, le Tribunal cantonal a privé celui-ci de la possibilité de les faire valoir devant le Tribunal fédéral et a donc violé l'
art. 111 al. 3 LTF
. En empêchant le recourant de faire examiner l'illicéité alléguée de la détention administrative, la décision querellée a en outre violé l'
art. 5 par. 4 CEDH
. La présente cause devra partant être renvoyée à l'instance précédente pour qu'elle entre en matière avec un plein pouvoir d'examen.
6.
Si le Tribunal cantonal aboutit à la conclusion que la détention subie était illégale, il lui appartiendra soit de se prononcer lui-même sur l'indemnisation requise par le recourant soit de transmettre la cause à l'autorité cantonale compétente en matière de responsabilité de l'Etat. En opérant ce choix, les juges cantonaux pourront prendre en considération que, dans l'arrêt
Jusic
précité (§§ 103 ss), la CourEDH a jugé que le droit du requérant à réparation du fait de la violation de la CEDH constatée se trouvait "assuré à un degré suffisant
BGE 137 I 296 S. 304
de certitude" par l'action en responsabilité de l'Etat instaurée par le droit vaudois, qui était donc conforme à l'
art. 5 par. 5 CEDH
. Il leur sera toutefois également permis de tenir compte de la possibilité d'octroyer directement au recourant, pour des motifs liés à l'économie de la procédure, une satisfaction équitable (cf.
ATF 136 I 274
consid. 2.3 p. 278). | public_law | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6a9e6b54-6308-4e92-b25e-df8616869db0 | Urteilskopf
140 V 379
50. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit social dans la cause Caisse publique d'assurance-chômage de la République et canton du Jura contre A. (recours en matière de droit public)
8C_646/2013 du 11 août 2014 | Regeste
Art. 9b Abs. 2 AVIG
; Verlängerung der Rahmenfrist für die Beitragszeit im Falle von Erziehungszeiten.
Art. 9b Abs. 2 AVIG
findet nur Anwendung bei Versicherten, die sich tatsächlich eine Zeit lang vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, um sich der Erziehung eines Kindes zu widmen, und die deshalb die Anspruchsvoraussetzung der genügenden Beitragszeit nicht erfüllen konnten.
In casu keine Verlängerung der Rahmenfrist für die Beitragszeit bei einer Versicherten, die sich lediglich während des Zeitraums des Mutterschaftsentschädigungsbezuges vom Arbeitsmarkt zurückgezogen hat, da dieser Zeitraum als Beitragszeit zählt (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 380
BGE 140 V 379 S. 380
A.
A. (...) a travaillé au service de B., du 1
er
juin au 30 septembre 2010. Du 1
er
octobre 2011 au 31 août 2012, elle a été employée (...) par C. par contrat de durée déterminée. (...) Le 19 juin 2012, elle a donné naissance à une fille et perçu, du 19 juin au 24 septembre 2012, l'allocation journalière de maternité.
Le 8 août 2012, A. s'est annoncée à l'assurance-chômage et a revendiqué l'indemnité de chômage à partir du 19 septembre 2012, précisant qu'elle était disposée à travailler à plein temps. Par décision du 26 novembre 2012, confirmée sur opposition le 28 février 2013, la Caisse de chômage du Jura (ci-après: la caisse de chômage) a refusé de donner suite à sa demande d'indemnisation. Elle a retenu qu'en ne justifiant que de 11,934 mois d'activité soumise à cotisation durant le délai-cadre de deux ans sans pouvoir se prévaloir par ailleurs d'un motif de libération, A. ne remplissait pas les conditions légales relatives à la période de cotisation.
B.
A. a déféré la cause au Tribunal cantonal de la République et canton du Jura, Cour des assurances, qui a admis son recours, annulé la
BGE 140 V 379 S. 381
décision sur opposition du 28 février 2013 et renvoyé la cause à la caisse de chômage pour nouvelle décision dans le sens des considérants. Il a retenu qu'un délai-cadre de cotisation de quatre ans s'appliquait à la recourante conformément à l'
art. 9b al. 2 LACI
(RS 837.0) et que dans ce délai, celle-ci pouvait justifier d'au moins douze mois d'activité soumise à cotisation.
C.
La caisse de chômage interjette un recours en matière de droit public contre cette décision. Elle conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué.
La juridiction cantonale conclut au rejet du recours tandis que l'intimée ne s'est pas déterminée.
Le Tribunal fédéral a admis le recours.
(extrait)
Extrait des considérants:
Erwägungen
2.
2.1
Selon l'
art. 8 al. 1 let
. e LACI, l'assuré a droit à l'indemnité de chômage s'il remplit les conditions relatives à la période de cotisation ou en est libéré. Des délais-cadres de deux ans s'appliquent, en règle générale, aux périodes d'indemnisation et de cotisation (
art. 9 al. 1 LACI
). Le délai-cadre applicable à la période de l'indemnisation commence à courir le premier jour où toutes les conditions dont dépend le droit à l'indemnité sont réunies (
art. 9 al. 2 LACI
). Le délai-cadre applicable à la période de cotisation commence à courir deux ans plus tôt (
art. 9 al. 3 LACI
). Celui qui, dans les limites du délai-cadre, a exercé durant douze mois au moins une activité soumise à cotisation remplit les conditions relatives à la période de cotisation (
art. 13 al. 1 LACI
).
2.2
L'
art. 9b LACI
prévoit une réglementation spéciale en matière de délais-cadres en cas de période éducative. Cette disposition a la teneur suivante:
1
Le délai-cadre d'indemnisation de l'assuré qui s'est consacré à l'éducation de son enfant est prolongé de deux ans, aux conditions suivantes:
a. un délai-cadre d'indemnisation courait au début de la période éducative consacrée à un enfant de moins de dix ans;
b. à sa réinscription, l'assuré ne justifie pas d'une période de cotisation suffisante.
2
Le délai-cadre de cotisation de l'assuré qui s'est consacré à l'éducation de son enfant est de quatre ans si aucun délai-cadre d'indemnisation ne
BGE 140 V 379 S. 382
courait au début de la période éducative consacrée à un enfant de moins de dix ans.
3
Toute naissance subséquente entraîne une prolongation de deux ans au maximum de la période définie à l'al. 2.
4
Les al. 1 à 3 ne sont applicables, pour une même période éducative, qu'à un seul des deux parents et pour un seul enfant.
5
L'assuré ne peut toucher au total plus que le nombre maximum d'indemnités journalières fixé à l'art. 27.
(...)
2.3
Cette disposition vise deux hypothèses bien distinctes. L'
art. 9b al. 1 LACI
prévoit une interruption d'un délai-cadre
d'indemnisation en cours
en faveur de l'assuré qui s'est consacré à l'éducation d'un enfant: le délai-cadre d'indemnisation est prolongé de deux ans. La seconde hypothèse est celle de la prolongation du délai-cadre
de cotisation
(si aucun délai-cadre d'indemnisation ne courait au début de la période éducative). Les personnes visées bénéficient d'un délai-cadre prolongé (quatre ans au total) pour remplir la condition d'une période de cotisation de douze mois. La personne assurée doit donc s'annoncer à l'assurance-chômage au plus tard trois ans après la dernière activité salariée qu'elle a exercée: dans le délai-cadre de quatre ans, la durée minimale de cotisation d'une année doit être remplie. Par ailleurs, une période éducative minimale n'est pas exigée (
ATF 136 V 146
consid. 1.4 p. 150).
2.4
En l'occurrence, les premiers juges ont fait application de l'
art. 9b al. 2 LACI
. Ils ont admis que la période pendant laquelle l'intimée avait perçu l'allocation de maternité comptait comme période de cotisation. Néanmoins, au vu de l'absence d'exercice effectif d'une activité lucrative pendant le congé maternité, ils ont assimilé cette période à une période éducative, de sorte que le délai de cotisation de l'intimée devait être prolongé de deux ans supplémentaires. Durant ce délai de cotisation de quatre ans, lequel s'étendait du 25 septembre 2008 au 24 septembre 2012, l'intimée avait travaillé du 1
er
juin au 30 septembre 2010 au service de B. puis du 1
er
octobre 2011 au 2 avril 2012 pour le compte de C. Du 2 avril au 18 juin 2012, elle avait été en incapacité de travail pour cause de maladie puis en congé maternité du 19 juin au 24 septembre 2012. Au cours du délai-cadre de cotisation prolongé, celle-ci pouvait ainsi justifier, selon les premiers juges, d'au moins douze mois de cotisations.
3.
La recourante conteste l'application de l'
art. 9b al. 2 LACI
au cas d'espèce. Elle fait valoir que la prolongation du délai de cotisation
BGE 140 V 379 S. 383
de vingt-quatre mois suppose un lien de causalité - qui ferait défaut en l'occurrence - entre la période éducative et l'absence de cotisations suffisantes dans le délai-cadre de cotisation de deux ans.
3.1
La période de congé maternité pendant laquelle l'intimée a perçu des allocations perte de gain au sens de la LAPG (RS 834.1) - soit depuis la naissance de son enfant le 19 juin 2012 jusqu'au 24 septembre 2012 - compte comme période de cotisation (cf. BORIS RUBIN, Commentaire de la loi sur l'assurance-chômage, 2014, n° 11 ad
art. 13 LACI
; SABINE STEIGER-SACKMANN, Mutterschaftsentschädigung, in Sozialversicherungen, Opferhilfe, Sozialhilfe, Beraten und Prozessieren, 2014, p. 1173 n. 32.89). La caisse de chômage en a tenu compte puisqu'elle a calculé la période de cotisation jusqu'au 24 septembre 2012.
3.2
Le mécanisme de prolongation des délais-cadres au sens de l'
art. 9b LACI
n'est réservé qu'aux personnes qui se sont véritablement retirées un temps du marché du travail en raison de l'éducation d'un enfant et n'ont pu, de ce fait, accomplir une période de cotisation suffisante (RUBIN, op. cit., n° 4 ad
art. 9b LACI
). Il doit dès lors exister un lien de causalité entre la lacune de cotisation pendant le délai-cadre ordinaire de deux ans et le temps consacré à l'éducation d'un enfant (cf.
ATF 139 V 482
consid. 9.1 p. 487). Ce mécanisme ne s'applique pas aux personnes qui, par exemple, ne se sont retirées du marché du travail que durant la période de perception de l'allocation de maternité. En effet, ce laps de temps compte comme période de cotisation et ne saurait dès lors être considéré comme étant à l'origine d'une lacune de cotisation due à une période éducative (RUBIN, ibidem).
3.3
Dans le cas d'espèce, la période pendant laquelle l'intimée s'est retirée du marché du travail pour s'occuper de son enfant, soit du 19 juin au 24 septembre 2012, compte comme période de cotisation. Par conséquent, ce laps de temps ne saurait être considéré comme étant la cause de l'absence de cotisations due à une période éducative. En retenant que la période durant laquelle l'intimée a perçu l'allocation de maternité comptait néanmoins comme période éducative et en prolongeant son délai-cadre de cotisation de deux ans supplémentaires, la juridiction cantonale a par conséquent violé le droit fédéral. | null | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
6aa1083e-263e-4951-b8f8-c456cebe80ab | Urteilskopf
102 Ia 160
25. Extrait de l'arrêt du 21 janvier 1976 en la cause Commune de Villars-sur-Glâne contre Conseil d'Etat du canton de Fribourg et hoirs Schmid | Regeste
Autonomie der freiburgischen Gemeinden im Bauwesen.
1. Gemeindeautonomie. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 2).
2. Autonomie der freiburgischen Gemeinden im Baupolizeirecht (E. 3). Die Gemeinden geniessen eine gewisse Autonomie in der Ausarbeitung der kommunalen Richt- und Bebauungspläne sowie Baureglemente (E. 4a); dagegen sind sie bezüglich des Baubewilligungsverfahrens nicht autonom (E. 4b) - ausser in einem Ausnahmefall, der hier nicht gegeben ist (E. 4c).
3. Unzulässigkeit einer auf
Art. 4 BV
gestützten Rüge, wenn sie mit jener der Verletzung der Gemeindeautonomie in keinem engen Zusammenhang steht (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 161
BGE 102 Ia 160 S. 161
Le 12 juillet 1973, les hoirs de Marcel Schmid ont requis l'autorisation de transformer un bâtiment situé sur le territoire de la commune de Villars-sur-Glâne. Cette dernière demanda quelques corrections et modifications. Avant d'obtenir le permis de construire, les propriétaires entreprirent les travaux; ce comportement leur valut une amende préfectorale. Le 11 décembre 1973, le Lieutenant du Préfet de la Sarine accorda aux hoirs Schmid le permis de construire sollicité; il écarta ainsi le préavis négatif de la commune, qui relevait que le projet de plan communal d'aménagement à l'étude prévoyait, pour la zone où l'immeuble était situé, un indice de construction de 0,6, et que le bâtiment des hoirs Schmid correspondait à l'indice de 0,82 avant les transformations, et à celui de 0,99 après celles-ci.
La commune a recouru contre la décision d'octroi du permis de construire auprès du Conseil d'Etat. Celui-ci ayant rejeté son recours, elle a formé un recours de droit public auprès du Tribunal fédéral, en alléguant la violation de son autonomie.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, il y a autonomie communale non seulement lorsque la commune agit dans un domaine qui lui est exclusivement réservé, mais également dès qu'une liberté de décision relativement importante lui est laissée dans l'accomplissement de tâches d'intérêt public, et cela sans égard à l'étendue du pouvoir de contrôle
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qu'une autorité étatique peut exercer. L'autonomie communale est alors lésée non seulement lorsque l'autorité cantonale s'attribue une compétence réservée à la commune, mais aussi lorsque cette autorité, tout en statuant dans les limites de ses attributions, abuse de manière insoutenable de son pouvoir d'appréciation. Le champ et la portée de l'autonomie communale sont déterminés par le droit cantonal, que le Tribunal fédéral examine librement ou sous l'angle restreint de l'arbitraire, selon qu'il s'agit de dispositions constitutionnelles ou de dispositions légales (
ATF 101 Ia 261
, 395;
ATF 100 Ia 84
).
3.
a) La constitution cantonale fribourgeoise ne parle pas expressément de l'autonomie des communes. Elle contient cependant quelques dispositions de caractère général relatives à l'administration de ces collectivités. L'art. 76 prévoit que la loi règle tout ce qui a rapport à l'organisation politique et administrative des communes et celles-ci, selon l'art. 77, sont sous la haute surveillance de l'Etat, en ayant, sous ce contrôle, la libre administration de leurs biens. Enfin, selon l'art. 52 lettre f, la surveillance de l'administration des communes et des paroisses incombe au Conseil d'Etat. Si ces dispositions constitutionnelles reconnaissent une certaine liberté administrative aux communes, elles ne déterminent pas les attributions qui leur sont dévolues dans les divers secteurs de l'administration. Il importe donc de rechercher dans la loi si et dans quelle mesure les communes fribourgeoises sont autonomes dans le domaine des constructions.
b) L'art. 150 de la loi sur les communes et paroisses, du 19 mai 1894, prévoit que le Conseil communal surveille les constructions privées, qu'il peut se faire exhiber des plans et devis, et qu'il fait opposition à leur exécution, dans le cas où la sûreté, la solidité, l'alignement et l'esthétique (règles de l'art) l'exigent. Cette disposition ne précise pas pour autant la mesure de l'autonomie communale dans le domaine des constructions; celle-ci est à rechercher dans la loi sur les constructions, du 15 mai 1962 (LC), qui, à cet égard, explicite de manière détaillée les attributions des communes.
4.
Le chapitre IV de la loi fribourgeoise sur les constructions est consacré à la réglementation communale (art. 27 à 41 LC), alors que le chapitre VI contient les dispositions relatives à la procédure, soit à l'approbation des plans d'aménagement et des règlements (art. 55 à 60 LC), d'une part, et aux permis
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de construire (art. 61 à 70 LC), d'autre part. Il ressort des dispositions de la LC que cette loi accorde aux communes, en matière de police des constructions, des compétences plus ou moins étendues suivant les cas, de sorte que l'on ne saurait soutenir d'emblée que ces collectivités sont en principe autonomes en ce domaine. On constate plutôt qu'une distinction s'impose, suivant qu'il s'agit de l'élaboration des plans et règlements communaux ou de l'octroi des permis de construire.
a) Aux termes de l'art. 27 LC, l'autorité communale peut édicter des prescriptions relatives aux constructions, en particulier élaborer un plan directeur, établir un plan d'aménagement et édicter un règlement de police des constructions. Le Conseil d'Etat peut imposer à une commune l'obligation d'établir un plan directeur ou un plan d'aménagement (art. 28 LC). Il lui appartient d'approuver les plans communaux dans la mesure où ils répondent à un intérêt public et sont conformes à la réglementation cantonale (art. 58 LC). Cette approbation donne aux plans force obligatoire tant pour les autorités qu'à l'égard des particuliers (art. 37 LC). Les règlements communaux doivent obligatoirement contenir des prescriptions sur les objets énumérés à l'art. 38 LC. Ils sont également soumis à l'approbation du Conseil d'Etat (art. 60 LC).
Il convient d'admettre, au vu de ces dispositions, que les communes fribourgeoises jouissent d'une certaine autonomie en matière d'élaboration des plans et règlements communaux. Certes, les pouvoirs réservés au Conseil d'Etat sont relativement étendus, puisqu'il incombe à cette autorité de contrôler la conformité aux droits fédéral et cantonal des plans et règlements soumis à son approbation. En outre, selon l'art. 58 du règlement d'exécution de la LC, du 15 février 1965 (RLC), le Conseil d'Etat peut renvoyer le dossier à la commune pour modification ou même apporter lui-même les modifications qui s'imposent après avoir donné à la commune l'occasion de se prononcer à leur sujet. L'approbation par le Conseil d'Etat comporte le rejet des oppositions qui n'ont pas été liquidées au stade communal; elle peut aussi se faire sous réserve de certaines modifications rendues nécessaires pour donner suite aux oppositions justifiées (art. 59 RLC). L'autorité exécutive cantonale contrôle ainsi tant la légalité que l'opportunité des plans et règlements qui lui sont soumis. Mais ce contrôle,
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certes étendu, ne rend pas inopérant le pouvoir de la commune d'édicter des prescriptions relatives aux constructions par le truchement de plans et de régalements. En cette matière, les communes sont en principe autonomes, même si l'autorité hiérarchique de surveillance jouit d'un large pouvoir d'appréciation dans le cadre de l'approbation qu'elle est appelée à donner (cf.
ATF 101 Ia 260
ss).
b) La procédure de demande et d'octroi des permis de construire est réglée par les art. 60 ss LC. Toute demande de permis de construire doit être mise à l'enquête publique, par dépôt au secrétariat communal, pendant dix jours dès la publication par les soins de la commune (art. 63 LC). Les demandes de permis sont soumises, pour préavis, au Conseil communal, puis transmises à l'Inspectorat cantonal des constructions. Celui-ci, après avoir recueilli les préavis nécessaires, transmet la demande, avec son préavis, au préfet. C'est ce dernier qui se prononce sur la demande de permis en statuant sur les oppositions non réglées. S'il refuse le permis ou écarte des oppositions, il motive sa décision et avise les intéressés (art. 64 LC). Les décisions du préfet statuant sur les demandes de permis et sur les oppositions peuvent être déférées au Conseil d'Etat par le requérant, par un opposant ou par la commune.
Selon l'art. 70 LC, le contrôle des travaux échoit à l'autorité communale, "qui veille au respect de la loi, des plans d'aménagement, des règlements ou des conditions du permis", ainsi qu'aux organes qui ont été appelés à donner un préavis. L'Inspectorat cantonal des constructions s'assure de la bonne exécution, par les communes, de leurs tâches de contrôle. Lorsque le propriétaire exécute des travaux en violation de la loi, des plans d'aménagement, des règlements ou des conditions du permis, c'est au préfet qu'il appartient, d'office ou sur requête, d'ordonner la suspension des travaux, la démolition des parties non conformes ou le retrait du permis.
En matière d'octroi de permis de construire, les communes fribourgeoises n'exercent donc aucun pouvoir de décision; elles ne sauraient par conséquent se prévaloir de leur autonomie en ce domaine. En particulier, elles ne peuvent voir dans le refus du préfet de suivre le préavis communal une violation de leur autonomie. A cet égard, la qualité des communes pour recourir contre les décisions du préfet ne constitue pas un
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élément décisif. Lorsqu'elle exerce son droit de recours, la commune n'agit pas nécessairement, comme titulaire de la puissance publique, en tant que collectivité autonome, mais bien d'abord comme partie en cause au même titre que le requérant ou l'opposant. Le rejet de son recours n'entraîne pas ipso facto la violation de son autonomie, une solution différente ne pouvant être admise que si le Conseil d'Etat, agissant en contradiction avec la loi, déclarait le recours irrecevable en déniant à la commune la qualité pour recourir. Certes, selon l'art. 70 LC, les communes exercent le contrôle des travaux. Mais il ne s'agit que de mesures d'exécution de décisions prises par le préfet ou par le Conseil d'Etat et qui ne relèvent pas de l'autonomie communale, d'autant plus que l'Inspectorat cantonal des constructions est chargé de surveiller l'exécution par les communes de leurs tâches de contrôle.
c) La recourante soutient toutefois que l'on se trouve en l'espèce en présence de la situation exceptionnelle réglée par l'art. 56 LC. Selon cette disposition, dès la première publication de mise à l'enquête des plans d'aménagement communaux et de la réglementation spéciale qui en fait partie intégrante, et jusqu'à l'approbation par le Conseil d'Etat, aucune construction ne peut être élevée sur les terrains compris dans le plan (art. 56 al. 1 LC). Cependant, le préfet peut, moyennant l'accord formel de la commune, autoriser des constructions conformes au plan d'aménagement, pour éviter des retards dommageables (art. 56 al. 2 LC).
A l'avis de la recourante, l'autorisation contestée a été délivrée par le préfet sans son accord formel, alors que l'immeuble en cause est visé par le plan d'aménagement communal mis à l'enquête publique et qui n'a pas encore été approuvé par le Conseil d'Etat, et que les transformations pour lesquelles le permis a été sollicité ne sont pas conformes à ce plan. Il convient donc d'examiner si le préfet a délivré le permis de construire sans tenir compte des conditions fixées par l'art. 56 al. 2 LC, en portant ainsi atteinte à l'autonomie de la recourante.
Dans la décision entreprise, le Conseil d'Etat soutient que l'art. 56 LC n'est pas applicable dans le présent cas. Il souligne à cet égard que cette disposition a pour but de préserver le territoire inclus dans le périmètre du projet de plan de
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toutes constructions nouvelles (tour, HLM, etc.) qui seraient édifiées en contradiction avec les règles d'urbanisme que la commune entend faire respecter par la mise en vigueur du plan en cours pour une zone donnée. En revanche, s'il s'agit d'effectuer dans un bâtiment existant des transformations qui ne comportent ni augmentation du nombre des étages ni extension horizontale et qui, par conséquent, s'opèrent dans le cadre du volume existant, le problème de l'application de l'art. 56 LC ne peut se poser. Examinée sous l'angle restreint de l'arbitraire, cette interprétation ne paraît pas insoutenable. On peut effectivement admettre que l'interdiction temporaire de bâtir que l'art. 56 al. 1 LC édicte ne concerne que des constructions nouvelles, mais non les transformations d'un immeuble qui n'imposent pas une extension de son volume, mais uniquement des modifications intérieures.
Le préfet pouvait donc en l'espèce décider l'octroi du permis de construire sans l'accord formel de la commune, dont le préavis n'avait pas pour lui de caractère impératif. Il ne saurait ainsi être question d'une atteinte à l'autonomie de la recourante, et les griefs que celle-ci soulève à cet égard ne sont pas fondés.
5.
La recourante reproche au surplus au Conseil d'Etat d'avoir arbitrairement confirmé la décision du préfet de délivrer aux intimés l'autorisation de construire. Elle ne précise pas en quoi consiste la violation alléguée de l'
art. 4 Cst.
, mais fait simplement grief à l'autorité cantonale d'avoir méconnu les prescriptions de l'art. 70 LC. Selon la jurisprudence, une commune n'a qualité pour se plaindre d'une violation de l'
art. 4 Cst.
que dans la mesure où ce grief est dans un rapport étroit avec celui de violation de l'autonomie communale (
ATF 97 I 511
,
ATF 94 I 455
). La recourante n'ayant pas d'autonomie en matière de permis de construire, sous réserve du cas prévu à l'art. 56 LC, le grief qu'elle tire en l'espèce d'une violation de l'
art. 4 Cst.
est invoqué à titre indépendant; il est, pour ce motif, irrecevable.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours en tant qu'il est recevable. | public_law | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
6aa158b2-ca01-40c0-ade4-d8d2a8d3cb00 | Urteilskopf
141 III 101
15. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_482/2014 vom 20. Januar 2015 | Regeste
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
; zeitlicher Kündigungsschutz während eines mietrechtlichen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens.
Der zeitliche Kündigungsschutz nach
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
greift mit der Klageanhebung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens, unabhängig davon, wann der Vermieter über das Verfahren orientiert wurde oder davon nach Treu und Glauben hätte wissen können (E. 2). | Erwägungen
ab Seite 101
BGE 141 III 101 S. 101
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Die Beschwerdeführerin machte im kantonalen Verfahren geltend, die Kündigung sei missbräuchlich, weil sie während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungsverfahrens ausgesprochen worden sei, also in die Sperrfrist nach
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
falle. Sowohl das Mietgericht wie auch die Vorinstanz verwarfen diesen Einwand.
Zwar stellte die Vorinstanz dabei fest, das von der Beschwerdeführerin am 25. Mai 2012 gestellte Schlichtungsbegehren auf Mängelbeseitigung und Mietzinsherabsetzung hänge klarerweise mit dem Mietverhältnis zusammen; das Schlichtungsverfahren sei mit Postaufgabe vom 25. Mai 2012 anhängig gemacht worden; die Kündigung des Mietverhältnisses vom 25. Mai 2012 sei nicht früher als am 26. Mai 2012 in den Machtbereich der Beschwerdeführerin
BGE 141 III 101 S. 102
gelangt und gelte daher nach der Empfangstheorie erst dann im Sinne von
Art. 271a Abs. 1 OR
als "ausgesprochen"; am 26. Mai 2012 sei das von der Beschwerdeführerin angehobene Schlichtungsverfahren bereits rechtshängig gewesen.
Indessen verlangte die Vorinstanz als weitere Voraussetzung für die Anfechtbarkeit der Kündigung, dass der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigungsaussprache Kenntnis von der Hängigkeit des Verfahrens hat oder haben könnte. Beides verneinte sie, weshalb die Kündigung nicht als treuwidrig im Sinne von
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
zu betrachten sei.
2.2
Art. 271a Abs. 1 lit. d und e OR
regeln den zeitlichen Kündigungsschutz während bzw. nach Abschluss eines mietrechtlichen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens. Nach
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
ist eine durch den Vermieter ausgesprochene Kündigung anfechtbar, wenn sie während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens ausgesprochen wird, ausser wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat. Dieser Anfechtungsgrund gilt für alle Schlichtungs- und Gerichtsverfahren, selbst Schiedsgerichtsverfahren, sofern sie mit der Mietsache zusammenhängen. Ausgenommen sind bloss die in
Art. 271a Abs. 3 OR
ausdrücklich genannten Streitigkeiten. Die Vermieterkündigung, die in diesem Zeitraum erfolgt, ist unabhängig davon anfechtbar, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist (
BGE 131 III 33
E. 3.1 ff.).
2.3
Die Frage, ob die Anfechtbarkeit der Kündigung nach
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
die Kenntnis des Vermieters vom hängigen Verfahren voraussetzt, hat das Bundesgericht bisher nicht entschieden. In einem neueren Entscheid hielt es jedoch fest, die Kündigungssperrfrist nach
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
beginne grundsätzlich mit der Klageanhebung und ende mit der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens (Urteil 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3). Nicht explizit geäussert hat es sich zur Frage, ob die Anfechtbarkeit der Kündigung zusätzlich von der Kenntnis des Vermieters vom hängigen Verfahren abhängig zu machen ist.
2.4
Die Lehrmeinungen dazu sind geteilt:
PETER HIGI befürwortet die Frage und begründet dies damit, dass die Norm die widerlegbare Vermutung aufstelle, dass eine Kündigung während eines hängigen Verfahrens aus dem unlauteren Motiv der "Rache" erfolge. Diese Vermutung könne aber nur dann
BGE 141 III 101 S. 103
einigermassen plausibel erscheinen, wenn der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigungsaussprache Kenntnis von der Hängigkeit des Verfahrens habe oder als vernünftiger und korrekter Mensch haben könnte (Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1996, N. 233, 246 f. und 249 zu
Art. 271a OR
; gleicher Meinung: RAYMOND BISANG UND ANDERE, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 37 zu
Art. 271a OR
; RICHARD BARBEY, Commentaire du droit du bail, 1991, N. 128 zu
Art. 271-271a OR
).
Andere Autoren lehnen diese Meinung ab und setzen demnach die Kenntnis des Vermieters vom hängigen Verfahren nicht voraus, dies primär aus Praktikabilitäts- und Rechtssicherheitsgründen und weil diese Lösung im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stehe (LACHAT, Le bail à loyer, 2008, S. 747 Fn. 756; ebenso LACHAT/THANEI, in: Das Mietrecht für die Praxis, Lachat und andere [Hrsg.], 8. Aufl. 2009, S. 618 Fn. 154; ohne Begründung: CONOD/BOHNET, Droit du bail, 2014, S. 209 Rz. 961; gl. Meinung wohl auch ROGER WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 24 zu Art. 271/271a OR; vgl. auch RICHARD PERMANN, Kommentar zum Mietrecht, 2. Aufl. 2007, N. 39 f. zu
Art. 271a OR
).
2.5
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Es können auch die Gesetzesmaterialien beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Richter damit weiterhelfen (
BGE 140 III 206
E. 3.5.4,
BGE 140 III 289
E. 2.1, 315 E. 5.2.1;
BGE 131 III 33
E. 2 mit Hinweisen).
2.6
Der Wortlaut von
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
umschreibt die Zeitspanne des zeitlichen Kündigungsschutzes unscharf mit "während eines (...) Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens". Die frühere Diskussion in der Lehre darüber, ob für den Beginn der Kündigungssperrfrist die Klageanhebung durch Einreichung des Schlichtungsgesuchs bei der Schlichtungsbehörde bzw. bei der Schweizerischen
BGE 141 III 101 S. 104
Post zuhanden derselben oder der Eintritt der Rechtshängigkeit massgeblich ist, wurde mit dem Inkrafttreten der ZPO obsolet, ist doch seither schweizweit klar, dass die Rechtshängigkeit mit der Einreichung des Schlichtungsgesuchs eintritt (
Art. 62 Abs. 1 ZPO
; vgl. dazu WEBER, a.a.O., N. 24 zu Art. 271/271a OR). Das Bundesgericht präzisierte in dem bereits zitierten Entscheid 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3, dass die Kündigungssperrfrist nach
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
grundsätzlich mit der Klageanhebung beginnt und mit der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens endet. Der Wortlaut der Bestimmung bietet keine Handhabe, den Beginn der Sperrfrist auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der Vermieter über das hängige Verfahren orientiert wird oder nach Treu und Glauben davon Kenntnis haben könnte. Im Gegenteil: Der Wortlaut spricht mit dem Ausdruck "während" ("pendant", "durante") die ganze Dauer der Rechtshängigkeit an, ohne für deren Beginn die Kenntnis des Vermieters von der Einleitung des Verfahrens vorauszusetzen.
2.7
Sinn und Zweck von
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
liegen darin zu verhindern, dass die Vermieterschaft ein ihr missliebiges Gerichtsverfahren durch Kündigung des Mietverhältnisses beendigen kann (
BGE 131 III 33
E. 3.2 mit Hinweisen). Der zeitliche Kündigungsschutz nach
Art. 271a Abs. 1 lit. d und e OR
gewährleistet dem Mieter, dass er seine mietrechtlichen Ansprüche bei der Schlichtungsbehörde oder dem Gericht geltend machen kann, ohne befürchten zu müssen, dass der Vermieter ihm deshalb kündigt (Urteil 4C.432/2006 vom 8. Mai 2007 E. 4.4, übersetzt in: Mietrecht aktuell [MRA] 3/2007 S. 84). Dieser Schutzgedanke spricht gegen eine einschränkende Auslegung der zeitlichen Kündigungssperre.
Wohl unterliegt die Kündigung durch den Vermieter während der Sperrfrist der gesetzlichen Vermutung, dass sie zweckfremd zur Vergeltung eingesetzt wurde (Botschaft vom 27. März 1985 zur Revision des Miet- und Pachtrechts, BBl 1985 I 1389 ff., 1460 zu Art. 271a Abs. 1 lit. c). Die Vorinstanz hebt mit den entsprechenden Lehrmeinungen denn auch zutreffend hervor, dass diese gesetzliche Vermutung dann keine reale Grundlage haben kann, wenn der Vermieter vom angehobenen Verfahren gar keine Kenntnis hat oder haben könnte. Diesfalls kann ihm nicht unterstellt werden, er habe wegen eines missliebigen Gerichtsverfahrens gekündigt. Nun muss ein solches Vergeltungsmotiv aber auch bei entsprechender Kenntnis nicht stets vorhanden sein. Trotzdem wird es vom Gesetzgeber mit den zeitlichen Kündigungsschutzbestimmungen fingiert. Gerade
BGE 141 III 101 S. 105
bei den Sperrfristen manifestiert das Gesetz, dass es weit eher von positiven Loyalitätskriterien und vom Sozialschutzgedanken denn vom negativ geprägten Missbrauchsbegriff getragen ist, reicht doch der Kündigungsschutz über jenen vor offensichtlichem Rechtsmissbrauch, ja selbst über die umfassende Wahrung von Treu und Glauben, hinaus (
BGE 131 III 33
E. 3.2). Vor dem Hintergrund dieser zweckmässigen Ausrichtung hat das Bundesgericht denn auch erkannt, dass die Vermieterkündigung, die während eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens im Sinne von
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
erfolgt, unabhängig davon anfechtbar ist, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist (
BGE 131 III 33
). Entsprechend kann für die zeitliche Fixierung der Sperrfrist auch nicht ausschlaggebend sein, ob das vermutete Rachemotiv beim Vermieter tatsächlich vorliegt bzw. aufgrund entsprechender Kenntnis überhaupt vorliegen kann.
2.8
Diese Auslegung wird durch eine systematische Betrachtung der Bestimmung von
Art. 271a OR
bestärkt. Diese regelt nämlich auch den gebotenen Ausgleich mit den Interessen des Vermieters. So schliesst Art. 271a Abs. 1 lit. d zweiter Halbsatz OR die Berufung auf diese Norm aus, wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat. Auch mit den Ausnahmen nach
Art. 271a Abs. 3 OR
trägt das Gesetz den Vermieterinteressen Rechnung. Der Gesetzgeber listet in
Art. 271a Abs. 1 und 2 OR
jene Fälle auf, in denen die Missbräuchlichkeit der Kündigung zu vermuten ist. In Absatz 3 zählt es dann jene Fälle abschliessend auf, bei deren Vorliegen die gesetzlichen Vermutungen des zeitlichen Kündigungsschutzes widerlegt sind bzw. Ausnahmen vom zeitlichen Kündigungsschutz bestehen. Es sind dies dringender Eigenbedarf des Vermieters (lit. a), Zahlungsrückstand des Mieters (lit. b), schwere Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (lit. c), Veräusserung der Sache (lit. d), wichtige Gründe im Sinne von
Art. 266g OR
, welche die Vertragserfüllung für die Vermieterschaft unzumutbar machen (lit. e) oder Konkurs des Mieters (lit. f). Trotz der grundsätzlich abschliessenden Aufzählung der Ausnahmen in Absatz 3 anerkennt das Bundesgericht die Zulässigkeit einer Kündigung während eines hängigen Verfahrens oder innerhalb der dreijährigen Sperrfrist, wenn der Vermieter mit der erneuten Kündigung nicht die Absicht bekundet, sich am Mieter zu rächen, sondern lediglich die in einem früheren Verfahren aus formellen Gründen (insb. Formmangel) als nichtig oder unwirksam erkannte Kündigung "wiederholt". In einem solchen Fall bringt der Vermieter bloss den früher
BGE 141 III 101 S. 106
schon bestehenden Kündigungswillen zum Ausdruck (Urteile 4C.252/2002 vom 8. November 2002 E. 3.1; 4C.432/2006 vom 8. Mai 2007 E. 4.4, übersetzt in: MRA 3/2007 S. 84, bestätigt im Urteil 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3). Davon abgesehen besteht kein Grund, den zeitlichen Kündigungsschutz über die gesetzlich bestimmten Ausnahmefälle hinaus weiter in dem Sinn einzuschränken, dass er erst zum Tragen kommt, wenn der Vermieter Kenntnis von einem angehobenen Verfahren hat oder nach Treu und Glauben haben könnte, zumal das Bundesgericht bereits entschieden hat, dass die Vermieterkündigung während eines hängigen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens grundsätzlich unabhängig davon anfechtbar ist, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist (
BGE 131 III 33
).
2.9
Gegen eine zusätzliche Voraussetzung für die Anfechtbarkeit der Kündigung, dass der Vermieter Kenntnis vom Verfahren hat oder haben könnte, wird vom entsprechenden Teil der Lehre (vgl. E. 2.4 in fine) schliesslich mit Recht ins Feld geführt, dass eine solche Lösung wenig praktikabel wäre und der Rechtssicherheit entgegenstünde. Demgegenüber wird mit der "Klageanhebung" an einen leicht bestimmbaren Zeitpunkt angeknüpft, was der Rechtssicherheit dient.
2.10
Zusammenfassend folgt, dass der zeitliche Kündigungsschutz nach
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
mit der Klageanhebung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens greift, unabhängig davon, wann der Vermieter über das Verfahren orientiert wurde oder davon nach Treu und Glauben hätte wissen können. Indem die Vorinstanz gegenteilig entschied, verletzte sie
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
. | null | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
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