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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
66120565-3982-4433-9af1-de213e924335 | Urteilskopf
138 V 32
5. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. H. gegen Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (FAR) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_347/2011 vom 26. Januar 2012 | Regeste
Art. 356 ff. OR
;
Art. 1 Abs. 2 AVEG
; Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR); Beitragspflicht des Arbeitgebers.
Die allgemeinverbindlich erklärte Pflicht des Arbeitgebers zur Entrichtung von Vorsorgebeiträgen an die Stiftung FAR beruht auf genügenden gesetzlichen Grundlagen (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 33
BGE 138 V 32 S. 33
A.
Der Schweizerische Baumeisterverband (SBV), die GBI Gewerkschaft Bau & Industrie (heute: Unia) sowie die Gewerkschaft SYNA schlossen am 12. November 2002 einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR), mit dessen Vollzug die Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (Stiftung FAR) betraut ist. Durch Beschluss des Bundesrates vom 5. Juni 2003 wurde der GAV FAR teilweise allgemeinverbindlich erklärt.
B.
H. führte bis 6. April 2010 als Einzelunternehmer eine Bauunternehmung, ohne dem SBV angeschlossen zu sein. Mit Schreiben vom 5. September 2007 forderte ihn die Stiftung FAR auf, "Lohnsummenmeldungen und Lohnbescheinigungen auszufüllen". Am 24. Oktober 2008 wurde ihm ein Zahlungsbefehl zugestellt betreffend eine Forderung von Fr. 100'000.- nebst Zins zu 5 % seit 1. Juli 2003 für "einmalige Eintrittsbeiträge sowie Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge, geschuldet für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis 31. Dezember 2007 gemäss GAV FAR und Reglement FAR". H. entrichtete Beiträge für die Zeit ab 1. November 2007, bestritt aber für den vorangegangenen Zeitraum eine Beitragspflicht und verweigerte diesbezüglich auch Informationen betreffend Mitarbeiterzahl und Lohnsummen. Am 17. August 2009 erhob die Stiftung FAR Klage gegen H. und stellte u.a. folgenden Antrag:
"1. Der Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin die folgenden Beträge zu bezahlen:
a) Fr. 680.- für jeden am 1. Juli 2003 angestellten Mitarbeiter, der unter den persönlichen Geltungsbereich des GAV FAR fällt, nebst Zins zu 5 %;
BGE 138 V 32 S. 34
b) 5,66 % der AHV-pflichtigen Lohnsumme vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2004 jedes Mitarbeiters, der unter den persönlichen Geltungsbereich des GAV FAR fällt, nebst Zins zu 5 %;
c) 5 % der AHV-pflichtigen Lohnsumme vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2007 jedes Mitarbeiters, der unter den persönlichen Geltungsbereich des GAV FAR fällt, nebst Zins zu 5 %."
Mit Entscheid vom 10. März 2011 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Klage in dem Sinne gut, als es H. verpflichtete, Beiträge gemäss Antrag Ziff. 1 zu bezahlen.
C.
H. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, der Entscheid vom 10. März 2011 sei aufzuheben und die Klage der Stiftung FAR abzuweisen. Ferner beantragt er, eine mündliche Parteiverhandlung und Urteilsberatung durchzuführen.
Die Stiftung FAR und das Bundesamt für Sozialversicherungen schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Gericht verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass seine Bauunternehmung gemäss Art. 2 des Bundesratsbeschlusses vom 5. Juni 2003 über die Allgemeinverbindlicherklärung des GAV FAR (nachfolgend: AVE GAV FAR; BBl 2003 4039) von dessen räumlichem und betrieblichem Geltungsbereich erfasst wurde. Er bringt vor, die Beitragserhebung entbehre einer genügenden gesetzlichen Grundlage, weshalb sie gegen das Legalitätsprinzip im Abgaberecht (
Art. 127 BV
) und das Gewaltentrennungsprinzip (
Art. 164 Abs. 1 lit. d BV
) verstosse. Weiter hält er durch die Erhebung von Beiträgen "ohne vorgängige persönliche Benachrichtigung" das Rechtsgleichheitsgebot (
Art. 8 BV
; Art. 2 Ziff. 4 des Bundesgesetzes vom 28. September 1956 über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen [AVEG; SR 221.215.311]), das Willkürverbot (
Art. 9 BV
) und das Legalitätsprinzip (
Art. 127 BV
) für verletzt. Schliesslich macht er für die auf das Jahr 2003 entfallenden Beiträge Verjährung geltend.
2.2
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe sich inhaltlich nicht mit den wesentlichen Punkten seiner Auffassung
BGE 138 V 32 S. 35
auseinandergesetzt und daher in materieller Rechtsverweigerung gegen
Art. 9 BV
verstossen, macht er sinngemäss eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (
Art. 29 Abs. 2 BV
) geltend. Davon kann indessen nicht gesprochen werden, war doch eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheides möglich (vgl.
BGE 134 I 83
E. 4.1 S. 88;
BGE 133 III 439
E. 3.3 S. 445;
BGE 124 V 180
E. 1a S. 181).
3.
3.1
3.1.1
Alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen sind in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Dazu gehören insbesondere die grundlegenden Bestimmungen über den Kreis der Abgabepflichtigen sowie den Gegenstand und die Bemessung von Abgaben (
Art. 164 Abs. 1 lit. d BV
). Rechtsetzungsbefugnisse können durch Bundesgesetz übertragen werden, soweit dies nicht durch die Bundesverfassung ausgeschlossen wird (
Art. 164 Abs. 2 BV
). Die Ausgestaltung der Steuern, namentlich der Kreis der Steuerpflichtigen, der Gegenstand der Steuer und deren Bemessung, ist in den Grundzügen im Gesetz selbst zu regeln (
Art. 127 Abs. 1 BV
). Diese Norm stimmt in ihrem Regelungsgehalt bezüglich öffentlicher Abgaben des Bundes mit dem genannten
Art. 164 Abs. 1 lit. d BV
überein (PIERRE TSCHANNEN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Bernhard Ehrenzeller und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 23 zu
Art. 164 BV
).
3.1.2
Der Bund kann Vorschriften erlassen über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (
Art. 110 Abs. 1 lit. d BV
). Gesamtarbeitsverträge dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn sie begründeten Minderheitsinteressen und regionalen Verschiedenheiten angemessen Rechnung tragen und die Rechtsgleichheit sowie die Koalitionsfreiheit nicht beeinträchtigen (
Art. 110 Abs. 2 BV
).
3.1.3
Gegenstand der Allgemeinverbindlicherklärung können u.a. Bestimmungen sein, in Bezug auf welche eine Vereinbarung gemäss Artikel 323
ter
des Obligationenrechts (in der bis 31. Dezember 1971 geltenden Fassung; die Norm entspricht seither
Art. 357b OR
[AS 1971 1465]) getroffen worden ist (
Art. 1 Abs. 2 AVEG
). In einem zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrag können die Vertragsparteien vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den
BGE 138 V 32 S. 36
beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht, soweit es sich namentlich um Beiträge an Ausgleichskassen und andere das Arbeitsverhältnis betreffende Einrichtungen handelt (
Art. 357b Abs. 1 lit. b OR
). Nach
Art. 4 Abs. 1 AVEG
gelten die gesamtarbeitsvertraglichen Verpflichtungen der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber den Vertragsparteien im Sinne von Artikel 357b OR auch für die am Vertrag nicht beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf die der Geltungsbereich ausgedehnt wird.
3.2
Es trifft zu, dass sozialversicherungsrechtliche Arbeitgeberbeiträge als öffentlich-rechtliche Abgaben in rechtsdogmatischer Hinsicht (vgl. dazu HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, S. 606 ff.) eine gewisse Ähnlichkeit mit Zweck- oder Kostenanlastungssteuern aufweisen (MAURER/SCARTAZZINI/HÜRZELER, Bundessozialversicherungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 86 Rz. 54; THOMAS LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Aufl. 2003, S. 402 Rz. 7). Anderseits können sie insoweit als Kausalabgaben (d.h. Beiträge resp. Vorzugslasten) aufgefasst werden, als der Arbeitgeber durch deren Bezahlung ihm im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag obliegende Schutz- und Fürsorgepflichten erfüllt (vgl. ULRICH MEYER, Allgemeine Einführung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 67 Fn. 291). Schliesslich werden Sozialversicherungsbeiträge mangels genügender Kompatibilität mit den abgaberechtlichen Begriffen bisweilen auch als "Abgaben sui generis" bezeichnet (ALFRED MAURER, Bundessozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 1994, S. 70;
derselbe
, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1983, S. 378 f.).
Ob es sich bei Arbeitgeberbeiträgen, die gestützt auf eine Allgemeinverbindlicherklärung zu entrichten sind, um öffentlich-rechtliche Abgaben handelt (vgl. E. 1.1; zur grundsätzlich privatrechtlichen Natur allgemeinverbindlicher GAV-Bestimmungen GIACOMO RONCORONI,
Art. 1-21 AVEG
, in: Handbuch zum kollektiven Arbeitsrecht, 2009, S. 397 Rz. 12 f. und S. 399 Rz. 20; STEFAN KELLER, Der flexible Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe, 2008, S. 421), die überdies als Steuern zu qualifizieren sind, kann letztlich offenbleiben: In solchen Fällen sind strengste Anforderungen an die gesetzlichen Grundlagen nicht gerechtfertigt, zumal ein Schutz der Beitragspflichtigen vor zu hohen Abgaben (vgl. HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., S. 607 Rz. 2625c und S. 624 Rz. 2703 f.) auf andere Weise gewährleistet wird (E. 3.5).
BGE 138 V 32 S. 37
3.3
Die auf einen allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag zurückzuführende Beitragspflicht trifft Arbeitgeber und Arbeitnehmer (
Art. 1 Abs. 2 und
Art. 4 Abs. 1 AVEG
;
Art. 357b OR
). Dieser Kreis der Abgabepflichtigen wird durch die materiellen Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung von
Art. 2 Ziff. 3 AVEG
weiter eingeschränkt: Danach werden insbesondere nur jene Arbeitgeber erfasst, die in einer Branche tätig sind, wo die Beteiligung der Arbeitgeber und -nehmer an einem Gesamtarbeitsvertrag bestimmte Quoren erfüllt (RONCORONI, a.a.O., S. 423 ff.). Damit ist der Kreis der Beitragspflichtigen bereits im formellen Gesetz genügend konkretisiert, auch wenn er durch die Festlegung des räumlichen und betrieblichen Geltungsbereichs im Rahmen der Allgemeinverbindlicherklärung zusätzlich eingeengt wird (vgl. Art. 2 f. AVE GAV FAR). Eine gesetzliche Bezeichnung potentiell betroffener Wirtschaftszweige, wie sie der Beschwerdeführer im konkreten Fall für das Bauhauptgewerbe verlangt, ist nicht erforderlich und wäre auch nicht sinnvoll, zumal kollektives Arbeitsrecht in jeder Branche zum Tragen kommen kann.
3.4
Laut gesetzlicher Vorgabe von
Art. 1 Abs. 2 AVEG
in Verbindung mit
Art. 357b Abs. 1 lit. b OR
können Beiträge an Ausgleichskassen und andere das Arbeitsverhältnis betreffende Einrichtungen erhoben werden. Dass die vom Arbeitgeber geschuldeten Beiträge an die Stiftung FAR nicht von dieser Bestimmung erfasst sein sollen, ist nicht ersichtlich (vgl. JEAN-FRITZ STÖCKLI, Berner Kommentar, Das Obligationenrecht, Bd. VI, 1999, N. 10 zu
Art. 357b OR
), steht die Vorsorgeeinrichtung doch - ebenso wie die ihr zu entrichtenden lohnabhängigen Beiträge - offensichtlich im Zusammenhang mit den jeweiligen Arbeitsverhältnissen. Damit beruht auch der Gegenstand der Abgabe auf einer genügenden Grundlage. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers ist es mit Bezug auf das Legalitätsprinzip im Abgaberecht (E. 3.1.1) nicht notwendig, den Verwendungszweck der erhobenen Beiträge, mithin die Ermöglichung des flexiblen Altersrücktritts, in einem formellen Gesetz festzuhalten.
3.5
3.5.1
Es liegt in der Natur der Sache, dass die konkrete Beitragspflicht und insbesondere die Bemessung von Beiträgen der Art, um die es hier geht, nicht in einem formellen Gesetz geregelt werden, ist es doch im Zusammenhang mit einer Allgemeinverbindlicherklärung gerade Sache der Sozialpartner, über allfällige
BGE 138 V 32 S. 38
Verpflichtungen und deren Umfang eine innerhalb einer bestimmten Branche tragfähige Einigung zu finden (vgl.
Art. 1 AVEG
; KELLER, a.a.O., S. 423). Üblicherweise Gegenstand von Gesamtarbeitsverträgen bildende normative und indirekt schuldrechtliche Bestimmungen - wie etwa die Festsetzung von Mindestlöhnen, die Pflicht zum Abschluss einer Krankentaggeldversicherung oder zur Beitragszahlung für die berufliche Weiterbildung (vgl. RONCORONI, a.a.O., S. 402 ff.) - beschränken den finanziellen Handlungsspielraum des Arbeitgebers im Verhältnis zu seinen Arbeitnehmern und wirken sich auf dessen wirtschaftliche Vermögenslage aus. Inwiefern sich die genannten Bestimmungen in abgaberechtlicher Hinsicht von gesamtarbeitsvertraglichen Regelungen der beruflichen Vorsorge unterscheiden sollen, ist nicht ersichtlich. Diese gelten denn auch in der Lehre als einer Allgemeinverbindlicherklärung zugänglich (RONCORONI, a.a.O., S. 403 f. Rz. 35 und 40). Folgte man der Auffassung des Beschwerdeführers, wonach die Bemessung der Beiträge einer formellgesetzlichen Grundlage bedürfe, würde in der Konsequenz das Institut der Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen - wie auch jenes des Gesamtarbeitsvertrages selber - weitgehend seines Gehalts entleert (vgl. zu deren Sinn und Zweck THOMAS GÄCHTER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Bernhard Ehrenzeller und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 29 zu
Art. 110 BV
; RONCORONI, a.a.O., S. 393 f. und 416), was nicht die Absicht des Verfassungs- und Gesetzgebers gewesen sein kann. Im Übrigen untersteht die Allgemeinverbindlichkeit spezifischen Voraussetzungen (vgl. Art. 2 f. AVEG), welche den berechtigten Interessen der am Gesamtarbeitsvertrag nicht beteiligten Arbeitgeber Rechnung tragen. Diese haben ausserdem die Möglichkeit, am Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung teilzunehmen (vgl. Art. 9 f. AVEG).
3.5.2
Die Bemessung der Beiträge wird in generell-abstrakter Weise im allgemeinverbindlich erklärten Art. 8 GAV FAR festgelegt. Dass die Beiträge wesentlich höher als die entsprechenden Kosten (vgl. zum für die Stiftung FAR geltenden Rentenwert-Umlageverfahren Art. 7 Abs. 2 GAV FAR; KELLER, a.a.O., S. 439 ff.) oder als der Wert des entsprechenden Sondervorteils (vgl. E. 3.2) sein sollen, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht. Aufgrund dieser Gegebenheiten ist in Bezug auf die Höhe der Beiträge von der Wahrung des Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzips auszugehen. Auch daher rechtfertigt sich der Verzicht auf eine Regelung der Grundzüge der Bemessung in einem formellen Gesetz.
BGE 138 V 32 S. 39
3.6
Nach dem Gesagten steht fest, dass die allgemeinverbindlich erklärte Pflicht des Arbeitgebers zur Entrichtung von Vorsorgebeiträgen an die Stiftung FAR insgesamt auf genügenden gesetzlichen Grundlagen beruht und in diesem Zusammenhang von einer Verletzung des Legalitäts- oder Gewaltentrennungsprinzips nicht gesprochen werden kann.
4.
4.1
Die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages ist eine normative Regelung mit Rechtsetzungscharakter (
Art. 4 AVEG
), welche im Bundesblatt publiziert wird (
Art. 14 Abs. 1 AVEG
) und demzufolge als bekannt vorausgesetzt wird (SVR 2011 BVG Nr. 14 S. 51, 9C_297/2010 E. 4.2.1). Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Anmeldung und Bezahlung von Beiträgen an die Stiftung FAR ergibt sich unmittelbar aus der Allgemeinverbindlicherklärung bzw. dem allgemeinverbindlichen Vertrag mit Gesetzescharakter. Der AVE GAV FAR umschreibt den räumlichen, betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich (Art. 2 f. AVE GAV FAR), der GAV FAR die Finanzierung, worunter in Art. 9 die Bezugsmodalitäten statuiert werden. Danach ist der Arbeitgeber Schuldner der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge (Abs. 1), wobei vierteljährlich Akontozahlungen abzuliefern sind (Abs. 2). Damit ist hinreichend klar umschrieben, welche Betriebe dem GAV FAR und damit der Beitragspflicht unterstehen (Urteil 9C_783/2011 vom 21. November 2011 E. 2.2). Ebenso klar wird in Art. 8 GAV FAR die Beitragsbemessung geregelt.
Meldet sich ein dem GAV FAR unterstellter Arbeitgeber nicht selber bei der Stiftung FAR an, ist von einer grobfahrlässigen Verletzung der sich unmittelbar aus einem allgemeinverbindlichen Vertrag mit Gesetzescharakter ergebenden Verpflichtung zur Anmeldung und Bezahlung von Beiträgen an die Stiftung FAR auszugehen (Urteil 9C_783/2011 vom 21. November 2011 E. 2.2). Unter diesen Umständen beginnt die fünfjährige Verjährungsfrist (
Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BVG
[SR 831.40] in Verbindung mit
Art. 89
bis
Abs. 6 Ziff. 5 ZGB
) erst mit der (zumutbaren) Kenntnis der Stiftung von ihrer Beitragsforderung gegenüber dem betroffenen Arbeitgeber zu laufen (
BGE 136 V 73
E. 4.2 S. 79; Urteil 9C_783/2011 vom 21. November 2011 E. 2.2).
4.2
Nach dem Gesagten ist die Beitragserhebung bereits gestützt auf die gesetzeskonforme Publikation der AVE GAV FAR (E. 2.1),
BGE 138 V 32 S. 40
mithin ohne "vorgängige persönliche Benachrichtigung" der beitragspflichtigen Arbeitgeber durch die Stiftung FAR, zulässig. Ausserdem ist die Stiftung FAR - wie auch die in der obligatorischen Vorsorge tätigen, privat- oder öffentlichrechtlich organisierten Vorsorgeeinrichtungen - nicht befugt, Verfügungen betreffend Beitragspflicht oder -erhebung zu erlassen (vgl.
Art. 73 BVG
). Dass dem SBV angeschlossene Arbeitgeber aufgrund dieser Mitgliedschaft möglicherweise früher als andere Betroffene Kenntnis über ihre Beitragspflicht erlangt haben, verstösst nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot: Einerseits ist es dem SBV unbenommen, seinen Mitgliedern Dienstleistungen zu erbringen und Nichtmitglieder davon auszuschliessen. Anderseits belangt die Stiftung FAR sämtliche (potentiell) beitragspflichtigen Arbeitgeber, sobald sie ihr bekannt werden; dass dies bei SBV-Mitgliedern früher als bei (sich nicht selber meldenden) Nichtmitgliedern der Fall sein kann, liegt in der Natur der Sache. Dabei ist auch nicht von Belang, dass dem SBV als Vertragspartei des GAV FAR bestimmte Aufgaben betreffend die Sicherung des Finanzbedarfs der Stiftung obliegen. Ausserdem verhält sich der Beschwerdeführer wider Treu und Glauben, wenn er selber in grobfahrlässiger Weise seiner Meldepflicht nicht nachgekommen ist (E. 4.1) und in der Folge rügt, die Stiftung FAR habe es willkürlich und in Verletzung des Legalitätsprinzips unterlassen, ihm rechtzeitig Akontorechnungen zu stellen. Schliesslich ist die Einbringlichkeit der Arbeitnehmerbeiträge (vgl. Urteil 9C_378/2011 vom 9. Dezember 2011 E. 7.5.2), die Liquidität des Schuldners und dessen allgemeine wirtschaftliche Lage ohne Bedeutung für die Beitragspflicht.
4.3
Es besteht kein Anlass für die Annahme, dass es sich bei der Frist von
Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BVG
um eine lediglich durch Klageanhebung zu wahrende Verwirkungsfrist handelt (vgl. SZS 2008 S. 574, 9C_614/2007 E. 5 in fine). Eine Verjährung der auf das Jahr 2003 entfallenden Beiträge fällt nur dann in Betracht, wenn die Stiftung FAR mindestens fünf Jahre vor Einleitung der Betreibung (vgl.
Art. 41 Abs. 2 Satz 2 BVG
in Verbindung mit
Art. 135 Ziff. 2 OR
), mithin spätestens im Oktober 2003, Kenntnis von ihrer Forderung hatte.
Dass die Stiftung FAR im massgeblichen Zeitpunkt vom Betrieb des Beschwerdeführers und damit dessen Beitragspflicht wusste, ist nicht ersichtlich und wurde auch nie behauptet. Zwar bleibt unklar, wann sie dieses Wissen erlangte; hingegen steht fest, dass sie sich
BGE 138 V 32 S. 41
erstmals mit Schreiben vom 5. September 2007 an den Beschwerdeführer wandte und anschliessend ihre Interessen ohne Verzug verfolgte. Eine (teilweise) Verjährung der Forderungen kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden. Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
6614c0b2-fd43-4d8f-86f8-36b4a9b7e855 | Urteilskopf
101 Ia 60
11. Estratto della sentenza del 19 marzo 1975 nella causa Castori contro Ministero pubblico della Confederazione | Regeste
Auslieferung; Art. 12 und 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957.
Umfang der Bedingung von Art. 12 § 2 lit. b und c des Übereinkommens, wonach im Auslieferungsbegehren die zeitlichen und örtlichen Umstände der Handlungen, derentwegen um Auslieferung ersucht wird, sowie deren rechtliche Würdigung unter Bezugnahme auf die anwendbaren Gesetzesbestimmungen anzugeben sind (E. 3).
Begriff der politischen Straftat und der Straftat überwiegend politischer Natur. Wer in einem nicht revolutionären Klima terroristische Taten verübt, die geeignet sind unterschiedslos Personen zu treffen, die dem von ihm geführten politischen Kampfe fernstehen, kann sich nicht auf einen überwiegend politischen Charakter dieser Taten berufen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 61
BGE 101 Ia 60 S. 61
Il 2 giugno 1974 il Consigliere Istruttore del Tribunale di Bologna ha spiccato un mandato di cattura contro undici persone, imputate tutte di concorso (art. 110 Codice penale italiano, CPI) nei reati di strage (art. 422, comma 2 CPI) e di tentata ricostituzione del disciolto partito fascista (art. 2, comma 3 della legge italiana 20 giugno 1952, n. 645). Tra gli imputati figurano i fratelli Euro (1953) e Marco Castori (1955). La imputazione di strage si riferisce a scoppi di ordigni esplosivi, verificatisi, rispettivamente, nella "Casa del Popolo" di Moiano (frazione di Città della Pieve, Perugia) il 22 aprile 1974; presso la sede dell'esattoria comunale di Ancona, con ferimento di persone, il 10 maggio 1974; infine, lo stesso 10 maggio 1974, nelle scale di un condominio in Via Arnaud n. 27 a Bologna. Secondo volantini rinvenuti sul posto, tutte le esplosioni sono rivendicate da un "Gruppo per l'Ordine Nero", nel quale, secondo l'autorità inquirente, andrebbe ravvisato il successore del disciolto movimento "Ordine Nuovo". Con particolare riferimento ai fratelli Castori, il mandato di cattura scorge "indizi di colpevolezza molteplici, gravi e concordi" nel rinvenimento di prove documentali che attestano la sussistenza di "vincoli organizzativi" con cinque altri imputati, tra cui certo Batani, a cui carico il predetto mandato di cattura afferma l'esistenza di indizi gravissimi, oltre che di attiva partecipazione ideativa al reato di Moiano, anche di attività esecutiva. Rileva inoltre il mandato come i fratelli Castori, convocati per rispondere come testi per lo stesso 2 giugno 1974, si siano sottratti all'adempimento, rendendosi latitanti.
Euro e Marco Castori sono stati arrestati il 1o ottobre 1974 a Lugano dalla Polizia cantonale ticinese in seguito a segnalazione
BGE 101 Ia 60 S. 62
di polizia internazionale. Le autorità italiane hanno chiesto la loro estradizione, producendo il mandato di cattura, una relazione dei fatti e la trascrizione degli articoli delle leggi italiane applicabili. Essendosi i fratelli Castori opposti all'estradizione, il Dipartimento federale di giustizia e polizia ha trasmesso gli atti al Tribunale federale per il giudizio di sua competenza, con un rapporto della Divisione di Polizia e le osservazioni del Ministero pubblico della Confederazione, che ambedue propongono la reiezione dell'opposizione per quanto concerne il reato di strage e il rifiuto dell'estradizione, invece, per l'imputazione del reato di ricostituzione del partito fascista.
Erwägungen
Considerando in diritto:
3.
Nella loro opposizione, e particolarmente nella memoria del loro patrono, i fratelli Castori censurano anzitutto l'insufficienza della descrizione dei fatti loro imputati nell'ordine di cattura e negli allegati allo stesso.
Con ciò essi fanno valere vizi formali della domanda di estradizione, sui quali spetta in primo luogo alla Divisione di Polizia di pronunciarsi (SCHULTZ, Das Schw. Auslieferungsrecht, pag. 192 seg.; 200 segg.) ma che il Tribunale federale si riserva a sua volta di esaminare nei casi in cui la domanda di estradizione gli è trasmessa in virtù dell'
art. 23 LEstr
. (SCHULTZ, op.cit., pag. 227; cfr.
DTF 27 I 89
;
DTF 57 I 294
).
Secondo l'art. 12 cifra 2, della Convenzione, a sostegno della domanda d'estradizione la Parte richiedente, oltre l'ordine d'arresto (lett. a), e una copia delle disposizioni legali applicabili (lett. c), deve produrre "un esposto dei fatti, per i quali l'estradizione è domandata. Il tempo e il luogo del loro compimento, la loro qualificazione legale e il riferimento alle disposizioni legali loro applicabili saranno indicati il più esattamente possibile" (lett. b).
Già sotto il regime degli accordi bilaterali di estradizione, la giurisprudenza del Tribunale federale aveva precisato senso e portata delle norme riferentisi al sostanziamento fattuale delle incriminazioni (cfr.
DTF 27 I 89
consid. 6;
DTF 57 I 294
). Queste precisazioni sono indispensabili tanto per stabilire che il reato non è avvenuto su territorio della parte richiesta, quanto per escludere che l'azione penale sia prescritta secondo le leggi
BGE 101 Ia 60 S. 63
dello Stato dove il richiedente ha cercato rifugio, come pure per qualificare il reato, segnatamente per consentire un giudizio sull'eventuale natura politica dello stesso.
Tenuto conto di queste finalità, devesi concludere che, considerati nel loro insieme, il decreto motivato di cattura e la relazione ai fini dell'estradizione che l'accompagna soddisfano codesto precetto.
Le circostanze di tempo e di luogo delle esplosioni incriminate sono esattamente specificate; l'autorità italiana le imputa tutte agli estradandi, in concorso con altre persone; essa sottolinea che, a parer suo, la serie di esplosioni costituisce il frutto di un unico preordinato disegno criminoso; contrariamente a quanto gli opponenti sembrano voler dedurre dalla relazione del Giudice Istruttore, che allude unicamente agli indizi emessi a carico dei ricercati nel corso delle indagini per lo scoppio di Moiano, devesi intendere che, per la verosimile unicità del disegno, sia ritenuta la loro partecipazione anche ai fatti di Ancona e di Bologna.
La domanda di estradizione imputa agli opponenti il "concorso" ai sensi dell'art. 110 CPI nel reato di strage. Il codice penale italiano vigente non conosce più, per quanto concerne la compartecipazione di persone nel reato, la distinzione tra correità, istigazione e complicità. Esso ha adottato, in linea generale, il criterio di un'eguale responsabilità per chiunque abbia cooperato nel reato (art. 110 CPI) prevedendo però aggravamenti (v. art. 111 e 112 CPI) o attenuazioni (v. art. 114 CPI) (cfr. ANTOLISEI, Manuale di diritto penale, parte generale, Milano 1949, pag. 286 segg.). Il codice penale svizzero distingue formalmente tra correità, istigazione (art. 24 CPS) e complicità (art. 25 CPS). Dagli atti non risulta chiaramente se agli opponenti sarà contestato in concreto il concorso ordinario, quale disciplinato dall'art. 110 CPI (come parrebbe a prima vista, mancando nel mandato di cattura l'indicazione di altri articoli relativi al concorso di persone nel reato), oppure se saranno fatte valere nei loro confronti circostanze aggravanti od attenuanti specifiche, ossia relative al concorso di persone. Prescindendo dal fatto che la differenza tra la disciplina italiana e quella svizzera è su tale punto in pratica meno grande di quanto possa apparire in teoria, essa è comunque irrilevante in questa sede, perché le pene previste per qualsiasi forma di concorso sono in ambedue gli ordinamenti
BGE 101 Ia 60 S. 64
determinate con riferimento alle pene edittali stabilite per la commissione del reato. Inoltre, segnatamente quando la domanda d'estradizione è formulata prima di una regolare e approfondita istruzione della causa penale, la condizione dell'indicazione circostanziata del reato non può essere interpretata in modo eccessivamente rigoroso (
DTF 57 I 294
).
5.
Giusta l'art. 3 § 1 della Convenzione, l'estradizione è negata se i fatti delittuosi per i quali è domandata sono considerati dalla parte richiesta come un reato politico o come un fatto connesso ad un simile reato; inoltre, giusta il § 2 dello stesso articolo, l'estradizione è altresì rifiutata quando la parte richiesta ha motivi seri per credere che la domanda sia stata presentata allo scopo di perseguire o punire un individuo per considerazioni di razza, di religione, di nazionalità o di opinioni politiche, o che la condizione di questo individuo arrischi di esser aggravata per l'uno o per l'altro di tali motivi.
a) Come nel caso giudicato in
DTF 95 I 468
(consid. 6), l'applicazione di questo secondo paragrafo dell'art. 3 della Convenzione appare di primo acchito esclusa. Nessun elemento permette infatti non che di ritenere, di dubitare che la domanda di estradizione sia pretestuosa, o che la situazione dei perseguiti arrischi in Italia d'esser aggravata a motivo delle opinioni politiche da loro professate o di altre considerazioni menzionate nel citato disposto.
b) Per la precisazione della nozione di reato politico puro e semplice e del cosiddetto delitto connesso, cioè del reato di diritto comune compiuto non per sé stesso, ma per preparare o assicurare l'esito di un delitto politico, fanno stato - in assenza di una definizione nella Convenzione stessa - i criteri che giurisprudenza e dottrina hanno elaborato a proposito della nozione di reato politico contemplato nel diritto federale. Per questo giudizio non si tiene conto della legislazione e della giurisprudenza dello Stato richiedente (
DTF 95 I 469
, consid. 7;
DTF 90 I 299
e rif.;
DTF 34 I 544
e rif.).
Già si è rilevato sopra come il reato di ricostituzione del disciolto partito fascista abbia il carattere di delitto politico assoluto, in quanto volto direttamente contro l'organizzazione sociale e politica dello Stato, e che per esso l'estradizione è esclusa. Gli estradandi rivendicano però anche per il fatto di strage loro addebitato il carattere politico predominante che
BGE 101 Ia 60 S. 65
all'infrazione di diritto comune conferirebbero le circostanze in cui essa è stata commessa, segnatamente il movente e lo scopo (
DTF 27 I 84
;
DTF 32 I 539
;
59 I 145
;
DTF 77 I 62
;
DTF 78 I 50
;
DTF 90 I 299
;
DTF 95 I 469
). L'affermata caratteristica politica non può però essere ritenuta. Per costante giurisprudenza, infatti, affinché la predominanza della connotazione politica possa essere riconosciuta, occorre che il delitto si situi nell'ambito della lotta contro o per il potere, oppure tenda a sottrarre alcuno ad un potere che escluda ogni forma d'opposizione. Tra l'atto e il fine politico deve sussistere un rapporto chiaro, stretto e diretto, non soltanto una relazione indiretta e lontana. Occorre inoltre che la lesione cagionata stia in una certa proporzione con lo scopo perseguito, e che gli interessi in campo appaiano sufficientemente importanti se non per giustificare, almeno per far apparire scusabile il reato.
Nell'apprezzare il peso e la portata di codesti interessi, il Tribunale federale tiene conto anche della valutazione soggettiva che può aver ispirato l'agente, e dei mezzi dei quali egli si è servito per propugnarli, indipendentemente dalle prospettive reali d'un esito favorevole (
DTF 95 I 469
/70 e rif.).
Alla luce di questi principi, la prevalenza del carattere politico dei reati addebitati agli estradandi dev'essere negata. Come nel caso Della Savia (
DTF 95 I 470
), la lotta politica non aveva in Italia travalicato le forme democratiche, per assumere spiccato carattere di agitazione rivoluzionaria; tra i fatti delittuosi, che gli stessi estradandi dichiarano di condannare, ed il fine politico ch'essi avrebbero perseguito, non sussiste alcuna ragionevole proporzione, e le vie e i metodi scelti dagli autori delle esplosioni per esprimere il loro dissenso si risolvono in gratuite manifestazioni di violenza che - per la loro gravità e pericolosità - ripugnano ad ogni coscienza civile.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
1. Nella misura in cui è stata chiesta per l'imputazione del reato di strage, l'estradizione è concessa e l'opposizione degli estradandi è respinta.
2. Nella misura in cui è stata chiesta per l'imputazione del reato di ricostituzione del partito fascista, l'estradizione è negata e l'opposizione degli estradandi è accolta. | public_law | nan | it | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
661ae3cd-7429-4473-b224-42223709d007 | Urteilskopf
80 I 194
31. Auszug aus dem Urteil vom 3. März 1954 i.S. Agopian gegen Kantone Zürich und Genf. | Regeste
Ein Teppichhändler, der sein gesamtes Warenlager in gemieteten Räumen im Zollfreilager unterbringt und seine Kunden dort die Teppiche besichtigen und auswählen lässt, besitzt im Kanton, in dem sich das Zollfreilager befindet, ein sekundäres Steuerdomizil der Betriebsstätte. | Sachverhalt
ab Seite 194
BGE 80 I 194 S. 194
A.-
Der Beschwerdeführer Artin Agopian wohnt in Genf. Er handelt mit Teppichen und hat in den Zollfreilagern von Genf, Zürich und Basel Lagerräume gemietet, in denen er die aus dem Orient kommenden, auf eigene Rechnung oder in Kommission übernommenen Teppiche einlagert. Er sucht in der Schweiz und im Ausland Grossisten auf, welche die Teppiche in den Zollfreilagern besichtigen und auswählen. Die Fakturen werden von Genf aus versandt, wo auch die Buchhaltung und Korrespondenz besorgt wird. Der Beschwerdeführer hat keine ständigen Angestellten; die Schreibarbeiten werden durch eine nach Bedarf beigezogene und tageweise entlöhnte Bürolistin erledigt, während die Bücher von einem selbständigen Geschäftsagenten geführt werden. Da der Beschwerdeführer keine Einfuhrbewilligung besitzt, müssen die schweizerischen Abnehmer die Einfuhrformalitäten und die Verzollung der gekauften Teppiche selbst besorgen.
In Zürich hat der Beschwerdeführer im Zollfreilager zwei zusammen gegen 200 m3 haltende Lagerräume (Boxen) gemietet, in denen Ende Dezember 1952 für Fr. 39'000.-- ihm gehörende Teppiche sowie Kommissionsware eingelagert gewesen sein sollen. Ausserdem hat er in Zürich
BGE 80 I 194 S. 195
ein möbliertes Zimmer gemietet, in dem er bei seinen Reisen in die deutsche Schweiz übernachtet; irgend eine geschäftliche Tätigkeit wickelt sich dort nicht ab.
B.-
Bis 1951 ist der Beschwerdeführer ausschliesslich an seinem Wohnsitz Genf besteuert worden. Im Frühjahr 1952 stellte ihm die Steuerverwaltung des Kantons Zürich in der Annahme, dass er in Zürich ein sekundäres Steuerdomizil der Betriebsstätte besitze, eine Steuererklärung für das Steuerjahr 1952 zu. Der Beschwerdeführer sandte diese am 3. Juni 1952 unausgefüllt zurück mit der Bemerkung, dass er nur in Genf steuerpflichtig sei und dort die Steuern für 1952 bereits bezahlt habe. Unter Bezugnahme auf eine weitere Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung für 1952 ersuchte der Beschwerdeführer das kantonale Steueramt Zürich am 31. August 1953, auf seine Besteuerung zu verzichten oder einen Entscheid zu fällen, gegen den ein Rechtsmittel ergriffen werden könne. Darauf teilte ihm das Steueramt am 5. September 1953 unter Hinweis auf das einen gleichen Fall betreffende nicht veröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 8. Februar 1950 i.S. Moukhtarzade mit, dass der Kanton Zürich "an der Besteuerung des Gewinnes aus Verkauf ab Zollfreilager Zürich festhalten" müsse, und forderte ihn gleichzeitig auf, bis zum 15. September 1953 die bereits früher verlangten Unterlagen einzureichen. Als er dieser Aufforderung nicht nachkam, eröffnete ihm das Steueramt am 28. September 1953, dass es ihn für das Jahr 1952 ermessensweise für ein im Kanton Zürich steuerbares Reineinkommen von Fr. 25'000.-- und ein Reinvermögen von Fr. 100'000.-- verlangt habe.
C.-
Inzwischen hatte Artin Agopian am 22. September 1953 gegen den Entscheid des kantonalen Steueramts Zürich vom 5. September 1953 staatsrechtliche Beschwerde wegen Doppelbesteuerung erhoben mit dem Antrag, es sei zu erkennen, dass er im Kanton Zürich nicht steuerpflichtig sei und daher die von diesem Kanton verlangten buchhalterischen Unterlagen nicht einzureichen habe.
BGE 80 I 194 S. 196
Zur Begründung wird geltend gemacht: Das Zentrum der geschäftlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers befinde sich an seinem Wohnsitz in Genf. Dort sei sein Büro, seine Buchhaltung, sein Personal und werde auch seine Korrespondenz erledigt. In Zürich besitze er lediglich ein Warenlager und übe er keine Geschäftstätigkeit aus. Die Miete eines Lagerraumes im dortigen Zollfreilager begründe daselbst keine Steuerpflicht. Die dort eingelagerte Ware sei grösstenteils Transitware und gebe zu keinen geschäftlichen Transaktionen in Zürich Anlass. Ein Zollfreilager sei, jedenfalls in wirtschaftlicher Beziehung, exterritorial, und es wäre für die Schweiz als europäisches Transitzentrum äusserst gefährlich, die Einlagerer zu besteuern, da dies den europäischen Handelsverkehr nötigen würde, die Schweiz zu meiden.
D.-
Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.
Der Regierungsrat des Kantons Genf beantragt
"Pour autant que le recours puisse être considéré comme dirigé contre l'assujettissement et la taxation du canton de Genève:
Lui donner acte de ce qu'il s'en rapporte à justice sur la question d'une éventuelle répartition de la souveraineté fiscale entre Zurich et Genève".
Das Bundesgericht hat die (nach Antrag und Begründung ausschliesslich gegen den Kanton Zürich gerichtete) Beschwerde abgewiesen im Sinne folgender
Erwägungen
Erwägungen:
4.
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohn- und Geschäftssitz und damit sein primäres Steuerdomizil unbestrittenermassen in Genf. Er unterliegt daher der zürcherischen Steuerhoheit nur dann, wenn er im Kanton Zürich ein sekundäres Steuerdomizil der Betriebsstätte hat, was nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dann der Fall ist, wenn er in diesem Kanton ständige körperliche Anlagen oder Einrichtungen besitzt, mittels deren sich daselbst ein qualitativ und quantitativ wesentlicher Teil
BGE 80 I 194 S. 197
seines Geschäftsbetriebes vollzieht (
BGE 61 I 183
/4 und dort angeführte frühere Urteile,
BGE 62 I 139
,
BGE 79 I 222
Erw. 2).
a) Als körperliche Anlagen und Einrichtungen im Sinne dieser Rechtsprechung hat, sofern damit ein eigener Betrieb, eine Tätigkeit verbunden ist, auch die dauernde Einlagerung von Waren zu gelten, gleichgültig ob diese in eigenen oder in fremden, z.B. in zu diesem Zweck gemieteten Räumlichkeiten erfolgt (
BGE 66 I 156
,
BGE 67 I 94
,
BGE 77 I 39
). Das Teppichlager, das der Beschwerdeführer, und zwar offenbar seit mehreren Jahren, in gemieteten Räumen in Zürich besitzt, ist daher an sich geeignet, daselbst ein sekundäres Steuerdomizil der Betriebsstätte zu begründen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich diese Lagerräume in einem Zollfreilager befinden; denn Zollfreibezirke (
Art. 2 Abs. 3 und
Art. 42 ff. ZG
) werden, wie das Bundesgericht bereits im nicht veröffentlichten Urteil vom 8. Februar 1950 i.S. Moukhtarzade ausgeführt hat, lediglich in zollrechtlicher Beziehung als Ausland behandelt und sind, abgesehen von dieser zur Förderung des internationalen Zwischenhandels aufgestellten Fiktion, schweizerisches Hoheitsgebiet, für das in jeder Hinsicht (Strafrecht, Baupolizeirecht usw.) schweizerisches (eidgenössisches oder kantonales) Recht gilt.
b) Das Erfordernis des qualitativ und quantitativ wesentlichen Teils des Geschäftsbetriebs ist, wie die zahlreichen hierüber ergangenen Entscheide zeigen, stets weit ausgelegt worden. Das Bundesgericht hat es jeweils bejaht bei einer Tätigkeit, die zum eigentlichen Geschäftsbetrieb gehört und nicht von ganz untergeordneter oder nebensächlicher Bedeutung ist (
BGE 41 I 443
,
BGE 62 I 139
, nicht veröffentlichte Urteile vom 4. Oktober 1940 i.S. Simon, vom 25. September 1947 i.S. Twentieth Century-Fox Film Corp., vom 16. Oktober 1947 i.S. Klar-Film A.-G. und vom 28. Oktober 1948 i.S. Jezler & Co. A.-G.).
Der Beschwerdeführer besitzt für die Teppiche, die er zum Verkauf auf eigene Rechnung oder in Kommission aus dem Ausland erhält, ausser den in den Zollfreilagern
BGE 80 I 194 S. 198
gemieteten Räumlichkeiten keinerlei Magazine, Verkaufs- oder Vorführungslokalitäten. Er führt daher seine in- und ausländischen Kunden, wie er bei seiner Einvernahme durch die Genfer Steuerbehörden erklärte, in die Zollfreilager, wo sie die ihnen angebotenen Teppiche besichtigen und ihre Wahl treffen. Dort wird also ein wesentlicher Teil der Kaufsverhandlungen geführt, ja werden in der Regel wohl auch die (nach Angabe des Beschwerdeführers nie schriftlichen, sondern stets mündlichen) Kaufverträge abgeschlossen. Die Räume in den Zollfreilagern ersetzen somit dem Beschwerdeführer ein Magazin; in ihnen spielt sich die Tätigkeit ab, die sich sonst in besondern Verkaufs- und Vorführungsräumlichkeiten abzuspielen pflegt. Bei dieser Sachlage muss aber die in den Lagerräumen der Zollfreilager entfaltete Tätigkeit als wesentlicher Teil der Absatztätigkeit des Beschwerdeführers und damit seines Teppichhandels überhaupt betrachtet werden, und zwar selbst dann, wenn - wie nach den Akten anzunehmen ist - die Fakturen von Genf aus versandt, die Korrespondenzen dort erledigt und die Bücher dort geführt werden. Dass die schweizerischen Abnehmer die Einfuhrformalitäten und die Verzollung der Teppiche selber besorgen, ist belanglos, da nur das, womit sich der Beschwerdeführer selbst befasst, in Betracht kommt für den Entscheid darüber, ob die im Zollfreilager sich abspielende Tätigkeit als qualitativ wesentlicher Teil seines Geschäftsbetriebes zu gelten hat.
Über das zahlenmässige Verhältnis der im Jahre 1952 im Zollfreilager Zürich gelagerten und von diesem Lager verkauften Teppiche zu denjenigen, die im gleichen Zeitraum sich in den Zollfreilagern Genf und Basel befanden und dort umgesetzt wurden, werden in der staatsrechtlichen Beschwerde keine Angaben gemacht. Der Beschwerdeführer hat jedoch bei der Einvernahme durch die Genfer Steuerbehörden zugegeben, dass sich Ende Dezember 1952 - ausser Kommissionsware - für rund Fr. 39'000.-- ihm gehörende Teppiche im Zollfreilager
BGE 80 I 194 S. 199
Zürich befunden haben, d.h. nach seiner Bilanz per 31. Dezember 1952 sein gesamtes Warenlager. Ferner hat er in seinem Schreiben vom 3. Juni 1952 an das Steueramt Zürich erklärt, dass seine "affaires avec le Canton de Zurich" im Jahre 1951 23,7% und in den ersten 5 Monaten des Jahres 1952 15% seiner gesamten "activité" ausgemacht hätten. Die in Zürich sich abspielende Tätigkeit kann daher keinesfalls als völlig nebensächlich bezeichnet werden, was allein gestatten würde, ihr die quantitative Erheblichkeit abzusprechen (
BGE 62 I 139
).
5.
Da der Beschwerdeführer nicht gehalten war, sich im Kanton Zürich auf ein Veranlagungsverfahren einzulassen, bevor über die Steuerhoheit dieses Kantons rechtskräftig entschieden war (
BGE 62 I 74
), hat der Kanton Zürich auf seine Ermessenseinschätzung vom 28. September 1953 zurückzukommen, dem Beschwerdeführer neuerdings Frist zur Einreichung der verlangten buchhalterischen Unterlagen zu setzen und hierauf eine neue Veranlagung zu treffen. Sollte er dabei einen grösseren Teil des Geschäftsgewinnes oder Geschäftsvermögens erfassen, als ihm nach den bundesrechtlichen Ausscheidungsgrundsätzen zukommt, so bleibt es dem Beschwerdeführer unbenommen, dagegen neuerdings staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 46 Abs. 2 BV
zu erheben. Ob er damit auch einen allfälligen Anspruch auf Rückerstattung eines Teils der im Kanton Genf bereits bezahlten Steuern wird verbinden können, braucht heute nicht entschieden zu werden. | public_law | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
661cb92f-3dd1-4a66-a9a2-2d472c9675ac | Urteilskopf
116 IV 23
6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. März 1990 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen P. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 148 StGB
; Betrug; Arglist.
Wer eine echte, unrechtmässig erlangte Urkunde - hier ein Namen-Sparheft mit Legitimationsklausel - einsetzt, um die tatbestandsmässige Täuschung sowie die schädigende Vermögensdisposition zu erreichen, handelt arglistig (E. 2c). | Sachverhalt
ab Seite 24
BGE 116 IV 23 S. 24
Das Bezirksgericht Zürich, Einzelrichter in Strafsachen, sprach P. am 25. Oktober 1988 von der Anklage des versuchten Betruges frei.
Eine gegen diesen Freispruch gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft wies das Obergericht des Kantons Zürich am 23. Mai 1989 ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.
Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, das Urteil des Obergerichts aufzuheben.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Dem vorliegenden Fall liegt folgender unbestrittener Sachverhalt zugrunde:
Am 18. Juli 1988 gelangte P. in den Besitz eines auf R. lautenden Namen-Sparheftes der Zürcher Kantonalbank, welches er am nächsten Tag bei dieser Bank in der Überzeugung vorlegte, dass er sich durch die Präsentation des Sparheftes genügend legitimieren und das durch das Sparheft verkörperte Konto von R. auch belasten könne. Er präsentierte das Sparheft am Kontokorrentschalter und begehrte vom Guthaben von über Fr. 12'000.-- die Auszahlung von Fr. 12'000.--. Die Beamtin erkannte, dass es sich bei P. nicht um den Berechtigten handelte und wies ihn an den Schalter für Sparbuchbezüge. Dort beantragte er nur noch die Auszahlung von Fr. 3'000.--, da ihm klar geworden war, dass er sich verdächtig mache, wenn er die Auszahlung des ganzen Guthabens verlange. Auch dieser Betrag wurde ihm nicht ausbezahlt, da das Sparheft als unrechtmässig weggenommen gemeldet war; dem gleichzeitig verlangten Identitätsnachweis kam er durch Vorlegen seiner eigenen Identitätskarte nach.
2.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von
Art. 148 Abs. 1 StGB
durch die Vorinstanz, welche sie darin erblickt, dass diese den Angeschuldigten mit der Begründung freigesprochen habe, er habe nicht arglistig gehandelt.
a) Der angefochtene Entscheid geht davon aus, das Vorlegen eines nicht dem Täter gehörenden Sparheftes sei eine "in der blossen Vorspiegelung seiner Bezugsberechtigung liegende falsche Angabe".
b) Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, die Präsentation eines Sparheftes, über welches der Täter zu Unrecht verfüge, sei keine blosse falsche Angabe, sondern eine Machenschaft und damit
BGE 116 IV 23 S. 25
eine arglistige Täuschung, welche im Missbrauch des Sparheftes als Legitimationspapier mit Beweiseigenschaft liege.
c) Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt eine arglistige Täuschung vor, wenn sich der Täter besonderer Machenschaften oder Kniffe bedient oder ein ganzes Lügengebäude errichtet (manoeuvres frauduleuses, mise en scène, échafaudage de mensonges;
BGE 110 IV 23
E. 4).
Der Täter, welcher der Bank ein gestohlenes Namen-Sparheft vorlegt und die Auszahlung einer bestimmten Summe verlangt, täuscht nicht lediglich den Schalterangestellten durch blosse falsche Angaben, sondern das durch ihn eingesetzte Betrugsmittel besteht im gestohlenen Sparheft als Legitimationspapier. Da durch den Dieb des Sparheftes, bevor dieses in den Besitz von P. gelangte, ohne Vorlage eines Personalausweises bereits verschiedene Bezüge getätigt werden konnten, ist davon auszugehen, dass es sich um ein verkehrsübliches, auf den Namen lautendes Sparheft mit Legitimationsklausel handelte; diese bedeutet, dass die Bank, der das Sparheft zwecks Abhebung des Guthabens vorgewiesen wird, zwar befugt, aber nicht verpflichtet ist, die Verfügungsberechtigung des Vorweisenden zu überprüfen; sie ist vielmehr befugt, den Inhaber des Sparheftes als verfügungsberechtigte Person anzusehen und ihm gegen die blosse Vorlage desselben zu leisten.
Wer wie der Beschwerdegegner eine echte, unrechtmässig erlangte Urkunde missbräuchlich einsetzt, um die tatbestandsmässige Täuschung und die schädigende Vermögensdisposition zu erreichen, handelt arglistig, denn die missbräuchliche Verwendung von Urkunden zählt zu den "manoeuvres frauduleuses", welche die Strafbarkeit einer Täuschung gemäss
Art. 148 StGB
begründen; dies gilt auch für den rechtswidrigen Gebrauch eines Namen-Sparheftes, also eines klassischen Legitimationspapiers, dessen Funktion es gerade ist, die Bezugsberechtigung zu belegen (
BGE 72 IV 118
E. 1; ARDINAY, Der Betrug nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch, ZStrR 86, S. 316 f.), ohne dass der Täuschende sich mit dem Einwand entlasten könnte, dem Getäuschten wäre eine Überprüfung möglich und zumutbar gewesen (unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 18. April 1985 i.S. De L., E. 1).
Die Vorinstanz hat aus diesen Gründen mit ihrem Freispruch von der Anschuldigung des versuchten Betruges
Art. 148 StGB
verletzt, weshalb der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. | null | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
66235ed7-25ac-401c-b479-8fe41a0b4b7c | Urteilskopf
89 II 337
45. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. November 1963 i.S. Chesini gegen Hagen. | Regeste
Kauf, Abtretung, Wechselrecht, Berufung.
Berufung, Zulässigkeit neuer rechtlicher Begründung (Erw. 1, 2). Übergabe eines Wechselblanketts bei Kauf an Zahlungsstatt oder zahlungshalber? (Erw. 3).
Zulässigkeit des Zurückgreifens auf die Kaufpreisforderung? (Erw. 4, 5). | Sachverhalt
ab Seite 338
BGE 89 II 337 S. 338
Tatbestand (gekürzt):
Albert Hagen kaufte am 20. Juli 1954 von H. Rutz 30 000 Stück Feuerzeuge zum Preis von Fr. 10'000. -. Der Kauf wurde in einem von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Bestätigungsformular auf Geschäftspapier des Albert Hagen verurkundet. Darin wurde unter der Rubrik "Lieferung" erklärt, der Lagerschein über die im Zürcher Freilager eingelagerte Ware sei bereits auf den Käufer umgeschrieben. Der Text zur Rubrik "Zahlungsbedingungen" lautete: "Gegen Übergabe eines Wechsels im Betrage von Fr. 10'000.--, akzeptiert von Wilhelm Hagen". Am Fusse der Bestätigung wurde der Vermerk angebracht: "Obiges Geschäft ist bereits von beiden Teilen vorbehaltlos abgewickelt.". Der dem Verkäufer übergebene Wechsel war unvollständig, da der Name des Wechselnehmers nicht eingesetzt war und die Unterschrift des Ausstellers ebenfalls fehlte. Als Rutz den Wechsel dem Bezogenen Wilhelm Hagen zur Zahlung vorwies, erklärte dieser, er könne und wolle nicht zahlen.
Am 10. September 1954 kaufte Rutz von Frau Chesini eine Liegenschaft. Zur Tilgung eines Teils des Kaufpreises übergab er ihr den oben genannten Wechsel, den er blanko indossierte. Seine zuvor als Aussteller angebrachte Unterschrift strich er vor der Übergabe des Papiers an Frau Chesini wieder durch. Als diese den Wechsel dem Akzeptanten Wilhelm Hagen vorlegte, erfuhr sie, dass dieser, wie Rutz gewusst habe, weder willens noch fähig war zu zahlen. Sie erstattete daher gegen Rutz und später auch gegen Albert Hagen Strafanzeige wegen Betruges.
Das Bezirksgericht Oberrheintal erklärte Rutz des Betruges zum Nachteil der Frau Chesini schuldig und
BGE 89 II 337 S. 339
verpflichtete ihn zur Zahlung von Fr. 10'000.-- Schadenersatz an sie. Albert Hagen wurde des Betruges zum Nachteil des Rutz schuldig gesprochen. In der gegen Rutz angehobenen Betreibung erhielt Frau Chesini einen Verlustschein für den vollen Forderungsbetrag. Am 19. Juni 1961 trat Rutz ihr "sämtliche ihm gestützt auf die Kaufsbestätigung vom 20. Juli 1954 gegen Albert Hagen zustehenden und sich aus dem rechtskräftigen Strafurteil des Bezirksgerichts Oberrheintal ergebenden Forderungsansprüche (Fr. 10'000.--)" ab.
Frau Chesini belangte gestützt auf diese Abtretungserklärung den Albert Hagen auf Bezahlung von Fr. 10'000.-- mit der Begründung, wegen der Übergabe des ungültigen Wechsels hafte der Beklagte dem Rutz gegenüber aus unerlaubter Handlung (Betrug) und Bereicherung.
Das Bezirksgericht Kreuzlingen und das Obergericht des Kantons Thurgau wiesen die Klage ab. Das Bundesgericht schützt sie auf Grund der folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Die Klägerin begründet in der Berufungsschrift die eingeklagte Forderung von Fr. 10'000.-- wie schon im kantonalen Verfahren als Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung; ausserdem fordert sie als Rechtsnachfolgerin des Rutz vom Beklagten den Betrag von Fr. 10'000.-- als Zahlung des Kaufpreises aus dem Kaufvertrag vom 20. Juli 1954 über die Feuerzeuge. Sie macht also einen Erfüllungsanspruch aus Vertrag geltend.
2.
Der Beklagte wendet ein, die Klägerin habe die eingeklagte Forderung im kantonalen Verfahren unter diesem Titel nicht geltend gemacht und gemässBGE 65 II 206sei die Frage, ob ein von einer Partei nicht vorgebrachter Rechtsstandpunkt von Amtes wegen in Betracht gezogen werden dürfe, prozessrechtlicher Natur und daher vom kantonalen Recht beherrscht.
In dem vom Beklagten angerufenen Entscheid wurde
BGE 89 II 337 S. 340
ausgeführt, beim Fehlen einer ausdrücklichen materiellrechtlichen Bestimmung sei die Frage, inwieweit ein von einer Partei nicht geltend gemachter Rechtsstandpunkt von Amtes wegen berücksichtigt werden dürfe, vom kantonalen Prozessrecht beherrscht. Das Bundesgericht hielt das einer Partei entgegen, die geltend machte, die Gegenpartei habe einen von der kantonalen Instanz berücksichtigten Rechtsstandpunkt im kantonalen Verfahren gar nicht vorgetragen. Dieser Entscheid hat also den Sinn, das Bundesrecht verbiete dem kantonalen Richter nicht, einen von der Partei nicht eingenommenen Rechtsstandpunkt von Amtes wegen zu berücksichtigen. Zur Frage, ob das Bundesrecht dem kantonalen Richter gebiete, sich von Amtes wegen mit einem im kantonalen Verfahren nicht eingenommenen Rechtsstandpunkt zu befassen, äusserte sich das Bundesgericht dagegen im erwähnten Entscheid nicht.
Diese Frage ist zu bejahen. Da das Bundesgericht an die Begründung der Anträge der Parteien nicht gebunden, vielmehr in Bezug auf die rechtliche Würdigung der Tatsachen frei ist (
Art. 63 Abs. 1 und 3 OG
), muss auch der kantonale Richter frei sein, den Tatbestand rechtlich anders zu würdigen als die Parteien. Die Freiheit des Richters in der Anwendung des eidgenössischen Rechtes kann im kantonalen Verfahren nicht weniger weit gehen als im Berufungsverfahren vor dem Bundesgericht. Beide Instanzen, der kantonale Richter und das Bundesgericht, sollen den im kantonalen Verfahren gültig vorgebrachten und bewiesenen Tatbestand richtig beurteilen, ohne an eine unvollständige oder irrige rechtliche Begründung seitens der Parteien gebunden zu sein.
Im vorliegenden Falle geht es indessen nicht um diese Frage. Die Vorinstanz hat nicht geprüft, ob der Beklagte der Klägerin die eingeklagten Fr. 10'000.-- als Kaufpreis schulde. Die Frage ist daher die, ob die Klägerin erst im Berufungsverfahren einen solchen Erfüllungsanspruch aus Kaufvertrag geltend machen dürfe. Das ist zu bejahen.
BGE 89 II 337 S. 341
Das Vorbringen neuer rechtlicher Gesichtspunkte ist im Berufungsverfahren zulässig (
BGE 75 II 310
,
BGE 87 II 383
); sie dürfen sich nur nicht auf Tatsachen stützen, die nicht schon im kantonalen Verfahren in der vom kantonalen Prozessrecht vorgeschriebenen Weise vorgebracht wurden (
BGE 82 II 371
oben).
Diesen Einwand will der Beklagte offenbar erheben, indem er geltend macht, die Klage sei unter dem Titel des
Art. 211 OR
nicht genügend substanziert worden.
Diese Auffassung ist jedoch unbegründet. Der Abschluss des Kaufvertrages, die Lieferung der Feuerzeuge, die Vereinbarung eines Kaufpreises von Fr. 10'000. - und dessen Nichtzahlung durch den Beklagten wurden schon in der Klage behauptet, unter Vorlegung der Kaufsbestätigung und Anrufung weiterer Beweise. Ebenso machte die Klägerin geltend, der Beklagte habe Rutz als Zahlung einen von Wilhelm Hagen angenommenen Wechsel übergeben, der aber ungültig gewesen sei. Der Inhalt des Kaufvertrages und des Wechsels bilden denn auch Gegenstand vorinstanzlicher Feststellungen. Aus diesen ergibt sich, dass Rutz eine Forderung gegen den Beklagten an sich zustand und dass die Vertragsparteien sie auf Fr. 10'000. - bezifferten.
3.
Es fragt sich, ob diese Forderung durch die Übergabe des Wechselblanketts an Rutz unterging, d.h. ob der Beklagte das Papier an Zahlungsstatt oder nur zahlungshalber hingab.
Die Übergabe an Zahlungsstatt wird nicht vermutet. Zwar trifft
Art. 116 Abs. 2 OR
, wonach die Eingehung einer Wechselverbindlichkeit mangels gegenteiliger Abrede keine Neuerung bewirkt, nicht unmittelbar zu, denn der Beklagte hat das Papier, das übrigens noch hätte ausgefüllt werden müssen, um zum formgültigen Wechsel zu werden, weder als Aussteller noch als Indossant unterzeichnet. Wenn aber nach der erwähnten Bestimmung sogar durch die Eingehung einer Wechselverbindlichkeit die Kaufpreisforderung nur im Falle einer entsprechenden
BGE 89 II 337 S. 342
Vereinbarung untergegangen wäre, so darf umsoweniger vermutet werden, dass die Übergabe des vorliegenden Blanketts sie getilgt habe. Vielmehr müsste nachgewiesen sein, dass der Beklagte und Rutz die Tilgung vereinbart hatten.
Eine dahin gehende Vereinbarung ist vom Beklagten weder im kantonalen Verfahren noch in der Berufungsantwort vor Bundesgericht ausdrücklich behauptet worden und steht denn auch nicht fest. Sie lag nicht darin, dass am Fusse der Bestätigung vom 20. Juli 1954 bemerkt wurde, das Geschäft sei bereits von beiden Teilen vorbehaltlos abgewickelt. Das hatte nur den Sinn, dass einerseits der Lagerschein für die Ware und anderseits der "Wechsel" schon übergeben und ohne Vorbehalt entgegengenommen worden seien. Dass die Übergabe des "Wechsels" entgegen der sinngemäss zutreffenden Regelung des
Art. 116 Abs. 2 OR
die Kaufpreisforderung getilgt habe, war darunter nicht zu verstehen.
4.
Wurde die Kaufpreisforderung durch die Aushändigung des Wechsels nicht getilgt, so war Rutz jederzeit befugt, sie gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Diese Befugnis ist durch die Abtretungserklärung des Rutz vom 19. Juni 1961 auf die Klägerin übergegangen; denn diese Abtretung erstreckte sich auf "sämtliche ihm (Rutz) gestützt auf die Kaufsbestätigung vom 20. Juli 1954 gegenüber Albert Hagen zustehenden... Forderungsansprüche". Die eingeschaltete Wendung "und sich aus dem rechtskräftigen Strafurteil des Bezirksgerichts Oberrheintal ergebenden" hat nur den Sinn einer näheren Erläuterung des Sachverhaltes, nicht die Bedeutung einer Beschränkung auf den Schadenersatzanspruchs aus unerlaubter Handlung, der im erwähnten Urteil gar nicht beurteilt wurde.
5.
Der Beklagte wendet ein, gemäss
Art. 172 OR
hätten Rutz bezw. die Klägerin als dessen Zessionarin zunächst den Drittschuldner W. Hagen erfolglos betreiben müssen, bevor auf ihn zurückgegriffen werden könne.
BGE 89 II 337 S. 343
Die Berufung auf.
Art. 172 OR
scheitert jedoch schon daran, dass eine Abtretung eines Anspruchs des Beklagten gegen Wilhelm Hagen gar nicht erfolgt ist. Der Beklagte hat Rutz lediglich den unvollständigen Wechsel mit dem Akzept des Wilhelm Hagen ausgehändigt. Eine schriftliche Abtretungserklärung mit der Unterschrift des Beklagten, die nach
Art. 165 OR
Voraussetzung für die Gültigkeit der Abtretung ist, liegt dagegen nicht vor.
Rutz hätte zwar das ihm übergebene Wechselblankett vervollständigen können; denn die Erfordernisse des gezogenen Wechsels brauchen nicht schon im Zeitpunkt der Ausstellung oder Begebung vorhanden zu sein. Blankowechsel sind zulässig (
Art. 1000 OR
); es genügt, wenn sie im Zeitpunkt der Geltendmachung der wechselmässigen Ansprüche ausgefüllt sind (GUHL, Das schweizerische Obligationenrecht, 5. Aufl., S. 709). Rutz wäre somit befugt gewesen, das Blankett zu unterzeichnen und sich dadurch selbst zum Aussteller zu machen; er hätte auch sich selbst als Wechselnehmer einsetzen (
Art. 993 Abs. 1 OR
) oder einem andern, z.B. der Klägerin, diese Stellung verleihen können. Er hat nun zwar zunächst das Blankett als Aussteller unterzeichnet, dann aber seine Unterschrift gemäss Feststellung der Vorinstanz noch vor Übergabe der Urkunde an die Klägerin wieder durchgestrichen.
Das Blankett auszufüllen, es z.B. als Aussteller zu unterzeichnen und sich damit als solcher wechselmässig zu verpflichten, war Rutz dem Beklagten gegenüber nicht gehalten. Er konnte auf die Ausübung des Rechts zur Vervollständigung des Wechsels verzichten und - nach dem Fehlschlagen seines zunächst unternommenen Versuchs, von Wilhelm Hagen Zahlung zu erhalten - auf die noch bestehende Kaufpreisforderung zurückgreifen. Hiezu ist auf Grund der Abtretung der Kaufpreisforderung auch die Klägerin befugt.
6.
Ist somit die eingeklagte Forderung von Fr. 10'000. - als Erfüllungsanspruch aus dem Kaufvertrag vom 20. Juli 1954 begründet, so kommt nichts darauf an,
BGE 89 II 337 S. 344
ob sie sich überdies auf die Vorschriften aus unerlaubter Handlung oder aus ungerechtfertigter Bereicherung stützen liesse. | public_law | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
662b9210-d98d-43de-a9d9-46edb34f57b4 | Urteilskopf
111 II 378
75. Arrêt de la Ire Cour civile du 12 novembre 1985 dans la cause dame C. contre S.I. X. S.A. (recours en réforme) | Regeste
Mietzinserhöhung wegen Kostensteigerung und Mehrleistung (
Art. 15 Abs. 1 lit. b BMM
;
Art. 9-10 VMM
); Pflicht des Vermieters, die Erhöhung zu begründen (
Art. 13a Abs. 2 VMM
).
1. Um den Umfang der Kostensteigerung zu bestimmen (
Art. 15 Abs. 1 lit. b BMM
,
Art. 9 VMM
), muss der Durchschnitt der in den Jahren vor der letzten Mietzinsfestsetzung angefallenen Kosten mit den durchschnittlichen Kosten der darauffolgenden Jahre verglichen werden. Umstände, die eine Abweichung von dieser Regel gestatten (E. 2).
2. Notwendigkeit, die für die Berechnung des Ertrags aus den wertvermehrenden Investitionen erforderlichen Elemente zu bestimmen (
Art. 15 Abs. 1 lit. b BMM
,
Art. 10 VMM
; E. 5).
3.
Art. 13a Abs. 2 VMM
findet nur auf das Schlichtungsverfahren Anwendung (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 379
BGE 111 II 378 S. 379
A.-
Par contrat du 18 mai 1973, portant effet au 1er avril 1974, S.I. X. S.A. a remis à bail à C. un appartement sis dans le bâtiment locatif dont elle est propriétaire à Genève. Dès le 1er avril 1976, le loyer annuel a été fixé à 6'156 francs sans les charges.
En 1981, S.I. X. S.A. a fait exécuter des travaux devisés à 887'600 francs, consistant dans un nouvel agencement des cuisines et dans le remplacement des colonnes de chute.
La bailleresse a fait notifier le 23 juillet 1980 une hausse du loyer, qui était porté à 7'116 francs, sans les charges, dès le 1er avril 1981.
B.-
C. ayant fait opposition, le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève, statuant le 27 janvier 1983, a rejeté la demande de S.I. X. S.A. tendant à faire admettre la hausse de loyer litigieuse.
Le 11 février 1985, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers a admis un appel de la bailleresse, annulé le premier jugement et fixé le loyer annuel à 6'714 francs, sans les charges, dès le 1er avril 1981.
C.-
Dame C., veuve et seule héritière de C., recourt en réforme au Tribunal fédéral en concluant au rejet de la demande.
Le Tribunal fédéral admet partiellement le recours, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouveau jugement dans le sens des considérants.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La hausse de loyer en cause n'est litigieuse qu'en ce qui concerne le taux correspondant à des hausses de coûts et à des prestations supplémentaires de la bailleresse, au sens des
art. 15 al. 1 lettre b AMSL
et 10 OSL. Les autres facteurs de hausse ou de baisse pris en compte par la Chambre d'appel ne sont pas contestés par la recourante.
S'agissant de l'augmentation des charges d'exploitation, la locataire estime que la Chambre d'appel a pris à tort, comme terme de comparaison, la moyenne des charges de 1974 à 1976 au lieu de celle relative aux seules années 1974 et 1975. En ce qui concerne les prestations supplémentaires de la bailleresse, elle fait valoir que la hausse de loyer n'a pas été dûment motivée par l'intimée qui n'a
BGE 111 II 378 S. 380
pas fourni de pièces justificatives à ce sujet, contrairement aux dispositions de l'
art. 13a al. 2 OSL
applicables, selon elle, non seulement au cours de la procédure de conciliation, mais également durant toute la procédure judiciaire subséquente. Il est ensuite reproché à la Chambre d'appel d'avoir pris en considération des travaux de la bailleresse qui n'étaient pas encore achevés à la date prévue pour l'entrée en vigueur de la hausse de loyer sollicitée. Enfin, il lui est fait grief d'avoir retenu un taux trop élevé pour la couverture des frais d'intérêt et d'amortissement causés par les investissements effectués pour le nouvel agencement des cuisines et le remplacement des colonnes de chute.
Il convient d'examiner successivement ces différents moyens.
2.
Pour déterminer l'importance de la hausse des coûts (
art. 15 al. 1 lettre b AMSL
), la cour cantonale considère, à juste titre, en se référant à la jurisprudence fédérale, qu'il convient de comparer la situation existant lors de la dernière fixation de loyer - en l'espèce le 1er avril 1976 - avec la situation existant lors de la date prévue pour l'entrée en force de la hausse sollicitée - en l'espèce le 1er avril 1981. Elle compare ensuite la moyenne des charges durant les années 1974 à 1976 avec la moyenne des charges entre les années 1977 à 1980.
En cela elle s'est écartée de la méthode suivie dans les deux arrêts du Tribunal fédéral qu'elle cite (SJ 1981 p. 190, 508 et 509; cf. aussi
ATF 106 II 362
); dans ces deux cas, le Tribunal fédéral avait déterminé l'état des coûts sur la base des chiffres relatifs aux années qui avaient précédé la dernière fixation de loyer. Cette jurisprudence doit être confirmée dans son principe. Sans doute, la règle peut-elle appeler des adaptations suivant les cas, en particulier lorsque les comptes d'un exercice comportent des chiffres anormalement bas ou hauts - reflétant donc mal la moyenne des coûts d'entretien -, lorsque la conjoncture accuse une forte hausse - au point que la moyenne refléterait mal l'état des coûts au moment déterminant - ou encore lorsque les deux parties se sont fondées sur des coûts prévisibles d'un certain montant. A ce défaut, cependant, la moyenne des coûts des exercices antérieurs est la mieux à même d'exprimer l'état des coûts lors d'une fixation de loyer.
En l'espèce, faute d'indications justifiant une dérogation, il convient donc de s'en tenir à cette règle.
Pour 1974 et 1975 la moyenne des charges a été de 110'338 francs 50 alors que, pour les années 1976 à 1980, elle a
BGE 111 II 378 S. 381
été de 117'056 francs 20, ce qui représente une augmentation de 6'718 francs, soit, par rapport à un état locatif de 323'082 francs au 6 décembre 1975, de 2,08%. L'augmentation de loyer, en raison de la hausse des coûts, ne peut dès lors être admise qu'à concurrence de ce pourcentage.
3.
a) L'
art. 13a al. 2 OSL
énonce qu'au cours de la procédure de conciliation, le locataire peut exiger la présentation des pièces utiles pour tous les motifs que le bailleur fait valoir.
Selon son texte même, cette disposition ne s'applique qu'à la procédure de conciliation. On ne saurait, au demeurant, y voir l'expression d'un principe général de procédure ressortissant au droit fédéral et applicable devant l'autorité judiciaire cantonale chargée de statuer sur le caractère abusif d'un loyer. En effet, conformément à l'
art. 64 al. 3 Cst.
, il appartient aux cantons de régler l'organisation judiciaire et la procédure en cette matière (
art. 29 AMSL
,
art. 267f CO
). La partie recourante ne prétend du reste pas que, dans ce domaine, l'application du droit cantonal empêcherait la réalisation du droit fédéral, au point de justifier la reconnaissance d'une règle non écrite de droit fédéral régissant la procédure.
De toute évidence, on ne saurait davantage déduire des termes "être justifiés", figurant à l'
art. 15 al. 1 lettre b AMSL
, une règle de procédure relative à la preuve.
Aucune règle de droit fédéral, applicable à un tel différend, n'oblige d'ailleurs le juge à établir les faits d'office.
La cour cantonale a constaté le fait litigieux sur la base d'une appréciation des preuves dont elle disposait, ce qui exclut une violation de la règle relative au fardeau de la preuve (
ATF 109 II 31
et les arrêts cités).
Le grief de violation d'une règle de droit fédéral en matière de preuve (
art. 63 al. 2 OJ
) est donc mal fondé.
b) En tant que la partie recourante entendrait remettre en cause l'appréciation des preuves, son grief serait irrecevable en instance de réforme (art. 43 al. 3, 55 al. 1 lettre c et 63 al. 2 OJ).
4.
Le grief de violation de l'
art. 15 al. 1 lettre b AMSL
du fait que la hausse de loyer imposée au preneur précéderait l'achèvement des travaux constitutifs de prestations supplémentaires devient sans objet, dès lors que l'intimée a déclaré qu'elle renonçait à demander la majoration de loyer jusqu'à fin septembre 1981. Il sied d'en donner acte aux parties.
BGE 111 II 378 S. 382
Pour le surplus, il n'est point contesté que, moyennant le respect des formes prévues par l'
art. 18 AMSL
, la majoration de loyer puisse intervenir au cours d'une période contractuelle.
5.
L'
art. 15 al. 1 lettre b AMSL
prévoit un facteur de hausse du fait des prestations supplémentaires du bailleur. Selon l'
art. 10 al. 1 OSL
"sont réputés prestations supplémentaires du bailleur (...) les investissements qui aboutissent à des améliorations créant des plus-values, l'agrandissement de la chose louée ainsi que les prestations accessoires supplémentaires. En règle générale, les frais causés par d'importantes réparations sont considérés, à raison de 50 à 70%, comme des investissements créant des plus-values". Aux termes de l'
art. 10 al. 2 OSL
, "les augmentations de loyers fondées sur des améliorations à plus-value sont réputées non abusives lorsqu'elles ne dépassent pas ce qui est équitable pour couvrir les frais d'intérêts, d'amortissement et d'entretien causés par l'investissement effectué".
Or, en l'espèce, selon les constatations déterminantes de la cour cantonale (
art. 63 al. 2 OJ
), le coût des travaux s'est élevé à 887'600 francs et ces travaux représentent des investissements à plus-value à concurrence de 50% au moins, soit 443'800 francs. Dans le cadre de l'argumentation subsidiaire du recours, ces chiffres ne sont plus contestés. Il sied donc uniquement d'examiner comment le coût de ces travaux doit être répercuté sur le montant des différents loyers. Comme la répartition proportionnelle de cette charge entre les différents loyers n'est pas non plus contestée, il ne reste qu'à vérifier si le taux d'augmentation retenu par la cour cantonale est conforme à la loi.
Dans son arrêt Benso du 23 octobre 1984 (
ATF 110 II 404
), le Tribunal fédéral a considéré que la Chambre d'appel genevoise avait reconnu à tort au bailleur le droit de répercuter sur les loyers un intérêt et un amortissement pour la part de grands travaux (alors 30%) correspondant à des travaux d'entretien.
La partie recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé cette jurisprudence en comptant un amortissement sur la part des grands travaux représentant de l'entretien; toutefois, comme les deux parts sont égales en l'espèce (50%), on peut aussi comprendre l'arrêt cantonal comme admettant un amortissement de la part apportant une plus-value, conformément à l'
art. 10 al. 2 OSL
et à ladite jurisprudence. Au demeurant, quand elle fait grief à la cour cantonale d'avoir considéré que le taux de l'intérêt hypothécaire était de 5 1/4% - alors qu'il serait en réalité de 5% -, la recourante
BGE 111 II 378 S. 383
méconnaît le texte même de l'arrêt attaqué selon lequel "5 1/4% ... était de 1/4% supérieur au taux moyen des intérêts ...".
Il résulte des chiffres retenus par la cour cantonale que, pour des travaux entraînant une plus-value de 443'800 francs, la part annuelle répercutée sur les locataires est de 52'885 francs 50, ce qui équivaut à environ 11,9% de l'investissement, dont 5,25% correspondent au taux hypothécaire de premier rang appliqué en 1981 par la Banque hypothécaire du canton de Genève et augmenté de 1/4%, et 6,65% à une majoration pour la couverture des frais d'amortissement. Ce rendement de 11,9% sur les investissements assimilés à plus-value est sensiblement plus élevé que celui qui avait été retenu par les juridictions cantonales dans l'affaire Benso (6,25%, soit 1/2% de plus que le taux hypothécaire de premier rang). Certes, le Tribunal fédéral s'était demandé, dans l'arrêt précité (
ATF 110 II 410
), si ce dernier taux tenait suffisamment compte du droit à l'amortissement et à la couverture des frais d'entretien prévu par l'
art. 10 al. 2 OSL
. Il reste que le taux retenu par la Chambre d'appel est nettement supérieur aux taux proposés par la doctrine (cf. RAISSIG/SCHWANDER, Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, 1984, p. 209 s.; MEYER, Mietrecht im Alltag, 3e éd., pp. 111-113; GMÜR/CAVIEZEL, Mietrecht - Mieterschutz, 2e éd., p. 175), sans que la cour cantonale se prononce à ce sujet. Sans doute ces taux relèvent-ils pour partie du fait et ne peuvent-ils être appliqués comme tels directement par le Tribunal fédéral. Celui-ci doit cependant disposer d'indications de fait précises lui permettant de vérifier si le droit fédéral a été correctement appliqué. Le taux de rendement à appliquer dans le cas particulier dépend notamment de la durée de vie des améliorations résultant des travaux entrepris. En l'espèce, la Chambre d'appel a estimé à 15 ans la durée de vie des améliorations donnant lieu à plus-value, sans toutefois indiquer avec précision en quoi consistaient les travaux ayant entraîné ces améliorations. Pour que le Tribunal fédéral soit en mesure de vérifier ce point, il faut que le jugement déféré mentionne - avec le plus de précision possible - en quoi consistent les travaux à plus-value et quels sont approximativement, pour chacun d'eux, la longévité et les frais d'entretien prévisibles. Le jugement attaqué ne satisfait nullement à ces exigences. Il s'impose, partant, de renvoyer sur ce point la cause à la cour cantonale pour qu'elle statue à nouveau (
art. 64 OJ
), autant que le permet le droit cantonal de procédure. Il lui appartiendra de calculer le taux de
BGE 111 II 378 S. 384
rendement en procédant à une ventilation des frais selon la nature des travaux entrepris - transformation des cuisines, d'une part, et remplacement des colonnes de chute, d'autre part -, la durée de vie - différente - de ces deux catégories de travaux à plus-value et les frais d'entretien prévisibles pour chacune d'elles. De même, la cour cantonale devra tenir compte de l'incidence des premiers amortissements sur le montant des intérêts futurs à payer, dès lors que le solde en capital diminue progressivement avec les années (cf., à cet égard, la remarque de GMÜR/CAVIEZEL, op.cit., p. 62 et la formule mathématique reproduite par MEYER, op.cit., p. 113). | public_law | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
662bf6cc-afad-4407-9c07-64e29c65fc47 | Urteilskopf
100 Ia 223
32. Auszug aus dem Urteil vom 5. Juni 1974 i.S. Egloff gegen Einwohnergemeinde Niederrohrdorf und Regierungsrat des Kantons Aargau | Regeste
Kommunaler Gestaltungsplan, der eine Landumlegung vorsieht; Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie?
1. Erfordernis des öffentlichen Interesses, Grundsatz der Verhältnismässigkeit und des wertgleichen Realersatzes (E. 3a).
2. Voraussetzungen und zulässiger Umfang von Landabzügen für Verkehrs- und andere öffentliche Anlagen (E. 3b, c). | Sachverhalt
ab Seite 223
BGE 100 Ia 223 S. 223
A.-
Nach § 126 Abs. 1 des Baugesetzes des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971 (BauG) lösen die Gemeinden die Aufgaben der Ortsplanung durch Erlass von Zonenplänen, Überbauungsplänen und Gestaltungsplänen sowie der zugehörigen Vorschriften. Sie können Teilpläne für einzelne Gebiete, wenn nötig mit Spezialbauvorschriften, erlassen. Die Überbauungspläne bezwecken die Festlegung der für öffentliche
BGE 100 Ia 223 S. 224
Werke erforderlichen Gebiete sowie der Baufluchten und Grünstreifen längs der öffentlichen Strassen und Gewässer, der Eisenbahnen und Wälder (§ 136 Abs. 1). Hinsichtlich der Gestaltungspläne bestimmt §141 BauG:
"Gestaltungspläne können in Gemeinden erlassen werden, in denen rechtskräftige Zonenpläne bestehen, Sie bezwecken die wohnhygienisch, architektonisch und städtebaulich gute Überbauung grösserer zusammenhängender Flächen.
Der Inhalt der Gestaltungspläne entspricht demjenigen der Überbauungspläne. Dazu kommen weitergehende Vorschriften, namentlich über:
a) Erschliessung;
b) Lage, Grösse und allgemeine Gestaltung der Bauten;
c) Art und Mass der Nutzung der einzelnen Teile des Quartiers sowie der Bauten;
d) Grenz- und Gebäudeabstände, Mindestgrössen der Grundstücke;
e) Landumlegung und Grenzbereinigung;
f) Bepflanzungen, Einfriedungen, Freiflächen, Spiel- und Ruheplätze, Abstellplätze, Garagen und Verkehrsflächen;
g) Gemeinschaftsräume für Freizeitbeschäftigung und dergleichen.
Gestaltungspläne können wie die dazugehörenden Spezialbauvorschriften von der allgemeinen Regelung abweichen."
Der die Landumlegung und Grenzbereinigung regelnde siebente Teil des BauG (§ 172 ff.) wird erst in Kraft gesetzt, wenn der Grosse Rat das entsprechende Verfahrensdekret erlassen hat. Dieses liegt im Entwurf vor. Bis zum Inkrafttreten des siebenten Teils richten sich Landumlegungen nach der "Vollziehungsverordnung zu den §§ 113 - 116 des Einführungsgesetzes zum ZGB über Bauvorschriften der Gemeinden" vom 21. Januar 1949 (VVO EG ZGB).
B.-
Die Gemeinde Niederrohrdorf besitzt eine Bauordnung vom 18. November 1953 und eine Zonenordnung (ZO) vom 20. November 1964. Danach gehört das Ortszentrum zur Zone "Dorfkern K", in welcher mit einer Ausnützungsziffer von 0,6 gebaut werden darf.
Die Gemeindeversammlung von Niederrohrdorf genehmigte am 29. Juni 1972 einen kommunalen Gestaltungsplan "Dorfkern" mit zugehörigen Spezialvorschriften. Gemäss § 3 Abs. 1 derselben ordnet der Gestaltungsplan unter anderem die Neueinteilung des Grundeigentums verbindlich. Diese geschieht etappenweise entsprechend dem privaten und öffentlichen Bedarf. Es kann indessen kein Grundeigentümer gezwungen
BGE 100 Ia 223 S. 225
werden, ein derzeit bestehendes Wohngebäude abzubrechen (§ 6 Abs. 2). § 7 Abs. 1 bestimmt, dass jeder Grundeigentümer im Gestaltungsplangebiet der Gemeinde höchstens 16% seiner Grundfläche für öffentliche Zwecke abzutreten hat. Nach § 4 Abs. 2 beträgt die Ausnützungsziffer für Wohnen 0,8, für Gewerbe und Läden 0,2, für Alters- und Kleinwohnungen 0,1.
C.-
Frau Elisabeth Egloff-Widmer ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 12/595, 6,84 Aren, Gebäudeplatz und Garten mit Wohnhaus und Magazinanbau Nr. 81. Im Haus, das eine Grundfläche von ca. 220 m2 aufweist und im Süden an eine Strasse angrenzt, befindet sich ein Lebensmittelgeschäft, welches vom Sohn der Eigentümerin geführt wird. Der Gestaltungsplan "Dorfkern" sieht vor, dass Frau Egloff ihre Parzelle von 684 m2 verliert und dafür ein unbebautes, 330 m2 betragendes Grundstück mit Strassenanstoss erhält, das östlich an die bisherige Parzelle angrenzt. 109 m2 oder 16% hat sie für Verkehrsanlagen der Gemeinde und des Kantons abzugeben. Mit 245 m2, die Frau Egloff für die Errichtung von Abstellplätzen, Kinderspielplätzen und anderen Freizeitanlagen abtreten muss, wird sie Miteigentümerin an diesen Gemeinschaftsanlagen, unter welchen ausserdem unterirdische Autogaragen erstellt werden sollen.
Gegen den Gestaltungsplan erhob Frau Egloff beim Regierungsrat Einsprache. Sie brachte im wesentlichen vor, die ihr zugeteilte Fläche von 330 m2 sei zu klein, um einen Laden und die vorgeschriebenen Wohnungen zu errichten, über die Höhe allfälliger Entschädigungen müsse im Enteignungsverfahren und nicht durch den Gemeinderat entschieden werden (§ 6 Abs. 4 und 5 der Spezialvorschriften), der Miteigentumsanteil nütze ihr nichts, der Landabzug von 16% sei übersetzt und für eine Baulandumlegung fehle die gesetzliche Grundlage, da der siebente Teil des BauG noch nicht in Kraft stehe; § 11 der Spezialvorschriften betreffend die Wegrechte sei gesetzwidrig. Der Regierungsrat hiess die Einsprache am 28. Mai 1973 in bezug auf § 6 Abs. 4 und 5 und § 11 der Spezialvorschriften gut, im übrigen wies er sie ab.
D.-
Hiergegen führt Frau Egloff staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses, gemäss welcher die Einsprache im übrigen abgewiesen wurde, sei aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid
BGE 100 Ia 223 S. 226
an den Regierungsrat zurückzuweisen. Sie macht Verletzung der
Art. 4 und 22 ter BV
geltend. Die Begründung des angefochtenen Entscheides sowie der gegen ihn erhobenen Rügen geht, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen hervor.
E.-
Der Regierungsrat des Kantons Aargau und die Einwohnergemeinde Niederrohrdorf beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Gestaltungspläne, die Landumlegungen vorsehen und damit das Eigentum beschränken, müssen entsprechend
Art. 22 ter BV
im öffentlichen Interesse liegen, und ihre Eingriffe dürfen nicht weiter ge.hen, als es dieses öffentliche Interesse gebietet (Grundsatz der Verhältnismässigkeit). Kommen die Eigentumsbeschränkungen einer Enteignung gleich, so hat der betroffene Eigentümer nach Massgabe von
Art. 22 ter Abs. 3 BV
Anspruch auf volle Entschädigung (
BGE 99 Ia 37
mit Hinweisen).
Die Ermöglichung wohnhygienisch, architektonisch und städtebaulich guter Überbauungen grösserer zusammenhängender Flächen liegt gegenwärtig allgemein im öffentlichen Interesse, selbst dann, wenn es sich um die Neuüberbauung und Neueinteilung bestehenden Baugebietes handelt (vgl. die Darlegungen im "Schlussbericht der Kommission für die Reform des zürcherischen Bodenrechts", 1972, S. 136 ff.). Demzufolge ist das öffentliche Interesse auch für die Landumlegungen, welche die Voraussetzungen für die Planverwirklichung schaffen, gegeben. Dass an der Planung "Ortskern" in Niederrohrdorf ein öffentliches Interesse besteht, ist in Anbetracht des baulichen Zustandes des Kerngebietes, der Wichtigkeit des Ortszentrums für die Allgemeinheit und der Knappheit des dort verfügbaren Bodens offensichtlich und wird von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht bestritten. Sie behauptet auch nicht, der Gestaltungsplan sei unzweckmässig, und es lasse sich auf eine andere Weise eine sinnvolle, modernen baulichen Grundsätzen entsprechende Neuüberbauung des Ortskerns verwirklichen. Indessen glaubt sie, der vorgesehene Eingriff treffe sie in einer unverhältnismässigen Weise und bewirke ihre Enteignung.
BGE 100 Ia 223 S. 227
a) Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass ihr ein Grundstück von nur 330 m2 zugewiesen wird. Der Regierungsrat war diesbezüglich der Ansicht, ausschlaggebend sei nicht die zugeteilte Grundfläche, sondern die auf Grund der erhöhten Ausnützungsziffer (l,1 gegenüber 0,6) zuteilbare Nutzfläche; diese betrage 655 m2, also annähernd soviel, wie die gesamte Grundfläche vor der Umlegung ausmachte.
Bei Landumlegungen hat der Eigentümer grundsätzlich Anspruch auf vollen Realersatz, d.h. auf Zuteilung gleichwertigen Landes, und er ist nur dann, wenn Realersatz aus besonderen Gründen nicht möglich ist, in Geld zu entschädigen (
BGE 96 I 134
mit Hinweisen). Indessen muss sich, wie im Güterzusammenlegungsverfahren, so auch bei andern Landumlegungen, jeder Grundeigentümer mit gewissen, durch den Umlegungszweck oder die technischen Erfordernisse gegebenen Unterschieden zwischen altem und neuem Besitzstand bezüglich Lage und Beschaffenheit abfinden (
BGE 96 I 44
). Das trifft vor allem bei einer völligen Neugestaltung bereits überbauter Gebiete zu, welche das aargauische BauG als Gegenstand von Gestaltungsplänen vorsieht. Der bei Landumlegungen geltende Grundsatz des wertgleichen Realersatzes bedeutet ohnehin nicht, dass der Eigentümer flächengleichen Realersatz erhalten muss, sondern eben nur wertgleichen, sofern das möglich ist. Flächengleicher und zugleich wertgleicher Realersatz kann nur in der Regel in Frage kommen. Zahlreiche Umlegungsordnungen sehen daher vor, dass die Neuzuteilung nach Flächen oder Werten erfolgen kann (ALDER, Rechtliche Voraussetzungen und Grundsätze der Baulandumlegung, S. 21 f.). Auch der Grundsatz der blossen Wertumlegung mit Geldausgleich ist vor der Verfassung haltbar, falls der Umlegungszweck keine andere technisch verantwortbare Lösung zulässt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei solchen Gesamtplanungen wie ein Gestaltungsplan sie ermöglicht, der Ausgleich in Bodenfläche nicht stets von gleich grosser Wichtigkeit ist, sondern die Grösse der entstehenden Nutzfläche entscheidend ist (ALDER, a.a.O. S. 106).
Der Beschwerdeführerin dient ihr Grundstück vorwiegend als räumliche Unterlage für ihr Wohn- und Geschäftshaus. Diesen Zweck wird aber auch die neue Parzelle zu erfüllen vermögen, denn es lässt sich auf ihr eine Baute von ungefähr den gleichen Ausmassen wie der bestehenden errichten.
BGE 100 Ia 223 S. 228
Die Erhöhung der Ausnützungsziffer von 0,6 auf 1,1, die der Regierungsrat gestützt auf die Angaben der Gemeinde als gegeben erachtet und wobei er zu behaften ist, wird es der Beschwerdeführerin sodann ermöglichen, das neue Grundstück verglichen mit dem jetzigen wesentlich besser zu nutzen. Zwar behauptet die Beschwerdeführerin, sie hätte eine solche Ausnützung auch ohne Gestaltungsplan, nämlich auf Grund der in der Zonenordnung enthaltenen Ausnahmebestimmungen (§§ 13 und 17) erreichen können. Das erscheint indes fraglich, da es keineswegs feststeht, dass die in den erwähnten Vorschriften genannten Voraussetzungen, unter denen der Gemeinderat eine Erhöhung der Ausnützung nur bewilligen kann, erfüllt gewesen wären. Ob die Beschwerdeführerin mit der vorgesehenen Neuzuteilung ein der bisherigen Parzelle gleichwertiges Ersatzgrundstück erhält, oder ihr allenfalls zufolge der viel kleineren Bodenfläche selbst unter Berücksichtigung der erhöhten Ausnützungsziffer ein Verlust entsteht, ist jedoch nicht im Rahmen des Verfahrens betreffend die Genehmigung des Gestaltungsplanes zu prüfen. Dazu würden im gegenwärtigen Zeitpunkt die Voraussetzungen fehlen, weil der Umlegungszeitpunkt ja noch gar nicht feststeht, und sich bis dahin die Wertverhältnisse erheblich ändern können. Erst im Landumlegungsverfahren, sofern es für die Beschwerdeführerin aktuell wird, ist daher zu entscheiden, ob ihr über die Zuweisung des neuen Landes hinaus noch ein Wertausgleich gebührt. Es stehen der Beschwerdeführerin in diesem Verfahren alle Rechtsmittel zur Durchsetzung des verfassungsmässigen Schutzes des Eigentums zu. Freilich mögen sich in Anbetracht der etappenweise vorgesehenen Durchführung der Landumlegung erhebliche praktische Schwierigkeiten ergeben, insbesondere dann, wenn das durch das Gebäude Nr. 81 nicht belegte Land umgelegt werden sollte. In diesem Fall müsste soviel des betreffenden Gebietes von der Umlegung ausgenommen werden, als nötig ist, um das Haus Nr. 81, das ja gegen den Willen der Beschwerdeführerin nicht in die Umlegung einbezogen werden kann, seiner bisherigen Zweckbestimmung zu erhalten. Das ist übrigens auch die Meinung des Regierungsrates, weist er doch in seinem Entscheid darauf hin, dass bei vorzeitiger Umlegung eines Teils des Grundstücks und der Errichtung der unterirdischen Parkgarage die Umschlagsmöglichkeiten für das Geschäft der Beschwerdeführerin
BGE 100 Ia 223 S. 229
gewahrt bleiben müssten. Im Umlegungsverfahren wird auch die Frage zu beurteilen sein, ob der Beschwerdeführerin für den Verzicht auf das Haus Nr. 81 ein Anspruch auf Entschädigung zukommt.
Der Eingriff in den Eigentumsbereich der Beschwerdeführerin ist wohl schwer, verhindert indessen eine zweckmässige Ausnützung ihres Eigentums im neuen Besitzstand, verglichen mit dem alten, nicht derart, dass der Gestaltungsplan mit
Art. 22ter BV
unvereinbar erschiene.
b) Der Eingriff bleibt verhältnismässig auch aus einem andern Grunde. Der grösste Teil des ihr entzogenen Landes, nämlich 245 m2, dient dazu, um Gemeinschaftsanlagen wie Abstellplätze, einen Kinderspielplatz und eventuell andere Anlagen zu schaffen. Die Beschwerdeführerin wird verhältnismässig zu ihrem eingebrachten Land Miteigentümerin an der Gesamtanlage. Bei einer dichten Überbauung ist es im Zuge der Neuanlage eines ganzen Gebietes angezeigt, für Anlagen der erwähnten Art zu sorgen, insbesondere in einem Gebiet, das offenbar als Geschäftszentrum gedacht ist (ALDER, a.a.O. S. 32, 107). Will die Beschwerdeführerin ihren Geschäftsbetrieb auf der bisherigen Parzelle weiter erhalten, müsste sie früher oder später daran denken, solche Abstellplätze zu errichten. § 60 BauG sieht vor, dass auch die Eigentümer bereits bestehender Bauten unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet werden können, Abstellplätze anzulegen, was vor allem bei Geschäftshäusern in Frage kommen wird. Es ist zu berücksichtigen, dass die jetzige Parzelle der Beschwerdeführerin zum Bestandteil der Gesamtanlage würde und die neue Liegenschaft an diese angrenzt, die Miteigentumsfläche also vom neuen Standort aus leicht erreichbar ist und mit der neuen Parzelle eine funktionelle Einheit bildet.
c) Die Beschwerdeführerin hält den Bodenabzug von 16% oder 109 m2 für konfiskatorisch. Die Abzüge erfolgen für Verkehrsanlagen der Gemeinde und des Kantons, u.a. zur Erstellung einer Bus-Haltestelle. Ob aus dem Landabzug resultierende Flächen für Gemeindeanlagen verwendet werden, ist aus den Akten nicht eindeutig ersichtlich, da die Gemeinde ihrerseits 706 m2 in die Umlegung einwirft. Welche kantonalen baulichen Anlagen aus dem abgezogenen Land gewonnen werden sollen, ist ebenfalls den Akten nicht zu entnehmen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist es mit der
BGE 100 Ia 223 S. 230
Eigentumsgarantie vereinbar, wenn bei einer Landumlegung für Anlagen, die dem Umlegungsgebiet dienen, Landabzüge gemacht werden (
BGE 99 Ia 496
mit Hinweisen,
BGE 96 I 136
). Zum Wesen einer Umlegung gehört die Erstellung von Erschliessungsstrassen und der damit erforderliche Landabzug (ALDER, a.a.0. S. 108). Im Flächenabzug für derartige Zwecke liegt keine Expropriation, weil er eine vorzugslastähnliche Gegenleistung der Grundeigentümer für die ihnen aus der Ausführung der Umlegung zukommenden Vorteile darstellt (
BGE 99 Ia 496
mit Hinweisen).
Anders verhält es sich in bezug auf Anlagen, die nicht in erster Linie den Interessen der an der Landumlegung beteiligten Eigentümer dienen. Diesen können für solche Zwecke, z.B. zu einer allgemeinen Sanierung des Verkehrs, keine Sonderopfer auferlegt werden. Es mag sogar fraglich erscheinen, ob für den im Interesse eines weiteren Publikums liegenden Strassenbau in einem Umlegungsverfahren überhaupt Landabzüge vorgenommen werden dürfen (vgl. Schlussbericht, S. 181) oder ob nicht das Land von den Eigentümern, auf deren Boden die Anlagen verlaufen sollen, zu enteignen ist. Doch ist erstere Frage zu bejahen, solange der Abzug verhältnismässig bleibt, weil damit eine gewisse Verteilung der Lasten vorgenommen werden kann. Ein solcher Landabzug hat jedoch Enteignungscharakter und darf nicht entschädigungslos erfolgen. Es kann nicht der Weg der Landumlegung gewählt werden, um dem Gemeinwesen kostenlos Land zu beschaffen für öffentliche Anlagen, die nicht vorwiegend im Interesse der Eigentümer umgelegter Parzellen liegen (
BGE 99 Ia 496
mit Hinweisen; ALDER, a.a.O. S. 108; für das zürcherische Recht, WIEDERKEHR, Das zürcherische Quartierplanrecht, S. 34 f.). Letzteres trifft vor allem für diejenigen Anlagen zu, die der Kanton erstellen will, der selber nicht Eigentümer im Zusammenlegungsgebiet ist. Der Regierungsrat hat sich nicht ausdrücklich dazu geäussert, ob er dieses zu seinen Gunsten abgezweigte Areal entschädigungslos beanspruchen will. Aus seiner Erklärung in der Vernehmlassung, die Beschwerdeführerin werde für den Landabzug durch die erhöhte Ausnützungsmöglichkeit ihrer neuen Parzelle "entschädigt", ist wohl zu schliessen, dass er grundsätzlich die Entschädigungspflicht bejaht. Ob die Beschwerdeführerin durch die Erhöhung der Ausnützungsziffer die ihr zustehende volle Entschädigung erhält,
BGE 100 Ia 223 S. 231
ist aber nicht im Verfahren betreffend Genehmigung des Gestaltungsplanes, sondern im Umlegungsverfahren zu beurtei len.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der angefochtene Gestaltungsplan im Sinne dieser Erwägungen als vor
Art. 22ter BV
haltbar erscheint.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
663e5432-8c5b-43c6-bd32-d5d3fe7f4e90 | Urteilskopf
83 II 419
57. Beschluss der II. Zivilabteilung vom 23. September 1957 i.S. Messerschmitt AG gegen Erben Vogelsang. | Regeste
Berufung und kantonale Nichtigkeitsbeschwerde (
Art. 57 Abs. 1 OG
).
Das Bundesgericht kann über die Zulässigkeit einer gestützt auf
Art. 50 OG
erklärten Berufung gegen einen auch mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde angefochtenen Entscheid nicht vorweg entscheiden, selbst wenn das kantonale Prozessrecht die Nichtigkeitsbeschwerde nur insoweit zulässt, als der angefochtene Entscheid nicht der Berufung an das Bundesgericht unterliegt. | Sachverhalt
ab Seite 420
BGE 83 II 419 S. 420
Am 9. März 1957 reichte Rechtsanwalt Dr. Spörri beim Bezirksgericht Zürich "namens der Erben des August Vogelsang-Altenburger..., A.... Olga Vogelsang geb. Altenburger..., B.... Arthur Gustav Vogelsang..., vertreten durch die Willensvollstreckerin: Zürcher Kantonalbank..." gegen die Messerschmitt A.-G. Klage auf Anerkennung einer Arrestforderung von Fr. 203'100.-- nebst Zins und Kosten ein. Vom Bezirksgericht angefragt, ob die Willensvollstreckerin in diesem Prozess als Partei auftrete, antwortete er, die Zürcher Kantonalbank führe den Prozess für den Nachlass als Willensvollstreckerin; sie sei daher im Rubrum als Partei aufzuführen mit dem Bemerken: "handelnd in ihrer Eigenschaft als Willensvollstreckerin im Nachlass des August Vogelsang-Altenburger." Darauf wies das Bezirksgericht die Klage mangels Aktivlegitimation von der Hand. Das Obergericht des Kantons Zürich, an das die Klägerschaft rekurrierte, hat dagegen mit Beschluss vom 12. Juli 1957 das Bezirksgericht angewiesen, den Prozess an Hand zu behalten.
Diesen Entscheid hat die Beklagte mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde und ausserdem gestützt auf
Art. 50 OG
mit Berufung an das Bundesgericht angefochten. Eine mit der Berufungsschrift eingegangene Eingabe der Beklagten vom 5. September 1957 enthält das Begehren, das Bundesgericht möge gemäss
Art. 50 Abs. 2 OG
zunächst prüfen, ob es die Voraussetzungen von Abs. 1 des gleichen Artikels als gegeben erachte. "Je nach dem Entscheid des Bundesgerichtes dürfte sich dann das kantonale Kassationsgericht darüber schlüssig werden, ob es gemäss
BGE 83 II 419 S. 421
§ 345 zürch. ZPO die Beschwerde zur Behandlung entgegennehmen will." In einem dem Bundesgericht in Kopie vorgelegten Schreiben an den Präsidenten des Kassationsgerichtes vom gleichen Tage führt der Vertreter der Beklagten aus, er sei der Auffassung, dass in diesem Falle
Art. 57 OG
nicht zur Anwendung komme; das Bundesgericht werde sich gemäss
Art. 50 Abs. 2 OG
zunächst darüber auszusprechen haben, ob es die Voraussetzungen von Abs. 1 dieses Artikels als gegeben erachte; er stelle deshalb das Gesuch, das Verfahren vor Kassationsgericht wenigstens so lange einzustellen, bis über die Anhandnahme der Berufung durch das Bundesgericht entschieden sei. Daraufhin verfügte der Präsident des Kassationsgerichtes am 9. September 1957, das Beschwerdeverfahren werde bis zum Entscheid des Bundesgerichtes über die Zulässigkeit der von der Beschwerdeführerin erklärten Berufung eingestellt, weil das Bundesgericht nach
Art. 50 Abs. 2 OG
über das Vorhandensein der Voraussetzungen für die Berufung im Sinne von
Art. 50 Abs. 1 OG
"nach freiem Ermessen" entscheide, so dass es dem Kassationsgericht nicht wohl möglich sei, den Entscheid über die Zulässigkeit dieser Berufung vorwegzunehmen, wie es
§ 345 Abs. 1 ZPO
erfordern würde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Ist bezüglich eines Entscheides, gegen den beim Bundesgericht Berufung eingelegt ist, bei der zuständigen kantonalen Behörde eine Nichtigkeitsbeschwerde oder ein Gesuch um Erläuterung oder um Wiederherstellung (Revision) anhängig, so wird nach
Art. 57 Abs. 1 OG
bis zur Erledigung der Sache vor der kantonalen Behörde die bundesgerichtliche Entscheidung ausgesetzt. Diese Vorschrift will nicht nur verhüten, dass das Bundesgericht der Beurteilung eines ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels durch den Erlass eines Sachentscheides vorgreift, der an die Stelle des angefochtenen Entscheides
BGE 83 II 419 S. 422
träte, wodurch das kantonale Rechtsmittelverfahren gegenstandslos und die Partei, die es eingeleitet hat, in der Verfolgung ihrer Rechte beeinträchtigt würde. Sie will vielmehr aus Gründen der Prozessökonomie auch dafür sorgen, dass sich das Bundesgericht mit einer Berufung überhaupt nicht zu befassen hat, solange noch die Möglichkeit besteht, dass der angefochtene Entscheid durch eine kantonale Behörde aufgehoben werden könnte. Dem entspricht es, dass nach ihrem zweiten Satze die Einsendung der Akten des kantonalen Verfahrens an das Bundesgericht unterbleibt, bis die Sache vor der mit dem ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel angegangenen Behörde erledigt ist. Während der Hängigkeit eines solchen Rechtsmittels hat also das Bundesgericht nicht nur keinen Sachentscheid zu fällen, sondern auch von Instruktionsmassnahmen und prozessualen Entscheidungen über die Berufung abzusehen. Vorbehalten bleibt nur das Nichteintreten auf Berufungen, deren Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit sich ohne Beizug der kantonalen Akten sofort feststellen lässt.
Daraus folgt, dass das Bundesgericht dem Begehren des Berufungsklägers nicht stattgeben kann. Ob im vorliegenden Falle die Berufung nach
Art. 50 OG
zuzulassen sei oder nicht, lässt sich nur auf Grund der Prozessakten entscheiden. Die Schwierigkeiten, die sich bei der Behandlung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde daraus ergeben können, dass diese nach § 345 der zürcherischen ZPO nur soweit zulässig ist, als der angefochtene Entscheid nicht der Berufung unterliegt, können keinen Grund für die Nichtanwendung von
Art. 57 OG
bilden. Es kann nicht Sache des Bundesgerichtes sein, solche aus dem kantonalen Recht sich ergebende Schwierigkeiten unter Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften aus dem Wege zu räumen, und hievon abgesehen kann der Berufungsklägerin daraus, dass es dem Kassationsgericht überlassen werden muss, die Frage der Zulässigkeit einer Berufung nach
Art. 50 OG
als Vorfrage zu prüfen, kaum ein nicht
BGE 83 II 419 S. 423
wiedergutzumachender prozessualer Nachteil (endgültiger Verschluss eines Forums, das ihr offen stehen sollte) erwachsen, wie immer der Vorfrageentscheid des Kassationsgerichtes auch ausfallen möge. Im übrigen ist denkbar, dass das Kassationsgericht zum Schlusse kommen wird, die Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen Zwischenentscheid des Obergerichtes sei nach dem Sinne von
§ 345 ZPO
nicht nur insoweit ausgeschlossen, als er gemäss
Art. 50 OG
unmittelbar mit der Berufung angefochten werden kann, sondern auch insoweit, als er gemäss
Art. 48 Abs. 3 OG
zusammen mit dem Endentscheid der Überprüfung im Berufungsverfahren unterliegen wird. In diesem Falle könnte das Kassationsgericht bei der Anwendung von
§ 345 ZPO
dahingestellt bleiben lassen, ob im vorliegenden Falle eine Berufung nach
Art. 50 OG
zulässig sei, und sich auf die Prüfung der Frage beschränken, ob die mit der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen Rügen so geartet seien, dass sie vom Bundesgericht als Berufungsinstanz geprüft werden können.
Dispositiv
Demnach beschliesst das Bundesgericht:
Das Begehren, die Entscheidung gemäss
Art. 50 Abs. 2 OG
sei vor Erledigung des kantonalen Nichtigkeitsbeschwerdeverfahrens zu treffen, wird abgelehnt. | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6645c1b3-06d1-4878-9a7a-6397ff3ba4c6 | Urteilskopf
136 IV 4
2. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public dans la cause Fondation Brouilly contre Office fédéral de la justice (recours en matière de droit public)
1C_374/2009 du 12 janvier 2010 | Regeste
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Haiti; Rückgabe von Vermögenswerten des Duvalier-Clans;
Art. 5 Abs. 1 lit. c und
Art. 74a IRSG
,
Art. 33a IRSV
; Verjährung nach Schweizer Recht.
Zulässigkeit der Verjährungseinrede (E. 6.1). Anwendung schweizerischen Rechts bei fehlendem Staatsvertrag (E. 6.2 und 6.3). Die Verjährung für das Delikt der Beteiligung an einer kriminellen Organisation ist im Jahr 2001 eingetreten, weshalb auf das Rechtshilfegesuch nicht eingetreten werden kann (E. 6.4 und 6.5). Die anderen genannten Straftaten (Mord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit) haben keinen direkten Zusammenhang mit der Herkunft der Vermögenswerte (E. 6.6 und 6.7). Notwendigkeit, die gesetzliche Grundlage in diesem Bereich anzupassen (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 5
BGE 136 IV 4 S. 5
A.
Le 4 avril 1986, (...) la République d'Haïti a présenté à la Suisse une demande d'entraide judiciaire, dans le cadre d'une procédure pénale dirigée contre Jean-Claude Duvalier (ex-président de la République) et les membres de sa famille. Durant sa présidence, de 1971 jusqu'au 7 février 1986, Jean-Claude Duvalier et ses proches auraient détourné environ 900 millions de dollars au préjudice de l'Etat haïtien. La Confédération suisse était priée de prendre les mesures nécessaires pour geler les fonds de la famille Duvalier dans l'attente de l'issue de la procédure. En exécution de cette requête, divers comptes ont été saisis dans des établissements de Zurich, Vaud et Genève, notamment un compte (...) détenu par la Fondation Brouilly (fondation de droit liechtensteinois, ci-après: la fondation), dont l'ayant droit était (jusqu'à son décès en 1997) Simone Ovide Duvalier, mère de Jean-Claude Duvalier. Les avoirs de la fondation s'élevaient alors à 2,4 millions d'USD. (...)
Par ordonnance du 2 septembre 1986, le Juge d'instruction du canton de Genève (...) est entré en matière. Le 2 août 1988, il ordonna la transmission de documents bancaires. Cette décision a été confirmée en substance par la Chambre d'accusation genevoise, puis par le Tribunal fédéral (arrêt 1A.58/1989 du 19 septembre 1989). L'autorité requérante devrait toutefois donner des assurances spécifiques et formelles quant à la régularité de la procédure pénale et à l'interdiction des tribunaux d'exception. (...)
Le Juge d'instruction a rendu une nouvelle ordonnance le 25 juillet 1991. Celle-ci a toutefois été annulée par la Chambre d'accusation. Au mois de septembre 1991, le Président Aristide, successeur de Duvalier, avait été destitué. Les garanties données le 27 août 1990 n'étaient donc plus d'actualité; de nouvelles garanties devaient être demandées de la part des autorités en place.
BGE 136 IV 4 S. 6
De nouvelles garanties ayant été données le 27 novembre 1996, l'Office fédéral de la justice (OFJ) s'est prononcé le 15 mai 2002 sur leur validité, conformément à l'
art. 80p EIMP
. L'engagement ne pouvait être considéré comme suffisant, compte tenu de l'instabilité des institutions en Haïti, (...) des dénonciations faites par les organismes de protection des droits de l'homme et de l'absence de progrès dans le domaine des droits de l'homme depuis le début de la procédure d'entraide, seize ans auparavant. Les contacts établis avec l'Etat requérant n'avaient pas permis de constater une réelle volonté de mener à chef la procédure dirigée contre Jean-Claude Duvalier. On pouvait même douter de l'existence d'une telle procédure. Incidemment, l'OFJ a également constaté que les faits reprochés à Jean-Claude Duvalier remontaient à plus de quinze ans, de sorte que la prescription absolue était atteinte en droit suisse.
B.
Le 14 juin 2002, le Conseil fédéral a ordonné le blocage, pour trois ans, des avoirs en Suisse de Jean-Claude Duvalier et de son entourage, et a chargé le Département fédéral des affaires étrangères d'assister les parties en vue de rechercher, dans un cadre approprié, une issue aussi satisfaisante que possible. Cette ordonnance se fondait sur l'
art. 184 al. 3 Cst.
Elle a été prolongée pour deux ans le 3 juin 2005, puis pour un an le 22 août 2007.
Le 28 janvier 2008, le Juge d'instruction genevois a définitivement déclaré irrecevable la demande d'entraide judiciaire formée en 1986, en raison de la prescription. (...) Les avoirs restaient toujours bloqués, jusqu'au 31 août 2008, en vertu de l'ordonnance du Conseil fédéral.
C.
Le 23 mai 2008, la République d'Haïti, représentée par un avocat genevois, a présenté une demande de réexamen des précédentes décisions. Elle exposait que Jean-Claude Duvalier et ses complices faisaient l'objet d'une procédure pénale en Haïti pour des crimes contre l'humanité, des crimes financiers et des infractions de corruption et de détournements de fonds au préjudice de l'Etat. Etaient produits divers documents relatifs à la poursuite pénale. (...) Les détournements au préjudice de l'Etat avaient été accompagnés de crimes contre l'humanité (exécutions judiciaires et disparitions forcées des opposants du régime) destinés à maintenir l'organisation du clan Duvalier. (...)
Le 27 juin 2008, l'OFJ a considéré que les nouveaux éléments produits justifiaient un réexamen. La situation en Haïti s'était
BGE 136 IV 4 S. 7
considérablement améliorée grâce aux mesures prises par le Président Préval depuis 2006. L'Etat requérant avait démontré l'existence d'une procédure pénale et la volonté de la mener à son terme. Les faits poursuivis pouvaient relever, en droit suisse, de l'organisation criminelle. (...) Les comptes et valeurs en mains de la famille Duvalier (notamment le compte de la fondation) ont été à nouveau bloqués, et leurs détenteurs étaient invités à en prouver la provenance licite. (...)
Par décision du 11 février 2009, l'OFJ a admis la demande d'entraide (...) et ordonné notamment la remise à la République d'Haïti des avoirs détenus par la Fondation Brouilly, soit une somme d'environ 4,6 millions d'USD. La banque était invitée à transférer les fonds sur un compte que l'OFJ désignerait ultérieurement. Ceux-ci devraient être utilisés de façon transparente au bénéfice de la population haïtienne, par le biais de projets humanitaires ou sociaux. Le Département fédéral de justice et police veillerait au suivi de ces projets. Reprenant les motifs de sa décision d'entrée en matière, l'OFJ a en outre considéré que la prescription devait s'examiner au regard du seul droit de l'Etat requérant. (...) Sur le vu des faits décrits, l'on pouvait admettre que Simone Ovide Duvalier avait au moins apporté son soutien à l'organisation dirigée par son mari, puis par son fils. La fondation n'avait pas réussi à renverser la présomption de provenance criminelle des fonds.
Par arrêt du 12 août 2009, la II
e
Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral (TPF) (...) a rejeté le recours formé par la fondation. (...) Jean-Claude Duvalier aurait retiré de ses agissements une fortune estimée entre 400 et 900 millions de dollars. La structure hiérarchique, le but criminel et le climat de terreur mis en place correspondaient en droit suisse à la notion d'organisation criminelle. (...) La qualification d'organisation criminelle permettait un renversement du fardeau de la preuve, s'agissant de l'origine délictueuse des fonds. Simone Duvalier ayant fait partie de l'organisation criminelle dirigée successivement par son mari et son fils, cette présomption d'appartenance n'avait pas été renversée. S'agissant de la prescription, la Cour des plaintes a considéré que la mesure de blocage s'était poursuivie sans interruption depuis avril 1986 et que, selon l'
art. 33a OEIMP
, la durée de la saisie de valeurs n'était limitée que par la prescription selon le droit étranger; la prescription selon le droit suisse ne faisait donc pas obstacle à l'octroi de l'entraide. En tant que personne morale, la recourante n'avait pas qualité pour se plaindre des défauts de la procédure à l'étranger. (...)
BGE 136 IV 4 S. 8
D.
Par acte du 24 août 2009, la Fondation Brouilly forme un recours en matière de droit public. Elle conclut à l'annulation de l'arrêt de la Cour des plaintes et de la décision de l'OFJ du 11 février 2009, et demande la levée de la saisie de son compte. (...)
Le Tribunal fédéral a admis le recours et invité l'OFJ à lever la saisie des fonds.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Sur le fond, la recourante conteste l'existence d'une organisation criminelle constituée par le clan Duvalier. Elle estime que les documents mentionnés par le TPF pour retenir une telle qualification juridique ne sauraient constituer des preuves judiciaires suffisantes au regard de la présomption d'innocence (
art. 6 par. 1 CEDH
et
art. 32 al. 1 Cst.
).
4.1
La recourante perd de vue que l'autorité suisse saisie d'une demande d'entraide judiciaire (que celle-ci tende à l'extradition d'une personne, à la transmission de renseignements ou à la remise d'objets ou de valeurs) n'a pas à se prononcer sur la réalité des faits évoqués dans la demande; elle ne peut que déterminer si, tels qu'ils sont présentés, ces faits constituent une infraction (
ATF 133 IV 76
consid. 2.2;
ATF 130 II 217
consid. 4.1). Les indications fournies à ce titre doivent simplement suffire pour vérifier que la demande n'est pas d'emblée inadmissible (
ATF 116 Ib 96
consid. 3a p. 101;
ATF 115 Ib 68
consid. 3b/aa p. 77). Pour sa part, l'autorité requérante n'a pas à fournir de preuves à l'appui de ses accusations. Il suffit qu'elle présente un exposé suffisamment compréhensible et qui ne soit pas entaché d'invraisemblances, d'erreurs ou de lacunes manifestes (
ATF 118 Ib 111
consid. 5b p. 121/122;
ATF 117 Ib 64
consid. 5c p. 88 et les arrêts cités).
4.2
En l'occurrence, les demandes d'entraide judiciaire présentées en 1986, puis le 23 mai 2008 par l'avocat de l'Etat requérant, satisfont à ces exigences d'allégation. La seconde demande expose en particulier dans quel contexte François Duvalier, puis son fils Jean-Claude Duvalier, ont organisé le pillage systématique de l'Etat haïtien par diverses méthodes de prélèvement (sur des comptes et organismes d'Etat "non fiscaux", oeuvres sociales fictives, prélèvement sur certains salaires), puis de conversion et d'exportation des fonds. Ces exactions avaient lieu dans un climat de terreur, de disparitions forcées et d'exécutions extrajudiciaires. Entre 1957 et 1986, le régime
BGE 136 IV 4 S. 9
Duvalier aurait ainsi entraîné la mort de plusieurs dizaines de milliers de personnes. L'autorité requérante expose que Simone Duvalier faisait partie des bénéficiaires des détournements. Ces indications sont suffisantes pour permettre d'admettre que Simone Duvalier était intégrée dans l'organisation mise en place par son mari, puis par son fils.
4.3
La recourante invoque en vain le principe de la présomption d'innocence. La procédure de remise de valeurs à l'étranger - en particulier lorsque, comme en l'espèce, la remise n'est pas subordonnée à un jugement de confiscation dans l'Etat requérant - porte certes sur des prétentions de caractère civil (
ATF 132 II 229
consid. 6.2 ss p. 238), ce qui justifie l'exigence d'un procès équitable au sens de l'
art. 6 par. 1 CEDH
(arrêt 1A.53/2007 du 11 février 2008). En revanche, le principe de la présomption d'innocence ne s'applique pas dans le cadre d'une procédure d'entraide judiciaire, dont la nature est administrative et dont le but n'est pas d'examiner la culpabilité des personnes mises en cause (
ATF 120 Ib 112
consid. 2 p. 119 et les arrêts cités). L'autorité suisse d'entraide doit simplement contrôler que la procédure à l'étranger présente des garanties de procédure suffisantes, et exiger le cas échéant sur ce point des engagements spécifiques de l'autorité requérante. Elle n'a pas à s'interroger sur la crédibilité des accusations au regard de la présomption d'innocence.
5.
Les griefs soulevés en rapport avec le renversement du fardeau de la preuve apparaissent eux aussi sans fondement.
Dans le cadre des présomptions instituées à l'
art. 72 CP
, la recourante prétend qu'elle devrait être admise à apporter la preuve non seulement que les fonds sont d'origine licite, mais aussi que l'organisation criminelle n'avait pas de pouvoir de disposition sur ses avoirs. La recourante relève que seule Simone Ovide Duvalier avait la disposition des fonds, ce qui constituerait une preuve libératoire suffisante.
La présomption d'appartenance posée à l'
art. 72 CP
- et applicable par analogie à la procédure de restitution prévue à l'
art. 74a EIMP
(RS 351.1) - peut être renversée. L'intéressé peut se libérer en démontrant l'origine licite des avoirs, mais aussi l'absence de pouvoir de disposition de l'organisation criminelle (cf. dans ce sens URSULA CASSANI, La confiscation de l'argent des potentats; à qui incombe la preuve?, SJ 2009 II p. 229 ss, 249). S'agissant d'un fait négatif, cette dernière ne peut que difficilement être rapportée, par exemple lorsqu'il est démontré que l'organisation ne pourrait avoir accès aux
BGE 136 IV 4 S. 10
valeurs qu'en commettant de nouvelles infractions (idem, note 124). L'affirmation de la recourante qu'elle serait la seule à disposer des fonds ne saurait en tout cas suffire, puisque selon la demande d'entraide, Simone Ovide Duvalier serait elle-même impliquée, en tant qu'épouse de François Duvalier et mère de Jean-Claude Duvalier, dans l'organisation criminelle. De ce point de vue également, l'arrêt attaqué ne prête pas le flanc à la critique.
6.
La recourante invoque ensuite l'
art. 5 al. 1 let
. c EIMP relatif à la prescription selon le droit suisse. La Cour des plaintes a considéré que cette question devait être examinée au moment de l'entrée en matière, soit au moment où les avoirs de la recourante avaient été bloqués pour la première fois le 15 avril 1986. Le blocage s'était ensuite poursuivi sans interruption, compte tenu des mesures prises par le Conseil fédéral. Se fondant sur l'
art. 33a OEIMP
(RS 351.11), la Cour des plaintes a estimé que la prescription selon le droit suisse ne pouvait pas faire échec à une saisie en vue de restitution.
La recourante soutient pour sa part que la mesure de contrainte au sens de l'
art. 5 EIMP
serait en l'occurrence la saisie ordonnée lors de la nouvelle décision d'entrée en matière du 27 juin 2008. La demande d'entraide du 23 mai 2008 ne constituerait en effet pas une demande de réexamen, mais une nouvelle demande. L'infraction d'organisation criminelle aurait pris fin à la destitution de Jean-Claude Duvalier, en février 1986, de sorte que la prescription absolue, de quinze ans, aurait été atteinte au mois de février 2001. Le droit de confisquer au sens de l'
art. 72 CP
serait prescrit dans la même mesure.
6.1
Selon la jurisprudence, seule a en principe qualité pour invoquer la prescription la personne poursuivie dans l'Etat requérant (
ATF 130 II 217
consid. 11.1 p. 234). Cela est vrai pour la prescription selon le droit de l'Etat requérant, car les règles y relatives sont destinées à la protection de la personne poursuivie et sont du ressort exclusif des autorités de poursuite de l'Etat requérant. L'
art. 5 al. 1 let
. c EIMP protège en revanche contre des mesures de contrainte ordonnées en Suisse après la survenance de la prescription absolue selon le droit Suisse (
ATF 126 II 462
consid. 4c p. 465). Il est donc logique que les personnes touchées par les mesures en question puissent se prévaloir de cette disposition (cf.
ATF 126 II 462
consid. 4, entrant en matière sur un tel grief soulevé notamment par une fondation du Liechtenstein touchée par les mesures d'entraide).
BGE 136 IV 4 S. 11
6.2
Selon l'
art. 5 al. 1 let
. c EIMP, la demande d'entraide est irrecevable si son exécution implique des mesures de contrainte et que la prescription absolue empêche, en droit suisse, d'ouvrir une action pénale ou d'exécuter une sanction. Cette disposition s'applique à tous les types d'entraide judiciaire, et donc également à une remise au sens de l'
art. 74a EIMP
, cette dernière - et les mesures de blocage qui la précèdent - constituant indubitablement une mesure de contrainte (
ATF 126 II 462
consid. 5b p. 467/468). S'agissant d'une cause d'irrecevabilité, celle-ci doit être examinée au moment de la réception de la demande d'entraide et de la décision d'entrée en matière (cf. art. 78 al. 2,
art. 80 et 80a EIMP
), et non au moment de la décision de clôture. Cela permet de favoriser l'entraide et d'éviter qu'une demande déclarée recevable dans un premier temps, ne devienne inadmissible par la suite en raison de la durée de la procédure d'entraide (
ATF 126 II 462
consid. 4d p. 466; consid. 3 non publié in l'
ATF 129 II 56
).
6.3
Lorsqu'il existe entre la Suisse et l'Etat requérant un traité de collaboration judiciaire qui ne prévoit pas la prise en compte de la prescription selon le droit suisse, cette réglementation, plus favorable à l'entraide, l'emporte sur l'EIMP (
ATF 118 Ib 266
concernant le TEJUS [RS 0.351.933.6];
ATF 117 Ib 61
concernant la CEEJ [RS 0.351.1]). De même, si le traité laisse à l'Etat requis la possibilité de refuser l'entraide en raison de la prescription selon son propre droit, l'autorité suisse requise peut également y renoncer (arrêt 1A.184/2005 du 9 décembre 2005 consid. 2.6). En revanche, lorsque comme en l'espèce, les Etats requérant et requis ne sont pas liés par un traité d'entraide judiciaire, les motifs d'irrecevabilité prévus à l'
art. 5 EIMP
ne peuvent être ignorés.
6.4
Le compte de la recourante a été bloqué une première fois par l'OFJ le 15 avril 1986. Toutefois, le 28 janvier 2008, le Juge d'instruction genevois, tenant compte de la décision prise le 15 mai 2002 par l'OFJ, a définitivement déclaré irrecevable la demande d'entraide judiciaire du 12 juin 1986, en raison de la prescription. La première demande d'entraide a ainsi été définitivement rejetée, ce qui a mis fin à la procédure et à la saisie des avoirs de la fondation. Les blocages ordonnés à partir du 14 juin 2002 par le Conseil fédéral jusqu'au mois d'août 2008 n'ont pas eu pour effet de prolonger les mesures provisoires prises dans le cadre de la procédure d'entraide judiciaire: il s'agit de mesures d'une autre nature, prises sur la base de l'
art. 184 al. 3 Cst.
et destinées à la recherche d'une solution négociée, afin précisément de pallier l'échec de la procédure d'entraide.
BGE 136 IV 4 S. 12
Certes, les décisions relatives à l'exécution d'une demande d'entraide sont de nature administrative (
ATF 121 II 93
consid. 3b p. 95, et les références citées) et ne sont pas, à l'instar d'un jugement civil ou pénal, revêtues de la force de chose jugée. Elles peuvent donc être réexaminées en tout temps (
ATF 121 II 93
consid. 3b p. 96). L'Etat requérant ne peut pas revenir à la charge pour les mêmes faits et les motifs, en demandant les mêmes mesures (
ATF 109 Ib 156
consid. 1b p. 157), mais rien ne l'empêche de compléter ou de réitérer sa demande en se fondant sur des faits nouveaux ou un changement de législation (
ATF 112 Ib 215
consid. 4 p. 218;
ATF 111 Ib 242
consid. 6 p. 251/252;
ATF 109 Ib 156
consid. 3b p. 157/158), de requérir des mesures nouvelles ou encore de demander à l'Etat requis de statuer sur des points laissés indécis dans le cadre d'une décision précédente (arrêt 1A.110/1999 du 1
er
juillet 1999;
ATF 121 II 93
consid. 4d). Il n'en demeure pas moins que, d'un point de vue procédural, la demande initiale a été formellement rejetée par une décision définitive et que la requête présentée le 23 mai 2008 constitue ainsi une demande d'entraide distincte de la précédente. Les nouvelles mesures ordonnées le 27 juin 2008 par l'OFJ doivent par conséquent être examinées pour elles-mêmes.
6.5
La décision de l'OFJ et l'arrêt attaqué retiennent, sous l'angle de la double incrimination, que les faits mentionnés dans la demande d'entraide seraient constitutifs de participation ou de soutien à une organisation criminelle au sens de l'art. 260
ter
CP. Cette appréciation est conforme à la jurisprudence qui considère comme tels les détournements systématiques des ressources de l'Etat, par un haut responsable et son entourage (
ATF 131 II 169
consid. 9.1 p. 182). L'infraction étant passible de cinq ans de privation de liberté, la prescription est de quinze ans conformément à l'
art. 97 al. 1 let. b CP
. Quant au point de départ du délai de prescription, il doit être fixé au moment de la chute du régime Duvalier, au mois de février 1986, car l'organisation criminelle, telle qu'elle est décrite dans la demande, n'a pu se poursuivre au-delà de cette date (
art. 98 let
. c CP). La prescription est par conséquent intervenue en février 2001 pour l'infraction de participation à une organisation criminelle. C'est ce qu'avaient d'ailleurs déjà constaté l'OFJ dans sa décision du 15 mai 2002, et le Juge d'instruction genevois dans sa décision de clôture du 28 janvier 2008. Le droit de confisquer est, lui aussi, prescrit (
art. 70 al. 3 CP
).
L'arrêt attaqué retient que selon l'
art. 33a OEIMP
, la durée de la saisie de valeurs serait limitée par la prescription selon le droit de l'Etat
BGE 136 IV 4 S. 13
requérant, et non selon le droit suisse. La Cour des plaintes en a déduit que la survenance de la prescription de la poursuite ou du droit de confisquer en droit suisse n'empêcherait pas le maintien des saisies.
Selon l'
art. 33a OEIMP
, les objets et valeurs dont la remise à l'Etat requérant est subordonnée à une décision définitive et exécutoire de ce dernier (
art. 74a al. 3 EIMP
) demeurent saisis jusqu'à réception de ladite décision ou jusqu'à ce que l'Etat requérant ait fait savoir à l'autorité d'exécution compétente qu'une telle décision ne pouvait plus être rendue selon son propre droit, notamment en raison de la prescription. Cette disposition ne concerne que les mesures conservatoires prises dans l'attente d'un jugement étranger de confiscation, ce qui n'est pas le cas en l'occurrence puisque la remise des fonds a été ordonnée à titre anticipé, indépendamment d'un tel jugement. Par ailleurs, l'
art. 33a OEIMP
ne saurait s'appliquer qu'aux saisies ordonnées avant la survenance de la prescription en droit suisse (
ATF 126 II 462
consid. 5d) et ne saurait permettre le maintien d'un séquestre lorsqu'il apparaît qu'une remise des fonds ne peut plus être ordonnée (arrêt 1A.222/1999 du 4 novembre 1999 concernant déjà l'entraide à la République d'Haïti). Toute autre interprétation irait à l'encontre du texte clair de l'
art. 5 al. 1 let
. c EIMP.
6.6
La demande d'entraide relève que le clan Duvalier se serait aussi rendu coupable de nombreux assassinats. Ces infractions, qui ne sont pas mentionnées dans l'ordonnance de renvoi en jugement du 13 décembre 1999, feraient l'objet d'un réquisitoire d'informer du 29 avril 2008. L'autorité requérante estime que ces crimes seraient "indissociables" des délits financiers puisqu'ils permettaient la collaboration aveugle des fonctionnaires concernés, ainsi qu'une impunité totale. Il en résulterait que la prescription de trente ans, pour des délits passibles d'une peine de réclusion à vie, ne serait pas acquise (
art. 97 al. 1 let. a CP
).
Selon l'
art. 70 CP
, l'infraction doit être la cause essentielle de l'obtention des valeurs patrimoniales que l'on entend confisquer et celles- ci doivent typiquement provenir de l'infraction en cause. C'est dans le même sens qu'il y a lieu d'interpréter la notion de produit de l'infraction selon l'
art. 74a al. 2 let. b EIMP
. Autrement dit, il doit y avoir entre l'infraction et l'obtention de valeurs patrimoniales un lien de causalité tel que la seconde apparaît comme la conséquence directe et immédiate de la première(MADELEINE HIRSIG-VOUILLOZ, in
BGE 136 IV 4 S. 14
Commentaire romand, Code pénal, vol. I, 2009, n
os
9 ss ad
art. 70 CP
). En outre, selon le principe de la spécialité, seules les valeurs patrimoniales qui sont le résultat direct de l'infraction, ou leurs valeurs de remplacement, peuvent être confisquées en application de l'
art. 70 CP
(idem, n° 16 ad
art. 70 CP
).
Il apparaît que les avoirs de la recourante ne sont pas le fruit d'infractions contre la vie ou l'intégrité corporelle, mais uniquement des détournements opérés au préjudice de l'Etat Haïtien. L'Etat requérant soutient que le climat de terreur et les crimes de sang commis par le clan Duvalier auraient permis le maintien de l'organisation criminelle. Toutefois, les valeurs patrimoniales ne peuvent être considérées comme le fruit d'une infraction lorsque celle-ci n'a que facilité leur obtention ultérieure par un autre acte délictueux sans lien de connexité (arrêt 6S.667/2000 du 19 février 2001, in SJ 2001 p. 330 et les références citées). C'est dès lors à juste titre que l'OFJ, puis la Cour des plaintes, n'ont pas retenu la qualification juridique d'assassinats dans l'examen de la double incrimination, et n'ont pas tenu compte du délai de prescription afférent à ces infractions.
6.7
L'autorité requérante expose aussi que le clan Duvalier se serait livré à des crimes contre l'humanité, pour avoir pratiqué de manière constante des assassinats politiques, des exécutions judiciaires, des arrestations ou détentions arbitraires, ainsi que la torture. Ces actes, imputables en particulier à la milice des "volontaires de la sécurité nationale" (plus connus sous le nom de "Tontons Macoutes") visaient particulièrement les personnes susceptibles d'exercer une influence sur l'opinion publique (syndicalistes, personnes liées à l'opposition). Ces infractions, non visées par le renvoi en jugement ordonné en 1999, ont fait elles aussi l'objet du réquisitoire d'informer du 29 avril 2008.
Point n'est besoin de rechercher de quelle manière les crimes contre l'humanité, tels que décrits dans la demande, seraient appréhendés en droit interne, ce qui les rendrait imprescriptibles (cf.
art. 101 let
. c CP et
art. 59 let
. c du Code pénal militaire du 13 juin 1927 [CPM; SR 321.0]). En effet, comme cela est rappelé ci-dessus, les mesures d'entraide requises ne se rapportent pas non plus à des fonds qui proviendraient directement de telles infractions. Au demeurant, la décision d'accorder l'entraide judiciaire appartiendrait, dans un tel cas, non pas à l'OFJ mais au Conseil fédéral, en application de l'
art. 110 al. 3 EIMP
.
BGE 136 IV 4 S. 15
6.8
La prescription étant intervenue avant le dépôt de la nouvelle demande d'entraide, celle-ci est manifestement irrecevable en application de l'
art. 5 al. 1 let
. c EIMP. L'arrêt attaqué doit être annulé pour cette raison, de même que la décision de l'OFJ du 11 février 2009.
6.9
La Cour des plaintes rappelle que la nécessité, pour la Suisse, de ne pas servir de refuge aux montants considérables détournés illégalement par les régimes dictatoriaux, constitue un intérêt essentiel du pays au sens de l'
art. 1a EIMP
(
ATF 131 II 169
consid. 6). Cette disposition, conçue essentiellement comme une limite à la coopération - comme le montre son intitulé - peut certes trouver à s'appliquer lorsqu'il s'agit de décider d'une remise anticipée de fonds indépendamment d'un jugement de confiscation étranger (
art. 74a al. 3 EIMP
;
ATF 123 II 588
consid. 5a p. 607). En aucun cas elle ne saurait permettre d'ignorer un motif clair d'irrecevabilité d'une demande d'entraide judiciaire.
7.
La récupération des avoirs des dictateurs déchus se heurte à divers obstacles. Les Etats victimes de ce genre d'agissements sont confrontés à des problèmes particuliers: ils peuvent notamment connaître des relations ambiguës avec le régime déchu et ne disposent souvent pas d'un appareil judiciaire propre à assurer, de manière efficace et respectueuse des droits de l'homme, la poursuite des anciens responsables et la confiscation de leurs avoirs (URSULA CASSANI, op. cit., p. 229). Dans ce contexte, les conditions posées par l'EIMP apparaissent trop strictes pour ce genre d'affaires. La longueur des procédures, les difficultés de preuve peuvent constituer - comme en l'espèce - des obstacles insurmontables. C'est dès lors au législateur qu'il appartient d'apporter les corrections et allègements nécessaires pour tenir compte des particularités de ces procédures (
ATF 123 II 595
consid. 5a p. 607; voir aussi les propositions de réformes mentionnées par URSULA CASSANI, op. cit., p. 240).
8.
Il en résulte que la requête d'entraide judiciaire est irrecevable et que la remise des fonds à la République d'Haïti n'est pas possible sur la base des règles du droit suisse sur l'entraide judiciaire internationale. Le recours doit par conséquent être admis; l'arrêt du TPF du 12 août 2009 est annulé, de même que la décision de l'OFJ du 11 février 2009 en tant qu'elle concerne les avoirs de la recourante. Dès lors qu'elle est fondée sur l'EIMP, la saisie ordonnée le 27 juin 2008 par l'OFJ sur le compte de la recourante ne peut être maintenue. Il appartiendra donc à l'Office fédéral de la justice de lever cette
BGE 136 IV 4 S. 16
mesure. Une indemnité de dépens est allouée à la recourante, conformément à l'
art. 68 al. 2 LTF
. Il n'est pas perçu de frais judiciaires (
art. 66 al. 4 LTF
). | null | nan | fr | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
664bd2b1-b3c1-4787-9984-2947a4a8e99e | Urteilskopf
126 I 153
19. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour de droit public du 3 mai 2000 dans la cause F. contre Officier de police du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 aBV
(
Art. 31 Abs. 2 BV
);
Art. 6 Ziff. 3 EMRK
und
Art. 107A StPO
/GE; Rechte einer verhafteten Person.
Während des Polizeigewahrsams richtet sich der Anspruch einer verhafteten Person, Mitteilungen ihres Anwalts zu erhalten und frei mit diesem verkehren zu können, nach
Art. 31 Abs. 2 BV
und
Art. 6 Ziff. 3 EMRK
, in Verbindung mit
Art. 8 EMRK
(E. 2).
Art. 107A Abs. 3 lit. g StPO
/GE über den Verkehr einer verhafteten Person mit ihrem Anwalt wurde im vorliegenden Fall nicht verletzt (E. 3).
Die willkürfreie Anwendung dieser Bestimmung führte hier auch zu keiner Verletzung von
Art. 4 aBV
oder von
Art. 6 Ziff. 3 EMRK
(E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 154
BGE 126 I 153 S. 154
Le 27 août 1998 vers 7h., la gendarmerie genevoise a arrêté, avec d'autres personnes, F., ressortissante allemande domiciliée à Lüneburg, alors qu'elle campait sur le territoire de la commune de Cologny, dans un lieu où cette activité est interdite.
Les personnes arrêtées ont d'abord été conduites au poste de police de la Pallanterie, en vue de la vérification de leur identité. Elles ont toutes été relâchées, sauf F. dont il est apparu qu'elle faisait l'objet d'une interdiction d'entrée en Suisse prononcée par l'Office fédéral des étrangers le 21 mai 1998, avec effet jusqu'au 20 mai 2003.
Pour la suite des opérations, les gendarmes ont conduit F. d'abord dans les locaux de la brigade d'intervention, puis à l'Hôtel de Police, où elle est arrivée vers 10h30.
A 10h12, Me Jean-Pierre Garbade, avocat à Genève, a adressé un message télécopié à l'officier de police. S'annonçant comme le mandataire de F., il a demandé à pouvoir s'entretenir avec elle immédiatement. Ce message comporte le passage suivant:
"Je sais que le Code de procédure pénale n'autorise la visite qu'après l'interrogatoire par l'officier de police, mais j'estime que ce droit résulte de l'
art. 4 Cst.
féd. et 6 ch. 1 c) CEDH (...)".
Vers 10h55, l'un des gendarmes ayant procédé à l'arrestation de F. a téléphoné à Me Garbade pour lui indiquer que sa cliente devant être probablement relâchée, une visite n'entrait pas en ligne de compte à ce stade.
A 12h04, l'officier de police a décerné un mandat d'amener contre F. pour infraction à l'art. 23 de la loi fédérale du 26 mars 1931 sur le séjour et l'établissement des étrangers (LSEE; RS 142.20).
A 13h., un gendarme maîtrisant l'allemand a procédé à l'audition de F. et lui a remis une copie de l'
art. 107A CPP
/GE, régissant les droits de la personne entendue par la police.
BGE 126 I 153 S. 155
Après l'établissement du rapport d'enquête, F. a été conduite dans les cellules de l'Hôtel de Police ("violons"), à 16h35. C'est à ce moment que le mandat d'amener lui a été notifié.
L'officier de police a entendu F. à 17h35. Il lui a signifié son arrestation pour infraction à l'
art. 23 LSEE
et ordonné son transfert à la prison de Champ-Dollon pour être mise à la disposition du juge d'instruction. Il lui a rappelé la teneur de l'
art. 107A CPP
/GE.
A 17h35, l'officier de police a adressé à Me Garbade un message télécopié l'informant de la notification du mandat d'amener et de l'arrestation de sa cliente, laquelle avait exprimé le souhait de rencontrer son avocat. L'officier de police a invité Me Garbade à s'adresser au Juge d'instruction en charge de la procédure, "pour la suite des modalités".
Me Garbade a eu connaissance de ce message à 18h30.
F. a été placée au relais carcéral de l'Hôtel de police avant d'être conduite à la prison de Champ-Dollon, où son arrivée a été enregistrée à 18h20.
Le 28 août 1998 à 10h., F. a pu s'entretenir avec Me Garbade. Au terme de l'audition qui a suivi, en présence de Me Garbade, le Juge d'instruction a ordonné la relaxe de F., qui a été reconduite immédiatement à la frontière.
Agissant par la voie du recours de droit public, F. demande au Tribunal fédéral de constater que la police aurait violé ses droits constitutionnels, notamment la liberté personnelle, l'
art. 4 aCst.
et l'art. 6 par. 3 let. b et c CEDH, en ne lui remettant pas le message télécopié de Me Garbade et en ne l'autorisant pas à rencontrer son avocat dans les locaux de la police le 27 août 1998 avant 13h., ou au moins avant son transfert dans le relais carcéral. F. requiert l'assistance judiciaire.
Par ordonnance du 30 septembre 1998, le Président de la Ie Cour de droit public a suspendu la procédure jusqu'à ce que le Conseil d'Etat et le Procureur général du canton de Genève aient statué sur les recours formés parallèlement auprès d'eux par F.
Le 24 novembre 1998, le Procureur général a déclaré le recours irrecevable, faute de compétence pour en connaître. Le 10 novembre 1999, le Conseil d'Etat en a fait de même. La procédure a été reprise le 19 novembre 1999. Le Chef de la police cantonale conclut au rejet du recours. Invitée à répliquer, la recourante a maintenu ses conclusions. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
BGE 126 I 153 S. 156
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Les griefs soulevés par la recourante, touchant au droit de la personne arrêtée de recevoir des messages de son avocat et de s'entretenir librement avec lui pendant la garde à vue, doivent être examinés à la lumière des
art. 4 aCst.
(cf. désormais l'
art. 31 al. 2 Cst.
) et 6 par. 3 CEDH (RS 0.101). En relation avec l'
art. 8 CEDH
dont la recourante ne se prévaut pas, ces dispositions donnent à la personne arrêtée les garanties minimales nécessaires pour assurer le respect des droits de la défense dans la procédure pénale, comme élément du procès équitable garanti par l'
art. 6 par. 1 CEDH
(cf.
ATF 125 I 127
consid. 6a p. 131/132).
b) Outre les
art. 4 aCst.
et 6 par. 3 CEDH, la recourante invoque la liberté personnelle (cf. désormais l'
art. 10 al. 2 Cst.
). Il est douteux que celle-ci confère à la personne arrêtée le droit de s'entretenir librement avec son avocat dès son arrestation, non pas pour les besoins de la défense, mais pour la protection de son intégrité personnelle contre d'éventuels mauvais traitements qu'elle pourrait subir au cours de sa détention - comme le soutient la recourante. Cette mission n'entre pas dans les tâches de l'avocat et on ne voit pas pourquoi elle serait assumée par celui-ci plutôt que par un tiers. En l'espèce, eu égard au fait que l'intervention du mandataire s'inscrivait exclusivement dans la perspective de la défense de la recourante au stade initial de la procédure pénale, il est superflu d'examiner si les faits de la présente cause pourraient également entrer dans le champ d'application de la liberté personnelle.
Pour ce qui concerne la base légale topique, il convient de relever que l'
art. 107A al. 3 let. b CPP
/GE permet à la personne détenue de requérir en tout temps la visite d'un médecin, disposition qui vise précisément à écarter tout risque de mauvais traitement. Confier prioritairement au médecin la tâche de protéger la personne arrêtée contre d'éventuelles violences policières procède d'un choix délibéré du législateur (Mémorial des séances du Grand Conseil 1993, p. 2425 ss; 1996, p. 2114 ss), lequel avait opté dans un premier temps en faveur d'une version selon laquelle "toute personne entendue par la police a le droit d'être assistée d'un avocat".
3.
a) L'
art. 107A CPP
/GE, régissant les droits de la personne entendue par la police, introduit selon la novelle du 23 avril 1998, a la teneur suivante:
"1. Dans le cadre de ses auditions, la police indique à la personne entendue qu'elle doit se soumettre aux mesures nécessaires au contrôle de son
BGE 126 I 153 S. 157
identité. Elle doit porter à sa connaissance sans délai si elle est entendue à titre de renseignements ou d'auteur présumé de l'infraction.
2. Lorsqu'une personne est entendue à titre de renseignements, les art. 46 à 49 sont applicables par analogie.
3. Lorsqu'une personne est entendue comme auteur présumé d'une infraction, elle est rendue attentive, sans délai, par la remise du présent article dans une langue comprise par elle, à ce:
a) qu'elle doit, dans les vingt-quatre heures au plus, si elle n'est pas relaxée, être mise à la disposition du juge d'instruction et que celui-ci dispose de vingt-quatre heures au plus pour l'interroger et la relaxer ou décerner contre elle un mandat d'arrêt;
b) qu'elle peut demander à tout moment, pendant la durée de son interrogatoire et au moment de quitter les locaux de police, à faire l'objet d'un examen médical et qu'un tel examen a également lieu sur demande de la police;
c) qu'elle peut prendre connaissance des charges dirigées contre elle et des faits qui lui sont reprochés;
d) qu'elle ne peut être forcée de déposer contre elle-même ou de s'avouer coupable;
e) qu'elle peut informer de sa détention un proche, un familier ou son employeur, sauf risque de collusion ou de danger pour le cours de l'enquête, ainsi que de faire prévenir son avocat;
f) qu'elle peut informer de sa détention son consulat, si elle est étrangère;
g) qu'elle a le droit d'obtenir la visite d'un avocat et de conférer librement avec lui, dès la fin de son interrogatoire par l'officier de police, mais au plus tard à la première heure ouvrable à l'issue des vingt-quatre heures suivant le début de l'audition par la police, sauf risque de collusion ou de danger pour le cours de l'enquête, les horaires de visite des avocats à la prison pouvant toutefois être limités à deux heures le samedi, le dimanche et les jours fériés;
h) qu'elle peut, si elle ne connaît pas d'avocat, s'en faire désigner un;
i) qu'elle peut, le cas échéant, faire appel à l'assistance juridique, aux conditions prévues par la loi.
4. Mention est faite de ces communications au rapport de police".
b) Il est constant que la recourante a été entendue par la police comme personne soupçonnée d'avoir commis une infraction, soit la violation de la décision du 21 mai 1998 lui interdisant l'entrée sur le territoire suisse (
art. 23 LSEE
). Elle a reçu une copie de l'
art. 107A CPP
/GE et eu la possibilité de faire avertir de son arrestation le consulat d'Allemagne, mesure à laquelle elle a renoncé spontanément.
c) Pour déterminer le moment à partir duquel la personne arrêtée a le droit de rencontrer son défenseur, l'
art. 107A al. 3 let
. g CPP/GE
BGE 126 I 153 S. 158
se réfère à l'interrogatoire par l'officier de police et non à la notification du mandat d'amener. Il faut en conclure que le délai fixé par cette norme du droit cantonal a commencé à courir dès le 27 août 1998 à 17h35, ce que la recourante ne conteste pas au demeurant et ce que confirme aussi le message télécopié adressé par Me Garbade à l'officier de police le 27 août 1998 à 10h12.
Pour le reste, le délai de seize heures et vingt-cinq minutes qui s'est écoulé entre le moment où l'officier de police a informé Me Garbade du sort de sa cliente et celui où l'entrevue réclamée a pu avoir lieu - soit le 28 août 1998 à 10h. -, s'explique par des motifs organisationnels. Selon l'
art. 38 CPP
/GE, toute personne appréhendée en vertu d'un mandat d'amener doit être conduite sans retard à la maison de détention préventive, soit la prison de Champ-Dollon (cf. l'art. 1 al. 1 du Règlement genevois sur le régime intérieur de la prison et le statut des personnes incarcérées, du 30 septembre 1985 - le Règlement), à moins que le Juge d'instruction ne décide immédiatement de ne pas écrouer la personne - hypothèse non réalisée en l'espèce. Conformément à l'
art. 38 CPP
/GE, immédiatement après son interrogatoire par l'officier de police, la recourante a été conduite à la prison de Champ-Dollon, où elle est arrivée à 18h20. Dès cet instant, Me Garbade avait le droit de rendre visite à sa cliente, mais seulement après l'audition de celle-ci par le juge d'instruction (art. 36 al. 1 du Règlement) ou avec l'autorisation de celui-ci (art. 37 al. 3 du Règlement). En l'espèce, aucune de ces formalités n'a pu être accomplie avant le 28 août 1998, l'office des juges d'instruction étant fermé au moment où la recourante a été écrouée à la prison de Champ-Dollon.
L'officier de police a interrogé le 27 août 1998 à 17h35 la recourante, qui a pu s'entretenir avec Me Garbade le 28 août 1998 à 10h. Le délai maximal de vingt-quatre heures, fixé par l'
art. 107A al. 3 let
. g CPP/GE, a ainsi été respecté.
d) Cela étant, il aurait sans doute été conforme à l'esprit de l'
art. 107A CPP
/GE (disposition conçue essentiellement en vue du cas où la personne arrêtée n'est pas assistée par un avocat s'annonçant spontanément à la police, contrairement au cas d'espèce) de donner connaissance à la recourante du message télécopié de Me Garbade (ou simplement l'en informer et lui en relater le contenu), dès l'instant où, le 27 août 1998 à 12h04, un mandat d'amener a été décerné contre elle, voire à 13h., où elle a été interrogée par un policier parlant l'allemand. Il n'aurait en effet pas été indifférent à la recourante de savoir que Me Garbade cherchait à intervenir en sa faveur
BGE 126 I 153 S. 159
en réclamant la possibilité de s'entretenir immédiatement avec elle. De même, il semble, sur le vu du dossier cantonal, que les démarches nécessaires pour clarifier la situation de la recourante étaient terminées vers 13h. Si l'officier de police avait procédé immédiatement à l'interrogatoire de la recourante, il aurait sans doute été possible d'aménager la rencontre demandée avec Me Garbade encore avant la fin de l'après-midi. Une plus grande promptitude aurait ainsi assuré une application optimale des
art. 15 al. 2 Cst./GE
et 107A CPP/GE, sans que l'on puisse pour autant reprocher à l'autorité cantonale d'avoir violé ces normes, dont la recourante ne se prévaut pas.
e) Il convient dans ce contexte de souligner que l'
art. 107A CPP
/GE fait appel à des notions juridiques indéterminées (telles que le risque de collusion ou le danger pour les besoins de l'enquête), ce qui justifie pleinement le choix du législateur de confier à l'officier de police, fonctionnaire supérieur disposant d'une formation juridique complète, l'application - parfois délicate - de cette norme innovatrice et équilibrée.
4.
Il reste à examiner si l'application en soi correcte du droit cantonal a conduit à une violation des
art. 4 aCst.
et 6 par. 3 CEDH, comme le soutient la recourante.
a) A teneur de l'
art. 6 par. 3 CEDH
, tout accusé a le droit notamment d'être informé, dans le plus court délai, dans une langue qu'il comprend et d'une manière détaillée, de la nature et de la cause de l'accusation portée contre lui (let. a), de disposer du temps et des facilités nécessaires à la préparation de sa défense (let. b) et de se défendre lui-même ou avoir l'assistance d'un défenseur de son choix (let. c). Ces garanties constituent un aspect particulier du droit au procès équitable au sens de l'
art. 6 par. 1 CEDH
(
ATF 125 I 127
consid. 6a p. 131/132; arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme Pélissier et Sassi c. France du 25 mars 1999 par. 52). Les garanties offertes par l'
art. 6 par. 3 let. a et b CEDH
sont liées, en ce sens que le droit d'être informé de la nature et de la cause de l'accusation doit être envisagé à la lumière du droit de l'accusé de préparer sa défense (arrêt Pélissier et Sassi c. France, précité, par. 54; JOCHEN A. FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2ème éd., Kehl, Strasbourg, Arlington, 1996, N.175 ad art. 6).
b) La Cour européenne des droits de l'homme interprète de manière autonome les notions d'"accusation en matière pénale", de "personne accusée d'une infraction" et d'"accusé", auxquelles se réfère l'
art. 6 par. 1 et par. 3 CEDH
(arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme Deweer c. Belgique du 27 février 1980, Série A, vol. 35,
BGE 126 I 153 S. 160
par. 42). Ces notions sont équivalentes (arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme Lutz c. Allemagne du 25 août 1987, Série A, vol. 123, par. 52). L'accusation se définit comme la notification officielle, émanant de l'autorité compétente, du reproche d'avoir commis une infraction pénale (arrêts de la Cour européenne des droits de l'homme Pélissier et Sassi c. France, précité, par. 51; Brozicek c. Italie du 19 décembre 1989, Série A, vol. 167, par. 38; Corigliano c. Italie du 10 décembre 1982, Série A, vol. 57, par. 34; Deweer, précité, par. 46). Les dispositions de l'
art. 6 par. 3 let. a CEDH
n'imposent aucune forme particulière quant à la manière dont l'accusé doit être informé de la nature et de la cause de l'accusation portée contre lui (arrêt Pélissier et Sassi précité, par. 53). Cette notification peut intervenir avant le renvoi en jugement, soit notamment au moment de l'arrestation, de l'inculpation ou de l'ouverture des enquêtes préliminaires (arrêt Corigliano précité, par. 34).
Le mandat d'amener au sens des
art. 15 Cst./GE
et 32 CPP/GE doit être tenu comme un acte par lequel l'autorité compétente notifie à la personne arrêtée qu'elle est soupçonnée d'avoir commis un crime ou un délit et qu'elle est, à ce titre, détenue provisoirement en vue d'un interrogatoire. Dès la remise de ce mandat, la personne arrêtée doit être considérée comme "accusée" au sens de l'
art. 6 CEDH
, quand bien même aucune inculpation (
art. 134 CPP
/GE) n'a été prononcée, ni, partant, aucun mandat d'arrêt (
art. 33 CPP
/GE) décerné contre elle. La recourante bénéficiait dès la notification du mandat d'amener - soit le 27 août 1998 à 16h35 - des garanties énoncées à l'
art. 6 par. 3 CEDH
.
c) Les
art. 4 aCst.
et 6 par. 3 let. c CEDH donnent à l'accusé le droit de s'entretenir librement avec son défenseur (
ATF 121 I 164
consid. 2c p. 167 ss;
ATF 111 Ia 341
consid. 3c p. 346; arrêt non publié K. du 11 septembre 1996 consid. 2a), au moins dès le stade de l'enquête préliminaire ("Voruntersuchung";
ATF 106 Ia 219
consid. 3c p. 222/223;
ATF 105 Ia 98
consid. 2 p. 100/101, et les arrêts cités; arrêt non publié U. du 2 septembre 1993, consid. 2a/aa). La liberté personnelle et l'art. 14 par. 3 let. b du Pacte ONU II n'ont pas de portée propre à cet égard.
Selon la jurisprudence récente de la Cour européenne des droits de l'homme, l'
art. 6 par. 3 let
. c CEDH confère à l'accusé le droit de bénéficier de l'assistance d'un avocat dès les premiers stades des interrogatoires de police. Ce droit, que la Convention n'énonce pas expressément, peut cependant être restreint pour des motifs valables; il convient de déterminer dans chaque cas si, à la lumière de l'ensemble
BGE 126 I 153 S. 161
de la procédure, la restriction critiquée a privé l'accusé d'un procès équitable (arrêts de la Cour européenne des droits de l'homme Murray c. Royaume-Uni du 8 février 1996, par. 63, et Can c. Autriche du 30 septembre 1985, par. 17, renvoyant au rapport établi dans cette affaire le 12 juillet 1984 par la Commission européenne des droits de l'homme, ch. 45-61; pour MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2ème éd., Zurich, 1999, N.516, l'arrêt Murray doit conduire à un réexamen de la jurisprudence relative à l'
art. 4 aCst.
qui vient d'être rappelée). Dans cette affaire, la Cour a jugé que refuser tout contact entre l'accusé et son défenseur pendant quarante-huit heures n'est pas compatible avec l'
art. 6 CEDH
(arrêt Murray, précité, par. 66).
d) Au regard de ces principes, on ne saurait souscrire à la thèse de la recourante qui prétend que les
art. 4 aCst.
et 6 par. 3 CEDH imposeraient d'emblée et sans restriction à l'autorité de police d'autoriser la personne arrêtée à s'entretenir librement avec son défenseur dès les premières heures de l'interrogatoire ou, du moins, dès l'instant où le défenseur s'annonce comme tel à la police et demande à exercer ce droit, soit en l'espèce le 27 août 1998 à 10h12. L'
art. 107A al. 3 let
. g CPP/GE répond aux exigences de la Convention, dans la mesure où il prévoit que la personne arrêtée a le droit de s'entretenir avec son avocat immédiatement après son interrogatoire par l'officier de police, mais vingt-quatre heures au plus après sa première audition par la police. Ce mécanisme est suffisamment souple pour tenir compte à la fois des cas où la situation peut être éclaircie rapidement, parce que la relaxe ou la notification d'un mandat d'amener s'impose d'emblée, et de ceux, plus complexes, réclamant des mesures d'investigations plus approfondies, les risques de collusion et du danger pour l'enquête devant en outre être réservés dans tous les cas.
Après son arrestation avec d'autres personnes, la recourante a d'abord été conduite au poste de la Pallanterie où ont été effectués les premiers contrôles usuels. Lorsqu'il est apparu qu'elle était interdite d'entrée sur le territoire de la Confédération, la recourante a été transférée dans les locaux de la brigade d'intervention, puis à l'Hôtel de police, distant de plusieurs kilomètres. Si la décision du 21 mai 1998 a pu être facilement repérée, il a fallu s'assurer qu'elle était toujours en force, ce qui a nécessité, selon les indications de la police, de faire des vérifications tant auprès de l'Office cantonal de la population que de l'Office fédéral des étrangers à Berne. S'il semble, sur le vu du dossier, que ces opérations étaient terminées le 27 août
BGE 126 I 153 S. 162
1998 à 13h., il se peut que l'exécution de tâches prioritaires aient empêché l'officier de police, après avoir décerné le mandat d'amener le 27 août 1998 à 12h04, d'interroger la recourante avant 17h35. Une action plus rapide aurait été opportune (cf. consid. 3d ci-dessus). Il n'en demeure pas moins que l'autorité a traité dans un délai raisonnable le cas de la recourante, laquelle n'adresse au demeurant aucune critique à la police sur ce point précis.
e) La recourante se prévaut dans ce contexte de la Résolution (73) 5 adoptée le 19 janvier 1973 par le Comité des Ministres du Conseil de l'Europe, relative aux règles minima à observer pour le traitement des détenus, remplacée depuis par la Recommandation noR(87) 3, intitulée "Règles pénitentiaires européennes", adoptée par le Comité des Ministres le 12 février 1987. Selon le ch. 93 de cette Recommandation, tout prévenu doit pouvoir, dès son incarcération, choisir son avocat ou être autorisé à demander la désignation d'un avocat d'office, lorsqu'une telle assistance est prévue, et à recevoir des visites de son avocat en vue de sa défense; il doit pouvoir en outre préparer et remettre à son avocat des instructions confidentielles, et en recevoir. Ces règles, dont le Tribunal fédéral s'inspire dans la concrétisation de la liberté personnelle et des autres droits fondamentaux garantis par la CEDH et la Constitution (
ATF 124 I 231
consid. 2b p. 236/237), ne constituent pas des normes obligatoires liant les Etats, mais de simples directives dont la prétendue violation ne peut faire séparément l'objet d'un recours de droit public (
ATF 111 Ia 341
consid. 3b p. 345).
f) Dans son rapport du 7 février 1992, le Comité institué selon la Convention européenne pour la prévention de la torture et des peines ou traitements inhumains ou dégradants, conclue à Strasbourg le 26 novembre 1987 et entrée en vigueur pour la Suisse le 1er février 1989 (CPT; RS 0.106) a émis, à l'adresse du Conseil fédéral, une recommandation no121 invitant les autorités suisses à consacrer expressément, dans les meilleurs délais, le droit pour les personnes arrêtées par la police d'avoir accès à un avocat dès le début de la garde à vue; ce droit devrait comprendre à la fois la visite de l'avocat et la présence de celui-ci lors des interrogatoires. Dans sa prise de position du 14 décembre 1992, le Conseil fédéral a indiqué expressément qu'il ne pouvait souscrire à la recommandation no121, laquelle ne produit pas d'effet obligatoire à l'égard des Etats et va au-delà des garanties offertes par l'
art. 6 par. 3 CEDH
. Bien que cette prise de position ne lie pas le Tribunal fédéral, celui-ci ne saurait méconnaître que les travaux intergouvernementaux menés dans le
BGE 126 I 153 S. 163
cadre du Conseil de l'Europe, tendant à consacrer certains droits des personnes arrêtées, n'ont pas abouti en l'état et que certaines des garanties envisagées iraient moins loin que l'
art. 107A CPP
/GE (cf. art. 3 du projet établi par un groupe de travail du Comité directeur pour les droits de l'homme, qui considérait comme suffisant que la personne privée de liberté puisse, "sans retard injustifié", informer un avocat du fait et du lieu de sa détention). Dans son rapport intermédiaire adopté à la suite de la visite en Suisse, du 11 au 23 février 1996, du Comité institué par la CPT, le Conseil fédéral a estimé qu'"une réévaluation de cette question sera opportune au moment des travaux législatifs tendant à l'unification de la procédure pénale en Suisse". Ces travaux sont en cours (cf. l'
art. 123 al. 1 Cst.
; FF 1999 p. 7831). Dans cette période d'incertitude normative, tant au niveau européen que suisse, le juge constitutionnel doit faire preuve d'une réserve d'autant plus justifiée que la norme cantonale litigieuse est particulièrement précise et novatrice. | public_law | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
66512dc2-4468-4908-9304-258527ca787d | Urteilskopf
113 III 49
14. Schreiben an die kantonalen Aufsichtsbehörden und an die Betreibungs- und Konkursämter, (11.12.1987) 14. Lettre aux autorités cantonales de surveillance et aux offices de poursuite et de faillite (11.12.1987) 14. Lettera alle Autorità cantonali di vigilanza e agli Uffici di esecuzione e dei fallimenti (11.12.1987) | Regeste
Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Wirkungen der Ehe im allgemeinen, Ehegüterrecht und Erbrecht) Änderung vom 5.Oktober 1984 | Erwägungen
ab Seite 49
BGE 113 III 49 S. 49
Text D
Das Bundesgesetz vom 5. Oktober 1984 betreffend Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Wirkungen der Ehe im allgemeinen, Ehegüterrecht und Erbrecht) tritt am 1. Januar 1988 in Kraft.
1 Änderungen des Zivilgesetzbuches
1.1 Im Gegensatz zum bisherigen Recht (Art. 168 Abs. 2 aZGB) vertritt der Ehemann die Ehefrau nicht mehr im Rechtsstreit mit Dritten um das eingebrachte Gut. Vielmehr kann jeder Ehegatte mit dem andern oder mit Dritten Rechtsgeschäfte abschliessen, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt (
Art. 168 ZGB
). Diese Wirkung der Ehe im allgemeinen des neuen Rechts gilt mit dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1988 (Art. 8 Schlusstitel ZGB), und zwar auch dann, wenn die Ehegatten durch Einreichung einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung sich für die Beibehaltung der Güterverbindung ausgesprochen haben (Art. 9e Abs. 1 Schlusstitel ZGB) oder wenn sie unter der Herrschaft des alten Rechts einen Ehevertrag abgeschlossen haben (Art. 10 Abs. 1 Schlusstitel ZGB). Es wird somit nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts keine Betreibungen für Ansprüche gegen die Ehefrau mehr geben, die an den Ehemann als deren Vertreter zu richten sind (Art. 68bis Abs. 1 aSchKG).
1.2 Das revidierte Ehegüterrecht kennt den ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung (
Art. 196 ff. ZGB
) sowie die ausserordentlichen Güterstände der Gütergemeinschaft (
Art. 221 ff. ZGB
) und der Gütertrennung (
Art. 247 ff. ZGB
).
BGE 113 III 49 S. 50
1.2.1 Bei der Errungenschaftsbeteiligung gibt es, gleich wie bei der Gütertrennung, kein gemeinschaftliches eheliches Vermögen. Innerhalb der gesetzlichen Schranken verwaltet und nutzt jeder Ehegatte seine Errungenschaft und sein Eigengut (bzw. Vermögen) und verfügt darüber (Art. 201 Abs. 1 bzw.
Art. 247 ZGB
); und jeder Ehegatte haftet für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen (Art. 202 bzw. 249 ZGB).
Das hat zur Folge, dass jeder Ehegatte unabhängig vom andern betrieben werden kann. Die Möglichkeit der Anschlusspfändung bleibt bestehen, und es können Drittansprüche von seiten des Ehegatten geltend gemacht werden. Soweit Ehegatten solidarisch haften - insbesondere gemäss
Art. 166 Abs. 3 ZGB
-, können sie auf Begehren des Gläubigers wie irgendwelche Solidarschuldner betrieben werden.
1.2.2 Demgegenüber gehört im Güterstand der Gütergemeinschaft beiden Ehegatten ungeteiltes Gesamtgut (
Art. 222 ff. ZGB
), und jeder der Ehegatten haftet mit diesem Gesamtgut nach Massgabe der Art. 233 f. ZGB ). Die mit dem neuen Eherecht in Kraft tretenden
Art. 68a und 68b SchKG
sind Ausfluss der Haftung gegenüber Dritten der in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten. Der Zahlungsbefehl und alle übrigen Betreibungsurkunden sind auch dem andern Ehegatten zuzustellen (
Art. 68a Abs. 1 SchKG
). Jeder Ehegatte kann Rechtsvorschlag erheben, indem er Bestand oder Höhe der Forderung bestreitet oder indem er schon in diesem Stadium des Betreibungsverfahrens geltend macht, dass nicht das Gesamtgut, sondern lediglich das Eigengut und der Anteil des Schuldners am Gesamtgut haften (
Art. 68a Abs. 2 und 3 SchKG
).
Art. 68b SchKG
präzisiert die rechtlichen Möglichkeiten, die dem in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten im Widerspruchsverfahren zur Verfügung stehen.
Die Gütergemeinschaft des neuen Rechts und der damit verbundene
Art. 68a SchKG
rufen einer entsprechenden Anpassung des Betreibungsbegehrens und der Zahlungsbefehle:
1.2.2.1 Der Gläubiger, der Kenntnis davon hat, dass der Schuldner in Gütergemeinschaft lebt, muss mit dem Betreibungsbegehren verlangen, dass der Zahlungsbefehl und alle übrigen Betreibungsurkunden auch dem andern Ehegatten
BGE 113 III 49 S. 51
zugestellt werden. Das Betreibungsbegehren wird entsprechend geändert werden (unten 5.1.2; 5.1.3). Sodann ist ein neuer Zahlungsbefehl mit drei Blättern - je für den Schuldner, den Ehegatten des Schuldners und den Gläubiger - geschaffen worden (unten 5.2.3.1).
1.2.2.2 Wird bei der Einleitung der Betreibung dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass der Schuldner in Gütergemeinschaft lebt, so kann dieser verlangen, dass der Zahlungsbefehl und alle übrigen Betreibungsurkunden auch dem Ehegatten zugestellt werden. Auf dieses Recht des in Gütergemeinschaft lebenden Schuldners wird im bisherigen Zahlungsbefehl neu hingewiesen.
2 Übergangsrecht (Schlusstitel des Zivilgesetzbuches gemäss Bundesgesetz vom 5. Oktober 1984)
Besonderes Augenmerk verdienen die übergangsrechtlichen Bestimmungen des revidierten Zivilgesetzbuches.
2.1 Ist von Gesetzes wegen oder auf Anordnung des Richters Gütertrennung eingetreten oder haben die Ehegatten unter dem bisherigen Recht Gütertrennung vereinbart, so gelten für sie inskünftig die neuen Bestimmungen über die Gütertrennung (Art. 9f und 10c Schlusstitel ZGB).
2.2 Ehegatten, die unter dem ordentlichen Güterstand der Güterverbindung stehen, ohne diesen Güterstand ehevertraglich geändert zu haben, können bis spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Rechts durch Einreichung einer gemeinsamen schriftlichen Erklärung beim Güterrechtsregisteramt an ihrem Wohnsitz vereinbaren, die Güterverbindung beizubehalten (Art. 9e Abs. 1 Schlusstitel ZGB). Ebenso gilt ein von den Ehegatten nach den Bestimmungen des früheren Rechts abgeschlossener Ehevertrag weiter (Art. 10 Abs. 1 Schlusstitel ZGB). Indessen kann der Güterstand Dritten nur entgegengehalten werden, wenn sie ihn kennen oder kennen sollten (Art. 9e Abs. 2 und 10a Abs. 1 Schlusstitel ZGB).
2.2.1 Die Betreibung gegen einen verheirateten Mann bietet diesfalls keine besonderen Schwierigkeiten; der beibehaltene Güterstand hat keinen Einfluss auf die Einleitung des Betreibungsverfahrens. Ebenso verhält es sich, wenn der Gläubiger den Güterstand einer verheirateten Frau, die seine Schuldnerin ist, nicht kennt: Der Gläubiger
BGE 113 III 49 S. 52
kann davon ausgehen, dass die Schuldnerin den Vorschriften über die Errungenschaftsbeteiligung untersteht. Sie ist auf ihren eigenen Namen zu betreiben.
2.2.2 Ein besonderes Vorgehen verlangt indessen die Betreibung gegen eine verheiratete Frau, wenn dem Gläubiger bekannt ist, dass die Ehefrau die bisherige Güterverbindung beibehalten hat oder unter dem altrechtlichen Güterstand der (externen) Gütergemeinschaft lebt. Art. 68bis aSchKG ist aufgehoben; das heisst, die Betreibung für Ansprüche gegen die Ehefrau ist nicht mehr gegen den Ehemann als deren Vertreter zu richten, wenn der Gläubiger Befriedigung auch aus dem eingebrachten Gut der Ehefrau bzw. aus dem Gesamtgut verlangt.Der neue
Art. 68a SchKG
muss im Lichte des altrechtlichen Art. 68bis aSchKG ausgelegt werden, und zwar in dem Sinne, dass der Gläubiger, welcher Befriedigung auch aus dem eingebrachten Gut der Ehefrau bzw. aus dem Gesamtgut verlangt, Betreibung gegen beide Ehegatten einleiten muss. Der Betreibungsbeamte verwendet den neuen Zahlungsbefehl mit drei Blättern je für den Schuldner, den Ehegatten des Schuldners und den Gläubiger (unten 5.2.3). Der Ehemann erhält den Zahlungsbefehl und alle übrigen Betreibungsurkunden, und er kann seinerseits Rechtsvorschlag erheben (
Art. 68a Abs. 1 und 2 SchKG
). Will der Schuldner oder sein Ehegatte nur geltend machen, dass das eingebrachte Gut der Ehefrau bzw. das Gesamtgut nicht hafte, so hat er den Rechtsvorschlag in diesem Sinne zu begründen (
Art. 68a Abs. 3 SchKG
analog).
3 Änderung des Obligationenrechts
Mit dem Bundesgesetz vom 5. Oktober 1984 ist auch Art. 271a in das Obligationenrecht aufgenommen worden. Danach muss der Vermieter der Mietsache, wenn diese dem Mieter als Familienwohnung dient, die Kündigung oder andere Erklärungen, welche die Beendigung des Mietverhältnisses bezwecken, gesondert an den Mieter und dessen Ehegatten richten.
Unabhängig vom Güterstand, welchem die Ehegatten unterstehen, muss also in allen Fällen, wo der Mietzins für eine Familienwohnung betrieben wird und wo der Mieter die Betreibung mit der Androhung gemäss
Art. 265 OR
verbinden lässt (
Art. 282 SchKG
), der
BGE 113 III 49 S. 53
Zahlungsbefehl mit der Androhung der Ausweisung auch dem Ehepartner zugestellt werden. Hiefür ist das neue Formular 41c geschaffen worden mit drei Blättern je für den Schuldner, den Ehegatten des Schuldners und den Gläubiger (unten 5.2.6.1).
4 Anwendung des neuen Rechts durch die Betreibungsämter, die Aufsichtsbehörden und die Gerichte
4 Anwendung des neuen Rechts durch die Betreibungsämter, die Aufsichtsbehörden und die Gerichte
Bei der Anwendung des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 1984 werden sich zweifellos Probleme ergeben, für welche die Rechtsprechung eine Lösung finden muss. In der Praxis der Betreibungsämter werden sich insbesondere neue Fragen bezüglich der relativen Unpfändbarkeit (
Art. 93 SchKG
) stellen. Es ist den neuen
Art. 163 , 164 und 165 ZGB
betreffend den Unterhalt der Familie Rechnung zu tragen. Diesbezüglich werden die kantonalen Aufsichtsbehörden, welche die örtlichen Verhältnisse kennen, Weisungen erlassen müssen. Die Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz hat ihre Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums überarbeitet.
5 Betreibungsformulare
Voraussichtlich wird das Bundesgericht nach Inkrafttreten des neuen Rechts da und dort den Weg im Betreibungsverfahren weisen müssen (zum Beispiel bei der Verwertung von Miteigentum). Im Augenblick hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer indessen vorerst die Anpassung und die Neuschaffung von Betreibungsformularen veranlasst.
5.1 Form. 1: Betreibungsbegehren
5.1.1 Für den Gläubiger ist es wichtig zu wissen, ob Ehegatten nach neuem Recht in Gütergemeinschaft (
Art. 221 ff. ZGB
) leben oder - wenn sich die Betreibung gegen eine verheiratete Schuldnerin richtet - den altrechtlichen Güterstand der Gütergemeinschaft oder der Güterverbindung beibehalten haben. Im ersteren Fall sind der Zahlungsbefehl und alle übrigen Betreibungsurkunden auch dem andern Ehegatten in der vom Gesetz vorgesehenen Form zuzustellen (
Art. 68a SchKG
). In den letzteren beiden Fällen wird der Gläubiger, der Kenntnis vom
BGE 113 III 49 S. 54
altrechtlichen Güterstand hat und der Befriedigung auch aus dem eingebrachten Gut der Ehefrau bzw. aus dem Gesamtgut beansprucht, das Betreibungsamt auffordern, den Zahlungsbefehl und die übrigen Betreibungsurkunden auch der Ehefrau zuzustellen.
Ist der Schuldner Mieter einer Familienwohnung und will der Gläubiger die Betreibung mit der Androhung gemäss
Art. 265 OR
verbinden, so muss der Zahlungsbefehl mit der Androhung der Ausweisung auch dem Ehepartner zugestellt werden (
Art. 271a OR
).
5.1.2 Das Betreibungsbegehren ist daher mit einer Zeile "Ehegatte des Schuldners" ergänzt worden. Sie ist nach dem Gesagten nur auszufüllen, wenn der Gläubiger die Zustellung des Zahlungsbefehls auch an den in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten, an den Ehemann der Schuldnerin, die in altrechtlicher Gütergemeinschaft oder Güterverbindung lebt, oder an den Ehegatten des Mieters einer Familienwohnung verlangt.
5.1.3 Die Erläuterungen auf der Rückseite des Betreibungsbegehrens werden entsprechend geändert:
Ziff. 3 Ist der Schuldner verheiratet und untersteht er dem Güterstand der Gütergemeinschaft (
Art. 221 ff. ZGB
), so sind im Betreibungsbegehren auch Name, Vorname und genaue Adresse seines Ehegatten anzugeben. Alle Betreibungsurkunden werden in diesem Fall auch dem Ehegatten zugestellt, und dieser kann ebenfalls Rechtsvorschlag erheben (
Art. 68a SchKG
). Beansprucht der Gläubiger in der Betreibung gegen eine Ehefrau, welche der Güterverbindung oder der externen Gütergemeinschaft gemäss den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches in der Fassung von 1907 untersteht (Art. 9e und 10 Schlusstitel ZGB), Befriedigung nicht nur aus dem Sondergut, sondern auch aus dem eingebrachten Gut der Ehefrau bzw. aus dem Gesamtgut, so hat er im Betreibungsbegehren auf den Güterstand hinzuweisen und ausdrücklich Zustellung eines Zahlungsbefehls und der übrigen Betreibungsurkunden auch an den Ehemann (unter Angabe von Name, Vorname und genauer Adresse) zu verlangen. Dieser kann ebenfalls Rechtsvorschlag erheben.
Wenn der Gläubiger den altrechtlichen Güterstand weder kennt noch kennen sollte, genügt es, die Ehefrau allein zu betreiben (Art. 9e Abs. 2 und 10a Abs. 1 Schlusstitel ZGB). Ziff. 7
Dient die gemietete Sache dem Mieter als Familienwohnung, so ist die Androhung der Vertragsauflösung auch an den Ehegatten des Schuldners zu richten (
Art. 271a OR
). Der Gläubiger hat im
BGE 113 III 49 S. 55
Betreibungsverfahren auf diesen Umstand hinzuweisen und Name und Vorname des Ehegatten des Schuldners anzugeben.
5.2 Zahlungsbefehle
5.2.1 Es hat bisher vier Zahlungsbefehle gegeben, nämlich Form. 3b: Zahlungsbefehl für die ordentliche Betreibung auf Pfändung oder Konkurs, Form. 3f: Zahlungsbefehl für die ordentliche Betreibung auf Pfändung oder Konkurs betreffend Vorauszahlungen nach Art. 227b des Obligationenrechts, Form. 41b: Zahlungsbefehl für die Betreibung von Miet- und Pachtzins nebst Androhung der Ausweisung, Form. 46b: Zahlungsbefehl für die Wechselbetreibung. (Ferner das Form. 57 (Zahlungsbefehl für die Betreibung von Beitragsforderungen der Gemeinschaft des Stockwerkeigentümer)).
Diese Zahlungsbefehle finden weiterhin Verwendung für die Betreibung Alleinstehender sowie von Ehegatten, die im Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung oder der Gütertrennung leben.
5.2.2 Der Ehemann ist nicht mehr Vertreter der Ehefrau im Betreibungsverfahren; somit entfällt der bisher in den Zahlungsbefehlen enthaltene Hinweis hierauf. Neu ist anderseits die Anweisung an den in Gütergemeinschaft lebenden Schuldner eingefügt worden, diesen Güterstand dem Betreibungsamt mitzuteilen, damit auch dem Ehegatten ein Zahlungsbefehl zugestellt wird.
Erhält das Betreibungsamt eine solche Mitteilung, so prüft es, ob die Ehegatten tatsächlich der Gütergemeinschaft des neuen Rechts unterstehen, und stellt gegebenenfalls auch dem anderen Ehegatten einen Zahlungsbefehl mit derselben Betreibungsnummer zu. Die Kosten dieser Zustellung werden vom Gläubiger erhoben. Leistet dieser den Kostenvorschuss nicht, kann das Betreibungsamt die weiteren Betreibungshandlungen unterlassen (
Art. 68 Abs. 1 SchKG
).
Auf Verlangen des Gläubigers stellt das Betreibungsamt einen Zahlungsbefehl auch dem Ehegatten der Schuldnerin zu, welche den altrechtlichen Güterstand der Gütergemeinschaft oder der Güterverbindung beibehalten hat.
5.2.3 Form. 3b und 3c: Zahlungsbefehl für die ordentliche Betreibung auf Pfändung oder Konkurs
5.2.3.1 Wie oben (1.2.2.1) erwähnt, ist neben dem bisherigen Zahlungsbefehl mit zwei Blättern (Form. 3b) ein neuer Zahlungsbefehl mit drei Blättern (Form. 3c) geschaffen
BGE 113 III 49 S. 56
worden, der neben dem Blatt für Schuldner und Gläubiger auch ein solches für den Ehegatten des Schuldners umfasst.
5.2.3.2 Auf der Vorderseite des Form. 3b ist der folgende Satz eingefügt worden:
Lebt ein verheirateter Schuldner in Gütergemeinschaft (
Art. 221 ff. ZGB
), so hat er dies dem Betreibungsamt mitzuteilen, damit auch seinem Ehegatten ein Zahlungsbefehl und die übrigen Betreibungsurkunden zugestellt werden können. 5.2.3.3 Auf der Vorderseite des Form. 3c wird es heissen:
Besteht zwischen dem Schuldner und seinem Ehegatten Gütergemeinschaft (
Art. 221 ff. ZGB
), so kann auch der Ehegatte Rechtsvorschlag erheben. Will der Schuldner oder sein Ehegatte nicht Bestand oder Höhe der Forderung bestreiten, sondern nur geltend machen, dass nicht das Gesamtgut, sondern lediglich das Eigengut und der Anteil des Schuldners am Gesamtgut hafte, so hat er den Rechtsvorschlag in diesem Sinne zu begründen.
Steht die Schuldnerin unter Güterverbindung oder Gütergemeinschaft gemäss den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches in der Fassung von 1907 (vgl. Art. 9e und 10 / 10a Schlusstitel ZGB ), so kann der Ehemann ebenfalls Rechtsvorschlag erheben. Will die Schuldnerin oder ihr Ehemann nicht Bestand oder Höhe der Forderung bestreiten, sondern nur geltend machen, dass lediglich das Sondergut der Ehefrau hafte, so ist der Rechtsvorschlag in diesem Sinne zu begründen.
5.2.3.4 Die Rückseite des Form. 3c erhält bei den Erläuterungen eine neue Ziff. 2 (wobei die bisherige Ziff. 2 als Ziff. 3 stehenbleibt, usw.):
Steht die Schuldnerin unter Güterverbindung oder Gütergemeinschaft gemäss den Bestimmungen des Zivilgesetzbuches in der Fassung von 1907, so wird dem Ehemann nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Verlangen des Gläubigers ein Doppel des Zahlungsbefehls zugestellt. Ist diesem der Güterstand seiner Schuldnerin nicht bekannt und sollte er ihn auch nicht kennen, so kann der Güterstand ihm nicht entgegengehalten werden (Art. 9e Abs. 2 und 10a Abs. 1 Schlusstitel ZGB).
5.2.4 Form 3f und 3g: Zahlungsbefehl für die ordentliche Betreibung auf Pfändung oder Konkurs betreffend Vorauszahlungen nach Art. 227b des Obligationenrechts
Auch hier ist ein neuer Zahlungsbefehl mit drei Blättern - je für den Schuldner, den Ehegatten des Schuldners und den Gläubiger - geschaffen worden. Der Text der Form. 3f und 3g entspricht jenem der Form. 3b und 3c.
BGE 113 III 49 S. 57
5.2.5 Form. 46b und 46c: Zahlungsbefehl für die Wechselbetreibung
In gleicher Weise entsprechen die Form. 46b und 46c den Form. 3b und 3c. (Es werden, entsprechend den Form. 3b und 3c, ferner die Form. 57b und 57c geschaffen).
5.2.6 Form. 41b und 41c: Zahlungsbefehl für die Betreibung von Miet- und Pachtzins nebst Androhung der Ausweisung
5.2.6.1 Das neue Form. 41c mit drei Blättern je für den Schuldner, den Ehegatten des Schuldners und den Gläubiger dient der Betreibung des Mieters einer Familienwohnung, worauf im Kopf dieses Zahlungsbefehls hingewiesen wird. Gemäss
Art. 271a OR
muss der Vermieter die Kündigung oder andere Erklärungen, welche die Beendigung des Mietverhältnisses bezwecken, gesondert an den Mieter und an dessen Ehegatten richten (oben 3). Diese Vorschrift gilt insbesondere für den Zahlungsbefehl mit der Androhung der Ausweisung; indessen verlangt sie - im Gegensatz zu
Art. 68a SchKG
- nicht, dass auch alle übrigen Betreibungsurkunden dem Ehegatten des Mieters zuzustellen seien.
5.2.6.2 Für den alleinstehenden Mieter und für den verheirateten Mieter, der nicht wegen des Mietzinses für einen Mietgegenstand betrieben wird, der als Familienwohnung dient, ist das bisherige Form. 41b mit zwei Blättern je für den Schuldner und den Gläubiger zu verwenden.
5.3 Form. 35: Anzeige der Aufstellung des Kollokations- und Verteilungsplanes
Durch das Bundesgesetz vom 5. Oktober 1984 ist Art. 219 Abs. 4 vierte Klasse Bst. a aufgehoben worden. Dementsprechend muss der Auszug aus dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs auf der Rückseite des Form. 35 geändert werden. Das Übergangsrecht jedoch verlangt eine Fussnote, worin auf den Fortbestand des Privilegs für die Ersatzforderungen der Ehefrau für das eingebrachte und nicht mehr vorhandene Frauengut bei Konkurs und Pfändung von Vermögenswerten des Ehemannes hingewiesen wird (Art. 9c , 9e und 10 Schlusstitel ZGB).
5.4 Übrige Betreibungsformulare
5.4 Übrige Betreibungsformulare
5.4.1 Das Form. 4: Begehren um Fortsetzung der Betreibung enthält neu eine Zeile, auf welcher gegebenenfalls das
BGE 113 III 49 S. 58
Datum einzutragen ist, an welchem der Zahlungsbefehl dem Ehegatten des Schuldners zugestellt wurde.
5.4.2 Mit dem Form. 6: Pfändungsprotokoll ist neu auch anzugeben, ob Miteigentum besteht. Ferner ist anzugeben, ob es sich um eine Familienwohnung handelt.
5.4.3 Die übrigen Betreibungsurkunden, die nach Massgabe von
Art. 68a Abs. 1 SchKG
dem Ehegatten des Schuldners zugestellt werden müssen - es handelt sich insbesondere um die Pfändungsankündigung (Form. 5, 5a) und das Pfändungsprotokoll (Form. 7c, 7d, 7e) -, werden nicht neu gedruckt. Sie sind gegebenenfalls mit einem Stempel "Doppel für den Ehegatten des Schuldners" zu versehen.
Es ist zu beachten, dass dem Ehegatten des Schuldners nur eine Betreibungsurkunde zuzustellen ist, wenn er auch schon den Zahlungsbefehl empfangen hat.
BGE 113 III 49 S. 59
Texte F
La loi fédérale du 5 octobre 1984 concernant la modification du Code civil suisse (Effets généraux du mariage, régime matrimonial et successions) entre en vigueur le 1er janvier 1988.
1 Modifications du Code civil
1.1 Contrairement au droit actuel (art. 168 al. 2 CC), le mari ne représente plus la femme dans ses contestations avec des tiers relativement à ses apports. Chaque époux peut, sauf disposition légale contraire, faire tous actes juridiques avec son conjoint et avec les tiers (art. 168 CC). Cet effet général du nouveau droit prévaudra dès le 1er janvier 1988 (art. 8 Tit. fin. CC), même si les conjoints conviennent par déclaration écrite de demeurer soumis à l'ancien régime ordinaire de l'union des biens (art. 9e al. 1 Tit. fin. CC) ou s'ils ont conclu un contrat de mariage sous l'empire de l'ancien droit (art. 10 al. 1 Tit. fin. CC). Il ne saurait donc plus y avoir désormais, après l'entrée en vigueur du nouveau droit, de poursuite en raison des dettes de la femme mariée "dirigée contre le mari en sa qualité de représentant de l'épouse" (art. 68bis al. 1 aLP).
1.2 Le droit revisé des régimes matrimoniaux connaît le régime ordinaire de la participation aux acquêts (art. 196 ss. CC) ainsi que les régimes extraordinaires de la communauté de biens (art. 221 ss. CC) et de la séparation de biens (art. 247 ss. CC).
1.2.1 Dans le régime de la participation aux acquêts comme dans celui de la séparation de biens, il n'y a pas de patrimoine commun aux époux. Dans les limites de la loi,
BGE 113 III 49 S. 60
chaque époux jouit de ses acquêts et de ses biens propres (resp. de ses biens), les administre et en dispose (art. 201 al. 1, 247 CC); il répond de ses dettes sur tout son patrimoine (art. 202, 249 CC).
Chaque époux peut donc être poursuivi de manière indépendante. La participation à la saisie reste possible et il est loisible au conjoint du débiteur de faire valoir des revendications. Si des époux répondent solidairement d'une dette (notamment selon l'art. 166 al. 3 CC), ils peuvent être poursuivis, à la requête du créancier, comme tous autres débiteurs solidaires.
1.2.2 Le régime de la communauté de biens comporte en revanche un patrimoine commun aux époux (art. 222 ss. CC) et chacun d'eux répond sur ce patrimoine selon les art. 233 s. CC.
Les nouveaux art. 68a et 68b LP appliquent ces dispositions. L'art. 68a al. 1 LP impose la notification du commandement de payer et de tous les actes de poursuite non seulement au poursuivi, mais aussi à son conjoint. Chaque époux peut former opposition (art. 68a al. 2 LP), soit pour contester l'existence ou le montant de la dette, soit pour prétendre dès le début de la poursuite que seuls répondent de la dette les biens propres du débiteur et sa part aux biens communs (art. 68a al. 3 LP). L'art. 68b LP précise les moyens qui, dans la procédure de revendication, compètent aux conjoints sous un régime de communauté.
Le nouveau régime de la communauté et les dispositions de l'art. 68a LP qui en découlent imposent donc une modification des formules de la réquisition de poursuite et du commandement de payer.
1.2.2.1 Le créancier qui sait que son débiteur est soumis au régime de la communauté de biens doit requérir d'emblée la notification au conjoint du commandement de payer et des actes de poursuite. La réquisition de poursuite doit être modifiée en conséquence (cf. ch. 5.1.2 et 5.1.3 ci-dessous). En outre, nous avons établi une nouvelle formule de commandement de payer en trois exemplaires, destinés l'un au débiteur, un autre à son conjoint et le troisième au créancier (cf. ch. 5.2.3.1 ci-dessous).
1.2.2.2 Si, lors de l'introduction de la poursuite, il n'a pas été tenu compte du fait que le débiteur vit sous le régime de la communauté de biens, celui-ci peut demander que le
BGE 113 III 49 S. 61
commandement de payer et tous les autres actes de poursuite soient aussi notifiés à son conjoint. Le rappel de ce droit figurera sur la formule ordinaire du commandement de payer.
2 Droit transitoire (Titre final du Code civil selon la LF du 5 octobre 1984)
Le droit transitoire mérite une attention particulière.
2.1 Les époux qui en vertu de la loi ou d'un jugement ou par contrat de mariage étaient placés sous le régime de la séparation de biens sont désormais soumis au régime de la séparation de biens de la loi nouvelle (art. 9f et 10c Tit. fin. CC).
2.2 Les conjoints qui vivaient sous le régime légal de l'union des biens, sans l'avoir modifié par contrat de mariage, peuvent, par une déclaration écrite commune au préposé au registre des régimes matrimoniaux de leur domicile au plus tard dans l'année à compter de l'entrée en vigueur du nouveau droit, convenir de demeurer soumis à ce régime (art. 9e al. 1 Tit. fin. CC). De même, lorsque les époux avaient conclu un contrat de mariage, le régime conventionnel demeure en vigueur (art. 10 al. 1 Tit. fin. CC). Un régime de l'ancien droit n'est toutefois opposable aux tiers que s'ils en ont ou devaient en avoir connaissance (art. 9e al. 2 et 10a al. 1 Tit. fin. CC).
2.2.1 Dans ces hypothèses, la poursuite contre un homme marié ne présentera pas de difficulté; l'ancien régime n'exerce pas d'influence sur l'introduction de la poursuite. Il en va de même si le créancier ne sait pas que la débitrice mariée vit sous l'un des anciens régimes: il peut présumer qu'elle est soumise au régime de la participation aux acquêts; elle seule sera poursuivie.
2.2.2 En revanche, la poursuite de la femme mariée suit une voie particulière lorsque le créancier sait que la débitrice vit sous le régime de l'union des biens ou sous l'ancien régime (externe) de la communauté. L'art. 68bis aLP est abrogé: le mari ne représente plus son épouse si le créancier s'en prend aussi aux apports ou aux biens communs.
Il faut donc procéder selon l'art. 68a LP, interprété à la lumière de l'ancien art. 68bis. Le créancier qui entend
BGE 113 III 49 S. 62
poursuivre la femme sur tous ses biens doit requérir la poursuite contre les deux époux. Le préposé utilisera la nouvelle formule du commandement de payer en trois exemplaires, l'un pour le débiteur, un autre pour son conjoint et le troisième pour le créancier (cf. ch. 5.2.3 ci-dessous). Le mari reçoit tous les actes de poursuite et peut former opposition (art. 68a al. 1 et 2 LP). L'époux débiteur ou son conjoint motivera son opposition lorsqu'il se borne à prétendre que les apports ou les biens communs ne répondent pas de la dette (art. 68a al. 3 LP par analogie).
3 Modification du Code des obligations
3 Modification du Code des obligations
La loi fédérale du 5 octobre 1984 a introduit un art. 271a CO. Selon cette disposition, lorsque les locaux loués au preneur servent de logement à la famille, le bailleur doit signifier séparément au preneur et à son conjoint la résiliation du bail, ainsi que toutes les déclarations qui tendent à y mettre fin.
Quel que soit le régime matrimonial, si la poursuite a pour objet le loyer d'un logement de famille et que le bailleur demande que l'avis comminatoire de l'art. 265 CO soit énoncé dans le commandement de payer (art. 282 LP), celui-ci doit aussi être notifié au conjoint du débiteur. A cet effet, une nouvelle formule no 41c a été créée en trois exemplaires, un pour le débiteur, un autre pour son conjoint et le troisième pour le créancier (cf. ch. 5.2.6.1 ci-dessous).
4 Application du nouveau droit par les préposés, les autorités de surveillance et les tribunaux
4 Application du nouveau droit par les préposés, les autorités de surveillance et les tribunaux
La revision du 5 octobre 1984 provoquera sans doute des difficultés qui seront résolues par la jurisprudence. Elle exercera notamment une influence sur la saisissabilité relative (art. 93 LP). Les nouveaux
art. 163 à 165
CC sur l'entretien de la famille trouvent application. S'agissant de problèmes dont la solution dépend pour une part des circonstances locales, il appartiendra aux autorités cantonales de surveillance de donner des directives à ce sujet. Aussi bien la Conférence des préposés aux poursuites et faillites de Suisse a-t-elle revisé les recommandations qu'elle a coutume d'élaborer à l'intention de ces autorités.
BGE 113 III 49 S. 63
5 Formules de poursuite
Il se peut que le Tribunal fédéral doive intervenir pour aménager certaines procédures (p.ex. la réalisation d'une part de copropriété). Mais la Chambre des poursuites et des faillites a jugé nécessaire de créer et d'adapter dès maintenant diverses formules.
5.1 Formule no 1: réquisition de poursuite
5.1 Formule no 1: réquisition de poursuite
5.1.1 Il importe au créancier de savoir si les époux vivent sous le nouveau régime de la communauté de biens (art. 221 ss. CC) ou - lorsque la poursuite est dirigée contre une femme mariée - s'ils demeurent soumis au régime de l'union des biens ou de la communauté de l'ancien droit. Dans le premier cas, tous les actes de poursuite seront communiqués, respectivement notifiés au conjoint du débiteur dans les formes applicables à chacun de ces actes (art. 68a LP). Dans les deux derniers cas, le créancier qui connaît le maintien de l'ancien régime requerra cette communication ou notification s'il prétend que la poursuite se continue aussi sur les apports de la femme, respectivement sur les biens de la communauté.
Si le débiteur est locataire d'un logement de famille et que le créancier entende joindre à la poursuite l'avis comminatoire de l'art. 265 CO, le commandement de payer avec menace d'expulsion doit aussi être notifié à son conjoint (art. 271a CO).
5.1.2 La réquisition de poursuite est dès lors complétée par une rubrique "Conjoint du débiteur". Cette rubrique ne doit être remplie que si le créancier demande la notification du commandement de payer aussi au conjoint du débiteur sous le régime de la communauté de biens, ou au mari de la débitrice sous l'ancien régime de l'union des biens ou de la communauté, ou encore au conjoint du locataire d'un logement de famille.
5.1.3 Nous avons en outre modifié les ch. 3 et 7 des explications figurant au verso:
Ch. 3:
Si le débiteur marié est soumis au régime matrimonial de la communauté de biens (art. 221 ss. CC), il faut aussi indiquer dans la réquisition de poursuite les nom, prénom et adresse de son conjoint. Tous les actes de poursuite doivent dans ce cas être
BGE 113 III 49 S. 64
notifiés au conjoint du débiteur, qui peut aussi former opposition au commandement de payer (art. 68a LP).
Si, dans une poursuite introduite contre une femme mariée vivant sous le régime de l'union des biens ou de la communauté externe de biens selon les dispositions du code civil dans sa teneur de 1907 (art. 9e et 10 Tit. fin. CC), le créancier prétend que la poursuite se continue non seulement sur les biens réservés, mais aussi sur les apports de la femme, respectivement sur les biens de la communauté, il doit indiquer, dans la réquisition de poursuite, le régime matrimonial et exiger de manière expresse que le commandement de payer et les actes de poursuite subséquents soient aussi notifiés au mari (en indiquant ses nom, prénom et adresse). Celui-ci peut former opposition au commandement de payer.
Si le créancier ne sait ni ne doit savoir que les époux demeurent soumis à un régime matrimonial de l'ancien droit, il lui suffit de requérir la poursuite contre l'épouse (art. 9e al. 2 et 10a al. 1 Tit. fin. CC).
Ch. 7:
Lorsque les locaux loués servent de logement à la famille, la menace de résiliation doit aussi être signifiée au conjoint du débiteur (art. 271a CO). Le créancier indiquera les nom et prénom du conjoint.
5.2 Commandements de payer
5.2.1 Le commandement de payer est rédigé sur diverses formules: pour la poursuite ordinaire (3b), concernant les paiements préalables selon l'art. 227b CO (3f), pour loyers et fermages (41b) et pour effets de change (46b) [En outre: pour contributions aux charges de la propriété par étages (57)]. Ces commandements de payer continuent à être utilisés dans une poursuite contre un débiteur non marié ou marié sous le régime de la participation aux acquêts ou de la séparation de biens.
5.2.2 Le mari n'est plus le représentant de la femme dans la procédure de poursuite. Aussi bien les explications qui mentionnaient cette représentation ne sauraient-elles subsister. En lieu et place, on rappelle le droit du débiteur soumis au nouveau régime de la communauté d'en informer l'office, pour qu'il notifie le commandement de payer à son conjoint.
Au reçu d'une telle communication, l'office contrôlera que le débiteur est bien soumis au nouveau régime de la communauté de biens, puis notifiera au conjoint l'exemplaire qui lui est destiné, en donnant le numéro de la poursuite précédemment ouverte contre le débiteur
BGE 113 III 49 S. 65
seul. Cette notification se fera aux frais du créancier, dont les réquisitions ultérieures ne seront exécutées que moyennant couverture des frais et émoluments de la notification complémentaire (art. 68 al. 1 LP).
Sur requête du créancier, l'office notifiera aussi un exemplaire du commandement de payer au mari de la débitrice qui est restée soumise au régime de l'union des biens ou de la communauté de l'ancien droit.
5.2.3 Formules nos 3b et 3c: commandement de payer pour la poursuite ordinaire par voie de saisie ou de faillite
5.2.3.1 Comme cela a été mentionné plus haut (cf. ch. 1.2.2.1), il a été créé à côté du commandement de payer actuel comprenant deux feuillets (no 3b) un nouveau commandement de payer (no 3c) qui, outre l'exemplaire pour le débiteur et celui pour le créancier, en comprend un troisième pour le conjoint du débiteur.
5.2.3.2 Le troisième alinéa des explications au recto de la formule no 3b prend désormais la teneur suivante:
Si le débiteur marié est soumis au régime de la communauté de biens (art. 221 ss. CC), il doit l'indiquer à l'office des poursuites, afin que le commandement de payer et les actes de poursuite subséquents puissent aussi être notifiés à son conjoint.
5.2.3.3 Au recto de la formule no 3c, le troisième alinéa a la teneur suivante:
Si le débiteur vit sous le régime de la communauté de biens (art. 221 ss. CC), son conjoint peut aussi former opposition. Si le débiteur ou son conjoint n'entend pas contester l'existence de la dette ou son montant ni le droit du créancier d'exercer des poursuites, mais faire valoir que seuls les biens propres ou la part du débiteur aux biens communs peuvent faire l'objet de la poursuite, à l'exception des biens communs, il doit motiver son opposition en ce sens.
Si l'épouse poursuivie est soumise au régime de l'union des biens ou de la communauté de biens selon le Code civil dans sa teneur de 1907 (cf. art. 9e et 10/10a Tit. fin. CC), son mari peut aussi former opposition. Si la débitrice ou son mari n'entend pas contester l'existence de la dette ou son montant, mais faire valoir que seuls les biens réservés de la femme font l'objet de la poursuite, l'opposition doit être motivée en ce sens.
5.2.3.4 Au verso de la page, les explications sont modifiées, dans la formule no 3c, par l'adjonction d'un nouveau chiffre 2 (les suivants étant décalés d'un rang):
Si l'épouse poursuivie est soumise au régime de l'union des biens ou de la communauté de biens selon les dispositions du Code civil
BGE 113 III 49 S. 66
dans sa teneur de 1907, un double du commandement de payer n'est pas notifié d'office au mari, mais seulement à la requête du créancier. Si le créancier ne connaît pas ni ne doit connaître le régime matrimonial de l'ancien droit auquel la débitrice est soumise, ce régime ne peut pas lui être opposé (art. 9e al. 2 et 10a al. 1 Tit. fin. CC).
5.2.4 Formules nos 3f et 3g: commandement de payer pour la poursuite ordinaire par voie de saisie ou de faillite concernant les paiements préalables selon l'art. 227b CO
Un nouveau commandement de payer a aussi été créé pour cette poursuite. Il comprend trois feuillets - un pour le débiteur, un autre pour le créancier, un troisième pour le conjoint du débiteur. Le texte des formules nos 3f et 3g correspond à celui des formules nos 3b et 3c.
5.2.5 Formules nos 46b et 46c: commandement de payer dans la poursuite pour effets de change
Les formules nos 46b et 46c correspondent aux formules nos 3b et 3c (Les textes des nouvelles formules nos 57b et 57c seront alignés sur ceux des formules nos 3b et 3c).
5.2.6 Formules nos 41b et 41c: poursuite pour loyers et fermages; commandement de payer avec menace d'expulsion
5.2.6.1 La nouvelle formule no 41c, qui comprend trois feuillets - un pour le débiteur, un autre pour le créancier et un troisième pour le conjoint du débiteur - est utilisée dans la poursuite dirigée contre le locataire d'un logement de famille que mentionne désormais l'en-tête du commandement de payer. Selon l'art. 271a CO, le bailleur doit signifier séparément au preneur et à son conjoint la résiliation du bail, ainsi que toutes déclarations qui tendent à y mettre fin (cf. ch. 3 ci-dessus). Cette prescription vaut notamment pour le commandement de payer avec menace d'expulsion; elle n'exige cependant pas - contrairement à l'art. 68a LP - que tous les autres actes de poursuite soient aussi notifiés au conjoint du preneur.
5.2.6.2 Si le locataire n'est pas marié ou si l'objet de la poursuite n'est pas un logement de famille, il faut utiliser la formule actuelle no 41b en deux exemplaires, l'un pour le débiteur et l'autre pour le créancier.
5.3 Formule no 35: avis de dépôt de l'état de collocation et de distribution
5.3 Formule no 35: avis de dépôt de l'état de collocation et de distribution
L'ancien art. 219 al. 4, 4e classe, lettre a LP a été abrogé par la loi du 5 octobre 1984. L'extrait de la loi sur la
BGE 113 III 49 S. 67
poursuite pour dettes et la faillite doit donc être mis à jour au verso de la formule no 35. L'abrogation appelle une note explicative en raison du droit transitoire, à savoir le maintien du privilège de l'ancien droit pour la créance de la femme du chef de ses apports non représentés dans l'exécution forcée contre le mari (art. 9c, 9e et 10 Tit. fin. CC).
5.4 Autres formules de poursuite
5.4 Autres formules de poursuite
5.4.1 La formule no 4: réquisition de continuer la poursuite comporte une nouvelle rubrique destinée à l'indication de la date à laquelle le commandement de payer a éventuellement été notifié au conjoint du débiteur.
5.4.2 Dans la formule no 6: procès-verbal de l'office pour les opérations relatives à la saisie, il faut désormais indiquer, le cas échéant, qu'il existe un droit de copropriété, ou encore que des locaux loués servent de logement à la famille du débiteur.
5.4.3 Les autres actes de poursuite qui doivent, selon l'art. 68a al. 1 LP, être notifiés au conjoint du débiteur - il s'agit notamment de l'avis de saisie (formules nos 5, 5a) et du procès-verbal de saisie (formules nos 7c, 7d, 7e) - ne font pas l'objet d'une réimpression. On y ajoutera, lorsque c'est nécessaire, la mention "Double pour le conjoint du débiteur" au moyen d'un tampon.
Il faut observer qu'un acte de poursuite ne sera communiqué au conjoint du débiteur que si le commandement de payer lui a déjà été notifié.
BGE 113 III 49 S. 68
Testo I
La legge federale del 5 ottobre 1984 che modifica il Codice civile svizzero (Effetti del matrimonio in generale, regime dei beni fra coniugi e diritto successorio) entra in vigore il 1o gennaio 1988.
1 Modificazioni del Codice civile
1.1 Il nuovo diritto non prevede più la rappresentanza del marito nelle controversie con terzi relative ai beni apportati dalla moglie (art. 168 cpv. 2 vCC). Anzi, salvo diverso disposto della legge, ciascun coniuge potrà liberamente concludere negozi giuridici con l'altro o con terzi (art. 168 CC). Questo effetto del matrimonio in generale si applica dal 1o gennaio 1988 (art. 8 tit. fin. CC) anche se i coniugi dichiarano congiuntamente e per scritto di mantenere il regime dell'unione dei beni (art. 9e cpv. 1 tit. fin. CC) oppure soggiacciono a una convenzione matrimoniale conforme alle norme del vecchio diritto (art. 10 cpv. 1 tit. fin. CC). Dal 1o gennaio 1988 non vi saranno più, quindi, esecuzioni contro la moglie dirette al marito come suo rappresentante legale (v. art. 68bis cpv. 1 vLEF).
1.2 Il regime dei beni ordinario è, nel nuovo diritto, quello della partecipazione agli acquisti (art. 196 segg. CC), cui si affiancano i regimi straordinari della comunione dei beni (art. 221 segg. CC) e della separazione dei beni (art. 247 segg.).
1.2.1 Nei regimi della partecipazione agli acquisti e della separazione dei beni non esiste un patrimonio comune. Ogni coniuge amministra i propri averi, ne gode e ne dispone nei limiti della legge (art. 201 cpv. 1 e 247 CC);
BGE 113 III 49 S. 69
inoltre risponde dei propri debiti con tutta la sua sostanza (
art. 202 e 249
CC).
Ne deriva che ciascun coniuge può essere escusso indipendentemente dall'altro. A quest'ultimo rimane sia la possibilità della partecipazione privilegiata sia la facoltà di rivendicare i propri diritti. Nella misura in cui rispondono solidalmente di un debito (in particolare giusta l'art. 166 cpv. 3 CC), i coniugi sono escussi - su richiesta del creditore - come debitori solidali qualsiasi.
1.2.2 Il regime della comunione dei beni implica per contro un patrimonio comune che appartiene indiviso a entrambi i coniugi (art. 222 segg. CC) e che risponde per i debiti dei medesimi secondo gli
art. 233 e 234
CC.
Gli
art. 68a e 68
b LEF, introdotti con il nuovo diritto matrimoniale, riguardano la responsabilità verso terzi dei coniugi che vivono nel regime della comunione dei beni. Il precetto esecutivo e tutti gli altri atti di esecuzione devono essere notificati anche al coniuge del debitore (art. 68a cpv. 1 LEF). Ciascun coniuge può sollevare opposizione, tanto per contestare l'esistenza e l'ammontare della pretesa quanto per far valere già in questo stadio della procedura che il debito non grava i beni comuni, bensì solo i beni propri dell'escusso e la sua quota di beni comuni. L'art. 68b LEF precisa i mezzi di rivendicazione che competono al coniuge del debitore.
Il regime della comunione dei beni secondo il nuovo diritto e l'art. 68a LEF hanno imposto di modificare il modulo relativo alla domanda di esecuzione e al precetto esecutivo.
1.2.2.1 Ove sappia che il debitore vive nel regime della comunione dei beni, il creditore deve chiedere con la domanda di esecuzione che il precetto e tutti gli altri atti esecutivi siano notificati anche al coniuge del debitore. Il modulo relativo alla domanda di esecuzione è stato aggiornato di conseguenza (infra, cifre 5.1.2 e 5.1.3). Si è creato inoltre un nuovo precetto esecutivo in tre esemplari, dei quali uno per il debitore, uno per il coniuge del debitore e uno per il creditore (infra, cifra 5.2.3.1).
1.2.2.2 Nel caso in cui il creditore proceda individualmente contro un debitore che vive nel regime della comunione dei beni, quest'ultimo può chiedere che il precetto e tutti gli altri atti esecutivi siano notificati anche al suo
BGE 113 III 49 S. 70
coniuge. Tale facoltà è menzionata ora nel modulo del precetto ordinario.
2 Diritto transitorio (titolo finale del Codice civile secondo la legge federale del 5 ottobre 1984)
2 Diritto transitorio (titolo finale del Codice civile secondo la legge federale del 5 ottobre 1984)
Le disposizioni transitorie del nuovo diritto meritano un esame particolare.
2.1 I coniugi che vivevano nel regime convenzionale o giudiziale della separazione dei beni sotto la vecchia legge sottostanno alle nuove norme sulla separazione dei beni (
art. 9f e 10
c tit. fin. CC).
2.2 I coniugi che vivevano nel regime dell'unione dei beni senza avervi apportato modifiche convenzionali possono, entro il 31 dicembre 1988, dichiarare per scritto e congiuntamente all'Ufficio del registro dei beni matrimoniali del loro domicilio di voler mantenere questo regime (art. 9e cpv. 1 tit. fin. CC). Le convenzioni matrimoniali conformi al vecchio diritto rimangono a loro volta in vigore (art. 10 cpv. 1 tit. fin. CC). Tali regimi però sono opponibili soltanto ai terzi che ne abbiano o che ne dovevano avere conoscenza (art. 9e cpv. 2 e 10a cpv. 1 tit. fin. CC).
2.2.1 Nei casi predetti l'esecuzione contro un uomo sposato non incontra difficoltà poiché il vecchio regime dei beni non esplica conseguenze sull'introduzione della procedura esecutiva. Ciò vale anche nel caso in cui il creditore non sa che la debitrice sposata sia soggetta a un vecchio regime e può presumere ch'essa viva nella partecipazione agli acquisti: egli procede difatti contro la debitrice individualmente.
2.2.2 L'esecuzione contro una donna sposata implica invece un procedimento particolare ove il creditore sappia ch'essa vive nel regime dell'unione dei beni o della vecchia comunione (esterna) dei beni. L'art. 68bis vLEF, abrogato, non trova ulteriore applicazione perché il marito non è più il rappresentante legale della moglie nell'esecuzione sugli apporti di questa o - nella comunione dei beni - sulla sostanza comune.
Si deve ricorrere così all'art. 68a LEF interpretandolo alla luce dell'art. 68bis vLEF. Il creditore che intende procedere contro la donna sposata e chiede di essere
BGE 113 III 49 S. 71
soddisfatto non solo sui beni riservati della medesima, ma anche sui beni da essa apportati o - in caso di comunione - sulla sostanza comune, deve escutere entrambi i coniugi. L'Ufficio si servirà del nuovo precetto in tre esemplari, di cui uno per il debitore, uno per il coniuge del debitore e uno per il creditore (infra, cifra 5.2.3). Il marito riceverà il precetto con tutti gli atti esecutivi e potrà a sua volta fare opposizione (cfr. art. 68a cpv. 1 e 2 LEF). Se l'escusso o il suo coniuge intende eccepire soltanto che il debito grava esclusivamente i beni riservati della moglie, l'opposizione dev'essere motivata in tal senso (art. 68a cpv. 3 LEF per analogia).
3 Modifica del Codice delle obbligazioni
3 Modifica del Codice delle obbligazioni
La legge federale del 5 ottobre 1984 ha introdotto un nuovo art. 271a CO. Esso stabilisce che se l'ente locato è adibito ad abitazione familiare, il locatore deve notificare la disdetta, o altre dichiarazioni intese a por fine al rapporto di locazione, separatamente al conduttore e al suo coniuge.
Ne segue che, ove la procedura esecutiva riguardi le pigioni scadute di un'abitazione familiare e il creditore intenda far figurare nel precetto esecutivo la comminatoria dell'art. 265 CO (art. 282 LEF), il precetto con la comminatoria di sfratto dev'essere sempre notificato anche al coniuge del debitore, e ciò senza riguardo al regime dei beni cui gli sposi soggiacciono. A questo scopo si è creato il nuovo modulo 41c in tre esemplari, uno per il debitore, l'altro per il coniuge del debitore e l'ultimo per il creditore (infra, cifra 5.2.6.1).
4 Applicazione del nuovo diritto da parte degli Uffici di esecuzione, delle Autorità di vigilanza e dei giudici
4 Applicazione del nuovo diritto da parte degli Uffici di esecuzione, delle Autorità di vigilanza e dei giudici
L'attuazione della legge federale del 5 ottobre 1984 comporterà indubbiamente problemi che dovranno essere risolti dalla giurisprudenza.
Nella prassi gli Uffici di esecuzione si porranno quesiti in merito soprattutto all'impignorabilità relativa (art. 93 LEF). Bisognerà tener conto dei nuovi
art. 163, 164 e 165
CC sul mantenimento della famiglia. Spetterà alle Autorità cantonali di vigilanza, che conoscono le
BGE 113 III 49 S. 72
circostanze locali, emanare direttive in proposito. La Conferenza degli ufficiali di esecuzione e fallimento ha già rivisto le indicazioni che elabora regolarmente sul calcolo del minimo vitale.
5 Moduli esecutivi
È possibile che il Tribunale federale abbia a intervenire prima o poi per disciplinare determinati procedimenti (ad esempio la realizzazione di una quota di comproprietà). Per adesso la Camera delle esecuzioni e dei fallimenti ha ritenuto di procedere con effetto immediato alla modifica e alla creazione di vari moduli.
5.1 Mod. 1: domanda di esecuzione
5.1.1 Nell'esecuzione contro un debitore sposato è importante sapere se questi soggiaccia al regime della comunione dei beni secondo il nuovo diritto o se, trattandosi di una donna, essa continui a vivere nell'unione dei beni o nella vecchia comunione dei beni. Nel primo caso il precetto e tutti gli atti esecutivi susseguenti devono essere comunicati con le formalità di rito anche al coniuge (art. 68a LEF). Negli altri due casi il creditore deve chiedere la comunicazione al coniuge ove conosca l'esistenza del vecchio regime e si riproponga di far realizzare, oltre ai beni riservati della moglie, gli apporti della stessa, rispettivamente la sostanza comune.
Se l'esecuzione diretta contro un debitore sposato riguarda i canoni locativi di un'abitazione familiare e il creditore intende minacciare in pari tempo lo scioglimento contrattuale giusta l'art. 265 CO, il precetto esecutivo con comminatoria di sfratto dev'essere notificato anche al coniuge del debitore (art. 271a CO).
5.1.2 Il modulo relativo alla domanda di esecuzione prevede, per tener calcolo delle esigenze descritte, una nuova rubrica "coniuge del debitore". Questa dev'essere compilata, come detto, solo ove il creditore desideri far notificare il precetto esecutivo anche al coniuge del debitore che vive nel regime della comunione dei beni, al marito della debitrice che vive nell'unione dei beni o nella vecchia comunione dei beni, oppure al coniuge del conduttore di un'abitazione familiare.
5.1.3 Le spiegazioni a tergo del modulo sono modificate e completate nel modo seguente:
BGE 113 III 49 S. 73
Numero 3
Ove il debitore sposato sia soggetto al regime della comunione dei beni (art. 221 segg. CC) occorre indicare nella domanda di esecuzione il nome, il cognome e l'indirizzo esatto del coniuge. In tal caso tutti gli atti esecutivi devono essere notificati anche al coniuge del debitore, che potrà fare opposizione (art. 68a LEF).
Qualora in un'esecuzione promossa contro una donna sposata che vive nel regime dell'unione dei beni o della comunione (esterna) dei beni secondo le norme del Codice civile del 1907 (
art. 9e e 10
tit. fin. CC) il creditore chieda di essere soddisfatto non solo sui beni riservati della moglie ma anche sugli apporti di quest'ultima, rispettivamente sulla sostanza comune, deve indicare nella domanda di esecuzione il regime dei beni tra i coniugi ed esigere in maniera esplicita che il precetto esecutivo con tutti gli altri atti di esecuzione sia notificato pure al marito (precisandone il nome, il cognome e l'indirizzo esatto), il quale potrà fare opposizione.
Nel caso in cui il creditore non sappia né possa sapere che i coniugi vivono in un regime dei beni conforme al vecchio diritto, è sufficiente ch'egli diriga l'esecuzione contro la moglie (art. 9e cpv. 2 e 10a cpv. 1 tit. fin. CC).
Numero 7
Se l'ente locato serve come abitazione familiare la comminatoria di rescissione contrattuale va notificata anche al coniuge del debitore (art. 271a CO). Il creditore è tenuto a indicare nome e cognome del coniuge.
5.2 Precetto esecutivo
5.2.1 Finora erano a disposizione quattro tipi di moduli per il precetto esecutivo: i numeri 3 e 3b (precetto esecutivo per le esecuzioni ordinarie in via di pignoramento o di fallimento), il numero 3d (precetto esecutivo per le esecuzioni ordinarie in via di pignoramento o di fallimento relative al pagamento di rate anticipate secondo l'art. 227b CO), i numeri 41 e 41b (esecuzione per pigioni e affitti, precetto esecutivo con comminatoria di sfratto) e il numero 46 (precetto esecutivo per esecuzione cambiaria) [Oltre al numero 57 (precetto esecutivo per contributi agli oneri comuni della proprietà per piani].
Questi moduli - salvo i numeri 3, 3d (che diventa 3f) e 41 - continueranno a essere usati per le esecuzioni contro debitori soli o debitori sposati che vivono nel regime della partecipazione agli acquisti o della separazione dei beni.
BGE 113 III 49 S. 74
5.2.2 Il marito non è più il rappresentante legale della moglie nella procedura esecutiva, sicché il richiamo all'art. 168 cpv. 2 vCC nelle spiegazioni dei moduli cade. Nuovo è, di converso, l'avvertimento al debitore che vive nella comunione dei beni perché renda nota l'esistenza di tale regime all'Ufficio di esecuzione, in modo che anche il suo coniuge riceva una copia del precetto esecutivo.
L'Ufficio cui perviene una comunicazione del genere deve verificare se il debitore soggiaccia realmente alla comunione dei beni secondo il nuovo diritto; in caso affermativo notificherà al coniuge del debitore un precetto esecutivo con lo stesso numero di esecuzione. Le spese di questa notifica saranno riscosse dal creditore; ove egli non dovesse fornire il necessario anticipo, l'Ufficio potrà sospendere i successivi atti di esecuzione (art. 68 cpv. 1 LEF).
Su richiesta del creditore l'Ufficio notifica una copia del precetto esecutivo anche al marito della debitrice che continua a vivere nel regime dell'unione dei beni o della vecchia comunione dei beni.
5.2.3 Mod. 3b e 3c: precetto esecutivo per le esecuzioni ordinarie in via di pignoramento o di fallimento
5.2.3.1 Come si è già accennato (cifra 1.2.2.1), accanto al precetto esecutivo in due esemplari (mod. 3b) esiste ora un precetto in tre esemplari (mod. 3c) che comprende, oltre al foglio per il debitore e il creditore, un foglio per il coniuge del debitore.
5.2.3.2 Sul recto del mod. 3b figura la precisazione in appresso:
Il debitore sposato che vive nel regime della comunione dei beni (art. 221 segg. CC) deve indicare tale circostanza all'Ufficio, di modo che il precetto esecutivo e gli atti di esecuzione successivi possano essere notificati al suo coniuge (art. 68a LEF).
5.2.3.3 Il recto del mod. 3c è modificato come segue:
Se il debitore vive nel regime della comunione dei beni (art. 221 segg. CC) anche il suo coniuge può fare opposizione. Ove il debitore o il suo coniuge non intenda contestare l'esistenza o l'ammontare del debito, ma voglia far valere solo che il debito grava i beni propri dell'escusso o la sua quota di beni comuni a esclusione dei beni comuni nel loro intero, deve motivare l'opposizione in tal senso.
Qualora l'esecuzione sia diretta contro la moglie ed essa viva nel regime dell'unione dei beni o della comunione dei beni secondo le norme del Codice civile del 1907 (cfr.
art. 9e, 10 e 10
a tit. fin. CC)
BGE 113 III 49 S. 75
, il marito può a sua volta fare opposizione. Nel caso in cui la debitrice o suo marito non intenda contestare l'esistenza o l'ammontare del debito, ma voglia far valere soltanto che i beni riservati della moglie rispondono a titolo esclusivo, occorre motivare l'opposizione in tal senso.
5.2.3.4 Sul verso del mod. 3c è aggiunta una nuova spiegazione n. 2 (la precedente spiegazione n. 2 diventa n. 3 e così via):
Nel caso in cui l'esecuzione sia diretta contro la moglie ed essa viva nel regime dell'unione dei beni o della comunione dei beni secondo le norme del Codice civile del 1907, il marito non riceve un doppio del precetto esecutivo d'ufficio, ma solo su richiesta del creditore. Se il creditore non è né può essere a conoscenza del regime dei beni conforme al vecchio diritto cui soggiace la creditrice, tale regime non può essergli opposto (art. 9e cpv. 2 e 10a cpv. 1 tit. fin. CC).
5.2.4 Mod. 3f e 3g: precetto esecutivo per le esecuzioni ordinarie in via di pignoramento o di fallimento relative al pagamento di rate anticipate secondo l'art. 227b CO
Anche qui si è creato un nuovo modulo in tre esemplari (numero 3g), di cui uno per il debitore, l'altro per il coniuge del debitore e l'ultimo per il creditore. Il testo dei moduli 3f (che sostituisce il modulo 3d) e 3g corrisponde a quello dei moduli 3b e 3c.
5.2.5 Mod. 46b e 46c: precetto esecutivo per esecuzioni cambiarie
I nuovi moduli 46b e 46c collimano con i moduli 3b e 3c (In conformità ai moduli 3b e 3c saranno elaborati anche i nuovi moduli 57b et 57c).
5.2.6 Mod. 41b e 41c: precetto esecutivo per pigioni e affitti con comminatoria di sfratto
5.2.6.1 Il nuovo modulo 41c in tre esemplari (uno destinato al debitore, uno al coniuge del debitore e uno al creditore) serve per escutere il conduttore di un'abitazione familiare, alla quale si fa riferimento nella testata del formulario. In virtù dell'art. 271a CO il locatore deve notificare la disdetta, o altre dichiarazioni intese a por fine al rapporto di locazione, al conduttore e al suo coniuge (supra, cifra 3). Ciò vale segnatamente per il precetto esecutivo con comminatoria di sfratto; la norma non prescrive invece che il coniuge del debitore debba ricevere anche tutti gli altri atti esecutivi.
5.2.6.2 Nei riguardi del conduttore solo o del conduttore sposato che non è escusso per il canone locativo di un'abitazione
BGE 113 III 49 S. 76
familiare si continuerà a usare il modulo 41b in due esemplari (uno per il debitore e uno per il creditore).
5.3 Mod. 35: avviso circa il deposito della graduatoria e dello stato di riparto
5.3 Mod. 35: avviso circa il deposito della graduatoria e dello stato di riparto
La legge federale del 5 ottobre 1984 ha soppresso l'art. 219 cpv. 4, quarta classe, lett. a. È stato modificato di conseguenza l'estratto della legge federale sulla esecuzione e sul fallimento che figura sul retro del modulo 35. Il diritto transitorio impone nondimeno l'aggiunta di una nota che richiami la sussistenza del privilegio relativo ai crediti della moglie per la parte mancante dei suoi apporti in caso di fallimento del marito o di pignoramento dei beni del medesimo (
art. 9c, 9e e 10
tit. fin. CC).
5.4 Altri moduli esecutivi
5.4.1 Il modulo 4 (domanda di proseguire l'esecuzione) contempla una nuova rubrica in cui precisare - dandosi il caso - quando il precetto esecutivo è stato notificato al coniuge del debitore.
5.4.2 Nel modulo 6 (verbale interno di pignoramento) l'Ufficio deve indicare altresì se è rivendicato un diritto di comproprietà e se l'ente pignorato è un'abitazione familiare.
5.4.3 I rimanenti atti esecutivi che secondo l'art. 68a LEF devono essere comunicati anche al coniuge del debitore - in specie l'avviso di pignoramento (mod. 5) e il verbale di pignoramento (mod. 7c, 7d, 7e) - non sono ristampati. Ove occorra l'Ufficio vi apporrà la dicitura "Doppio per il coniuge del debitore".
Si badi infine a non trasmettere atti di esecuzione al coniuge del debitore se non è avvenuta la duplice notifica del precetto esecutivo. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6659eeb5-611d-4d70-a367-d36ac094a841 | Urteilskopf
135 III 112
16. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.C. und B.C. gegen D., E. und F. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_399/2008 vom 12. November 2008 | Regeste
Art. 260 und 271 OR
; Kündigung im Hinblick auf Umbau- bzw. Renovationsarbeiten.
Art. 260 OR
regelt nur die Durchführung von bestimmten Arbeiten während eines bestehenden Mietverhältnisses, nicht jedoch die Frage der Zulässigkeit einer Kündigung im Hinblick auf bevorstehende Umbau- bzw. Renovationsarbeiten (E. 3.3).
Bei umfassenden Sanierungsarbeiten, die eine Weiterbenutzung des Mietobjekts erheblich einschränken, ist der Vermieter, der die geplanten Arbeiten nach bautechnischen und -ökonomischen Kriterien durchzuführen beabsichtigt, auf eine Kündigung zwecks vorgängiger Räumung des Mietobjekts angewiesen, weshalb ihm ein Verstoss gegen Treu und Glauben (
Art. 271 Abs. 1 OR
) nicht vorgeworfen werden kann (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 113
BGE 135 III 112 S. 113
A.
A.C. und B.C. (Beschwerdeführer) sind seit 1. April 1996 Mieter einer 5 1/2 -Zimmerwohnung und einer Garage an der X.-Strasse 14 bzw. 19 in Y. In der Folge mieteten sie noch einen Abstellraum sowie einen Einstellplatz hinzu. Mit zwei amtlichen Formularen vom 10. Januar 2007 kündigten D., E. und F. (Beschwerdegegner) sämtliche mit den Beschwerdeführern abgeschlossene Mietverhältnisse auf den 31. August 2007 mit der Begründung "umfassende Gesamtsanierung". Im Begleitschreiben dazu wurde ausgeführt, dass angesichts der geplanten Sanierungsmassnahmen (vollständige Auswechslung der Küchen, Bäder und sämtlicher Leitungsinstallationen, Veränderung der Wohnungsgrundrisse und Erneuerung der Wand- und Bodenbeläge) ein Wohnen während der Sanierungsarbeiten im Mietobjekt absolut unzumutbar sei. Im Anschluss an die Kündigung unterbreiteten die Beschwerdegegner den Mietern eine Offerte zum Abschluss eines neuen Mietvertrags nach erfolgter Gesamtsanierung.
B.
B.a
Die Beschwerdeführer fochten die Kündigung rechtzeitig bei der Schlichtungsbehörde an. Mit Beschluss vom 27. April 2007 stellte die Schlichtungsbehörde die Gültigkeit der per 31. August 2007 ausgesprochenen Kündigung fest und wies das Erstreckungsbegehren der Beschwerdeführer ab. Diese gelangten daraufhin an das Mietgericht des Bezirkes Horgen. Mit Urteil vom 24. September 2007 stellte das Mietgericht die Gültigkeit der Kündigung per 31. August 2007 fest. Gleichzeitig erstreckte es die Mietverhältnisse einmalig um fünf Monate, d.h. bis zum 31. Januar 2008.
B.b
Die von den Beschwerdeführern gegen das Urteil des Mietgerichts des Bezirkes Horgen vom 24. September 2007 erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 23. Juli 2008 ab.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragen die Beschwerdeführer dem Bundesgericht, es sei der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23. Juli 2008 aufzuheben und es sei die am
BGE 135 III 112 S. 114
10. Januar 2007 auf den 31. August 2007 ausgesprochene Kündigung als rechtsmissbräuchlich zu erklären. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
(...)
3.3
Das Bundesgericht hat die Frage bisher nicht entschieden, ob eine Kündigung, die wegen einer bevorstehenden Renovation erfolgt, allgemein als anfechtbar (
Art. 271 Abs. 1 OR
) zu betrachten ist, wenn die Renovationsarbeiten dem Mieter zumutbar sind.
3.3.1
In der Lehre wird diese Frage unterschiedlich beurteilt. Der wohl überwiegende Teil der Lehre geht dabei vom Grundsatz aus, dass eine Kündigung im Hinblick auf die Sanierung eines Gebäudes nicht missbräuchlich ist.
So sind nach dem SVIT-Kommentar Kündigungen unter dem Gesichtspunkt von
Art. 271 Abs. 1 OR
zulässig, wenn der Vermieter ein Gebäude abbrechen, umbauen oder umfassend renovieren will. Dabei sei es in der Regel irrelevant, ob die Bauarbeiten auch bei Verbleib der Mieter im Mietobjekt möglich wären. Eine Ausnahme sei dann anzunehmen, wenn das Verbleiben des Mieters in den Mietlokalitäten während der Renovation in keiner Art und Weise eine Erschwernis für ihre Durchführung bedeutet, beispielsweise beim blossen Neuanstrich der Fassade (RAYMOND BISANG UND ANDERE, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 32 zu
Art. 271 OR
).
Auch nach Auffassung von BARBEY ist eine Kündigung im Hinblick auf Umbauten und Renovationen unabhängig davon zulässig, ob diese auch bei Verbleib des Mieters im Mietobjekt denkbar wären. Nach diesem Autor genügt es als Grund zur Kündigung, wenn der Verbleib des Mieters im Mietobjekt die Bauausführung auch bloss geringfügig stört (RICHARD BARBEY, Commentaire du droit du bail, Protection contre les congés concernant les baux d'habitation et de locaux commerciaux, 1991, N. 216 zu
Art. 271-271a OR
; ähnlich CHRISTIAN CALAMO, Die missbräuchliche Kündigung der Miete von Wohnräumen, 1993, S. 283 f.).
BGE 135 III 112 S. 115
FUTTERLIEB vertritt die Auffassung, dass eine Kündigung, die zur Realisierung einer umfassenden Überholung angezeigt wird, allein im Lichte der
Art. 271 und 271a OR
auf Anfechtbarkeit zu prüfen sei. Steht das Interesse des Vermieters an einer zügigen und kostengünstigen Durchführung der Arbeiten nicht in einem krassen Missverhältnis zum Interesse des Mieters an einer Fortsetzung des Mietverhältnisses, so sei die Kündigung legitim und damit nicht anfechtbar. Missbräuchlich könnten nach dieser Lehrmeinung nur Kündigungen sein, die im Hinblick auf Renovationsarbeiten erklärt würden, bei denen die Arbeitsabläufe durch das Verbleiben des Mieters und seiner Einrichtung nicht oder nur am Rande verzögert oder erschwert würden (RAOUL FUTTERLIEB, Kündigung bei umfassender Überholung, Mietrecht aktuell [MRA] 2008 S. 28 f.; vgl. auch LAURENT RIZZOLIO, Les travaux de rénovation et de modification de la chose louée entrepris par le bailleur; analyse de l'article 260 OR, 1997, S. 200).
HIGI ist der Ansicht, dass eine Kündigung zwecks Sanierung eines Hauses dann keine schonungslose Rechtsausübung darstelle, wenn die Art der Sanierung einen Gebrauch der Sache nur eingeschränkt zulässt, mit anderen Worten die Erneuerung für den Mieter objektiv nicht oder nur beschränkt zumutbar ist. Als Beispiel führt dieser Autor etwa die gleichzeitige Erneuerung aller Leitungen, des Heizsystems, der Nasszellen sowie des Treppenhauses an, während eine blosse Aussenrenovation oder Balkonanbauten nicht darunter fielen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Gestaltung des Sanierungsprogramms ausschliesslich Sache des Vermieters sei; dieser könne die Kündigung einer längerdauernden Renovationsphase mit Mietzinsreduktionen über Monate zugunsten der Mieter vorziehen, um die Arbeiten rasch und günstig zu erledigen. Eine solche Wahl könne ihm unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht vorgeworfen werden (PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1996, N. 87 zu
Art. 271 OR
).
WEBER hält zwar dafür, dass bauliche Eingriffe (wie etwa Modernisierungen mit enormen Belastungen durch Bauarbeiten, Grundrissveränderungen oder luxuriöse bauliche Massnahmen), die das Vertragsgefüge in grundsätzlicher Weise in Frage stellen, sei es durch massive Einschränkungen des Gebrauchsrechts, sei es durch aufgedrängte teure Mehrleistungen, einen gültigen Grund für eine ordentliche Kündigung bilden. Umgekehrt erachtet er jedoch eine
BGE 135 III 112 S. 116
Kündigung wegen zumutbarer Umbauarbeiten (
Art. 260 Abs. 1 OR
) als unnötig und damit nach
Art. 271 Abs. 1 OR
anfechtbar (ROGER WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2007, N. 2 zu
Art. 260 OR
).
Auch LACHAT/STOLL/BRUNNER erachten eine Kündigung als anfechtbar im Sinne von Art. 271 oder 271a OR, wenn sie allein deshalb ausgesprochen wird, weil die Vermieterschaft die Liegenschaft sanieren will.
Art. 260 OR
berücksichtige das Interesse der Vermieterschaft, indem ein Umbau unter bestimmten Voraussetzungen auch während eines Mietverhältnisses ermöglicht werde. Umgekehrt bedeute diese Regelung, dass auf eine Kündigung des Mietverhältnisses durch die Vermieterschaft verzichtet werden sollte, sofern es technisch möglich ist, dass die Mieterschaft während des Umbaus in den Mieträumlichkeiten verbleibt (LACHAT/STOLL/BRUNNER, Mietrecht für die Praxis, 6. Aufl. 2005, S. 179 Rz. 2.6; vgl. auch DAVID LACHAT, in: Commentaire romand, Code des obligations, 2003, N. 5 zu
Art. 260 OR
).
3.3.2
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien können beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben (
BGE 134 III 16
E. 3 S. 21;
BGE 132 III 707
E. 2 S. 710 f.;
BGE 131 III 33
E. 2 S. 35).
3.3.3
Der historische Wille des Gesetzgebers ergibt sich für die vorliegende Fragestellung nicht eindeutig aus den Gesetzesmaterialien. Nach der Botschaft des Bundesrats beruht
Art. 260 OR
auf der Überlegung, dass dem Vermieter, der während der Dauer des Mietverhältnisses Mängel an der Sache behebt oder Unterhaltsarbeiten ausführt, nicht verboten werden soll, auch Arbeiten vorzunehmen, die über die Mängelbehebung oder den Unterhalt hinausgehen und die zu Erneuerungen oder Änderungen der Sache führen (Botschaft
BGE 135 III 112 S. 117
vom 27. März 1985 zur Revision des Miet- und Pachtrechts, BBl 1985 I 1438 f.). Hinweise darauf, dass die Bestimmung gleichzeitig das Kündigungsrecht des Vermieters hätte einschränken sollen, lassen sich weder der Botschaft noch den parlamentarischen Beratungen entnehmen. Ein mittelbarer Bezug zur Vermieterkündigung ergibt sich immerhin insofern, als im Nationalrat darauf hingewiesen wurde, dass allzu restriktive Voraussetzungen der vorgeschlagenen Gesetzesbestimmung letztlich wiederum dazu führen würden, dass - wie unter Geltung des alten Rechts - der Vermieter das Mietverhältnis zur Durchführung von Erneuerungs- bzw. Änderungsarbeiten kündigen müsste (Votum Guinand, AB 1989 N 502).
Nach altem Recht war es dem Vermieter nicht möglich, während der Dauer eines Mietverhältnisses gegen den Willen des Mieters eine sanfte Renovation oder eine Modernisierung des Mietobjekts durchzuführen. Dies hatte zur Folge, dass der Vermieter gezwungen war, vor der Durchführung allfälliger Arbeiten alle Mietverhältnisse zu kündigen und das Mietobjekt zu räumen (SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 3 zu
Art. 260-260a OR
; DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2. Aufl. 2008, S. 290 Rz. 2.4). Diese Konsequenz wurde aus sozialpolitischer Sicht als unerwünscht angesehen (vgl. Voten Guinand, AB 1989 N 502 sowie Jeanprêtre, AB 1989 N 501).
Art. 260 OR
zielt somit zumindest mittelbar auch darauf ab, die nachteiligen Folgen der starren Regelung im alten Recht zu vermeiden (vgl. SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 3 zu
Art. 260-260a OR
).
3.3.4
Gegenstand von
Art. 260 OR
bildet ausschliesslich das Recht des Vermieters und die entsprechende Pflicht des Mieters, Änderungen bzw. Erneuerungen der Mietsache während eines Mietverhältnisses durchzuführen bzw. zu dulden (HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1994, N. 4 zu
Art. 260 OR
).
Art. 260 Abs. 1 OR
erlaubt es dem Vermieter unter bestimmten Voraussetzungen, Arbeiten am Mietobjekt gegen den Willen des Mieters vorzunehmen. Bei Ausführung der Arbeiten hat er auf die Interessen des Mieters Rücksicht zu nehmen (
Art. 260 Abs. 2 OR
).
Die Bestimmung schreibt dem Vermieter demgegenüber nicht vor, jede dem Mieter zumutbare Erneuerung bzw. Änderung am Mietobjekt auch unter Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses vorzunehmen. Zwar zielt
Art. 260 OR
mittelbar auch darauf hin, sozialpolitisch unerwünschte Kündigungen zu vermeiden. Diese waren allerdings die Folge des sehr weitgehenden Schutzes des Mieters
BGE 135 III 112 S. 118
am ungestörten Gebrauch der Mietsache unter dem alten Recht (vgl. etwa PIERRE TERCIER, Les contrats spéciaux, 3. Aufl. 2003, Rz. 1948). Insofern hat
Art. 260 OR
die Stellung des Vermieters bei Renovationen und Umbauten zu Lasten des Mieters verbessert, der ihm zumutbare Arbeiten nun nicht mehr verhindern kann. Die Bestimmung bietet dem Mieter hingegen keinen erhöhten rechtlichen Schutz gegen eine Kündigung des Vermieters, indem er diesem bei Renovations- bzw. Umbauarbeiten seine Anwesenheit unter den gleichen Voraussetzungen aufzwingen könnte (RIZZOLIO, a.a.O., S. 200). Der Umstand, dass mit dieser Regelung mittelbar auch sozialpolitisch unerwünschte Kündigungen verhindert werden sollten, lässt nicht darauf schliessen, dass jede Kündigung des Vermieters im Hinblick auf zumutbare Änderungen und Erneuerungen (
Art. 260 Abs. 1 OR
) ohne weiteres missbräuchlich und damit anfechtbar (
Art. 271 Abs. 1 OR
) wäre. Entsprechend sehen weder
Art. 260 OR
noch
Art. 271a OR
einen eigenen Missbrauchstatbestand für solche Kündigungen vor. Hätte ein derartiger Sanktionsautomatismus dem Willen des Gesetzgebers entsprochen, hätte sich eine gesetzliche Erwähnung im Hinblick auf den Fallgruppenkatalog missbräuchlicher Vermieterkündigungen nach
Art. 271a Abs. 1 OR
aufgedrängt. Auch der Wortlaut von
Art. 260 Abs. 1 OR
schliesst eine Kündigung nicht aus, sondern setzt das Fehlen einer solchen vielmehr als Tatbestandselement voraus. Die Bestimmung schützt den Mieter nicht vor einer Kündigung, sondern unter anderem vor Arbeiten am Mietobjekt nach erfolgter Kündigung, die ihm nur Unannehmlichkeiten, aber praktisch keinen Nutzen mehr bringen würden (vgl. Botschaft, a.a.O., BBl 1985 I 1439).
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass auch der Mieter das Mietverhältnis grundsätzlich ordentlich kündigen kann, falls er es vorzieht, die vorgesehenen - nach
Art. 260 Abs. 1 OR
zumutbaren - Arbeiten am Mietobjekt nicht zu erdulden, die ihm der Vermieter bei fortgesetztem Mietverhältnis von Gesetzes wegen aufzwingen könnte (HIGI, a.a.O., N. 54 zu
Art. 260 OR
; LACHAT/STOLL/BRUNNER, a.a.O., S. 182 Rz. 3.3; SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 39 zu
Art. 260-260a OR
; LACHAT, Le bail à loyer, a.a.O., S. 294; RIZZOLIO, a.a.O., S. 200).
3.3.5
Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass
Art. 260 OR
nur die Durchführung von bestimmten Arbeiten während eines bestehenden Mietverhältnisses regelt, nicht jedoch die Frage der
BGE 135 III 112 S. 119
Zulässigkeit einer Kündigung im Hinblick auf bevorstehende Umbau- bzw. Renovationsarbeiten. Ob eine solche Kündigung missbräuchlich und damit anfechtbar ist, beantwortet sich allein nach der Generalklausel von
Art. 271 Abs. 1 OR
.
Nicht zu entscheiden ist damit die Frage, ob die zur Debatte stehenden Arbeiten den Mietern gemäss
Art. 260 Abs. 1 OR
zumutbar wären bzw. ob diese Bestimmung eine freiwillige Inkaufnahme von objektiv unzumutbaren Bauarbeiten durch den Mieter überhaupt zulassen würde (zu dieser Streitfrage etwa LACHAT, Le bail à loyer, a.a.O., S. 298 Rz. 6.1, der von einer absolut zwingenden Norm ausgeht; SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 6 zu
Art. 260-260a OR
, der die Norm als relativ zwingend qualifiziert).
4.
4.1
Bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen ist die Kündigung anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst (
Art. 271 Abs. 1 OR
).
Allgemein gilt eine Kündigung als treuwidrig, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse ausgesprochen wird (Urteile 4C.61/2005 vom 27. Mai 2005 E. 4.1, in: SJ 2006 I S. 35; 4C.267/2002 vom 18. November 2002 E. 2.2, in: SJ 2003 I S. 263; vgl. auch
BGE 120 II 105
E. 3a S. 108). Eine Kündigung verstösst namentlich gegen Treu und Glauben, wenn die angegebene Begründung offensichtlich bloss vorgeschoben ist (Urteil 4C.116/2005 vom 20. Juni 2005 E. 2, in: SJ 2005 I S. 586).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts obliegt es dem Empfänger der Kündigung zu beweisen, dass diese aus einem verpönten oder ohne schützenswerten Grund erfolgte. Der Kündigende hat jedoch redlich zur Wahrheitsfindung beizutragen; er hat die Kündigung zu begründen und im Bestreitungsfall alle für die Beurteilung des Kündigungsgrunds notwendigen Unterlagen vorzulegen (
BGE 120 II 105
E. 3c S. 111; Urteil 4C.61/2005 vom 27. Mai 2008 E. 4.3.1, in: SJ 2006 I S. 36).
4.2
Nach der verbindlichen Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz (
Art. 105 Abs. 1 BGG
) ist im zu beurteilenden Fall unbestrittenermassen eine umfassende Sanierung der Liegenschaft geplant. Die Beschwerdegegner haben die mit den Beschwerdeführern abgeschlossenen Mietverhältnisse mit dieser Begründung gekündigt. Zu den geplanten Sanierungsmassnahmen gehören eine vollständige Auswechslung der Küchen, Bäder und sämtlicher
BGE 135 III 112 S. 120
Leitungsinstallationen, Veränderung der Wohnungsgrundrisse und Erneuerung der Wand- und Bodenbeläge.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Vermieter objektiv der Grund für eine Kündigung fehlt, wenn sich der Mieter bei einer umfassenden Sanierung bereit erklärt, die Unannehmlichkeiten der Bauarbeiten in Kauf zu nehmen und im Mietobjekt zu verbleiben. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, ist der Entscheid über die Art und den Umfang der Sanierung grundsätzlich ausschliesslich Sache des Vermieters. Er kann ein legitimes Interesse daran haben, die Mietverhältnisse aufzulösen, um die Arbeiten rasch und günstig zu erledigen, anstatt eine längerdauernde Renovationsphase mit Mietzinsreduktionen zugunsten der Mieter in Kauf zu nehmen. Unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ist ihm ein solches Vorgehen nicht vorzuwerfen (HIGI, a.a.O., N. 87 zu
Art. 271 OR
unter Hinweis auf
BGE 120 II 105
ff.).
Umfassende Sanierungsarbeiten, in deren Rahmen nicht nur Küchen und Bäder, sondern sämtliche Leitungsinstallationen ausgewechselt, Wand- und Bodenbeläge erneuert sowie Wohnungsgrundrisse verändert werden, führen erfahrungsgemäss zu Immissionen und Störungen, die eine Weiterbenutzung erheblich einschränken. Selbst wenn solche weitreichenden Eingriffe unter Weiterbenutzung des Mietobjekts denkbar sein sollten, so wäre dies regelmässig mit beträchtlichen bautechnischen und organisatorischen Erschwerungen verbunden und würde zu einer Verzögerung der Bauarbeiten führen. Der Vermieter, der die Arbeiten nach bautechnischen und -ökonomischen Kriterien durchzuführen beabsichtigt, ist diesfalls auf eine Kündigung zwecks vorgängiger Räumung des Mietobjekts angewiesen, weshalb ihm ein Verstoss gegen Treu und Glauben (
Art. 271 Abs. 1 OR
) nicht vorgeworfen werden kann.
Ohne schützenswerten Grund wäre eine Kündigung des Vermieters im Hinblick auf Modernisierungsarbeiten demgegenüber dann, wenn deren Durchführung durch das Verbleiben des Mieters im Mietobjekt nicht oder nur unerheblich erschwert oder verzögert würde, wie dies etwa beim Streichen von Wänden, blossen Aussenrenovationen oder Balkonanbauten der Fall sein dürfte.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer ist der Vorinstanz demnach keine Bundesrechtsverletzung vorzuwerfen, wenn sie in der Kündigung der Mietverhältnisse im Hinblick auf die
BGE 135 III 112 S. 121
vorgesehene umfassende Renovation der Liegenschaft keinen Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (
Art. 271 Abs. 1 OR
) erblickte. | null | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
665c43ac-4369-4c56-a6bc-19f892c1c7d3 | Urteilskopf
115 II 415
74. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1989 i.S. H. und T. T. gegen Versicherungskasse zu Gunsten ehemaliger Arbeitnehmer der X. AG (Berufung) | Regeste
Fusion von Stiftungen durch Absorption.
1. Obgleich das Gesetz dies nicht ausdrücklich vorsieht, ist eine Fusion von Stiftungen dadurch möglich, dass eine Stiftung eine andere absorbiert (E. 2).
2. Die Fusion von Stiftungen kann nur durch behördlichen Akt erfolgen. Ist dafür die Aufsichtsbehörde (
Art. 84 ZGB
) oder die Umwandlungsbehörde (Art. 85 f. ZGB) zuständig? Die von der Aufsichtsbehörde verfügte Fusion ist jedenfalls nicht wegen sachlicher Unzuständigkeit nichtig (E. 3b).
3. Bei der Fusion von Stiftungen sind die in
Art. 748 und 914 OR
aufgestellten Grundsätze einzuhalten, soweit sich diese auf eine Stiftung übertragen lassen. Ihre Missachtung führt aber nicht zur Nichtigkeit der Fusion (E. 3c).
4. Als Universalsukzession bewirkt die Fusion, dass die Rechte und Verbindlichkeiten der aufgenommenen Stiftung auf die aufnehmende übergehen, selbst wenn sie im Zeitpunkt der Übernahme den Beteiligten nicht bekannt waren (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 416
BGE 115 II 415 S. 416
A.-
a) Die X. AG errichtete mit Urkunde vom 11. Mai 1955 die Stiftung "Versicherungskasse zu Gunsten der Angestellten und Meister der X. AG" (im folgenden: "Versicherungskasse zu Gunsten der Angestellten"). Eine zweite Stiftung wurde von der gleichen Stifterfirma unter dem Namen "Arbeiter-Rentenkasse der X. AG" (im folgenden: "Arbeiter-Rentenkasse") ins Leben gerufen.
Die Direktion des Innern des Kantons Glarus verfügte am 6. Oktober 1977 folgendes:
"1. Die Arbeiter-Rentenkasse der X. AG wird aufgelöst und im Handelsregister gelöscht.
2. Es wird davon Vormerk genommen, dass die Arbeiter-Rentenkasse rückwirkend auf den 1. Januar 1977 mit der Angestellten-Versicherungskasse der X. AG fusioniert."
Sodann wurde die "Versicherungskasse zu Gunsten der Angestellten" gemäss öffentlicher Urkunde vom 14. Dezember 1978 in "Versicherungskasse zu Gunsten ehemaliger Arbeitnehmer der X. AG" umbenannt. Gemäss dem, gleichzeitig geänderten Zweckartikel ist sie nur noch für die Fürsorge für ehemalige Arbeitnehmer der Stifterfirma zuständig. Die Vorsorge der aktiven Mitarbeiter der Stifterfirma übernahm die am 13. Juni 1977 unter dem Namen "Personalfürsorgestiftung der X. AG" (im folgenden: "Personalfürsorgestiftung") errichtete Stiftung. Auch diese Änderungen wurden von der Aufsichtsbehörde genehmigt und im Handelsregister eingetragen.
b) H. T. und sein Sohn T. T. waren sowohl bei der "Versicherungskasse zu Gunsten der Angestellten" als auch bei der "Arbeiter-Rentenkasse" Mitglieder des Stiftungsrates. Während unbestritten ist, dass sie bei ersterer im Dezember 1976 aus dem Stiftungsrat ausgeschieden sind, macht die "Versicherungskasse zu Gunsten ehemaliger Arbeitnehmer der X. AG" geltend, sie seien
BGE 115 II 415 S. 417
bis zur Löschung der "Arbeiter-Rentenkasse" im Handelsregister in deren Stiftungsrat verblieben.
B.-
Am 1. Juni 1984 klagte die "Versicherungskasse zu Gunsten ehemaliger Arbeitnehmer der X. AG" beim Bezirksgericht Zürich gegen H. und T. T. auf Schadenersatz wegen ihrer Verantwortlichkeit als Stiftungsräte. Gleichzeitig verkündete die Stiftung dem Kanton Glarus den Streit, welcher dem Prozess aber nicht als Nebenintervenient beitrat. In der Klageantwort stellten die Beklagten den Antrag, das Verfahren auf die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin zu beschränken und darüber einen Schriftenwechsel anzuordnen. Das Bezirksgericht gab diesem Antrag statt und wies am 31. Juli 1986 die Klage ab.
Die Klägerin gelangte mit Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich, welches den Entscheid des Bezirksgerichts mit Urteil vom 24. Juni 1988 aufhob und feststellte, dass die Klägerin legitimiert sei, gegenüber den Beklagten Verantwortlichkeitsansprüche aus ihrer Tätigkeit als Stiftungsräte der "Arbeiter-Rentenkasse" klageweise geltend zu machen. In Gutheissung der Berufung wurde die Sache zur Weiterführung des Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Auf eine gegen dieses Urteil von den Beklagten eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde ist das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 7. Juni 1989 nicht eingetreten.
C.-
H. und T. T. fechten das Urteil des Obergerichts vom 24. Juni 1988 mit Berufung beim Bundesgericht an. Sie beantragen, die Sache zur Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils an das Obergericht zurückzuweisen. Die "Versicherungskasse zu Gunsten ehemaliger Arbeitnehmer der X. AG" beantragt die Abweisung der Berufung. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
a) Die Klägerin leitet ihre Aktivlegitimation aus der Fusion der "Arbeiter-Rentenkasse" mit der "Versicherungskasse zu Gunsten der Angestellten" ab, welche mit der "Versicherungskasse zu Gunsten ehemaliger Arbeitnehmer der X. AG" identisch ist. Die Beklagten sehen eine Bundesrechtsverletzung darin, dass das Obergericht diese Fusion als gültig zustande gekommen betrachtet hat.
BGE 115 II 415 S. 418
Obgleich die Beklagten die Zulässigkeit einer Fusion von Stiftungen nicht mehr grundsätzlich bestreiten, hat das Bundesgericht zu prüfen, ob das Stiftungsrecht eine Vereinigung von Stiftungen überhaupt zulässt und welche Wirkungen damit verbunden sind. In der Praxis hat sich offenbar wiederholt das Bedürfnis gezeigt, eine Stiftung in einer anderen aufgehen zu lassen (vgl. z.B. ZBGR 24 (1943), S. 268, Nr. 10; VPB 19/20 (1948-50), Nr. 60; VPB 25 (1955), Nr. 50; Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide 1967, S. 329 ff.). Das Bundesgericht hatte jedoch zu diesen Fragen bis jetzt nie Stellung zu nehmen.
b) Die Fusion ist der Zusammenschluss von (mindestens) zwei juristischen Personen, wobei eine aufgelöst wird. Das Besondere dabei besteht darin, dass der Übergang der Aktiven und Passiven nach den Regeln der Universalsukzession erfolgt, d.h. kraft Gesetzes und ohne Beachtung der für die Übertragung einzelner Vermögenswerte notwendigen Formvorschriften (
BGE 108 Ib 445
E. 3a;
BGE 108 Ib 454
E. 4b). Die Fusion ist die Kontinuität der gesamten vermögensrechtlichen Beziehungen trotz eines Subjektwechsels (VON GREYERZ, Die Aktiengesellschaft, SPR Bd. VIII/2, Basel 1982, S. 286). Keine Universalsukzession liegt demgegenüber vor, wenn ein Vermögen oder ein Geschäft nach
Art. 181 OR
übernommen wird. In diesem Fall kommt die Übertragung der Vermögenswerte rechtsgültig nur dann zustande, wenn die einzelnen Vermögenswerte in der für sie vorgesehenen Form übertragen werden. Die Forderungsabtretung muss somit schriftlich erfolgen (vgl. BECKER, Berner Kommentar, N. 22 zu
Art. 181 OR
; GUIDO BUCHLI, Die Übernahme eines Vermögens oder eines Geschäftes nach
Art. 181 OR
, Diss. Zürich 1953, S. 60 ff.).
Das Gesetz regelt nur die Fusion zwischen Aktiengesellschaften (Art. 748 f. OR), Kommanditaktiengesellschaften (
Art. 770 Abs. 3 OR
), zwischen einer Aktiengesellschaft und einer Kommanditaktiengesellschaft (
Art. 750 und 770 Abs. 3 OR
) und zwischen Genossenschaften (
Art. 914 OR
) ausdrücklich. Das ZGB enthält im Zusammenhang mit den im Personenrecht geregelten juristischen Personen (Verein und Stiftung) keinerlei Normen, welche die Fusion betreffen.
Ein Teil der Lehre vertritt die Meinung, das Gesetz zähle die juristischen Personen abschliessend auf, bei welchen die Bestimmungen über die Fusion zur Anwendung gelangen (BÜRGI/NORDMANN-ZIMMERMANN, Zürcher Kommentar, Vorbemerkungen zu
Art. 748-750 OR
, N. 11). Auch MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER lehnen
BGE 115 II 415 S. 419
die Fusion bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ab (Grundriss des schweizerischen Gesellschaftsrechts, Bern 1989, S. 328, N. 78) und sehen beim Verein nur eine Vermögensübernahme mit Aktiven und Passiven nach
Art. 181 OR
vor (a.a.O., S. 366, N. 60). Demgegenüber lässt HEINI beim Verein eine eigentliche Fusion mit sinngemässer Anwendung gewisser genossenschaftsrechtlicher Bestimmungen zu (Das Schweizerische Vereinsrecht, Basel 1988, S. 37 f.). In der Lehre zum Stiftungsrecht ist - soweit sie sich überhaupt dazu äussert - die Zulässigkeit einer Fusion weitgehend unbestritten (vgl. RIEMER, Berner Kommentar, N. 76 ff. zu Art. 88/89 ZGB; CHRISTOPH MEIER, Die staatliche Beaufsichtigung der Personalvorsorgestiftungen im geltenden und werdenden Recht, Diss. Basel 1978 (Masch.schrift), S. 93 ff.; THOMAS MANHART, Die Aufhebung mit Liquidation von Stiftungen, insbesondere von Personalvorsorgestiftungen, Diss. Zürich 1986, S. 92 ff.). Im Zusammenhang mit der Einführung einer obligatorischen zweiten Säule sieht schliesslich
Art. 92 BVG
ausdrücklich vor, dass die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Vorsorgestiftungen ihr Vermögen in eine registrierte Vorsorgeeinrichtung überführen können, ohne sich allerdings zur Frage zu äussern, ob dies mit einer Fusion oder mit einer Übertragung nach
Art. 181 OR
erfolgen soll.
c) Es ist nicht zu übersehen, dass sich die Bedeutung der Stiftungen seit dem Erlass des ZGB stark verändert hat. Namentlich der Einsatz dieser Rechtsform für die berufliche Vorsorge hat das Bedürfnis nach einfacheren Möglichkeiten verstärkt, die Stiftung veränderten Verhältnissen anpassen zu können. Der Zusammenschluss oder die Umgestaltung eines Unternehmens kann es erfordern, dass sich auch die Strukturen der betroffenen Pensionskassen ändern. Bei solchen Umstrukturierungen gilt der Grundsatz, dass das Personalvermögen dem Personal folgt (
BGE 110 II 442
ff.; RIEMER, Die Auswirkungen grösserer Personalfluktuationen beim Arbeitgeber auf dessen Personalvorsorgestiftung, SZS 26. Jahrg. 1982, S. 7; FABIA BEURRET-FLÜCK/CHRISTOPH MEIER, Die Wahrung der erworbenen Rechte von Destinatären bei Neuordnung der Personalvorsorge, insbesondere bei Anpassung an das BVG, BJM 1988, S. 177). Liesse man die Fusion von Stiftungen nicht zu, würde dies bedeuten, dass nach der Übertragung der Vermögenswerte die absorbierte Stiftung noch aufgelöst und liquidiert werden müsste. Kämen nach der Vermögensübertragung oder gar nach der Auflösung noch Vermögenswerte zum
BGE 115 II 415 S. 420
Vorschein, hätte die absorbierte, funktionslos gewordene Stiftung diese Vermögensgegenstände noch nachträglich auf die absorbierende Stiftung zu übertragen beziehungsweise die entsprechenden Gegenstände zu verwerten und den Erlös zu übertragen. Zudem müssten in bezug auf jeden Vermögenswert die entsprechenden Formvorschriften für die Übertragung eingehalten werden. Die Vermögensübertragung wäre somit mit erheblich grösserem Aufwand verbunden.
Andererseits ist nicht zu sehen, welche schützenswerten Interessen die korrekt durchgeführte Fusion gefährden soll. Die mit der Fusion verbundene Gesamtnachfolge bewirkt, dass nicht nur die Vermögenswerte, sondern auch die Schulden auf den neuen Träger übergehen. Den Gläubigern wird somit kein Haftungssubstrat entzogen. Der Umstand, dass die übertragenen Werte nicht nur den Gläubigern der absorbierten, sondern auch jenen der absorbierenden Stiftung haften, spricht nicht gegen die Fusion. Gläubiger haben nie die Sicherheit, dass ihr Schuldner nicht weitere Verpflichtungen eingeht und damit weitere Gläubiger Zugriff auf sein Vermögen erhalten. Da die Stiftung keine Personengesellschaft ist, stellt sich auch nicht die Frage, welche Auswirkungen die Fusion auf Mitgliedschaftsrechte haben kann.
d) Es ergibt sich somit, dass der herrschenden Lehre gefolgt werden kann, wenn sie die Fusion von Stiftungen im Sinne einer Gesamtnachfolge grundsätzlich zulässt. Ob die Fusion von Stiftungen nicht nur durch die Übernahme einer Stiftung durch eine andere, sondern auch als Vereinigung mehrerer zu einer neuen Stiftung möglich ist, braucht nicht entschieden zu werden.
3.
a) Das Obergericht ging unbestrittenermassen zu Recht davon aus, dass die Fusion von Stiftungen nicht einfach durch übereinstimmende Beschlüsse der Stiftungsräte zustande kommen kann. Mit der Fusion ist immer die Auflösung der einen Stiftung verbunden. Die Selbstauflösung einer Stiftung durch Beschluss der Stiftungsorgane ist aber ausgeschlossen (RIEMER, a.a.O., N. 63 zu Art. 88/89 ZGB; MANHART, a.a.O., S. 86). Die Vorinstanz erblickte im Beschluss der Direktion des Innern vom 6. Oktober 1977 die massgebliche, die Fusion bewirkende Handlung. Die Beklagten halten dem entgegen, die Direktion des Innern habe von der Fusion der "Arbeiter-Rentenkasse" mit der "Versicherungskasse zu Gunsten der Angestellten" nur Vormerk genommen und die Auflösung und Löschung der einen Stiftung beschlossen. Sie habe aber die Fusion selber nicht beschlossen, sondern nur nichtige
BGE 115 II 415 S. 421
Beschlüsse der Stiftungsräte vorgemerkt, was diesen Beschlüssen keine Wirkung verleihen könne.
Eine behördliche Verfügung darf nicht nur aufgrund ihres Wortlautes ausgelegt werden. Das Vertrauensprinzip verlangt, dass einer Verfügung jener Sinn beigemessen wird, den ihr der Empfänger aufgrund der Umstände, die ihm im Zeitpunkt der Entgegennahme bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in guten Treuen beilegen durfte und beilegen musste (
BGE 103 Ia 509
, E. 2b; BEATRICE WEBER-DÜRLER, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, Basel/Frankfurt a. M. 1983, S. 40). Nach den für das Bundesgericht im Berufungsverfahren verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hatte die Direktion des Innern am 1. September 1976 den Stiftungsräten die Weisung gegeben, die Fusion der beiden Stiftungen zu prüfen. Die Fusion ging somit in massgeblicher Weise von der Direktion des Innern aus. Ihre Verfügung vom 6. Oktober 1977 konnte damit nur den Sinn haben, die Übernahme der "Arbeiter-Rentenkasse" durch die "Versicherungskasse zu Gunsten der Angestellten" zu beenden. Anders wäre denn auch die erste Ziffer des genannten Entscheides nicht zu verstehen, welche die Aufhebung der "Arbeiter-Rentenkasse" und deren Löschung im Handelsregister verfügte. Auch wenn nach dem Wortlaut der Verfügung die Direktion des Innern von der Fusion nur Kenntnis nahm, konnte diesem Verwaltungsakt kein anderer Sinn beigemessen werden als die Verfügung der Fusion selber.
Den Beklagten kann somit nicht gefolgt werden, wenn sie aus dem Umstand, dass die Stiftungsräte die Fusion beschlossen und dem Wortlaut nach die Direktion des Innern von diesen Beschlüssen nur Kenntnis nahm, schliessen, dass eine Fusion nicht zustande gekommen sein könne.
b) Ein Entscheid kann dann unbeachtlich, d. h. nichtig, sein, wenn er von einer absolut unzuständigen Behörde gefällt wurde (IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, Basel/Frankfurt a. M. 1986, S. 242; WALDER, Zur Bedeutung des Begriffes absolut nichtiger Urteile im Lichte der schweizerischen Gesetzgebung und Rechtslehre, in: FS Habscheid, 1989, S. 338). Die Nichtigkeit darf allerdings nicht leichthin angenommen werden. Diese Folge kann nur bei schwerwiegenden und offenkundigen oder zumindest leicht erkennbaren Mängeln einer Verfügung eintreten. Sie darf weder die Rechtssicherheit ernsthaft gefährden noch das berechtigte Vertrauen des Bürgers enttäuschen (
BGE 104 Ia 176
f.; WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 165 f.). Kommt
BGE 115 II 415 S. 422
der verfügenden Behörde auf dem betreffenden Gebiet Entscheidgewalt zu, hat sie aber ihre Zuständigkeit im einzelnen überschritten, ist ihre Verfügung nicht nichtig, sondern bloss anfechtbar (IMBODEN/RHINOW, a.a.O., Bd. I, S. 242; WALDER, a.a.O., S. 338).
Die Fusion wurde von der Direktion des Innern des Kantons Glarus verfügt. Diese ist unbestrittenermassen die für Personalfürsorgestiftungen zuständige kantonale Aufsichtsbehörde im Sinne von
Art. 84 ZGB
. Umwandlungsbehörde im Sinne von Art. 85 f. ZGB wäre demgegenüber der Landrat (Art. 16 EGZGB des Kt. Glarus). In der Lehre wird davon ausgegangen, dass die Umwandlungsbehörde für die Fusion zuständig sei, wobei aber die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde als nicht undenkbar bezeichnet wird (RIEMER, a.a.O., N. 83 zu Art. 88/89 ZGB). Die Frage, ob ein Beschluss der Aufsichtsbehörde genügt oder eine Verfügung der Umwandlungsbehörde vorliegen muss, braucht nicht entschieden zu werden. Die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde ist auf jeden Fall nicht derart abwegig, dass ein entsprechender Entscheid nichtig wäre.
c) Es bleibt zu prüfen, ob die Fusion so fehlerhaft vorgenommen wurde, dass sie aus diesem Grunde als nichtig angesehen werden muss.
Es ist den Beklagten zuzugeben, dass die Fusion zweifellos nicht mit der gebührenden Sorgfalt vorgenommen wurde. Auch wenn die Fusion von Stiftungen im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist, sollten die in den
Art. 748 und 914 OR
aufgestellten Grundsätze eingehalten werden, soweit sich diese auf eine Stiftung übertragen lassen (vgl. RIEMER, a.a.O., N. 114 zu Art. 88/89 ZGB). Zu Recht hält aber das Obergericht fest, dass die begangenen Verfahrensfehler nicht als derart schwerwiegend angesehen werden können, dass der Zusammenschluss geradezu als nichtig betrachtet werden müsste. Was die Beklagten in der Berufung dagegen vorbringen, überzeugt nicht. Der Umstand, dass das Departement des Innern die Fusion rückwirkend bestätigte, kann ihrer Gültigkeit nicht entgegenstehen. Wie das Obergericht feststellt, konnte damit nur gemeint sein, dass das faktische Zusammenlegen der Vermögen auf diesen Zeitpunkt genehmigt wurde. Der Entscheid der Aufsichtsbehörde wäre nur dann nichtig, wenn er derart mangelhaft wäre, dass die Fusion gar nicht durchgeführt werden könnte. Das behaupten aber auch die Beklagten nicht.
d) Nachdem die Beklagten den die Fusion der "Arbeiter- Rentenkasse" mit der "Versicherungskasse zu Gunsten der
BGE 115 II 415 S. 423
Angestellten" bewirkenden Entscheid des Departements des Innern nicht angefochten haben, ist dieser in Rechtskraft erwachsen und die Fusion gültig zustande gekommen.
4.
Die Beklagten machen in ihrer Berufung geltend, auch die vom Departement des Innern nach der Fusion verfügte Zweckänderung sei ungültig (Beschränkung auf die Vorsorge ehemaliger Mitarbeiter). Es ist aber nicht zu sehen, wie sich diese Frage auf die Aktivlegitimation der Klägerin auswirken kann. Auch wenn keine Zweckänderung eingetreten und die Namensänderung nicht rechtens wäre, so handelte es sich trotzdem noch immer um die gleiche Person. Es wird allenfalls im Zusammenhang mit der Beurteilung von Bestand und Umfang der Verantwortlichkeit geprüft werden müssen, ob in der Zweckänderung eine nicht von den Beklagten, sondern von der Aufsichtsbehörde zu verantwortende Schädigung der Destinatäre erblickt werden könnte, weil damit künftige Zuwendungen entfallen.
5.
Die Beklagten machen, wie schon vor den kantonalen Instanzen, auch vor Bundesgericht geltend, selbst wenn man die Fusion als gültig betrachte, sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert, weil die Verantwortlichkeitsansprüche von der Fusion ausgeklammert beziehungsweise durch die Fusion und die anschliessende Zweckänderung untergegangen seien. Das Obergericht habe diesen Standpunkt in Bundesrecht verletzender Weise zurückgewiesen.
Zu Recht hält das Obergericht fest, dass sich die Vorstellung, einzelne Vermögenswerte der aufgenommenen Stiftung seien nicht auf die aufnehmende übergegangen, nicht mit dem Grundsatz der Universalsukzession verträgt. Die aufnehmende Stiftung ist in alle Rechte und Pflichten der aufgenommenen eingetreten. Bei der Gesamtnachfolge gehen nicht nur jene Vermögenswerte auf den Nachfolger über, die den betroffenen Personen im Zeitpunkt der Nachfolge bekannt waren, sondern alle, auch jene, deren Bestand im Zeitpunkt der Fusion unbekannt, ja nicht einmal feststellbar war. Es ist mit der Universalnachfolge unvereinbar, dass einzelne Vermögenswerte von ihr ausgeschlossen bleiben. Von daher ist es entgegen der von den Beklagten vertretenen Auffassung für die Frage der Aktivlegitimation ohne jede Bedeutung, ob die Verantwortlichkeitsansprüche im Zeitpunkt der Fusion in einer Bilanz aufgeführt wurden oder nicht. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6663eaa7-f3f3-41c1-bc53-d024b26a49e9 | Urteilskopf
95 I 322
47. Urteil vom 8. Oktober 1969 i.S. Zimmermann gegen Gemeinderat Vitznau und Regierungsrat des Kantons Luzern. | Regeste
Kantonale Handänderungssteuer; gesetzliche Grundlage.
Ergänzt die rechtsanwendende Behörde den klaren Wortlaut einer Steuerbefreiungsvorschrift, indem sie auf Voraussetzungen abstellt, die im Gesetzestext nicht enthalten sind, dann ist dieses Vorgehen unter dem Gesichtspunkt von
Art. 4 BV
von vornherein nicht zulässig, wenn es der Behörde darum geht, eine Gesetzeslücke zu füllen. Im Rahmen der blossen Gesetzesauslegung ist ein solches Abweichen vom klaren Wortlaut nur dann frei von Willkür, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass der Gesetzestext nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt.
Anwendung dieser Grundsätze im Falle von § 4 lit. c des luzernischen Gesetzes betreffend die Handänderungsgebühren. | Sachverhalt
ab Seite 323
BGE 95 I 322 S. 323
A.-
Nach § 1 des luzernischen Gesetzes betreffend die Handänderungsgebühren (HGG) ist von der Kaufs- oder Schatzungssumme eine Handänderungsgebühr zu entrichten, wenn eine Liegenschaft an einen neuen Eigentümer übergeht, sei es durch Kauf, Tausch, Erbschaft oder Schenkung. Die "Gebühr" beträgt 11/2% des Kaufspreises bzw. der Katasterschatzung und fällt zu gleichen Teilen an den Staat und an die Einwohnergemeinde (§ 2 HGG).
§ 4 HGG bestimmt:
"Der Bezug einer Handänderungsgebühr findet nicht statt bei:
a) Liegenschaftserwerbungen durch den Staat oder durch Gemeinden für öffentliche oder gemeinnützige Zwecke;
b) Handänderungen zwischen Eltern und Kindern, zwischen Grosseltern und Grosskindern und zwischen Ehegatten;
c) freiwilligen Liegenschaftsteilungen und Auskäufen zwischen Geschwistern, sofern die Teilung ohne öffentliche Steigerung vorgenommen wird;
d) Rückkäufen durch den frühern Eigentümer, sofern der Rückkauf innert Jahresfrist, vom vorangegangenen Verkaufe an gerechnet, stattfindet;
e) Handänderungen, wobei die Kaufsumme den Betrag von Fr. 1000.-- nicht erreicht;
f) Handänderungen infolge Zwangsverwertung, wenn ein Hypothekaransprecher durch Gutbietung seines Titels Käufer wird;
g) Tauschverträgen um einzelne Grundstücke zum Zwecke der Güterzusammenlegung."
B.-
Die Brüder Anton, Walter, Guido und Pius Zimmer mann waren im Rahmen einer einfachen Gesellschaft Gesamteigentümer der Liegenschaft Sonnhalden, Parzelle Nr. 441 in Vitznau/LU. Zudem waren Anton, Walter und Guido Zimmermann zu gleichen Teilen Miteigentümer des in derselben Gemeinde gelegenen Grundstückes Nr. 130 Oberstegli.
BGE 95 I 322 S. 324
Um ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse zu vereinfachen, schlossen die Brüder Zimmermann am 16. März 1968 folgende Rechtsgeschäfte:
Walter und Guido verkauften ihre Miteigentumsanteile am Grundstück Nr. 130 ihrem Bruder Anton, der damit zum Alleineigentümer wurde. Anton Zimmermann seinerseits trat aus der einfachen Gesellschaft aus, deren Gesellschafter Gesamteigentümer des Grundstücks Nr. 441 sind.
C.-
Mit Entscheid vom 6. Mai 1968 unterwarf der Gemeinderat von Vitznau die beiden Rechtsgeschäfte der Handänderungsgebühr, die er auf Fr. 1'500.-- (11/2% der vertraglich vereinbarten Entschädigung von Fr. 100'000.--) bestimmte.
Die Brüder Zimmermann beschwerten sich gegen diese Verfügung beim Regierungsrat des Kantons Luzern, der den Rekurs am 28. August 1968 abwies. Zur Begründung führte er aus, die Beschwerdeführer stützten sich zu Unrecht auf § 4 lit. c HGG, um die Steuerfreiheit zu verlangen. Nicht jedes Teilungs- oder Auskaufsgeschäft zwischen Geschwistern, das gemeinschaftliches Eigentum an Liegenschaften betreffe, sei von der Handänderungsgebühr ausgenommen. Steuerfrei seien diese Geschäfte nach dem Willen des Gesetzgebers vielmehr nur dann, wenn die Liegenschaften den Geschwistern entweder durch Erbgang oder durch Schenkung oder anderes Geschäft unter Lebenden von den Eltern oder Grosseltern zugefallen seien. Diese Ansicht habe der Regierungsrat bisher in ständiger Praxis vertreten. Da die hier umstrittenen Grundstücke den Beschwerdeführern nicht von ihren Eltern oder Grosseltern zugefallen seien, komme eine Steuerbefreiung nicht in Betracht.
D.-
Anton, Walter, Guido und Pius Zimmermann führen staatsrechtliche Beschwerde. Sie beantragen dem Bundesgericht, den angefochtenen Entscheid des Regierungsrates des Kantons Luzern wegen Verletzung von
Art. 4 BV
aufzuheben.
E.-
Der Regierungsrat des Kantons Luzern und der Gemeinderat von Vitznau schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Zwar bezeichnet das luzernische Recht die hier umstrittene Abgabe als "Gebühr". Es handelt sich dabei aber nicht um eine Gebühr im Rechtssinne, d.h. um ein Entgelt für eine Tätigkeit der Verwaltung, sondern vielmehr unbestrittenermassen
BGE 95 I 322 S. 325
um eine Steuer. Steuern dürfen nach feststehender Lehre und Praxis nur erhoben werden, wenn hiefür eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Missachtet das Gemeinwesen dieses Gebot, so liegt gleichzeitig eine Verletzung von
Art. 4 BV
vor (
BGE 84 I 93
Erw. 2).
§ 4 HGG zählt die Tatbestände, die der Handänderungsgebühr nicht unterliegen, in lit. a-e abschliessend auf. Im vorliegenden Fall steht die Anwendung von lit. c des § 4 in Frage, wonach keine Steuer bezogen wird bei freiwilligen Liegenschaftsteilungen und Auskäufen zwischen Geschwistern, sofern die Teilung ohne öffentliche Steigerung vorgenommen wird. Der Regierungsrat bestreitet nicht, dass es sich bei den Rechtsgeschäften, die die Beschwerdeführer unter sich abgeschlossen haben, um solche im Sinne der genannten Gesetzesvorschrift handelt. Trotzdem hält er dafür, § 4 lit. c HGG sei hier nicht anwendbar, eine Steuerbefreiung mithin nicht gegeben. Die kantonale Instanz begründet diese Auffassung im wesentlichen damit, Steuerfreiheit könne nur dann angenommen werden, wenn das Grundstück, das Gegenstand des Teilungs- oder Auskaufsgeschäftes bildet, den Geschwistern durch Erbschaft oder Zuwendung unter Lebenden von ihren Eltern oder Grosseltern zugefallen sei, es sich also um eine sogenannte Erbliegenschaft handle. Dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt ist, stellen die Beschwerdeführer ihrerseits nicht in Abrede. Indessen bringen sie vor, das Gesetz mache die Steuerbefreiung nicht von der genannten Bedingung abhängig. Das verkenne der Regierungsrat, weshalb die angefochtene Besteuerung gegen
Art. 4 BV
verstosse.
Das Vorbringen der Beschwerdeführer findet eine Stütze im Wortlaut von § 4 lit. c HGG. Dieser unterscheidet nicht nach der Herkunft des Grundstückes, das, im gemeinschaftlichen Eigentum der Geschwister stehend, Gegenstand des Teilungs- oder Auskaufsgeschäftes bildet. Zu Recht behauptet der Regierungsrat nicht etwa, der Gesetzgeber habe sich in § 4 lit. c unklarer oder zweideutiger Begriffe bedient. Damit die kantonale Instanz die Steuerbefreiung des § 4 lit. c HGG dennoch nur im Falle von Grundstücken gewähren kann, die durch Erbgang oder Zuwendung unter Lebenden von den Eltern oder Grosseltern auf die Geschwister übergegangen sind, muss sie den klaren Gesetzeswortlaut ergänzen. Ob sie dieses Ziel auf dem Wege der Lückenfüllung oder demjenigen der blossen
BGE 95 I 322 S. 326
Auslegung erreiche (vgl. MEIER-HAYOZ, Komm. zu
Art. 1 ZGB
N. 255 ff., 54 ff.; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl., Nr. 241 III), lässt sich dem angefochtenen Entscheid nicht mit Sicherheit entnehmen, braucht hier aber nicht entschieden zu werden. Wie sich aus dem Folgenden ergibt, sind beide Arten des Vorgehens mit
Art. 4 BV
nicht vereinbar.
2.
Der Regierungsrat hält dafür, der Begriff des Auskaufes finde nur Anwendung bei der Auflösung erbrechtlich entstandenen gemeinsamen Eigentums. Der Begriff der Teilung hänge damit eng zusammen. In dieser erbrechtlichen Beziehung sei der innere Grund für die Steuerfreiheit zu erblicken, die § 4 lit. c HGG gewähren wolle. Die kantonale Instanz ist also der Ansicht, der Wortlaut von § 4 lit. c HGG gebe den Sinn dieser Steuerbefreiungsvorschrift nicht richtig wieder, weil er nicht nach der Herkunft des betreffenden Grundstückes unterscheide. Wollte man darin, dass der Gesetzgeber die nach Auffassung des Regierungsrates notwendige Verdeutlichung nicht vornahm, eine Gesetzeslücke sehen, dann wäre es der kantonalen Instanz unter dem Gesichtspunkt von
Art. 4 BV
verwehrt, eine solche Lücke zu füllen. Nach der Praxis des Bundesgerichts ist ein derartiges Vorgehen immer dann untersagt, wenn damit neue Besteuerungstatbestände geschaffen werden, die nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen sind (vgl.
BGE 84 I 94
). Einen solchen neuen Steuertatbestand schafft die rechtsanwendende Behörde auch dann, wenn sie einer Befreiungsvorschrift einschränkende Bedingungen anfügt, die sich im klaren Wortlaut der Bestimmung nicht finden.
3.
Eine Verfassungswidrigkeit liegt aber auch vor, wenn man davon ausgeht, der Regierungsrat sei mit der vorgenommenen Ergänzung des Wortlautes von § 4 lit. c HGG im Rahmen der Auslegung geblieben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts darf die rechtsanwendende Behörde vom klaren Gesetzeswortlaut ohne Verletzung des
Art. 4 BV
nur dann abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Grund und Zweck der Vorschrift und aus dem Zusammenhang mit andern Gesetzesbestimmungen ergeben (
BGE 87 I 16
,
BGE 90 I 214
/5). Entgegen der Ansicht des Regierungsrates bestehen im vorliegenden
BGE 95 I 322 S. 327
Fall keine derartigen Gründe, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt eine Verletzung des Legalitätsprinzips anzunehmen ist.
a) Um seine Auffassung zu stützen, wonach sinnvoll nur die Steuerbefreiung bei Teilung und Auskauf von gemeinsamem Eigentum sei, das die Geschwister von Eltern oder Grosseltern geerbt oder gekauft hätten, bringt der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort einmal vor, nach der Gesetzgebung, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des HGG gegolten habe, hätten sich die Begriffe des Auskaufes und der Teilung nur auf Erbengemeinschaften beziehen können.
Selbst wenn man annähme, diese Behauptung treffe zu - was nicht dargetan wurde - übersieht die kantonale Instanz einen wesentlichen Punkt: Die Erbengemeinschaft zwischen Geschwistern setzt nämlich nicht notwendigerweise voraus, dass die betreffenden Grundstücke ihnen erbweise von ihren Eltern oder Grosseltern zugefallen sind. Vielmehr können die Geschwister die Grundstücke auch gemeinsam von andern Personen geerbt haben (z.B. von ihren Onkeln oder Tanten). Ginge man übrigens davon aus, die Begriffe "Teilungen und Auskäufe" setzten nach altem luzernischen Zivilrecht notwendigerweise den Bestand einer sogenannten Erbliegenschaft voraus, dann wäre schwer verständlich, warum der luzernische Gesetzgeber in dem unter der Herrschaft des schweizerischen Zivilgesetzbuches im Jahre 1919 erlassenen Wertzuwachssteuergesetz dieselben Begriffe verwendete. Jedenfalls folgt unter solchen Umständen aus dem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte nicht, dass triftige Gründe für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung vorliegen.
b) Der Regierungsrat macht sodann geltend, die Befreiungsvorschrift der lit. c von § 4 müsse im Zusammenhang mit der lit. b des gleichen Paragraphen ausgelegt werden, die alle Handänderungen zwischen Eltern und Kindern, zwischen Grosseltern und Grosskindern sowie zwischen Ehegatten als steuerfrei erkläre. Sollte indessen der Gesetzgeber wirklich beabsichtigt haben, in lit. c nur die Teilungsgeschäfte betreffend diejenigen Grundstücke von der Steuer auszunehmen, die den Geschwistern von ihren Grosseltern oder Eltern zufielen, dann hätte er angesichts der gewählten Formulierung zwei wesentliche Tatsachen übersehen. Einmal sind nicht alle Enkel des Erblassers notwendigerweise auch Geschwister, und doch haben Teilungsgeschäfte
BGE 95 I 322 S. 328
sowohl zwischen Enkeln als auch zwischen Kindern und Enkeln des Erblassers im Kanton Luzern als steuerfrei zu gelten (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 22. Juni 1944 i.S. Meyer-Keller). Zweitens unterscheiden sich die in lit. b und c von § 4 HGG verwendeten Begriffe zum Teil derart voneinander, dass sich der von der kantonalen Instanz gewünschte sachliche Zusammenhang zum mindesten nicht zwangslos daraus ergibt. Lit. b befreit die "Handänderungen", also klarerweise alle Geschäfte dieser Art (d.h. diejenigen unter Lebenden, von Todes wegen, durch Erbgang), die zwischen den im Gesetz erwähnten Blutsverwandten und Ehegatten stattfinden. Demgegenüber geniessen nach dem klaren Wortlaut von lit. c nur jene Teilungs- und Auskaufsgeschäfte Steuerfreiheit, die zwischen Geschwistern stattfinden und Grundstücke betreffen, welche im gemeinschaftlichen Eigentum dieser Geschwister standen. Gemeinsam ist den beiden Vorschriften somit einzig, dass sich beide auf verwandtschaftliche Verhältnisse beziehen. Es konnte dem Gesetzgeber kaum entgangen sein, dass er einen Zusammenhang zwischen lit. b und c, wie ihn die kantonale Instanz auf dem Wege der Auslegung erreichen will, durch entsprechend ausgestaltete Begriffe hätte augenscheinlich machen müssen. Wenn er das nicht getan hat, so wohl deshalb, weil er der Befreiungsvorschrift von lit. c nicht jenen engen Sinn beilegte, den ihr der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid zuerkennt. Triftige Gründe, um vom klaren Gesetzeswortlaut abzuweichen, lassen sich jedenfalls auch in diesem Punkte nicht anführen.
c) Unbehelflich ist ferner der Hinweis des Regierungsrates auf die Gesetzesnovelle vom 28. Juli 1919 betreffend teilweise Abänderung des Steuergesetzes vom 30. November 1892, die sich auf die Wertzuwachssteuer bezieht. Zwar lauten die lit. d und e von § 29 dieses Gesetzes wörtlich gleich wie § 4 lit. b und c HGG. In § 29 lit. c des alten Wertzuwachssteuergesetzes werden aber auch alle Handänderungen von der Steuer befreit, die auf Grund des Erbrechts erfolgen. Trotzdem befreit das genannte Gesetz in lit. d (alle) Handänderungen zwischen Eltern und Kindern, zwischen Grosseltern und Grosskindern sowie zwischen Ehegatten und in lit. e die freiwilligen Liegenschaftsteilungen und Auskäufe zwischen den Geschwistern, sofern die Teilung ohne öffentliche Steigerung erfolgt. In dieser Regelung (vgl. auch die entsprechende Botschaft vom 29. Juli
BGE 95 I 322 S. 329
1913) kommt der Wille des Gesetzgebers klar zum Ausdruck, neben der Befreiung nach Erbrecht auch eine solche für alle Arten von Handänderungen unter Verwandten zu gewähren. Der gleiche Hang des Gesetzgebers zur Unterscheidung offenbart sich übrigens noch deutlicher auch im Gesetz vom 31. Oktober 1961 über die Grundstückgewinnsteuer, das die Novelle aus dem Jahre 1919 ablöste (vgl. § 4 Ziff. 8 und 9 dieses Gesetzes). Auch daraus ergibt sich klar, dass dem luzernischen Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen einer Steuerbefreiung von Handänderungen auf Grund des Erbrechtes und solchen gestützt auf verwandtschaftliche Beziehungen stets gegenwärtig war.
Wenn nun der Regierungsrat der Steuerbefreiung nach § 4 lit. c ausschliesslich erbrechtlichen Charakter zuerkennen will, dann setzt er voraus, dass der Gesetzgeber ausgerechnet in jener Vorschrift Unterscheidungen nicht traf, die er sonst nach dem Gesagten stets getroffen hatte. Aus einer derartigen Vermutung, die der Wirklichkeit kaum entsprechen dürfte, lassen sich zwingende Gründe für ein Abweichen vom klaren Wortlaut des Gesetzes ebenfalls nicht herleiten.
d) Die kantonale Instanz legt Gewicht darauf, dass ohne lit. c von § 4 HGG der geschwisterlose Erbe, dem "eine elterliche Liegenschaft ohne Erbengemeinschaft" zufalle, "gegenüber Erbanfällen an mehrere Nachkommen bevorzugt" wäre. Zwar ist § 4 lit. c geeignet, auch eine derartige unterschiedliche Behandlung zu beheben, was die Beschwerdeführer mit Recht nicht bestreiten. Daraus folgt aber nicht, dass der Vorschrift, die von der Steuer (alle) Liegenschaftsteilungen ausnimmt, sofern sie zwischen Geschwistern und ohne öffentliche Steigerung stattfinden, nur jener enge erbrechtliche Sinn zukommt. Der Regierungsrat hat nicht nur diesen Nachweis nicht erbracht, er hat nach dem Gesagten auch nicht dargetan, dass die sich an den Wortlaut anlehnende Auslegung, welche die Beschwerdeführer fordern, zu einem unvernünftigen Ergebnis führe.
4.
Ist aber weder das Ausfüllen einer Lücke noch eine Auslegung, die vom klaren Gesetzeswortlaut abweicht, im vorliegenden Fall zulässig, dann fehlt der angefochtenen Besteuerung die gesetzliche Grundlage. Die Beschwerde ist mithin gutzuheissen und der angefochtene Entscheid wegen Verletzung des
Art. 4 BV
aufzuheben.
Die kantonale Instanz behauptet nicht, ihre bisherige Praxis, auf die sie sich beruft, sei zum Gewohnheitsrecht geworden.
BGE 95 I 322 S. 330
Ob die angefochtene Besteuerung sich auf Gewohnheitsrecht stützen liesse - was übrigens zweifelhaft wäre (vgl.
BGE 94 I 310
) -, braucht deshalb nicht geprüft zu werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid vom 29. August 1968 aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
666791c6-47dc-4e5d-8028-34f4ce2f2860 | Urteilskopf
105 II 289
48. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. November 1979 i.S. Honeywell Bull (Schweiz) AG gegen Allgemeine Finanz- und Waren-Treuhand AG (Berufung) | Regeste
Art. 718 Abs. 3 OR
. Entschädigungsanspruch der Nebenpartei.
1. Ausservertraglicher Anspruch gegen die Aktiengesellschaft wegen deliktischen Verhaltens ihres Direktors. Die Haftung setzt keine Vertretungsbefugnis der Organperson voraus (E. 3-5).
2. Schutz des gutgläubigen Dritten, der auf zwei dem Anschein nach echte Kollektivunterschriften vertraut (E. 6).
3. Entschädigungsanspruch der Nebenpartei im Berufungsverfahren verneint (E. 9). | Sachverhalt
ab Seite 289
BGE 105 II 289 S. 289
A.-
Am 27. Januar 1975 wurde namens der Honeywell Bull (Schweiz) AG, Zürich, an die Order von The Merban Corporation, New York, ein Eigenwechsel ausgestellt, lautend auf DM 3'000'000.- und zahlbar am 28. Juli 1975 bei der New
BGE 105 II 289 S. 290
Yorker Niederlassung der Dresdner Bank AG. Die Urkunde trug ausser dem Firmenstempel der Ausstellerin die Unterschriften ihres Direktors S. und des Prokuristen R., die beide kollektivzeichnungsberechtigt waren. Der Wechsel wurde unter Ausschluss des Rückgriffs von der Merban Corporation über die Chemical Bank an die Allgemeine Finanz- und Waren-Treuhand AG, Wien, indossiert. Als diese bei Verfall den Wechsel präsentieren liess, verweigerte die Ausstellerin die Zahlung, weil die Unterschrift von R. gefälscht sei und es zudem an einem Grundgeschäft fehle.
B.-
Die Allgemeine Finanz- und Waren-Treuhand AG erhob Ende September 1975 gegen die Honeywell Bull (Schweiz) AG Klage aus Wechselrecht, eventuell aus unerlaubter Handlung, mit der sie Zahlung von DM 3'000'000.- nebst 9 3/8% Zins seit 28. Juli 1975 forderte.
Im Verfahren des Handelsgerichts des Kantons Zürich kam es auf beiden Seiten zu mehreren Streitverkündungen ersten und zweiten Grades. Der Merban Corporation und der Dresdner Bank verkündeten sowohl Klägerin wie Beklagte den Streit; beide Streitberufenen traten in der Folge der Klägerin bei.
Das Handelsgericht verpflichtete die Beklagte am 6. Februar 1979 zur Zahlung von DM 2'864'958.97 nebst 5% Zins seit 29. Januar 1975.
C.-
Beide Parteien legten kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die Beklagte ausserdem eidgenössische Berufung ein. Jene wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 8. August 1979 ab, soweit auf sie eingetreten werden konnte.
Mit der Berufung verlangt die Beklagte Aufhebung des Urteils des Handelsgerichts und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, eventuell Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt Abweisung der Berufung sowie Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Die Dresdner Bank beteiligte sich am Berufungsverfahren nur insoweit, als sie um Zustellung der richterlichen Anordnungen und Entscheidungen ersucht hat; diesem Begehren ist entsprochen worden. Die Merban Corporation beantragt, die Berufung abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
BGE 105 II 289 S. 291
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Zur Berufung oder Anschlussberufung sind auch die Nebenparteien (Litisdenunziaten, Nebenintervenienten) berechtigt, wenn ihnen nach dem kantonalen Gesetz Parteirechte zukommen und sie vor der letzten kantonalen Instanz am Prozess teilgenommen haben (
Art. 53 Abs. 1 OG
). Beides trifft sowohl auf die Dresdner Bank als auch auf die Merban Corporation zu, weshalb sie im Berufungsverfahren zuzulassen sind (
BGE 89 II 188
E. 2). Ihre verfahrensrechtliche Stellung vor Bundesgericht regelt sich dabei nach kantonalem Recht. Dies führt zum Anspruch der Dresdner Bank auf gerichtliche Mitteilungen gegen Kostenbezug (§§ 176 Abs. 2 und 187 Abs. 1 GVG Zürich) sowie zum Recht der Merban Corporation, mit ihren Vorbringen die Klägerin zu unterstützen, soweit sie von dieser nicht ausdrücklich bestritten werden oder mit deren Prozesshandlungen in Widerspruch stehen.
2.
(Eintreten auf Berufung, da zumindest der Eventualantrag dem Erfordernis von
Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
genügt.)
3.
Es ist nicht mehr streitig, dass von den beiden namens der Beklagten angebrachten Wechselunterschriften nur jene des Direktors S. echt, jene des Prokuristen R. dagegen durch S. gefälscht ist und dass demgemäss mangels gehöriger Kollektivunterschrift eine wechselrechtliche Haftung der Beklagten entfällt.
Zur Beurteilung steht vor Bundesgericht ausschliesslich eine ausservertragliche Haftung der Beklagten, auf die das angefochtene Urteil zutreffend und unangefochten schweizerisches Recht zur Anwendung bringt.
4.
Unwidersprochen stellt das Handelsgericht fest, dass S. zum Nachteil der Klägerin unerlaubte Handlungen beging, und zwar durch Unterschriftenfälschung sowie durch betrügerische Begebung des Wechsels. Ausserdem steht fest, dass S. als Kollektivzeichnungsberechtigter Direktor der Beklagten Organstellung hatte.
Die Beklagte sieht jedoch in der Annahme der Vorinstanz, S. habe bei Herstellung der Wechselzeichnung und vor allem bei der Begebung in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen gehandelt, eine Verletzung von
Art. 718 Abs. 3 OR
. Es sei zwischen rein tatsächlichen unerlaubten Handlungen und solchen, die bei oder durch den Abschluss von Rechtsgeschäften begangen
BGE 105 II 289 S. 292
werden, zu unterscheiden. Für die ersteren habe die juristische Person einzutreten, wenn sie im Rahmen der Organkompetenz erfolgten, für die letzteren sei hingegen die Vertretungsmacht entscheidend. Schadenursache sei vorliegend eine beim oder durch den Abschluss eines Rechtsgeschäftes begangene unerlaubte Handlung. Weil eine nur kollektivzeichnungsberechtigte Organperson (allein) zum Abschluss von Rechtsgeschäften nicht befugt sei, habe S. nicht als zur Vertretung befugte Person und damit auch nicht in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen gehandelt.
5.
Art. 718 Abs. 3 OR
ist Anwendungsfall des in
Art. 55 Abs. 2 ZGB
statuierten Prinzips der Haftung juristischer Personen für unerlaubte Handlungen ihrer Organe (
BGE 89 II 250
,
BGE 66 II 251
; OFTINGER, Haftpflichtrecht II/1 S. 103; PORTMANN, Organ und Hilfsperson im Haftpflichtrecht, S. 40 f.).
a) Nach
Art. 55 Abs. 2 ZGB
verpflichten die Organe einer juristischen Person diese nicht nur durch den Abschluss von Rechtsgeschäften, sondern auch durch ihr sonstiges Verhalten. Erforderlich ist dabei, dass die Handlung ihrer Natur, ihrem Typus nach in den Bereich der Organkompetenz fällt. Nicht nötig ist hingegen, dass der Organperson auch Vertretungsbefugnis zusteht. Kollektivvertretung schliesst Haftung für unerlaubte Handlung eines Einzelnen nicht aus (
BGE 68 II 98
,
BGE 55 II 27
,
BGE 48 II 9
; EGGER, N. 18/19 zu Art. 54/55 ZGB).
b) Demgegenüber lässt
Art. 718 Abs. 3 OR
die Aktiengesellschaft (und entsprechend
Art. 814 Abs. 4 OR
die GmbH sowie
Art. 899 Abs. 3 OR
die Genossenschaft) für den Schaden aus unerlaubten Handlungen haften, welche eine zur Geschäftsführung oder zur Vertretung befugte Person in Ausübung ihrer geschäftlichen Verrichtungen begeht. Nach Lehre und Rechtsprechung ist hier wie bei
Art. 55 Abs. 2 ZGB
erforderlich und genügend, dass die Handlung im allgemeinen Rahmen der Organkompetenz liegt, mit dieser in funktionellem Zusammenhang steht (BÜRGI, N. 23 zu
Art. 718 OR
; SCHUCANY, N. 4 zu
Art. 718 OR
; W. VON STEIGER, N. 19 zu
Art. 814 OR
; GUTZWILLER, N. 50 zu
Art. 899 OR
). Die Haftung setzt nicht auch Vertretungsbefugnis voraus, wie schon der gesetzliche Wortlaut zeigt, der in Abs. 3 von
Art. 718 OR
im Unterschied zu Abs. 1 ausser den zur Vertretung auch den zur Geschäftsführung Befugten nennt, was unnötig wäre, wenn Vertretungsbefugnis stets erforderlich wäre. Dass diese nicht entscheidend ist, entspricht ebenfalls der Lehre
BGE 105 II 289 S. 293
(EGGER, N. 12 zu Art. 54/55 ZGB; BÜRGI, N. 20 zu
Art. 718 OR
; GUTZWILLER, N. 49 zu
Art. 899 OR
; BUCHER, OR allgemeiner Teil, S. 573) und ergibt sich besonders deutlich aus
BGE 89 II 251
, wo die Haftung einer Aktiengesellschaft bejaht wurde, obwohl die handelnde Organperson nur kollektivzeichnungsberechtigt war, was für die Haftung aus unerlaubter Handlung jedoch unerheblich sei. Im gleichen Sinn wurde in
BGE 104 II 197
das Wissen einer Organperson der Gesellschaft unbekümmert darum angerechnet, dass lediglich Kollektivzeichnungsbefugnis gegeben war.
c) Für die Auslegung von
Art. 718 Abs. 3 OR
beruft sich die Beklagte auch auf Lehre und Rechtsprechung zur Haftung der Kollektivgesellschaft für unerlaubte Handlungen eines Gesellschafters (
Art. 567 Abs. 3 OR
) und des Geschäftsherrn für unerlaubte Handlungen von Arbeitnehmern und andern Hilfspersonen (
Art. 55 Abs. 1 OR
), soweit diese in Ausübung dienstlicher bzw. geschäftlicher Verrichtungen begangen werden. Diese analogen Formulierungen dürfen immerhin nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich in diesen Fällen anders als bei den zuvor behandelten nicht um Haftung einer juristischen Person handelt, die selbst in ihren Organen tätig wird, sondern um ein Einstehenmüssen für einen Vertreter, was im Fall des Geschäftsherrn durch die Zulassung des Entlastungsbeweises betont wird (zur grundsätzlichen Unterscheidung BUCHER, a.a.O. S. 568 ff. und OSER/SCHÖNENBERGER, N. 4 zu
Art. 55 OR
). Im Zusammenhang mit
Art. 55 OR
bzw. Art. 62 aOR zitiert die Berufung drei ältere Bundesgerichtsentscheide (40 II 150, 35 II 615, 24 II 596), um Handeln im Rahmen der Vertretungsbefugnis als Haftungsvoraussetzung zu belegen. Weil anders als bei der Organhaftung weder eine allgemeine Organkompetenz noch der Gesellschaftszweck zur Abgrenzung der geschäftlichen Verrichtungen herangezogen werden können, stellen diese Entscheide teils auf die Vertretungsbefugnis, teils einfach auf die Obliegenheiten der unerlaubt handelnden Arbeitnehmer ab, weshalb die Beklagte hieraus für ihren Standpunkt nichts abzuleiten vermag.
6.
Mit mehr Berechtigung führt die Beklagte den Bundesgerichtsentscheid 66 II 249 ff. an, der zwar für die Kollektivgesellschaft ergangen ist, mit den Erwägungen aber darüber hinausgreift. Damals (1940) hatte das Bundesgericht folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Ein Gesellschafter gab sich einem Dritten gegenüber als einzelzeichnungsberechtigt aus und
BGE 105 II 289 S. 294
erwirkte Auszahlungen unter Abtretung von Guthaben, die sich die Gesellschaft mangels Kollektivzeichnung nicht entgegenhalten lassen musste. Das Bundesgericht lehnte im Gegensatz zur kantonalen Instanz eine Haftung der Gesellschaft aus
Art. 567 Abs. 3 OR
ab, weil der Gesellschafter nicht in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen gehandelt habe. Wenn eine unerlaubte Handlung beim oder durch den Abschluss von Rechtsgeschäften begangen werde, könne nur vom vertretungsberechtigten Gesellschafter gesagt werden, er handle in Ausübung seiner geschäftlichen Verrichtungen. Von der Vertretungsmacht könne nur bei solchen unerlaubten Handlungen abgesehen werden, die rein tatsächliche Verrichtungen darstellten, wie Patentverletzungen oder körperliche Schädigungen. Die gegenteilige Auffassung führe zu unhaltbaren Ergebnissen, nämlich zur Haftung der Gesellschaft für Schäden, die ein von der Vertretung ausdrücklich ausgeschlossener Gesellschafter dadurch stifte, dass er beim Abschluss eines Rechtsgeschäftes ausdrücklich oder stillschweigend Vertretungsberechtigung vorgebe. Das würde Haftung der Gesellschaft für Rechtsgeschäfte bedeuten, durch welche sie laut Gesellschaftsvertrag und Handelsregistereintrag sich nicht verpflichten wolle, und würde den Schutz weitgehend illusorisch machen, welchen das Gesetz damit der Gesellschaft gewähren wolle.
a) Auch abgesehen davon, dass für die Haftung einer juristischen Person nicht ohne weiteres wegleitend sein kann, was für jene einer Kollektivgesellschaft gilt, lässt sich das Gesagte schon vom Sachverhalt her nicht auf den streitigen Fall übertragen. In diesem vertraute der Dritte nämlich auf zwei dem Anschein nach gehörige Kollektivunterschriften, während in jenem für den Dritten erkennbar nur eine statt der erforderlichen zwei Unterschriften vorlag. In jener Situation durfte durchaus der Schutz der Gesellschaft gegen eigenmächtiges Handeln einer nur kollektivzeichnungsberechtigten Person im Vordergrund stehen, während es in der heute zu beurteilenden Sachlage entscheidend auf den mit
Art. 718 Abs. 3 OR
bezweckten Schutz des gutgläubigen Dritten ankommt. Dass die Klägerin hinsichtlich der Urkundenfälschung bösgläubig gewesen sei, wird von der Beklagten nicht behauptet. Sie bezeichnet lediglich als unerheblich, ob die Klägerin die Fälschung habe erkennen können, da sich der Wechselhalter die Einrede der Wechselfälschung stets entgegenhalten lassen
BGE 105 II 289 S. 295
müsse; ein haltloser Einwand, weil das zwar einen vertraglichen Anspruch aus Wechselrecht ausschliesst, nicht aber den ausservertraglichen Anspruch aus unerlaubter Handlung. In dieser Hinsicht muss die Gesellschaft das Risiko tragen, dass die von ihr eingesetzte Organperson Unterschriften fälscht, und es ist mit einer auch nur bescheidenen Verkehrssicherheit unvereinbar, dass dieses Risiko auf den gutgläubigen Dritten abgewälzt wird.
b) Die Berufung auf
BGE 66 II 253
kann der Beklagten somit nicht helfen. Es bleibt - zumindest für die Aktiengesellschaft - beim in
BGE 89 II 251
festgehaltenen Entscheid, wonach die Haftung der Gesellschaft für unerlaubte Handlung ihrer Organperson nicht davon berührt wird, ob diese nur kollektivzeichnungsberechtigt sei. Diesem Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass eine Bank für das Verhalten ihres kollektivzeichnungsberechtigten Direktors haftbar gemacht wurde, der durch Falschbuchungen die Ausstellung von Gutschriften durch zwei gutgläubige Prokuristen veranlasst hatte. Auch S. handelte vorliegend nicht nur, indem er auf der Urkunde seine eigene echte Unterschrift sowie die gefälschte von R. anbrachte, sondern er setzte überdies den Wechsel nachher in Verkehr, was er unbekümmert um die beschränkte Zeichnungsbefugnis als Einzelperson tun konnte. Hierin erblickt die Vorinstanz sogar die entscheidende Handlung, welche zur Schädigung Dritter geführt habe. Die Beklagte betrachtet dagegen die Fälschung als entscheidend und alles zusammen als Teil des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts. Da aber selbst aus dieser Sicht, wie ausgeführt, die beschränkte Vertretungsbefugnis belanglos ist, stösst auch diese Argumentation ins Leere. Davon abgesehen wäre die Inverkehrsetzung des Wechsels mindestens als haftungsbegründende Teilursache der Schädigung zu betrachten (
BGE 89 II 250
,
BGE 68 II 99
,
BGE 48 II 10
).
7.
Die Beklagte vermag sich daher ihrer Haftung für das deliktische Verhalten von S. nicht deswegen zu entziehen, weil dieser nur kollektivzeichnungsberechtigt war. Damit entfällt weitgehend die Grundlage der Berufung, da die übrigen Voraussetzungen von
Art. 718 Abs. 3 OR
weder bestritten noch gar widerlegt sind.
So ist vor Bundesgericht nicht streitig, dass S. bei der Ausstellung und Veräusserung des Wechsels im Rahmen seiner Organkompetenz als Finanzdirektor der Beklagten und im möglichen Bereich des Gesellschaftszwecks handelte. Freilich
BGE 105 II 289 S. 296
wird in der Berufung beiläufig darauf hingewiesen, dass die juristische Person nicht für Privatakte der Organperson hafte, auch wenn erst die Organstellung dazu Anlass und Gelegenheit biete. Die Beklagte leitet daraus aber nur und wiederum ab, dass S. nicht eigenmächtig und ohne Mitwirkung eines weiteren Zeichnungsberechtigten den Wechsel hätte zeichnen und weitergeben dürfen. Zu Recht beruft sich die Beklagte nicht darauf, dass S. allenfalls nur in seinem eigenen und nicht im Interesse der Beklagten gehandelt habe, weil darauf nichts ankommt und das bei solchen Vorkommnissen zudem der Regel entsprechen dürfte (
BGE 89 II 252
; EGGER, N. 19 zu
Art. 55 ZGB
; vgl. dagegen
BGE 95 II 450
ff. und dazu die Kritik von BUCHER, in Festausgabe W.F. Bürgi, S. 50 ff., und von MERZ, in Festschrift Harry Westermann, S. 401, ebenso BUCHER, OR allgemeiner Teil, S. 574).
Nachdem auch das Verschulden von S. und der Kausalzusammenhang mit der Schädigung unbestritten oder jedenfalls nicht mehr bestritten sind, durfte das Handelsgericht die Haftung der Beklagten für den Schaden der Klägerin infolge unerlaubter Handlungen von S. bejahen. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob das angefochtene Urteil die Haftung der Beklagten zu Recht auch auf unerlaubte Handlungen ihres Generaldirektors G. stützt. Auf die entsprechenden Rechtsrügen der Berufung ist sowenig einzutreten wie auf die damit zusammenhängenden Versehensrügen.
8.
(Ausführungen darüber, dass die Klägerin kein Selbstverschulden trifft, da sie ihre Sorgfaltspflicht nicht verletzt hat.)
9.
Damit wird die Beklagte für das Berufungsverfahren kosten- und gegenüber der Klägerin entschädigungspflichtig. Die Nebenintervenientin Merban Corporation, die ebenfalls Abweisung der Berufung unter Kosten- und Entschädigungsfolge beantragt, obsiegt mit der Klägerin. Das Organisationsgesetz bestimmt nicht, ob auch der Nebenpartei ein Entschädigungsanspruch zusteht; gemäss
Art. 53 Abs. 1 Satz 2 OG
wäre diesbezüglich kantonales Recht anwendbar. Nach zürcherischem Prozessrecht entfällt die Kostenpflicht des den Prozess nicht übernehmenden Nebenintervenienten (
§ 67 Abs. 2 ZPO
) ebenso wie ein Entschädigungsanspruch desselben (STRÄULI/MESSMER, N. 3 zu § 68 und N. 1 zu
§ 45 ZPO
).
Art. 69 Abs. 2 Satz 2 BZP
stellt die Beteiligung der Nebenpartei an der Kosten- und Entschädigungsregelung indessen ins richterliche Ermessen, was gemäss
Art. 40 OG
auch für das Berufungsverfahren
BGE 105 II 289 S. 297
zu gelten hat und damit den genannten Rückgriff auf das kantonale Recht ausschliessen dürfte. Von dessen Lösung abzuweichen besteht gleichwohl umso weniger Anlass, als sie auch grundsätzlich als richtig erscheint (GULDENER, Zivilprozessrecht, 3. Auflage, S. 408). | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
66729588-5137-489e-85d5-9492ba97d458 | Urteilskopf
137 IV 215
31. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public dans la cause Ministère public central du canton de Vaud contre A. (recours en matière pénale)
1B_195/2011 du 28 juin 2011 | Regeste
Verfahrensleitung durch das Zwangsmassnahmengericht; amtliche Verteidigung vor diesem Gericht;
Art. 61 und 131 ff. StPO
.
Obwohl das Zwangsmassnahmengericht in
Art. 61 StPO
nicht explizit erwähnt wird, obliegt diesem in allen Verfahren, die in seine Zuständigkeit fallen, die Verfahrensleitung. Insoweit ist das Zwangsmassnahmengericht zuständig für die Sicherstellung der notwendigen Verteidigung und für die Anordnung und Bestellung einer amtlichen Verteidigung (E. 2.3).
Die Verfahrensleitung durch das Zwangsmassnahmengericht beschränkt sich auf Verfahren, die sich in seiner Zuständigkeit abwickeln. Die Staatsanwaltschaft behält folglich die Verfahrensleitung für alle Angelegenheiten, die in ihre eigene Zuständigkeit fallen (E. 2.4). | Sachverhalt
ab Seite 216
BGE 137 IV 215 S. 216
A.
Le Ministère public de l'arrondissement de l'Est vaudois a requis du Tribunal des mesures de contrainte du canton de Vaud (ci-après: le Tmc) la mise en détention provisoire de A. Estimant que la présence d'un avocat d'office était nécessaire pour l'audience de mise en détention provisoire, le Tmc a fait appel à la permanence des avocats du canton de Vaud, qui a attribué le dossier à Me X. Le 20 janvier 2011, après avoir entendu A. en présence de l'avocat précité, le Tmc a ordonné la détention provisoire du prévenu pour une durée maximale de quarante-cinq jours. Par ordonnance du 21 janvier 2011, le Tmc a désigné Me X. en qualité de défenseur d'office de A., avec effet au 20 janvier 2011, au motif que la présence d'un avocat d'office était nécessaire pour l'audience de mise en détention provisoire.
B.
Le Ministère public a recouru contre cette ordonnance auprès de la Chambre des recours pénale du Tribunal cantonal du canton de Vaud (ci-après: le Tribunal cantonal), en soutenant que le Tmc ne pouvait pas statuer sur la défense d'office du prévenu, cette compétence appartenant exclusivement aux autorités de direction de la procédure énumérées à l'art. 61 du Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (CPP; RS 312.0). Le Tribunal cantonal a rejeté le recours par arrêt du 23 mars 2011, considérant en substance que le Tmc était compétent pour désigner un avocat d'office au prévenu, le mandat de ce défenseur étant limité à la défense des intérêts de son client devant ce tribunal uniquement.
C.
Agissant par la voie du recours en matière pénale, le Ministère public central du canton de Vaud demande au Tribunal fédéral d'annuler cet arrêt ainsi que l'ordonnance du Tmc du 21 janvier 2011. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure de sa recevabilité.
(résumé)
BGE 137 IV 215 S. 217
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le Ministère public recourant soutient que le Tribunal des mesures de contrainte n'est pas compétent pour désigner un défenseur d'office, cette compétence incombant exclusivement aux autorités de direction de la procédure énumérées à l'
art. 61 CPP
.
2.1
Selon les art. 132 al. 1 et 133 al. 1 CPP, c'est à la direction de la procédure qu'il incombe d'ordonner la défense d'office et de désigner le défenseur d'office. Aux termes de l'
art. 61 CPP
, l'autorité investie de la direction de la procédure est le ministère public jusqu'à la décision de classement ou la mise en accusation (let. a), l'autorité pénale compétente en matière de contraventions, s'agissant d'une procédure de répression des contraventions (let. b), le président du tribunal, s'agissant d'une procédure devant un tribunal collégial (let. c) et le juge, s'agissant d'une procédure devant un juge unique (let. d).
2.2
L'avant-projet du code de procédure pénale prévoyait que "la direction de la procédure du tribunal des mesures de contrainte", statuant sur requête du ministère public, était compétente pour désigner le défenseur d'office (art. 139 al. 1 AP-CPP). Or, la version du CPP adoptée le 5 octobre 2007 mentionne seulement "la direction de la procédure compétente au stade considéré" (
art. 133 al. 1 CPP
). Il est possible que cette modification réponde aux inquiétudes exprimées par certains participants à la procédure de consultation, qui craignaient qu'une décision du Tmc sur proposition du ministère public aille à l'encontre du principe de célérité (Département fédéral de justice et police, Synthèse des résultats de la procédure de consultation relative aux avant-projets de CPP et de loi fédérale régissant la procédure pénale applicable aux mineurs, 2003, p. 41). Rien n'indique cependant que le législateur ait voulu exclure toute compétence du Tmc en la matière, notamment pour les procédures qui se déroulent devant lui.
2.3
Il est vrai que le tribunal des mesures de contrainte ne figure pas expressément parmi les autorités de direction de la procédure énumérées à l'
art. 61 CPP
. Il s'agit néanmoins d'un tribunal, qui a des attributions judiciaires au même titre que le tribunal de première instance, l'autorité de recours ou la juridiction d'appel (
art. 13 CPP
). Il est ainsi compétent pour ordonner la détention provisoire et la détention pour motifs de sûreté, ainsi que d'autres mesures de contrainte lorsque le code le prévoit (
art. 18 CPP
). En matière de détention, il a des prérogatives étendues puisqu'il peut ordonner la détention
BGE 137 IV 215 S. 218
provisoire (
art. 220 al. 1 et 224 ss CPP
) et la prolongation de celle-ci (
art. 227 CPP
), statuer sur les demandes de libération de la détention provisoire rejetées par le ministère public (
art. 228 al. 4 CPP
), ordonner la détention pour des motifs de sûreté (
art. 229 CPP
) et statuer sur la libération de la détention pour des motifs de sûreté durant la procédure de première instance, en cas de refus de la direction de la procédure de première instance (
art. 230 al. 3 CPP
) ou en cas de désaccord entre celle-ci et le ministère public (
art. 230 al. 4 CPP
).
Dans ces conditions, le tribunal des mesures de contrainte apparaît comme un tribunal à part entière et rien ne justifie de le traiter différemment des tribunaux collégiaux et des juges uniques visés par l'
art. 61 let
. c et d CPP. Le Tmc doit par conséquent être investi de la direction de la procédure qui se déroule devant lui, en raison notamment des larges compétences que lui confère le code (cf. ADRIAN JENT, in Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, n° 11 ad
art. 61 CPP
). De plus, dès lors que le code impose à la direction de la procédure de s'assurer du bon déroulement et de la légalité de la procédure (
art. 62 al. 1 CPP
), il apparaît cohérent que le Tmc soit responsable de ces questions pour les procédures dont il a la charge. Devant le Tmc, le ministère public a en effet un statut largement assimilable à celui de partie, de sorte qu'il ne saurait être le garant du bon déroulement de cette procédure. C'est dès lors au Tmc qu'il incombe d'assumer cette responsabilité, en s'assurant en particulier du respect du droit d'être entendu garanti notamment par l'
art. 107 CPP
. Il appartient ainsi au Tmc de mettre en oeuvre la défense obligatoire, d'ordonner une défense d'office et de désigner un défenseur d'office pour les procédures dont il a la charge (cf. également DANIEL LOGOS, in Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, n° 17 ad
art. 225 CPP
; FABIO RIGHETTI, in Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Goldschmid/Maurer/Sollberger [éd.], 2008, p. 211).
2.4
En définitive, le Tmc est investi de la direction de la procédure au sens de l'
art. 61 let
. c et d pour les procédures qui sont de son ressort. La direction de la procédure incombe au président de ce tribunal si celui-ci est constitué en tribunal collégial (
art. 61 let
. c CPP) et au juge si, comme c'est le cas dans le canton de Vaud, le tribunal en question est formé d'un juge unique (
art. 61 let
. d CPP).
Le ministère public conserve en revanche la direction de la procédure pour ce qui concerne ses compétences propres, telles qu'elles sont définies à l'
art. 16 CPP
. Ainsi, les prérogatives du Tmc en qualité de
BGE 137 IV 215 S. 219
la direction de la procédure se limitent à la procédure qui se déroule devant lui, de sorte que le risque de décisions contradictoires peut être écarté. Concernant en particulier la défense d'office, le Tmc se limitera à l'ordonner pour la procédure dont il a la charge. | null | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6672da6e-6bee-4856-8134-3c758450b084 | Urteilskopf
92 II 48
7. Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. März 1966 i.S. Ulrich Steinemann AG gegen Theodor Hymmen K.G. | Regeste
Erfindungspatent. Nichtigkeit. Einschränkung.
1. Begriff der Erfindung (
Art. 1 PatG
). Kriterien der Neuheit, des technischen Fortschritts und der Erfindungshöhe (Erw. 2).
2. Übertragungserfindung? Fehlen einer entsprechenden Definition (Art. 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 PatG; Erw. 3). Fehlende Erfindungshöhe (Erw. 4).
3. Einschränkung des Patentes wegen Teilnichtigkeit (
Art. 27 und 24 Abs. 1 lit. c PatG
)? Der neugefasste Patentanspruch darf nicht eine Erfindung betreffen, die in der veröffentlichten Patentschriftnicht erwähnt ist (Erw. 6 a). Erfindungshöhe der durch den neugefassten Patentanspruch definierten Kombinationserfindung? (Erw. 6 b). | Sachverhalt
ab Seite 49
BGE 92 II 48 S. 49
A.-
Die Ulrich Steinemann AG in St. Gallen ist als Rechtsnachfolgerin des Erfinders Walter Zehnder Inhaberin des am 26. Januar 1955 angemeldeten und am 15. Juli 1959 eingetragenen schweizerischen Hauptpatentes Nr. 339'840 für eine "Vorrichtung zum Auftragen von Lackschichten". Die An sprüche lauten gemäss Patentschrift:
"Patentanspruch Vorrichtung zum Auftragen von Lackschichten, bei der der Lack durch eine schlitzförmige Öffnung eines Lackbehälters auf ein bewegtes, mit der Lackschicht zu überziehendes Objekt ausfliesst, dadurch gekennzeichnet, dass der Schlitzgiesser in einer solchen Höhe über dem zu überziehenden Gegenstand angeordnet und die Schlitzweite so gewählt ist, dass sich ein frei fallender Lackschleier ausbildet.
BGE 92 II 48 S. 50
Unteransprüche
1. Vorrichtung nach Patentanspruch, gekennzeichnet durch zwei sich zu beiden Seiten des Schlitzgiessers erstreckende Förderbänder für die zu lackierenden Gegenstände, zwischen denen unterhalb des Schlitzgiessers eine mit einem Vorratsbehälter für den Lack verbundene Auffangrinne für den Lack angeordnet ist,
2. Vorrichtung nach Patentanspruch und Unteranspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass eine Förderpumpe den Lack vom Vorratsbehälter in den Schlitzgiesser fördert und dass dieser einen Überlauf zum Vorratsbehälter hat.
3. Vorrichtung nach Patentanspruch und Unteranspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Höhe des Schlitzgiessers über den Förderbändern und die Höhe des Überlaufes am Schlitzgiesser einstellbar sind."
Unter Benützung dieses Patentes stellt die Ulrich Steinemann AG Maschinen zum Lackieren von Werkstücken (insbesondere Möbelteilen) her, die wie folgt arbeiten: zwei waagrechte gleichlaufende Förderbänder, von denen das eine dem andern in der Laufrichtung mit einem gewissen Abstand folgt, führen die Werkstücke unter einem über der Lücke zwischen den Förderbändern angebrachten Lackbehälter hindurch, der den Lack aus einem quer zur Förderbahn verlaufenden waagrechten Schlitz in Form eines dichten, beim Niederfallen sich verdünnenden Schleiers ausfliessen lässt. Die Weite des Schlitzes und die Höhe des Lackbehälters werden so eingestellt, dass der Schleier, auf das zweckmässige Mass verdünnt, mit einer der Laufgeschwindigkeit der Förderbänder entsprechenden Fallgeschwindigkeit auf die zu lackierenden Gegenstände trifft. So entsteht auf diesen Gegenständen eine gleichmässige, von Rissen und Stauungen freie Lackschicht von der gewünschten Dicke. Der nicht auf diese Gegenstände fallende Lack wird durch eine zwischen den Förderbändern liegende Auffangrinne gesammelt.
B.-
Die Theodor Hymmen K.G. in Bielefeld (Deutschland) stellt gleichartige Maschinen her und lieferte mindestens eine solche in die Schweiz. Von der Ulrich Steinemann AG mit einer am 16. Februar 1961 beim Handelsgericht des Kantons Zürich eingereichten Klage wegen Patentverletzung belangt, erhob sie Widerklage auf Nichtigerklärung des Patentes Nr. 339'840. Das Handelsgericht verwies dieses Begehren in ein selbständiges Verfahren mit der Theodor Hymmen K.G. als
BGE 92 II 48 S. 51
Klägerin und der Ulrich Steinemann AG als Beklagter. Nach Einholung eines Gutachtens erklärte es das streitige Patent mit Urteil vom 21. September 1965 für nichtig. Die von den Sachverständigen vorgeschlagene und vom Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum als zulässig erachtete Einschränkung des Patentes lehnte es ab.
C.-
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit den Anträgen, die Nichtigkeitsklage abzuweisen, eventuell das streitige Patent (nötigenfalls nach Einholung eines ergänzenden Gutachtens) "durch folgende Fassung des Patentanspruches teilweise zu vernichten:
Vorrichtung zum Auftragen von Lackschichten, bei der der Lack durch eine schlitzförmige Öffnung eines Lackbehälters auf ein bewegtes mit der Lackschicht zu überziehendes Objekt in Form eines freifallenden Schleiers ausfliesst, dadurch gekennzeichnet, dass der Schlitzgiesser in seiner Höhe über dem zu überziehenden Gegenstand einstellbar angeordnet und die Schlitzbreite wählbar ist."
Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung
1.
Das streitige Patent wurde vor dem Inkrafttreten des revidierten Patentgesetzes vom 25. Juni 1954 (1. Januar 1956) angemeldet, aber erst nachher erteilt. Daher unterliegt es in jeder Beziehung diesem Gesetze (Gegenschluss aus
Art. 112 PatG
).
2.
Nach
Art. 26 Abs. 1 Ziff. 1 PatG
ist ein Patent durch den Richter auf Klage hin nichtig zu erklären, wenn die Voraussetzungen des ersten Absatzes von Artikel 1 nicht erfüllt sind, d.h. wenn das Patent nicht eine neue gewerblich anwendbare Erfindung zum Gegenstand hat.
Der Gegenstand des Patentes ist dem Patentanspruch und den Unteransprüchen zu entnehmen. Zur Auslegung der Ansprüche, die nach Treu und Glauben zu erfolgen hat (
BGE 85 II 136
mit Hinweisen), darf gemäss
Art. 50 Abs. 2 PatG
die Beschreibung herangezogen werden.
Zum Begriff der Erfindung im Sinne von
Art. 1 Abs. 1 PatG
gehört, dass die technische Lehre, in der sie liegen soll, einen klar erkennbaren technischen Fortschritt bringt und zudem Erfindungshöhe besitzt, d.h. nicht im Bereich der Lösungen bleibt, die der Stand der Technik zur Zeit der Patentanmeldung
BGE 92 II 48 S. 52
dem durchschnittlich gut ausgebildeten Fachmann nahelegte, sondern auf einer schöpferischen Leistung beruht, die über eine solche Fortentwicklung hinausgeht (
BGE 85 II 138
ff. mit Hinweisen,
BGE 85 II 513
,
BGE 89 II 109
und 167). Als neu gilt eine Erfindung gemäss
Art. 7 Abs. 1 PatG
, wenn sie vor der Patentanmeldung weder im Inland derart offenkundig geworden noch durch veröffentlichte Schrift- oder Bildwerke derart dargelegt worden ist, dass der Fachmann sie danach ausführen kann. Beim Entscheid über die Fragen der Neuheit und des technischen Fortschrittes sind die vorbekannten Lösungen der Lehre des streitigen Patentes einzeln gegenüberzustellen. Bei Beurteilung der Erfindungshöhe ist dagegen von dem zur Zeit der Patentanmeldung vorhandenen Stande der Technik in seiner Gesamtheit, d.h. vom Inbegriff dessen auszugehen, was damals an Lösungen bekannt war (
BGE 89 II 109
, Absatz 2 des Zitats aus dem Urteil vom 31. Mai 1955 i.S. Bollhalter gegen Fleischer GmbH).
Die vom Handelsgericht beigezogenen Sachverständigen stellten fest, am Tag der Anmeldung des streitigen Patentes seien von den durch den Patentanspruch und die Unteransprüche vorgeschlagenen Vorkehren die Verwendung freifallender Lackschleier, die Höhenregelung des Schlitzgiessers in beschränktem Masse, die Regelung der Schlitzbreite und -länge und die Verwendung von zwei Förderbändern sowie von Auffangrinnen und Förderpumpen für den Lack bekannt gewesen. Zum Stand der Technik hätten auch Verbindungen von zweien oder mehreren dieser Vorkehren gehört. Gestützt auf diese Feststellungen gelangten sie, von den dargelegten Grundsätzen ausgehend, zum Schlusse, "dass sämtliche Ansprüche in ihrer derzeitigen Form - auch bei jedwelcher Kombinierung untereinander - zu keiner am Tag der Anmeldung des Patents noch schutzfähigen Erfindung führen können." Sie verneinten auch die Frage, ob eine Übertragungs- oder eine Funktionserfindung vorliege. Das Handelsgericht stimmte diesen Schlussfolgerungen zu.
Die Beklagte beanstandet das angefochtene Urteil in diesem Punkte nur insoweit, als es das Vorliegen einer Übertragungserfindung verneint. Sie macht geltend, die Erfindung gemäss dem Streitpatent sei eine typische Übertragungserfindung, "d.h. eine Erfindung, deren die Patentwürdigkeit begründendes Element in der Idee zu suchen ist, eine auf anderen Gebieten schon bekannte Idee auf ein neues technisches Gebiet anzuwenden".
BGE 92 II 48 S. 53
Als erfinderisch betrachtet sie am streitigen Patent in seiner gegenwärtigen Fassung nur noch den Gedanken, eine auf dem Gebiet der Tonwaren- und der Konservenbüchsenindustrie bereits bekannte Lösung auf das Gebiet der Möbelindustrie zu übertragen. Sie geht also heute selber davon aus, dass der Patentanspruch und die Unteransprüche ihres Patentes eine an sich bekannte Lösung verwerten und abgesehen vom Übertragungsgedanken nichts enthalten, was als patentwürdige Erfindung gelten könnte. In der Tat ist die durch den Patentanspruch und die Unteransprüche definierte Vorrichtung als solche angesichts des Standes der Technik zur Zeit der Patentanmeldung (besonders im Hinblick auf die deutschen Patentschriften Nr. 156'267 und 716'829 und die britische Patentschrift Nr. 250'400) auf jeden Fall mangels Erfindungshöhe nicht schützbar. Es bleibt daher nur zu prüfen, ob eine patentwürdige Übertragungserfindung vorliege.
3.
Die Beklagte erblickt die nach ihrer Auffassung vorliegende Übertragungserfindung in der Verwendung einer bestimmten Vorrichtung auf einem Gebiet, wo sie bisher nicht verwendet wurde.
Der Patentbewerber hat nach
Art. 51 Abs. 1 PatG
für jedes Patent einen Patentanspruch aufzustellen, in welchem er die Erfindung definiert. Der Patentanspruch darf nach
Art. 52 Abs. 1 PatG
nur eine einzige Erfindung definieren. Indem
Art. 52 Abs. 1 PatG
weiter bestimmt, dass als Erfindung entweder ein Verfahren oder ein Erzeugnis, ein Ausführungsmittel oder eine Vorrichtung oder eine Anwendung eines Verfahrens oder eine Verwendung eines Erzeugnisses zu definieren sei, stellt er fest, dass es sich dabei um verschiedene Arten von Erfindungen handelt. Will der Patentbewerber nicht eine Vorrichtung als solche, sondern eine bestimmte Verwendung als Erfindung patentieren lassen, so muss er das folglich im Patentanspruch zum Ausdruck bringen.
Der Patentanspruch und die Unteransprüche des streitigen Patentes sagen nicht, die Erfindung bestehe in der Verwendung einer bereits anderswo benützten Vorrichtung zur Lackierung von Möbelteilen. Sie sprechen überhaupt nicht von solchen, sondern allgemein von einem mit einer Lackschicht zu überziehenden "Objekt" oder "Gegenstand". Die Patentbeschreibung erwähnt das Überziehen von Möbelteilen nur als Beispiel einer Anwendung der erfindungsgemässen Vorrichtung (".. zum
BGE 92 II 48 S. 54
Überziehen fester Gegenstände mit einer Lackschicht, insbesondere von Möbelteilen mit unebener Oberfläche"). Mit dieser Fassung der Ansprüche und der zu ihrer Auslegung heranzuziehenden Beschreibung bekundete der Patentbewerber geradezu, dass er den erfinderischen Gedanken nicht in der Verwendung der Vorrichtung auf einem neuen Gebiet sah, sondern dass er die Vorrichtung als solche geschützt wissen wollte, gleichgültig in welchem Gewerbezweig sie verwendet werde.
Das streitige Patent kann daher schon mangels entsprechender Definition der Erfindung nicht als Patent für die von der Beklagten behauptete Übertragungserfindung Bestand haben.
4.
Die streitige Erfindung als Übertragungserfindung zu schützen, wäre auch dann nicht möglich, wenn der Patentanspruch zum Ausdruck brächte, dass der erfinderische Gedanke in der Verwendung der Vorrichtung auf einem neuen Gebiet liege.
Die Übertragung einer vorbekannten Lösung auf neue Gebiete stellt in der Regel nicht eine patentwürdige Erfindung dar, sondern gehört zu den Vorkehren, die der Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann nahelegt (vgl. BLUM/PEDRAZZINI, Anm. 33 zu
Art. 1 PatG
, S. 147). Sie wird erst dann zur Erfindung, wenn der Gedanke, die Übertragung vorzunehmen, über das von einem Durchschnittsfachmann zu Erwartende hinausging und daher erfinderisch war oder wenn bei der Übertragung Schwierigkeiten zu überwinden waren (
BGE 44 II 203
,
BGE 56 II 148
).
Die Aufgabe, eine bessere Vorrichtung für das Lackieren von Möbelteilen zu finden, stellte sich nicht in erster Linie dem Fachmann der Möbelindustrie, sondern jenem der Technik des Auftragens von Farben und Begussmassen auf die verschiedensten festen Gegenstände. Für einen Fachmann dieser - u.a. von der Maschinenindustrie gepflegten - Technik lag es nahe, die Lösungen, die für das Überziehen von stark profilierten Tonwaren, von Konservenbüchsen, Ziegeln und ähnlichen Gegenständen mit Glasur oder Lack gefunden worden waren (vgl. die erwähnten ausländischen Patentschriften), auf das Überziehen anderer Gegenstände, insbesondere auf das Lackieren unebener Möbelteile, zu übertragen. Dass dieser Übertragung Bedenken der Fachwelt entgegengestanden hätten (vgl. REIMER, 2. Aufl. 1958, Anm. 36 zu § 1 des deutschen PatG, S. 36), behauptet die Beklagte selber nicht. Der Übertragungsgedanke
BGE 92 II 48 S. 55
war also nicht erfinderisch. Daran ändert nichts, dass nicht ein Fachmann des massgebenden Zweiges der Technik, sondern ein Schreiner das Patent anmeldete und dass die damit vorgeschlagene Lösung im Bereich der Möbelindustrie zu einem erheblichen technischen Fortschritt führte.
Der Umstand, dass die Verwendung der fraglichen Lösung im Gebiet dieser Industrie lange auf sich warten liess, vermag den Schluss, dass dem Übertragungsgedanken die Erfindungshöhe fehlte, nicht zu widerlegen. Diese Verzögerung kann auf blosse Untätigkeit, auf das Festhalten am Bisherigen oder - wie die Klägerin mit Recht bemerkte - auch auf die Entwicklung des Möbelstils und der Lackfabrikation zurückzuführen sein. Auch der Verwirklichung des erwähnten Gedankens standen keine Schwierigkeiten im Weg, die nicht jeder durchschnittlich ausgebildete Fachmann der Technik des Lackierens überwinden konnte.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer patentwürdigen Übertragungserfindung sind also nicht gegeben.
5.
Kann das streitige Patent in seiner heute vorliegenden Fassung aus den angeführten Gründen nicht geschützt werden, so kann dahingestellt bleiben, ob es, wie das Handelsgericht angenommen hat, auch mangels einer die Ausführung durch den Fachmann erlaubenden Darlegung der Erfindung durch die Patentschrift (
Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3 PatG
) nichtig sei oder ob in diesem Punkte die gegenteilige Auffassung der Sachverständigen den Vorzug verdiene.
6.
Zu prüfen bleibt, ob das angefochtene Patent gemäss dem Eventualantrag der Beklagten in Anwendung von
Art. 27 und 24 Abs. 1 lit. c PatG
wegen blosser Teilnichtigkeit entsprechend dem Vorschlag der Sachverständigen einzuschränken sei.
a) Die vorgeschlagene Neufassung des Patentanspruchs definiert eine Kombinationserfindung, die darin bestehen soll, dass die Höhe des Schlitzgiessers über dem Werkstück einstellbar und die Schlitzbreite wählbar ist, damit die Dicke und die Fallgeschwindigkeit des Lackschleiers beim Auftreffen auf das Werkstück nach Wunsch geregelt werden können.
Die Einstellbarkeit der Höhe des Schlitzgiessers wird im Unteranspruch 3 erwähnt und in der Beschreibung als zweckmässig bezeichnet. Die Beschreibung sagt auch, die Schlitzbreite (und/oder Schlitzlänge) könne eingestellt werden, was der Patentanspruch wenigstens andeutet ("... Schlitzweite so
BGE 92 II 48 S. 56
gewählt ..."). Der Patentschrift lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass die Kombination dieser beiden Elemente die Erfindung ausmache oder zu ihr gehöre. Die Sachverständigen schlagen also nicht eine Einschränkung der angefochtenen Patentansprüche vor, sondern deren Ersetzung durch einen Anspruch, der eine in der Patentschrift nicht erwähnte Erfindung definiert. Eine solche Änderung ist nach
Art. 27 und 24 Abs. 1 lit. c PatG
nicht statthaft.
b) Die durch den neugefassten Patentanspruch umschriebene Lösung ist zudem mangels Erfindungshöhe nicht patentwürdig. Sie unterscheidet sich von der Erfindung gemäss der britischen Patentschrift Nr. 250'400, die einen in der Breite verstellbaren Schlitz und einen freifallenden Lackschleier verwendet, im wesentlichen nur dadurch, dass zu diesen Merkmalen die Einstellbarkeit der Höhe des Schlitzgiessers über dem Werkstück hinzutritt. Diese Verbesserung lag entgegen der Auffassung der Sachverständigen nahe. Dass die Fallgeschwindigkeit mit der Fallhöhe zunimmt und dass sich der Querschnitt fallender Flüssigkeitsmengen mit zunehmender Fallhöhe verringert, bis die Flüssigkeit in Tropfen zerfällt, gehört zu den elementaren Lehren der Physik, mit denen schon die Erfahrung des täglichen Lebens vertraut macht. Es lag daher für einen durchschnittlich ausgebildeten Fachmann der Lackiertechnik auf der Hand, die Höhe des Schlitzgiessers verstellbar zu machen, wenn er erreichen wollte, dass die Dicke und die Fallgeschwindigkeit des Lackschleiers beim Auftreten auf das Werkstück nach Wunsch geregelt werden können.
Diese Gründe verbieten, das streitige Patent nur teilweise nichtig zu erklären und den Patentanspruch im vorgeschlagenen Sinne neu zu fassen. Zur Einholung eines ergänzenden Gutachtens besteht kein Anlass.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons Zürich vom 21. September 1965 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6672f920-367f-4de9-bcd9-3f4d7f6b8b68 | Urteilskopf
108 IV 52
14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Januar 1982 i.S. S. gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 32 Abs. 2, 106 Abs. 1 SVG,
Art. 115 SSV
.
Die Anordnung des Versuchs "Tempo 50" und dessen Signalisierung sind gesetzmässig. | Sachverhalt
ab Seite 52
BGE 108 IV 52 S. 52
a) Gemäss
Art. 32 Abs. 2 SVG
beschränkt der Bundesrat die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen. Die vom Bundesrat festgesetzte Höchstgeschwindigkeit kann für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen kantonalen Behörde und auf den Nationalstrassen vom EJPD herab- oder hinaufgesetzt werden (Abs. 3 von
Art. 32 SVG
).
In
Art. 4a Abs. 1 VRV
hat der Bundesrat in Ausführung von
Art. 32 Abs. 2 SVG
die zulässigen allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten festgelegt. Danach gilt zur Zeit in Ortschaften die Limite von 60 km/h, soweit nicht eine abweichende Höchstgeschwindigkeit signalisiert ist (
Art. 4a Abs. 5 VRV
).
b) Gestützt auf
Art. 32 Abs. 2 SVG
erliess der Bundesrat am 8. November 1978 eine Verordnung über die Durchführung eines zeitlich und örtlich beschränkten Versuches mit Tempo 50 innerorts (SR 741.121.1, im folgenden als VoBR 1978 bezeichnet). In Art. 1 dieser Verordnung wird das EJPD ermächtigt, "anstelle
BGE 108 IV 52 S. 53
der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h innerorts, im Einvernehmen mit den Kantonen in einer beschränkten Zahl von Ortschaften und Regionen für eine beschränkte Zeit versuchsweise eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h einzuführen". Dieser Versuch ist wissenschaftlich auszuwerten. - Die Verordnung trat am 8. November 1978 in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 1982 (Art. 2).
c) Gestützt auf diese "Ermächtigung", die einem eigentlichen Auftrag gleichkommt, hat das EJPD am 21. April 1980 (in einer Verordnung, SR 741.121.11) die Einzelheiten des Versuchs geregelt und insbesondere die Versuchsgebiete in einer Liste festgelegt.
d) Für die Signalisation des Versuchs hat das EJPD gestützt auf
Art. 115 Abs. 1 und 2 SSV
in einem an die kantonalen Behörden gerichteten, nicht veröffentlichten Kreisschreiben vom 2. Juni 1980 folgende Anordnung getroffen:
"Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/Std. in den Ortschaften, die sich am Versuch "Tempo 50" beteiligen, wird durch das Signal "Höchstgeschwindigkeit 50 km/Std." (2.30) angezeigt, das im oberen Feld des roten Signalrandes die Aufschrift "GENERELL" bzw. "Limite générale" in weissen, 7 cm hohen Buchstaben (Höhe des grossen Buchstabens) ... trägt."
(Diese Regelung wird im Kreisschreiben durch Abbildungen des speziellen Signals in deutscher und französischer Sprache ergänzt.)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Es ist unbestritten, dass das angefochtene Bussenurteil nicht zu beanstanden ist, sofern die Anordnung der versuchsweisen zeitlich und örtlich beschränkten Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf einer genügenden Rechtsgrundlage beruht und in gültiger Weise signalisiert wurde. Die mit der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen Einwände richten sich nicht gegen die Auslegung der Vorschriften im konkreten Fall, sondern gegen die rechtliche Zulässigkeit des Versuchs an sich und die Art der Signalisierung.
Innerhalb eines kurzen Zeitraumes gingen beim Bundesgericht vier Beschwerden ein, die weitgehend die gleichen rechtlichen Fragen aufwerfen und zu einem grossen Teil gleiche oder ähnliche Argumente enthalten. Die nachfolgenden Erwägungen über die Rechtsgültigkeit des Versuchs "Tempo 50" und der entsprechenden
BGE 108 IV 52 S. 54
Signalisierung beziehen sich sinngemäss auf alle vier Beschwerden und behandeln die Gesamtheit der vorgebrachten Einwendungen in systematischer Reihenfolge.
3.
Gemäss
Art. 32 Abs. 2 SVG
hat der Bundesrat für alle Strassen Höchstgeschwindigkeiten festzusetzen. Diese Weisung des Gesetzgebers an die Vollzugsbehörde umfasst vor allem auch den Auftrag, Vorschriften über die zulässige Höchstgeschwindigkeit in den Ortschaften (innerorts) zu erlassen. In der frühern Fassung enthielt das Gesetz selber die Regel, dass in Ortschaften die Geschwindigkeit unter Vorbehalt besonderer Anordnungen 60 km/h nicht übersteigen dürfe. Der neue Abs. 2 von
Art. 32 SVG
(gemäss BG vom 20. März 1975) überlässt dem Bundesrat die Bestimmung der generellen Höchstgeschwindigkeiten, während die Anordnung örtlicher Ausnahmen von der allgemeinen Limitierung in die Kompetenz der zuständigen kantonalen Behörde bzw. für die Nationalstrassen in die Kompetenz des EJPD fällt.
In
Art. 4a VRV
hat der Bundesrat gemäss dem gesetzlichen Auftrag allgemeine Höchstgeschwindigkeiten festgesetzt. Indem er im November 1978 beschloss, eine Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit innerorts von 60 km/h auf 50 km/h zu prüfen, und zu diesem Zweck die versuchsweise Einführung der herabgesetzten Limite in bestimmten Gebieten anordnete, handelte er in dem ihm vom Gesetz delegierten Bereich der Festsetzung der Höchstgeschwindigkeit. Die Abgrenzung des Versuchsgebietes kann nicht einer durch die örtlichen Gegebenheiten begründeten Abweichung (
Art. 32 Abs. 3 SVG
) von der allgemein geltenden Limite gleichgestellt werden. Es geht dabei nicht um die Berücksichtigung der Besonderheiten bestimmter Strassenstrecken, die gemäss
Art. 32 Abs. 3 SVG
in die Zuständigkeit kantonaler Behörden (bzw. des EJPD) fallen würde, sondern um die Gewinnung von Entscheidungsgrundlagen für eine eventuelle Änderung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit innerorts. Die Rüge, der Bundesrat greife mit dem Versuch "Tempo 50" in die den Kantonen vorbehaltene Zuständigkeit zur Anordnung abweichender Höchstgeschwindigkeiten innerorts (auf bestimmten Strecken) ein, ist unbegründet. Die VoBR 1978 bleibt durchaus im Rahmen der dem Bundesrat übertragenen Bestimmung allgemeiner Höchstgeschwindigkeiten und verletzt die kantonale Zuständigkeit zur Anordnung lokaler Abweichungen nicht.
4.
Es bleibt jedoch zu prüfen, ob der Bundesrat gestützt auf die ihm durch
Art. 32 Abs. 2 SVG
übertragene Befugnis zur
BGE 108 IV 52 S. 55
Festsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten auch örtlich und zeitlich begrenzte Versuche durchführen darf.
a) In diesem Zusammenhang wird von den Beschwerdeführern gerügt, der Versuch verletze die Rechtsgleichheit, auf gleichartigen Innerortsstrecken dürfe im Versuchsgebiet höchstens mit 50 km/h und in andern Ortschaften mit 60 km/h gefahren werden.
Die Rechtsgleichheit verlangt, dass jeder Automobilist bei der Benützung der gleichen Strecke gleich beurteilt wird. Dieser Grundsatz wird durch den "Tempo 50" - Versuch nicht verletzt. Aus
Art. 4 BV
lässt sich nicht ableiten, die zulässige Höchstgeschwindigkeit müsse auf gleichartigen Strecken gleich sein. In dieser Beziehung können sich schon durch die jeweilige Abgrenzung des Innerortsgebietes (Signalisierung) und durch die Anordnungen der zuständigen Behörden gemäss
Art. 32 Abs. 3 SVG
Unterschiede ergeben. Wohl ist eine möglichst einheitliche Praxis anzustreben. Wer aber eine gültig signalisierte Höchstgeschwindigkeit überschreitet, kann sich nicht mit dem Argument auf
Art. 4 BV
berufen, auf einer oder mehreren vergleichbaren Strecken sei die Geschwindigkeit nicht in gleicher Weise beschränkt. Rechtsungleich wäre es, wenn bei gleichen Überschreitungen der signalisierten Höchstgeschwindigkeit ohne sachlichen Grund unterschiedliche Strafen ausgefällt würden. Hingegen verstösst die unterschiedliche Festsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf vergleichbaren Strassen nicht gegen das Gebot der Rechtsgleichheit; denn dieses Gebot bezieht sich auf die Gleichbehandlung der Rechtsunterworfenen, nicht auf die Gleichheit nicht personenbezogener, sachlicher Anordnungen (wie Signalisation der Höchstgeschwindigkeit) im ganzen Staatsgebiet.
b) Der Satz in
Art. 32 Abs. 2 SVG
, dass der Bundesrat die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen beschränke, ist sinngemäss als Auftrag zu einer Regelung zu verstehen, die für gleichartige Strassen in der ganzen Schweiz gleiche allgemeine Höchstgeschwindigkeiten festlegt. Welche Strassenkategorien zu unterscheiden und wie die Limiten zu fixieren sind, bleibt dem Ermessen des Bundesrates überlassen (vgl. zur frühern Regelung
BGE 100 IV 252
). Eine Dauerlösung, welche nach andern Kriterien als solchen der Verkehrssicherheit differenzieren, z.B. nach Landesgegenden unterschiedliche Höchstgeschwindigkeiten einführen wollte, würde der ratio legis von
Art. 32 Abs. 2 SVG
nicht entsprechen; denn damit würde die (zwar nicht durch
Art. 4 BV
verfassungsrechtlich geforderte, aber) vom Gesetzgeber gewollte
BGE 108 IV 52 S. 56
Einheitlichkeit der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten nicht verwirklicht, sondern durch sachfremde Unterscheidungen verhindert. Wäre die angefochtene, örtlich begrenzte Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h - etwa im Sinne einer Konzession an die in der betroffenen Gegend herrschende Auffassung - als dauernde Sonderregelung gedacht, so würde sie zwar nicht dem Wortlaut, aber dem Sinn und Zweck von
Art. 32 Abs. 2 SVG
widersprechen.
Mit der VoBR 1978 hat der Bundesrat nicht für gleichartige Verhältnisse (innerorts) eine zweite Höchstgeschwindigkeit als Dauerlösung für bestimmte Gebiete eingeführt. Dass die allgemeine Höchstgeschwindigkeit einheitlich zu regeln sei, wurde nie in Frage gestellt. Die vom geltenden
Art. 4a Abs. 1 VRV
abweichende, zeitlich und örtlich beschränkte Ordnung ist unmissverständlich als Versuch konzipiert, um zahlenmässige Unterlagen über die Auswirkungen einer Herabsetzung der in Ortschaften geltenden Höchstgeschwindigkeit zu gewinnen. Nach Abschluss des Versuches wird wiederum eine einheitliche Limite (wie bisher 60 km/h oder neu 50 km/h) gelten. Die Ergebnisse des Versuchs sollen einen Beitrag zur Klärung der Frage leisten, welche allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts den praktischen Bedürfnissen (Verkehrsfluss und Sicherheit) am besten entspricht.
Art. 32 Abs. 2 SVG
sieht die Möglichkeit der Anordnung unterschiedlicher Höchstgeschwindigkeiten zu Vergleichszwecken nicht ausdrücklich vor, schliesst einen derartigen Versuch jedoch auch nicht aus. Der gesetzliche Auftrag zur Festsetzung allgemeiner Höchstgeschwindigkeiten darf sinngemäss so verstanden werden, dass zwar grundsätzlich eine einheitliche Regelung getroffen werden muss, dass aber versuchsweise zur Abklärung von Änderungen das Erproben abweichender Lösungen in bestimmten Gebieten erlaubt ist. Ein derartiger Versuch dient ja der Erfüllung des in
Art. 32 Abs. 2 SVG
enthaltenen Auftrages. Der einzelne Verkehrsteilnehmer wird durch die versuchsweise, örtlich beschränkte Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit innerorts nicht stärker betroffen als durch eine entsprechende für das ganze Gebiet der Schweiz geltende Änderung oder durch gemäss
Art. 32 Abs. 3 SVG
angeordnete örtliche Reduktionen der Höchstgeschwindigkeit auf einzelnen Strassenstrecken. Es besteht daher kein Grund, die Zulässigkeit unterschiedlicher Lösungen zu Versuchszwecken von einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung abhängig zu machen. Die in
Art. 32 Abs. 3 SVG
umschriebene Delegation an den
BGE 108 IV 52 S. 57
Bundesrat umfasst sinngemäss auch die Befugnis, zu Versuchszwecken zeitlich und örtlich beschränkte Regelungen zu treffen, welche von der zur Zeit geltenden allgemeinen Norm abweichen, aber der Vorbereitung einer sachgerechten Neuordnung dienen.
c) Von einzelnen Beschwerdeführern wird auch geltend gemacht, der in Frage stehende Versuch "Tempo 50" sei von vornherein nicht geeignet, schlüssige Resultate zu liefern, welche für oder gegen die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit zu verwerten wären.
Ob ein temporärer Versuch in einem bestimmten Gebiet schlüssige Ergebnisse verspricht, hat der Bundesrat als zuständige Behörde zu beurteilen. Die Rechtsgültigkeit entsprechender Anordnungen (Signalisation einer abweichenden Höchstgeschwindigkeit) kann nicht mit Einwänden gegen die Schlüssigkeit der zu erwartenden Resultate angefochten werden. Die rechtliche Zulässigkeit eines Versuchs hängt nicht von der Überzeugungskraft der Resultate ab; es genügt, dass die Versuchsanordnung auf sachlich vertretbaren Überlegungen beruht und dass mit guten Gründen von den Ergebnissen eine Entscheidungshilfe erwartet werden darf. Dass der Bundesrat aus vertretbaren Gründen vom angeordneten Versuch brauchbare Resultate erwartet und nicht willkürlich die versuchsweise Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit beschlossen hat, kann nicht ernstlich bestritten werden. Die gegen die Zweckmässigkeit des Versuchs vorgebrachten Bedenken tangieren die Gültigkeit der vom Bundesrat im Rahmen seiner Zuständigkeit getroffenen Anordnungen und damit die Grundlage der Bestrafung der Beschwerdeführer nicht. Auch die Behauptung, die Mehrheit der Automobilisten sei gegen solche Versuche, ist für die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des angeordneten Versuchs ohne Belang, sondern betrifft ausschliesslich die von der Exekutive zu entscheidende Frage der Opportunität solcher Versuche, wobei noch zu bemerken wäre, dass die Festsetzung der Höchstgeschwindigkeit innerorts nicht nur die Automobilisten, sondern auch die Nicht-Automobilisten (Fussgänger, Velofahrer) in elementarer Weise berührt.
5.
In der VoBR 1978 überlässt es der Bundesrat dem EJPD, die Versuchsgebiete im Einvernehmen mit den Kantonen zu bestimmen und die weitern Durchführungsmassnahmen zu treffen. In den Nichtigkeitsbeschwerden wird gerügt, diese "Ermächtigung" des EJPD sei eine unzulässige, gegen
Art. 106 Abs. 1 SVG
verstossende Subdelegation.
BGE 108 IV 52 S. 58
a)
Art. 106 Abs. 1 SVG
bestimmt ausdrücklich, dass der Bundesrat als Vollzugsbehörde "die ihm übertragenen Aufgaben, unter Vorbehalt allgemein verbindlicher Anordnungen, seinen Departementen zuweisen" kann. Diese ausdrückliche Regel macht eine generelle Erörterung des Problems der Subdelegation überflüssig. Der Bundesrat darf grundsätzlich die ihm durch das SVG übertragenen Aufgaben an seine Departemente delegieren. Ausdrücklich ausgenommen von dieser Delegationsbefugnis sind "allgemein verbindliche Anordnungen". Die Zulässigkeit des für die Durchführung des Versuchs "Tempo 50" gewählten Vorgehens hängt somit davon ab, ob der in Art. 1 VoBR 1978 enthaltene Auftrag an das EJPD allgemein verbindliche Anordnungen umfasst, die gemäss
Art. 106 Abs. 1 SVG
von der Delegationsmöglichkeit ausgenommen sind.
b) Der Bundesrat hat in der VoBR 1978 selber bestimmt, dass in einem örtlich und zeitlich beschränkten Versuch die Auswirkungen einer Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h untersucht werden sollen. Das Wesentliche wurde damit festgelegt: abweichende Höchstgeschwindigkeit innerorts, Prinzip der räumlichen Begrenzung, zeitliche Begrenzung bis 31. Dezember 1982. Dem EJPD übertragen wurde die Durchführung des Versuchs, insbesondere die Abgrenzung des Versuchsgebietes im Einvernehmen mit den betroffenen Kantonen, die Regelung der speziellen Signalisierung sowie die wissenschaftliche Auswertung. Es geht dabei ausschliesslich um den konkreten Vollzug des vom Bundesrat angeordneten Versuchs, nicht um allgemein verbindliche Anordnungen, welche unter den Vorbehalt des
Art. 106 Abs. 1 SVG
fallen. Die Zuweisung von Aufgaben an Departemente kann sich sinngemäss nicht nur auf konkrete Verfügungen gegen Einzelpersonen beziehen. Soweit allgemein verbindliche Anordnungen - wie hier die Abklärung der Folgen unterschiedlicher Höchstgeschwindigkeiten - beim Vollzug Allgemeinverfügungen erfordern - etwa zur örtlichen Abgrenzung des Versuchsgebietes oder betreffend Signalisierung -, darf auch der Erlass der notwendigen Allgemeinverfügungen an das Departement delegiert werden. Der Begriff der "allgemein verbindlichen Anordnungen" ist sachgerecht dahin abzugrenzen, dass die dem Bundesrat übertragene Kompetenz zur Aufstellung allgemeiner Regeln (Verkehrsregeln, Höchstgeschwindigkeiten, Zulassungsvorschriften, Signalisationsvorschriften usw.) nicht an ein Departement delegiert werden kann, dass aber ein Departement mit der Durchführung der vom
BGE 108 IV 52 S. 59
Bundesrat getroffenen Anordnungen betraut werden darf und in diesem Rahmen dann auch befugt ist, konkretisierende Allgemeinverfügungen zu erlassen.
Die VoBR 1978 enthält alle wesentlichen Entscheidungen allgemeiner Natur und überträgt dem Departement lediglich die Ausführung. Diese Regelung verletzt
Art. 106 Abs. 1 SVG
nicht.
6.
Angefochten wird auch die Gültigkeit der Signalisation von "Tempo 50", wie sie vom EJPD durch Kreisschreiben angeordnet worden ist.
a)
Art. 5 Abs. 1 SVG
schreibt vor, dass Beschränkungen und Anordnungen für den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr durch Signale oder Markierungen angezeigt werden müssen, sofern sie nicht für das ganze Gebiet der Schweiz gelten (vgl.
BGE 100 IV 74
). Die Einführung der Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h in den Versuchsgebieten bedurfte also der Bekanntmachung durch Signale. Gemäss
Art. 5 Abs. 3 SVG
dürfen nur die vom Bundesrat vorgesehenen Signale und Markierungen verwendet werden. In der Signalisationsverordnung (Verordnung des Bundesrates vom 5. September 1979 - SSV) ist kein spezielles Signal zum Anzeigen von Beginn und Ende der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit innerorts vorgesehen. Beginn und Ende der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h sind gemäss
Art. 22 Abs. 3 SSV
mit den entsprechenden Signalen zur Begrenzung der Geschwindigkeit auf einer Strassenstrecke jeweilen am Eingang bzw. Ausgang einer Siedlung anzuzeigen. Nach dem Kreisschreiben des EJPD sind in den Versuchs-Ortschaften diese 60 km-Tafeln durch 50 km-Tafeln ersetzt worden. Um klar anzuzeigen, dass es sich um die versuchsweise in der betreffenden Ortschaft geltende, allgemeine Höchstgeschwindigkeit und nicht etwa um eine nur auf dem anschliessenden Strassenstück bis zur nächsten Verzweigung geltende lokale Beschränkung handelt, wurde das 50 km-Signal im roten Rand durch das Wort "generell" ("Limite générale") ergänzt. Diese spezielle Signalisierung ordnete nicht der Bundesrat an, sondern das EJPD gestützt auf den Vollzugsauftrag und die in
Art. 115 SSV
enthaltene Ermächtigung.
b)
Art. 115 SSV
gibt dem EJPD eine sehr weitgehende Kompetenz, in besondern Situationen Abweichungen von den Signalisationsvorschriften des Bundesrates zu bewilligen; insbesondere ist das Departement nach dieser Vorschrift befugt, "für besondere Fälle veränderte Symbole sowie versuchsweise neue Symbole, Signale und Markierungen zu bewilligen, ebenso Tafeln für Flussnamen,
BGE 108 IV 52 S. 60
Wanderwege und dergleichen". Die zur praktischen Durchführung des Versuchs "Tempo 50" in durchaus zweckmässiger Weise angeordnete Verwendung eines ergänzten Signals "Höchstgeschwindigkeit 50 km/h" überschreitet den weiten Rahmen der durch
Art. 115 SSV
dem EJPD eingeräumten Befugnisse offensichtlich nicht.
c) Zu prüfen bleibt, ob
Art. 115 SSV
den Bestimmungen des SVG entspricht oder ob darin eine unzulässige Subdelegation liegt.
Art. 5 Abs. 3 SVG
bestimmt, dass nur die Verwendung der vom Bundesrat vorgesehenen Signale und Markierungen zulässig sei. Mit dieser Bestimmung werden im Sinne der Einheitlichkeit private, kommunale oder kantonale Schöpfungen auf dem Gebiete der Strassensignalisation untersagt. Hingegen ist aus dieser Formulierung nicht abzuleiten, jedes zulässige Signal schlechthin müsse vom Bundesrat direkt bewilligt sein. Die in
Art. 115 SSV
enthaltene Ermächtigung des Departementes zur Bewilligung von Abweichungen und Neuerungen für besondere Zwecke oder zur Erprobung steht zur Grundregel von
Art. 5 Abs. 3 SVG
nicht im Widerspruch. Letztere Vorschrift verbietet nicht-bewilligte Signale, sie bezweckt jedoch nicht den Ausschluss jeder Subdelegation im Bereich der Bewilligung sachlich begründeter Abweichungen und Ausnahmen.
Auch zu
Art. 106 Abs. 1 SVG
steht
Art. 115 SSV
nicht im Widerspruch; denn die dem EJPD übertragene Befugnis zur Bewilligung von Abweichungen, Neuerungen und speziellen Lösungen betrifft nicht die dauernde, allgemein verbindliche Ordnung der Strassensignalisation, sondern erlaubt lediglich gewisse sachlich begründete Sonderregelungen (zu Versuchszwecken oder um zeitlich begrenzten, speziellen Bedürfnissen entsprechen zu können). Mit der den Erfordernissen des beschlossenen Versuchs entsprechenden Ergänzung des Signals "Höchstgeschwindigkeit 50 km/h" hat das EJPD nicht in die durch
Art. 106 Abs. 1 SVG
dem Bundesrat zwingend vorbehaltene Zuständigkeit für allgemein verbindliche Anordnungen eingegriffen, sondern gestützt auf eine zulässige Subdelegation eine den besondern Bedürfnissen des Versuchs "Tempo 50" entsprechende Lösung getroffen.
d) Der Versuch "Tempo 50" wurde nicht nur durch die Signale, sondern auch durch Mitteilungen in der Presse hinreichend in der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Dass in den Versuchsgebieten die reduzierte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h an die Stelle der ordentlichen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h tritt und für die
BGE 108 IV 52 S. 61
ganze Ortschaft gilt (vgl. Art. 16 Abs. 2/
Art. 22 SSV
), konnte und kann aufgrund der Information für einen in der Schweiz wohnenden Motorfahrzeugführer nicht zweifelhaft sein. Dementsprechend war auch stets klar, dass das Signal "Tempo 50 generell" nicht eine Beschränkung anzeigt, die nur bis zur nächsten Verzweigung gilt, sondern die Grenze des Innerortsbereichs markiert.
Dass einer der Beschwerdeführer geltend macht, zwischen dem Signal und dem Ort seiner Geschwindigkeitsüberschreitung befinde sich eine Verzweigung, ist daher unbehelflich. Selbst dieser Beschwerdeführer behauptet nicht, er habe das Signal "Tempo 50 generell" falsch verstanden und gemeint, die Beschränkung gelte nach der Verzweigung nicht mehr. Die Argumentation ist vielmehr rein formalistisch. Wenn es aber in Art. 16 Abs. 2 letzter Satz SSV heisst, das Signal "Höchstgeschwindigkeit" (2.30), das den Beginn der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h innerorts anzeige (
Art. 22 Abs. 3 SSV
), gelte in der ganzen Ortschaft, so kann daraus gewiss nicht der unsinnige Schluss gezogen werden, bei versuchsweiser Reduktion der Höchstgeschwindigkeit innerorts auf 50 km/h sei diese Regel nicht analog anzuwenden, sondern - e contrario - anzunehmen, die nächste Verzweigung hebe (wie bei andern Geschwindigkeitssignalen) die Wirkung der Beschränkung "Tempo 50 generell" auf. Es ist selbstverständlich und dürfte aufgrund der Orientierung durch die Medien jedem Fahrzeugführer klar sein, dass mit der Ergänzung "generell" die Geltung der signalisierten Beschränkung für die ganze Ortschaft angezeigt wird.
e) Ob ausländische Fahrzeugführer dieses ergänzte Signal ohne weiteres richtig verstehen oder durch zusätzliche Orientierung an der Grenze auf dessen Bedeutung hingewiesen werden (bzw. werden sollten), ist hier nicht zu untersuchen. Auch wenn einzelnen (ausländischen) Automobilisten zugute gehalten werden müsste, dass sie die Bedeutung des Signals "Tempo 50 generell" nicht erfassen konnten, so würde dies die Rechtsgültigkeit der signalisierten Höchstgeschwindigkeit nicht in Frage stellen und die Bestrafung von Übertretungen in den hier zu beurteilenden Fällen nicht hindern.
7.
Gegen die Bestrafung wegen Überschreitung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit wird noch eingewendet, da erst die Verordnung des EJPD den Verkehrsteilnehmer zur Beachtung von "Tempo 50" im Versuchsgebiet habe verpflichten können, fehle eine anwendbare Strafbestimmung; denn gemäss
Art. 90 Ziff. 1
BGE 108 IV 52 S. 62
SVG
sei strafbar, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletze; hier aber sei höchstens die Vollziehungsvorschrift eines Departementes verletzt.
Die Bestrafung erfolgte richtigerweise wegen Verletzung der gesetzlichen Regel von
Art. 27 Abs. 1 SVG
, nicht wegen eines Verstosses gegen die Verordnung des EJPD vom 21. April 1980. Verletzt wurde das Gebot der Beachtung von Signalen, Markierungen und Weisungen. Gemäss
Art. 90 Ziff. 1 SVG
ist wegen Verletzung dieser grundsätzlichen, im SVG selber statuierten Regel jeder strafbar, der eine rechtmässig getroffene, durch Signal, Markierung oder Weisung bekannt gegebene Anordnung missachtet; jeder derartige Verstoss verletzt eine gesetzliche Verkehrsregel (Beachtung der Signale usw.). Die dem missachteten Signal zugrunde liegende Anordnung (z.B. Geschwindigkeitsbeschränkung, Einbahnverkehr usw.) wird meistens nicht von einer Bundesbehörde (vermutlich nie vom Bundesrat), sondern von den zuständigen kantonalen Instanzen getroffen worden sein. Der Wortlaut von
Art. 90 Ziff. 1 SVG
nimmt Bezug auf die allgemeine Regel, die verletzt worden ist (hier:
Art. 27 Abs. 1 SVG
), und schliesst selbstverständlich die Strafbarkeit jener häufigen Fälle nicht aus, in denen die Verletzung der Verkehrsregel in der Nichtbeachtung einer Vollzugsmassnahme (z.B. Signalisierung) liegt, welche kantonale Behörden oder das EJPD getroffen haben. Mit dem Begriff "Vollziehungsvorschriften" in
Art. 90 Ziff. 1 SVG
sind die in den Ausführungserlassen enthaltenen Rechtssätze gemeint, nicht die konkretisierenden Vollzugsmassnahmen (wie die Signalisierung von Geschwindigkeitslimiten), die selbstverständlich nicht vom Bundesrat getroffen werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
66744668-6e03-462e-9bd5-f6d7d9f63a9f | Urteilskopf
91 I 23
6. Urteil vom 20. Januar 1965 i.S. Zimmermann gegen Zimmermann und Regierungsrat des Kantons Aargau. | Regeste
Bäuerliches Vorkaufsrecht.
Art. 6 ff. EGG
.
Die Kantone sind nicht befugt, den Entscheid darüber, ob ein bestimmtes Heimwesen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von
Art. 6 Abs. 1 EGG
und damit Gegenstand des Vorkaufsrechts sei, einer Verwaltungsbehörde zuzuweisen; hierüber hat im Streitfall der ordentliche Richter vorfrageweise zu entscheiden. | Sachverhalt
ab Seite 24
BGE 91 I 23 S. 24
A.-
Der 1897 geborene Landwirt Emil Zimmermann war Eigentümer eines landwirtschaftlichen Heimwesens in der Gemeinde Würenlos (AG), das aus 11 zusammen 488,50 a haltenden Parzellen bestand. Hievon verkaufte er
a) durch Verträge vom 6. und 8. Februar 1961 drei zusammen 239,39 a haltende Parzellen für Fr. 88 000.-- an den in Baden wohnhaften Otto Jehle, und
b) durch Vertrag vom 17. Februar 1961 zwei zusammen 104,08 a haltende Parzellen für 20'000.-- an den Landwirt Josef Benz in Würenlos.
Am 26. Februar 1961 ersuchte er die Landwirtschaftsdirektion des Kantons Aargau unter Hinweis auf seine Absicht, Teile seines Heimwesens zu verkaufen, um Auskunft darüber, ob seinem Sohn Willy Zimmermann ein Vorkaufsrecht zustehe. Die Landwirtschaftsdirektion liess das Heimwesen durch einen Sachverständigen besichtigen und stellte hierauf durch Verfügung vom 24. Mai 1961 fest, dass die 11 Parzellen im Halte von 488,50 a "ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des
Art. 6 EGG
bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht Anwendung finden".
Inzwischen waren die beiden Kaufverträge mit Jehle Ende Februar 1961 beim Grundbuchamt angemeldet worden. Darauf machte Willy Zimmermann ein gesetzliches Vorkaufsrecht gemäss
Art. 6 EGG
geltend. Nachdem die Landwirtschaftsdirektion den Schätzungswert (im Sinne des LEG) der verkauften Grundstücke rechtskräftig auf Fr. 6880.-- festgesetzt, Emil Zimmermann sich aber geweigert hatte, die Grundstücke zu diesem Preise dem Sohne zu überlassen, machte dieser sein Vorkaufsrecht durch Klage geltend. Das Bezirksgericht Baden hiess diese Klage durch Urteil vom 10. Juli 1963 gut und sprach die drei streitigen Grundstücke dem Kläger zum Schätzungswert von Fr. 6880.-- zu Eigentum zu. Dieser Teil des Dispositivs wurde von keiner Partei angefochten und ist in Rechtskraft erwachsen. (Ein weiterer Prozess, der das Vorkaufsrecht des Sohnes an den beiden an Benz verkauften Parzellen betrifft und im Herbst 1962, vor Anmeldung des Kaufvertrags beim Grundbuch, eingeleitet worden war, ist noch hängig.)
BGE 91 I 23 S. 25
Am 19. Oktober 1963 ersuchte Emil Zimmermann die Landwirtschaftsdirektion, den ihm nach Abtretung der drei Parzellen an seinen Sohn verbleibenden Grundbesitz im Halte von 246,62 a "aus der Unterstellung unter das EGG und damit unter das bäuerliche Vorkaufsrecht" zu entlassen.
Die Landwirtschaftsdirektion stellte durch Verfügung vom 13. Dezember 1963 fest, dass die Emil Zimmermann verbleibenden Liegenschaften "kein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des EGG bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht keine Anwendung finden". Zur Begründung führte sie aus, dass vom Kulturland ein erheblicher Teil so weit ab und von den Gebäulichkeiten entfernt liege, dass eine Bewirtschaftung für einen derart kleinen Betrieb nicht mehr rationell möglich sei und daher die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Gewerbes im Sinne von
Art. 6 ff. EGG
nicht mehr erfüllt seien.
Gegen diese Verfügung reichte der Sohn Willy Zimmermann beim Regierungsrat eine Beschwerde ein mit dem Antrag, sie aufzuheben und festzustellen, dass die seinem Vater verbleibenden Grundstücke ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des
Art. 6 EGG
bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht Anwendung finden.
Der Regierungsrat wies die Beschwerde mit Entscheid vom 20. August 1964 ab. In den Erwägungen wird dargelegt, weshalb der Entscheid der Landwirtschaftsdirektion zutreffend und das in Frage stehende Heimwesen nicht mehr schützenswert sei. Zum Einwand des Beschwerdeführers, der Entscheid der Landwirtschaftsdirektion ermangle insoweit, als er die an Benz verkauften, bereits Gegenstand eines Zivilprozesses bildenden Grundstücke betreffe, jeglicher Verbindlichkeit, bemerkt der Regierungsrat: "Die Landwirtschaftsdirektion ist immer zuständig, einen Entscheid im Sinne von
Art. 6 EGG
und § 1 (der aarg.) VVO zu treffen. Emil Zimmermann ist noch Eigentümer von 5 Parzellen im Halte von total 242,62 a. Dazu gehören auch GB Würenlos Nr. 2548 und 2549. Der Entscheid bezieht sich daher auch auf diese beiden Grundstücke."
B.-
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Willy Zimmermann folgende Anträge:
1. Der Entscheid der Landwirtschaftsdirektion vom 13. Dezember 1963 bzw. der Beschluss des Regierungsrates vom 20. August 1964 seien im vollen Umfang aufzuheben.
BGE 91 I 23 S. 26
2. Es sei festzustellen, dass die Emil Zimmermann verbleibenden Grundstücke Nr. 2541, 2542, 2552, 2548 und 2549 ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von
Art. 6 EGG
bilden und dass demzufolge die Vorschriften über das Vorkaufsrecht Anwendung finden.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf
Art. 4 BV
und erhebt im wesentlichen folgende Rügen:
a) Die Annahme, dass das fragliche Heimwesen kein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von
Art. 6 EGG
darstelle, verstosse gegen den klaren Wortlaut und Sinn des EGG, sei willkürlich und bedeute eine rechtsungleiche Behandlung.
b) Diese Annahme sei auch deshalb willkürlich, weil damit der rechtskräftige Entscheid der Landwirtschaftsdirektion vom 24. Mai 1961 widerrufen worden sei.
c) Nach der Auffassung der Landwirtschaftsdirektion und des Regierungsrates sei der Entscheid der Administrativbehörden über die Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Vorkaufsrecht auch für den Zivilrichter verbindlich. Diese Auffassung entbehre jeglicher Rechtsgrundlage und verstosse sowohl gegen klares Recht des Bundes als auch gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung.
Die Begründung dieser Rügen ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
C.-
Der Regierungsrat des Kantons Aargau und der Beschwerdegegner Emil Zimmermann beantragen Abweisung der Beschwerde. Zur Frage, ob der Entscheid der Administrativbehörden über die Anwendbarkeit der Bestimmungen über das Vorkaufsrecht für den Zivilrichter verbindlich sei, führt der Regierungsrat aus: Dass das bäuerliche Vorkaufsrecht gemäss
Art. 6 EGG
ein privatrechtlicher Anspruch sei und im Streitfall der Zivilrichter darüber zu urteilen habe, sei richtig. Nach § 1 der gestützt auf
Art. 46 Abs. 2 EGG
erlassenen und vom Bundesrat genehmigten aarg. Vollziehungsverordnung vom 6. Dezember 1952 habe indes die Landwirtschaftsdirektion im Zweifelsfalle über die Anwendbarkeit des EGG auf ein Gewerbe oder eine Liegenschaft zu entscheiden. Damit sei "die Zuständigkeitsfrage bezüglich eines Aspekts des Vorkaufsrechts ausdrücklich zugunsten der Verwaltungsbehörde entschieden worden". Auf Grund dieser Bestimmung entscheide die Landwirtschaftsdirektion (und im Beschwerdefall der Regierungsrat) nach konstanter Praxis darüber, ob ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von
Art. 6 EGG
vorliege oder nicht. Dass diese Auslegung
BGE 91 I 23 S. 27
von § 1 VV gegen klares Bundesrecht oder den Grundsatz der Gewaltentrennung verstosse, werde bestritten.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Da der Regierungsrat die Verfügung der Landwirtschaftsdirektion vom 13. November 1963 frei überprüfen konnte, stellt sein Entscheid einen neuen Sachentscheid dar, der an die Stelle jener Verfügung getreten ist. Auf das Begehren des Beschwerdeführers, auch die Verfügung der Landwirtschaftsdirektion aufzuheben, ist daher nicht einzutreten (
BGE 90 I 107
Erw. 1). Staatsrechtliche Beschwerden haben sodann, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischen Charakter (
BGE 90 I 21
Erw. 1 mit Verweisungen), weshalb auch das Begehren um Feststellung, dass die Emil Zimmermann gehörenden Parzellen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von
Art. 6 EGG
bilden, unzulässig ist. Dagegen ist auf den Antrag auf Aufhebung des Entscheids des Regierungsrates vom 20. August 1964 einzutreten. Der kantonale Instanzenzug ist erschöpft (§ 15 der aarg. VV zum EGG). Der angefochtene Entscheid ist ein Verwaltungsakt, der die Frage der Anwendbarkeit von Vorschriften des EGG auf ein bestimmtes Heimwesen betrifft. Da er nicht in einer Zivilstreitigkeit oder Zivilsache ergangen ist, können die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen weder mit der Berufung (
Art. 43 OG
) noch mit der Nichtigkeitsbeschwerde nach
Art. 68 OG
beim Bundesgericht gerügt werden (
Art. 84 Abs. 2 OG
). Dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid in seiner Rechtslage betroffen wird und daher gemäss
Art. 88 OG
legitimiert ist, dagegen staatsrechtliche Beschwerde zu führen, kann nicht zweifelhaft sein.
2.
Die Beschwerde ist als solche wegen Verletzung des
Art. 4 BV
bezeichnet und wirft dem Regierungsrat in mehrfacher Beziehung Willkür vor. Zur Begründung dieser Rüge wird unter anderm geltend gemacht, der angefochtene Entscheid sei deshalb bundesrechtswidrig, weil das EGG nicht vorsehe, dass eine kantonale Verwaltungsbehörde ein bestimmtes landwirtschaftliches Heimwesen mit verbindlicher Wirkung den im EGG enthaltenen Bestimmungen über das Vorkaufsrecht unterstelle, sondern den Entscheid hierüber dem Richter überlasse, der
BGE 91 I 23 S. 28
über den Bestand des Vorkaufsrechtes zu befinden habe. Damit macht der Beschwerdeführer, da der Regierungsrat die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden aus den §§ 1 und 15 der aarg. VV zum EGG ableitet, dem Sinne nach auch eine Verletzung des in Art. 2 Üb.-Best. der BV ausgesprochenen Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts geltend, denn diese Rüge gilt als in der Rüge der Willkür enthalten, wenn als willkürlich die Anwendung kantonalen Rechts in Missachtung von Bundesrecht gerügt wird (
BGE 84 I 10
Erw. 2 mit Verweisungen). Ob ein kantonaler Rechtssatz oder die ihm gegebene Auslegung mit dem Bundesrecht vereinbar ist, prüft das Bundesgericht nicht unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür, sondern frei (
BGE 88 I 75
Erw. 2 mit Verweisungen). Dass der Beschwerdeführer im kantonalen Rekursverfahren nicht geltend gemacht hat, dass die von der Landwirtschaftsdirektion beanspruchte Zuständigkeit zum Entscheid über die Anwendbarkeit der Vorschriften über das Vorkaufsrecht mit dem Bundesrecht nicht vereinbar sei, sondern selber die Feststellung der Anwendbarkeit dieser Vorschriften verlangt hat, ist unerheblich, da neue rechtliche Rügen vor Bundesgericht nicht ausgeschlossen sind, wenn die letzte kantonale Instanz, wie hier, freie Kognition besitzt und das Recht von Amtes wegen anzuwenden hat (
BGE 73 I 51
Erw. 2 mit Verweisungen,
BGE 90 I 148
/49).
3.
Nach § 1 der aarg. VV zum EGG entscheidet die Landwirtschaftsdirektion im Zweifelsfall über die Anwendbarkeit des EGG auf ein Gewerbe oder eine Liegenschaft. Der Regierungsrat leitet hieraus die Befugnis der Landwirtschaftsdirektion zum Entscheid darüber ab, ob ein bestimmtes Heimwesen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des
Art. 6 EGG
und damit Gegenstand des Vorkaufsrechtes bilde. Hiefür ist aber im EGG keine Grundlage zu finden. Das bäuerliche Vorkaufsrecht nach
Art. 6 ff. EGG
ist, wie der Regierungsrat mit Recht anerkennt, ein zivilrechtlicher Anspruch. Über dessen Bestand hat von Bundesrechts wegen der ordentliche Richter zu entscheiden (vgl.
BGE 79 I 269
und 275). Dass eine Verwaltungsbehörde über das Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Gewerbes als eine der Voraussetzungen des Vorkaufsrechts zu entscheiden hätte oder die Kantone diesen Entscheid einer Verwaltungsbehörde übertragen dürften, lässt sich dem EGG nicht entnehmen. Das EGG enthält, im Gegensatz zum LEG (Art. 2 und 3), keine Bestimmung, wonach die
BGE 91 I 23 S. 29
Anwendung des Gesetzes auf ein bestimmtes Heimwesen die Unterstellung durch einen Entscheid der zuständigen Behörde voraussetzt und diese Behörde von den Kantonen zu bezeichnen ist. Nach
Art. 46 EGG
treffen die Kantone die zur Ergänzung des Gesetzes vorgesehenen Anordnungen.
Art. 44 EGG
, der die von den Kantonen zu bezeichnenden Behörden aufzählt, erwähnt aber keine solche, die über die Unterstellung von Heimwesen und Liegenschaften unter das EGG im allgemeinen oder unter die Vorschriften über das Vorkaufsrecht zu befinden hätte. Der Vorbehalt kantonalen Rechts in
Art. 3 EGG
bezieht sich auf generelle Ausnahmen, und auch die den Kantonen im Abschnitt über das Vorkaufsrecht erteilten Ermächtigungen, dieses Recht auszudehnen oder einzuschränken, beziehen sich auf generelle Anordnungen. Aus keiner dieser Vorbehalte kantonalen Rechts lässt sich ableiten, dass Verwaltungsbehörden befugt wären oder ermächtigt werden könnten, über die Anwendbarkeit der Vorschriften über das Vorkaufsrecht auf ein bestimmtes Heimwesen zu entscheiden.
Dass das EGG kein besonderes Unterstellungsverfahren vorsieht, beruht nicht etwa auf einem Versehen des Gesetzgebers. Das geht aus der Entstehungsgeschichte klar hervor. Die Vorentwürfe zum EGG sahen nach dem Vorbild des LEG einen rechtskräftigen Unterstellungsentscheid als Voraussetzung für die Anwendung des Gesetzes vor. Der Entwurf des Bundesrates (BBl 1948 I 72 ff.) verzichtete auf ein obligatorisches Unterstellungsverfahren und bestimmte in Art. 3 Abs. 3 lediglich, dass jedermann, der ein Interesse glaubhaft mache, befugt sei, die Anwendbarkeit des Gesetzes im Einzelfall durch die zuständige Behörde feststellen zu lassen; ferner sah der Entwurf in den Art. 41 und 42 vor, dass dieser Entscheid an eine kantonale Beschwerdeinstanz weiterziehbar und gegen deren Entscheid die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig sei (vgl. dazu die Ausführungen in der Botschaft S. 49 und 66/67). Art. 3 Abs. 3 wurde zunächst von beiden Räten ohne Diskussion angenommen (StenBull NatR 1948 S. 376, StR 1949 S. 329). Als die Kommission des Ständerates dann die von diesem zurückgewiesenen Artikel behandelte, beantragte der Vorsteher des eidg. Justiz- und Polizeidepartements, auf Abs. 3 von Art. 3 zurückzukommen und ihn als überflüssig zu streichen, denn bei Geltendmachung des Vorkaufsrechts habe der Richter ohnehin die Voraussetzungen
BGE 91 I 23 S. 30
desselben zu beurteilen, und im übrigen seien die Verwaltungsbehörden zuständig, und auch diese müssten zunächst feststellen, ob die Voraussetzungen ihres Eingreifens erfüllt seien. Die ständerätliche Kommission stimmte zu und beantragte dem Ständerat im Sinne einer Vereinfachung des Verfahrens Streichung von Abs. 3 des Art. 3 sowie der entsprechenden Stellen in Art. 41 (zuständige Behörde für den Vorentscheid) und 42 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen diesen Entscheid). Der Ständerat beschloss dies, und der Nationalrat folgte ihm (Sten-Bull StR 1949 S. 431/2, NatR 1949 S. 874). Der Gesetzgeber wollte somit die auf Grund des EGG durchzuführenden Verfahren dahin vereinfachen, dass über die Anwendbarkeit des Gesetzes auf den Einzelfall kein besonderer Entscheid zu fällen sei, sondern hierüber bei Streit über das Vorkaufsrecht der Richter und im Einspruchsverfahren die zuständige Behörde vorfrageweise zu entscheiden habe.
Nach dem EGG ist daher kein Raum für den Entscheid einer kantonalen Verwaltungsbehörde über die Frage, ob ein bestimmtes Heimwesen ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne des
Art. 6 EGG
und damit Gegenstand des Vorkaufsrechtes sei. Hierüber ist im Streitfall vom Richter vorfrageweise zu entscheiden (wie es z.B. in
BGE 86 II 430
Erw. 1 geschah; vgl. auch
BGE 87 I 478
Erw. 4). Die Annahme des Regierungsrates, dass § 1 VV die Zuständigkeit bezüglich dieses "Aspektes des Vorkaufsrechts" zugunsten der Verwaltungsbehörden entschieden habe, beruht auf einer mit dem Bundesrecht unvereinbaren Auslegung dieser kantonalen Ausführungsbestimmung. § 1 VV kann nur Platz greifen, soweit der Kanton nach dem EGG befugt ist, die zuständige Behörde zu bezeichnen, d.h. im Rahmen des
Art. 4 EGG
.
Ist der angefochtene Entscheid somit wegen Verletzung des Art. 2 Üb.-Best. der BV aufzuheben, so braucht nicht geprüft zu werden, ob er, wie die Beschwerde weiter geltend macht, auch gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung und gegen
Art. 4 BV
verstosse.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 20. August 1964 aufgehoben wird. | public_law | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
66758790-341e-4bfb-af70-916ffd600e1b | Urteilskopf
101 Ib 456
75. Urteil vom 19. Dezember 1975 i.S. B. gegen Eidg. Steuerverwaltung | Regeste
Warenumsatzsteuer: Haftung des ausgeschiedenen Teilhabers für Schulden der Kollektivgesellschaft (
Art. 12 Abs. 4 WUStB
;
Art. 568, 576 ff. OR
).
1. Anwendung des
Art. 568 Abs. 3 OR
auf den Fall, wo nur zwei Gesellschafter vorhanden waren und der eine nach dem Ausscheiden des andern das Geschäft gemäss
Art. 579 OR
allein fortsetzt: Der Ausgeschiedene kann für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft erst dann persönlich belangt werden, wenn er selbst in Konkurs fällt, oder wenn der Fortsetzende das Geschäft aufgibt, in Konkurs gerät oder erfolglos betrieben wird. Das Ausscheiden des einen Gesellschafters gilt nicht als Auflösung der Gesellschaft im Sinne des
Art. 568 Abs. 3 OR
. Dem erfolglosen Ausgang einer Betreibung ist der Nachlassvertrag mit Dividende nicht gleichzustellen (Erw. 2).
2. Beschränkt der von einer Kollektivgesellschaft erlangte Nachlassvertrag auch die Haftung der Gesellschafter? Hat der Nachlassvertrag, den der das Geschäft nach
Art. 579 OR
Fortsetzende abschliesst, dieselbe Wirkung für den Ausgeschiedenen? Fragen offengelassen (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 457
BGE 101 Ib 456 S. 457
A betrieb als Inhaber einer Einzelfirma ein Gewerbe. Er vereinigte sich dann mit B in der Kollektivgesellschaft A & B, die das Geschäft übernahm. Nach dem Ausscheiden des Gesellschafters B setzte A das Geschäft im Sinne des
Art. 579 OR
allein fort. Er erlangte eine Nachlassstundung. Im Nachlassverfahren gab die Eidg. Steuerverwaltung (EStV) eine Forderung gegenüber der Kollektivgesellschaft für rückständige Warenumsatzsteuern im Betrage von Fr. 9'867.45 ein. A strebte einen Nachlassvertrag mit einer Dividende von 30% an. Die EStV stimmte dem Vorschlag nicht zu; der Nachlassvertrag kam indes zustande und wurde vom Gericht bestätigt. Schliesslich belangte die EStV B für ihre Forderung. In einem Einspracheentscheid hielt sie am Anspruch ihm gegenüber fest, unter Abzug eines Anteils von Fr. 990.10 an einer von A bezahlten ersten Rate der Nachlassdividende.
B ficht den Einspracheentscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Er beantragt, es sei festzustellen, dass er für die im Entscheid bestätigte Forderung erst dann persönlich belangt werden könne, wenn die Voraussetzungen des
Art. 568 Abs. 3 OR
vorlägen, und dass sein Ausscheiden aus der Kollektivgesellschaft nicht als Auflösung im Sinne dieser Bestimmung gelte; eventuell sei festzustellen, dass die Forderung unter den Nachlassvertrag der Firma A falle und daher ihm gegenüber nur in der Höhe der Nachlassdividende von 30% geltend gemacht werden könne.
BGE 101 Ib 456 S. 458
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 12 Abs. 4 WUStB
haftet der Teilhaber einer Kollektivgesellschaft für die Erfüllung ihrer auf diesem Beschluss beruhenden Verbindlichkeiten im Rahmen seiner Haftbarkeit für die Gesellschaftsschulden. Diese Bestimmung verweist auf die einschlägigen Vorschriften des OR. Massgebend ist vorab
Art. 568 OR
, der in Abs. 1 bestimmt, dass die Gesellschafter für alle Verbindlichkeiten der Kollektivgesellschaft solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen einzustehen haben, und in Abs. 3 beifügt: "Der einzelne Gesellschafter kann jedoch, auch nach seinem Ausscheiden, für Gesellschaftsschulden erst dann persönlich belangt werden, wenn er selbst in Konkurs geraten oder wenn die Gesellschaft aufgelöst oder erfolglos betrieben worden ist".
Die EStV belangt den Beschwerdeführer als ehemaligen Teilhaber der Kollektivgesellschaft A & B auf Grund des
Art. 12 WUStB
und des
Art. 568 OR
für eine aus dem Warenumsatzsteuerbeschluss abgeleitete Forderung gegenüber der Gesellschaft. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass es sich um Gesellschaftsschulden handelt, und auch nicht, dass die in Frage stehenden Steueransprüche vor seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft entstanden sind. Er erhebt jedoch Einwendungen, die den Umfang seiner Haftung und den Beginn seiner Belangbarkeit betreffen. In erster Linie hält er dafür, dass hier zur Zeit noch keine der in
Art. 568 Abs. 3 OR
erwähnten Voraussetzungen der Belangbarkeit des Gesellschafters erfüllt sei. In zweiter Linie wendet er ein, die Forderung falle unter den Nachlassvertrag der Firma A und könne daher ihm gegenüber auf jeden Fall nur in der Höhe der Nachlassdividende von 30% geltend gemacht werden. Er stellt demgemäss ein Haupt- und ein Eventualbegehren. Es entspricht seinen Anträgen und ist angezeigt, dass vorab die Frage erörtert wird, ob er nach
Art. 568 Abs. 3 OR
schon jetzt belangt werden könne.
2.
a) Der Beschwerdeführer ist nicht in Konkurs geraten, und weder die Kollektivgesellschaft A & B noch der das Geschäft seit dem Ausscheiden des Mitgesellschafters fortsetzende Gesellschafter A sind erfolglos betrieben worden. Der Nachlassvertrag mit Dividende (Prozentvergleich), wie ihn A abgeschlossen hat, ist dem erfolglosen Ausgang einer Betreibung
BGE 101 Ib 456 S. 459
nicht gleichzustellen; denn durch ihn wird nicht die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im Sinne des Gesetzes dokumentiert. Dagegen stellt sich die Frage, ob die Kollektivgesellschaft im Sinne des
Art. 568 Abs. 3 OR
aufgelöst worden sei. Die EStV bejaht dies unter Berufung auf
Art. 579 OR
; sie nimmt an, der Beschwerdeführer sei für die Gesellschaftsschulden belangbar geworden, weil die Gesellschaft infolge seines Ausscheidens aufgelöst worden sei. Ein anderer Grund, aus dem die Gesellschaft aufgelöst worden sein könnte, wird nicht genannt und kommt auch nicht in Betracht. Jener Auffassung der EStV kann jedoch nicht zugestimmt werden, weil sie auf einer Verkennung des Sinnes von
Art. 568 Abs. 3 und
Art. 579 OR
beruht.
b)
Art. 568 Abs. 3 OR
sagt deutlich, dass der einzelne Gesellschafter "auch nach seinem Ausscheiden" erst dann persönlich für Gesellschaftsschulden belangt werden kann, wenn er selbst in Konkurs geraten oder wenn die Gesellschaft aufgelöst oder erfolglos betrieben worden ist. Der ausscheidende Gesellschafter wird also nicht schon zufolge seines Austritts belangbar, sondern erst, wenn eine der in
Art. 568 Abs. 3 OR
genannten besonderen Voraussetzungen, zu denen die Auflösung der Gesellschaft gehört, erfüllt ist. Das Ausscheiden eines Gesellschafters gilt nicht als Auflösung im Sinne dieser Bestimmung (HARTMANN, N. 12 und 19 zu
Art. 568 OR
; SIEGWART, N. 18 zu Art. 568/569 OR). Trotz des Ausscheidens eines oder mehrerer Teilhaber kann die Gesellschaft fortgesetzt werden, wenn mindestens zwei Gesellschafter übriggeblieben sind. Eine solche Fortsetzung ist in den Fällen statthaft, die in den
Art. 576-578 OR
erwähnt sind. Nach Art. 576 kann sie durch Vereinbarung der Gesellschafter herbeigeführt werden. Art. 577 sieht vor, dass dann, wenn die Auflösung der Gesellschaft aus wichtigen Gründen verlangt werden könnte und diese vorwiegend in der Person eines oder mehrerer Gesellschafter liegen, der Richter auf deren Ausschliessung erkennen kann, sofern alle übrigen Gesellschafter es beantragen. Fällt ein Gesellschafter in Konkurs oder verlangt einer seiner Gläubiger, der dessen Liquidationsanteil gepfändet hat, die Auflösung der Gesellschaft, so können nach Art. 578 die übrigen Gesellschafter ihn ausschliessen.
c) Die
Art. 576-578 OR
sind ihrem Wortlaut nach auf Kollektivgesellschaften mit mehr als zwei Teilhabern zugeschnitten.
BGE 101 Ib 456 S. 460
Sie sehen vor, dass die Gesellschaft von den "übrigen Gesellschaftern", also von einer Mehrzahl, fortgesetzt werden kann. Die Gesellschaft als solche kann nicht weiterbestehen, wenn sich in ihr nur zwei Personen vereinigt haben und eine der beiden ausscheidet; denn nach
Art. 552 OR
ist die Kollektivgesellschaft eine Verbindung von mindestens zwei Personen. Das Bedürfnis nach Erhaltung und Fortsetzung des Unternehmens kann aber auch in den Fällen bestehen, wo einer von nur zwei Gesellschaftern ausscheidet. Diesen Fall betrifft
Art. 579 OR
. Er bestimmt, dass der Gesellschafter, der keine Veranlassung zur Auflösung gegeben hatte, "unter den gleichen Voraussetzungen das Geschäft fortsetzen" kann (Abs. 1), und dass der Richter das gleiche verfügen kann, wenn die Auflösung wegen eines vorwiegend in der Person des einen Gesellschafters liegenden wichtigen Grundes gefordert wird (Abs. 2). Diese Bestimmungen beziehen sich auf die vorausgehenden Art. 578 (Ausschliessung durch die übrigen Gesellschafter) und 577 (Ausschliessung durch den Richter); doch versteht sich von selbst und ist anerkannt, dass eine Fortsetzung des Geschäfts im Sinne des Art. 579 - gleich wie die Fortsetzung der Gesellschaft gemäss Art. 576 - auch durch Vereinbarung der Gesellschafter beschlossen werden kann (
BGE 75 I 274
f.; HARTMANN N. 5, SIEGWART N. 2 zu
Art. 579 OR
). Die Fortsetzung des "Geschäfts" durch den einen Gesellschafter nach dem Ausscheiden des andern wird nach
Art. 579 OR
der Fortsetzung der Gesellschaft durch die "übrigen" Gesellschafter im wesentlichen gleichgestellt; das ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung und ihrem Zusammenhang mit den Art. 576-578, 580 und 581 OR, die mit ihr im Unterabschnitt "C. Ausscheiden von Gesellschaftern" zusammengefasst sind.
Demnach erwirbt der das Geschäft gemäss
Art. 579 OR
Fortsetzende das Geschäftsvermögen nicht neu, sondern es verbleibt ihm, d.h. es geht ohne weiteres, durch Anwachsung, in sein Alleinvermögen über (
BGE 75 I 275
, 81 II 362; HARTMANN N. 7, SIEGWART N. 1 zu
Art. 579 OR
). Der ausgeschiedene zweite Gesellschafter wird nach denselben Grundsätzen abgefunden, die für das Ausscheiden aus einer fortbestehenden Gesellschaft gelten (
Art. 580 OR
). Aber auch seine Belangbarkeit ist an die gleichen Voraussetzungen geknüpft wie die des Gesellschafters, der aus einer von den übrigen Gesellschaftern
BGE 101 Ib 456 S. 461
fortgesetzten Gesellschaft ausscheidet; sie tritt nicht schon infolge seines Ausscheidens ein, sondern erst, wenn er selbst in Konkurs fällt, oder wenn der Fortsetzende das Geschäft aufgibt, in Konkurs gerät oder erfolglos betrieben wird (HARTMANN N. 11, SIEGWART N. 7 zu
Art. 579 OR
). Wohl wird die Gesellschaft als solche aufgelöst, wenn nur zwei Gesellschafter vorhanden waren und einer von ihnen ausscheidet; aber auch in diesem Fall gilt das Ausscheiden nicht als Auflösung im Sinne von
Art. 568 Abs. 3 OR
, weil das Geschäft eben fortgesetzt wird.
d) Im vorliegenden Fall ist - offenbar auf Grund einer Vereinbarung - der eine Gesellschafter ausgeschieden und das Geschäft vom andern im Sinne des
Art. 579 OR
fortgesetzt worden. Der Ausgeschiedene ist nicht in Konkurs gefallen, und der Fortsetzende hat weder das Geschäft aufgegeben, noch ist er seinerseits in Konkurs geraten oder erfolglos betrieben worden. Der Ausgeschiedene kann daher nach
Art. 568 Abs. 3 OR
für die Gesellschaftsschulden bis auf weiteres nicht persönlich belangt werden. Das in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellte Hauptbegehren erweist sich somit als begründet.
3.
Nach
Art. 303 SchKG
verliert ein Gläubiger infolge eines Nachlassvertrages, dem er nicht zugestimmt hat, seine Rechte gegen Mitschuldner, Bürgen und Gewährspflichtige nicht. Die EStV hat dem von A, der das gesellschaftliche Unternehmen fortsetzt, abgeschlossenen Nachlassvertrag nicht zugestimmt. Indes nehmen verschiedene Autoren an, dass der von einer Kollektivgesellschaft erlangte Nachlassvertrag die Gesellschafter von ihrer Haftung über die Nachlassquote hinaus befreie (HARTMANN, N. 14 zu
Art. 570 OR
; SIEGWART, N. 24 zu Art. 568/569 OR; im gleichen Sinne JAEGER, der immerhin verlangt, dass der Nachlassvertrag mit allen Gesellschaftern abgeschlossen werden müsse, N. 1 zu
Art. 293 SchKG
). Das Bundesgericht hat in älteren Urteilen dieselbe Auffassung vertreten (
BGE 32 II 478
,
BGE 37 I 160
,
BGE 45 II 301
,
BGE 48 III 247
); doch hat es in einem neueren Entscheid offengelassen, ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden könne (
BGE 62 III 133
f.). Die Frage braucht auch hier nicht geprüft zu werden. Die EStV bejaht sie zwar, macht aber unter Berufung auf SIEGWART (N. 24 zu Art. 568/569 OR) geltend, der nicht von der Gesellschaft, sondern vom Übernehmen
BGE 101 Ib 456 S. 462
des gesellschaftlichen Vermögens abgeschlossene Nachlassvertrag habe keine befreiende Wirkung für den ausgeschiedenen Gesellschafter. Auch hiezu braucht in diesem Urteil nicht Stellung genommen zu werden. Es genügt festzustellen, dass die EStV den Beschwerdeführer für die im Streite liegende Schuld einstweilen nicht persönlich belangen kann. In welchem Umfang er gegebenenfalls hiefür in Anspruch genommen werden könnte, mag heute dahingestellt bleiben. Sein Eventualbegehren, das sich auf diese Frage bezieht, muss nicht beurteilt werden, da sein Hauptbegehren geschützt wird.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
6678b075-8bcf-4b25-bc34-f8c31b450067 | Urteilskopf
86 II 270
43. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Oktober 1960 i. S. Philips A.-G. gegen Radio-Import G.m.b.H. | Regeste
Art. 6 bis, 24 MSchG
, Markenrechtsverletzung.
a) Auch wer im Auslande an einer Marke berechtigt ist, darf sie in der Schweiz nur benützen, wenn der inländische Inhaber oder mindestens einer von mehreren solchen es ihm gestattet. Das gilt selbst dann, wenn er dem gleichen Konzern angehört wie der oder die inländischen Inhaber (Erw. 1, 2).
b) Das Markengesetz schützt nur gegen Handlungen, die die (mindestens abstrakte) Gefahr schaffen, dass die nachgemachte, nachgeahmte oder rechtswidrigerweise angebrachte Marke das Publikum über die Herkunft der Ware täusche. Diese Gefahr besteht nicht, wenn die Ware aus einem Konzern stammt und die Marke beim schweizerischen Publikum nicht als Hinweis auf das Unternehmen des Markeninhabers, sondern als Hinweis auf irgendein zum Konzern gehörendes Unternehmen gilt (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 271
BGE 86 II 270 S. 271
A.-
Die N. V. Philips'Gloeilampenfabrieken mit Sitz in Eindhoven (Niederlande) ist Inhaberin verschiedener beim internationalen Büro eingetragener Marken, die teils aus dem Worte Philips, teils aus einem bestimmten Bildzeichen (Kreis mit drei Wellenlinien und vier Sternen), teils aus einer Verbindung beider bestehen. Ihre schweizerische Tochtergesellschaft, die Philips AG in Zürich, liess am 8. November 1939 das Wort Philips als Marke Nr. 96 798 und das erwähnte Bildzeichen als Marke Nr. 96 803 auf eigenen Namen in das schweizerische Markenregister eintragen. Sie stellt unter anderem Fernsehapparate her, setzt sie unter den beiden Marken in der Schweiz ab und liefert solche Apparate auch in das Ausland. Sie verkauft in der Schweiz unter den gleichen Marken auch Fernsehapparate, die in Deutschland und den Niederlanden von den dortigen Gesellschaften des Philips-Konzerns hergestellt werden.
Die Radio-Import G.m.b.H. in Zürich, die diesem Konzern nicht angehört, verschaffte sich Fernsehapparate, die von der deutschen Tochtergesellschaft der N.V. Philips, Gloeilampenfabrieken hergestellt worden waren und die Marke Philips sowie das Bildzeichen des Philips-Konzerns trugen. Sie führte diese Apparate in die Schweiz ein und hielt sie hier zu billigeren als den von der Philips AG geforderten Preisen feil.
B.-
Im Juni 1959 klagte die Philips AG gegen die
BGE 86 II 270 S. 272
Radio-Import G.m.b.H. beim Handelsgericht des Kantons Zürich mit den Begehren:
"1. Es sei der Beklagten unter Androhung von Strafe gemäss
Art. 292 StGB
im Falle des Zuwiderhandelns zu untersagen, Philips-Radio- und Fernsehapparate, an denen die Wortmarke Philips und, oder, das Philips-Emblem (Kreis mit vier Sternen und drei Wellenlinien) angebracht sind, in der Schweiz anzubieten und zu verkaufen, sofern diese Apparate nicht mit Zustimmung der Inhaber der Philips-Wortmarke oder der kombinierten Philips-Wort- und -Bildmarke (Emblem) in der Schweiz in den Verkehr gebracht wurden.
.....
Das Handelsgericht wies am 30. Oktober 1959 die Klage entsprechend dem Antrage der Beklagten ab.
C.-
Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichtes aufzuheben und die Begehren der Klage gutzuheissen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgericht hat in dem in
BGE 78 II 164
ff. veröffentlichten Urteil in Sachen Seifenfabrik Sunlight AG gegen Migros-Genossenschaftsbund die Auffassung vertreten, die Eintragung einer Marke in das schweizerische Register verleihe nur Schutz in der Schweiz und bewirke anderseits, dass der als Inhaber Eingetragene hier allein berechtigt werde (Territorialprinzip). Daraus leitete es ab, dieser könne jemanden wegen Gebrauchs der Marke im Inland selbst dann gemäss
Art. 24 lit. c MSchG
auf dem Wege des Zivilprozesses belangen, wenn sie im Auslande von einer daselbst als Markeninhaber anerkannten Person auf der Ware angebracht wurde. Es sah keinen Grund, anders zu entscheiden, wenn der inländische Markeninhaber mit dem ausländischen durch Zugehörigkeit zu ein und demselben Konzern wirtschaftlich verbunden ist.
Obwohl die gesetzgebenden Behörden anlässlich der Abänderung des Markenschutzgesetzes im Jahre 1939 das Territorialprinzip nicht ausdrücklich anerkannten, weil sie
BGE 86 II 270 S. 273
nicht durch Befragung weiterer Kreise die Revision verzögern wollten (Botschaft des Bundesrates vom 20. September 1937, BBl 1937 III 109), ist an dieser Rechtsprechung festzuhalten. Die Auffassung, die ihr zugrunde liegt, wurde vom Bundesgericht in Abweichung von einem früheren Entscheide (
BGE 50 I 328
ff.) auch für den Fall anerkannt, dass der Inhaber der schweizerischen Marke den Schutz von
Art. 24 lit. c MSchG
auf dem Wege des Strafprozesses sucht (
BGE 85 IV 53
ff.). Auch die schweizerische Lehre geht dahin, dass das Recht an der Marke territorial begrenzt sei (MATTER, Kommentar zum MSchG 50; TROLLER, Immaterialgüterrecht I 133 ff.; DAVID, Kommentar zum MSchG, 2. Aufl., 52). Die erwähnte Rechtsprechung wird denn auch von den Parteien nicht angefochten.
2.
Von ihr geht auch das Handelsgericht aus. Dennoch hält es die Klage für unbegründet, weil die deutsche Philips-Gesellschaft, deren Fernsehapparate die Beklagte verkaufte, diese Erzeugnisse auf Grund der Zugehörigkeit zum Konzern berechtigterweise mit den beim internationalen Büro hinterlegten und folglich in der Schweiz geschützten Marken der niederländischen Muttergesellschaft versehen habe.
Die N.V. Philips'Gloeilampenfabrieken geniesst gemäss Art. 1 und 4 der in London revidierten Madrider Übereinkunft betreffend die internationale Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken für ihre beim internationalen Büro hinterlegten Marken in der Schweiz den nämlichen Schutz, wie wenn sie unmittelbar in das schweizerische Register eingetragen worden wären. Da die Voraussetzungen des
Art. 6bis MSchG
erfüllt sind, steht ihr dieser Schutz ungeachtet der Tatsache zu, dass die Klägerin zwei gleiche Marken für gleichartige Erzeugnisse in das schweizerische Register hat eintragen lassen. Jede dieser Marken ist in der Schweiz sowohl zugunsten der Klägerin als auch zugunsten der N.V. Philips'Gloeilampenfabrieken geschützt. Ein und dasselbe Zeichen bildet nicht, wie die Klägerin
BGE 86 II 270 S. 274
annimmt, Gegenstand zweier selbständiger Marken, sondern es ist als die "nämliche Marke" zugunsten verschiedener, wenn auch wirtschaftlich eng miteinander verbundener Firmen hinterlegt (s.
Art. 6bis MSchG
). Jede der beiden Firmen kann sich der Verwendung der Marke durch Dritte widersetzen, hat dagegen den Gebrauch durch den Mitinhaber zu dulden. Die Klägerin hat es daher hinzunehmen, wenn die N.V. Philips'Gloeilampenfabrieken ihre Erzeugnisse in der Schweiz unter der gemeinsamen Marke in Verkehr bringt oder durch andere in Verkehr bringen lässt.
Die Beklagte hat nicht Erzeugnisse der N.V. Philips'Gloeilampenfabrieken verkauft, sondern solche eines Dritten, denn die deutsche Tochtergesellschaft dieser Firma ist eine selbständige Person. Auf deren Zugehörigkeit zum Konzern in Verbindung mit der beim internationalen Büro erfolgten Hinterlegung der Marken durch die Muttergesellschaft kommt nichts an. Diese Hinterlegung verschaffte in der Schweiz nur der N.V. Philips'Gloeilampenfabrieken Markenrechte, nicht auch ihren Tochtergesellschaften. Internationale Konzernmarken im Sinne überstaatlicher Rechte, die ohne weiteres allen Firmen des Konzerns in allen der Madrider Übereinkunft beigetretenen Staaten zuständen, gibt es nicht. Das widerspräche dem in der Lehre und der Rechtsprechung des Bundesgerichts (
BGE 82 I 202
,
BGE 83 II 319
ff.) anerkannten Grundsatze, dass auch die Hinterlegung beim internationalen Büro in jedem Lande ein besonderes Recht mit eigenem Schicksal verleiht (Territorialprinzip).
Es ist auch nicht festgestellt, dass die Muttergesellschaft die deutsche Tochtergesellschaft ermächtigt habe, die Marken in der Schweiz zu gebrauchen. Der Umstand allein, dass sie, wie das Handelsgericht annimmt, auf Grund der bestehenden Konzernbeziehungen berechtigt sei, die Konzernmarken des Mutterhauses zu verwenden, genügt nicht. Damit ist nur gesagt, der Gebrauch der Marken in Deutschland durch die deutsche Tochtergesellschaft erfolge zu
BGE 86 II 270 S. 275
Recht, sei es, dass diese die Zeichen in Deutschland auf eigenen Namen hinterlegte, sei es, dass die N.V. Philips'Gloeilampenfabrieken daselbst den Schutz der beim internationalen Büro erfolgten Hinterlegung geniesst und die deutsche Tochtergesellschaft zum Gebrauch ermächtigt hat. Das ist unerheblich. Nur die Erlaubnis, die mit den Marken versehene Ware in der Schweiz in Verkehr zu bringen, würde den Gebrauch durch die deutsche Tochtergesellschaft hier rechtmässig machen. Das ist die Folge des Territorialprinzips. Es verbietet, aus den Rechten, welche die deutsche Tochtergesellschaft an den zugunsten der N.V. Philips'Gloeilampenfabrieken im internationalen Register eingetragenen Marken in Deutschland haben mag, irgendwelche Rechte für das Gebiet der Schweiz abzuleiten.
3.
Die Beklagte macht geltend, die Philips-Marken gälten im schweizerischen Publikum als Kennzeichen von Ware aus dem Philips-Konzern. Der Käufer sehe in ihnen nicht einen Hinweis nur auf den Betrieb der Klägerin. Die Beklagte könne daher nicht gemäss
Art. 24 lit. c MSchG
belangt werden, denn sie habe aus dem Philips-Konzern stammende Apparate verkauft, die Käufer also nicht irregeführt.
Die Klägerin wendet ein, diese Bestimmung setze nach ihrem Wortlaut keine Täuschungsgefahr voraus. Aus
Art. 1 Ziff. 2 MSchG
ergebe sich, dass Marken nicht notwendigerweise die Herkunft der Ware feststellten, sondern ebensogut nur zur Unterscheidung von Waren dienen könnten. Das könne bei Konzernmarken zutreffen. Diese brauchten nicht die fabrikationsmässige Herkunft der Ware anzugeben, sondern es genüge, wenn sie sich eigneten, die Waren von anderen abzuheben. Sobald eine gültige Marke bestehe, sei im einzelnen Falle nicht noch zu untersuchen, ob sie diesem oder jenem Zwecke diene. Es sei auch unerheblich, was der Abnehmer sich vorstelle. Die Marke habe in jedem Lande einen besonderen Goodwill, den der Markeninhaber durch die Qualität der Ware, die Geschäftsorganisation
BGE 86 II 270 S. 276
und die Reklame schaffe. Dieser Goodwill sei das eigentliche Immaterialgut der Marke. Seine Benützung stehe allein dem Markeninhaber zu. Die Marke verleihe diesem ein absolutes Herrschaftsrecht. Der Inhaber könne bestimmen, wo und durch wen die mit der Marke versehene Ware verkauft werden dürfe. Andere dürften nicht dem Berechtigten mit der Marke Konkurrenz machen und damit den von ihm geschaffenen Goodwill ausnützen.
a) Auf dem Wege des Zivil- oder Strafprozesses kann gemäss
Art. 24 MSchG
belangt werden:
"a) wer die Marke eines andern nachmacht oder so nachahmt, dass das Publikum irregeführt wird;
b) wer die Marke eines andern für seine eigenen Erzeugnisse oder Waren verwendet;
c) wer Erzeugnisse oder Waren, von denen er weiss, dass sie mit einer nachgemachten, nachgeahmten oder rechtswidrig angebrachten Marke versehen sind, verkauft, feilhält oder in Verkehr bringt;
d) wer bei den obbezeichneten Übertretungen wissentlich mitgewirkt oder deren Ausführung begünstigt oder erleichtert hat;
e) wer sich weigert, die Herkunft von in seinem Besitze befindlichen Erzeugnissen oder Waren anzugeben, welche nachgemachte, nachgeahmte oder rechtswidrigerweise angebrachte Marken tragen."
Das Gesetz sagt also nicht ausdrücklich, das Markenrecht sei nur dann verletzt, wenn das Publikum getäuscht werden könne. Von der Irreführung ist in lit. a nur im Hinblick auf den Fall der Nachahmung die Rede; die betreffenden Worte bezeichnen den Grad, den diese aufweisen muss. Die gegenteilige Auffassung von DAVID, Kommentar Art. 24 N. 4, wird durch Art. 19 des Gesetzesentwurfes vom 28. Januar 1890 widerlegt, wo gleich wie in Art. 18 des Gesetzes vom 19. Dezember 1879 auseinandergehalten wurde, es könne belangt werden: "a. wer die Marke eines andern nachmacht; b. wer die Marke eines andern so nachahmt, dass das Publikum irregeführt wird" (BBl 1890 I 310). Nichts spricht dafür, dass die Bundesversammlung durch die Zusammenziehung der beiden Satzteile in Art. 24 lit. a des Gesetzes nicht lediglich eine gedrängtere Fassung habe erreichen wollen.
BGE 86 II 270 S. 277
Dass der Wortlaut des
Art. 24 MSchG
nicht allgemein die Möglichkeit der Täuschung des Publikums zum Merkmal der Markenrechtsverletzung erhebt, bedeutet jedoch nicht, sie sei nicht Voraussetzung der daselbst umschriebenen Widerhandlungen. Massgebend ist nicht der Buchstabe des Gesetzes, sondern der Sinn, der sich aus dem Zwecke des Erlasses ergibt.
b) Fabrik- und Handelsmarken sind Zeichen, die "zur Unterscheidung oder zur Feststellung der Herkunft gewerblicher und landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder Waren dienen und auf diesen selbst oder deren Verpackung in beliebiger Weise angebracht sind" (
Art. 1 Ziff. 2 MSchG
).
Unter der Herkunft versteht diese Bestimmung die Abstammung aus einem bestimmten Geschäft, nicht wie
Art. 18 MSchG
die Beziehung zu einem Orte, einer Gegend oder einem Lande. Fabrik- und Handelsmarken weisen darauf hin, dass das Erzeugnis in einem bestimmten Unternehmen hergestellt oder von ihm in Verkehr gebracht worden sei (
BGE 55 II 65
). Das trifft nicht nur dann zu, wenn die Marke "zur Feststellung der Herkunft" angebracht wird, sondern auch dann, wenn der Markeninhaber in ihr ein Mittel "zur Unterscheidung der Erzeugnisse" sieht. Das ist klar, wenn darunter die Unterscheidung von Erzeugnissen verstanden wird, die aus andern als dem an der Marke berechtigten Unternehmen stammen. Es gilt aber auch dann, wenn die Unterscheidung von Waren anderer Beschaffenheit aus dem Unternehmen des Markeninhabers selbst gemeint ist, denn auch in diesem Falle ist die Marke zugleich Kennzeichen für die Abstammung aus dem Geschäfte des Berechtigten, da sie von Dritten für Waren gleicher Beschaffenheit nicht benützt werden darf. Folge der Aufgabe der Marke als Hinweis auf ein bestimmtes Geschäft ist, dass
Art. 11 Abs. 1 MSchG
bestimmt, sie könne nur mit dem Geschäft übertragen werden, dessen Erzeugnissen sie zur Unterscheidung dient. Damit soll verhütet werden, dass das Publikum unter einer Marke Erzeugnisse erhalte, die aus anderen Geschäften stammen, als
BGE 86 II 270 S. 278
es sich auf Grund der bisherigen Erfahrung vorstellt (
BGE 50 II 84
,
BGE 75 I 344
).
Es gibt freilich Kollektivmarken. Sie werden von Vereinigungen mit Persönlichkeit, die selber kein Geschäft zu betreiben brauchen, zur Kennzeichnung der von ihren Mitgliedern erzeugten oder in den Handel gebrachten Waren hinterlegt. Sie wurden schon von
Art. 7 Ziff. 3 MSchG
in der Fassung von 1890 anerkannt (vgl. Botschaft vom 9. November 1886, BBl 1886 III 560; Botschaft vom 28. Januar 1890, BBl 1890 I 295;
BGE 52 I 199
f.), und im Jahre 1928 brachte man ihre Zulässigkeit durch die Revision dieser Bestimmung und den Erlass des Art. 7bis deutlicher zum Ausdruck (vgl. Botschaft vom 15. Februar 1928, BBl 1928 I 189). Die Auffassung, die Marke weise auf die Herkunft des Erzeugnisses aus einem bestimmten Geschäfte hin, trifft also nicht lückenlos zu. Dennoch ist sie in allen Fällen Hinweis auf die Herkunft des Erzeugnisses.
Art. 1 Ziff. 2 MSchG
als grundlegende Bestimmung über die Aufgabe der Marke gilt auch für Kollektivzeichen. Diese weisen auf die Herkunft der Erzeugnisse aus dem Kreise der Geschäfte hin, die den Mitgliedern der Vereinigung gehören; sie sagen dem Käufer, die Ware sei von einem dieser Geschäfte erzeugt oder in den Handel gebracht worden. Dieser Aufgabe entspricht es, dass in der Regel auch die Kollektivmarke nicht übertragbar ist (
Art. 7bis Abs. 3 MSchG
). Dass der Bundesrat Ausnahmen bewilligen kann, ändert an der Rolle nichts, die das Gesetz solchen Zeichen zuschreibt. Ausnahmen können z.B. am Platze sein, wenn die Vereinigung die Persönlichkeit wechselt, der Kreis der Mitglieder dagegen im wesentlichen gleich bleibt. Wenn die Vereinigung "die Kollektivmarke in einer ihrer Zweckbestimmung zuwiderlaufenden oder zur Irreführung des Publikums geeigneten Weise benutzt", kann jeder Interessierte auf Löschung der Marke klagen (
Art. 7bis Abs. 5 MSchG
). Diese Norm lässt deutlich erkennen, dass auch Kollektivmarken nur verwendet werden dürfen, um dem Publikum sinnbildlich
BGE 86 II 270 S. 279
und wahrheitsgemäss die Herkunft der Erzeugnisse bekanntzugeben und allenfalls Erzeugnisse gleicher Herkunft von einander zu unterscheiden.
Aus dem allen Marken gemeinsamen Zweck ergibt sich der Sinn der Normen über ihren Schutz. Das Gesetz will verhindern, dass jemand durch unbefugte Verwendung der (echten, nachgemachten oder nachgeahmten) Zeichen eines andern vortäusche, die durch sie gekennzeichneten Erzeugnisse stammten aus dem Geschäfte des andern bzw. aus dem Geschäfte eines Mitgliedes der an der Kollektivmarke berechtigten Vereinigung. Es liegt ihm fern, die Rechte an der Marke zu einem selbständigen und zu beliebigen Zwecken verwendbaren Gute auszugestalten, um den Fabrikanten und Händlern oder ihren Vereinigungen die Abwehr irgendwelcher Eingriffe in ihre Geschäftsinteressen zu ermöglichen.
Das Bundesgericht hat daher stets die Auffassung vertreten,
Art. 24 MSchG
biete nur Schutz gegen Handlungen, durch die das Publikum über die Herkunft der Erzeugnisse irregeführt werden könnte (
BGE 33 I 209
,
BGE 51 I 340
,
BGE 52 I 203
,
BGE 78 II 172
,
BGE 84 IV 124
,
BGE 85 IV 55
).
c) Am 22. Juni 1939 wurde Art. 6bis in das Markenrechtsgesetz eingefügt. Darnach dürfen wirtschaftlich eng miteinander verbundene Produzenten, Industrielle oder Handeltreibende auch für Erzeugnisse oder Waren, die ihrer Natur nach nicht voneinander abweichen, die nämliche Marke hinterlegen, wenn weder das Publikum getäuscht noch sonstwie das öffentliche Interesse verletzt werden kann.
Diese Norm schwächt wie
Art. 7bis MSchG
die hinweisende Kraft der Marke ab. Wenn wirtschaftlich eng miteinander verbundene Fabrikanten oder Händler für gleiche oder ähnliche Erzeugnisse die gleiche Marke verwenden (Konzernmarke), dient diese nicht als Hinweis auf die Abstammung aus einem bestimmten Geschäft, sondern deutet sie nur an, dass das Erzeugnis aus irgendeinem der mehreren zum Konzern gehörenden Unternehmen stamme.
BGE 86 II 270 S. 280
Sie bleibt nichtsdestoweniger ein Zeichen zur Feststellung der Herkunft der Erzeugnisse. Art. 6bis ändert also insofern am hergebrachten Begriff der Fabrik- oder Handelsmarke nichts und gibt daher nicht Anlass, den oder die Inhaber der Marke auch gegenüber jenen Handlungen, die ihrer Natur nach das Publikum nicht über die Herkunft von Erzeugnissen irrezuführen vermögen, nach
Art. 24 ff. MSchG
zu schützen.
d) Ebenfalls am 22. Juni 1939 wurde
Art. 11 MSchG
abgeändert. Der Grundsatz, dass eine Marke nur mit dem Geschäft übertragen werden könne, dessen Erzeugnissen sie zur Unterscheidung dient, wurde dahin abgeschwächt, dass in Fällen, in denen das Geschäft sich über mehrere Länder erstreckt, die Übertragung des auf die Schweiz bezüglichen Teils desselben genüge (Abs. 1). Ferner durchbricht ihn das Gesetz dadurch, dass es nunmehr die Übertragung der Marke für einen Teil der Waren, für die diese eingetragen ist, zusammen mit dem betreffenden Geschäftsteil gestattet, wenn die zum abgetretenen Teil gehörenden Waren gänzlich von denen abweichen, für die die Marke zugunsten des Abtretenden eingetragen bleibt (Abs. 2). In beiden Fällen darf der Gebrauch der Marke nach dem beschränkten Geschäftsübergang nicht eine Täuschung des Publikums ermöglichen.
Auch durch die Revision in diesen Punkten tastete der Gesetzgeber den hergebrachten Begriff der Fabrik- oder Handelsmarke als eines zur Feststellung der Herkunft der Erzeugnisse dienenden Zeichens nicht an. Ihre Aufgabe, die gedankliche Verbindung mit einem bestimmten Geschäft herzustellen, wurde beibehalten. Der revidierte Art. 11 macht lediglich insofern Zugeständnisse, als in den erwähnten Fällen von Übertragung eines Geschäftsteils in Verbindung mit der Übertragung der Marke nur dieser Teil allein noch als das Unternehmen gilt, auf das die Marke nach der Veräusserung hinweist. Dadurch wurde die Marke nicht zu einem selbständigen, vom Unternehmen losgelösten Recht erhoben, das allen möglichen
BGE 86 II 270 S. 281
Zwecken und Interessen dienstbar gemacht werden könnte. Verletzt wird es auch unter dem Gesichtswink el des revidierten Art. 11 nur durch Handlungen, die das Publikum über die Herkunft der Erzeugnisse täuschen könnten.
e) Soweit
Art. 24 MSchG
den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken betrifft, lautet er heute noch gleich wie zur Zeit seines Erlasses. Die Tatbestände, die er unter lit. a-e umschreibt, bestätigen, dass das Gesetz wie von Anfang an noch heute nur davor schützen will, dass das Publikum mit Hilfe von Marken über die Herkunft der Erzeugnisse irregeführt werde. Die Bestimmungen der lit. a-e betreffen ausschliesslich Handlungen, die sich zu solcher Täuschung eignen.
Wer die "Marke eines andern nachmacht" (lit. a), kann nur belangt werden, wenn er das nachgemachte Zeichen zum Gebrauch als Marke bestimmt, d.h. es auf dem Erzeugnis oder der Verpackung zwecks Hinweises auf die Herkunft anbringt. In diesen Fällen geht er normalerweise auf Täuschung des Publikums über die Herkunft der Erzeugnisse aus und schafft er die Gefahr, dass es tatsächlich irregeführt werde. Nur an diesen Normalfall dachte der Gesetzgeber, als er den erwähnten Tatbestand umschrieb, ohne zu sagen, dass er die Möglichkeit von Verwechslungen voraussetze (
BGE 51 I 340
). Der Einwand, es sollten markenrechtlich auch Fälle erfasst werden können, in denen das fremde Zeichen unter Hinweis auf die ihm nicht entsprechende Herkunft des Erzeugnisses, z.B. durch die Zusätze Typ, Genre, Façon, zur Einführung einer Ersatzware missbraucht wird (vgl. DAVID, Art. 24 N. 25-27), schlägt nicht durch. Solches Gebaren lässt sich nach den Bestimmungen über unlauteren Wettbewerb verfolgen.
Für die Fälle, in denen die Marke nur nachgeahmt wird (lit. a), ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass der Schuldige bloss belangt werden kann, wenn "das Publikum irregeführt wird". Obwohl diese Worte nur die Anforderungen an den Grad der Nachahmung umschreiben,
BGE 86 II 270 S. 282
lassen sie schliessen, dass es dem Gesetzgeber lediglich um die Ausschaltung der Täuschungsgefahr zu tun war.
Wer "die Marke eines andern für seine eigenen Erzeugnisse oder Waren verwendet" (lit. b), geht normalerweise auf Täuschung des Publikums über deren Herkunft aus, denn er bringt das (echte) Zeichen eines andern unbefugterweise auf Erzeugnisse an, für die es nicht bestimmt ist, weil sie nicht aus dem Geschäft des Markeninhabers stammen. Dass nur diese Fälle erfasst werden sollten, ergibt sich aus Art. 19 lit. c des Entwurfes vom 28. Januar 1890. Hier wurde gesagt, es könne belangt werden, "wer Marken eines andern oder Verpackungen, die mit solchen Marken versehen sind, für seine eigenen Erzeugnisse oder Waren verwendet, um beim Publikum den Glauben zu erwecken, dass diese Erzeugnisse von dem Hause herrühren, dessen Marken sie rechtswidrigerweise tragen". Schon
BGE 33 I 209
geht davon aus, diese Bestimmung des Entwurfes sei nur wegen überflüssiger Weitläufigkeit durch die kürzere Fassung des
Art. 24 lit. b MSchG
ersetzt worden.
Die weiteren Fälle des Art. 24 betreffen Tatbestände, die den in lit. a und b umschriebenen zeitlich nachfolgen (lit. c, d und e) oder von Hilfspersonen verwirklicht werden (lit. d) und die wie die in lit. a und b umschriebenen Sachverhalte ein Nachmachen, Nachahmen oder rechtswidriges Anbringen der Marke, also eine dadurch bedingte Gefahr der Täuschung des Publikums voraussetzen. Dass dieses Merkmal insbesondere zum Tatbestand der lit. c gehört, wurde in
BGE 52 I 203
,
BGE 78 II 172
und
BGE 85 IV 53
entschieden
Träfe zu, dass das Markengesetz die Herrschaft des Berechtigten über ein in der Marke verkörpertes unumschränktes Immaterialgut gewährleisten und den diesem zukommenden Vermögenswert (Goodwill) in jeder Hinsicht schützen wolle (vgl. TROLLER, Die territoriale Unabhängigkeit der Markenrechte im Warenverkehr, GRUR, Ausland 1960 244 ff.), so müsste es in Art. 24 weitere dieses Gut verletzende Handlungen aufzählen. Es müsste
BGE 86 II 270 S. 283
z.B. bestimmen, dass auf dem Wege des Zivil- oder Strafprozesses auch belangt werden könne, wer unbefugterweise (echte) Marken von Erzeugnissen entfernt, auf denen sie angebracht sind, oder wer mit (echten) Marken versehene Erzeugnisse an anderen Orten oder zu anderen Bedingungen absetzt, als der Berechtigte es gestattet, oder wer den Ruf einer Marke oder eines mit ihr versehenen Erzeugnisses herabsetzt. Solche oder ähnliche Tatbestände umschreibt
Art. 24 MSchG
keine.
Es fällt denn auch auf, dass
Art. 27 Ziff. 1 MSchG
unter den Klageberechtigten an erster Stelle den getäuschten Käufer und erst in zweiter Linie den Inhaber der Marke nennt.
f) Dass die Befugnisse aus der Marke absolute Rechte sind, als Immaterialgut gelten und Vermögenswert (Goodwill) haben können, führt nicht zu einer anderen Auslegung des Gesetzes. Als absolute Rechte werden sie bezeichnet, weil sie gegenüber jedermann wirken. Damit ist nicht gesagt, dass sie dem Berechtigten eine unbeschränkte Herrschaft im Sinne der Auffassung der Klägerin verleihen und dass die Marke Selbstzweck habe. Auch aus der Eigenschaft als Immaterialgut folgt nicht, dass das Recht an der Marke unbeschränkt sei. Immaterielle Rechtsgüter reichen inhaltlich nur so weit, als das Gesetz es zulässt. Vermögenswert sodann kann die Marke erlangen, weil sie in Verbindung mit den Eigenschaften der gezeichneten Erzeugnisse, der Geschäftsorganisation und der Reklame zur Werbung und Erhaltung der Kundschaft beiträgt. Das bedeutet jedoch nicht, der Berechtigte müsse im so erworbenen Besitzstande in jeder Hinsicht nach den Bestimmungen des Markengesetzes geschützt werden. Zum Schutze vor unerlaubten Eingriffen in die Geschäftskundschaft, auch wenn diese durch Werbung für Markenware geschaffen wurde, dient in erster Linie das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb. Das Markengesetz kann nur angerufen werden, wenn der Berechtigte in seiner Kundschaft dadurch bedroht wird, dass andere ihre Erzeugnisse
BGE 86 II 270 S. 284
rechtswidrig mit seiner echten oder mit einer ihr nachgemachten oder nachgeahmten Marke versehen und dadurch die zum mindesten abstrakte Gefahr schaffen, dass das Publikum die Ware in der irrigen Meinung kaufe, sie stamme vom Markeninhaber oder aus dem Kreise der zu einer Vereinigung oder zu einem Konzern gehörenden Firmen. Namentlich gibt dieses Gesetz den Markeninhabern nicht ein Mittel in die Hand, um einen von ihnen nicht gebilligten Handel mit ihren eigenen Erzeugnissen oder den Erzeugnissen ihrer Mitglieder oder Konzernangehörigen zu unterbinden, d.h. ihren Vereinbarungen oder Anordnungen über örtliche Beschränkungen des Absatzes, Alleinverkaufsrechte, Einhaltung von Preisen und dgl. Nachachtung zu verschaffen. Auf diesen Standpunkt hat sich das Bundesgericht schon in seiner strafrechtlichen Rechtsprechung gestellt (
BGE 84 IV 119
ff.). Auf dem gleichen Boden steht laut einem Urteil des Hoge Raad der Niederlande vom 14. Dezember 1956 z.B. auch das holländische Recht (GRUR, Ausland 1957 260 f.).
g) Das Handelsgericht führt aus, dem Publikum sei bekannt, dass die Wortmarke Philips und die charakteristische Philips-Bildmarke Warenzeichen eines Weltkonzerns sind, die nicht nur von der Klägerin, sondern auch von den andern Konzernfirmen verwendet werden; wer in der Schweiz einen Philips-Empfänger kaufe, pflege sich daher nur vorzustellen, dass dieser aus einem dem Konzern angehörenden Betriebe, nicht aus dem Betriebe der Klägerin im besondern stamme.
Diese Feststellung betrifft tatsächlich Verhältnisse und bindet daher das Bundesgericht. Dass sie richtig ist, liegt übrigens auf der Hand. Da die Klägerin als die eine der in der Schweiz berechtigten Markeninhaberinnen nicht nur die von ihr selber hergestellten Erzeugnisse unter den Philips-Marken absetzt, sondern auch Apparate verkauft, die gleich gekennzeichnet sind, obschon sie teils aus dem Unternehmen der Muttergesellschaft, teils aus dem Unternehmen eines Dritten stammen, können diese Marken
BGE 86 II 270 S. 285
nicht mehr ausschliesslich auf das Geschäft der Klägerin hinweisen. Sie deuten nur noch an, dass die Ware aus einem Kreise komme, der aus mehreren Gesellschaften besteht, und zwar auch aus solchen, die in der Schweiz nicht markenberechtigt sind.
Daraus ergibt sich, dass die Beklagte durch Einfuhr und Verkauf von Apparaten, welche die Philips-Marken tragen und aus dem gleichen in der Schweiz nicht markenberechtigten Drittbetriebe stammen, aus dem die Klägerin sich bedienen lässt, nicht die Gefahr der Täuschung des Publikums über die Herkunft der Ware schafft. Der Käufer stellt sich beim Erwerb dieser Apparate nichts anderes vor, als wenn er bei der Klägerin oder bei einem von ihr ermächtigten Wiederverkäufer erwirbt, nämlich er erstehe eine Ware, die in einem auch die Klägerin beliefernden Unternehmen hergestellt worden sei. Der Einwand der Klägerin, die Konzernmarke müsse nicht die fabrikationsmässige Herkunft der Ware angeben, sondern es genüge, wenn sie die mit ihr versehenen Waren von den andern abhebe, hilft nicht. Als "andere Waren" kommen ja hier nicht jene in Betracht, die aus in der Schweiz nicht markenberechtigten Unternehmen des Philips-Konzerns stammen, sondern nur Erzeugnisse aus dem Konzern fremden Betrieben, da die Klägerin selber Ware aus einem zum Konzern gehörenden, aber in der Schweiz nicht markenberechtigten Unternehmen unter den Philips-Marken absetzt.
Soweit die Klage sich auf das Markenrechtsgesetz stützt (Rechtsbegehren 1), ist sie daher abzuweisen.
4.
(Frage des unlauteren Wettbewerbs.)
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 30. Oktober 1959 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6681692d-b84e-4e2a-ab17-378966b62431 | Urteilskopf
102 Ia 352
50. Auszug aus dem Urteil vom 25. Oktober 1976 i.S. H. gegen Kanton Schaffhausen | Regeste
Art. 4 BV
. Kantonales Steuerrecht; Zwischenveranlagung.
Es ist willkürlich, eine Zwischenveranlagung vorzunehmen:
- auf einen Zeitpunkt, an dem sich kein Zwischentaxationsgrund verwirklicht hat;
- auf den Beginn einer Veranlagungsperiode. | Sachverhalt
ab Seite 352
BGE 102 Ia 352 S. 352
H. ist Verwaltungsbeamter in Schaffhausen. Seine Ehefrau nahm am 1. März 1970 eine Teilzeit-Arbeit auf. In seiner Steuererklärung vom 31. März 1971 für die Staats- und Gemeindesteuern führte H. neben seinem persönlichen Einkommen dasjenige seiner Ehefrau aus dem Jahre 1970 an. Auf Grund dieser Steuererklärung erhielt er am 4. Oktober 1971 eine als definitiv bezeichnete Steuerrechnung für die Staats- und Gemeindesteuern 1971, in der sein steuerbares Einkommen auf Fr. 13'700.-- und die jährlich zu entrichtende Steuer auf Fr. 1'723.35 festgesetzt war. Diese Steuerrechnung wie die gleichlautende für das Jahr 1972 blieben unangefochten.
Am 19. November erhielt H. neue Steuerrechnungen für die Jahre 1971 und 1972, die den Vermerk "Zwischenveranlagung 1971 Erwerbsaufnahme Ehefrau ab 1.1.71 (Haupterwerb)" trugen und auf ein steuerbares Einkommen von Fr. 17'700.-- bzw. einen jährlichen Steuerbetrag von Fr. 2'426.55 lauteten.
BGE 102 Ia 352 S. 353
Auf Einsprache hin entschied die kantonale Steuerkommission, dass die Zwischentaxation wegen Erwerbsaufnahme der Ehefrau auf den 1.3.1970 vorzunehmen und die Veranlagung 1971/72 von Fr. 17'700.-- auf Fr. 15'300.-- herabzusetzen sei. Diesen Entscheid focht H. beim Obergericht des Kantons Schaffhausen an. Das Obergericht hiess den Rekurs am 31. Oktober 1975 teilweise gut, hob den Entscheid der Steuerkommission auf, soweit er die Vornahme einer Zwischenveranlagung auf den 1. März 1970 vorschrieb, und wies die Sache zur Vornahme einer Zwischenveranlagung auf den 1. Januar 1971 an die Steuerkommission zurück. Gegen das Urteil des Obergerichtes sowie die entsprechenden Steuerrechnungen vom 20. Juli 1976 hat H. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
eingereicht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
In seinem Urteil vom 31. Oktober 1975, das den angefochtenen Taxationen zugrundeliegt, hat das Obergericht festgestellt, die Zwischenveranlagung auf den 1. März 1970 sei erst nach Ablauf der in Art. 79 Abs. 5 des Schaffhauser Gesetzes über die direkten Steuern vom 17. Dezember 1956 (StG) vorgesehenen dreijährigen Verwirkungsfrist erfolgt und daher aufzuheben. Weiter wurde ausgeführt, es sei unrichtig, dass die Zwischenveranlagung erst auf den 1. Januar 1971 vorgenommen worden sei, obschon die Voraussetzungen dafür bereits am 1. März 1970 erfüllt gewesen seien. Daraus folge jedoch nicht ohne weiteres, dass sie aufzuheben sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch, dass die erhöhten Steuerfaktoren erst ab Anfang 1971 berücksichtigt worden seien, keinen Schaden erlitten, sondern vielmehr einen Vorteil erzielt. Auch sei sein Anspruch auf Rechtssicherheit nicht beeinträchtigt worden, da er bis Ende 1973 mit einer Zwischenveranlagung, und zwar mit einer solchen auf den 1. März 1970, habe rechnen müssen. Der Grundsatz der Unabänderlichkeit der rechtskräftigen Veranlagung stehe einer Zwischentaxation nicht im Wege.
Der Beschwerdeführer rügt als willkürlich, dass die kantonalen Behörden die definitive Veranlagung für die Jahre 1971/72 abgeändert hätten. Dadurch würden
Art. 79 StG
sowie § 67
BGE 102 Ia 352 S. 354
der entsprechenden Vollziehungsverordnung verletzt. Nach diesen Bestimmungen sei dann, wenn eine definitive Einschätzung mangels zuverlässiger Unterlagen nicht möglich sei, zunächst eine provisorische Veranlagung vorzunehmen. Eine definitive und rechtskräftige Veranlagung könne nachträglich nicht mehr abgeändert werden.
3.
Gemäss
Art. 79 Abs. 1 StG
ist eine Zwischenveranlagung durchzuführen, wenn sich Einkommen und Vermögen in der Veranlagungsperiode aus bestimmten Gründen, zu denen namentlich die Aufnahme oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit gehören, dauernd verändern. Sie erfolgt für den Rest der Veranlagungsperiode. Diese Regelung ist eindeutig und deckt sich inhaltlich mit derjenigen des Bundes und der meisten übrigen Kantone (vgl. beispielsweise KÄNZIG, Komm. zur Wehrsteuer, N. 4 zu Art. 96 WStB; HÖHN, Steuerrecht, S. 174/175; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Bd. III, N. 1 ff. zu § 59; ZIMMERMANN, Die Zwischentaxation nach basellandschaftlichem Steuerrecht, in: Basellandschaftliche Steuerpraxis IV, S. 148).
Im vorliegenden Fall ist nicht mehr streitig, dass der Anspruch des Staates auf eine Zwischenveranlagung auf den 1. März 1970 infolge Zeitablaufs untergegangen ist. Daraus folgt, dass eine Zwischenveranlagung aus dem Grunde, der sich an diesem Tage verwirklicht hat (Aufnahme der Berufstätigkeit der Ehefrau), nicht mehr erfolgen durfte. Durch die Zwischenveranlagung auf den 1. Januar 1971 wurde der gemäss ständiger bundesgerichtlicher Praxis gewährleistete Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Steuern (
BGE 97 I 303
, E. 5b; 347 E. 2a mit zahlreichen Verweisungen) in doppelter Hinsicht verletzt. Zum einen soll die Zwischenveranlagung von einem Zeitpunkt an gelten, an dem sich unbestrittenermassen kein Zwischentaxationsgrund im Sinne des Gesetzes verwirklicht hat; zum andern ist eine Zwischentaxation auf den Beginn der Veranlagungsperiode begrifflich überhaupt nicht möglich, da dann auf jeden Fall eine Haupteinschätzung zu erfolgen hat und demgemäss eine Veranlagung "für den Rest der Veranlagungsperiode", wie sie in
Art. 79 Abs. 1 StG
vorgeschrieben ist, zum vornherein ausser Betracht fällt (vgl. dazu für das zürcherische Recht REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, a.a.O., N. 12 zu
§ 61 StG
). Das Vorgehen gemäss Urteil des Obergerichtes läuft darauf hinaus, dass unter der unzutreffenden
BGE 102 Ia 352 S. 355
Bezeichnung "Zwischenveranlagung" eine rechtskräftige Hauptveranlagung nachträglich ohne gesetzlichen Grund abgeändert wird. Fehlt aber der nachträglich erhobenen zusätzlichen Steuer die gesetzliche Grundlage, so ist die Frage des Vertrauensschutzes nicht mehr von Bedeutung. Die angefochtenen Steuerveranlagungen erscheinen als willkürlich im Sinne von
Art. 4 BV
und sind zusammen mit dem Urteil des Obergerichtes vom 31. Oktober 1975 aufzuheben. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
6689eb67-8db4-4c13-81dd-3a8f59211358 | Urteilskopf
82 I 171
24. Auszug aus dem Urteil vom 21. September 1956 i.S. Danieli gegen Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich. | Regeste
Wehrsteuer: Einkommen aus gewerbsmässigem Handel mit Liegenschaften, den ein selbständig erwerbender Architekt im Zusammenhang mit seiner eigentlichen Berufsarbeit treibt. | Sachverhalt
ab Seite 172
BGE 82 I 171 S. 172
A.-
Der Beschwerdeführer ist selbständig erwerbender Architekt. Er kaufte und verkaufte, namentlich seit dem Jahre 1950, zahlreiche Liegenschaften in Zürich und Thalwil, sei es allein, sei es zusammen mit einem Partner, meist seinem Bruder, der Baumeister ist. In vielen Fällen wurden die Grundstücke nach dem Kauf - und gegebenenfalls nach dem Abbruch vorhandener Gebäude - unter der Leitung des Beschwerdeführers überbaut. Die meisten überbauten Parzellen wurden sodann mit Gewinn verkauft. Es kam auch vor, dass der Beschwerdeführer Bauland veräusserte im Hinblick darauf, dass er vom Käufer für die nachfolgende Überbauung den Architekturauftrag erhielt. So verhielt es sich bei dem im Jahre 1952 vorgenommenen Verkauf der Liegenschaft Seefeldstrasse 116 in Zürich, die der Beschwerdeführer zusammen mit seinem Bruder im Jahre 1946 erworben hatte. Bei dieser Veräusserung erzielten die beiden Brüder einen beträchtlichen Gewinn.
Bei der Veranlagung des Beschwerdeführers zur Wehrsteuer 7. Periode (Berechnungsperiode 1951/2) wurde der auf ihn entfallende Teil dieses Gewinns als Einkommen aus gewerbsmässigem Liegenschaftshandel betrachtet und in die Steuerberechnung einbezogen. Die Beschwerde des Steuerpflichtigen hiegegen wurde von der kantonalen Rekurskommission abgewiesen (Entscheid vom 17. Februar 1956).
B.-
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bestreitet der Steuerpflichtige erneut, dass der bei der Veräusserung der Liegenschaft Seefeldstrasse 116 erzielte Gewinn der Wehrsteuer vom Einkommen unterliege. Er macht geltend, jener Gewinn sei nicht im Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens erzielt worden und sei auch nicht Einkommen aus gewerbsmässigem Handel mit Liegenschaften, falle also weder unter lit. d noch unter
BGE 82 I 171 S. 173
lit. a des Art. 21, Abs. 1 WStB. Soweit der Beschwerdeführer aus dem Kauf und Verkauf von Liegenschaften überhaupt Gewinne erzielt habe, seien sie nicht das Ergebnis eines planmässigen Vorgehens, einer berufsmässigen Handelstätigkeit. Vielmehr habe er zufällig sich bietende Gelegenheiten ausgenützt, wobei es ihm darum zu tun gewesen sei, das ansehnliche private eheliche Vermögen anzulegen oder Architekturaufträge zu erhalten, beim Kauf der Liegenschaft Seefeldstrasse 116 zunächst auch darum, in den Besitz geeigneter Büroräumlichkeiten zu kommen. Selbst wenn die erzielten Kapitalgewinne mit der Ausübung des Architektenberufes in Beziehung gesetzt würden, könnten sie nicht als Erwerbseinkommen erfasst werden.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Gewinn aus dem Verkauf einer Liegenschaft unterliegt der Wehrsteuer vom Einkommen nur dann, wenn der Veräusserer gewerbsmässig mit Liegenschaften Handel treibt (Art. 21 Abs. 1 lit a WStB) oder wenn der Gewinn im Betriebe eines zur kaufmännischen Buchführung verpflichteten Unternehmens erzielt worden ist (lit. d daselbst). Nicht unter die Steuer fallen Liegenschaftsgewinne, die im Rahmen gewöhnlicher Verwaltung privaten Vermögens erlangt werden (
BGE 70 I 259
).
Als Architekt ist der Beschwerdeführer nicht buchführungspflichtig. Ob er es in anderer Eigenschaft sei, braucht nicht geprüft zu werden, wenn sich ergibt, dass der in Frage stehende Gewinn Einkommen aus berufsmässigem Liegenschaftshandel darstellt und daher ohnehin, nach Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB, der Einkommenssteuer unterliegt.
2.
Der Beschwerdeführer hat bei zahlreichen Liegenschaftskäufen und -verkäufen als Kontrahent mitgewirkt. In den Jahren 1939-1954 hat er 16 Grundstücke gekauft und davon - im Zeitraum 1950-1954, auf den 14 Käufe entfallen - 9 wieder verkauft. Vielfach hat er, in der
BGE 82 I 171 S. 174
Regel in Zusammenarbeit mit seinem ebenfalls im Baufach tätigen Bruder, die erworbenen Objekte überbaut und, meist schon nach kurzer Besitzesdauer, mit Gewinn veräussert. In anderen Fällen hat er Bauland - mitunter auch mit Gewinn - verkauft im Hinblick auf die Zusicherung, dass er für die nachfolgende Überbauung den Architekturauftrag erhalte. Aus diesen Umständen ergibt sich, dass er sich methodisch, fortlaufend und im Streben nach Gewinn mit Erwerb und Veräusserung von Grundstücken abgegeben hat. Diese Tätigkeit überschreitet offensichtlich den Rahmen der Verwaltung privaten Vermögens; sie ist berufsmässiger Liegenschaftshandel, zumal da sie in enger Verbindung mit der hauptsächlichen Berufsarbeit des Beschwerdeführers, zur Sicherung des guten Ganges des Architekturbüros, ausgeübt worden ist. Es mag zutreffen, dass der Beschwerdeführer vereinzelte Käufe lediglich deshalb vorgenommen hat, um sein eigenes privates Vermögen und dasjenige seiner Ehefrau günstig anzulegen. Aber die Zahl der verbleibenden Geschäfte, bei denen dies zweifellos nicht zutrifft, ist derart, dass von blosser Verwaltung privaten Vermögens nicht die Rede sein kann. Wenn der Anstoss zu gewissen Geschäften von aussen gekommen ist, so ist das kein Grund zu einer abweichenden Auffassung. Auch der gewerbsmässige Liegenschaftshandel ist nicht selten darauf angewiesen, mehr oder weniger zufällig sich bietende Gelegenheiten auszunützen.
Den Gewinn aus dem Verkauf der Liegenschaft Seefeldstrasse 116 hat der Beschwerdeführer im Rahmen seiner berufsmässigen Handelstätigkeit erzielt. Er hat das Objekt nach seiner eigenen Darstellung im Hinblick darauf veräussert, dass der baulustige Käufer ihm die Erteilung des Architekturauftrages zugesichert hat. Es ist möglich, dass beim Kauf der Liegenschaft im Jahre 1946 das Streben nach einer vorteilhaften Vermögensanlage und die Absicht, das Architekturbüro dorthin zu verlegen, im Vordergrund gestanden hatten, doch kann es darauf nicht ankommen. Die Verlegung ist unterblieben, und die
BGE 82 I 171 S. 175
Liegenschaft ist Bestandteil des dem Liegenschaftshandel dienenden Geschäftsvermögens geworden und als solcher abgestossen worden. Jener Gewinn ist daher gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB zu versteuern. | public_law | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
668d11ba-5e55-4bb9-8733-ac99002fad74 | Urteilskopf
110 II 125
25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Januar 1984 i.S. Grisch gegen Züllig und Mitbeteiligte (Berufung) | Regeste
Notweg (
Art. 694 ZGB
).
Eine Wegnot im Sinne von
Art. 694 ZGB
ist zu verneinen, wenn ein Grundstück zum Zwecke der Überbauung erworben wurde, ohne dass eine genügende Zufahrt hiefür besteht, die Liegenschaft aber aufgrund öffentlichrechtlicher Vorschriften in absehbarer Zeit nicht überbaut werden kann und sie für die gegenwärtige Nutzung genügend erschlossen ist. | Sachverhalt
ab Seite 125
BGE 110 II 125 S. 125
Andrea und Angelika Grisch sind je zur Hälfte Miteigentümer der Parzelle Nr. 55, Grundbuch Maienfeld, die sie im Jahre 1981 in der Absicht erwarben, darauf ein Haus zu bauen. Die Parzelle ist lediglich über einen Flurweg, der nur für landwirtschaftliche Zwecke benutzt werden darf, zu erreichen. Sie liegt in der zweiten Bauetappe der Stadtgemeinde Maienfeld, über welche eine zeitlich befristete Bausperre verhängt wurde. Der erwähnte Flurweg führt unter anderem über die Parzellen Nrn. 52, 53, 54, 56 und 62, wobei nur die Parzelle Nr. 54 überbaut ist. Die Eheleute Grisch bemühten sich nach dem Kauf ihrer Parzelle vergeblich um die Einräumung eines allgemeinen Fuss- und Fahrwegrechts durch die Eigentümer dieser Parzellen.
BGE 110 II 125 S. 126
Angelika Grisch erteilte daraufhin ihrem Ehemann Vollmacht, ihren Anspruch auf ein Wegrecht gerichtlich durchzusetzen. Dieser erhob am 29. Oktober 1981 Klage auf Einräumung eines genügenden Fuss- und Fahrwegrechts zur Parzelle Nr. 55. Das Bezirksgericht Unterlandquart wies die Klage am 7. Juli 1982 ab. Eine Berufung des Klägers wurde vom Kantonsgericht von Graubünden am 8. März 1983 abgewiesen.
Der Kläger hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts beim Bundesgericht Berufung eingelegt.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Hat ein Grundeigentümer keinen genügenden Weg von seinem Grundstück auf eine öffentliche Strasse, so kann er nach
Art. 694 Abs. 1 ZGB
beanspruchen, dass ihm die Nachbarn gegen volle Entschädigung einen Notweg einräumen. Die Gewährung eines Notwegrechts wird angesichts des damit verbundenen Eingriffs in die Eigentumsrechte der Nachbarn nach ständiger Rechtsprechung von strengen Voraussetzungen abhängig gemacht. Erforderlich ist, dass eine eigentliche Notlage geltend gemacht werden kann (
BGE 105 II 180
E. b). Eine solche liegt nur vor, wenn die für die bestimmungsgemässe Nutzung und Bewirtschaftung des notleidenden Grundstücks vorhandene Verbindung zum öffentlichen Strassennetz überhaupt fehlt oder eine solche zwar besteht, aber der freie Zugang oder die freie Zufahrt zu jeder Jahreszeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen schwer beeinträchtigt ist (LIVER, Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, S. 268/69). Geht es um die verkehrsmässige Erschliessung von neu zu überbauendem Land, kann ein Notwegrecht wohl Voraussetzung dafür sein, dass eine Baubewilligung erteilt wird. Das gilt namentlich dann, wenn die Baubehörden von der Bereinigung der Zufahrtswegrechte die Erteilung einer Baubewilligung abhängig machen, die Nachbarn aber zur Einräumung vertraglicher Dienstbarkeiten nicht Hand bieten. Fehlt es jedoch aus öffentlichrechtlichen Gründen - z.B. weil eine Umzonung bevorsteht oder ein Quartierplanverfahren, das eine geordnete Überbauung und Erschliessung gewährleistet, noch nicht durchgeführt wurde - zum vornherein an der Überbaubarkeit auf Jahre hinaus und damit an der Möglichkeit, das Grundstück in absehbarer Zeit anders als bisher zu nutzen, besteht
BGE 110 II 125 S. 127
kein Anlass, eine Wegnot anzunehmen und eine solche Parzelle zivilrechtlich sozusagen "auf Vorrat", d.h. ohne jedes aktuelle Interesse, zu erschliessen. Öffentlichrechtliche Vorschriften gehen in solchen Fällen einem zivilrechtlichen Anspruch auf Einräumung eines Notwegs vor oder - anders ausgedrückt - sie lassen einen solchen Anspruch geradezu als gegenstandslos erscheinen (vgl. auch
BGE 109 Ib 23
/24 und
BGE 108 Ib 347
/48). Ebensowenig ginge es an, ein Notwegrecht aus andern als mit der Erschliessung zusammenhängenden Gründen - etwa um eine Wertsteigerung der Parzelle zu bewirken oder ein besseres Tauschobjekt für baureifes Land zu erhalten - zu verlangen und zu gewähren. Ein solches Recht auf Kosten der Nachbarn hätte dann nicht mehr zum Zweck, der rationellen Bewirtschaftung eines Grundstücks durch Anschluss an eine öffentliche Strasse zu dienen. Von einer Notlage im Sinne der Rechtsprechung zu
Art. 694 ZGB
könnte dann nicht gesprochen werden, jedenfalls so lange nicht, als das Grundstück für die gegenwärtige Nutzung genügend erschlossen ist.
5.
Dem angefochtenen Urteil lässt sich entnehmen, dass die vom Kläger erworbene Parzelle Nr. 55 über den bestehenden Flurweg zugänglich ist. Allerdings beschränkt sich dieser Zugang auf landwirtschaftliche Zwecke, d.h. es besteht zugunsten der Parzelle Nr. 55 lediglich ein landwirtschaftliches Fuss- und Fahrwegrecht. Das ist für die gegenwärtige wirtschaftliche Nutzung als Reb- und Wiesland genügend, wie unbestritten ist. Da der Kläger die Parzelle, die gegenwärtig noch in der Bauzone liegt, aber erworben hat, um darauf ein Einfamilienhaus zu errichten, wäre für diesen Zweck ein solches beschränktes Fuss- und Fahrwegrecht offensichtlich ungenügend; denn der Eigentümer einer baureifen Parzelle, welcher diese überbauen will, hat nach heutiger Auffassung - jedenfalls in Wohngebieten - grundsätzlich Anspruch auf eine allgemeine Zufahrt mit einem Motorfahrzeug (
BGE 107 II 327
f.).
Nun befindet sich aber die Parzelle der Eheleute Grisch nach den für das Bundesgericht verbindlichen und auch nicht bestrittenen Feststellungen des Kantonsgerichts in der zweiten Bauetappe der Stadtgemeinde Maienfeld. Diese ist mit einer zeitlich beschränkten Bausperre belegt. Was nach Ablauf der bis zum 20. Juni 1983 verlängerten Frist mit den Grundstücken der zweiten Bauetappe geschieht, ist zurzeit ungewiss. Nach den Darlegungen im angefochtenen Urteil stehen zur Diskussion eine Einteilung von Parzellen der zweiten Bauetappe in eine dritte Bauetappe oder eine
BGE 110 II 125 S. 128
vollständige Auszonung von Teilen der zweiten Bauetappe aus der Bauzone. Aufgrund des Baugesetzes der Stadtgemeinde Maienfeld werden nach Aufhebung der zeitlich befristeten Bausperre Baubewilligungen für Bauvorhaben in der zweiten Etappe nur erteilt, wenn genehmigte Quartierpläne vorliegen und die Erschliessung nach diesen Plänen erfolgt ist. Nach der verbindlichen, auf eine Zeugenaussage gestützten Feststellung der Vorinstanz besteht nicht die Absicht, in absehbarer Zeit für das Gebiet, in welchem sich die Parzelle der Eheleute Grisch befindet, einen Quartierplan zu erlassen.
Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass der Kläger und seine Ehefrau nicht damit rechnen können, ihre Parzelle in absehbarer Zeit zu überbauen. Ihre Parzelle ist im Hinblick auf die von der Gemeinde zu gewährleistende, im öffentlichen Interesse liegende geordnete Besiedelung und Erschliessung nicht baureif. Daran vermöchte angesichts der zahlreichen Hindernisse, die einer solchen Überbauungsabsicht aus öffentlichem Recht entgegenstehen, auch die Einräumung eines Notwegrechtes über den Flurweg nichts zu ändern. Wie die Vorinstanz mit Recht ausgeführt hat, fehlt es unter den gegebenen Umständen an einem aktuellen Interesse an der Ausweitung des bestehenden landwirtschaftlichen Wegrechts zu einem allgemeinen Fuss- und Fahrwegrecht. Es fehlt damit insbesondere auch an einer Notlage, deren Behebung eine rationelle Nutzung und Bewirtschaftung des Grundstücks ermöglichen würde. Die Vorinstanz hat demnach kein Bundesrecht verletzt, indem sie den Notweganspruch des Klägers verneint hat. | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
668e5675-1703-457f-ae05-570869c880b2 | Urteilskopf
139 III 327
46. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause X. contre Commission foncière agricole du canton de Genève (recours en matière de droit public)
2C_1208/2012 du 17 juillet 2013 | Regeste
Art. 6 Abs. 1 und
Art. 84 BGBB
; Feststellung, dass ein Grundstück vom Anwendungsbereich des BGBB ausgeschlossen ist.
Begriff des landwirtschaftlichen Grundstücks (E. 2.1) und rechtliche Auswirkungen; Sachumstände, die zur Klärung der Frage heranzuziehen sind, ob ein Grundstück noch zur landwirtschaftlichen Nutzung geeignet ist (E. 2.2); Sachumstand der tatsächlichen Nutzung (E. 3). Im vorliegenden Fall wird das Grundstück seit rund vierzig Jahren als Parkanlage genutzt; es verfügt über ein Schwimmbad und grenzt an die Parzelle, auf der das Haus steht. Es ist demzufolge zur landwirtschaftlichen Nutzung nicht mehr geeignet und somit vom Anwendungsbereich des BGBB ausgeschlossen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 328
BGE 139 III 327 S. 328
X. est propriétaire, depuis 1968, de la parcelle n° 1 du cadastre de la commune genevoise de Y., d'une surface de 5'447 m
2
, sise en zone agricole.
Cette parcelle est contiguë à la parcelle n° 2 de ce même cadastre, située en zone constructible, dont X. est également propriétaire depuis 1968, et sur laquelle est construit le bâtiment d'habitation. La parcelle n° 1 est de forme rectangulaire et d'orientation nord-ouest/sud-est. Elle est prolongée par la parcelle n° 2, qui a la même largeur, et lui est attenante par son petit côté sud-est. Elle possède un accès direct à la route principale, située au sud-ouest, passant entre les parcelles n
os
3 et 4. Dans son coin nord-est, se trouve une piscine dont la construction a été autorisée par le département compétent en 1979. Elle est clôturée et utilisée comme parc d'agrément. Y sont plantés de nombreux arbres d'ornement, une haie d'essences variées ainsi qu'un verger. X. y a aussi installé de nombreux points d'arrosage automatique, ainsi qu'un câble permettant l'utilisation d'une tondeuse à robot.
Sur son long côté nord-est, la parcelle n° 1 en jouxte deux autres, qui, bien qu'en zone agricole, n'étaient pas en 2012 utilisées pour l'agriculture. Sur son long côté sud-ouest, elle est bordée par différentes parcelles, dont les n
os
3 et 4, qui la séparent de la route principale et qui sont toutes en zone agricole. De l'autre côté de cette route, se trouvent de vastes terrains également en zone agricole et voués à l'agriculture.
BGE 139 III 327 S. 329
Les immeubles n° 1 et n° 2 forment un rectangle allant en direction du nord-ouest jusqu'au chemin permettant d'accéder à la parcelle n° 12. Celle-ci, d'une surface de 9'973 m
2
et sur laquelle est construit un bâtiment affecté en partie à du logement en propriété par étage et à l'exploitation d'un manège, n'est plus assujettie à la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le droit foncier rural (LDFR; RS 211.412.11), depuis le 11 avril 2002.
Le 24 janvier 2012, la Commission foncière agricole du canton de Genève a rejeté la requête de X. demandant de soustraire la parcelle n° 1 du champ d'application de la loi sur le droit foncier rural, au motif que cette parcelle était appropriée à l'agriculture.
Par arrêt du 6 novembre 2012, la Chambre administrative de la Cour de justice du canton de Genève (ci-après: la Cour de justice) a rejeté, pour la même raison, le recours formé par l'intéressé.
Le Tribunal fédéral a admis le recours de X. et a réformé l'arrêt attaqué en ce sens que la requête de X., tendant à faire constater que la parcelle n° 1 du cadastre de la commune de Y. était exclue du champ d'application de la loi sur le droit foncier rural, était admise.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
La question litigieuse consiste à déterminer si la parcelle n° 1 est encore appropriée à un usage agricole au sens de l'
art. 6 al. 1 LDFR
; si tel ne devait plus être le cas, elle pourrait être soustraite du champ d'application de la loi sur le droit foncier rural. En effet, lorsqu'un immeuble sis hors d'une zone à bâtir - et donc présumé agricole - n'est pas approprié à un usage agricole ou horticole, l'
art. 84 LDFR
permet au propriétaire de faire constater, par l'autorité compétente, que l'immeuble considéré n'est pas soumis au champ d'application de ladite loi (
ATF 132 III 515
consid. 3.3.2 p. 519;
ATF 129 III 186
consid. 2 p. 189); le cas échéant, une mention sera inscrite au registre foncier (
art. 86 al. 1 let. b LDFR
).
2.1
Est agricole l'immeuble approprié à un usage agricole ou horticole (
art. 6 al. 1 LDFR
), à savoir celui qui, par sa situation et sa composition, peut être exploité sous cette forme. Concrètement, toutes les surfaces qui ne sont pas boisées et qui disposent d'une couche de terre suffisante pour la végétation se prêtent à un usage agricole (RNRF 89/2008 p. 224, 5A.14/2006 consid. 2.1 et 2.2.2). La caractéristique de l'aptitude est donc d'abord d'ordre objectif.
BGE 139 III 327 S. 330
2.2
Le fait pour un immeuble d'être soumis au régime de la loi sur le droit foncier rural peut entraîner des conséquences drastiques pour les propriétaires concernés ou pour leurs successeurs. Tel est, par exemple, le cas en matière d'attribution successorale privilégiée d'un immeuble agricole (
art. 21 ss LDFR
), de préemption des parents (
art. 42 al. 2 LDFR
), d'améliorations de limites (
art. 57 LDFR
), d'interdiction de partage matériel (
art. 58 ss LDFR
), d'autorisation d'acquérir (
art. 61 ss LDFR
) ou de limitation de la charge maximale (
art. 73 ss LDFR
). En conséquence, le législateur, désireux de limiter les atteintes à la garantie constitutionnelle du droit à la propriété (
art. 26 Cst.
), a mis en place différents correctifs destinés à contenir ces atteintes dans les limites de ce qui est nécessaire pour atteindre les objectifs législatifs énoncés à l'
art. 1 LDFR
. Ainsi en va-t-il de toute une série de situations prévues par les
art. 59 et 60 LDFR
(exception à l'interdiction de partage matériel et de morcellement des entreprises et immeubles agricoles), 64 LDFR (exceptions au principe de l'exploitation à titre personnel) et 65 LDFR (acquisition par les pouvoirs publics) (cf. YVES DONZALLAZ, Commentaire de la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le nouveau droit foncier rural [ci-après: Commentaire], 1993, n° 26 ad Préambule p. 22). En effet, certains biens-fonds situés hors des zones à bâtir ne sont en réalité d'aucune utilité à l'agriculture: ainsi, par exemple, un restaurant de montagne ou une maison d'habitation sans rapport avec une exploitation agricole ne justifient nullement des mesures particulières en faveur de l'agriculture (
ATF 132 III 515
consid. 3.3.2 p. 519; FRANÇOIS ZÜRCHER, La coordination entre aménagement du territoire et droit foncier rural: quand? pourquoi? comment?, in Territoire & Environnement, 2004, p. 1 ss, p. 2 ch. 1.2).
La volonté de prendre en compte la situation particulière qui se présente en cas d'usage non agricole durable de bien-fonds objectivement susceptibles d'être affectés à l'agriculture et situés en zone agricole ressort déjà du Message du 19 octobre 1988 à l'appui des projets de la loi fédérale sur le droit foncier rural (LDFR) et de la loi fédérale sur la révision partielle du CC et du CO (ci-après: le Message). Ainsi, ce message relève que "la caractéristique de l'aptitude est d'abord d'ordre objectif, mais l'on doit cependant aussi tenir compte de l'utilisation effective durant de longues années" (FF 1988 III 917 ch. 221.3 ad art. 6; arrêt 5A.4/2000 du 1
er
septembre 2000 consid. 2b). Ce tempérament de la règle de l'appréciation objective, qui était déjà largement admis sous le régime de l'ancien
BGE 139 III 327 S. 331
droit successoral paysan (voir les références chez DONZALLAZ, Commentaire, op. cit., p. 44 n.b.p. 126), semble, pour la loi sur le droit foncier rural, unanimement admis par la doctrine (parmi d'autres, cf. BRUNO BEELER, Bäuerliches Erbrecht gemäss dem Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht [BGBB] vom 4. Oktober 1991,1998, p. 66; SANDRA DOSIOS PROBST, La loi sur le droit foncier rural: objet et conditions du droit à l'attribution dans une succession ab intestat, 2002, p. 76; CAROLINE EMERY, Le droit de préemption en droit foncier rural, 2005, p. 47; EDUARD HOFER, in Das bäuerliche Bodenrecht, 2
e
éd. 2011, n° 16 ad
art. 6 LDFR
; THOMAS MEYER, Erbteilung im bäuerlichen Erbrecht, in Ausgewählte Aspekte der Erbteilung, 2005, p. 85 ss, spéc. p. 96;
le même
, Der Gewinnanspruch der Miterben im bäuerlichen Bodenrecht [Art. 28 ff. BGBB], 2004,p. 105; DONZALLAZ, Commentaire, op. cit., n° 81 ad
art. 6 LDFR
p. 44;
le même
, Pratique et jurisprudence de droit foncier rural [1994/1998][ci-après: Pratique], 1999, p. 51 ch. 62;
le même
, Traité de droit agraire suisse: droit public et droit privé [ci-après: Traité], vol. II, 2006, p. 177 ch. 2035).
La jurisprudence du Tribunal fédéral et des autorités cantonales a également mis en oeuvre cette règle (cf. RNRF 89/2008 p. 224, 5A.14/2006; arrêt 5A.4/2000 précité, cf. aussi les références aux arrêts cantonaux chez DONZALLAZ, Pratique, op. cit., p. 51 ch. 62 ss). L'arrêt entrepris cite aussi la jurisprudence genevoise "constante" (ATA/189/2012 du 3 avril 2012; ATA/564/2003 du 23 juillet 2003) qui va dans le même sens.
Destinée à éviter des conséquences choquantes (HOFER, op. cit., n° 16 ad
art. 6 LDFR
), cette prise en compte de l'affectation subjective d'un immeuble peut ainsi aboutir à soustraire au régime de la loi sur le droit foncier rural, entre autres éléments, un parc attenant à une villa et qui, situé en zone agricole, se prêterait aussi, sur la base de critères purement objectifs, à un usage agricole ou horticole (cf. DONZALLAZ, Traité, op. cit., p. 177 ch. 2035, avec les références à la jurisprudence cantonale). Dans la mesure où le but de la loi n'est nullement de faire de tels bien-fonds des immeubles agricoles, il est jugé raisonnable de les soustraire à ce régime (cf. la doctrine mentionnée ci-dessus).
3.
Une telle exception à l'application de la loi sur le droit foncier rural doit, par principe, être limitée à des situations singulières; elle ne saurait conduire à vider de sens la règle en la contournant (cf.
BGE 139 III 327 S. 332
HOFER, op. cit., n° 16 ad
art. 6 LDFR
). La composante subjective, qui doit dès lors être prise en compte, ne peut ainsi revêtir qu'une portée subsidiaire (RNRF 89/2008 p. 224, 5A.14/2006 consid. 2.2.3, avec référence à la doctrine). Dès lors qu'elle est de nature à faire perdre au terrain sa nature agricole, elle ne peut être déterminante qu'à des conditions strictes. On en retiendra trois:
3.1
Le Message précise tout d'abord que l'usage non agricole doit durer depuis de longues années (FF 1988 III 917 ch. 221.3), sans pour autant en préciser la durée. La jurisprudence du Tribunal fédéral a confirmé ce principe (arrêt 5A.4/2000 précité consid. 2b), qui doit être appliqué de façon stricte afin d'éviter tout comportement abusif. En effet, un usage non agricole ayant persisté suffisamment longtemps permet d'éviter toute tentative de contournement de la loi par une politique du fait accompli. Il n'y a, toutefois, pas lieu de fixer cette durée de manière abstraite, dans la mesure où les circonstances nécessitent de laisser une certaine marge d'appréciation aux autorités; elle ne saurait toutefois être inférieure à quelques dizaines d'années. Le Tribunal fédéral a ainsi jugé insuffisant un usage non agricole d'une dizaine d'années (arrêt 5A.4/2000 précité).
3.2
Il faut, ensuite, que l'usage agricole ne soit pas non plus envisageable pour l'avenir. L'approche doit, cependant, être concrète et une telle possibilité doit reposer sur des éléments objectifs autres que la seule nature agricole du sol. A défaut, les parcs en question relèveraient toujours du champ d'application de la loi sur le droit foncier rural. Le long usage non agricole passé permet d'ailleurs souvent de présumer, à défaut d'éléments nouveaux, qu'il en sera de même pour l'avenir. Ainsi suffit-il qu'un tel usage non agricole futur soit seulement vraisemblable (arrêt 5A.4/2000 précité consid. 2b).
3.3
A cela s'ajoute encore que les installations qui ont été érigées sur le terrain doivent l'avoir été de manière légale, que ce soit par le biais d'une autorisation au sens des art. 22 et 24 ss de la loi fédérale du 22 juin 1979 sur l'aménagement du territoire (LAT; RS 700), ou encore qu'elles aient été implantées avant l'entrée en force de cette loi, respectivement lorsque l'immeuble se trouvait dans une zone alors constructible (
art. 24c LAT
). Le Tribunal fédéral a, ainsi, refusé de soustraire du champ d'application de la loi sur le droit foncier rural un immeuble situé en zone agricole et partiellement goudronné, affecté à des fins d'entreposage par une société de travaux
BGE 139 III 327 S. 333
publics, au motif que "le propriétaire a lui-même créé ou, comme en l'espèce, a laissé s'établir une situation de fait qui ne correspond pas à la destination de son terrain et qui est incompatible avec la législation applicable en matière d'aménagement du territoire" (RNRF 89/2008 p. 224, 5A.14/2006 consid. 2.3.2).
4.
En l'espèce, la situation décrite par l'arrêt entrepris correspond en tous points aux exigences de la jurisprudence. En effet, la parcelle n° 1, sur laquelle sont plantés de nombreux arbres d'ornement, une haie d'essences variées, ainsi qu'un verger, est clôturée et utilisée comme parc d'agrément depuis une quarantaine d'années. La piscine qui y est aménagée a été autorisée par le département compétent, le 18 octobre 1979. Bien que ce fait ne soit pas déterminant, une très grande partie des parcelles limitrophes sont également des parcelles d'agrément soustraites au régime de la loi sur le droit foncier rural pour des motifs divers. Contrairement à ce que pense la Cour de justice, le fait que l'environnement général soit agricole n'est pas propre, à lui seul, à empêcher la soustraction de l'immeuble du champ d'application de la loi. En effet, à l'exception de cas où seule la parcelle concernée est constitutive de la zone agricole (p. ex. dans l'arrêt de la Chambre administrative de la Cour de justice du canton de Genève du 7 décembre 2010 ATA/861/2010 où le seul autre immeuble originairement agricole était un golf), les cas de figure prévus par le Message, la jurisprudence et la doctrine prennent toujours en compte un immeuble incorporé à une zone agricole plus vaste. Il est ainsi insuffisant de retenir l'existence d'autres immeubles agricoles, plus ou moins proches, pour faire obstacle à la soustraction du champ d'application de la loi sur le droit foncier rural, en partant de la présomption qu'un usage agricole futur demeure possible. L'expérience démontre au contraire qu'une propriété de maître avec jardin et piscine conserve cet usage, pour des motifs économiques évidents.
Les conditions fixées pour la soustraction de la parcelle n° 1 du champ d'application de la loi sur le droit foncier rural sont donc réalisées. | null | nan | fr | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6696e157-c3b8-4ba1-b292-d443d62a5741 | Urteilskopf
120 IV 323
54. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 21 septembre 1994 dans la cause Procureur général du canton de Genève c. J. et M. (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 21 und 305bis StGB
; Geldwäscherei; Versuch.
Den Tatbestand von
Art. 305bis StGB
kann auch erfüllen, wer Vermögenswerte wäscht, die er selber durch ein Verbrechen erlangt hat. Fall eines Täters, dessen Vortat aus prozessualen Gründen nicht verfolgt werden konnte (E. 3).
Versuch der Geldwäscherei kann auch vorliegen, wenn die Vortat noch nicht begangen worden ist (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 324
BGE 120 IV 323 S. 324
A.-
Le 11 juin 1992, l'Union de Banques Suisses (ci-après: UBS) a reçu à Genève un télex, émanant prétendument de la Banque Nationale de Paris (ci-après: BNP), lui donnant l'ordre de verser un montant de 10'000'000 US$ sur le compte de W. INC, somme qui devait ensuite être répartie sur plusieurs comptes. La clé d'identification du télex étant incorrecte, l'UBS a contacté directement la BNP, qui l'a informée qu'elle n'avait pas donné d'ordre de paiement. Sachant ainsi que le télex était faux en ce sens qu'il n'émanait pas de la BNP, l'UBS n'a effectué aucun transfert et une enquête a été ouverte, qui a conduit à l'arrestation de sept personnes, parmi lesquelles J. et M. tous furent inculpés de délit manqué d'escroquerie pour avoir monté l'opération.
B.-
Les ordonnances de condamnation rendues par le Procureur général ayant été frappées d'opposition, le Tribunal de police de Genève, par jugement du 30 avril 1993, a condamné notamment J. et M. pour faux dans les titres et délit manqué de blanchissage d'argent, chacun à la peine de 30 jours d'emprisonnement avec sursis pendant 3 ans et à 3 ans d'expulsion.
C.-
Statuant sur appel le 14 mars 1994, la Chambre pénale de la Cour de justice genevoise a notamment acquitté J. et M. Elle a considéré, en ce qui concerne le faux dans les titres, que ces accusés ne pouvaient pas être condamnés en raison de motifs de procédure cantonale, n'ayant pas été valablement inculpés de ce chef. En ce qui concerne le délit manqué de blanchissage d'argent, l'autorité cantonale a exclu cette infraction en estimant, d'une part, qu'elle ne peut pas être retenue à l'encontre des auteurs de l'infraction dont proviennent les fonds et, d'autre part, qu'il n'y avait rien à blanchir dès lors que l'infraction antérieure (tentative d'escroquerie) n'a pas été réalisée.
D.-
En temps utile, le Procureur général du canton de Genève s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Selon l'autorité cantonale, l'
art. 305bis CP
serait inapplicable à celui qui recycle le produit d'un crime qu'il a lui-même commis; de plus, il ne saurait y avoir une infraction à l'
art. 305bis CP
, même sous la forme d'une tentative, en l'absence de crime préalablement réalisé.
Pour le recourant, au contraire, les démarches entreprises par les intimés aux fins de se faire créditer une somme, que rien ne justifiait
BGE 120 IV 323 S. 325
économiquement, représentent des actes propres à entraver l'identification de l'origine des fonds qu'ils savaient ou devaient présumer provenir d'un crime; cela serait suffisant pour appliquer l'
art. 305bis CP
, même si ces auteurs apparaissent comme "leurs propres blanchisseurs". Quant au crime à l'origine des fonds, sa réalisation ne serait pas nécessaire; il suffirait que l'auteur du blanchissage tenté ait été conscient que ces valeurs patrimoniales annoncées devaient provenir d'un crime.
3.
a) La première question à résoudre est celle de savoir si celui qui commet lui-même le crime à l'origine des fonds qu'il blanchit doit être poursuivi à la fois pour le crime générateur des fonds et pour blanchissage d'argent (au sens de l'
art. 305bis CP
). En d'autres termes, l'acte d'autofavorisation accompli par le criminel qui recycle lui-même l'argent provenant de son crime doit-il lui être imputé en plus dudit crime.
b) L'autorité cantonale se réfère au rapport de Paolo Bernasconi dont le projet est à l'origine de l'
art. 305bis CP
(Rapport explicatif du 15 septembre 1986 avec proposition de revision législative, Lugano 1986 p. 43; texte en allemand p. 56). Sous le titre "Concours", cet expert se réfère au recel et se limite à rappeler que l'auteur de l'infraction principale ne peut pas être condamné pour le blanchissage de l'objet de cette même infraction. Cela signifie qu'il se place dans l'hypothèse où l'auteur du crime à l'origine des fonds est puni - ou au moins poursuivi - pour ce crime; en effet, dans ce cas seulement il peut y avoir concours entre le crime et le blanchissage. Bernasconi ne dit pas expressément que l'auteur du crime et celui du recyclage ne peuvent jamais être une seule et même personne.
Pour CHRISTOPH GRABER (Geldwäscherei, thèse Berne 1990 p. 110/111), selon l'opinion dominante, l'auteur à la fois du crime à l'origine des fonds et du blanchissage ne peut pas être puni pour ces deux infractions, par analogie avec les infractions voisines que constituent le recel et l'entrave à l'action pénale. Il ajoute que le texte légal de l'
art. 305 CP
(Celui qui soustrait une personne ...) exclut clairement cette double sanction et que demander à un délinquant de se livrer lui-même aux autorités pénales relève d'une exigence déraisonnable. La suite de son analyse est moins claire. D'une part il croit pouvoir en conclure qu'il serait aussi déraisonnable d'exiger de l'auteur du crime à l'origine des fonds et du blanchissage qu'il ne soustraie pas l'argent du butin à la justice (Unzumutbarkeit); d'autre part, il considère que la répression du comportement délictueux de l'auteur du blanchissage est déjà englobée dans
BGE 120 IV 323 S. 326
celle du crime à l'origine des fonds qu'il commet (argument tiré de la théorie du concours).
URSULA CASSANI estime que celui qui répond de l'infraction préalable ne saurait répondre de blanchissage car il s'agirait d'autofavorisation impunissable (FJS 135 p. 24, V a).
NIKLAUS SCHMID n'exclut pas expressément que l'auteur du crime à l'origine des fonds ne puisse pas être aussi celui du blanchissage de ceux-ci (Anwendungsfragen des Straftatbestände gegen Geldwäscherei vor allem StGB Art. 305bis, in: Geldwäscherei und Sorgfaltspflicht, Publication de la Fédération suisse des avocats, Zurich 1991 p. 123). Il se limite à indiquer qu'en principe une condamnation du chef du crime à l'origine des fonds exclut une sanction supplémentaire du chef de blanchissage d'argent. De plus, d'après lui, aussi longtemps que l'auteur du crime à l'origine des fonds commis à l'étranger n'est pas condamné ou libéré par les autorités étrangères, il est possible de le juger en Suisse pour blanchissage d'argent.
En résumé, la doctrine a examiné la question posée ici de façon brève et parfois obscure. Dans la mesure où les arguments sont fondés sur les règles du concours, ils sont inutilisables en l'espèce, car les intimés - pour des motifs de procédure cantonale - ne sont pas inculpés du chef de faux dans les titres à l'origine des fonds à blanchir. Il n'y a donc pas lieu de se prononcer dans le présent cas sur les problèmes résultant d'un éventuel concours entre l'infraction prévue - par exemple - à l'
art. 148 CP
et celle du blanchissage d'argent. Pour cette raison également, la jurisprudence d'après laquelle celui qui est condamné pour escroquerie ne peut pas être l'objet d'une condamnation distincte pour blanchissage de l'argent escroqué, ne résout pas la question qui se pose ici (arrêt non publié du 28 octobre 1993 M. c. Office fédéral de la police, rendu par la Ie Cour de droit public dans une affaire d'extension d'extradition vers le Canada); en effet, les intimés ne sont pas condamnés pour le crime à l'origine des fonds, infraction dont ils ne sont même pas inculpés.
c) Pour un courant de doctrine, on l'a vu, une analogie parfaite existerait entre l'infraction prévue à l'
art. 305 CP
et celle visée à l'
art. 305bis CP
; de même que l'on ne peut exiger raisonnablement d'un fugitif qu'il se livre spontanément aux autorités, de même ne pourrait-on pas exiger de celui qui obtient des fonds, en commettant un crime, qu'il ne cherche pas à entraver l'identification de l'origine, la découverte ou la confiscation de ces valeurs patrimoniales.
Sur le plan de la systématique du Code pénal suisse, il faut admettre que
BGE 120 IV 323 S. 327
l'art. 305bis a été placé délibérément sous le titre relatif aux crimes ou délits contre l'administration de la justice, ce qui vient à l'appui de l'opinion précitée. Cependant, il s'agit d'une infraction inspirée du droit des Etats-Unis d'Amérique, qu'il a fallu insérer dans notre droit pénal. D'autres pays européens, confrontés au même problème de technique juridique, ont introduit le blanchiment de capitaux par exemple à la suite du recel ou dans leur législation relative aux stupéfiants (voir KISTLER, La vigilance requise en matière d'opérations financières, thèse Lausanne 1994, qui donne un aperçu du droit allemand, français, belge et luxembourgeois en la matière; p. 34, 40, 53 et 59). L'opinion d'après laquelle le seul bien pénalement protégé serait celui de l'administration de la justice est donc loin d'être partagée partout. L'argument tiré de la systématique de notre code ne paraît en conséquence nullement décisif.
Une analyse grammaticale comparée des
art. 305 et 305bis CP
montre que le premier réprime le fait que quelqu'un soustrait une personne à l'action de la justice; cela signifie que l'auteur ne peut pas être également la personne soustraite (Celui qui aura soustrait une personne ...; Wer jemanden ... entzieht, ...; Chiunque sottrae una persona ...). Au contraire, l'
art. 305bis CP
vise celui qui aura commis un acte propre à entraver les recherches des autorités pénales; cela n'exclut aucunement que cette personne soit aussi l'auteur du crime à l'origine des valeurs patrimoniales en cause (Wer eine Handlung vornimmt ...; Chiunque compie un atto ...). A cet égard, l'analogie entre ces deux dispositions n'est pas convaincante.
On peut ajouter que, dans le langage commun, les termes de recyclage, blanchiment ou blanchissage d'argent n'éveillent pas l'idée que l'on ne saurait en aucun cas être "son propre blanchisseur" (voir la définition du terme allemand "Geldwäscherei" citée dans l'
ATF 119 IV 59
consid. 2b) aa) p. 62).
Une autre différence entre les comportements visés aux
art. 305 et 305bis CP
doit être relevée. Dans le premier cas, l'auteur soustrait une personne à l'action de la justice. Par définition, cette personne est poursuivie pour une infraction, élément qui correspond à celui appelé "crime" ou "infraction principale" à l'
art. 305bis ch. 1 ou 3 CP
. Si la justice l'arrête, elle met du même coup la main sur l'auteur de l'infraction principale. Il en va différemment de l'acte réprimé à l'art. 305bis. La justice recherche de l'argent. Si elle le trouve, elle ne met pas pour autant la main sur l'auteur du crime dont il provient. Le rapport entre le bien soustrait (d'une part une personne, d'autre part de l'argent) et
BGE 120 IV 323 S. 328
l'auteur de l'infraction est direct dans le premier cas, puisqu'il y a identité; dans le cas du blanchissage, en revanche, il est indirect. On en déduit que, sous l'angle de ce qui peut être raisonnablement exigé d'un délinquant (Zumutbarkeit), s'il est déraisonnable de lui demander de ne pas soustraire sa personne à la justice, il est moins déraisonnable d'exiger qu'il s'abstienne de prendre des mesures particulières pour cacher son butin.
d) L'analyse de l'
art. 305bis CP
, pris pour lui-même, montre d'autres spécificités. Le texte de cette disposition ne donne pas de précisions sur le crime à l'origine des fonds. Selon le ch. 1, les valeurs patrimoniales doivent provenir "d'un crime" (aus einem Verbrechen; da un crimine). De cette formulation, il n'est pas possible de déduire que l'auteur dudit crime et celui du blanchissage sont nécessairement des personnes différentes. Or, l'un des buts de cette disposition est la lutte contre les organisations criminelles et contre les bandes formées pour se livrer de manière systématique au blanchissage d'argent (ch. 2). Ces réseaux de délinquants agissent souvent dans plusieurs pays, si bien que le législateur a dû prévoir que le blanchissage d'argent effectué en Suisse est punissable même si le crime à l'origine des fonds a été commis à l'étranger. Il suffit que ce crime soit punissable aussi dans l'Etat où il a été commis (ch. 3). On en déduit que le législateur n'a pas voulu faire dépendre l'application de l'
art. 305bis CP
des poursuites et du jugement du crime perpétré à l'étranger. Exiger que l'on connaisse en détail les circonstances du crime, avant de pouvoir réprimer le blanchissage de l'argent ainsi obtenu, aurait considérablement compliqué et ralenti l'action de la justice suisse. C'eût été contraire au but recherché. Le lien exigé entre le crime à l'origine des fonds et le blanchissage d'argent est donc volontairement ténu. Il n'est pas nécessaire de savoir qui a commis le crime. Cela peut être un membre de la bande dont le blanchisseur fait partie (il pourrait aussi avoir participé au crime, comme coauteur, instigateur ou complice) ou le blanchisseur lui-même. En pareille hypothèse, on ne saurait admettre que, par principe, il ne soit pas possible de réprimer le blanchissage sous prétexte que son auteur est peut-être aussi celui du crime à l'origine des fonds. Le lien entre cette infraction et le blanchissage d'argent n'est pas si étroit qu'il impose, comme le croit la cour cantonale, l'acquittement du chef d'accusation de blanchissage lorsqu'il apparaît que l'auteur de l'infraction principale (non poursuivi pour des raisons de procédure cantonale) est le même que celui des actes de blanchissage.
BGE 120 IV 323 S. 329
Une autre marque de cette indépendance (relative) du blanchissage d'argent par rapport au crime dont proviennent les fonds, réside dans le montant de l'amende prévue pour les cas graves (ch. 2). Celle-ci peut atteindre un maximum d'un million de francs qui s'ajoute à la peine privative de liberté. Or, celui qui fait métier d'escroquerie, par exemple, encourt une amende maximale de 40'000 fr. (art. 148 al. 2 en liaison avec l'
art. 48 al. 1 CP
).
e) Ainsi, l'autorité cantonale s'est fondée sur une interprétation erronée de l'
art. 305bis CP
en admettant que l'infraction de blanchissage d'argent est toujours exclue lorsque l'infraction principale est imputable à l'auteur des actes de blanchissage lui-même.
La question de savoir s'il y a concours entre l'infraction principale et celle de blanchissage d'argent ne se pose pas ici (voir consid. 2b, dernier alinéa). Elle peut en conséquence demeurer indécise.
4.
Selon l'autorité cantonale, il n'y aurait pas d'infraction à l'art. 305bis, même sous forme de tentative, en l'absence de crime préalablement réalisé. Cette seconde motivation est également contraire au droit fédéral.
En effet, rien dans le texte de l'
art. 305bis CP
ne permet de conclure qu'une tentative de blanchissage soit inconcevable. Il n'est pas rare qu'un groupe de délinquants prenne toutes les mesures nécessaires au blanchissage d'argent avant de commettre le crime dont cet argent doit provenir. Cela semble bien être le cas ici, où un dispositif consistant à ouvrir de nombreux comptes en vue de répartir le butin a été mis en place avant l'envoi du faux télex. Peut-être même que, face à certaines filières très organisées, il serait concevable d'admettre que les actes préparatoires du crime incluent un début d'exécution du blanchissage de l'argent attendu.
En l'espèce, l'autorité cantonale n'a pas examiné la cause sous cet angle. Dès lors, l'état de fait ne permet pas de contrôler l'application du droit fédéral (
art. 277 PPF
). | null | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
669cddc6-898b-4e60-944f-1329899e0688 | Urteilskopf
123 IV 218
34. Urteil des Kassationshofes vom 5. November 1997 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 36 Abs. 4 SVG
;
Art. 1 Abs. 8 VRV
und
Art. 15 Abs. 3 VRV
; Vortrittsrecht, Trottoirüberfahrt, örtliche Situation.
Wer über ein Trottoir auf eine Haupt- oder Nebenstrasse fährt, hat keinen Vortritt (E. 3a).
Die Trottoireigenschaft einer Aufpflästerung muss optisch unmittelbar erkennbar sein (E. 3b).
Beurteilung des Vortritts aufgrund der örtlichen Situation (Durchgangsstrasse, Aufpflästerung, Trottoir, Wohnstrasse, Sackgasse, verkehrsberuhigte Zone) (E. 3a und 3c). | Sachverhalt
ab Seite 219
BGE 123 IV 218 S. 219
M. wird vorgeworfen, sie sei am 12. August 1995 um 10 Uhr 50 in Zürich 9 aus der Grundstrasse über ein Trottoir in die Freihofstrasse hinausgefahren und habe dabei einem (von ihr aus gesehen von links kommenden) auf der Freihofstrasse in Richtung Badenerstrasse verkehrenden Fahrzeug den Vortritt nicht gewährt, so dass es zu einer Kollision gekommen sei.
Der Polizeirichter der Stadt Zürich büsste sie deswegen sowie wegen Nichtmitführens des Fahrzeugausweises am 29. August 1995 mit Fr. 100.--. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte die Einsprecherin am 6. November 1996 gleichfalls wegen Verletzung von Art. 90 Ziff. 1 des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr (SVG; SR 741.01) i.V.m.
Art. 36 Abs. 4 SVG
und Art. 15 Abs. 3 der Verordnung über die Strassenverkehrsregeln (VRV; SR 741.11) (sowie wegen Nichtmitführens des Fahrzeugausweises) zu Fr. 100.-- Busse. Das Obergericht des Kantons Zürich wies ihre Nichtigkeitsbeschwerde am 16. Juni 1997 ab, und zwar in Anwendung von
Art. 36 Abs. 2 und
Art. 43 Abs. 2 SVG
sowie
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
und insbesondere gestützt auf
Art. 15 Abs. 3 VRV
.
M. erhebt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und sie (von der Widerhandlung gegen
Art. 90 Ziff. 1 SVG
i.V.m.
Art. 36 Abs. 4 SVG
sowie
Art. 15 Abs. 3 VRV
) freizusprechen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
(Eintretensfrage)
2.
Die Grundstrasse mündet im rechten Winkel in die Freihofstrasse ein und ist als Sackgasse und Wohnstrasse signalisiert. Sie ist in den Jahren 1990/91 zur Wohnstrasse umgebaut worden, wobei die Einmündung in die Freihofstrasse baulich verengt und die Fahrbahn (von der damaligen Trottoirkante der Freihofstrasse an gemessen) auf einer Länge von rund 8 m auf die Höhe des längs der Freihofstrasse laufenden 2,5 m breiten Trottoirs angehoben ("aufgepflästert") wurde. Der damaligen Trottoirkante wurde eine 2 m breite Trottoirnase in die Freihofstrasse angebaut. Wer aus der Grundstrasse in die Freihofstrasse hineinfahren will, muss nun über eine 60 cm lange und 8 cm hohe Rampe hinauf über die 10 m lange Aufpflästerung fahren und anschliessend über eine durch schräggestellte Randsteine gebildete 5 cm tiefe Rampe direkt in die Freihofstrasse einbiegen. Beide Rampen sind weiss markiert.
BGE 123 IV 218 S. 220
Die Vorinstanz führt aus, das Strassenverkehrsrecht definiere den Begriff des Trottoirs im Sinne von
Art. 15 Abs. 3 VRV
nicht. Immerhin ergebe sich aus
Art. 43 Abs. 2 SVG
, dass es grundsätzlich den Fussgängern vorbehalten sei und diese dort gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern den Vortritt hätten. Baulich handle es sich erfahrungsgemäss um einen von der Fahrbahn abgetrennten und erhöhten Weg. Aufpflästerungen dienten in der Regel nicht den Fussgängern, sondern der Verkehrsberuhigung. Den Verkehrsteilnehmern sei die Zwecksetzung nicht immer leicht erkennbar. Sie orientierten sich an der äusseren Erscheinung einer derartigen Aufpflästerung. Das müsse das entscheidende Kriterium sein, um zu beurteilen, ob eine Aufpflästerung einem Trottoir gleichzusetzen sei. Ausgehend davon erscheine es richtig, eine Aufpflästerung immer dann als Trottoir im Sinne von
Art. 15 Abs. 3 VRV
zu behandeln, wenn sie von ihrer äusseren Erscheinung her von einem Trottoir nicht zu unterscheiden sei. Erforderlich sei jedenfalls, dass die Aufpflästerung gegenüber der Fahrbahn erhöht sei. Für die von der Grundstrasse herkommende Fahrerin sei klar ersichtlich gewesen, dass sie sich nach der Rampenüberfahrt auf Trottoirniveau befunden habe, und sie habe auch den Trottoirverlauf bei der Freihofstrasse erkennen können. Es sei nicht von Bedeutung, dass die Aufpflästerung bei der unmittelbaren Einfahrt in die Grundstrasse leicht abgesenkt sei; dies sei zuweilen auch bei Trottoirs der Fall, wie beispielsweise bei der Zufahrt zu Parkplätzen oder Garagen. Die Aufpflästerung in der Grundstrasse sei daher einem Trottoir gleichzusetzen. Die Beschwerdeführerin sei somit vortrittsbelastet gewesen.
3.
Auf Strassenverzweigungen hat das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt (
Art. 36 Abs. 2 SVG
). Nicht als Verzweigung gilt das Zusammentreffen von Rad- oder Feldwegen, von Garagen-, Parkplatz-, Fabrik- oder Hofausfahrten usw. mit der Fahrbahn
(
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
). Wer daher aus Fabrik-, Hof- oder Garageausfahrten, aus Feldwegen, Radwegen, Parkplätzen, Tankstellen und dergleichen oder über ein Trottoir auf eine Haupt- oder Nebenstrasse fährt, muss den Benützern dieser Strassen den Vortritt gewähren (
Art. 15 Abs. 3 VRV
in der Fassung gemäss Ziff. I der Änderung vom 25. Januar 1989, in Kraft seit dem 1. Mai 1989 [AS 1989 410, 413]). Das Gesetz enthält demnach Ausnahmen von der Regel des Rechtsvortritts.
a) Die Rechtsprechung stellt für die Beurteilung der tatsächlichen Situationen im Sinne von
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
zusätzlich auf die Bedeutung des Verkehrswegs ab, die dieser für den allgemeinen
BGE 123 IV 218 S. 221
Verkehr hat, insbesondere im Vergleich mit der Strasse, mit der er zusammentrifft. Entsprechend sind Strässchen, die nur bestimmten Personen offenstehen oder als Stichstrassen bzw. Sackgassen wenige Häuser bedienen, nicht vortrittsberechtigt (
BGE 117 IV 498
E. 4a;
BGE 112 IV 88
).
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
liegt der Gedanke zugrunde, dass der Verkehr auf Durchgangsstrassen weder innerorts noch ausserorts durch Abzweigungen behindert werden soll, die für den Motorfahrzeugverkehr praktisch keine oder bloss geringfügige Bedeutung haben. Doch greifen Ausnahmen von der Vortrittsregel nur Platz bei Verzweigungen von Fahrbahnen, bei denen der einen Fahrbahn gegenüber der andern im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verkehrsmässig eine eindeutig untergeordnete Bedeutung zukommt. Dem entspricht, dass die Ausnahmebestimmung von
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
im Interesse möglichst klarer Verkehrs- und Vortrittsrechtsverhältnisse einschränkend auszulegen ist und im Zweifel stets die normale Ordnung gilt (
BGE 117 IV 498
E. 5b). Diese Praxis gilt ebenfalls für die in Übereinstimmung mit
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
erlassene Ausnahmeregelung von
Art. 15 Abs. 3 VRV
.
Der neue Wortlaut von
Art. 15 Abs. 3 VRV
stellt jetzt klar, dass derjenige, der über ein Trottoir auf eine Haupt- oder Nebenstrasse hinausfährt, den Benützern dieser Strassen den Vortritt gewähren muss. Demnach ist die frühere Rechtsprechung überholt, wonach das Vortrittsrecht "durch besondere bauliche Anordnung der Strasse (hier durchgehendes Trottoir bei einer Kreuzung) nicht aufgehoben oder beschränkt" werde (
BGE 81 IV 293
zu Art. 27 Abs. 1 MFG; BS 7, 535) bzw. dass für sich allein die Tatsache eines niveaugleichen Trottoirs in der Einmündungszone die Vortrittsordnung nicht zu beeinflussen vermöge (
BGE 101 IV 414
E. 2c).
b) Die Vorinstanz entscheidet die Sache gestützt auf
Art. 15 Abs. 3 VRV
. Die fragliche Verkehrsfläche, eine sogenannte Aufpflästerung, wird durch ein 2,5 m breites Trottoir der Freihofstrasse natürlicherweise durchquert. Die Aufpflästerung erscheint annähernd niveaugleich mit dem über sie hinwegführenden Trottoir der Freihofstrasse, während sie gegenüber den Fahrbahnen der Grund- und Freihofstrasse erhöht und durch weiss markierte Auframpungen in der Längsrichtung abgegrenzt wird. Das ist ohne weiteres erkennbar. Die Aufpflästerung besitzt daher eine Trottoirfunktion und entspricht aufgrund ihrer äusseren Erscheinungsform einem Trottoir (Bürgersteig, Gehsteig, Fussweg). Diese Einschätzung lässt sich durch das Ausmass der Aufpflästerung nicht in Frage stellen, weil
BGE 123 IV 218 S. 222
der örtlichen Situation folgend Aufpflästerungen aus strassenbaulichen Gründen im Verhältnis zur Trottoirbreite weiter und nicht dekkungsgleich gebaut sein müssen. Die Trottoireigenschaft nichtsignalisierter Aufpflästerungen muss allerdings den Verkehrsteilnehmern vom äusseren Eindruck her (optisch) unmittelbar erkennbar sein. Das ist hier der Fall. Der Entscheid der Vorinstanz, diese Aufpflästerung einem Trottoir im Sinne von
Art. 15 Abs. 3 VRV
gleichzusetzen, überzeugt daher.
c) Die Beschwerdeführerin macht nun in einer geänderten Betrachtungsweise geltend, dem sich nähernden Fahrzeugführer auf der Freihofstrasse sei aufgrund des äusseren Erscheinungsbildes klar, dass von rechts eine Strasse einmünde, und zwar aufgrund des Signals "Wohnstrasse", der trichterförmigen Gestaltung der Einmündung und der beiden daran beidseits gepflanzten Bäume, der fehlenden Wartelinie (Markierung 6.13) und der hier um 2 m verengten Freihofstrasse. Das spreche keinesfalls eindeutig für ein Vortrittsrecht der Freihofstrasse. Deshalb verneine die Vorinstanz den Rechtsvortritt der Grundstrasse zu Unrecht. Die letzten 2 m der Aufpflästerung seien nämlich nicht mehr als Trottoir, sondern als trichterförmige Einmündung erkennbar. Zumindest liege ein Zweifelsfall vor, so dass die Rechtsvortrittsregel anzuwenden sei. Eine Ausnahme wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Örtlichkeit eindeutig gegen die Vortrittsregel spreche.
Die Einwendungen überzeugen nicht. Soweit die Beschwerdeführerin eine Verengung der Freihofstrasse geltend macht, bezieht sie sich auf die an die damalige Trottoirkante der Freihofstrasse angebaute 2 m breite Trottoirnase. Auf diesem gewonnenen Raum finden sich jetzt Parkplätze. Es lässt sich aber aufgrund der Akten und der Situationsfotos keine Einschränkung des Verkehrsflusses der Freihofstrasse durch bauliche Massnahmen feststellen; das macht die Beschwerdeführerin im übrigen auch nicht geltend. Vielmehr wird die Richtigkeit der vorinstanzlichen Argumentation zusätzlich dadurch gestützt, dass die Ausfahrt aus einer Sackgasse (Signal 4.09), somit aus einer nicht durchgehend befahrbaren Strasse (
Art. 46 Abs. 3 SSV
[SR 741.21]), und insbesondere aus einer Wohnstrasse erfolgt. Die Einfahrt in die Grundstrasse ist beidseitig mit dem Signal "Wohnstrasse" (Signal 3.11) signalisiert. Gemäss
Art. 43 SSV
kennzeichnet dieses Signal besonders hergerichtete Verkehrsflächen, die in erster Linie für Fussgänger bestimmt sind und in denen besondere Verkehrsregeln gelten; so beträgt die Höchstgeschwindigkeit 20 km/h, Fussgänger haben Vortritt und dürfen die ganze Verkehrsfläche
BGE 123 IV 218 S. 223
benützen, wobei Spiel und Sport gestattet sind. Eine Wohnstrasse lässt sich daher nicht einer üblichen Nebenstrasse gleichsetzen, in der Fahrzeuge im Prinzip vortrittsberechtigt sind und höhere Geschwindigkeiten gefahren werden dürfen.
Die Beschwerdeführerin durfte somit die Grundstrasse lediglich mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h, gegebenenfalls nur im Schrittempo, ohne Vortrittsrecht sowie nur "besonders vorsichtig" befahren (
Art. 43 SSV
;
Art. 41a VRV
). Sie war, sobald sie das Trottoir benützte, gegenüber den Fussgängern weiterhin "zu besonderer Vorsicht verpflichtet" und musste ihnen den Vortritt lassen (
Art. 41 Abs. 2 VRV
). Demgegenüber galt in der vergleichsweise als (Quartier-) Durchgangsstrasse (
BGE 112 IV 88
E. 2c; oben E. 2a) zu betrachtenden Freihofstrasse die generelle Höchstgeschwindigkeit innerorts mit grundsätzlichem Vortrittsrecht der Fahrzeugführer. Der ortsfremde Fahrzeugführer auf der Freihofstrasse konnte feststellen, dass wohl eine Strasse von rechts einmündet, dass diese aber durch ein durchgehendes Trottoir überquert wird und dass es sich um eine Sackgasse und zudem um eine Wohnstrasse handelt. Weiter konnte er aufgrund der weiss markierten Auframpung auf eine verkehrsberuhigte Zone schliessen. Für ihn war damit erkennbar, dass es sich bei der Grundstrasse nur um eine der Anschliessung an den Verkehr dienende gemeinsame Zufahrt zu einer Häusergruppe handelte, und er durfte darauf vertrauen, dass er auf der durchgehenden Freihofstrasse gegenüber der über eine Bordsteineinmündung geführten Grundstrasse vortrittsberechtigt war.
Aus dem im zu beurteilenden Fall massgeblichen Gesichtswinkel der Fahrzeugführerin in der Grundstrasse war dieser Sachverhalt augenscheinlich und damit objektiv, klar und eindeutig erkennbar. Dies würde auch für ortsfremde Fahrzeugführer der Fall sein. Entgegen der Beschwerdeführerin gab somit das äussere Erscheinungsbild einem Fahrzeugführer auf der Freihofstrasse Anlass, sich als vortrittsberechtigt einzuschätzen, während sich für die Fahrzeugführerin auf der Grundstrasse klar das Gegenteil zeigte. Die Aufpflästerung schliesst nämlich 5 cm überhöht über einen schräggestellten Randstein an die Freihofstrasse an. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die letzten 2 m der Aufpflästerung seien nicht mehr als Trottoir, sondern als trichterförmige Einmündung erkennbar, bietet klarerweise keine Handhabe zu einer andern Beurteilung der Vortrittsfrage. Die erwähnten Kriterien wie durchgehendes Trottoir, Sackgasse, Wohnstrasse, markierte Auframpung, verkehrsberuhigte Zone und Durchgangsstrasse gelten bis an die Schnittlinie der
BGE 123 IV 218 S. 224
beiden Strassen. Allerdings ist die Einmündung der Grundstrasse weder durch eine Wartelinie noch durch ein Stopsignal markiert; deren Funktion übernehmen jedoch die baulichen Massnahmen. Dass schliesslich die beiden an der Einmündung der Grundstrasse gepflanzten Bäume, die neben den parkierten Fahrzeugen die Sicht zusätzlich einschränken, für einen Vortritt der Beschwerdeführerin sprechen würden, ist nicht einzusehen. Die hier zu beurteilende Ausfahrt lässt sich zwanglos unter
Art. 15 Abs. 3 VRV
einordnen.
d) Das Signal "Wohnstrasse" (Signal 3.11) ist identisch mit dem deutschen Zeichen 325 "Verkehrsberuhigter Bereich". Es kann daher rechtsvergleichend auf § 10 der deutschen Strassenverkehrsordnung (StVO) hingewiesen werden. Danach hat keine Vorfahrt, wer aus einem Grundstück, einem Fussgängerbereich oder einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Strasse oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren will. Die Teilnehmer des fliessenden Verkehrs, auch Fussgänger, haben Vortritt (JAGUSCH/HENTSCHEL, Strassenverkehrsrecht, 34. Auflage, München 1997, § 10 StVO N. 6a, § 42 N. 35).
e) Die Prüfung der Sache unter den Gesichtspunkten der Beschwerdeführerin führt somit zum gleichen Ergebnis wie die vorinstanzliche Beurteilung. Die Beschwerdeführerin wollte ihr Fahrzeug in den Verkehr einfügen und durfte dabei andere Strassenbenützer nicht behindern; diese haben Vortritt (
Art. 36 Abs. 4 SVG
). Sie verletzte nach dem Sachverhalt ihre Pflicht, sich mit grösster Vorsicht in die Fahrbahn hineinzutasten (
BGE 83 IV 32
E. 1). Der Schuldspruch verletzt daher kein Bundesrecht. Die Beschwerde wird abgewiesen.
4.
(Kostenfolgen) | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
66a7ad4c-570f-43a4-bb49-5e65acead5d1 | Urteilskopf
97 I 320
46. Urteil vom 9. Juni 1971 i.S. Dr. G. gegen Generalprokurator und Obergericht des Kantons Bern sowie G. A. und Konsorten. | Regeste
Kantonales Strafverfahren. Ausschluss eines Sachverständigen. Willkür.
Der Sachverständige, der mit einem andern, im gleichen Prozess wegen Befangenheitsanschein ausgeschlossenen Experten enge Kontakte unterhalten und dabei auch die im Prozess zu beantwortende Gutachterfrage erörtert hat, erweckt den Anschein der Befangenheit, welcher für den Experten nach bernischem Strafprozessrecht einen von Amtes wegen zu beachtenden Unfähigkeitsgrund darstellt. | Sachverhalt
ab Seite 320
BGE 97 I 320 S. 320
Aus dem Tatbestand:
A.-
Das 1950 geborene Mädchen B.A., welches seit seiner Geburt hüftleidend war, wurde am 12. September 1963 im Bezirksspital Grosshöchstetten am rechten Hüftgelenk operiert.
BGE 97 I 320 S. 321
Infolge eines Narkosezwischenfalls, der eine Hirnschädigung herbeiführte, starb B.A. am 6. März 1964, ohne je aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht zu sein. Am Operationsgeschehen beteiligt waren u.a. Dr. S. als Operateur, Dr. G. als Assistent und Schwester H.S. Gegen diese drei Personen wurde in der Folge ein Strafverfahren eingeleitet.
B.-
Der Vater des Mädchens, welcher Anzeige erstattet und Privatklage erhoben hatte, reichte am 1. April 1966 der Untersuchungsbehörde ein in seinem Auftrag von Prof. Hossli aus Zürich erstelltes Privatgutachten vom 15. März 1966 ein. Dieses kam zum Schluss, es seien den drei beteiligten Personen für den Unfall kausale Fehler unterlaufen.
C.-
In der Hauptverhandlung vor dem Strafamtsgericht Konolfingen vom 25./26. Juni 1968 wurde Prof. Hossli zum gerichtlichen Experten bestellt. Anlässlich einer zweiten Hauptverhandlung vom 4. Dezember 1968 erstattete er sein zweites, nunmehr amtliches Gutachten. Es deckte sich in seinen Schlussfolgerungen mit seinem Privatgutachten vom 15. März 1966.
Mit Urteil vom 28. Januar 1969 sprach das Strafamtsgericht Konolfingen Schwester H.S. frei. Hingegen wurden Dr. S. und Dr. G. der fahrlässigen Tötung schuldig befunden. Dr. S. wurde zu einer Busse von Fr. 500.--, Dr. G. zu einer Busse von Fr. 800.-- verurteilt.
Der Freispruch von Schwester H.S. blieb unangefochten und wurde rechtskräftig.
D.-
Auf Appellation von Dr. S. und Dr. G. hin hob die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern am 20. März 1970 das Urteil des Strafamtsgerichts Konolfingen vom 28. Januar 1969 - soweit nicht in Rechtskraft erwachsen - zusammen mit dem vorausgegangenen Verfahren bis und mit der Hauptverhandlung vom 25. Juni 1968 auf und überwies die Sache zu neuer Verhandlung an das Strafamtsgericht Thun. Das Obergericht begründete die Kassation des erstinstanzlichen Urteils damit, dass es sich hauptsächlich auf das Gutachten von Prof. Hossli stütze, dessen Einsetzung zum gerichtlichen Sachverständigen aber gegen Art. 151 in Verbindung mit Art. 32 Ziff. 6 und Art. 33 des Gesetzes über das Strafverfahren des Kantons Bern (StrV) verstossen habe, weil in seiner Person Unfähigkeitsgründe im Sinne dieser Bestimmungen bestanden hätten.
BGE 97 I 320 S. 322
E.-
Im Verfahren vor dem Strafamtsgericht Thun wurde am 28. Juli 1970 Prof. Hutschenreuter aus Homburg-Saar (Deutschland) zum gerichtlichen Experten bestellt. Am 11. September 1970 erstattete er sein schriftliches Gutachten, das er in der Hauptverhandlung vom 22. September 1970 mündlich ergänzte. Sowohl im schriftlichen wie im mündlichen Gutachten führte er, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, den Narkosezwischenfall auf Fehler der beiden angeschuldigten Ärzte zurück. Ein an der Hauptverhandlung vom 21. September 1970 von der Verteidigung vorfrageweise gestellter Antrag auf Absetzung dieses Experten wegen Befangenheit wurde abgewiesen.
Mit Urteil vom 24. September 1970 erklärte das Strafamtsgericht Thun Dr. S. und Dr. G. der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte sie zu Bussen von je Fr. 500.--.
F.-
Dr. S. und Dr. G. erhoben Appellation gegen das Urteil des Strafamtsgerichts Thun vom 24. September 1970. Mit ihrem Hauptantrag verlangten sie gestützt auf Art. 323 StrV Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens wegen Verletzung von Prozessvorschriften. Sie rügten insbesondere die Überlassung von Akten des aufgehobenen Verfahrens vor dem Strafamtsgericht Konolfingen an den neu ernannten gerichtlichen Experten Prof. Hutschenreuter. Weiter machten sie geltend, dieser habe sowohl vor als auch nach Übernahme des Expertenauftrages mit Prof. Hossli Kontakte unterhalten, was ihn ebenfalls als befangen erscheinen lasse.
Mit Entscheid vom 4. Dezember 1970 wies die II. Strafkammer des Obergerichts den Antrag auf Kassation ab, sprach sodann Dr. S. von der gegen ihn erhobenen Anklage frei, verurteilte hingegen Dr. G. wegen fahrlässiger Tötung zu einer Busse von Fr. 500.--, bei Bewährung löschbar nach 2 Jahren.
G.-
Dr. G. erhebt gegen das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichtes vom 4. Dezember 1970 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
; er verlangt Aufhebung dieses Entscheides.
Die Begründung des angefochtenen Urteils und die vom Beschwerdeführer hiegegen erhobenen Rügen gehen, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen hervor.
H.-
Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung; die Privatkläger beantragen Abweisung der Beschwerde.
BGE 97 I 320 S. 323
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 151 StrV werden vom Richter nur solche Personen als Sachverständige ernannt, die nicht nach Massgabe der Art. 32 und 33 StrV als Richter abgelehnt werden können. Nach Art. 33 kann ein Richter abgelehnt werden,
"wenn Tatsachen vorliegen, welche geeignet sind, ihn als befangen erscheinen zu lassen und Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu erregen."
Der Befangenheitsanschein, der beim Richter einen blossen Ablehnungsgrund darstellt, ist somit beim Sachverständigen ein von Amtes wegen zu beachtender Unfähigkeitsgrund. Die Einsetzung eines im Sinne von Art. 33 StrV befangenen Sachverständigen ist, auch nach Auffassung des Obergerichtes, eine kausale Prozessrechtsverletzung, welche nach Art. 323 StrV zur Aufhebung des Urteils der unteren Instanz führen muss, sofern - was hier zutrifft - die Folgen dieser Rechtsverletzung in oberer Instanz nicht behoben werden können. Dabei ist nach den Ausführungen des Obergerichts in seinen beiden Urteilen vom 20. März 1970 und 4. Dezember 1970 nicht eine objektive Befangenheit erforderlich. Es genüge vielmehr, "wenn Tatsachen vorliegen, die beim Rekusanten den Eindruck einer - wenn auch tatsächlich nicht vorhandenen - Befangenheit erwecken können." Doch dürfe, wie im zweiten Urteil vom 4. Dezember 1970 unter Hinweis auf die Kommentare WAIBLINGER zu Art. 33 StrV und LEUCH zum gleich lautenden
Art. 11 Ziff. 5 ZPO
ergänzend beigefügt wird, das Misstrauen nicht lediglich im Glauben der Parteien wurzeln, sondern es müsse durch vernünftige Gründe gerechtfertigt sein. Treffe dies zu, so müsse die Ablehnung selbst dann gutgeheissen werden, wenn der entscheidende Richter überzeugt sei, dass keine objektive, wirkliche Befangenheit vorliege.
Nach Auffassung des Beschwerdeführers hat das Obergericht das Vorhandensein vernünftiger Gründe für den Anschein der Befangenheit Prof. Hutschenreuters willkürlich verneint.
2.
Nach den Feststellungen in den beiden Urteilen des Obergerichts vom 20. März 1970 und 4. Dezember 1970 ist das erste in dieser Sache ergangene Urteil, das jenige des Strafamtsgerichts Konofingen vom 28. Januar 1968, aufgehoben worden
BGE 97 I 320 S. 324
wegen Mitwirkung des den Anschein der Befangenheit erweckenden gerichtlichen Experten Prof. Hossli, auf dessen Gutachten sich das Urteil entscheidend stützte. Der Befangenheitsanschein ergab sich daraus, dass Prof. Hossli vor seiner Bestellung zum Gerichtsexperten der Privatklägerschaft als Privatexperte Rat erteilt und sich auch in der Folge in einer Weise eingesetzt hatte, "die bei den Angeschuldigten die Vermutung zu erwecken vermochte, in Prof. Hossli einen persönlichen Gegner zu haben." Im darauffolgenden Verfahren vor dem Strafamtsgericht Thun sind dem neuen gerichtlichen Sachverständigen Prof. Hutschenreuter Akten des aufgehobenen Konofinger Verfahrens, insbesondere das gerichtliche Gutachten Prof. Hossli und das motivierte Urteil des Strafamtsgerichtes Konolfingen, übergeben worden. Weiter steht fest, dass Prof. Hutschenreuter, wie später noch näher darzulegen sein wird, vor und nach Annahme des Expertenauftrages mit dem früheren Sachverständigen Prof. Hossli eine Reihe telefonischer und persönlicher Kontakte gehabt hat, wobei auch über den Fall B.A. diskutiert worden ist. Dagegen hat sich herausgestellt, dass Prof. Hutschenreuter, entgegen einer Protokollnotiz des Präsidenten des Strafamtsgerichtes Thun, nie Schüler von Prof. Hossli gewesen und seine Bemerkung, er könne sich nicht zu einem "Gegengutachten" bereit finden, auf ein Missverständnis zurückzuführen ist.
Zur Beurteilung steht die Frage, ob das Obergericht angesichts dieses Sachverhaltes ohne Willkür annehmen konnte, es liege inbezug auf Prof. Hutschenreuter kein Ablehnungsgrund im Sinn des Art. 33 StrV vor.
3.
Im angefochtenen Entscheid vom 4. Dezember 1970 vertritt das Obergericht die Auffassung, die Herausgabe des Bestandteil des aufgehobenen Verfahrens bildenden Gerichtsgutachtens Prof. Hosslis sowie des kassierten Urteils des Amtsgerichts Konolfingen an Prof. Hutschenreuter stelle wohl eine Prozessrechtsverletzung dar, doch sei dieser Fehler nicht geeignet gewesen, bei den Angeschuldigten Misstrauen in die Unparteilichkeit Prof. Hutschenreuters zu erregen. Denn das von Prof. Hossli erstattete Privatgutachten, das zu keinen andern Schlüssen komme als dessen gerichtliches Gutachten, habe zu den Akten des nicht aufgehobenen Verfahrensteils gehört und sei deshalb dem neuen Sachverständigen ohne Prozessrechtsverletzung zugänglich gewesen. Es würde daher reinen Formalismus
BGE 97 I 320 S. 325
bedeuten, die beiden Gutachten in ihrem Aussagewert unterscheiden zu wollen. In diesem Lichte gesehen verliere auch die Aushändigung der kassierten Urteilsbegründung an Bedeutung, stütze sich doch dieses Urteil voll und ganz auf die Thesen von Prof. Hossli. Sei es zulässig gewesen, dass Prof. Hutschenreuter die Ansicht Prof. Hosslis bekannt werde, so habe ihm die Urteilsbegründung keine neuen Aspekte aufzuzeigen vermocht.
Diese Auffassung verstösst nicht gegen
Art. 4 BV
. Zwar darf nicht übersehen werden, dass ein Privatgutachten einen blossen Bestandteil der Parteivorbringen, eine gerichtliche Expertise dagegen ein Beweismittel darstellt, und insoweit daher die prozessrechtliche Bedeutung der beiden Gutachten Prof. Hosslis verschieden ist. Für die Frage, wieweit ein wissenschaftlicher Sachverständiger durch andere in der gleichen Sache bereits erstattete Gutachten beeinflussbar sei, kommt es indessen weniger auf die prozessrechtliche Bedeutung, sondern in erster Linie auf das wissenschaftliche Gewicht jener früheren Gutachten an. Dass diesbezüglich zwischen den beiden Expertisen Prof. Hosslis ein Unterschied bestehe, ist nicht behauptet worden. War es zulässig, dass Prof. Hutschenreuter vom Privatgutachten Prof. Hosslis Kenntnis erhielt, so ist es nicht unhaltbar, daraus zu folgern, dass auch die - prozessrechtswidrige - Überlassung des im wesentlichen gleichlautenden Gerichtsgutachtens Prof. Hosslis und des darauf gestützten Urteils an Prof. Hutschenreuter für sich allein keinen Ablehnungsgrund im Sinne von Art. 33 StrV bilde.
4.
Als mit sachlichen Gründen nicht mehr vertretbar erweist sich das angefochtene Urteil dagegen hinsichtlich der Würdigung der zwischen den beiden Experten stattgefundenen Kontakte. An der Hauptverhandlung des Amtsgerichts Thun vom 22. September 1970 hierüber befragt, erklärte Prof. Hutschenreuter folgendes:
"Prof. Hossli sah ich letztmals am vergangenen Sonntag, auf meiner Hinreise nach Thun. Ich hatte in Bern eine Besprechung mit Herrn Tschirren, bei welcher auch Prof. Hossli anwesend war. Ich weiss, dass die Experten keinen Kontakt mit mir aufnehmen sollten... Bei der Zusammenkunft in Bern wurde der Fall zwar diskutiert, jedoch nicht nur in Bern."
An der obergerichtlichen Hauptverhandlung vom 4. Dezember 1970 ergänzte Prof. Hutschenreuter diese Aussage wie folgt:
BGE 97 I 320 S. 326
"Ich habe mit Prof. Hossli vor Annahme des Expertenauftrages gesprochen. In einem ersten Telefongespräch vor Erhalt des Expertenauftrages hat Prof. Hossli mich angerufen, ob ich einen Expertenauftrag annehmen würde. Ich weiss nicht, in wessen Auftrag Prof. Hossli mich angefragt hat...
Nachdem ich den Expertenauftrag angenommen hatte, habe ich noch einmal telefonisch mit Prof. Hossli gesprochen. Gesprächsthema war der Fortbildungskurs in Hamburg, anlässlich welchem Prof. Hossli über den vorliegenden Fall referieren wollte. Anlässlich des ersten Telefonates hat mich Prof. Hossli kurz über den Fall orientiert. Er hat mir auch gesagt, weshalb das Urteil kassiert worden ist. Seine Schlüsse hat er mir nicht eindeutig bekannt gegeben. Er hat lediglich, wie Prof. Wiemert, von einer falschen Intubation gesprochen.
Im August war ich im Schwarzwald in Bayersbronn im Urlaub, wo mich Herr Prof. Hossli aufsuchte. Der wesentliche Grund war, dass nächstes Jahr hier in Bern unter Leitung von Prof. Tschirren die Tagung der Schweiz.-österreichischen und deutschen Anaesthesiegesellschaften stattfindet. Prof. Hossli hat mir dann auch noch Einzelheiten über den Fall B.A. vorgetragen...
Das zweite Telephongespräch war nach Annahme des Expertenauftrages; Grund des Telefonates war nicht der Fall B.A.; ich sagte lediglich, dass ich den Auftrag angenommen hatte. Das war vor dem Besuch von Prof. Hossli in Bayersbronn.
Ich habe mich am Sonntag, vor der Verhandlung in Thun, gegen Abend, mit den Prof. Tschirren und Hossli getroffen. Prof. Tschirren hat mir das Inselspital gezeigt; wir haben uns auch über den Fall B.A. unterhalten. Unser Hauptthema war jedoch die Tagung vom nächsten Jahr, ohne welche ich nicht in Bern Station gemacht hätte. In Bezug auf den Prozess sprachen wir über die Konsequenzen von Sauer(stoff)mangel. Ich sagte, wenn der Sachverhalt mir richtig dargestellt worden sei, sei die Schlussfolgerung Hosslis bestimmt zutreffend."
a) Das Obergericht führt hiezu u.a. aus, es sei zwar nicht ganz verständlich, dass Prof. Hossli, wegen dessen Mitwirkung das Verfahren vor Amtsgericht Konolfingen aufgehoben worden sei, sich nachträglich erneut der Angelegenheit angenommen habe. Doch gehe es nicht an, deswegen andere Fachleute zum vornherein als befangen zu bezeichnen. Es sei denn auch in keiner Weise erwiesen, dass diese Kontakte die Gutachtertätigkeit Prof. Hutschenreuters auch nur im geringsten beeinflusst hätten. Die Kammer sei aufgrund der in der obergerichtlichen Verhandlung durchgeführten Einvernahme Prof. Hutschenreuters im Gegenteil davon überzeugt, "dass dieser Experte bemüht war, sein Gutachten sachlich und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten."
BGE 97 I 320 S. 327
Damit beurteilt das Obergericht diese Kontakte mit Bezug auf die Befangenheit des Experten nach ihrer tatsächlichen Wirkung bzw. Wirkungslosigkeit und nicht nach ihrer möglichen Wirkung bzw. dem Wirkungsanschein. Nach dem Wortlaut von Art. 33 StrV und der eigenen Auslegung dieser Bestimmung durch das Obergericht kommt es nicht darauf an, ob eine objektive, wirkliche Befangenheit besteht, sondern nur darauf, ob Tatsachen vorliegen, die den Eindruck einer - wenn auch tatsächlich nicht vorhandenen - Befangenheit erwecken können. Indem das Obergericht diese Bestimmung in einer mit ihrem klaren Wortlaut und Sinn unvereinbaren Weise angewendet und sich überdies zu seiner eigenen Auslegung in Widerspruch gesetzt hat, hat es gegen
Art. 4 BV
verstossen (
BGE 95 I 371
,
BGE 93 I 7
,
BGE 90 I 139
).
b) Dass die Kontakte mit Prof. Hossli an sich tauglich waren, Prof. Hutschenreuter zu beeinflussen und beim Beschwerdeführer Misstrauen in dessen Unparteilichkeit hervorzurufen, steht ausser Zweifel und kann schlechterdings nicht verneint werden. Es bleibt lediglich die Frage, ob dieses Misstrauen durch vernünftige Gründe gerechtfertigt war.
Das Obergericht führt dazu aus, es könne zwar nicht übersehen werden, dass die erwähnten Tatsachen bei den Angeschuldigten den Eindruck erwecken konnten, der neue Sachverständige sei nicht mehr unparteilich. Allein dies genüge nicht, um die Befangenheit des Experten Prof. Hutschenreuter und damit dessen Ablehnung zu begründen, denn diese Tatsachen allein böten keinen vernünftigen und objektiven Grund, den allfälligen Eindruck der Befangenheit des Experten bei den Angeschuldigten zu rechtfertigen. In der Person von Prof. Hutschenreuter liege somit kein Unfähigkeitsgrund.
Diese Begründung krankt an einem unüberbrückbaren, echten Widerspruch und ist nicht haltbar (
BGE 93 I 7
mit Verweisungen). Einerseits führt das Obergericht selbst aus, dass die beanstandeten Tatsachen beim Beschwerdeführer den Eindruck der Parteilichkeit Prof. Hutschenreuters erregen konnten, was eine vernünftige und objektive Beurteilung dieser Tatsachen durch das Obergericht voraussetzt. Andererseits verneint es gleichzeitig ohne jede Begründung das Vorhandensein eines vernünftigen Grundes zur Rechtfertigung dieses Eindruckes beim Beschwerdeführer. Dies ist schlechterdings unvereinbar.
BGE 97 I 320 S. 328
c) Das Obergericht weist zwar an anderer Stelle darauf hin, dass die Anaesthesiologie ein relativ neuer medizinischer Berufszweig sei und infolgedessen die sich damit beschäftigenden Gelehrten des deutschsprachigen Raumes einander alle persönlich bekannt seien und miteinander in dauernder Verbindung stünden. Es gehe daher nicht an, Prof. Hutschenreuter wegen seiner mit Prof. Hossli unterhaltenen Kontakte als Sachverständigen auszuschliessen; andernfalls könnte der gleiche Ablehnungsgrund auch gegenüber jedem anderen überragenden Experten der Anaesthesiologie geltend gemacht werden.
Dieser Einwand ist unhaltbar. Die fraglichen Gespräche zwischen den beiden Experten hatten keineswegs lediglich den Charakter von Kontakten, wie sie zwischen Wissenschaftern des gleichen Faches mit Bezug auf die allgemeinen Belange ihrer Tätigkeit notwendig und üblich sind. Vielmehr betrafen sie, wie aus den vorstehend wiedergegebenen Aussagen Prof. Hutschenreuters hervorgeht, zum Teil unmittelbar dessen Gutachteraufgabe im vorliegenden Prozess, und es wurde unbestrittenermassen der Fall B.A. bis in seine Einzelheiten besprochen. Dies legt den Schluss nahe, dass es zwischen den beiden Experten zu einem eigentlichen Meinungsaustausch gekommen ist. Gegen die Möglichkeit einer derartigen Beeinflussung Prof. Hutschenreuters liesse sich dann nichts einwenden, wenn Prof. Hossli ein am Verfahren unbeteiligter Dritter wäre. Da er jedoch in der gleichen Sache bereits als Gutachter tätig gewesen und in der Folge aus schwerwiegenden Gründen wegen Befangenheitsanscheins abgelehnt worden war, bildeten diese Kontakte für die Beschuldigten einen durchaus vernünftigen Grund, auch an der Unbefangenheit des neuen Experten zu zweifeln. Wenn im Strafverfahren ein Experte nach Art. 151 StrV ausgeschlossen wurde und der Beschuldigte erfährt, dass der zweite Experte mit dem ersten, wegen Anscheins der Befangenheit ausgeschlossenen derart enge Kontakte hatte, wie es hier der Fall war, so wird der Beschuldigte durchaus verständlicherweise an der Unbefangenheit des zweiten Experten zweifeln, und zwar wird das ohne weiteres auch ein ganz vernünftig denkender Beschuldigter tun, nicht bloss ein übertrieben misstrauischer.
d) Zu diesem Schluss kommt, zum Teil allerdings im Widerspruch zu seinen Erwägungen, auch das Obergericht, wenn es feststellt, dass die erwähnten Tatsachen den Eindruck der Befangenheit
BGE 97 I 320 S. 329
des neuen Experten Prof. Hutschenreuter erwecken konnten. Damit aber war der Unfähigkeitsgrund des Art. 33 StrV ohne Zweifel gegeben. Denn die richterliche Feststellung, es bestehe der Eindruck der möglichen Befangenheit, umfasst die Feststellung, dass dieser Emdruck objektiv, durch vernünftige Gründe gerechtfertigt ist. Alsdann sind, auch nach der eigenen Rechtsauffassung des Obergerichts, die Voraussetzungen des Art. 33 StrV erfüllt. Indem das Obergericht trotzdem das Vorliegen eines Unfähigkeitsgrundes verneinte und die Kassation des unter Mitwirkung Prof. Hutschenreuters zustandegekommenen Urteils des Strafamtsgerichtes Thun ablehnte, verstiess es gegen
Art. 4 BV
. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern vom 4. Dezember 1970 aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
66ac1e8e-6ea5-4a3d-ac61-d3da0ed99f86 | Urteilskopf
109 II 202
47. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Februar 1983 i.S. Rialto Film AG gegen Konkursmasse der Starfilm GmbH Zürich (Berufung) | Regeste
Art. 936 ZGB
; Fahrnisklage.
Die Konkurseröffnung über eine Firma, die sich aufgrund von Lizenzverträgen dem Filmverleih widmet, hat nicht automatisch das Dahinfallen dieser Verträge und damit der Grundlage des Rechtsschutzes gestützt auf Besitz zur Folge (E. 2).
Diese Firma ist als Lizenznehmerin mittelbare Besitzerin der Filmkopien und kann vom späteren bösgläubigen unmittelbaren Besitzer gemäss
Art. 936 Abs. 1 ZGB
die Herausgabe der Filme verlangen (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 203
BGE 109 II 202 S. 203
A.-
Die Starfilm GmbH Zürich hat während längerer Zeit aufgrund von Lizenzverträgen Filmverleih betrieben. Die auszuleihenden Filme befanden sich indessen nicht bei ihr, sondern bei der Filmsped AG in Luzern. Diese besorgte gegen Bezahlung die Lagerung der Filmkopien und den Verkehr mit den einzelnen Kinobesitzern.
Am 16. März 1982 wurde über die Starfilm GmbH der Konkurs eröffnet, der vom Konkursamt Riesbach-Zürich geführt wird. Nach einem Unterbruch in der Filmauslieferung nahm die Filmsped AG auf Ersuchen des Konkursamtes den Filmversand nach der Konkurseröffnung auf Rechnung der Konkursmasse wieder auf. Am 26. Mai 1982 teilte die Filmsped AG dem Konkursamt mit, die Firmen Rialto Film AG und Elite Film AG seien unter ihrer Entlastung in alle Rechte und Pflichten der zwischen ihr und der Starfilm GmbH bzw. der Konkursmasse abgeschlossenen Lager- und Speditionsverträge eingetreten. Gleichzeitig übergab sie dem Konkursamt zwei Listen, in denen die Filmkopien aufgeführt waren, die sich bei den neuen Auslieferungsfirmen befanden. Das Konkursamt erklärte sich damit in seinem Schreiben vom 27. Mai 1982 nicht einverstanden und verlangte die Herausgabe der Filmkopien, falls sich die Filmsped AG weigern sollte, den bisherigen Vertrag weiterhin zu erfüllen.
B.-
Da zwischen der Konkursmasse der Starfilm GmbH und der Filmsped AG über diese Fragen keine Einigung zustande kam, stellte die Konkursmasse am 11. Juni 1982 beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich das Begehren, der Rialto Film AG sei im Sinne von § 222 Ziff. 2 der Zürcher Zivilprozessordnung zu befehlen, die einzeln aufgezählten 40 Filmkopien herauszugeben. Mit Verfügung vom 29. Juni 1982 trat der Einzelrichter auf das Befehlsbegehren mangels klaren Rechts nicht ein.
Die Konkursmasse gelangte daraufhin an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses hiess den Rekurs mit Beschluss vom 17. September 1982 gut und befahl der beklagten Firma, der Rialto AG, der Klägerin die umstrittenen 40 Filmkopien auf erstes Verlangen hin auszuhändigen.
C.-
Die Beklagte focht diesen Beschluss des Obergerichts mit einer Berufung beim Bundesgericht an. Sie stellt den Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und das Befehlsbegehren der Klägerin abzuweisen, eventuell sei die Sache zur
BGE 109 II 202 S. 204
Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beklagte wirft der Vorinstanz zunächst vor, sie habe zu Unrecht angenommen, dass die Klägerin sich auf den Rechtsschutz von
Art. 936 ZGB
berufen könne. Damit habe sie Bundesrecht verletzt. Die Beklagte gibt zwar zu, dass die Starfilm GmbH aufgrund von Lizenzverträgen an den Filmkopien berechtigt war. Indessen ist sie der Meinung, dass ein allfälliger, aus dieser Berechtigung abgeleiteter Besitzesschutz mit der Konkurseröffnung über die Starfilm GmbH ohnehin dahingefallen wäre, weil in diesem Zeitpunkt zwischen der Klägerin und der Filmsped AG kein Vertrag mehr bestanden habe. Die Filmsped AG habe die Filmkopien nun als Treuhänderin für die Lizenzgeber bzw. Eigentümer besessen. Dabei übersieht die Beklagte jedoch, dass ein Dahinfallen des Vertrages zwischen der Starfilm GmbH und der Filmsped AG im Zeitpunkt der Konkurseröffnung, selbst wenn dies nachgewiesen wäre, nicht bewirkt hätte, dass jede Rechtsbeziehung zwischen den bisherigen Vertragsparteien aufgehört hätte und jeder Rückgabeanspruch an beweglichen Sachen, die dem Vertragspartner nicht zu Eigentum übertragen worden sind, ebenfalls hinfällig geworden wäre. Sollte aber die Behauptung der Beklagten zutreffen, dass die Starfilm GmbH mit der Firma Cinétyp eine Vereinbarung abgeschlossen habe, wonach im Konkursfall die Filmkopien der Cinétyp übertragen werden sollten, so könnte die von dieser Firma unabhängige Filmsped AG daraus für ihre Vertragsbeziehungen mit der Starfilm GmbH gar nichts ableiten, da sie an einer solchen vertraglichen Abmachung auf alle Fälle nicht beteiligt wäre. Indessen ist den Akten der Vorinstanz klar und deutlich zu entnehmen, dass die Filmsped AG sich auch nach der Konkurseröffnung über die Starfilm GmbH mit dem Konkursamt über die Erfüllung der bisherigen Vertragsbeziehungen geeinigt hat. Von einer Verletzung von
Art. 8 ZGB
kann diesbezüglich nicht die Rede sein.
Unbehelflich ist sodann auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe sich gar nicht auf den Vertrag mit der Filmsped AG und damit auch nicht auf Besitz berufen, sondern nur auf konkursrechtlich begründeten Gewahrsam. Dieser stellt aber nicht einen
BGE 109 II 202 S. 205
selbständigen Rechtstitel dar. Er kann vielmehr seinerseits nur auf gemeinrechtlicher Grundlage beruhen. Dem Gewahrsam gemäss
Art. 106 ff. SchKG
kommt nur insofern eine selbständige Bedeutung zu, als er für die Parteirollenverteilung im Widerspruchsprozess massgebend ist.
3.
Im weitern macht die Beklagte geltend, wollte man annehmen, dass im Zeitpunkt der Übernahme der Filmkopien durch die Beklagte ein Vertrag zwischen der Klägerin und der Filmsped AG bestanden hätte, so wäre diesem nicht zu entnehmen, dass die Klägerin Besitzerin der umstrittenen Kopien gewesen sei. Sie wäre höchstens bei Konkursausbruch als Lizenznehmerin Besitzdienerin gewesen, wobei auch dies fraglich sei, da die Klägerin die Filme nie selber in Händen gehabt habe. Inwiefern aber die Vorinstanz nur von Besitzdienerschaft hätte ausgehen dürfen und damit den bundesrechtlichen Begriff des Besitzes verkannt habe, legt die Beklagte nicht näher dar. Indessen kann nicht die Rede davon sein, dass ein Lizenznehmer von Filmen diese in einem derart intensiven Abhängigkeitsverhältnis vom Besitzer in seiner tatsächlichen Gewalt hätte, dass sie dem jederzeitigen Zugriff des Besitzers zugänglich blieben (
BGE 58 II 375
). Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass die Starfilm GmbH einerseits ihren Besitzwillen zum Ausdruck gebracht hat und anderseits über die Filmkopien keine unmittelbare Gewalt ausgeübt hat. Beides schliesst aber blosse Besitzdienerschaft aus (HINDERLING, Der Besitz, in Schweiz. Privatrecht, Bd. V/1 S. 421 f.). Dagegen wird vom Gesetz nicht nur derjenige als Besitzer anerkannt, der eine direkte Sachherrschaft ausübt, sondern auch jener, der gestützt auf ein dingliches oder obligatorisches Recht nur mittelbar für sich oder einen andern die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausüben lässt (
Art. 920 Abs. 1 ZGB
). Im übrigen handelt es sich bei der Frage, ob die Klägerin Besitzerin der Filmkopien sei oder nicht, um eine Rechtsfrage, die einer Beweiserhebung nicht zugänglich ist, so dass auch in dieser Hinsicht nicht von einer Verletzung von
Art. 8 ZGB
durch die Vorinstanz gesprochen werden kann.
Ob mit dem Ober- und dem Kassationsgericht davon ausgegangen werden kann, die Starfilm GmbH bzw. ihre Konkursmasse sei als Lizenznehmerin der umstrittenen Filmkopien als mittelbare selbständige Besitzerin zu betrachten oder ob nicht vielmehr für die Klägerin wie für die Filmsped AG unselbständiger Besitz anzunehmen ist, so dass selbständiger Besitz allein den Eigentümern und
BGE 109 II 202 S. 206
Lizenzgebern der Filmkopien zukäme, kann dahingestellt bleiben. Die Vorinstanz hat auf jeden Fall mit Recht erklärt, auch als mittelbare Besitzerin stünde der Klägerin neben andern Rechtsbehelfen auch der Anspruch auf Herausgabe gemäss
Art. 936 Abs. 1 ZGB
gegen den späteren bösgläubigen unmittelbaren Besitzer zu (
BGE 47 II 269
E. 1; STARK, N. 31 zu Art. 920 und N. 7 zu
Art. 936 ZGB
; HINDERLING, a.a.O., S. 503). Jeder frühere selbständige oder unselbständige, mittelbare oder unmittelbare Besitzer verfügt nämlich über die Fahrnisklage und zwar gegen jede Person, die bösgläubig Besitz erworben hat. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, die Beklagte leite ihren Besitz nicht von der Klägerin, sondern von einem zwischen diesen beiden eingeschobenen Besitzer ab, der entweder auf seinen unmittelbaren Besitz verzichtet oder den früheren mittelbaren Besitzern gegenüber einen Vertrauensbruch begangen hat (
BGE 47 II 269
E. 1; HINDERLING, a.a.O., S. 503). Es kann daher nicht auf die Tatsache ankommen, dass die Filmsped AG nur mit der Starfilm GmbH bzw. deren Konkursmasse einerseits und allenfalls mit der Beklagten anderseits in einem Vertragsverhältnis steht, so dass zwischen den beiden Letztgenannten keine vertragliche Beziehung gegeben ist. Wäre dem nicht so, müsste die Fahrnisklage weitgehend ihren Zweck verfehlen, der darauf ausgerichtet ist, "in der äussern Gestalt des dinglichen Rechts an der Sache, im Besitz, auch zugleich über das Recht zu verhandeln" (Erläuterungen zum ZGB 1914, Bd. II, S. 377), worin auch der Streit um besseres Recht zwischen zwei Besitzern eingeschlossen sein muss. Bei diesem Streit aber leitet die Starfilm GmbH bzw. ihre Konkursmasse ihren früheren mittelbaren Besitz keineswegs aus ihrem Vertrag mit der Filmsped AG, sondern vielmehr aus ihren vertraglichen Vereinbarungen mit den Lizenzgebern und Eigentümern der Filmkopien ab. Das Rechtsverhältnis zwischen der Filmsped AG und der Starfilm GmbH bzw. deren Konkursmasse ist daher entgegen der Ansicht der Beklagten nur insofern von Bedeutung, als es allenfalls auch über ihren bösgläubigen Besitzerwerb Aufschluss zu geben vermag. Die für das Bundesgericht verbindliche Beweiswürdigung der Vorinstanz hat denn auch zur Feststellung geführt, dass angesichts der engverschlungenen Verhältnisse im Bereiche der schweizerischen Filmbranche und der Verflechtung der in ihr tätigen Personen die Rechtsbeziehungen zwischen der Starfilm GmbH bzw. deren Konkursmasse und der Filmsped AG auch der Beklagten ohne weiteres
BGE 109 II 202 S. 207
erkennbar waren. Was in der Berufungsschrift dagegen vorgebracht wird, bedeutet nichts anderes als eine im Berufungsverfahren unzulässige Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung. Inwiefern ein rechtserheblicher Gegenbeweis in Verletzung von
Art. 8 ZGB
nicht zugelassen worden wäre, wird nicht näher dargetan.
Das Obergericht hat auch kein Bundesrecht verletzt, wenn es aus einem solchen Beweisergebnis den rechtlichen Schluss gezogen hat, dass der von der Filmsped AG der Klägerin gegenüber begangene Vertrauensbruch, indem sie ohne deren Zustimmung die Filmkopien an die Beklagte weitergegeben hat, für diese erkennbar sein musste, so dass sie sich für ihren eigenen, von der Filmsped AG abgeleiteten Besitz nicht mehr auf ihren guten Glauben berufen konnte. Zum mindesten wäre es der Beklagten zumutbar gewesen, sich beim Konkursamt über die vertraglichen Beziehungen der Starfilm GmbH nach der Konkurseröffnung zu erkundigen, wenn sie an deren Weiterdauer irgendwelche Zweifel hegte. Auch der Beklagten musste klar sein, dass mit der Konkurseröffnung nicht einfach jede Rechtsbeziehung zwischen der Filmsped AG und der Starfilm GmbH aufgehört haben konnte. Für deren Weiterdauern sprach schon der Konkursbeschlag, der mit der Konkurseröffnung eingetreten war, der im übrigen aber angesichts der nach
Art. 936 Abs. 1 ZGB
gegebenen Rechtslage nicht weiter beachtlich ist, es sei denn im Zusammenhang mit dem Entscheid, den das zuständige Konkursamt über die Weiterführung des Filmverleihs zu treffen hatte. Soweit dem Konkursamt aber im Interesse der Gläubiger die Weiterführung des Verleihs als geboten erschien, kann entgegen der Meinung der Beklagten auch nicht gesagt werden, dieser Entscheid sei rechtsmissbräuchlich, weil es sich um eine unnötige Rechtsausübung handle.
Was die Beklagte in der Berufungsschrift sonst noch vorbringt, ändert nichts daran, dass sie die Filmkopien nicht in gutem Glauben besessen hat und somit verpflichtet ist, diese der Klägerin als früherer Besitzerin herauszugeben. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
66aca368-ca40-4de5-9105-bdf8e0fe0280 | Urteilskopf
121 IV 18
4. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 31 janvier 1995 dans la cause G. contre Procureur général du canton de Genève (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 128 Abs. 1 StGB
; Unterlassung der Nothilfe.
Voraussetzungen der Strafbarkeit, allgemein.
Unmittelbare Lebensgefahr ist gegeben, wenn jemand nach dem Konsum einer Überdosis Heroin Gefahr läuft, in einigen Stunden zu sterben (E. 2b/aa).
Die Hilfeleistungspflicht besteht für jeden, der sich in der Wohnung der gefährdeten Person befindet; aufgrund der Umstände genügte es, telefonisch medizinische Hilfe zu holen (E. 2b/aa).
Vorsatz (E. 2b/bb). | Sachverhalt
ab Seite 19
BGE 121 IV 18 S. 19
A.-
Le 23 juin 1993 vers 18 ou 19 heures, Marie reçut dans son appartement à Genève G., qui apportait de l'héroïne qu'ils consommèrent ensemble. Dès son arrivée, G. remarqua que Marie n'était pas dans son état normal et celle-ci lui déclara qu'elle avait déjà consommé de l'héroïne dans l'après-midi. Environ un quart d'heure après avoir prisé la drogue, Marie fut saisie d'un malaise. G. ne fit pas appel à un médecin. Il expliqua plus tard qu'il avait déjà vu une fois Marie s'endormir de cette façon et qu'il savait qu'elle avait peur des médecins et souhaitait éviter des frais.
Vers 23 heures, B. arriva à son tour dans l'appartement et les deux hommes tentèrent en vain de réveiller Marie en lui passant de l'eau sur le visage et en lui donnant des claques. Il fut retenu que G., qui était lui-même toxicomane, savait qu'une surdose d'héroïne pouvait entraîner la mort et qu'il se rendait compte que Marie allait mal à la suite de l'absorption d'héroïne, ayant observé que sa respiration était saccadée et qu'elle avait les mains froides. Les deux hommes choisirent de ne pas faire appel à un médecin et fumèrent ensemble de la drogue. Vers minuit, G., qui tenait à ne pas manquer le dernier bus, quitta les lieux, en laissant un message à l'attention de Marie et en donnant son numéro de téléphone à B. pour le cas où un problème surviendrait.
Marie décéda dans la nuit en raison de la surdose d'héroïne qu'elle avait consommée, alors que l'issue fatale aurait pu être évitée si elle avait reçu sans retard des soins médicaux.
B.-
Par arrêt du 29 avril 1994, la Cour correctionnelle avec jury du canton de Genève a condamné G., pour omission de prêter secours et infraction à la loi fédérale sur les stupéfiants, à la peine de douze mois d'emprisonnement avec sursis pendant quatre ans, cette peine étant complémentaire à une peine prononcée antérieurement.
Statuant par arrêt du 2 novembre 1994, la Cour de cassation cantonale a rejeté le pourvoi formé par le condamné.
BGE 121 IV 18 S. 20
C.-
Contre cet arrêt, G. s'est pourvu en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Invoquant une violation de l'
art. 128 CP
, il conclut, avec suite de frais et dépens, à l'annulation de la décision attaquée et sollicite par ailleurs l'assistance judiciaire.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Recevabilité)
2.
a) Le recourant soutient que les faits constatés par l'autorité cantonale ne constituent pas une omission de prêter secours au sens de l'
art. 128 al. 1 CP
.
La nouvelle teneur de l'
art. 128 CP
(RO 1989 p. 2451) est entrée en vigueur le 1er janvier 1990 (RO 1989 p. 2456); les faits reprochés au recourant ayant eu lieu postérieurement, la nouvelle disposition est applicable (
art. 2 al. 1 CP
).
Le nouvel article 128 CP prévoit notamment que celui qui n'aura pas prêté secours à une personne en danger de mort imminent, alors que l'on pouvait raisonnablement l'exiger de lui, étant donné les circonstances, sera puni de l'emprisonnement ou de l'amende.
Il s'agit d'un délit d'omission (TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, art. 128 no 4; JOSÉ HURTADO POZO, Droit pénal, partie spéciale I, Fribourg 1988 p. 167 no 373; LAURENT MOREILLON, Omission de porter secours, RPS 112 (1994) p. 237), qui réprime une mise en danger abstraite (TRECHSEL, op.cit., art. 128 no 4; MOREILLON, op.cit., p. 238; REHBERG/SCHMID, Strafrecht III, 6e éd., p. 41), sans exiger de résultat (TRECHSEL, op.cit., art. 128 no 4; REHBERG/SCHMID, op.cit., p. 41; MOREILLON, op.cit., p. 237). Cette disposition met à la charge de toute personne qui est en mesure de le faire l'obligation générale de porter secours à autrui en cas d'urgence (FF 1985 II 1048; STRATENWERTH, Bes. Teil I, 5e éd., p. 90 no 61; REHBERG/SCHMID, op.cit., p. 40; HURTADO POZO, op.cit., p. 167 no 373; MOREILLON, op.cit., p. 243 et 245), sans créer une position de garant (MOREILLON, op.cit., p. 238, 245 et 250; CORBOZ, L'homicide par négligence, SJ 1994 p. 214 s. et les références citées; cf. également: REHBERG/SCHMID, op.cit., p. 44; HURTADO POZO, op.cit., p. 169).
Le secours qui doit être prêté se limite aux actes que l'on peut raisonnablement exiger de l'auteur compte tenu des circonstances (FF 1985 II 1048; STRATENWERTH, op.cit., p. 93 no 70; REHBERG/SCHMID, op.cit., p. 43; HURTADO POZO, op.cit., p. 168 no 378; TRECHSEL, op.cit., art. 128 no 12; MOREILLON, op.cit., p. 246). Seuls sont exigés les actes de secours
BGE 121 IV 18 S. 21
qui sont possibles (TRECHSEL, op.cit., art. 128 no 12; HURTADO POZO, op.cit., p. 167 no 375; REHBERG/SCHMID, op.cit., p. 43; MOREILLON, op.cit., p. 247) et qui peuvent être utiles (TRECHSEL, op.cit., art. 128 no 5; MOREILLON, op.cit., p. 245). Il s'agit de prendre les mesures commandées par les circonstances, et un résultat n'est pas exigé (MOREILLON, op.cit., p. 247).
L'obligation de prêter secours n'existe que si la personne qui en a besoin se trouve en danger de mort imminent (FF 1985 II 1048). La cause du danger de mort est indifférente (FF 1985 II 1048; HURTADO POZO, op.cit., p. 167 no 373; TRECHSEL, op.cit., art. 128 no 11; MOREILLON, op.cit., p. 243). En ce qui concerne la notion de danger de mort imminent, la doctrine propose d'appliquer les principes dégagés au sujet des mêmes termes figurant à l'
art. 129 CP
(HURTADO POZO, op.cit., p. 167 no 374; MOREILLON, op.cit., p. 244; moins affirmatif STRATENWERTH, op.cit., p. 92 no 68). Il faut donc la probabilité sérieuse d'une mort prochaine (cf.
ATF 111 IV 51
consid. 2,
ATF 106 IV 12
consid. 2a) ou, si l'on préfère, que le risque de mort apparaisse si proche que la vie de la personne ne tient plus qu'à un fil (STRATENWERTH, op.cit., p. 92 no 68). Par exemple, on considère que celui qui est frappé d'une crise cardiaque se trouve en danger de mort imminent (FF 1985 II 1048; HURTADO POZO, op.cit., p. 167 no 374; STRATENWERTH, op.cit., p. 92 no 68; op.cit., p. 42). Sous l'empire de l'ancien droit, la jurisprudence cantonale avait appliqué l'
art. 128 CP
à celui qui abandonne une personne prise d'un malaise à la suite d'une consommation excessive de stupéfiants (Repertorio di giurisprudenza Patria 113 (1980) p. 161). L'infraction est intentionnelle (
ATF 116 IV 19
consid. 3 i.f.; STRATENWERTH, op.cit., p. 94 no 74; REHBERG/SCHMID, op.cit., p. 44; HURTADO POZO, op.cit., p. 169 no 379; TRECHSEL, op.cit., art. 128 no 14; MOREILLON, op.cit., p. 248) et suppose une conscience du danger de mort imminent (FF 1985 II 1050; STRATENWERTH, op.cit., p. 94 no 74; REHBERG/SCHMID, op.cit., p. 44; HURTADO POZO, op.cit., p. 169 no 379; TRECHSEL, op.cit., art. 128 no 14; MOREILLON, op.cit., p. 248) et, plus largement, des conditions qui fondent l'obligation de porter secours, savoir notamment de sa propre capacité de le faire (STRATENWERTH, op.cit., p. 94 no 74). Un auteur relève que le dol éventuel suffit (MOREILLON, op.cit., p. 248).
b) aa) En l'espèce, il a été retenu en fait - d'une manière qui lie la Cour de cassation - que Marie avait consommé une quantité excessive de stupéfiants et que, alors qu'elle se trouvait en compagnie du recourant, elle avait besoin de soins médicaux urgents qui lui auraient sauvé la vie,
BGE 121 IV 18 S. 22
mais que, faute de les avoir reçus, elle est décédée. Elle se trouvait donc, alors qu'elle était en compagnie du recourant, dans un état exigeant des soins médicaux urgents sans lesquels elle risquait, en quelques heures et sans autre intervention, de perdre la vie. Elle se trouvait ainsi objectivement en danger de mort imminent au sens de la définition rappelée ci-dessus.
Le recourant, qui se trouvait avec elle dans son appartement, avait donc l'obligation de lui prêter secours et ce d'autant plus qu'il lui avait fourni une partie de l'héroïne qu'elle avait consommée. Le fait qu'un tiers soit ensuite arrivé dans l'appartement n'y change rien; dans une telle situation, l'obligation de prêter secours incombait à chacun d'eux aussi longtemps que le danger subsistait, c'est-à-dire tant que les mesures nécessaires n'avaient pas été prises, le cas échéant par l'autre (STRATENWERTH, op.cit., p. 92 no 69; HURTADO POZO, op.cit., p. 167 no 375).
Le secours commandé par les circonstances consistait en l'espèce à appeler un médecin ou une ambulance. Un simple appel téléphonique suffisait. Cette mesure était possible; elle pouvait être raisonnablement exigée du recourant étant donné les circonstances; elle était de nature à remédier utilement à la situation.
Or, d'un point de vue objectif, le recourant n'a appelé aucune aide médicale, de sorte qu'il n'a pas prêté le secours qui était dû dans les circonstances d'espèce.
bb) Sous l'angle subjectif, il ressort des faits retenus que le recourant a examiné l'état de Marie et qu'il a décidé de ne pas appeler une aide médicale, ce qui revenait à laisser cette personne sans soins contrairement à ce que requérait manifestement son état. En décidant de ne pas appeler d'aide médicale, le recourant a agi intentionnellement; il a décidé de ne prêter en réalité aucun secours à cette personne.
Que Marie lui ait dit précédemment qu'elle avait peur des médecins et souhaitait éviter des frais ne l'exonérait pas de son obligation légale; il ne prétend d'ailleurs pas qu'il aurait su ou cru que cette personne souhaitait mettre fin à ses jours.
Quant à la conscience du danger de mort imminent, la cour cantonale a retenu que le recourant, qui est lui-même toxicomane, savait qu'une surdose d'héroïne pouvait avoir une issue mortelle, qu'il avait constaté que Marie allait mal après avoir absorbé de nouveau de l'héroïne, que l'on ne parvenait plus à la réveiller, que sa respiration était saccadée et qu'elle avait les mains froides. En présence de tels éléments, la cour cantonale a retenu qu'il avait conscience qu'elle se trouvait en danger de mort
BGE 121 IV 18 S. 23
imminent, même s'il espérait qu'elle s'en sorte. Déterminer, à la suite d'une appréciation des preuves, les représentations subjectives d'une personne relève des constatations de fait qui lient la Cour de cassation (
ATF 120 IV 117
consid. 2a,
ATF 119 IV 222
consid. 2,
ATF 118 IV 167
consid. 4); eu égard aux constatations de fait qu'elle a retenues, l'autorité cantonale n'a pas violé le droit fédéral en admettant que l'auteur avait agi intentionnellement. Dans la mesure où le recourant prétend que son état et les circonstances ne lui permettaient pas d'avoir conscience du danger de mort imminent qui menaçait Marie, il s'écarte des constatations de fait cantonales, ce qui n'est pas admissible dans le cadre d'un pourvoi en nullité (
ATF 119 IV 202
consid. 2b, 309 consid. 7b, 315 consid. 2,
ATF 115 IV 38
consid. 3a,
ATF 106 IV 338
consid. 1).
Au vu des faits retenus - qui lient la Cour de cassation -, la condamnation du recourant pour omission de prêter secours au sens de l'
art. 128 al. 1 CP
ne viole pas le droit fédéral.
3.
(frais judiciaires). | null | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
66acb5fe-88ed-41eb-88f5-0e1386a9bc9d | Urteilskopf
141 III 554
72. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_216/2015 vom 21. Dezember 2015 | Regeste
Art. 99 und 312 Abs. 2 ZPO
; Sicherheit für die Parteientschädigung; Frist für die Berufungsantwort.
Vorgehen der im erstinstanzlichen Verfahren ganz oder teilweise obsiegenden Partei, wenn sie im Falle eines Berufungsverfahrens ihre Parteientschädigung durch die Gegenpartei sicherstellen lassen will (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 554
BGE 141 III 554 S. 554
A.
Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 verpflichtete das Bezirksgericht Zürich B. (Beklagter, Berufungskläger, Beschwerdegegner) zur Zahlung von Fr. 3'895'207.80 nebst Zins an die A. AG (Klägerin, Berufungsbeklagte, Beschwerdeführerin). Gegen dieses Urteil erhob B. Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich. Mit Verfügung vom 9. März 2015 setzte das Obergericht der Berufungsbeklagten die Frist von 30 Tagen nach
Art. 312 Abs. 2 ZPO
zur Einreichung einer Berufungsantwort an. Diese Frist stand vom siebten Tag vor Ostern (5. April 2015) bis und mit dem siebten Tag nach Ostern still (
Art. 145 Abs. 1 lit. a ZPO
).
BGE 141 III 554 S. 555
B.
Am 13. April 2015 beantragte die Berufungsbeklagte, der Berufungskläger sei zu einer Sicherheitsleistung von Fr. 80'449.- zwecks Sicherstellung ihrer Parteientschädigung zu verpflichten und es sei ihr die angesetzte Frist für die Einreichung der Berufungsantwort sowie einer allfälligen Anschlussberufung bis zur Leistung der beantragten Sicherheitsleistung abzunehmen und gegebenenfalls neu anzusetzen. Mit Verfügung vom 14. April 2015 wies das Obergericht den Antrag der Berufungsbeklagten auf Abnahme der Frist zur Einreichung der Berufungsantwort sowie einer allfälligen Anschlussberufung ab (Dispositiv-Ziffer 2).
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 21. April 2015 beantragt die Berufungsbeklagte dem Bundesgericht, Dispositiv-Ziffer 2 der Verfügung des Obergerichts vom 14. April 2015 sei aufzuheben und dieses sei anzuweisen, das Verfahren bis zum Entscheid über das pendente Begehren auf Sicherstellung der Parteientschädigung zu sistieren. Die Beschwerdeführerin beantragte zudem, der Beschwerde sei superprovisorisch die aufschiebende Wirkung zu erteilen und das Obergericht sei umgehend anzuweisen, das Verfahren für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens zu sistieren.
Mit Formularverfügung vom 24. April 2015 wurde den Verfahrensanträgen der Beschwerdeführerin superprovisorisch stattgegeben. Mit Präsidialverfügung vom 16. Juli 2015 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt und das Obergericht des Kantons Zürich wurde angewiesen, das Verfahren bis zum Entscheid des Bundesgerichts über die Beschwerde zu sistieren.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(
Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Frist für die Einreichung der Berufungsantwort wird in
Art. 312 Abs. 2 ZPO
auf 30 Tage festgesetzt. Es handelt sich mithin um eine gesetzliche Frist, die nach
Art. 144 Abs. 1 ZPO
nicht erstreckt werden kann. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dies stehe einer Abnahme der Frist vorliegend nicht entgegen; die Vorinstanz habe
Art. 99 ZPO
(Sicherheit für die Parteientschädigung) verletzt, indem sie den Antrag auf Abnahme der Frist zur Einreichung der Berufungsantwort und einer allfälligen Anschlussberufung abgewiesen habe.
BGE 141 III 554 S. 556
2.1
Die Vorinstanz hat ausgeführt, mit Verfügung vom 17. Februar 2015 sei der Berufungskläger zur Leistung eines Kostenvorschusses aufgefordert worden. Mit Verfügung vom 9. März 2015 habe das Gericht dem Berufungsbeklagten Frist zur Einreichung der Berufungsantwort gesetzt. Am 13. April 2015 habe die Berufungsbeklagte ein Gesuch um Sicherstellung der Parteientschädigung gestellt und um Abnahme der Frist für die Einreichung der Berufungsantwort und einer allfälligen Anschlussberufung ersucht. Die Berufungsantwort sei nach
Art. 312 Abs. 2 ZPO
innert 30 Tagen zu erstatten. Es handle sich dabei um eine gesetzliche Frist, die im Sinne der Waffengleichheit so wenig erstreckt werden könne wie die Berufungsfrist (
Art. 311 Abs. 1 ZPO
). Im Unterschied zum erstinstanzlichen Verfahren, wo die richterliche Frist für die Klageantwort nach Eingang eines Gesuchs um Sicherstellung der Parteikosten unterbrochen bzw. erstreckt werden könne, sei die Abnahme und spätere Neuansetzung der Frist im vorliegenden Fall deshalb aus Gründen der Waffengleichheit nicht möglich. Hinzu komme, dass die Berufungsbeklagte seit Empfang der Verfügung vom 17. Februar 2015 Kenntnis vom vorliegenden Rechtsmittelverfahren habe, weshalb sie das Gesuch um Sicherheitsleistung ohne Weiteres bereits früher hätte stellen können. Es sei der Berufungsbeklagten zumutbar, die Berufungsantwort innert der angesetzten gesetzlichen Frist zu erstatten.
2.2
Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, der auch im Rechtsmittelverfahren geltende
Art. 99 ZPO
solle die (Berufungs-) Beklagte vor möglicherweise uneinbringlichen Auslagen schützen, wenn die Prozessentschädigung aus den im Gesetz genannten Gründen als gefährdet erscheine. Dieser Zweck werde vereitelt, wenn die Beschwerdeführerin gezwungen werde, vor dem Entscheid über ihr Sicherstellungsgesuch eine Berufungsantwort einzureichen. Die Vorinstanz führe zutreffend aus, dass ein Sicherstellungsgesuch im erstinstanzlichen Verfahren zu einer Unterbrechung der Frist zur Einreichung der Klageantwort führe. Im Berufungsverfahren bestehe zwar eine gesetzliche Frist zur Einreichung der Berufungsantwort. Der von der Vorinstanz in diesem Zusammenhang bemühte Grundsatz der Waffengleichheit werde indessen durch das Gesetz mehrfach durchbrochen. So stünden bei einer Sistierung oder einem Fristenstillstand nach
Art. 145 ZPO
auch gesetzliche Fristen still. Die Frist für die Einreichung der Berufungsantwort könne sich zudem wegen gesetzlicher Verfahrensstillstände etwa im Fall eines Konkurses verlängern. Das Interesse der Beschwerdeführerin an der Vermeidung
BGE 141 III 554 S. 557
eventuell uneinbringlicher Kosten sei höher zu gewichten als das Interesse des Beschwerdegegners an einer Waffengleichheit. Denn der Beschwerdegegner habe die Umstände selbst zu verantworten, welche die Beschwerdeführerin zur Einreichung eines Sicherstellungsgesuchs veranlasst hätten.
2.3
In der Lehre wird die Ansicht vertreten, die Berufungsinstanz könne der Berufungsbeklagten die Frist zur Beantwortung der Berufung einstweilen wieder abnehmen, bis der Berufungskläger die Parteientschädigung sichergestellt habe, wenn - wie vorliegend - die Berufungsbeklagte ein entsprechendes Begehren gestellt habe (PETER REETZ, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 56 Vorbem. zu
Art. 308-318 ZPO
; BENEDIKT SEILER, Die Berufung nach ZPO, 2013, N. 1121). OLIVER M. KUNZ weist in seiner Kommentierung auf einen kantonalen Entscheid hin, in welchem eine Abnahme der Frist zur Einreichung der Berufungsantwort generell abgelehnt wird (OLIVER M. KUNZ, in: ZPO-Rechtsmittel, Berufung und Beschwerde, Kommentar zu den
Art. 308-327a ZPO
, Kunz/Hoffmann-Nowotny/Stauber [Hrsg.], 2013, N. 38 ff. zu
Art. 312 ZPO
).
Das Bundesgericht hat die Frage, ob die gesetzliche Frist zur Einreichung der Berufungsantwort abgenommen werden kann, in einem kürzlich ergangenen Urteil ausdrücklich offengelassen (Urteil 4A_44/2015 vom 25. Juni 2015 E. 2).
2.4
Die Rechtsmittelinstanz stellt die Berufung der Gegenpartei zur schriftlichen Stellungnahme zu (
Art. 312 Abs. 1 ZPO
). Die Frist für die Berufungsantwort beträgt 30 Tage (
Art. 312 Abs. 2 ZPO
) und läuft ab der Zustellung der Berufung an die Gegenpartei (
BGE 138 III 568
E. 3.1 S. 569). Diese gesetzliche Frist von 30 Tagen soll zwecks Wahrung der Waffengleichheit sicherstellen, dass dem Berufungsbeklagten die gleiche Dauer für die Ausarbeitung der Berufungsantwort zur Verfügung steht wie dem Berufungskläger nach
Art. 311 Abs. 1 ZPO
für dessen Berufung (GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu
Art. 312 ZPO
; GSCHWEND/BORNATICO, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu
Art. 312 ZPO
; IVO W. HUNGERBÜHLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 14 zu
Art. 312 ZPO
; KUNZ, a.a.O., N. 39 zu
Art. 312 ZPO
;
BGE 141 III 554 S. 558
SEILER, a.a.O., N. 1118; vgl. auch Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7378, Art. 320 und 321 zur Beschwerde). Der Gesetzgeber hat sich bewusst für eine solche gesetzliche (und damit nicht erstreckbare,
Art. 144 Abs. 1 ZPO
) Frist entschieden, nachdem im bundesrätlichen Entwurf der ZPO noch eine richterliche (und damit erstreckbare,
Art. 144 Abs. 2 ZPO
) Frist vorgesehen war (Art. 309 Entwurf Schweizerische Zivilprozessordnung, BBl 2006 7413 ff., 7487).
2.5
2.5.1
Art. 99 Abs. 1 ZPO
will die in den Prozess gezwungene beklagte Partei für den Fall, dass das spätere Eintreiben einer Parteientschädigung aus bestimmten Gründen (lit. a-d) schwierig erscheint, gegen das Risiko absichern, dass die ihr zugesprochene Parteientschädigung uneinbringlich ist (
BGE 141 III 155
E. 4.3 S. 157). Diese Bestimmung gilt auch im Rechtsmittelverfahren (vgl. nicht publ. E. 1.3). Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hätte die Vorinstanz trotz Vorliegens einer gesetzlichen Frist diese abnehmen und später wieder neu ansetzen sollen; der Anspruch auf Sicherheit für die Parteientschädigung nach
Art. 99 ZPO
könne nur mittels einer Durchbrechung des Grundsatzes der Waffengleichheit gewahrt werden. Es stellt sich damit die Frage, ob die in
Art. 312 Abs. 2 ZPO
vorgesehene gesetzliche Frist in einem Widerspruch zu
Art. 99 ZPO
steht, weil sie die Durchsetzung des verfahrensrechtlichen Anspruchs auf Sicherheit für die Parteientschädigung geradezu vereitelt.
2.5.2
Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass die Parteien einander bereits im erstinstanzlichen Verfahren gegenüberstehen und daher in der Regel wissen, ob ein Grund vorliegt, der sie gemäss
Art. 99 Abs. 1 lit. a-d ZPO
zum Beantragen einer Sicherheitsleistung berechtigt. Obsiegt eine Partei im erstinstanzlichen Verfahren zumindest teilweise, so muss sie grundsätzlich mit einer Berufung durch die Gegenpartei rechnen. Will sie diesfalls eine Sicherheitsleistung beantragen, so ist es ihr - um ihren Anspruch auf Sicherheit für die Parteikosten sicherzustellen - zumutbar, noch vor Ablauf der Frist zur Einreichung einer Berufung der Rechtsmittelinstanz ein Sicherstellungsgesuch einzureichen oder zumindest mitzuteilen, sie stelle im Falle einer Berufung ein Sicherstellungsgesuch. Dass der Streitwert noch nicht bekannt ist, steht dem nicht entgegen, da der Antrag auf Sicherstellung der Parteientschädigung nicht beziffert werden muss (
BGE 140 III 444
E. 3.2 S. 446 ff.). Geht
BGE 141 III 554 S. 559
bei der Rechtsmittelinstanz tatsächlich eine Berufung ein, so hat diese der Berufungsbeklagten eine kurze Frist zur Begründung ihres Gesuchs zu setzen und die Berufung der Berufungsbeklagten erst zur schriftlichen Stellungnahme zuzustellen, wenn sie das Sicherstellungsgesuch nach Anhörung des Berufungsklägers abgelehnt hat oder die angeordnete Sicherheit geleistet wurde. Es ergibt sich bereits aus
Art. 101 Abs. 2 ZPO
, dass das Gericht zwar vorsorgliche Massnahmen schon vor Leistung der Sicherheit anordnen kann, das Verfahren im Übrigen aber e contrario bis zur Leistung der Sicherheit zu ruhen hat (
BGE 140 III 159
E. 4.2.3 S. 165). Auch zwischen Einreichung des Gesuchs und Entscheid über die allfällige Leistung einer Sicherheit ist es sinnvoll, vorläufig keine weiteren Parteikosten entstehen zu lassen, welche durch eine Sicherheitsleistung gerade gesichert werden sollen. Zu diesem Zweck hat die Rechtsmittelinstanz mithin die (fristauslösende) Zustellung der Berufung einstweilen aufzuschieben (vgl. dazu im Zusammenhang mit der Klageantwort
BGE 140 III 159
E. 4.2 S. 162 ff.).
2.5.3
Auf die dargelegte Weise können die mit
Art. 312 Abs. 2 ZPO
und mit
Art. 99 Abs. 1 ZPO
verfolgten Ziele in Einklang gebracht werden: Die Berufungsbeklagte erhält die Gelegenheit, ihre Parteikosten sicherzustellen, bevor diese anfallen, und hat gleichzeitig ab Zugang der Berufung eine Frist von 30 Tagen zur Ausarbeitung ihrer Eingabe (wie der Berufungskläger für die Ausarbeitung der Berufung), womit die Waffengleichheit gewahrt ist. Dem Anspruch einer Berufungsbeklagten nach
Art. 99 ZPO
kann mithin auch unter Beachtung der nicht erstreckbaren, fixen Frist von 30 Tagen ab Kenntnis der Berufungsschrift für das Verfassen ihrer Eingabe zum Durchbruch verholfen werden. Damit bleibt für eine Fristabnahme, die eine Durchbrechung des Grundsatzes der Waffengleichheit darstellen und das Verbot der Erstreckung gesetzlicher Fristen nach
Art. 144 Abs. 1 ZPO
unterlaufen würde, kein Raum. Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, indem sie den Antrag der Beschwerdeführerin auf Abnahme der (gesetzlichen) Frist zur Einreichung der Berufungsantwort abgewiesen hat. | null | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
66b0fc93-3038-45e9-adae-d14977ef56a2 | Urteilskopf
137 III 421
62. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre dame A. (recours en matière civile)
5A_203/2011 du 5 septembre 2011 | Regeste
Art. 91 BGG
; aArt. 116 ZGB.
Der Entscheid, der die Scheidung der Ehegatten ausspricht und selbstständig eröffnet worden ist, bildet einen Teilentscheid, der vor Bundesgericht sofort angefochten werden kann und muss (E. 1.1).
Der bisherige
Art. 116 ZGB
ist sinngemäss anwendbar, wenn sich der beklagte Ehegatte während eines in der Schweiz hängigen Scheidungsverfahrens ausdrücklich auf ein inhaltsgleiches Verfahren beruft, das er seinerseits im Ausland eingeleitet hat. Die in den Art. 111 f. ZGB vorgesehenen Verfahrensvorschriften sind sinngemäss anwendbar und können fallbezogen angepasst werden (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 421
BGE 137 III 421 S. 421
A.
A.a
Dame A., née en 1965, ressortissante de l'Irlande du Nord, et A., né en 1967, de nationalité écossaise, se sont mariés le 27 décembre 1994 à Belfast (Irlande du Nord).
Aucun enfant n'est issu de cette union.
Les parties se sont domiciliées à X. (Genève) et ont acquis un chalet à Y. (Vaud).
A.b
Au mois de septembre 2006, A. a quitté le domicile conjugal, sans fournir aucune explication claire sur les raisons de son départ, ni à son annonce, ni ultérieurement.
BGE 137 III 421 S. 422
B.
B.a
Par requête en conciliation du 25 juillet 2007 déposée devant le Juge de paix du district d'Aigle, dame A. a ouvert action en divorce. Un acte de non-conciliation a été délivré.
B.b
Le 3 décembre 2007, l'épouse a formé une demande unilatérale en divorce devant le Tribunal civil de l'arrondissement de l'Est vaudois (ci-après: le tribunal d'arrondissement), concluant à son prononcé (I), au partage des avoirs de prévoyance professionnelle (II) ainsi qu'à la dissolution et à la liquidation du régime matrimonial (III).
Par citation du 18 décembre 2007, A. a ouvert action en divorce en Angleterre (recte: Ecosse), concluant au prononcé du divorce.
Le 26 février 2009, le tribunal d'arrondissement a, notamment, prononcé le divorce des époux A. (I) et renvoyé le règlement des effets du divorce à une procédure ultérieure (II).
Statuant le 22 février 2011 sur le recours de A., la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois l'a rejeté, puis confirmé le jugement attaqué.
C.
Le 22 mars 2011, A. exerce un recours en matière civile devant le Tribunal fédéral. Il conclut à la réforme de l'arrêt attaqué en ce sens que l'action en divorce introduite par dame A. est rejetée, ainsi que toute autre conclusion.
Des observations n'ont pas été sollicitées.
Par arrêt du 5 septembre 2009, le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
1.1
La décision querellée confirme une décision prononçant le divorce des parties et statue ainsi définitivement sur un chef de conclusions pris par l'intimée. Il s'agit donc d'une décision partielle (
art. 91 let. a LTF
), qui peut et doit faire l'objet d'un recours immédiat au Tribunal fédéral (arrêt 5A_682/2007 du 15 février 2008 consid. 1.1).
(...)
5.
5.1
Le divorce sur demande unilatérale est régi par les
art. 114 CC
(délai d'attente de deux ans) et 115 CC (justes motifs). L'ancien
art. 116 CC
- disposition abrogée le 1
er
janvier 2011 par l'
art. 292 al. 1
BGE 137 III 421 S. 423
CPC
- prévoit que les dispositions relatives au divorce sur requête commune sont toutefois applicables par analogie lorsque l'époux défendeur consent expressément au divorce ou dépose une demande reconventionnelle. La volonté de divorcer doit être exprimée dans la procédure en cours et être adressée au tribunal (arrêt 5A_523/2007 du 10 avril 2008 consid. 5.1, in FamPra.ch 2008 p. 897 et les références).
L'ancien
art. 116 CC
a été appliqué par analogie lorsque, au cours d'une procédure de divorce pendante en Suisse, l'époux défendeur se réfère expressément à une procédure identique ouverte à l'étranger, démontrant ainsi sa volonté de dissoudre le mariage et, par voie de conséquence, son accord à la demande de divorce introduite en Suisse (arrêt 5A_523/2007 précité consid. 5.2).
5.2
Lorsque les conditions de l'ancien
art. 116 CC
sont réalisées, le juge applique la disposition d'office, sans qu'une requête spéciale des parties ne soit nécessaire (DANIEL STECK, in Basler Kommentar, ZGB, vol. I, 3
e
éd. 2006, n° 10 ad ancien
art. 116 CC
; SUZETTE SANDOZ, in Commentaire romand, Code civil, vol. I, 2010, n° 15 ad ancien
art. 116 CC
). Le renvoi à l'application analogique des dispositions relatives au divorce sur requête commune concerne en particulier les prescriptions de procédure des art. 111 al. 1 et 2 et 112 al. 2 CC, à savoir l'audition commune et séparée des époux (arrêt 5C.2/2001 du 20 septembre 2001 consid. 5a, in SJ 2002 I 17 et les références), le délai de réflexion de deux mois et l'obligation de confirmer par écrit la volonté de divorcer n'étant plus exigés à compter du 1
er
février 2010 (RO 2010 281 s.).
L'application par analogie permet néanmoins d'adapter lesdites prescriptions de forme à la nature particulière de la situation envisagée: leur strict respect n'est dès lors pas exigé, l'essentiel étant que le juge soit convaincu du sérieux de la décision des conjoints ainsi que de leur libre arbitre (arrêt 5C.2/2001 précité consid. 5b, in SJ 2002 I 17 et la référence citée). La nécessité d'entendre ceux-ci peut ainsi être laissée au pouvoir d'appréciation du juge (arrêt 5C.2/2001 précité consid. 5b; RUTH REUSSER, Die Scheidungsgründe und die Ehetrennung, Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, Heinz Hausheer[éd.],1999, n. 1.98; ALEXANDRA RUMO-JUNGO, Die Scheidung auf Klage, PJA 1999 p. 1530, 1539; VERENA BRÄM, Scheidung auf gemeinsames Begehren, die Wechsel der Verfahren [Art. 111-113, 116 ZGB]und die Anfechtung der Scheidung auf gemeinsames Begehren [art. 149
BGE 137 III 421 S. 424
ZGB], PJA 1999 p. 1511, 1519; contra: SANDOZ, op. cit., n
os
16 s. ad ancien
art. 116 CC
; ROLAND FANKHAUSER, in Scheidung, FamKomm, 2005, n° 21 ad ancien
art. 116 CC
).
5.3
En l'espèce, le recourant a introduit parallèlement, le 18 décembre 2007, une demande de divorce en Ecosse. Par sa requête incidente du 8 février 2008, formée devant le Président du tribunal d'arrondissement vaudois, il a explicitement indiqué avoir déposé ladite demande, exprimant ainsi clairement son intention d'obtenir la dissolution de son union et, par conséquent, son accord sur le principe du divorce; il a lui-même produit la citation adressée sur sol anglais (recte: écossais), confirmant sans aucune ambiguïté sa volonté de divorcer. Les parties ont en outre été entendues en personne à plusieurs reprises en première instance (notamment lors d'audiences tenues les 23 septembre 2008 et 9 décembre 2008). Vu les circonstances, il ne se justifiait pas de procéder à une nouvelle audition des époux sur la question du principe du divorce, des éléments suffisants permettant de conclure qu'il ne subsistait aucun doute quant à leur volonté commune de divorcer, librement exprimée. C'est donc à juste titre que le tribunal d'arrondissement a prononcé le divorce, la question des effets accessoires devant être réglée ultérieurement. | null | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
66b11b3e-1ff3-40e1-a9bc-5c67e9bb95c4 | Urteilskopf
104 V 191
47. Auszug aus dem Urteil vom 28. Dezember 1978 i.S. Mertens gegen Ausgleichskasse des Kantons Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Beginn des Rentenanspruchs (
Art. 29 Abs. 1 IVG
).
Die Wartezeit nach Variante II kann schon zu laufen beginnen, während der Versicherte noch Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezieht. | Erwägungen
ab Seite 191
BGE 104 V 191 S. 191
Aus den Erwägungen:
a) Streitig ist die Frage des Rentenbeginns. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers gingen die Verwaltung und die Vorinstanz zu Recht davon aus, dass vorliegend die Variante II zur Anwendung kommt: Das Leiden des Beschwerdeführers hatte in keinem Zeitpunkt die für die Anwendung der Variante I erforderliche Stabilität erreicht. So beschrieb Dr. K., der den Beschwerdeführer vom 21. Oktober 1975 bis 7. April 1976 beobachtete, den Krankheitszustand als unverändert bis leicht progredient. Dr. M., bei dem der Beschwerdeführer vorher während mehrerer Jahre in Behandlung war, bescheinigte ein starkes Fortschreiten des Leidens, das er auf Grund einer am 16. September 1976 erfolgten Untersuchung als sich weiterhin verschlechternd betrachtete. Der Beschwerdeführer kann somit eine Rente erst beanspruchen, wenn er während 360 Tagen durchschnittlich zur Hälfte arbeitsunfähig war.
Zur Frage, welcher minimale Grad für die Eröffnung der Wartezeit erforderlich ist, hat das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, dass jedenfalls ein Behinderungsgrad von 25% bereits als erheblich zu betrachten ist (
BGE 96 V 34
ff., insbesondere 40).
b) Die Vorinstanz hat den Rentenbeginn nicht auf Grund der erwähnten Durchschnittsberechnung ermittelt, weil sie der Auffassung war, dass die 360tägige Frist nicht zu laufen beginne, solange ein Versicherter Taggelder der Arbeitslosenversicherung
BGE 104 V 191 S. 192
beziehe; Personen, die ein Taggeld beziehen, hätten als vermittlungsfähig und somit auch als arbeitsfähig zu gelten. Diese Überlegung stützt sich auf die verwaltungsinterne Weisung des Bundesamtes für Sozialversicherung, wonach die Gewährung einer Rente während und auch nach dem Bezug von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen sein soll (Kreisschreiben vom 30. Mai 1975 betr. Eingliederungsmassnahmen und Rentenanspruch bei Invaliden, die zufolge Änderung in der Wirtschaftslage ihren Arbeitsplatz verloren haben). Diese Weisung wurde inzwischen vom Bundesamt relativiert. So könne ein Versicherter, der ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung beziehe, kumulativ Anspruch auf eine halbe Rente haben. Auch könne es vorkommen, dass sich der Gesundheitszustand eines Taggeldberechtigten in einer Weise verschlechtere, dass er von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr als vermittlungsfähig betrachtet werden könne, so dass auch nach der Ausrichtung von Arbeitslosengeld ein Rentenanspruch möglich sei. Grundsätzlich werde aber an der im erwähnten Kreisschreiben genannten Regelung festgehalten (ZAK 1976 S. 487).
c) In
Art. 16 AlVV
werden die Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung von Invaliden in der Arbeitslosenversicherung genannt. So wird festgehalten, dass Bezüger einer ganzen Invalidenrente und Behinderte, die eine Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte ausüben können, nicht als vermittlungsfähig gelten (Abs. 5). Ist einem Versicherten noch eine Halbtagsarbeit zuzumuten, so darf ihm nur eine halbe Invalidenrente zugesprochen werden. Für den restlichen, wirtschaftlich und nicht gesundheitlich bedingten Erwerbsausfall muss er an die Arbeitslosenversicherung gelangen, gilt er doch in der Regel für eine Halbtagsarbeit als vermittlungsfähig (vgl. Abs. 3). Insoweit können korrespondierende Schlüsse aus der Anspruchsberechtigung der Arbeitslosenversicherung und der Invalidenversicherung gezogen werden. Weitergehende Folgerungen aus den Bestimmungen über das Verhältnis der einen Versicherung zur andern zu ziehen, erscheint indessen problematisch. Jedenfalls trifft es nicht zu, dass die Wartezeit der Variante II in der Invalidenversicherung erst ab Einstellung der Taggelder eröffnet wird. Da die Wartezeit auch in Fällen laufen kann, in denen der betreffende Versicherte
BGE 104 V 191 S. 193
keine Erwerbseinbusse erleidet oder keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (
BGE 97 V 231
, 102 V 167 ff.), kann sie auch in einem Zeitpunkt eröffnet werden, in dem der Versicherte noch Arbeitslosenentschädigung erhält. Da in der Invalidenversicherung während der Wartezeit nach der Variante II von
Art. 29 Abs. 1 IVG
lediglich eine durchschnittlich hälftige Arbeitsunfähigkeit verlangt wird, kann ein Versicherter im Zeitraum von 360 Tagen durchaus noch zeitweise vermittlungsfähig im Sinne des Arbeitslosenversicherungsrechts sein. | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
66baf158-585a-4101-a29d-ebddc30bbd21 | Urteilskopf
101 III 65
13. Extrait d'une lettre à l'autorité de surveillance du canton de Genève (13 juin 1975) | Regeste
Arrestvollzug (
Art. 275 SchKG
).
Anzeige von Arrestbefehlen an Banken per Fernschreiber.
Das Betreibungsamt des Kantons Genf hat bei der kantonalen Aufsichtsbehörde um die Bewilligung nachgesucht, Banken von Arrestbefehlen per Fernschreiber in Kenntnis zu setzen. Die Aufsichtsbehörde hat in der Folge das Bundesgericht um Stellungnahme ersucht (
Art. 15 SchKG
). | Erwägungen
ab Seite 65
BGE 101 III 65 S. 65
Réponse à l'autorité de surveillance du canton de Genève
Par lettre du 13 juin 1975, la chambre des poursuites et des faillites a répondu ce qui suit:
BGE 101 III 65 S. 66
1.- En vous donnant les renseignements demandés, nous ne résolvons pas théoriquement, à l'avance, un cas litigieux concret, mais nous examinons un problème d'interprétation qui pose une question de principe d'intérêt général. Il y a donc un motif suffisant d'accéder à votre requête (cf. RO 99 III 62 et les arrêts cités).
2.-
Aux termes de l'art. 275 LP, l'exécution du séquestre a lieu suivant les formes prescrites pour la saisie aux
art. 91 à 109
. Parmi ces dispositions, se trouve l'art. 99 LP, selon lequel lorsque la saisie porte sur une créance, le préposé prévient le tiers débiteur que désormais il ne pourra plus s'acquitter qu'en main de l'office. Les communications des offices se font par écrit; elles sont effectuées par lettre recommandée ou par remise directe contre reçu, à moins que la loi n'en dispose autrement (art. 34 LP).
3.-
Lorsque la loi exige la forme écrite pour un contrat, celui-ci doit être signé par toutes les personnes auxquelles il impose des obligations (art. 13 CO). Cette disposition ne vaut pas seulement pour les contrats proprement dits, mais aussi pour toutes les autres déclarations de volonté de droit privé; elle énonce un principe juridique de valeur générale, qui est appliqué notamment aussi en droit public, par exemple en droit de procédure (RO 81 IV 143, 86 III 3 et en droit administratif (GRISEL, Droit administratif suisse, p. 194; GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, p. 386).
4.-
Les communications faites par télex sont conservées sous forme écrite chez l'auteur et chez le destinataire. En revanche, il n'est pas possible de communiquer au destinataire également la signature de l'expéditeur. Le législateur a tenu compte de cette circonstance dans le cas des communications télégraphiques (art. 13 al. 2 CO): un télégramme équivaut à la forme écrite quand l'expéditeur signe l'original du télégramme, qui est conservé au bureau des télégraphes. BECKER (n. 6 ad
art. 13 15
CO) et SCHÖNENBERGER/JÄGGI (n. 72 ad art. 13 CO) estiment que, dans les relations par télex, il n'est pas possible de satisfaire aux exigences de la forme écrite, du fait qu'il n'y a pas d'original susceptible d'être signé. Cela ne nous paraît pas déterminant. Dans les relations par télex également, l'auteur d'une communication peut fort bien signer le texte qui demeure chez lui et prouver de diverses manières
BGE 101 III 65 S. 67
qu'il l'a signé et quand il l'a fait. La question n'a cependant pas à être tranchée de façon définitive: la forme écrite n'a pas, on le verra, une importance décisive.
5.-
L'art. 34 LP n'est pas de droit impératif, mais il pose une simple prescription d'ordre. Une communication de l'office des poursuites est valable même si elle n'est pas faite par écrit, mais l'office doit alors prouver qu'elle est parvenue au destinataire (RO 35 I 857 jurisprudence constamment confirmée depuis: cf., par exemple, RO 50 III 183/184 et 54 III 248). La question de savoir si cette preuve a été apportée est un point de fait qui est tranché définitivement par l'autorité de surveillance cantonale et échappe dès lors au contrôle du Tribunal fédéral (art. 81 OJ, en relation avec l'art. 43 OJ). C'est pourquoi il ne nous appartient pas de vous donner des instructions. Cela dit, les documents présentés par vous et les renseignements complémentaires sur le fonctionnement des relations par télex nous paraissent offrir une garantie suffisante quant à l'administration de la preuve. On peut même se demander si une communication par télex confirmée par le destinataire ne pourrait pas valoir comme une communication faite par remise directe contre reçu, au sens de l'art. 34 LP.
6.-
Il convient de relever que la validité d'une saisie - et partant aussi de l'exécution d'un séquestre - ne dépend pas de ce que le préposé a réellement prévenu le tiers débiteur comme le prescrit l'art. 99 LP; cet avis constitue seulement une mesure de sauvegarde pour la créance sur laquelle porte une saisie ou un séquestre (RO 94 III 80/81). Mais le préposé qui omet de donner l'avis s'expose évidemment à être tenu pour responsable en cas de dommage résultant de cette omission. A ce point de vue, il a un intérêt essentiel à pouvoir établir l'existence de la communication et sa date.
Sur la base de ces considérations, nous pouvons vous dire que, en ce qui concerne le droit fédéral, on ne peut avoir d'objection contre le procédé que l'Office des poursuites de Genève envisage d'utiliser. | null | nan | fr | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
66bea456-2fe2-44c3-a221-8d557155aff9 | Urteilskopf
97 II 97
16. Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Juni 1971 i.S. Metzler gegen Philanthropische Gesellschaft Union und Mitbeteiligte. | Regeste
Verletzung in den persönlichen Verhältnissen (
Art. 28 ZGB
).
1. Legitimation einer juristischen Person zur Klage wegen Verletzung ihrer Privatsphäre (Erw. 2).
2. Die Zugehörigkeit zu einem Verein privaten Charakters, dessen Zweck sich auf die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen beschränkt und der deshalb in der Öffentlichkeit nicht hervortritt, gehört zur Privatsphäre der Mitglieder. Die Zusammensetzung der Mitgliedschaft eines solchen Vereins gehört aber auch zur Privatsphäre des Vereins selbst (Erw. 3).
3. Unbefugte Verletzung der Privatsphäre der Mitglieder und des Vereins durch Veröffentlichung des Mitgliederverzeichnisses (Erw. 4).
4. Beseitigungs- und Unterlassungsklage der Verletzten (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 98
BGE 97 II 97 S. 98
A.-
Die Philanthropische Gesellschaft Union ist ein Verein im Sinne von
Art. 60 ff. ZGB
und verfolgt nach Art. 1 ihrer Statuten folgende Zwecke:
"a) Das Streben nach dem Wahren und Guten; b) Die moralische Förderung ihrer Mitglieder; c) Die Pflege der Freundschaft; d) Die gegenseitige Unterstützung durch Schaffung von Hilfs- und Wohltätigkeitswerken."
Heinrich Metzler betreibt in St. Gallen einen Adressenverlag. Er bietet eine Reihe von "Spezial-Adress-Verzeichnissen" zum Kauf an, so z.B. Adressverzeichnisse der Mitglieder der Freimaurer- und Odd-Fellows-Logen sowie des Ambassador- und des Lions-Clubs der Schweiz. Zu den von ihm vertriebenen Adressverzeichnissen gehört auch ein solches der Mitglieder der Philanthropischen Gesellschaft Union, das er unter der Bezeichnung "UNION-Logen der Schweiz, Adressverzeichnis ganze Schweiz /4000 Adressen (Photok.)" zum Preise von Fr. 304.20 verkauft; ein allein die Stadt Zürich betreffendes Adressverzeichnis bietet er zum Preise von Fr. 14.40 an.
Mit Schreiben vom 5. Juni 1961 machte die Zentralverwaltung der Philanthropischen Gesellschaft Union H. Metzler darauf aufmerksam, dass das nur an Mitglieder abgegebene Adressbuch ausschliesslich Eigentum ihrer Gesellschaft und dessen Nachdruck strengstens verboten sei. Sie teilte ihm mit, dass sie sich mit einer Veröffentlichung der Adressen ihrer Mitglieder auf keinen Fall einverstanden erklären könnte. Am 4. Oktober 1962 gelangte sie nochmals in gleichem Sinne an H. Metzler und drohte ihm, die Angelegenheit im Falle der Nichtbeachtung ihres Schreibens ihrem Rechtsvertreter zu übergeben. Am 26. August 1963 schliesslich schrieb Fürsprecher Dr. H. Gutknecht in Bern H. Metzler folgenden Brief:
"Seit Jahren preisen Sie in Zirkularen die Mitgliederverzeichnisse verschiedener Logen, des Rotary- und anderer Clubs und der Philanthropischen Gesellschaft UNION zum Verkauf an.
Mit eingeschriebenen Briefen vom 5. Juni 1961 und 4. Oktober 1962 hat Ihnen die Zentralverwaltung der Philanthropischen Gesellschaft UNION mitgeteilt, dass es sich bei dieser Gesellschaft um keine Loge handelt, und gleichzeitig sind Sie gebeten worden, diese Gesellschaft bei Ihren Werbeaktionen aus dem Spiel zu lassen. Es ist Ihnen auch bekannt, dass der Nachdruck - und damit auch das Photokopieren - des Mitgliederverzeichnisses untersagt ist, da es sich ausschliesslich um ein gesellschaftsinternes Dokument handelt.
Die beiden vorerwähnten Schreiben haben Sie nie beantwortet,
BGE 97 II 97 S. 99
und ebensowenig haben Sie dem Ansuchen der Zentralverwaltung der Philanthropischen Gesellschaft UNION entsprochen. In einem neuen - allerdings undatierten - Zirkular, das aber offensichtlich in letzter Zeit versandt worden ist, werben Sie neuerdings für das Mitgliederverzeichnis dieser Gesellschaft.
Namens der Philanthropischen Gesellschaft UNION erlaube ich mir, Sie wiederholt darauf aufmerksam zu machen, dass die Verbreitung des Mitgliederverzeichnisses durch Ihre Presseagentur nicht gestattet wird. Ich bitte Sie aus diesem Grunde, die Philanthropische Gesellschaft UNION in Zukunft nicht mehr zu erwähnen, damit weitere Schritte unterbleiben können."
B.-
Im Mai 1968 reichten die Philanthropische Gesellschaft Union und drei ihrer Mitglieder beim Bezirksgericht St. Gallen gegen H. Metzler eine Klage mit folgenden Begehren ein:
"1. Es sei festzustellen, dass der Vertrieb des Adressbuches (Mitgliederverzeichnis) der Klägerin Nr. 1 durch den Beklagten die Persönlichkeitsrechte der Kläger verletzt.
2. Der Beklagte sei zu verpflichten, die bei ihm vorhandenen Original- und vervielfältigten Exemplare des Adressbuches (Mitgliederverzeichnis) der Klägerin Nr. 1 sowie die Listen (Spezialadressverzeichnisse), mit welchen für den Vertrieb des Adressbuches (Mitgliederverzeichnis) der Klägerin Nr. 1 geworben wird, an die Kläger herauszugeben.
3. Dem Beklagten sei zu verbieten, inskünftig das Adressbuch (Mitgliederverzeichnis) der Klägerin Nr. 1 auszugsweise oder durch vollständige Wiedergabe zu vertreiben."
Mit Urteil vom 2. Oktober 1969 schützte das Bezirksgericht St. Gallen die Klagebegehren Ziff. 2 und 3, wogegen es dem Feststellungsbegehren gemäss Ziff. 1 der Klage keine selbständige Bedeutung zuerkannte und sich im Dispositiv dazu nicht aussprach.
Am 7. September 1970 hat das Kantonsgericht St. Gallen die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil abgewiesen.
C.-
Gegen den Entscheid des Kantonsgerichtes hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Kläger beantragen die Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
... (Prozessuale Fragen).
2.
Die Vorinstanz hat die Aktivlegitimation der Philanthropischen Gesellschaft Union bejaht. Da es sich dabei um
BGE 97 II 97 S. 100
eine Rechtsfrage handelt, ist die Klagelegitimation dieser Gesellschaft vom Bundesgericht von Amtes wegen zu prüfen (
BGE 83 II 508
; vgl. auch
BGE 95 II 252
Erw. 3, 610 Erw. 2).
Das Bundesgericht hat in
BGE 95 II 488
Erw. 4 eingehend dargelegt, dass der allgemeine Persönlichkeitsschutz grundsätzlich auch den juristischen Personen zusteht (vgl. auch
BGE 96 IV 148
, wonach die juristischen Personen den strafrechtlichen Ehrenschutz beanspruchen können). Das Persönlichkeitsrecht der juristischen Person findet gemäss
Art. 53 ZGB
allerdings dort seine Grenze, wo die darin enthaltenen Ansprüche Eigenschaften voraussetzen, die ihrem Wesen nach nur den natürlichen Personen zukommen. Das trifft für den Anspruch auf Schutz der Privatsphäre, um den es hier geht, aber nicht zu. Juristische Personen können nach der herrschenden Auffassung ähnlich wie die natürlichen Personen eine Geheim- oder Privatsphäre haben (
BGE 64 II 169
Erw. 6; EGGER, 2. Aufl. 1930, N. 12 zu
Art. 53 ZGB
; H. MAURER, Das Persönlichkeitsrecht der juristischen Person bei Konzern und Kartell, Zürcher Diss. 1953, S. 58; Chr. RIESEN, Die Persönlichkeitsrechte der juristischen Personen, Basler Diss. 1955, S. 148 ff., mit Hinweisen; JÄGGI, Fragen des privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, ZSR 1960 II S. 133a ff., 217a; R. BÄR, Persönlichkeitsschutz der juristischen Person, ZBJV 1967 S. 100 ff., bes. S. 103 Anm. 4). Die Vorinstanzen haben daher die Klagelegitimation der Erstklägerin zu Recht bejaht und geprüft, ob der Beklagte deren Persönlichkeitsrecht verletzt habe.
3.
Ob eine unbefugte Verletzung der Kläger in ihren persönlichen Verhältnissen vorliege, hängt zunächst davon ab, ob die Mitgliedschaft bei einem Verein wie der Philanthropischen Gesellschaft Union überhaupt zu dem durch
Art. 28 ZGB
geschützten Bereich der Privatsphäre gehört.
Im neueren Schrifttum werden im Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsschutz drei verschiedene Teilgebiete des menschlichen Lebensbereichs unterschieden, nämlich der Geheim-, der Privat- und der Gemeinbereich, oder auf französisch: la vie intime, la vie privée und la vie publique (JÄGGI, a.a.O. S. 226a ff.; GROSSEN, Das Recht der Einzelpersonen, in: Schweizerisches Privatrecht Bd. II, 1967, S. 285 ff., 369; H. HUBMANN, Das Persönlichkeitsrecht, 1953, S. 228 ff.; K. E. HOTZ, Zum Problem der Abgrenzung des Persönlichkeitsschutzes nach
Art. 28 ZGB
, Zürcher Diss. 1967, S. 69 ff.). Die Geheim- oder Intimsphäre
BGE 97 II 97 S. 101
umfasst darnach Tatsachen und Lebensvorgänge, die der Kenntnis aller andern Leute entzogen sein sollen, mit Ausnahme jener Personen, denen diese Tatsachen besonders anvertraut wurden. Zur Privatsphäre gehört der übrige Bereich des Privatlebens; es sind ihr also alle jene Lebensäusserungen zuzurechnen, die der einzelne mit einem begrenzten, ihm relativ nahe verbundenen Personenkreis teilen will, so mit Angehörigen, Freunden und Bekannten, jedoch nur mit diesen. Was sich in diesem Kreis abspielt, ist zwar nicht geheim, da es von einer grösseren Anzahl von Personen wahrgenommen werden kann. Im Unterschied zum Geheimbereich handelt es sich jedoch um Lebenserscheinungen, die nicht dazu bestimmt sind, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden, weil die betreffende Person für sich bleiben und in keiner Weise öffentlich bekannt werden will.
Diese Unterscheidung verschiedener Lebenskreise ist zweckmässig, da sie die Abgrenzung des rechtlich geschützten Bereiches der Persönlichkeit erlaubt: Die Privatsphäre gehört zusammen mit der Geheimsphäre zum rechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich. Währenddem die in den Gemein- oder Öffentlichkeitsbereich fallenden Tatsachen von jedermann nicht nur ohne weiteres wahrgenommen, sondern grundsätzlich auch weiterverbreitet werden dürfen, geniessen die zur Privatsphäre gehörenden Tatsachen mindestens den Schutz vor öffentlicher Bekanntmachung; sie dürfen nur im engeren Lebenskreise des Privatbereichs Drittpersonen zur Kenntnis gebracht werden, dies im Unterschied zu den in die Geheimsphäre fallenden Lebensäusserungen, die überhaupt nicht weiterverbreitet werden dürfen (JÄGGI, S. 227a; HOTZ, S. 71 und 77; HUBMANN, S. 236).
Die Mitgliedschaft bei einem Verein privaten Charakters, dessen Zweck sich auf die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen beschränkt und der demgemäss in der Öffentlichkeit nicht besonders hervortritt, gehört nach dieser Unterscheidung zur Privatsphäre der einzelnen Mitglieder. Nur ihnen selber und allenfalls noch den ihnen nahe stehenden Personen soll es grundsätzlich vorbehalten sein, zu wissen, dass und mit wem zusammen sie einer solchen Personenvereinigung angehören. Einer weiteren Öffentlichkeit bekannt und daher dem Gemeinbereich zugehörig ist höchstens die Tatsache, dass ein entsprechender Verein überhaupt existiert. Die Einzelheiten des Vereinslebens und insbesondere die Zusammensetzung der Mitgliedschaft
BGE 97 II 97 S. 102
hingegen haben privaten Charakter; sie sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Der Beklagte wendet allerdings ein, nach den heute vorherrschenden Anschauungen gehöre die Vereinszugehörigkeit einer Person nicht zum rechtlich geschützten Privatleben und dürfe deshalb öffentlich bekannt gemacht werden, wie dies denn auch in den verschiedensten Formen häufig geschehe. Aus der Häufigkeit von Übergriffen in die Privatsphäre darf jedoch nicht leichthin auf eine Wandlung in der Verkehrsauffassung geschlossen und der Bereich der Privatsphäre dementsprechend eingeschränkt werden. Aufgabe des Rechts ist es vielmehr, die Freiheit der Person in der Gestaltung und Bewahrung ihres Privatlebens vor allen unberechtigten Einmischungen zu schützen, und zwar besonders dann, wenn der Respekt vor dem Privatleben immer schwächer zu werden droht. Der Umstand, dass Verletzungen der Privatsphäre von den Betroffenen häufig hingenommen werden und eher selten gerichtlich dagegen vorgegangen wird, ist wohl in den meisten Fällen auf andere Ursachen zurückzuführen als auf das stillschweigende Einverständnis des Verletzten (so z.B. auf Unkenntnis der Abwehrmöglichkeiten oder auf Scheu vor den Kosten und Umtrieben eines Gerichtsverfahrens). Wenn der Beklagte schliesslich geltend macht, die blosse Verbreitung von Adressen sei keine Verletzungshandlung, weil damit keinerlei rechtswidrige Nebenabsichten verfolgt würden wie z.B. die Herabsetzung in den Augen der Mitbürger, übersieht er, dass die Privatsphäre schon allein durch die Bekanntgabe einer ihr angehörenden Tatsache verletzt wird, ohne dass es zusätzlich noch einer andern Voraussetzung bedürfte; sie stellt, was oft übersehen wird, ein Rechtsgut eigener Art dar, das nicht mit der persönlichen Ehre verwechselt werden darf (GROSSEN, La protection de la personnalité en droit privé suisse, ZSR 1960 II S. 1a ff., 84 a).
Die Philanthropische Gesellschaft Union ist nach der Zweckumschreibung in Art. 1 der Statuten eindeutig ein Verein privaten Charakters; nichts deutet darauf hin, dass sie sich entgegen ihrem statutarischen Zweck öffentlich betätigen würde. Die Vorinstanz hat daher zu Recht angenommen, die Mitgliedschaft bei dieser Gesellschaft falle in den durch
Art. 28 ZGB
geschützten Persönlichkeitsbereich der einzelnen Mitglieder. Fragen kann sich nur, ob die Zusammensetzung der Mitgliedschaft auch zur Privatsphäre des Vereins selber gehört, was der Beklagte ausdrücklich bestreitet.
BGE 97 II 97 S. 103
In der Regel werden sich die Privat- und die Geheimsphäre einer juristischen Person und jene ihrer Mitglieder nicht decken, da eine Tatsache entweder dem Tätigkeits- und Interessenbereich der Körperschaft oder dann dem Lebenskreis des einzelnen Mitglieds zuzurechnen sein wird, nicht aber gleichzeitig diesen beiden Bereichen (RIESEN, S. 151; BÄR, S. 102). Es wäre in der Tat wenig sinnvoll, die Geheim- und die Privatsphäre juristischer Personen so stark auszudehnen, dass sie sich auf weite Strecken mit jenen ihrer Mitglieder decken. Anders verhält es sich jedoch bezüglich der Frage, wie sich die Mitgliedschaft eines Vereins zusammensetzt, dessen Zweck sich in der Pflege der zwischenmenschlichen Beziehungen der Mitglieder erschöpft. Ein solcher Verein hat ein eigenes Interesse daran, dass die Zusammensetzung seiner Mitgliedschaft nicht beliebig öffentlich bekannt gemacht wird; denn zur Verfolgung des statutarischen Zweckes gehört auch die Wahrung des privaten Charakters des Vereinslebens und im Zusammenhang damit der Anonymität der Mitglieder. Die Philanthropische Gesellschaft Union hat somit grundsätzlich einen eigenen Anspruch darauf, dass ihre Mitgliederverzeichnisse nicht veröffentlicht werden.
4.
Gehört die Mitgliedschaft bei der Philanthropischen Gesellschaft Union zu der durch
Art. 28 ZGB
grundsätzlich geschützten Privatsphäre der einzelnen Mitglieder und hat die Gesellschaft selbst ein eigenes Interesse an der Anonymität ihrer Mitglieder, das grundsätzlich ebenfalls den Schutz von
Art. 28 ZGB
geniesst, so können sich die Kläger nach Massgabe dieser Bestimmung gegen die Veröffentlichung der Mitgliederliste der Gesellschaft durch den Beklagten wehren, wenn ihre Privatsphäre durch diese Veröffentlichung "unbefugterweise" verletzt wird. Unbefugt bedeutet hier nach herrschender Rechtsprechung und Lehre nichts anderes als widerrechtlich im Sinne von
Art. 41 OR
(
BGE 95 II 491
Erw. 6 mit Hinweisen). Die Abgrenzung des widerrechtlichen Verhaltens von jenem, das die Rechtsordnung zulässt, ist besonders auf dem Gebiete des Persönlichkeitsschutzes nicht immer einfach und fordert häufig eine Abwägung widerstreitender Interessen (vgl. darüber allgemein: GROSSEN, Schweiz. Privatrecht II S. 359 und ZSR 1960 II S. 24 a ff. und 84 a ff.; JÄGGI, ZSR 1960 I.I S. 208 a ff. und 242 a ff.; HOTZ, S. 49 ff. und 80 ff.). Da die vom Beklagten veröffentlichten Angaben zu der gegen Veröffentlichungen grundsätzlich geschützten Privatsphäre der Kläger gehören, ist
BGE 97 II 97 S. 104
die Veröffentlichung widerrechtlich, wenn sich der Beklagte nicht auf ein dem Geheimhaltungsinteresse der Kläger entgegenstehendes, höher zu bewertendes Interesse an der Veröffentlichung oder auf einen andern Rechtfertigungsgrund zu berufen vermag.
a) Der Beklagte macht zur Rechtfertigung seines Verhaltens vor allem geltend, die Philanthropische Gesellschaft Union habe im Jahre 1934 durch Beschluss ihrer Delegiertenversammlung auf die Geheimhaltung ihrer Mitgliederlisten verzichtet, offenbar um damit der Verfassungsinitiative, die auf ein Verbot der Freimaurer- und Odd-Fellows-Organisationen, der Philanthropischen Gesellschaft Union und ähnlicher Gesellschaften gerichtet war (sogenannte Initiative Fonjallaz), den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er behauptet, ein gegenteiliger Beschluss sei von der Delegiertenversammlung seither nie gefasst worden, weshalb immer noch der Beschluss des Jahres 1934 als massgebend zu betrachten sei.
Es kann offen bleiben, ob sich der Beklagte damit auf die in den Schranken von
Art. 27 ZGB
allgemein als Rechtfertigungsgrund anerkannte Einwilligung des Verletzten berufen oder einwenden will, es fehle überhaupt am Tatbestand einer Verletzung der Privatsphäre, weil der Beschluss über die Offenbarung der Mitgliederlisten zu einer Verschiebung der Grenze zwischen Privat- und Gemeinbereich im Sinne einer Ausscheidung dieser Listen aus dem Privatbereich geführt habe. In beiden Fällen scheitert der Rechtfertigungsversuch des Beklagten nämlich schon daran, dass der Beklagte, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, nicht aus einem vor 37 Jahren gefassten Beschluss der Delegiertenversammlung der Erstklägerin Rechte ableiten kann, nachdem diese ihm inzwischen durch das zu ihrer Vertretung zuständige Organ wiederholt deutlich davon Kenntnis gegeben hat, dass sie mit der Verbreitung ihres Mitgliederverzeichnisses jedenfalls heute nicht mehr einverstanden ist. Ob sie sich dabei auf das Eigentum des Vereins am Mitgliederverzeichnis oder auf das Persönlichkeitsrecht berief, ist völlig belanglos. Wesentlich ist einzig, dass dem Beklagten gegenüber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass. die Philanthropische Gesellschaft Union mit dem Vertrieb ihres Mitgliederverzeichnisses nicht einverstanden und daher nicht gewillt ist, ihn weiter zu dulden.
Beigefügt sei, dass der Verzicht auf die Geheimhaltung der
BGE 97 II 97 S. 105
Mitgliederlisten seinerzeit offenbar dem Staate gegenüber ausgesprochen wurde, um auf diese Weise einen Beitrag zur Bekämpfung der freiheitsfeindlichen Tendenzen zu leisten, die ein Verbot bestimmter Vereine anstrebten. Ob einem solchen Beschluss auch gewisse privatrechtliche Wirkungen zukommen könnten, kann dahingestellt bleiben; denn diese Wirkungen könnten auf jeden Fall nicht so weit gehen, dass der Verzicht auf die Geheimhaltung als zeitlich unbeschränkt und unwiderruflich aufzufassen wäre. Der Vorstand der Philanthropischen Gesellschaft Union konnte dem Beklagten daher in wirksamer Weise untersagen, das Mitgliederverzeichnis in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Mitgliederlisten dieser Gesellschaft früher veröffentlicht worden sind, ohne dass dagegen eingeschritten wurde; denn die frühere Duldung von Verletzungen der Privatsphäre schliesst das Recht nicht aus, neue Angriffe abzuwehren.
b) Der Beklagte macht weiter geltend, die Vorinstanz habe zu einseitig auf das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Privatsphäre abgestellt und zu wenig berücksichtigt, dass diesem Interesse dasjenige von Dritten gegenüberstehe, alle Tatsachen erfahren zu können, die sie kennen müssen, um sich ein abgerundetes Bild von der Persönlichkeit der Partner im Geschäfts- und Privatleben zu verschaffen. Er sucht also seinen Eingriff in die Privatsphäre der Kläger mit einem höherwertigen Informationsinteresse seiner Kunden zu rechtfertigen.
Wollte man ein allgemeines Interesse, von Einzelheiten aus dem Privatleben irgendeiner andern Person Kenntnis erhalten zu können, als berechtigt anerkennen, so gäbe es überhaupt keine geschützte Privatsphäre mehr. Ein Schutz der Privatsphäre ist nur möglich, wenn das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit grundsätzlich hinter dem Anspruch des einzelnen, für sich sein zu können, zurücktreten muss, m.a.W. wenn die Berufung auf ein allgemeines Interesse an der Kenntnis privater Tatsachen nicht ausreicht, um Eingriffe in die Privatsphäre zu rechtfertigen. Nur ein besonders gewichtiges Interesse an Informationen darf daher höher bewertet werden als der Anspruch auf ein ungestörtes Privatleben. Ein höherwertiges Informationsinteresse kann z.B. vorliegen, wenn es sich um berühmte Personen handelt oder um solche, die ein öffentliches Amt ausüben. Tatsachen aus dem Privatleben solcher Personen dürfen innerhalb gewisser Grenzen öffentlich bekannt gemacht werden, weil
BGE 97 II 97 S. 106
hier das Interesse der Öffentlichkeit an der Kenntnis privater Gegebenheiten dasjenige der betreffenden Person am Schutz ihrer Privatsphäre in gewissen Fällen überwiegt (GROSSEN, ZSR 1960 II S. 85 a ff. und Schweiz. Privatrecht II S. 371).
Ein besonders hoch zu bewertendes Interesse der Öffentlichkeit, erfahren zu können, wer alles Mitglied der Philanthropischen Gesellschaft Union ist, kann nun aber nicht anerkannt werden. Der Hinweis des Beklagten auf die von Auskunfteien vermittelten Informationen wie z.B. die sog. vertraulichen Bankauskünfte schlägt schon deshalb nicht durch, weil dem Wunsch nach solchen Informationen in der Regel wirtschaftliche Motive zugrunde liegen, denen - allerdings in engen Grenzen - eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Ähnliche Beweggründe sind im hier zu beurteilenden Fall nicht anzunehmen. Auch die Tatsache, dass sich sogar amtliche Stellen für einzelne der vom Beklagten vertriebenen Mitgliederverzeichnisse interessierten, spricht - wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat - noch keineswegs für das Vorhandensein eines berechtigten öffentlichen Interesses.
c) Der Beklagte kann sich aber auch nicht auf ein höherwertiges eigenes Interesse am Vertrieb des Mitgliederverzeichnisses berufen. Ist davon auszugehen, dass die öffentliche Bekanntmachung und Verbreitung des Mitgliederverzeichnisses einer rein privaten Vereinigung grundsätzlich eine unbefugte Verletzung der Privatsphäre der einzelnen Mitglieder wie auch des Vereins selber darstellt, kann unmöglich angenommen werden, die Verletzung sei dann nicht mehr rechtswidrig, wenn sie auf geschäftsmässiger Basis erfolgt. Allein schon deshalb kann dem Beklagten kein berechtigtes wirtschaftliches Interesse an Eingriffen in die Privatsphäre der Kläger zugebilligt werden, so dass nicht näher geprüft werden muss, wie sich das strittige Verbot auf seine wirtschaftliche Existenz auswirken wird.
d) Der Beklagte behauptet schliesslich, die Beeinträchtigung der Kläger in ihrer Privatsphäre sei derart geringfügig, dass sie bereits aus diesem Grunde einfach hinzunehmen sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Damit eine Tatsache wie die Zugehörigkeit zur Philanthropischen Gesellschaft Union des rechtlichen Schutzes der Privatsphäre teilhaftig werde, ist nicht erforderlich, dass ein besonderes Interesse an ihrer Geheimhaltung (bzw. Nichtverbreitung) nachgewiesen werden kann. Der Umstand allein, dass die Zugehörigkeit zu einem Verein
BGE 97 II 97 S. 107
Bestandteil des Privatlebens bildet, macht dieses Verhältnis schon schutzwürdig. Das Privatleben setzt sich aus einer Vielzahl von Einzeltatsachen zusammen, die - je für sich allein betrachtet - nicht als besonders bedeutungsvoll erscheinen. Wollte man die Schutzwürdigkeit dieser einzelnen Tatsachen gesondert nach ihrer Bedeutung beurteilen, würde die Privatsphäre grösstenteils ihres Inhalts beraubt und ihr Schutz damit gegenstandslos.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass keine ausreichenden Gründe vorhanden sind, die das Verhalten des Beklagten zu rechtfertigen vermöchten; der Beklagte kann sich insbesondere nicht auf höherwertige Interessen berufen, vor denen der Anspruch der Kläger auf den Schutz ihrer Privatsphäre zurückzuweichen hätte. Die Verletzung der Kläger in ihren persönlichen Verhältnissen ist somit eine unbefugte im Sinne von
Art. 28 ZGB
; den Klägern stehen daher die sich aus dieser Bestimmung ergebenden Ansprüche auf Rechtsschutz zu.
5.
a) Das Klagebegehren 2, mit dem die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe der noch in seinem Besitze befindlichen Mitgliederverzeichnisse der Philanthropischen Gesellschaft Union sowie der Werbelisten an die Kläger verlangt wird, erweist sich rechtlich als eine Beseitigungsklage. Es soll zwar damit verhindert werden, dass der Beklagte die noch vorhandenen Unterlagen weiter verbreiten kann, weshalb sich dieses Begehren ähnlich wie die Unterlassungsklage auf das künftige Verhalten des Beklagten bezieht. Mit Recht bezeichnet jedoch KUMMER in seiner Arbeit "Der zivilprozessrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts" die Wegräumung bereits getroffener Vorbereitungen zu einer Verletzungshandlung - er erwähnt das im Druck befindliche beleidigende Flugblatt - als Gegenstand des Beseitigungsanspruchs (ZBJV 1967 S. 108). Etwas ungewöhnlich ist, dass die Herausgabe der betreffenden Unterlagen, die im Eigentum des Beklagten stehen, an die Kläger verlangt wird. Die Aushändigung dieses für den Beklagten nunmehr ohnehin wertlosen Materials an die Kläger kann jedoch unter den gegebenen Umständen ähnlich wie dessen Vernichtung als Bestandteil des Beseitigungsanspruchs betrachtet werden. Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren 2 somit zu Recht geschützt.
b) Das Klagebegehren 3, mit dem ein Verbot der künftigen Verbreitung des Mitgliederverzeichnisses der Erstklägerin verlangt
BGE 97 II 97 S. 108
wird, stellt eine Unterlassungsklage dar. Die Klage auf Unterlassung drohender Störung ist ein Anwendungsfall der in
Art. 28 ZGB
vorgesehenen Beseitigungsklage (
BGE 95 II 500
Erw.11). Sie setzt nach der herrschenden Rechtsprechung und Lehre ein besonderes Rechtsschutzinteresse des Verletzten voraus: Das Verhalten des Beklagten muss eine künftige Verletzung ernstlich befürchten lassen (
BGE 95 II 500
Erw. 11; JÄGGI, ZSR 1960 II S. 178 ff. Ziff. 28; GROSSEN, ebenda S. 40 a mit Hinweisen; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1958, S. 252 Ziff. 2). KUMMER weist jedoch zu Recht darauf hin, dass das Vorliegen einer Verletzungsgefahr notwendigerweise stets nur eine Vermutung darstellt und dass eine Unterlassungspflicht ohnehin nur indirekt vollstreckt werden kann, weshalb der Nachweis des Rechtsschutzinteresses leicht gemacht werden sollte (a.a.O. S. 110). Im vorliegenden Fall fällt in Betracht, dass der Beklagte auf die verschiedenen Aufforderungen der Philanthropischen Gesellschaft Union, den Vertrieb ihres Mitgliederverzeichnisses zu unterlassen, überhaupt nicht reagiert und auf diese Weise die Klage provoziert hat. Der Unterlassungsanspruch der Kläger ist unter diesen Umständen zu Recht bejaht worden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen (I. Zivilkammer) vom 7. September 1970 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
66c4fb30-0590-4e4d-8019-e79ffae2c586 | Urteilskopf
102 IV 237
52. Estratto della sentenza 30 gennaio 1976 della Corte di cassazione penale nella causa Geuer e Kemperdick c. Procuratore pubblico della giurisdizione sopracenerina | Regeste
Art. 64 StGB
.
Strafmilderung wegen Handelns des Täters auf Veranlassung einer Person, von der er abhängig ist: Begriff der Abhängigkeit; Begriff der Veranlassung. | Erwägungen
ab Seite 238
BGE 102 IV 237 S. 238
Dai considerandi:
Nella fattispecie deve chiedersi solamente se Kemperdick possa dedurre dalle proprie relazioni con Geuer una circostanza attenuante ai sensi dell'art. 64 CP.
Kemperdick, che viveva con Geuer in concubinato, non doveva a costui obbedienza sotto il profilo giuridico, né sotto quello morale. Rimane quindi da accertare se essa dipendesse da Geuer ai sensi dell'art. 64 CP e se fosse stata da lui incitata a commettere i reati imputatile.
Diversamente dal caso dell'obbedienza, la dipendenza può risultare anche da relazioni fattuali. In particolare, il concubinato può dar luogo, ma non lo deve necessariamente, a una dipendenza rilevante ai sensi dell'art. 64 CP. Devono al proposito essere considerate le circostanze concrete, quali, ad esempio, la situazione finanziaria, la personalità più o meno forte dei soggetti, l'intensità e le caratteristiche delle relazioni reciproche, ecc.
Lo stato di dipendenza non basta da solo. Occorre che il reato sia stato commesso ad incitamento della persona da cui l'agente dipende. Presupposto è quindi una pressione o un impulso di una certa intensità, tale da eccedere quanto suole avvenire normalmente nella vita di tutti i giorni, senza tuttavia costituire un ordine (v. su quest'ultimo requisito, HAFTER, Parte generale, pag. 362). In modo generale, più che la forma esterna rivestita dall'incitamento, appare rilevante l'influsso che la manifestazione di volontà del terzo esercita concretamente sulla persona in stato di dipendenza. Ove più fattori abbiano influito sull'agente, la circostanza attenuante è data solo qualora sia stato determinante l'influsso proveniente dalla persona da cui egli dipende.
Può concludersi che la pressione o l'impulso esercitato sulla persona dipendente deve avere su di essa un effetto corrispondente a quello proprio delle altre cause d'attenuazione della pena, in particolare a quello provocato dallo stato di grave angustia, dalla grave minaccia o dall'ordine di un superiore; come tali altre cause d'attenuazione della pena, così
BGE 102 IV 237 S. 239
anche quella dell'incitamento di persona da cui l'agente dipende deve aver limitato la libertà di decisione di quest'ultimo, e quindi la sua colpa, in modo da giustificare, alla luce delle circostanze concrete, una diminuzione della sanzione penale. | null | nan | it | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
66c5617d-1d9a-4528-9b1e-b13c1372d02b | Urteilskopf
81 III 105
29. Arrêt du 31 août 1955 dans la cause Commune de Morges et consorts. | Regeste
Widerspruchsverfahren nach
Art. 109 SchKG
.
Wird ein gepfändeter Gegenstand zugleich von zwei verschiedenen Personen je für sich zu Eigentum beansprucht, so hat der diese Ansprachen bestreitende Gläubiger gegen den einen wie den andern Ansprecher zu klagen. Auch wenn zwischen diesen beiden bereits ein Streit um das Eigentum hängig ist, darf das Betreibungsamt mit der Klagefristansetzung nach
Art. 109 SchKG
nicht zuwarten. | Sachverhalt
ab Seite 105
BGE 81 III 105 S. 105
A.-
La Commune de Morges, René Mermoud et Edmond Golay ont fait séquestrer au préjudice de Joseph Paderewski, domicilié en Pologne, divers biens qui se trouvaient en la possession de Me Cruchet, notaire à Morges, et dont la propriété a été revendiquée et par l'Ecole nationale supérieure de Musique de Varsovie et par Georges Filipinetti à Genève. Par communication du 22 mars 1955, l'Office des poursuites a assigné aux créanciers séquestrants un délai de dix jours pour introduire une action en contestation des revendications contre chacun des tiers revendiquants. A ce moment-là, une action était déjà pendante entre ces derniers au sujet de la propriété des biens séquestrés.
Sur plainte des créanciers séquestrants, l'Autorité inférieure
BGE 81 III 105 S. 106
de surveillance a invité l'Office des poursuites à surseoir à la fixation du délai prévu à l'art. 109 LP jusqu'à droit connu sur la question de propriété débattue entre les revendiquants.
Sur recours de l'Ecole nationale supérieure de Musique de Varsovie, l'Autorité supérieure de surveillance a, en réformation de la décision de l'Autorité inférieure, invité l'Office à fixer à nouveau à la Commune de Morges, à René Mermoud et à Edmond Golay le délai prévu à l'art. 109 LP.
B.-
Ces derniers ont recouru contre cette décision à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral en concluant à ce qu'il plaise à celle-ci de prononcer la suspension de leurs poursuites jusqu'à droit connu sur le litige pendant entre les deux revendiquants.
La Chambre des poursuites et des faillites a rejeté le recours.
Erwägungen
Motifs:
L'art. 109 LP dispose que lorsque l'objet saisi (ou séquestré) ne se trouve pas en la possession du débiteur mais en celle d'un tiers qui s'en prétend propriétaire ou se prévaut d'un droit de gage, l'Office assigne au créancier un délai de dix jours pour intenter action et que si ce dernier ne fait pas usage de ce délai, il est réputé reconnaître le droit du tiers. En présence d'un texte rédigé d'une façon aussi précise, on ne saurait évidemment admettre l'argumentation des recourants consistant à dire qu'il y aurait lieu de surseoir à fixer aux créanciers poursuivants le délai pour introduire l'action en contestation de revendications jusqu'à droit connu sur le procès qui divise actuellement les deux revendiquants. L'Office était donc tenu en l'espèce, sitôt informé des revendications, d'assigner aux recourants le délai prévu à l'art. 109 pour faire constater l'inexistence et du droit de propriété et du droit de gage revendiqué, sans égard au procès pendant entre les revendiquants. Il appartiendra naturellement au juge saisi de ces actions, s'il l'estime opportun, de suspendre
BGE 81 III 105 S. 107
ces instances jusqu'à solution du procès pendant entre les tiers revendiquants. Le fait qu'elles pourraient perdre tout intérêt par la suite et avoir en définitive occasionné des frais inutiles n'est pas une raison suffisante pour déroger à la règle expresse posée à l'art. 109 LP. | null | nan | fr | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
66c77824-c910-4994-897f-b88d8bebce44 | Urteilskopf
114 II 79
14. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 16 mars 1988 dans la cause dame H. contre S. I. T. (recours en réforme) | Regeste
Mietvertrag; Vergeltungskündigung; Rechtsmissbrauch.
Schutz vor einer als Vergeltungsmassnahme ausgesprochenen Kündigung wird nur jenem Mieter gewährt, der seine Rechte gesetzeskonform ausübt.
Rechtsmissbrauch durch den Mieter: Begriff und Beweislast. | Sachverhalt
ab Seite 80
BGE 114 II 79 S. 80
A.-
Par contrat du 29 septembre 1981, la Société immobilière T. a remis à bail à dame H. un appartement dans un immeuble dont elle est propriétaire à Genève.
En 1982, la locataire s'est opposée à une première augmentation de loyer qu'elle a cependant admise par la suite, moyennant report de sa date d'entrée en vigueur, selon accord passé avec la bailleresse, le 2 novembre 1982, devant la commission de conciliation. Le procès-verbal établi à cette occasion se réfère expressément aux réserves de hausse figurant sur l'avis de majoration du loyer.
Une seconde augmentation de loyer a été notifiée à la locataire, le 19 août 1983. Tout en acceptant cette nouvelle hausse de loyer, dame H. a contesté l'admissibilité de la mention des réserves de hausse sur l'avis de majoration, bien que ces réserves fussent identiques à celles qui avaient été formulées dans le précédent avis. Par jugement du 23 juillet 1984, le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève a reconnu la validité de la hausse de loyer avec les réserves dont elle était assortie.
B.-
Après avoir retiré le congé qu'elle avait donné à sa locataire, le 17 septembre 1984, la bailleresse a derechef résilié le bail pour le 31 décembre 1986 par lettre recommandée du 11 octobre 1985.
Par jugement du 20 novembre 1986, le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève a rejeté la demande de la locataire visant à constater la nullité de la résiliation, tout en accueillant la conclusion subsidiaire tendant à prolonger le bail d'une année, soit jusqu'au 31 décembre 1987, en application de l'
art. 267 a CO
.
Statuant le 2 novembre 1987, sur appel de la demanderesse, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers du canton de Genève a confirmé ce jugement.
C.-
Dame H. interjette un recours en réforme contre l'arrêt cantonal. Elle requiert le Tribunal fédéral de constater la nullité du congé litigieux.
La défenderesse propose le rejet du recours et la confirmation de l'arrêt attaqué.
Le Tribunal fédéral rejette le recours et confirme l'arrêt de la Chambre d'appel.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
a) L'
art. 31 ch. 1 al. 2 AMSL
prévoit notamment qu'est punissable pénalement celui qui aura dénoncé le bail parce que le locataire sauvegarde les droits que l'arrêté fédéral lui confère.
BGE 114 II 79 S. 81
L'hypothèse ainsi visée est celle où le bailleur dénonce le contrat pour sanctionner le comportement du locataire qui use de ses droits conformément à la loi (
ATF 106 IV 71
), soit notamment le congé de représailles lié à l'application de l'arrêté. La disposition s'applique non seulement lorsque le locataire fait valoir présentement des droits, mais également lorsqu'il les a fait valoir (cf.
ATF 111 II 387
). En dépit des temps présent et futur employés dans son texte, l'art. 31 ch. 1 al. 2 s'applique évidemment aussi au cas où le locataire "a sauvegardé" ses droits. Cela ressort clairement du but de la loi, qui entend réprimer les représailles et la vengeance (
ATF 113 II 462
consid. 3b; HARARI, Aspects du droit pénal de l'AMSL, 4e Séminaire sur le bail à loyer, Neuchâtel 1986, p. 6; cf. aussi la jurisprudence genevoise citée par GULLY-HART, Aperçu de la jurisprudence, in SJ 1984, p. 541, n. 10).
Cependant, de jurisprudence constante, la protection contre le congé de représailles n'est accordée qu'au locataire qui use de ses droits conformément à la loi (cf. les trois derniers arrêts cités, ibid.). Au regard de l'
art. 2 al. 2 CC
, et plus précisément du principe "nemo auditur propriam turpitudinem allegans", elle doit être refusée au locataire qui abuse des droits que lui confère l'arrêté fédéral. L'
art. 28 al. 3 AMSL
procède, du reste, de considérations analogues. Encore convient-il de bien préciser que le fait, pour le locataire, d'avoir succombé, fût-ce totalement, en procédure n'autorise pas, à lui seul, à conclure à l'abus de droit. En effet, même dans cette hypothèse, le locataire qui ignore l'étendue de ses droits, par exemple parce qu'il ne dispose pas des comptes d'exploitation de l'immeuble dans un litige portant sur le loyer, bénéficie néanmoins de la protection contre le congé (BARBEY, L'arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif, p. 136, à propos de l'
art. 28 al. 3 AMSL
). Ne peut, en revanche, s'en prévaloir le locataire qui entreprend un procès dont il sait ou doit se rendre compte qu'il est voué à l'échec, en particulier celui qui conteste les prétentions du bailleur dans le seul dessein de bénéficier de la protection contre les congés. C'est au bailleur qu'il appartient d'établir le caractère abusif de la contestation, question qui doit être examinée de cas en cas au vu de l'ensemble des circonstances de la cause en litige.
b) En l'espèce, la cour cantonale a certes admis que la dénonciation du bail trouvait son origine, en partie du moins, dans les procédures qui avaient opposé les cocontractants. Il ressort toutefois de ses constatations de fait que la locataire devait se rendre
BGE 114 II 79 S. 82
compte à l'évidence de l'absence de fondement de sa dernière opposition. La demanderesse ne pouvait, en effet, espérer obtenir gain de cause dans un procès où elle ne contestait pas la hausse de loyer, mais uniquement les réserves formulées à cette occasion par le bailleur, réserves qui étaient pourtant identiques à celles qu'elle avait expressément acceptées l'année précédente dans le cadre de la transaction conclue avec la défenderesse. Au demeurant, elle ne pouvait ignorer l'étendue de ses droits, du moment qu'elle avait confié la défense de ses intérêts à une association de locataires. Il apparaît ainsi que la demanderesse n'a pas usé de ses droits conformément à la loi. Par conséquent, elle ne saurait invoquer le bénéfice des
art. 31 ch. 1 al. 2 AMSL
et 20 al. 1 CO pour faire admettre la nullité du congé litigieux. | public_law | nan | fr | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
66c8b0af-c2d2-4095-a399-d3dd91a5847d | Urteilskopf
97 I 555
76. Auszug aus dem Urteil vom 15. Oktober 1971 i.S. Witwe X. gegen Y. und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. | Regeste
Einspruch gegen Liegenschaftsverkauf (
Art. 19 EGG
).
Der Einspruch ist unbegründet, wenn die Privatinteressen am Zustandekommen des Kaufgeschäftes das öffentliche Interesse an der Erhaltung des in Frage stehenden landwirtschaftlichen Heimwesens überwiegen. | Sachverhalt
ab Seite 555
BGE 97 I 555 S. 555
Die Beschwerdeführerin, Witwe X., erwarb von Y. durch öffentlich beurkundeten Vertrag vom 2. September 1970 ein Bauernhaus mit 48 a Umschwung. Am 23. September 1970 erhob die Landwirtschaftsdirektion des Kantons Basel-Landschaft
BGE 97 I 555 S. 556
gegen die Handänderung Einspruch unter Hinweis auf
Art. 19 lit. c EGG
und § 8 des kantonalen EG zum EGG. Diesen Einspruch focht die Käuferin durch Beschwerde beim Regierungsrat an, der die Beschwerde am 17. November 1970 abwies.
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 21. Dezember 1970 beantragt Witwe X., der Beschluss des Regierungsrates sei aufzuheben und die Handänderung zu bewilligen. Der Verkäufer Y. hat sich zur Streitsache nicht geäussert; er ist am 3. Juni 1971 gestorben. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft und das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement empfehlen die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Prozessuales).
2.
Das EGG bezweckt laut Art. 1, den bäuerlichen Grundbesitz als Träger eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes zu schützen, die Bodennutzung zu fördern, die Bindung zwischen Familie und Heimwesen zu festigen und die Schaffung und Erhaltung landwirtschaftlicher Betriebe zu begünstigen. Zur Verwirklichung dieser Ziele werden die Kantone ermächtigt, gegen Liegenschaftskäufe Einspruch zu erheben (
Art. 18 ff. EGG
). Von dieser Ermächtigung hat der Kanton Basel-Landschaft Gebrauch gemacht und das Einspruchsverfahren im EG zum EGG geregelt.
a) Ein Einspruch ist nach
Art. 19 EGG
nur zulässig gegen Kaufverträge "über landwirtschaftliche Heimwesen oder zu einem solchen gehörende Liegenschaften". Als landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des EGG wird eine aus Land und Gebäulichkeiten bestehende Einheit angesehen, die geeignet ist, einem Bauern (Eigentümer oder Pächter) und seiner Familie als Lebenszentrum und Grundlage für den Betrieb eines landwirtschaftlichen Gewerbes zu dienen (
BGE 94 I 176
mit Hinweisen).
Das dem Verkäufer gehörende Konglomerat von Land und Gebäuden, von dem die Beschwerdeführerin das Haus mit etwas Umschwung erwerben möchte, bildet eine solche Einheit. Es umfasst nach Angaben der Beschwerdeführerin 7,28 ha. Nach Abzug der von ihr gekauften Parzelle verbleiben 6,80 ha. Dieses Ausmass erreicht zwar die durchschnittliche Betriebsfläche der Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz (heute 8,22 ha)
BGE 97 I 555 S. 557
nicht und erst recht nicht die durchschnittliche Betriebsfläche der Landwirtschaftsbetriebe im Kanton Basel-Landschaft, welche 10,52 ha beträgt (vgl. statistische Erhebungen und Schätzungen des Schweizerischen Bauernsekretariates 1970, 11). Die Betriebsfläche ist aber immer noch ausreichend als Lebenszentrum und Betriebsgrundlage einer Bauernfamilie. Auch kleine Heimwesen stehen unter dem Schutz des
Art. 19 EGG
. Wird nun aber das Wohn- und Ökonomiegebäude von diesem kleinen Hof weg verkauft, so geht damit ein wesentlicher Bestandteil des Betriebes verloren, nämlich die Heimstatt des Bauern und damit das Lebenszentrum seiner Familie.
b) Nach
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
, worauf der angefochtene Entscheid gestützt wird, kann Einspruch erhoben werden, wenn durch den Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verliert, es sei denn die Aufhebung des Gewerbes lasse sich durch wichtige Gründe rechtfertigen.
Im vorliegenden Fall verlöre das in Frage stehende landwirtschaftliche Gewerbe mit der Veräusserung des Bauernhauses seine Existenzgrundlage. Es ist daher zu prüfen, ob der umstrittene Verkauf sich durch wichtige Gründe rechtfertigen lasse. Die Beschwerdeführerin macht wichtige Gründe bei beiden Vertragsparteien geltend.
c) Die in Art. 19 Abs. 1 lit. c erwähnten Beispiele von wichtigen Gründen - Verkauf zur Überbauung oder zur gewerblichen oder industriellen Ausnützung - fallen hier ausser Betracht, was unbestritten ist. Es fragt sich aber, ob andere wichtige Gründe die Aufhebung dieses landwirtschaftlichen Gewerbes rechtfertigen könnten. Diese Frage prüft das Bundesgericht - wie es in Anlehnung an seine bisherige Rechtsprechung im Urteil
BGE 97 I 552
E. 4 c festgestellt hat - frei. Dabei sind die besonderen Umstände des einzelnen Falles zu würdigen. Nach der neueren Rechtsprechung sind nicht nur solche Umstände zu berücksichtigen, die sich aus den Eigenschaften des in Frage stehenden Grundstückes oder Gewerbes ergeben, sondern insbesondere die persönlichen Verhältnisse der Vertragsparteien. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung des landwirtschaftlichen Gewerbes, das nicht per se gegeben ist, sondern sich aus den gesamten Umständen ergeben muss, und die geltend gemachten Privatinteressen am Zustandekommen des Kaufgeschäftes sind gegeneinander abzuwägen (
BGE 97 I 552
E. 4 c mit Hinweisen).
BGE 97 I 555 S. 558
3.
a) Die Beschwerdeführerin hat im kantonalen Verfahren geltend gemacht, der Verkäufer wolle aus finanziellen Gründen verkaufen. Allein der Regierungsrat hat dieses Vorbringen mit Recht als zum mindesten unbewiesen erachtet. Wäre der Verkäufer wirklich aus finanziellen Gründen zum Verkauf gezwungen gewesen, so hätte er wohl das ganze Heimwesen veräussert und kaum der Beschwerdeführerin 50% des Kaufpreises als Darlehen belassen. Auch hätte er sich doch höchst wahrscheinlich selber dem Einspruch der Landwirtschaftsdirektion widersetzt. Er hat aber, auch im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, auf die Einladung zur Stellungnahme überhaupt nicht reagiert. Seit seinem Tod fallen wichtige Gründe in der Person des Verkäufers ohnehin ausser Betracht.
b) Die Käuferin macht als wichtige Gründe das Interesse ihrer Familie an einem eigenen Heim sowie Schwierigkeiten bei der Rückforderung der angezahlten Fr. 15'000.-- geltend. Wenn sie auch nicht näher dartut, dass der Erwerb des Bauernhauses die einzige Chance darstellt, für sich und ihre Kinder ein geeignetes Heim zu bekommen, so ist sie doch - wie die Vorinstanz zugibt - in hohem Masse an der Realisierung des Kaufgeschäftes interessiert. Als Witwe und Mutter von zwei Kindern im Alter von 12 Jahren und von 3 Monaten will sie ihrer Familie ein Heim schaffen und kann dieses Ziel durch den Kauf dieses Bauernhauses in einer für ihre Familie äusserst günstigen Weise verwirklichen. Diesbezüglich ist ihr Interesse am Zustandekommen des Kaufgeschäftes schützenswert. Dagegen sind angebliche Schwierigkeiten bei der Rückforderung der etwas unvorsichtig geleisteten Kaufpreisanzahlung kein wichtiger Grund im Sinne von
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
. Wird die Handänderung trotz den Bemühungen der Beschwerdeführerin infolge behördlichen Einspruchs unmöglich, so sind die Erben des Verkäufers durch die Kaufpreisanzahlung ungerechtfertigt bereichert (
Art. 62 OR
) und sie haften der Beschwerdeführerin für die Herausgabe solidarisch (
Art. 603 ZGB
).
c) Den Privatinteressen der Beschwerdeführerin am Zustandekommen des Kaufgeschäftes steht das öffentliche Interesse an der Bewahrung der in der Schweiz vorhandenen landwirtschaftlichen Heimwesen im allgemeinen und an der Erhaltung des in Frage stehenden landwirtschaftlichen Gewerbes im besonderen gegenüber.
BGE 97 I 555 S. 559
Bei der Gewichtung des öffentlichen Interesses ist im vorliegenden Fall nicht zu übersehen, dass die Betriebseinheit von Land und Gebäuden, die ein landwirtschaftliches Heimwesen kennzeichnet und im Sinne von
Art. 1 EGG
erhaltenswert macht, bei dem in Frage stehenden Landwirtschaftsbetrieb in den letzten Jahren überhaupt nicht mehr bestanden hat. Der Veräusserer hat das Heimwesen, das er im Jahre 1959 durch Erbgang erworben hatte, nie selber bewirtschaftet. Nach der Feststellung der Vorinstanz war der Betrieb "zeitweise" verpachtet. In den letzten Jahren wurde das Land durch verschiedene Pächter genutzt; Scheune und Stall waren an einen Landwirt verpachtet; das Wohnhaus war an Italiener vermietet. Dies schliesst zwar nicht aus, dass die Betriebseinheit wieder hergestellt und der Betrieb nach wie vor durch eine an Ort und Stelle wohnende Bauernfamilie als Einheit landwirtschaftlich genutzt werden könnte, zumal die Gebäulichkeiten unbestrittenermassen gut erhalten sein sollen; indes ist doch zu berücksichtigen, dass in den vergangenen Jahren eine einheitliche Bewirtschaftung dieses landwirtschaftlichen Heimwesens nicht erfolgt und offenbar auch in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten ist. Eine aktuelle Nachfrage für den Erwerb dieses Landwirtschaftsbetriebes zwecks einheitlicher Bewirtschaftung scheint nicht zu bestehen. Unter diesen Umständen ändert die Veräusserung des in Frage stehenden Bauernhauses mit etwas Umschwung am gegenwärtigen Zustand des Betriebes in landwirtschaftlicher Hinsicht nichts.
d) Berücksichtigt man im Lichte dieser gesamten Umstände das Interesse der Beschwerdeführerin am Erwerb des Bauernhauses und stellt man dem das in concreto nur wenig gewichtige öffentliche Interesse an der Erhaltung eines ohnehin nicht mehr als Einheit bewirtschafteten landwirtschaftlichen Heimwesens gegenüber,. muss die Abwägung der Interessen jene der Beschwerdeführerin als schutzwürdiger erscheinen lassen. Ihre Beschwerde ist demnach gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
66c8d786-eada-47dd-bb2d-402e9df86e59 | Urteilskopf
126 IV 99
16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. Februar 2000 i. S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Uri (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 9 Abs. 6 lit. c,
Art. 30 Abs. 2 und
Art. 96 Ziff. 1 Abs. 3 SVG
;
Art. 67 Abs. 1 lit. a und Abs. 8 VRV
; Fahren mit Überlast, Gewichtslimite von 28 t bei Anhängerzügen, Toleranz von 5%.
Wer die Gewichtslimite um mehr als 5% überschreitet, ist für die ganze Überschreitung zu bestrafen; die Toleranz von 5% ist nicht abzuziehen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 99
BGE 126 IV 99 S. 99
K. fuhr am 27. November 1997 mit seinem Anhängerzug auf der Autobahn A2. In Erstfeld wurde er von der Polizei angehalten. Die angeordnete Gewichtskontrolle ergab ein Betriebsgewicht des Anhängerzuges von insgesamt 32'460 kg. Das zulässige Höchstgewicht von 28 t wurde somit um 4'460 kg (16%) überschritten.
Mit Strafverfügung vom 9. Dezember 1997 büsste die Polizeidirektion Uri K. wegen Fahrens mit Überlast mit Fr. 480.-.
Dagegen erhob K. Rekurs. Mit Strafbefehl vom 18. Dezember 1998 auferlegte ihm die Staatsanwaltschaft des Kantons Uri eine Busse von ebenfalls Fr. 480.-.
BGE 126 IV 99 S. 100
Auf Einsprache von K. hin sprach ihn das Landgericht Uri am 27. April 1999 schuldig des Fahrens mit 11% Überlast (16% minus 5% Toleranz). Es bestrafte ihn mit Fr. 330.- Busse.
In Gutheissung der von der Staatsanwaltschaft dagegen erhobenen Berufung büsste das Obergericht des Kantons Uri K. am 15. Juli 1999 mit Fr. 480.-.
K. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer habe die Gewichtslimite von 28 t um 16% überschritten. Das stelle er nicht in Abrede. Umstritten sei, ob die Toleranzmarge von 5% gemäss
Art. 67 Abs. 8 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11)
in Abzug gebracht werden könne. Es stelle sich die Frage, ob eine Überlast von 11% (16% minus 5%) oder 16% für die Strafzumessung rechtserheblich sei. Die Toleranzmarge von 5% dürfe gerade bei leicht einschätzbarer Ladung nicht zum Vornherein einberechnet werden. Die Sorgfaltspflicht des Fahrzeugführers müsse sich auf die Einhaltung der Limite von 28 t beziehen und nicht von 29,4 t. Angesichts der Tatsache, dass die Ladung häufig gewichtsmässig nur mit unverhältnismässigem Aufwand mit genügender Genauigkeit geschätzt werden könne, schütze
Art. 67 Abs. 8 VRV
den Chauffeur und gewähre ihm eine Toleranz bis zu 5%. Werde diese Toleranz überschritten, gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der Fahrzeugführer es auch an der durch die Toleranzmarge herabgesetzten Sorgfaltspflicht, die sich auf die Einhaltung der Limite von 28 t beziehe, habe fehlen lassen. Er sei für die ganze Überschreitung zu bestrafen.
Auf einen Verbotsirrtum nach
Art. 20 StGB
könne sich der Beschwerdeführer nicht berufen. Die Voraussetzung des fehlenden Unrechtsbewusstseins sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer hätte im Übrigen auch keine zureichenden Gründe gehabt zur Annahme, er tue nichts Unrechtes.
Bei der Strafzumessung bemerkt die Vorinstanz, das Verschulden des Beschwerdeführers wiege nicht leicht. Er habe 22 Ballen Silofutter transportiert. Gemäss Auskunft des Lieferanten habe eine Balle ein Gewicht zwischen 500 und 800 kg aufgewiesen. Das Leergewicht des Anhängerzuges betrage 15,4 t. Damit sei noch eine
BGE 126 IV 99 S. 101
Ladung von 12,6 t möglich gewesen. Wäre der Beschwerdeführer bei der Berechnung der Ladung nur vom Durchschnittsgewicht zwischen 500 und 800 kg ausgegangen, also von 650 kg pro Balle, hätte er feststellen müssen, dass er damit die Limite von 28 t bereits um 1,7 t bzw. um rund 6% überschreite und die Toleranzmarge von 5% verletze. Der Beschwerdeführer sei ein erfahrener Berufschauffeur. Es wäre ihm zuzumuten gewesen, vor Antritt der Fahrt über eine Waage zu fahren, um das genaue Gewicht der Ladung zu ermitteln. Dass er keine Wägemöglichkeit in zumutbarer Nähe gehabt habe, mache er nicht geltend. Straferhöhungs- und Strafmilderungsgründe seien nicht gegeben. Dass Strafminderungsgründe vorlägen, sei aus den Akten nicht ersichtlich; es würden auch keine geltend gemacht. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei die von der Beschwerdegegnerin beantragte Busse von Fr. 480.- dem Verschulden angemessen, zumal die Höhe der Busse den kantonalen Richtlinien über das Strafmass und die Abnahme von Kautionen vom Juli 1996 entspreche.
b) Der Beschwerdeführer macht ausschliesslich geltend, die Vorinstanz habe
Art. 67 Abs. 8 VRV
verletzt, indem sie es abgelehnt habe, die Toleranz von 5% in Abzug zu bringen. Auch bei Geschwindigkeitsüberschreitungen sei ein Toleranzwert ausdrücklich vorgesehen und dieser werde bei der Berechnung des strafbaren Masses abgezogen.
In einem Schreiben vom 28. Oktober 1996 an einen Aargauer Anwalt führe der Chef der Abteilung Verkehrsregelung/Verkehrspolitik der Hauptabteilung Strassenverkehr des damaligen Bundesamtes für Polizeiwesen aus, die Gewichtstoleranzen nach
Art. 67 Abs. 8 und 9 VRV
bildeten einen straffreien Rahmen. Als Basis der Strafbarkeit sei das Gewicht massgebend, das die entsprechenden Toleranzwerte übersteige. Dieser Betrachtungsweise folgten auch die Weisungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 7. Mai 1996 über die Gewichtsberechnung beim Transport von Stamm- und Schichtholz auf der Strasse. Aus Gründen der Rechtsgleichheit sei daher bei den Gewichtsüberschreitungen immer der anwendbare Toleranzwert abzuziehen.
Weiter bringt der Beschwerdeführer vor, auch das Obergericht des Kantons Aargau sei in seinem Urteil vom 11. Dezember 1996 zum Schluss gekommen, dass bei einer Gewichtsüberschreitung die Toleranzmarge von 5% bei der Strafzumessung vom ermittelten Gesamtgewicht in Abzug zu bringen sei (AGVE 1996, S. 112 f., Nr. 34).
BGE 126 IV 99 S. 102
Darauf habe er sich verlassen dürfen, zumal der Entscheid des Aargauer Obergerichtes und die Auskunft des Bundesamtes für Polizeiwesen sowohl bei den Transportunternehmern (ASTAG) als auch bei den Lastwagenfahrern (Routiers Suisses) bekannt gewesen seien. Er habe sich in einem Verbotsirrtum nach
Art. 20 StGB
befunden.
Die unterschiedliche Auslegung von
Art. 67 Abs. 8 VRV
durch die Obergerichte der Kantone Aargau und Uri habe zur Folge, dass ein Chauffeur nicht in jedem Kanton gleich behandelt werde. Während er im Kanton Aargau mit der Anrechnung der 5% rechnen könne, werde ihm dies im Kanton Uri verweigert.
4.
a) Fahrzeuge dürfen nicht überladen werden (
Art. 30 Abs. 2 SVG
; SR 741.01). Wer die mit dem Fahrzeugausweis oder der Bewilligung von Gesetzes wegen oder im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen, namentlich über das zulässige Gesamtgewicht, missachtet, wird mit Haft oder mit Busse bestraft (
Art. 96 Ziff. 1 Abs. 3 SVG
).
Das Gesamtgewicht darf bei Anhängerzügen höchstens 28 t betragen (
Art. 9 Abs. 6 lit. c SVG
,
Art. 67 Abs. 1 lit. a VRV
). Überschreitungen der nach
Art. 67 Abs. 1 und 3 VRV
zulässigen Gewichte der Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen und der zulässigen Gewichte der Motorräder bis zu 5% und der zulässigen Achsbelastungen nach
Art. 67 Abs. 2 VRV
bis zu 2%, in jedem Fall aber bis 100 kg, werden nicht geahndet (
Art. 67 Abs. 8 VRV
).
Als Beweggründe für die Gesamtgewichtsbeschränkungen gelten etwa die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs, der Schutz der Strassen (für deren Beanspruchung auch die Zahl der Achsdurchläufe massgebend ist) und der Immissionsschutz. Da die Ausmasse und Gewichte der Motorfahrzeuge und Anhängerzüge für die Strasseneigentümer, Strassenbenützer, Fahrzeughalter, Verfrachter und damit für die gesamte Verkehrs- und Volkswirtschaft von grosser Bedeutung sind und deren Festlegung einen primär politischen Entscheid darstellt, sind sie im Strassenverkehrsgesetz selbst verankert (RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, Bern 1984, N. 124 und 121 mit Hinweis).
b) Das Gesamtgewicht bei Anhängerzügen darf nach
Art. 9 Abs. 6 lit. c SVG
höchstens 28 t betragen. Gemäss
Art. 9 Abs. 1 SVG
erlässt der Bundesrat im Rahmen der folgenden Bestimmungen, d.h. unter anderem im Rahmen von
Art. 9 Abs. 6 SVG
, Vorschriften über Gewichte der Motorfahrzeuge und ihrer Anhänger. Das hat der Bundesrat getan in
Art. 67 VRV
. Danach darf das Betriebsgewicht
BGE 126 IV 99 S. 103
bei Anhängerzügen höchstens 28 t betragen. Überschreitungen bis zu 5% werden nach
Art. 67 Abs. 8 VRV
nicht geahndet. Das ändert aber nichts daran, dass die massgebende Limite nach der klaren gesetzlichen Regelung 28 t beträgt. Die Limite liegt nicht bei 28 t plus 5%, also bei 29,4 t. Bereits ein Anhängerzug mit einem Betriebsgewicht von 28 t und 1 kg ist überladen. Wer einen solchen Anhängerzug lenkt, verstösst gegen
Art. 30 Abs. 2 SVG
. Der Beschwerdeführer hat die Limite von 28 t unstreitig um rund 16% überschritten. Der Schuldspruch hat für diese 16% zu erfolgen, nicht für 11%, wie das Landgericht angenommen hat. Wenn
Art. 67 Abs. 8 VRV
sagt, dass eine Gewichtsüberschreitung bis zu 5% nicht geahndet wird, so handelt es sich dabei der Sache nach um eine Strafbefreiung im Bagatellbereich. Der Grund für die Toleranz liegt darin, dass es in der Praxis oft schwierig ist, das Gewicht der Ladung abzuschätzen. Ein Irrtum insoweit ist deshalb leicht möglich. Art. 52 des Entwurfs zu einem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches sieht nun generell eine Strafbefreiung vor, wenn Schuld und Tatfolgen gering sind. Wie dazu in der Botschaft gesagt wird, sollen mit Art. 52 Straftaten erfasst werden, die geringfügig sind in Bezug auf ihre Auswirkungen und in Bezug auf die Schuld des Täters. Das Verhalten des Täters muss zudem als unerheblich erscheinen im Vergleich zu anderen Taten, die nach derselben Gesetzesbestimmung zu verfolgen sind (Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht vom 21. September 1998, BBl 1999 S. 2064). E contrario ergibt sich aus
Art. 67 Abs. 8 VRV
, dass Gewichtsüberschreitungen über 5% geahndet werden. Entsprechend wird nach Ziff. 300 des Anhangs 1 zur Ordnungsbussenverordnung vom 4. März 1996 (SR 741.031) das Überschreiten des zulässigen Gewichts um mehr als 5%, aber nicht mehr als 7% (mindestens mehr als 100 kg) bestraft mit Fr. 100.- Busse; das Überschreiten des zulässigen Gewichts um mehr als 7%, aber nicht mehr als 9% (mindestens mehr als 100 kg) mit Fr. 200.- Busse. Der Beschwerdeführer hat die Limite von 28 t um 16% und somit um mehr als 5% überschritten. Er ist zu bestrafen, und zwar für eine Gewichtsüberschreitung um 16%, da er die Limite um dieses Mass überschritten hat und nicht um 11%. Wenn die Vorinstanz den Abzug von 5% abgelehnt hat, hat sie kein Bundesrecht verletzt.
Gegen die Höhe der Busse bringt der Beschwerdeführer nichts vor. Er beschränkt die Beschwerde vielmehr ausdrücklich auf die
BGE 126 IV 99 S. 104
Frage des Abzugs der Toleranz. Damit hat sich das Bundesgericht zur Bussenhöhe nicht zu äussern (vgl.
BGE 123 IV 125
E. 1).
c) Soweit der Chef der Abteilung Verkehrsregelung/Verkehrspolitik der Hauptabteilung Strassenverkehr des damaligen Bundesamtes für Polizeiwesen in der vom Beschwerdeführer genannten Auskunft an einen Aargauer Anwalt eine vom vorliegenden Entscheid abweichende Auffassung vertreten hat, bindet dies das Bundesgericht nicht. Dasselbe gilt für die in der Auskunft erwähnten Weisungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements über die Gewichtsberechnung beim Transport von Stamm- und Schichtholz auf der Strasse vom 7. Mai 1996. Solche Weisungen haben keine Gesetzeskraft und binden ein Gericht nicht (
BGE 102 IV 271
).
In einem Rundschreiben an die für den Strassenverkehr zuständigen Direktionen der Kantone vom 14. Juli 1972 hat im Übrigen das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die gleiche Auffassung vertreten wie hier. Damals wurde ein Toleranzwert von 2% eingeführt. Wörtlich heisst es im Rundschreiben:
"Wenn nun aber das Betriebsgewicht anlässlich einer Gewichtskontrolle die straffreie Toleranzgrenze übersteigt, so muss selbstverständlich die ganze Differenz zwischen dem tatsächlichen Betriebsgewicht und dem zulässigen Gesamtgewicht als strafbare Überladung gewertet werden.
Beispiel:
Ein Anhängerzug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 28'000 kg weist bei der Wägung 29'000 kg Betriebsgewicht auf und übersteigt also die tolerierte Grenze von 28'560 kg. Daher beträgt die strafbare, im Verzeigungsrapport anzugebende Überladung 1000 kg (29'000 kg-28'000 kg) und nicht bloss 440 kg (29'000 kg-28'560 kg)."
d) Einen Abzug der Toleranz von damals 2% hat der Kassationshof unausgesprochen bereits abgelehnt im unveröffentlichten Urteil vom 29. April 1986 in Sachen Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden gegen L. Der damalige Beschwerdegegner hatte mit seinem Anhängerzug einen Holztransport durchgeführt. Er überschritt die Limite von 28 t um 4'100 kg, was 14,6% entspricht. Der Kassationshof kam zum Schluss, die in den Weisungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 26. Juni 1963 vorgesehene Toleranz von 15% bei der Gewichtsberechnung von Holz nach dem Raummass sei im zu beurteilenden Fall nicht anwendbar. Der Kassationshof führte sodann aus, mit einer Gewichtsüberschreitung von 14% sei der objektive Tatbestand der Widerhandlung gegen
Art. 96 Ziff. 1 Abs. 3 SVG
erfüllt (E. 6). Dass die Toleranz von 2% abzuziehen sei, sagte der Kassationshof nicht.
BGE 126 IV 99 S. 105
e) Der Abzug der Sicherheitsmarge bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ist, wie in Ziff. 303 des Anhangs 1 zur Ordnungsbussenverordnung ausdrücklich gesagt wird, technisch bedingt. Der Abzug erfolgt, weil allfällige Ungenauigkeiten und Störfaktoren der Messgeräte zu berücksichtigen sind. Es wird zu Gunsten des Betroffenen davon ausgegangen, dass er die Höchstgeschwindigkeit nur um das Mass überschritten hat, das sich nach Abzug der Sicherheitsmarge ergibt. Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
; SR 312.0) lässt sich das Gewicht eines Fahrzeuges technisch leicht ermitteln. Ziff. 300 des Anhangs 1 zur Ordnungsbussenverordnung sieht denn auch den Abzug einer technisch bedingten Sicherheitsmarge bei Überschreiten des zulässigen Gewichtes nicht vor. Die Toleranzmarge nach
Art. 67 Abs. 8 VRV
hat, wie dargelegt, einen anderen Grund. Sie wird gewährt, weil das Gewicht der Ladung häufig nur schwer geschätzt werden kann. Steht das Gewicht aufgrund der amtlichen Wägung fest und ist die Toleranzmarge überschritten, so ist der Täter für die ganze Überschreitung zu bestrafen.
f) Nach den Darlegungen im angefochtenen Urteil fehlte dem Beschwerdeführer das Unrechtsbewusstsein nicht. Das ist eine verbindliche tatsächliche Feststellung (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
;
BGE 75 IV 150
E. 3). Die Annahme eines Verbotsirrtums fällt daher ausser Betracht. | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
66d05eb3-2869-485d-a4ec-7c100f7f9d6e | Urteilskopf
98 II 113
17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Januar 1972 i.S. Friedli & Cie AG gegen Rogger. | Regeste
Werkvertrag. Substantiierungspflicht.
Der Rücktritt nach
Art. 366 OR
setzt grundsätzlich die Einräumung einer Nachfrist im Sinne des
Art. 107 OR
voraus. Fehlt dieses Erfordernis, so ist die Erklärung nach
Art. 377 OR
wirksam (Erw. 3).
Die Rücktrittserklärung nach
Art. 377 OR
braucht kein Angebot auf Ersatz des Schadens zu enthalten. Die jederzeitige Ausübung des Rücktrittsrechtes ist nicht missbräuchlich (Erw. 3). Ob die von einer Partei prozesskonform vorgebrachten tatbeständlichen Anbringen erlauben, ihre Rechtsbehauptung zu beurteilen, ist eine Frage des Bundesrechts (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 114
BGE 98 II 113 S. 114
Gekürzter Tatbestand:
A.-
Mit Vertrag vom 13. April 1966 verpflichtete sich die Friedli & Cie AG, für Dr. Josef Rogger in Inwil ein Einfamilienhaus, Typ Helvetia EH-A Spezial, zum Preis von Fr. 135 000.-- zu erstellen. Das Haus sollte "raschmöglichst/Ende 1966" bezugsbereit sein. Die Parteien verlängerten später diese Frist, zuerst bis 15. und dann bis Ende Februar 1967. Das Haus war indessen am 15. März 1967, als Rogger die bisherige Mietwohnung verlassen musste, nicht fertig. Er wohnte in der Folge mit seiner Familie zuerst in einem Hotel in Luzern und nachher in einer Ferienwohnung in Horw. Am 23. Mai 1967 konnte er die Räume im Erdgeschoss des immer noch nicht vollendeten Hauses beziehen. Seit Dezember 1966 hatte Rogger wiederholt Mängel schriftlich gerügt und sich über die Verzögerungen beschwert. Mit Schreiben seines Anwaltes vom 7. Juni 1967 erklärte er den Rücktritt vom Vertrag.
Die Pauschalvergütung von Fr. 135 000.-- erhöhte sich wegen zusätzlicher Arbeiten, die der Bauherr verlangt hatte, auf Fr. 138 050.--. Daran zahlte Rogger gemäss Schlussrechnung der Bauunternehmung Fr. 107 437.--.
B.-
Die Friedli & Cie AG klagte auf Zahlung der Restforderung von Fr. 30 613.-- und auf Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts für Fr. 10 000.--, beides nebst Zins.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und forderte "als konnexen Gegenanspruch, evt. widerklageweise" von der Klägerin Fr. 20 540.20 nebst Zins.
C.-
Am 2. September 1970 hiess das Amtsgericht Hochdorf die Klage für Fr. 23 213.50 nebst Zins gut und ermächtigte die Klägerin, das Bauhandwerkerpfandrecht im Grundbuch eintragen zu lassen.
BGE 98 II 113 S. 115
Das Obergericht des Kantons Luzern wies auf Appellation des Beklagten am 31. März 1971 die Klage ab und verpflichtete die Klägerin, dem Beklagten Fr. 2000.-- (Verspätungsschaden) nebst Zins zu bezahlen.
D.-
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung eingereicht mit dem Antrag, es aufzuheben und die Klage zuzusprechen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.
Das Bundesgericht hebt in Gutheissung der Berufung das angefochtene Urteil auf und weist die Sache im Sinne der Erwägungen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Erwägungen:
2.
Nach der Rechtsprechung kann der Besteller vom Werkvertrag im Sinne des
Art. 366 OR
regelmässig dann zurücktreten, wenn er dem Unternehmer eine Nachfrist nach
Art. 107 Abs. 1 OR
angesetzt hat (
BGE 46 II 251
Erw. 2). Der Beklagte hatte der Klägerin, die sich nach
Art. 102 Abs. 2 OR
in Verzug befand, mit Schreiben vom 3. April 1967 eine Frist von 14 Tagen zur Fertigstellung des Hauses gesetzt, nach deren Ablauf jedoch nicht, wie
Art. 107 Abs. 2 OR
vorschreibt, unverzüglich den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Vielmehr liess er die Klägerin weiterhin arbeiten und verhandelte mit ihr mündlich und brieflich (vgl. die Schreiben vom 5., 6. und 11. April, 5. und 23. Mai 1967) über den Fortgang der Arbeiten und die Behebung von Mängeln. Im zuletzt erwähnten Schreiben führte er im einzelnen die angeblich unerledigten Arbeiten auf. Unter diesen Umständen war der am 7. Juni 1967 erklärte "Rücktritt" vom Vertrag mangels Ansetzung einer neuen Nachfrist unwirksam. Anders verhielte es sich nur dann, wenn deren Einräumung unnütz gewesen wäre (
Art. 108 Abs. 1 OR
). Das behauptet aber der Beklagte selber nicht. Die streitige Erklärung kann daher, wie der Beklagte in der Berufungsantwort in Übereinstimmung mit der Vorinstanz annimmt, nur als Rücktritt im Sinne des
Art. 377 OR
aufgefasst werden.
3.
Nach dieser Bestimmung kann der Besteller, solange das Werk unvollendet ist, nur gegen Vergütung der bereits geleisteten Arbeit und volle Schadloshaltung des Unternehmers zurücktreten. Die Rücktrittserklärung braucht, um wirksam zu sein, kein Angebot auf Ersatz des Schadens zu enthalten (
BGE 96 II 195
Erw. 3).
BGE 98 II 113 S. 116
Die Klägerin erachtet den Rücktritt als unzulässig, weil das Haus fertiggestellt gewesen sei. Sie hat jedoch behauptet und dafür Beweis angeboten, dass sie bis Ende Mai 1967 den Vertrag, abgesehen von einigen wenigen Fertigstellungsarbeiten, erfüllt habe. Das versprochene Werk war also sogar nach ihrer eigenen Darstellung nicht vollendet und konnte auch nicht im Sinne der
Art. 367 und 370 OR
abgeliefert werden (vgl.
BGE 94 II 164
Erw. 2 c). Dass die Vollendung - ob mängelfrei oder nicht bleibe dahingestellt - offenbar sehr nahe bevorstand (der Beklagte wohnte ja seit 23. Mai 1967 schon im Erdgeschoss des Neubaus), ändert nichts. Ebensowenig kommt etwas darauf an, ob der Beklagte die Arbeiter der Klägerin in der ersten Juni-Woche 1967 weggewiesen habe, wie die Klägerin behauptet. Diese - übrigens bestrittene - Tatsache hätte den Beklagten nicht daran gehindert, jederzeit vor Vollendung des Werkes nach
Art. 377 OR
vom Vertrag zurückzutreten. Die Klägerin übersieht, dass sie nach dieser Vorschrift nicht schlechter gestellt wird, als wenn sie das Werk vollendet hätte. Ihr Einwand, die Rücktrittserklärung vom 7. Juni 1967 verstosse gegen Treu und Glauben, ist daher unbegründet.
4.
Die Vorinstanz hat die Klage abgewiesen, weil nach
Art. 377 OR
der Anspruch der Klägerin auf Vergütung der bereits geleisteten Arbeit und Ersatz des Erfüllungsinteresses mit der vertraglichen Werklohnforderung nicht übereinstimme, die Klage also nicht unter Hinweis auf den Werkvertrag substantiiert werden könne. Die Klägerin hätte nach ihrem Dafürhalten dartun müssen, welche Arbeiten sie bis zum Rücktritt vom 7. Juni 1967 ausgeführt habe. Da sie dieser Pflicht nicht nachgekommen sei, liege eine ungenügende Substantiierung der Klage vor. Dieser Mangel könne durch den Antrag der Klägerin, über den Stand der Bauarbeiten vom 7. Juni 1967 eine Expertise anzuordnen, nicht behoben werden, da im Rahmen des Beweisverfahrens die Ergänzung ungenügender Sachvorbringen ausgeschlossen sei.
a) In
BGE 97 II 216
Erw. 1 wurde unter Hinweis auf die dort erwähnten früheren Entscheide des Bundesgerichts erklärt, die Behauptungs- und Substantiierungspflicht ergebe sich nicht aus
Art. 8 ZGB
, sondern gehöre dem kantonalen (Prozess-) Recht an; dieses habe folglich darüber zu befinden, wie weit die Parteien die ihre Ansprüche begründenden Tatsachen vorzubringen haben und wie weit der Richter nicht vorgebrachte
BGE 98 II 113 S. 117
Tatsachen berücksichtigen dürfe. Damit sollte indessen nur gesagt werden, das kantonale Prozessrecht entscheide ausschliesslich darüber, wie weit es den Verhandlungsgrundsatz durchführen wolle (KUMMER, N. 40 zu
Art. 8 ZGB
). Keinesfalls darf daraus abgeleitet werden (etwa aus der zum Teil missverständlichen Formulierung in
BGE 95 II 451
Erw. 4 a), die Frage, ob die Sachvorbringen einer Partei einen ihr nach Bundesrecht zustehenden Anspruch ausreichend substantiieren, entscheide sich nach kantonalem Prozessrecht. Da das Bundeszivilrecht verlangt, dass jede sich darauf gründende Rechtsbehauptung bei hinreichendem Interesse zum Urteil zuzulassen sei, entscheidet es auch darüber, ob die von einer Partei nach dem kantonalen Prozessrecht form- und fristgemäss vorgebrachten tatbeständlichen Anbringen erlauben, ihre Rechtsbehauptung zu beurteilen (vgl. KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht, S. 20 ff.). Wenn demzufolge eine kantonale Instanz eine Klage zu Unrecht mit der Begründung abweist, sie sei nicht genügend substantiiert worden, verletzt sie materielles Bundesrecht und bringt die Partei um das ihr zustehende Klagerecht.
Auf die Rüge der Klägerin, die Vorinstanz habe die Klage zu Unrecht wegen mangelnder Substantiierung abgewiesen, ist daher einzutreten.
b) Dabei fällt zunächst ins Gewicht, dass die Klägerin behauptet hat, das Haus sei Ende Mai 1967 bis auf einige wenige Fertigstellungsarbeiten vollendet gewesen. Wenn das zutraf, hatte sie jedenfalls damals eine Forderung, die nicht erheblich unter der an sich unangefochtenen Pauschalvergütung liegen und sich allenfalls nur um den Betrag vermindern konnte, den der Beklagte nach
Art. 368 Abs. 2 OR
wegen Mängeln oder Abweichungen vom Vertrag abziehen durfte. Der Beklagte hat sich in diesem Prozess zwar auf Mängel berufen, aber deswegen keinen Abzug geltend gemacht.
Bei diesem Sachverhalt kann der Auffassung der Vorinstanz, die Klägerin hätte alle erbrachten Leistungen dartun müssen, nicht beigepflichtet werden. Aus dem Werkvertrag vom 13. April 1966 waren die Arbeiten, die die Klägerin auszuführen versprochen hatte, ersichtlich. Die Behauptung der Klägerin, sie habe die vertraglichen Pflichten bis Ende Mai 1967 im wesentlichen erfüllt, betrifft eine Tatsache, über deren Vorhandensein ohne weiteres mit den von ihr angerufenen Beweismitteln (Parteibefragung,
BGE 98 II 113 S. 118
Zeugen, Augenschein und Expertise), deren Zulässigkeit die Vorinstanz an sich nicht in Frage stellt, Beweis geführt werden konnte. Mangelnde Begründung der Klage kann nicht etwa darin erblickt werden, dass die Klägerin es unterliess, die im Zeitpunkt des Rücktrittes noch ausstehenden Arbeiten im einzelnen zu bezeichnen. Die Beweisführung über ihre Behauptung hätte ohne weiteres auch Klarheit über diesen Punkt ergeben, da der Beklagte eingewendet und dafür Beweis (Gegenbeweis) angeboten hatte, dass das Haus am 7. Juni 1967 weitgehend unvollendet gewesen sei.
c) Im übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Vorbringen der Klage die Behauptung in sich schlossen, dass die Klägerin der Auffassung war, ihre aus
Art. 377 OR
fliessenden Forderungen gegen den Beklagten entsprächen dem Unterschied zwischen der vereinbarten Vergütung sowie dem Wert der zusätzlichen Arbeiten und der vom Beklagten geleisteten Anzahlung. In der Berufungsbegründung verficht die Klägerin ausdrücklich diesen Standpunkt. Sie hat damit kein neues Begehren gestellt - was gegen
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
verstiesse -, sondern die rechtliche Begründung ihres Anspruchs zulässig abgeändert (
BGE 90 II 39
Erw. 6 a,
BGE 96 II 196
ff. Erw. 4). | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
66d9ca46-b71c-46ae-a5ed-bd93652e88aa | Urteilskopf
122 III 469
85. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 23 octobre 1996 dans la cause Chanel S.A. Genève et Chanel S.A. contre EPA AG (recours en réforme) | Regeste
Parallelimporte am Rande eines selektiven Vertriebssystems - Markenrecht - unlauterer Wettbewerb.
Art. 13 Abs. 2 MSchG
in Verbindung mit
Art. 3 Abs. 1 lit. a MSchG
erlaubt dem Inhaber einer in der Schweiz geschützten Marke nicht, sich dem Parallelimport und dem Verkauf von Waren in der Schweiz zu widersetzen, die im Ausland rechtmässig mit der gleichen Marke versehen worden und genau gleich wie jene Waren beschaffen sind, die von den zum Vertriebssystem gehörenden Detaillisten angeboten werden (E. 3-5).
Die Ausnützung einer Vertragsverletzung durch einen Dritten ist nur dann unlauter im Sinne von
Art. 2 UWG
, wenn besondere Umstände vorliegen, welche dies als gegen Treu und Glauben verstossend erscheinen lassen (Bestätigung der Rechtsprechung zum aUWG). Solche Umstände können in der negativen Beeinflussung des Wettbewerbs liegen, welche das Verhalten des Dritten mit sich bringt, was aber für den Fall des Parallelimportes von Parfümeriewaren nicht zutrifft (E. 6-10). | Sachverhalt
ab Seite 470
BGE 122 III 469 S. 470
A.-
Chanel S.A., à Neuilly-sur-Seine (France) (ci-après: Chanel Paris) est titulaire de la marque internationale Chanel avec effet de protection en Suisse; sous cette marque, elle fabrique et vend ses produits de parfumerie, d'hygiène et de beauté. Chanel S.A. Genève (ci-après: Chanel Genève) est le distributeur exclusif en Suisse des produits de la marque Chanel.
Chanel S.A., à Glaris (ci-après: Chanel Glaris) est titulaire en Suisse de la marque verbale Chanel ainsi que des marques Chanel apposées, respectivement, sur un flacon et un emballage cartonné blanc aux arêtes noires; ces trois marques se trouvent en classe internationale 3 (produits de parfumerie, de beauté, de savonnerie, fards, huiles essentielles, cosmétiques, lotions pour les cheveux, dentifrices).
Comme dans les autres pays européens, les produits de la marque Chanel sont commercialisés en Suisse à travers un réseau de distribution sélective composé de détaillants agréés. Ces derniers sont liés à Chanel Genève par un contrat de distributeur agréé. Afin de contrôler le cheminement de ses produits, Chanel Paris appose différents codes sur les emballages des articles offerts sur le marché.
EPA AG, à Zurich (ci-après: EPA) ne fait pas partie des distributeurs agréés Chanel. Elle vend néanmoins dans ses magasins, à des prix avantageux, des produits de la marque Chanel qu'elle a acquis sur le marché dit parallèle. Certains des articles vendus par EPA sont décodés; il devient ainsi impossible d'identifier leur provenance.
B.-
Chanel Genève (demanderesse no 1) et Chanel Glaris (demanderesse no 2) ont introduit contre EPA une action tendant, en particulier, à faire constater le caractère illicite des importations parallèles de produits Chanel par la défenderesse, au regard du droit des marques et du droit de la concurrence déloyale.
BGE 122 III 469 S. 471
La Cour de justice du canton de Genève a débouté les demanderesses de toutes leurs conclusions.
C.-
Chanel Genève et Chanel Glaris interjettent un recours en réforme au Tribunal fédéral. EPA propose le rejet du recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
a) Selon l'arrêt attaqué, les importations parallèles par lesquelles la défenderesse s'est approvisionnée en produits Chanel consistent à écouler des biens originaux, munis de leur marque par le titulaire lui-même ou un ayant droit; les produits ainsi vendus ne sont donc pas revêtus de signes identiques à une marque antérieure au sens de l'art. 3 al. 1 let. a de la loi fédérale sur la protection des marques et des indications de provenance (LPM; RS 232.11). La Cour de justice considère que la jurisprudence du Tribunal fédéral rendue sous la loi fédérale concernant la protection des marques de fabrique et de commerce (LMF; abrogée le 1er avril 1993 par l'entrée en vigueur de la LPM) demeure valable sous le nouveau droit: les importations parallèles sont licites sauf s'il existe un risque de confusion quant à la provenance du produit. Il résulte implicitement de la décision entreprise qu'un tel risque n'existe pas en l'occurrence.
b) Les demanderesses se plaignent d'une violation des art. 3 al. 1 let. a et 13 al. 2 let. b ou d LPM. Elles estiment que les importations parallèles reprochées à la défenderesse tombent sous le coup de ces dispositions. A l'appui de leur thèse, elles citent plusieurs auteurs, qu'elles considèrent comme la doctrine majoritaire, ainsi qu'un arrêt rendu le 6 octobre 1993 par la Cour d'appel du canton de Berne.
4.
Chanel Paris et les demanderesses appartiennent au même groupe. La marque Chanel fait l'objet à la fois d'un enregistrement national, au bénéfice de la demanderesse no 2, et d'un enregistrement international, avec effet de protection en Suisse, au bénéfice de Chanel Paris, société au nom de laquelle la demanderesse no 1 prétend agir. Déposée en plusieurs lieux par deux entreprises étroitement liées l'une à l'autre, la marque Chanel entre dans la catégorie des marques de groupe (ou marques de konzern) (cf. KAMEN TROLLER, Manuel du droit suisse des biens immatériels, 2e éd. [ci-après: Manuel], tome I, p. 131).
La commercialisation, en Europe, des produits de la marque Chanel repose sur un système dit de distribution sélective: dans chaque pays, un distributeur exclusif de Chanel Paris - en Suisse,
BGE 122 III 469 S. 472
la demanderesse no 1 - fournit les articles de la marque uniquement aux détaillants agréés qui s'engagent, par contrat, à ne vendre les produits qu'au consommateur final. La défenderesse ne fait pas partie de ce réseau. Elle acquiert les articles de la marque Chanel, en Suisse et à l'étranger, sur le marché dit parallèle, approvisionné nécessairement par l'un ou l'autre des acteurs du système européen mis en place par Chanel Paris, en violation de leurs obligations contractuelles; aucun élément de l'arrêt attaqué ne laisse en effet supposer que les marchandises vendues par la défenderesse proviendraient d'un stock volé.
La présente affaire pose le problème des importations parallèles effectuées en marge d'un réseau de distribution sélective. Il y a importation parallèle lorsqu'un tiers importe en Suisse, sans le consentement du titulaire suisse de la marque, un produit original qui, à l'étranger, a été muni de la même marque originale et mis en circulation avec le consentement du titulaire étranger de la marque ou de son ayant droit (NORDMANN-ZIMMERMANN, Importations parallèles et droit des marques, in "Conflit entre importations parallèles et propriété intellectuelle?" Actes du colloque de Lausanne, Comparativa no 60, 1996, p. 11; TROLLER, Manuel, tome I, p. 488; MARBACH, Markenrecht, in SIWR III [ci-après: Markenrecht], p. 203; BIERI-GUT, Rechtsprobleme beim Absatz auf grauen Märkten [ci-après: Rechtsprobleme], p. 11).
Les importations parallèles tombent-elles sous le coup de la LPM? La doctrine et la jurisprudence cantonale sont divisées à ce sujet. Selon certains auteurs, l'art. 13 al. 2 let. b et d LPM permet assurément au titulaire suisse de la marque de s'opposer à l'importation et à la vente en Suisse de produits émanant du marché parallèle, qui doivent être considérés comme revêtus de signes identiques à la marque protégée en Suisse au sens de l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
(TROLLER, Manuel, tome I, p. 489/490; LUCAS DAVID, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bâle 1994, n. 17 ad
art. 13 LPM
; le même, Das neue Markenschutzgesetz: Änderungen aus der Sicht des Praktikers, in RSJ/SJZ 89 (1993), p. 111; PETER V. KUNZ, Parallelimporte und selektive Vertriebssysteme nach revidiertem Markenrecht, in recht 1994, p. 223 ss; LEONZ MEYER, Schutz selektiver Vertriebssysteme durch das Markenschutzgesetz, in RSJ/SJZ 90 (1994), p. 94 ss; GEORG RAUBER, Das neue Markenrecht: Mittel gegen Parallelimporte?, in PJA/AJP 5/1993, p. 539 ss; RUDOLF TSCHÄNI, Parallelimporte und das neue Markenschutzgesetz, in RSDA/SZW 1994, p. 178 ss). La Cour d'appel du canton de Berne a approuvé
BGE 122 III 469 S. 473
cette thèse dans une décision "Pentax" du 6 octobre 1993 (publiée in RSPI/SMI 1995, p. 133 ss).
D'autres auteurs contestent en revanche l'application de l'
art. 13 al. 2 LPM
en liaison avec l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
aux importations parallèles de produits originaux, identiques à ceux diffusés en Suisse par le titulaire de la marque suisse. Ils considèrent notamment que le droit des marques, par sa ratio même, ne saurait être utilisé pour lutter contre les importations parallèles, que ce droit n'a pas pour mission de protéger les canaux de distribution imposés par le titulaire de la marque ou encore qu'une interdiction absolue des importations parallèles ne serait pas compatible avec la liberté du commerce et de l'industrie garantie par l'
art. 31 Cst.
ni avec certains traités internationaux (DUTOIT, Les importations parallèles au crible de quel droit?, in Comparativa no 60 déjà cité [ci-après: Comparativa], p. 98; le même, Les contrats de concession exclusive et de distribution sélective sous le double projecteur du droit suisse et du droit européen des ententes, in RDS/ZSR 112 (1993), p. 391-393; NORDMANN-ZIMMERMANN, op.cit., p. 19 ss; MARBACH, Markenrecht, p. 203/204; THOMAS COTTIER, Das Problem der Parallelimporte im Freihandelsabkommen Schweiz-EG und im Recht der WTO-GATT, in RSPI/SMI 1995, p. 37 ss; ZÄCH, Recht auf Parallelimporte und Immaterialgüterrecht, in RSJ/SJZ 91 (1995), p. 301 ss; AUGUST ROSENKRANZ, Parallelimporte und das neue Markenschutzgesetz, in RSDA/SZW 1994, p. 120 ss; BIERI-GUT, Parallelimport und Immaterialgüterrechte nach schweizerischen Spezialgesetzen und dem Recht der EU, in PJA/AJP 1996, p. 566; la même, Rechtsprobleme, p. 264 ss, sp. p. 276;). Une décision saint-galloise dans une affaire "Nikon" (publiée in RSPI/SMI 1995, p. 126 ss) et deux décisions zurichoises dans des affaires "Timberland" et "Head" (publiées à la fois in RSPI/SMI 1995, p. 107 ss et in ZR 93 (1994), p. 205 ss) sont fondées sur cette opinion.
5.
Selon l'
art. 13 al. 2 LPM
, le titulaire de la marque peut interdire à des tiers d'user des signes dont la protection est exclue en vertu de l'
art. 3 al. 1 LPM
, en particulier d'utiliser le signe concerné pour offrir des produits, les mettre dans le commerce ou les détenir à cette fin (let. b) ou pour importer ou exporter des produits (let. d). Parmi les signes exclus de la protection légale, l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
range les signes identiques à une marque antérieure et destinés à des produits ou services identiques; l'
art. 3 al. 2 let. a LPM
qualifie d'antérieure la marque déposée ou enregistrée qui donne naissance à un droit de priorité au sens de la LPM.
BGE 122 III 469 S. 474
A la lecture de ces dispositions, il n'est pas possible de dire d'emblée si elles ont vocation à s'appliquer aux importations parallèles. A défaut d'une réponse expresse dans la loi, il convient de procéder par voie d'interprétation.
a) La loi s'interprète en premier lieu d'après sa lettre (interprétation littérale). Si le texte légal n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, le juge recherchera la véritable portée de la norme, en la dégageant de sa relation avec d'autres dispositions légales, de son contexte (interprétation systématique), du but poursuivi, singulièrement de l'intérêt protégé, (interprétation téléologique) ainsi que de la volonté du législateur telle qu'elle ressort notamment des travaux préparatoires (interprétation historique) (
ATF 122 III 324
consid. 7a;
121 III 408
consid. 4b;
ATF 121 V 58
consid. 3b p. 60;
ATF 119 II 353
consid. 5 p. 355;
119 Ia 241
consid. 7a p. 248;
ATF 118 Ib 448
consid. 3c p. 452;
ATF 117 Ia 328
consid. 3a p. 331 et les arrêts cités). Les travaux préparatoires seront toutefois pris en considération seulement lorsqu'ils donnent une réponse claire à une disposition légale ambiguë et qu'ils ont trouvé expression dans le texte même de la loi (
ATF 122 III 324
consid. 7a;
ATF 116 II 525
consid. 2b p. 527;
ATF 114 Ia 191
consid. 3b/bb p. 196).
En outre, si plusieurs interprétations sont admissibles, il convient de choisir celle qui est conforme à la constitution. En effet, même s'il ne peut pas examiner la constitutionnalité des lois fédérales (
art. 113 al. 3 Cst.
), le Tribunal fédéral partira de l'idée que le législateur ne propose pas de solution incompatible avec la constitution, à moins que le contraire ne résulte clairement de la lettre ou de l'esprit de la loi (
ATF 119 Ia 241
consid. 7a et les références).
b) Avant de déterminer le sens réel des art. 3 al. 1 let. a et 13 al. 2 LPM, il y a lieu de rappeler la jurisprudence rendue sous l'empire de la LMF. L'
art. 24 let
. c LMF permettait de poursuivre par la voie civile ou pénale celui qui avait vendu, mis en vente ou en circulation des produits ou marchandises revêtus d'une marque qu'il savait être contrefaite, imitée ou indûment apposée. En vertu du principe de la territorialité, une marque protégée en Suisse était considérée comme "indûment apposée" lorsqu'elle avait été mise à l'étranger, fût-ce de manière licite, sur des marchandises importées en Suisse contre le gré du titulaire suisse de la marque. Mais la réalisation de cette condition ne suffisait pas à rendre les importations parallèles illicites au regard du droit suisse des marques. En effet, rejetant l'interprétation littérale de l'
art. 24 let
. c LMF, le Tribunal fédéral a toujours limité l'application de cette disposition aux cas où le public
BGE 122 III 469 S. 475
suisse risquait d'être induit en erreur, reprenant ainsi la condition figurant expressément à l'
art. 24 let. a LMF
(
ATF 105 II 49
consid. 1a et b [Omo];
86 II 270
consid. 3b p. 279 [Philips];
ATF 84 IV 119
consid. 2 [Saba] entre autres). Cela signifie en particulier que le titulaire suisse d'une marque de konzern ne pouvait pas s'opposer à la diffusion en Suisse de produits du groupe revêtus à l'étranger de la même marque et importés sans son assentiment lorsque, dans l'esprit du public suisse, la marque renvoyait non pas à son entreprise, mais à n'importe quelle société du groupe (
ATF 105 II 49
consid. 1b in fine;
ATF 86 II 270
consid. 3f et g). A l'inverse, le risque de confusion était réalisé lorsque le produit émanant d'une filiale étrangère du groupe et vendu en Suisse sous la même marque que le produit suisse ne présentait pas les mêmes qualités et caractéristiques que le produit commercialisé par le titulaire suisse de la marque (
ATF 105 II 49
consid. 2b).
En résumé, le Tribunal fédéral a admis la licéité des importations parallèles au regard de la LMF, pour autant que le consommateur suisse ne puisse pas être trompé sur la provenance du produit et/ou sur sa qualité.
Cette jurisprudence ne peut être reprise sans autre sous le nouveau droit, car l'
art. 13 LPM
, en combinaison avec l'
art. 3 LPM
, ne correspond à l'
art. 24 LMF
ni par sa structure, ni par sa teneur; il ne contient pas, en particulier, la notion de marque "indûment apposée".
c) Les tenants de l'interdiction des importations parallèles par le biais du droit des marques fondent leur thèse sur une interprétation littérale de l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
. Les produits importés parallèlement entreraient dans le cadre de cette disposition, car ils seraient à la fois pourvus de signes identiques à la marque protégée en Suisse et identiques aux produits vendus sous la marque suisse. Ces auteurs font observer au surplus que l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
ne mentionne pas le risque de confusion, contrairement aux let. b et c de la même disposition; ils excluent ainsi l'application de la jurisprudence rendue sous l'ancien droit, qui ne prohibait les importations parallèles qu'en présence d'un risque de confusion (TROLLER, Manuel, tome I, p. 487/488; DAVID, op.cit., n. 17 ad art. 13; KUNZ, op.cit., p. 223; MEYER, op.cit., p. 95; RAUBER, op.cit., p. 539; TSCHÄNI, op.cit., p. 179). Il s'ensuivrait que le titulaire suisse de la marque peut s'opposer aux importations parallèles sur la base de l'
art. 13 al. 2 LPM
.
d) Il est vrai que l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
ne contient pas de référence au risque de confusion. Une partie de la doctrine est d'avis que cette exigence est présumée en cas de signes identiques apposés sur
BGE 122 III 469 S. 476
une marchandise identique et qu'un importateur parallèle devrait par conséquent pouvoir renverser la présomption en prouvant l'absence d'un risque de confusion (COTTIER, op.cit., p. 56, qui interprète l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
à la lumière de l'art. 16 de l'accord TRIPS; MARBACH, Markenrecht, p. 100; ROSENKRANZ, op.cit., p. 122). Cette opinion se heurte toutefois à la volonté clairement affichée dans le message du 21 novembre 1990 concernant la LPM. Commentant l'art. 3 du projet, le Conseil fédéral note en effet que cette prescription renforce la position juridique du titulaire de la marque, qui ne sera plus tenu de fournir la preuve que le public a été trompé sur la provenance des biens ou des services en cause (FF 1991 I, p. 20). Plus loin, il affirme que le nouveau droit renforcera encore la position du titulaire en lui conférant un caractère absolu, désormais indépendant de l'existence d'un risque de tromperie quant à la provenance industrielle des produits (FF 1991 I, p. 56).
L'absence de référence au risque de confusion à l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
ne signifie pas pour autant l'interdiction absolue des importations parallèles. Certes, deux passages du message le laissent entendre. Ainsi, l'importance pratique de cette nouvelle disposition concernerait en particulier la circulation internationale des produits; le message renvoie sur ce point au chapitre sur le principe de l'épuisement, relié au problème des importations parallèles, ainsi qu'à l'ATF "Omo" déjà cité (FF 1991 I, p. 20). Partant de l'idée que le Tribunal fédéral maintiendra sa jurisprudence, reposant sur le principe de l'épuisement limité à la Suisse, le Conseil fédéral ajoute que le titulaire d'une marque suisse pourra continuer à s'opposer à ce qu'elle soit utilisée en relation avec des produits mis en circulation hors de Suisse avec ou sans son consentement (FF 1991 I, p. 56).
Cependant, le message n'est pas exempt de contradictions sur cette question. En effet, à d'autres endroits, le Conseil fédéral explique avoir renoncé à proposer une réglementation législative du principe de l'épuisement international et s'être rallié aux opposants qui souhaitaient que le Tribunal fédéral conserve sa jurisprudence actuelle afin de tenir compte des circonstances particulières. Or, sans reconnaître expressément le principe de l'épuisement international, cette jurisprudence autorise précisément les importations parallèles dans certains cas, notamment lorsqu'il faut prendre en considération des réglementations découlant de traités internationaux, dans la mesure où le public suisse n'est pas induit en erreur (FF 1991 I, p. 14). En outre, le Conseiller fédéral Koller a confirmé cette position devant le Conseil des Etats; il a affirmé clairement que la jurisprudence du
BGE 122 III 469 S. 477
Tribunal fédéral, en autorisant les importations parallèles qui n'induisent pas en erreur le public suisse, était mieux à même de tenir compte des circonstances de chaque cas particulier que l'ancrage du principe de l'épuisement international dans la loi (BO CE 1992, p. 23).
Sur le vu de ces différents éléments, on ne saurait déduire de l'absence de mention du risque de confusion à l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
une volonté claire du législateur d'interdire systématiquement les importations parallèles.
Un autre argument vient du reste appuyer ce point de vue. Le problème des importations parallèles était connu de longue date au moment de la préparation de la nouvelle loi. Conscient de cet état de choses, le législateur n'aurait donc pas manqué d'interdire expressément toutes les importations parallèles si telle avait été sa volonté. De plus, aucune discussion parlementaire n'a eu lieu sur ce sujet qui divise à présent la doctrine, ce qui confirme que l'intention des Chambres fédérales n'était pas de rompre avec la jurisprudence suivie jusqu'alors en prohibant les importations parallèles de manière absolue.
e) Une analyse plus approfondie des termes mêmes de l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
permet également de douter du bien-fondé de l'interprétation défendue par les partisans de l'interdiction des importations parallèles.
La formule utilisée dans cette disposition - "les signes identiques à une marque antérieure et destinés à des produits ou services identiques" - concerne typiquement l'apposition d'une marque protégée par un tiers sur sa propre marchandise ou ses propres services ainsi que le piratage. Il convient de noter au passage que, dans ce dernier cas, l'acquéreur sait en général, notamment en raison du prix demandé, qu'il n'a pas affaire au produit de marque original; c'est pourquoi le titulaire de la marque protégée doit pouvoir invoquer l'
art. 13 LPM
en liaison avec l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
pour se défendre contre ce genre de pratique, même si le risque de confusion n'existe pas concrètement (cf. FF 1991 I, p. 20).
Les situations décrites ci-dessus mettent clairement en jeu une marque antérieure et une marque postérieure. Elles opposent nécessairement deux personnes juridiques: la personne titulaire de la marque protégée et celle qui a fait usage de signes identiques à la marque protégée. En effet, a priori, il n'y a de sens à exclure la protection légale que si l'apposition des signes identiques à une marque protégée est le fait d'une personne juridique autre que le titulaire de
BGE 122 III 469 S. 478
la marque. Or, en cas d'importations parallèles en marge d'un réseau de distribution sélective comme celui instauré par le groupe Chanel, c'est bien le fabricant titulaire de la marque qui a apposé celle-ci sur le produit original; on ne saurait parler d'une marque antérieure et d'une marque postérieure.
Pour tenir compte de cette dualité, l'interprétation littérale de l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
défendue par les partisans de l'interdiction des importations parallèles repose sur une vision absolue du principe de la territorialité: la marque apposée licitement à l'étranger sur le produit original n'est pas celle qui est protégée en Suisse; peu importe que l'apposition de la marque et la commercialisation du produit à l'étranger aient été effectuées par le titulaire suisse ou par une personne juridique qui lui est liée étroitement. Cette distinction apparaît toutefois artificielle et peu satisfaisante. On touche ici à la relation entre le principe de la territorialité et le principe de l'épuisement des droits de la marque.
La règle de l'épuisement veut que le droit exclusif de commercialisation d'un bien protégé par un droit de propriété intellectuelle s'épuise à la première mise en circulation par laquelle le bien est aliéné de manière licite (arrêt non publié du 3 mars 1992 dans la cause 4P.189/1991 consid. 5b/aa; entre autres, GRAZ, Propriété intellectuelle et libre circulation des marchandises, thèse Lausanne 1988, p. 62-63 et p. 68-70). L'épuisement sera national, régional ou international selon l'espace déterminant pour la première mise en circulation. Ainsi, il y a épuisement national lorsque seule la première mise en circulation dans l'Etat qui confère la protection fait perdre au titulaire les droits découlant de la marque nationale quant à ce produit. En revanche, il y a épuisement international lorsque la première mise en circulation du produit de marque dans n'importe quel Etat a pour conséquence de faire perdre au titulaire de la marque nationale les droits relatifs à ce produit (COTTIER/STUCKI, Parallelimporte im Patent-, Urheber- und Muster- und Modellrecht aus europarechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, in Comparativa no 60 déjà cité, p. 35; NORDMANN-ZIMMERMANN, op.cit., p. 11-12).
La LPM ne mentionne pas le principe de l'épuisement. Il est toutefois incontesté que cette règle s'applique en tout cas sur le plan national. A ce stade, il convient de garder à l'esprit que le titulaire d'une marque de produits distribués à travers un réseau fermé entend se défendre contre toute vente en dehors de ce réseau. Or, en vertu du principe de l'épuisement national, le titulaire de la marque nationale pourrait certes s'opposer à des importations parallèles, mais
BGE 122 III 469 S. 479
serait dépourvu des moyens du droit des marques si, par hypothèse, le revendeur parallèle se fournissait en Suisse chez un distributeur agréé. L'application des
art. 3 al. 1 let. a et 13 LPM
n'apparaît dès lors pas comme un moyen adéquat pour lutter contre toutes les ventes hors d'un réseau de distribution sélective.
Par ailleurs, le principe de la territorialité, qui a pour effet de limiter l'application du droit suisse des marques au territoire national, ne s'oppose pas à ce que le droit suisse prenne en compte des éléments de fait qui se sont déroulés à l'étranger (NORDMANN-ZIMMERMANN, op.cit., p. 12; COTTIER, op.cit., p. 41; GRAZ, op.cit., p. 28, p. 76 et p. 82). Ce principe n'empêche dès lors pas la reconnaissance d'un épuisement international dans certains cas, ainsi lorsque la mise en circulation d'un produit, correspondant en tous points à celui vendu en Suisse, a eu lieu à l'étranger, par une personne juridique faisant partie du même groupe que le titulaire de la marque protégée sur le plan national.
f) L'interdiction absolue des importations parallèles ne se justifie pas non plus sur la base d'une interprétation téléologique de la LPM.
Selon l'
art. 1er al. 1 LPM
, la marque a pour fonction de distinguer les produits ou les services d'une entreprise de ceux d'autres entreprises. Son but est d'individualiser les marchandises ainsi désignées et de les différencier des autres produits, de telle sorte que le consommateur puisse retrouver, dans l'abondance de l'offre, un produit qu'il a apprécié (ATF 122 III no 70 du 15 octobre 1996 dans la cause Asta Medica contre Robugen consid. 1;
119 II 473
consid. 2c p. 475). La loi protège ainsi les fonctions de distinction et d'indication de provenance de la marque (Message précité, in FF 1991 I, p. 18).
Or, lorsque, comme en l'espèce, elle est apposée sur des produits originaux attribués par le public à un groupe de sociétés, la marque remplit bel et bien ces fonctions, même si les articles sont parvenus en Suisse par des importations parallèles (cf. MARBACH, Markenrecht, p. 204; DUTOIT, op.cit., in RDS/ZSR 112 (1993), p. 392; décisions "Timberland" et "Head" précitées, consid. 7cc). En revanche, les autres fonctions de la marque, comme celles de garantir une qualité constante ou de provoquer un impact publicitaire, ne bénéficient d'aucune protection en tant que telles (Message précité, in FF 1991 I, p. 18). La LPM n'apparaît ainsi pas comme un instrument qui permettrait au titulaire de la marque de contrôler toute la chaîne de distribution de ses produits (ROSENKRANZ, op.cit., p. 122; cf. également GRAZ, op.cit., p. 62).
BGE 122 III 469 S. 480
g) La même conclusion s'impose si l'on se fonde sur une interprétation systématique.
aa) Garantie par l'
art. 31 Cst.
, la liberté du commerce et de l'industrie comprend la liberté des relations économiques avec l'étranger, dont la liberté d'exporter et d'importer des produits originaux munis de leur marque (ZÄCH, op.cit., p. 305-308; cf. également BIERI-GUT, op.cit., in PJA/AJP 1996, p. 566 et NORDMANN-ZIMMERMANN, op.cit., p. 20). Une prohibition absolue des importations parallèles apparaîtrait ainsi comme une atteinte à la liberté du commerce et de l'industrie. Dans ces conditions, le Tribunal fédéral ne saurait, parmi plusieurs interprétations de l'
art. 3 al. 1 let. a LPM
en liaison avec l'
art. 13 LPM
, choisir celle qui se révèle incompatible avec la garantie de l'
art. 31 Cst.
bb) Les demanderesses invoquent non seulement la LPM, mais également, de manière toute générale, l'accord du GATT/OMC sur les aspects des droits de propriété intellectuelle qui touchent au commerce (ci-après: accord TRIPS; in FF 1994 IV, p. 800 ss et in RO 1995 p. 2483 ss). Elles se prévalent d'un renforcement des droits du titulaire de la marque, sans développer plus avant leur raisonnement. Le grief apparaît ainsi incompréhensible et, partant, irrecevable (
art. 55 al. 1 let
. c OJ).
Au demeurant, on ne peut déduire de l'art. 16 ch. 1 de l'accord TRIPS une interdiction systématique des importations parallèles. En effet, cette disposition prévoit que le titulaire d'une marque enregistrée aura le droit exclusif d'empêcher tous les tiers agissant sans son consentement de faire usage, au cours d'opérations commerciales, de signes identiques ou similaires pour des produits ou des services identiques ou similaires à ceux pour lesquels la marque est enregistrée, dans les cas où un tel usage entraînerait un risque de confusion, qui est présumé en cas d'usage d'un signe identique pour des produits ou services identiques. Il est donc toujours loisible à l'importateur parallèle de prouver l'inexistence d'un risque de confusion, auquel cas son activité ne serait pas contraire à l'art. 16 de l'accord TRIPS.
h) Sur la base de ces différentes interprétations, force est de conclure que la LPM n'offre aucun moyen au titulaire d'une marque protégée en Suisse de se défendre contre l'importation parallèle, en marge d'un réseau de distribution sélective, de produits munis licitement de la même marque à l'étranger et rigoureusement semblables à ceux vendus par les distributeurs agréés. Les demanderesses ne peuvent dès lors invoquer la protection du droit des marques pour s'opposer à la vente des produits Chanel par la défenderesse.
BGE 122 III 469 S. 481
Le présent cas se distingue des importations parallèles, sous la même marque, de produits certes identiques, mais dont les composants ne correspondent pas exactement à ceux du produit vendu en Suisse (cf. ATF "Omo" précité). Le comportement d'une société du groupe, à l'étranger, peut-il être alors imputé au titulaire suisse de la marque? Y a-t-il une lacune de la LPM à combler par référence à la jurisprudence rendue sous l'ancien droit, qui prenait en compte le risque de tromperie (cf. BIERI-GUT, Rechtsprobleme, p. 276)? Il n'est pas nécessaire de trancher cette question en l'espèce.
En conclusion, le recours apparaît mal fondé dans la mesure où les demanderesses se plaignent d'une violation de la LPM.
6.
a) Appliquant la jurisprudence de l'arrêt publié aux
ATF 114 II 91
("Dior") en matière de concurrence déloyale, la cour cantonale a considéré que la défenderesse n'agissait pas de manière déloyale en exploitant la violation de leurs obligations contractuelles par un ou plusieurs membres du réseau de distribution sélective mis en place par le groupe Chanel. En effet, ni la vente au-dessous du prix fixé par le fabricant, ni le maquillage des codes de contrôle, ni l'absence de prospectus ne constituent des circonstances particulières qui sont de nature à rendre déloyal et, partant, illicite le comportement de la défenderesse.
b) Les demanderesses reprochent à la Cour de justice une violation de la loi fédérale contre la concurrence déloyale (LCD; RS 241). A leur avis, le comportement de la défenderesse se révèle déloyal à plusieurs titres. Premièrement, les altérations subies par les emballages vendus dans les magasins EPA constitueraient une atteinte considérable à l'image de marque des produits Chanel et tomberaient par conséquent sous le coup de la clause générale de l'
art. 2 LCD
. Par ailleurs, en utilisant systématiquement et régulièrement les violations du système de distribution sélective commises par un ou plusieurs détaillants agréés, la défenderesse se rendrait coupable de parasitisme, acte déloyal au sens de l'
art. 2 LCD
. Cette attitude réaliserait au surplus les conditions d'application de l'
art. 5 let. b LCD
, qualifiant de déloyale l'exploitation d'une prestation d'autrui. Enfin, le comportement de la défenderesse serait également déloyal au regard de la jurisprudence rendue sous l'ancienne loi fédérale sur la concurrence déloyale (aLCD). En effet, la vente de produits Chanel dans les magasins EPA est entourée de circonstances aggravantes - comme l'altération de la marque et de l'emballage ou encore la suppression des numéros de contrôle et du prospectus -, propres à mettre en danger le bon renom de la marque.
BGE 122 III 469 S. 482
7.
Comme l'aLCD, la LCD fournit tout d'abord une définition générale du comportement déloyal (art. 2) avant de dresser une liste exemplative de cas de concurrence déloyale (art. 3 à 8). L'
art. 2 LCD
qualifie de déloyal et illicite tout comportement ou pratique commercial qui est trompeur ou qui contrevient de toute autre manière aux règles de la bonne foi et qui influe sur les rapports entre concurrents ou entre fournisseurs et clients. Pour sa part, l'
art. 1er al. 1 aLCD
considérait comme déloyal tout abus de la concurrence économique résultant d'une tromperie ou d'un autre procédé contraire aux règles de la bonne foi.
L'arrêt "Dior" déjà cité présente un état de fait similaire à la présente espèce. Prononcé le 24 mars 1988, le même jour que deux autres arrêts non publiés dans les causes C.467/1987 et C.487/1987 ("Jil Sander"), il a été rendu en application de l'ancien droit; le nouveau droit, entré en vigueur trois semaines plus tôt, a toutefois été pris en compte pour interpréter l'aLCD, en particulier pour mieux discerner la frontière entre concurrence licite et concurrence déloyale au sens de la clause générale (
ATF 114 II 91
consid. 1 p. 94). Tout en reconnaissant le caractère licite du système de distribution sélective, le Tribunal fédéral a rejeté l'argument selon lequel n'importe quelle atteinte à un tel réseau serait illicite (même arrêt consid. 2 p. 95). Il a constaté ensuite que la partie défenderesse ne pouvait vendre des produits Dior que si des partenaires de la maison Dior violaient leurs obligations contractuelles envers celle-ci. Après un examen approfondi, il est parvenu à la conclusion, conforme à une jurisprudence constante et à la doctrine dominante, qu'une atteinte portée par un tiers à des droits relatifs ne constituait un acte de concurrence déloyale au sens de l'
art. 1er al. 1 aLCD
que si des circonstances particulières faisaient apparaître le comportement du tiers comme contraire aux règles de la bonne foi (même arrêt consid. 4a/dd p. 100/101). La simple exploitation de la violation d'engagements contractuels liés à un réseau de distribution fermé n'est dès lors pas contraire à l'
art. 1er al. 1 aLCD
(même arrêt consid. 4b p. 101 et les arrêts cités). Le Tribunal fédéral a nié au surplus l'existence de circonstances propres à rendre un comportement contraire à la bonne foi en cas d'enlèvement des codes de contrôle, pour autant que la qualité de la marchandise ne subisse pas de modifications ou que le fabricant ne puisse pas faire valoir un intérêt digne de protection à une présentation intacte de son produit (même arrêt consid. 5a p. 103; cf. également
ATF 86 II 108
consid. 2a p. 112). De même, le maintien, sur les produits importés parallèlement, de la mention selon
BGE 122 III 469 S. 483
laquelle seuls les distributeurs agréés peuvent vendre lesdits articles, ne constitue pas une circonstance particulière qui fonderait l'illicéité (même arrêt consid. 5b p. 104/105).
8.
Avant d'examiner si la jurisprudence relative à la clause générale reste valable sous l'empire du nouveau droit, il convient de se demander si le comportement reproché à la défenderesse ne tombe pas sous le coup d'une disposition spéciale, soit l'
art. 4 let. a LCD
ou, comme les demanderesses le prétendent, l'
art. 5 let. b LCD
.
a) L'
art. 4 let. a LCD
englobe dans les comportements déloyaux celui qui consiste à inciter un client à rompre un contrat en vue d'en conclure un autre avec lui. Selon l'interprétation déjà donnée par la jurisprudence, les autres cas d'incitation à violer un contrat rentrent, le cas échéant, dans le cadre de la clause générale, comme sous l'ancien droit (
ATF 114 II 91
consid. 4a/bb p. 99; cf. BÄR, Die privatrechtliche Rechtsprechung des BGer 1988, in RJB/ZBJV 126 (1990), p. 288). L'
art. 4 let. a LCD
n'est dès lors pas applicable en l'espèce, puisque l'importateur ou le revendeur parallèle n'incite pas son fournisseur à rompre un contrat pour en conclure un autre avec lui.
En outre, les constatations souveraines de la cour cantonale ne contiennent aucun élément donnant à penser que la défenderesse aurait incité un membre du réseau de distribution sélective Chanel à violer ses obligations contractuelles pour lui fournir des produits de marque. Sous cet angle-là, la clause générale n'entre pas non plus en ligne de compte.
b) L'
art. 5 let. b LCD
qualifie de déloyale l'action de celui qui exploite le résultat du travail d'un tiers, par exemple des offres, des calculs ou des plans, bien qu'il sache que ce résultat lui a été remis ou rendu accessible de façon indue.
Selon certains auteurs, cette disposition s'applique au comportement parasitaire des importateurs parallèles, qui utilisent systématiquement et de façon continue la violation d'un système de distribution sélective commise par un ou plusieurs distributeurs agréés. Dans cette perspective, la réputation du produit de marque, découlant des efforts du producteur, doit être qualifié de "résultat d'un travail" au sens de l'
art. 5 LCD
(DUTOIT, Comparativa, p. 102; le même, op.cit., in RDS/ZSR 112 (1993), p. 388-389; le même, Note sur les trois arrêts précités du 24 mars 1988, in SAS/SAG 1989, p. 114; KAMEN TROLLER, Aperçu de divers problèmes juridiques au sujet de la protection des systèmes de distribution sélective notamment dans le domaine des produits de consommation de luxe, in RSPI/SMI 1987, p. 38-39).
BGE 122 III 469 S. 484
Conformément à sa note marginale, l'
art. 5 LCD
concerne l'exploitation d'une prestation d'autrui. La jurisprudence entend par prestation le résultat d'un travail, soit le produit d'un effort intellectuel et/ou matériel qui n'est pas protégé en tant que tel en dehors du champ d'application de la législation spéciale sur la protection des biens immatériels (
ATF 117 II 199
consid. 2a/ee p. 202 et les références). En revanche, une simple idée peut être exploitée par un tiers, même si elle est fixée par la suite (Message à l'appui d'une loi fédérale contre la concurrence déloyale, in FF 1983 II, p. 1103). Ainsi l'idée du dépannage n'est pas protégée en droit de la concurrence (
ATF 117 II 199
consid. 2a/ee p. 203). Les cas concernés par l'
art. 5 LCD
touchent d'une part au domaine des relations précontractuelles; ainsi, un bureau d'ingénieurs établit sans frais pour un client potentiel une offre détaillée comprenant des calculs compliqués, qui sont utilisés en définitive par le concurrent finalement mandaté par le client. D'autre part, dans le domaine extracontractuel, l'
art. 5 LCD
vise le comportement des "pirates" qui, par exemple, reproduisent des enregistrements ou copient des livres dont le contenu n'est pas protégé par la législation sur les droits d'auteur (cf. MARTIN-ACHARD, La loi fédérale contre la concurrence déloyale du 19 décembre 1986 (LCD), p. 78, qui se réfère aux travaux de la commission d'experts).
En l'espèce, le comportement reproché à la défenderesse n'entre pas dans le champ d'application de l'
art. 5 LCD
tel que délimité ci-dessus. En effet, la réputation d'un produit ne saurait être assimilée au résultat d'un travail, défini comme une prestation. Preuve en est que le renom d'un produit de marque ne peut être remis à un tiers ou lui être rendu accessible, comme l'
art. 5 al. 2 LCD
le suppose. La cour cantonale n'a dès lors pas violé cette disposition en ne retenant pas un acte déloyal de la défenderesse.
9.
a) Selon l'approche fonctionnelle, la distinction entre concurrence loyale et concurrence déloyale doit se faire en tenant compte des résultats qu'on est en droit d'escompter dans un système où la concurrence fonctionne bien. Ainsi, un acte de concurrence devient déloyal lorsqu'il met en péril la concurrence en tant que telle ou lorsqu'il déjoue les résultats attendus par ladite concurrence (Message précité, in FF 1983 II, p. 1068 et les références doctrinales). Par rapport à l'ancien droit, la LCD accentue l'orientation fonctionnelle de la loi (FF 1983 II, p. 1069). Ainsi, l'
art. 1er LCD
énonce expressément le but de la loi, soit garantir une concurrence loyale et qui ne soit pas faussée, dans l'intérêt de toutes les parties concernées; quant
BGE 122 III 469 S. 485
à l'
art. 2 LCD
, il mentionne les sujets protégés, en qualifiant de déloyal l'acte contraire aux règles de la bonne foi et qui influe sur les rapports entre concurrents ou entre fournisseurs et clients. Selon la volonté exprimée clairement dans le message, la LCD et, plus particulièrement, la clause générale sont désormais mieux accessibles à une interprétation fonctionnelle, tenant compte - indépendamment des critères propres à la morale des affaires - des résultats escomptés dans un système où la concurrence fonctionne bien (FF 1983 II, p. 1069).
b) D'aucuns défendent la thèse selon laquelle la LCD, comprise dans une perspective fonctionnelle, doit permettre d'intervenir contre l'utilisation, par des tiers, de la violation d'un système de distribution sélective (DUTOIT, op.cit., in SAS/SAG 1989, p. 115; BAUDENBACHER, Zum Schutz selektiver Vertriebssysteme im schweizerischen Recht, in GRUR Int. 1988, p. 933). Ce dernier auteur met l'accent sur le fait que, dans les arrêts non publiés "Jil Sander", déjà cités, le Tribunal fédéral a rejeté le moyen fondé sur la notion fonctionnelle de la concurrence, tout en soulignant qu'il n'était pas nécessaire d'examiner si le nouveau droit imposait une autre solution (ibid.).
Au contraire, MARBACH est d'avis que la conception fonctionnelle de la concurrence ne change rien au résultat auquel le Tribunal fédéral est parvenu dans l'arrêt "Dior". A son sens, il n'est pas contraire à une saine concurrence que n'importe quel vendeur soit en mesure de se procurer la marchandise qu'il souhaite offrir, même si l'intermédiaire viole pour ce faire ses obligations contractuelles (Zulässigkeit und Schutz eines selektiven Vertriebssystems, in recht 1989, p. 68 et p. 72).
10.
Il n'y a pas lieu de revenir sur la jurisprudence consacrée dans l'arrêt "Dior", selon laquelle l'exploitation par un tiers d'une violation d'obligations contractuelles n'est déloyale au sens de l'
art. 2 LCD
que si des circonstances particulières la font apparaître comme contraire à la bonne foi. Pour tenir compte de l'approche fonctionnelle voulue par le législateur, il conviendra toutefois de prendre en considération, au titre de circonstances particulières, des éventuels effets négatifs sur la concurrence induits par le comportement de l'importateur ou du revendeur parallèle.
a) En l'occurrence, la suppression des codes de contrôle interne et les altérations de l'emballage qui s'en sont suivies ainsi que l'absence de prospectus ne rendent pas déloyal le comportement de la défenderesse. D'une part, l'arrêt attaqué ne contient aucun indice
BGE 122 III 469 S. 486
laissant supposer une dégradation de la qualité des produits vendus par la défenderesse. D'autre part, selon les constatations de la cour cantonale, l'atteinte aux emballages n'apparaît pas grave au point de justifier la protection du droit de la concurrence. Selon l'expérience, les clients des magasins "discount" accordent du reste peu d'importance à l'emballage et à la présentation du produit dès l'instant où ils bénéficient d'un prix plus intéressant (
ATF 114 II 91
consid. 5a p. 104). L'absence de mode d'emploi, s'agissant de produits de parfumerie, n'est pas non plus un élément décisif à cet égard.
Par ailleurs, il ne ressort pas de l'état de fait cantonal que les articles offerts par la défenderesse porteraient une mention selon laquelle la vente ne peut intervenir que par l'intermédiaire de dépositaires agréés. Le moyen déduit d'une telle annotation se révèle par conséquent irrecevable (
art. 55 al. 1 let
. c et 63 al. 2 OJ). Au demeurant, fût-elle avérée, cette circonstance ne suffirait certainement pas pour admettre que le revendeur parallèle s'est prévalu faussement du statut de distributeur agréé (cf.
art. 3 let. b LCD
;
ATF 114 II 91
consid. 5b p. 104). Comme déjà relevé dans l'arrêt sur recours de droit public, l'existence d'importations parallèles est de notoriété publique de sorte que le client ne peut déduire, d'une simple mention figurant sur tous les produits sortis de la fabrique Chanel, la qualité de détaillant agréé du vendeur.
b) Il reste à examiner si la vente de produits Chanel en dehors du système de distribution sélective entraîne des effets néfastes sur la concurrence.
En matière de parfumerie haut de gamme, l'instauration d'un réseau de distribution sélective a pour but de préserver le prestige du produit, d'assurer un assortiment complet et de qualité constante, d'offrir si nécessaire des conseils à l'achat (GUYET, La distribution sélective en droit suisse, nouveaux développements, in RSPI/SMI 1990, p. 255), voire de maintenir des prix imposés (DUTOIT, op.cit., in SAS/SAG 1989, p. 114). La notion de "prestige" à laquelle les grands parfumeurs comme Chanel sont attachés implique prix relativement élevés et cadres de vente d'un certain standing en nombre forcément limité. Le système de distribution sélective ne tend donc pas à vendre les produits de marque dans le plus grand nombre de points de vente et au meilleur prix possible (cf. TROLLER, op.cit., in RSPI/SMI 1987, p. 26; DUTOIT, op.cit., in SAS/SAG 1989, p. 114). Au contraire, grâce aux importations parallèles, les parfums de luxe sont accessibles plus facilement à un plus grand nombre de consommateurs. Il est douteux dès lors qu'un système
BGE 122 III 469 S. 487
de distribution sélective étanche soit souhaitable dans le domaine de la parfumerie du point de vue de la politique du marché (cf. NORDMANN-ZIMMERMANN, op.cit., p. 21).
Face aux magasins "discount", les détaillants agréés ne sont pourtant pas démunis d'arguments. Ils proposent au consommateur la gamme de produits complète et un service de conseils à la clientèle; par ailleurs, même si les prix sont imposés par le distributeur exclusif, rien n'empêche le dépositaire agréé d'offrir par exemple un rabais de fidélité à ses clients.
En conclusion, la coexistence des détaillants agréés et des revendeurs parallèles apparaît comme la solution qui sauvegarde au mieux les résultats positifs qui peuvent être attendus de la libre concurrence, au bénéfice des concurrents, des acheteurs et de la collectivité en général.
c) Sur le vu de ce qui précède, c'est à bon droit que la cour cantonale a nié en l'espèce une violation de la LCD. Le recours sera ainsi rejeté dans la mesure où il est recevable. | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
66da5bdc-e3be-4aec-8c65-f45177ae90c0 | Urteilskopf
122 II 367
46. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 19. August 1996 i.S. B., C. und D. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 83 IRSG
: Anfechtung einer Schlussverfügung, Umfang der Prüfung durch das Bundesgericht.
Zulässige Rügen in einer gegen die Schlussverfügung erhobenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde;
Art. 10 Abs. 1 IRSG
ist in einer nach dem EUeR abzuwickelnden Rechtshilfesache nicht anwendbar (E. 1).
Die an die ersuchende Behörde zu übermittelnden Akten prüft das Bundesgericht nur darauf hin, ob sie im ausländischen Strafverfahren möglicherweise erheblich sind (Prüfung nur der potentiellen Erheblichkeit; E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 367
BGE 122 II 367 S. 367
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart reichte im Strafverfahren gegen R., C. und weitere Mitbeteiligte am 15. September 1994, am 5. Dezember 1994 und am
BGE 122 II 367 S. 368
5. Juli 1995 bei den schweizerischen Behörden drei Rechtshilfeersuchen ein, wobei das letzte am 6. Juli 1995 noch ergänzt wurde. Den Beschuldigten werden Widerhandlungen gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz und die deutsche Aussenwirtschaftsgesetzgebung vorgeworfen. Die Beschuldigten sollen im wesentlichen an der Lieferung einer Anlage zur Produktion von Chemiewaffen nach Libyen beteiligt sein.
Mit Verfügung vom 10. Juli 1995 trat die Bundesanwaltschaft auf das Rechtshilfeersuchen ein und bewilligte es. Sie ordnete mehrere Hausdurchsuchungen an und liess Unterlagen im Umfang von rund 100 Bundesordnern beschlagnahmen. C., V. und J. wurden einvernommen. Mit Schlussverfügung vom 8. Mai 1996 ordnete die Bundesanwaltschaft an, ein Teil der beschlagnahmten Akten werde den deutschen Behörden im Original übermittelt. Ausserdem brachte sie einen Spezialitätsvorbehalt an.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerden vom 7. Juni 1996 stellen C., B. und D. den Antrag, die Schlussverfügung der Bundesanwaltschaft sei aufzuheben und die beschlagnahmten Unterlagen seien (mit einigen Ausnahmen) nicht an die deutschen Behörden zu übermitteln.
Das Bundesgericht vereinigt die Verwaltungsgerichtsbeschwerden und weist sie ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Alle drei Verwaltungsgerichtsbeschwerden betreffen denselben Sachverhalt und lauten inhaltlich gleich. Aus prozessökonomischen Gründen sind deshalb die Beschwerden zu vereinigen und mit einem einzigen Urteil zu erledigen.
b) Die Zulässigkeit der Rechtshilfe richtet sich grundsätzlich nach dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR, SR 0.351.1) und dem zwischen der Schweiz und Deutschland hiezu abgeschlossenen Zusatzvertrag vom 13. November 1969 (SR 0.351.913.61). Das Verfahren vor den schweizerischen Behörden bestimmt sich indessen nach dem Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG, SR 351.1) und der dazugehörigen Ausführungsverordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV, SR 351.11).
c) Erachtet die ein rechtskräftig bewilligtes Rechtshilfeersuchen ausführende Behörde die Rechtshilfehandlungen als abgeschlossen, so erlässt sie eine Schlussverfügung betreffend die Übermittlung der Akten an den
BGE 122 II 367 S. 369
ersuchenden Staat (
Art. 83 IRSG
). Diese Schlussverfügung kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden, doch dürfen in diesem Stadium des Verfahrens nur noch Rügen erhoben werden, welche die Weiterleitung der beschlagnahmten Gegenstände oder Akten selbst betreffen oder welche sich auf Tatsachen beziehen, die sich während des Instruktionsverfahrens ereignet oder herausgestellt haben (
BGE 116 Ib 91
E. 1b, mit Hinweisen).
d) Die Beschwerdeführer rügen hauptsächlich, die meisten derjenigen Akten, welche die Bundesanwaltschaft den deutschen Behörden übermitteln will, würden sich nicht auf den Gegenstand des deutschen Strafverfahrens beziehen und dürften deshalb nicht übermittelt werden. Diese Rüge ist nach dem Gesagten zulässig. Nicht zulässig sind jedoch die weiteren von den Beschwerdeführern erhobenen Rügen. Soweit sie geltend machen, die Übermittlung der Akten an die deutschen Behörden sei unverhältnismässig und der Grundsatz der Spezialität werde verletzt, hätten sie die entsprechenden Rügen bereits mit einer gegen die Bewilligung der Rechtshilfe eingereichten Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben können. Insoweit sind die vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerden unzulässig. Zulässig wäre höchstens die Rüge, die Übermittlung der Akten an die deutschen Behörden sei gerade deshalb unverhältnismässig, weil sich die Akten, soweit sie bis heute bekannt sind, nicht auf das deutsche Strafverfahren bezögen; diese Rüge fällt aber mit der ohnehin zulässigen Rüge gegen die Auswahl der zu übermittelnden Akten zusammen und ist nicht für sich allein zu beurteilen.
e) Nach
Art. 103 lit. a OG
ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Aus den Beschwerdeschriften geht nicht mit letzter Deutlichkeit hervor, ob sich die Beschwerdeführer auch im Namen ihrer (nicht am deutschen Strafverfahren beteiligten) Geschäftspartner gegen die Schlussverfügung der Bundesanwaltschaft zur Wehr setzen wollen. Dazu sind sie nicht legitimiert, denn nach der zitierten Bestimmung sind sie im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur berechtigt, eigene Interessen zu verfolgen. In dieser Beziehung erweisen sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerden ebenfalls als unzulässig. Soweit indessen die Beschwerdeführer davon ausgehen, sie selbst seien im Sinne von
Art. 10 IRSG
am Strafverfahren im Ausland nicht beteiligt, sind ihre Ausführungen offensichtlich unbegründet, denn das Rechtshilfeersuchen richtet sich
BGE 122 II 367 S. 370
ausdrücklich auch gegen C. (im vorliegenden Verfahren Beschwerdeführer 1). Im übrigen ist
Art. 10 Abs. 1 IRSG
in einer nach dem EUeR abzuwickelnden Rechtshilfesache nicht direkt anwendbar (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 30. Mai 1995 i.S. L., E. 2b, mit Hinweis).
2.
a) Die Beschwerdeführer rügen, ausser den von ihnen im einzelnen aufgeführten Aktenstücken, gegen deren Übermittlung an die deutschen Behörden sie nichts einzuwenden hätten, seien alle anderen Akten, welche die Bundesanwaltschaft übermitteln wolle, im deutschen Strafverfahren nicht von Interesse. Dabei handle es sich um Unterlagen der 20jährigen Holdinggesellschaft D. sowie um private Unterlagen ihres Verwaltungsrates und um Disketten mit den Kunden der international tätigen Treuhandgesellschaft B.
Das Bundesamt für Polizeiwesen hält dieser Darstellung entgegen, die Beschwerdeführer gingen nicht in die Einzelheiten und unterliessen es, bestimmte Unterlagen mit konkreter Begründung von der Übermittlung auszuschliessen. Sie beschränkten sich vielmehr darauf, die Interessen unbeteiligter Dritter geltend zu machen. In den Ausführungen der Beschwerdeführer würden die konkreten Darlegungen fehlen, welche erforderlich seien, damit das Bundesgericht den Grundsatz der Verhältnismässigkeit anwenden könne.
Die Bundesanwaltschaft führt aus, bei der Ausscheidung der Akten habe sie dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass die deutschen Behörden den Verdacht geäussert hätten, die Beschuldigten hätten systematisch Verschleierungsmassnahmen getroffen, zum Beispiel durch Benützung von Scheinfirmen. Ob dieser Verdacht und die diversen Beschuldigungen des schwerwiegenden, illegalen Technologietransfers begründet seien, hätten die Justizbehörden des ersuchenden, nicht des ersuchten Staates zu beurteilen. Nur die mit dem Strafverfahren selber befasste Behörde sei in der Lage, abschliessend zu beurteilen, welche der fraglichen Unterlagen sich als Beweismittel eigneten.
b) Das Bundesgericht erkannte in
BGE 115 Ib 193
E. 6 (S. 196 f.), der zwischen der Schweiz und Deutschland abgeschlossene Zusatzvertrag zum EUeR erleichtere zwar in Art. III und XII den Verkehr zwischen den Behörden des ersuchenden und des ersuchten Staates, doch regle er bezüglich der Herausgabe von Akten an den ersuchenden Staat nicht mehr als das EUeR selber. Massgebend seien daher die Bestimmungen des internen Rechts, namentlich die
Art. 82 und 83 IRSG
, welche die Geheimniswahrung und die Bedingungen des Vollzugs eines Begehrens und damit der Aktenherausgabe
BGE 122 II 367 S. 371
regelten. Wegen der nur beschränkten Mitwirkungsmöglichkeiten, die Beamten des ersuchenden Staates im Zusammenhang mit dem Vollzug eines Ersuchens zustehen, müsse der ersuchte Staat eine Ausscheidung von Unterlagen, wie sie hier zur Diskussion stehe, selber vornehmen (allenfalls unter - auf das Nötigste begrenzter - Mitwirkung von Vertretern des ersuchenden Staates). Würde eine solche Ausscheidung grundsätzlich an den ersuchenden Staat delegiert, so würden dadurch - selbst wenn dieser einen neutralen Experten beiziehen würde - die Regelungen betreffend Spezialitätsgrundsatz (bzw. -vorbehalt) und Schutz der Geheimsphäre des betroffenen Beschuldigten sowie allfälliger Dritter ernsthaft in Frage gestellt.
c) Gemäss dieser Rechtsprechung ist es grundsätzlich Sache der schweizerischen Behörden, diejenigen Akten auszuscheiden, die den ausländischen Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden. Daher ist es nicht zulässig, die Auswahl der für das ausländische Strafverfahren erheblichen Akten vollständig den ausländischen Behörden zu überlassen. Indessen ist die ersuchende Behörde nicht verpflichtet, zu beweisen, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Taten begangen hat (
BGE 116 Ib 102
E. 4a). Ob die Beschuldigten die ihnen vorgeworfenen Taten begangen haben, ist ausschliesslich im ausländischen Strafverfahren zu prüfen. Die schweizerischen Behörden sind deshalb verpflichtet, den ausländischen Behörden alle diejenigen Aktenstücke zu übermitteln, die sich auf den im Ersuchen enthaltenen Verdacht beziehen können. Nicht zulässig wäre es, den ausländischen Behörden nur diejenigen Unterlagen zu überlassen, die den im Rechtshilfeersuchen dargestellten Sachverhalt mit Sicherheit beweisen. Massgeblich ist die potentielle Erheblichkeit der beschlagnahmten Aktenstücke: Den ausländischen Strafverfolgungsbehörden sind diejenigen Aktenstücke zu übermitteln, die sich möglicherweise auf den im Rechtshilfeersuchen dargestellten Sachverhalt beziehen können; nicht zu übermitteln sind nur diejenigen Akten, die für das ausländische Strafverfahren mit Sicherheit nicht erheblich sind. Den ausländischen Strafverfolgungsbehörden obliegt es dann, aus den möglicherweise erheblichen Akten diejenigen auszuscheiden, welche die den Beschuldigten vorgeworfenen Taten beweisen.
d) Im vorliegenden Fall enthalten die eingereichten Rechtsschriften keinen Hinweis darauf, dass die Bundesanwaltschaft beschlagnahmte Akten für die Übermittlung nach Deutschland vorgesehen hat, die mit Sicherheit für das deutsche Strafverfahren nicht erheblich sind. Vor allem aber unterlassen es
BGE 122 II 367 S. 372
die Beschwerdeführer, diejenigen Akten einzeln zu bezeichnen, die nach ihrer Auffassung nicht nach Deutschland übermittelt werden dürfen; ebenso unterlassen sie es, darzulegen, dass bestimmte Aktenstücke im deutschen Strafverfahren mit Sicherheit nicht wesentlich sein werden. Da nur diejenigen Aktenstücke nicht an die ersuchende ausländische Behörde übermittelt werden dürfen, die mit Sicherheit keinen Bezug zu dem im Rechtshilfeersuchen dargestellten Sachverhalt haben, hätten die Beschwerdeführer jedes einzelne Aktenstück, das nach ihrer Auffassung nicht übermittelt werden darf, bezeichnen müssen; zugleich hätten sie für jedes der so bezeichneten Aktenstücke darlegen sollen, weshalb nach ihrer Auffassung das Aktenstück im deutschen Strafverfahren nicht erheblich sein kann. Das Bundesgericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, von Amtes wegen nach weiteren der Rechtshilfe allenfalls entgegenstehenden Gründen zu forschen, die aus der Beschwerde nicht hervorgehen (
BGE 122 II 134
E. 2a). Ebensowenig ist das Bundesgericht verpflichtet, von Amtes wegen in den zur Übermittlung ins Ausland bestimmten Akten nach einzelnen Aktenstücken zu forschen, die im ausländischen Strafverfahren nicht erheblich sind. Wie die Bundesanwaltschaft und das Bundesamt für Polizeiwesen zutreffend ausführen, gibt die eingereichte Beschwerdeschrift keinen Anlass, bestimmte Aktenstücke von der Übermittlung nach Deutschland auszunehmen, soweit sie nicht bereits von der Bundesanwaltschaft ausgeschieden worden sind. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden erweisen sich soweit als unbegründet.
3.
Aus diesen Gründen sind die Verwaltungsgerichtsbeschwerden abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch der Bundesanwaltschaft vom 22. Juli 1996 wird mit dem Entscheid in der Sache selbst gegenstandslos, da nach der Zustellung des Dispositivs die dafür vorgesehenen Akten sofort nach Deutschland übermittelt werden dürfen.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend haben die Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (
Art. 156 Abs. 1 OG
). Bei deren Bemessung ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass drei Beschwerden zu beurteilen waren, die aber mit einem einzigen Urteil erledigt werden konnten. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (
Art. 159 Abs. 2 OG
). | public_law | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
66dab2cf-4161-4b24-af0d-9abfed7efe16 | Urteilskopf
109 Ib 125
20. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Juli 1983 i.S. Regierung des Kantons Graubünden gegen Bernet und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 24 RPG
; Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf eine landwirtschaftliche Baute im übrigen Gemeindegebiet?
Ist eine im übrigen Gemeindegebiet gelegene Fläche gemäss ausdrücklicher Anordnung des kantonalen Recht einer Landwirtschaftszone im Sinne von
Art. 16 RPG
gleichzusetzen, so bedarf ein darauf projektiertes landwirtschaftliches Gebäude keiner Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 RPG
, sondern einer ordentlichen Baubewilligung im Sinne von
Art. 22 RPG
. | Sachverhalt
ab Seite 126
BGE 109 Ib 125 S. 126
Christian Bernet ist Eigentümer eines Maiensässes im Tarnatler Boden im übrigen Gemeindegebiet der Gemeinde Peist. Er beabsichtigt unter anderem, das Stallgebäude abzubrechen und durch einen neuen Stall zu ersetzen. In einem Rekursverfahren stellte das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden fest, dass es sich um ein zonenkonformes Projekt handle, das auf dem ordentlichen Weg zu bewilligen sei. Die Regierung des Kantons Graubünden führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie vertritt die Auffassung, dass der projektierte Stallneubau zonenfremd sei und deshalb einer Ausnahmebewilligung bedürfe. Das Bundesamt für Raumplanung teilt diese Ansicht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Umstritten ist in erster Linie, ob das Verwaltungsgericht den projektierten Stallneubau als zonenkonforme Baute im Sinne von Art. 22 Abs. 2 lit. a des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) betrachten durfte. Das trifft dann zu, wenn die im übrigen Gemeindegebiet gelegene Fläche von Tarnatel, wo sich die Maiensässparzelle des Beschwerdegegners befindet, einer Landwirtschaftszone im Sinne von
Art. 16 RPG
gleichgestellt werden kann.
a) Nach der Auffassung des Bundesamtes für Raumplanung stellt das übrige Gemeindegebiet keine Zone, sondern ein Gebiet im Sinne des
Art. 18 Abs. 2 RPG
dar, dessen Nutzung noch nicht bestimmt ist. Der Begriff der in den Nutzungsplänen festzulegenden
BGE 109 Ib 125 S. 127
Zonen setze die präzise Nutzungsfestlegung in parzellenscharfer Begrenzung voraus. Nach Bündner Recht könne hievon nicht gesprochen werden, weil das übrige Gemeindegebiet grundsätzlich wie bisher zu nutzen und Art. 30 des Raumplanungsgesetzes für den Kanton Graubünden vom 20. Mai 1973 (KRG) über die Landwirtschaftszonen nur sinngemäss anzuwenden sei, wenn die landwirtschaftliche Nutzung überwiege. Solange das zuständige Gemeinwesen die zulässige Bodennutzung nicht festgelegt habe, könne das übrige Gemeindegebiet nicht einer Zone mit bestimmtem Nutzungszweck gleichgesetzt werden.
b) Dass in Tarnatel im übrigen Gemeindegebiet der Gemeinde Peist die landwirtschaftliche Nutzung überwiegt, ist unbestritten. Demzufolge ist nach
Art. 31 Abs. 1 KRG
die Vorschrift von
Art. 30 KRG
über die Landwirtschaftszonen sinngemäss anzuwenden. Es trifft zu, dass diese Regelung des Bündner Raumplanungsgesetzes die Flächen nicht von vornherein parzellenscharf bezeichnet, auf denen die landwirtschaftliche Nutzung überwiegt. Daher muss in einem weitern Schritt - in der Regel bei der Prüfung eines Baugesuchs - festgestellt werden, wo
Art. 30 KRG
zum Zug kommt.
Art. 18 Abs. 2 RPG
erlaubt ausdrücklich, dass das kantonale Recht Vorschriften enthalten kann über Gebiete, die noch nicht einer Nutzungszone zugewiesen sind.
Art. 31 Abs. 1 KRG
stellt eine solche Regelung dar.
Nach
Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG
darf eine Baubewilligung nur erteilt werden, wenn die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen. Es fragt sich, ob diese Vorschrift ausschliesslich Nutzungszonen im Sinne von Art. 14 bis 18 Abs. 1 RPG voraussetzt. Träfe dies zu, so dürften Bauten und Anlagen in den noch nicht bestimmten, in
Art. 18 Abs. 2 RPG
genannten Gebieten nur nach
Art. 24 RPG
ausnahmsweise bewilligt werden, und zwar auch dann, wenn das Vorhaben den Vorschriften entspricht, die das kantonale Recht im Sinne von
Art. 18 Abs. 2 RPG
enthält. Diesfalls käme dem in
Art. 18 Abs. 2 RPG
enthaltenen Vorbehalt zugunsten des kantonalen Rechts kaum mehr massgebende Bedeutung zu, da sich das Bauen in solchen Gebieten ausserhalb der Bauzonen stets nach den Anforderungen des
Art. 24 RPG
richten müsste. Ein solches Ergebnis widerspräche jedoch dem Sinn der gesetzlichen Regelung; der Gesetzgeber wollte in Respektierung der Planungshoheit der Kantone dem kantonalen Recht die Möglichkeit vorbehalten, auch im übrigen Gebiet bestimmte Nutzungen zuzulassen, die den Zielen und
BGE 109 Ib 125 S. 128
Grundsätzen der eidgenössischen Raumplanungsgesetzgebung entsprechen (Botschaft des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die Raumplanung vom 27. Februar 1978, Erläuterung zu Art. 19 des Entwurfs, BBl 1978 I 1026). Regelt das kantonale Recht die zulässige Nutzung im "übrigen" Gebiet präzis und in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes, so dürfen die entsprechenden Gebiete der Nutzungszone im Sinne von
Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG
gleichgesetzt werden (HEINZ AEMISEGGER, Leitfaden zum Raumplanungsgesetz, VLP-Schriftenfolge Nr. 25, Bern 1980, Ziff. 18.2, S. 63; EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, N. 16 zu Art. 18, S. 238).
Im vorliegenden Fall geht es um eine Nutzung, die mit den Grundsätzen des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes übereinstimmt. Die Vorschrift von
Art. 30 KRG
über die Landwirtschaftszonen entspricht
Art. 16 RPG
. Wenn nun
Art. 31 Abs. 1 KRG
die Vorschrift von
Art. 30 KRG
auch im übrigen Gemeindegebiet für sinngemäss anwendbar erklärt, wo landwirtschaftliche Nutzung überwiegt, so handelt es sich dabei um eine Regelung im Sinne von
Art. 18 Abs. 2 RPG
. Konkret lässt sie Bauvorhaben zu, die der landwirtschaftlichen Nutzung dienen und damit den für die Landwirtschaftszone geltenden Bestimmungen genügen, weshalb sie jener Zone gleichzusetzen ist. Für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung bleibt unter diesen Umständen kein Raum. Das kantonale Recht umschreibt die zulässige Nutzung mit genügender Klarheit. Ob die landwirtschaftliche Nutzung überwiegt, dürfte im Regelfall ohne Schwierigkeiten zweifelsfrei festzustellen sein. Wo dies - wie hier - zutrifft, besteht im Sinne der Ziele und Grundsätze der Raumplanung (vgl.
Art. 1 Abs. 2 lit. a und
Art. 3 Abs. 2 lit. a RPG
) ein Interesse daran, die Vorschriften über die Landwirtschaftszone anzuwenden. Das von der Regierung angeführte Zitat (
BGE 108 Ib 132
E. 1a) bezieht sich auf den teilweise Umbau einer Heubarge in Wohnraum, der zur Verfolgung landwirtschaftlicher Zwecke nicht notwendig war; ein solches Vorhaben bedarf klarerweise einer Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 RPG
.
c) Die Gefahr, dass auf diesem Weg die Anwendung von
Art. 24 RPG
erschwert oder gar umgangen werden könnte, ist bei den Bündner Vorschriften für Bauten ausserhalb der Bauzonen nicht ersichtlich. Als zonenkonform im Sinne von
Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG
darf eine Baute ausserhalb der Bauzone nur bewilligt
BGE 109 Ib 125 S. 129
werden, wenn sie die Anforderungen der Landwirtschaftszone gemäss
Art. 30 Abs. 2 KRG
erfüllt. Ob das zutrifft, ist nicht nur von der Gemeinde, sondern auch vom kantonalen Departement des Innern und der Volkswirtschaft zu prüfen (Art. 2 und 4 BAB in der ab 1. Januar 1983 geltenden Fassung).
Angesichts der zentralen Bedeutung, die das Bundesrecht der Abgrenzung der Bauzonen zumisst, entspricht diese Regelung entgegen den Bedenken des Verwaltungsgerichts dem Sinn von
Art. 25 Abs. 2 RPG
; danach sind Ausnahmen gemäss
Art. 24 RPG
durch eine kantonale Behörde zu erteilen oder mit deren Zustimmung zu bewilligen. Die Sicherstellung der einheitlichen Anwendung dieser Vorschrift im ganzen Kantonsgebiet rechtfertigt es, auch die zonenkonformen Vorhaben dem kantonalen Prüfungsverfahren zu unterstellen. Dass dabei das Departement als Aufsichtsbehörde Empfehlungen aussprechen und Auflagen zur Sicherung der zonengemässen Zweckbestimmung verfügen darf, wie Art. 4 BAB in der geltenden Fassung ausdrücklich festhält, braucht nicht als Einmischung in die Autonomie der Gemeinden aufgefasst zu werden; die Mitwirkung des Departementes erscheint vielmehr als Hilfeleistung zur Sicherung des rechtmässigen Zustandes, woran die Gemeinden ebensosehr wie der Kanton interessiert sind. Entgegen der Auffassung der Regierung kann auch nicht gesagt werden, die im kantonalen Raumplanungsgesetz ausdrücklich angeordnete Anwendung der Vorschriften über die Landwirtschaftszone verstosse gegen das Verfahren über den Erlass und die Änderung von Zonenplänen. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
66db24e1-2b06-445d-b9f1-42ec2043a57b | Urteilskopf
88 II 65
11. Auszug aus dem Urteil vom 23. Mai 1962 der II. Zivilabteilung i.S. M. gegen W. | Regeste
Vaterschaftsklage.
Hat der Beklagte nach Bundesrecht Anspruch auf Anordnung einer Expertise nach Knaus/Ogino? | Sachverhalt
ab Seite 65
BGE 88 II 65 S. 65
Mit der Vaterschaftsklage von Frl. W. und ihrem am 21. März 1960 geborenen Kinde auf Vermögensleistungen belangt, beantragte der Beklagte M., dessen Vaterschaft durch die Blutuntersuchung nicht ausgeschlossen werden konnte und dessen Beiwohnung in eine nach dem Reifegrad des Kindes für die Empfängnis sehr wohl in Betracht kommende Zeit fiel, die Anordnung einer Expertise darüber, ob seine Beiwohnung nach den von der Mutter angegebenen Daten dieses Verkehrs ("ca. um den 23. Juni 1959") und der letzten Menstruation (21. Juni 1959) nicht in die nach Knaus/Ogino empfängnisfreien Tage falle. Das Obergericht des Kantons Luzern hiess die Klage unter Ablehnung dieses Beweisantrags gut. Die Berufung, mit welcher der Beklagte u.a. die Rückweisung an die Vorinstanz zur Einholung der erwähnten Expertise verlangte, wird vom Bundesgericht abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Auch die Ablehnung einer Expertise über die "empfängnisfreien Tage" der Mutter (nach Knaus/Ogino)
BGE 88 II 65 S. 66
verstösst nicht gegen
Art. 8 ZGB
. Es ist nicht festgestellt, dass der Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten während oder gar vor der letzten vorgeburtlichen Menstruation der Mutter, deren Eintritt diese auf den 21. Juni 1959 verlegt, stattgefunden habe. Die Vorinstanz hat die eben erwähnte Angabe der Mutter dahin aufgefasst, dass die Mutter damit offenbar sagen wolle, die letzte Menstruation sei einige Tage vor dem nach ihrer Erinnerung um den 23. Juni 1959 erfolgten Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten eingetreten. Sie hat also die genauen Daten der letzten Menstruation (über welche nur Angaben der Mutter vorliegen) und des Geschlechtsverkehrs mit dem Beklagten als nicht genau feststellbar betrachtet. Ausserdem fehlen Angaben über die Daten der frühern Menstruationen und über die daraus sich ergebenden Menstruationszyklen, wie sie für die Anwendung der Methode Knaus/Ogino ebenfalls erforderlich wären. Also fehlten schon die praktischen Voraussetzungen für die Durchführung der beantragten Expertise über die "empfängnisfreien Tage". Dazu kommt, dass angesehene gynäkologische Sachverständige diese Methode jedenfalls für Fälle wie den vorliegenden nicht als schlüssig anerkennen. PODLESCHKA (Das geburtshilfliche Gutachten im Vaterschaftsprozess, 1954) erklärt, er würde die Verantwortung nicht auf sich nehmen, "einen einzigen nachgewiesenen Konkubenten nur deshalb auszuschliessen, weil dessen Verkehrsdaten in die letzte vorgeburtliche Menstruation fallen" (S. 113); die Möglichkeit der Konzeption aus einer Kohabitation nach der letzten vorgeburtlichen Menstruation müsse gutachtlich für jeden Zeitpunkt dieses in die Schwangerschaft hinüberleitenden Zyklus zugegeben werden; die Wahrscheinlichkeit der Konzeption sei jedoch dem Zeitpunkt der Kohabitation nach verschieden gross und könne beiläufig differenziert werden; allein aus dieser Erkenntnis die offenbare Unmöglichkeit folgern zu wollen, erscheine nicht angängig (S. 123/124). Entsprechend sagt HOSEMANN (in BEITZKE, HOSEMANN, DAHR, SCHADE, Vaterschaftsgutachten für die
BGE 88 II 65 S. 67
gerichtliche Praxis, 1956, S. 31), es sei nicht möglich, Beiwohnungen allein aus dem Grunde als offenbar unmöglich (d.h. als für die Schwangerschaft offenbar nicht kausal) auszuschliessen, weil sie zu einem Zeitpunkt der "unfruchtbaren Phase der Frau" erfolgt sein sollen. Indem die Vorinstanz annahm, eine Expertise nach der Methode Knaus/Ogino könnte, auch wenn sie praktisch durchführbar wäre, die Vaterschaft des Beklagten nicht mit genügender Zuverlässigkeit ausschliessen, hat sie sich also keineswegs zu gesicherten Erkenntnissen der Wissenschaft in Widerspruch gesetzt.
Hieran kann auch nichts ändern, dass die Mutter am 7. Juli 1959 wegen Schwangerschaftserbrechens einen Arzt aufsuchte; dies um so weniger, als dieser Arzt keine Untersuchung vornahm. | public_law | nan | de | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
66df296e-b8b3-408a-8912-4afadece897a | Urteilskopf
137 I 69
7. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Konservatorium und Direktion für Erziehung, Kultur und Sport des Kantons Freiburg (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_120/2010 vom 16. Dezember 2010 | Regeste
Widerruf einer ursprünglich fehlerhaften Verfügung;
Art. 9 BV
.
Auch eine Aufsichtsbehörde ist zuständig, die von der beaufsichtigten Behörde erlassene Verfügung zu widerrufen (E. 2.1).
Voraussetzungen des Widerrufs:
- Gegenüberstehen des Interesses an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts und desjenigen des Vertrauensschutzes - dieses allerdings nur dann, wenn seine Voraussetzungen überhaupt erfüllt sind (E. 2.2 und 2.3);
- Prüfung der Voraussetzungen des Vertrauensschutzes (E. 2.5);
- Interessengewichtung und -abwägung (E. 2.6). | Sachverhalt
ab Seite 70
BGE 137 I 69 S. 70
A.
X. bestand nach vier Jahren Schule in der Berufsklasse der Musikhochschule des Konservatoriums Freiburg die Ausscheidungsprüfung im April 2008. Diese berechtigte ihn zur Abschlussprüfung, welche - als öffentlich vorgetragener Klaviervortrag - er am 26. Juni 2008 nicht bestand. Der Grund lag darin, dass er sich in einem Zustand eines offensichtlichen Unwohlseins und einer emotionalen Blockade befand. Die Prüfungskommission entschied danach, dass X. die Prüfung im Oktober 2008 unter Ausschluss der Öffentlichkeit wiederholen könne. Am 13. Oktober 2008 bestand dieser das Examen, was ihm durch die Aushändigung des von der Kommission unterzeichneten Protokolls mitgeteilt wurde. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2008 wurde ihm bestätigt, dass er die Ausbildung zum Lehrdiplom erfolgreich bestanden habe.
B.
Der Direktor des Konservatoriums beantragte Ende November 2008 bei der für die Ausstellung der Diplome zuständigen Direktion für Erziehung, Kultur und Sport des Kantons Freiburg (nachfolgend: EKSD), X. kein Diplom auszustellen, da der Klaviervortrag nicht öffentlich erfolgt sei. In der Folge verweigerte diese am 2. März 2009 die Ausstellung des Diploms. Die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde war erfolglos.
C.
Vor Bundesgericht beantragt X., das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg, I. Verwaltungsgerichtshof, vom 1. Dezember 2009 aufzuheben und die EKSD anzuweisen, dem Beschwerdeführer das Lehrdiplom innert einer Frist von 10 Tagen seit Eröffnung des Entscheides des Bundesgerichts auszustellen. Er macht im Wesentlichen eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach
Art. 9 BV
geltend. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Die EKSD hat dem Beschwerdeführer das Diplom nach Art. 44 der Verordnung vom 5. April 2005 über die Prüfungen am Konservatorium (SGF 481.4.12; nachfolgend: PrVK) in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung) nicht erteilt (sekundäre Verfügung); in der Sache geht es allerdings nicht um das Diplom als solches, sondern um die dem Diplom zugrundeliegende Abschlussprüfung (primäre Verfügung). Da diese mit einem schweren Mangel behaftet sei, betrachtete sich die EKSD als berechtigt, den Prüfungsentscheid zu
BGE 137 I 69 S. 71
widerrufen. Als Aufsichtsbehörde des Konservatoriums kann sich die EKSD selbst der Sache annehmen (
BGE 107 Ib 35
E. 4a S. 37;
BGE 100 Ia 94
E. 2 S. 97 f.; siehe auch BEATRICE WEBER-DÜRLER, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, 1983, S. 169) und damit die primäre Verfügung widerrufen.
2.2
Der Beschwerdeführer hat die Prüfung am 13. Oktober 2008 bestanden. Die Verfügung ist Mitte November in formelle Rechtskraft erwachsen; die EKSD hat diese erst anfangs März 2009 widerrufen. Der Verfügung kommt Rechtsbeständigkeit zu, weshalb formell rechtskräftige Verfügungen nur mehr unter bestimmten Voraussetzungen einseitig aufgehoben oder zum Nachteil des Adressaten abgeändert werden dürfen (vgl. e contrario
BGE 134 V 257
E. 2.2 [2. Abs.] S. 261;
BGE 121 II 273
E. 1a/aa S. 276 f.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, Rz. 821, 995; PIERRE MOOR, Droit administratif, Bd. II, 2. Aufl. 2002, S. 323 ff.; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 283 f. [Rz. 8 f.]). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz liegt es deshalb nicht im Ermessen der Behörden, ob sie einen Entscheid widerrufen will.
2.3
Die PrVK und auch das Gesetz vom 23. Mai 1991 über die Verwaltungsrechtspflege (VRG; SGF 150.1) enthalten weder Bestimmungen über den Widerruf von Prüfungsentscheiden noch über solche von Diplomen noch über den Widerruf in allgemeiner Weise. Es ist deshalb (vgl.
BGE 127 II 306
E. 7a S. 313 f.) nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorzugehen, wonach eine materiell unrichtige Verfügung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen werden kann. Danach stehen sich das Interesse an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts (E. 2.4) und dasjenige am Vertrauensschutz gegenüber - dieses allerdings nur dann, wenn seine Voraussetzungen überhaupt erfüllt sind (E. 2.5). Die beiden Interessen sind anschliessend gegeneinander abzuwägen (E. 2.6). Eine Verfügung kann somit grundsätzlich
nicht
widerrufen werden, wenn das Interesse am Vertrauensschutz demjenigen an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts vorgeht: Dies trifft in der Regel dann zu, wenn durch die Verwaltungsverfügung ein subjektives Recht begründet worden oder die Verfügung in einem Verfahren ergangen ist, in dem die sich gegenüberstehenden Interessen allseitig zu prüfen und gegeneinander abzuwägen waren, oder wenn der Private von einer ihm
BGE 137 I 69 S. 72
durch die Verfügung eingeräumten Befugnis bereits Gebrauch gemacht hat. Diese Regel gilt allerdings nicht absolut; auch in diesen drei Fällen kann ein Widerruf in Frage kommen, wenn er durch ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse geboten ist (
BGE 127 II 307
E. 7a S. 313 f.;
BGE 121 II 273
E. 1a/aa S. 276; siehe etwa auch WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 168 ff.; MOOR, a.a.O., S. 326 ff., 332 ff.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., S. 220 ff.; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., S. 287 ff.; PETER SALADIN, Wiedererwägung und Widerruf formell rechtskräftiger Verfügungen, Die Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts im Vergleich zur Praxis des Bundesgerichts in Lausanne, in: Sozialversicherungsrecht im Wandel, FS 75 Jahre Eidgenössisches Versicherungsgericht, 1992, S. 113 ff.). In jedem Fall sind alle Aspekte des Einzelfalls einzubeziehen.
2.4
Damit ein Schüler zur Abschlussprüfung für das Lehrdiplom nach Art. 36 lit. a PrVK zugelassen wird, hat er verschiedene Voraussetzungen zu erfüllen: neben dem Besuch des Unterrichts während 8 Semestern muss er die im Lehrplan festgelegte Theorieprüfung (Art. 40 Abs. 2 lit. b PrVK) und die obligatorischen Zusatzprüfungen (Art. 40 Abs. 2 lit. d PrVK) sowie die Ausscheidungsprüfung (Art. 40 Abs. 2 lit. c PrVK), welche in einem etwa 30-45 minütigen Vortrag besteht (Art. 39 PrVK), bestanden haben. Für das Lehrdiplom sind zudem zusätzlich verschiedene Praktika zu absolvieren, und eine Diplomarbeit in Pädagogik muss angenommen werden (Art. 47 PrVK). Den Abschluss der gesamten vierjährigen Ausbildung bildet schliesslich die Abschlussprüfung, welche in einem Vortrag von Werken aus allen Epochen und Stilen besteht und 30-45 Minuten dauert (Art. 41 PrVK). Diese hat nach Art. 46 PrVK vor Publikum zu erfolgen.
Die Abschlussprüfung, welche der Beschwerdeführer bestanden hat, erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit und widersprach somit den rechtlichen Vorgaben. Die Verfügung vom 13. Oktober 2008 ist demnach ursprünglich fehlerhaft. Nachfolgend ist nunmehr zu prüfen, inwiefern sich der Beschwerdeführer auf den Vertrauensschutz berufen kann.
2.5
2.5.1
Der in
Art. 9 BV
verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens u.a. - wie im vorliegenden Fall - in eine Verfügung (WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 181; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 632;
BGE 137 I 69 S. 73
TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., S. 162). Vorausgesetzt ist indes weiter, dass die Person, die sich auf den Vertrauensschutz beruft, berechtigterweise auf diese Grundlage vertrauen durfte und gestützt darauf nachteilige Dispositionen getroffen hat, die sie nicht mehr rückgängig machen kann (
BGE 131 II 627
E. 6.1 S. 636 f.;
BGE 129 I 161
E. 4.1 S. 170; je mit weiteren Hinweisen; PIERRE MOOR, Droit administratif, Bd. I, 2. Aufl. 1994, S. 431 f.; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., S. 161 ff.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, S. 140 ff.; PASCAL MAHON, in: Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse [...], 2003, N. 12 ad art. 9 Cst., S. 97 f.).
2.5.2
Die Vorinstanz und die EKSD werfen dem Beschwerdeführer fehlenden guten Glauben vor. Er hätte zumindest aufgrund der ersten Prüfung, welche öffentlich war, erkennen müssen, dass die Abschlussprüfung nur vor Publikum durchzuführen gewesen sei. Der Beschwerdeführer weist demgegenüber darauf hin, dass die Prüfungskommission ihm und nicht er dieser vorgeschlagen habe, dass er seine Prüfung unter Ausschluss der Öffentlichkeit ablegen könne.
Die zu beachtende Sorgfaltspflicht hat sich hier nach den Kenntnissen und Fähigkeiten eines Musikschülers und nicht eines Juristen zu richten (vgl. dazu
BGE 132 II 21
E. 6 S. 35 ff.;
BGE 129 II 361
E. 7.2 i.f. S. 382; WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 94 ff., 158). Ein Konsultieren der Verordnung kann deshalb nicht verlangt werden. Schüler dürfen sich auf die Aussagen der Prüfungsexperten und der -kommission grundsätzlich verlassen. Immerhin wäre naheliegend, aus der nicht bestandenen Prüfung abzuleiten, die zu wiederholende Prüfung habe ebenfalls vor Publikum zu erfolgen.
Allerdings wurden die Schüler verschiedentlich nicht verordnungskonform geprüft: So ist der Direktor entgegen Art. 37 Abs. 1 und 2 PrVK seit Jahren nicht mehr Mitglied und Präsident der Prüfungskommission. Zudem waren mehrere Prüfungsverfahren anders abgelaufen als vorgeschrieben, und die Prüfungskommission war oftmals nicht den Vorgaben der Verordnung gemäss zusammengesetzt gewesen. Es musste daher für den Beschwerdeführer nicht aussergewöhnlich erscheinen und im Rahmen des Zulässigen liegen, als die Prüfungskommission ihm den Vorschlag unterbreitete, die Prüfung unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu wiederholen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist auch das Verhalten der Prüfungskommission zu berücksichtigen (vgl.
BGE 132 II 21
E. 6.2 i.i. S. 36). Es wäre primär an ihr gewesen, die Verordnung zu konsultieren (vgl.
BGE 137 I 69 S. 74
WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 110) und den Widerspruch zum vorgeschlagenen Vorgehen zu erkennen (siehe dazu Urteil des Bundesgerichts vom 1. Juni 1983, in: ZBl 1984 S. 127 ff., 129 E. 4b., 130 E. 5a i.f.; dazu auch BEATRICE WEBER-DÜRLER, Neuere Entwicklungen des Vertrauensschutzes, ZBl 2002 S. 281 ff., 297). Hätte der Direktor entsprechend den rechtlichen Vorgaben in der Prüfungskommission Einsitz genommen, hätte er überdies bereits vor dem Ablegen der Prüfung korrigierend eingreifen können.
2.5.3
Der Beschwerdeführer hat sodann im Vertrauen auf die von der Behörde gesetzte Vertrauensgrundlage Dispositionen getroffen. So hat er aufgrund seiner Prüfungsbestätigung eine Stelle als Klavierlehrer erhalten. Weiter ist zu berücksichtigen, dass er auf den gleichen Zeitpunkt eine öffentliche Prüfung hätte verlangen können, wenn er von der ungültigen Vertrauensgrundlage gewusst hätte. Im Rahmen seiner Ausbildung zum Lehrdiplom hat er öffentliche Werkvorträge gehalten und auch erfolgreich bestanden. Es wird nicht behauptet, dass er einem öffentlichen Vortrag ausweichen wollte, und es ist kein Grund ersichtlich, weshalb er beim zweiten Versuch der Abschlussprüfung hätte scheitern sollen. Indem er aufgrund des Vorschlags der Prüfungskommission sich auf die Prüfung vorbereitete, diese absolvierte und nicht statt dessen auf einem öffentlichen Vortrag bestand, hat er nicht rückgängig zu machende Dispositionen getroffen.
2.6
Im Folgenden sind nunmehr das Interesse an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts (Legalitätsprinzip) und dasjenige an der Wahrung der Rechtssicherheit (Vertrauensschutz) zunächst zu gewichten (E. 2.6.1 und 2.6.2) und alsdann gegeneinander abzuwägen (E. 2.6.3).
2.6.1
Die Abschlussprüfung ist nicht vor Publikum erfolgt und steht somit im Widerspruch zu den rechtlichen Vorgaben. Um das Gewicht des Interesses an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts zu bestimmen, ist indes die Prüfung in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Wie ausgeführt (oben E. 2.4) bildet die Abschlussprüfung lediglich den Abschluss der gesamten vierjährigen Ausbildung; für das Lehrdiplom (Studiengang I; Art. 36 lit. a PrVK) werden neben den Voraussetzungen, welche alle Studiengänge betreffen (Art. 39 und 40 PrVK), vor allem der Abschluss verschiedener Praktika und die Annahme einer Pädagogikdiplomarbeit verlangt. Die Abschlussprüfung muss zwar nach Art. 46 PrVK vor Publikum
BGE 137 I 69 S. 75
erfolgen, was auch für das Lehrdiplom gilt; doch kommt dem öffentlichen Vortrag nicht bei allen Studiengängen das gleiche Gewicht zu, da das dahinter stehende Interesse unterschiedlich ist: Dass für das Konzertdiplom und für das Solistendiplom (Studiengang II; Art. 36 lit. b PrVK) sowie für das höhere Studienzertifikat für Chorleitung oder für das höhere Studienzertifikat für Blasorchester (Studiengang IV; Art. 36 lit. d PrVK) der Vortrag vor Publikum wesentlich ist, ist offensichtlich. Die diesen Prüfungen zugrundeliegenden Tätigkeiten werden grundsätzlich nur vor Publikum ausgeübt. Für das Lehrdiplom trifft dies nicht zu, worauf der Beschwerdeführer zu Recht hinweist. Die Fähigkeiten, über welche ein Klavierlehrer verfügen muss, bestehen vor allem darin, das technische Können sowie das Verstehen der Musikstücke zu vermitteln - mithin pädagogische Fähigkeiten, die nach Art. 47 PrVK als besondere Voraussetzung für das Lehrdiplom verlangt werden. Das Vortragen von Werken vor Publikum ist demgegenüber weniger bedeutsam. Der Verordnungsgeber ist sich dieser Abstufung bewusst gewesen, weshalb er für das (allerdings weniger gewichtige) Lehrdiplom für Musik- und Gesangsunterricht an Orientierungsschulen und Mittelschulen (Studiengang III; Art. 36 lit. c PrVK) auf eine öffentlich durchgeführte Abschlussprüfung verzichtete (Art. 46 PrVK).
2.6.2
Bei der Gewichtung des Vertrauensinteresses ist grundsätzlich von der erfolgten Vertrauensbetätigung auszugehen (vgl. oben E. 2.5.3), im vorliegenden Fall also von der Unterlassung, im Jahre 2008 eine Prüfung vor Publikum zu verlangen. Das Gewicht wird dabei vor allem durch den Nachteil bestimmt, der dem Beschwerdeführer im Falle des Vertrauensbruchs droht (WEBER-DÜRLER, a.a.O., S. 120). In einem solchen Fall hätte er die Prüfung oder mehrere Prüfungen mit allen dadurch verbundenen Unannehmlichkeiten nachzuholen, allenfalls sich wieder für einen Studiengang, welcher nach der Rechtsänderung nicht mehr in Freiburg möglich ist (vgl. dazu den geänderten Art. 1 und die aufgehobenen Art. 36-51 PrVK in der Fassung ab 1. September 2009), einzuschreiben sowie finanzielle Verluste durch den Studiengang und dem Ausbleiben eines Verdienstes hinzunehmen. Allenfalls müsste der Beschwerdeführer sogar auf eine Fortsetzung und einen Abschluss des Studiengangs verzichten, weshalb die vierjährige Ausbildung viel von ihrem Nutzen verlöre.
2.6.3
Das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer rechtmässigen Prüfung vor Publikum ist entsprechend den Ausführungen gering,
BGE 137 I 69 S. 76
während das Vertrauensinteresse relativ gewichtig ist. Mit einer Prüfung unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird die ratio legis für das Lehrdiplom nach Art. 36 lit. a PrVK nicht stark tangiert, sind doch dafür vor allem die pädagogischen Fähigkeiten ausschlaggebend. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Prüfungskommission selbst den Beschwerdeführer veranlasst hat, die Prüfung unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten, womit sie auch für eine gesteigerte Vertrauenslage verantwortlich ist. Angesichts dieses Umstandes ist das Interesse an der Rechtssicherheit der Verfügung vom 13. Oktober 2008 aufgrund der Vertrauensgrundlage, des guten Glaubens und der Vertrauensbetätigung höher zu gewichten als die Einhaltung des objektiven Rechts. Insofern ist der Staat an die von ihm geschaffene Vertrauensgrundlage gebunden; die ursprüngliche Verfügung ist rechtens und darf nicht widerrufen werden. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
66df2a60-0acd-462a-b1e9-a624e8c14e05 | Urteilskopf
114 V 18
6. Urteil vom 15. Januar 1988 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen H. und Versicherungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 12 Abs. 1 IVG
: Medizinische Massnahmen.
Die nach einem Schädel-Hirn-Trauma unmittelbar auf die Akutversorgung folgenden Rehabilitationsmassnahmen, die der Optimierung der verbleibenden Funktionsmöglichkeiten des Gehirns und der Kompensation der irreversiblen Schädigungen dienen, stehen in engem sachlichen Zusammenhang mit der primären Unfallbehandlung. | Sachverhalt
ab Seite 19
BGE 114 V 18 S. 19
A.-
Die 1963 geborene Katharina H. erlitt am 29. Mai 1983 anlässlich eines Motorradunfalles eine schwere offene Schädel-Hirn-Verletzung, welche eine dekompressive Kraniotomie und eine Schädelkalotten-Replantation erforderte. Als Unfallfolgen blieben eine mittelschwere Hirnfunktionsstörung mit motorischer Aphasie, eine partielle Epilepsie sowie eine rechtsseitig armbetonte Hemiparese zurück. Vom 15. November 1983 bis 7. Dezember 1984 befand sich die Versicherte in der Rehabilitationsklinik in Bellikon, wo ihr vor allem Physiotherapie, Ergotherapie und logopädischer Unterricht gewährt wurden (Abschlussbericht vom 18. Dezember 1984). Die Kosten des Aufenthaltes übernahm die Z.-Versicherungsgesellschaft als privater Unfallversicherer, bei der Katharina H. über die Arbeitgeberin kollektivversichert war. Am 3. April 1985 ersuchte die Z. um Übernahme der Rehabilitationskosten durch die Invalidenversicherung, worauf die Ausgleichskasse des Kantons Bern Katharina H. am 31. Mai 1985 verfügungsweise mitteilte, es könne keine Kostengutsprache gewährt werden.
B.-
Das Versicherungsgericht des Kantons Bern hiess die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 5. Mai 1986 gut und wies die Ausgleichskasse an, die Kosten des Rehabilitationsaufenthaltes als medizinische Massnahme zu übernehmen.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung Aufhebung des kantonalen Entscheides und Bestätigung der angefochtenen Verfügung.
Katharina H. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, ebenso die Ausgleichskasse. Die Z., welche als Mitinteressierte zur Vernehmlassung eingeladen wurde, verzichtet auf eine Stellungnahme.
BGE 114 V 18 S. 20
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Nach
Art. 12 Abs. 1 IVG
hat der Versicherte Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren.
b) Die Behandlung von Unfallfolgen gehört grundsätzlich ins Gebiet der Unfallversicherung (
Art. 2 Abs. 4 IVV
). Hingegen können stabile Defekte, die als Folge von Unfällen entstehen, Anlass zu Eingliederungsmassnahmen im Sinne von
Art. 12 IVG
geben, sofern kein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der primären Unfallbehandlung besteht (
BGE 105 V 149
Erw. 2a mit Hinweisen).
Der enge sachliche Zusammenhang ist gegeben, wenn die medizinische Vorkehr mit der Unfallbehandlung einen einheitlichen Komplex bildet. Für die Beurteilung ist dabei ausschliesslich der Zeitpunkt der Entstehung des Defektes und nicht der Zeitpunkt der Diagnosestellung oder der Durchführung der Massnahme ausschlaggebend. Eine Massnahme, die schon während der Unfallbehandlung als voraussichtlich notwendig erkennbar war, ist keine Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung (
BGE 105 V 149
Erw. 2a,
BGE 102 V 70
Erw. 1).
Der zeitliche Zusammenhang mit der Unfallbehandlung ist als unterbrochen zu betrachten, wenn der Defekt ohne Behandlung während längerer Zeit - in der Regel während 360 Tagen - stabil war und der Versicherte im Rahmen der noch vorhandenen Arbeitsfähigkeit tätig sein konnte. Die für die Beurteilung des zeitlichen Zusammenhanges massgebende Zeitspanne beginnt mit dem Eintritt des stabilen Defektzustandes nach Abschluss der primären Unfallbehandlung und endet mit der erstmaligen Indikation der neuen Behandlungsvorkehr (
BGE 102 V 70
Erw. 1).
2.
a) Unter Hinweis auf die eben angeführte Rechtsprechung gelangt die Vorinstanz zur Auffassung, dass der Aufenthalt in Bellikon nicht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der eigentlichen Behandlung der Unfallverletzungen (Rekonstruktion der Schädeldecke) stehe. Eine Heilung sei bei den vorliegenden irreversiblen Schädigungen der Hirnzellen nicht möglich, weshalb die fraglichen Rehabilitationsmassnahmen nur dazu dienten, der Beschwerdegegnerin Möglichkeiten aufzuzeigen, trotz der Behinderung
BGE 114 V 18 S. 21
selbständig zurechtzukommen und die Funktionsausfälle optimal zu kompensieren.
b) Dieser Argumentation kann nicht beigepflichtet werden. Es widerspricht der wiedergegebenen Rechtsprechung, den engen sachlichen Zusammenhang mit der primären Unfallbehandlung schon dann zu verneinen, sobald die Rehabilitationsmassnahmen über die medizinische Heilbehandlung im engsten Sinne - hier dekompressive Kraniotomie und Schädelkalotten-Replantation - hinausgehen. Der "enge sachliche Zusammenhang" ist nicht als ein ausschliesslich medizinischer, sondern als ein juristischer Begriff zu interpretieren, mit welchem der Rahmen für den "einheitlichen Komplex" der "medizinischen Vorkehren" abgesteckt werden will, der noch dem Gebiet der Unfallversicherung zuzurechnen ist. In diesen Massnahmenkomplex gehören im vorliegenden Fall die schon im Zeitpunkt der Unfallbehandlung im engeren Sinne voraussehbar gewesenen Rehabilitationsmassnahmen (Physiotherapie, Ergotherapie, logopädischer Unterricht), welche dazu dienen, die noch ganz oder teilweise verbleibenden Funktionsmöglichkeiten des Gehirns zu optimieren und die irreversiblen Schädigungen bestmöglich zu kompensieren. Die Unfallbehandlung im Rechtssinne wäre unvollständig, wenn sich an die Unfallchirurgie als Akutversorgung nicht eine ebenso intensive Rehabilitation anschliessen würde. Es ist beim heutigen Stand der Wissenschaft klar, dass jeder Schädel-Hirn-Traumatiker nicht nur auf der Intensivstation versorgt, sondern auch rehabilitativ betreut werden muss, was ebenfalls Sache des Unfallversicherers ist.
c) Der enge zeitliche Zusammenhang ist offensichtlich gegeben, da die Therapien in Bellikon unmittelbar auf die Spitalbehandlung erfolgten.
3.
Nach dem Gesagten stellt die Rehabilitation in der Klinik Bellikon keine Eingliederungsmassnahme im Sinne von
Art. 12 IVG
dar. Es kann daher offenbleiben, ob im Zeitpunkt der Aufnahme der Rehabilitationsbehandlung bezüglich der Gehirnverletzung als solcher bereits ein stabiler Defektzustand gegeben war.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 5. Mai 1986 aufgehoben. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
66dfe09d-5f14-446d-a591-652ecf6153c1 | Urteilskopf
136 III 90
11. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause SI X. contre H.Y. et F.Y. (recours en matière civile)
4A_538/2009 du 13 janvier 2010 | Regeste
Art. 274e Abs. 2 in fine und Art. 274f Abs. 1 in fine OR; Verfahren in Mietsachen.
Wenn beide Parteien vor der Schlichtungsbehörde Ansprüche geltend gemacht haben und diese mangels Befugnis zur Fällung eines Entscheids nur das Nichtzustandekommen einer Einigung feststellen kann, muss jede der Parteien innerhalb der Frist von dreissig Tagen den Richter anrufen, um ihre eigenen Ansprüche aufrechtzuerhalten (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 90
BGE 136 III 90 S. 90
A.
Depuis le 1
er
octobre 1990, SI X. (la bailleresse) loue un appartement en ville de Genève à H.Y. et F.Y. (les locataires), pour un loyer annuel de 8'412 francs. Le 12 juin 2008, elle leur a notifié un avis de majoration du loyer annuel à 13'200 francs.
B.
Le 26 juin 2008, les locataires ont saisi la Commission de conciliation en matière de baux et loyers du canton de Genève d'une requête en opposition à hausse de loyer et d'une demande reconventionnelle de baisse de loyer. La cause a été déclarée non conciliée en date du 2 octobre 2008.
Le 10 octobre 2008, les locataires ont introduit leur demande de baisse de loyer par-devant le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève. Celui-ci a fixé à la bailleresse un délai au 6 janvier 2009 pour répondre. Par courrier du 4 décembre 2008, les locataires ont déclaré retirer leur demande de baisse de loyer - au motif que la bailleresse n'avait pas introduit de demande en validation de hausse de
BGE 136 III 90 S. 91
loyer; le même jour, le Tribunal a envoyé aux parties un avis de retrait les informant que la cause était rayée du rôle.
Par acte déposé au greffe du Tribunal le 5 décembre 2008, la bailleresse a répondu à la demande des locataires, concluant à son rejet et à la confirmation de l'augmentation selon avis de majoration de loyer du 12 juin 2008. Le 15 décembre 2008, le Tribunal a ordonné la réinscription de la cause au rôle et fixé une audience de plaidoiries au 27 janvier 2009.
Par jugement du 26 février 2009, le Tribunal a débouté la bailleresse de toutes ses conclusions, pris acte du retrait par les locataires de leur requête en opposition à hausse de loyer et demande reconventionnelle de baisse de loyer, dit que la cause serait rayée du rôle une fois le délai d'appel expiré et non utilisé, enfin débouté les parties de toutes autres conclusions. Pour ce qui concerne la demande de la bailleresse, il a constaté qu'elle n'avait pas introduit de demande de validation de hausse de loyer dans les trente jours ayant suivi l'échec de la tentative de conciliation et qu'en n'ayant pas saisi à temps le juge, elle avait renoncé à la hausse de loyer.
Saisie par la bailleresse - qui soutenait en particulier qu'il appartenait aux locataires et non à elle de s'adresser au juge dans les trente jours suivant l'échec de la tentative de conciliation - et statuant par arrêt du 5 octobre 2009, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers du canton de Genève a confirmé le jugement du 26 février 2009.
C.
La bailleresse (la recourante) interjette un recours en matière civile au Tribunal fédéral, concluant principalement à la confirmation de l'augmentation de loyer selon avis de majoration de loyer du 12 juin 2008. Les locataires (les intimés) proposent le rejet du recours. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il est recevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
La recourante soutient que ce n'était pas à elle de saisir le juge de la demande de hausse de loyer dans le délai de trente jours courant dès l'échec de la tentative de conciliation.
2.1
A teneur de l'
art. 274f al. 1 CO
, si l'autorité de conciliation a constaté l'échec de la tentative de conciliation, la partie qui persiste dans sa demande doit saisir le juge dans les trente jours. Par demande, il faut entendre la demande au fond ("Begehren" et
BGE 136 III 90 S. 92
"pretesa" dans les versions allemande et italienne du texte). La disposition correspond à l'art. 28 al. 2 de l'ancien arrêté fédéral du 30 juin 1972 - actuellement abrogé - instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif (AMSL; RO 1972 1531; cf.
ATF 122 III 316
consid. 2 p. 317).
En matière de hausse de loyer, l'autorité de conciliation est certes saisie par le locataire (cf.
art. 270b al. 1 CO
), mais la prétention litigieuse émane du bailleur. Il appartient donc à celui-ci d'agir dans les trente jours s'il persiste dans sa prétention à augmenter le loyer. A ce défaut, il est réputé y avoir renoncé. Il garde toutefois la possibilité de notifier une nouvelle hausse pour l'échéance contractuelle suivante et peut se prévaloir des mêmes motifs (cf.
ATF 124 III 245
consid. 2 et 3).
2.2
Lorsque les deux parties ont fait valoir des prétentions devant l'autorité de conciliation, se pose la question de savoir si chacune doit agir dans le délai de trente jours pour préserver ses propres prétentions.
Dans les cas où, faute pour les parties d'avoir trouvé un accord, l'autorité de conciliation rend une décision (cf. art. 274e al. 2 in initio et art. 274f al. 1 in initio CO), il suffit que l'une des parties à la procédure de conciliation saisisse le juge dans les délais pour que la décision soit entièrement mise à néant. Il serait en effet contraire à l'esprit d'une conciliation de désavantager l'autre partie dans la suite de la procédure judiciaire pour le motif qu'elle s'est montrée plus conciliante en étant prête à accepter la décision de l'autorité de conciliation bien que celle-ci ne la satisfasse pas nécessairement. Cette partie garde en conséquence la possibilité de soumettre au juge ses propres conclusions, dans le cadre de la réponse à la demande ou en formant une demande reconventionnelle, pour autant que le droit de procédure applicable lui offre une telle possibilité (cf.
ATF 135 III 253
consid. 2, spéc. consid. 2.3 p. 257 et consid. 2.4 p. 258).
Dans les cas où l'autorité de conciliation n'est pas habilitée à rendre une décision et ne peut, faute de conciliation, que constater l'échec de la tentative de conciliation (art. 274e al. 2 in fine et art. 274f al. 1 in fine CO), les choses se présentent différemment. La question de ne pas désavantager la partie qui fait preuve d'esprit de conciliation en acceptant une décision de l'autorité de conciliation ne se pose pas. Les parties ne sont pas mises devant le choix de renoncer à poursuivre leurs prétentions dans l'espoir que la partie adverse en fasse de
BGE 136 III 90 S. 93
même en acceptant, elle aussi, la solution de compromis proposée par l'autorité de conciliation. A défaut d'une telle proposition, l'alternative pour chaque partie est simplement de procéder dans le délai ou de renoncer. Il n'y a dès lors pas motif de lier leurs prétentions les unes aux autres et de permettre à la partie, qui a dans un premier temps abandonné sa prétention, de revenir sur cette renonciation simplement parce que l'autre partie n'a pas abandonné la sienne. Cela se justifie d'autant moins que par rapport à l'acceptation de la décision de l'autorité de conciliation qui entre en force, la portée d'une renonciation à aborder le juge pour une hausse de loyer est moindre; dans ce cas de figure, une nouvelle hausse fondée sur les mêmes motifs peut en effet être notifiée pour le terme suivant déjà.
2.3
En l'occurrence, la Commission de conciliation a été saisie d'une demande de hausse et d'une demande de baisse du loyer. La cause a été déclarée non conciliée le 2 octobre 2008 et ce n'est que le 5 décembre 2008 que la recourante a fait valoir sa prétention de hausse de loyer devant le Tribunal des baux et loyers. A ce moment-là, le délai de trente jours dès la communication de l'échec de la tentative de conciliation était largement échu. La recourante est ainsi réputée avoir renoncé à la hausse de loyer notifiée le 12 juin 2008. | null | nan | fr | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
66e04ab7-2d38-4139-aaa8-cf59a112263f | Urteilskopf
95 I 184
28. Auszug aus dem Urteil vom 31. Januar 1969 i.S. Studer und Thommen & Co. gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. | Regeste
Einspruch gegen Liegenschaftsverkauf: Fall einer Kollektivgesellschaft, welche ein landwirtschaftliches Heimwesen kauft, nachdem ein Gesellschafter, der sie beherrscht, bereits ein anderes solches Heimwesen für sich erworben hat.
1.
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
: Es liegt nicht offensichtlich Güteraufkauf vor, wenn die Gesellschaft vertretbare geschäftliche Gründe für den Kauf anführen kann (Erw. 3).
2.
Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG
:
- Darunter kann auch ein von einer juristischen Person oder Kollektivgesellschaft abgeschlossener Zukauf fallen (Erw. 4).
- Als wichtige Gründe, welche den Kaufvertrag rechtfertigen, kommen auch die persönlichen Verhältnisse des Verkäufers in Betracht (Erw. 5 und 6). | Sachverhalt
ab Seite 185
BGE 95 I 184 S. 185
A.-
Max Studerli-Bitter, geb. 1901, dipl. Bücherexperte und bis 1961 Bundesbeamter, kaufte im Jahre 1951 den Liegenschaftskomplex Bad Maisprach (Basel-Landschaft), zu dem das Badhotel (Gebäude Nr. 88), ein Wohn- und Ökonomiegebäude (Nr. 89, "Dépendance" genannt) und gegen 15 ha land- und forstwirtschaftliche Grundstücke gehörten. Gestützt auf den damals noch geltenden BRB vom 19. Januar 1940/7. November 1941 über Massnahmen gegen die Bodenspekulation und die Überschuldung sowie zum Schutze der Pächter genehmigte die Direktion des Inneren des Kantons Basel-Landschaft den Verkauf ausnahmsweise, mit der Auflage, dass der Käufer das ganze Hofgut vom Jahre 1954 an, nach Ablauf des bestehenden Pachtvertrages, selbst zu bewirtschaften habe.
Im Jahre 1954 verkaufte Max Studer das Kurhaus mit wenig Umschwung. Sein Gesuch um Bewilligung des Verkaufs der landwirtschaftlichen Grundstücke vor Ablauf der zehnjährigen Sperrfrist (
Art. 218 OR
) wurde in der Hauptsache abgewiesen; nur eine Reblandparzelle konnte er veräussern. Die in seinem Besitz gebliebenen landwirtschaftlichen Grundstücke liess er weiterhin durch Pächter bewirtschaften.
Nachdem er aus Gesundheitsgründen vorzeitig pensioniert worden und die Sperrfrist abgelaufen war, bemühte er sich um den Verkauf seines restlichen Grundbesitzes in Maisprach. Im Jahre 1963 veräusserte er einige Parzellen an die Gemeinde Maisprach für öffentliche Zwecke. Den übrigen Besitz, umfassend rund 13 ha und das Wohn- und Ökonomiegebäude Nr. 89, verkaufte er am 30. März 1968 zum Preise von Fr. 250 000.-- an die Kollektivgesellschaft Thommen & Co. in Kaiseraugst, welche Handel mit Baumaschinen und Baumaterial treibt, Krane und Hubstapler vermietet und Automobile "paketiert".
BGE 95 I 184 S. 186
Der Seniorchef dieser Firma, Gustav Thommen, der mit 70% am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist, besitzt bereits den Bauernhof "Untergrath" in Dürrenroth (Bern) im Halte von 10,8 ha, den er um das Jahr 1958 gekauft hatte. Er verbringt dort das Wochenende; den Landwirtschaftsbetrieb hat er einem Bauern verpachtet.
B.-
Die Landwirtschaftsdirektion des Kantons Basel-Landschaft erhob gestützt auf Art. 19 Abs. 1 lit. a und b BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) Einspruch gegen den Kaufvertrag vom 30. März 1968, weil sie annahm, es liege ein Güteraufkauf vor. Auf Beschwerde der Vertragsparteien hin bestätigte der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft den Einspruch mit Entscheid vom 27. August 1968. Er führte aus, zwar trete die Kollektivgesellschaft Thommen & Co. als Käuferin auf, doch werde sie lediglich vorgeschoben; Käufer sei in Wirklichkeit Gustav Thommen, der die Gesellschaft beherrsche; da er bereits Eigentümer eines Hofes in Dürrenroth sei, habe man es mit Güteraufkauf zu tun. Selbst wenn wichtige Gründe auf Seiten des Verkäufers Max Studer einen Verkauf seines Grundbesitzes unter Umständen zu rechtfertigen vermöchten, dürfe dieser doch nicht an einen Güteraufkäufer veräussert werden.
C.-
Max Studer und die Firma Thommen & Co. erheben in getrennten Eingaben Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben und der Einspruch für unbegründet zu erklären.
a) Max Studer macht geltend, seine Besitzung sei nicht ein landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des
Art. 19 EGG
. Würde anders entschieden, so wäre es unbillig, ihm den nach langen vergeblichen Bemühungen endlich möglich gewordenen Verkauf zu verwehren, der ihm einen geruhsamen Lebensabend ermögliche, wie er ihn sich angesichts seiner angegriffenen Gesundheit sehnlichst wünsche. Er habe infolge eines schweren Unfalls und aus anderen Gründen Schulden und besitze ausser den Liegenschaften in Maisprach keinerlei Vermögen.
b) Die Firma Thommen & Co. bestreitet ebenfalls, dass die Besitzung Max Studers ein landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des Gesetzes darstelle.
Sodann führte sie aus, auf jeden Fall liege kein Güteraufkauf im Sinne von
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
vor. Gustav Thommen habe sie keineswegs als Käuferin vorgeschoben. Sie habe hinreichende
BGE 95 I 184 S. 187
Gründe zum Erwerb der Grundstücke in Maisprach. Diese lägen nahe bei ihrem Betrieb in Kaiseraugst und dienten ihr daher nicht nur als Kapitalanlage, sondern besonders auch als Landreserve, die ihr ermöglichen werde, Boden in Kaiseraugst, den sie für ihren Betrieb benötige, von Landwirten gegen Realersatz zu erwerben. Zudem beabsichtige sie, in dem Wohngebäude Wohnungen und Zimmer für eigene Arbeiter einzurichten. Es sei merkwürdig, dass ihr die kantonalen Behörden den Erwerb der streitigen Grundstücke auch für den Fall verwehren wollten, dass Gustav Thommen den Hof in Dürrenroth seinem Schwiegersohn, der nicht Teilhaber der Kollektivgesellschaft sei, verkaufen würde.
Würde angenommen, dass
Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG
grundsätzlich anwendbar sei, so würden wichtige Gründe im Sinne dieser Bestimmung den angefochtenen Kauf rechtfertigen. Die Käuferin sei willens, das gekaufte Anwesen für den Betrieb der Landwirtschaft instandzustellen und zu meliorieren, wozu ein Bauer wegen der Höhe der Kosten nicht imstande wäre. Der Kauf stehe im Einklang mit der Zielsetzung des EGG.
D.-
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft beantragt, die Beschwerden seien abzuweisen, weil der Einspruch nach
Art. 19 Abs. 1 lit. a und b EGG
begründet sei.
E.-
Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement beantragt Gutheissung der Beschwerden.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Die Besitzung Max Studers ist ein landwirtschaftliches Heimwesen im Sinne des
Art. 19 EGG
.)
2.
(Zu prüfen ist, ob der Einspruch nach
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
- wegen Güteraufkaufs - oder nach lit. b daselbst begründet sei.)
3.
Nach
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
kann Einspruch erhoben werden, wenn der Käufer das Heimwesen oder die Liegenschaft "offensichtlich zum Zwecke der Spekulation oder des Güteraufkaufs" erwirbt. Merkmal des Güteraufkaufs (accaparement, accaparramento) im Sinne dieser Bestimmung ist die Absicht des Käufers, über seinen Bedarf hinaus möglichst viele landwirtschaftliche Güter (Heimwesen oder zu einem solchen gehörende Liegenschaften) zusammenzukaufen (
BGE 83 I 315
/6;
BGE 92 I 322
, 419). Ein solches Zusammenraffen widerspricht dem
BGE 95 I 184 S. 188
Zweck des EGG, den bäuerlichen Grundbesitz zu erhalten, in ähnlicher Weise wie die Spekulation mit landwirtschaftlichen Gütern. Zwar will der Güteraufkäufer nicht unbedingt in absehbarer Zeit einen Gewinn erzielen, wie dies der Bodenspekulant beabsichtigt. Aber er möchte so viel Geld wie möglich in Grundstücken anlegen, die zu landwirtschaftlichen Heimwesen gehören, wobei er sich von der Annahme leiten lässt, eine solche Kapitalanlage biete mehr Sicherheit und sei auf lange Frist günstiger als eine andere. Nach
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
ist erforderlich, dass der Käufer "offensichtlich" den Zweck des Güteraufkaufs verfolgt; es muss also zweifelsfrei feststehen, dass treibendes Motiv des Käufers die Absicht ist, über seinen Bedarf hinaus möglichst viele landwirtschaftliche Güter zusammenzukaufen. Der Einspruch wegen Güteraufkaufs ist nur dann, aber auch immer dann begründet, wenn dies zutrifft. Liegt offensichtlich Güteraufkauf vor, so kann nicht eingewendet werden, der Kauf lasse sich durch wichtige Gründe rechtfertigen;
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
lässt diesen Einwand - im Gegensatz zu lit. b (und c) - nicht zu.
Als Käufer der Besitzung Max Studers in Maisprach tritt die Kollektivgesellschaft Thommen & Co. auf. Es wird nicht behauptet, dass sie für sich Güteraufkauf betreibe; dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte. Nicht die Gesellschaft, sondern ein Gesellschafter, Seniorchef Gustav Thommen, ist bereits Eigentümer eines Bauernhofes in Dürrenroth. Dieses Anwesen, auf dem er das Wochenende verbringt und das er einem Bauern verpachtet hat, gehört zu seinem Privatvermögen. Die Vorinstanz nimmt jedoch an, in Wirklichkeit sei er und nicht die Gesellschaft Käufer der Besitzung in Maisprach, weil er am Gesellschaftsvermögen mit 70% beteiligt sei; dank dieser dominierenden Stellung in der Gesellschaft würde er praktisch über zwei landwirtschaftliche Heimwesen verfügen, falls der Einspruch verworfen würde; es sei "sicher", dass er das Gut in Maisprach für sich zum Zwecke des Güteraufkaufs erwerben wolle und die von ihm beherrschte Kollektivgesellschaft als Käuferin lediglich vorgeschoben habe.
Allerdings kann unter Umständen ein offensichtlicher Güteraufkauf auch dann vorliegen, wenn jemand über eine oder mehrere von ihm beherrschte juristische Personen oder Handelsgesellschaften ohne juristische Persönlichkeit (Kollektiv- oder Kommanditgesellschaften) landwirtschaftliche Liegenschaften
BGE 95 I 184 S. 189
zusammenkauft. Im vorliegenden Fall rechtfertigen indessen die Tatsachen, dass Gustav Thommen bereits - seit zehn Jahren - Eigentümer eines Bauernhofes ist, dass er die Kollektivgesellschaft Thommen & Co. beherrscht und dass diese nun einen Kaufvertrag über ein zweites landwirtschaftliches Heimwesen abgeschlossen hat, die Annahme noch nicht, dass der genannte Gesellschafter "sicher" über seinen Bedarf hinaus möglichst viele landwirtschaftliche Güter aufkaufen will. Ein offensichtlicher Güteraufkauf ist auf jeden Fall zu verneinen, wenn die Kollektivgesellschaft vertretbare geschäftliche Gründe für den Ankauf der Besitzung in Maisprach anführen kann. Solche Gründe macht aber die Gesellschaft gerade geltend. Vor allem weist sie darauf hin, dass sie für ihren Betrieb in Kaiseraugst, der nahe bei jener Besitzung liege, weiteres Land benötige und daher den Bauern, von denen sie es erwerben würde, Realersatz müsse anbieten können. Der Regierungsrat wendet ein, diese Ausführungen erschienen als "wenig konkret und nicht zwingend". Sie sind aber jedenfalls nicht geradezu unglaubwürdig. Es ist keineswegs unwahrscheinlich, dass die Firma Thommen & Co. in absehbarer Zeit für ihren Betrieb - für die Lagerung von Baumaschinen und Baumaterialien usw. - mehr Land haben muss. Allerdings wäre es für diesen Zweck wohl nicht unbedingt nötig, eine Besitzung von 13 ha samt Wohn- und Wirtschaftsgebäude zu kaufen. Indessen muss die Firma Thommen & Co. damit rechnen, dass sie in Kaiseraugst weiteren Boden nur erhält, wenn sie dort ein ganzes landwirtschaftliches Heimwesen erwirbt und einen entsprechenden Realersatz dafür anbieten kann. Es ist auch verständlich, dass Max Studer seinerseits das Gut in Maisprach als Ganzes veräussern will. Zudem erklärt die Kollektivgesellschaft, dass sie in dem dortigen Wohngebäude eigene Arbeiter unterbringen wolle, was ebenfalls nicht ganz unwahrscheinlich ist. Erscheint es somit nicht von vorneherein als ausgeschlossen, dass die Gesellschaft aus geschäftlichen Gründen am Kauf der Besitzung in Maisprach interessiert ist, so kann nicht gesagt werden, dass ein offensichtlicher Güteraufkauf im Sinne des Gesetzes vorliegt.
4.
Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG
lässt den Einspruch zu, "wenn der Käufer bereits Eigentümer so vieler landwirtschaftlicher Liegenschaften ist, dass sie ihm und seiner Familie eine auskömmliche Existenz bieten, es sei denn, der Kauf diene dazu, Nachkommen die Gründung eines selbständigen landwirtschaftlichen
BGE 95 I 184 S. 190
Gewerbes zu ermöglichen, oder er lasse sich aus anderen wichtigen Gründen rechtfertigen". Diese Bestimmung ist nach ihrem Wortlaut auf Käufer zugeschnitten, welche natürliche Personen sind, nämlich auf Landwirte, die bereits Eigentümer eines landwirtschaftlichen Heimwesens sind und dieses selbst bewirtschaften. Sie richtet sich dagegen, dass solche Bauern ihren Grundbesitz durch Zukauf über das Mass hinaus ausdehnen, das ihnen und ihrer Familie eine auskömmliche Existenz gewährleistet (
BGE 93 I 685
). Darin erschöpft sich jedoch der Zweck der Vorschrift nicht. Sie soll überhaupt verhindern, dass irgendein Eigentümer eines Landguts, das einer Bauernfamilie eine auskömmliche Existenz zu bieten vermag, weitere zu einem landwirtschaftlichen Heimwesen gehörende Liegenschaften hinzukauft. Sie ist daher - soweit ihr Zweck es erfordert - auch auf Käufe anwendbar, die von juristischen Personen oder von Handelsgesellschaften ohne juristische Persönlichkeit abgeschlossen werden. Sie ist denn auch vom Bundesgericht bereits in einem Urteil vom 15. Juli 1966 auf eine juristische Person (Emser Werke AG) angewandt worden (
BGE 92 I 322
Erw. 4). Das Gericht hat dort ausgeführt, entscheidend sei, wieviel landwirtschaftlichen Boden die juristische Person "in volkswirtschaftlich vertretbarer Weise für die Erfüllung ihrer rechtmässigen Zwecke benötigt"; ein Kauf, für den ein diesen Anforderungen genügendes Bedürfnis bestehe, liesse sich "auf jeden Fall" durch einen wichtigen Grund im Sinne des Schlusssatzes von
Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG
rechtfertigen.
Wäre mit Sicherheit anzunehmen, dass die Firma Thommen & Co. das Heimwesen in Maisprach nicht "in volkswirtschaftlich vertretbarer Weise für die Erfüllung ihrer rechtmässigen Zwecke benötigt", so läge es nahe, in dem umstrittenen Kauf ein in Wirklichkeit den persönlichen Interessen des Gesellschafters Gustav Thommen dienendes, für ihn abgeschlossenes Geschäft und demzufolge - da dieser Gesellschafter bereits Eigentümer eines landwirtschaftlichen Heimwesens mittlerer Grösse (lo,8 ha) ist - einen Zukauf im Sinne von
Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG
zu erblicken. Wie es sich damit verhält, braucht indessen nicht näher untersucht zu werden, wenn der Kauf sich auf jeden Fall durch einen wichtigen Grund im Sinne der gleichen Bestimmung rechtfertigen lässt. Da er nicht dazu dient, "Nachkommen die Gründung eines selbständigen landwirtschaftlichen
BGE 95 I 184 S. 191
Gewerbes zu ermöglichen", kommen nur "andere wichtige Gründe" in Frage.
5.
Nach der Meinung des Regierungsrates müssten die wichtigen Gründe auf der Seite des Käufers gegeben sein, könnten also die persönlichen Verhältnisse des Verkäufers nicht berücksichtigt werden. Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.
Auch
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
, wonach Einspruch erhoben werden kann, "wenn durch den Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verliert", schliesst den Einspruch aus, falls sich das Geschäft durch "andere wichtige Gründe" (ausser den dort ausdrücklich genannten) rechtfertigen lässt. Das Bundesgericht hat schon wiederholt entschieden, dass als "andere wichtige Gründe" im Sinne dieser Bestimmung nicht nur Umstände in Betracht fallen, die sich aus den Eigenschaften der in Frage stehenden Grundstücke ergeben, sondern auch die persönlichen Verhältnisse der Vertragsparteien, insbesondere die des Verkäufers, der in erster Linie beschwert wird, wenn der Einspruch durchdringt. Nach dieser Rechtsprechung sind im einzelnen Fall das öffentliche Interesse an der Erhaltung des landwirtschaftlichen Gewerbes und die geltend gemachten privaten Interessen am Zustandekommen des Kaufgeschäftes gegeneinander abzuwägen (
BGE 92 I 313
;
BGE 94 I 179
).
Einen ähnlichen Sinn haben die Worte "andere wichtige Gründe" in
Art. 19 Abs. 1 lit. b EGG
. Auch hier muss unter Umständen auf die Interessen beider Vertragsparteien, namentlich diejenigen des Verkäufers, Rücksicht genommen werden. Daran ändert es nichts, dass in Art. 19 Abs. 1 lit. b von der Rechtfertigung des "Kaufs" die Rede ist, während lit. c von der Rechtfertigung der durch den "Verkauf" bewirkten "Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes" spricht. Beide Bestimmungen betreffen den Einspruch gegen zweiseitige Rechtsgeschäfte ("Kaufverträge", vgl. Ingress des Art. 19 Abs. 1). Hält der Verkäufer einem auf Art. 19 Abs. 1 lit. b gestützten Einspruch seine persönlichen Interessen am Zustandekommen des Geschäftes entgegen, so ist dieser Einwand zu prüfen; es ist zu untersuchen, ob nach den gegebenen Umständen die privaten Interessen - wenn und soweit sie bestehen - oder das öffentliche Interesse daran, dass der Zukauf nicht zustande kommt, mehr Gewicht haben.
BGE 95 I 184 S. 192
6.
(Die Würdigung aller Umstände ergibt, dass wichtige Gründe auf Seiten des Verkäufers Max Studer - Alter, Gesundheitszustand, Vermögensverhältnisse - den Verkauf zu rechtfertigen vermögen.)
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerden werden gutgeheissen. Der angefochtene Entscheid wird aufgehoben und der Einspruch für unbegründet erklärt. | public_law | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
66e9d0a3-2c92-4158-bb88-12564c100775 | Urteilskopf
102 Ib 241
39. Auszug aus dem Urteil vom 10. Dezember 1976 i.S. Heller gegen Schweiz. Eidgenossenschaft | Regeste
Beamtenrecht.
Anspruch des Beamten auf Vergütungen für ausserordentliche Dienstleistungen nach
Art. 44 Abs. 1 lit. f BtG
; Voraussetzungen. | Sachverhalt
ab Seite 241
BGE 102 Ib 241 S. 241
Der Beschwerdeführer, der als Technischer Mitarbeiter bei der Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun in der 8. Besoldungsklasse eingereiht ist, gelangte gegen den Entscheid des Eidg. Militärdepartements, in dem sowohl seine Beförderung in die 7. Besoldungsklasse als auch die Ausrichtung einer Zulage abgelehnt wurden, an den Bundesrat und verlangte die Beförderung oder die Zusprechung einer Vergütung. Der Bundesrat lehnte die Beförderung ab und überwies die Sache hinsichtlich der Vergütung zuständigkeitshalber an das Bundesgericht. Dieses beurteilt die Sache im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren (Bestätigung der Rechtsprechung von
BGE 101 Ib 105
; nachfolgend nicht publizierte Erwägung 1 des Urteils) und weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Erwägungen:
2.
Für ausserordentliche Dienstleistungen hat der Beamte nach
Art. 44 Abs. 1 lit. f BtG
und Art. 52 Abs. 3 BO I Anspruch auf Vergütung. Beim Begriff der ausserordentlichen
BGE 102 Ib 241 S. 242
Dienstleistung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Verwaltung einen gewissen Beurteilungsspielraum einräumt. Die vorgesetzte Verwaltungsbehörde ist nämlich besser als der Richter im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren in der Lage, im Einzelfall und unter Berücksichtigung der gesamten Arbeitsstruktur, in welche die Stelle des einzelnen Beamten eingeordnet ist, zu beurteilen, ob bestimmte Dienstleistungen dem ordentlichen Aufgabenkreis eines Beamten zuzuordnen sind, oder ob es sich um solche handelt, die nicht zu seinen normalen Obliegenheiten gehören, aber zur Bewältigung einer besonderen Situation erforderlich sind. Bei der Beurteilung einer Verwaltungsverfügung, welche sich über den Anspruch und das Ausmass einer Vergütung für ausserordentliche Dienstleistung ausspricht, muss sich das Bundesgericht daher Zurückhaltung auferlegen. Es hat in der Regel nur dann einzuschreiten, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich der Zwecksetzung des Beamtenrechts zuwiderläuft.
a) Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Beamter eine den normalen Pflichtenkreis übersteigende Sonderleistung erbringen muss, die einen Anspruch auf Vergütung begründen könnte, ist die Umschreibung des Tätigkeitsbereiches einer bestimmten Stelle, nämlich das Pflichtenheft. Was der Beamte im Rahmen seines Pflichtenheftes und unter normalen Verhältnissen zu leisten hat, ist keine ausserordentliche Dienstleistung; denn aufgrund der Bewertung der im Pflichtenheft umschriebenen Tätigkeit ist seine Einreihung in eine bestimmte Besoldungsklasse vorgenommen worden.
Anspruch auf Vergütung für ausserordentliche Dienstleistungen kann grundsätzlich der Beamte erheben, der Arbeiten zu übernehmen hat, die nicht im Bereich der ihm gemäss Pflichtenheft auferlegten Tätigkeiten liegen. In diesem Sinne können als ausserordentliche Dienstleistungen solche betrachtet werden, die gänzlich ausserhalb des normalen Tätigkeitsbereiches liegen und damit überhaupt nicht in Zusammenhang stehen; in Betracht fallen aber auch Dienstleistungen, die zwar in engem Zusammenhang mit dem ordentlichen Aufgabenkreis stehen, aber über die im Pflichtenheft umschriebenen Aufgaben hinausreichen. Dabei kann es sich um einmalige ausserordentliche Leistungen handeln, aber auch um solche von längerer Dauer. Eine dauernde Zulage wird sich dann
BGE 102 Ib 241 S. 243
rechtfertigen lassen, wenn der Beamte anhaltend Leistungen zu erbringen hat, die über die im Pflichtenheft umschriebenen Aufgaben hinausgehen, aber nicht einen derartigen Umfang annehmen, dass Grund zur Neuumschreibung des Pflichtenheftes und zur Einreihung in eine höhere Gehaltsklasse besteht. Ob eine Vergütung für ausserordentliche Dienstleistungen auszurichten ist, kann sich aber auch in Fällen fragen, da der Beamte im Rahmen seines Pflichtenheftes Überstunden zu leisten hat, weil er seine Aufgabe in der ordentlichen Arbeitszeit nicht bewältigen kann, oder wo er aufgrund geänderter Arbeitsbedingungen die ihm durch das Pflichtenheft übertragenen Aufgaben nur durch ausserordentlichen Einsatz zu erfüllen vermag (Urteile Imhof vom 31. Oktober 1975 E. 3b und Ammann vom 14. März 1975 E. 4 mit Hinweis auf die Botschaft zum BtG in BBl 1924 III 1972).
b) Der Aufgabenbereich des Beschwerdeführers, so wie er im Pflichtenheft vom 28. Juni 1973 umschrieben ist, umfasst die Sachbearbeitung auf dem gesamten Gebiete der Oberflächenbehandlung sowie die Mitarbeit in der AVOR und in der Kalkulation. Die Erfüllung der mit diesem ausgedehnten Pflichtenheft überbundenen Aufgaben setzt gründliche Kenntnisse in verschiedenen Gebieten, wie jenem der Oberflächentechnik, der Vorbehandlungsverfahren, der Anstrichstoffe, der Beschichtungen, der Applikationen, der Galvanotechnik und der Metallspritztechnik voraus. Es bedarf - wie dies die begutachtende Kommission für Stellenbewertung in der allgemeinen Bundesverwaltung in ihrem Gutachten vom 21. Februar 1975 angedeutet hat - vielseitiger beruflicher Fähigkeiten, die der Beschwerdeführer anerkanntermassen besitzt. Die Akten lassen auch erkennen - und das Eidg. Militärdepartement stellt dies keineswegs in Abrede -, dass der Beschwerdeführer aufgrund ausgezeichneter und ausgedehnter Berufskenntnisse und wegen seines grossen Einsatzes fähig ist, die ihm übertragenen Aufgaben zu bewältigen. Nichts deutet indes darauf hin, dass er Aufgaben (oder auch Aufgaben) erfüllen muss, die über das hinausgehen, was von ihm nach Pflichtenheft verlangt wird. Für seine Leistungen im Rahmen des Pflichtenheftes wird der Beschwerdeführer entsprechend seiner besoldungsklassenmässigen Einteilung entlöhnt. Über diese ist letztinstanzlich durch den Bundesrat befunden worden; das Bundesgericht hat sich hierzu mangels Zuständigkeit
BGE 102 Ib 241 S. 244
nicht zu äussern. Namentlich kann im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nachträglich keine Korrektur dieser Einreihung auf dem Umweg über die Vergütung nach
Art. 44 BtG
erwirkt werden.
Eine Vergütung nach
Art. 44 Abs. 1 lit. f BtG
käme somit im vorliegenden Fall nur in Frage, wenn der Beschwerdeführer in einem ins Gewicht fallenden Ausmass Überstunden zu leisten hätte, weil er trotz grossen Einsatzes die ihm durch das Pflichtenheft übertragenen Aufgaben in der ordentlichen Arbeitszeit nicht bewältigen könnte; oder aber, wenn der Beschwerdeführer aufgrund geänderter Arbeitsbedingungen die ihm durch das Pflichtenheft übertragenen Aufgaben nur durch Leistung eines ganz ausserordentlichen Einsatzes zu erfüllen vermöchte. Beides ist nicht der Fall. Aus den Akten ist ersichtlich, dass sich die vom Beschwerdeführer in den Jahren 1972 bis 31. Juli 1975 geleistete Überzeit in bescheidenem Rahmen bewegt. Sollte sich an diesem Zustand in dem Sinne etwas ändern, dass die zeitliche Beanspruchung inskünftig und längere Zeit über das unter normalen Verhältnissen Zumutbare hinausgehen würde, beispielsweise aufgrund der Projekt-Studien für ein neues Oberflächen-Behandlungs-Zentrum, ist es dem Beschwerdeführer unbenommen, eine entsprechende Vergütung für die Leistung von Überzeit zu beanspruchen. Was anderseits den grossen und qualifizierten Einsatz anbelangt, der vom Beschwerdeführer verlangt wird und den er auch leistet, wird diesem bereits durch die Einreihung in der 8. Besoldungsklasse Rechnung getragen, denn die breitgefächerten Aufgaben des Beschwerdeführers sind - wie dargelegt - Bestandteil seines Pflichtenheftes und bildeten die Grundlage für die besoldungsklassenmässige Einreihung.
Das als verwaltungsrechtliche Klage vom Bundesrat dem Bundesgericht überwiesene Rechtsmittel erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
66ebe154-566d-4917-99e3-d08221b4607d | Urteilskopf
107 III 1
1. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 11. März 1981 i.S. K. AG (Rekurs) | Regeste
Beschwerdeverfahren.
Art. 8 ZGB
ist im Beschwerdeverfahren nach
Art. 17 und
Art. 18 SchKG
analog anwendbar. Dabei dürfen nicht so strenge Anforderungen an das Anerbieten von Beweisen gestellt werden wie in einem Zivilprozess. | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 107 III 1 S. 1
A.-
In der Betreibung Nr. 551.80 der G. AG gegen die K. AG über Fr. 2'400.- nebst Zins stellte das Betreibungsamt Rheineck der Schuldnerin am 4. November 1980 die Konkursandrohung zu. Dagegen beschwerte sich die Schuldnerin beim Bezirksgerichtspräsidenten von Unterrheintal als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs mit der Begründung, ein entsprechender Zahlungsbefehl sei ihr nie zugestellt worden. Der Bezirksgerichtspräsident wies die Beschwerde mit Entscheid vom 1. Dezember 1980 ab. Er stellte fest, das Betreibungsamt habe den Nachweis erbracht, dass der Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. 551.80 der Schuldnerin zugestellt worden sei. Der zustellende Beamte habe nämlich auf dem Zahlungsbefehl unterschriftlich vermerkt, dass er die Urkunde am 1. September 1980 Herrn K. ausgehändigt habe. Ein Rekurs gegen den Entscheid des Bezirksgerichtspräsidenten wurde von der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde des Kantons St.Gallen am 15. Januar 1981 abgewiesen.
BGE 107 III 1 S. 2
B.-
Gegen diesen Entscheid rekurrierte die Schuldnerin an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Antrag, die Betreibung bzw. die Konkursandrohung aufzuheben.
Die Gläubigerin und das Betreibungsamt liessen sich innert der ihnen gesetzten Frist nicht vernehmen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Ob der Zahlungsbefehl der Rekurrentin zugestellt worden ist oder nicht, ist eine Tatfrage. Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörden über derartige Fragen sind nach Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 81 OG
im Rekursverfahren für das Bundesgericht verbindlich, es sei denn, dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustandegekommen sind oder offensichtlich auf Versehen beruhen. Das Bundesrecht enthält nun keine ausdrücklichen Bestimmungen darüber, auf welche Weise die kantonalen Aufsichtsbehörden im Beschwerdeverfahren nach Art. 17/18 SchKG den Sachverhalt zu ermitteln haben. Nach der Rechtsprechung gilt jedoch in gewissen Fällen von Bundesrechts wegen die Offizialmaxime, so wenn Zweifel an der Urteilsfähigkeit des Betriebenen bestehen (
BGE 104 III 6
/7) oder bei der Ermittlung der für die Beschränkungen der Pfändbarkeit nach Art. 92/93 SchKG massgebenden tatsächlichen Verhältnisse (
BGE 106 III 13
,
BGE 102 III 15
,
BGE 97 III 11
/12,
BGE 87 III 104
,
BGE 82 III 106
). Im übrigen findet im Beschwerdeverfahren
Art. 8 ZGB
, aus dem die Rechtsprechung einen bundesrechtlichen Anspruch auf Abnahme anerbotener Beweise ableitet (
BGE 97 II 196
/197, mit Hinweisen), analoge Anwendung (
BGE 102 III 13
,
BGE 97 III 14
/15 E. 2a; vgl. auch
BGE 54 III 191
).
2.
Im vorliegenden Fall hat die Rekurrentin im kantonalen Verfahren geltend gemacht, es müsse eine Verwechslung vorliegen, denn der Zustellbeamte Leemann, bei dem es sich nicht um den ordentlichen Weibel, sondern um dessen nur gelegentlich tätigen Stellvertreter handle, habe Herrn K. am 1. September 1980 tatsächlich einen Zahlungsbefehl überbracht, der aber eine andere Betreibung betreffe. Das läuft praktisch auf den Antrag hinaus, diesen Zustellbeamten als
BGE 107 III 1 S. 3
Zeugen zu befragen. Im Beschwerdeverfahren nach Art. 17/18 SchKG dürfen nicht so strenge Anforderungen an das Anerbieten von Beweisen gestellt werden wie in einem Zivilprozess. Das muss insbesondere dann gelten, wenn wie hier streitig ist, ob ein Zahlungsbefehl zugestellt worden ist oder nicht. Diese Frage ist für den Betriebenen von entscheidender Bedeutung. Wird sie nämlich zu Unrecht bejaht, so ist dieser der Möglichkeit beraubt, Rechtsvorschlag zu erheben, und die Betreibung kann - von dem an strenge Voraussetzungen geknüpften nachträglichen Rechtsvorschlag abgesehen - nicht mehr gehemmt werden. Dass der Zustellbeamte nicht als Zeuge einvernommen wurde, lässt sich daher zwangslos als Verletzung von
Art. 8 ZGB
bezeichnen. Wohl schafft die Bescheinigung auf dem Zahlungsbefehl Beweis für die Zustellung; aber den Parteien steht das Recht zum Gegenbeweis zu. Die Ausführungen der Vorinstanz darüber, weshalb eine Nichtzustellung als unwahrscheinlich erscheine, genügten jedenfalls nicht, einen entsprechenden Beweisantrag abzulehnen, zumal das Betreibungsamt vor keiner Instanz eine Vernehmlassung eingereicht hat, in welcher es ausdrücklich bestätigt hätte, dass die Aushändigung des Zahlungsbefehls an K. erfolgt sei. Die Sache ist daher zur Einvernahme des Zustellbeamten Leemann an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
66ed8770-4c01-4434-bed4-91a458915303 | Urteilskopf
107 Ib 237
43. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Dezember 1980 i.S. Gemeinde Vaz/Obervaz gegen Betriebsgesellschaft Sporthotel La Riva und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 24 RPG
; Ausnahmebewilligung.
1. Befreiung des Bundesgerichts von der Bindung an die Sachverhaltsfeststellung eines kantonalen Gerichts (
Art. 105 Abs. 2 OG
; E. 2a).
2. Verhältnis zwischen
Art. 24 Abs. 1 und Abs. 2 RPG
(E. 2b). Begriff der teilweisen Änderung im Sinne von
Art. 24 Abs. 2 RPG
(E. 2b-aa). | Sachverhalt
ab Seite 237
BGE 107 Ib 237 S. 237
Das "Sporthotel La Riva Lenzerheide" ist ein sogenanntes Appartementhotel mit 79 Wohnungen und einem Restaurant mit rund 130 Plätzen. Es umfasst drei gleichartige Gebäude, die auf dem Grundstück GB Nr. 1113 am nordwestlichen Ausgang der
BGE 107 Ib 237 S. 238
Ortschaft Lenzerheide stehen. Die Parzelle liegt gemäss Ersatzzonenplan der Regierung des Kantons Graubünden vom 30. Juni 1980 im übrigen Gebiet der Gemeinde Vaz/Obervaz.
Die Betriebsgesellschaft Sporthotel La Riva beabsichtigt, die bestehende, gegen den Heidsee gerichtete offene Terrasse zu beseitigen und an deren Stelle einen eingeschossigen, unterkellerten Anbau zu errichten. Im Erdgeschoss ist die Erweiterung des Restaurants um 50 Plätze mit Grill und Buffet vorgesehen; im Keller soll unter anderem ein Skiraum eingerichtet werden.
Der Gemeinderat Vaz/Obervaz wies das Baugesuch der Betriebsgesellschaft mit der Begründung ab, dass ausserhalb der Bauzonen nur landwirtschaftliche und standortgebundene Bauten bewilligt werden könnten, was auf die Erweiterung eines Restaurants im Talgebiet nicht zutreffe. Zudem sei fraglich, ob die Ausnützungsziffer eingehalten werde und ob genügend Parkplätze bereitgestellt würden. Dagegen legte die Betriebsgesellschaft Rekurs an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden ein. Dieses erachtete das Bauvorhaben als geringfügige und nach kantonalem Ergänzungsrecht zu Art. 24 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) zulässige Erweiterung einer zonenfremden Baute ausserhalb der Bauzone. Es hiess den Rekurs gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an den Gemeinderat zurück. In den Erwägungen hielt es unter anderem fest, dass die Vorschriften über sie Ausnützung im übrigen Gemeindegebiet nicht gälten und deshalb nicht zu beachten seien; dagegen werde die Gemeinde zu prüfen haben, ob die Erteilung der Bewilligung eine Verpflichtung zur Schaffung von Parkplätzen nach sich ziehe.
Die Gemeinde führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie wirft dem Verwaltungsgericht vor,
Art. 4 BV
,
Art. 24 RPG
sowie das kantonale Ausführungsrecht dazu verletzt zu haben, und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das "Sporthotel La Riva Lenzerheide" befindet sich ausserhalb der Bauzone und stellt somit eine zonenfremde Baute dar. Die vorgesehene Erweiterung des Restaurants bedarf daher einer Ausnahmebewilligung im Sinne von
Art. 24 RPG
. Damit ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss
Art. 34 Abs. 1 RPG
zulässig. Die Beschwerdelegitimation der
BGE 107 Ib 237 S. 239
Gemeinde ergibt sich aus
Art. 34 Abs. 2 RPG
. Da auch die übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.
Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG
setzt für die Erteilung einer Baubewilligung voraus, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen. Abweichend davon können Errichtung und Zweckänderung von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen nach
Art. 24 Abs. 1 RPG
ausnahmsweise bewilligt werden, wenn deren Zweck einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert (lit. a) und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b). Gemäss
Art. 24 Abs. 2 RPG
kann das kantonale Recht gestatten, Bauten und Anlagen zu erneuern, teilweise zu ändern oder wieder aufzubauen, wenn dies mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar ist.
Das Verwaltungsgericht erachtet das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin als geringfügige Erweiterung, die gestützt auf das kantonale Ergänzungsrecht zu
Art. 24 Abs. 2 RPG
bewilligt werden könne. Demgegenüber hält die Beschwerdeführerin den projektierten Anbau für eine wesentliche Erweiterung. Als solche sei sie von
Art. 24 Abs. 2 RPG
nicht mehr gedeckt. Damit stellt sich die Frage, ob das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin als Baute im Sinne von
Art. 24 Abs. 1 oder Abs. 2 RPG
zu gelten habe.
a) Gemäss
Art. 105 Abs. 2 OG
bindet die Feststellung des Sachverhalts das Bundesgericht, wenn Rekurskommissionen oder kantonale Gerichte entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt haben.
Das Verwaltungsgericht hat seinem Entscheid die Feststellung zugrunde gelegt, dass die rund 70 m2 grosse Terrasse gegen den See ummauert und überdacht werden soll. Von einer Erweiterung der Restaurationsfläche könne nur bedingt die Rede sein; entscheidend falle ins Gewicht, dass die Terrassenfläche bereits zuvor bei warmen und trockenem Wetter den Gästen offen gestanden habe und damit als Restaurationsfläche zu qualifizieren sei. Es handle sich daher nur um eine Gebäudeerweiterung in der Vertikalen, um eine sogenannte Aufbaute, mit der lediglich eine zu jeder Jahreszeit benützbare Restaurationsfläche geschaffen werden solle.
Diese Sachverhaltsfeststellung ist insofern unrichtig, als die Terrasse nicht bloss ummauert und überdacht werden soll. Nach den Plänen ist vielmehr vorgesehen, die Terrasse zu beseitigen und
BGE 107 Ib 237 S. 240
durch einen Anbau mit Erd- und Kellergeschoss zu ersetzen. Aus dem Anhang zum Baugesuch geht im weitern hervor, dass die vorhandenen Sitzplätze auf der Terrasse aus klimatischen Gründen praktisch nutzlos sind. Daher kann die Terrasse jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang nicht als Restaurationsfläche bezeichnet werden. Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt sodann unvollständig festgestellt. So hat es nicht berücksichtigt, dass unter dem Anbauteil des Restaurants ein Keller gleicher Nutzfläche gebaut und darin ein Skiraum eingerichtet werden soll. Unbeachtet blieb auch, dass die Ostfassade durch den Anbau, die darin integrierte Neugestaltung des Hoteleingangs und das über 10 m hohe Anbaukamin ein neues Aussehen erhält. Ebensowenig wurde der Beweggrund für das Bauvorhaben erfasst; dem Anhang zum Baugesuch ist zu entnehmen, dass das bestehende Restaurant ursprünglich nur auf die Verpflegung der eigenen Hotelgäste ausgerichtet war. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde später eine öffentliche Restaurationsbewilligung erlangt. In der Folge stieg der Umsatz, was die Beschwerdegegnerin veranlasste, die Platzzahl zu erhöhen und die Küchenanlage zu erweitern.
Das Verwaltungsgericht hat demnach die tatsächlichen Verhältnisse offensichtlich mangelhaft festgestellt. Das führt dazu, dass das Bundesgericht gemäss
Art. 105 Abs. 2 OG
nicht an den im angefochtenen Entscheid ermittelten Sachverhalt gebunden ist.
b) Zu entscheiden ist, ob das Bauvorhaben unter
Art. 24 Abs. 1 oder Abs. 2 RPG
fällt. Abs. 1 stellt den Grundsatz einer abschliessenden bundesrechtlichen Regelung auf, während Abs. 2 in Form eines Vorbehalts einzeln aufzählt, welche bauliche Massnahmen das kantonale Recht gestatten kann, sofern sie mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar sind. Es betrifft dies die Erneuerung, die teilweise Änderung und den Wiederaufbau. Fällt ein Bauvorhaben nicht unter einen dieser Begriffe, so ist es nach
Art. 24 Abs. 1 RPG
zu beurteilen.
Im vorliegenden Fall scheidet der Wiederaufbau begrifflich von vornherein aus. Auch liegt keine blosse Erneuerung vor, da nicht nur die bestehende Baute erhalten, sondern ihr Bauvolumen vergrössert werden soll (HEINZ AEMISEGGER, Leitfaden zum Raumplanungsgesetz, VLP-Schriftenfolge Nr. 25, Bern 1980, S. 95; MARTIN PFISTERER, Die Anwendung neuer Bauvorschriften auf bestehende Bauten und Anlagen, Diss. Bern 1979, S. 199, 207; ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, Kommentar, Aarau 1977, § 150 N. 2 b, S. 416/417; EJPD/BRP, Erläuterungen
BGE 107 Ib 237 S. 241
zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, Art. 22 N. 14 b, S. 275). Fragen kann es sich somit nur, ob das Bauvorhaben unter den Begriff der teilweisen Änderung falle.
aa) Dem Gesetz selbst lassen sich keine Hinweise entnehmen. Auch die Botschaft des Bundesrates gibt in dieser Hinsicht keinen Anhaltspunkt. Sie beschränkt sich im wesentlichen auf die Feststellung, das kantonale Recht umschreibe, was unter teilweiser Änderung zu verstehen sei (BBl 1978 I 1028). Da es sich indessen um einen bundesrechtlichen Begriff handelt, kann das kantonale Recht nicht den Begriff selbst festlegen; es kann nur bestimmen, ob und allenfalls inwieweit bauliche Massnahmen innerhalb des bundesrechtlich begrenzten Rahmens im Sinne von
Art. 24 Abs. 2 RPG
erleichtert bewilligt werden dürfen. In den parlamentarischen Beratungen waren wohl die Voraussetzungen, unter denen das kantonale Recht die drei Kategorien baulicher Massnahmen gestatten darf, nicht aber die Massnahmen selbst umstritten (vgl. Amtl. Bull. S 1978 S. 469/470; 1979 S. 188, 272/273; N 1979 S. 335, 669/670). Daher fehlen entscheidende Ausführungen zum Inhalt des Begriffs der teilweisen Änderung. Immerhin scheinen jedenfalls geringfügige Erweiterungen als zulässig betrachtet worden zu sein (vgl. Amtl. Bull. S 1979 S. 188). Die Literatur vermittelt sodann folgendes Bild: Die "Änderung" wird vorwiegend als Begriff bezeichnet, der die Zweckänderung, den Umbau und auch die Erweiterung umfasse (HEINZ AEMISEGGER, a.a.O., S. 96; OTTO PFAMMATTER, Zulässige Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen, Bern und Frankfurt 1976, S. 234; ERICH ZIMMERLIN, a.a.O., § 150 N. 2b, S. 416/417; EJPD/BRP, a.a.O., Art. 22 N. 10b, S. 274). Eine teilweise Änderung darf somit gemessen an der bestehenden Baute nur von untergeordneter Bedeutung sein (HEINZ AEMISEGGER, a.a.O., S. 96/97; PETER LUDWIG, Die Wirkung der Zuweisung zur Landwirtschaftszone, in: Blätter für Agrarrecht, 1980 S. 95; EJPD/BRP, a.a.O., Art. 24 N. 35 ff. S. 303 ff., insbesondere N. 37). Die Änderung hat die Identität der Baute in den wesentlichen Zügen zu wahren (EJPD/BRP, a.a.O., Art. 24 N. 35 lit. a, S. 303). Zusammenfassend ist die weitgehend übereinstimmende Auffassung festzustellen, wonach eine geringfügige Erweiterung vom Begriff der teilweisen Änderung gedeckt ist. Nicht vorgeschlagen wird eine quantitative Grenze, wie sie Art. 25 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972 (Fassung vom 6. November 1974) enthielt, wonach die Vergrösserung oder Zweckänderung einer zonenfremden Baute ausserhalb der
BGE 107 Ib 237 S. 242
Bauzone bis zu einem Viertel noch ohne Nachweis der Standortgebundenheit zulässig war. Eine solche Begrenzung wird im Gegenteil als zu starr abgelehnt (PETER LUDWIG, Constructions hors des zones à bâtir, in: Baurecht, 1980 S. 8). Für das Bundesgericht besteht kein Anlass, von den in der Literatur entwickelten Grundsätzen abzuweichen. Dem Verwaltungsgericht ist daher insoweit beizupflichten, als es bloss eine geringfügige Erweiterung als teilweise Änderung im Sinne von
Art. 24 Abs. 2 RPG
betrachtet hat.
bb) Offen ist somit nur noch die Frage, ob die beabsichtigte Vergrösserung des Restaurants noch als geringfügige Erweiterung bezeichnet werden könne. Das Verwaltungsgericht hat dies bejaht. Auf Grund der abweichenden Feststellung des Sachverhalts gelangt das Bundesgericht indessen zum gegenteiligen Ergebnis. Auszugehen ist von der eigenen Darstellung der Beschwerdegegnerin gemäss Anhang zum Baugesuch, wonach die Sitzplätze auf der Terrasse aus klimatischen Gründen praktisch nutzlos sind. Die Terrasse lässt sich daher nicht als bereits vorhandene, vollwertige Restaurationsfläche betrachten. Demzufolge geht es nicht nur darum, aus einem offenen einen geschlossenen Restaurationsteil zu machen; vielmehr steht die Vergrösserung eines Restaurants um rund einen Drittel in Frage. Andernfalls müsste die Küche kaum um mehr als einen Drittel erweitert werden. Die Beschwerdegegnerin strebt denn auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen eine Vergrösserung des Restaurants offen an. Hinzu kommt die Erweiterung der Kellerräumlichkeiten, in denen neu ein Skiraum untergebracht werden soll. Schliesslich sieht das Projekt eine erhebliche Neugestaltung der Ostfassade vor. Von einer bloss geringfügigen Erweiterung kann somit keine Rede sein. Das Bauvorhaben fällt demnach nicht unter
Art. 24 Abs. 2 RPG
; es ist vielmehr wie ein Neubau nach
Art. 24 Abs. 1 RPG
zu beurteilen.
3.
Wie erwähnt, setzt
Art. 24 Abs. 1 RPG
für eine Ausnahmebewilligung voraus, dass der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert (lit. a) und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b).
Weder das "Sporthotel La Riva Lenzerheide" noch das darin untergebrachte Restaurant sind auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen. Das Vorhaben kann daher mangels Standortbedingtheit nicht bewilligt werden. Da beide Voraussetzungen von
Art. 24 Abs. 1 RPG
kumulativ erfüllt sein müssen, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob dem Vorhaben auch überwiegende Interessen entgegenstehen. Dessen Unzulässigkeit ergibt sich schon aus
Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG
.
BGE 107 Ib 237 S. 243
Die Beschwerde erweist sich somit als begründet; sie ist gutzuheissen, und das angefochtene Urteil ist aufzuheben.
4.
Mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheids lebt der Gemeinderatsbeschluss vom 19. Januar 1981 wieder auf, womit das Baugesuch abgewiesen wird. Eine besondere Anordnung des Bundesgerichts erübrigt sich deshalb. Dagegen wird das Verwaltungsgericht für das Rekursverfahren einen neuen Kostenentscheid zu fällen haben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 28. April 1981 wird aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
66ed8a9d-dbeb-472b-a018-abee2d68a3ae | Urteilskopf
119 V 180
26. Sentenza dell'8 marzo 1993 nella causa Ufficio federale delle assicurazioni sociali contro P. e Commissione federale di ricorso in materia d'AVS/AI per le persone residenti all'estero | Regeste
Art. 5 VwVG
,
Art. 46 Abs. 1 und
Art. 97 Abs. 1 AHVG
,
Art. 48 IVG
,
Art. 85 Abs. 1 IVV
,
Art. 77 AHVV
: Befugnis der Verwaltung, auf eine zweifellos unrichtige Verfügung zurückzukommen und über deren Inhalt zu bestimmen; Prüfung dieser Fragen bei der Zusprechung von Verzugszinsen.
- Der Richter kann die Verwaltung nicht zu einer Wiedererwägung einer zweifellos unrichtigen Verfügung verhalten; mangels einer entsprechenden Vorschrift kann er ihr auch nicht die Modalitäten einer solchen Wiedererwägung vorschreiben (E. 3).
- Frage offengelassen, ob
Art. 77 AHVV
der Verwaltung, welche eine Rentenverfügung überprüft, die Modalitäten der Wiedererwägung vorschreibt und ob diese Vorschrift ganz allgemein dem Versicherten einen Anspruch auf Wiedererwägung der Verwaltungsverfügung einräumt (E. 4a).
- Frage offengelassen, ob die Verzugszinsen im Falle des Zurückkommens auf eine Rentenverfügung zu den Modalitäten der Wiedererwägung gehören oder ob sie juristisch als ein "aliud" zu behandeln sind mit dem Ergebnis, dass der Richter die Verwaltung verhalten kann, Verzugszinsen zuzusprechen (E. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 182
BGE 119 V 180 S. 182
A.-
Per decisione 6 marzo 1979 la Cassa svizzera di compensazione ha riconosciuto alla cittadina italiana Pinuccia P.-F., nata il 23 marzo 1947, una rendita semplice intera d'invalidità, con rendita completiva a favore del figlio Cristiano, con effetto dal 1o ottobre 1978. Il provvedimento indicava essere la prestazione stata calcolata sulla base di un periodo di contribuzione di nove anni e tre mesi. L'atto amministrativo è cresciuto inimpugnato in giudicato.
Nell'ambito di un tema relativo alla rendita completiva del figlio Cristiano, la Cassa ha comunicato il 26 settembre 1989 la ripresa dei pagamenti di essa prestazione, sempre calcolata secondo le suddette basi di calcolo.
Traendo argomento da questa comunicazione, l'assicurata ha informato gli organi dell'assicurazione che in realtà la durata contributiva non era di nove anni e tre mesi, come ritenuto per il calcolo della rendita, bensì di dieci anni. L'amministrazione ha dato seguito all'osservazione dell'interessata e, ricalcolata la prestazione nel senso indicato, mediante provvedimento 24 ottobre 1989 ha versato l'importo corrispondente alla differenza fra le rendite dovute e quelle versate, per i cinque anni precedenti, vale a dire a far tempo dal 1o ottobre 1984.
B.-
Pinuccia P.-F. ha deferito quest'ultima decisione con gravame alla Commissione federale di ricorso in materia d'AVS/AI per le persone residenti all'estero, chiedendo il riconoscimento degli arretrati a decorrere dal 1o ottobre 1978 con interessi al 5% sull'importo dovuto.
Per giudizio 29 agosto 1990 la Commissione ha accolto parzialmente il gravame, nel senso che, confermato il diritto al versamento retroattivo per il limitato periodo di 5 anni, ha riconosciuto il diritto agli interessi di mora sulle differenze di rendite da pagarsi retroattivamente al 1o ottobre 1984. Per quel che concerne gli interessi di mora, i primi giudici si sono fondati su giurisprudenza del Tribunale federale delle assicurazioni, pubblicata in RCC 1990 pag. 45.
C.-
L'Ufficio federale delle assicurazioni sociali interpone ricorso di diritto amministrativo a questa Corte limitatamente al tema degli interessi di mora. Afferma in sostanza che, l'amministrazione non essendo obbligata a procedere al riesame di una decisione manifestamente errata, alla medesima non può nemmeno essere prescritto di versare interessi di mora. Conclude per l'annullamento della pronunzia commissionale.
Mentre l'assicurata postula la reiezione del gravame, la Cassa ne propone l'accoglimento.
BGE 119 V 180 S. 183
Erwägungen
Diritto:
1.
Nel caso concreto, la Cassa svizzera di compensazione, su indicazione dell'assicurata, ha nel 1989 acconsentito di rivedere l'importo della rendita assegnata dal 1978, ritenuto un nuovo periodo di contribuzione più favorevole all'interessata, retroattivamente per un periodo di cinque anni. Statuendo su un ricorso per cui l'assicurata chiedeva il conguaglio della rendita già a far tempo dal 1978 e postulava il riconoscimento di interessi di mora, la Commissione di ricorso ha accolto il gravame limitatamente a questo secondo punto e fatto obbligo alla cassa di fissare l'importo di essi interessi per i suddetti cinque anni.
Due tesi si oppongono:
- quella affacciata dalla Commissione di ricorso, fondata sulla sentenza pubblicata in RCC 1990 pag. 45, per cui il Tribunale federale ha tutelato un giudizio del Tribunale amministrativo del Canton Berna che aveva fatto obbligo di assegnare interessi di mora ad una cassa di compensazione, la quale aveva ricalcolato una rendita dopo aver preso conoscenza del versamento di ulteriori contributi presso un'altra cassa;
- quella proposta dall'Ufficio federale delle assicurazioni sociali e ripresa dalla Cassa svizzera di compensazione, fondata sulla giurisprudenza per la quale il giudice non può prescrivere all'amministrazione le modalità di un riesame, il suo potere d'intervento essendo limitato al caso in cui l'amministrazione abbia proceduto sulla base di criteri arbitrari.
2.
Con la decisione 6 marzo 1979, cresciuta in giudicato, la Cassa manifestamente ha fissato la rendita spettante a Pinuccia P.-F., nonché quella completiva in favore del figlio, ritenendo un periodo di contribuzione inesatto. Si deve quindi esaminare quali rimedi straordinari di diritto entravano in considerazione per rimediare all'errore del provvedimento cresciuto in giudicato.
3.
a) Secondo un principio generale del diritto delle assicurazioni sociali l'amministrazione può riesaminare una decisione cresciuta in giudicato e che non è stata oggetto di controllo giudiziale di merito, quand'essa è senza dubbio errata e la cui rettifica sia di importante rilievo (
DTF 117 V 12
consid. 2a,
DTF 116 V 62
,
DTF 115 V 186
consid. 2c,
DTF 112 V 373
consid. 2c,
DTF 110 V 292
consid. 1,
DTF 109 V 112
consid. 1c e 121 consid. 2a,
DTF 107 V 85
). La giurisprudenza ha precisato che l'amministrazione non può essere obbligata a procedere a una riconsiderazione in questo senso né dall'amministrato né dal giudice (
DTF 117 V 12
consid. 2a,
BGE 119 V 180 S. 184
116 V 62, 110 V 34 consid. 3, 109 Ib 251, 100 Ib 371; RCC 1985 pag. 60 consid. 3, 234 consid. 1 e 334 consid. 2).
Dal riesame deve essere distinta la cosiddetta revisione processuale. In questi casi l'autorità è tenuta a rinvenire su decisioni cresciute in giudicato quando sono scoperti fatti o prove nuovi idonei a determinare un diverso apprezzamento giuridico (
DTF 110 V 292
consid. 1,
DTF 109 V 121
consid. 2b, 108 V 168,
DTF 106 V 87
consid. 1a,
DTF 102 V 17
consid. 3; cfr. GRISEL, Traité de droit administratif, vol. 2, pag. 943 seg.). Il Tribunale federale delle assicurazioni ha dichiarato dover essere il tema della revisione processuale di provvedimenti amministrativi regolato per analogia dalla normativa relativa alla revisione dei giudizi resi dalle autorità di ricorso di prima istanza, ossia dall'art. 85 cpv. 2 lett. h LAVS trattandosi di istanze cantonali (DTF
DTF 109 V 121
consid. 2b; STFA 1963 pag. 212 consid. 2a; RCC 1985 pag. 334 consid. 2b), rispettivamente dagli art. 66 segg. PA nel caso di istanze federali conformemente all'
art. 1 PA
(cfr. sentenze inedite 25 ottobre 1990 in re P., 2 maggio 1990 in re R., 12 agosto 1988 in re S., e 12 agosto 1987 in re G.).
Nell'evenienza litigiosa, trattandosi di decisione di un servizio dell'amministrazione federale ai sensi dell'
art. 1 PA
, sono se del caso richiamabili le disposizioni della PA. Per l'
art. 66 PA
, in particolare, una parte può ricorrere al rimedio straordinario della revisione quando produca mezzi di prova nuovi e rilevanti nella misura in cui non fossero stati invocabili in una precedente procedura (cfr. GRISEL, op.cit., pag. 944).
b) Per quanto concerne il riesame, il Tribunale federale delle assicurazioni ha rilevato che né la dottrina né la prassi hanno posto criteri generali circa gli effetti dello stesso nel tempo. Esso ha poi affermato che, ritenuto come il giudice non abbia il potere di costringere l'amministrazione a procedere al riesame di una decisione manifestamente erronea, doveva essere ammesso non poter alla stessa amministrazione nemmeno essere prescritto, in difetto di una norma positiva, in quale misura simile riesame debba avere effetto retroattivo. Inoltre il Tribunale ha precisato che l'art. 88bis cpv. 1 lett. c OAI - il quale prevede che se vien costatato che la decisione della commissione dell'assicurazione per l'invalidità sfavorevole all'assicurato era manifestamente errata, l'aumento della prestazione avviene il più presto a partire dal momento in cui il vizio è stato scoperto - è applicabile solo in quanto l'elemento che comporta il riesame è tipico dell'assicurazione
BGE 119 V 180 S. 185
per l'invalidità e non dell'AVS (cfr.
DTF 110 V 295
segg.).
Dal canto loro i giudizi di revisione possono esplicare effetto ex nunc oppure ex tunc a seconda del genere della decisione revocata, ma quando si tratti di rendite essi devono esplicare effetto ex tunc. Ciò perché secondo l'
art. 68 PA
l'autorità di ricorso, se entra nel merito della domanda di revisione e la giudica fondata, annulla il provvedimento e ne rende uno nuovo. Quindi l'autorità sostituisce una decisione errata con una decisione legittima, nelle condizioni in cui la decisione precedente era stata resa. Decidere diversamente significherebbe penalizzare chi non è stato in grado - senza colpa - di produrre un documento per un fatto di cui non è responsabile.
Questa Corte ha peraltro da un punto di vista generale già osservato che il giudizio di revisione è inteso ad avere effetto ex tunc dalla data della pronunzia di cui è operata la revisione e che esso sostituisce questa pronunzia come se essa non fosse mai esistita (
DTF 109 V 244
consid. 2a; cfr. anche KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 3a ediz., pag. 229; BIRCHMEIER, Handbuch des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, n. 1 ad
art. 144 OG
, pag. 515; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen ZPO, 2a ed., pag. 597 segg.; RUST, Die Revision im Zürcher Zivilprozess, tesi Zurigo 1981, pagg. 175 seg. e 182). Il Tribunale federale delle assicurazioni ha in particolare già avuto modo di espressamente riconoscere effetto ex tunc ad una revisione processuale di un provvedimento amministrativo (cfr. sentenza inedita summenzionata 12 agosto 1987 in re G. nonché sentenze inedite, pure già ricordate, 25 ottobre 1990 in re P., 2 maggio 1990 in re R. e 12 agosto 1988 in re S.).
4.
Nel caso concreto si tratta dell'ipotesi di un riesame in quanto non sono stati scoperti fatti nuovi né sono state apportate nuove prove: l'amministrazione, su indicazione dell'assicurata, si è accorta di un errore nel calcolo della durata contributiva alla base della decisione di erogazione della rendita.
Deve essere ora stabilito quali siano stati i limiti della libertà della cassa nell'ambito del riesame da essa disposto, per quel che concerne la rendita medesima, più precisamente per quel che attiene agli effetti nel tempo, da un lato, e gli interessi di mora sugli arretrati, d'altro lato.
a) Per quel che concerne il diritto alla rendita, gli organi dell'amministrazione hanno applicato l'
art. 48 cpv. 1 LAI
, secondo cui il
BGE 119 V 180 S. 186
pagamento di prestazioni non riscosse si estingue in cinque anni dalla fine del mese per il quale la prestazione era dovuta.
Il Tribunale federale delle assicurazioni ha già avuto modo di affermare nella sentenza ricordata 12 agosto 1987 in re G. non poter essere impedito all'amministrazione di adottare direttive di applicazione censurabili solo nella misura in cui in esse sia ravvisabile arbitrio. Meritevole di simile censura, ha precisato la Corte, non era segnatamente la disposizione adottata dall'Ufficio federale delle assicurazioni sociali nell'allora vigente circolare sul contenzioso amministrativo 1o aprile 1982, (sostituita poi dalla circolare 1o luglio 1988 sul contenzioso nell'AVS, l'AI, le IPG e le PC) per la quale il riesame prendeva effetto dalla data della decisione iniziale oppure da quella della scoperta dell'errore, come non lo sarebbe stata nemmeno quella, come nella fattispecie, riferita all'
art. 48 cpv. 1 LAI
, nel senso che il pagamento delle prestazioni dovrebbe avvenire per i cinque anni precedenti la richiesta. Nella sentenza 25 ottobre 1990 in re P. ha rilevato che nemmeno appariva poi arbitraria la soluzione, riferita all'
art. 48 cpv. 2 LAI
, consistente a versare le prestazioni per i dodici mesi precedenti la richiesta.
Nell'ambito della presente procedura, il Tribunale federale delle assicurazioni si è chiesto se nell'articolo 77 OAVS, cui rinvia l'
art. 85 cpv. 1 OAI
, non debba essere ravvisata una "norma positiva" ai sensi di quanto esposto al consid. 3b prescrivente all'amministrazione che ha deciso di riesaminare un provvedimento le modalità del riesame medesimo. Secondo questo disposto, chi non ha ricevuto una rendita alla quale aveva diritto o ha ricevuto una rendita inferiore a quella che poteva pretendere, può esigere dalla cassa di compensazione il pagamento dell'importo dovutogli e se una cassa di compensazione viene a conoscenza che un avente diritto ha ricevuto nessuna rendita o una rendita troppo bassa, essa deve versare l'importo non pagato. Al tema suddetto la Corte non ha comunque dato risposta. Infatti, prescindendo dal fatto che l'effetto retroattivo del versamento della prestazione non è litigioso in sede di procedura federale, deve essere ammesso che anche facendo applicazione dell'
art. 77 OAVS
si giungerebbe alla soluzione ritenuta nel caso in esame dall'amministrazione e tutelata dai giudici di prime cure. In effetti, sta di fatto che la disposizione adottata dalla Cassa, nel senso che l'assicurata ha diritto al conguaglio delle rendite retroattivamente per cinque anni, sino al 1o ottobre 1984, manifestamente non è stata presa sulla base di direttive arbitrarie, nel senso della giurisprudenza oggi richiamabile, soluzione questa cui si dovrebbe approdare ugualmente facendo capo all'
art. 77 OAVS
, l'
art. 48 cpv.
BGE 119 V 180 S. 187
1 LAI
escludendo comunque il riconoscimento di prestazioni non riscosse per un periodo eccedente il limite di cinque anni.
Il Tribunale ha lasciato insoluto quindi pure il quesito più generale se nell'
art. 77 OAVS
possa essere ravvisata una norma conferente all'assicurato il diritto di esigere, in deroga alla giurisprudenza oggi applicabile, che la Cassa proceda ad un riesame di una decisione di erogazione di prestazioni assicurative.
b) Rimane da esaminare la questione degli interessi di mora richiesti dall'assicurata.
Ora, come si è visto, la Corte ha lasciato irrisolto il punto di sapere se il riconoscimento degli arretrati fosse da ritenere avvenuto in base alla libertà conferita all'amministrazione nel senso della giurisprudenza sino ad oggi richiamabile, oppure in base all'
art. 77 OAVS
. Nella prima ipotesi, ritenuta la libertà della cassa, l'assegnazione di interessi di mora non sarebbe di principio ammissibile; ciò a meno che si ritenga costituire i medesimi giuridicamente un "aliud", non sottoposto alle regole vigenti per il riesame, nel senso che gli stessi potrebbero quindi essere imposti dal giudice.
Nemmeno questo tema deve essere risolto in concreto, per i motivi che seguono.
In effetti, per un principio generale del diritto delle assicurazioni sociali, gli interessi di mora non sono esigibili (IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, n. 31 B II). Il principio tollera certe eccezioni soltanto se esse sono espressamente previste dalla legge. Il versamento di interessi di mora è poi ammesso in circostanze particolari, quali un comportamento illecito o dilatorio dell'amministrazione (
DTF 108 V 19
consid. 4,
DTF 101 V 117
consid. 3). La giurisprudenza ha ancora precisato che il pagamento di tali interessi è giustificato soltanto eccezionalmente e in casi isolati che urtano in modo particolare il senso del diritto (
DTF 113 V 50
consid. 2a, DLA 1988 pag. 85 consid. 5).
Orbene, i suddetti requisiti non sono adempiuti nella fattispecie.
Vero è che, come ritenuto dai primi giudici, in una sentenza pubblicata in RCC 1990 pag. 45 il Tribunale federale delle assicurazioni ha tutelato un giudizio di prima istanza che metteva interessi di mora a carico di una cassa di compensazione, la quale aveva accettato di rivedere una sua precedente decisione di rendita dopo che un'altra cassa aveva segnalato il versamento di ulteriori contributi.
Ora, prescindendo dal fatto che in detta causa non si è esplicitamente esaminato il tema di sapere se ci si trovava nell'ipotesi di un
BGE 119 V 180 S. 188
riesame o in quella di una revisione, con essa sentenza si voleva manifestamente ovviare a una situazione del tutto particolare determinata dal fatto che l'assicurato in quella circostanza aveva percepito per ben 18 anni rendite inferiori a quelle dovute per un errore della cassa, da lui non ravvisabile. A questa giurisprudenza, dettata dalla particolarità della fattispecie, non può essere fatto riferimento in concreto.
5.
Dato quanto precede, il giudizio commissionale, nella misura in cui si riferisce agli interessi di mora, deve essere annullato.
Dispositiv
Per questi motivi, il Tribunale federale delle assicurazioni pronuncia:
Il ricorso di diritto amministrativo è accolto nel senso che il giudizio commissionale, nella misura in cui mette a carico della Cassa interessi di mora sulle differenze di rendite da pagarsi retroattivamente al 1o ottobre 1984 e rinvia a questo fine l'incarto alla Cassa, viene annullato. | null | nan | it | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
66f3ffb2-ba64-46b8-9462-55f6b0c0a0c3 | Urteilskopf
101 Ia 545
85. Extrait de l'arrêt du 17 septembre 1975 dans la cause B. S.A. contre A. et Chambre d'appel des prud'hommes du canton de Genève. | Regeste
Arbeitsvertrag: fristlose Auflösung aus wichtigen Gründen (
Art. 337 OR
). Verfahren: Begründung der Urteile.
1. Wenn das für die richtige Erfüllung des Vertrages erforderliche gegenseitige Vertrauen durch das Verhalten einer Partei zerstört ist, kann die andere Partei den Vertrag fristlos auflösen (E. 3).
2. Wenn ein Gericht es für unnötig erachtet, bestimmte Zeugenaussagen zu berücksichtigen, muss es die Gründe hiefür in seinem Urteil zumindest summarisch angeben (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 545
BGE 101 Ia 545 S. 545
A.-
A. a été engagé par B. S.A. à Genève, d'abord comme chauffeur auxiliaire dès le 10 octobre 1970, puis comme chauffeur régulier dès le 1er mai 1971. Au début de décembre 1971, l'employeur a résilié verbalement le contrat avec effet immédiat, puis l'a confirmé par lettre du 6 décembre 1971, dans laquelle il indiquait que les motifs du congé étaient
BGE 101 Ia 545 S. 546
contenus dans une plainte pénale du 3 décembre 1971 déposée contre A. Dans cette plainte, B. S.A. reprochait à son employé un acte de concurrence déloyale - pour s'être adressé, le 29 novembre 1971, à la maison C. S.A. en vue de louer une voiture à des clients étrangers de B. S.A. - et une escroquerie, pour avoir facturé à ces clients, lors d'un précédent séjour, un montant de 2'150 ou 2'200 fr., alors que la copie de la facture remise à B. S.A. portait un montant de 1'000 fr., correspondant au tarif normal.
Une information ayant été ouverte, il a été constaté que A. avait facturé aux clients 1'125 fr., représentant une location de 4 jours et demi, tandis que la copie de facture remise à B. S.A. ne portait que sur 4 jours. A. a expliqué que la location n'ayant en définitive duré que 4 jours, il avait, avec l'accord des clients, conservé la différence de 125 fr. représentant des sommes qu'il leur avait avancées personnellement. Il a affirmé d'autre part que c'est à la demande des clients qu'il avait demandé la location d'une voiture à la maison C. Le procureur général a classé provisoirement la procédure, avec la mention: "Sauf recharge ou faits nouveaux. Prévention douteuse."
Le 14 juillet 1972, B. S.A. a déposé contre A. une nouvelle plainte pénale, lui reprochant d'avoir commis un abus de confiance en ayant gardé par-devers lui un montant de 1'350 fr. 60 qu'il aurait dû remettre à son employeur. Après audition d'un certain nombre de témoins par le juge d'instruction, le procureur général a classé également cette procédure.
B. S.A. ayant recouru contre les ordonnances de classement, la chambre d'accusation a considéré qu'il n'avait pas été possible d'établir les frais reprochés à A. dans la première plainte et que la prévention était sans aucun doute insuffisante; en ce qui concerne la seconde plainte, elle a également considéré que la prévention n'apparaissait pas suffisante, le système pratiqué par B. S.A. sur le plan comptable permettant de penser que des erreurs avaient pu se produire et les faits n'étant pas très clairs pour B. S.A. elle-même, qu'en conséquence il était possible que A. fût débiteur de B. S.A. ou que ce fût l'inverse, mais qu'il s'agissait là d'une question à débattre sur le plan civil. Aussi la chambre d'accusation a-t-elle rejeté le recours.
BGE 101 Ia 545 S. 547
B.-
A. a ouvert action le 21 décembre 1971 devant le Tribunal de prud'hommes, réclamant à son ancien employeur le paiement des sommes suivantes: 1'100 fr. environ pour salaire, 3'240 fr. (3 mois à 1'080 fr.) pour renvoi abrupt, 800 fr. pour 3 semaines de vacances, 800 fr. pour restitution du dépôt, soit au total 5'940 fr., ainsi qu'un certificat de libre engagement. B. S.A. a conclu reconventionnellement au paiement de 2'572 fr. 10, représentant divers montants dus par A., sous déduction de la somme de 2'259 fr. 75 (représentant les salaires de novembre et décembre, y compris les vacances et congés, et la restitution du dépôt), qu'elle reconnaissait devoir à A.
Le Tribunal de prud'hommes, groupe VII, a admis pour l'essentiel les conclusions de B. S.A. et condamné en conséquence A. à payer à celle-ci la somme de 211 fr. 35, déboutant les parties de toutes autres conclusions.
C.-
Sur appel formé par A., la Chambre d'appel de prud'hommes, groupe VII, a mis à néant le jugement du Tribunal, condamné B. S.A. à payer à A. la somme de 3'719 fr. plus intérêts et sous imputation des charges sociales, ordonné à B. S.A. de remettre sans délai à A. un certificat de travail conforme à l'art. 330a (nouveau) CO et débouté les parties de toutes autres conclusions. Considérant que les incidents de fin novembre 1971 ne pouvaient pas constituer de justes motifs de renvoi abrupt sans avertissement préalable, elle a admis que A. avait droit à une indemnité de 2'200 fr., correspondant à 2 mois de salaire, somme à laquelle s'ajoutent les postes non litigieux de 1'029 fr. relatif au salaire de novembre 1971, de 800 fr. relatif à l'indemnité de vacances et de congés payés et de 800 fr. correspondant au dépôt de garantie, soit à un total de 4'829 fr. Elle a d'autre part admis la demande reconventionnelle à concurrence de 1'110 fr., comprenant 785 fr. dus à la suite d'accidents, 125 fr., montant indûment touché par A. et que B. S.A. a dû rembourser aux clients étrangers, et 200 fr. pour vêtements. Elle a rejeté en revanche la réclamation de B. S.A. en restitution du montant de 1'356 fr. 60 (recte: 1'350 fr. 60) que A. aurait omis de lui verser sur des factures de clients.
D.-
Agissant par la voie du recours de droit public, B. S.A. conclut à l'annulation de l'arrêt de la Chambre d'appel et au renvoi de la cause à cette juridiction.
BGE 101 Ia 545 S. 548
Erwägungen
Extrait des motifs:
2.
Subsidiairement, la recourante soutient que la Chambre d'appel a excédé son pouvoir d'appréciation découlant de l'art. 352 al. 2 anc. CO et qu'elle est tombée dans l'arbitraire en ne considérant pas comme juste motif de renvoi abrupt la circonstance que l'intimé s'était fait remettre sans droit la somme de 125 fr. par un client et qu'il avait ainsi obligé son employeur à rembourser le lésé.
a) La Chambre d'appel a constaté que l'intimé avait facturé aux clients, le 19 octobre 1971, 4 jours et demi à 250 fr. - alors qu'il a par la suite produit à la recourante une facture relative à 4 jours, soit de 1'000 fr. - et que les explications qu'il a fournies sur ce point sont contradictoires. Pour cette raison, elle a admis pour légitime la demande reconventionnelle de B. S.A. quant au montant de 125 fr. qui avait été indûment touché par l'intimé et que l'employeur a dû rembourser aux clients étrangers. Elle a dès lors considéré que A. avait commis une faute, mais que celle-ci, étant donné que B. S.A. était entièrement satisfaite de ses services jusqu'à fin novembre 1971 et que d'autre part il n'était pas rare qu'un des chauffeurs de B. S.A. réclame à la clientèle un pourboire "amélioré", légitimait un avertissement sérieux mais non pas un renvoi abrupt.
b) En statuant que l'intimé devait restituer à B. S.A. le montant de 125 fr. en question, la Chambre d'appel a refusé d'admettre les explications de A., qui prétendait notamment que la facture avait été rectifiée sur les indications du bureau, mais qu'il avait lui-même conservé la différence de 125 fr., correspondant à des avances qu'il avait effectuées. Elle a précisé que A. avait touché "indûment" cette somme. Il ne s'agissait dès lors pas seulement d'un "pourboire amélioré", mais bien d'une tromperie effectuée au détriment d'un client et ayant porté préjudice à l'employeur, qui a dû rembourser ledit client.
c) En vertu de l'art. 352 anc. CO, applicable en l'espèce - comme aussi de l'art. 337 nouv., dont le sens est demeuré identique -, le contrat de travail peut être résilié immédiatement pour de justes motifs, lorsque les conditions essentielles, de nature objective ou personnelle, sous l'empire desquelles il a été conclu ne sont plus réalisées; ainsi que cela
BGE 101 Ia 545 S. 549
ressortait déjà des textes allemand et italien de la disposition abrogée et comme le dit aussi le texte français nouveau de l'art. 337, il s'agit notamment des cas où les circonstances sont telles qu'on ne peut, selon les règles de la bonne foi, exiger de la partie qui résilie la continuation des rapports de travail. Si la confiance mutuelle que présuppose l'exécution régulière du contrat est détruite par le fait de l'une des parties, l'autre partie ne peut se voir imposer le maintien du contrat (RO 97 II 145; SJ 1966, p. 499). Il appartient au juge, d'après l'art. 352 al. 3 anc. CO (art. 337 al. 3 nouv. CO), d'apprécier en cas de litige s'il existe de justes motifs de résiliation anticipée, ce qu'il doit faire en appliquant les règles du droit et de l'équité (art. 4 CC).
Lorsqu'un travailleur est en contact direct avec la clientèle et qu'il encaisse directement des clients les créances de son employeur, comme c'est le cas du chauffeur d'une voiture de location, ledit employeur a un intérêt tout particulier à pouvoir se fier à la rectitude absolue du travailleur. D'après l'art. 321b al. 1 nouv. CO, le travailleur rend compte à l'employeur de tout ce qu'il reçoit pour lui dans l'exercice de son activité contractuelle, notamment des sommes d'argent; il lui remet immédiatement ce qu'il a reçu. Cette obligation, qui découle du devoir général de fidélité (Message du Conseil fédéral du 25 août 1967, FF 1967 II 310), existait déjà sous l'empire des dispositions abrogées du titre X du CO, même si elle n'y était pas expressément prévue. Il est évident que la confiance de l'employeur est ruinée si, lors de l'exécution de cette obligation, le travailleur lui remet des pièces comptables ne correspondant pas aux factures remises à la clientèle, dans l'intention de réaliser un bénéfice illicite. Certes, la doctrine et la jurisprudence admettent qu'une infraction mineure du travailleur à ses obligations contractuelles, par exemple une absence non justifiée, ne suffit généralement pas pour autoriser l'employeur à procéder à une résiliation immédiate du contrat de travail, à moins que le manquement ne se répète malgré des avertissements réitérés (SCHWEINGRUBER, Commentaire du contrat de travail, 1952, ad art. 352, p. 102, 1975, ad art. 337, p. 197; OSER/SCHÖNENBERGER, Obligationenrecht, 2e éd., n. 18 ad art. 352, p. 1341). Mais tel ne saurait être le cas lorsqu'il s'agit de violations du devoir de fidélité qui sont de nature à ruiner et ruinent effectivement la confiance que
BGE 101 Ia 545 S. 550
l'employeur est en droit d'avoir dans les actes et les dires du travailleur.
d) En l'espèce, le fait que le travailleur a, d'après les constatations de la juridiction cantonale, encaissé indûment une somme de 125 fr. auprès d'un client et qu'il a celé cet encaissement en présentant à son employeur une copie de facture ne correspondant pas à l'original, constitue un manquement grave au devoir de fidélité, de nature à ruiner la confiance de l'employeur. Alors même que l'employeur a été satisfait des services de l'intimé jusqu'à fin novembre 1971, cette circonstance ne saurait être opposée dans un tel cas à son droit de résilier immédiatement le contrat. En appliquant les règles du droit et de l'équité conformément à l'art 4 CC, le juge doit apprécier d'une manière objective tous éléments pertinents et rechercher la solution adéquate aux circonstances spéciales du cas particulier (MEIER-HAYOZ, Einleitung, n. 10 ad art. 4, p. 425). Ayant constaté l'attitude dolosive du travailleur, le juge cantonal ne pouvait pas, en vertu de ce principe, exiger de l'employeur qu'il poursuive les rapports contractuels, de sorte que l'arrêt de la Chambre d'appel doit être considéré comme arbitraire sur ce point.
4.
Dans son second grief, la recourante reproche à la Chambre d'appel de n'avoir pas condamné l'intimé au paiement du montant de 1'360 fr. 60 (recte: 1'350 fr. 60) que celui-ci aurait perçu auprès de divers clients et ne lui aurait pas reversé. Pour refuser de faire droit à cette réclamation, la Chambre d'appel a considéré que la recourante n'avait pas rapporté à satisfaction de droit la preuve qui lui incombait en application de l'art. 8 CC, ajoutant que cette absence de preuve découlait nécessairement des pratiques comptables de la recourante, qui ne sont pas admissibles en matière commerciale.
a) La recourante invoque essentiellement le fait que la Chambre d'appel n'a pas fait état de plusieurs témoignages qui avaient été produits à sa requête devant le Tribunal de prud'hommes. S'il est vrai, dit-elle, que le système comptable pratiqué par elle et les déclarations contradictoires des parties ne permettaient pas de prouver le bien-fondé de sa prétention, il appartenait à la Chambre d'appel d'apprécier les dépositions des témoins. Il est possible que la Chambre ait rejeté ce chef de la demande reconventionnelle après avoir examiné les
BGE 101 Ia 545 S. 551
témoignages, mais elle n'a pas indiqué les raisons précises qui l'ont amenée à nier leur valeur probante. La recourante soutient que, sur ce point aussi, la juridiction cantonale a violé l'art. 52 lettre d LJP. La Chambre d'appel s'étant référée essentiellement, dans son arrêt, à l'ordonnance de la Chambre d'accusation du 26 juin 1974, la recourante lui reproche encore d'avoir ignoré l'art. 53 al. 1 CO, selon lequel le juge n'est point lié par l'acquittement prononcé au pénal, pour décider s'il y a eu faute commise.
b) Le Tribunal de prud'hommes a effectivement entendu le 3 mai 1974 six témoins, dont les dépositions ont été appréciées dans son jugement du 31 mai 1974. En revanche, la Chambre d'appel, bien que l'intimé ait demandé la réaudition des témoins (voir son mémoire du 24 juillet 1974), s'est bornée à entendre les parties. Elle n'a, dans son arrêt, fait aucune allusion aux dépositions des témoins entendus par le premier juge, mais s'est référée à l'ordonnance de la Chambre d'accusation et aux pratiques comptables de la recourante.
c) Contrairement à ce que paraît croire la recourante, la Chambre d'appel n'a nullement violé l'art. 53 CO en citant l'ordonnance de la Chambre d'accusation pour justifier sa décision. Elle ne s'est en effet pas considérée comme étant liée par la décision prise au pénal, mais s'est référée à elle en l'approuvant.
Il n'en demeure pas moins que c'est certainement à tort que la Chambre d'appel a accordé un poids particulier aux considérants émis par la Chambre d'accusation, celle-ci n'ayant eu à statuer qu'au regard de la loi pénale et ayant au surplus expressément déclaré que si les conditions de l'art. 140 CP n'apparaissaient pas réalisées, le point de savoir si A. était ou non débiteur de B. S.A. était "une question à débattre sur le plan civil", c'est-à-dire qu'elle devait précisément être résolue par les Tribunaux de prud'hommes.
d) En rejetant la demande reconventionnelle relative à la "restitution" de sommes que l'intimé aurait omis de verser à la recourante, la Chambre d'appel a procédé à une appréciation des preuves. Ce faisant, il lui incombait d'examiner le résultat de l'administration des preuves tel qu'il ressortait de l'ensemble du dossier qui était à sa disposition, c'est-à-dire des preuves produites aussi bien devant le juge de première instance que devant elle-même. Le fait qu'un tribunal peut
BGE 101 Ia 545 S. 552
apprécier librement les preuves ne le dispense pas de l'obligation d'examiner avec soin le résultat de l'administration des mesures probatoires qui ont été ordonnées. Il peut certes considérer qu'il n'y a pas lieu de tenir compte de certains témoignages, mais il doit alors indiquer dans son jugement les raisons qui l'ont amené à adopter cette attitude.
En exigeant qu'un jugement soit motivé, le législateur a entendu par là imposer au juge l'obligation de dire pourquoi il s'est prononcé en faveur de la solution qu'il a adoptée. Lorsque le choix que le juge est ainsi amené à faire dépend de l'éclaircissement de certains points de fait contestés par les parties et que des moyens de preuve ont été administrés, il lui appartient de dire, dans la motivation de son jugement et en se référant à cette administration des preuves, pourquoi il a admis tel fait plutôt que tel autre.
Si des témoins ont été entendus, dans la procédure probatoire, le juge n'est certes pas tenu de fonder son jugement sur leurs dépositions, mais s'il écarte les témoignages produits et leur préfère d'autres moyens de preuve, il doit alors motiver, ne serait-ce que sommairement, les raisons de ce choix (GULDENER, Beweiswürdigung und Beweislast nach schweizerischem Zivilprozessrecht, p. 5, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2e éd., p. 341; LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3e éd., ad art. 204 p. 229; BONNARD, La prétendue primauté des solutions testimoniales et l'obligation du juge de motiver sa conviction, JdT 1956 III, p. 81 et 83).
Ainsi un jugement, même s'il n'est pas dépourvu de motifs, ne peut cependant pas être considéré comme suffisamment motivé si le justiciable n'y trouve pas les raisons pour lesquelles il n'a pas été tenu compte de moyens de preuve pertinents qui ont été régulièrement produits sur l'un des faits dont l'existence ou l'inexistence a été constatée par le juge.
e) En l'espèce, la lecture de l'arrêt attaqué ne permet pas de savoir si la Chambre d'appel a omis d'examiner les dépositions des témoins entendus en première instance, ou si c'est après avoir examiné ces dépositions qu'elle a estimé ne pas devoir en tenir compte. Certes, le Président de la Chambre d'appel, dans sa réponse au recours (p. 4), s'est exprimé à ce sujet et a dit pour l'essentiel pourquoi la Chambre ne s'était pas fondée sur les témoignages dont la recourante se prévaut. Mais, contrairement à ce qui a été décidé en matière de
BGE 101 Ia 545 S. 553
recours contre une décision administrative (RO 98 Ia 465; cf. SALADIN, Das Verfassungsprinzip der Fairness, in Stabilité et dynamisme du droit dans la jurisprudence du Tribunal fédéral suisse, p. 47), il n'est pas possible, dans un cas semblable à celui qui est présentement soumis à l'examen du Tribunal fédéral, de tenir compte d'une motivation qui n'apparaît que dans la réponse au recours. Il ne s'agit pas ici d'une décision administrative, mais d'un jugement rendu par une juridiction civile; un tel jugement requiert une certaine solennité: il doit être délibéré dans les formes légales (art. 30 et 62 LJP). Il ne pourrait être modifié que par un autre jugement, dans les cas prévus par la loi, notamment en présence d'une requête en revision ou en interprétation. La réponse du président ne peut ni modifier ni même interpréter un jugement rendu par la Chambre in corpore. De plus, il s'agit ici de contrôler l'usage que la juridiction cantonale a fait de son pouvoir d'appréciation, domaine dans lequel le Tribunal fédéral ne peut substituer son pouvoir d'appréciation à celui de cette juridiction (RO 99 Ia 416). L'arrêt cantonal a donc été rendu sur ce point en violation des art. 52 et 62 LJP. Il viole un droit de nature formelle et doit être annulé pour ce motif également.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours dans la mesure où il est recevable et annule l'arrêt attaqué en tant qu'il a condamné B. S.A. à payer à A. la somme de 3'719 fr. plus intérêts et a débouté B. S.A. de ses conclusions. | public_law | nan | fr | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
66f53f62-8914-48e9-b058-1b4b9d2c26e5 | Urteilskopf
85 IV 236
61. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Dezember 1959 i.S. Jäggi gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz. | Regeste
Art. 20, 25 Abs. 1, 26 Abs. 4 MFG;
Art. 46 Abs. 3 MFV
.
Abstand beim Überholen einer am rechten Strassenrand gehenden Kindergruppe; Pflicht zu warnen. | Sachverhalt
ab Seite 236
BGE 85 IV 236 S. 236
A.-
Jäggi führte am 27. Oktober 1958 um 16.15 Uhr einen rechtsgesteuerten Saurer-Lastwagen auf der 7 m breiten, gerade verlaufenden und übersichtlichen Kantonsstrasse in Altendorf innerorts Richtung Lachen. Auf eine Entfernung von ca. 70 m gewahrte er vor sich eine Gruppe von 6 Schulkindern, die in gleicher Richtung wie er dem rechten Strassenrand entlang zu zweit hintereinander gingen. Eines entgegenkommenden Lastwagens wegen, mit dem er zu kreuzen hatte, setzte Jäggi seine Fahrgeschwindigkeit herab, angeblich zunächst auf ca. 20-25 km/h, dann auf ca. 15 km/h. Nach dem Kreuzen bog er etwas nach links aus und überholte, ohne zuvor ein Warnzeichen gegeben zu haben, die Gruppe der Schulkinder in einem seitlichen Abstand von ca. 50 cm. Während der Vorbeifahrt machte die am 31. Juli 1951 geborene Esther Elisabeth Bommer, die am Schluss der Gruppe links aussen ging und sich mit den andern Kindern unterhielt, zwei bis drei Schritte gegen die Strassenmitte zu. Sie schlug mit dem Kopf an der Brücke des Lastwagens auf, wurde nach vorn zu Boden geworfen und von den rechten Hinterrädern des Lastwagens überfahren. Sie
BGE 85 IV 236 S. 237
erlitt eine Schädelbasisfraktur mit Hirnkontusion, sehr wahrscheinlich auch eine Thoraxkontusion. Der Tod trat sofort ein.
B.-
Das Kantonsgericht Schwyz erklärte Jäggi mit Urteil vom 25. Mai 1959 der fahrrlässigen Tötung (
Art. 117 StGB
) und der fahrrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs (
Art. 237 Ziff. 2 StGB
) schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von 1 Monat und zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 200.--. Es warf ihm vor, er habe pflichtwidrig das Warnen unterlassen und die Kindergruppe mit einem ungenügenden seitlichen Abstand überholt.
C.-
Jäggi führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG hat der Führer eines Motorfahrzeuges beim Kreuzen und Überholen einen angemessenen Abstand einzuhalten. Diese Regel gilt auch für das Kreuzen oder Überholen von Fussgängern; denn auch ihnen gegenüber ist der Motorfahrzeugführer zur Vermeidung von Unfällen, ja sogar zur Unterlassung blosser Belästigung verpflichtet (Art. 25 Abs. 1 Satz 2 MFG), und auch sie sind durch die Bestimmung des
Art. 237 StGB
geschützt (
BGE 83 IV 36
und dort erwähnte Entscheide).
Ob ein Abstand angemessen ist, hängt neben der Geschwindigkeit, mit der überholt wird, wesentlich von der Art des zu überholenden Strassenbenützers und seinem erkennbaren oder voraussehbaren Verhalten ab. Je geringer der seitliche Abstand zu diesem bemessen wird, desto näher liegt die Gefahr eines Zusammenstosses und desto schwieriger wird es, einer Fehlreaktion desselben durch Verzögerung der Fahrt, Anhalten, Ausweichen oder Warnen wirrksam zu begegnen. Das gilt nicht nur für das Überholen von Fahrzeugen, sondern namentlich auch für dasjenige von Fussgängern, zumal dann, wenn es sich um
BGE 85 IV 236 S. 238
eine Gruppe von kaum in das schulpflichtige Alter getretenen Kindern handelt, die überholt werden, ohne rechtzeitig das überholende Fahrzeug wahrgenommen zu haben oder auf dessen Herannahen durch Warnsignale aufmerksam gemacht worden zu sein. Die Anwesenheit von Kindern auf der Strasse verpflichtet den Motorfahrzeugführer ohnehin zu vermehrter Vorsicht. Ihnen fehlt die geistige Reife, um die Gefahren des motorisierten Strassenverkehrs voll zu erkennen, sich jederzeit ihrer bewusst zu sein und vernunftgemäss danach zu handeln. Dem hat der Motorfahrzeugführer Rechnung zu tragen, indem er beim Überholen den Sicherheitsabstand so weit bemisst, dass dem Kind nicht jede unbedachte oder ungeschickte Bewegung zum Verhängnis wird. Keinesfalls darf er, ohne die Gewissheit zu haben, dass sein Herannahen auch wirklich wahrgenommen worden ist, knapp rechnen und voraussetzen, das Kind werde nicht, ohne sich umzusehen, seine Richtung ändern und über die Strasse laufen (
BGE 77 IV 37
).
Ein Abstand von bloss 50 cm, wie ihn der Beschwerdeführer einhielt, war den Umständen nicht angemessen. Er war selbst dann offensichtlich ungenügend, wenn anzunehmen ist, Jäggi habe die Kindergruppe mit einer Geschwindigkeit von nur 15 km/h überholt. Der Beschwerdeführer, der es im übrigen auch unterliess zu warnen, hatte nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz keine Gewissheit, dass sein Herannahen von den in der gleichen Richtung gehenden Kindern wahrgenommen worden sei. Umsomehr musste er sich darauf gefasst machen, dass in ihrer Ahnungs- und Sorglosigkeit eines derselben unversehens seine Gehrichtung ändern und der Strassenmitte zustreben kÖnnte. Statt einen möglichst grossen seitlichen Abstand zu gewinnen, wie es sich unter solchen Umständen aufdrängte (vgl.
BGE 67 II 55
), bemass Jäggi den Sicherheitsabstand derart knapp, dass schon zwei bis drei der Strassenmitte zugewandte Schritte eines siebenjährigen Mädchens genügten, um den Zusammenstoss herbeizuführen. Das war pflichtwidrig unvorsichtig. Der Beschwerdeführer handelte damit nicht nur der Vorschrift zuwider,
BGE 85 IV 236 S. 239
beim Überholen einen angemessenen Abstand einzuhalten (Art. 25 Abs. 1 Satz 3 MFG), sondern missachtete auch das Gebot, besonders vorsichtig zu fahren und auf die übrigen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen (
Art. 46 Abs. 3 MFV
; Art. 26 Abs. 4 Satz 2 MFG).
Die Vorinstanz stellt fest, Jäggi hätte nach den übereinstimmenden Aussagen mehrerer Zeugen durchaus die Möglichkeit gehabt, einen erheblich grösseren seitlichen Abstand einzuhalten, da ausreichend Platz vorhanden gewesen sei, um weiter nach links auszuholen. Damit erledigt sich die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe nicht weiter nach links ausbiegen können, weil er beim Kreuzen mit dem Lastenzug, dem er nach rechts ausgewichen sei, hinter der Kindergruppe "sozusagen angehalten" habe und daraufhin nicht, ohne zu einem Verkehrshindernis zu werden, sein Fahrzeug mit 45o habe abdrehen und ausspuren können. War dem so, musste er, wie ihm die Vorinstanz zutreffend entgegenhält, mit dem Überholen der Kinder so lange zuwarten, bis er dies in einem grösseren seitlichen Abstand hätte tun können. Ebenso versagt seine Behauptung, der Unfall hätte sich "aller Wahrscheinlichkeit nach" selbst bei einem ausreichend bemessenen Sicherheitsabstand ereignet, da der Umstand, dass das Kind nur zwei bis drei Schritte gegen die Strassenmitte zu tat, darauf zurückzuführen sei, dass ihm nicht mehr Raum zur Verfügung gestanden habe. Nicht nur wird die Hypothese, das Kind hätte noch weitere Schritte nach der Strassenmitte getan, durch die tatsächlichen Annahmen der Vorinstanz nicht gestützt. Sie kann dem Beschwerdeführer auch deshalb nicht helfen, weil sie selbst dann, wenn sie richtig wäre, nur wieder bestätigen könnte, dass beim Überholen namentlich von Kindern der seitliche Abstand nicht zu knapp bemessen werden darf.
2.
Mit Recht wirft die Vorinstanz dem Beschwerdeführer vor, er habe, indem er es unterliess zu warnen, auch gegen Art. 20 MFG verstossen. Zwar räumt die Rechtsprechung dem Motorfahrzeugführer in der Beurteilung der Frage, ob eine Signalabgabe notwendig oder überflüssig
BGE 85 IV 236 S. 240
erscheine, ein gewisses Ermessen ein und macht ihm aus dem Nichtgebrauch der Warnvorrichtung keinen Vorwurf, wenn beachtliche Gründe ihn zur Auffassung bringen konnten, er brauche sich nicht anzukünden (
BGE 64 I 217
;
BGE 75 IV 186
). Solche Gründe bestanden für den Beschwerdeführer indessen nicht. Er hatte keine Gewissheit, dass sein Herannahen von den Kindern wahrgenommen worden war. Ihre Blicke waren nicht ihm zugewendet, sondern vorwärts gerichtet und überdies unterhielten sich die Kinder in einem Gespräch, das sie leichthin von der Beobachtung der Strasse und namentlich des hinter ihrem Rücken sich abwickelnden Verkehrs ablenken konnte. Jäggi durfte sich nicht darauf verlassen, sie seien durch das Geräusch des Lastwagens genügend gewarnt worden. Dieses kündete weder den geringen seitlichen Abstand an, mit dem er zu überholen im Begriffe war, noch konnte es an sich anzeigen, dass eine ganz besondere Gefahr drohe. Die Kinder hatten nach ihren von der Vorinstanz als glaubwürdig erachteten Aussagen das Motorengeräusch nicht einmal gehört. Der Beschwerdeführer konnte auch nicht damit rechnen, ein Kind werde sich umsehen, bevor es seine Richtung ändern und allenfalls der Strassenmitte zustreben werde. Er musste wissen, dass Kinder im Alter des Mädchens Bommer oft unbedachte Bewegungen machen, insbesondere dann, wenn sie die ihnen drohende Gefahr nicht erkennen oder von ihr überrascht werden. Eine Signalabgabe war, wie die Vorinstanz mit Recht bemerkt, umso notwendiger, als Jäggi die Kindergruppe in einem ungenügenden seitlichen Abstand überholte. Sie wäre unter den obwaltenden Umständen aber selbst dann geboten gewesen, wenn er den Sicherheitsabstand hinreichend bemessen hätte.
3./5. - .....
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
66ff57ae-7cf5-4c63-a444-2cf4bf552ae6 | Urteilskopf
95 II 363
49. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. September 1969 i.S. Kaiser, Holstein & Kappert gegen Maschinenfabrik Carl Cron GmbH. | Regeste
Erfindungspatent.
Stand der Technik. Massgebend sind objektive Gesichtspunkte, nicht das Wissen einer bestimmten Person. Bestimmung der zeitlichen und räumlichen Kriterien (Erw. 5). | Erwägungen
ab Seite 363
BGE 95 II 363 S. 363
5.
Eine Erfindung setzt ferner sog. Erfindungshöhe voraus, d.h. die patentierte Lösung muss auf einer schöpferischen Leistung beruhen, die nicht ohne weiteres schon von durchschnittlich gut ausgebildeten Fachleuten in normaler Fortentwicklung der Technik erbracht werden konnte (
BGE 74 II 140
,
BGE 81 II 298
,
BGE 82 II 251
,
BGE 85 II 138
, 513,
BGE 89 II 109
, 167,
BGE 92 II 51
,
BGE 93 II 512
Erw. 4).
a) Welchen Stand die Technik hatte, die durch die patentierte Lösung angeblich bereichert wurde, beurteilt sich nach objektiven Gesichtspunkten, nicht nach dem Wissen einer bestimmten Person (
BGE 89 II 111
f.). In zeitlicher Hinsicht ist vom Stande auszugehen, den die Technik am Tage der inländischen oder der
BGE 95 II 363 S. 364
das Prioritätsrecht begründenden ausländischen Patentanmeldung erreicht hatte. In sachlicher Hinsicht ist massgebend die Technik, die bis zum Stichtage im Inland offenkundig geworden oder im In- oder Auslande durch veröffentlichte Schrift- oder Bildwerke in einer für den Fachmann verständlichen Weise dargelegt worden war. Ob durchschnittlich gut ausgebildete Fachleute die offenkundig gewordene oder veröffentlichte Technik tatsächlich kannten oder hätten kennen sollen, ist unerheblich, denn was am Stichtage im Inland offenkundig oder im In- oder Ausland in der erwähnten Weise veröffentlicht war, gilt als Gemeingut (
Art. 7 Abs. 1 PatG
) und kann von niemandem mehr auf dem Wege der Patentierung als eigene schöpferische Leistung in Anspruch genommen werden (vgl.
BGE 94 II 287
Erw. 4).
Die Kläger gehen daher fehl, wenn sie geltend machen, die Sachverständigen und das Handelsgericht hätten bei der Beurteilung der Erfindungshöhe gewisse physikalische Tatsachen, die schon in Werken aus den Jahren 1924 und 1936 öffentlich bekanntgegeben worden waren, nicht berücksichtigen dürfen, weil der schweizerische Durchschnittsfachmann diese weit zurückliegenden und in Amerika herausgegebenen Schriften weder habe kennen können noch habe kennen müssen. Der Inhalt der betreffenden Veröffentlichungen gehörte zum Stand, den die Technik vor dem 11. März 1955 erreicht hatte, und es fragt sich nur, ob der durchschnittlich gut ausgebildete Fachmann, wenn er hievon Kenntnis nahm, mit Hilfe seiner Fähigkeiten in normaler Fortentwicklung dieser Technik das Verfahren gemäss Streitpatent ausfindig machen und als fortschrittlich erkennen konnte. | public_law | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6705d8a3-518f-4c32-b3a1-5565cdd0ea21 | Urteilskopf
116 V 328
51. Arrêt du 14 décembre 1990 dans la cause Office fédéral des assurances sociales contre B. et Tribunal cantonal jurassien | Regeste
Art. 3 Abs. 3 lit. a und lit. c ELG
: Verwandtenunterstützungen und Leistungen mit Fürsorgecharakter.
- Zur Subsidiarität der Verwandtenunterstützungen nach
Art. 328 ff. ZGB
sowie der Fürsorgeleistungen im Verhältnis zu den Ergänzungsleistungen.
- In casu Leibrente, welche zugunsten der Ergänzungsleistungsbezügerin von deren Bruder ausgerichtet wird, nicht als Einkommen angerechnet. | Sachverhalt
ab Seite 328
BGE 116 V 328 S. 328
A.-
Juliette B., née en 1901, célibataire, est au bénéfice d'une rente de vieillesse. Depuis le 1er août 1984, elle touche une prestation complémentaire.
A l'occasion d'un réexamen périodique du droit à cette prestation, l'administration s'est aperçue, sur la base du dossier fiscal de l'intéressée, que celle-ci percevait de la Patria, Société mutuelle suisse d'assurances sur la vie, une rente viagère qui s'était élevée, pour la période 1985/1986, à 4'728 francs par an (394 francs par mois). Par décision du 15 février 1989, la Caisse de compensation
BGE 116 V 328 S. 329
du canton du Jura a réduit rétroactivement au 1er août 1984 le montant de la prestation complémentaire en tenant compte d'un revenu annuel de 4'728 francs. En outre, elle a réclamé le remboursement de 10'056 francs, représentant la différence entre les prestations versées dès le 1er août 1984 et les montants qui, à son avis, étaient dus à partir de cette date.
B.-
Juliette B. a recouru contre ces décisions devant le Tribunal cantonal jurassien (Chambre des assurances). Elle faisait valoir que sa rente viagère avait été constituée par son frère, Louis B., qui avait lui-même payé toutes les primes d'assurances, cela "en raison de ma situation financière très modeste et pour me permettre de subvenir à mes besoins et ceux consécutifs à l'entretien de la tombe de mes parents". A l'appui de ses allégués elle a déposé une attestation de la Patria, ainsi qu'une déclaration écrite de Louis B.
Par jugement du 4 août 1989, le tribunal cantonal a admis le recours. Il a annulé les décisions litigieuses et il a renvoyé la cause à la caisse de compensation pour nouvelle décision. En bref, il a considéré que la rente viagère représentait des aliments au sens des
art. 328 ss CC
et que, par conséquent, elle ne devait pas être prise en compte dans le calcul du revenu déterminant.
C.-
L'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) interjette un recours de droit administratif contre ce jugement, dont il requiert l'annulation.
Juliette B. conclut au rejet du recours. Quant à la caisse de compensation, elle se réfère à ses déterminations précédentes.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le litige se résume au point de savoir si la rente viagère constituée en faveur de l'intimée - et dont il n'est pas contesté qu'elle a été entièrement financée par le frère de celle-ci - fait ou non partie du revenu déterminant au sens de l'
art. 3 LPC
. Les autres éléments du calcul de la caisse, qui ne sont pas discutés par les parties et qui, du reste, n'apparaissent pas contestables, n'ont pas à être examinés par le Tribunal fédéral des assurances (
ATF 110 V 20
consid. 1 et 52 s.).
a) Selon l'
art. 3 al. 1 LPC
, le revenu déterminant comprend notamment les rentes, pensions et autres prestations périodiques, y compris les rentes de l'AVS et de l'AI (let. c). En revanche, ne font pas partie du revenu déterminant selon l'alinéa 3 de cette
BGE 116 V 328 S. 330
même disposition les aliments fournis par les proches en vertu des
art. 328 ss CC
(let. a), ainsi que les prestations provenant de personnes et d'institutions publiques ou privées ayant manifestement le caractère d'assistance (let. c).
Selon la jurisprudence, seules sont considérées comme ayant manifestement le caractère de prestations d'assistance au sens de l'
art. 3 al. 3 let
. c LPC, les prestations qui sont allouées à titre précaire ou bénévole et dont l'allocation fait l'objet d'un réexamen périodique, voire avant chaque versement, en fonction de l'évolution des besoins du bénéficiaire (RCC 1986 p. 72 consid. 2a). Le Tribunal fédéral des assurances a d'autre part jugé qu'une rente viagère constituée par un père en faveur de sa fille devait être considérée comme des aliments au sens des
art. 328 ss CC
(et donc de l'
art. 3 al. 3 let. a LPC
) dans la mesure où elle était nécessaire à la satisfaction des besoins vitaux de la créancière (RCC 1986 p. 73 consid. 2b).
Sur la base de cette jurisprudence, la juridiction cantonale constate - à juste titre - que la rente litigieuse n'a pas, à l'évidence, le caractère d'une prestation d'assistance au sens de l'
art. 3 al. 3 let
. c LPC, du moment que son versement - fixé d'avance par contrat - ne dépend pas des besoins "effectifs" de la bénéficiaire.
En revanche, cette rente doit, de l'avis des premiers juges, être assimilée à des aliments nécessaires à la satisfaction des besoins vitaux de l'intéressée: les revenus de celle-ci s'élèvent au total à 1'145 francs ou à 1'372 francs, selon le montant de la prestation complémentaire que l'on prend en considération (rente de vieillesse: 1'005 francs; intérêts: 50 francs; prestation complémentaire: 90 francs selon le calcul rectifié de la caisse ou 317 francs avant cette rectification); or, l'un et l'autre de ces montants sont inférieurs au minimum vital de l'intéressée selon le droit de la poursuite, par 1'513 francs.
b) L'OFAS conteste ce calcul. Selon lui, les prestations complémentaires jouent un rôle "d'appoint" jusqu'à concurrence du minimum vital défini par les limites de revenu fixées à l'
art. 2 al. 1 LPC
. Pour calculer les besoins vitaux du bénéficiaire, il conviendrait de soustraire certaines dépenses déjà couvertes par les prestations complémentaires. Ainsi, dans le cas particulier, les besoins vitaux de l'intimée s'élèveraient à 960 francs par mois (montant de base: 805 francs; part du loyer "non couvert": 35 francs; impôts et charges: 100 francs; téléphone: 20 francs). Ce
BGE 116 V 328 S. 331
montant, constate l'office, est inférieur aussi bien à la limite de revenu déterminante pour personne seule, par 12'800 francs, qu'aux revenus totaux de l'intimée. D'où la conclusion, tirée par le recourant, que la rente viagère n'est pas, en l'espèce, destinée à couvrir des besoins vitaux.
c) Ce raisonnement ne peut pas être approuvé. Il s'écarte tout d'abord de la jurisprudence de l'arrêt précité, dans lequel le Tribunal fédéral des assurances a calculé les besoins vitaux du bénéficiaire (1'517 francs) en tenant compte du loyer dans son entier (442 francs). Il méconnaît ensuite le caractère subsidiaire, par rapport aux prestations complémentaires, des aliments dus en vertu des
art. 328 ss CC
(et aussi, du reste, des prestations d'assistance selon l'
art. 3 al. 3 let
. c LPC). Comme l'a indiqué le Conseil fédéral dans son message à l'appui d'un projet de LPC, l'
art. 3 al. 3 LPC
consacre la priorité des prestations complémentaires, en tant que prestations d'assurance, sur les prestations d'aide ou d'entretien. Du point de vue social, il importait, ajoutait le Conseil fédéral, que les secours de proches - au même titre que ceux de l'assistance publique (
art. 3 al. 3 let. b LPC
) - ne fussent pas pris en compte dans le calcul du revenu déterminant (FF 1964 II 732). Cette subsidiarité trouve aussi son expression dans le système légal, qui veut que l'allocation de prestations selon l'art. 3 al. 3 let. a (et c) LPC n'influe pas sur le montant d'une prestation complémentaire éventuelle: dans le cas contraire, ces prestations n'eussent pas été exceptées du revenu déterminant au sens de l'
art. 3 al. 1 LPC
. D'un strict point de vue, il conviendrait donc, selon cette conception, de faire totalement abstraction de la prestation complémentaire lorsqu'il s'agit d'examiner si les revenus du bénéficiaire suffisent ou non à couvrir ses besoins vitaux. Il faudrait ainsi, en l'espèce, ne retenir qu'un revenu de 1'055 francs (1'005 francs + 50 francs) pour le comparer au chiffre de 1'513 francs, ce qui, à l'évidence, conduirait à conclure que l'intimée tomberait dans le besoin à défaut de l'assistance de son frère (cf.
art. 328 al. 1 CC
).
De toute façon, pour décider si l'on est en l'espèce en présence d'aliments au sens des
art. 328 ss CC
, il importe de savoir si le fondement de la prestation réside, d'une part, dans la situation de besoin du créancier et, d'autre part, dans une obligation d'entretien du débiteur en raison de ses liens de parenté avec le créancier. Pour juger si l'existence d'un besoin est établie, le juge peut s'inspirer des règles du minimum vital en matière de
BGE 116 V 328 S. 332
poursuite. Encore que les chiffres fixés de cette manière puissent conduire à une notion trop stricte du besoin (
ATF 101 II 23
consid. 3). La prestation d'entretien doit au moins permettre, ajoutée à d'autres ressources éventuelles du créancier, de couvrir les frais de nourriture, de logement, d'habillement, ainsi que les frais médicaux et pharmaceutiques et les autres dépenses nécessaires (
ATF 106 II 292
consid. 3a).
Dans le cas particulier, l'on est fondé à considérer que le frère de l'intimée, qui est débiteur d'aliments en première ligne en l'absence de parents en ligne ascendante et descendante (cf.
art. 329 CC
), remplit précisément une obligation alimentaire: sans un complément de ressources, l'intimée ne serait pas en mesure, sur le vu des chiffres susmentionnés, de faire face aux dépenses nécessaires - et cela même si l'on tient compte de la prestation complémentaire dont elle bénéficie. En tout cas, on ne voit pas sur quel autre fondement juridique reposerait la rente viagère en cause. Celle-ci doit donc, conformément à la loi et comme l'ont admis avec raison les premiers juges, être exceptée du revenu déterminant.
2.
L'OFAS fait encore valoir, en se référant à l'arrêt publié dans la RCC 1984 p. 47, que si Louis B. avait versé à sa soeur un montant en capital, au lieu de constituer en sa faveur une rente viagère, le rendement de ce capital eût dû être porté en compte dans le calcul du revenu déterminant, conformément à l'
art. 3 al. 1 let. b LPC
. Cette référence n'est toutefois d'aucun secours en l'espèce. Dans l'arrêt invoqué, le Tribunal fédéral des assurances a certes jugé que le rendement de la fortune devait être pris en considération dans le calcul de la prestation complémentaire, quelle que fût son origine (en l'occurrence, il s'agissait de prestations périodiques d'entretien accumulées par le bénéficiaire sur un carnet d'épargne). Mais cela ne signifie pas qu'une prestation en capital ne puisse pas, par principe, être qualifiée d'aliments au sens des
art. 3 al. 3 let. a LPC
et 328 ss CC. Quoi qu'il en soit, il n'y a pas lieu de se prononcer, dans l'abstrait, sur l'hypothèse envisagée. Seules sont décisives les circonstances concrètes de l'espèce, qui conduisent ici à admettre l'existence d'une dette alimentaire exceptée du revenu déterminant.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours est rejeté. | null | nan | fr | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
670c8316-945a-46de-9d8d-24683eeee05f | Urteilskopf
117 II 315
57. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 15 août 1991 dans la cause X. S.A. contre Y. en liquidation concordataire (recours en réforme) | Regeste
Verantwortlichkeit der Revisionsstelle nach Art. 18 ff BankG.
Gegen die Bankenrevisionsstelle, die nicht Kontrollorgan im Sinne des Gesellschaftsrechts ist, können die Bankengläubiger nur aus unerlaubter Handlung (
Art. 41 OR
) klagen. | Sachverhalt
ab Seite 315
BGE 117 II 315 S. 315
A.-
En novembre 1978, la Cour de justice du canton de Genève a homologué le concordat par abandon d'actifs accepté par les créanciers de la Banque Y., société en commandite. L'état de collocation a été déposé le 1er mars 1982.
Tenant X. S.A., organe de revision de la banque, pour responsable de la déconfiture de celle-ci, la société en liquidation s'est, notamment, fait céder par vingt-cinq créanciers leurs droits éventuels contre la fiduciaire
B.-
Le 15 juin 1987, Y., en liquidation concordataire, a assigné X. S.A. en paiement de 17'128'646 fr. 85, représentant le dommage subi par les créanciers cédants si le dividende concordataire était de 50%. La demande a été réduite par la suite à 5'840'810 fr. 65.
Par jugement du 10 mai 1990, le Tribunal de première instance du canton de Genève a admis l'exception de prescription soulevée par X. S.A. et déclaré l'action irrecevable.
Statuant le 14 décembre 1990 sur appel de la demanderesse, la Cour de justice a annulé le jugement de première instance,
BGE 117 II 315 S. 316
débouté la défenderesse des fins de son exception de prescription et renvoyé la cause au juge précédent pour instruction et jugement sur le fond.
C.-
X. S.A. interjette un recours en réforme au Tribunal fédéral. Elle conclut au déboutement de la demanderesse de toutes ses conclusions et, subsidiairement, à être acheminée à prouver les faits consignés dans son mémoire. Y., en liquidation concordataire, propose le rejet du recours.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable et confirmé l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
La défenderesse est recherchée en tant qu'institution de revision au sens des
art. 18 ss LB
(RS 952.0). Le dommage allégué par la demanderesse résulte du fait que les prétentions des créanciers envers la banque ne sont plus entièrement couvertes par les actifs. Il s'agit là d'un dommage indirect dont la réparation n'est pas exclue en droit suisse (cf.
art. 755 CO
et 43 LB; arrêt non publié du 28 avril 1988 en la cause S. contre M. S.A., en liquidation concordataire, consid. 2;
ATF 110 II 393
consid. 1). La question est dès lors de déterminer si les créanciers qui subissent une perte suite à la faillite ou au concordat d'une banque peuvent agir en responsabilité contre les reviseurs bancaires.
a) Il convient de souligner tout d'abord que la Banque Y. était une société en commandite soumise aux
art. 594 ss CO
, lesquels n'instituent pas un organe de contrôle tel que celui prévu, par exemple, dans le droit des sociétés anonymes (
art. 727 ss CO
). Une éventuelle responsabilité fondée sur le droit des sociétés n'entre par conséquent pas en ligne de compte.
b) Certains auteurs nient toute responsabilité des reviseurs envers les créanciers. D'après HIRSCH, la responsabilité de l'institution de revision est régie exclusivement par les règles du mandat, de sorte que l'action en responsabilité ne peut être intentée que par la banque elle-même (La responsabilité des contrôleurs envers les créanciers sociaux, Der Schweizer Treuhänder 9/1976, p. 11). BODMER/KLEINER/LUTZ semblent moins catégoriques puisqu'ils excluent l'action des créanciers en tant qu'elle se fonde sur la responsabilité contractuelle des reviseurs (Kommentar zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, n. 53 ad art. 18-22).
BGE 117 II 315 S. 317
En tout cas, il est admis de manière générale que les reviseurs ne sont pas un organe de la banque et qu'ils n'encourent ainsi pas de responsabilité fondée sur les
art. 41 ss LB
(BODMER/KLEINER/LUTZ, loc.cit.; FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2e éd., n. 591, qui exclut l'application analogique des
art. 41 ss LB
; HIRSCH, loc.cit.).
c) Une opinion originale mais isolée est défendue par KNAPP. La surveillance bancaire étant destinée à protéger les clients et les partenaires commerciaux de la banque, cet auteur entend soumettre la responsabilité des reviseurs au droit public, plus précisément à l'
art. 19 LRCF
(RS 170.32), ce qui implique une responsabilité subsidiaire de la Confédération si l'institution de revision n'est pas en mesure de réparer le dommage (La responsabilité de la Confédération du fait de la surveillance des banques et de la direction du crédit, Wirtschaft und Recht 1985, p. 399/400).
L'
art. 19 LRCF
règle la responsabilité des institutions indépendantes de l'administration ordinaire qui sont chargées par la Confédération d'exécuter des tâches de droit public (exemples in
ATF 107 Ib 6
consid. 1,
ATF 94 I 639
consid. 4). Or, s'ils doivent certes être agréés par la Commission fédérale des banques (
art. 20 LB
et 35 OB), les organes de revision ne sont pas investis d'une tâche de droit public pour le compte de la Confédération; en particulier, ils ne disposent pas du pouvoir de rendre des décisions, qui appartient à la Commission fédérale des banques, laquelle n'est pas liée par leurs conclusions (
ATF 115 Ib 58
consid. 3). La thèse de KNAPP ne peut donc être suivie (MÜLLER, La pratique de la Commission fédérale des banques, p. 61, note 135). Une responsabilité des reviseurs fondée sur la LRCF et assortie d'une responsabilité subsidiaire de la Confédération irait du reste à l'encontre de la volonté du législateur qui n'entendait pas instaurer un contrôle étatique, susceptible d'affaiblir le sentiment de responsabilité des administrateurs (Message concernant le projet de loi fédérale sur les banques et les caisses d'épargne, FF 1934 I p. 180; voir également MÜLLER, Rechtliche Probleme der Bankenaufsicht, ZBJV 115 [1979] p. 502).
d) Un autre fondement à envisager est l'
art. 41 CO
régissant la responsabilité délictuelle.
Selon la jurisprudence, un acte est illicite s'il enfreint une prescription générale de la loi en portant atteinte soit à un droit absolu du lésé, soit à son patrimoine; dans ce dernier cas, la norme violée doit avoir pour but de protéger le lésé dans les droits atteints
BGE 117 II 315 S. 318
par l'acte incriminé (
ATF 115 II 18
consid. 3a,
ATF 113 Ib 423
consid. 2, 109 II 124 consid. 2a).
La loi sur les banques vise essentiellement à protéger les créanciers (Message concernant la revision de la loi sur les banques, FF 1970 I p. 1158; HIRSCH, Les objectifs de la loi sur les banques, 50 ans de surveillance fédérale des banques, p. 269; LUSTENBERGER, Revision im Bankbetrieb, Der Schweizer Treuhänder 3/1978, p. 25/26). A cet égard, les dispositions sur la surveillance et la revision bancaires constituent le point central de la loi; en particulier, la revision apparaît comme le moyen de protection des créanciers le plus important (
ATF 103 Ib 356
consid. 7a,
ATF 99 Ib 110
consid. 5; cf. également
ATF 106 Ib 363
consid. 2c in fine). En conséquence, les reviseurs commettent un acte illicite envers les créanciers s'ils ne procèdent pas à la revision des comptes conformément aux devoirs que la loi leur impose (arrêt S. précité, consid. 3a; MÜLLER, La pratique de la Commission fédérale des banques, p. 61, note 135). La même conclusion s'impose si l'on applique par analogie la jurisprudence relative à la société anonyme. Il est admis en effet que l'organe de contrôle agit illicitement au sens de l'
art. 41 CO
s'il enfreint ses devoirs, les dispositions sur les obligations des contrôleurs ayant été également édictées pour protéger les tiers (
ATF 106 II 235
consid. 2c et les arrêts cités).
Les créanciers d'une banque disposent dès lors de l'action délictuelle contre les reviseurs qui auraient manqué aux devoirs prescrits par la loi sur les banques.
5.
Il reste à examiner si, comme la cour cantonale l'admet, la demanderesse peut se prévaloir d'une prétention fondée sur une éventuelle responsabilité contractuelle de la défenderesse envers les créanciers, plus avantageuse à certains égards que la responsabilité fondée sur l'acte illicite.
a) La banque est liée aux reviseurs par un mandat de droit privé (
art. 394 ss CO
) (Message concernant la revision de la loi sur les banques, FF 1970 I p. 1170; BODMER/KLEINER/LUTZ, op.cit., n. 17 ad art. 18-22; LUTZ, Bankrevision in der Schweiz und im Ausland, Der Schweizer Treuhänder 11/1988, p. 408; FORSTMOSER, op.cit., n. 863). La question est dès lors de savoir si les créanciers de la banque peuvent agir contre les reviseurs en invoquant la mauvaise exécution du mandat.
b) En vertu du principe de la relativité des conventions, le contrat n'a d'effet qu'entre les parties. Aussi le tiers lésé par la
BGE 117 II 315 S. 319
violation du contrat ne peut-il en principe prétendre à des dommages-intérêts fondés sur la responsabilité contractuelle (MERZ, Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Schweizerisches Privatrecht VI/1, p. 190, note 14; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, p. 25; TANDOGAN, La réparation du dommage causé à un tiers, Mélanges Roger Secrétan, Montreux 1964, p. 306).
c) La rigueur de ce principe peut parfois conduire à des solutions inéquitables (YUNG, La responsabilité contractuelle envers les tiers lésés, Etudes et articles, Genève 1971, p. 303-305 et les exemples cités). C'est pourquoi des théories ont été imaginées afin de permettre au tiers lésé, dans certains cas, de faire valoir les droits résultant du contrat.
aa) Selon la théorie du "déplacement de l'intérêt" formulée par VON TUHR, le créancier peut exiger du débiteur qu'il dédommage le tiers lorsque le créancier se trouve en relation juridique avec le tiers et que l'intérêt à la prestation naît chez ce dernier au lieu de naître chez le créancier, ou bien est passé au tiers après la conclusion du contrat (rapportée par YUNG, op.cit., p. 312 et THORENS, Le dommage causé à un tiers, thèse Genève 1962, p. 82; critique de PIOTET, Une théorie juridique allemande en Suisse: La responsabilité contractuelle quant au dommage subi par un tiers, Les étrangers en Suisse, Lausanne 1982, p. 340 ss). Le dommage est donc causé à un tiers sans que le créancier lui-même ne soit lésé (Drittschaden) (arrêt du 17 mars 1978 du Tribunal cantonal du canton de Saint-Gall, SJZ 76 (1980) p. 194; voir exemples cités par YUNG, op.cit., p. 312-314).
bb) Un autre moyen imaginé pour améliorer la situation du tiers lésé est le "contrat comportant un effet de protection envers les tiers" (Vertrag mit Schutzwirkung gegenüber Dritten), qui accorde une prétention en dommages-intérêts à celui qui est lésé par la transgression des devoirs accessoires de diligence, d'information ou de sécurité résultant du contrat; encore faut-il que le tiers soit appelé à "entrer en contact" avec la prestation du débiteur et que le créancier doive, de façon reconnaissable pour le débiteur, veiller à la sécurité du tiers (BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 2e éd., p. 484; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 4e éd., vol. II, n. 2582/2583; YUNG, op.cit., p. 314/315). L'exemple classique est celui du couvreur qui est responsable non seulement envers le maître pour la mauvaise exécution du contrat d'entreprise, mais également envers les membres de la famille dudit maître
BGE 117 II 315 S. 320
pour les dommages qu'ils pourraient subir lors des travaux (BUCHER, loc.cit.; KRAMER /SCHMIDLIN, n. 144 ad Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR). Dans ce cas, il n'y a pas de "déplacement de l'intérêt" (ENGEL, op.cit., p. 27; YUNG, op.cit., p. 315). Le droit du tiers se justifie soit par une stipulation pour autrui implicite, soit par une interprétation complétive du contrat (YUNG, loc.cit.).
cc) Si ces théories ont reçu jusqu'à présent peu d'écho en Suisse, il faut admettre, en tout état de cause, qu'elles ne peuvent pas s'appliquer aux créanciers d'une banque lésés par l'exécution défectueuse d'un mandat de revision bancaire. En effet, il n'y a pas, dans cette hypothèse, de "déplacement de l'intérêt" puisque, le cas échéant, la banque est également lésée. Le mandat de revision ne saurait non plus constituer un "contrat avec effet de protection envers les tiers" car, à l'évidence, la banque n'a pas vis-à-vis de ses créanciers un devoir de protection, comparable à celui d'un chef de famille par exemple.
d) Sans le poser expressément, la Cour de justice a raisonné à partir de la stipulation pour autrui parfaite pour reconnaître aux créanciers le droit d'agir sur une base contractuelle.
La stipulation pour autrui est une convention par laquelle le stipulant se fait promettre par le promettant une prestation en faveur d'un tiers (
art. 112 al. 1 CO
; ENGEL, op.cit., p. 284). En l'espèce, si les obligations des reviseurs visent certes la protection des créanciers, il n'en demeure pas moins que la banque est en droit d'exiger une bonne et fidèle exécution du mandat et qu'elle peut agir en responsabilité contre les reviseurs pour son propre dommage en cas d'exécution défectueuse. Par ailleurs, pour qu'il y ait stipulation pour autrui parfaite accordant un droit contractuel au tiers, il faut que telle ait été l'intention des parties ou que tel soit l'usage (
art. 112 al. 2 CO
). Or, en l'espèce, les faits constatés dans l'arrêt attaqué ne laissent nullement apparaître la volonté de la Banque Y. et de la défenderesse d'accorder des droits aux créanciers (
art. 63 al. 2 OJ
). Les prétentions des créanciers ne peuvent non plus être déduites de l'usage. A cet égard, la référence à l'
art. 754 CO
n'est pas pertinente, car cette disposition concerne le dommage subi par les créanciers de la société anonyme. Au demeurant, l'existence de dispositions spéciales ne peut être admise sans autre comme l'expression d'un principe général (TANDOGAN, op.cit., p. 309). Il est tout aussi défendable d'affirmer que l'intention du législateur était précisément de limiter le droit des
BGE 117 II 315 S. 321
tiers aux cas prévus par la loi. De toute manière, il n'y a pas lieu d'appliquer systématiquement les
art. 97 ss CO
chaque fois qu'un contrat a été conclu dans l'intérêt d'un tiers (YUNG, op.cit., p. 316).
e) En conclusion, il ne faut pas perdre de vue que des considérations d'équité sont à l'origine des exceptions proposées par la doctrine au principe de la relativité des conventions. Or, en l'espèce, la demanderesse, cessionnaire des droits des créanciers, dispose de l'action délictuelle. Celle-ci doit être considérée comme suffisante (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht Allgemeiner Teil, 4e éd., p. 487, note 40). Aucune raison objective ne commande dès lors de déroger au principe en accordant à la demanderesse une action contractuelle en concours avec l'action fondée sur l'
art. 41 CO
. | public_law | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
670fd085-a468-425a-a2ae-fb3be94bd0da | Urteilskopf
121 II 291
46. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. November 1995 i.S. Angelrath und Mitb. gegen Schweiz. Bundesbahnen und Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Zuständigkeit zur Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen im kombinierten eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungs- und Enteignungsverfahren.
Im kombinierten eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungs- und Enteignungsverfahren hat grundsätzlich die zum Sachentscheid zuständige Instanz, also die Einsprachebehörde einerseits und die Eidgenössische Schätzungskommission bzw. deren Präsident andererseits, auch über die Kostenfolgen zu befinden. Wird mit der Erledigung der Einsprache indessen auch das Enteignungsverfahren hinfällig, ist die Behörde, die sich mit der Sache zuletzt befasst hat, zur abschliessenden Kostenregelung zuständig. | Sachverhalt
ab Seite 292
BGE 121 II 291 S. 292
Im Plangenehmigungs- und Enteignungsverfahren für den Ausbau des SBB-Streckenabschnitts Ligerz-Twann erhoben verschiedene betroffene Grundeigentümer Einsprache und verlangten, dass die eisenbahnrechtliche Genehmigung nicht erteilt oder das Projekt allenfalls im Sinne einer Verlängerung des vorgesehenen Tunnels abgeändert werde. Weiter meldeten sie ihre enteignungsrechtlichen Entschädigungsansprüche an.
Da die Einigungsverhandlungen vor dem Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission erfolglos blieben, überwies dieser die Akten dem für die Einsprachenbehandlung zuständigen Bundesamt für Verkehr (BAV). Anlässlich der Einigungsverhandlung vor dem Bundesamt wurde eine Variante "Langtunnel" zunächst zur Diskussion gestellt und schliesslich das entsprechend abgeänderte Projekt neu aufgelegt. Hierauf teilte Fürsprecher Max Uhlmann dem BAV mit, dass sich die von ihm vertretenen Einsprecher am weiteren Verfahren nicht mehr beteiligen würden, da durch die Änderung des Projektes den gestellten Eventualbegehren vollumfänglich entsprochen worden sei. Auf Aufforderung des Bundesamtes reichte er anschliessend eine Kostennote von insgesamt Fr. 10'102.-- für die Vertretung von neun Parteien ein.
Mit Teilentscheid vom 1. Juli 1993 sprach das BAV den von Fürsprecher Uhlmann vertretenen Einsprechern eine Parteientschädigung von gesamthaft Fr. 1'972.-- zu. Auf Beschwerde der Einsprecher hin erhöhte das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) diesen Betrag zwar am 24. Februar 1995 auf Fr. 2'872.--, lehnte aber die Zusprechung einer weiteren Entschädigung ab, da die Einspracheinstanz nur die Kostenfolgen für das Einspracheverfahren zu regeln habe. Soweit der Anwalt im Zusammenhang mit den enteignungsrechtlichen Entschädigungsforderungen tätig geworden sei, sei der Entscheid über die Kosten und die Parteientschädigungen vom Schätzungskommissions-Präsidenten zu treffen.
Die von Fürsprecher Uhlmann vertretenen Einsprecher, Manfred Angelrath-Güggi und die acht weiteren Grundeigentümer, haben den Entscheid des EVED mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
BGE 121 II 291 S. 293
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Umstritten ist zunächst, wer nach dem Gegenstandsloswerden des Einsprache- und Enteignungsverfahrens zur Festsetzung der Parteientschädigungen zuständig gewesen sei, ob das BAV als Einsprachebehörde die Gesamtentschädigung hätte festlegen müssen oder ob der Präsident der Eidgenössischen Schätzungskommission seinerseits die auf das Entschädigungsverfahren entfallenden Parteikosten hätte bestimmen sollen.
Wird die eisenbahnrechtliche Plangenehmigung im Sinne von Art. 20 lit. c und Art. 23 ff. der Verordnung über die Planvorlagen für Eisenbahnbauten vom 23. Dezember 1932 (PlVV; SR 742.142.1) mit einem Enteignungsverfahren kombiniert, so richtet sich das Verfahren grundsätzlich nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Enteignung (EntG, SR 711; vgl.
Art. 24 Abs. 1 und
Art. 25 Abs. 1 PlVV
). Danach sind innert der dreissigtägigen Frist, während der die Pläne und Verzeichnisse öffentlich aufliegen, nicht nur die Einsprachen gegen die Enteignung und die Begehren, die eine Planänderung bezwecken, sondern auch die Entschädigungsforderungen für die zu enteignenden Rechte anzumelden (Art. 30 Abs. 1 lit. a, b und c,
Art. 35 und 36 EntG
). Nach Ablauf der Frist übermittelt die Gemeinde die Eingaben dem Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission, der das Einigungsverfahren durchführt (
Art. 45 EntG
,
Art. 26 Abs. 1 PlVV
). Während die Einsprachen, die in der Einigungsverhandlung strittig bleiben, anschliessend der Einsprachebehörde zum Entscheid übermittelt werden, bleibt das weitere Verfahren vor der Schätzungskommission auf die Behandlung der Entschädigungsfragen beschränkt (
Art. 26 Abs. 3 und
Art. 33 PlVV
,
Art. 57 ff. EntG
).
Aus dieser gesetzlichen Regelung ergibt sich, dass mit der Planauflage sowohl das (enteignungs- und eisenbahnrechtliche) Einspracheverfahren wie auch das Entschädigungsverfahren eröffnet werden, dass diese Verfahren bis zum Abschluss der Einigungsverhandlung nebeneinander verlaufen und sich die Verfahrenswege erst danach trennen. Ungeachtet dieser Zusammenlegung der Verfahren ist über die Kosten- und Entschädigungsfolgen des Einspracheverfahrens einerseits und des Entschädigungsverfahrens andererseits grundsätzlich getrennt zu entscheiden. Seit der Revision der Kostenbestimmungen des Enteignungsgesetzes im Jahre 1971 hat im Einspracheverfahren nicht mehr die Schätzungskommission (vgl.
Art. 115 Abs. 1 EntG
in der Fassung vom 20. Juni 1930), sondern die Einsprachebehörde
BGE 121 II 291 S. 294
selbst über die Kosten und die Parteientschädigung zu bestimmen (
Art. 114 Abs. 4 und
Art. 115 Abs. 4 EntG
); das heisst mit anderen Worten, dass die für den Sachentscheid zuständige Behörde auch die Kostenfolgen regeln soll (vgl. FRITZ HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 3 zu Art. 115 aEntG; HESS/WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 11-14 zu
Art. 114 EntG
). Dementsprechend hat das Bundesgericht schon verschiedentlich erkannt, dass die Einsprachebehörde über die Kosten- und Entschädigungsfolgen für das ganze Verfahren der Einsprachenbehandlung ab Planauflage zu entscheiden habe und die Eidgenössische Schätzungskommission zur nachträglichen Vergütung von Parteikosten für diesen Verfahrensteil nicht zuständig sei (
BGE 118 Ib 206
nicht publ. E. 16, nicht publ. Entscheide vom 8. Januar 1992 i.S. WWF und Mitbet. gegen Kanton Bern und Kanton Freiburg, E. 9, und vom 21. Mai 1987 i.S. NOK/SN gegen B. und Eidg. Schätzungskommission, Kreis 11, E. 2a).
Wird indessen ein Verfahren vor dem Einsprachenentscheid oder durch diesen gegenstandslos, rechtfertigt sich aus prozessökonomischen Gründen nicht, zwei verschiedene Behörden - also auch die Instanz, die sich zur Zeit mit der Sache nicht befasst - zur Kostenregelung beizuziehen. So sieht das Enteignungsgesetz ausdrücklich vor, dass der Schätzungskommissions-Präsident, wenn das Verfahren mit der Einigungsverhandlung abgeschlossen wird, allein über die Kosten und die Entschädigungsfolgen bestimmt (
Art. 114 Abs. 4 Satz 2 EntG
), obschon er im Einspracheverfahren grundsätzlich keinerlei Entscheidbefugnisse hat (vgl.
BGE 111 Ib 28
E. 2 mit Hinweisen). Analoges muss gelten, wenn das Verfahren, wie hier, vor der Einspracheinstanz erledigt wird und infolge der Einigung oder Gutheissung von Begehren auch das Entschädigungsverfahren vor der Schätzungskommission entfällt. Auch in diesem Falle muss die Kompetenz zur Kostenregelung allein bei der Behörde liegen, die sich mit der Sache zuletzt befasst hat. Es liesse sich mit dem Gebot der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung, das der Zusammenlegung von Plangenehmigungs-, Einsprache- und Landerwerbsverfahren zugrundeliegt, nur schlecht vereinbaren, wenn in dieser Situation der Schätzungskommissions-Präsident das Verfahren nochmals aufgreifen müsste, nur um einen ergänzenden Kostenentscheid zu fällen. Dass somit je nach Verfahrensstand einmal die Schätzungs- und ein anderes Mal die Einsprachebehörde über die Kostenfolgen eines vorweg erledigten Verfahrens zu befinden hat, ändert nichts an der Praktikabilität der
BGE 121 II 291 S. 295
Lösung: Beide Instanzen haben die Kostenvorschriften des Enteignungsgesetzes anzuwenden, die für das Einsprache-, das Einigungs- und das Schätzungsverfahren die gleichen sind. Zudem stehen der mit der Sache befassten Instanz auch sämtliche Akten zur Verfügung, die sie für die Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfragen benötigt. Es ist daher mit den SBB und entgegen der Auffassung des EVED davon auszugehen, dass das BAV als Einsprachebehörde im vorliegenden Falle zuständig war, die Parteientschädigungen für das gesamte bisher durchgeführte Verfahren festzulegen. | public_law | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6710fd54-81fc-4b79-bab9-8810d9558e6e | Urteilskopf
111 II 295
59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Juni 1985 i.S. X. gegen Versicherungsgesellschaft A. (Berufung) | Regeste
Haftung des Motorfahrzeughalters für den Verdienstausfall einer Dirne.
1.
Art. 46 Abs. 1 OR
. Eine Dirne, die durch einen Verkehrsunfall in ihrer Erwerbstätigkeit beeinträchtigt wird, hat unbekümmert um die Sittenwidrigkeit ihrer Tätigkeit Anspruch darauf, dass ihr der Verdienstausfall infolge gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit ersetzt wird (E. 2).
2.
Art. 63 Abs. 2 OG
. Feststellungen über Ausmass und Dauer der Arbeitsunfähigkeit; Tat- und Rechtsfragen (E. 3).
3. Ermässigung des Ersatzes gemäss
Art. 62 Abs. 2 SVG
; Frage offengelassen, ob diese Bestimmung auch zugunsten des Haftpflichtversicherers gilt (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 296
BGE 111 II 295 S. 296
A.-
Frau X. ist 1943 geboren und wohnt in Zürich, wo sie von 1963 an ihren Lebensunterhalt ausschliesslich als Dirne verdient hat. Am frühen Morgen des 10. Juni 1971, als sie ihren Personenwagen vor einer Lichtsignalanlage in Dietikon korrekt anhielt, prallte der Wagen des Z. von hinten gegen ihr Fahrzeug. Frau X. erlitt dabei ein sogenanntes Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Sie musste deswegen zwei Wochen im Spital gepflegt werden und während drei Wochen einen Gipskragen tragen; infolge des Unfalls ist sie angeblich bleibend geschädigt.
B.-
Am 28. August 1980 klagte sie gegen die Versicherungsgesellschaft A., bei der Z. für seine Halterhaftpflicht versichert war, auf Zahlung von Fr. 2'327'425.-- Verdienstausfall bis zu ihren 45. Altersjahr (1. August 1988) und mindestens Fr. 25'000.-- Genugtuung nebst Zins. Den Verdienstausfall begründete sie damit, dass sie vor dem Unfall mit ihrer Tätigkeit als Dirne monatlich mindestens Fr. 12'000.-- Nettoeinnahmen erzielt habe, ihre Einnahmen aus dieser Tätigkeit seit dem Unfall aber nur noch Fr. 1'150.-- im Monat ausmachten.
Das Bezirksgericht Zürich setzte den Verdienstausfall der Klägerin auf Fr. 22'400.-- fest und sprach ihr Fr. 3'000.-- Genugtuung zu, beides nebst Zins; im übrigen wies es die Klage ab. Die Parteien appellierten an das Obergericht des Kantons Zürich, das am 18. Juni 1984 die Schadenersatzforderung der Klägerin ganz abwies, die Genugtuungssumme von Fr. 3'000.-- nebst 5% Zins seit dem Unfalltag dagegen bestätigte.
C.-
Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingereicht mit dem Antrag, es soweit aufzuheben, als ihren Rechtsbegehren nicht entsprochen worden sei, und ihre Klage gutzuheissen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
Dass die Beklagte als Versicherer des Z. für die Folgen des Unfalls vom 10. Juni 1971 gemäss
Art. 58 ff. SVG
haftet und von der Klägerin unmittelbar belangt werden darf, ist grundsätzlich nicht bestritten; sie hat sich mit der Verurteilung zu einer Genugtuungssume von Fr. 3'000.-- denn auch abgefunden. Die Beklagte widersetzt sich dagegen der Schadenersatzforderung von Fr. 2'327'425.--, welche die Klägerin für entgangenen Dirnenlohn vom Unfalltag bis zu ihrem 45. Altersjahr verlangt, weil solcher
BGE 111 II 295 S. 297
Lohn rechtlich nicht ersatzfähig sei. Das Obergericht ist ebenfalls der Meinung, dass entgangene Einnahmen aus gewerbsmässiger Unzucht sich nicht als Schaden ausgeben liessen, der nach
Art. 46 Abs. 1 OR
zu ersetzen sei; das schliesse entgegen der Auffassung des Bezirksgerichts auch eine Entschädigung für Nachteile aus, die mit der Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens begründet würden. Die Klägerin bestreitet zu Recht nicht, dass die Dirnentätigkeit als solche zwar straflos ist (
BGE 101 Ia 475
E. 2,
BGE 99 Ia 507
E. 2), aber gegen die guten Sitten verstösst und dass Vereinbarungen mit Freiern deswegen nach
Art. 20 Abs. 1 OR
nichtig sind. Es geht nach ihrer Ansicht aber nicht an, die Unsittlichkeit des Dirnenvertrages auf die völlig anders geartete Obligation aus unerlaubter Handlung zu übertragen.
a) Das Obergericht stützt sich auf die im Schadenersatzrecht herrschende Lehre, wonach Gewinne aus unsittlichen wie aus widerrechtlichen Geschäften nicht zu ersetzen sind (OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, 4. Aufl. S. 57; VON TUHR/PETER, OR I S. 101; DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, S. 50; STAUFFER/SCHAETZLE, Barwerttafeln, 3. Aufl. S. 40). Das erhellt schon aus einem Entscheid des Bundesgerichts von 1894, wo in einem Markenrechtsstreit erklärt worden ist, die Rechtsordnung könne nicht zum Ersatz eines Schadens verhelfen, den der Kläger durch Entzug eines erhofften Gewinnes aus dem verbotenen Verkauf von Heilmitteln erlitten habe (BGE 20 S. 109). Von der Lehre angeführte Beispiele betreffen durchwegs auf diese Weise entgangene Gewinne und meist Geschäfte, die nicht nur unsittlich, sondern eigentlich verboten sind. Solche Verluste taugen zum vornherein nicht als Grundlage von Ersatzansprüchen gemäss
Art. 45 und 46 OR
. Fragen kann sich bloss, wie es sich mit den Ersatzansprüchen verhält, wenn der Geschädigte ihnen das Einkommen aus einer Tätigkeit zugrunde legt, die zwar als sittenwidrig oder verpönt, aber nicht als widerrechtlich gilt.
Dabei ist vorweg an die rechtliche Beurteilung des Konkubinats zu erinnern, mit dem sich Lehre und Rechtsprechung bereits näher befasst haben. Von allgemeiner Bedeutung ist insbesondere der Aufsatz von JACQUES DROIN (SJ 101/1979 S. 147 ff.) zu den Fragen, ob ein Schaden, der seine Quelle in einem unerlaubten oder unsittlichen Sachverhalt hat, Anlass zum Ersatz geben könne und ob das Konkubinat einen solchen Sachverhalt darstelle. Er lehnt es grundsätzlich ab, einen von der Rechtsordnung verpönten Sachverhalt haftungsrechtlich anzuerkennen; er hält das Konkubinat
BGE 111 II 295 S. 298
aber in der Regel nicht für widerrechtlich oder unsittlich und möchte auch beim ehebrecherischen Konkubinat die Frage eines Versorgerschadens von den Umständen des Einzelfalles abhängig machen (S. 155 und 163 f.).
Ob ein Konkubinat, abgesehen vom ehebrecherischen, das sogar widerrechtlich ist (
Art. 214 StGB
;
BGE 71 IV 46
und 52), den guten Sitten widerspricht, hat das Bundesgericht bisher nicht entschieden. Es hat jedoch klargemacht, dass ihm der Rechtsschutz nicht schlechthin verweigert werden dürfe und dass ein Partner namentlich dann, wenn es um die Liquidation der Gemeinschaft geht, sich nicht auf Sittenwidrigkeit oder Widerrechtlichkeit berufen kann (
BGE 109 II 230
E. 2b,
BGE 108 II 206
E. 3). Letztwillige Zuwendungen an einen ehebrecherischen Konkubinatspartner sodann sind nur sittenwidrig, wenn sie als pretium stupri dazu bestimmt sind, das ehebrecherische Verhalten zu fördern (
BGE 109 II 17
/18). Ein Konkubinat, das sich als dauerhaft erweist, kann ferner wie eine Wiederverheiratung zum Verlust einer Scheidungsrente führen (
BGE 109 II 190
ff. mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 109 III 101
f.). Nicht zu entscheiden hatte das Bundesgericht bisher, ob der eine Partner beim Tod des andern einen Versorgerschaden geltend machen kann (vgl. SCHNYDER, Strassenverkehrsrechts-Tagung 1982, Der Körperschaden, S. 17 f. mit Zitaten); die Frage stellt sich namentlich, wo eine tatsächliche Versorgerbeziehung besteht (vgl. OFTINGER, I S. 231; DESCHENAUX/TERCIER, S. 235/36). Schon diese Rechtsprechung zeigt, dass eine allfällige Sittenwidrigkeit oder gar Widerrechtlichkeit des Konkubinats nicht notwendig dazu führt, damit zusammenhängende Tatbestände mit entsprechenden Rechtsfolgen zu pönalisieren.
b) Dass die Unsittlichkeit des Dirnenvertrages auch Haftpflichtansprüche ausschliesse, die mit entgangenem Dirnenlohn begründet werden, lässt sich nicht mit dem Argument widerlegen, die Dirne erwerbe rechtmässiges Eigentum an den Zahlungen ihrer Freier. Dies ist nur die Folge von
Art. 66 OR
, der den Geber für seine unsittliche oder widerrechtliche Absicht massregeln und den Staat der Pflicht entheben will, ihm zur Rückgängigmachung der unsauberen Vermögensverschiebung beizustehen (
BGE 95 II 41
). Wie aus den Erwägungen zum Konkubinat erhellt, folgt daraus aber andererseits auch nicht, dass Tatbeständen, die mit unsittlichen Geschäften zusammenhängen oder sich daraus ergeben, jeder Rechtsschutz zu verweigern sei.
BGE 111 II 295 S. 299
Der Einwand sodann, das angefochtene Urteil führe dazu, eine bestimmte Gruppe von Schädigern zu bevorrechten und eine solche von Geschädigten zu benachteiligen, ist schon von der Vorinstanz zu Recht abgelehnt worden. Art. 46 stellt wie
Art. 45 OR
für die Ermittlung und Berechnung des Schadens auf die Person und die Verhältnisse des Geschädigten ab. Sein hohes Einkommen hat regelmässig eine höhere Belastung des Ersatzpflichtigen zur Folge, dem aber ebenso ein geringes Einkommen des Verletzten zugute kommt. Hat der Geschädigte kein oder kein ersatzfähiges Einkommen, so wird der Pflichtige zwangsläufig davon befreit, Schadenersatz zu leisten (vgl. dazu insbesondere je ein Urteil des Landgerichts und des Oberlandgerichts Hamburg, in Versicherungsrecht 28/1977 S. 85 und 87; ferner D. MEDICUS, Schadenersatz und Billigkeit, ebenda 32/1981, S. 598).
c) Was für die Schadensart des entgangenen Gewinns im allgemeinen gilt (
Art. 42 OR
), lässt sich nicht ohne weiteres auf Schaden infolge Tötung oder Verletzung von Personen übertragen. Nach
Art. 45 Abs. 3 OR
ist Ersatz zu leisten an Personen, die durch Tötung ihren Versorger verloren haben. Massgebend dafür ist nicht ein rechtliches Kriterium, sondern ob der Getötete den Ansprecher tatsächlich unterstützt hat oder ihn voraussichtlich unterstützt hätte (OFTINGER, I S. 231 ff.). Nichts erlaubt die Annahme, es sei jeweils abzuklären, auf welche Weise der Versorger sich die erforderlichen Mittel beschafft habe; es leuchtet insbesondere ein, dass dem Versorgungsanspruch eines Kindes nicht entgegengehalten werden kann, seine Mutter sei als Dirne einem unsittlichen Erwerb nachgegangen. Ein Anspruch des Zuhälters dagegen würde schon daran scheitern, dass er selbst rechtswidrig gehandelt hat.
Bei Schaden infolge Körperverletzung liegen die Dinge weniger eindeutig, weil ein Anspruch der Dirne selbst in Frage steht, die sich die Sittenwidrigkeit ihrer Erwerbstätigkeit entgegenhalten lassen muss. Dabei ist freilich auch hier von Bedeutung, dass
Art. 46 Abs. 1 OR
nicht im Sinne eines entgangenen Gewinns von Verdienstausfall oder dergleichen spricht, sondern daran anknüpft, dass die Körperverletzung die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt und sein wirtschaftliches Fortkommen erschwert (vgl.
BGE 99 II 216
E. 3a,
BGE 91 II 426
E. 3b). Grundsätzlich kommt es zudem auf die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit in dem Beruf an, den der Verletzte tatsächlich ausübt (
BGE 100 II 356
E. 5). In dieser Hinsicht steht vorliegend fest, dass die
BGE 111 II 295 S. 300
Klägerin seit 1961 als Dirne registriert ist und seit 1963 ausschliesslich von Prostitution gelebt hat.
d) Dass es sich bei der Prostitution um eine an sich zulässige Tätigkeit handelt, schliesst ihre Sittenwidrigkeit zwar nicht aus, verbietet aber im vornherein Vergleiche mit einer widerrechtlichen Tätigkeit, soweit es nicht um die Anwendung von
Art. 20 Abs. 1 OR
, sondern um die Beurteilung der Folgewirkungen geht. Die Ausübung der Prostitution gilt als wirtschaftliche Tätigkeit, die den Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit geniesst (
BGE 101 Ia 475
E. 2 mit Hinweisen). Die Dirne wird unbekümmert darum, wie ihre Erwerbstätigkeit vom moralischen Standpunkt aus zu bewerten ist, nach ihrem Einkommen und Vermögen besteuert, weil für die Steuerpflicht nur die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bestimmend ist; eine andere Betrachtungsweise würde unrechtmässige Gewinne privilegieren (
BGE 70 I 254
E. 1; BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts 3. Aufl. S. 146 f.). Dadurch unterscheidet das Einkommen der Dirne sich praktisch und rechtlich z.B. vom Diebeserlös, der nicht als rechtmässig erworben gilt und daher steuerlich auch nicht erfasst wird (REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, S. 7/8).
Die Steuerpflicht der Dirne lässt sich damit begründen, dass Prostituierte gegenüber anderen Erwerbstätigen nicht privilegiert werden dürfen. Die Pflicht hingegen, ihrem Einkommen entsprechende AHV- und IV-Beiträge zu bezahlen (
BGE 107 V 194
; BRATSCHI, Der Einkommensbegriff in der AHV, Diss. Bern 1952, S. 35 f.), kann sich nicht auf diese Überlegung stützen. Die Beiträge geben der Dirne Anspruch auf Rentenleistungen, die der Höhe nach von ihren Einzahlungen abhängen. Insoweit ist unerheblich, für welche Tätigkeit sie die Beiträge bezahlt hat. Wird der Einwand der Sittenwidrigkeit dagegen zugelassen, so könnte er dazu führen, dass die Sozialversicherungen ihrerseits die Regressansprüche aus unerlaubter Handlung verlieren (
Art. 48ter AHVG
,
Art. 52 IVG
).
Der Dirnenlohn ist nach der Rechtsprechung auch pfändbar. Eine Dirne, die sich über die Pfändung künftigen Lohnes hinwegsetzte, musste sich sagen lassen, dass nur ihre Vereinbarung mit dem Freier, sich ihm gegen Entgelt hinzugeben, nichtig sei. Für die Gültigkeit der Lohnpfändung sei das jedoch genau so unerheblich wie für die Pfändung von Trinkgeldeinnahmen oder freiwillig ausgerichteten Gratifikationen; es genüge, dass die der Dirne ausgerichteten Zahlungen von der Rechtsordnung als gültig anerkannt würden, was sich unter anderem aus
Art. 66 OR
ergebe
BGE 111 II 295 S. 301
(
BGE 91 IV 69
f.). Schliesslich ist zugunsten einer Dirne sogar die Unpfändbarkeit eines Personenwagens anerkannt worden, den sie zur Ausübung ihres Berufes benötigte. Dem Gläubiger wurde entgegengehalten, dass die Tätigkeit einer Dirne zwar als unsittlich gelte, aber straflos sei und der Ertrag aus ihrer Tätigkeit vom Staat als steuerbares und pfändbares Einkommen behandelt werde (unveröffentlichtes Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts i.S. Sch. vom 8. Mai 1979).
e) Alle diese Hinweise auf verwandte Sachverhalte werden vom Bezirksgericht und vom Obergericht zu Unrecht als irrelevant abgetan. Auch wenn die Prostitution durchaus sittenwidrig und eine Vereinbarung auf sexuelle Hingabe gegen Entgelt nichtig ist, geht es haftpflichtrechtlich (wie steuer- und betreibungsrechtlich) nicht darum, ob die Dirne ihren Lohn rechtlich eintreiben könnte; massgebend ist allein, dass dieser tatsächlich bezahlt wird und den Lebensunterhalt der Dirne sichert. Das Erwerbseinkommen, das sich daraus ergibt, ist rechtmässig und wird mannigfach - zum Nachteil und zum Vorteil der Dirne - rechtlich als solches erfasst. Warum es sich anders verhalten sollte, wenn die Dirne widerrechtlich verletzt und in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt wird, ist nicht einzusehen. Die Klägerin kann sich deshalb uneingeschränkt auf
Art. 46 Abs. 1 OR
berufen.
3.
Das Obergericht stellt gestützt auf zwei Gutachten fest, dass die Klägerin in den ersten vier Monaten nach dem Unfall ganz und während 20 weiteren Monaten zur Hälfte arbeitsunfähig gewesen, eine dauernde Verminderung ihrer Erwerbsfähigkeit dagegen zu verneinen sei.
Diese Feststellungen des Obergerichts über das Ausmass und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit sind tatsächlicher Natur und binden das Bundesgericht, da keine Ausnahme gemäss
Art. 63 Abs. 2 OG
vorliegt. Dass die Vorinstanz dabei Bundesrecht verletzt, insbesondere Rechtsbegriffe verkannt oder die Unfallfolgen nach unzutreffenden Gesichtspunkten ermittelt habe (
BGE 95 II 265
,
BGE 82 II 33
E. 6,
BGE 77 II 299
), wird mit der Berufung nicht geltend gemacht. Festzuhalten ist ferner, dass die Klägerin nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Zukunft ausschliesslich Verdienstausfall aus ihrer Dirnentätigkeit fordert.
4.
Die Klägerin will vor dem Unfall monatlich durchschnittlich Fr. 12'000.--, nachher aber nur noch Fr. 1'150.-- mit ihrer Dirnentätigkeit verdient haben. Die Vorinstanzen brauchten dazu nicht Stellung zu nehmen, weil sie den Dirnenlohn für nicht ersatzfähig
BGE 111 II 295 S. 302
hielten. Auch das Bezirksgericht, welches im Unterschied zum Obergericht eine Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens anerkannte, stellte dafür auf ein fiktives, in einem andern Beruf erzielbares Einkommen ab.
a) Da beide Vorinstanzen die Ersatzfähigkeit des Dirneneinkommens zu Unrecht verneint haben und das angefochtene Urteil deshalb aufzuheben ist, kann dahingestellt bleiben, ob auf der gegenteiligen Grundlage die Betrachtungsweise des Bezirksgerichts standgehalten hätte oder ob sich eine Schadensermittlung gestützt auf das in einem ehrbaren Beruf erzielbare Einkommen allenfalls anders begründen liesse, z.B. damit, dass ein Berufswechsel, der einem Geschädigten unter Umständen zur Schadensminderung zugemutet werden darf (
BGE 89 II 231
; OFTINGER, I S. 197 f.), ihm in Fällen wie dem vorliegenden mindestens hypothetisch zugute gehalten werden könnte, selbst wenn er, wie hier die Klägerin, einen solchen Wechsel gar nicht beabsichtigt.
Zum gleichen Ergebnis wie die Auffassung des Bezirksgerichts führt offenbar die massgebliche deutsche Rechtsprechung. Diese lehnte zwar wiederholt jeden Ersatzanspruch von Dirnen wegen Sittenwidrigkeit ab (so Landgericht und Oberlandgericht Hamburg in den hiervor angeführten Urteilen). Auch der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 6. Juli 1976 (abgedruckt in Versicherungsrecht 27/1976 S. 941 ff.) grundsätzlich gleich entschieden; er hat aber der Dirne, die bei einem Verkehrsunfall verletzt wurde, aus sozial-ethischen Überlegungen und in billiger Berücksichtigung der beiderseitigen Belange Ersatz in der Höhe eines existenzdeckenden Einkommens zugesprochen, das erfahrungsgemäss von einem gesunden Menschen auch in bescheidenen Verhältnissen zu erreichen sei. Diesem Urteil sind offenbar die Rechtsprechung und teils auch die Lehre gefolgt (Urteil des Oberlandesgerichts München in Versicherungsrecht 28/1977 S. 628; FILTHAUT, Haftpflichtgesetz, S. 233; WUSSOW, Ersatzansprüche bei Personenschaden, S. 12). Es ist wegen seiner Billigkeitserwägungen aber auch deutlich kritisiert worden (BORN, Entgangener Dirnenlohn als erstattungsfähiger Erwerbsschaden, in Versicherungsrecht 27/1976 S. 118 ff.).
Die Überlegungen des Bundesgerichtshofes und des Bezirksgerichts sprechen für die Absicht, der Dirne nicht ein übermässig hohes Einkommen, sondern nur ein übliches in einem ehrbaren Beruf zu ersetzen. Weil die Sittenwidrigkeit nicht wie beim Wucher im übersetzten Einzelerlös liegt, scheidet eine Herabsetzung, wie
BGE 111 II 295 S. 303
Art. 20 Abs. 2 OR
sie für Wucherzinse ermöglicht (BGE 96 I E. 3, 93 II 191 E. b), selbst in analoger Anwendung dieser Bestimmung aus. Denkbar wäre dagegen eine Kürzung gemäss
Art. 62 Abs. 2 SVG
; danach kann der Richter bei ungewöhnlich hohem Einkommen des Verletzten die Entschädigung unter Würdigung aller Umstände angemessen ermässigen. Das dürfte indes, wie die allgemeine Regel des
Art. 44 Abs. 2 OR
, wohl nur zum Schutz des Ersatzpflichtigen persönlich, nicht auch zugunsten seines Haftpflichtversicherers gelten (OFTINGER, I S. 273 und II S. 645; BUSSY/RUSCONI, Code suisse de la circulation routière, S. 350; SCHLEGEL/GIGER, Taschenausgabe SVG S. 213).
b) Wie es sich damit verhält, kann einstweilen jedoch offenbleiben. Dem angefochtenen Urteil sind keine Feststellungen über den tatsächlichen Verdienstausfall der Klägerin zu entnehmen. Dass die Klägerin ihre Ersatzforderung nicht einmal in einer Weise substantiiert habe, die eine Schätzung des Schadens erlauben würde, wie die Beklagte einwendet, trifft nicht zu; sie hat durchaus zureichend ein Nettoeinkommen von Fr. 600.-- im Tag oder Fr. 12'000.-- im Monat behauptet, das ihr infolge des Unfalls zuerst ganz und dann bis auf Fr. 1'150.-- im Monat entgangen sei. Eine andere Frage ist, ob sie ihre Behauptung auch beweisen kann. Die Klägerin beruft sich dafür auf einen Vortrag, den der Chef der Kriminalpolizei der Stadt Zürich im Herbst 1972 gehalten hat. Danach soll damals eine Zürcher Dirne im Alter von 18 bis 30 Jahren durchschnittlich etwa Fr. 1'000.-- im Tag und Fr. 20'000.-- im Monat verdient haben. Die Klägerin hat zudem weitere Beweise angeboten.
Das Obergericht wird - prozesskonforme Behauptungen und Beweisanträge vorbehalten - den Sachverhalt weiter abklären und allenfalls auch das Beweisverfahren ergänzen müssen, das sich aber nur noch auf die zwei Jahre nach dem Unfall beziehen kann. Es hat den Verdienstausfall der Klägerin so weit zu ermitteln, dass er wenn nicht bewiesen, so doch geschätzt werden kann. Dabei dürfen auch ihre Steuerverhältnisse berücksichtigt werden, zumal die Klägerin vor Obergericht behauptet hat, ihr Verdienst sei voll besteuert worden; ihre Steuererklärung für 1971 beschränkte sich aber auf Fr. 11'200.-- Reineinkommen und Fr. 15'000.-- Reinvermögen. Nachdem die Besteuerung des Dirnenverdienstes zugunsten ihres Haftpflichtanspruches angeführt worden ist, muss sie sich gefallen lassen, dass ihre entsprechenden Angaben zumindest als Indiz in die Beweiswürdigung einbezogen werden.
BGE 111 II 295 S. 304
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts (I. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 18. Juni 1984 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6712bc9c-8f6f-4092-b502-4f7f50788bf6 | Urteilskopf
104 Ia 251
40. Urteil vom 22. Februar 1978 i. S. X. gegen Kanton Basel-Stadt, Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt und Kanton Schwyz | Regeste
Art. 46 Abs. 2 BV
; Doppelbesteuerung.
Gewinn aus dem Verkauf von Aktien einer Gesellschaft, welche keine Immobiliengesellschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, sondern eine Betriebsgesellschaft darstellt (E. 3a).
Keine Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 251
BGE 104 Ia 251 S. 251
Der im Kanton Schwyz wohnhafte X. war Eigentümer von 150 der insgesamt 250 Aktien der Y. AG mit Sitz in Basel. Im November 1971 verkaufte er seine 150 Aktien an die Z. AG, Basel, welche schon Eigentümerin der restlichen 100 Aktien der Y. AG war. Die Steuerverwaltung Basel-Stadt teilte X. mit Vorbescheid vom 30. Dezember 1975 mit, der Kapitalgewinn aus dem Aktienverkauf sei im Kanton Basel-Stadt steuerbar. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie am 17. Februar 1976 ab. Gegen den Einspracheentscheid reichte X. Rekurs ein, der von der Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt am 28. Januar 1977 abgewiesen wurde.
X. führt beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde gestützt auf
Art. 46 Abs. 2 BV
mit dem Antrag, der Entscheid
BGE 104 Ia 251 S. 252
der Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt vom 28. Januar 1977 sei aufzuheben.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Der Kanton Schwyz, in dem X. wohnt, hat den Beschwerdeführer für den Gewinn aus dem Aktienverkauf nicht besteuert, da - wie in der Beschwerdeantwort ausgeführt wird - das Schwyzer Steuergesetz keine Besteuerung der Kapitalgewinne nicht buchführender Personen kenne. Es liegt somit kein Fall aktueller Doppelbesteuerung vor.
Art. 46 Abs. 2 BV
untersagt indes auch die sogenannte virtuelle Doppelbesteuerung. Eine solche ist dann gegeben, wenn ein Kanton in Verletzung der vom Bundesgericht aufgestellten Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, zu deren Erhebung aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen ein anderer Kanton zuständig wäre (
BGE 99 Ia 673
E. 2a,
BGE 98 Ia 90
und 216 E. 1,
BGE 91 I 282
E. 2 und 474 E. 3). Die vorliegende Beschwerde, die zum Zwecke hat, das Recht des Kantons Basel-Stadt auf Besteuerung des von X. erzielten Kapitalgewinnes überprüfen zu lassen, ist demnach zulässig.
2.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist der Gewinn aus einem Aktienverkauf dann als Liegenschaftsgewinn zu behandeln und dem Kanton der gelegenen Sache zur Besteuerung zuzuweisen, wenn es sich um Aktien einer Immobiliengesellschaft handelt und der Verkauf die Gesamtheit oder die überwiegende Mehrheit der Aktien einer solchen Gesellschaft betrifft (
BGE 99 Ia 464
,
BGE 98 Ia 92
E. 3,
BGE 91 I 471
,
BGE 85 I 91
ff. E. 2, 3). Die Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt war der Ansicht, diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt, weshalb der Kanton Basel-Stadt zur Besteuerung des Gewinns zuständig sei, den der Beschwerdeführer durch den Verkauf der 150 Aktien der Y. AG erzielt habe. Der Beschwerdeführer wirft der Steuerkommission eine Verletzung des
Art. 46 Abs. 2 BV
vor, weil sie zu Unrecht angenommen habe, der durch den Aktienverkauf erzielte Gewinn falle unter die Steuerhoheit des Kantons Basel-Stadt.
3.
Es stellt sich die Frage, ob die Y. AG eine Immobiliengesellschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
BGE 104 Ia 251 S. 253
sei. Das Bundesgericht kann diese Frage frei prüfen, da es sich hier um einen Doppelbesteuerungskonflikt handelt.
a) In dem in
BGE 85 I 91
ff. publizierten Entscheid, mit welchem die Rechtsprechung eingeleitet wurde, wonach der durch Verkauf sämtlicher oder der überwiegenden Mehrheit der Aktien einer Immobiliengesellschaft erzielte Gewinn der Steuerhoheit des Liegenschaftskantons untersteht, definierte das Bundesgericht die Immobiliengesellschaft als eine Gesellschaft, deren ausschliesslicher Zweck die Verwaltung und Nutzung einer Liegenschaft ist (
BGE 85 I 96
E. 2). Diese eng gefasste Begriffsumschreibung wurde in
BGE 99 Ia 466
etwas erweitert, indem das Bundesgericht ausführte, eine Immobiliengesellschaft liege dann vor, wenn der Zweck der Gesellschaft zur Hauptsache im Erwerb, in der Verwaltung und dem Wiederverkauf von Grundstücken bestehe. Ob eine Gesellschaft als Immobiliengesellschaft betrachtet werden kann, bestimmt sich somit in erster Linie nach dem Gesellschaftszweck. Besteht dieser ausschliesslich oder mindestens zur Hauptsache darin, Grundstücke, d.h. Liegenschaften, in das Grundbuch aufgenommene selbständige und dauernde Rechte, Bergwerke oder Miteigentumsanteile an Grundstücken (
Art. 655 ZGB
), zu erwerben, zu verwalten, zu nutzen und zu veräussern, so kann von einer Immobiliengesellschaft gesprochen werden. Bildet dagegen der Grundbesitz bloss die sachliche Grundlage für einen Fabrikations-, Handels- oder sonstigen Geschäftsbetrieb, so liegt keine Immobilien-, sondern eine Betriebsgesellschaft vor.
Der Zweck der hier in Frage stehenden Y. AG ist in den Statuten wie folgt umschrieben: "Errichtung und Betrieb von Tankanlagen für den Umschlag und die Einlagerung von Erdölprodukten, Vermietung von Tankraum und Lagerplätzen. Beteiligung an ähnlichen Unternehmungen". Wäre nur die Vermietung von Tankraum und Lagerplätzen genannt, so könnte wohl von einer Immobiliengesellschaft gesprochen werden. In den Statuten wird jedoch als erster Gesellschaftszweck die Errichtung und der Betrieb von Tankanlagen angeführt. Wie den Akten zu entnehmen ist, hatte die Einwohnergemeinde der Stadt Basel der Y. AG mit Vertrag vom 11. Mai 1948 an einem Grundstück im Rheinhafen ein Baurecht eingeräumt, das in das Grundbuch aufgenommen wurde. Nach diesem Vertrag war die Y. AG verpflichtet, auf dem ihr im Baurecht zur Verfügung gestellten Gelände Anlagen für die Lagerung und den Umschlag von flüssigen
BGE 104 Ia 251 S. 254
Brennstoffen zu erstellen und in Betrieb zu nehmen. Daraus ist ersichtlich, dass sie das Baurecht nicht in erster Linie erworben hat, um auf dem erwähnten Grundstück Gebäude zu errichten und diese zu vermieten, sondern vor allem deshalb, um auf dem betreffenden Areal ein Umschlags- und Lagergeschäft mit Bezug auf Erdölprodukte zu betreiben. Nach der letzten vor dem hier zur Diskussion stehenden Aktienverkauf abgeschlossenen Jahresrechnung der Y. AG per 31.12.1970 entfiel denn auch der grösste Teil des Rohertrages, nämlich Fr. 611'002.- von insgesamt Fr. 677'818.-, auf die Lager- und Umschlagsgebühren, also auf das für Umschlag, Wartung und Lagerung der Waren geleistete Entgelt, dagegen nur ein Betrag von Fr. 64'906.- auf den Mietertrag aus dem Lagergebäude. Entgegen der im angefochtenen Entscheid vertretenen Auffassung kann daher nicht gesagt werden, die Y. AG sei eine Gesellschaft, deren Tätigkeit zur Hauptsache in der Vermietung ihrer Immobilien und nur nebenbei im Umschlag und in der Einlagerung von Erdölprodukten bestehe. Es verhält sich vielmehr umgekehrt: das Umschlags- und Lagergeschäft steht im Vordergrund, während der Vermietung der Gebäude nur sekundäre Bedeutung zukommt. Auch wenn die Aktiven der Y. AG zu rund 90% aus Immobilien bestehen, kann somit nicht von einer Immobiliengesellschaft gesprochen werden, da der Grundbesitz im wesentlichen nur die sachliche Grundlage für den Betrieb des Umschlags- und Lagergeschäftes bildet. Die Y. AG stellt demnach keine Immobilien-, sondern eine Betriebsgesellschaft dar.
b) Auf Betriebsgesellschaften ist aber die in
BGE 85 I 91
ff. eingeleitete Rechtsprechung nicht anwendbar, es sei denn, dass aussergewöhnliche Verhältnisse ausnahmsweise auch die Besteuerung des Aktienüberganges von Betriebsgesellschaften zu rechtfertigen vermöchten (
BGE 99 Ia 469
). In diesem Sinne war in
BGE 91 I 467
ff. der Gewinn aus dem Verkauf sämtlicher Aktien einer Gesellschaft, die in der eigenen Liegenschaft ein Hotel betrieb, der Steuerhoheit des Liegenschaftskantons unterstellt worden, weil der Aktienkäufer von Anfang an entschlossen war, das bestehende Hotelgebäude abzubrechen und durch einen Neubau mit anderer Zweckbestimmung (Bankfiliale) zu ersetzen, weshalb der Hotelbetrieb auf den Preis der Aktien keinen oder doch nur einen untergeordneten Einfluss hatte, der Verkaufspreis somit ausschliesslich oder mindestens zur Hauptsache
BGE 104 Ia 251 S. 255
durch den Bodenwert bestimmt war. Ein solcher Ausnahmefall liegt jedoch hier nicht vor. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Z. AG beim Kauf der 150 Aktien der Y. AG beabsichtigt hätte, die Tankanlagen abzubrechen und das Baurecht der genannten Gesellschaft für andere Zwecke zu verwenden. Es ist daher anzunehmen, dass die Z. AG, die bereits Eigentümerin von 100 der insgesamt 250 Aktien der Y. AG war, die restlichen 150 Aktien erworben hat, um dadurch wirtschaftlich die Beherrschung des gesamten Lager- und Umschlagsunternehmens zu erlangen und diesen Betrieb weiterzuführen. Verhält es sich so, dann kann nicht gesagt werden, die Veräusserung der 150 Aktien an die Z. AG habe sich wirtschaftlich in der Übertragung der Verfügungsmacht über den Grundbesitz der Y. AG erschöpft, so dass der Preis der Aktien ausschliesslich oder wenigstens zur Hauptsache durch den Wert dieses Grundbesitzes bestimmt worden sei. Die Voraussetzungen, unter denen in
BGE 91 I 467
ff. eine Betriebsgesellschaft ausnahmsweise wie eine Immobiliengesellschaft behandelt worden ist, sind somit im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Ist demnach die Y. AG keine Immobiliengesellschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, so fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung dafür, dass der vom Beschwerdeführer durch den Aktienverkauf erzielte Gewinn steuerlich einem Liegenschaftsgewinn gleichgestellt werden dürfte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob es sich beim Verkauf von 150 der insgesamt 250 Aktien der Y. AG um die "überwiegende Mehrheit der Aktien" dieser Gesellschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (
BGE 103 Ia 159
ff.,
BGE 97 I 167
ff.) gehandelt habe. Die Steuerkommission des Kantons Basel-Stadt hat nach dem Gesagten zu Unrecht angenommen, der vom Beschwerdeführer durch den Aktienverkauf erzielte Gewinn falle unter die Steuerhoheit des Kantons Basel-Stadt. Die Beschwerde ist daher wegen Verletzung von
Art. 46 Abs. 2 BV
gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
671ce580-59c5-43f2-9348-017fe67164dc | Urteilskopf
137 I 167
18. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause Dame X. et X. contre Grand Conseil du canton de Genève (recours en matière de droit public)
2C_230/2010 du 12 avril 2011 | Regeste
Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 13 Abs. 1 und 2,
Art. 27 und 49 Abs. 1 BV
;
Art. 8 EMRK
; DSG; Gesetz des Kantons Genf vom 17. Dezember 2009 über die Prostitution; Rechtsgleichheit und Nichtdiskriminierung, Privatsphäre (Datenschutz) und Wohnsitz, Wirtschaftsfreiheit, Vorrang des Bundesrechts.
Darstellung und Konkurrenz der angerufenen verfassungsmässigen Rechte (E. 3).
Das gesetzliche Erfordernis, wonach der Betreiber eines Prostitutionsunternehmens oder einer Begleitagentur das vorgängige Einverständnis des Hauseigentümers erlangen muss, um dort seinen Betrieb führen zu können, verstösst gegen die Wirtschaftsfreiheit (E. 4). Verfassungskonforme Auslegung der dem Betreiber auferlegten Verpflichtung, jeglichen Verstoss gegen die öffentliche Ordnung zu verhindern bzw. zu vermeiden
(E. 6), der von den Behörden in den Betrieben durchgeführten Kontrollen (E. 7) und, unter dem Blickwinkel der gesetzlichen Grundlage sowie der Verhältnismässigkeit, des Umgangs mit den prostitutionsbezogenen Personendaten (E. 9). Verfassungsmässigkeit der dem Betreiber gemachten Verpflichtung, ein internes und laufend auf den neuesten Stand gebrachtes Verzeichnis der in seinem Unternehmen tätigen (männlichen oder weiblichen) Prostituierten und der anerbotenen Dienstleistungen zu führen (E. 5). Die der Prostitution eigenen Besonderheiten rechtfertigen Erfassungsmassnahmen und Meldepflichten, die nicht gegen die Verfassung verstossen (E. 8). | Sachverhalt
ab Seite 168
BGE 137 I 167 S. 168
A.
(...) Le Grand Conseil de la République et canton de Genève (ci-après: le Grand Conseil) a adopté la loi sur la prostitution le 17 décembre 2009 (LProst/GE; RSG I 2 49). A l'issue du délai référendaire, le Conseil d'Etat a promulgué la LProst/GE par arrêté du 10 février 2010. Publiée dans la Feuille d'avis officielle de la République et canton de Genève n° 275 du 15 février 2010, elle est entrée en vigueur le 1
er
mai 2010 et dispose notamment:
CHAPITRE I: DISPOSITON GENERALES
Article 1: Buts
La présente loi a pour buts:
a) de garantir, dans le milieu de la prostitution, que les conditions d'exercice de cette activité sont conformes à la législation, soit notamment qu'il n'est pas porté atteinte à la liberté d'action des personnes qui se prostituent, que celles-ci ne sont pas victimes de la traite d'êtres humains, de menaces, de violences, de pressions ou d'usure ou que l'on ne profite pas
BGE 137 I 167 S. 169
de leur détresse ou de leur dépendance pour les déterminer à se livrer à un acte sexuel ou d'ordre sexuel;
b) d'assurer la mise en oeuvre des mesures de prévention et promotion de la santé et de favoriser la réorientation professionnelle des personnes qui se prostituent, désireuses de changer d'activité;
c) de réglementer les lieux, heures et modalités de l'exercice de la prostitution, ainsi que de lutter contre les manifestations secondaires fâcheuses de celle-ci.
(...)
CHAPITRE II: RECENSEMENT
Article 4: Obligation d'annonce
1
Toute personne qui se prostitue est tenue de s'annoncer préalablement aux autorités compétentes. Elle doit être majeure.
2
Le Conseil d'Etat fixe les modalités de cette procédure qui est gratuite.
3
La législation en matière de protection de la personnalité et de protection des données est applicable.
4
La personne se prostituant obtient des informations circonstanciées lorsqu'elle s'annonce aux autorités compétentes. (...)
Article 5: Cessation d'activité
1
La personne qui cesse toute activité liée à la prostitution est tenue d'en informer les autorités compétentes.
2
Elle est alors soit considérée comme étant en fin d'activité, soit, en fonction de sa demande, radiée de tous les fichiers de police mentionnant son activité de prostitution, y compris celui des personnes se prostituant.
3
Pour le surplus, les demandes de renseignements, de rectification ou de radiation sont traitées conformément aux dispositions de la loi [genevoise] sur les renseignements et les dossiers de police et la délivrance des certificats de bonne vie et moeurs, du 29 septembre 1977. (...)
CHAPITRE IV: PROSTITUTION DE SALON
(...)
Article 9: Obligation d'annonce
1
Toute personne physique qui, en tant que locataire, sous-locataire, usufruitière, propriétaire ou copropriétaire, exploite un salon et met à disposition de tiers des locaux affectés à l'exercice de la prostitution doit s'annoncer, préalablement et par écrit, aux autorités compétentes en indiquant le nombre et l'identité des personnes qui y exercent la prostitution. (...)
3
La personne qui effectue l'annonce est considérée comme personne responsable au sens de la présente loi.
Article 10: Conditions personnelles
La personne responsable d'un salon doit remplir les conditions personnelles suivantes: (...)
BGE 137 I 167 S. 170
d) être au bénéfice de l'accord écrit du propriétaire ou des copropriétaires de l'immeuble pour y exploiter un salon; (...)
Article 11: Communications à l'autorité
La personne responsable d'un salon est tenue de communiquer immédiatement aux autorités compétentes tout changement des personnes exerçant la prostitution et toute modification des conditions personnelles intervenues depuis l'annonce initiale.
Article 12: Obligations du responsable
La personne responsable d'un salon a notamment pour obligations: (...)
a) de tenir constamment à jour un registre mentionnant l'identité, le domicile, le type d'autorisation de séjour et/ou de travail et sa validité, les dates d'arrivée et de départ des personnes exerçant la prostitution dans le salon, ainsi que les prestations qui leur sont fournies et les montants demandés en contrepartie; (...)
c) d'y empêcher toute atteinte à l'ordre public, notamment à la tranquillité, à la santé, à la salubrité et à la sécurité publiques. (...)
Article 13: Contrôles
1
Les autorités compétentes peuvent en tout temps, dans le cadre de leurs attributions respectives et au besoin par la contrainte, procéder au contrôle des salons et de l'identité des personnes qui s'y trouvent.
2
Ce droit d'inspection s'étend aux appartements ou aux locaux particuliers des personnes qui desservent ces salons ou qui y logent, lorsque ceux-ci sont à proximité du salon.
Article 14: Mesures et sanctions administratives
(Cette disposition instaure des mesures et sanctions administratives en cas de violation, notamment, des art. 9, 10, 11 et 12).
CHAPITRE V: PROSTITUTION D'ESCORTE
(...)
Article 16: Obligation d'annonce
1
Toute personne physique qui exploite une agence d'escorte est tenue de s'annoncer, préalablement et par écrit, aux autorités compétentes en indiquant le nombre et l'identité des personnes qui exercent la prostitution par son intermédiaire. (...)
Article 17: Conditions personnelles
La personne responsable d'une agence d'escorte doit remplir les conditions personnelles suivantes: (...)
d) être au bénéfice de l'accord écrit du propriétaire ou des copropriétaires de l'immeuble pour exploiter une agence d'escorte; l'autorité compétente peut toutefois renoncer à cette condition, notamment lorsque l'exploitant n'utilise pas de locaux professionnels ou commerciaux; (...)
BGE 137 I 167 S. 171
Article 18: Communication à l'autorité
La personne responsable d'une agence d'escorte est tenue de communiquer immédiatement aux autorités compétentes tout changement des personnes exerçant la prostitution par son intermédiaire et toute modification des conditions personnelles intervenues depuis l'annonce initiale.
Article 19: Obligations du responsable
La personne responsable de l'agence d'escorte a notamment pour obligations:
a) de tenir constamment à jour un registre mentionnant l'identité, le domicile, le type d'autorisation de séjour et/ou de travail et sa validité, et les dates d'arrivée et de départ des personnes exerçant la prostitution par l'intermédiaire de l'agence, ainsi que les prestations qui leur sont fournies et les montants demandés en contrepartie; (...)
c) d'empêcher toute atteinte à l'ordre public, notamment à la tranquillité, à la santé, à la salubrité et à la sécurité publiques. (...)
Article 20: Contrôles
Les autorités compétentes peuvent en tout temps, dans le cadre de leurs attributions respectives et au besoin par la contrainte, procéder au contrôle des agences d'escorte et de l'identité des personnes qui s'y trouvent. (...)
Article 21: Mesures et sanctions administratives
(Cette disposition instaure des mesures et sanctions administratives en cas de violation, notamment, des art. 16, 17, 18 et 19). (...)
Un règlement d'exécution de la loi sur la prostitution [RProst/GE; RSG I 2 49.01], adopté le 14 avril 2010 par le Conseil d'Etat genevois, complète la LProst/GE.
B.
Dame X., qui dit également se prostituer, exploite le salon érotique "A." à Genève et fournit des services et conseils personnels érotiques. Son mari, X., exploite une agence d'escorte à Genève.
Le 16 mars 2010, Dame X. et X. ont déposé un recours en matière de droit public au Tribunal fédéral à l'encontre de la loi genevoise sur la prostitution du 17 décembre 2009. Ils concluent, avec suite de frais et dépens, à l'annulation des
art. 5, 9 al. 1, 10 let
. c et d, 11, 12 let. a et c, 13, 16 al. 1, 17 let. c et d, 18, 19 let. a et c, et 20 LProst/GE. Ils se plaignent en particulier d'une violation des art. 8, 13, 27 et 49 Cst., ainsi que de l'
art. 8 CEDH
et des art. 13 et 39 de la Constitution de la République et canton de Genève du 24 mai 1847 (Cst./GE; RSG A 2 00). (...)
Le Tribunal fédéral a partiellement admis le recours en matière de droit public, dans la mesure où il était recevable, et a annulé les
art. 10 let
. d et 17 let. d de la loi querellée.
(extrait)
BGE 137 I 167 S. 172
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
A l'appui de leur recours dirigé contre diverses dispositions de la LProst/GE, les recourants invoquent en particulier la liberté économique, la protection de la sphère privée, la primauté du droit fédéral et les principes de l'égalité de traitement et de non-discrimination.
3.1
Invocable tant par les personnes physiques que morales, la liberté économique (
art. 27 Cst.
) protège toute activité économique privée, exercée à titre professionnel et tendant à la production d'un gain ou d'un revenu (
ATF 135 I 130
consid. 4.2 p. 135;
ATF 128 I 19
consid. 4c/aa p. 29). Elle protège les personnes exerçant la prostitution ainsi que l'exploitation d'établissements permettant son exercice (
ATF 111 II 295
consid. 2d p. 300;
ATF 101 Ia 473
consid. 2b p. 476; arrêts 4A_429/2010 du 6 octobre 2010 consid. 2.2; 2C_82/2010 du 6 mai 2010 consid. 4). Seuls peuvent être réprimés certains excès et manifestations secondaires de cette activité lucrative (en particulier:
art. 199 CP
; cf.
art. 1 let
. c LProst/GE); partant, une loi ne saurait poursuivre le but d'éradiquer ou de limiter la prostitution en tant que telle (cf.
ATF 101 Ia 473
consid. 2a p. 475 s.; arrêt 2C_905/2008 du 10 février 2009 consid. 7.3; ANTONELLA CEREGHETTI ZWAHLEN, Prostitution: quelle réglementation, Plaidoyer 2002 4 p. 56 ss, 60).
3.2
Le droit au respect de la sphère privée au sens de l'
art. 13 al. 1 Cst.
, dont le champ d'application matériel concorde largement avec celui de l'
art. 8 CEDH
, garantit notamment le droit de toute personne au respect de sa vie privée et familiale; il protège l'identité, les relations sociales et les comportements intimes de chaque personne physique, l'honneur et la réputation (
ATF 135 I 198
consid. 3.1 p. 207;
ATF 126 II 377
consid. 7 p. 395). L'
art. 13 al. 2 Cst.
détaille l'une des composantes de ce droit (
ATF 128 II 259
consid. 3.2 p. 268); il prémunit l'individu contre l'emploi abusif de données qui le concernent et qui ne sont pas accessibles au public, en particulier les informations relatives à des procédures judiciaires qui porteraient atteinte à sa considération sociale (
ATF 135 I 198
consid. 3.1 p. 207).
La collecte, la conservation et le traitement de données signalétiques par la police affectent la sphère privée au sens de l'
art. 13 al. 2 Cst.
(
ATF 136 I 87
consid. 5.1 p. 101;
ATF 128 II 259
consid. 3.2 p. 268; arrêt 1D_17/2007 du 2 juillet 2008 consid. 4.1). En principe, l'atteinte persiste à tout le moins aussi longtemps que les données signalétiques demeurent accessibles aux agents de police ou qu'elles
BGE 137 I 167 S. 173
peuvent être prises en considération, voire transmises, dans le cadre de demandes de renseignements présentées par des autorités (
ATF 126 I 7
consid. 2a p. 10). Une atteinte à l'
art. 13 al. 2 Cst.
existe a fortiori en cas d'établissement et de traitement de fichiers de police concernant des données personnelles des prostitué(e)s et des tenanciers de salons et d'agences (cf.
ATF 128 II 259
consid. 3.2 p. 268;
ATF 120 Ia 147
consid. 2a p. 149 s.; arrêt 2P.165/2004 du 31 mars 2005 consid. 7.2; arrêts de la CourEDH 30562/04
S. et Marper contre Royaume-Uni
[GC] du 4 décembre 2008, destiné à la publication, §§ 67 et 84 ss;
Amann contre Suisse
[GC] du 16 février 2000,
Recueil CourEDH 2000-II p. 201
§ 69; cf. BRIGITTE HÜRLIMANN, Prostitution - ihre Regelung im schweizerischen Recht und die Frage der Sittenwidrigkeit, 2004, p. 45).
Les garanties de l'
art. 13 al. 2 Cst.
sont concrétisées par la législation applicable en matière de protection des données (cf.
ATF 131 II 413
consid. 2.6 p. 419; art. 1 de la loi fédérale du 19 juin 1992 sur la protection des données [LPD; RS 235.1]; FF 2002 1915, 1962), étant précisé que l'
art. 37 al. 1 LPD
établit un standard minimum de protection des données que les cantons et les communes doivent garantir lorsqu'ils exécutent le droit fédéral (cf. PHILIPPE MEIER, Protection des données, 2011, p. 145 n. 273). La législation fédérale et cantonale topique sauvegarde le respect des données dites "sensibles" avec un soin particulier. Il s'agit notamment des données personnelles sur la santé ou la sphère intime, tout comme les profils de personnalité (
art. 3 let
. c et d LPD; art. 4 let. b et c de la loi genevoise du 5 octobre 2001 sur l'information du public, l'accès aux documents et la protection des données personnelles [LIPAD/GE; RSG A 2 08]; cf.
ATF 129 I 232
consid. 4.3.1. p. 245 s.; FF 2002 1915, 1953). Les contours du traitement de telles données doivent être délimités clairement par une loi au sens formel (
art. 17 al. 2 LPD
et 35 al. 1 LIPAD/GE; Message du 23 mars 1988 concernant la protection des données, FF 1988 II 421, 474 ad art. 14).
L'exigence d'une base légale découle aussi de la jurisprudence de la Cour européenne des droits de l'homme en relation avec l'
art. 8 CEDH
. Par rapport aux conditions et modalités de traitement des informations personnelles, la Cour a retenu qu'il était "essentiel de fixer des règles claires et détaillées régissant la portée et l'application des mesures et imposant un minimum d'exigences concernant, notamment, la durée, le stockage, l'utilisation, l'accès des tiers, les procédures destinées à préserver l'intégrité et la confidentialité des
BGE 137 I 167 S. 174
données et les procédures de destruction de celles-ci" (arrêt de la CourEDH
S. et Marper contre Royaume-Uni
[GC], précité, §§ 98 s.). Des garanties appropriées doivent ainsi empêcher les abus dans le traitement des données à caractère personnel, en particulier en cas de traitement automatique et a fortiori quand ces données sont utilisées à des fins policières (arrêt de la CourEDH 22115/06
M.B. contre France
du 17 février 2009, § 53).
3.3
Le respect du domicile garanti par l'
art. 13 al. 1 Cst.
tend, entre autres aspects, à protéger les individus contre les ingérences arbitraires que peut commettre l'État lors de perquisitions ou de visites domiciliaires ou lors d'autres mesures de surveillance du domicile. Peuvent, dans certaines circonstances, bénéficier de la protection du domicile des locaux dédiés à un usage professionnel ou commercial, auquel cas l'intérêt public permet de justifier plus facilement une ingérence des autorités, par exemple pour contrôler le respect de certaines normes sanitaires ou de droit du travail. Enfin, la protection de l'
art. 13 al. 1 Cst.
ne dépend pas du rapport juridique qui fonde l'existence d'un domicile; il est indifférent de savoir si celui qui invoque le droit à la protection du domicile est propriétaire ou seulement locataire de l'espace qu'il occupe (arrêts 2P.272/2006 du 24 mai 2007 consid. 5.1; 1P.134/2000 du 29 septembre 2000 consid. 5a).
3.4
L'
art. 49 al. 1 Cst.
consacre le principe de la primauté du droit fédéral. Celui-ci fait obstacle à l'adoption ou à l'application de règles cantonales qui éludent des prescriptions de droit fédéral ou qui en contredisent le sens ou l'esprit, notamment par leur but ou par les moyens qu'elles mettent en oeuvre, ou qui empiètent sur des matières que le législateur fédéral a réglementées de façon exhaustive (
ATF 135 I 106
consid. 2.1 p. 108). Cependant, même si la législation fédérale est considérée comme exhaustive dans un domaine donné, une loi cantonale peut subsister dans le même domaine si elle poursuit un autre but que celui recherché par le droit fédéral. Par ailleurs, dans la mesure où une loi cantonale renforce l'efficacité de la réglementation fédérale, le principe de la force dérogatoire n'est pas violé (
ATF 133 I 110
consid. 4.1 p. 116). En outre, même si, en raison du caractère exhaustif de la législation fédérale, le canton ne peut plus légiférer dans une matière, il n'est pas toujours privé de toute possibilité d'action. Ce n'est que lorsque la législation fédérale exclut toute réglementation dans un domaine particulier que
BGE 137 I 167 S. 175
le canton perd toute compétence pour adopter des dispositions complétives, quand bien même celles-ci ne contrediraient pas le droit fédéral ou seraient même en accord avec celui-ci (
ATF 133 I 110
consid. 4.1 p. 116, confirmé par les arrêts 2C_659/2009 du 24 juillet 2010 consid. 6.3 et 2C_312/2009 du 5 octobre 2009 consid. 4.1).
3.5
Un arrêté de portée générale viole le principe de l'égalité dans la loi garantie par l'
art. 8 Cst.
lorsqu'il établit des distinctions juridiques qui ne se justifient par aucun motif raisonnable au regard de la situation de fait à réglementer ou lorsqu'il omet de faire des distinctions qui s'imposent au vu des circonstances, c'est-à-dire lorsque ce qui est semblable n'est pas traité de manière identique et lorsque ce qui est dissemblable ne l'est pas de manière différente. Il faut que le traitement différent ou semblable injustifié se rapporte à une situation de fait importante (
ATF 136 II 120
consid. 3.3.2 p. 127;
ATF 130 V 18
consid. 5.2 p. 31). La question de savoir s'il existe un motif raisonnable pour une distinction peut recevoir des réponses différentes suivant les époques et les idées dominantes. Le législateur dispose d'un large pouvoir d'appréciation dans le cadre de ces principes (
ATF 136 I 1
consid. 4.1 p. 5 s.;
ATF 127 I 185
consid. 5 p. 192).
3.6
Conformément à l'
art. 36 Cst.
, toute restriction d'un droit fondamental doit reposer sur une base légale qui doit être de rang législatif en cas de restriction grave (al. 1); elle doit en outre être justifiée par un intérêt public ou par la protection d'un droit fondamental d'autrui (al. 2) et, selon le principe de la proportionnalité, se limiter à ce qui est nécessaire et adéquat à la réalisation des buts d'intérêt public poursuivis (al. 3), sans violer l'essence du droit en question (al. 4).
Sous l'angle de l'intérêt public, et en rapport avec l'exercice de la prostitution, sont autorisées les mesures de police ou de politique sociale, de même que les mesures dictées par la réalisation d'autres intérêts publics, à l'exclusion notamment des mesures de politique économique (
ATF 131 I 223
consid. 4.2 p. 231 s.; arrêts 2C_147/2009 du 4 mai 2009 consid. 6.2; 2C_357/2008 du 25 août 2008 consid. 4.1).
Pour être conforme au principe de la proportionnalité (
art. 36 al. 3 Cst.
), une restriction d'un droit fondamental doit être apte à atteindre le but visé, lequel ne peut pas être obtenu par une mesure moins incisive; il faut en outre qu'il existe un rapport raisonnable entre les effets de la mesure sur la situation de la personne visée et le
BGE 137 I 167 S. 176
résultat escompté du point de vue de l'intérêt public (
ATF 136 I 197
consid. 4.4.4 p. 205;
ATF 134 I 214
consid. 5.7 p. 218).
3.7
Lorsqu'un état de fait appréhendé par un acte étatique tombe simultanément dans la sphère de protection de plusieurs droits fondamentaux, il y a concours ("echte Grundrechtskonkurrenz"), pour autant que les droits concernés ne se trouvent pas dans un rapport de subsidiarité ni de spécialité les uns envers les autres, auquel cas il y a concours improprement dit ("unechte Grundrechtskonkurrenz") (cf. notamment: KLEY/VOGT, Das Problem der Grundrechtskonkurrenzen, ius.full, 2008 p. 132 ss, 134 et 137 ss; JÖRG PAUL MÜLLER, Allgemeine Bemerkungen zu den Grundrechten, in Droit constitutionnel suisse, Thürer/Aubert/Müller [éd.], 2001, p. 630 s.).
En cas de concours des droits fondamentaux au sens propre, doctrine et jurisprudence récentes admettent un examen cumulatif des différents griefs portant sur un même état de fait, ce qui n'empêche toutefois pas cet examen de se dérouler autour de la liberté considérée comme la plus centrale pour la solution du cas. Ce cumul s'explique notamment en raison de l'absence de hiérarchie entre les droits fondamentaux ancrés dans la Constitution fédérale, ainsi que de leurs champs de protection distincts ou complémentaires (cf. AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, vol. II, 2
e
éd. 2006, p. 123 s.; MICHEL HOTTELIER, Grundrechtskonkurrenzen und Grundrechtskollisionen, in Handbuch der Grundrechte, Merten/Papier [éd.], vol. VII/2, Heidelberg 2007/09, p. 121 ss, 132 s. n. 27 s.; cf., par exemple:
ATF 132 I 256
;
ATF 128 I 295
). Devant le Tribunal fédéral, la possibilité de procéder à un examen cumulatif des griefs demeure toutefois conditionnée à l'exigence que, à peine d'irrecevabilité, le recourant motive suffisamment en quoi les droits fondamentaux dont il se prévaut sont applicables et seraient violés (cf.
art. 106 al. 2 LTF
;
ATF 133 II 249
consid. 1.4.2 p. 254).
4.
Les
art. 10 let
. d et 17 let. d LProst/GE soumettent le droit du responsable d'exploiter un salon ou une agence d'escorte à la preuve qu'il se trouve au bénéfice de l'accord écrit du propriétaire de l'immeuble destiné à abriter ce commerce. D'après les recourants, cette obligation représente une atteinte à la liberté économique qui ne se justifie par aucun intérêt public et est disproportionnée; en outre, elle viole la primauté du droit fédéral.
4.1
En tant qu'elles font dépendre l'autorisation d'exploiter un établissement de l'accord des propriétaires d'immeubles et que le
BGE 137 I 167 S. 177
non-respect de cette obligation peut être suivi de mesures et de sanctions administratives, y compris d'amendes (art. 14, 21 et 25 LProst/GE), les dispositions querellées portent atteinte à la liberté économique (
art. 27 Cst.
) des tenanciers de salons et d'agences.
4.2
Sous l'angle du principe de la proportionnalité, force est de constater que les autorités administratives cantonales disposent d'un arsenal législatif suffisant, en particulier la loi genevoise du 25 janvier 1996 sur les démolitions, transformations et rénovations de maisons d'habitation (...) (cf. art. 7 et 44 LDTR/GE; RSG L 5 20), pour sanctionner les réaffectations commerciales de logements d'habitation. Il n'est donc pas nécessaire de confier indirectement à des particuliers la tâche (d'ordre public) d'empêcher de telles réaffectations à travers leur refus, notamment par conviction morale, de louer des locaux à des personnes désireuses d'y ouvrir un salon ou une agence d'escorte. La possibilité pour l'autorité compétente de renoncer à l'accord du propriétaire concernant certaines agences d'escorte (
art. 17 let
. d LProst/GE) ne modifie en rien ce constat de principe. En tant que l'obligation d'accord écrit cherche à protéger les propriétaires contre les sanctions et mesures administratives susceptibles de découler d'une réaffectation d'un local loué, la LDTR/GE offre assez de moyens de défense et d'intervention.
Le propriétaire dispose pour sa part de moyens de droit privé. Ainsi, l'
art. 257f CO
autorise le bailleur à notifier un congé extraordinaire du bail à loyer dans tous les cas où le locataire use de la chose en violation des stipulations du contrat, y compris s'il la transforme en salon de prostitution (
ATF 132 III 109
consid. 5 p. 113 s.; arrêt 4A_429/2010 du 6 octobre 2010 consid. 2.2). Il peut, en outre, notifier un congé ordinaire, pour autant que celui-ci ne contrevienne pas aux règles de la bonne foi (
art. 271 al. 1 CO
; cf. arrêt 4A_631/2010 du 4 février 2011 consid. 2.6).
Par ailleurs, cette obligation d'accord peut, tel que cela avait été débattu durant les travaux préparatoires, conduire à des effets inverses à ceux visés par la loi. Certaines personnes se prostituant risquent en effet, pour ne pas se retrouver à la rue et pour continuer à exercer leur profession, de faire appel à un proxénète afin qu'il mette des locaux à leur disposition (cf.
mutatis mutandis
, VALENTIN LANDMANN, Halbwelt als Markt und Quartierverträglichkeit - wie beeinflusst man das Rotlichtmilieu sinnvoll-, in Rotlichtmilieu und Quartierverträglichkeit, 2008, p. 31 ss, 35). Il pourrait aussi arriver qu'un
BGE 137 I 167 S. 178
propriétaire-bailleur peu scrupuleux conditionne son accord écrit au paiement de loyers usuriers.
En outre, il ne se justifie pas de transposer au domaine de la prostitution l'obligation d'obtenir l'accord du propriétaire, comme le prévoit l'
art. 5 al. 1 let
. g de la loi genevoise du 17 décembre 1987 sur la restauration, le débit de boissons et l'hébergement (LRDBH/GE; RSG I 2 21). De façon générale et tout en laissant ouverte la question de savoir si l'obligation instaurée par la LRDBH/GE est elle-même conforme à la liberté économique, la différence notable de nature qui existe entre les locaux utilisés à des fins de prostitution et les établissements publics débitant mets et boissons rend toute comparaison vide de sens (cf. arrêt 2P.165/2004 du 31 mars 2005 consid. 3.2). Etant donné, notamment, la perception souvent négative que le public entretient au sujet de la prostitution (cf.
ATF 101 Ia 473
consid. 2b p. 476), ainsi que la vulnérabilité des prostitué(e)s, que la LProst/GE cherche précisément à atténuer, cette obligation risque d'empêcher,
de facto
, l'exploitation d'un salon ou d'une agence et de précariser la situation des prostitué(e)s en les renvoyant dans la rue ou, comme déjà indiqué, vers des proxénètes ou bailleurs usuriers.
4.3
Il découle de ce qui précède que l'application des
art. 10 let
. d et 17 let. d LProst/GE constitue une atteinte disproportionnée au libre exercice de la prostitution qui serait entravée en tant qu'activité commerciale particulière. De plus, ces dispositions ne se prêtent pas à une interprétation conforme à la Constitution, puisque l'accord écrit du propriétaire est obligatoire et que déjà la simple information préalable du propriétaire au sujet de l'activité envisagée est susceptible de conduire au refus de conclure un contrat de bail à loyer. Partant, ces deux dispositions doivent être annulées. Il est ainsi inutile de les examiner sous l'angle de la primauté du droit fédéral (
art. 49 Cst.
).
5.
Les art. 12 let. a in fine et 19 let. a in fine LProst/GE obligent le responsable d'un salon ou d'une agence d'escorte de tenir à jour un registre mentionnant les prestations fournies aux personnes qui exercent la prostitution et les montants demandés en contrepartie. Selon les recourants, cette obligation contredit l'
art. 19 CO
sous l'angle de la primauté du droit fédéral (consid. 5.1) et porte atteinte à la liberté contractuelle (consid. 5.2).
5.1
S'agissant de l'autonomie contractuelle ancrée à l'
art. 19 CO
, ce grief doit être écarté puisqu'il est constant que les mesures
BGE 137 I 167 S. 179
cantonales poursuivent un intérêt public légitime, au sens de l'
art. 6 CC
, en particulier la protection des prostitué(e)s contre l'exploitation et l'usure, et que le contrôle postérieur des accords qui est effectué ne nuit pas à l'autonomie des cocontractants, laquelle doit, en droit privé également, s'exercer dans les limites de la loi (cf.
art. 19 ss CO
).
5.2
S'agissant du grief tiré de la violation de la liberté contractuelle, il est douteux qu'il satisfasse aux exigences de motivation de l'
art. 106 al. 2 LTF
; quoi qu'il en soit, il doit être déclaré mal fondé. En effet, l'obligation légale en cause ne revient à soumettre le contrat passé entre le salon ou l'agence d'escorte et la personne exerçant la prostitution ni à un contrôle préventif ni à un contrôle détaillé entravant de façon disproportionnée la liberté économique des cocontractants, qui englobe la liberté contractuelle (
ATF 131 I 333
consid. 4 p. 339;
ATF 102 Ia 533
consid. 10a p. 542).
5.3
Il faut ajouter que, face au risque d'un retour du proxénétisme au vu du nombre croissant de personnes se prostituant à Genève, et face au constat, exprimé dans les travaux préparatoires, d'une inflation des loyers journaliers pour certains locaux de prostitution, les art. 12 let. a in fine et 19 let. a in fine LProst/GE poursuivent le but d'intérêt public d'améliorer les possibilités de contrôle par les autorités des conditions d'exploitation des salons et des agences d'escorte. L'objectif est ainsi de décourager et de sanctionner les cas d'exploitation ou d'usure aux dépens des prostitué(e)s (cf. art. 1 let. a et c LProst/GE). Il sied de rappeler qu'une clause contractuelle qui serait susceptible d'être interprétée comme un rapport de travail entre une personne se prostituant et un responsable de salon ou d'agence d'escorte serait punissable en application de l'
art. 195 al. 3 CP
(cf.
ATF 129 IV 71
consid. 1.4 p. 77; arrêt 6S.17/2004 du 22 juillet 2004 consid. 3.3.1, in RtiD 2005 I 147). De plus, l'obligation prévue aux art. 12 let. a et 19 let. a LProst/GE est non seulement apte à contribuer à la réalisation des objectifs précités, dès lors que le registre des prestations peut fournir des indices d'usure ou d'exploitation des prostitué(e)s. En outre, on ne voit pas quelle mesure moins incisive permettrait aux autorités de vérifier les conditions contractuelles essentielles à la prostitution dans ces établissements. En tant qu'il concerne les art. 12 let. a et 19 let. a LProst/GE, le recours doit être rejeté dans la mesure de sa recevabilité.
6.
Aux termes des
art. 12 let
. c et 19 let. c LProst/GE, le responsable d'un salon ou d'une agence est tenu "d'y empêcher toute atteinte à l'ordre public, notamment à la tranquillité, à la santé, à la salubrité
BGE 137 I 167 S. 180
et à la sécurité publiques". Les recourants font valoir que cette obligation empiète sur le droit privé du voisinage et viole ainsi la primauté du droit fédéral (consid. 6.1). En outre, cette obligation serait irréalisable et constituerait une entrave disproportionnée à leur liberté économique (consid. 6.2).
6.1
Le grief selon lequel l'obligation faite aux tenanciers des établissements de prostitution d'empêcher toute atteinte à l'ordre public, en particulier à la tranquillité publique (
art. 12 let
. c et 19 let. c LProst/GE), empièterait sur le droit du voisinage découlant du Code civil suisse (cf.
art. 684 CC
), est infondé. Ayant fait usage de la réserve de droit public cantonal prévue à l'
art. 6 al. 1 CC
, la LProst/GE entend en effet protéger la tranquillité et l'ordre publics en général, soit un intérêt différent (cf. arrêt 1P.137/2003 du 20 juin 2003 consid. 3.2) de celui constitué par les intérêts particuliers des voisins, lesquels disposent, en vertu du droit privé fédéral, de moyens de défense propres à faire cesser les désagréments excessifs. Au demeurant, on comprend mal que des dispositions de droit public cantonal visant à maintenir la sécurité et la tranquillité publiques puissent empiéter sur le droit fédéral en matière de voisinage.
6.2
Pour ce qui est du grief de la violation de la liberté économique, il ressort des travaux préparatoires que l'obligation en cause vise, d'une part, à mieux protéger la santé des personnes exerçant la prostitution et de leurs clients et, d'autre part, à limiter au maximum les nuisances dues à l'exploitation des salons. A teneur de son libellé même, elle répond à un intérêt public prépondérant, à savoir le maintien de l'ordre public.
S'agissant de la proportionnalité, il convient d'interpréter le terme "empêcher" des
art. 12 let
. c et 19 let. c LProst/GE à l'aune de la maxime qu'à l'impossible nul n'est ni ne peut être tenu (cf.
ATF 130 IV 121
consid. 1.8.2 p. 127 s.;
ATF 99 IV 36
consid. 2c p. 40). Les dispositions susnommées doivent s'appliquer de manière à ne pas pénaliser le tenancier d'un salon ou d'une agence d'escorte pour des faits échappant à tout contrôle de sa part. Les mémoires des intimés et les travaux préparatoires démontrent du reste que le législateur cantonal n'a, en adoptant la LProst/GE, pas voulu imposer d'obligations inexécutables aux tenanciers. Dans sa réponse, le Grand Conseil a ainsi concédé que l'obligation "s'appliquera rarement aux agences d'escorte", du fait que l'activité érotique a lieu hors de leurs locaux, et a précisé que les exploitants de salons devront prévenir les atteintes "dans la mesure où cela dépend d'eux". En cas d'impossibilité
BGE 137 I 167 S. 181
d'exercer un contrôle décisif sur une situation à risque, l'obligation mise à charge des tenanciers se transformera ainsi en une obligation de moyens exigeant d'eux qu'ils déploient des efforts soutenus et sérieux. Il leur appartiendra de choisir les mesures adéquates visant à prévenir ou à faire cesser toute atteinte à l'ordre public, de même que de sensibiliser, d'aider ou d'obliger contractuellement une personne se prostituant et ses clients à prendre les dispositions de sécurité idoines, notamment pour éviter la diffusion d'infections sexuellement transmissibles (cf. arrêts 2C_627/2009 du 23 février 2010 consid. 2.4.2 s.; 2C_42/2009 du 27 mars 2009 consid. 4.3.3).
Les articles querellés étant partant accessibles à une interprétation conforme à la Constitution, ils ne violent pas la liberté économique dans la mesure où ils exigent que les responsables d'un salon ou d'une agence d'escorte s'organisent de manière à ce que la législation et l'ordre public soient respectés (cf. arrêts 2C_905/2008 du 10 février 2009 consid. 5.3.2; 2C_357/2008 du 25 août 2008 consid. 3.2). Par conséquent, le grief doit être écarté.
7.
En vertu des art. 13 et 20 LProst/GE, "(l)es autorités compétentes peuvent en tout temps, dans le cadre de leurs attributions respectives et au besoin par la contrainte, procéder au contrôle des salons [respectivement des agences d'escorte] et de l'identité des personnes qui s'y trouvent". Les art. 2 al. 1 let. a, 4 al. 1 let. a et al. 3, 11 et 14 RProst/GE précisent que ces contrôles peuvent être effectués par la police cantonale, par les services en charge de l'hygiène, notamment la direction générale de la santé, ainsi que par le médecin cantonal.
7.1
Les recourants estiment que le droit des autorités d'effectuer des contrôles inopinés dans les locaux des salons et agences d'escorte porte atteinte à l'inviolabilité du domicile garantie par les
art. 13 al. 1 Cst.
, 13 et 30 à 33 Cst./GE (consid. 7.2). Pouvant, contrairement à ce qu'affirme le Conseil d'Etat, virtuellement se trouver dans la situation de clients d'un établissement érotique et donc se prévaloir d'un tel argument, les recourants se plaignent en outre d'une violation de la sphère intime des clients à la recherche d'anonymat (
art. 13 al. 1 Cst.
), compte tenu de la possibilité qui est donnée à la police de pénétrer dans les salons et agences pour y contrôler à tout moment l'identité des personnes qui s'y trouvent (consid. 7.3). Par ailleurs, les recourants invoquent une "atteinte, par ricochet, et indirectement à la liberté économique de la personne qui exploite le salon et l'agence d'escorte", dès lors que le risque d'être soumise à
BGE 137 I 167 S. 182
des contrôles d'identité inciterait la clientèle à déserter ces établissements et conduirait à une perte du chiffre d'affaires (consid. 7.4). Enfin, ils soutiennent que les contrôles entrent en collision, de sorte à violer l'
art. 49 Cst.
, avec ceux qui sont autorisés par la législation fédérale exhaustive sur les étrangers et le travail au noir (consid. 7.5).
7.2
7.2.1
Contrairement à ce qu'affirment les recourants, l'
art. 13 Cst./GE
garantissant l'inviolabilité du domicile n'offre pas, dans la situation envisagée, une protection plus étendue que l'
art. 13 al. 1 Cst.
s'agissant du droit des autorités de pénétrer dans des domiciles privés pour y effectuer des contrôles d'identité ou autres. L'
art. 39 Cst./GE
confie au législateur cantonal le soin de réglementer ce qui est relatif aux visites domiciliaires nécessaires à la sauvegarde de la santé et de la salubrité publiques (let. a) et au contrôle d'identité (let. d). C'est ce que régissent la LProst/GE et son règlement d'application. Quant aux art. 30 à 33 Cst./GE, qui relevaient du domaine pénal et prescrivaient des conditions de temps et de forme non pertinentes pour le cas d'espèce, ils ont été abrogés avec effet au 1
er
janvier 2011 dans la perspective de l'entrée en vigueur du Code de procédure pénale suisse du 5 octobre 2007 (CPP; RS 312.0; cf. la loi constitutionnelle du 23 janvier 2009 modifiant la Constitution de la République et canton de Genève[Adaptation au code de procédure pénale suisse; n° 10327], adoptée lors des votations cantonales du 17 mai 2009).
Il est par ailleurs spécieux de soutenir, comme le font les recourants, que seule la loi genevoise du 26 octobre 1957 sur la police (LPol/GE; RSG F 1 05) serait à même de contenir des normes relatives aux contrôles d'identité, sachant que l'
art. 39 Cst./GE
se contente de désigner "la loi" au sens formel et que le législateur cantonal demeure souverain quant à l'ancrage des clauses autorisant des contrôles domiciliaires à des fins d'identification ou autres, en fonction de la nature et des spécificités du domaine réglementé (
ATF 99 Ia 504
consid. 4b p. 512) et dans les limites des compétences cantonales. L'inviolabilité du domicile sera donc examinée au regard du seul droit fédéral (
art. 13 Cst.
).
7.2.2
Le contrôle inopiné dans les salons ou les agences d'escorte constitue une atteinte à la garantie du domicile. Le but de ces contrôles est circonscrit par les intérêts publics légitimes prévus à l'art. 1
er
LProst/GE, en particulier - s'agissant des contrôles policiers - par la vérification que les conditions d'exercice de la
BGE 137 I 167 S. 183
prostitution se déroulent conformément à la loi et à la liberté d'action des personnes qui se prostituent (let. a).
7.2.3
Telles que prévues dans la législation, ces mesures ne paraissent pas disproportionnées, compte tenu de l'importance des buts poursuivis et de la possibilité de les exercer conformément à la Constitution. La faculté qui est donnée aux autorités compétentes d'effectuer des visites domiciliaires à des fins de contrôle dans ces établissements accessibles au public ne peut être d'emblée considérée comme inutile ni inadéquate; lesdites mesures de police (cf.
ATF 125 I 322
consid. 3a p. 326; arrêts 2C_268/2010 du 18 juin 2010 consid. 3.2; 2C_82/2010 du 6 mai 2010 consid. 6.2) doivent en effet permettre aux autorités d'intervenir rapidement pour protéger efficacement les employés, les prostitué(e)s et les clients, ainsi qu'endiguer les manifestations secondaires de la prostitution. Elles peuvent aussi porter sur la vérification des registres internes que les tenanciers des salons et agences doivent constituer au sujet des prostitué(e)s, conformément aux art. 12 let. a et 19 let. a LProst/GE (cf., s'agissant de la conformité de tels registres internes avec la Cst.: arrêt 2P.165/2004 du 31 mars 2005 consid. 7). Nonobstant les affirmations des recourants, des contrôles à titre préventif ne sont en outre pas prohibés en tant que tels (cf. arrêt 2C_1/2009 du 11 septembre 2009 consid. 4.4.1). Aussi, des visites non annoncées se justifient dans le but d'assurer une certaine efficacité à ces contrôles (cf. arrêt 2P.272/2006 du 24 mai 2007 consid. 5.5). Pour autant que, dans les circonstances d'espèce, les visites policières s'exercent dans un but concret et délimité, et respectent les exigences requises à l'accomplissement des tâches policières (cf. aussi consid. 7.3.3), les art. 13 et 20 LProst/GE constituent une atteinte admissible à la protection du domicile privé.
7.3
Les recourants font encore valoir que les contrôles d'identité que sont en droit d'effectuer les autorités compétentes violent la sphère privée (
art. 13 al. 1 Cst.
) des clients d'établissements érotiques.
7.3.1
Force est d'admettre que la formulation large des art. 13 al. 1 et 20 al. 1 LProst/GE permet d'étendre de tels contrôles aux clients d'établissements. Cela ressort également des travaux préparatoires.
7.3.2
A priori, ces vérifications se justifient en vue de garantir l'effectivité du travail d'encadrement et de surveillance des autorités sanitaires et de la police. De plus, lorsqu'elle contrôle les prostitué(e)s ou les responsables d'un salon ou d'une agence d'escorte, l'autorité
BGE 137 I 167 S. 184
compétente ne pourra pas toujours facilement distinguer les clients des prostitué(e)s et autres prestataires (par exemple les employés de bar) et aura parfois aussi intérêt à vérifier l'identité de certains "clients" afin de prévenir que les prostitué(e)s ne soient exploitées par des proxénètes ou que l'établissement en question ne soit la scène d'autres actes contraires au droit, notamment la consommation ou le trafic de stupéfiants, ainsi que l'hébergement de personnes sans titre de séjour.
7.3.3
La formulation vague et permissive des clauses de la LProst/GE, qui autorise de tels contrôles d'identité, peut toutefois laisser penser que des vérifications injustifiées ou disproportionnées puissent être cautionnées par la loi. Dans le cadre du présent contrôle normatif abstrait, l'on peut néanmoins limiter ce risque à la faveur d'une interprétation conforme à la Constitution. A cet égard, il sied de lire les dispositions querellées de la LProst/GE à l'aune de la jurisprudence que le Tribunal fédéral a rendue en matière de contrôles de police (cf.
ATF 136 I 87
;
ATF 109 Ia 146
). Celle-ci prévoit que les autorités compétentes doivent s'assurer que les contrôles d'identité que chacune d'entre elles peut devoir effectuer dans des établissements érotiques, et en particulier sur les clients s'y trouvant, soient nécessaires à l'accomplissement des tâches policières. Si tel n'est pas le cas, il est d'emblée exclu qu'une mesure de contrôle puisse être considérée comme justifiée et proportionnée. Des circonstances spécifiques doivent déterminer les organes de la police à procéder aux contrôles d'identité, et ces contrôles ne peuvent pas survenir sans motif ou du seul fait qu'une personne fréquente un établissement érotique. Des contrôles peuvent se révéler nécessaires lorsque des personnes, lieux ou événements présentent des singularités, de sorte à commander une intervention de la police. Ils doivent être motivés ou justifiés par des raisons objectives, des circonstances particulières ou des soupçons spécifiques, notamment en cas de situation confuse, d'une infraction commise à proximité d'un établissement, de ressemblance avec une personne recherchée, ou de soupçons en rapport avec la commission d'une infraction; en revanche, il est exclu que les contrôles soient effectués sous couvert de simples prétextes, sans justification suffisante. En raison de la diversité des situations susceptibles de se présenter, une formulation plus précise composée d'exemples ne serait guère utile et ne conduirait pas à davantage de précision. En substance, le critère déterminant est celui de la nécessité du contrôle (cf.
ATF 136 I 87
consid. 5.2 p. 101 s.).
BGE 137 I 167 S. 185
Pour le surplus, les fonctionnaires de police doivent faire preuve d'égards à l'endroit des personnes contrôlées, en provoquant chez elles le moins de gêne possible vis-à-vis du public environnant et en ne leur posant pas des questions indiscrètes superflues. Les mesures de contrôle ne doivent en aucun cas aller au-delà de ce qui est indispensable à la vérification d'identité; des indications verbales, dont il est aisé de confirmer sur place la véracité, suffisent lorsqu'une personne a omis de se munir d'un document de légitimation (
ATF 109 Ia 146
consid. 4b p. 151). Enfin, les données des simples clients ne sauraient être conservées sans motif spécifique prévu par la loi.
7.3.4
Dans ces limites, les art. 13 et 20 LProst/GE se prêtent à une interprétation conforme à la Constitution. Le grief soulevé par les recourants au titre du droit à la protection de la sphère intime des clients des établissements érotiques doit donc être écarté.
7.4
Les recourants se plaignent aussi d'une violation de la liberté économique des tenanciers d'établissements érotiques du fait des contrôles d'identité qui peuvent être opérés sur leurs clients. Pour autant que ce grief succinctement motivé soit recevable (
art. 106 al. 2 LTF
), la Cour de céans relève que le siège de la matière se situe davantage au niveau du droit à la protection de la sphère privée des clients ainsi contrôlés qu'à celui de la liberté économique des tenanciers que la mesure de contrôle relative aux clients n'affecte, du propre aveu des recourants, que de manière indirecte. L'on peut donc se dispenser d'examiner ce grief tiré de l'
art. 27 Cst.
7.5
Contrairement à ce qu'affirment les recourants, il n'existe pas d'incompatibilité de principe des contrôles effectués dans les salons et agences (art. 13 et 20 LProst/GE) avec le droit fédéral des étrangers ni avec les art. 6 ss de la loi fédérale du 17 juin 2005 concernant des mesures en matière de lutte contre le travail au noir (Loi sur le travail au noir, LTN; RS 822.41), lesquels prévoient également des contrôles en vue du respect du droit des assurances sociales, des étrangers et de l'imposition à la source (cf.
art. 6 LTN
). En effet, les buts d'intérêt public poursuivis par la LProst/GE (cf. art. 1) s'étendent au contrôle du respect de l'ensemble de la législation, des mesures d'hygiène et des modalités d'exercice de la prostitution; ils ne se limitent donc pas au champ des lois fédérales topiques, et ils élargissent les possibilités de contrôle en vue de faire respecter de plus amples objectifs. Si certaines mesures de contrôle se recoupent avec celles prévues par le droit fédéral, les recourants ne démontrent pas qu'elles en contrediraient le sens ou la lettre ou que le législateur fédéral aurait voulu
BGE 137 I 167 S. 186
exclure toute réglementation cantonale. Au contraire, ces dispositions cantonales renforcent l'efficacité du droit fédéral dans le domaine particulier de la prostitution de salon et d'escorte dans la mesure, notamment, où elles permettent aux autorités de police de jouer un rôle actif dans la lutte contre le travail au noir. Si la LProst/GE leur confère ainsi, dans ce domaine particulier, des compétences de contrôle similaires à celles de l'office de contrôle du travail cantonal, elle n'entrave pas la mise en oeuvre de l'obligation de coordination ni la communication des informations voulues par le droit fédéral (cf.
art. 11 LTN
).
Certes, les modalités d'exécution que l'
art. 7 LTN
impose aux contrôles entrant dans son champ d'action, réglementent plus étroitement que ne le fait la LProst/GE les possibilités et l'exécution de ces derniers, notamment par rapport aux heures des inspections et aux exigences de tenue d'un procès-verbal. Ceci ne conduit cependant pas à rendre inconstitutionnels les art. 13 et 20 LProst/GE. En effet, une interprétation conforme au droit supérieur est possible, pour autant que, à chaque fois qu'ils sont effectués en application tant de la LProst/GE que de la LTN, lesdits contrôles respectent les modalités prévues par le droit fédéral. Au vu de ce qui précède, les dispositions querellées de la LProst/GE ne violent pas le principe de la primauté du droit fédéral.
8.
A teneur de l'art. 5 LProst/GE, la personne qui cesse toute activité liée à la prostitution est tenue d'en informer les autorités compétentes (al. 1). Elle est alors soit considérée comme étant en fin d'activité, soit, en fonction de sa demande, radiée de tous les fichiers de police mentionnant son activité de prostitution, y compris celui des personnes se prostituant (al. 2). Selon l'art. 9 al. 1 LProst/GE, toute personne physique qui, en tant que locataire, sous-locataire, usufruitière, propriétaire ou copropriétaire, exploite un salon et met à disposition de tiers des locaux affectés à l'exercice de la prostitution doit s'annoncer, préalablement et par écrit, aux autorités compétentes en indiquant le nombre et l'identité des personnes qui y exercent la prostitution. Une obligation d'annonce aux termes similaires est mise à la charge des exploitants d'une agence d'escorte (art. 16 LProst/GE). En outre, les responsables de salon et d'agence d'escorte sont tenus de communiquer immédiatement aux autorités compétentes tout changement des personnes exerçant la prostitution et toute modification des conditions personnelles intervenues depuis l'annonce
BGE 137 I 167 S. 187
initiale (art. 11 et 18 LProst/GE). Enfin, lesdites personnes responsables ont pour obligation "de tenir constamment à jour un registre mentionnant l'identité, le domicile, le type d'autorisation de séjour et/ou de travail et sa validité, les dates d'arrivée et de départ des personnes exerçant la prostitution dans le salon (...)" (art. 12 let. a et 19 let. a LProst/GE).
Les recourants perçoivent une violation du principe de la primauté du droit fédéral (
art. 49 Cst.
) dans l'obligation faite aux exploitants d'un salon ou d'une agence d'escorte de communiquer le nom des prostitué(e)s aux autorités, et par rapport au recensement de ces personnes dans un fichier de police (consid. 8.1). De surcroît, l'obligation d'annonce à charge des prostitué(e)s, au sens de l'art. 5 LProst/GE, serait dénuée d'intérêt public et disproportionnée, de sorte à violer le droit au respect de la sphère privée. Il en irait de même pour les art. 11 et 18 LProst/GE, qui obligent les responsables d'un salon ou d'une agence de communiquer tout changement des prostitué(e)s exerçant dans ou par l'intermédiaire de leur établissement (consid. 8.2). Ils affirment par ailleurs que ces dispositions violent la liberté économique (consid. 8.3). Se prévalant de l'
art. 8 al. 1 et 2 Cst.
, les recourants estiment aussi que l'obligation d'annonce et le recensement des personnes se prostituant viseraient de manière discriminatoire le métier de prostitué(e) au motif que d'autres métiers "proches" comme ceux des masseurs non érotiques ou des esthéticiens ne subiraient pas une telle contrainte. Les recourants paraissent également contester l'obligation faite aux responsables d'une agence d'escorte ou d'un salon érotique d'annoncer les prostitué(e)s aux autorités compétentes au motif que ces dispositions fonderaient une discrimination à raison de la situation sociale ou du mode de vie de ces personnes (consid. 8.4).
8.1
Par rapport à l'obligation de communiquer le nom des prostitué(e)s aux autorités et au recensement des prostitué(e)s, une motivation sur le terrain de l'
art. 49 al. 1 Cst.
fait entièrement défaut dans le recours. Il n'y a donc pas lieu d'entrer en matière (
art. 106 al. 2 LTF
).
8.2
Pour ce qui est du droit au respect de la sphère privée, les art. 5, 11 et 18 LProst/GE fondent l'obligation de divulguer l'identité des personnes se prostituant, ainsi que celle des tenanciers de salons ou d'agences d'escorte vis-à-vis de la brigade des moeurs de la police genevoise (cf. aussi l'art. 2 al. 2 RProst/GE).
BGE 137 I 167 S. 188
La mise en rapport de l'identité d'une personne avec des activités liées à la prostitution est constitutive d'une ingérence dans la sphère intime des personnes concernées (cf. arrêt 2P.165/2004 du 31 mars 2005 consid. 7.2). A teneur des travaux préparatoires, l'obligation querellée qui, s'agissant de l'annonce des personnes exerçant la prostitution, existait déjà sous l'empire de l'ancien Règlement du 14 juillet 1994 relatif à l'exercice de la prostitution (art. 3 al. 1 aRProst/GE; RSG I 2 49.04), poursuit des buts d'intérêt public qui coïncident avec les trois objectifs affichés à l'art. 1 LProst/GE: la lutte contre l'exploitation des personnes se prostituant (let. a), les mesures de prévention et de réorientation en leur faveur (let. b), de même qu'un contrôle et une réglementation efficaces de la prostitution (let. c). L'annonce effectuée par les salons et les agences d'escorte doit permettre aux autorités de connaître et d'enregistrer les établissements ainsi que leurs usagers, de sorte à en faciliter les contrôles et à en prévenir une expansion non surveillée (cf. arrêt 2P.333/2001 du 2 juillet 2002 consid. 4.3). L'obligation d'annonce des personnes se prostituant vise à mettre celles-ci en contact avec la brigade des moeurs qui les conseillera et les orientera si nécessaire vers des structures de soutien, et qui pourra prévenir et détecter plus facilement toute forme de proxénétisme et d'exploitation.
En tant que telle, l'obligation d'annonce imposée aux prostitué(e)s et aux tenanciers d'établissements n'est pas disproportionnée; ce d'autant que le législateur cantonal s'est abstenu de soumettre l'activité de ces entreprises au régime plus strict de l'autorisation préalable. La diversité des établissements de prostitution dont certains sont discrets ou dissimulés, justifie en tout état que les tenanciers s'annoncent spontanément pour que les autorités puissent les localiser ainsi que vérifier que l'exploitation de leurs établissements demeure conforme au droit.
Il en va de même s'agissant de l'annonce des prostitué(e)s. Seule l'existence d'un contact direct entre la police cantonale et les prostitué(e)s est susceptible de garantir que ces personnes aient connaissance des services de conseil prodigués par la police et qu'elles puissent en bénéficier librement. Compte tenu de la forte mobilité des prostitué(e)s et du risque de manipulation des registres tenus par les salons ou agences d'escorte (art. 12 let. a et 19 let. a LProst/GE), un contact direct est en outre indispensable pour que la police puisse s'assurer efficacement de la liberté d'action des prostitué(e)s, vérifier les conditions d'exercice du métier, et intervenir rapidement
BGE 137 I 167 S. 189
en cas de besoin. L'annonce des personnes qui s'adonnent occasionnellement à la prostitution est, quant à elle, nécessaire en raison de leur vulnérabilité souvent accrue due à leur inexpérience et à la possible absence d'affiliation aux associations d'entraide. Au vu de ce qui précède, les obligations d'annonce précitées ne violent donc pas l'
art. 13 Cst.
8.3
Le recours mentionne la liberté économique de manière très sommaire. A supposer qu'une ingérence dans la liberté économique en sus d'une atteinte à la sphère privée puisse être admise, encore faut-il que les recourants expliquent en quoi les dispositions en cause y seraient contraires. Or, ceux-ci développent la (quasi-)totalité de leur argumentation sur le terrain de l'
art. 13 Cst.
sans préciser en quoi la liberté économique serait spécifiquement entravée. Ce grief est donc irrecevable (
art. 106 al. 2 LTF
).
8.4
8.4.1
S'agissant du grief selon lequel les obligations d'annonce et le recensement des prostituées violeraient l'
art. 8 al. 1 Cst.
, il est important de souligner que l'activité de prostitution se distingue des autres métiers - notamment les masseurs non érotiques, les restaurateurs ou les chauffeurs de taxis - par le fait que, par définition, son exercice suppose la pratique d'actes d'ordre sexuel qui relèvent de la vie intime des intéressés (cf. MEIER, op. cit., p. 221 n. 491). Il s'agit de plus d'une activité dont l'exercice comporte des risques tangibles pour la santé et la sécurité ou pour une exploitation criminelle du travail et de la vulnérabilité des prostitué(e)s, ceci étant exacerbé par la perception sociale souvent négative de ce métier. A l'instar des distinctions que la jurisprudence opère entre les établissements de prostitution et les autres établissements publics (cf. arrêts 2P.165/2004 du 31 mars 2005 consid. 3.2; 2P.127/1998 du 22 septembre 1998 consid. 3b), on doit admettre que ces facteurs rendent cette activité dissemblable des métiers précités; il se justifie partant de la traiter différemment au regard de l'
art. 8 al. 1 Cst.
, par l'instauration de mesures de protection et de surveillance renforcées ou spécifiques. Le grief relatif à l'existence d'une inégalité de traitement entre le métier de prostitué(e) et d'autres professions est donc mal fondé.
8.4.2
Quant à la prétendue discrimination des prostitué(e)s (
art. 8 al. 2 Cst.
) au travers des contraintes réglementaires imposées, notamment l'obligation d'annonce, il est vrai que des distinctions fondées sur le statut professionnel d'une personne sont susceptibles de
BGE 137 I 167 S. 190
se rapporter à sa situation sociale ou à son mode de vie (BERNHARD PULVER, L'interdiction de la discrimination, 2003, p. 261 n. 340; VINCENT MARTENET, Géométrie de l'égalité, 2003, p. 388 s.; BERNHARD WALDMANN, Das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV als besonderer Gleichheitssatz, 2003, p. 759) et, partant, d'entraîner une présomption de différenciation inadmissible au sens de l'
art. 8 al. 2 Cst.
(
ATF 136 I 121
consid. 5.2 p. 127;
ATF 126 II 377
consid. 6a p. 393). Cependant, l'interdiction de toute discrimination ne s'oppose à la réglementation de l'accès ou de l'exercice de certaines professions que dans la mesure où de telles règles imposent des conditions injustifiées ayant pour but ou pour effet d'exclure une certaine catégorie de personnes, du fait de leurs qualités personnelles qui n'ont aucun lien avec les exigences objectives de la profession (WALDMANN, ibidem). Dès lors que l'activité professionnelle en cause se distingue de la plupart des autres métiers en raison des risques inhérents qu'elle comporte pour les prostitué(e)s, leur clientèle et l'ordre public, les mesures tendant à la réglementer, dont rien n'indique qu'elles seraient prises aux fins de marginaliser les prostitué(e)s, reposent sur des motifs sérieux et objectifs et ne violent pas l'
art. 8 al. 2 Cst.
Les griefs fondés sur l'
art. 8 Cst.
doivent par conséquent être écartés.
9.
Selon l'art. 5 al. 1 et 2 LProst/GE, la personne qui cesse toute activité liée à la prostitution peut, à sa demande, être "radiée de tous les fichiers de police mentionnant son activité de prostitution, y compris celui des personnes se prostituant". D'après les recourants, le recensement et la conservation des données relatives aux prostitué(e)s dans un fichier de police centralisé violeraient les
art. 13 al. 2 Cst.
et 8 CEDH.
9.1
Les recourants soutiennent, dans un premier moyen, que le traitement des données relatives aux prostitué(e)s ne s'appuie sur aucune base légale suffisante.
Le recensement et la conservation dont se plaignent les recourants consistent par définition en un ou plusieurs fichier(s) regroupant des données personnelles dont la structure permet de rechercher les données par personne concernée (
art. 3 let
. g LPD, applicable par le biais de l'
art. 37 LPD
et de la réserve en faveur du droit fédéral figurant aux
art. 3 al. 5 et 4 let
. d LIPAD/GE; cf., pour un exemple de fichier, l'arrêt 5C.15/2001 du 16 août 2001 consid. 3b). Après avoir circonscrit les exigences posées en matière de base légale (consid. 9.1.1 ss), la Cour de céans examinera si le traitement des
BGE 137 I 167 S. 191
données relatives aux prostitué(e)s repose, au vu des différents aspects qu'il implique, sur une base légale (consid. 9.2).
9.1.1
Les informations de police recensées au sujet des prostitué(e)s constituent des données sensibles (
art. 3 let
. c ch. 2 LPD et 4 let. b ch. 2 LIPAD/GE), car l'activité d'ordre sexuel qui caractérise ce métier relève de la sphère intime (cf. consid. 8.4). Or, les
art. 17 al. 2 LPD
et 35 al. 2 LIPAD/GE prescrivent qu'il n'est possible de traiter des données personnelles sensibles que si une loi au sens formel le prévoit expressément. L'art. 35 al. 2 LIPAD/GE ajoute que les données sensibles ne peuvent être traitées que si une loi définit clairement la tâche considérée et si le traitement en question est absolument indispensable à l'accomplissement de cette tâche ou s'il est nécessaire et intervient avec le consentement de la personne concernée. Le traitement des données en cause ne peut donc être admis que dans la mesure où il serait réglementé dans une loi au sens formel qui soit suffisamment dense pour préserver la confidentialité des données et empêcher les abus (cf.
ATF 122 I 360
consid. 5b p. 363 ss).
Pour pouvoir exercer un contrôle sur les données sensibles récoltées et prévenir tout abus, imprévisibilité ou disproportion dans leur traitement, il est de plus impératif que leur contenu soit lui aussi défini par la loi (cf. DAVID ROSENTHAL, in Handkommentar zum Datenschutzgesetz, 2008, n° 26 ad
art. 4 al. 2 LPD
p. 86; YVONNE JÖHRI, in ibidem, n° 16 ad
art. 17 LPD
p. 471; JÖHRI/STUDER, in Basler Kommentar zum Datenschutzgesetz, 2
e
éd. 2006, n° 35 ad
art. 17 LPD
p. 244).
Une identification au moins schématique des finalités du traitement des diverses données sensibles, qui doivent être reconnaissables pour la personne concernée (
art. 4 al. 3 LPD
et 38 LIPAD/GE), fait aussi partie des éléments devant être régis par la loi (YVONNE JÖHRI, op. cit., n° 17 ad
art. 17 LPD
p. 471; HANSPETER USTER, Datenschutz und Polizeiarbeit: fünf Thesen zur föderalen Zusammenarbeit aus der Sicht eines Kantons, Jusletter du 3 octobre 2005, n° 6).
9.1.2
En l'occurrence, la tenue de fichiers de police concernant le domaine de la prostitution est explicitement mentionnée à l'art. 5 al. 2 LProst/GE. L'existence de tels fichiers peut en outre être inférée de l'obligation d'annonce au sens des art. 4, 5 al. 1, 11 et 18 LProst/GE et y dispose ainsi d'une assise légale suffisante.
9.1.3
S'agissant du nombre des fichiers de police dont la création est requise par la LProst/GE ou en est la conséquence, de leur
BGE 137 I 167 S. 192
stockage, de la protection des données et de l'usage qui en sera fait, il est vrai que la loi querellée n'aborde pas ces questions. Compte tenu, cependant, du cadre précis fixé par la LPD et la LIPAD/GE dans ces domaines (notamment: art. 5 al. 2, 7, 8 et 11a LPD; art. 24, 37, 40, 43 et 47 LIPAD/GE), le renvoi global à la législation en matière de protection de la personnalité et des données figurant à l'art. 4 al. 3 LProst/GE en matière d'obligation d'annonce satisfait, dans le cadre du présent recours abstrait, à l'exigence d'une base légale formelle s'agissant du stockage, de l'accès, des protection et rectification des données, ainsi que des caractéristiques techniques des registres de police visant la prostitution. Ces bases légales formelles traitent en effet avec suffisamment de précision de la sécurité des données, autorisent la personne intéressée à consulter celles qui sont récoltées à son sujet ainsi que d'en exiger la rectification, et énumèrent les droits qu'elle peut faire valoir afin de sauvegarder sa sphère privée.
9.1.4
En revanche, le contenu des données qui sont traitées dans ces fichiers de police n'est pas spécifiquement réglementé. Pourtant, ces données sont susceptibles d'être utilisées dans des domaines aussi variés que la sauvegarde de la santé publique et de la liberté d'action des prostitué(e)s, ou la lutte contre les effets indésirables de l'exercice de la prostitution (cf. art. 1
er
LProst/GE). La loi genevoise du 29 septembre 1977 sur les renseignements et les dossiers de police et la délivrance des certificats de bonne vie et moeurs (LCBVM/GE; RSG F 1 25), à laquelle se réfère le Conseil d'Etat, n'est d'aucun secours en vue de préciser le contenu des données relatives aux prostitué(e)s. Le traitement par la police des données personnelles sensibles se confine en effet aux cas dans lesquels la prévention des crimes et délits ou la répression des infractions l'imposent (art. 1 al. 2 et 3 LCBVM/GE), tandis que le champ d'application de la LProst/GE déborde le cadre pénal. Du reste, la LCBVM/GE n'inclut aucun catalogue des données répertoriées en matière de prostitution. Il résulte de ce qui précède que, dans la mesure où le contenu exact des données ne peut être a priori déduit de la LProst/GE ou d'une autre loi au sens formel, leur traitement devrait être déclaré inconstitutionnel.
Ce nonobstant, il demeure possible d'interpréter les dispositions de la LProst/GE servant de fondement au traitement des données de façon conforme aux
art. 13 al. 2 Cst.
et 8 CEDH. En effet, l'art. 5 al. 2 LProst/GE implique que les fichiers de police incluent
BGE 137 I 167 S. 193
l'activité de prostitution, ainsi que l'identité des personnes qui s'y adonnent. Cette disposition fournit ainsi une base légale formelle s'agissant du traitement des nom, prénom, adresse et date de naissance d'une personne, ainsi que de son activité professionnelle.
Partant, et dans la mesure où les renseignements que la police est en droit de récolter et de répertorier selon la LProst/GE se limitent uniquement à l'inscription des nom et prénom, date de naissance, adresses privée et professionnelle, métier et date du recensement de la personne se prostituant,
à l'exclusion
de toute autre mention et de tout autre élément conservé au dossier, on peut considérer lesdites indications comme étant couvertes par l'obligation d'annonce et le principe de la tenue des fichiers mentionnant l'activité de prostitué(e), tels que prévus notamment aux art. 4 al. 1 et 5 de cette loi cantonale au sens formel.
Une conception plus restrictive de l'exigence de la base légale viderait de son sens l'institution de l'obligation d'annonce qui, s'agissant d'une activité commerciale soumise à un contrôle renforcé de la part des autorités, a précisément pour but de permettre à celles-ci de recueillir les données de base et de tenir à jour un registre relatif aux personnes exerçant cette activité (cf. arrêt 2P.165/2004 du 31 mars 2005 consid. 5.3). D'ailleurs, l'existence d'une telle base légale peut être d'autant plus facilement admise que, en dehors de l'indication de l'activité exercée, ces données afférentes à l'identité d'une personne sont en général publiquement accessibles et font partie de ses "données de base", que l'
art. 19 al. 2 LPD
permet aux organes fédéraux de communiquer même en l'absence de base légale ou d'autres motifs justificatifs (cf. MEIER, op. cit., p. 147 n. 282). Par conséquent, la tenue d'un ou de plusieurs fichiers de police au sujet des prostitué(e)s repose, dans les limites du présent considérant, sur une base légale suffisante.
9.2
Les recourants soutiennent de surcroît que le recensement et le traitement des données relatives aux prostitué(e)s constitueraient une atteinte disproportionnée à la sphère privée de ces personnes.
Tel n'est pas le cas au vu de l'interprétation du contenu des données récoltées qui résulte du considérant 9.1 ci-dessus. En effet, le nombre restreint et le contenu des données que la police cantonale est en droit de collecter et d'enregistrer en vertu de la LProst/GE, permettent de délimiter avec clarté les finalités du traitement des données et minimisent les risques d'abus. Le traitement doit
BGE 137 I 167 S. 194
ainsi avoir pour seules fins de faciliter
l'identification, la prise de contact et la localisation
des personnes et établissements qui sont actifs dans le domaine de la prostitution, ce qui permettra aux autorités de police et sanitaires de contrôler le respect de la liberté d'action des personnes qui se prostituent, de garantir la mise en oeuvre des mesures de prévention sanitaires et sociales et de réglementer les lieux, heures et modalités de l'exercice de la prostitution, ainsi que de lutter contre ses manifestations secondaires. Par ailleurs, - et sous réserve de la possibilité de collaborer avec les associations d'aide aux prostitué(e)s (cf. art. 23 LProst/GE) -, la consultation de ces données est destinée à demeurer interne à l'administration (art. 22 LProst/GE). En outre, une pratique excessive dans un cas particulier pourra être sanctionnée dans le cadre d'un contrôle concret ultérieur de la loi, ce qui offre des garanties suffisantes notamment aux recourants (cf. arrêt 2P.165/2004 du 31 mars 2005 consid. 5.3).
9.3
Il s'ensuit que, interprétée dans le sens des précédents considérants, la tenue d'un registre des prostitué(e)s par la police genevoise n'est pas une mesure disproportionnée ni en soi contraire aux
art. 13 Cst.
et 8 CEDH, ce qui entraîne le rejet du recours sur ce point. | public_law | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
67206d85-ebce-4df4-8bb6-27ffeadc6e1d | Urteilskopf
113 II 118
22. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. April 1987 i.S. Z. gegen R. (Berufung) | Regeste
Haftungsbeschränkung des Erben für Nachlassschulden (
Art. 590 ZGB
).
Die mit dem öffentlichen Inventar verbundene Haftungsbeschränkung gilt nur für Erbschaftsschulden. Diese Gesetzesbestimmung zum Schutze des Erben kann nicht gegen diesen angerufen werden, wenn er Zug um Zug eine Forderung aus Kauf geltend macht. | Sachverhalt
ab Seite 118
BGE 113 II 118 S. 118
A.-
W. Z. verkaufte A. R. mit öffentlich beurkundetem Vertrag zum Preise von Fr. 3'650'000.-- ein Grundstück, auf dem sich ein Wohn- und Geschäftshaus befindet. Neben der Übernahme von Grundpfandschulden hatte der Käufer anlässlich der Vertragsbeurkundung eine Anzahlung von Fr. 30'000.-- zu leisten. Den Restkaufpreis sollte er bei der Eigentumsübertragung in bar bezahlen. Bevor diese stattfinden konnte, starb der Käufer. Über seinen Nachlass wurde das öffentliche Inventar aufgenommen. Dabei versäumte es der Verkäufer, seinen Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises anzumelden, doch lag der Kaufvertrag dem mit der Inventaraufnahme betrauten Notariat vor. Im Inventar wurde dennoch nur die Anzahlung von Fr. 30'000.-- zuzüglich Zinsen
BGE 113 II 118 S. 119
zugunsten des Nachlasses vermerkt. Die Witwe des Käufers, E. R., erklärte die Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar. Sie verlangte in der Folge vom Verkäufer die Eigentumsübertragung gemäss Kaufvertrag, was dieser jedoch ablehnte.
B.-
Daraufhin leitete E. R. gegen W. Z. Klage ein, mit welcher sie in Erfüllung des Kaufvertrags die Übertragung des Eigentums am fraglichen Grundstück verlangte. Das Bezirksgericht hiess die Klage mit Urteil vom 21. November 1985 gut.
Eine Berufung des Beklagten wies das Obergericht am 12. September 1986 ab.
C.-
Der Beklagte führt Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beklagte wirft dem Obergericht vor, es habe die Bestimmungen des ZGB über das öffentliche Inventar, insbesondere Art. 582, 583, 589 und 590 ZGB, missachtet und dadurch Bundesrecht verletzt. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass sein Anspruch auf Bezahlung der Kaufpreisforderung untergegangen sei, nachdem er nicht in das Inventar aufgenommen worden sei und die Klägerin die Erbschaft unter öffentlichem Inventar angetreten habe. Da es sich um ein synallagmatisches Vertragsverhältnis handle, sei bei Fehlen einer austauschbaren Leistung gleichzeitig auch der Eigentumsanspruch der Klägerin untergegangen.
Auch die Vorinstanz vertrat die Auffassung, dass im Hinblick auf
Art. 583 Abs. 1 ZGB
das Notariat, dem der Kaufvertrag bei Errichtung des öffentlichen Inventars vorgelegen habe, unter den Aktiven nicht nur die Anzahlung von Fr. 30'000.-- zuzüglich Zinsen, sondern auch den Eigentumsübertragungsanspruch zugunsten des Nachlasses und unter den Passiven die restliche Kaufpreisforderung des Beklagten hätte von Amtes wegen in das Inventar aufnehmen müssen. Dieses Versehen der Inventarbehörde führe indessen nicht zum Untergang der Kaufpreisschuld und damit auch nicht des Kaufvertrags insgesamt. Vielmehr trete nach
Art. 590 Abs. 2 ZGB
die Bereicherungshaftung des Erben ein, der die Erbschaft unter öffentlichem Inventar angenommen habe.
BGE 113 II 118 S. 120
Die Klage auf Eigentumsübertragung wäre aber auch dann gutzuheissen, wenn die restliche Kaufpreisforderung zufolge der Nichtaufnahme ins Inventar hinfällig geworden wäre. Dieser Forderungsuntergang bewirke nämlich nicht, dass der Kaufvertrag insgesamt erlösche. Der Anspruch auf Eigentumsübertragung zähle zu den Nachlassaktiven des Käufers, welche vom öffentlichen Inventar nicht berührt würden. Seine Existenz hange allein von der definitiven Annahme der Erbschaft ab. Daran ändere sich auch nichts, wenn sich das öffentliche Inventar auf die Kaufpreisforderung haftungsbeschränkend auswirken sollte. Die mit dem öffentlichen Inventar verbundene Verwirkung könne nicht so weit gehen, dass im Rahmen eines synallagmatischen Vertragsverhältnisses selbst die einredeweise Geltendmachung der Gegenforderung ausgeschlossen wäre. Da der Kaufvertrag von beiden Parteien noch nicht erfüllt worden sei, müsse es zugelassen werden, dass der Beklagte die Einrede des nichterfüllten Vertrags nach
Art. 82 OR
erhebe und die Eigentumsübertragung verweigere, solange der Kaufpreis nicht bezahlt werde. Dem Schutz des Erben sei damit genügend Rechnung getragen.
3.
Dieser Betrachtungsweise der Vorinstanz ist beizupflichten. Würde nämlich der Argumentation des Beklagten gefolgt, so wäre entgegen dem klaren Wortlaut von
Art. 589 Abs. 1 ZGB
, wonach mit der Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar die Nachlassaktiven ohne weiteres auf den Erben übergehen, mit diesem Inventar nicht nur eine Haftungsbeschränkung verbunden, sondern auch der Untergang von Erblasseransprüchen. Dieses Ergebnis missachtet jedoch die Absichten des Gesetzgebers. Dementsprechend wird auch in der Lehre festgehalten, dass der mit dem öffentlichen Inventar verbundenen Haftungsbeschränkung für die Nachlassaktiven keine Wirkung zukommt (TUOR/PICENONI, N. 1-3 zu Art. 589/90 ZGB; ESCHER, N. 1 und 4 zu Art. 582 und N. 1 f. zu Art. 589/90 ZGB). Sie bezieht sich lediglich auf die Erbschaftsschulden und dient nur dem Schutze des Erben. Macht der Erbe ein Nachlassaktivum geltend, kann er sich auf diesen Schutz nicht berufen.
Bei einem noch nicht oder nur teilweise erfüllten zweiseitigen Vertrag kann der Gläubiger, dessen Forderung nicht ins öffentliche Inventar aufgenommen wurde, nicht zu seinen Gunsten den dem Erben zustehenden Schutz der Haftungsbeschränkung für sich in Anspruch nehmen. Soweit ein Erbe seinen Anspruch - im vorliegenden Fall den Eigentumsübertragungsanspruch - und
BGE 113 II 118 S. 121
damit ein Nachlassaktivum geltend macht, versteht es sich von selbst, dass er diesen Anspruch nur bei Erbringung der Gegenleistung durchsetzen kann; denn es geht hier gar nicht um einen Fall der Haftungsbeschränkung, sondern um einen dem Nachlass zustehenden Anspruch, der nur Zug um Zug gegen eine entsprechende Gegenleistung verwirklicht werden kann. Eine andere Auffassung wird auch von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Käufers nicht vertreten. Sie erklärt sich vielmehr bereit, gegen die Eigentumsübertragung den Restkaufpreis zu bezahlen. Sie bedarf daher des Schutzes nicht, den ihr die
Art. 580 ff. ZGB
zusprechen. Umso weniger kann aber der Vertragspartner diese gesetzlichen Schutzvorschriften anrufen, um den Untergang eines Nachlassaktivums darzutun. Anders entscheiden hiesse, die vom Gesetzgeber zugunsten des Erben erlassene Schutzvorschrift in ihr Gegenteil zu verkehren, ohne dass sich die andere Vertragspartei als schutzwürdig erwiese. Aus der Sicht des Kaufpreisgläubigers genügt es, wenn er seine Forderung dem Eigentumsübertragungsanspruch gegenüber einredeweise geltend machen kann. Dass dies aber im Zusammenhang mit
Art. 580 ff. ZGB
nicht möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Wenn überhaupt von einer Verwirkung der Kaufpreisforderung angesichts von
Art. 589 und 590 ZGB
auszugehen wäre, so könnte dies nicht ausschliessen, dass der Beklagte seine Forderung wenigstens noch einredeweise gegenüber dem Eigentumsanspruch der Klägerin erheben könnte (vgl. SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, S. 1129 f.). | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
67213671-7099-44e2-841d-b75e5a4d6da5 | Urteilskopf
122 III 358
66. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 11. Oktober 1996 i.S. A. E. gegen O. R. (Berufung) | Regeste
Art. 739 ZGB
; Mehrbelastung einer Dienstbarkeit.
Eine Mehrbelastung einer Dienstbarkeit ist nach
Art. 739 ZGB
dann unzulässig, wenn sie erheblich ist. Bei der Beurteilung der Erheblichkeit sind das Interesse des herrschenden und die Belastung des dienenden Grundstückes bei der Begründung der Dienstbarkeit mit der heutigen Interessenlage zu vergleichen. Einige zusätzliche Fahrbewegungen pro Tag als Folge einer intensiveren Nutzung des berechtigten Grundstückes führen nicht zu einer erheblichen Mehrbelastung eines "unbedingten Fuss- und Fahrwegrechtes" (E. 2c). | Erwägungen
ab Seite 358
BGE 122 III 358 S. 358
Aus den Erwägungen:
2.
c) Im weiteren stellt sich die Frage, ob der Einbau zusätzlicher Wohnungen in einem bestehenden Wohnhaus zu einer quantitativen Mehrbeanspruchung der Dienstbarkeit führt, die dem belasteten Grundstück nicht zugemutet werden darf.
BGE 122 III 358 S. 359
Gemäss
Art. 739 ZGB
darf dem Verpflichteten nicht allein aufgrund der Tatsache, dass sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes geändert haben, eine Mehrbelastung zugemutet werden. Gemeint ist dabei nach einhelliger Rechtsprechung und Lehrmeinung eine erhebliche Mehrbelastung, denn das Tatbestandsmerkmal der Mehrbelastung schliesst die Erheblichkeit bereits ein, da eine unerhebliche Mehrbelastung gar keine Mehrbelastung ist (
BGE 94 II 145
E. 6 S. 148;
BGE 100 II 105
E. 3c S. 118; LIVER, Berner Kommentar, N. 32 f. zu Art. 739; RIEMER, Die beschränkten dinglichen Rechte, Grundriss des schweizerischen Sachenrechts, Band II, Rz. 10 zu § 12; Steinauer, Les droits réels, 2. Auflage, Bern 1994, Rz. 2298). Bei der Beurteilung der Erheblichkeit ist das Interesse des herrschenden und die Belastung des dienenden Grundstückes bei der Begründung der Dienstbarkeit mit der heutigen Interessenlage zu vergleichen (
BGE 100 II 105
E. 3c S. 118). Bei dieser Interessenabwägung steht dem Richter Ermessen zu (LIVER, a.a.O., N. 32 zu
Art. 739 ZGB
), dessen Ausübung vom Bundesgericht nur mit Zurückhaltung geprüft wird (
BGE 119 II 157
E. 2a S. 159 mit Hinweis).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass das Wohnhaus auf dem berechtigten Grundstück bislang von den Personen zweier Wohnungen bzw. Haushalte bewohnt wurde, welche die Dienstbarkeit beanspruchten. Nach Realisierung des Projektes werden es fünf Wohnungen bzw. Haushalte sein, wovon allerdings drei Wohnungen sehr klein sein werden. Dadurch wird ein vergrösserter Personenkreis zur Benützung der Dienstbarkeit berechtigt sein und es muss mit einer intensiveren Benutzung des Wegrechtes gerechnet werden. Dennoch ist aus verschiedenen Gründen nicht auf eine unzulässige Mehrbelastung zu schliessen. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die heutige Interessenlage der Parteien im Vergleich zu derjenigen im Zeitpunkt der Errichtung der Dienstbarkeit nicht erheblich verändert hat. Dem Interesse des Beklagten an einer besseren Nutzung seiner Liegenschaft - das sich auch mit dem allgemeinen Interesse einer zeitgemässen Bodennutzung deckt - stehen nur geringfügige Auswirkungen auf den Kläger gegenüber, die ihm zugemutet werden können. Der Kläger spricht zwar von einem "erheblichen Mehrverkehr", doch macht er nicht geltend, es sei mit einem intensiven und ständigen Verkehr zu rechnen; vielmehr wird es sich lediglich um einige zusätzliche Fahrbewegungen pro Tag handeln. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Vermehrung der Wohnungszahl zwar eine intensivere Beanspruchung
BGE 122 III 358 S. 360
der Dienstbarkeit erwarten lässt, dass eine solche aber in gewissem Rahmen auch möglich und zu dulden gewesen wäre, wenn die Zahl der Bewohner ohne Umbau zugenommen hätte. Schliesslich war angesichts der offenen Umschreibung des Dienstbarkeitsinhaltes schon bei der Begründung des "unbedingten Fuss- und Fahrwegrechtes" vernünftigerweise mit einer gewissen Ausdehnung der Beanspruchung der Dienstbarkeit zu rechnen (vgl. TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Auflage, Zürich 1995, S. 785; STEINAUER, a.a.O., Rz. 2299b).
Die Rechtsprechung hat denn auch in vergleichbaren Fällen eine unzulässige Mehrbelastung einer Dienstbarkeit stets verneint, wenn durch Umbauten die Anzahl der Benützer steigt und dadurch ein Zugang stärker begangen oder befahren wird (Urteil des Bundesgerichtes vom 26. Mai 1992, publiziert in SJ 114 [1992] 597 E. 3b S. 601 f., wo es um vier oder fünf zusätzliche Fahrzeuge ging; ZR 90 [1991] Nr. 21 S. 70 ff., vom Bundesgericht bestätigt im unveröffentlichten Entscheid vom 15. April 1991 i.S. F.Z u. E.W. gegen F.K., in welchem Fall die Erstellung von acht Parkplätzen zu beurteilen war; vgl. auch die umfangreiche ältere Kasuistik in HANS FLEISCHLI, Die Mehrbelastung nach
Art. 739 ZGB
, Diss. Freiburg 1980, S. 175 ff.). Unter Berücksichtigung der Zurückhaltung, die sich das Bundesgericht bei Ermessensfragen auferlegt, kann im vorliegenden Fall nicht von einer unzulässigen Mehrbeanspruchung der Dienstbarkeit die Rede sein. | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
67238f42-c4c3-464c-9155-e18682241a43 | Urteilskopf
141 III 270
39. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.A. et B.A. contre C.B. et consorts (recours en matière civile)
5A_878/2014 du 17 juin 2015 | Regeste
Art. 126 Abs. 1 ZPO
i.V.m.
Art. 321 Abs. 2 ZPO
; Beschwerdefrist gegen einen Sistierungsentscheid, fehlerhafte Belehrung über die Beschwerdefrist.
Die Sistierungsentscheide im Sinne von
Art. 126 Abs. 1 ZPO
fallen unter die Kategorie der prozessleitenden Verfügungen und unterliegen der zehntägigen Beschwerdefrist von
Art. 321 Abs. 2 ZPO
. Das Vertrauen des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers in die fehlerhafte Belehrung über die Beschwerdefrist wird nicht geschützt, wenn eine systematische Lektüre des Gesetzes genügte, um den Fehler zu erkennen (E. 3.3). | Sachverhalt
ab Seite 271
BGE 141 III 270 S. 271
A.
A.a
Le 18 septembre 2007, le Président du Tribunal d'arrondissement de La Côte a prononcé la faillite de F. SA, avec effet au 1
er
octobre 2007. Ce jugement a été confirmé par arrêt de la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois du 31 janvier 2008, la faillite prenant effet à cette date.
A.A. et B.A. ont produit diverses créances dans la faillite, admises à l'état de collocation.
Parmi les actifs de la société faillie, l'administration de la masse a inventorié les droits découlant d'une action révocatoire au sens des
art. 285 ss LP
dirigée contre C.B. et D.B. et portant sur le remboursement d'un prêt aux actionnaires à hauteur de 380'000 fr., ainsi que sur les droits de l'action en responsabilité selon les
art. 752 ss CO
à l'encontre de tous les responsables de la société, dont D.B.
Le 29 janvier 2010, la masse en faillite de F. SA en liquidation a saisi le Juge de paix du district de Morges (ci-après: Juge de paix) d'une requête de conciliation dirigée contre C.B. et D.B. ainsi que d'une requête de conciliation dirigée contre E. Ltd et portant sur l'action révocatoire précitée.
Par avis du 8 juillet 2010, le Juge de paix a pris acte de la cession des droits de la masse en faillite de F. SA en liquidation en faveur de A.A. et B.A.
A.b
Le 30 décembre 2010, A.A. et B.A. ont déposé devant le Juge de paix une requête de conciliation à l'encontre de C.B. et D.B. Acte de non-conciliation leur a été délivré le 13 avril 2011.
Le 20 janvier 2011, A.A. et B.A. ont déposé devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois une demande à l'encontre de E. Ltd. Le
BGE 141 III 270 S. 272
5 août 2011, ils ont adressé à celle-ci deux demandes à l'encontre de C.B. et D.B. La jonction de ces trois causes est intervenue par décision du juge instructeur du 10 juin 2013.
A.c
Le 18 octobre 2013, C.B., D.B. et E. Ltd ont déposé une requête en suspension de cause.
Par jugement incident du 5 mars 2014, notifié aux parties le 22 mai 2014, le Juge instructeur de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a admis la requête incidente déposée le 18 octobre 2013 par C.B., D.B. et E. Ltd et a suspendu la cause jusqu'à droit connu sur l'instance pénale diligentée par le Procureur de l'arrondissement de La Côte dans la cause X.
A.d
Le 19 juin 2014, A.A. et B.A. ont interjeté recours contre ce jugement devant la Chambre des recours civile du Tribunal cantonal vaudois, concluant à ce qu'il soit modifié en ce sens que la requête incidente déposée le 18 octobre 2013 par C.B., D.B. et E. Ltd est rejetée.
A.e
Par arrêt du 31 juillet 2014, notifié aux parties le 7 octobre 2014, la Chambre des recours civile du Tribunal cantonal vaudois a déclaré le recours irrecevable pour cause de tardiveté.
B.
Par arrêt du 17 juin 2015, le Tribunal fédéral a rejeté, dans la mesure de sa recevabilité, le recours en matière civile interjeté par A.A. et B.A. contre cet arrêt, lesquels concluaient à son annulation et à ce que l'autorité précédente soit invitée à entrer en matière sur leur recours du 19 juin 2014 et à rendre un "jugement" sur recours.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants :
3.
3.3
Dans le cas particulier, il convient d'examiner si, conseillés par un avocat, les recourants auraient dû comprendre à la seule lecture de la loi que le délai de recours contre une décision de suspension au sens de l'
art. 126 al. 1 CPC
était de dix jours en vertu de l'
art. 321 al. 2 CPC
.
Il sera d'emblée relevé que la question de l'application de l'
art. 405 al. 1 CPC
au jugement incident du 5 mars 2014 ne saurait être discutée dans le cadre du présent recours faute d'épuisement du grief (cf. consid. 2.2 non publié). En effet, alors même que le jugement précité permettait de remettre en cause devant la cour cantonale l'application - prétendument erronée - du CPC à la voie de droit, les
BGE 141 III 270 S. 273
recourants n'ont nullement soulevé cette question dans leur recours du 19 juin 2014. Au demeurant, la solution adoptée par les instances cantonales ne prête pas le flanc à la critique (cf.
ATF 138 III 41
consid. 1.2.2 et les arrêts cités). Il s'ensuit que seule la question du délai applicable au recours est pertinente pour l'issue du litige.
La cour cantonale a, à juste titre, retenu que les décisions de suspension, au sens de l'
art. 126 al. 1 CPC
, entrent dans la catégorie des ordonnances d'instruction ("prozessleitende Verfügung"; "disposizione ordinatoria processuale") et sont, partant, soumises au délai de recours de dix jours de l'
art. 321 al. 2 CPC
. Une telle solution résulte incontestablement de la jurisprudence (cf.
ATF 138 III 705
consid. 2.1; dans la jurisprudence cantonale, parmi plusieurs: TC VD: arrêt du 9 mars 2012, in JdT 2012 III p. 132 cité par JEAN-LUC COLOMBINI, Condensé de la jurisprudence fédérale et vaudoise relative à l'appel et au recours en matière civile, JdT 2013 III p. 131 ss, 161; TC NE: ARMC.2014.38 du 7 août 2014 consid. 1a; TC JU: CC 20/2013 du 12 avril 2013; TC GR: ZK2 13 14 du 2 décembre 2012 consid. 3a; cf. ég. avant l'entrée en vigueur du CPC: arrêt 5A_276/2010 du 10 août 2010 consid. 2.2 et le commentaire de cet arrêt par MICHEL HEINZMANN, in DC 2010 p. 186). Le critère déterminant est toutefois exclusivement celui du texte légal, contrairement à ce que les juges précédents et les intimés semblent considérer. L'examen de la jurisprudence topique, quand bien même celle-ci serait "abondante" ou "publiée aux ATF, ainsi qu'au Journal des Tribunaux", n'a en effet aucune portée pour juger de la bonne foi du recourant (cf. consid. 3.2 non publié).
L'
art. 126 CPC
se trouve au Chapitre 1 du Titre 9 du CPC relatif à la "conduite du procès " ("Prozessleitung"; "Direzione del processo") qui traite des "décisions d'instruction" ("prozessleitende Verfügungen"; "disposizioni ordinatorie") comme l'
art. 124 al. 1 CPC
l'indique expressément. Il ne fait donc aucun doute que l'"ordonnance de suspension" ("Sistierung"; "decisione di sospensione") visée par l'
art. 126 al. 2 CPC
ne peut être autre chose qu'une "ordonnance d'instruction" au sens de l'
art. 321 al. 2 CPC
. Il en résulte que la confiance que les recourants ont placée dans l'indication erronée du délai de recours donnée par le Juge instructeur de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois n'a pas à être protégée, comme la cour cantonale l'a correctement constaté. Une lecture systématique de la loi suffisait en effet à déceler l'erreur commise par le premier juge. Il suit de là que le grief, infondé, doit être rejeté. | null | nan | fr | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
672710ce-532b-4121-a138-fec76506e057 | Urteilskopf
119 V 171
25. Arrêt du 25 août 1993 dans la cause X contre Caisse cantonale valaisanne de compensation et Tribunal des assurances du canton du Valais | Regeste
Art. 7 Abs. 1 IVG
, Art. 32 Abs. 1 lit. e des Übereinkommens Nr. 128 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und Art. 68 lit. f der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit (EOSS): Leistungskürzung infolge Grobfahrlässigkeit.
Die Kürzungsregeln der beiden Abkommen sind direkt anwendbar und setzen sich auch bei Anwendung von
Art. 7 Abs. 1 IVG
durch. Folglich sind die bisherigen Leistungskürzungen bei Grobfahrlässigkeit durch den Versicherten nicht mehr möglich (Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 171
BGE 119 V 171 S. 171
A.-
X, né en 1933, marié, est atteint d'éthylisme chronique apparemment contracté dans l'exercice de la profession de cafetier-restaurateur et qui a entraîné une diminution de la capacité de travail significative à partir de 1978 en tout cas.
BGE 119 V 171 S. 172
X a requis des prestations de l'assurance-invalidité en mars 1984. Se fondant sur un prononcé de la commission de l'assurance-invalidité qui avait fixé le taux d'invalidité à 50 pour cent, la Caisse cantonale valaisanne de compensation lui a alloué, par décisions des 23 juillet et 27 novembre 1985, une demi-rente simple, assortie de deux demi-rentes complémentaires pour l'épouse et une fille, à partir du 1er juin 1984. La rente de l'ayant droit fut toutefois réduite de 50 pour cent pour faute grave, au motif que les troubles de santé à l'origine de l'invalidité provenaient de l'éthylisme chronique.
B.-
Par la suite, le médecin traitant de l'assuré ayant attesté que son patient était devenu abstinent, la commission de l'assurance-invalidité, à l'issue d'une procédure de révision du droit à la rente, a maintenu le taux d'invalidité de 50 pour cent, mais supprimé à dater du 1er septembre 1986 la réduction pour faute grave. En conséquence, par décision du 24 avril 1987, la caisse de compensation alloua à X une demi-rente simple non réduite, dès le 1er septembre 1986.
L'épouse de l'assuré ayant atteint l'âge de 62 ans le 26 mars 1988, la caisse de compensation accorda une rente entière de couple à l'assuré, à partir du 1er mars 1988.
Le droit à la rente d'invalidité fut révisé et confirmé par un prononcé du secrétariat de l'assurance-invalidité du 6 mars 1990.
C.-
Le 12 août 1991, l'assuré déclara par écrit, dans un document intitulé "procuration", qu'il autorisait son médecin traitant "à entreprendre les démarches nécessaires pour l'obtention d'une rente AI complète". La commission de l'assurance-invalidité considéra ce document comme une demande de révision du droit à la rente d'invalidité. A l'issue de l'instruction de cette demande, constatant que l'état de santé de l'assuré s'était aggravé parallèlement à une récidive de l'éthylisme chronique, elle fixa le degré d'incapacité de gain à 74 pour cent à partir du 1er avril 1992, mais réduisit la rente d'invalidité de 35 pour cent pour faute grave.
En conséquence, par décision du 19 février 1992, la caisse alloua à l'assuré une demi-rente de couple réduite de 35 pour cent et à son épouse une demi-rente de couple non réduite, dès le 1er avril 1992.
D.-
X a recouru contre cette décision en contestant toute réduction de son droit à la rente. Par jugement du 8 juin 1992, le Tribunal des assurances du canton du Valais a rejeté le recours.
E.-
X interjette un recours de droit administratif dans lequel il conclut derechef à la reconnaissance de son droit à une rente d'invalidité non réduite.
BGE 119 V 171 S. 173
La caisse de compensation conclut implicitement au rejet du recours. Au terme de son préavis, l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) déclare s'en remettre à justice.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon l'
art. 33 LAI
, ont droit à la rente d'invalidité pour couple entière, notamment, les hommes invalides mariés dont l'épouse a 62 ans révolus. En d'autres termes, lorsque cette dernière condition est remplie, il suffit que le mari puisse prétendre une rente d'invalidité - peu importe qu'il s'agisse d'un quart de rente, d'une demi-rente ou d'une rente entière (
art. 28 al. 1 LAI
) - pour avoir droit à une rente pour couple entière (cf. aussi le tableau 2 annexé au message du Conseil fédéral concernant la deuxième révision de l'AI, du 21 novembre 1984, FF 1985 I 86 ou RCC 1985 p. 10).
Par conséquent, contrairement à ce qu'il semble avoir cru lorsqu'il chargea son médecin traitant d'entreprendre des démarches en vue d'obtenir une rente "complète", le recourant ne pouvait toucher plus que la rente de couple entière qu'il recevait déjà depuis le 1er mars 1988, même si, par hypothèse, le degré de son invalidité avait augmenté. C'est pourquoi, si la commission de l'assurance-invalidité s'était bornée à se prononcer sur le taux d'invalidité de l'assuré, sans remettre en cause le droit de ce dernier à une rente d'invalidité, la juridiction cantonale aurait dû refuser d'entrer en matière sur un recours de l'assuré contre la décision ultérieure de la caisse de compensation, faute d'intérêt digne de protection du recourant (
ATF 115 V 418
consid. 3b/aa,
ATF 106 V 92
consid. 1).
Toutefois, dans le cas particulier, la commission de l'assurance-invalidité n'a pas seulement fixé l'invalidité à un degré plus élevé (74 pour cent au lieu de 50 pour cent) - ce qui en soi, on vient de le voir, n'a aucune incidence sur la quotité de la rente - mais elle a aussi réduit de 35 pour cent le droit propre du recourant sur la moitié de la rente de couple qui lui est allouée (v. sur ce dernier point ATFA 1962 p. 106 consid. 4a; RCC 1990 pp. 309 ss consid. 4b). Ce dernier a, dès lors, un intérêt digne de protection à recourir.
2.
a) Selon l'
art. 7 al. 1 LAI
, les prestations en espèces peuvent être refusées, réduites ou retirées, temporairement ou définitivement, à l'assuré qui a intentionnellement ou par faute grave, ou en commettant un crime ou un délit, causé ou aggravé son invalidité.
BGE 119 V 171 S. 174
Par cette disposition, l'on vise à empêcher que l'assurance-invalidité ne soit par trop mise à contribution pour couvrir les dommages que les intéressés auraient pu éviter en faisant preuve de la prudence nécessaire. Ce but est atteint en privant l'assuré de l'intégralité ou d'une partie des prestations, proportionnellement à la faute commise (
ATF 111 V 187
consid. 2a; RCC 1990 p. 308 consid. 2a).
b) Dans les cas d'abus d'alcool, il y a faute grave lorsque l'assuré était en mesure de comprendre à temps, en disposant d'une instruction moyenne et en faisant preuve de la prudence qu'on pouvait attendre de lui, que l'abus de boissons alcooliques des années durant risquait de porter une atteinte grave à sa santé, et qu'il aurait été capable de s'abstenir, en conséquence, de tels abus (
ATF 111 V 189
consid. 2c; RCC 1990 p. 308 consid. 2b).
Le fait de causer ou d'aggraver son invalidité par sa propre faute n'entraîne pas, en principe, la suppression totale des prestations en espèces, mais seulement une réduction appropriée de celles-ci. Le taux de réduction est déterminé uniquement d'après la faute commise par l'assuré (
ATF 111 V 196
consid. 5a,
ATF 104 V 2
consid. 2b,
ATF 97 V 229
consid. 1b; voir aussi
ATF 106 V 23
consid. 1a et les arrêts cités).
En pratique, on considère comme justifiée une réduction de 50 pour cent au plus lorsque l'invalidité a été causée uniquement par l'alcoolisme et que l'assuré en est entièrement responsable. Si ce dernier présente encore une autre atteinte à la santé qui a contribué à provoquer l'invalidité, il faut examiner les relations des divers facteurs ayant entraîné celle-ci; on tiendra alors compte de l'alcoolisme, en tant que facteur de causalité, pour fixer la quotité de la réduction (
ATF 111 V 196
consid. 5a; RCC 1990 p. 308 consid. 2b; ECHENARD, Les risques exclus de l'AVS/AI, in: IRAL, Colloque de Lausanne 1989, Risques totalement ou partiellement exclus de l'assurance sociale [y compris la prévoyance professionnelle], p. 11).
3.
a) Aux termes de l'art. 32
§ 1 let
. e de la Convention OIT no 128 concernant les prestations d'invalidité, de vieillesse et de survivants du 29 juin 1967, en vigueur pour la Suisse depuis le 13 septembre 1978 (RO 1978 II 1493) et de l'
art. 68 let
. f du Code européen de sécurité sociale (CESS) du 16 avril 1964, en vigueur pour notre pays depuis le 17 septembre 1978 (RO 1978 II 1518), les prestations d'assurances sociales auxquelles une personne aurait droit peuvent être "suspendues", c'est-à-dire refusées, réduites ou retirées, lorsque l'éventualité a été provoquée "par une faute grave et intentionnelle",
BGE 119 V 171 S. 175
selon la Convention no 128, ou "par une faute intentionnelle de l'intéressé", selon le CESS.
Ces normes internationales visent notamment les prestations d'assurance selon la LAI (partie II de la Convention OIT no 128 et partie IX CESS; cf. RAMA 1989 no U 63 p. 56, consid. 4c non publié dans
ATF 114 V 315
).
b) Dans l'arrêt Courtet du 23 octobre 1985 (
ATF 111 V 201
), le Tribunal fédéral des assurances a jugé, contre l'avis de la doctrine dominante (VILLARS, Le Code européen de sécurité sociale et le Protocole additionnel, 1979, p. 16; BERENSTEIN, La Suisse et le développement international de la sécurité sociale, SZS 1981 p. 186; GREBER, Droit suisse de la sécurité sociale, 1982, p. 228), que ces dispositions conventionnelles ne sont pas directement applicables ("self-executing"); elles ne font donc pas obstacle à une réduction d'une rente d'invalidité en raison d'une faute grave non intentionnelle commise par l'assuré.
Le recourant, ainsi qu'il l'avait déjà fait en première instance, conteste le bien-fondé de cette jurisprudence. Il fait valoir qu'elle a été condamnée par la doctrine unanime, ce qui lui paraît une raison suffisante pour l'abandonner.
c) L'arrêt Courtet a suscité, en effet, de nombreux commentaires et critiques en doctrine.
Le premier auteur à s'être exprimé à son sujet semble avoir été le professeur MAURER. Dans un article paru dans la Neue Zürcher Zeitung le 2 juillet 1986, l'auteur - qui avait déjà antérieurement exprimé des réserves au sujet de la jurisprudence en matière de réduction des rentes d'invalidité pour faute grave, notamment dans les cas d'alcoolisme (Fragwürdige Kürzungen der Invalidenrenten wegen grober Fahrlässigkeit, SZS 1984 pp. 65 ss, spéc. p. 87) - préconise des directives de l'autorité fédérale de surveillance afin, écrit-il, d'éviter à la Suisse de violer plus longtemps ses engagements internationaux (voir aussi, du même auteur, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Ergänzungsband, p. 65 et Bundessozialversicherungsrecht, 1993, p. 21; le commentaire précité dans la NZZ est assez longuement évoqué par FISCHLI dans sa chronique annuelle de jurisprudence, in: RJB 123 [1987] pp. 576 ss).
Un autre commentaire consacré à cet arrêt s'inquiète aussi du refus par le Tribunal fédéral des assurances d'appliquer les normes de droit international, qui, de l'avis de son auteur, rend illusoires les engagements pris par la Suisse en ce domaine (DESPLAND, Droit des assurances sociales et conventions internationales: A propos d'un arrêt
BGE 119 V 171 S. 176
du Tribunal fédéral des assurances, Journal de la Fédération suisse des employés d'assurances sociales [FEAS] no 3/1986 pp. 4 ss).
Dans un article intitulé "L'applicabilité directe des traités internationaux en Suisse: histoire d'un détour inutile" (ASDI, vol. XLV [1989] pp. 129 ss), JACOT-GUILLARMOD, après avoir résumé l'argumentation du Tribunal fédéral des assurances, qualifie celle-ci d'"inquiétante", parce "qu'elle s'écarte délibérément d'un texte clair au profit de considérations politico-juridiques"; à cet égard, il estime que le tribunal a accordé trop de poids au préavis de l'OFAS "qui était, en l'espèce, juge et partie, puisqu'il avait participé aux négociations" (loc.cit., p. 139). Dans une autre étude (Strasbourg, Luxembourg, Lausanne et Lucerne: méthodes d'interprétation comparées de la règle internationale conventionnelle, in: Les règles d'interprétation. Principes communément admis par les juridictions, Fribourg 1989, pp. 109 ss), ce même auteur reproche à nouveau au tribunal, à la lumière cette fois des principes d'interprétation consacrés par la Convention de Vienne, d'avoir donné la préférence à la règle de droit interne, quand bien même la règle internationale remplissait en l'occurrence toutes les conditions de l'applicabilité directe (loc.cit., pp. 112 ss).
Plusieurs autres auteurs se sont exprimés dans un sens analogue ou se sont joints à ces critiques (SPIRA, L'application du droit international de la sécurité sociale par le juge, in: Mélanges Berenstein, Lausanne 1989, pp. 475 ss; GREBER, Le principe de la légalité considéré en droit suisse de la sécurité sociale, in: Le droit des assurances sociales en mutation, Mélanges pour le 75e anniversaire du TFA, pp. 273 ss, à partir du no 53; BERENSTEIN, Le droit international de la sécurité sociale dans la jurisprudence du Tribunal fédéral des assurances, étude également publiée dans les Mélanges pour le 75e anniversaire du TFA, pp. 13 ss; MEYER-BLASER, Die Bedeutung von Art. 4 BV für das Sozialversicherungsrecht, RDS 1992 [111] II 446; CATTANEO, Les mesures préventives et de réadaptation de l'assurance-chômage, thèse Genève, 1992, pp. 143 s.; DUC, Droit social européen. Quelques aspects, in: L'espace social européen. Colloque de Lausanne 1992, IRAL, 1993, p. 24; AGIER, La réduction des rentes d'invalidité ... des toxicomanes, SZS 1988 pp. 122 ss; voir aussi les remarques de SCARTAZZINI, in: Les rapports de causalité dans le droit suisse de la sécurité sociale, thèse Genève, 1991, p. 252 s.).
4.
a) L'arrêt Courtet ne met pas en cause la jurisprudence constante du Tribunal fédéral des assurances qui donne au droit international conventionnel de la sécurité sociale la primauté sur le droit
BGE 119 V 171 S. 177
national (consid. 2b, p. 202; voir également, dans la jurisprudence récente:
ATF 118 V 79
,
ATF 117 V 268
,
ATF 115 V 16
; dans le même sens: J.-F. AUBERT, Un droit social encadré, RDS 1991 [110] I 162 no 18; GREBER, Sécurité sociale, in: Le droit suisse et le droit communautaire: convergences et divergences, Zurich 1990, pp. 630 ss).
Au demeurant, sur un plan plus général, le principe de la primauté du droit international n'est plus guère contesté aujourd'hui, en particulier s'agissant de l'application des art. 113 al. 3 et 114bis al. 3 Cst. (
ATF 118 Ib 281
consid. 3b,
ATF 117 Ib 372
consid. 2e et les références; Publication commune de l'Office fédéral de la justice et de la Direction du droit international public, du 26 avril 1989, intitulée "Rapports entre le droit international et le droit interne au sein de l'ordre juridique suisse", JAAC 53/IV [1989] no 54 p. 460 ad § 13b; KRAFT, Quelques observations sur l'attitude de la Suisse à l'égard du droit international, in: Mélanges Grossen, pp. 429 ss, spéc. p. 433; voir également les art. 26 et 27 de la Convention de Vienne sur le droit des traités, du 23 mai 1969, entrée en vigueur pour la Suisse le 6 juin 1990 [RS 0.111; RO 1990 1112]; contra, mais très minoritaire: SEILER, Das völkerrechtswidrige Bundesgesetz; Artikel 113 Absatz 3 BV im Verhältnis zu Völkerrecht, EG und EWR, RSJ 1992, pp. 377 ss).
Certains auteurs ont d'autre part vu dans l'arrêt Courtet une confirmation de l'arrêt Schubert (
ATF 99 Ib 39
plus spéc. p. 44 consid. 4), selon lequel une exception à la prééminence du droit international doit être admise lorsque le législateur, en toute connaissance de cause, a voulu s'écarter de la norme internationale en édictant une norme qui la viole (exception rappelée récemment dans l'arrêt
ATF 118 Ib 281
consid. 3b). Mais l'opinion de ces auteurs (par ex.: CAFLISCH, ASDI 1986 p. 43; ZIMMERMANN, Le contrôle préjudiciel en droit fédéral et dans les cantons suisses, thèse Genève, 1987, p. 102) n'est pas justifiée, le tribunal ayant expressément admis (p. 204) qu'en l'occurrence - et contrairement à la situation examinée dans l'arrêt Schubert - on ne pouvait déduire des travaux préparatoires une volonté délibérée du législateur d'accorder la préférence au droit national en dépit des engagements internationaux de la Suisse.
b) Cela étant, pour autant qu'elles apparaissent directement applicables, les règles conventionnelles sont susceptibles d'imposer des obligations et de conférer des droits non seulement aux autorités, mais également aux particuliers. Cela implique qu'elles soient suffisamment précises et claires pour constituer le fondement d'une décision concrète. Inversement, l'applicabilité directe doit être
BGE 119 V 171 S. 178
déniée aux normes qui se bornent à esquisser la réglementation d'une matière ou aménagent un pouvoir d'appréciation considérable; de telles normes s'adressent en priorité au législateur national (
ATF 118 Ia 117
,
ATF 116 Ib 303
,
ATF 112 Ib 184
et la doctrine citée; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, pp. 119 sv.; JACOT-GUILLARMOD, L'applicabilité directe ..., pp. 132 ss; DUPUY, Droit international public, Précis Dalloz, Paris 1992, pp. 297 ss).
En l'espèce, la Convention OIT no 128 et le CESS contiennent tout à la fois des dispositions qui fixent des lignes directrices en matière de sécurité sociale et des règles à caractère "self-executing" (Berenstein, Le droit international de la sécurité sociale ..., p. 17). Presque tous les auteurs suisses qui se sont exprimés à ce sujet - en particulier ceux qui ont commenté l'arrêt Courtet - soutiennent que parmi cette seconde catégorie de dispositions figurent les art. 32
§ 1 let
. e de la Convention OIT no 128 et 68 let. f CESS (par exemple: BERENSTEIN, ibidem; GREBER, Le principe de la légalité ..., p. 274, no 55; SPIRA, loc.cit., p. 475). Leur opinion emporte la conviction: selon les règles conventionnelles, une faute grave non intentionnelle ne permet pas la "suspension" (et donc, en particulier, une réduction) des prestations d'assurance. Ces règles n'exigent pas l'adoption par le législateur national de normes plus précises d'exécution; elles peuvent au contraire s'appliquer comme telles et constituer le fondement d'une décision concrète.
En conséquence, la jurisprudence critiquée ne peut pas être maintenue. Les normes de droit international sont en l'occurrence directement applicables. Elles l'emportent sur l'
art. 7 al. 1 LAI
, dans la mesure où cette norme du droit fédéral permet, notamment, la réduction de prestations pour une faute grave commise par négligence.
c) Au demeurant, dans l'arrêt Courtet, le tribunal n'a pas considéré que lesdites normes conventionnelles étaient imprécises ou peu claires. Il a tiré argument, pour l'essentiel, du fait que le législateur fédéral - non qu'il eût sciemment refusé de respecter les obligations internationales de la Suisse (cf. supra let. a) - avait maintenu, dans la nouvelle LAA, le principe d'une réduction des prestations (en espèces seulement) en cas d'accident provoqué par une négligence grave (
art. 37 al. 2 LAA
) et que, par ailleurs, il n'avait pas prévu de modifier l'
art. 7 al. 1 LAI
à l'occasion de la deuxième révision de l'AI alors en cours (les dispositions de la loi révisée sont entrées en vigueur, pour la plupart d'entre elles, le 1er janvier 1988); le tribunal a accordé aussi un poids tout particulier au fait que la
BGE 119 V 171 S. 179
réduction pour faute grave non intentionnelle était un principe profondément ancré dans le droit fédéral des assurances sociales.
Mais cette motivation a perdu de sa justification. Le projet de loi sur la partie générale du droit des assurances sociales, adopté par le Conseil des Etats au cours de sa session d'automne 1991 (BO 1991 CdE II 773 ss), prévoit de limiter le refus ou la réduction des prestations aux cas où la réalisation du risque est provoquée intentionnellement ou par un comportement délictueux (art. 27; FF 1991 II 188), pour tenir compte, justement, des règles du droit conventionnel (FF 1991 II 250). Pour la même raison, la nouvelle loi sur l'assurance militaire du 19 juin 1992 (FF 1992 III 880 ss), qui entrera prochainement en vigueur, contient une semblable limitation à son art. 65 (voir le message du Conseil fédéral, FF 1990 III 236 s.).
d) Quant aux conséquences du présent changement de jurisprudence dans d'autres régimes d'assurance sociale, elles n'ont pas à être examinées ici. Il convient, bien plutôt, d'en réserver l'examen de cas en cas. Pour le moment, l'on se contentera de rappeler, en ce qui concerne l'assurance-accidents, que cette nouvelle jurisprudence ne fait pas obstacle à une réduction des prestations pour négligence grave en cas d'accident non professionnel. En effet, les normes de droit international applicables en matière d'assurance-accidents visent uniquement les accidents du travail et ne s'appliquent donc pas aux accidents non professionnels (art. 31 de la convention OIT no 102 et
art. 31 CESS
;
ATF 118 V 309
consid. 4).
5.
Admettant, sur le vu de la restriction apportée par les deux règles du droit international à considérer, que seule une faute grave et intentionnelle permet de réduire la part de la rente de couple revenant au recourant, en application de l'
art. 7 al. 1 LAI
, il convient de se demander maintenant si cette double condition est remplie dans le cas particulier.
L'évolution qui a conduit le recourant à devenir un alcoolique chronique est retracée dans un rapport d'expertise du professeur A., du 2 décembre 1991. Il s'agit d'un cas classique de ce que l'expert lui-même qualifie d'"alcoolisme professionnel" chez un cafetier qui a débuté dans cette activité professionnelle en 1970 et a dû changer d'occupation lucrative à partir de 1980. Aucun élément du dossier ne permet de conclure à l'existence, chez le recourant, d'une volonté délibérée et consciente (SCHAER, Das Verschulden als Zurechnungskriterium, in: SCHAER/DUC/KELLER, La faute au fil de l'évolution du droit de l'assurance privée, sociale et de la responsabilité civile, Bâle 1992, pp. 23 ss) de s'adonner à l'alcool dans une mesure
BGE 119 V 171 S. 180
propre à provoquer un état maladif d'une telle gravité. On peut d'ailleurs se demander si, dans les cas d'alcoolisme ou de tabagisme chronique, il est possible de réaliser l'état de fait de la faute intentionnelle. Jusqu'à présent en tout cas, la jurisprudence a toujours considéré les cas de réduction des prestations pour abus d'alcool ou de nicotine sous l'angle, uniquement, de la négligence grave (voir par ex.
ATF 111 V 189
consid. 2c,
ATF 104 V 1
consid. 2a, 98 V 31 consid. 1,
ATF 97 V 229
consid. 1b; cf. aussi MAURER, Fragwürdige Kürzungen ..., pp. 74 ss, ainsi que SCHÖN, Juristische Aspekte der Kürzung von Krankenkassenleistungen bei Grobfahrlässigkeit, Zeitschrift für öffentliche Fürsorge 1990 pp. 173 ss).
Quoi qu'il en soit, s'il faut admettre que le comportement du recourant, considéré dans son ensemble, procède d'une faute grave, en raison de la durée de la consommation abusive d'alcool et de l'échec - attesté par le dossier - de tous les traitements de désintoxication, en revanche, cette faute ne peut être considérée comme intentionnelle, même par dol éventuel. Au reste, il est certain, sur le vu du dossier, que l'état psychique du recourant s'est fortement dégradé au cours des dernières années et qu'il n'était, très probablement, plus capable de discernement, en ce qui concerne ses habitudes alcooliques, lors des récidives les plus récentes.
6.
En conclusion, il n'y a pas lieu de réduire la moitié de la rente de couple allouée au recourant. Il convient, par conséquent, d'annuler le jugement attaqué et de réformer la décision administrative litigieuse en ce sens que X a droit à la moitié d'une rente de couple non réduite. | null | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
672cf707-99cf-4bdc-9749-fa79f521af1e | Urteilskopf
121 V 51
10. Urteil vom 13. März 1995 i.S. Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen W. und Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung des Kantons Zürich | Regeste
Art. 16 Abs. 1 lit. e und
Art. 24 AVIG
,
Art. 40a AVIV
: Zwischenverdienst; Anspruch auf Differenzausgleich.
- Zur Beurteilung der Frage, ob das von einem Versicherten mit einer Teilzeitbeschäftigung erzielte Einkommen im Sinne von
Art. 16 Abs. 1 lit. e AVIG
lohnmässig zumutbar ist, ist das auf der Grundlage des versicherten Tagesverdienstes gemäss
Art. 40a AVIV
berechnete Taggeld mit dem Bruttotagesverdienst zu vergleichen. Dieser ist bei den im Monatslohn angestellten Versicherten mit dem Divisor 21,7 zu ermitteln. Ist der Bruttotagesverdienst tiefer als das Bruttotaggeld, handelt es sich um Zwischenverdienst mit der Folge, dass die Voraussetzungen für einen Differenzausgleich nach
Art. 24 Abs. 2 und 3 AVIG
erfüllt sind. Andernfalls liegt eine lohnmässig zumutbare Arbeit vor, und für die Annahme eines Zwischenverdienstes bleibt kein Raum. | Sachverhalt
ab Seite 52
BGE 121 V 51 S. 52
A.-
Die 1941 geborene W. arbeitete seit April 1991 im Umfang von 20 Stunden in der Woche als kaufmännische Angestellte bei der Firma I. AG. Ihr Lohn belief sich auf Fr. 2'900.-- im Monat, zuzüglich 13. Monatslohn. Auf Ende 1992 kündigte die I. AG das Anstellungsverhältnis. Ab Dezember 1992 war W. für den nämlichen Betrieb noch während 15 Stunden in der Woche (37,5% einer Vollzeitbeschäftigung) tätig, wobei ihr Bruttomonatsgehalt ab Januar 1993 Fr. 2'240.35, zuzüglich 13. Monatslohn, betrug. Am 14. Dezember 1992 stellte sie Antrag auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Dezember 1992. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich rechnete das mit der reduzierten Arbeitszeit erzielte Einkommen als Zwischenverdienst an und vergütete der Versicherten für den Monat Januar 1993 eine Arbeitslosenentschädigung in Höhe von Fr. 486.35. Laut Abrechnung vom 13. März 1993 ergab sich für den Monat Februar 1993 kein Entschädigungsanspruch, worauf sich W. am 23. März 1993 an die Arbeitslosenkasse wandte und geltend machte, ihr Lohnausfall für diesen Monat betrage Fr. 714.05, weshalb ihr eine Arbeitslosenentschädigung von Fr. 571.25 (80% von Fr. 714.05) zustehe. Mit Schreiben vom 30. März 1993 teilte die Arbeitslosenkasse der Versicherten mit, eine Differenzzahlung könne nur geleistet werden, wenn das Ersatzeinkommen geringer sei als die ihr für den entsprechenden Monat zustehende Arbeitslosenentschädigung, und erläuterte die Abrechnung vom 13. März 1993 wie folgt: "Die mögliche Arbeitslosenentschädigung für den Februar 1993 beträgt Fr. 2'316.-- (20 x Fr. 115.80). Der Zwischenverdienst von Fr. 2'426.95 übersteigt die mögliche Arbeitslosenentschädigung, weshalb keine Differenzzahlung möglich ist".
BGE 121 V 51 S. 53
B.-
In Gutheissung der von W. eingereichten Beschwerde hob die Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung des Kantons Zürich die Taggeldabrechnung vom 13. März 1993 auf und verpflichtete die Arbeitslosenkasse, der Versicherten für den Monat Februar 1993 einen Differenzausgleich von Fr. 571.76 zu bezahlen (Entscheid vom 29. September 1993).
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragte das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA), der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zu neuer Entscheidung an die kantonale Rekurskommission zurückzuweisen.
W. schloss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während die Arbeitslosenkasse das Rechtsbegehren des BIGA unterstützte.
In einer weiteren Eingabe vom 17. März 1994 äusserte sich W. nochmals zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, worauf das Eidg. Versicherungsgericht einen zweiten Schriftenwechsel anordnete und den Parteien Gelegenheit einräumte, zu einem Berechnungsmodell Stellung zu nehmen, welches für die Prüfung des Anspruchs auf Differenzausgleich vom versicherten Tagesverdienst ausgeht.
Auf die nachfolgend eingereichten Stellungnahmen der Parteien wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen Bezug genommen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Abrechnung vom 13. März 1993, mit welcher die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich der Beschwerdegegnerin eröffnete, dass ihr für den Monat Februar 1993 keine Arbeitslosenentschädigung zustehe, kommt in Verbindung mit dem Schreiben vom 30. März 1993, in dem die Verwaltung die Abrechnung erläuterte, trotz Fehlens formeller Verfügungsmerkmale materiell Verfügungscharakter zu (
BGE 111 V 252
Erw. 1b). Denn sie stellt eine behördliche Anordnung dar, durch welche verbindlich festgelegt wird, dass die Versicherte für die in Frage stehende Kontrollperiode keine Arbeitslosenentschädigung beanspruchen kann. Die Vorinstanz ist daher zu Recht auf die hiegegen eingereichte Beschwerde eingetreten.
2.
Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt gemäss
Art. 8 Abs. 1 lit. b AVIG
u.a. voraus, dass der Versicherte einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat. Der Arbeitsausfall ist nach
Art. 11 Abs. 1 AVIG
anrechenbar, wenn er einen Verdienstausfall zur Folge hat und mindestens zwei aufeinanderfolgende volle Arbeitstage dauert.
BGE 121 V 51 S. 54
Gemäss
Art. 24 AVIG
(in der seit 1. Januar 1992 in Kraft stehenden Fassung) gilt als Zwischenverdienst jedes Einkommen aus unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, das der Arbeitslose innerhalb einer Kontrollperiode erzielt (Abs. 1). Der Versicherte hat Anspruch auf 80% des Verdienstausfalls, solange die Höchstzahl der Taggelder nicht bezogen ist (Abs. 2). Als Verdienstausfall gilt die Differenz zwischen dem in der Kontrollperiode erzielten Zwischenverdienst, mindestens aber dem berufs- und ortsüblichen Ansatz für die betreffende Arbeit, und dem versicherten Verdienst (Abs. 3 Satz 1).
In
BGE 120 V 233
hat das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, dass sämtliche Formen unselbständiger Erwerbstätigkeit, welche bisher unter die verschiedenen Bemessungsnormen oder -grundsätze der Teilzeitarbeit (Art. 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 f. AVIG), des Zwischenverdienstes (altArt. 24 AVIG) und der Ersatzarbeit (altArt. 25 AVIG) subsumiert wurden, Gegenstand des revidierten
Art. 24 AVIG
sind. Dabei hat der Versicherte solange Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalles nach Art. 24 Abs. 1 bis 3 AVIG, als er in der fraglichen Kontrollperiode nicht eine zumutbare Arbeit im Sinne von
Art. 16 AVIG
aufnimmt. Nimmt der Versicherte während der streitigen Kontrollperiode eine - insbesondere lohnmässig - zumutbare Arbeit auf, mithin eine Tätigkeit, die ihm ein Einkommen verschafft, welches zumindest dem Betrag der Arbeitslosenentschädigung entspricht, bleibt für die Annahme eines Zwischenverdienstes kein Raum. Diese Grundsätze wurden in
BGE 120 V 502
bestätigt.
3.
a) Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin für den Monat Februar 1993 Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung in Form eines Differenzausgleiches hat. Dies hängt davon ab, ob das Einkommen, das sie mit der im Sinne von Art. 16 Abs. 1 lit. a bis d unbestrittenermassen zumutbaren Teilzeittätigkeit bei der Firma I. AG erzielt, die Zumutbarkeitsgrenze gemäss
Art. 16 Abs. 1 lit. e AVIG
unterschreitet, weil nur in diesem Fall von einem Zwischenverdienst im Sinne von
Art. 24 Abs. 1 AVIG
gesprochen werden kann, der Anspruch auf Differenzausgleich gemäss
Art. 24 Abs. 2 und 3 AVIG
gibt. Für die Beurteilung der Frage, ob einem teilweise Arbeitslosen eine Teilzeitbeschäftigung lohnmässig zumutbar ist, muss der durch diese Beschäftigung erzielbare Bruttolohn mit der Brutto-Arbeitslosenentschädigung verglichen werden, die ohne diesen Bruttolohn zur Auszahlung gelangen müsste (
BGE 114 V 347
Erw. 2b). In Erw. 3 (S. 349) wird beigefügt, dass dabei der während einer Kontrollperiode
BGE 121 V 51 S. 55
erzielbare Bruttolohn massgebend ist, dem die auf den gleichen Zeitraum entfallende Brutto-Arbeitslosenentschädigung gegenüberzustellen ist.
Im folgenden ist zu prüfen, wie der Vergleich zwischen Bruttolohn und Brutto-Arbeitslosenentschädigung zu erfolgen hat und ob an einem kontrollperiodenbezogenen Vergleich festgehalten werden kann.
b) Die Vorinstanz verglich den der Beschwerdegegnerin ab Januar 1993 ausgerichteten Bruttomonatslohn von Fr. 2'426.95 (einschliesslich Anteil 13. Monatslohn) mit der durchschnittlich zu erwartenden Arbeitslosenentschädigung in der Höhe von Fr. 2'513.33 (80% des versicherten Verdienstes von Fr. 3'141.67). Sie erachtete die Teilzeitbeschäftigung als lohnmässig unzumutbar, weil der damit erzielte Bruttolohn unter der durchschnittlich zu erwartenden Arbeitslosenentschädigung lag, weshalb sie den Anspruch auf Differenzausgleich bejahte.
Das BIGA macht demgegenüber geltend, dem in der entsprechenden Kontrollperiode erzielten Bruttolohn sei die Arbeitslosenentschädigung gegenüberzustellen, auf welche die Versicherte im gleichen Kalendermonat ohne diesen Bruttolohn Anspruch gehabt hätte. Dies führe dazu, dass die Höhe der Arbeitslosenentschädigung von der Anzahl Taggelder und somit von der Anzahl Stempeltage abhängig sei, da je nach Anzahl Wochentage in der betreffenden Kontrollperiode zwischen 20 und 23 Taggelder bezogen werden könnten. Dies habe zur Folge, dass derjenige Versicherte, der einen Zwischenverdienst im Monatslohn erhält, in bestimmten Monaten - wie in casu im Februar mit bloss 20 Bezugstagen - durch die "systemimmanente schwankende finanzielle Zumutbarkeitsgrenze" einen Verdienst erzielen könne, der im Vergleich mit der (monatlich schwankenden) Arbeitslosenentschädigung, die ohne diesen Verdienst zur Auszahlung gelangen müsste, höher sei. Dies wiederum bedeute, dass der Anspruch auf Differenzzahlung, wie hier, infolge der Verrichtung einer zumutbaren Arbeit für die in Frage stehende Kontrollperiode abgelehnt werden müsse.
c) Weder die Lösung der Vorinstanz noch diejenige des BIGA vermögen vollends zu überzeugen, da die Prüfung des Anspruchs auf Differenzausgleich nicht auf der Grundlage von Vergleichsgrössen erfolgt, die auf die nämliche Weise ermittelt werden. Die Rekurskommission vergleicht den fixen Bruttomonatslohn mit der durchschnittlich zu erwartenden Arbeitslosenentschädigung; das BIGA wiederum berücksichtigt einerseits den in der jeweiligen Kontrollperiode erzielten Bruttomonatslohn und
BGE 121 V 51 S. 56
andererseits die von der variablen Anzahl Stempeltage (je nach Kalendermonat 20 bis 23) abhängige Arbeitslosenentschädigung.
4.
a) Eine sachgerechte Lösung, die der Tatsache Rechnung trägt, dass die Kalendermonate eine unterschiedliche Anzahl Stempeltage aufweisen, ergibt sich nur, wenn für Bruttolohn und Brutto-Arbeitslosenentschädigung identische Vergleichsgrössen herangezogen werden. Dabei ist es naheliegend, vom versicherten Tagesverdienst auszugehen, der gemäss
Art. 40a AVIV
ermittelt wird, indem der versicherte Monatsverdienst durch 21,7 geteilt wird. Das Bruttotaggeld beträgt dementsprechend 80% des versicherten Tagesverdienstes. Um eine übereinstimmende Vergleichsgrösse zu erhalten, ist auch der Bruttomonatslohn mit dem gleichen Divisor 21,7 auf einen Tagesverdienst umzurechnen. Ist der Bruttotagesverdienst tiefer als das Bruttotaggeld, handelt es sich um einen Zwischenverdienst mit der Folge, dass die Voraussetzungen für einen Differenzausgleich nach
Art. 24 Abs. 2 und 3 AVIG
erfüllt sind; verhält es sich umgekehrt - der Bruttotagesverdienst ist höher als das Bruttotaggeld -, liegt eine lohnmässig zumutbare Arbeit vor und für die Annahme eines Zwischenverdienstes bleibt kein Raum (
BGE 120 V 233
, 502).
b) Diese Lösungsvariante hat den Vorteil, dass sich das "Schwankungsproblem" nicht mehr stellt, wie das BIGA in der Vernehmlassung vom 31. Oktober 1994 zu diesem Berechnungsmodell zutreffend bemerkt. Sowohl die für die Zwischenverdiensttätigkeit im Stundenlohn bezahlten als auch die im Monatslohn angestellten Versicherten laufen dank diesen Vergleichsgrössen grundsätzlich nicht mehr Gefahr, "Opfer einer schwankenden Zumutbarkeitsgrenze (bei fixem Zwischenverdienst) bzw. eines schwankenden Zwischenverdienstes (bei fixer Arbeitslosenentschädigung)" zu werden, weil kontrollperiodenunabhängige Beträge miteinander verglichen werden.
c) Die vom BIGA aufgrund des Wortlauts von
Art. 16 Abs. 1 lit. e AVIG
geäusserten Bedenken sind unbegründet. Nach dieser Bestimmung ist eine Arbeit zumutbar, wenn sie dem Arbeitslosen einen Lohn einbringt, der nicht geringer ist, als die ihm zustehende Arbeitslosenentschädigung.
Art. 16 Abs. 1 lit. e AVIG
erwähnt nicht ausdrücklich, dass Bruttolohn und Brutto-Arbeitslosenentschädigung kontrollperiodenbezogen miteinander verglichen werden müssen. Vielmehr finden sich in dieser Vorschrift lediglich die Begriffe Lohn und Arbeitslosenentschädigung. Diese können durchaus im Sinne von Tagesverdienst und Taggeld verstanden werden. Soweit
BGE 121 V 51 S. 57
in
BGE 114 V 349
Erw. 3 - ohne nähere Begründung - dargelegt wird, für die Beurteilung der Zumutbarkeit von - die Arbeitslosenentschädigung beendigenden - Teilzeitbeschäftigungen sei der während einer Kontrollperiode erzielbare Lohn massgebend, welchem die auf den gleichen Zeitraum entfallende Brutto-Arbeitslosenentschädigung gegenüberzustellen sei, kann daran nicht festgehalten werden.
Für die vorstehend umschriebene Lösung spricht auch der Umstand, dass die Arbeitslosenentschädigung laut
Art. 21 AVIG
als Taggeld ausgerichtet wird, welches aufgrund des gemäss
Art. 40a AVIV
ermittelten Tagesverdienstes festzulegen ist, und der Versicherte Anspruch nicht auf eine Arbeitslosenentschädigung in Höhe von 80% des versicherten Verdienstes, sondern auf ein Taggeld hat, das 80% des versicherten (Tages-)Verdienstes beträgt (
Art. 22 Abs. 1 Satz 1 AVIG
in der vorliegend anwendbaren, bis Ende März 1993 gültig gewesenen Fassung). Aus diesen Gesetzesbestimmungen erhellt, dass auch unter systematischen Auslegungsgesichtspunkten als Arbeitslosenentschädigung nicht die in einem Kalendermonat bezogene Entschädigung, sondern die auf einen Arbeitstag umgerechnete Entschädigung (Taggeld) gilt. Die Anwendung des einheitlichen Divisors 21,7 im Sinne von
Art. 40a AVIV
zur Ermittlung des versicherten Tagesverdienstes und damit zur Festlegung des Taggeldes hat denn auch zur Folge, dass der Versicherte nicht in jedem Kalendermonat eine Arbeitslosenentschädigung in Höhe von genau 80% seines versicherten Verdienstes erhält. Das Eidg. Versicherungsgericht hat indessen in dieser aus der Anwendung des einheitlichen Divisors 21,7 resultierenden Konsequenz keinen Verstoss gegen die Bestimmungen des AVIG erblickt (unveröffentlichtes Urteil B. vom 27. August 1985).
5.
Ausgehend vom versicherten Monatsverdienst von Fr. 3'141.-- ergibt sich im vorliegenden Fall ein versicherter Tagesverdienst von Fr. 144.70 (Fr. 3'141.--: 21,7). Das Bruttotaggeld beträgt demzufolge Fr. 115.75 (80% von Fr. 144.70). Der auf einen Tag umgerechnete Bruttolohn beläuft sich auf Fr. 111.83 (Fr. 2'426.95: 21,7). Da dieser Betrag tiefer ist als das Bruttotaggeld, handelt es sich um Zwischenverdienst im Sinne von
Art. 24 Abs. 1 AVIG
mit der Folge, dass die Beschwerdegegnerin für den Monat Februar 1993 grundsätzlich Anspruch auf Differenzausgleich nach Massgabe von
Art. 24 Abs. 2 und 3 AVIG
hat. Mit Bezug auf die Berechnung der Differenzzahlung ist zunächst die Differenz zwischen dem versicherten
BGE 121 V 51 S. 58
Monatsverdienst und dem Zwischenverdienst zu ermitteln. Dieser beträgt im vorliegenden Fall Fr. 714.70 (Fr. 3'141.67 - Fr. 2'426.94), woraus sich ein Differenzausgleich von Fr. 571.76 (80% von Fr. 714.70) ergibt. Der angefochtene Entscheid erweist sich demnach im Ergebnis als Rechtens. | null | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
672e8122-f651-44ae-b608-1a35c2a83faa | Urteilskopf
112 III 17
6. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 8. Januar 1986 i.S. Schweizerischer Feuerwehrverband (Rekurs) | Regeste
Art. 93 SchKG
(Einkommenspfändung).
Gewisse Gläubiger sind in dem Sinne privilegiert, dass der Schuldner auch bei einer Lohn- bzw. Verdienstpfändung seinen Verpflichtungen ihnen gegenüber in vollem Umfange nachkommen darf (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 18
BGE 112 III 17 S. 18
Das Betreibungsamt verfügte gegen die Schuldnerin A.G., die eine Ballettschule auf eigene Rechnung betreibt, eine Verdienstpfändung von Fr. 255.-- im Monat. Der Schweizerische Feuerwehrverband als Gläubiger reichte dagegen bei der unteren Aufsichtsbehörde in SchKG-Sachen Beschwerde ein. Mit Entscheid vom 25. November 1985 wies die Aufsichtsbehörde das Betreibungsamt an, festzustellen, ob in der Ballettschule allfällige pfändbare Gegenstände vorhanden seien und wenn ja, diese zu pfänden. Sollten keine oder nicht ausreichende pfändbare Gegenstände vorhanden sein, sei die verfügte Verdienstpfändung von Fr. 255.-- pro Monat zu vollziehen.
Der Schweizerische Feuerwehrverband zog diesen Entscheid an die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern weiter, welche den Rekurs am 13. Dezember 1985 abwies.
Hiegegen führt der Schweizerische Feuerwehrverband Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Begehren, das Betreibungsamt sei anzuweisen, zu Lasten der Schuldnerin eine Verdienstpfändung von mindestens Fr. 630.-- (Fr. 255.-- + Fr. 375.--) pro Monat zu verfügen.
Das Bundesgericht weist den Rekurs ab, soweit darauf einzutreten ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Dem Rekurrenten ist beizupflichten, dass sowohl bei der Verdienst- wie auch bei der Lohnpfändung gewisse Gläubiger in dem Sinne privilegiert sein können, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen ihnen gegenüber in vollem Umfange nachkommen darf. Dies gilt einmal für die Verkäufer von Lebensmitteln, ohne deren Leistungen der Schuldner sein Leben nicht fristen könnte. Es trifft aber auch auf diejenigen Gläubiger zu, die dem Schuldner Güter geliefert haben, die zum Leben oder für die Berufsausübung unerlässlich sind, und schliesslich gilt es auch für den Vermieter von Wohnung und Geschäftsräumlichkeiten, soweit der Mietzins bei der Berechnung des Existenzminimums berücksichtigt wird und die Geschäftslokalitäten für die Berufsausübung unumgänglich sind. Diese Privilegierung gewisser Gläubiger
BGE 112 III 17 S. 19
ist eine Folgerung aus der Absicht des Gesetzgebers, dem Schuldner und seiner Familie das zum Leben und für die Berufsausübung absolut Notwendige zu belassen (
Art. 92 ff. SchKG
). Dieser könnte seine elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigen, wenn er nicht in der Lage wäre, die ihm dadurch entstehenden Auslagen zu begleichen. Die Bevorzugung dieser Gläubiger verstösst daher nicht gegen Bundesrecht. Der Rekurs erweist sich damit als unbegründet. | null | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6730bc44-70a9-40d8-bb9b-6ddd00749b9f | Urteilskopf
123 I 325
33. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 17 octobre 1997 dans la cause D. contre Tribunal administratif du canton de Neuchâtel et Service des contributions du canton de Neuchâtel (recours de droit public) | Regeste
Art. 87 OG
; Vorentscheid über die Steuerpflicht.
Überblick über die Rechtsmittel im Zusammenhang mit Fragen der Steuerpflicht. Im vorliegenden Fall ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
gemäss
Art. 87 OG
unzulässig, weil der angefochtene Zwischenentscheid, bei dem es ausschliesslich um die Frage der Steuerpflicht des Beschwerdeführers geht, für diesen keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 325
BGE 123 I 325 S. 325
Le 24 avril 1993, D., viticulteur, a réalisé un gain substantiel à la Loterie Suisse à numéros. Il a alors décidé de quitter la Suisse le 1er décembre 1993. Auparavant, il a vendu ses actifs commerciaux viticoles et remis l'exploitation de vignes appartenant à la commune de
BGE 123 I 325 S. 326
P.; il a démissionné en particulier de ses fonctions à la Chambre neuchâteloise d'agriculture et de viticulture; l'intéressé a loué son habitation et vendu son mobilier au locataire; enfin, il a récupéré l'impôt anticipé sur son gain de loterie précité. Au surplus, il a maintenu certains baux portant sur des vignes. D. s'est d'abord rendu en France. Il a résidé dans un appartement loué à C. en décembre 1993 et janvier 1994, puis dans différents hôtels. Ensuite, de mars à décembre 1994, il a séjourné à V., dans un logement appartenant à un tiers. Au cours de cette période, D. a vainement recherché un domaine viticole en Bourgogne et dans le Beaujolais. Il s'est aussi rendu dans deux autres pays. Puis il est parti pour le B., Etat où il a loué un appartement pour un an dès le 1er décembre 1994. Il est cependant rentré en Suisse en mars 1995.
Le 28 août 1995, le Service des contributions du canton de Neuchâtel (ci-après: le Service cantonal) a annoncé à D. qu'il allait rectifier sa taxation 1993 et rendre la taxation 1994 définitive, en tenant notamment compte du gain exceptionnel réalisé en 1993. Le Service cantonal se référait à l'
art. 24 al. 1 CC
, estimant que le contribuable ne s'était pas constitué un nouveau domicile. Le 16 septembre 1995, D. a contesté son assujettissement illimité à l'impôt dans le canton de Neuchâtel. Le 11 octobre 1995, le Service cantonal a confirmé sur réclamation sa décision du 28 août 1995. Par décision du 12 septembre 1996, le Département des finances et des affaires sociales du canton de Neuchâtel a rejeté le recours formé par D. contre la décision du Service cantonal du 11 octobre 1995. D. a alors porté sa cause devant le Tribunal administratif du canton de Neuchâtel (ci-après: le Tribunal administratif) qui l'a débouté par arrêt du 7 janvier 1997.
Agissant par la voie du recours de droit public, D. demande au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt rendu le 7 janvier 1997 par le Tribunal administratif. Il invoque l'
art. 4 Cst.
, reprochant à l'autorité intimée d'avoir appliqué arbitrairement les art. 5 et 6 de la loi neuchâteloise du 9 juin 1964 sur les contributions directes ainsi que les art. 23 à 26 CC utilisés à titre de droit cantonal supplétif.
Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
a) D'après l'
art. 87 OJ
, le recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
n'est recevable que contre les décisions finales prises en dernière instance; il n'est recevable contre des décisions
BGE 123 I 325 S. 327
incidentes prises en dernière instance que s'il en résulte un dommage irréparable pour l'intéressé.
b) Constitue une décision finale celle qui met un point final à la procédure, qu'il s'agisse d'une décision sur le fond ou d'une décision qui clôt l'affaire pour un motif tiré des règles de la procédure. Est en revanche une décision incidente celle qui est prise pendant le cours de la procédure et ne représente qu'une étape vers la décision finale; elle peut avoir pour objet une question formelle ou matérielle, jugée préalablement à la décision finale (
ATF 122 I 39
consid. 1a p. 41;
ATF 120 III 143
consid. 1a p. 144 et la jurisprudence citée).
Ces principes valent pour toutes les décisions partielles. Y sont donc soumises non seulement les décisions préjudicielles ou incidentes stricto sensu, soit celles qui tranchent une question préalable de fond ou de procédure, mais également les décisions partielles proprement dites, par lesquelles l'autorité intimée statue sur une partie quantitativement limitée de l'action ou sur l'une des prétentions en cause (
ATF 116 II 80
consid. 2b p. 82). Cette solution satisfait au principe de l'économie de la procédure, selon lequel le Tribunal fédéral statue, en règle générale, par une seule décision sur l'ensemble du litige, ce qui est d'ailleurs le but de l'
art. 87 OJ
. Elle permet également aux parties d'être au clair sur la portée et les effets de la décision dans son ensemble avant de se résoudre à déposer un recours de droit public. Enfin, la possibilité d'attaquer toute décision partielle relative à une question de fond par un recours de droit public séparé impliquerait une multiplication des recours qui ne serait ni dans l'intérêt bien compris des parties, ni dans celui de l'économie de la procédure (
ATF 117 Ia 88
consid. 3b p. 90).
Il convient de distinguer le recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
de celui qui est fondé sur l'
art. 46 al. 2 Cst.
(interdiction de la double imposition). Dans ce dernier cas, en effet, la question de l'assujettissement du contribuable doit en principe faire l'objet d'une décision préjudicielle qui peut être attaquée par la voie du recours de droit public (
ATF 115 Ia 73
consid. 3 p. 75/76; Archives 61 p. 678 consid. 2a p. 680). Cette solution découle du fait que la restriction de l'
art. 87 OJ
ne s'applique pas aux recours fondés sur l'
art. 46 al. 2 Cst.
Elle permet de rationaliser le travail des autorités cantonales en déclarant d'emblée où le contribuable est imposable, lorsque plusieurs cantons entrent en ligne de compte.
Il faut également différencier le recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
du recours de droit administratif relatif à l'impôt fédéral direct. La législation sur l'impôt fédéral direct ne prévoit
BGE 123 I 325 S. 328
ni n'exclut la possibilité d'une décision préjudicielle concernant l'assujettissement du contribuable. Ainsi, ce dernier peut demander une telle décision et l'attaquer jusqu'au Tribunal fédéral par la voie du recours de droit administratif; en effet, en matière de recours de droit administratif, sont assimilées aux décisions finales, du point de vue de la recevabilité, les décisions partielles qui statuent définitivement sur une question de fond sans mettre fin au litige (
ATF 120 Ib 97
consid. 1b p. 99;
ATF 118 Ib 196
consid. 1b p. 198/199; 117 Ib p. 325 consid. 1b p. 327). Encore faut-il que ce procédé permette d'éviter qu'un contribuable ne soit astreint à une déclaration complète de ses éléments imposables alors que, le cas échéant, il ne serait pas assujetti à la souveraineté fiscale de la collectivité publique. Si le contribuable ne requiert pas expressément une décision préjudicielle d'assujettissement, l'autorité de taxation est libre de rendre ou non une telle décision: il lui appartient de choisir la procédure la plus économique et la mieux adaptée au cas particulier (cf. arrêt non publié du 24 avril 1996 en la cause S. contre GE, Commission cantonale de recours de l'impôt fédéral direct et Administration fiscale cantonale, consid. 2a, appliquant encore l'arrêté du Conseil fédéral du 9 décembre 1940 sur la perception d'un impôt fédéral direct).
En l'espèce, qui est un cas de recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
, l'autorité intimée a simplement confirmé que l'intéressé était resté domicilié dans le canton de Neuchâtel durant son séjour à l'étranger, du 1er décembre 1993 au mois de mars 1995, de sorte qu'il devait être assujetti de façon illimitée à l'impôt direct dans le canton de Neuchâtel pour les périodes fiscales 1993 et 1994. Ainsi, elle s'est prononcée uniquement sur l'assujettissement du recourant, mais pas sur sa taxation, pour les périodes fiscales précitées. L'arrêt attaqué est donc une décision partielle, qui entre dans la catégorie des décisions incidentes lato sensu (
ATF 106 Ia 226
consid. 2 p. 228;
ATF 93 I 450
consid. 1 p. 453). Au surplus, l'arrêt entrepris ne tranche pas une question touchant à l'organisation des tribunaux ou de l'autorité compétente (récusation), sur laquelle le Tribunal fédéral entre en matière à titre préjudiciel (
ATF 116 Ia 181
consid. 3a p. 183). Dès lors, la voie du recours de droit public n'est ouverte que si l'intéressé subit un dommage irréparable.
c) Pour qu'un dommage soit irréparable au sens de l'
art. 87 OJ
, la décision incidente doit causer à l'intéressé un préjudice juridique qu'une décision favorable ne ferait pas disparaître entièrement. Un dommage de pur fait, tel que la prolongation de la procédure ou un accroissement des frais de celle-ci n'est pas considéré comme un
BGE 123 I 325 S. 329
dommage irréparable de ce point de vue (
ATF 116 II 80
consid. 2c p. 83).
Il est vrai que le recourant a été déclaré assujetti de façon illimitée à l'impôt direct dans le canton de Neuchâtel pour les périodes fiscales 1993 et 1994. Toutefois, l'arrêt attaqué n'a pas en lui-même de conséquences juridiques qu'une décision finale favorable ne pourrait faire disparaître. L'intéressé pourra attaquer la décision incidente incriminée, soit son assujettissement, en même temps que les décisions finales, soit ses taxations pour les périodes fiscales 1993 et 1994, (RDAF 41/1985 p. 390 consid. 1c p. 391/392;
ATF 115 II 288
consid. 3c p. 293;
93 I 450
consid. 2 p. 453). Par conséquent, l'arrêt entrepris n'entraîne aucun préjudice irréparable pour le recourant.
d) Les conditions de recevabilité contenues dans l'
art. 87 OJ
ne sont donc pas remplies en l'espèce. | public_law | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6732331e-b8d6-4db0-a15a-c3b173130e2c | Urteilskopf
139 V 176
26. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit social dans la cause X. en liquidation concordataire et consorts contre Fondation Fonds de garantie LPP (recours en matière de droit public)
9C_400/2012 et autres du 4 avril 2013 | Regeste a
Art. 85 Abs. 1 lit. a BGG
;
Art. 52 und 56a BVG
; Zulässigkeit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in verantwortlichkeitsrechtlichen Streitigkeiten der beruflichen Vorsorge.
Frage offengelassen, ob Rechtsstreitigkeiten gestützt auf die Verantwortlichkeitsbestimmungen von
Art. 52 und 56a BVG
Fälle einer Staatshaftung im Sinne von
Art. 85 Abs. 1 lit. a BGG
darstellen (E. 2.2).
Regeste b
Art. 73 BVG
; Klageverfahren vor dem zuständigen kantonalen Vorsorgegericht.
Zu Grundsätzen der erstinstanzlichen Rechtspflege im Bereich der beruflichen Vorsorge (E. 5).
Regeste c
Art. 56a BVG
(in der bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung); Verantwortlichkeit bei Zahlungsunfähigkeit einer Vorsorgeeinrichtung; Prüfung der Haftungsvoraussetzungen.
Zu den Haftungsvoraussetzungen (E. 8).
Die Klage des Sicherheitsfonds verhält sich nicht nachrangig zu einer allfälligen Klage nach
Art. 52 BVG
(E. 9.1).
Ist das Ausmass des Schadens im Zeitpunkt der Klageanhebung weder exakt noch annähernd bestimmbar, weil die Höhe des Erlöses aus der Liquidation der Vorsorgeeinrichtung noch nicht feststeht, kann der Sicherheitsfonds gleichwohl den gesamten Schaden geltend machen, sofern der Liquidationserlös an den Schadensverursacher abgetreten wird (E. 9.2).
Der Schaden entspricht der durch die vorgeworfenen unerlaubten Verhaltensweisen verursachten objektiven Verschlechterung der finanziellen Lage der Vorsorgeeinrichtung. Mit Blick darauf, dass das Vermögen einer Vorsorgeeinrichtung zahlreichen Einflüssen unterliegt, ist jede vorgeworfene Verhaltensweise danach zu beurteilen, ob und wieweit sie zum Schaden der Vorsorgeeinrichtung beigetragen hat (E. 11).
Regeste d
Art. 71 Abs. 1 BVG
;
Art. 49 ff. und 60 BVV 2
(in der bis 31. März 2000 geltenden Fassung); Sanierung einer Vorsorgeeinrichtung; Beurteilung der Zulässigkeit einer Immobilienübertragung zwecks Bezahlung von Beitragsrückständen; Wirkungen der Übertragung.
Bei der Sanierung einer Vorsorgeeinrichtung durfte ein Beitragsrückstand unter den damaligen Umständen selbst dann mittels einer Übertragung von verwertbaren Liegenschaften ausgeglichen werden, wenn dies zu einer vorübergehenden Verletzung von gesetzlichen Vorschriften über die Vermögensanlage der Vorsorgeeinrichtungen führte (E. 12.5).
Mit der Übertragung wurde die Beitragsschuld an Zahlungsstatt beglichen; kausale Verbindungen des Schadens zu Tatsachen, die vor der Übertragung eingetreten sind, wurden dadurch unterbrochen (E. 13.3 und 14.2).
Regeste e
Art. 11 BVG
; Wirkungen einer Auflösung des Anschlussvertrages zwischen Arbeitgeber und Vorsorgeeinrichtung.
Die Zahlungsunfähigkeit einer Vorsorgeeinrichtung kann sich nur aus Handlungen im Rahmen ihrer Verwaltung, Geschäftsführung und Kontrolle ergeben. Die Auflösung des Vorsorgeverhältnisses durch den Arbeitgeber als solche ist nicht geeignet, die Vorsorgeeinrichtung zu schädigen (E. 15.3).
Regeste f
Kantonales Verwaltungsrechtspflegeverfahren; Parteientschädigungsanspruch von mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Körperschaften; Kantonalbank.
Als Anstalt des öffentlichen Rechts hat sich die Neuenburger Kantonalbank nicht notwendigerweise in der Eigenschaft einer mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Körperschaft am Verfahren beteiligt. Natur und Tragweite ihrer Verfahrensbeteiligung müssen im Einzelfall konkret geprüft werden (E. 17). | Sachverhalt
ab Seite 180
BGE 139 V 176 S. 180
A.
A.a
La société en nom collectif X. exploitait une entreprise de construction et de génie civil active principalement dans le canton de Neuchâtel. Les associés de la société étaient F. et G. Le personnel de l'entreprise était assuré pour la prévoyance professionnelle auprès de la Fondation de prévoyance en faveur du personnel cadre de l'entreprise X. (ci-après: la Fondation du personnel cadre) et auprès de la Fondation en faveur du personnel d'exploitation de l'entreprise X. (ci-après: la Fondation du personnel d'exploitation). F. et G. siégeaient dans les conseils de fondation de ces deux institutions de prévoyance, le premier en qualité de président. L'organe de contrôle de ces institutions de prévoyance était la société Y. SA.
A.b
A la fin des années 1980, X. a commencé à rencontrer des difficultés financières. Dans ce contexte, la société n'a plus versé régulièrement les cotisations de prévoyance dues aux deux institutions de prévoyance auprès desquelles son personnel était assuré. D'après les rapports de contrôle établis par Y. SA à compter de l'exercice 1991, les montants des créances des institutions de prévoyance auprès de l'employeur ne respectaient pas les normes légales admissibles en matière de placement chez l'employeur. Au 31 décembre 1996, le montant de la dette à l'égard de la Fondation du personnel cadre s'élevait à 4'883'547 fr. 95 sur un total du bilan de 8'021'074 fr. 30, tandis que le montant de la dette à l'égard de la Fondation du personnel d'exploitation s'élevait à 1'947'432 fr. 16 sur un total du bilan de 2'687'874 fr. 81; les liquidités disponibles semblaient par ailleurs insuffisantes pour le règlement des engagements à court terme et des prestations de libre passage.
A.c
Propriétaire d'un important parc immobilier dans le canton de Neuchâtel, X. a proposé au début de l'année 1995, dans le but d'éteindre par compensation ses dettes de cotisations, de transférer aux institutions de prévoyance l'un de ses immeubles. Après avoir initialement exprimé son opposition à une telle opération, l'Autorité de surveillance des institutions de prévoyance et des fondations de la République et canton de Neuchâtel (ci-après: l'autorité de surveillance)
BGE 139 V 176 S. 181
a donné son accord au transfert de propriété au mois d'avril 1996. L'opération a toutefois échoué en raison du refus signifié par la banque créancière hypothécaire.
A.d
Vu la situation préoccupante dans laquelle se trouvaient les institutions de prévoyance, l'autorité de surveillance a, par décision du 25 novembre 1996, relevé les membres des deux conseils de fondation de leurs fonctions et désigné la société Z. SA en qualité de curatrice. Dans le prolongement de cette mesure, les responsables de X., les créanciers bancaires et hypothécaires, la curatrice des institutions de prévoyance, la société Y. SA (en exécution d'un mandat d'assistance technique et de coordination) ainsi que des représentants de la République et canton de Neuchâtel ont élaboré un plan de sauvetage de l'entreprise X. incluant notamment l'assainissement des deux institutions de prévoyance. Dans ses grandes lignes, la solution adoptée comprenait la reprise, avec effet au 1
er
janvier 1997, de l'exploitation de l'entreprise de construction (y compris les obligations courantes en matière de prévoyance professionnelle incombant précédemment à X.) par une nouvelle société dénommée X. SA et le transfert aux deux institutions de prévoyance, à titre de paiement des dettes de cotisations, d'un certain nombre d'immeubles appartenant à X.
A.e
Le 24 novembre 1997, X., X. SA et la Fondation du personnel cadre ont conclu une convention - dont le contenu avait été préalablement approuvé par l'autorité de surveillance - aux termes de laquelle X. s'engageait notamment à transférer à l'institution de prévoyance des biens immobiliers (garages et terrains à bâtir) pour une valeur de 4'883'547 fr. 95 en compensation de la dette qu'elle avait à son égard. Le même jour, une convention similaire portant sur une valeur de 1'640'072 fr. 16 a été passée avec la Fondation du personnel d'exploitation. Les engagements respectifs des parties ont été complétés par une convention additionnelle conclue le 17 février 1998.
A.f
X. a déposé une demande de sursis concordataire le 25 février 1998, qui a abouti à l'homologation d'un concordat par abandon d'actifs le 7 juin 1999. La procédure de liquidation n'est à ce jour pas terminée.
A.g
Le 3 novembre 2000, l'autorité de surveillance a déposé auprès du Ministère public de la République et canton de Neuchâtel une dénonciation pénale portant sur la gestion de la Fondation du personnel cadre et de la Fondation du personnel d'exploitation. Une information a été ouverte à l'encontre de F. et de M., ancien directeur
BGE 139 V 176 S. 182
financier de X., pour faits de gestion déloyale. Par ordonnance du 7 juin 2004, le Ministère public a prononcé un non-lieu pour motifs de droit et insuffisance de charges.
B.
B.a
X. SA a mis un terme avec effet au 31 décembre 1998, respectivement au 31 décembre 2000 aux rapports de prévoyance avec la Fondation du personnel d'exploitation (courriers des 30 septembre et 17 décembre 1998) et la Fondation du personnel cadre (courrier du 8 décembre 2000). Par deux décisions du 12 mars 2001, l'autorité de surveillance a constaté la dissolution des deux institutions de prévoyance, prononcé leur mise en liquidation, relevé Z. SA de son mandat de curatrice et désigné deux liquidateurs. La procédure de liquidation des deux fondations n'est à ce jour pas terminée.
B.b
En réponse à une demande des liquidateurs de la Fondation du personnel cadre, le Fonds de garantie LPP a, par décision du 26 juin 2002, accepté de verser la somme de 5'235'000 fr. à titre de garantie des prestations légales et réglementaires en faveur des assurés de l'institution de prévoyance.
C.
La Fondation du personnel cadre et la Fondation du personnel d'exploitation ont ouvert devant le Tribunal administratif de la République et canton de Neuchâtel (depuis le 1
er
janvier 2011: la Cour de droit public du Tribunal cantonal de la République et canton de Neuchâtel) des actions en responsabilité contre Z. SA (le 14 février 2006), Y. SA (le 17 février 2006), M. (le 5 mai 2006), la République et canton de Neuchâtel, en qualité d'autorité répondant des actes commis par l'autorité de surveillance (le 14 novembre 2006), et X. (le 8 mai 2007). Le traitement de ces actions a été tacitement ajourné en attendant que la juridiction cantonale se prononce sur l'action introduite dans l'intervalle par le Fonds de garantie LPP.
D.
Par mémoire du 5 avril 2006, le Fonds de garantie LPP a ouvert action devant le Tribunal administratif de la République et canton de Neuchâtel contre la République et canton de Neuchâtel, la Banque cantonale neuchâteloise (en qualité de banque hypothécaire et commerciale), Y. SA, X., F., G., X. SA et Z. SA, en concluant à ce que les défendeurs soient condamnés solidairement à lui payer la somme de 5'234'387 fr. 05 avec intérêt de 5 % dès le 26 juin 2002, sous déduction du produit de la liquidation de la Fondation du personnel cadre revenant au Fonds de garantie LPP, ou, à titre subsidiaire, à ce qu'ils soient condamnés solidairement à lui verser un montant équitable à fixer par le Tribunal.
BGE 139 V 176 S. 183
La juridiction cantonale a ordonné le 29 octobre 2010 la jonction des causes et requis la production de divers dossiers et documents, puis refusé le 23 septembre 2011 l'administration de preuves supplémentaires.
Le 5 avril 2012, le Tribunal cantonal de la République et canton de Neuchâtel a rendu l'arrêt suivant:
LA COUR DE DROIT PUBLIC
1. Condamne la République et canton de Neuchâtel, Y. SA, X. en liquidation concordataire et X. SA, solidairement, à payer à la Fondation Fonds de garantie LPP le montant de 5'234'387.05 francs plus intérêts à 5 % dès le 26 juin 2002, sous déduction du produit éventuel de la liquidation des deux fondations de prévoyance en faveur du personnel de l'entreprise X. revenant à la Fondation Fonds de garantie LPP.
2. Rejette la demande dans la mesure où elle était dirigée contre la Banque cantonale neuchâteloise, F., G. et Z. SA en liquidation.
3. Dit qu'il n'est pas perçu de frais de justice.
4. Alloue à la Fondation Fonds de garantie LPP une indemnité de dépens de 399'150 francs, solidairement à la charge des quatre défendeurs condamnés.
5. Alloue à Z. SA en liquidation une indemnité de dépens de 317'000 francs à la charge de la Fondation Fonds de garantie LPP.
6. Alloue à F. et à G. une indemnité de dépens globale de 285'772 francs à la charge de la Fondation Fonds de garantie LPP.
E.
Le Tribunal fédéral a été saisi de cinq recours en matière de droit public interjetés contre l'arrêt du Tribunal cantonal de la République et canton de Neuchâtel du 5 avril 2012:
X. en liquidation concordataire a conclu à la réforme du jugement attaqué dans le sens du rejet des conclusions prises par le Fonds de garantie LPP. A titre subsidiaire, elle a demandé l'annulation du jugement et le renvoi de la cause à la juridiction cantonale (cause 9C_400/2012).
X. SA a conclu à la réforme du jugement attaqué dans le sens du rejet de la demande dirigée contre elle par le Fonds de garantie LPP et, en tant que besoin, au renvoi de la cause à la juridiction cantonale pour nouvelle décision sur les dépens (cause 9C_407/2012).
La Banque cantonale neuchâteloise a conclu à la réforme du jugement attaqué dans le sens de l'allocation d'une indemnité de dépens de 316'209 fr. 05 à la charge du Fonds de garantie LPP. A titre subsidiaire, elle a demandé l'annulation du jugement et le renvoi de la
BGE 139 V 176 S. 184
cause à la juridiction cantonale pour nouvelle décision au sens des considérants (cause 9C_411/2012).
La République et canton de Neuchâtel a conclu à la réforme du jugement attaqué dans le sens du rejet de la demande dirigée contre elle par le Fonds de garantie LPP et au renvoi de la cause à la juridiction cantonale pour nouvelle décision sur les dépens (cause 9C_412/2012).
Y. SA a conclu à la réforme du jugement attaqué dans le sens du rejet de la demande dirigée contre elle par le Fonds de garantie LPP. A titre subsidiaire, elle a demandé l'annulation du jugement et le renvoi de la cause à la juridiction cantonale pour nouvelle décision au sens des considérants (cause 9C_422/2012).
F.
Le Fonds de garantie LPP a conclu au rejet des recours dans la mesure de leur recevabilité, tandis que l'Office fédéral des assurances sociales n'a pas déposé d'observations. Les parties recourantes ont renoncé à déposer des observations complémentaires.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
2.2
En matière de responsabilité étatique, le recours en matière de droit public n'est recevable que si la valeur litigieuse s'élève au moins à 30'000 fr. (
art. 85 al. 1 let. a LTF
). En cas de recours contre une décision finale, cette valeur est déterminée par les conclusions - recevables - restées litigieuses devant l'autorité précédente juste avant que celle-ci prononce le jugement (
art. 51 al. 1 let. a LTF
). Lorsque la valeur litigieuse est inférieure au montant déterminant, le recours en matière de droit public est néanmoins recevable si la contestation soulève une question juridique de principe (
art. 85 al. 2 LTF
). Le Tribunal fédéral n'a pas encore été amené à se prononcer sur la recevabilité de recours en matière de droit public portant sur des litiges fondés sur les règles de responsabilité des
art. 52 et 56a LPP
dont la valeur litigieuse est inférieure à 30'000 fr., singulièrement sur la question de savoir si de tels litiges constituent des cas de responsabilité étatique au sens de l'
art. 85 al. 1 let. a LTF
(sur la notion de "responsabilité étatique", cf.
ATF 137 V 51
consid. 4 p. 54;
ATF 135 V 98
consid. 5 p. 101; MÉLANIE FRETZ, La responsabilité selon l'
art. 52 LAVS
: une comparaison avec les
art. 78 LPGA
et 52 LPP, REAS 2009 p. 249). La question peut demeurer indécise, car les conclusions restées litigieuses sur le fond devant l'autorité précédente juste avant que celle-ci
BGE 139 V 176 S. 185
ne prononce le jugement s'élevaient à 5'234'387 fr. 05, de sorte que la valeur litigieuse atteint en tout état de cause le seuil de 30'000 fr. fixé à l'
art. 85 al. 1 let. a LTF
. (...)
(...)
5.
(...)
5.1
D'après l'
art. 73 LPP
, la procédure en matière de prévoyance professionnelle doit être simple, rapide et, en principe, gratuite. Lorsque le litige porte sur une contestation opposant le Fonds de garantie LPP aux personnes responsables de l'insolvabilité de l'institution de prévoyance ou du collectif d'assurés (
art. 73 al. 1 let
. d LPP), l'action est ouverte à l'initiative du premier nommé par une écriture qui doit désigner les personnes recherchées, contenir des conclusions ainsi qu'une motivation; c'est elle qui déclenche l'ouverture de la procédure et détermine l'objet du litige et les parties en cause (maxime de disposition;
ATF 129 V 450
consid. 3.2 p. 453 et la référence). Dans les limites de l'objet du litige tel qu'il a été déterminé par les conclusions de la demande et les faits invoqués à l'appui de celle-ci, le juge de première instance n'est toutefois pas lié par les prétentions des parties; il peut ainsi adjuger plus ou moins que demandé à condition de respecter leur droit d'être entendues (
ATF 135 V 23
consid. 3.1 p. 26; voir également arrêt 4A_487/2007 du 19 juin 2009 consid. 7.1).
5.2
Conformément à l'art. 73 al. 2, 2
e
phrase, LPP, la maxime inquisitoire est applicable à la procédure en matière de prévoyance professionnelle. En vertu de ce principe, il appartient au juge d'établir d'office l'ensemble des faits déterminants pour la solution du litige et d'administrer, le cas échéant, les preuves nécessaires. En principe, les parties ne supportent ni le fardeau de l'allégation ni celui de l'administration des preuves. Cette maxime doit cependant être relativisée par son corollaire, soit le devoir de collaborer des parties, lequel comprend l'obligation d'apporter, dans la mesure où cela est raisonnablement exigible, les preuves commandées par la nature du litige et des faits invoqués (
ATF 138 V 86
consid. 5.2.3 p. 97;
ATF 125 V 193
consid. 2 p. 195). Si le principe inquisitoire dispense les parties de l'obligation de prouver, il ne les libère pas du fardeau de la preuve, dans la mesure où, en cas d'absence de preuve, c'est à la partie qui voulait en déduire un droit d'en supporter les conséquences, sauf si l'impossibilité de prouver un fait peut être imputée à la partie adverse. Cette règle ne s'applique toutefois que s'il se révèle impossible, dans le cadre de la maxime inquisitoire et en application du principe de la libre appréciation des preuves, d'établir un état de fait qui
BGE 139 V 176 S. 186
correspond, au degré de la vraisemblance prépondérante, à la réalité (
ATF 117 V 261
consid. 3b p. 264 et les références; voir également MEYER/UTTINGER, in LPP et LFLP, Commentaire, Schneider/Geiser/Gächter [éd.], 2010, n° 94 ad
art. 73 LPP
).
5.3
Dans le domaine des assurances sociales, le juge fonde généralement sa décision sur les faits qui, faute d'être établis de manière irréfutable, apparaissent comme les plus vraisemblables, c'est-à-dire qui présentent un degré de vraisemblance prépondérante. Il ne suffit donc pas qu'un fait puisse être considéré seulement comme une hypothèse possible; la vraisemblance prépondérante suppose que, d'un point de vue objectif, des motifs importants plaident pour l'exactitude d'une allégation, sans que d'autres possibilités ne revêtent une importance significative ou n'entrent raisonnablement en considération (
ATF 135 V 39
consid. 6.1 p. 45 et les références; voir également arrêt 9C_717/2009 du 20 octobre 2009 consid. 3.3).
(...)
7.
Le Fonds de garantie LPP a, sur la base des art. 56 al. 1 let. b et c et 56a al. 1 LPP, garanti les prestations légales et réglementaires dues par la Fondation du personnel cadre devenue insolvable, puis exercé son droit de recours à l'encontre des personnes qu'il jugeait responsables de l'insolvabilité de l'institution de prévoyance.
7.1
Dans sa teneur initiale en vigueur jusqu'au 31 décembre 1996, l'
art. 56 al. 1 let. b LPP
(RO 1983 797) confiait le soin au Conseil fédéral d'édicter des prescriptions sur les conditions dont dépendait la prise en charge des prestations légales dues par des institutions de prévoyance devenues insolvables, ainsi que sur le droit de recours contre les organes d'institutions de prévoyance insolvables. Sur la base de cette délégation de compétence, le Conseil fédéral a édicté l'ordonnance du 7 mai 1986 sur l'administration du "fonds de garantie LPP" (OFG 2; RO 1986 867; en vigueur jusqu'au 30 juin 1998, RO 1998 1662). Selon l'art. 11 de cette ordonnance, le Fonds de garantie LPP avait, dans les limites des prestations garanties, un droit de recours contre les personnes responsables de l'insolvabilité de l'institution de prévoyance.
7.2
Afin de consacrer le droit de recours du Fonds de garantie LPP dans une règle de niveau législatif, le législateur a adopté l'
art. 56a al. 1 LPP
, disposition qui est entrée en vigueur le 1
er
janvier 1997 (RO 1996 3067; voir le rapport du 24 août 1995 de la Commission de la sécurité sociale et de la santé publique du Conseil national en réponse
BGE 139 V 176 S. 187
à l'initiative parlementaire Rechsteiner, FF 1996 I 528; voir également arrêt du Tribunal fédéral des assurances B 10/05 du 30 mars 2006 consid. 8.2.3.4, in SVR 2006 BVG n° 34 p. 131). En vertu de cette disposition, le Fonds de garantie LPP disposait, à concurrence des prestations garanties, d'un droit de recours contre des personnes responsables de l'insolvabilité de l'institution de prévoyance ou du collectif d'assurés.
7.3
Dans sa teneur applicable depuis le 1
er
janvier 2005, l'
art. 56a al. 1 LPP
prévoit que le Fonds de garantie LPP peut, vis-à-vis des personnes responsables de l'insolvabilité de l'institution de prévoyance ou du collectif d'assurés (depuis le 1
er
janvier 2012: de la caisse de pension affiliée [RO 2011 3385]), participer aux prétentions de l'institution au moment du versement des prestations garanties et jusqu'à concurrence de celles-ci. Le Fonds de garantie LPP est désormais subrogé aux droits de l'institution de prévoyance à concurrence des prestations garanties (BEAT CHRISTEN, in LPP et LFLP, Commentaire, Schneider/Geiser/Gächter [éd.], 2010, n° 6 ad
art. 56a LPP
).
7.4
Le Fonds de garantie LPP a fondé ses prétentions sur des faits qui étaient antérieurs au 31 décembre 2004. Au regard de la réglementation applicable au moment des faits litigieux, le Fonds de garantie LPP n'était pas subrogé aux droits de l'institution de prévoyance, mais disposait d'un droit propre et autonome non seulement contre les organes de celle-ci, mais aussi - à la différence de la responsabilité réglée à l'
art. 52 LPP
- contre d'autres personnes responsables de l'insolvabilité de l'institution de prévoyance, telles que l'autorité de surveillance ou la société de réassurance (
ATF 135 V 163
consid. 5.2 p. 168;
ATF 130 V 277
consid. 2.1 p. 280; voir également arrêt précité B 10/05 du 30 mars 2006 consid. 8.1, ainsi qu'ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Staatliche Haftung bei mangelhafter BVG-Aufsichtstätigkeit, 1996, p. 254).
8.
En tant que norme générale de responsabilité, l'
art. 56a al. 1 LPP
(dans sa teneur en vigueur jusqu'au 31 décembre 2004) présuppose la violation fautive d'une obligation (acte illicite); une négligence, même légère, suffit. Il faut également que le lésé ait subi un dommage ainsi que l'existence d'un lien de causalité naturel et adéquat entre le comportement reproché et le dommage (
ATF 135 V 373
consid. 2.3 p. 375 et les références).
8.1
8.1.1
Le dommage juridiquement reconnu réside dans la diminution involontaire de la fortune nette; il correspond à la différence entre le
BGE 139 V 176 S. 188
montant actuel du patrimoine du lésé et le montant qu'aurait ce même patrimoine si l'événement dommageable ne s'était pas produit. Il peut se présenter sous la forme d'une diminution de l'actif, d'une augmentation du passif, d'une non-augmentation de l'actif ou d'une non-diminution du passif (
ATF 133 III 462
consid. 4.4.2 p. 471;
ATF 132 III 359
consid. 4 p. 366 et les références). Dans le cas particulier, celui-ci consiste dans le montant pris en charge par le Fonds de garantie LPP au titre des prestations qui auraient normalement dû être allouées par l'institution de prévoyance si celle-ci n'était pas devenue insolvable (
ATF 135 V 373
consid. 2.3 p. 375 et les références).
8.1.2
Selon une jurisprudence constante, le lésé a également droit, en plus du montant en capital de l'indemnité réparatrice, à l'intérêt compensatoire de ce capital. L'intérêt compensatoire a pour but de placer le lésé dans la situation où il se trouverait si le dommage, respectivement ses conséquences économiques, avaient été réparés au jour de l'acte illicite. Cet intérêt, dont le taux s'élève en principe à 5 % (
art. 73 al. 1 CO
;
ATF 122 III 53
consid. 4b p. 54), est dû dès le moment où les conséquences économiques du fait dommageable se sont produites et court jusqu'au paiement de l'indemnité (
ATF 131 III 12
consid. 9.1 p. 22 et les références).
8.1.3
Dire s'il y a eu dommage et quelle en est la quotité est une question de fait qui lie en principe le Tribunal fédéral (
art. 105 al. 1 et 2 LTF
). C'est en revanche une question de droit (
art. 106 al. 1 LTF
) de dire si la notion juridique du dommage a été méconnue et de déterminer si l'autorité cantonale s'est fondée sur des principes de calcul admissibles pour le fixer (
ATF 132 III 359
consid. 4 p. 366;
ATF 130 III 145
consid. 6.2 p. 167 et les références).
8.2
L'illicéité implique une atteinte à un bien juridiquement protégé, qu'il s'agisse de l'atteinte à un droit subjectif absolu (illicéité par le résultat;
Erfolgsunrecht
) ou de l'atteinte au patrimoine par la violation d'une norme de protection du bien juridiquement atteint (illicéité par le comportement;
Verhaltensunrecht
). Le patrimoine en soi n'est pas un bien juridique, son atteinte donc pas illicite à elle seule. Les atteintes au patrimoine ne sont par conséquent illicites que si elles découlent d'un comportement proscrit en tant que tel par l'ordre juridique indépendamment de ses effets patrimoniaux (théorie objective de l'illicéité). La condition est que les normes de comportement violées visent la protection contre de telles atteintes. Le comportement exigé par la loi peut consister soit dans une action, soit dans une omission - auquel cas il faut qu'il existât, au moment déterminant,
BGE 139 V 176 S. 189
une norme juridique qui sanctionnait explicitement l'omission commise ou qui imposait de prendre en faveur du lésé la mesure omise (position de garant vis-à-vis du lésé). Les devoirs dont la violation est en cause résultent d'abord de la loi; pour les organes au sens de l'
art. 52 LPP
sont déterminantes en outre les obligations et prescriptions statutaires et réglementaires, ainsi que les directives des autorités de surveillance et les obligations résultant d'un contrat (
ATF 135 V 373
consid. 2.4 p. 376 et les références). Savoir si un comportement constitue un acte illicite susceptible d'entraîner la responsabilité est une question de droit que le Tribunal fédéral peut examiner librement. Pour trancher cette question de droit, il faut cependant se fonder sur le contenu du comportement et sur les circonstances, lesquelles relèvent du fait.
8.3
La responsabilité est déjà engagée par un comportement constitutif d'une négligence légère. Commet une telle négligence celui qui, de façon même légère, manque à son devoir de diligence. La diligence requise dans le cas concret correspond à ce qu'un homme consciencieux et raisonnable, appartenant au même cercle que le responsable, tiendrait pour exigible dans des circonstances identiques; pour en juger, il ne faut pas se fonder sur un critère individuel mais sur un critère objectif, qui tienne compte des circonstances concrètes. Déterminer dans le cas concret si un comportement doit être qualifié de négligence relève d'un jugement de valeur et repose largement sur l'appréciation du juge (
ATF 128 V 124
consid. 4e p. 132; voir également UELI KIESER, in LPP et LFLP, Commentaire, Schneider/Geiser/Gächter [éd.], 2010, n° 27 ad
art. 52 LPP
). En pareil cas, le Tribunal fédéral fait preuve de retenue et n'intervient que si le juge a abusé de son pouvoir d'appréciation, en se référant à des critères dénués de pertinence ou en ne tenant pas compte d'éléments essentiels, ou lorsque la décision, dans son résultat, est manifestement inéquitable ou heurte de manière choquante le sentiment de justice (arrêt 5C.18/2006 du 18 octobre 2006 consid. 7.1 in fine et les références, in SJ 2007 I 238).
8.4
Enfin, pour que le dommage doive être réparé, il faut qu'il existe entre l'insolvabilité et le comportement reproché au responsable un lien de causalité naturelle et adéquate.
8.4.1
Un fait est la cause naturelle d'un résultat s'il en constitue l'une des conditions
sine qua non
. En d'autres termes, il existe un lien de causalité naturelle entre deux événements lorsque, sans le premier, le
BGE 139 V 176 S. 190
second ne se serait pas produit, ou du moins pas de la même manière; il n'est pas nécessaire que l'événement considéré soit la cause unique ou immédiate du résultat (
ATF 133 III 462
consid. 4.4.2 p. 470 et les références).
8.4.2
Le rapport de causalité est adéquat lorsque le comportement incriminé était propre, d'après le cours ordinaire des choses et l'expérience générale de la vie, à entraîner un résultat du genre de celui qui s'est produit. Pour savoir si un fait est la cause adéquate d'un préjudice, le juge procède à un pronostic rétrospectif objectif: se plaçant au terme de la chaîne des causes, il lui appartient de remonter du dommage dont la réparation est demandée au chef de responsabilité invoqué et de déterminer si, dans le cours normal des choses et selon l'expérience générale de la vie humaine, une telle conséquence demeure dans le champ raisonnable des possibilités objectivement prévisibles (
ATF 129 II 312
consid. 3.3 p. 318 et les références). La jurisprudence a précisé que, pour qu'une cause soit adéquate, il n'est pas nécessaire que le résultat se produise régulièrement ou fréquemment. Si un événement est en soi propre à provoquer un effet du genre de celui qui est survenu, même des conséquences singulières, c'est-à-dire extraordinaires, peuvent constituer des conséquences adéquates de cet événement (
ATF 119 Ib 334
consid. 5b p. 344). Lorsqu'il s'agit de juger de l'existence d'un lien de causalité adéquate entre une ou des omissions et un dommage, il convient alors de s'interroger sur le cours hypothétique qu'auraient pris les événements si le défendeur avait agi conformément à ses devoirs (
ATF 129 III 129
consid. 8 p. 134;
ATF 127 III 453
consid. 5d p. 456).
8.4.3
L'existence d'un lien de causalité naturelle entre le fait générateur de responsabilité et le dommage est une question de fait (
ATF 130 III 591
consid. 5.3 p. 601). En revanche, la méconnaissance du concept même de la causalité naturelle ainsi que l'existence d'un rapport de causalité adéquate constituent des questions de droit que le Tribunal fédéral examine librement (
ATF 123 III 110
consid. 2 p. 111 et les références).
8.5
Si deux ou plusieurs personnes sont tenues de réparer le même dommage, il y a responsabilité plurale. La théorie générale de la pluralité de responsables consacrée par le Tribunal fédéral distingue entre solidarité parfaite et solidarité imparfaite (
ATF 115 II 42
consid. 1b p. 45;
ATF 104 II 225
consid. 4 p. 229). Dans les cas où plusieurs responsables ont commis une faute commune, le préjudice causé est
BGE 139 V 176 S. 191
logiquement imputable à chacun d'eux (solidarité parfaite). Dans les cas où les différents responsables ont agi indépendamment les uns des autres, chacun d'entre eux répond certes de la totalité du préjudice qu'il a personnellement causé, mais pas au-delà (solidarité imparfaite). Si une personne n'a causé qu'une partie du préjudice, elle doit donc répondre de celle-ci, mais non du préjudice dans son entier; il en va du respect des règles de la causalité, en vertu desquelles nul n'est tenu de réparer un préjudice qu'il n'a pas causé. La solidarité n'existe donc que dans la mesure de la responsabilité préalable de chacun (
ATF 130 III 362
consid. 5.2 p. 369;
ATF 127 III 257
consid. 5a p. 262 et les références citées; voir également FRANZ WERRO, La responsabilité civile, 2
e
éd. 2011, p. 457 ch. 1627 ss).
9.
(...)
9.1
On ne saurait suivre les recourantes lorsqu'elles soutiennent, en se fondant sur un arrêt rendu le 17 septembre 2009 par la Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal du canton de Fribourg (causes 605 2009-179 et 605 2009-180), que les actions en responsabilité fondées sur l'
art. 56a al. 1 LPP
(dans sa teneur en vigueur jusqu'au 31 décembre 2004) seraient subsidiaires à celles fondées sur l'
art. 52 LPP
. Leur argumentation ne repose sur aucun fondement légal ou jurisprudentiel et méconnaît manifestement le caractère propre et autonome de l'action fondée sur l'
art. 56a al. 1 LPP
, tel que la jurisprudence l'a consacré (cf. supra consid. 7.4). Malgré les difficultés procédurales engendrées par la juxtaposition d'actions ouvertes par une institution de prévoyance sur la base de l'
art. 52 LPP
et par le Fonds de garantie LPP sur la base de l'
art. 56a al. 1 LPP
, il n'y a pas lieu de remettre en cause ce principe.
9.2
Il n'en est pas moins vrai que le dommage effectif subi par le Fonds de garantie LPP était encore incertain au moment où celui-ci a ouvert action. Selon la jurisprudence, lorsque le dommage ne peut pas, vu l'incertitude planant par exemple sur le dividende d'une faillite ou le bénéfice d'une liquidation, être exactement déterminé ou du moins ne peut pas l'être d'une manière suffisamment fiable, le lésé peut néanmoins faire valoir l'entier de son préjudice supposé dans le cadre d'une action en responsabilité, à la condition que le dividende de faillite ou le bénéfice de liquidation soit cédé à l'auteur du dommage. Cette solution, retenue en droit public (
ATF 108 Ib 97
consid. 1c p. 100) et en droit civil (
ATF 111 II 164
consid. 1b p. 167), puis étendue en matière d'assurances sociales (
ATF 113 V 180
BGE 139 V 176 S. 192
consid. 3b p. 183), doit également être reprise dans le cadre du droit de recours du Fonds de garantie LPP contre les personnes responsables de l'insolvabilité d'une institution de prévoyance. Il serait contraire en effet aux intérêts des parties d'ajourner indéfiniment l'exercice de créances en dommages-intérêts, notamment lors de liquidations compliquées. Cette manière de procéder respecte par ailleurs mieux le but des règles en matière de responsabilité. Elle permet de remettre le lésé dans la situation dans laquelle il se serait trouvé s'il n'avait pas été victime du comportement illicite de l'auteur du dommage et, indirectement, d'exclure qu'il se trouve, en raison de l'intrication des procédures, surindemnisé. Il paraît en outre plus équitable que ce soit l'auteur du dommage qui supporte en définitive les conséquences dues à l'incertitude planant sur le résultat définitif de la liquidation (voir également ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Staatliche Haftung bei mangelhafter BVG-Aufsichtstätigkeit, 1996, p. 134).
9.3
Il résulte de ce qui précède que le Fonds de garantie LPP était en droit, quand bien même son dommage réel ne pouvait pas, compte tenu des circonstances, être chiffré ou ne pouvait pas l'être avec une précision suffisante, d'ouvrir, moyennant cession du dividende de la liquidation de l'institution de prévoyance en faveur des auteurs du dommage, une action en réparation du dommage pour le montant total de son préjudice supposé. Sous réserve des précisions apportées au présent considérant, la juridiction cantonale n'a par conséquent pas violé le droit fédéral en entrant en matière sur l'action ouverte par le Fonds de garantie LPP.
(...)
11.
Comme on l'a vu (cf. supra consid. 8.4), un responsable n'est tenu de réparer que le dommage qui se trouve dans un rapport de causalité naturelle et adéquate avec le comportement qui fonde sa responsabilité. Contrairement à ce qu'ont retenu les premiers juges, le préjudice indemnisé ne saurait simplement résulter de la somme allouée par le Fonds de garantie LPP, mais doit correspondre à l'aggravation objective de la situation financière de l'institution de prévoyance engendrée par le ou les différents comportements illicites reprochés. Viole donc le droit fédéral, car contraire au principe de la causalité, le raisonnement de la juridiction cantonale consistant, par exemple, à condamner la République et canton de Neuchâtel à payer la somme de 5'234'387 fr. 05 au motif que l'autorité de surveillance aurait négligé son devoir de diligence en laissant augmenter sans réagir le montant des placements auprès de l'employeur jusqu'à la
BGE 139 V 176 S. 193
somme de 4'883'547 fr. 95 (cf. infra consid. 13). Par ailleurs, c'est le lieu de préciser qu'une institution de prévoyance peut essuyer des pertes pour de multiples motifs: actes illicites, violation de devoirs contractuels, non-paiement des cotisations de l'employeur ou des travailleurs, rendements insuffisants, perte sur placements, frais de gestion (interne ou externe) exorbitants, retraits importants d'avoirs de libre passage, etc. Il n'est ainsi pas impossible que tout ou partie d'une perte soit imputable à des facteurs non liés à un comportement individuel, comme par exemple une conjoncture économique défavorable. Au regard de la diversité des facteurs pouvant influer sur la fortune d'une institution de prévoyance, il y a lieu d'examiner pour chaque comportement reproché si et dans quelle mesure il est en relation avec l'insolvabilité de l'institution de prévoyance. Cela présuppose une analyse chronologique détaillée de l'activité de l'institution de prévoyance (à la lumière de l'évolution de la fortune, du personnel assuré, des rendements réalisés, etc.) et de l'impact concret sur la fortune de chaque décision prise et de chaque omission commise. Faute de savoir de quels éléments se composait la perte de la Fondation du personnel cadre, la juridiction cantonale n'était raisonnablement pas en mesure de se prononcer sur la responsabilité des parties recherchées. Pour ce motif, il se justifierait d'annuler le jugement attaqué et de renvoyer la cause à la juridiction cantonale pour qu'elle rende un nouveau jugement sur le fond.
12.
La juridiction cantonale a retenu que X., X. SA, la République et canton de Neuchâtel et Y. SA avaient pris une part active dans l'établissement de la convention passée le 24 novembre 1997, laquelle contenait, à son avis, une solution inconciliable avec les exigences de l'ordonnance du 18 avril 1984 sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité (OPP 2; RS 831.441.1) et propre à mettre en péril le but de prévoyance. Elles auraient commis ainsi un acte illicite ayant entraîné l'insolvabilité de la Fondation du personnel cadre et l'intervention du Fonds de garantie LPP.
12.1
Plus précisément, la juridiction cantonale a examiné la question de savoir s'il était admissible de procéder à l'assainissement de la Fondation du personnel cadre par le truchement d'un transfert d'immeubles. Si la dette de la société fondatrice (X.) avait été entièrement amortie, permettant de mettre fin à la situation contraire à l'OPP 2 consistant dans le dépassement de la limite admissible pour les placements chez l'employeur, le transfert d'immeubles avait néanmoins créé à son tour une situation non conforme aux exigences de l'OPP 2.
BGE 139 V 176 S. 194
A la suite dudit transfert, la fortune immobilière de la Fondation atteignait plus de 97 % des actifs au bilan à fin 1997, situation qui ne s'était guère modifiée au cours des années suivantes. La plupart des immeubles cédés, à savoir essentiellement des terrains à bâtir, n'avaient aucun rendement; ils ne pouvaient procurer des liquidités à la Fondation que dans les limites des possibilités offertes par leur mise en gage et leur vente, vente qui ne pouvait guère être espérée dans un avenir proche compte tenu du marché immobilier défavorable. Ce dernier élément avait très probablement été la raison pour laquelle X. - acculée à la faillite et désireuse d'assurer rapidement sa survie - ne les avait pas vendus elle-même. La solution consacrée par la convention comportait donc clairement l'intention de favoriser le sauvetage de la société fondatrice, et n'aurait vraisemblablement pas été acceptée par l'autorité de surveillance s'il s'était agi uniquement d'empêcher la survenance d'un dommage à l'encontre de l'institution de prévoyance (ou de ses assurés). Le manque de liquidités de la Fondation pour faire face aux engagements à court terme, relevé par les organes de contrôle successifs, ne pouvait pas être ignoré et le risque que cette situation perdure était patent. A cela s'ajoutait le fait que l'assainissement de la Fondation était censé se dérouler sur plusieurs années, ce qui impliquait le maintien d'une situation contraire aux exigences légales et réglementaires en matière de prévoyance professionnelle pendant une longue période. De plus, la restructuration de la société fondatrice - si elle présentait peut-être de bonnes chances de succès, lesquelles semblaient s'être vérifiées depuis lors - n'offrait pas encore la garantie d'une remise à flot durable de la Fondation. En conséquence, le concept même qu'incorporait la convention de 1997 constituait une solution non seulement inconciliable avec les exigences de l'OPP 2, mais également propre à causer le dommage invoqué par le Fonds de garantie LPP. En d'autres termes, il n'était pas possible de considérer que la solution prévue par la convention de 1997 ne mettait pas en péril le but de prévoyance et que sa justification était suffisante, puisque celle-ci résidait dans une large mesure dans la volonté d'assurer la poursuite des activités de la société fondatrice sous une nouvelle raison sociale.
Dans ce contexte, la responsabilité de X. et de X. SA était engagée en tant que principales intéressées à l'aboutissement des négociations et aux solutions adoptées à l'issue de celles-ci. Pour sa part, Y. SA avait pris une part active dans cette opération en assumant, ce qui était illicite, la double fonction d'organe de contrôle de la
BGE 139 V 176 S. 195
Fondation et de conseiller financier de X., double fonction qui conférait non seulement la faculté - résultant du mandat qu'elle avait reçu de X. - de veiller aux intérêts de celle-ci, mais également une position de force à l'égard de la Fondation et de l'autorité de surveillance. Quant à l'autorité de surveillance, elle avait prêté son concours aux négociations qui avaient abouti à l'adoption des solutions retenues à l'issue de celles-ci et donné son approbation à la convention du 24 novembre 1997.
12.2
Il n'est pas contesté que la solution adoptée dans le cadre de la convention conclue le 24 novembre 1997 par la Fondation du personnel cadre, X. et X. SA, ratifiée par l'autorité de surveillance, entraînait le non-respect par l'institution de prévoyance des règles fixées par le législateur en matière de placement de la fortune d'une institution de prévoyance (
art. 71 al. 1 LPP
et
art. 49 ss OPP 2
), singulièrement les principes de la sécurité et de la répartition appropriée des risques au sens de l'
art. 50 OPP 2
. Le résultat auquel conduisait cette transaction, en tant qu'elle aboutissait - d'après les constatations de fait opérées par la juridiction cantonale - au placement de plus de 97 % des actifs en immeubles et terrains à bâtir (
art. 54 let
. c OPP 2) et à un manque de liquidités ne permettant pas de verser les prestations d'assurance et de libre passage exigibles (
art. 52 OPP 2
), était contraire à la réglementation applicable.
12.3
Cela étant, l'existence d'une situation contraire au droit ne signifie pas que celle-ci est nécessairement en rapport de causalité avec le dommage survenu postérieurement. Encore faut-il démontrer que le déséquilibre dans la répartition de la fortune à la suite de la convention du 24 novembre 1997 a eu des conséquences délétères sur la situation financière de l'institution de prévoyance et qu'elle est une, sinon la cause (naturelle et adéquate), de l'insolvabilité de celle-ci (voir
ATF 137 V 446
consid. 7 p. 459). Pour toute motivation à ce sujet, la juridiction cantonale a retenu que "le concept même qu'incorpore la convention de 1997 constitue une solution non seulement inconciliable avec les exigences de l'OPP 2 mais également propre à causer le dommage invoqué". En vérité, il ressort de l'arrêt attaqué que la juridiction cantonale n'a pas véritablement examiné, malgré les objections soulevées par les recourantes, la question du rapport de causalité entre la conclusion de cette convention et l'insolvabilité de la Fondation du personnel cadre. Ce motif justifierait également d'annuler le jugement attaqué et de renvoyer la cause à la juridiction cantonale pour qu'elle examine cet aspect du litige.
BGE 139 V 176 S. 196
12.4
12.4.1
X., X. SA, la République et canton de Neuchâtel et Y. SA allèguent dans leurs mémoires respectifs que la situation de la Fondation du personnel cadre aurait été bien plus défavorable si les mesures d'assainissement concrétisées notamment par la convention du 24 novembre 1997 n'avaient pas été mises en oeuvre. Compte tenu de la situation extrêmement difficile dans laquelle se trouvait X. en 1997, il est évident que l'échec des mesures d'assainissement aurait entraîné la faillite de la société. Dans cette hypothèse, le Fonds de garantie LPP aurait dû également intervenir afin de garantir les prestations légales et réglementaires en faveur des assurés de la Fondation du personnel cadre, avec une perte probablement supérieure à celle qui sera finalement la sienne en l'occurrence. Dans ces conditions, la convention du 24 novembre 1997 ne pouvait être considérée comme étant la cause du dommage.
12.4.2
Au travers de cette argumentation, les recourantes font implicitement référence à la théorie dite du comportement de substitution licite (
rechtmässiges Alternativverhalten
). Elle revêt le caractère d'une objection, par laquelle le défendeur à l'action en responsabilité fait valoir que le dommage serait également survenu s'il avait agi conformément au droit (cf.
ATF 131 III 115
consid. 3.1 p. 119;
ATF 122 III 229
consid. 5a/aa p. 233; arrêts 2C_147/2007 du 23 janvier 2008 consid. 8.1 et 4C.156/2005 du 28 septembre 2005 consid. 3.5.6, in SJ 2006 I p. 221). Sans nier que son comportement ait été inadéquat, il affirme cependant que s'il avait agi de manière correcte, cela n'aurait rien changé au résultat. En vertu de cette théorie, le défendeur à l'action n'est responsable que dans la mesure où l'acte illicite qui lui est reproché a lui-même causé le dommage ou contribué à augmenter un dommage préexistant.
12.4.3
La réponse à l'objection soulevée par les recourantes nécessiterait en principe de comparer le dividende qu'aurait pu obtenir la Fondation du personnel cadre dans le contexte de la liquidation de X. si la faillite était survenue au début de l'année 1997 avec le montant de la perte effectivement subie par le Fonds de garantie LPP au terme de la liquidation de la Fondation du personnel cadre. Il s'agit à l'évidence d'une question complexe, à laquelle les faits constatés par la juridiction cantonale ne permettent pas de répondre. En tout état de cause, on ne saurait suivre la démonstration à laquelle procède l'intimé dans ses réponses au recours pour établir qu'une faillite
BGE 139 V 176 S. 197
aurait été préférable à la poursuite des activités. Dans le but de démontrer que les actifs existants auraient permis de couvrir la somme due à la Fondation du personnel cadre, l'intimé renvoie au document du 30 juin 1997 intitulé "contrat d'acquisition de divers actifs avec reprises de dettes entre la société en nom collectif X. et la société anonyme X. SA" et à la liste des actifs qu'il contient. Le raisonnement de l'intimé ne tient toutefois pas compte du fait que la faillite de X. aurait entraîné la liquidation de la société selon les règles de la procédure ordinaire; il convenait à tout le moins d'inclure les importants frais que la liquidation d'une société de cette taille aurait induits ou encore la perte de valeur qu'auraient indubitablement subie les actifs immobiliers non gagés à la suite de leur vente forcée. Pour les motifs qui suivent, cette question peut toutefois souffrir de demeurer indécise.
12.5
Malgré son contenu et les conséquences qu'elle entraînait, la convention du 24 novembre 1997 ne constituait pas un acte illicite.
12.5.1
En premier lieu, il convient de souligner que la convention du 24 novembre 1997 aboutissait à une solution qui, contrairement à ce qu'a retenu la juridiction cantonale, n'était que partiellement non conforme aux exigences de l'OPP 2. D'après l'
art. 54 let
. c OPP 2 (dans sa teneur en vigueur au moment des faits), la fortune d'une institution de prévoyance pouvait être placée à raison de 50 % au maximum dans des immeubles. Dans ces conditions, la convention ne pouvait être qualifiée d'illicite que dans la mesure où la part des placements dans des immeubles dépassait 50 % de la fortune de la Fondation du personnel cadre.
12.5.2
Plus généralement, la convention du 24 novembre 1997 n'était pas contraire au droit.
12.5.2.1
Il n'est pas contesté que la Fondation du personnel cadre présentait une situation particulièrement obérée en date du 31 décembre 1996, puisque la somme due à l'institution de prévoyance par X. s'élevait à 4'883'547 fr. 95 et qu'il y avait nécessité impérieuse de prendre des mesures afin de solder cette dette et de mettre un terme à une situation qui était contraire à la réglementation applicable. Le fait que la solution choisie pour mettre fin à cet état de choses entraînait elle-même une situation contraire à la réglementation applicable peut de prime abord paraître critiquable. On ne saurait toutefois juger le bien-fondé de cette démarche sans en examiner les modalités et la finalité. De fait, la convention du 24 novembre 1997 avait,
BGE 139 V 176 S. 198
il est vrai, pour premier résultat de maintenir une situation contraire à la réglementation applicable, à la nuance près que la structure des placements, telle que modifiée par la convention, autorisait désormais d'envisager un assainissement à plus ou moins brève échéance de la structure financière de la Fondation du personnel cadre. Un examen plus avant du contenu de la convention fait apparaître que les parties s'étaient engagées à procéder le plus rapidement possible à la vente des biens transférés (art. 8 in fine). Selon les déclarations faites par Z. SA au cours de la procédure (reprises par X. SA dans son recours), il avait notamment été veillé à ce que les immeubles réalisables à court terme - à savoir libres de gage - reviennent à la Fondation du personnel cadre. Qui plus est, la juridiction cantonale a constaté que les valeurs immobilières retenues par les parties à la convention correspondaient à une moyenne raisonnable entre les deux expertises établies à l'époque pour fixer le prix de transfert des immeubles. Dans l'hypothèse où la Fondation du personnel cadre ne pouvait faire face à ses obligations en raison de liquidités insuffisantes, X. SA s'était également engagée à assumer les frais d'actes comme les intérêts des crédits hypothécaires qui seraient contractés et garantis par les immeubles de la Fondation du personnel cadre (art. 8 in initio).
Contrairement à ce qu'a retenu la juridiction cantonale, cette solution n'était pas inconciliable avec les exigences de l'OPP 2. En vertu de l'
art. 60 OPP 2
(dans sa teneur en vigueur jusqu'au 31 mars 2000 [RO 1984 561]), l'institution de prévoyance qui ne remplissait pas les conditions permettant un écart avec les normes en matière de placements ou ne présentait pas une justification suffisante n'était pas tenue de corriger immédiatement la situation, mais pouvait, en fonction de la liberté accordée par l'autorité de surveillance et compte tenu du degré d'urgence, bénéficier d'un délai pour procéder à l'adaptation de ses placements. Eu égard à la situation difficile dans laquelle se trouvait X. et des enjeux économiques et sociaux pour le canton de Neuchâtel, une certaine flexibilité quant aux modalités de la solution qui devait conduire à l'assainissement financier de la Fondation du personnel cadre pouvait être tolérée. Dans ce contexte, la convention du 24 novembre 1997 constituait, malgré le maintien provisoire d'une situation contraire à la réglementation applicable, un compromis acceptable et raisonnable, attendu que la vente des immeubles transférés devait se dérouler dans les plus brefs délais et compte tenu des garanties fournies quant aux prix de transfert des immeubles concernés et en matière de fourniture de liquidités.
BGE 139 V 176 S. 199
12.5.2.2
On ne peut suivre la juridiction cantonale lorsqu'elle affirme qu'au moment de la conclusion de la convention, la vente des immeubles "ne pouvait guère être espérée dans un avenir proche au regard du marché immobilier défavorable". Ce raisonnement revient en effet à remettre implicitement en question, alors même qu'elles n'avaient pas été jugées critiquables, les expertises immobilières sur lesquelles les parties à la convention se sont fondées. Faute de s'appuyer sur des éléments objectifs permettant d'établir - ou même simplement de rendre vraisemblable - que les immeubles en cause n'étaient pas vendables dans les conditions du marché de l'époque ou qu'ils avaient été intentionnellement surévalués, le raisonnement de la juridiction cantonale relève manifestement d'une analyse
a posteriori
de la situation, ce qui n'est pas admissible.
12.5.2.3
Le fait que la vente des immeubles ne s'est pas déroulée aussi rapidement que prévu et pour le montant fixé par la convention relève de problèmes liés à l'administration et à la gestion de la Fondation du personnel cadre et concerne une période et des comportements postérieurs à la conclusion de la convention. A ce propos, la juridiction cantonale a constaté qu'aucun comportement répréhensible ne pouvait être reproché durant cette période à Z. SA (en qualité de curatrice de la Fondation du personnel cadre) et à l'autorité de surveillance (consid. 8 et 13f de l'arrêt attaqué), appréciation sur laquelle il n'y a pas lieu de revenir.
12.6
Sur le vu de ce qui précède, il y a lieu de constater que la conclusion de la convention du 24 novembre 1997 ne constituait pas un acte illicite susceptible d'engager la responsabilité des recourantes. Dans ces conditions, les aspects indécis du litige liés à la double fonction prétendument exercée par Y. SA ou à l'absence de pondération des fautes respectives des divers intervenants peuvent demeurer sans réponse.
13.
La juridiction cantonale a retenu que l'autorité de surveillance n'avait pas fait preuve entre 1989 et 1996 de la diligence suffisante dans le cadre de ses tâches de surveillance de la Fondation du personnel cadre.
13.1
Plus précisément, la juridiction cantonale a constaté que l'autorité de surveillance n'avait pas remis en cause l'exactitude des pièces établissant l'évolution de la situation de la Fondation du personnel cadre depuis 1989, en particulier des placements chez l'employeur et des placements immobiliers. S'il était exact que l'autorité de
BGE 139 V 176 S. 200
surveillance était consciente de cette situation et qu'elle n'était pas restée inactive, puisqu'elle s'était adressée à plusieurs reprises, dès 1989 en tout cas, à l'organe de contrôle, à X. et à la Fondation du personnel cadre, pour s'inquiéter de la créance non garantie contre l'employeur et du dépassement de la limite admise en matière de placements immobiliers, il était également vrai qu'elle s'était limitée à exiger le rétablissement d'une situation conforme aux exigences de la loi et de l'OPP 2, sans prendre de mesures coercitives à l'égard de la Fondation ou sur le plan pénal. Pour la juridiction cantonale, ce comportement pouvait s'expliquer par la volonté de l'autorité de surveillance - ou du département dont elle dépendait, voire du Conseil d'Etat - de ne pas mettre en péril à la fois l'entreprise fondatrice et la fondation de prévoyance, les difficultés économiques de la première étant à l'origine de l'accroissement de sa dette à l'égard de la seconde. Certes, l'autorité de surveillance n'avait pas à effectuer des évaluations périodiques de la situation financière de l'entreprise fondatrice, tâche qui incombait à l'institution de prévoyance, ni à se charger du contrôle complet de la gestion et des comptes de celle-ci. Cependant, informée par les rapports annuels successifs de l'organe de contrôle du non-respect des règles de l'OPP 2, elle ne pouvait pas se limiter à exprimer sa préoccupation et se contenter, pendant plusieurs années, d'inviter les organes de l'institution de prévoyance à les corriger, fût-ce en leur impartissant des délais pour ce faire, sans prendre elle-même des mesures contraignantes. Or, ce n'est finalement qu'en automne 1996 qu'une curatrice a été désignée, après l'échec définitif de la proposition de X. de transférer aux deux fondations de l'entreprise un immeuble situé à O., décision prise selon l'autorité de surveillance "d'urgence", soit parce que la situation de la Fondation du personnel cadre était désormais quasi désespérée. En résumé, la surveillance présentait des insuffisances, non par ignorance de la situation, mais par manque de rigueur dans l'application des exigences légales et probablement par égard envers une entreprise occupant une place importante dans l'économie et le marché du travail.
Les autorités de surveillance disposaient cependant de moyens préventifs et répressifs, soit par exemple la faculté de donner des instructions à l'institution de prévoyance et d'exiger leur application sous peine de sanctions. Contrairement à ce qui était allégué, il n'était pas possible d'affirmer qu'une attitude plus stricte de la part de l'autorité de surveillance aurait nécessairement provoqué la faillite de X. et donc entraîné un dommage comparable à celui qui était en cause.
BGE 139 V 176 S. 201
X. était propriétaire d'un parc immobilier considérable, dont elle ne souhaitait pas se défaire parce que les investissements dans l'immobilier constituaient pour les entreprises de construction des réserves leur permettant de traverser les périodes de crise. Malgré les difficultés dues à l'évolution défavorable du marché de la construction et à des charges hypothécaires trop lourdes, il est probable que X. eût pu, si des mesures d'assainissement des fondations avaient été exigées à temps, prendre des dispositions qu'elle n'aurait sans doute pas souhaitées mais qui eussent permis de diminuer la dette et mettre fin à l'augmentation constante de ses comptes courants. Le comportement de l'autorité de surveillance était ainsi propre à causer la survenance d'un dommage et y a effectivement contribué. Les violations des exigences susmentionnées, lesquelles avaient pour finalité précisément de réduire les risques et de protéger les destinataires des institutions de prévoyance, devaient être qualifiées, à défaut de justification pertinente, d'attitude illicite et fautive.
13.2
Selon l'
art. 62 al. 1 LPP
, l'autorité de surveillance s'assure que l'institution de prévoyance se conforme aux prescriptions légales. En particulier, elle vérifie la conformité des dispositions réglementaires avec les prescriptions légales (let. a), exige de l'institution de prévoyance un rapport périodique, notamment sur son activité (let. b), prend connaissance des rapports de l'organe de contrôle et de l'expert en matière de prévoyance professionnelle (let. c) et prend les mesures propres à éliminer les insuffisances constatées (let. d). Si l'autorité de surveillance ne peut pas intervenir directement dans la gestion d'une institution de prévoyance, sa tâche consiste néanmoins à contrôler la conformité au droit de l'activité de ladite institution, à la lumière des dispositions légales et réglementaires, en particulier de l'OPP 2. Ainsi, la loi prévoit expressément que les institutions de prévoyance doivent offrir en tout temps la garantie qu'elles peuvent remplir leurs engagements (
art. 65 al. 1 LPP
). Elles doivent administrer leur fortune de manière à garantir la sécurité des placements, un rendement raisonnable, une répartition appropriée des risques et la couverture des besoins prévisibles de liquidités (
art. 71 al. 1 LPP
et
art. 49 ss OPP 2
). Les prescriptions légales ne contiennent pas d'énumération exhaustive des mesures qui sont à la disposition de l'autorité de surveillance pour l'accomplissement de sa tâche; celle-ci dispose d'un large pouvoir d'appréciation pour décider des mesures qu'elle juge appropriées, sans qu'elle n'ait besoin de se référer à un catalogue de mesures prévues dans une disposition expresse. L'étendue des
BGE 139 V 176 S. 202
compétences de l'autorité de surveillance résulte de la nature juridique du contrôle étatique qu'elle exerce. En l'absence de dispositions topiques, ce sont les principes généraux du droit administratif qui sont déterminants, soit notamment l'égalité de traitement, l'interdiction de l'arbitraire, la proportionnalité ou encore la bonne foi. D'éventuelles sanctions doivent néanmoins être compatibles avec la finalité, telle que voulue par le législateur, de la surveillance sur les institutions de prévoyance, à savoir de garantir l'emploi conforme de la fortune de l'institution (pour une liste de mesures envisageables, cf. Message du 19 décembre 1975 à l'appui d'un projet de loi sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité, FF 1976 I 230; sur l'ensemble de la question, arrêt 2A.395/2002 du 14 août 2003 consid. 3.3 et les références; voir également CHRISTINA RUGGLI, in LPP et LFLP, Commentaire, Schneider/Geiser/Gächter [éd.], 2010, n° 18 ss ad
art. 62 LPP
).
13.3
En l'occurrence, la République et canton de Neuchâtel ne formule aucun grief à l'encontre des reproches qui lui ont été adressés par les premiers juges, selon lesquels elle a, bien qu'elle fût parfaitement informée de l'ampleur de la situation et de la violation des dispositions réglementaires en matière de placement de l'OPP 2, tardé à prendre les mesures nécessaires afin de corriger cette situation et, par ce comportement, contribué à l'augmentation du compte courant de la société fondatrice auprès de la Fondation du personnel cadre au-delà de toute proportion raisonnable. Si la recourante ne remet pas en cause le caractère illicite et fautif de ce comportement, elle conteste toutefois que celui-ci soit en lien de causalité avec le dommage subi par l'intimé. Or, force est de constater, à l'instar de ce qui a déjà été mis en évidence au considérant précédent, que les premiers juges n'ont pas procédé à un examen détaillé de cette question. S'il est vrai qu'un tel comportement est propre, dans l'absolu, à entraîner un préjudice, cela ne signifie pas encore qu'il est à l'origine de tout ou partie du préjudice subi par l'intimé dans le cas d'espèce. Dans la mesure où il a été constaté que la conclusion de la convention du 24 novembre 1997 ne constituait pas un acte illicite susceptible d'engager la responsabilité de la recourante, le transfert d'immeubles qu'elle consacrait valait par conséquent paiement de la dette de cotisations et, partant, extinction de celle-ci, et entraînait la rupture de tout lien de causalité entre le dommage et l'ensemble des faits survenus antérieurement à la conclusion de la convention. Il convient par conséquent de libérer la recourante de sa responsabilité à raison du défaut de
BGE 139 V 176 S. 203
diligence dont elle aurait fait preuve dans le cadre de ses tâches de surveillance de la Fondation du personnel cadre entre 1989 et 1996.
13.4
On ajoutera que dans l'hypothèse où une responsabilité de la recourante aurait dû être reconnue, le montant du dommage ne pouvait en aucun cas s'élever à 5'234'387 fr. 05. Les faits reprochés à la recourante concernaient principalement le défaut de surveillance quant à l'augmentation constante de la somme des placements auprès de l'employeur jusqu'au 31 décembre 1996. A cette date, la somme due par X. à la Fondation du personnel cadre s'élevait à 4'883'547 fr. 95. D'après l'
art. 57 al. 2 OPP 2
(dans sa teneur en vigueur jusqu'au 31 mars 2004), la fortune d'une institution de prévoyance pouvait être placée sans garantie chez l'employeur à raison de 20 % au maximum. Le préjudice que l'intimé pouvait faire valoir à l'encontre de la recourante ne pouvait donc s'élever qu'à la différence entre la somme de 4'883'547 fr. 95 et les 20 % de la fortune de l'institution de prévoyance au 31 décembre 1996, montant auquel il convenait encore de déduire le produit de la vente des immeubles objets de la convention du 24 novembre 1997.
14.
La juridiction cantonale a encore retenu que X. n'avait pas satisfait à l'obligation qui lui incombait de payer les cotisations de prévoyance.
14.1
Pour la juridiction cantonale, il était incontestable que les comptes courants de X. auprès des deux Fondations de prévoyance représentaient l'accumulation de cotisations impayées pendant plusieurs années. Il ne faisait ainsi pas de doute que X. avait contrevenu pendant plusieurs années à ses obligations en matière de paiement des cotisations, comportement qui était à l'origine de la créance de la Fondation du personnel cadre de 4'883'547 fr. 95 mentionnée par l'organe de contrôle dans son rapport pour l'exercice 1996. Cette créance était de 353'000 fr. en 1985 et n'avait cessé d'augmenter depuis lors, sous réserve d'une légère diminution pendant les années 1988 et 1989, et dépassait à nouveau, dès 1990, largement le taux de 20 % admissible selon l'
art. 57 OPP 2
(dans sa teneur en vigueur jusqu'au 31 mars 2004). Que cette situation fût due aux difficultés financières de l'entreprise fondatrice n'était pas un motif d'exculpation et restait le résultat d'un comportement illicite fautif qui s'étendait sur une dizaine d'années. Il ne pouvait dès lors être question d'un retard momentané qu'aurait pu justifier un espoir concret de voir la situation s'améliorer dans un avenir proche. L'existence de cette dette constituait l'élément central
BGE 139 V 176 S. 204
de la convention de 1997 et, manifestement, une cause adéquate de l'insolvabilité de la Fondation du personnel cadre et de la mise à contribution du Fonds de garantie LPP à hauteur du dommage invoqué.
14.2
X. ne conteste pas avoir accumulé du retard dans le paiement de ses contributions à la Fondation du personnel cadre et le caractère illicite de ce comportement. Elle considère en revanche que la convention du 24 novembre 1997 emportait transfert d'immeubles pour le prix équivalent à sa dette et, par conséquent, paiement de celle-ci. Or, comme déjà indiqué (cf. supra consid. 13.3), la conclusion de la convention du 24 novembre 1997 a entraîné la rupture du lien de causalité entre le dommage et l'ensemble des faits survenus antérieurement à la conclusion de la convention. Il convient par conséquent de libérer la recourante de sa responsabilité à raison du non-respect de son obligation de payer les cotisations de prévoyance.
15.
La juridiction cantonale a encore considéré que X. SA avait engagé sa responsabilité en résiliant en temps inopportun le contrat d'affiliation qui la liait avec la Fondation du personnel cadre.
15.1
Pour la juridiction cantonale, la résiliation du 8 décembre 2000 était à l'origine de la procédure de liquidation. Elle avait obligé la Fondation du personnel cadre à effectuer d'importantes prestations de libre passage, alors qu'elle se trouvait déjà, à la suite des conventions conclues en 1997, en difficulté pour se procurer les liquidités lui permettant de satisfaire à ses obligations prévisibles et normales. Dans la mesure où cet état de fait ne pouvait échapper à X. SA, il était évident que la résiliation était une cause adéquate de l'intervention du Fonds de garantie LPP. La résiliation constituait par ailleurs une violation d'une norme de comportement destinée à protéger l'institution de prévoyance contre une atteinte à son patrimoine. La convention de 1997 prévoyait à son art. 5 que "la repreneuse maintient l'affiliation à la Fondation de l'ensemble du personnel cadre de la fondatrice, sous réserve de licenciements ordinaires" et dans son préambule que "afin d'éviter une dissolution et une mise en liquidation de la Fondation suite au transfert du personnel affilié à la repreneuse, celle-ci reprend les obligations de la fondatrice, dès le 01.01.1997". Quoiqu'aucune durée minimale de la future affiliation de X. SA à la Fondation du personnel cadre n'ait été prévue, le sens du maintien convenu de l'affiliation par X. SA résidait dans la volonté des parties de ne pas créer, par le transfert massif et simultané d'assurés dans une
BGE 139 V 176 S. 205
autre institution de prévoyance, une situation à laquelle la Fondation ne pourrait pas faire face faute de liquidités. Or, il était patent que la situation restait précaire pour la Fondation du personnel cadre en 2000 et que cette insuffisance de moyens perdurerait aussi longtemps que les immeubles reçus en paiement ne seraient pas réalisés. X. SA savait que la résiliation du contrat d'affiliation entraînerait la liquidation de la Fondation du personnel cadre et devait donc nécessairement se douter qu'elle conduirait à l'intervention du Fonds de garantie LPP.
15.2
La recourante peine à voir, sur la base de la motivation développée par la juridiction cantonale, quels auraient été son comportement illicite et sa faute en relation de causalité adéquate avec l'insolvabilité de la Fondation du personnel cadre. Elle relève que l'entreprise X. SA a été constituée le 16 mai 1997, soit à une date où l'insolvabilité de la Fondation du personnel cadre existait déjà; que les conventions du 24 novembre 1997 avaient eu pour effet d'éteindre les dettes que la société fondatrice avait vis-à-vis des deux Fondations au 31 décembre 1996; et que dès le 1
er
janvier 1997, les cotisations et primes dues aux deux Fondations avaient été acquittées par X. SA. Dans ces conditions, le dommage lié à l'insolvabilité préexistante de la société fondatrice et des Fondations n'avait pas pu être augmenté par un fait susceptible d'être opposé à X. SA.
15.3
Si la décision de X. SA de mettre un terme aux rapports de prévoyance qu'elle entretenait avec la Fondation du personnel cadre a entraîné la mise en liquidation de l'institution de prévoyance et l'intervention du Fonds de garantie LPP (causalité naturelle), la résiliation n'est manifestement pas à l'origine de l'insolvabilité de la Fondation et, partant, du dommage subi par l'intimé (causalité adéquate). L'insolvabilité d'une institution de prévoyance ne peut résulter que d'actes commis dans le cadre de l'administration, de la gestion ou du contrôle de celle-ci. Or, comme le relève à juste titre la recourante, il n'est pas établi que X. SA a, au cours de la période où ses employés étaient assurés auprès de la Fondation du personnel cadre, exercé, de façon directe ou par l'intermédiaire de ses organes, une quelconque fonction au sein de la Fondation, que ce soit dans l'administration, la gestion ou le contrôle de celle-ci, dès lors que les pouvoirs de gestion avaient été confiés par l'autorité de surveillance à Z. SA (décision de l'autorité de surveillance du 25 novembre 1996). En considérant que la responsabilité de X. SA était engagée à raison de la résiliation des rapports de prévoyance avec la Fondation du
BGE 139 V 176 S. 206
personnel cadre, la juridiction cantonale a méconnu, ici également, la notion de causalité et, partant, violé le droit fédéral.
15.4
Cela étant constaté, la question de savoir si la résiliation des rapports de prévoyance constituait en soi un acte illicite au regard des dispositions légales, réglementaires ou contractuelles applicables au moment des faits, peut demeurer indécise.
(...)
17.
(...)
17.1
Bien que la Banque cantonale neuchâteloise ait été libérée de toute responsabilité à raison de l'insolvabilité de la Fondation du personnel cadre, la juridiction cantonale a refusé de lui allouer des dépens à charge de l'intimé, au motif que seuls les organismes qui n'étaient pas chargés de tâches de droit public avaient droit à des dépens, condition que la Banque cantonale neuchâteloise ne remplissait pas en sa qualité d'établissement de droit public.
17.2
La Banque cantonale neuchâteloise fait valoir que la juridiction cantonale a, en refusant de lui allouer des dépens, d'une part, violé le principe de l'égalité de traitement et, d'autre part, fait une application arbitraire de l'
art. 48 de la loi du 27 juin 1979 sur la procédure et la juridiction administratives (LPJA; RSN 152.130)
.
Si la Banque cantonale neuchâteloise est un établissement de droit public indépendant de l'Etat doté de la personnalité juridique, qui bénéficie d'une garantie de l'Etat et a pour but de contribuer au développement économique et social du canton, elle offrirait néanmoins, selon la recourante, les services d'une banque universelle, soumise à la surveillance intégrale de l'Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers (FINMA), et serait gérée selon les principes de l'économie bancaire. En d'autres termes, si la Banque cantonale neuchâteloise est certes un établissement de droit public, elle fonctionnerait en réalité de manière identique à une banque commerciale privée. Dans le cadre du plan de sauvetage de l'entreprise X., la Banque cantonale neuchâteloise serait intervenue en qualité de créancière hypothécaire et, dans une moindre mesure, en qualité de créancière de crédits commerciaux, au même titre que d'autres banques privées. Dans ces circonstances, son intervention ne relèverait pas de l'exercice d'attributions officielles, mais de la défense de ses intérêts patrimoniaux.
En allouant des dépens au Fonds de garantie LPP sur la base de la jurisprudence fédérale, la juridiction cantonale a par ailleurs admis que des dispositions réservées de droit fédéral pouvaient s'appliquer
BGE 139 V 176 S. 207
et, partant, que des exceptions au principe selon lequel les organismes chargés de tâches de droit public n'avaient pas droit à des dépens étaient possibles. Toujours selon la recourante, la juridiction cantonale n'aurait cependant pas examiné si le même principe était applicable à la Banque cantonale neuchâteloise. Or, au regard des principes développés par la jurisprudence fédérale, une exception au principe selon lequel des dépens ne doivent pas être alloués à un organisme chargé de tâches de droit public ne serait pas fonction de l'établissement de droit public en question, mais de la nature de l'affaire et du fait que la partie ayant obtenu gain de cause a recouru aux services d'un mandataire qualifié. Dans la mesure où la Banque cantonale neuchâteloise a été actionnée dans une procédure complexe en matière de responsabilité selon l'
art. 56a LPP
, dans le cadre de laquelle elle s'est vue contrainte de faire appel à un mandataire professionnel pour défendre ses droits et pour laquelle elle a finalement obtenu totalement gain de cause au fond, la juridiction cantonale ne pouvait pas, sans procéder à un examen plus détaillé, lui refuser l'octroi de dépens au seul motif qu'elle est un établissement de droit public.
17.3
L'allocation de dépens à la partie qui obtient gain de cause ne découle ni des principes généraux du droit ni des garanties de procédure de la Constitution fédérale; cette question relève de la seule législation de procédure applicable à la cause (
ATF 134 II 117
consid. 7 p. 199). Aux termes de l'art. 48 al. 1 LPJA - qui, en vertu de la jurisprudence cantonale, s'applique par analogie à la procédure de l'action de droit administratif (arrêt du Tribunal cantonal de la République et canton de Neuchâtel, Cour de droit public, TA.2000.288 du 24 mars 2009) -, l'autorité de recours peut allouer d'office ou sur requête une indemnité de dépens à l'administré qui a engagé des frais, à condition que les mesures qu'il a prises lui paraissent justifiées. En tant que la juridiction cantonale considère
a contrario
que les organismes chargés de tâches de droit public n'ont, en vertu de cette disposition, pas droit à des dépens, elle ne procède pas à une interprétation arbitraire de cette disposition.
17.4
Autre est la question de savoir si la Banque cantonale neuchâteloise est intervenue dans la procédure en qualité d'organisme chargé de tâches de droit public.
17.4.1
Si d'un point de vue formel, la Banque cantonale neuchâteloise est un établissement de droit public (
art. 2 de la loi du 28 septembre 1998 sur la Banque cantonale neuchâteloise [LBCN; RSN 621]
)
BGE 139 V 176 S. 208
soumis à la surveillance étatique (art. 5 LBCN) et chargé, de par la loi, d'une tâche étatique (art. 1 LBCN), elle est fonctionnellement une entreprise commerciale qui exerce des activités comparables à celles d'une banque privée, gérée selon les principes de l'économie bancaire (art. 12 al. 1 LBCN), exerçant son activité en toute indépendance (art. 12 al. 2 LBCN) et participant largement au jeu de la concurrence. Dans les faits, rien ne la distingue des entreprises privées actives dans le même secteur d'activité, si ce n'est qu'elle est détenue entièrement par l'Etat (voir également
ATF 120 II 321
consid. 2h p. 329).
17.4.2
Dans ce contexte, le fait que la Banque cantonale neuchâteloise revêt la forme juridique d'un établissement de droit public - plutôt que celle d'une société anonyme (cf. art. 3a de la loi fédérale du 8 novembre 1934 sur les banques et les caisses d'épargne [loi sur les banques, LB; RS 952.0]) - ne permet pas de conclure qu'elle est intervenue dans le cas d'espèce en qualité d'organisme chargé d'une tâche de droit public. C'est bien plutôt la fonction que la recourante a endossée dans le cadre du sauvetage de X. qu'il importe de connaître. S'il est établi que la Banque cantonale neuchâteloise est intervenue dans le cadre de ses activités bancaires ordinaires, elle peut prétendre à être traitée sur le plan procédural de la même manière que n'importe quel autre administré. Faute toutefois de constatations de fait précises et exhaustives sur la nature et l'ampleur de l'intervention effectuée par la Banque cantonale neuchâteloise dans le cadre du sauvetage de X., le Tribunal fédéral est dans l'impossibilité de se prononcer sur les griefs articulés par la recourante. Il convient par conséquent de renvoyer la cause à la juridiction cantonale pour qu'elle examine cette question et, le cas échéant, fixe, dans le respect du principe de l'interdiction de l'arbitraire (
ATF 93 I 116
consid. 5 p. 122), le montant de l'indemnité de dépens due à la recourante. | null | nan | fr | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
67350f18-b998-4c80-83b9-b158851bb6f7 | Urteilskopf
108 II 527
98. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Mai 1982 i.S. S. gegen A. (Berufung) | Regeste
Ergänzung eines Vaterschaftsurteils.
Eine beim Inkrafttreten des neuen Kindesrechts noch hängige, nur auf Vermögensleistungen gerichtete Vaterschaftsklage wird gemäss
Art. 13 Abs. 1 SchlT ZGB
von Gesetzes wegen in eine neurechtliche Klage auf Feststellung des Kindesverhältnisses zwischen dem Kind und dem Vater nach
Art. 261 ZGB
, verbunden mit einer Unterhaltsklage im Sinne von
Art. 279 ZGB
, umgewandelt. Entscheidet der Richter trotzdem nur über die Unterhaltspflicht und nicht auch über das Kindesverhältnis, so ist das Vaterschaftsurteil unvollständig. Es ist vom urteilenden Richter analog zum Scheidungsrecht in einem Nachverfahren mit der Feststellung des Kindesverhältnisses zu ergänzen. | Sachverhalt
ab Seite 528
BGE 108 II 527 S. 528
A.-
F. S., am 22. Mai 1975 als Tochter der V. S. geboren, erhob im Januar 1976 gegen O. A. gestützt auf Art. 307/319 aZGB Vaterschaftsklage. Ein biostatistisches Gutachten ergab eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten von 99,9%, worauf dieser anerkannte, der Vater des Kindes zu sein. Kurz vor Inkrafttreten der Änderung der Bestimmungen des ZGB betreffend das Kindesverhältnis am 1. Januar 1978 stritten die Parteien vor Obergericht des Kantons Zürich noch über die Unterhaltsleistungen des Beklagten. In ihrer Anschlussberufung vom 30. Januar 1978 verlangte die Klägerin eine Erhöhung der Unterhaltsbeiträge und stellte zusätzlich folgenden Antrag:
"Im Sinne von Art. 13 SchlT des neuen Kindesrechts sei die Klage von Amtes wegen nach neuem Recht zu beurteilen. Demzufolge sei
a) das Kindesverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten festzustellen;
b) der Beklagte in Änderung des Klagebegehrens zu verpflichten, die eingeklagten Unterhaltsbeiträge bis zur Mündigkeit des Kindes und weiterhin, bis seine Ausbildung ordentlicherweise abgeschlossen werden kann, zu erbringen."
Im Laufe der Berufungsverhandlung liess der Beklagte vorbringen, er sei gegen eine formelle Feststellung der Vaterschaft, überlasse die Prüfung dieser Frage aber dem Gericht. Daraufhin nahmen die Parteien Vergleichsverhandlungen auf, die zu einer Einigung über die strittigen Unterhaltsbeiträge und die aussergerichtlichen Prozessentschädigungen führten. Aus vollstreckungsrechtlichen Gründen ersuchten die Parteien das Obergericht um Erlass eines formellen Urteils. Dieses fällte daher am 12. September 1978 einen entsprechenden Entscheid. Damit unterblieb aber die von der Klägerin beantragte Feststellung des Kindesverhältnisses zum Beklagten.
Ein Erläuterungsgesuch der Klägerin, womit sie eine Ergänzung des Urteils vom 12. September 1978 mit der Feststellung, dass ab 1. Januar 1978 das Kindesverhältnis zwischen ihr und dem Beklagten bestehe, anstrebte, wurde vom Obergericht am 11. Dezember 1978 abgewiesen. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies eine von der Klägerin dagegen eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde am 23. Februar 1979 ebenfalls ab. Schliesslich erhob die Klägerin gegen das Urteil des Obergerichts beim Bundesgericht Berufung, auf die wegen Verspätung mit Urteil vom 2. Mai 1979 nicht eingetreten werden konnte.
B.-
Am 19. Juni 1979 reichte die Klägerin beim Bezirksgericht Zürich eine Feststellungsklage ein, die sie auf
Art. 13a SchlT ZGB
BGE 108 II 527 S. 529
stützte. Mit Urteil vom 13. Mai 1981 hiess das Bezirksgericht die Klage gut und stellte fest, dass die Klägerin das Kind des Beklagten sei. Dieser zog das Urteil an das Obergericht des Kantons Zürich weiter, welches die Berufung am 8. Dezember 1981 guthiess und die Klage abwies. Es hielt fest, dass die Anwendung von
Art. 13a SchlT ZGB
ausser Betracht falle, dass aber auch
Art. 13 SchlT ZGB
nicht mehr angerufen werden könne, weil das Urteil vom 12. September 1978 durch rechtzeitige Berufung an das Bundesgericht hätte geändert werden können. Da diese verspätet erhoben worden sei, könne die Korrektur nun nicht mehr vorgenommen werden.
C.-
Die Klägerin führt Berufung an das Bundesgericht und stellt den Antrag, in Aufhebung des Urteils des Obergerichts vom 8. Dezember 1981 sei festzustellen, dass mit Wirkung ab 1. Januar 1978 das Kindesverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehe.
Das Bundesgericht heisst die Berufung gut und hebt das angefochtene Urteil auf. Es stellt fest, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten das Kindesverhältnis besteht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Die Klägerin wurde vor dem 1. Januar 1978 geboren. Vor diesem Zeitpunkt kannte das schweizerische ZGB zwei Arten von Rechtsverhältnissen zwischen dem Vater und seinem ausserhalb der Ehe geborenen Kind. Einerseits bestand ein dem ehelichen weitgehend gleichgestelltes Kindesverhältnis mit sogenannter Standesfolge, anderseits beschränkten sich die rechtlichen Beziehungen zwischen Vater und Kind auf die blosse Unterhaltspflicht, was als Zahlvaterschaft umschrieben wurde. Wenn der Vater das Kind nicht anerkannte, konnte der Richter das volle verwandtschaftliche Kindesverhältnis im Sinne von Art. 323 aZGB nur unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen begründen. Diese waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Klägerin blieb daher nur die Möglichkeit, eine Klage auf Vermögensleistungen im Sinne von Art. 319 aZGB zu erheben.
b) Mit dem Inkrafttreten des neuen Kindesrechts am 1. Januar 1978 hat der Gesetzgeber den Dualismus von Zahlvaterschaft und Zusprechung mit Standesfolge aufgehoben (Botschaft des Bundesrates vom 5. Juni 1974, BBl 1974 II 1 ff., 15 ff. und insbesondere 18). An dessen Stelle ist im neuen Recht unter weitmöglichster
BGE 108 II 527 S. 530
Angleichung an die Stellung des in der Ehe geborenen Kindes das volle Kindesverhältnis zwischen dem Vater und seinem nicht in der Ehe geborenen Kind getreten. Eine blosse Zahlvaterschaft gibt es nicht mehr (HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, S. 22; HAUSHEER, Die Begründung des Eltern-Kind-Verhältnisses, in: Das neue Kindesrecht, Berner Tage für die juristische Praxis 1977, S. 26; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, Supplement zur 9. Aufl., S. 20). Damit ist aber auch die Pflicht zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen, die ihren Grund in der Vaterschaft des Leistungspflichtigen hat, notwendigerweise mit einem verwandtschaftlichen Verhältnis zwischen Vater und Kind verknüpft.
Zwar erwähnt die Botschaft des Bundesrates zum Gesetzesentwurf für das neue Kindesrecht die auch unter dem neuen Recht bestehende Möglichkeit, rein obligationenrechtliche Unterhaltsverträge abzuschliessen (BBl 1974 II 64). Indessen haben solche Verträge mit der Vaterschaftsklage auf Leistung von Unterhaltsbeiträgen, wie sie von der Klägerin vor dem 1. Januar 1978 geltend gemacht, aber in diesem Zeitpunkt noch nicht abschliessend beurteilt worden ist, nichts gemeinsam (HEGNAUER, a.a.O., S. 123; HAUSHEER, a.a.O., S. 31). Solche schuldrechtliche Unterhaltsverträge bleiben auch unter dem neuen Recht der richterlichen Genehmigung durch Urteil in einem Vaterschaftsprozess grundsätzlich entzogen. Sie können u.a. dann vorkommen, wenn die unverheiratete Mutter den Namen des Vaters dem Beistand des Kindes verschweigt oder der verheiratete durch das Zivilstandsregister ausgewiesene Vater die Ehelichkeit des Kindes nicht anficht, aber unter der Hand mit dem Erzeuger des Kindes Abmachungen über Unterhaltsbeiträge getroffen werden (BBl 1974 II 64; REUSSER, Unterhaltspflicht, Unterstützungspflicht, Kindesvermögen, in: Das neue Kindesrecht, Berner Tage für juristische Praxis 1977, S. 70). Auch das neue Recht spricht zwar in
Art. 287 ZGB
von Unterhaltsverträgen; das Marginale lässt aber keinen Zweifel daran, dass hier "Verträge über die Unterhaltspflicht" im Sinne der
Art. 276 ff. ZGB
gemeint sind, die ihrerseits ihren Rechtsgrund nur in einem rechtlich anerkannten Kindesverhältnis haben. Demnach haben Vereinbarungen über den Unterhalt für ein Kind unter neuem Recht ihre Grundlage entweder im schon bestehenden familienrechtlichen Kindesverhältnis oder in einer rein schuldrechtlichen Willensübereinstimmung. Im zweiten Fall bleiben die Ansprüche des nicht in der Ehe geborenen Kindes auf Begründung
BGE 108 II 527 S. 531
des Kindesverhältnisses zu seinem Vater mit der gesetzlichen Rechtsfolge der Unterhaltspflicht gemäss
Art. 276 ff. ZGB
unberührt. Werden diese Ansprüche vor dem Richter durchgesetzt, so wird dabei die Begründung des Kindesverhältnisses zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens gemacht. Die Regelung der Unterhaltspflicht dagegen kann nur dann selbständiger und ausschliesslicher Prozessgegenstand bilden, wenn schon ein Kindesverhältnis mit den vielfältigen Rechtsfolgen besteht, die damit von Gesetzes wegen verbunden sind.
Damit entfällt aber auch eine entsprechende Dispositionsfreiheit der Parteien. Sie beschränkt sich für das ausserhalb der Ehe geborene Kind und dessen Vertreter auf die Frage, ob die Vaterschaftsklage angehoben werde oder nicht. Da der Gesetzgeber im neuen Recht grundsätzlich ein familienrechtliches Verhältnis hergestellt wissen will, ist der Entscheidungsfreiraum des behördlich bestellten Beistandes des Kindes noch weiter eingeschränkt (HAUSHEER, a.a.O., S. 31 ff.). Auf jeden Fall ist nach neuem Recht ein nachträglicher Verzicht auf die Vaterschaftsklage bzw. deren Rückzug gemäss
Art. 421 Ziff. 8 ZGB
nur mit Genehmigung der Vormundschaftsbehörde zulässig (HEGNAUER, a.a.O., S. 57).
c) Auf diese Rechtslage hat auch der Richter zu achten. Urteilt er nur über die Leistung von Unterhaltsbeiträgen, ohne dass ein Kindesverhältnis zum Vater besteht, lässt er eine Frage ungeregelt, über die im Zusammenhang mit einer Klage auf Unterhaltsleistungen notwendigerweise entschieden werden muss. Dabei auferlegt der Gesetzgeber in
Art. 254 Ziff. 1 ZGB
dem Richter die Verpflichtung, sich nicht nur vom Wahrheitsgehalt von Sachverhaltsbehauptungen zu überzeugen, sondern auch auf eigene Initiative, d.h. von Amtes wegen die erforderlichen Sachverhaltsabklärungen vorzunehmen (BBl 1974 II 26; TUOR/SCHNYDER, a.a.O., S. 9; HAUSHEER, a.a.O., S. 14; HEGNAUER, a.a.O., S. 89). Mit dieser Bestimmung ist die Rechtsprechung, die das Bundesgericht schon vor der Revision in Analogie zu
Art. 158 ZGB
entwickelt hatte (
BGE 95 II 295
E. 3 und
BGE 85 II 174
f.), Gesetz geworden.
Gestützt auf
Art. 158 ZGB
hat das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung auch angenommen, ein unvollständiges Scheidungsurteil sei vom urteilenden Richter selber in einem Nachverfahren zu ergänzen (
BGE 104 II 291
,
BGE 81 II 315
und
BGE 44 I 155
; das Nachverfahren wurde auch zugelassen, wenn es sich um Ansprüche im Scheidungsverfahren handelte, die weitgehend der Parteidisposition unterstehen). Es ist nicht einzusehen, weshalb ein
BGE 108 II 527 S. 532
solches Nachverfahren nicht auch im Zusammenhang mit einem unvollständig gebliebenen Urteil betreffend Unterhaltsbeiträge für ein nicht in der Ehe geborenes Kind zulässig sein sollte. Die Durchführung eines Nachverfahrens lässt sich sachlich rechtfertigen, weil der Fortbestand eines unvollständigen Urteils im Anwendungsbereich des Familienrechts, wo der Gesetzgeber dem Richter eine besondere Verantwortung überbindet, von erheblicher Tragweite wäre. Das gilt um so mehr, als die im vorliegenden Fall nicht beurteilte Frage, nämlich die Feststellung des Kindesverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beklagten, vom Richter von Amtes wegen hätte geprüft werden müssen. Der Klägerin kann daher nicht einfach entgegengehalten werden, sie hätte das unvollständige Urteil seinerzeit mit einem Rechtsmittel weiterziehen können. Für die Durchführung des Nachverfahrens bleibt von Bundesrechts wegen der Richter zuständig, welcher das unvollständige Urteil gefällt hat (
BGE 104 II 291
).
2.
Ist es nach dem Ausgeführten grundsätzlich möglich, ein in einem Vaterschaftsprozess ergangenes unvollständiges Urteil analog zum Scheidungsrecht in einem Nachverfahren zu ergänzen, so bleibt im vorliegenden Fall zu prüfen, ob sich die Klägerin auf das neue Kindesrecht berufen kann und ob das Urteil des Zürcher Obergerichts vom 12. September 1978, das sich nur über die Unterhaltsbeiträge des Beklagten an die Klägerin ausgesprochen hat, als unvollständig bezeichnet werden muss. Sind diese beiden Fragen zu bejahen, ist das vor Bundesgericht angefochtene Urteil vom 8. Dezember 1981 aufzuheben und das Kindesverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten festzustellen.
a) Die Übergangsbestimmungen zum neuen Kindesrecht befassen sich vor allem in
Art. 13 und 13a SchlT ZGB
mit der Rechtsstellung des vor dem 1. Januar 1978 ausserhalb der Ehe geborenen Kindes.
Art. 13a SchlT ZGB
sieht die Unterstellung dieses Kindes unter das neue Recht vor und zwar mit der Wirkung, dass es wie das Adoptivkind für die Zukunft so behandelt wird, wie wenn es seit Geburt in einem vollen Eltern-Kindesverhältnis gestanden wäre (vgl. HAUSHEER, Das neue Adoptionsrecht - eine Bewährungsprobe für Gesetzgebung und Rechtspraxis, in: Beiträge zur Anwendung des neuen Adoptionsrechts, St. Gallen 1979, S. 31). Diese Unterstellung, die beim Richter bis zum 31. Dezember 1979 mit einer Klage beantragt werden konnte, setzt unter anderem eine vor dem 1. Januar 1978 richterlich oder vertraglich begründete Verpflichtung des Vaters zu Vermögensleistungen an das Kind
BGE 108 II 527 S. 533
voraus. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Das Obergericht hat daher zu Recht beanstandet, dass das Bezirksgericht Zürich in seinem Urteil vom 13. Mai 1981 die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten auf
Art. 13a SchlT ZGB
gestützt hat.
Art. 13 SchlT ZGB
regelt jenen Fall, in dem eine Vaterschaftsklage nach bisherigem Recht auf Vermögensleistungen eingereicht, aber bis zum Inkrafttreten des neuen Kindesrechts am 1. Januar 1978 noch nicht mit rechtskräftigem Urteil erledigt worden ist. Für diesen Fall, der auf die Klägerin zutrifft, schreibt das Gesetz zwingend vor, dass die hängige Vaterschaftsklage nach neuem Recht zu beurteilen sei. Die nach neuem Recht nicht mehr zulässige Zahlvaterschaftsklage wird somit von Gesetzes wegen in eine neurechtliche Klage auf Feststellung des Kindesverhältnisses zwischen dem Kind und dem Vater gemäss
Art. 261 ZGB
, verbunden mit einer Unterhaltsklage im Sinne von
Art. 279 ZGB
, umgewandelt (HEGNAUER, a.a.O., S. 64, und TUOR/SCHNYDER, a.a.O., S. 23 f.). Es steht daher ausser Zweifel, dass im hier zu beurteilenden Fall das neue Recht anzuwenden ist.
b) Da das obergerichtliche Urteil vom 12. September 1978 sich auf die Regelung der Unterhaltsbeiträge, die der Beklagte für die Klägerin zu leisten hat, beschränkte, ist es nach neuem Recht als unvollständig zu betrachten. Dies könnte nur verneint werden, wenn in diesem Verfahren trotz des Wortlauts des Dispositivs ein Kindesverhältnis zum Beklagten begründet worden wäre. Es ist durchaus denkbar, dass eine Anerkennung der Vaterschaft vor dem Richter zustande kommt (
Art. 260 Abs. 3 ZGB
), wie dies nach der Rechtsprechung schon nach bisherigem Recht durch Anerkennung einer hängigen Vaterschaftsklage möglich war (
BGE 65 II 120
). Indessen setzt dies eine deutliche Willensäusserung des Beklagten voraus. Es genügt nicht, dass er eine richterliche Feststellung des Kindesverhältnisses dem urteilenden Gericht zwar anheimstellt, aber nicht aus eigenem Antrieb bejaht, wie dies im vorliegenden Fall in der ersten Berufungsverhandlung vor Obergericht geschehen ist. Eine Anerkennung der Klägerin durch den Beklagten liegt daher nicht vor.
c) Angesichts dieser Rechtslage hat das Obergericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 1981 die durch das Bezirksgericht am 13. Mai 1981 ausgesprochene Unterstellung der Klägerin unter das neue Recht mit Recht aufgehoben. Hingegen hätte es nicht auch davon ausgehen dürfen, dass sein eigenes unvollständiges Urteil
BGE 108 II 527 S. 534
vom 12. September 1978 keiner Ergänzung mehr zugänglich sei. Das vor Bundesgericht angefochtene Urteil vom 8. Dezember 1981 ist dementsprechend in Gutheissung der Berufung aufzuheben. Indessen erübrigt sich eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Durchführung eines Nachverfahrens im Sinne der Rechtsprechung. Da die Vaterschaft des Beklagten an sich nicht bestritten ist, sind keine tatbeständlichen Abklärungen mehr nötig. Auch die Anwendung kantonalen Rechts fällt ausser Betracht. Ob die gestützt auf
Art. 13a SchlT ZGB
eingeleitete Klage aufgrund von
Art. 13 Abs. 1 SchlT ZGB
zu schützen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht selber beurteilt werden kann. Nachdem es nach neuem Recht nicht möglich ist, einem ausserhalb der Ehe geborenen Kind lediglich Unterhaltsbeiträge zuzusprechen, ist festzustellen, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten das Kindesverhältnis besteht. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
67370c40-32bc-4fd4-82e7-46d2632190bd | Urteilskopf
98 Ib 329
48. Arrêt du 31 octobre 1972 dans la cause Lanz contre Etat de Vaud. | Regeste
Enteignung.
Art. 19 EntG
.
Wertverminderung des verbleibenden Grundstücks?
Schaden infolge Verlegung einer Strasse? | Sachverhalt
ab Seite 329
BGE 98 Ib 329 S. 329
A.-
Dame Georgette Lanz est propriétaire, à Corsy s/La Conversion (commune de Lutry), de la parcelle no 1844 située au sud de la route cantonale menant de Lutry et Paudex par La Conversion à la route Belmont-La Croix-sur-Lutry. Sur cette parcelle est construite une villa, dont les pièces de travail et de séjour sont exposées au sud, tandis qu'au nord, du côté de la route, se trouvent la cuisine et la salle de bain.
Dans le cadre de l'aménagement du réseau routier cantonal en relation avec l'autoroute du Léman, l'Etat de Vaud a prévu le déplacement de cette route cantonale étroite et sinueuse, qui passera dorénavant au sud de la parcelle Lanz et aura une largeur de 15 m, avec trois pistes et deux trottoirs.
L'exécution des travaux rend nécessaire l'expropriation de 40 m2 de la parcelle Lanz.
BGE 98 Ib 329 S. 330
B.-
Georgette Lanz a réclamé une indemnité de 100 fr. le m2 pour le terrain exproprié et de 80 000 fr. pour la dépréciation de la partie restante. A l'audience de conciliation, l'Etat de Vaud a offert 50 fr. le m2 pour le terram exproprié et 16 000 fr. pour la dépréciation de la parcelle restante, soit 10% de la valeur de la villa.
La tentative de conciliation ayant échoué, la Commission fédérale d'estimation a autorisé l'envoi en possession anticipé pour le 1er janvier 1970. La route est aujourd'hui pratiquement terminée.
En procédure d'estimation, dame Lanz a porté de 80 000 fr. à 90 000 fr. sa prétention à indemnité pour la dépréciation de la partie restante, en se fondant sur l'expertise d'un architecte, déposée avec sa demande. L'Etat de Vaud a répondu que la propriétaire n'avait droit à aucune indemnité en plus de la valeur du terrain cédé, la dépréciation alléguée étant la conséquence non pas de l'expropriation (surface minime de 40 m2), mais du déplacement d'une route; un tel dommage ne donne droit à réparation qu'aux conditions posées par l'arrêt Werren, lesquelles ne sont pas réalisées en l'espèce. Cependant, pour ne pas retirer complètement son offre initiale de 16 000 fr., il l'a ramenée à 10 000 fr. Quant à la valeur du terrain, l'Etat a proposé de la fixer à 60 fr. le m2.
C.-
Statuant le 21 mars 1972, la Commission d'estimation a alloué à dame Lanz une indemnité de 75 fr. le m2 pour le terrain exproprié, mais a refusé toute indemnité pour dépréciation de la parcelle restante.
D.-
Agissant par la voie du recours de droit administratif, dame Lanz requiert le Tribunal fédéral de fixer à 90 000 fr. l'indemnité pour la dépréciation de la partie restante; elle ne conteste plus, en revanche, le prix fixé pour la partie expropriée. Elle soutient que la solution adoptée heurte très violemment le sens de l'équité, d'autant plus qu'elle avait construit sa villa de façon à avoir la route cantonale derrière elle, qu'elle se trouvera désormais à proximité de trois routes, y compris la bretelle conduisant à Lausanne-Sud, que la nouvelle route cantonale sera plus fréquentée que l'ancienne et que sa propriété sera désormais privée de la tranquillité recherchée lors de la construction. A titre subsidiaire, elle soutient que la triple condition de spécialité, d'imprévisibilité et de gravité du dommage est réalisée.
BGE 98 Ib 329 S. 331
E.-
Une délégation du Tribunal fédéral, assistée d'un membre de la Commission supérieure d'estimation à titre d'expert, a procédé à une inspection locale en présence des parties. Après délibération de la délégation avec l'expert, le juge délégué a communiqué oralement aux parties les conclusions de la délégation du Tribunal fédéral: estimant que les trois conditions de spécialité, d'imprévisibilité et de gravité, prévues par la jurisprudence pour fonder le droit à une indemnité, n'étaient pas réalisées, elle a proposé de rejeter le recours.
Dans le délai de réflexion qu'elle avait demandé, la recourante a déclaré maintenir son recours et désiré le voir trancher par le Tribunal fédéral.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Dans les arrêts Werren (RO 94 I 301 ss. consid. 8 b et 9) et Reich (RO 95 I 493 ss.), où les fonds des recourants n'étaient pas expropriés, mais se trouvaient à proximité de l'ouvrage, le Tribunal fédéral a déclaré que le propriétaire n'avait un droit à être indemnisé que lorsque le dommage était à la fois spécial, imprévisible et grave; il a ajouté (RO 94 I 303 consid. 9 d) que ces règles s'appliquaient non seulement au cas où, sans être privé d'une partie de son terrain, le propriétaire se borne à faire valoir un droit découlant des rapports de voisinage, mais aussi dans l'éventualité où, sa propriété ayant été amputée par l'expropriation, il invoque ces mêmes rapports pour obtenir réparation du dommage causé à la partie restante par des immissions excessives.
Ce dernier principe peut paraître trop absolu, dans la mesure où le dommage se trouverait aggravé par l'expropriation d'une portion de terrain qui, si elle était restée en mains de son propriétaire, aurait permis à celui-ci de maintenir une distance respectable entre sa maison et la nouvelle route, alors que l'expropriation partielle rapproche cette route et aggrave ainsi le dommage.
Mais en l'espèce, la question ne se pose pas. En effet, la propriété de la recourante - d'une superficie de 1048 m2 et d'une largeur de 30 m environ dans sa partie sud - n'est amputée que d'une surface minime de 40 m2. Le terrain exproprié n'est occupé que par un talus et un trottoir, et non pas par la chaussée elle-même, qui se trouve en dehors des anciennes
BGE 98 Ib 329 S. 332
limites de la propriété. Ainsi la surface expropriée n'aurait pas permis d'éloigner de la villa Lanz la route proprement dite, dont le trafic accru va troubler, selon la recourante, la tranquillité qu'elle avait recherchée en construisant au sud d'une route jusqu'ici peu fréquentée; tout au plus aurait-elle permis d'éloigner l'ensemble de l'ouvrage (talus et trottoir compris), d'un à deux mètres au maximum, ce qui est insignifiant. On doit en conclure que, même sans expropriation, la recourante aurait dû subir de la même façon les inconvénients dont elle se plaint.
La modicité de la surface expropriée, qui ne représente que 1/26 de la surface totale primitive de la parcelle, exclut également l'existence d'une dépréciation due au morcellement.
Dans ces conditions, c'est uniquement en fonction des critères posés par l'arrêt Werren que la prétention à indemnité de dame Lanz doit être examinée et tranchée.
2.
Le dommage que peut provoquer à la propriété de la recourante la proximité de la nouvelle route n'est spécial ni quant au bruit et aux émanations (il ne s'agit que d'une voie d'accès locale à une demi-jonction d'autoroute), ni quant au mode d'utilisation de l'immeuble, qui n'en sera pas rendu impossible, ni quant au mode d'implantation de l'ouvrage, dont le niveau est bien en dessous du niveau inférieur de la villa.
La condition d'imprévisibilité du dommage n'est pas non plus réalisée. En raison des concentrations urbaines et de l'intense développement du trafic automobile, tout propriétaire de villa dans un large rayon autour d'une importante agglomération doit, aujourd'hui, s'attendre à voir les routes régionales déplacées, améliorées et développées dans son voisinage immédiat. En l'espèce, l'ancienne route cantonale était étroite, sinueuse et rendue difficile par l'étranglement de Corsy; ne correspondant plus aux exigences actuelles du trafic, elle aurait dû de toute façon être déplacée un jour ou l'autre, même sans la construction de l'autoroute.
Quant à la condition de gravité, l'arrêt Reich a admis qu'un dommage évalué à 15% pouvait déjà être qualifié de grave. En l'espèce, l'expert a fixé, par appréciation, à 10-15% le montant du dommage, de sorte que, par son maximum, ce montant remplirait tout juste la condition de gravité requise. Mais cela ne suffit pas pour entraîner l'obligation d'indemniser, car les deux autres conditions ne sont, elles, certainement pas réalisées; or c'est bien la réunion cumulative des trois conditions
BGE 98 Ib 329 S. 333
qui est exigée par la jurisprudence pour que le dommage doive être réparé.
Il faut relever par ailleurs que l'amélioration sensible du réseau routier dans la région et la proximité d'un point d'accès à l'autoroute entraînent une plus-value indéniable pour les propriétés, encore que cette plus-value ne soit, pour la propriété Lanz, pas aussi forte qu'elle l'aurait été dans l'hypothèse du maintien de la route cantonale au nord de la parcelle.
Quoi qu'il en soit, la Commission fédérale d'estimation a appliqué correctement les principes posés par la jurisprudence, de sorte que le recours doit être rejeté.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
673b18c2-d59c-425a-9a05-1b4b3486f6eb | Urteilskopf
97 I 519
71. Auszug aus dem Urteil vom 30. Juni 1971 i.S. Brändli und Mitbeteiligte sowie Gemeinde Lostorf gegen Peier und Regierungsrat des Kantons Solothurn. | Regeste
Gemeindeautonomie.
Die Bestimmung eines Gemeindebaureglements, die lediglich eine zwingende Vorschrift des kantonalen Baurechts wiederholt, gehört nicht zum autonomen Gemeinderecht. Der Entscheid einer kantonalen Rechtsmittelinstanz, die bei der Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung zu einem andern Ergebnis kommt als die Gemeindebehörden, verstösst daher nicht gegen die Gemeindeautonomie, und zwar auch dann nicht, wenn die Bestimmung unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, bei deren Anwendung den zuständigen Behörden ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht. | Sachverhalt
ab Seite 520
BGE 97 I 519 S. 520
Aus dem Sachverhalt:
A.-
Nach dem solothurn. Gesetz über das Bauwesen vom 10. Juni 1906 (BauG) sind die Einwohnergemeinden befugt, im Interesse der baulichen Entwicklung das Bauplanverfahren einzuführen, d.h. Baureglemente und Bebauungspläne aufzustellen. Diese unterliegen der Genehmigung des Regierungsrates (§ 1). Für Gemeinden, die das Bauplanverfahren nicht einführen, gilt das vom Kantonsrat erlassene Normalbaureglement (§ 4 Abs. 1 und 2). Baureglemente und Bebauungspläne der Gemeinden müssen inhaltlich mindestens den Vorschriften des Normalbaureglementes (NBR) entsprechen (§ 4 Abs. 3). Das zur Zeit geltende NBR ist am 28. Oktober 1959 erlassen worden und bestimmt im Abschnitt über die "Gesundheitspolizei" in § 42 unter dem Randtitel "Schutz vor Immissionen":
"1. Alle baulichen Einrichtungen sind nach dem jeweiligen Stand der Technik so auszuführen, abzuändern und zu unterhalten, dass eine übermässige Belästigung von Menschen und Tieren vermieden wird.
2. Bestehende bauliche Einrichtungen, bei denen eine Abhilfe gegen solche Übelstände nicht erreicht werden kann, können durch Verfügung des Gemeinderates oder des Regierungsrates abgeändert oder entfernt werden. Es findet das Gesetz über das Exekutionsverfahren bei öffentlichen Leistungen Anwendung.
3. Vorbehalten bleiben weitergehende Zonenvorschriften und die Bestimmungen des Privatrechts."
Die Einwohnergemeinde Lostorf hat am 29. Juli 1961 ein Baureglement (BRL) erlassen, das vom Regierungsrat des Kantons Solothurn am 22. Dezember 1961 genehmigt worden ist. Nach § 15 BRL wird das Baugebiet in 5 Bauzonen mit verschiedener Nutzung aufgeteilt, nämlich in eine Kernzone, drei Wohnzohnen und eine Industriezone. Das ausserhalb der
BGE 97 I 519 S. 521
Bauzonen liegende Land wird als Landwirtschaftszone bezeichnet (§ 22). In den §§ 70-79 enthält das BRL Vorschriften über die "Gesundheitspolizei", von denen § 70 mit dem Randtitel "Schutz vor Immissionen" wörtlich übereinstimmt mit § 42 NBR.
B.-
Der Landwirt Urs Peier möchte auf einem in der Gemeinde Lostorf gelegenen Grundstück einen mittelgrossen Schweinezucht- und -mastbetrieb errichten. Gegen dieses Bauvorhaben erhoben 14 Grundeigentümer und der Gemeinderat von Lostorf Einsprache wegen der zu erwartenden Geruchsimmissionen. Die Baukommission Lostorf und auf Beschwerde hin der Gemeinderat Lostorf wiesen das Baugesuch ab.
Hiegegen reichte Peier beim Regierungsrat des Kantons Solothurn Beschwerde ein. Dieser hiess die Beschwerde gut und wies die Baubehörden von Lostorf an, die nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus: Der geplante Schweinezucht- und -mastbetrieb werde nach modernen Grundsätzen und mit allen zur Vermeidung einer lästigen Geruchsbildung erforderlichen Vorkehren gebaut und geführt werden. Wegen übermässiger Belästigung im Sinne von § 42 NBR und § 70 BRL könne ein solcher Betrieb in der Landwirtschaftszone nur verboten werden, wenn die Belästigung nach ihrer Art und den lokalen Verhältnissen für die Betroffenen nicht zumutbar sei. Wie es sich im Einzelfall damit verhalte, sei eine Rechtsfrage, die der vollständigen Überprüfung durch den Regierungsrat unterliege. Nach Lage, Grösse und Einrichtung des geplanten Betriebes seien keine oder zum mindesten keine für die lokalen Verhältnisse übermässigen Immissionen zu erwarten (wird näher ausgeführt). Der Gemeinderat habe den Begriff der übermässigen Belästigung im Sinne von § 42 NBR und § 70 BRL nicht richtig ausgelegt.
C.-
Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates haben mehrere Eigentümer von Liegenschaften in Lostorf sowie die Einwohnergemeinde Lostorf staatsrechtliche Beschwerde erhoben, diese wegen Verletzung der Gemeindeautonomie.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Art. 54 der solothurn. KV gibt den Gemeinden das Recht, innerhalb der Schranken der Verfassung und der Gesetze ihre Angelegenheiten selbständig zu ordnen. Die KV
BGE 97 I 519 S. 522
sagt indes nicht, welche Angelegenheiten in den Autonomiebereich der Gemeinden fallen, und erklärt insbesondere nicht, dass das Bauwesen eine Gemeindeangelegenheit sei. Inwieweit die Gemeinden auf diesem Gebiet autonom sind, bestimmt sich somit nach dem kantonalen Gesetzesrecht (
BGE 93 I 431
E. 2). Die Auslegung und Anwendung einfachen Gesetzesrechtes aber kann das Bundesgericht, auch soweit der Umfang der Gemeindeautonomie in Frage steht, nicht frei, sondern nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür überprüfen (
BGE 93 I 431
E. 3 a mit Hinweis auf frühere Urteile,
BGE 94 I 545
E. 3,
BGE 96 I 153
E. 3).
Nach § 2 BRL, dessen Bestimmungen wörtlich aus § 2 NBR übernommen worden sind, können Entscheide des Gemeinderates in Baupolizeisachen durch Beschwerde an den Regierungsrat weitergezogen werden. Dieser hat im angefochtenen Entscheid angenommen, er dürfe im vorliegenden Falle völlig frei überprüfen, ob der Gemeinderat den Begriff der "übermässigen Belästigung" im Sinne der §§ 42 NBR und 70 BRL richtig ausgelegt habe. Die Beschwerde erblickt in dieser freien Überprüfung eine Verletzung der Gemeindeautonomie, verweist auf das den Gemeindebehörden bei der Anwendung der genannten Bestimmung zustehende Ermessen und behauptet, der Regierungsrat hätte den Entscheid des Gemeinderates nur wegen Willkür oder Ermessensüberschreitung aufheben können und sei nicht befugt gewesen, in völlig freier Würdigung und Überprüfung der Verhältnisse und Umstände zum gegenteiligen Schluss zu kommen; Willkür und Ermessensüberschreitung aber würden dem Gemeinderat im angefochtenen Entscheid nicht vorgeworfen und könnten ihm auch nicht vorgeworfen werden.
Nach der neuern Rechtsprechung des Bundesgerichts kann die Gemeindeautonomie auch dadurch verletzt werden, dass die zuständige kantonale Behörde eine autonome Satzung der Gemeinde willkürlich anwendet (
BGE 95 I 33
ff., insbesondere 37/38). Die Beschwerde will offenbar eine solche Verletzung der Gemeindeautonomie geltend machen und geht, freilich ohne es ausdrücklich zu sagen, davon aus, dass § 70 BRL, aufgrund dessen der Gemeinderat die Baubewilligung verweigert hat, autonomes Gemeinderecht sei. Nun gehört zwar § 70 BRL, weil er im Gemeindebaureglement enthalten ist, zum Gemeinderecht und nicht, wie der Beschwerdegegner anzunehmen
BGE 97 I 519 S. 523
scheint, zum kantonalen Recht. Dagegen wäre § 70 BRL nur dann eine autonome Norm, wenn es der Gemeinde frei gestanden wäre, diese Bestimmung in ihr Baureglement aufzunehmen (vgl.
BGE 93 I 160
). Das ist jedoch offensichtlich nicht der Fall. § 70 BRL lautet wörtlich gleich wie § 42 NBR, und diese Bestimmung ist zwingendes kantonales Recht, das in allen Gemeinden gilt ohne Rücksicht darauf, ob sie ein Baureglement besitzen oder nicht. In Gemeinden ohne Baureglement gilt § 42 NBR unmittelbar aufgrund von § 4 Abs. 2 BauG, während er in Gemeinden, die ein Baureglement erlassen, deshalb zur Geltung kommt, weil § 6 Ziff. 7 BauG die Gemeinden verpflichtet, in ihre Baureglemente Bestimmungen über gesundheitspolizeiliche Anordnungen, Ausschluss von Belästigungen (Ausdünstungen, Rauch, Staub, Lärm und dergleichen) aufzunehmen und diese Bestimmungen nach § 4 Abs. 3 BauG inhaltlich mindestens den Vorschriften des NBR entsprechen müssen. Als autonomes Gemeinderecht können daher nur solche Bestimmungen über den Schutz vor Immissionen gelten, die inhaltlich weiter gehen als § 42 NBR (vgl. W. LUDER, Das Baupolizeirecht als Beschränkung der Eigentumsfreiheit, insbesondere nach solothurn. Recht, 1951, S. 81 unten). Das trifft z.B. zu für die Bestimmungen des BRL, wonach in der Kernzone nur Gewerbebetriebe zulässig sind, die "keine erhebliche Belästigung", und in den Wohnzonen nur solche, die "absolut keine Belästigung" durch Rauch, Staub, Geräusche, Erschütterungen, Ausdünstungen usw. zur Folge haben (§§ 16 Abs. 3, 18 Abs. 2 und 19 Abs. 5 BRL). Um eine autonome Norm würde es sich auch handeln, wenn das BRL Schweinezuchtbetriebe von einer bestimmten Grösse in der Landwirtschaftszone allgemein oder doch in einer gewissen Entfernung von den Bauzonen untersagen würde. Die streitige, in § 70 BRL enthaltene allgemeine Vorschrift über den "Schutz vor Immissionen" dagegen ist keine autonome Satzung, weil sie lediglich einen zwingenden Rechtsatz des kantonalen Rechtes wiederholt. Handelt es sich aber bei § 70 BRL zwar nicht formell, so doch inhaltlich um zwingendes kantonales Recht, so muss, damit dieses Recht auch durchgesetzt und im ganzen Kanton einheitlich und ohne Verletzung der Eigentumsgarantie gehandhabt wird, der Regierungsrat seine Auslegung und Anwendung frei überprüfen können, und es kann daher der angefochtene Entscheid, der das Ergebnis einer solchen Überprüfung ist,
BGE 97 I 519 S. 524
nicht gegen die Gemeindeautonomie verstossen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die §§ 70 BRL und 42 NBR den unbestimmten Rechtsbegriff der "übermässigen Belästigung" verwenden, bei dessen Anwendung im Einzelfall den zuständigen Behörden ein gewisser Beurteilungsspielraum offen steht, denn einen durch die Gemeindeautonomie geschützten Beurteilungsspielraum haben die Gemeindebehörden nur bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die dem autonomen Gemeinderecht angehören (
BGE 96 I 369
ff., insbesondere 373/74), was für den Begriff der "übermässigen Belästigung" gerade nicht zutrifft. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
673c5c3f-979a-4dc2-80be-610c44f13130 | Urteilskopf
92 II 111
19. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Mai 1966 i.S. Sznajer gegen Rodi & Wienenberger A.-G. | Regeste
Internationales Privatrecht. Zulässigkeit der Berufung.
Bestimmung des auf zwischenstaatliche Schuldverhältnisse anwendbaren Rechts (Erw. I/1).
Der schweizerische Richter hat den Inhalt des nach den schweizerischen Kollisionsnormen anwendbaren ausländischen Rechts nicht von Amtes wegen zu ermitteln, soweit ihm dessen Anwendung nicht zwingend vorgeschrieben ist (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. I/2).
Schweizerisches Recht, das der kantonale Richter anstelle des anwendbaren ausländischen Rechts subsidiär (als sog. Ersatzrecht) angewendet hat, ist vom Bundesgericht auf Berufung hin zu überprüfen (Änderung der Rechtsprechung) (Erw. I/3-6).
Als subsidiäres kantonales Recht angewendetes eidgenössisches Recht ist vom Bundesgericht nicht überprüfbar (Erw. I/7).
Zulässigkeit des Vertriebs patentverletzender Erzeugnisse auf Grund eines Vergleiches? (Erw. II). | Sachverhalt
ab Seite 112
BGE 92 II 111 S. 112
A.-
Die Klägerin, die Firma Rodi & Wienenberger A.-G. in Pforzheim, erzeugt und vertreibt Bijouteriewaren aller Art. Sie ist Inhaberin der Schweizer Patente Nr. 296423 vom 17. April 1954 und Nr. 338991 vom 31. Juli 1959 (beide mit deutscher Priorität) betreffend ein dehnbares Gliederband für Schmuck- und Gebrauchszwecke, insbesondere für Armbanduhren. Für diese Erfindungen besitzt sie überdies zahlreiche ausländische Patente, u.a. auch ein japanisches.
Der in Brüssel ansässige Beklagte David Sznajer treibt unter der Firmabezeichnung "Maison Universimpex" mit gleichartigen Waren Handel. Er sandte im März 1963 10 Pakete mit dehnbaren Gliederbändern japanischen Ursprungs von Brüssel an die Transportfirma Danzas A.-G. in Basel, wo sie im Zollfreilager eingelagert wurden. Da diese Gliederbänder nach der Ansicht der Klägerin ihre Patentrechte verletzten, erwirkte sie
BGE 92 II 111 S. 113
am 14. Oktober/13. November 1963 eine vorsorgliche Verfügung, durch welche die eingelagerte Ware gemäss
Art. 77 Abs. 1 PatG
vorsorglich beschlagnahmt und der Klägerin Frist für die Anhebung der Prosekutionsklage angesetzt wurde.
B.-
Am 6. Januar 1964 reichte die Klägerin beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt Klage ein mit den Begehren:
"1. Es sei festzustellen, dass die vom Beklagten bei der Firma Danzas A.-G. in Basel eingelagerten und gemäss vorsorglicher Verfügung vom 14. Oktober 1963 beschlagnahmten dehnbaren Gliederbänder (Uhrarmbänder) die Schweizer Patente Nr. 296423 und 338991 der Klägerin verletzen, und es sei demgemäss deren Vernichtung gerichtlich zu verfügen.
2. Es sei dem Beklagten unter Strafandrohung im Falle der Nichtbefolgung zu verbieten, dehnbare Gliederbänder, welche die Schweizer Patente Nr. 296423 und 338991 verletzen, selber in die Schweiz einzuführen oder sie durch Dritte in die Schweiz einführen zu lassen oder sie durch die Schweiz ins Ausland abzusetzen oder durch Dritte absetzen zu lassen."
Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
C.-
Das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt stellte mit Urteil vom 17. März 1965 fest, dass die vom Beklagten bei der Firma Danzas in Basel eingelagerten 10 Pakete mit dehnbaren Gliederbändern (Uhrarmbändern) die Schweizer Patente Nr. 296423 und 338991 der Klägerin verletzen und verfügte in Anwendung von
Art. 69 Abs. 1 PatG
die Zerstörung der patentverletzenden Ware; die weitergehenden Klagebegehren wies es ab.
D.-
Gegen dieses Urteil reichte der Beklagte Berufung an das Bundesgericht ein, mit der er beantragte:
"1. Es sei das angefochtene Urteil aufzuheben.
2. Es sei die Klage abzuweisen.
3. Es seien durch einen Sachverständigen die gemäss vorsorglicher Verfügung vom 14.10.1963 beschlagnahmten Uhrenarmbänder im Zollfreilager Dreispitz in Basel in Augenschein zu nehmen zur Feststellung, dass es sich um ein Fabrikat der Firma Ueno Boeki in Tokio handelt.
4. Eventuell sei die Sache zur Neubehandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen."
In der Berufungsschrift hat der Beklagte anerkannt, dass die beschlagnahmten Uhrenarmbänder an sich die Patente der Klägerin verletzen. Er hat lediglich noch geltend gemacht, er sei zum Verkauf dieser Armbänder berechtigt auf Grund eines Vertrages, den die Klägerin am 2. Oktober 1963 mit der Herstellerin derselben, der Firma Ueno Boeki in Tokio, sowie mit mehreren
BGE 92 II 111 S. 114
andern japanischen Firmen abgeschlossen habe im Rahmen eines Vergleiches zur Beilegung verschiedener wegen Verletzung der klägerischen Patentrechte geführten Prozesse. Diesen Vertrag habe die Vorinstanz nicht richtig gewürdigt, indem sie seinen Einwand verworfen habe, es könne ihm mit Rücksicht auf die darin getroffenen Vereinbarungen keine Patentverletzung zur Last gelegt werden.
Die Klägerin hat in ihrer Berufungsantwort in erster Linie den Standpunkt eingenommen, die Berufung des Beklagten sei unzulässig, weil der am 2. Oktober 1963 zwischen der Klägerin und der Firma Ueno Boeki in Tokio abgeschlossene Vertrag nicht dem schweizerischen Recht unterstehe und daher dem Bundesgericht die Befugnis fehle, die Auslegung des Vertrages durch die kantonale Instanz zu überprüfen. Eventuell hat sie beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
E.-
Da die Vorinstanz es entgegen der Vorschrift von
Art. 51 Abs. 1 lit. c OG
unterlassen hatte, in ihrem Entscheid anzugeben, inwieweit ihre mit der Berufung angefochtene Würdigung des Vertrages vom 2. Oktober 1963 auf der Anwendung eidgenössischer, kantonaler oder ausländischer Gesetzesbestimmungen beruhe, wurde sie vom Bundesgericht gestützt auf
Art. 52 OG
aufgefordert, diesen Mangel zu verbessern.
Mit Zuschrift vom 12. November 1965 hat die Vorinstanz daraufhin dem Bundesgericht mitgeteilt, sie habe bei der Beurteilung des genannten Vertrages auf schweizerisches Recht als Ersatzrecht für primär anwendbares ausländisches Recht abgestellt.
F.-
Vom Bundesgericht aufgefordert, zur Frage der Zulässigkeit der Berufung Stellung zu nehmen, hat der Beklagte mit Eingabe vom 27. November 1965 anerkannt, dass der streitige Vertrag nicht dem schweizerischen Recht unterstehe. Er hält jedoch die Berufung gleichwohl für zulässig, weil die Vorinstanz den von ihm gegen die Klägerin erhobenen Vorwurf des Verstosses gegen Treu und Glauben im Sinne von
Art. 2 ZGB
unrichtig gewürdigt habe. Die genannte Vorschrift sei um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellt und ihre unrichtige Anwendung durch die Vorinstanz stelle deshalb eine Verletzung von Bundesrecht auch dann dar, wenn das in Frage stehende Rechtsverhältnis nicht dem schweizerischen Recht unterstehe.
G.-
An der Berufungsverhandlung. vom 21. Dezember 1965
BGE 92 II 111 S. 115
wurde den Parteien Gelegenheit geboten, sich zu der Frage der Zulässigkeit der Berufung zu äussern. Beide Parteien hielten an ihren im Schriftenwechsel eingenommenen Rechtsstandpunkten fest.
Nach Durchführung des Meinungsaustausches im Sinne von
Art. 16 OG
hat die I. Zivilabteilung mit Zustimmung der II. Zivilabteilung die Zulässigkeit der Berufung aus den in den folgenden Erwägungen dargelegten Gründen bejaht.
Erwägungen
Das Bundesgericht hat in Erwägung gezogen:
I.1.
Im Berufungsverfahren ist lediglich noch die Tragweite des Vertrages vom 2. Oktober 1963 streitig, aus dem der Beklagte die Berechtigung zum Verkauf der die Patentrechte der Klägerin verletzenden, beschlagnahmten Uhrenarmbänder ableitet.
a) Beide Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass dieser Vertrag nicht dem schweizerischen Recht unterstehe, sondern einem ausländischen (wahrscheinlich dem japanischen).
Dieser Auffassung ist beizupflichten. Nach den Regeln des schweizerischen internationalen Privatrechtes ist auf zwischenstaatliche Schuldverhältnisse beim Fehlen einer Rechtswahl durch die Parteien das Recht jenes Landes anzuwenden, mit dem das Vertragsverhältnis den engsten räumlichen Zusammenhang aufweist; dieser besteht in der Regel mit dem Recht am Wohnsitz der Partei, deren Leistung für den in Frage stehenden Vertrag charakteristisch ist (
BGE 91 II 358
Erw. 1, 445 Erw. 1,
BGE 89 II 216
,
BGE 88 II 199
Erw. 1 und dortige Hinweise).
Der streitige Vertrag enthält keine Bestimmung über das anwendbare Recht. Er wurde in Japan abgeschlossen im Verlaufe eines Patentverletzungsprozesses, den die in Deutschland ansässige Klägerin gegen eine Anzahl japanischer Firmen angestrengt hatte. Der Beklagte war am Abschluss des Vertrages nicht beteiligt. Es fehlt somit diesem Vertrag jeder räumliche Zusammenhang mit der Schweiz. Ein solcher entstand erst nachträglich durch die zufälligerweise hier erfolgte Beschlagnahme von Armbändern, die unter Verletzung klägerischer Patentrechte in Japan hergestellt worden waren. Der dadurch geschaffene Gerichtsstand vermag indessen, sowenig wie derjenige des Arrestes, die Anwendung der lex fori nicht zu rechtfertigen. Er genügt lediglich, um die für die Zulässigkeit einer (hier fehlenden)
BGE 92 II 111 S. 116
nachträglichen Rechtswahl durch die Parteien im Prozess erforderliche Beziehung herzustellen (
BGE 91 II 52
Erw. 6).
b) Die Vorinstanz ist ebenfalls davon ausgegangen, dass der streitige Vertrag grundsätzlich vom ausländischen Recht beherrscht sei. Sie hat nach ihrer Erklärung vom 12. November 1965 das schweizerische Recht lediglich als Ersatzrecht für primär anwendbares ausländisches Recht herangezogen.
Angesichts dieser Erklärung, die eine nach
Art. 52 OG
zulässige, das angefochtene Urteil ergänzende authentische Interpretation desselben bedeutet, wäre nach der bisherigen langjährigen Rechtsprechung auf die Berufung nicht einzutreten; denn das Bundesgericht hat stets angenommen, dass es als Berufungsinstanz die Anwendung des vom kantonalen Richter als blosses Ersatzrecht herangezogenen schweizerischen Rechts nicht überprüfen dürfe (
BGE 87 II 202
,
BGE 88 II 202
und dort angeführte Entscheide).
Im Schrifttum zum schweizerischen internationalen Privatrecht ist diese Rechtsprechung seit Jahren angefochten worden; es wurde der Standpunkt vertreten, auch die Verletzung des als blosses Ersatzrecht angewendeten schweizerischen Rechts könne mit der Berufung an das Bundesgericht gerügt werden (FRITZSCHE, ZSR 44 [1925] S. 266a, sowie Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht XIII [1956] S. 270; W. BOSSHARD, Die Aufgabe des Richters bei der Anwendung ausländischen Rechts, Diss. Zürich 1929, S. 28 f., 102, 109; NIEDERER, Einführung in die allgemeinen Lehren des internationalen Privatrechts, 3. Aufl. S. 353; derselbe in "Die Rechtsordnung im technischen Zeitalter", 1961, S. 73; SCHNITZER, Internationales Privatrecht, 4. Aufl. Bd. II S. 874; K. BLOCH, SJZ 50 [1954] S. 308; F. VISCHER, Internationales Vertragsrecht S. 79 N. 1, sowie SJZ 51 [1955] S. 34; W. VON STEIGER, ZBJV 99 [1963] S. 425 f.; J. GENTINETTA, Das schweizerische Bundesgericht und die Überprüfung der Anwendung ausländischen Rechts, 1964, S. 35 ff., 54 ff.). Es ist deshalb geboten, die Frage einer erneuten Überprüfung zu unterziehen.
I.2.
Erklären die Kollisionsnormen des schweizerischen internationalen Privatrechts ausländisches Recht als anwendbar, so kann dessen Anwendung zwingend vorgeschrieben sein, sei es durch einen Staatsvertrag, sei es durch eine Bestimmung des einheimischen Rechts, wie z.B. im Gebiete der Ehescheidung (
Art. 7 h NAG
). In diesem Falle muss die Partei, die einen vom
BGE 92 II 111 S. 117
fremden Recht beherrschten Anspruch geltend macht, den Inhalt dieses Rechts nachweisen, ansonst sie Gefahr läuft, dass ihre Klage abgewiesen wird. Ist dagegen die Anwendung des fremden Rechts nicht zwingend vorgeschrieben, so hat der Richter dessen Inhalt zwar nicht von Amtes wegen zu ermitteln, aber er kann den Schutz der Klage auch nicht vom Nachweis desselben abhängig machen. Denn die Klageabweisung mangels Feststellung des Inhalts des massgebenden ausländischen Rechts würde der höchsten Aufgabe des Rechts und der Rechtspflege, die zutreffende Sachentscheidung herbeizuführen, nicht gerecht. Einer weitverbreiteten Gepflogenheit entsprechend (BATIFFOL, Traité élémentaire de droit international privé, 3. Aufl., Paris 1959, S. 405; RAAPE, Internationales Privatrecht, 5. Aufl., Berlin 1961, S. 123), wenden auch in der Schweiz die kantonalen Gerichte das schweizerische Recht als lex fori an, wenn der Nachweis für den Inhalt des nach der schweizerischen Kollisionsnorm an sich anwendbaren ausländischen Rechts nicht erbracht worden ist. Dieses in der Schweiz allgemein gebräuchliche Vorgehen stützt sich meist aufeine Vorschrift des kantonalen Prozessrechts (so z.B. Zürcher ZPO § 100, waadtländ. ZPO Art. 127); beim Fehlen einer solchen Vorschrift ist diese Lösung auch auf dem Wege der Gerichtspraxis eingeführt worden (so z.B. im Kanton Bern; vgl. LEUCH, Berner ZPO 3. Aufl., N. 3 zu Art. 202, S. 266).
Diese Regelung, die das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung stets als zulässig erachtet hat (
BGE 80 II 50
, 180;
BGE 81 II 177
), ist im Schrifttum verschiedentlich angefochten worden mit der Begründung, selbst wenn man
Art. 32 NAG
nicht auch in solchen Fällen als anwendbar ansehen wolle, so sollte doch auf Grund der allgemeinen Prinzipien des internationalen Privatrechts eine Pflicht zur Anwendung des massgeblichen ausländischen Rechts von Amtes wegen angenommen und nicht zugelassen werden, dass durch prozessrechtliche Vorschriften die Anwendung des zutreffenden materiellen Rechts verunmöglicht werde (NIEDERER, Internationales Privatrecht, S. 345; VISCHER, SJZ 51 [1955] S. 33).
Es besteht jedoch kein Anlass, in diesem Punkte von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Das Vertragsrecht ist vom Grundsatz der Autonomie des Parteiwillens beherrscht; das gilt auch hinsichtlich des anwendbaren Rechts (
BGE 79 II 299
lit. d; RAAPE, op.cit. S. 455 f.). Aus dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung lässt sich nicht ableiten, dass dem ausländischen Recht
BGE 92 II 111 S. 118
der Vorrang vor dem schweizerischen Recht zukomme. Die Parteien wissen, dass der Richter seinem Entscheid das schweizerische Recht zugrunde legen wird, wenn sie den Inhalt des an sich anwendbaren ausländischen Rechts nicht nachweisen. Ihre Untätigkeit darf deshalb dahin ausgelegt werden, dass sie die Beurteilung der Streitsache auf Grund des schweizerischen Rechtes in Kauf nehmen (
BGE 80 II 180
,
BGE 81 II 177
). Eine Verpflichtung des Richters, ausländisches Recht von Amtes wegen anzuwenden, wäre übrigens praktisch kaum auf der ganzen Linie durchführbar, da namentlich die kantonalen Gerichte unterer Instanz nicht über die dafür erforderliche Dokumentation verfügen würden.
I.3.
Im weiteren ist zu untersuchen, aus welchen Gründen das Bundesgericht bisher eine Überprüfung des materiellen schweizerischen Rechtes abgelehnt hat, wenn dieses als blosses Ersatzrecht an Stelle des nicht nachgewiesenen und dem kantonalen Richter nicht bekannten ausländischen Rechts angewendet wurde.
Der erste Entscheid, in dem dieser Grundsatz aufgestellt wurde, stammt aus dem Jahre 1894. In jenem Fall (BGE 20 S. 410 Erw. 3) begründete das Bundesgericht die Ablehnung, die Anwendung des vom Obergericht Zürich als blosses Ersatzrecht herangezogenen schweizerischen Rechts zu überprüfen, mit folgenden Erwägungen:
"Es kann jedoch nicht zweifelhaft sein, dass sie (die zweite Instanz) von der Anschauung ausging, das Streitverhältnis werde an sich vom ausländischen Recht beherrscht, und dass dessen Anwendung nur aus dem Grunde unterblieben ist, weil die Parteien es unterlassen haben, den Inhalt desselben nachzuweisen; in diesem Falle war der Vorderrichter nach § 289 des zürcherischen Rechtspflegegesetzes nicht verpflichtet, das fremde Recht anzuwenden, sofern er nicht ohnehin sichere Kenntnis von dessen Inhalt besass; er durfte vielmehr einfach von der Annahme ausgehen, der Inhalt des fremden Rechtes sei von demjenigen des einheimischen nicht verschieden."
Daraus wurde gefolgert, die kantonale Instanz habe das schweizerische Recht nicht als solches, sondern vielmehr auf Grund der erwähnten Vorschrift der zürcherischen ZPO "als vorausgesetzten Inhalt des massgebenden ausländischen Rechts" angewendet.
Auf diesen Grundsatz stellte das Bundesgericht in der Folge in ständiger Rechtsprechung ab, ohne dass er je zum Gegenstand einer näheren Überprüfung gemacht wurde; die späteren Entscheide
BGE 92 II 111 S. 119
beschränkten sich entweder darauf, die in diesem ersten Entscheid aufgestellte Regel zu übernehmen oder kurzerhand auf die frühere Rechtsprechung zu verweisen (BGE 20 S. 874 Erw. 3, 41 II 742, 58 II 436, 60 II 324, 67 II 181, 218, 77 II 191, 274, 78 II 392, 84 III 150, 87 II 202, 88 II 202 Erw. 4).
Die in BGE 20 S. 410 angerufene Bestimmung der Zürcher ZPO stellte nun aber, entgegen dem durch die Erwägungen des genannten Entscheides erweckten Anschein, keineswegs die Fiktion auf, dass beim Fehlen des Nachweises des Inhaltes des fremden Rechts anzunehmen sei, dieses stimme mit dem einheimischen Recht überein. § 289 der damals geltenden Zürcher ZPO vom 2. Dezember 1874, auf den der erwähnte Entscheid ausdrücklich Bezug nimmt, hatte folgenden Wortlaut:
"Kommen fremde Gesetze zur Anwendung, so hat der Richter dieselben von Amtes wegen zu beachten, sofern er sichere Kenntnis von deren Inhalt besitzt.
Indessen ist es Sache der Partei, welche sich auf ein fremdes Recht beruft, dessen Inhalt nötigenfalls dem Richter nachzuweisen.
Niemals kann ein rechtskräftiges Urteil wegen Nichtbeachtung oder unrichtiger Auslegung fremder Gesetze angegriffen werden, wenn die Parteien versäumt haben, während des Prozesses sich auf dieselben zu berufen und dem Richter ihren Inhalt nachzuweisen."
Diese Vorschrift bestimmte also nur, dass der Richter ausländisches Recht nur dann von Amtes wegen anwenden müsse, wenn er von seinem Inhalt sichere Kenntnis habe, wobei den Parteien obliege, den Inhalt des von ihnen angerufenen ausländischen Rechtes nachzuweisen. Der Wortlaut der erwähnten Vorschrift besagte somit richtig besehen nichts weiter, als dass das schweizerische Recht als subsidiäres Recht angewendet werden könne; die Fiktion der inhaltlichen Übereinstimmung des ausländischen mit dem schweizerischen Recht stellte die Vorschrift dagegen nicht auf; diese wurde vielmehr durch den erwähnten Bundesgerichtsentscheid in sie hineininterpretiert.
I.4.
Diese Fiktion ist, entgegen der Behauptung von GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1958, S. 134, keineswegs eine allen kantonalen Prozessordnungen gemeinsame Regel. Sie findet sich ausdrücklich nur in den Prozessordnungen der Kantone Zürich, vom 13. April 1913, § 100, Appenzell A.Rh. Art. 92, Appenzell I.Rh. Art. 116 und St. Gallen Art. 177. In allen diesen Prozessordnungen hat die einschlägige Vorschrift ungefähr den gleichen Wortlaut. Die zürcherische Vorschrift,
BGE 92 II 111 S. 120
welche die älteste ist, wurde wahrscheinlich von den übrigen Kantonen einfach übernommen. Eine Gruppe von weiteren Prozessordnungen geht zwar ebenfalls von der Regel der subsidiären Anwendbarkeit des schweizerischen Rechtes aus, ohne jedoch zu erklären, der Richter dürfe dessen Übereinstimmung mit dem ausländischen Recht unterstellen. Diese Regelung treffen die Prozessordnungen der Kantone Zug, § 55, Freiburg, Art. 6, Thurgau, § 120, Waadt, Art. 127, Neuenburg, Art. 70. Die ZPO des Kantons Schaffhausen lehnt eine derartige Vermutung eindeutig ab; ihr Art. 146 gibt dem Richter die Befugnis, mangels sicherer Kenntnis des ausländischen Rechtes und beim Fehlen des Nachweises seines Inhalts durch die Parteien die Sache "nach ihm bekannten Rechtsgrundsätzen" zu entscheiden. Wieder andere Prozessordnungen, wie diejenigen der Kantone Bern, Luzern und Genf, enthalten überhaupt keine diesbezügliche Vorschrift. Die Behauptung von LEUCH, ZPO S. 226, wonach durch die bernische Gerichtspraxis die Vermutung der Identität des Inhalts eingeführt worden sei, findet in dem dafür angerufenen Zitat in ZBJV 49 (1913) S. 492 keine Stütze. Wie aus ZBJV 86 (1950) S. 415 ersichtlich ist, geht die neuere bernische Rechtsprechung dahin, dass bei Unsicherheit über den Inhalt des ausländischen Rechts das schweizerische Recht substitutionsweise heranzuziehen sei, ohne jedoch die Vermutung der Identität zu übernehmen. Im gleichen Sinne lautet die luzernische Rechtsprechung (ZBJV 80 [1944] S. 240, 96 [1960] S. 71).
Es lässt sich somit nicht behaupten, dass die Fiktion der Identität des ausländischen Rechtes mit dem einheimischen eine allen kantonalen Prozessordnungen gemeinsame Regel darstelle. Träfe dies zu, so könnte man sich allenfalls fragen, ob eine solche durch das kantonale Prozessrecht gedeckte Fiktion für das Bundesgericht verbindlich sei (so SCHNITZER, op.cit. 3. Aufl. Bd. I S. 194, Bd. II S. 744; 4. Aufl. Bd. I S. 195). Mit Recht hat jedoch dieser Autor selber (4. Aufl. Bd. II S. 874) seinen früheren Standpunkt preisgegeben. Die erwähnte Fiktion beruht nicht auf einer die Form des gerichtlichen Verfahrens betreffenden Vorschrift des Prozessrechts. Es handelt sich vielmehr um eine Vorschrift des materiellen internationalen Privatrechts, die bestimmt, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen der schweizerische Richter verpflichtet ist, die Kollisionsnormen seines einheimischen Rechtes tatsächlich anzuwenden. Dass das schweizerische internationale Privatrecht zur Hauptsache auf
BGE 92 II 111 S. 121
dem Wege der Gerichtspraxis geschaffen worden ist, vermag an seiner Rechtsnatur nichts zu ändern. Im weiteren ist zu beachten, dass die Fiktion der Identität, wie dargelegt wurde, nur von einzelnen Prozessordnungen aufgestellt wird. Es kann aber selbstverständlich keine Rede davon sein, die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichtes von der rechtlichen Konstruktion abhängen zu lassen, die für ein kantonales Prozessrecht gewählt worden ist, um die Anwendung des einheimischen Rechtes an Stelle des nach der materiellrechtlichen Kollisionsnorm massgebenden ausländischen Rechts zu rechtfertigen. Es ergäbe sich sonst das völlig unhaltbare Resultat, dass dem Bundesgericht in einem von den zürcherischen Gerichten beurteilten Fall die Überprüfungsbefugnis fehlen würde, während sie ihm in Fällen aus den Kantonen Schaffhausen oder Waadt zustünde.
Diese Überlegungen führen zum Schlusse, dass das Bundesgericht, wenn es sich darum handelt, die Grenzen des tatsächlichen Anwendungsbereiches einer bundesrechtlichen Kollisionsnorm abzustecken, an eine vom kantonalen Prozessrecht aufgestellte Identitätsfiktion nicht gebunden sein kann.
I.5.
Die Fiktion, wonach das ausländische Recht, dessen Inhalt die Parteien nicht haben nachweisen können oder nachweisen wollen, in einem bestimmten Punkte mit dem schweizerischen Recht übereinstimme, erscheint als gekünstelt und ist im Schrifttum (NIEDERER, Internationales Privatrecht, S. 354) mit Recht als "logische Spitzfindigkeit" bezeichnet worden. Sie stellt ein Überbleibsel der sog. Begriffsjurisprudenz dar, d.h. jener allzustreng logischen und formalistischen Auffassung vom System des Privatrechts, von der das Bundesgericht, hauptsächlich unter dem Einfluss der deutschen Doktrin, sich in seiner Rechtsprechung anfänglich leiten liess. Diese Auslegungsmethode ist in andern Rechtsgebieten längst aufgegeben worden. Sie lässt sich auch in der hier in Frage stehenden Beziehung nicht aufrechterhalten für einen Richter, welcher der Aufgabe gerecht werden will, seine Entscheidungen unter Berücksichtigung der Rechtswirklichkeit zu treffen. Denn es liegt auf der Hand, dass eine solche inhaltliche Übereinstimmung eines ausländischen mit dem einheimischen Recht in Wirklichkeit nur äusserst selten anzutreffen ist. Der Richter, der auf schweizerisches Recht abstellt statt auf das massgebende ausländische Recht, wie z.B. auf ein angelsächsisches Recht, das Recht einer sog. Volksdemokratie oder dasjenige eines der neugeschaffenen afrikanischen
BGE 92 II 111 S. 122
Staaten, ist sich natürlich im klaren darüber, dass er ein anderes Recht mit andern Rechtsbegriffen anwendet und dass die Lösung, die ihm das schweizerische Recht vorschreibt, von derjenigen abweichen kann, die sich auf Grund des nach der Kollisionsnorm an sich massgebenden ausländischen Rechts ergäbe. Die Heranziehung des schweizerischen Rechts ist ausschliesslich die Folge der Unmöglichkeit für den mit der Sache befassten Richter, ein ihm unbekanntes Recht anzuwenden. Das Zurückgreifen auf das einheimische Recht erfolgt aber um so häufiger, je weiter entfernt das Land ist, dessen Recht an sich massgebend wäre und je mehr dieses Recht vom schweizerischen abweicht. Verweist die Kollisionsnorm auf französisches, belgisches, deutsches, österreichisches oder italienisches Recht, so sind die Parteien eher in der Lage, dessen Inhalt nachzuweisen, und selbst beim Fehlen dieses Nachweises kann sich der Richter verhältnismässig leicht und mit genügender Sicherheit über die betreffende Gesetzgebung, Rechtslehre und Rechtsprechung Aufschluss verschaffen. Anders verhält es sich dagegen, wenn z.B. ein afrikanisches oder fernöstliches Recht in Frage steht. Aber gerade in solchen Fällen wird der Richter mangels Aufklärung durch die Parteien auf die oben erwähnte Unmöglichkeit stossen.
Aus dieser Lage muss er einen Ausweg finden; der Knoten muss durchgehauen werden (RAAPE, op.cit. S. 123; BATIFFOL, op.cit. S. 405). Hiefür sind in der Rechtslehre die verschiedenartigsten Systeme vorgeschlagen worden, die von der Abweisung der Klage über die Anwendung verwandter Rechtsordnungen bis zur Heranziehung allgemeiner, überstaatlicher Rechtsprinzipien reichen (vgl. RAAPE, op.cit. S. 122 f.). Die einfachste, vernünftigste Lösung, die in der Rechtsprechung der meisten Länder befolgt wird, besteht jedoch in der Anwendung der lex fori, d.h. des Rechtes, das der urteilende Richter in jeder Hinsicht kennt und dessen Handhabung ihm vertraut ist.
Diese Heranziehung der lex fori ist aber nicht ein Gebot der Logik, sondern sie erfolgt nur unter dem Druck der materiellen Notwendigkeit, mit Rücksicht auf die Grenzen, die den Kenntnissen und der Dokumentationsmöglichkeit des Richters gesetzt sind. Dieses Zurückgreifen auf das einheimische Recht bedeutet eine Beschränkung des Anwendungsbereiches der internationalprivatrechtlichen Kollisionsnorm, die nicht beachtet wird, weil der Richter das ausländische Recht, auf das sie verweist, mangels
BGE 92 II 111 S. 123
Kenntnis nicht anwenden kann. Das, nicht die angeblich zu vermutende inhaltliche Übereinstimmung des ausländischen mit dem einheimischen Recht, ist der wirkliche Grund für das Abstellen auf das letztere.
In diesem Zusammenhang ist sodann hervorzuheben, dass den Kollisionsnormen, wenigstens soweit sie die Anwendung eines ausländischen Rechts vorschreiben, nicht der Charakter von Vorschriften zukommt, die um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellt sind. Die Anwendung des fremden Rechtes stellt vielmehr nur eine Ausnahme dar, welche die einheimische Rechtsordnung für Ansprüche zulässt, die unter der Herrschaft des betreffenden ausländischen Rechtes begründet worden sind (sog. wohlerworbene Rechte), wie auch in gewissen Fällen, insbesondere in Statusfragen (Eheschliessung, Ehescheidung, Abstammung), um die Anerkennung der einheimischen Urteile durch den ausländischen Staat zu bewirken. Grundsätzlich aber hat der Richter das einheimische Recht anzuwenden, dessen Vorschriften den hier herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen entsprechen. Kann das ausländische Recht nicht angewendet werden, sei es wegen Fehlens der erforderlichen Anknüpfungsbegriffe (z.B. weil die fremde Staatsangehörigkeit oder der ausländische Wohnsitz nicht haben nachgewiesen werden können), sei es, weil sich der Inhalt des nach der Kollisionsnorm massgebenden ausländischen Rechts nicht ermitteln lässt, so ergibt sich ganz natürlicherweise gemäss dem Prinzip, das die französische Rechtslehre als "plénitude de compétence de la lex fori" bezeichnet (BATIFFOL, op.cit. S. 403 ff.), die Anwendbarkeit des einheimischen Rechts.
Verzichtet der schweizerische Richter auf die Anwendung eines ausländischen Rechts, dessen Inhalt ihm nicht bekannt ist, so gelangt also das schweizerische Recht zwar als subsidiäres Recht zur Anwendung, aber es ist und bleibt trotzdem schweizerisches Recht (BOSSHARD, S. 109; NIEDERER, S. 354), nicht bloss ein "Ersatzrecht" für ausländisches Recht, gleichsam ein "schweizerisches Recht zweiter Qualität". Das schweizerische Recht, dessen Anwendbarkeit durch die Kollisionsnorm primär ausgeschlossen wird, gelangt wieder zur Herrschaft, sobald und weil die Kollisionsnorm sich praktisch nicht durchführen lässt. Auf Grund dieser Betrachtungsweise unterliegt aber auch das bloss subsidiär angewendet schweizerische Recht der Überprüfung durch das Bundesgericht als Berufungsinstanz, die über die richtige
BGE 92 II 111 S. 124
und einheitliche Anwendung des Bundeszivilrechts zu wachen hat. Damit wird der Gefahr vorgebeugt, dass neben dem direkt angewendeten schweizerischen Zivilrecht durch die Rechtsprechung der kantonalen Gerichte ein in gewissen Punkten davon abweichendes schweizerisches Recht herausgebildet wird, das der Nachprüfung des Bundesgerichtes entzogen ist.
Auf dem Boden der oben dargelegten Lösung steht auch die deutsche Rechtspechung (NIEDERER, S. 353). In der Literatur zum deutschen Recht wird nirgends die Auffassung vertreten, die Revisionsinstanz sei nicht befugt zur Überprüfung des deutschen Rechtes, das an Stelle des nicht nachweisbaren ausländischen Rechts angewendet wurde. Die gegenteilige Lösung wird offenbar als selbstverständlich angenommen, wie daraus zu schliessen ist, dass die Heranziehung der lex fori als "ultima ratio", als "Verlegenheitslösung", zur Vermeidung einer Justizverweigerung bezeichnet wird, und zwar unter ausdrücklicher Ablehnung der Fiktion, dass das fremde Recht mit der lex fori übereinstimme (RAAPE op.cit. S. 123; RIEZLER, Internationales Zivilprozessrecht, 1949, S. 497 f.).
Dass auch der französische Kassationshof das subsidiär angewendete französische Recht überprüft, versteht sich angesichts des Grundsatzes der "plénitude de compétence de la lex fori" von selbst.
In Staaten, in denen die oberste Revisionsinstanz die Anwendung des ausländischen Rechts überprüft (so z.B. in Italien und Österreich; vgl. NIEDERER IPR S. 352 Anm. 13; RAAPE, op.cit., S. 126 N. 134), stellt sich das Problem der Überprüfbarkeit des subsidiär angewendeten einheimischen Rechtes überhaupt nicht; denn da sogar das ausländische Recht überprüft wird, liegt es auf der Hand, dass auch das subsidiär angewendete einheimische Recht überprüfbar sein muss.
I.6.
Zu Gunsten der dargelegten Lösung spricht auch noch eine weitere Überlegung, auf welche insbesondere NIEDERER, Die Rechtsordnung im technischen Zeitalter, S. 73, und FRITZSCHE, Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht, 1958, S. 27 l'mit Recht hingewiesen haben: Fehlt eine Rechtswahl der Parteien und wendet der kantonale Richter an Stelle des nach der Kollisionsnorm massgebenden, ihm aber unbekannten ausländischen Rechts das schweizerische als sog. Ersatzrecht an, so ist dem Bundesgericht nach der bisherigen Rechtsprechung die Überprüfung verwehrt. Haben dagegen die Parteien, oder wenigstens
BGE 92 II 111 S. 125
ihre Prozessvertreter, eine Rechtswahl zugunsten des schweizerischen Rechtes getroffen, so ist das Bundesgericht zur materiellen Entscheidung der Streitsache befugt. Es ist jedoch im höchsten Grade unbefriedigend, die Zulässigkeit der Berufung davon abhängen zu lassen, ob in den Prozesschriften und sonstigen Akten des kantonalen Verfahrens Erklärungen zu finden sind, die sich als eine Rechtswahl auffassen lassen. Zudem ist es erfahrungsgemäss äusserst schwierig, eine zwar stillschweigende, aber von einem ersichtlichen bewussten Rechtswahlwillen getragene Vereinbarung der Parteien abzugrenzen von einer wohl ausdrücklichen und gemeinsamen, aber keinen Rechtswahlwillen zum Ausdruck bringenden Anrufung schweizerischer Gesetzesbestimmungen, der die gegenwärtige Rechtsprechung die Eigenschaft einer Rechtswahl abspricht (
BGE 87 II 200
f.,
BGE 88 II 327
,
BGE 89 II 216
, 267,
BGE 91 II 46
und 445). In zahlreichen Grenzfällen dieser Art kann die Heranziehung des schweizerischen Rechtes durch den kantonalen Richter ebensogut mit einer stillschweigenden Rechtswahl wie mit seiner bloss subsidiären Anwendbarkeit begründet werden. Es ist deshalb auch aus diesem Grunde stossend, die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts von der öfters recht fragwürdigen Auslegung abhängig zu machen, die der kantonale Richter der Anrufung schweizerischer Gesetzesbestimmungen durch die Parteien gegeben hat.
Dazu kommt ein weiteres: Der Entscheid über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Rechtswahl ist um so schwieriger und führt zu um so unsicherern Ergebnissen, als der kantonale Richter sich mit dieser Frage häufig überhaupt nicht befasst. Berufen sich die Parteien in einem Prozess mit Auslandsberührung nicht auf ausländisches Recht und weisen sie dessen Inhalt nicht nach, so wendet der Richter schweizerisches Recht an, ohne sich darüber auszulassen, ob dies kraft stillschweigender Rechtswahl durch die Parteien geschehe oder ob er das schweizerische Recht nur subsidiär an Stelle eines primär anwendbaren ausländischen Rechts heranziehe. Nach der gegenwärtigen Rechtsprechung ist aber diese Frage für die Zulässigkeit der Berufung von entscheidender Bedeutung. Das Bundesgericht ist daher genötigt, im angefochtenen Entscheid, und falls diesem nichts zu entnehmen ist, in den kantonalen Akten nach diesbezüglichen Erklärungen der Parteien zu forschen.
Ein solcher Rechtszustand ist aber mit der Ordnungsfunktion,
BGE 92 II 111 S. 126
welche die wesentliche Aufgabe der Rechtsprechung darstellt, schlechterdings nicht vereinbar.
I.7.
An der bisherigen Rechtsprechung kann somit aus den dargelegten Erwägungen nicht festgehalten werden. Sie führen zum Schluss, dass gleich wie die unmittelbare auch die bloss subsidiäre Anwendung schweizerischen Rechts durch den kantonalen Richter vom Bundesgericht überprüft werden kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, wie das kantonale Prozessrecht oder die kantonale Rechtsprechung die subsidiäre Heranziehung des schweizerischen Rechts begründen. Auf die Berufung ist daher einzutreten.
Diese Änderung der Rechtsprechung hat jedoch nicht zur Folge, dass inskünftig auch eidgenössisches Recht, das durch die Kantone als subsidiäres kantonales Recht angewendet wird (indem sie z.B. für die Haftung ihrer Beamten die Vorschriften nach
Art. 41 ff. OR
als anwendbar erklären), vom Bundesgericht als Berufungsinstanz überprüft werden könnte. Dieser Fall ist entgegen der in
BGE 58 II 436
geäusserten Auffassung der subsidiären Anwendung des schweizerischen Rechts an Stelle des ausländischen keineswegs gleichzusetzen. Denn das von einem Kanton als subsidiär anwendbar erklärte eidgenössische Recht führt seine Geltung auf einen Staatsakt des Kantons zurück, durch den die eidgenössischen Rechtssätze dem kantonalen Recht einverleibt werden. Die bundesrechtlichen Vorschriften sind bestimmt, eine fehlende kantonale Regelung zu ersetzen. Das ausländische Recht dagegen hat vor dem Bundesrecht als Ersatzrecht nicht zurückzutreten, weil es keine einschlägigen Bestimmungen enthält, sondern weil sein Inhalt unbekannt ist. Das eidgenössische Recht, das der Kanton als subsidiär anwendbar erklärt, wird kraft dieser Verweisung zum kantonalen Recht, dessen Überprüfung dem Bundesgericht verwehrt ist (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Es liegt somit in diesem Falle tatsächlich eine sog. Inkorporation vor, die für das Gebiet des internationalen Privatrechts von der Lehre (mit Ausnahme der italienischen) allgemein abgelehnt wird (NIEDERER IPR S. 125 f; RAAPE, op.cit. S. 120 f; BATIFFOL, op.cit. S. 379 f.).
II.1.
Der Beklagte leitet die Befugnis zum Vertrieb der an sich patentverletzenden Ware aus einem Vergleich ab, den die Klägerin am 2. Oktober 1963 mit verschiedenen japanischen
BGE 92 II 111 S. 127
Firmen in Tokio abgeschlossen hat. Er behauptet, in diesem Vergleich habe die Klägerin den daran auf der Gegenseite beteiligten Firmen erlaubt, die in Verletzung der klägerischen Patentrechte hergestellten Waren noch bis Ende 1963 zu exportieren. Da die in Basel beschlagnahmten Armbänder von der Firma Ueno Boeki in Tokio stammten, die am Vergleich vom 2. Oktober 1963 ebenfalls beteiligt gewesen sei, müsse die Klägerin den Vertrieb dieser Ware durch ihn dulden.
Die Klägerin hat bestritten, dass es sich bei den beschlagnahmten Armbändern um Erzeugnisse der Firma Ueno Boeki handle; diese stammen vielmehr nach ihrer Darstellung von der am Vergleich nicht beteiligten Firma Maruman.
Die Vorinstanz hat hiezu festgestellt, der Beklagte habe nicht nachzuweisen vermocht, dass die beschlagnahmten Bänder von der Firma Ueno Boeki stammen. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur und bindet daher das Bundesgericht. Was der Beklagte demgegenüber in der Berufungsschrift vorbringt, ist als unzulässige Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung nicht zu hören. Fehlt aber der Nachweis dafür, dass die streitigen Armbänder von einem am Vergleich vom 2. Oktober 1963 beteiligten Hersteller stammen, so kann sich der Beklagte von vorneherein nicht auf die in diesem Vergleich getroffenen Vereinbarungen berufen.
II.2.
Abgesehen hievon wäre dem Beklagten die Berufung auf den Vergleich vom 2. Oktober 1963 auch aus dem weiteren Grunde versagt, dass er an ihm nicht als Partei beteiligt war. Der genannte Vergleich vermochte Rechtswirkungen nur zugunsten und zulasten der Vertragsparteien zu entfalten. Irgendwelche Rechte des Beklagten wurden durch ihn nicht begründet. Da der Beklagte, wie er ausdrücklich anerkennt, nicht Rechtsnachfolger der Firma Ueno Boeki ist, kann er auch nicht etwa Rechte der letzteren der Klägerin gegenüber aus dem Vergleich geltend machen. Das gälte auch für die vom Beklagten behauptete Verpflichtung der Klägerin, gegen die Firma Ueno Boeki keine prozessualen Massnahmen wegen Patentverletzung zu ergreifen. Schliesslich geht auch der Einwand des Beklagten fehl, er habe durch den Kauf der Uhrenarmbänder "eine Rechtsgewähr erhalten, deren Bestand er mit einem Vertrag zwischen der Klägerin und dem Hersteller der betreffenden Ware unter Beweis stellen kann". Eine solche Rechtsgewähr würde einzig den Verkäufer der Ware verpflichten. Da nicht die Klägerin dem
BGE 92 II 111 S. 128
Beklagten die streitige Ware verkauft hat, kann ihr diese angebliche Rechtsgewähr auf keinen Fall entgegengehalten werden.
II.3.
Kann der Beklagte aus dem Vertrag vom 2. Oktober 1963 überhaupt keine Rechte ableiten, so braucht nicht geprüft zu werden, ob die Klägerin darin tatsächlich den daran beteiligten japanischen Firmen erlaubt hat, während einer bestimmten Übergangsperiode noch patentverletzende Armbänder abzusetzen.
Da die beschlagnahmten Armbänder unbestrittenermassen die Patentrechte der Klägerin verletzen, ist die diesbezüglich im angefochtenen Entscheid getroffene Feststellung zu bestätigen. Die von der Vorinstanz weiter getroffene Anordnung, die beschlagnahmten Armbänder seien auf Grund von
Art. 69 PatG
zu vernichten, hat der Beklagte im Berufungsverfahren nicht mehr beanstandet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Zivilgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 17. März 1965 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
673d98c3-01f2-489b-bc36-f44713e01c5e | Urteilskopf
86 IV 226
59. Arrêt de la Chambre d'accusation du 9 juillet 1960 dans la cause Ministère public de la Confédération contre Tribunal Cantonal valaisan et Métry. | Regeste
Vollzug der Busse; Rechtshilfe zwischen Bund und Kantonen; Frist für die Stellung des Pfändungsbegehrens; Verjährung der Busse.
1.
Art. 352 und 357 StGB
;
Art. 252 Abs. 3 BStP
: Im Betreibungsverfahren, das zum Vollzug einer vom Bundesstrafgericht ausgefällten Busse eingeleitet wird, kann die Eidgenossenschaft, ohne dabei an eine Frist gebunden zu sein, wegen Verletzung der Pflicht zu Rechtshilfe die Anklagekammer des Bundesgerichts anrufen, wenn eine kantonale Behörde das Rechtsöffnungsbegehren abweist (Erw. 1).
- Die Frist des
Art. 88 Abs. 2 SchKG
für die Stellung des Pfändungsbegehrens ruht nicht während des Verfahrens, das wegen des Anstandes in der Rechtshilfe eingeleitet wird (Erw. 2).
2.
Art. 73 StGB
: Eine Busse, die in Verbindung mit einer Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe ausgefällt wird, ist nicht eine Nebenstrafe und verjährt in fünf Jahren (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 227
BGE 86 IV 226 S. 227
A.-
Le 7 février 1950, la Cour pénale fédérale condamna Métry à trois ans et demi de réclusion, quatre ans de privation des droits civiques et vingt mille francs d'amende pour faux dans les titres, escroquerie et infraction aux arrêtés du Conseil fédéral du 3 décembre 1945 concernant la décentralisation du service des paiements avec l'étranger, et du 7 mai 1946 relatif au service des paiements avec les Pays-Bas. Métry subit la peine privative de liberté. Le 24 juin 1950, le Département des finances du canton du Valais l'invita à s'acquitter de l'amende jusqu'au 24 juillet 1950, faute de quoi celle-ci serait convertie en arrêts. Le 16 janvier 1954, la Cour pénale fédérale exclut cette conversion.
B.-
Le 29 juillet 1958, la Confédération, représentée
BGE 86 IV 226 S. 228
par le Département des finances du canton du Valais, fit notifier à Métry un commandement de payer le montant de l'amende de 20 000 fr. (poursuite no 4784). Métry fit opposition. Le 14 octobre 1958, le juge-instructeur pour le district de Sion refusa de lever l'opposition. Sa décision fut confirmée le 25 février 1959 par le Tribunal cantonal valaisan, dont l'arrêt fut notifié le 8 avril 1959. Ces deux juridictions estimèrent que l'amende était prescrite en vertu de l'art. 73 ch. 1 CP.
C.-
Le 18 mai 1960, le Ministère public fédéral s'est adressé à la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral en lui demandant de prononcer que l'amende litigieuse n'est pas prescrite et de renvoyer la cause au Tribunal cantonal pour qu'il ordonne la mainlevée de l'opposition.
Le Tribunal cantonal et Métry concluent principalement à l'irrecevabilité de la requête, subsidiairement à son rejet.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le Ministère publìc fédéral fonde la compétence du Tribunal fédéral sur l'art. 357 CP. Cette disposition prévoit notamment que toute contestation entre la Confédération et un canton concernant l'entraide judiciaire sera jugée par le Tribunal fédéral. En l'espèce, le Ministère public fédéral attaque la décision des autorités valaisannes qui refuse de lever l'opposition faite à la poursuite intentée à Métry en paiement de l'amende prononcée par la Cour pénale fédérale. Le Tribunal fédéral sera compétent si cette contestation entre la Confédération et le canton du Valais relève de l'entraide judiciaire.
Dans son principe, l'obligation d'entraide est régie par l'art. 352 al. 1 CP, d'après lequel la Confédération et les cantons, de même que les cantons entre eux, sont tenus de se prêter assistance dans toute cause entraînant l'application du Code pénal ou d'une autre loi fédérale. Selon un précédent arrêt de la Chambre d'accusation (RO 79 IV 182), l'assistance dont par le l'art. 352 al. 1 comprend toute mesure qu'une autorité est requise de prendre dans
BGE 86 IV 226 S. 229
les limites de sa compétence au cours et en vue d'une poursuite pénale pendante. Cette définition, qui restreint donc le devoir d'assistance à la phase de la poursuite, est trop étroite. En effet, la poursuite pénale, au sens technique du terme, s'achève avec le jugement au fond de dernière instance. Or le devoir d'assistance dure au-delà de ce jugement. Le Tribunal fédéral a déjà dit que l'obligation d'entraide judiciaire entre cantons subsiste lors de l'exécution, du moins dans une certaine mesure (RO 68 IV 94). Son argumentation trouve confirmation dans l'art. 352 al. 2 CP dont il ressort que l'assistance peut consister en la remise d'un condamné et viser ainsi un acte survenant dans la phase d'exécution. Quant à l'obligation d'entraide des cantons en faveur de la Confédération, il est hors de doute qu'elle existe aussi lors de l'exécution, puisque, selon l'art. 240 al. 2 PPF, les cantons sont tenus d'exécuter les jugements des autorités fédérales de répression. A cela s'ajoute qu'en ce qui concerne notamment les amendes, les jugements rendus en vertu du droit fédéral et passés en force sont exécutoires dans toute la Suisse (art. 380 CP). La poursuite tendant au recouvrement d'une amende infligée par la Cour pénale fédérale rentre donc parmi les actes auxquels s'étend l'obligation d'entraide des cantons en faveur de la Confédération en matière pénale.
Certes l'art. 49 ch. 2 CP ne prévoit pour le recouvrement de l'amende que la voie de la poursuite pour dettes. La nature de cette procédure n'enlève cependant pas à l'affaire son caractère pénal. L'amende demeure une peine. La poursuite engagée pour la recouvrer vise non à satisfaire l'Etat mais à contraindre le condamné à subir cette peine. Lors donc qu'un canton refuse de prêter la main à la procédure de poursuite introduite par la Confédération, il viole l'obligation d'entraide qu'il a envers elle. Tel est le cas non seulement lorsqu'il oppose une fin de non-recevoir aux requêtes qui lui sont présentées, mais aussi quand, ayant examiné ces requêtes, il résout d'une
BGE 86 IV 226 S. 230
manière contraire à la loi les questions qu'elles posent. Dès lors, en affirmant que les autorités valaisannes ont eu tort de déclarer l'amende prescrite et de refuser la mainlevée, le Ministère public fédéral soulève une contestation touchant à l'entraide judiciaire. Il est donc fondé à saisir le Tribunal fédéral, en vertu de l'art. 357 CP; ce qu'il pouvait d'ailleurs faire sans être lié à un délai (RO 79 IV 182). Au sein du Tribunal fédéral, c'est la Chambre d'accusation qui est compétente, conformément à l'art. 252 al. 3 PPF, applicable par analogie à l'entraide entre Confédération et cantons (THORMANN/OVERBECK, note 1 ad art. 357). La cour de céans s'est du reste déjà déclarée compétente dans une affaire analogue (RO 63 I 267).
2.
L'art. 88 al. 2 LP prévoit que le droit de requérir la saisie est périmé par un an dès la notification du commandement de payer et que s'il a été formé opposition, "le temps qui s'est écoulé depuis l'introduction de l'action jusqu'à chose jugée n'est pas compté". D'après la jurisprudence, la procédure de mainlevée constitue une "action" au sens de cette disposition, de sorte qu'elle prolonge le délai pour requérir la saisie (RO 79 III 60 ss.). Elle est close lorsque la décision rendue ne peut plus faire l'objet d'un recours ordinaire. Il s'ensuit que le moyen extraordinaire du recours de droit public, dont est susceptible la décision refusant de prononcer la mainlevée définitive de l'opposition, ne fait pas partie de la procédure de mainlevée et ne prolonge donc pas le délai pour requérir la saisie. Il n'en va pas autrement de la procédure, plus exceptionnelle encore, qu'a introduite le Ministère public fédéral en saisissant le Chambre d'accusation de sa requête du 18 mai 1960. En l'espèce, la procédure de mainlevée a pris ainsi fin au plus tard le 8 avril 1959, date de la notification de l'arrêt du Tribunal cantonal. Le droit de la Confédération de requérir la saisie était dès lors périmé le 18 mai 1960. Le Ministère public n'a par conséquent pas d'intérêt à obtenir la mainlevée de
BGE 86 IV 226 S. 231
l'opposition dans le cadre de la poursuite no 4784. En l'état, sa requête ne peut être que rejetée.
3.
Il est vrai que la Confédération pourrait intenter une nouvelle poursuite. L'intimé ne manquerait alors pas d'exciper derechef de la prescription de l'amende. Cela étant, il sied d'examiner dès maintenant ce moyen, afin que les juridictions cantonales et les parties aient connaissance de l'opinion de la cour de céans sur le problème soulevé.
L'art. 73 CP règle la prescription de la peine. Son ch. 1 fixe d'abord divers délais, qui vont de trente ans pour la réclusion à vie à dix ans pour l'emprisonnement de plus d'un an, puis il ajoute que "toute autre peine" se prescrit par cinq ans. Son ch. 2 dispose que la prescription de la peine principale emporte celle des peines accessoires. Ainsi, lorsque l'amende est jointe à la réclusion ou à l'emprisonnement pour plus d'un an, elle se prescrira soit dans le même délai que ces peines, soit dans le délai de cinq ans (au maximum 7 ans 1/2 de par l'art. 75 al. 2 i.f. CP), selon que l'on y voit une peine accessoire ou non (dans ce dernier sens, mais non motivé, v. arrêt Deller, du 27 avril 1951, RO 77 IV 83). La solution dépend donc de l'interprétation de l'art. 73 CP, spécialement de son ch. 2.
Dans les avant-projets de 1896, 1903 et 1908, aucune disposition semblable à celle de l'art. 73 ch. 2 ne figurait encore. La 2e commission d'experts, qui examinait le dernier de ces avant-projets, décida, sans commentaire ni discussion, d'en introduire une à l'art. 60 al. 2 (Procèsverbaux I 411, 452 s., 481 s., 509; II 21, 55 s., 114). Cette disposition ne fut d'ailleurs pas reprise dans l'avantprojet du mois d'octobre 1916. Le message du Conseil fédéral sur le projet de 1918 ne s'exprime pas sur la question (p. 25). Ce fut la commission du Conseil national qui décida de prévoir expressément que la prescription de la peine principale entraînait celle des peines accessoires (Procès-verbaux de ladite commission, séance du 6 septembre 1921, p. 4 ad art. 70 bis). Dans les délibérations
BGE 86 IV 226 S. 232
du Conseil national, les rapporteurs se contentèrent de dire, pour l'essentiel, que l'introduction de ce principe était de nature à éliminer des controverses (Bull. stén., Cons. nat., 1928, p. 215 s.) Ils ne précisèrent pas la nature de celles-ci, mais il est vraisemblable qu'il s'agissait principalement de celles qui s'étaient élevées depuis des dizaines d'années sur la possibilité d'appliquer la prescription aux peines accessoires ou à certaines d'entre elles (v. à ce sujet, SCHLATTER, Die Verjährung, Revue pénale suisse, t. 62, p. 306). La proposition de la commission fut admise par les deux conseils sans être discutée.
Ainsi, supposé même que les controverses visées par la commission du Conseil national aient porté sur d'autres points encore, en tout cas rien, dans la genèse du ch. 2 de l'art. 73 CP, ne permet de croire que, par cette disposition, le législateur ait entendu restreindre la portée du ch. 1 en faisant de l'amende une peine accessoire lorsqu'elle est jointe à une peine privative de liberté. On doit bien plutôt admettre qu'il n'a pas pensé à ce problème, puisqu'il visait une amélioration du sort des condamnés en introduisant la prescription pour toutes les peines accessoires, ce qui n'était pas prévu dans le projet du Conseil fédéral.
Selon le texte de l'art. 73 ch. 2 CP et le système du Code pénal, il n'y a pas de raison de compter l'amende au nombre des peines accessoires, que la disposition précitée oppose à la peine principale. En effet, dans le titre troisième du Code pénal, le chapitre premier distingue les peines privatives de liberté, les mesures de sûreté, l'amende, les peines accessoires et les autres mesures. L'amende est donc distincte des peines accessoires, que les
art. 51 à 56
énumèrent limitativement. Si l'on admettait qu'elle rentre dans cette catégorie, selon l'art. 73 ch. 2, elle apparaîtrait comme une peine principale lorsqu'elle n'est pas assortie d'une peine privative de liberté et comme une peine accessoire dans le cas contraire. Or rien, dans la loi, n'impose une telle dualité.
En particulier, ni l'art. 68 ch. 1 al. 3, ni l'art. 80 al. 1 CP
BGE 86 IV 226 S. 233
n'autorisent une conclusion contraire. A la vérité, le ch. 1 de l'art. 68 ne vise pas expressément le cas où, par un ou plusicurs actes, l'auteur a encouru une peine privative de liberté conformément à une disposition légale et une amende conformément à une autre. Mais il n'y a pas lieu, pour régler ce cas, de se référer à l'art. 68 ch. 1 al. 3 en interprétant le terme "peine accessoire" comme comprenant l'amende. Car le but de l'art. 68 ch. 1 est de sanctionner une pluralité d'infractions par une peine unique. Si le législateur n'a pas prévu une telle peine dans le cas mentionné plus haut - et qu'il n'a pu ignorer - c'est qu'il voulait que l'on appliquât à la fois la peine privative de liberté et l'amende (RO 75 IV 2). Quant à l'art. 80 al. 1 CP, il permet la radiation au casier judiciaire lorsqu'il s'est écoulé cinq ans au moins depuis l'exécution du jugement "dans le cas où la peine principale consiste en une amende". Il concerne les jugements où l'amende n'est pas assortie d'une peine privative de liberté et constitue ainsi effectivement la peine principale. A la vérité, le texte allemand emploie le terme de "Busse als Hauptstrafe" et le texte italien celui de "multa come pena principale", comme si l'amende était tantôt peine principale, tantôt peine accesoire, selon qu'elle est assortie ou non d'une peine privative de liberté. Mais une telle interprétation littérale serait trompeuse; le texte français doit, ici, être préféré aux deux autres. Il est vrai que si l'amende jointe à une peine privative de liberté ne peut être tenue pour une peine accessoire, il ne sera pas nécessaire, en ce qui la concerne, que le jugement ait été exécuté (art. 80 al. 1 i.f.) pour que la radiation puisse être ordonnée; il suffira que la peine privative de liberté ait été subie. Mais le législateur, qui n'a sans doute pas ignoré cette conséquence, n'a pu vouloir que la radiation soit en tout cas exclue aussi longtemps que l'amende n'a pas été éteinte par l'exécution, car il aurait ainsi refusé la réhabilitation au condamné. qui, sans sa faute, s'est trouvé dans l'impossibilité de payer.
BGE 86 IV 226 S. 234
On ne peut pas non plus considérer l'amende comme une peine accessoire, argument pris du fait lui-même qu'elle est jointe à une peine privative de liberté. On distingue, ici, entre deux groupes principaux de cas: le premier se caractérise par le rôle particulier que l'appât du gain a joué dans l'infraction (art. 50 al. 1; 159, 198, 199; 148 al. 2, 153 al. 2, 154 ch. 1 al. 2, 156 ch. 2, 157 ch. 2, 199; 156 ch. 1 al. 3, 157 ch. 1 al. 3, 288 CP); dans le second, le juge peut, de par l'art. 50 al. 2 CP, ajouter l'amende à la peine privative de liberté toutes les fois que la loi prévoit alternativement ces deux sanctions; la loi n'exige pas alors que la cupidité ait joué un rôle spécial, mais le cumul des deux peines est néanmoins dicté par des considérations analogues à celles qui le justifient pour le premier groupe. Cependant, si le législateur a voulu sanctionner de l'amende la manifestation d'un trait de caractère que la peine privative de liberté ne réprime pas suffisamment, il ne s'ensuit pas encore que l'amende n'a qu'un rôle complémentaire et ne constitue plus qu'un accessoire de la peine privative de liberté. Chacune des deux peines, dans sa spécialisation, peut être considérée comme coordonnée à l'autre; il n'y a pas, en réalité, plus de raison de subordonner la première à la seconde que l'inverse. Ces considérations enlèvent toute valeur décisive au terme "accessoirement", que le législateur a employé à l'art. 50 al. 1 CP.
Au surplus, le cumul des deux peines n'est pas toujours, ni même le plus souvent, justifié par l'esprit de lucre ou le mépris des intérêts pécuniaires d'autrui, que l'acte manifeste chez son auteur. Il est prévu pour un nombre important d'infractions contre la vie et l'intégrité corporelle, en particulier, et d'autres encore, parmi lesquelles un grand nombre d'infractions contre la circulation publique. Dans cette dernière catégorie, précisément, où la loi spéciale prévoit l'application des dispositions générales du Code pénal (art. 65 al. 3 LA), de plus en plus, la tendance se fait jour, chez le juge, d'infliger à la
BGE 86 IV 226 S. 235
fois les deux peines, surtout lorsque la peine privative de liberté est prononcée avec sursis, parce que, précisément, l'amende peut, tout autant que cette peine - même non assortie du sursis -, avoir un effet d'expiation et de redressement.
En définitive, le système du Code pénal ne confère ni explicitement, ni même implicitement un double aspect à l'amende: peine accessoire ou principale selon qu'elle est ou non assortie d'une peine privative de liberté. Dans le premier cas comme dans le second, elle conserve son caractère autonome par rapport à cette dernière et, si l'on s'en tient au texte légal, elle se prescrit par cinq ans de par l'art. 73 al. 1 i.f. CP et en tout cas par 7 ans 1/2 de par l'art. 75 al. 2 i.f. Il est vrai cependant qu'en général la peine privative de liberté atteint plus gravement le condamné que la peine pécuniaire. De ce point de vue, on peut donc dire que, jointe à celle-là, celle-ci apparaît moins importante et marquée d'un caractère "accessoire" (HAFTER, Das schw. Strafrecht, partie générale, p. 257 et 293; SCHWANDER, Das schw. Strafgesetzbuch, nos 339 et 369; THORMANN/OVERBECK, com. ad art. 48 n. 3; Logoz, com. ad. art. 35 ss., remarques préliminaires, lit. e, cf. cependant, com. ad art. 48, n. 3). Toutefois, lorsque les auteurs parlent ainsi de "peine accessoire", on ne saurait prendre ce terme dans l'acception que lui donne le Code pénal; on l'a montré plus haut. HAFTER lui-même assigne à l'amende une place spéciale dans le système pénal (op. cit. p. 257) et ne la compte pas au nombre des peines accessoires qui se prescrivent dans le même délai que la peine principale (p. 439).
Il y a d'autant plus lieu de s'en tenir à la classification légale que les auteurs ne s'accordent pas sur la définition des peines principales et accessoires. Même si l'on admet que ces dernières servent à renforcer l'effet de la peine principale, la distinction n'est pas nette, car deux peines principales cumulées ont aussi chacune cette même fonction à l'égard de l'autre. Au surplus, l'application d'une
BGE 86 IV 226 S. 236
peine accessoire peut aussi se justifier par d'autres motifs (THORMANN/OVERBECK, remarque préliminaire no 11 ad art. 35 ss.; OTTO MÜLLER, Die Nebenstrafen des Militärstrafgesetzes, Revue pénale suisse, t. 56, p. 162 s.; PFENNINGER, Das schw. Strafrecht, dans la collection: Das ausländische Strafrecht der Gegenwart, éditée par Megger, Schönke et Jeschek, t. 2, p. 252).
Cependant, la loi ne réglant pas spécialement la prescription de l'amende infligée conjointement avec une peine privative de liberté, on pourrait se demander si elle ne présente pas, sur ce point, une lacune qu'il appartiendrait au juge de combler par une interprétation extensive de l'art. 73 ch. 2 CP (par exemple: RO 72 IV 101;
83 IV 128
s.). Cette question appelle une réponse négative. On a montré plus haut que rien, dans le système du Code pénal, ni dans aucune de ses dispositions particulières ne permet d'admettre que le législateur ait entendu considérer comme une peine accessoire l'amende prononcée concurremment avec une peine privative de liberté et que la définition des peines accessoires proposée d'autre part n'était pas décisive non plus. Sans doute peut-on regretter que l'institution de deux délais de prescription différents pour l'amende et la peine privative de liberté conjointes porte atteinte à l'unité du jugement pénal. Mais le Code pénal ne crée nullement cette unité, du point de vue de la prescription de la peine; ainsi pour certaines mesures de sûretés notamment (v. par exemple, les art. 43 ch. 7 et 44 ch. 6 CP), ou pour le cas où la peine privative de liberté assortie de l'amende a été prononcée avec le sursis (art. 74 CP). Du reste, la pluralité des délais de prescription de la peine ne comporte pas d'inconvénients tels que le législateur n'ait pu vouloir ce résultat:
a) Il est clair, tout d'abord, que lorsque le juge prononce à la fois une peine privative de liberté, une amende et une peine accessoire, cette dernière se prescrira en même temps que la peine principale pour laquelle le délai est le plus long.
BGE 86 IV 226 S. 237
b) Dans certains cas, l'amende pourra, il est vrai, se prescrire avant que le condamné ait subi toute sa peine privative de liberté ou, tout au moins, ait eu le temps de gagner de quoi la payer. Mais le recouvrement ni l'exécution de la peine d'arrêts qui peut le remplacer, ne se heurtent à des obstacles insurmontables, vu l'art. 40 al. 1 CP. Cette disposition légale est effectivement appliquée, dans la pratique, en vue de l'exécution de la peine d'amende (cf. procès-verbal de la Commission d'experts pour la revision du Code pénal, séance du 23 juillet 1947, p. 57).
c) On peut du reste admettre que, dans le délai de 5 ans ou de 7 ans 1/2, l'autorité chargée de l'exécution a tout loisir de recouvrer une amende selon l'art. 49 CP, même si le condamné est détenu. Appliquer à l'amende le délai de prescription fixé pour la peine privative de liberté conjointe pourrait avoir certaines conséquences hautement inéquitables; ainsi le condamné à la réclusion à vie et à l'amende, qui obtiendrait sa libération conditionnelle au bout de quinze ans, puis, au bout de cinq nouvelles années, sa libération définitive (art. 38 CP), pourrait encore, pendant 25 ans, être poursuivi ou condamné aux arrêts pour le paiement de l'amende, à moins qu'il ne demande et n'obtienne grâce. D'autres exemples pourraient du reste encore être donnés dans le même sens. En sens contraire, il sera possible que, du fait de la détention et d'une inadvertance de l'autorité, l'amende se prescrive avant que le condamné ait recouvré sa liberté, mais cette conséquence sera moins choquante que l'autre.
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre d'accusation
Rejette la requête du Ministère public fédéral. | null | nan | fr | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
67424302-0e8b-41e4-9788-584d16019eef | Urteilskopf
106 Ib 11
3. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Mai 1980 i.S. Franz Schmidt gegen Jenny Schmidt-Buck, Erben, und Rekurskommission des Kantons Zürich für Grunderwerb durch Personen im Ausland (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
BB vom 23. März 1961/21. März 1973 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewB).
1. Die nach BewB zuständigen Behörden sind zur Anordnung einer Grundbuchberichtigung nicht befugt (Erw. 2).
2. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Geschäft im Sinne von
Art. 2 lit. e BewB
bewilligungspflichtig ist, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Übertragung der entsprechenden Rechte massgebend (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 106 Ib 11 S. 11
Im Jahre 1966 verheiratete sich die Schweizerin Jenny Buck mit dem deutschen Staatsangehörigen Kurt Schmidt. Nachdem das Ehepaar in der Schweiz Wohnsitz genommen
BGE 106 Ib 11 S. 12
hatte, stellte der Vater von Kurt Schmidt, Franz Schmidt, seinem Sohn in den Jahren 1968 bis 1973 Kapitalien zur Verfügung. Damit wurden unter anderem vier Liegenschaften im Kanton Zürich auf den Namen Von Jenny Schmidt-Buck, die ihr Schweizerbürgerrecht beibehalten hatte, gekauft. Ende 1975 und anfangs 1976 verkaufte Jenny Schmidt-Buck ihrem Schwiegervater Franz Schmidt die vier erwähnten Liegenschaften. Drei dieser Kaufverträge enthalten unter anderem folgende Bestimmungen:
1. Der Besitzantritt des Kaufgrundstückes in Rechten und Pflichten, Nutzen und Gefahr durch den Käufer erfolgt heute.
2. Die Eigentumsübertragung (Grundbuchanmeldung) kann frühestens am 1. Juni 1977 und spätestens am 1. Juni 1978 erfolgen.
Der Käufer verpflichtet sich, bis zur Eigentumsübertragung den Nachweis zu erbringen, dass er im Sinne von Art. 4 des Bundesbeschlusses über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland berechtigt ist, dieses Grundstück zu kaufen, oder dann eine Bewilligung des Bezirksrates zum Kauf dieses Grundstückes beizubringen.
Eine entsprechende Bestimmung im vierten Vertrag wurde nachträglich in dem Sinne geändert, dass der Besitzantritt durch den Käufer erst mit Eigentumsübertragung erfolgen sollte.
Sämtliche Verträge enthalten unter dem Titel "Vollmachten" die Bestimmung:
Die Verkäuferin bevollmächtigt den Käufer
a) Diesen Vertrag während der in Ziff. 2 angegebenen Zeit in ihrem Namen zur Eintragung ins Grundbuch anzumelden.
b) Die Kaufsgrundstücke von heute an bis spätestens am 1. Juni 1977 in ihrem Namen an einen beliebigen Dritten und zu beliebigen Bedingungen, mindestens aber ... (zu einem Preis, der jeweils dem vereinbarten Kaufpreis entspricht) zu verkaufen. Damit würde der vorliegende Kaufvertrag entschädigungslos dahinfallen.
Mit Beschluss vom 8. September 1977 forderte der Bezirksrat Zürich den Käufer Franz Schmidt auf, ein Gesuch um Bewilligung zum Erwerb dieser Grundstücke zu stellen, mit der Androhung, dass sonst die Bewilligung verweigert und die Kaufverträge nichtig erklärt würden. Unter Bestreitung der Bewilligungspflicht stellte Franz Schmidt im April 1977 dieses Gesuch, das am 22. Dezember 1977 vom Bezirksrat Zürich und auf Beschwerde Franz Schmidts am 19. Oktober 1978 von der Rekurskommission des Kantons Zürich für Grunderwerb
BGE 106 Ib 11 S. 13
durch Personen im Ausland abgewiesen wurde. Gegen diesen Entscheid erhebt Franz Schmidt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass die fraglichen Grundstückkaufsverträge nicht bewilligungspflichtig seien.
Erwägungen
Erwägungen:
2.
Das Bundesamt für Justiz führt in seiner Vernehmlassung aus, es wäre zuerst zu prüfen gewesen, ob Jenny Schmidt-Buck seinerzeit wirklich Eigentümerin der fraglichen Grundstücke geworden sei.
Jenny Schmidt-Buck, bzw. ihre Erben, sind im Grundbuch als Eigentümer der zur Diskussion stehenden Grundstücke eingetragen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes können aber bereits vollzogene Eintragungen im Grundbuch, mit Ausnahme der in
Art. 98 Abs. 2 und 99 GBV
vorgesehenen Fälle, nur auf Anordnung des Zivilrichters berichtigt werden (
BGE 98 Ia 186
E. 2 mit Hinweisen, vgl. namentlich
BGE 68 I 124
E. 1,
BGE 65 I 160
). Die nach BewB zuständigen Behörden sind demnach zur Anordnung einer Berichtigung, bzw. zum Entscheid über die Gültigkeit eines Grundbucheintrages, nicht befugt. Gemäss
Art. 22 BewB
(Art. 13 aBewB) sind dagegen die beschwerdeberechtigten kantonalen Behörden im Interesse der Durchsetzung der Bestimmungen des BewB zur Klage legitimiert. Der Entscheid, ob eine solche Klage noch angestrengt werden kann, steht nach dieser Bestimmung ausschliesslich der zuständigen kantonalen Behörde, im vorliegenden Fall also der im Kanton Zürich nach
Art. 10 lit. b BewB
zuständigen Behörde, zu. Es ist aus diesen Gründen im vorliegenden Verfahren nur zu prüfen, ob die vier Grundstück-Kaufverträge Vom 27. November 1975, 5. und 6. Mai 1976 der Bewilligungspflicht unterstehen.
3.
a) Nach
Art. 1 BewB
untersteht der Erwerb von Grundstücken in der Schweiz durch Personen im Ausland der Bewilligung durch die zuständige kantonale Behörde. Als Erwerb im Sinne dieser Bestimmung gilt die Eintragung im Grundbuch, die nach
Art. 656 Abs. 1 ZGB
Voraussetzung für den Eigentumsübergang an Immobiliar-Rechten ist. Für die Frage, ob ein solches Geschäft bewilligungspflichtig sei, bzw. ob die Bewilligung zum Erwerb des Grundstücks durch eine
BGE 106 Ib 11 S. 14
Person im Ausland erteilt werden könne, ist deshalb grundsätzlich der Zeitpunkt der Anmeldung zum Grundbuch-Eintrag massgebend (
BGE 101 Ib 386
f. E. 2 mit Hinweisen).
Gemäss
Art. 2 lit. e BewB
ist dem Erwerb von Grundstücken jedoch unter anderem der Erwerb von Rechten gleichgestellt, mit denen sich nach Inhalt oder Umfang ähnliche wirtschaftliche Zwecke erreichen lassen wie mit dem Erwerb von Eigentum oder von Rechten an Grundstücken. Diese Gleichstellung kann namentlich gegeben sein bei Treuhandgeschäften (Entscheid vom 14. Februar 1977 i.S. U. in ZBGR 1978 S. 243 ff. E. 3 b, c), bei Miet- oder Pachtverträgen (
BGE 104 Ib 143
ff. E. 1) oder bei Kreditgeschäften - allenfalls in Verbindung mit Mietverträgen (
BGE 105 Ib 321
). Die Aufzählung in
Art. 2 lit. e BewB
ist jedoch nicht abschliessend (vgl. A. MUFF, von der Lex Von Moos zur Lex Furgler in ZBGR 1974 S. 132).
Art. 2 lit. e BewB
bezweckt in allgemeiner Weise, eine Umgehung der in
Art. 1 BewB
vorgesehenen Bewilligungspflicht zu verhindern (BBl 1972 II 1254, Sten. Bull. SR 1973 S. 15 f.), ohne dass es auf den subjektiven Willen der Parteien ankäme (
BGE 104 Ib 144
E. 1 a, vgl. auch Sten. Bull. NR 1972 S. 2218 ff.). Massgebend ist nur, was sich mit den von den Parteien eingegangenen Rechtsbeziehungen wirtschaftlich erreichen lässt und ob sich die von den Parteien abgeschlossenen, auch bloss obligatorischen Geschäfte in ihrer Wirkung dem Erwerb von dinglichen Rechten nähern. Solche Rechtsgeschäfte sind deshalb nicht allein unter dem Gesichtswinkel der üblichen juristischen, sondern auch unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen (
BGE 105 Ib 323
E. 1a). Eine Mehrzahl von Vereinbarungen ist demgemäss als Gesamtheit zu betrachten und die Stellung des aus diesen Geschäften Berechtigten ist als solche zu prüfen. In diesen Fällen ist für die Beurteilung, ob dem Berechtigten eine eigentümerähnliche Stellung eingeräumt wird und das Geschäft aus diesem Grunde bewilligungspflichtig sei, bzw. ob die Bewilligung erteilt werden könne, auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Übertragung der entsprechenden Rechte, im allgemeinen also des Vertragsschlusses, abzustellen.
b) Die Parteien haben im vorliegenden Fall die Kaufverträge über die vier Grundstücke zu einer Zeit abgeschlossen, als der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für einen bewilligungsfreien Erwerb Von Grundstücken in der Schweiz unbestritten noch nicht erfüllte. Sie haben deswegen den Eigentumsübergang,
BGE 106 Ib 11 S. 15
bzw. die Eintragung im Grundbuch, hinausgeschoben. Ob ein solcher Aufschub des Vollzugs allein schon genügen würde, um einen derart abgeschlossenen Kaufvertrag im Sinne von
Art. 2 lit. e BewB
dem Erwerb gleichzustellen, oder ob es für einen solchen Aufschub des Vollzuges legitime Gründe geben kann, braucht im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden. Angesichts der Ungewöhnlichkeit dieses Vorgehens, das - wie hier in den Kaufverträgen ausdrücklich bestätigt wird - namentlich, wenn nicht ausschliesslich, im Hinblick auf die Bestimmungen des BewB gewählt wird, ist jedenfalls besonders genau zu prüfen, welche Stellung dem Käufer schon nach dem bloss obligatorischen Vertrag zukommt. Der Beschwerdeführer sollte im vorliegenden Fall nach dreien der vier Kaufverträge den Besitz an den Grundstücken mit Nutzen und Gefahr sofort antreten. Er erhielt ausserdem für alle vier Grundstücke nicht nur das Recht, den Grundbucheintrag ohne Mitwirkung der Verkäuferin zu veranlassen, sondern auch, diese Grundstücke - im Namen der Verkäuferin - sogar schon vor dem dinglichen Erwerb der betreffenden Liegenschaften zu veräussern. Damit wurden ihm die wichtigsten wirtschaftlich bedeutsamen Eigentümerbefugnisse schon mit Abschluss des Kaufvertrages übertragen und es wurden deshalb schon mit den Kaufverträgen selbst ähnliche wirtschaftliche Zwecke erreicht, wie mit dem Erwerb des Eigentums an den Grundstücken. Die Voraussetzungen der Bewilligungspflicht im Sinne von
Art. 2 lit. e BewB
sind damit erfüllt. Daran ändert nichts, dass dem Beschwerdeführer diese eigentümerähnliche Stellung bloss befristet eingeräumt wurde. Entscheidend ist, dass er im Zeitpunkt der Übertragung der entsprechenden Rechte der Bewilligungspflicht unterstand und einer Bewilligung bedurft hätte, die ihm nicht erteilt werden konnte. Die Feststellung der Bewilligungspflicht durch die Vorinstanz ist damit zu Recht erfolgt und die Beschwerde ist abzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
67440a96-b264-412e-8161-f6304968bcf7 | Urteilskopf
102 II 79
13. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Mai 1976 i.S. Müller. | Regeste
Adoption Mündiger;
Art. 266 ZGB
.
Der Altersunterschied muss auch bei der Erwachsenenadoption mindestens 16 Jahre betragen. | Sachverhalt
ab Seite 79
BGE 102 II 79 S. 79
Mit Eingabe vom 19. Dezember 1974 an den Stadtrat von Zürich stellte Paul Kurt Müller, geboren am 2. Dezember 1930, das Begehren, es sei ihm die Adoption seines am 18. Mai 1946 geborenen, somit etwa 15 1/2 Jahre jüngeren Pflegesohnes Robert Müller zu bewilligen. Gegen den Antrag des Stadtrates wies der Bezirksrat Zürich das Gesuch am 3. Juli 1975 ab. Dieser Entscheid wurde vom Regierungsrat des Kantons Zürich auf Rekurs hin mit Beschluss vom 11. Februar 1976 bestätigt. Zur Begründung führten die kantonalen Instanzen im wesentlichen an, dass der Altersunterschied, der auch bei der Erwachsenenadoption in jedem Fall mindestens 16 Jahre betragen müsse, ungenügend sei.
Paul Kurt Müller führt Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, es sei der regierungsrätliche Beschluss aufzuheben und die Adoption zu bewilligen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Gemäss
Art. 265 Abs. 1 ZGB
muss das unmündige Adoptivkind mindestens 16 Jahre jünger sein als die Adoptiveltern. Es handelt sich dabei um ein zwingendes Mindesterfordernis, von dem der Richter nicht befreien darf. Wenn der Berufungskläger zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung auf EICHENBERGER (Die materiellen Voraussetzungen der Adoption Unmündiger nach neuem schweizerischem Adoptionsrecht, Freiburger Diss. 1974, S. 170) verweist, so ist dies von vornherein unbehelflich, da dieser Autor keineswegs der Ansicht ist,
BGE 102 II 79 S. 80
vom gesetzlich verlangten Mindestaltersunterschied könne auf dem Wege der Rechtsprechung allenfalls abgewichen werden; dessen Kritik richtet sich vielmehr allein gegen das Gesetz.
Nun ist
Art. 265 Abs. 1 ZGB
im Falle des volljährigen Robert Müller freilich nicht direkt anwendbar.
Art. 266 Abs. 3 ZGB
sieht jedoch vor, dass, soweit nicht eine Sondernorm über die Erwachsenenadoption (
Art. 266 Abs. 1 und 2 ZGB
) Platz greift, die Bestimmungen über die Adoption Unmündiger "entsprechende" Anwendung finden. Der Berufungskläger leitet aus dieser Formulierung ab, das Gesetz gewähre dem Richter bei der Auslegung und Anwendung der "entsprechend" anwendbaren Bestimmungen einen besonderen Spielraum. Jener sei daher bei der Adoption Mündiger, wo die Bedeutung des elternartigen Verhältnisses nicht so gross sei, nicht strikte an den in
Art. 265 Abs. 1 ZGB
festgesetzten Altersunterschied gebunden.
Wie das Bundesgericht unter Hinweis auf die parlamentarischen Beratungen wiederholt festgehalten hat (
BGE 101 II 5
Erw. 3, 8/9 Erw. 1), hat die Erwachsenenadoption Ausnahmecharakter. Sie soll nur dann gestattet sein, wenn besondere, mit der Adoption Unmündiger vergleichbare Verhältnisse vorliegen. Gewiss ist diese Voraussetzung im Falle des Berufungsklägers, der dem zu Adoptierenden seit 1952 mit Erfolg Pflege und Erziehung erwiesen und ausserdem das Studium ermöglicht hat, in augenfälliger Weise erfüllt. Es zeigt sich indessen gerade hier, dass mit einer Lockerung der an den Altersunterschied gestellten Anforderungen eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Erleichterung bewirkt würde, indem nämlich eine Adoption, die vor der Volljährigkeit des zu Adoptierenden am ungenügenden Altersunterschied hätte scheitern müssen, nach Eintritt der Mündigkeit vollzogen werden könnte. Damit ergibt sich, dass Bezirks- und Regierungsrat das Gesuch des Berufungsklägers zu Recht abgewiesen haben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 11. Februar 1976 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
674aa54e-c6b2-4e35-9b3f-de74ce892431 | Urteilskopf
121 II 350
51. Extrait de la décision de la Ire Cour de droit public du 10 octobre 1995 dans les causes Looten et consorts contre Etat de Genève et Commission fédérale d'estimation du 1er arrondissement (recours de droit administratif). | Regeste
Enteignung von Nachbarrechten; Lärm-Immissionen eines Flughafens; dies aestimandi und Verzinsung der Entschädigung -
Art. 19, 19bis und 76 EntG
.
Massgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Verkehrswerts des enteigneten Rechts; Grundgedanken von
Art. 19bis EntG
und Übersicht über die Rechtsprechung vor Einführung dieser Bestimmung (E. 5a-c). Anwendung der gleichen Regeln auf die Minderwerts-Entschädigung (E. 5d).
Verzinsung der Enteignungsentschädigung bei vorzeitiger Besitzeinweisung oder - wenn der Betrieb eines öffentlichen Werkes zu übermässigen Einwirkungen für die Nachbarn führt - bei "vorzeitiger Inbesitznahme" des Enteignungsobjekt bildenden Rechtes (E. 5e).
Besonderheiten des Verfahrens im vorliegenden Fall, die eine spezielle Wahl des dies aestimandi und des Beginns des Zinsenlaufes rechtfertigen (E. 6).
Enteignungsentschädigung in Form von Sachleistungen; massgebender Zeitpunkt für die Bestimmung des Wertes der vorzunehmenden Arbeiten (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 351
BGE 121 II 350 S. 351
Le 12 juillet 1985, le Tribunal fédéral a rendu un arrêt par lequel il a résolu des questions de principe qui lui étaient soumises dans diverses causes connexes: cause Jeanneret, d'une part, qui a été liquidée par cet arrêt; causes Looten et consorts, d'autre part, pour lesquelles le Tribunal fédéral a dit que l'instruction devait se poursuivre (cf.
ATF 121 II 317
ss). Dans ces dernières causes, le Tribunal fédéral a reconnu le droit de certains des propriétaires touchés (les expropriés) d'obtenir une indemnité pour l'expropriation formelle des droits de voisinage. Après avoir repris l'instruction, le Tribunal fédéral a décidé de résoudre certaines questions de principe: le choix de la date déterminante pour l'évaluation du montant dont est réduite la valeur vénale des immeubles expropriés ("dies aestimandi"); le choix de la date déterminante pour le calcul du coût des éventuelles mesures d'insonorisation qui pourraient être ordonnées; le choix de la date à partir de laquelle les intérêts sur les indemnités (prestations en argent) doivent courir.
Erwägungen
Extrait des considérants:
5.
a) L'indemnité d'expropriation est en principe payable en argent (
art. 17 LEx
; RS 711). Pour la fixer, l'autorité d'estimation doit prendre en considération tous les préjudices subis par l'exproprié du chef de la suppression ou de la diminution de ses droits (art. 19, 1ère phrase LEx); cette indemnité comprend en conséquence la pleine valeur vénale du droit exproprié (
art. 19 let. a LEx
), le montant dont est réduite la valeur vénale de la partie restante en cas d'expropriation partielle d'un immeuble ou de plusieurs immeubles dépendant économiquement les uns des autres
BGE 121 II 350 S. 352
(
art. 19 let. b LEx
), et le montant de tous autres préjudices subis par l'exproprié, en tant qu'ils peuvent être prévus, dans le cours normal des choses, comme une conséquence de l'expropriation (
art. 19 let
. c LEx).
b) En adoptant le 20 juin 1930 la loi fédérale sur l'expropriation (avec l'art. 19, non modifié depuis lors), le législateur avait renoncé à déterminer la date à prendre en considération pour le calcul de la valeur vénale. Dans son message relatif au projet de loi, le Conseil fédéral avait évoqué la date du dépôt des plans, tout en retenant que ce choix pourrait parfois se révéler injuste; c'est pourquoi il n'avait pas proposé de règle générale (FF 1926 II 32). Lors des débats au Conseil national, le rapporteur avait exposé qu'à défaut d'entente sur une des trois dates envisagées - dépôt des plans, ouverture de la procédure de conciliation, inspection locale par la commission d'estimation - il fallait s'en remettre à la jurisprudence, qui déciderait en s'inspirant des besoins de la pratique (cf. BOCN 1928 p. 599).
Dans un arrêt rendu en 1963 (cause Zumbrunnen c. CFF,
ATF 89 I 343
), le Tribunal fédéral a pris acte de certaines variations sur ce point dans la jurisprudence et il a résolu la question dans ce sens que la date déterminante (dies aestimandi) était celle de la décision de la commission d'estimation. Il s'est fondé à ce propos sur les
art. 16 et 19 let. a LEx
, qui garantissent à l'exproprié une "indemnité pleine et entière" de même que "la pleine valeur du droit exproprié" (cf. aussi la garantie constitutionnelle, non écrite jusqu'à l'adoption en 1969 de l'
art. 22ter al. 3 Cst.
, d'une "juste indemnité" en cas d'expropriation): il faut, au moins en théorie, que le montant alloué lui permette d'acquérir un bien équivalent à celui dont il est privé contre son gré et, en conséquence, il est nécessaire que le dies aestimandi soit le moins éloigné possible du jour du versement de l'indemnité (
ATF 89 I 343
consid. 5). Cette jurisprudence n'a pas été remise en question jusqu'à l'entrée en vigueur de l'
art. 19bis LEx
, le 1er août 1972 (cf. notamment
ATF 92 I 246
).
c) En 1970, le Conseil fédéral a proposé à l'Assemblée fédérale de réviser la loi sur l'expropriation en introduisant de nouvelles dispositions sur le plan de l'organisation et dans le domaine de la procédure; selon le message, la révision n'avait pas pour but de modifier les règles de fond (FF 1970 I 1022). L'Assemblée fédérale a cependant introduit dans la loi à cette occasion une nouvelle norme de droit matériel: l'
art. 19bis LEx
, adopté le 18 mars 1971, dispose en effet qu'est "déterminante la valeur vénale (art. 19, let. a) au jour de l'audience de conciliation" (
art. 19bis
BGE 121 II 350 S. 353
al. 1 LEx
). Le législateur a toutefois prévu l'obligation pour la commission d'estimation, à la demande de l'exproprié et s'il n'y a plus d'oppositions ou de demandes au sens des art. 7 à 10 LEx qui soient encore pendantes, de fixer immédiatement "un paiement s'élevant au montant probable de l'indemnité pour la valeur vénale"; la voie du recours de droit administratif n'est pas ouverte contre ce prononcé (
art. 19bis al. 2 LEx
). Aux termes de l'
art. 19bis al. 3 LEx
, les art. 88 à 101 LEx sont applicables par analogie au paiement du montant ainsi fixé et la renonciation à l'expropriation n'est plus possible une fois le délai légal de paiement expiré (il s'agit du délai de vingt jours prévu à l'
art. 88 al. 1 LEx
). Enfin, si l'indemnité définitive dépasse le montant déjà versé, la différence portera intérêt au taux usuel dès l'acquisition de la propriété (recte: du droit exproprié - cf.
art. 91 al. 1 LEx
; cf.
ATF 100 Ib 418
consid. 1b) jusqu'au moment du paiement; par ailleurs un montant perçu en trop devra être remboursé (
art. 19bis al. 4 LEx
). Le paiement d'un acompte avant la décision finale de la commission permet - au moins en théorie - à l'exproprié d'acquérir immédiatement un bien équivalent. Dans cette mesure, la réglementation des al. 2 à 4 de l'
art. 19bis LEx
tend à garantir l'octroi d'une indemnité pleine et entière, quand bien même le dies aestimandi a été avancé au début de la procédure d'expropriation (cf.
ATF 116 Ia 106
consid. 3a,
ATF 115 Ib 13
consid. 7b; cf. HEINZ HESS/HEINRICH WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes, vol. I, Berne 1986, n. 7 ad
art. 19bis LEx
).
d) Selon la jurisprudence, le paiement du "montant probable de l'indemnité", au sens de l'
art. 19bis al. 2 LEx
, peut entrer en considération non seulement lorsque la propriété fait l'objet d'une expropriation, mais aussi lorsqu'il s'agit de grever un immeuble d'une servitude en faveur de l'expropriant. Cette interprétation résulte du texte de l'art. 91 al. 1, 1ère phrase LEx, aux termes duquel l'expropriant acquiert "la propriété de l'immeuble exproprié ou le droit que l'expropriation constitue en sa faveur sur l'immeuble" par l'effet du paiement "de l'indemnité ou du montant fixé selon l'
art. 19bis al. 2 LEx
"; l'application de cette dernière disposition ne dépend donc pas de l'objet de l'expropriation, au sens de l'
art. 5 al. 1 LEx
(
ATF 115 Ib 13
consid. 7). Au demeurant, l'imposition forcée d'une servitude sur un fonds - telle qu'une interdiction de bâtir - diminue sa valeur vénale (cf.
ATF 115 Ib 13
consid. 7b,
ATF 114 Ib 321
consid. 3; pour calculer l'indemnité selon l'
art. 19 let. b LEx
, on applique la méthode dite de la différence). Il en découle que l'
art. 19bis al. 1 LEx
est également applicable, à tout le moins en
BGE 121 II 350 S. 354
principe, au choix du dies aestimandi pour la détermination de cette valeur vénale et le calcul de la moins-value.
Dans leur commentaire de la loi fédérale sur l'expropriation, HESS et WEIBEL soutiennent néanmoins que l'
art. 19bis LEx
ne s'appliquerait que dans l'hypothèse visée à l'
art. 19 let. a LEx
(HESS/WEIBEL, op.cit., n. 1 ad
art. 19bis LEx
); cette opinion ne saurait être suivie. L'indemnité d'expropriation forme une unité dont les divers éléments sont interdépendants (cf.
ATF 105 Ib 327
; cf. HESS/WEIBEL, op.cit., n. 13 ss et 47 ss ad
art. 19 LEx
). Si l'on prenait en considération plusieurs dates d'estimation, selon que l'on applique l'
art. 19 let. a LEx
, d'une part, ou l'art. 19 let. b ou c LEx, d'autre part, on pourrait être confronté à de nombreux problèmes de ce point de vue; les auteurs précités n'ignorent du reste pas ces difficultés (cf. HESS/WEIBEL, op.cit., n. 48 ad
art. 19 LEx
).
e) La loi prévoit le paiement d'intérêts au taux usuel non seulement lorsque l'indemnité définitive dépasse le montant déjà versé en application de l'
art. 19bis al. 2 LEx
(cf. art. 19bis al. 4, 1ère phrase LEx - lorsque l'indemnité définitive est moins élevée: cf.
ATF 108 Ib 502
), mais aussi dans le cas où l'expropriant est autorisé à prendre possession du droit ou à exercer celui-ci avant le paiement de l'indemnité (envoi en possession anticipé,
art. 76 LEx
). L'
art. 76 al. 5 Lex
dispose que "l'indemnité définitive portera intérêt au taux usuel dès le jour de la prise de possession"; en outre, si les intérêts ne suffisent pas à réparer le préjudice, l'exproprié doit être indemnisé "de tout autre dommage résultant pour lui de la prise de possession anticipée".
Lorsque les immissions de bruit provenant de l'exploitation d'une entreprise d'intérêt public ont pour effet de paralyser les droits de défense des voisins (cf.
art. 684 CC
), la situation qui en résulte équivaut, pour le propriétaire touché, à la constitution d'une servitude foncière ayant pour contenu l'obligation de tolérer les immissions excessives (
ATF 121 II 317
, consid. 4a et les arrêts cités). Ce droit ne peut être constitué en faveur de l'expropriant qu'au moment du paiement de l'indemnité d'expropriation (
art. 91 al. 1 LEx
). On conçoit mal que ce droit puisse auparavant faire l'objet d'une décision d'envoi en possession anticipé (une telle décision peut être rendue au plus tôt à l'audience de conciliation, conformément à l'
art. 76 al. 2 LEx
). En effet, à l'ouverture de la procédure d'expropriation destinée à statuer sur les prétentions d'un propriétaire voisin, ces immissions sont déjà actuelles, en règle générale
BGE 121 II 350 S. 355
(cf. par exemple
ATF 119 Ib 348
consid. 2,
ATF 110 Ib 43
consid. 1). Cette "prise de possession" du droit objet de l'expropriation intervient ainsi indépendamment de toute décision; elle correspond néanmoins, selon la jurisprudence, à l'autorisation d'envoi en possession fondée sur l'
art. 76 LEx
et les intérêts courent en principe à partir de ce moment-là (
ATF 111 Ib 15
consid. 8,
ATF 106 Ib 241
consid. 3).
6.
a) L'application des principes exposés au considérant précédent ne soulève pas de difficultés particulières lorsqu'une procédure ordinaire d'expropriation est ouverte en vue de l'acquisition du terrain ou des droits nécessaires à la construction ou à l'exploitation d'un ouvrage. Les plans établis par l'expropriant (
art. 27 LEx
) sont publiés (
art. 30 LEx
) et les prétentions de tous les propriétaires touchés doivent en principe être produites dans le même délai (
art. 36 LEx
). La procédure de conciliation commence sitôt après l'expiration du délai de production (
art. 45 al. 1 LEx
) et, à défaut d'entente sur les indemnités, la procédure d'estimation doit être ouverte (
art. 57 LEx
). L'envoi en possession anticipé des droits nécessaires peut être autorisé dès l'audience de conciliation (
art. 76 al. 2 LEx
). En règle générale, la durée maximale de la procédure d'expropriation, jusqu'à la décision finale sur l'estimation, ne dépasse pas quelques années.
La "prise de possession anticipée" des droits des propriétaires voisins de se défendre contre les immissions excessives (cf. supra, consid. 5e) intervient, en fait, alors que toutes les opérations liées à l'acquisition du terrain sont achevées, au moment de la mise en service de l'ouvrage ou après une certaine période d'exploitation. Un nouveau délai de production des demandes d'indemnité est alors ouvert (
art. 41 LEx
) et la procédure est reprise (avec, le cas échéant, une nouvelle audience de conciliation - cf.
ATF 116 Ib 11
consid. 2b/dd).
b) Dans les causes actuellement pendantes, le déroulement des procédures est particulier à de nombreux égards. En effet, l'Etat de Genève n'a pas demandé l'ouverture de procédures ordinaires d'expropriation pour l'acquisition des droits nécessaires à la construction et à l'agrandissement de l'aéroport de Genève.
Saisi d'une demande d'indemnité présentée en 1979 par un propriétaire voisin - Louis Jeanneret (cf. cause E.40/1989, déjà liquidée) -, en raison du bruit provoqué par le trafic aérien, l'Etat de Genève avait alors renoncé à requérir du Département fédéral des transports, des communications et de l'énergie (ci-après: le Département fédéral) l'octroi
BGE 121 II 350 S. 356
du droit d'expropriation. Le Département fédéral, interpellé directement par ce propriétaire en 1980, avait refusé de conférer ce droit à l'exploitant de l'aéroport (cf.
ATF 110 Ib 368
ss). Dans son premier arrêt Jeanneret, rendu le 3 octobre 1984, le Tribunal fédéral a prononcé qu'il incombait au Département fédéral d'inviter le canton de Genève à faire ouvrir, par le président de la commission fédérale d'estimation, "une procédure d'expropriation destinée uniquement à statuer sur les prétentions à indemnité présentées par le recourant" (
ATF 110 Ib 368
consid. 3c). Ce jugement n'excluait pas l'ouverture d'une procédure ordinaire, avec avis publics, de telle sorte que tous les propriétaires se trouvant dans une situation analogue à celle de Jeanneret eussent d'emblée pu faire valoir leurs prétentions (cf.
art. 30 LEx
); si tel avait été le cas, les audiences de conciliation dans les diverses causes auraient normalement eu lieu à des dates assez rapprochées les unes des autres.
En l'occurrence, le Département fédéral a conféré à l'Etat de Genève, le 19 mars 1985, le droit d'expropriation dans l'affaire Jeanneret; l'audience de conciliation a eu lieu le 16 octobre 1985. Dans les autres causes, l'Etat de Genève a demandé le droit d'expropriation au fur et à mesure que les propriétaires concernés lui annonçaient qu'ils feraient valoir des prétentions; le Département fédéral a rendu, à chaque fois, une décision spéciale. Les autorités ont ainsi choisi de suivre les règles de la procédure sommaire, selon les
art. 33 ss LEx
. En conséquence, les audiences de conciliation, dans les causes actuellement pendantes, ont eu lieu successivement entre le 9 avril 1987 et le 7 juillet 1993. En dépit de ces différences formelles, les cas dans lesquels le Tribunal fédéral a déjà reconnu, dans son principe, le droit des propriétaires d'obtenir une indemnité pour l'expropriation des droits de voisinage, sont très semblables: il s'agit de parcelles déjà construites depuis de nombreuses années, où se trouvent des maisons d'habitation familiales (villas, chalets).
En outre, dans toutes ces causes, il n'est pas possible de déterminer précisément le moment à partir duquel les immissions provoquées par l'exploitation de l'aéroport sont devenues excessives (au cours des années 1960, voire au début des années 1970?), et partant de connaître la date de la "prise de possession" effective des droits faisant l'objet de l'expropriation. Il n'y a néanmoins pas lieu de faire des distinctions, sur ce point, entre les différents immeubles concernés.
c) L'application pure et simple de la règle de l'
art. 19bis al. 1 LEx
(cf. supra, consid. 5a-d) et de la jurisprudence relative à la prise de possession (cf. supra, consid. 5e) conduirait, dans les présentes causes, à des résultats tout à fait insatisfaisants.
BGE 121 II 350 S. 357
En effet, pour l'évaluation de la valeur vénale des différentes propriétés (dont dépend le calcul de la moins-value selon l'
art. 19 let. b LEx
), on devrait se fonder sur le niveau des prix des terrains et des coûts de construction à des périodes assez éloignées les unes des autres. Plusieurs années se sont écoulées entre les audiences de conciliation dans ces diverses causes connexes; or les prix ont sensiblement varié dans l'intervalle. Si le dies aestimandi était fixé à la date de la "prise de possession" (comme dans l'hypothèse où l'envoi en possession anticipé est autorisé à l'audience de conciliation - cf.
art. 76 al. 2 LEx
), l'indemnité de moins-value portant intérêt serait sensiblement plus faible. L'espacement exceptionnel, dans le temps, des diverses dates déterminantes (en raison de l'absence de procédure d'expropriation dans un premier temps, puis de l'ouverture successive de plusieurs procédures sommaires) et la nature particulière des causes justifient, à cet égard, d'adopter des solutions spéciales.
d) Il convient en l'occurrence de fixer le dies aestimandi à une date unique pour toutes les causes (cette date peut néanmoins, en l'état, être fixée approximativement). Cette date doit être antérieure à celles des différentes audiences de conciliation, mais elle ne saurait être fixée avant celle de l'arrêt du Tribunal fédéral obligeant le canton de Genève à demander l'ouverture de procédures d'expropriation permettant aux propriétaires touchés de faire valoir leurs prétentions (arrêt du 3 octobre 1984,
ATF 110 Ib 368
; cf. supra, consid. 6b). Les procédures de conciliation auraient pu être ouvertes, dans toutes les causes, au cours de l'année 1985, quelques mois après le prononcé de ce jugement; il en aurait d'ailleurs effectivement été ainsi, comme cela a été exposé, si l'Etat de Genève avait choisi la procédure ordinaire avec avis publics. Il se justifie dès lors de retenir, pour le calcul de la moins-value, la valeur vénale en automne 1985.
L'application de cette règle a certes pour conséquence d'opposer aux expropriés un dies aestimandi antérieur à la date à laquelle ils ont été invités à présenter leurs prétentions au juge de l'expropriation. Toutefois, les indemnités allouées, le cas échéant, porteront intérêt à partir d'une date antérieure à l'ouverture effective de la procédure de conciliation (ce qui peut représenter, dans une certaine mesure, une compensation). Il se justifie en effet, dans ces conditions, de fixer le point de départ des intérêts au début de l'année du dies aestimandi, soit au 1er janvier 1985.
e) Au cas où l'indemnité globale ainsi calculée (moins-value et intérêts) ne couvrirait pas tous les préjudices subis par l'exproprié, une indemnité
BGE 121 II 350 S. 358
complémentaire pourrait être allouée sur la base de l'
art. 19 let
. c LEx.
Cela étant, dans la procédure du recours de droit administratif, le Tribunal fédéral ne peut pas aller au-delà des conclusions des parties; il ne peut pas allouer à l'exproprié une indemnité totale supérieure à celle qu'il a demandée (
ATF 119 Ib 348
consid. 1b).
7.
Conformément à la jurisprudence récente du Tribunal fédéral, la prestation en argent peut à certaines conditions être remplacée, en tout ou en partie, par des prestations en nature, sous forme de mesures d'insonorisation ou d'isolation acoustique (pose de fenêtres antibruit, etc.), dont l'exécution peut être imposée à l'expropriant (
ATF 119 Ib 348
consid. 6).
Les prix actuels sont déterminants pour estimer, le cas échéant, le coût des travaux d'insonorisation (en fonction des procédés nouveaux et des matériaux disponibles sur le marché). En outre, si de telles mesures sont ordonnées, il est évident qu'il doit être tenu compte des améliorations ainsi apportées dans le calcul de la dévaluation de la partie restante de l'immeuble (
art. 19 let. b LEx
). | public_law | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6751a062-a663-483e-9d55-304126d7831c | Urteilskopf
123 III 171
29. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 14 avril 1997 dans la cause dame G. contre S.I. X. (recours en réforme) | Regeste
Beendigung der kantonalen Mietzinskontrolle über ein Mietshaus; auf die Berechnung der nachfolgenden Mietzinserhöhung anwendbare Methode und Kriterien.
Die Beendigung der kantonalen Mietzinskontrolle rechtfertigt - als Ausnahme von der Regel - die Anwendung der absoluten Berechnungsmethode. In diesem Rahmen sind die bei der Berechnung der finanziellen Belastung einzubeziehenden Fremdmittel nur in der Höhe der Anlagekosten zu berücksichtigen, berechnet nach der üblichen Methode, das heisst nach dem in den zulässigen Grenzen aktualisierten Wert der investierten Eigenmittel und erhöht um die ursprünglichen Fremdmittel. | Sachverhalt
ab Seite 172
BGE 123 III 171 S. 172
A.-
a) Par contrat du 28 juillet 1986, la S.I. X. a remis à bail à T. un appartement de quatre pièces sis au septième étage d'un immeuble dont elle est propriétaire, à Genève. Le bail était conclu pour une durée de trois ans, soit du 1er août 1986 au 31 juillet 1989; il se renouvelait tacitement d'année en année. Le loyer annuel, sans les charges, se montait à 9'252 fr.
Le bail a été repris par dame G. conformément à un avenant signé le 5 septembre 1989.
Par arrêté du 13 juin 1988, le Conseil d'Etat du canton de Genève a accordé rétroactivement à la S.I. X., pour l'immeuble en question, une subvention annuelle et une exonération fiscale d'une durée de dix ans, soit jusqu'au 31 décembre 1991, sur la base d'un coût total de 5'565'000 fr. financé à concurrence de 2'225'000 fr. par des fonds propres et pour le solde de 3'340'000 fr. par un prêt garanti par une inscription hypothécaire en premier rang. Le dernier état locatif autorisé a été fixé à 431'256 fr., à partir du 1er décembre 1991, et le loyer de dame G. à 13'020 fr., sans les charges, dès la même date.
b) Par avis de majoration de loyer du 23 mars 1994, la S.I. X. a informé dame G. que le loyer de son appartement se monterait à 16'920 fr. dès le 1er août 1994. La hausse était motivée par la sortie de l'immeuble du régime HCM (logements destinés à la classe moyenne). La locataire a contesté cette majoration et la tentative de conciliation a échoué.
B.-
Le 21 juillet 1994, la S.I. X. a ouvert action contre dame G. en vue de faire constater judiciairement le caractère non abusif de la majoration de loyer contestée. La défenderesse a conclu au rejet de la demande.
Par jugement du 12 octobre 1995, le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève a fixé à 16'920 fr. le loyer annuel à payer par la défenderesse.
Statuant le 20 mai 1996, sur appel de la défenderesse, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers a confirmé ce jugement.
BGE 123 III 171 S. 173
C.-
La défenderesse a recouru en réforme au Tribunal fédéral, en concluant à l'annulation de l'arrêt de la Chambre d'appel et au rejet intégral de la demande.
Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours, dans la mesure où il était recevable, et réformé l'arrêt attaqué en ce sens que le loyer annuel à payer par la défenderesse dès le 1er août 1994 a été déclaré abusif en tant qu'il dépassait 16'223 fr. Pour arriver à ce montant, le Tribunal fédéral a tenu compte, d'une part, à concurrence de 364'154 fr., des charges hypothécaires calculées au taux de 5,5% sur un capital de 6'620'985 fr. résultant de l'addition des fonds propres réévalués (3'280'985 fr.) et des fonds étrangers initiaux (3'340'000 fr.) et, d'autre part, des charges d'entretien s'élevant à 173'273 fr.; d'où un état locatif annuel admissible de 537'427 fr. La différence entre ce montant et le niveau de l'état locatif au moment de la sortie de l'immeuble du contrôle étatique (431'256 fr.) rendait ainsi admissible une hausse de loyer de 24,60% et permettait à la demanderesse de réclamer à la défenderesse un loyer annuel de 16'223 fr. au maximum.
Erwägungen
Extrait des considérants:
6.
a) En principe, pour majorer unilatéralement un loyer, le bailleur ne devrait invoquer que des critères relatifs, et le juge appliquer la méthode relative. Exceptionnellement, la jurisprudence admet que le bailleur se prévale directement d'un facteur absolu et que le juge applique la méthode absolue pour examiner une majoration unilatérale du loyer (LACHAT, La pratique récente en matière de loyers, in: Séminaire sur le droit du bail, Neuchâtel 1996, n. 38 à 43). La sortie d'un immeuble du contrôle cantonal des loyers constitue précisément l'une des exceptions à ce principe (
ATF 117 II 77
), justifiée, d'une part, par le fait que les dispositions relatives à la contestation des loyers abusifs ne s'appliquent pas aux locaux d'habitation dont le loyer est soumis au contrôle d'une autorité (
art. 253b al. 3 CO
) et, d'autre part, parce que les modalités spécifiques auxquelles obéit la fixation du loyer par l'autorité administrative compétente ne sont pas de nature à éveiller chez le locataire la confiance, propre à la méthode relative, quant au caractère suffisant du dernier loyer payé par lui (arrêt non publié du 25 janvier 1994, dans la cause 4C.153/1993, consid. 2 in fine, reproduit in: mietrechtspraxis [mp] 1994, p. 93 ss, 95 in fine).
La méthode absolue sert à vérifier concrètement que le loyer ne procure pas un rendement excessif au bailleur. Dans cette méthode,
BGE 123 III 171 S. 174
c'est le loyer lui-même, sans égard aux stipulations contractuelles, ni à son évolution dans le temps, qui est contrôlé sur la base de la situation financière de l'immeuble à un moment donné, tandis que, dans la méthode relative, il s'agit d'examiner uniquement si une modification du loyer est compatible avec la volonté exprimée antérieurement par celui qui la réclame (
ATF 120 II 240
consid. 2 p. 242;
ATF 117 II 77
consid. 2 p. 80). L'
art. 269 CO
implique une analyse du rendement net obtenu par le bailleur. Ce rendement résulte du rapport existant entre les fonds propres investis dans la chose remise à bail et le loyer après déduction des charges d'exploitation et des intérêts débiteurs sur les capitaux empruntés. Pour déterminer le montant des fonds propres investis, il faut partir du coût de revient effectif de l'immeuble, à moins que le prix d'achat de celui-ci ne soit manifestement exagéré, et en soustraire le montant des fonds étrangers (emprunts du propriétaire garantis ou non par hypothèque;
ATF 117 II 77
consid. 3a/aa, qui traite de la disposition similaire de l'
art. 14 AMSL
). Les fonds propres investis par le bailleur doivent être adaptés au renchérissement, mais leur réévaluation ne saurait dépasser le 40% du prix de revient de l'immeuble pour les motifs indiqués dans l'
ATF 120 II 100
. Lorsque les loyers étaient soumis au contrôle d'une autorité étatique, cette réévaluation doit être opérée en fonction du renchérissement enregistré depuis la date d'investissement des fonds propres, et non pas depuis la date de la sortie du contrôle cantonal (ATF
ATF 117 II 77
consid. 3b/aa p. 83). Au demeurant, il n'est pas possible de substituer au coût de revient partiellement réévalué d'autres valeurs, plus ou moins abstraites, telles que la valeur vénale de l'immeuble, sa valeur fiscale ou sa valeur d'assurance-incendie (
ATF 122 III 257
consid. 3b).
Le montant des fonds propres peut varier avec le temps (LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, 2e éd., p. 206, n. 5.4). Il augmente lorsque le bailleur amortit sa dette hypothécaire ou finance lui-même des travaux à plus-value (
ATF 122 III 257
consid. 3a;
117 II 77
consid. 3a/cc). Inversement, il diminue si le bailleur alourdit la charge hypothécaire de son immeuble (cf. ROHRER, Wie wird die Nettorendite im Sinne von
Art. 269 OR
berechnet?, in: MietRecht Aktuell [MRA] 1996, p. 43 ss, 48, traduit in: Cahiers du bail [CdB] 1996, p. 65 ss, 69; GUT, Angemessener Ertrag, in: mp 1996, p. 177 ss, 188). Lorsqu'il est nul, parce que la dette hypothécaire est égale ou supérieure au montant de l'investissement initial réévalué, le revenu locatif ne pourra plus servir qu'à couvrir les charges immobilières effectives, faute de fonds propres. ROHRER est d'avis que le
BGE 123 III 171 S. 175
montant de ces charges importe peu, car la jurisprudence n'impose pas le montant jusqu'à concurrence duquel le bailleur peut hypothéquer son immeuble et ne prescrit pas davantage à quelles fins les prêts qui lui ont été consentis doivent être utilisés (ibid.). On ne saurait lui emboîter le pas. L'auteur indique lui-même les abus que pourrait générer la solution qu'il préconise et à l'appui de laquelle il ne cite d'ailleurs aucun précédent. De fait, dans l'hypothèse où la valeur vénale de l'immeuble aurait fortement augmenté depuis sa construction ou son achat, le bailleur serait en mesure d'en réaliser la plus-value aux dépens des locataires en utilisant une partie du crédit octroyé par la banque sur la base de cette valeur pour acheter un autre immeuble, tout en faisant assumer par les locataires de l'immeuble grevé le service de la dette hypothécaire (MRA, cit., p. 48; CdB, cit., p. 70 en haut; dans le même ordre d'idées, cf. l'arrêt de la Cour de cassation civile neuchâteloise du 18 janvier 1994 publié in: Recueil de jurisprudence neuchâteloise 1994, p. 55 ss, 56/57 consid. 5 et son résumé in: Droit du bail 1994, n. 13). La solution préconisée par ROHRER, si elle était adoptée, reviendrait du reste à entériner, par un chemin détourné, celle qui consiste à calculer le rendement en fonction de la valeur actuelle effective de l'immeuble du bailleur et qui a été expressément rejetée dans l'
ATF 122 III 257
, précité. En réalité, pour rester dans le droit fil de la jurisprudence, il convient de limiter les emprunts à prendre en considération pour le calcul des charges financières au prix de revient de l'immeuble calculé selon la méthode usuelle, c'est-à-dire à la valeur réactualisée des fonds propres investis par le bailleur, augmentée des fonds étrangers initiaux. Demeure réservée l'hypothèse où les emprunts excédant ce plafond ont servi à financer des prestations supplémentaires du bailleur, au sens des
art. 269a let. b CO
et 14 OBLF (RS 221.213.11). Si l'on s'en tient à la limite ainsi fixée, l'affectation des fonds empruntés importe peu. En effet, du moment que, selon la jurisprudence, le rendement admissible de l'entier des fonds propres réactualisés doit être fixé en fonction d'un taux supérieur d'un demi pour cent au taux déterminant pour les prêts hypothécaires en premier rang (
ATF 122 III 257
consid. 3a;
ATF 120 II 100
consid. 6b), le bailleur n'a aucun intérêt à réduire la part de son investissement personnel initial en augmentant sa dette hypothécaire. | null | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
675659ba-e0e0-4587-8153-1269169752bb | Urteilskopf
102 IV 166
39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. Juni 1976 i.S. X., Y. und Z. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
1.
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 3 StGB
. Der Begriff der Bande verlangt nicht, dass der Wille der Täter auf die Verübung einer Vielheit von Diebstählen und Raubtaten gerichtet sei.
2.
Art. 100bis Ziff. 1 StGB
. Der Richter hat den körperlichen und geistigen Zustand des Täters, dessen Erziehbarkeit zur Arbeit und die Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Gefahr künftiger Verbrechen oder Vergehen abzuklären und seinen Entscheid gebührend zu begründen. | Erwägungen
ab Seite 166
BGE 102 IV 166 S. 166
Aus den Erwägungen:
1.
a) X. und Z. machen geltend, gemäss
BGE 100 IV 222
E. 2 dürfe Bandenmässigkeit erst angenommen werden, wenn der Wille der Täter auf die Verübung einer Vielheit von "Diebstählen und Raubtaten" gerichtet sei. Da sie lediglich an einem einzigen Raubüberfall mitgewirkt hätten, ohne dass weitere solche beabsichtigt waren, treffe dieses Erfordernis auf sie nicht zu. Sie hätten sich, sofern bezüglich Z. überhaupt Mittäterschaft vorliege, nur des einfachen Raubes schuldig gemacht.
b) Nach
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 3 StGB
ist zu bestrafen, wer den Raub als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat. Bandenmässig verübt wird ein Raub demnach nicht erst, wenn der ausdrücklich oder konkludent manifestierte
BGE 102 IV 166 S. 167
Wille der Täter auf die gemeinsame Verübung einer Vielheit von Diebstählen und von Raubtaten, sondern bereits, wenn er auf die Begehung einer Vielzahl von Diebstählen oder von Raubtaten gerichtet ist. Etwas anderes lässt sich auch dem angeführten bundesgerichtlichen Entscheid nicht entnehmen, selbst wenn er in Erwägung 2 tatsächlich von "Diebstählen und Raubtaten" spricht; denn es handelt sich dabei offensichtlich um eine versehentlich ungenaue Ausdrucksweise. Das ergibt sich deutlich aus Regest, Erwägung 1 und auch Erwägung 2 am Anfang wie am Schluss, wo immer wieder dem Gesetzeswortlaut entsprechend von "Diebstählen oder Raubtaten" die Rede ist, wie übrigens auch aus früheren Entscheiden (
BGE 78 IV 233
E. 2 und 83 IV 146 E. 5). Aus der genannten Stelle ist daher nichts zugunsten der Beschwerdeführer abzuleiten.
Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof verbindlich fest, dass X. und Z., die keiner geregelten Arbeit nachgingen, über kein Geld verfügten und ihren Lebensunterhalt daher aus dem Deliktserlös bestreiten wollten und mussten, sich bereits am 2./3. Januar 1975 mit andern zu einer Bande zusammengeschlossen hatten und in der Folge eine Vielzahl von Diebstählen verübten. Damit aber handelten sie nicht nur bezüglich dieser, sondern gemäss
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 3 StGB
auch hinsichtlich des zum Nachteil des B. gemeinsam begangenen Raubes bandenmässig, selbst wenn es für sie die einzige Tat dieser Art war.
An sich wäre die Auffassung der Beschwerdeführerin Z. einleuchtend, wonach Bandenmässigkeit bei Raub eine Mehrzahl von Raubtaten voraussetze, weil qualifizierter Raub erheblich härter bestraft wird als qualifizierter Diebstahl. Der Gesetzgeber hat diese Frage aber ausdrücklich anders gelöst und geregelt. Der Räuber handelt bandenmässig, wenn er sich mit andern zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat (
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 3 StGB
). Die Beschwerdeführerin gibt in ihrer Eingabe zu, die Verübung einer Vielheit von Diebstählen und eine Raubtat gewollt zu haben. Das aber genügt nach der klaren gesetzlichen Ordnung zu einer Schuldigerklärung wegen bandenmässigen Raubes.
3.
X. und Y. erblicken eine Verletzung von Bundesrecht darin, dass die Vorinstanz ihrem Antrag auf Einweisung in
BGE 102 IV 166 S. 168
eine Arbeitserziehungsanstalt nicht stattgab und eine Strafe gegen sie ausfällte.
Nach
Art. 100bis Ziff. 1 StGB
kann der Richter an Stelle einer Strafe die Einweisung eines zur Zeit der Tat noch nicht 25jährigen Täters in eine Arbeitserziehungsanstalt anordnen, wenn dieser in seiner charakterlichen Entwicklung erheblich gestört oder gefährdet, verwahrlost, liederlich oder arbeitsscheu ist und seine Tat damit in Zusammenhang steht, sofern anzunehmen ist, durch diese Massnahme lasse sich die Gefahr künftiger Verbrechen oder Vergehen verhüten.
Die Vorinstanz verneint hinsichtlich beider Beschwerdeführer das Vorliegen des letzten Erfordernisses. Zwar seien sie aus Arbeitsscheu und Liederlichkeit straffällig geworden. Allein für keinen von ihnen könne von der Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt ein besserer Erfolg als vom Vollzug einer Strafe erwartet werden. Bei X. sei auf Grund des von 1966 bis 1973 ohne Unterbruch und seit 1974 mit gewissen kleineren Unterbrüchen bewiesenen Arbeitseinsatzes eine Erziehung zur Arbeit nicht erforderlich, um der Gefahr künftiger Straftaten zu begegnen. Die Arbeitserziehungsmassnahme erscheine auch angesichts seines fortgeschrittenen Alters, das ihn von den Mitinsassen der Anstalt abheben würde, als ungeeignet. Bei Y. habe sich sowohl der Vollzug mehrerer, zum Teil längerer Freiheitsstrafen wie auch die nach der letzten Strafverbüssung angeordnete, intensive Betreuung durch die Schutzaufsichtsorgane als nutzlos erwiesen, um ihn von seiner durch Arbeitsscheu und Liederlichkeit bedingten Deliktstätigkeit abzubringen. Die Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt könne indessen nicht verantwortet werden, da als solche nach dem Konkordat bloss der Arxhof, d.h. eine offene, nicht mit Gittern und Mauern versehene Anstalt in Betracht komme, Y. sich aber der Schutzaufsicht entzogen und sich zudem auf Grund seines Vorlebens und der hier beurteilten Straftaten als uneinsichtiger, gefährlicher und gewalttätiger Rechtsbrecher entpuppt habe, so dass eine akute Ausbruchgefahr bestehe. Y. bedürfe einer straffen, in einer ausbruchsicheren Anstalt vollzogenen Führung, die in der Strafanstalt Lenzburg, in der er in der Malerei und damit in jenem Beruf beschäftigt werde, dem er nach seiner Entlassung nachgehen wolle, am besten gewährleistet sei. Es müsse daher bei der Freiheitsstrafe, die seine Führung allein sicherstelle, sein Bewenden haben.
BGE 102 IV 166 S. 169
a) Der heute 26jährige X. ging, wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, von 1966 bis zum Militärdienst im Oktober 1973 im wesentlichen auf dem erlernten Beruf eines Leichtmatrosen einer geregelten Tätigkeit nach. Er fing sich, nachdem er zeitweise in einen liederlichen Lebenswandel verfallen war, seine Arbeitsstelle häufig gewechselt, vorübergehend sogar ganz aufgegeben oder schlechte Arbeitsleistungen gezeigt hatte, selber wieder auf, und arbeitete bis November 1974 bei der Schaustellerfirma J., die ihm ein gutes Arbeitszeugnis ausstellte. Er zeigte demnach über Jahre eine gute Arbeitsmoral und war, nachdem er sich zeitweilig hatte gehen lassen, in der Lage, sich aus eigener Kraft wieder aufzufangen und über längere Zeit erneut gute Arbeitsleistungen zu vollbringen. Die von ihm verübten Delikte scheinen denn auch primär nicht auf eine an sich schlechte Arbeitseinstellung oder allgemeine Liederlichkeit, sondern darauf zurückzuführen sein, dass er während gewisser kürzerer Zeitspannen in schlechte Gesellschaft geraten war. Sein Arbeitseinsatz liess wie sein übriges Verhalten auch im vorzeitigen Strafantritt nicht zu wünschen übrig. Wenn die Vorinstanz unter diesen Umständen annahm, X. bedürfe der Erziehung zur Arbeit nicht, um die Gefahr künftiger Verbrechen oder Vergehen abzuwenden, sondern es genüge der Vollzug einer (längerdauernden) Freiheitsstrafe, und sie deshalb von der Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt absah, so überschritt sie das ihr im Rahmen von
Art. 100bis Ziff. 1 StGB
zustehende Ermessen nicht. X. selber führt in seiner Eingabe aus, Arbeitswille und -fähigkeit seien eindeutig zu bejahen, und er trägt im weiteren nichts vor, was den auf die angeführten Tatsachen gegründeten Schluss der Vorinstanz zu erschüttern vermöchte. Ihre Feststellung indessen, X. würde sich bei Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt altersmässig von den Mitinsassen deutlich abheben, wäre kein stichhaltiges Argument gewesen, um diese abzulehnen, zumal er die Altersvoraussetzungen des
Art. 100 Abs. 1 StGB
unbestreitbar erfüllt.
b) Die Einweisung des heute 22jährigen Y. in eine Arbeitserziehungsanstalt lehnte die Vorinstanz deshalb ab, weil im Gebiet des nord- und zentralschweizerischen Konkordates lediglich eine offene Anstalt vorhanden sei, es sich bei Y. aber um einen uneinsichtigen, gefährlichen und gewalttätigen Rechtsbrecher handle, bei dem akute Ausbruchsgefahr bestehe.
BGE 102 IV 166 S. 170
Diese Begründung ist vor
Art. 100bis StGB
nicht haltbar. Von der Einweisung in eine Arbeitserziehungsanstalt darf nicht schon dann abgesehen werden, wenn der Vollzug einer solchen Massnahme in einem Konkordatskanton nicht möglich ist, sondern nur, wenn er auch in der übrigen Schweiz nicht durchgeführt werden kann (
BGE 101 IV 143
E. 3). Dass dem so sei, stellt die Vorinstanz nicht fest; Y. selber bestreitet es ausdrücklich. Selbst in einem solchen Falle müsste jedoch, sofern die Voraussetzungen zur Einweisung gegeben sind, mittels der bestehenden Einrichtungen eine Lösung getroffen werden, mit der das in
Art. 100bis StGB
angestrebte Ziel erreicht werden kann (
BGE 101 IV 141
). Der von der Vorinstanz angenommenen akuten Ausbruchsgefahr insbesondere könnte dadurch begegnet werden, dass die Massnahme der Arbeitserziehung vorläufig gemäss
Art. 100bis Ziff. 4 StGB
in einer Strafanstalt vollzogen wird, bis diese Gefahr weggefallen ist (
BGE 101 IV 144
).
Weshalb in bezug auf die Gefahr künftiger Deliktsbegehung von der Einweisung des Y. in eine Arbeitserziehungsanstalt kein besserer Erfolg als von der Strafe erwartet werden kann, daher diese auszusprechen und von der Massnahme abzusehen ist, legt die Vorinstanz nicht dar. Da auch den Akten selber nichts nach dieser Richtung zu entnehmen ist, kann nicht geprüft werden, ob die Vorinstanz von dem ihr gemäss
Art. 100bis Ziff. 1 StGB
zustehenden Ermessen zutreffend Gebrauch gemacht hat. Wenn sie feststellt, Y. habe sich bisher weder durch den Strafvollzug noch durch die schutzaufsichtsamtliche Betreuung von seiner auf Liederlichkeit und Arbeitsscheu zurückzuführenden deliktischen Tätigkeit abhalten lassen, so lässt sich gerade daraus nichts für ihre Annahme ableiten. Y. arbeitete, seit er nach einer Probezeit von 3 Monaten als Maschinenmechanikerlehrling und 6monatiger Tätigkeit als Hilfsarbeiter im Herbst 1972 eine begonnene Malerlehre aufgab, nie mehr regelmässig, trieb sich oft monatelang beschäftigungslos herum, nahm nach seiner vorzeitigen bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug trotz verschiedener Interventionen des Schutzaufsichtsamtes die Arbeit erst am 18. April 1974 auf, verschwand am 13. August 1974 und war nach seiner Anhaltung und Zuführung an das Schutzaufsichtsamt am 27. August 1974 bis zu seiner Verhaftung am 14. Januar 1975 bloss noch während 3 Tagen erwerbstätig. Bei dieser
BGE 102 IV 166 S. 171
Sachlage stellte sich die Frage ernsthaft, ob durch eine zweckgerichtete und individualisierte Betreuung, wie sie in einer Arbeitserziehungsanstalt regelmässig stattfindet, der Gefahr künftiger Verbrechen oder Vergehen nicht wirksamer begegnet werden könne als durch den (bisher wenig wirkungsvollen) Strafvollzug, und es wären daher die für einen solchen Entscheid erforderlichen tatsächlichen Grundlagen zu beschaffen gewesen. Die Vorinstanz hätte insbesondere Abklärungen über den körperlichen und geistigen Zustand des Y., dessen Erziehbarkeit zur Arbeit und die Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Gefahr künftiger Verbrechen oder Vergehen treffen müssen. Diese Pflicht besteht entgegen ihrer Auffassung nicht nur dort, wo der junge Erwachsene in eine Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen werden soll, sondern gemäss
Art. 100 Abs. 2 StGB
überall, wo derartige Erhebungen erforderlich sind. Bereits der Entscheid darüber, ob der junge Erwachsene zu bestrafen oder einer Massnahme zuzuführen ist, kann sie daher nötig machen. Der kantonale Sachrichter ist im übrigen bei diesem Entscheid keineswegs in dem Sinne frei, dass es bei Vorliegen der Voraussetzungen von
Art. 100bis Ziff. 1 StGB
in seinem Belieben stünde, die Massnahme der Arbeitserziehung anzuordnen oder nicht, sondern er hat das in jenem Fall auch zu tun (KURT, Die Änderungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches gemäss dem Bundesgesetz vom 18. März 1971, Kriminalistik 1972, Heft 5, S. 251).
Der angefochtene Entscheid ist aus diesen Gründen aufzuheben, damit die Vorinstanz die notwendigen Aktenergänzungen vornimmt, hernach neu darüber befindet, ob Y. in eine Arbeitserziehungsanstalt einzuweisen oder zu bestrafen ist, und diesen Entscheid gebührend begründet. | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
67574bcf-bcb1-4066-bcea-78297e67ee79 | Urteilskopf
117 Ib 9
3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. Februar 1991 i.S. X. und Y. gegen Gemeinde Trimmis und Regierung des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 84 ff. und
Art. 97 ff. OG
,
Art. 5 VwVG
,
Art. 24 und
Art. 34 RPG
. Rechtsmittelordnung des Raumplanungsgesetzes des Bundes (Zusammenfassung und Präzisierung der Rechtsprechung).
1. Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen wegen Verletzung von
Art. 24 RPG
(E. 2a).
2. Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Nutzungspläne, die einer Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
gleichkommen, soweit eine Verletzung bzw. Umgehung von
Art. 24 RPG
zu beurteilen ist. Abgrenzung zur staatsrechtlichen Beschwerde (E. 2b-e). | Sachverhalt
ab Seite 10
BGE 117 Ib 9 S. 10
X. und Y. sind Eigentümer zahlreicher Grundstücke in der Gemeinde Trimmis. Durch die von den Stimmberechtigten der Gemeinde Trimmis am 10. und 31. März 1989 verabschiedete Ortsplanungsrevision wurden für mehrere dieser Parzellen die Nutzungsmöglichkeiten im Vergleich zum bisherigen Zonenplan aus dem Jahre 1972 geändert bzw. beschränkt. Gegen den neuen Zonenplan erhoben X. und Y. Beschwerde an die Regierung des Kantons Graubünden. Diese wies deren Beschwerde mit Entscheid vom 26. März 1990 ab, soweit sie darauf eintreten konnte und die Beschwerde nicht gegenstandslos geworden war. Die teilweise Gegenstandslosigkeit der Beschwerde war Folge eines Entscheids der Regierung vom gleichen Tag, in welchem die Totalrevision der Ortsplanung Trimmis unter bestimmten Vorbehalten teilweise genehmigt wurde.
X. und Y. führen gegen beide Entscheide der Regierung des Kantons Graubünden staatsrechtliche Beschwerde sowie Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Nach
Art. 34 Abs. 1 RPG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gemäss
Art. 97 OG
in
BGE 117 Ib 9 S. 11
Verbindung mit
Art. 5 VwVG
unter anderem zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Bewilligungen im Sinne von
Art. 24 RPG
. Wenn die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist, geht diese der staatsrechtlichen Beschwerde vor (
Art. 84 Abs. 2 OG
,
Art. 34 Abs. 3 RPG
; vgl. WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 264 f. und 269 f.; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 92).
Als mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbare Entscheide im Sinne von
Art. 34 Abs. 1 RPG
gelten in bezug auf
Art. 24 RPG
nicht nur letztinstanzliche Verfügungen, mit denen eine Bewilligung nach
Art. 24 RPG
erteilt wird, sondern auch Entscheide, mit denen Bauten und Anlagen gestützt auf diese Bestimmung nicht bewilligt werden (
BGE 107 Ib 235
E. 1b). Weiter unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde jene Entscheide über Bauten und Anlagen, die einer raumplanerischen Ausnahmebewilligung bedürfen und bei deren Beurteilung
Art. 24 RPG
zu Unrecht nicht angewendet wurde (
BGE 114 Ib 132
E. 2,
BGE 112 Ib 271
E. 1a, 411 E. 1a, je mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung entspricht dem Grundsatz, dass auch Anordnungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes hätten stützen sollen, als Verfügungen im Sinne von
Art. 5 VwVG
zu betrachten und daher im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren zu beurteilen sind (
BGE 115 Ib 459
E. 1b,
BGE 112 Ib 165
E. 1,
BGE 108 Ib 380
E. 1a,
BGE 107 Ib 172
f., 105 Ib 107 E. 1a, je mit Hinweisen). In diesem Verfahren sind schliesslich auch auf kantonales Recht gestützte Anordnungen zu überprüfen, die einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweisen (
BGE 103 Ib 314
E. 2b,
BGE 116 Ib 10
,
BGE 99 Ib 326
E. 1b; WALTER KÄLIN, a.a.O., S. 269; FRITZ GYGI, a.a.O., S. 92 ff.; PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel und Stuttgart 1979, S. 78 ff.). Es handelt sich dabei im Regelfall um gemischte Verfügungen, die sowohl auf kantonalem oder kommunalem wie auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit zulässige Rügen im Sinne von
Art. 104 OG
in Frage stehen (vgl.
BGE 115 Ib 350
,
BGE 114 Ib 348
, je mit Hinweisen).
b) Nutzungspläne im Sinne von
Art. 14 ff. RPG
unterliegen gemäss
Art. 34 Abs. 1 und 3 RPG
der staatsrechtlichen Beschwerde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts können ausnahmsweise auch Nutzungspläne mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, soweit darin in Anwendung von
BGE 117 Ib 9 S. 12
Bundesverwaltungsrecht derart detaillierte, nachfolgende Bewilligungsverfahren präjudizierende Anordnungen enthalten sind, dass sie einer Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
gleichkommen, und soweit kein Ausschlussgrund nach
Art. 99 ff. OG
oder der Spezialgesetzgebung vorliegt (
BGE 115 Ib 351
E. 1b, s. auch 116 Ib 61 E. 4e, 159 ff., 423 E. 1a,
BGE 115 Ib 507
. Da ein solcher Plan einem Vorentscheid über das vom Nutzungsplan erfasste Werk gleichzustellen ist, kommt die Ausnahme von
Art. 99 lit. c OG
nicht zum Zuge (
BGE 115 Ib 352
, 507, 113 Ib 373 E. 1b, Umweltrecht in der Praxis 1990 S. 341 f. E. 1a, je mit Hinweisen). Geht es bei dem Plan mit Verfügungscharakter nicht um das technische Genügen des projektierten Werkes, so entfällt auch der Ausschlussgrund von
Art. 99 lit. e OG
(
BGE 115 Ib 352
, 460 E. 1b,
BGE 114 Ib 216
f. E. 1b, je mit Hinweisen; vgl.
BGE 100 Ib 223
ff.). Mit einer in diesem Sinne ausnahmsweise zulässigen Verwaltungsgerichtsbeschwerde können die in
Art. 104 OG
genannten Rügen erhoben werden, wobei planungsrechtliche Rügen grundsätzlich ausser Betracht fallen. Dafür steht gemäss
Art. 34 Abs. 1 und 3 RPG
unter Vorbehalt der Rügen der Verletzung von
Art. 5 und 24 RPG
(
Art. 34 Abs. 1 RPG
) ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (
BGE 114 Ib 348
; vgl.
BGE 114 Ib 217
E. 1d).
Was den eben genannten Vorbehalt bezüglich
Art. 24 RPG
betrifft, so kann in Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Pläne mit verfügungsgleichem Inhalt geltend gemacht werden, mit diesen Plänen werde
Art. 24 RPG
umgangen (
BGE 115 Ib 510
,
BGE 113 Ib 226
ff., 371 ff.). Dabei ist zu beachten, dass bei Plänen mit Verfügungscharakter, denen Vorhaben zugrundeliegen, für welche eine Planungspflicht besteht (
BGE 113 Ib 226
ff.,
BGE 116 Ib 53
ff. mit Hinweisen),
Art. 24 RPG
grundsätzlich keine Anwendung findet. Auf die Rüge der Umgehung von
Art. 24 RPG
ist in solchen Fällen bei Vorliegen der übrigen formellen Voraussetzungen zwar einzutreten; sie ist jedoch wegen des Bestehens einer Planungspflicht und der damit fehlenden Anwendbarkeit von
Art. 24 RPG
in der Regel ohne weiteres abzuweisen (vgl.
BGE 113 Ib 226
ff.). Eine weitergehende Prüfung der Frage, ob mit der verfügungsgleich wirkenden Planung die materiellen Erfordernisse von
Art. 24 RPG
(s. dazu hinten E. 2c) umgangen worden sind, ist im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf entsprechende Rüge hin jedenfalls in den folgenden drei Fällen vorzunehmen:
aa) bei Plänen zur Verwirklichung von konkreten Projekten, für die der Erlass von Planungsmassnahmen möglicherweise
BGE 117 Ib 9 S. 13
zweckmässig ist, die aber im Sinne einer Wahlmöglichkeit bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen grundsätzlich auch direkt (d.h. ohne Planung) gestützt auf
Art. 24 RPG
beurteilt werden können (
BGE 113 Ib 371
ff., 115 Ib 508 ff.);
bb) bei einem Plan, der sich im Widerspruch zur baurechtlichen Grundordnung auf Land bezieht, das mit Bauten, die nicht zonenkonform sind, nur unter den Bewilligungsvoraussetzungen von
Art. 24 RPG
überbaut werden darf (Urteil vom 6. Februar 1991, i.S. Notter c. commune de Middes);
cc) bei Einzonungen in die Bauzone, welche im wesentlichen zum Ziel haben, bestehende, widerrechtlich, d.h. in Verletzung der Vorschriften über zonenwidrige Bauten ausserhalb der Bauzonen erstellte Bausubstanz zu legalisieren. Solche Planungsmassnahmen entziehen ebenfalls
Art. 24 RPG
den Anwendungsbereich, sei es etwa hinsichtlich einer Bewilligungserteilung (nachträgliche Baubewilligung) oder einer Beseitigungsverfügung (
BGE 111 Ib 226
).
c) Die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Anordnungen eines Nutzungsplans stimmt in den oben genannten Fällen auch mit der Spezialordnung von
Art. 34 RPG
überein. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt sicher, dass Fälle, in denen die Zonenplanung Anordnungen enthält, die im Hinblick auf
Art. 24 RPG
einer Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
gleichkommen, der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung durch das Bundesgericht nicht entzogen werden und dass die materiellen Erfordernisse von
Art. 24 RPG
nicht über eine Änderung der Nutzungsplanung umgangen werden können (
BGE 115 Ib 511
E. 5a/bb,
BGE 113 Ib 373
E. 1b). Zu diesen Erfordernissen gehört insbesondere die umfassende Interessenabwägung, die im Rahmen eines Ausnahmebewilligungsverfahrens gestützt auf
Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG
durch eine und dieselbe Behörde zu erfolgen hat (vgl.
BGE 116 Ib 62
E. 6a,
BGE 112 Ib 119
ff., je mit Hinweisen). Im Zonenplanungsverfahren muss eine mindestens ebenso umfassende Interessenabwägung stattfinden (
BGE 116 Ib 55
,
BGE 115 Ia 386
, Ib 514 E. 6b, 114 Ia 125 f.,
BGE 113 Ib 230
E. 2c, 375).
d) Im vorliegenden Fall bringen die Beschwerdeführer unter anderem vor, mit der angefochtenen Zonenplanänderung würden bestehende Häuser in die Bauzone einbezogen, welche in der Vergangenheit widerrechtlich ausserhalb der Bauzone erstellt worden seien. Eine solche, mit dem Überbauungsstand der fraglichen Grundstücke begründete Einzonung stelle eine Umgehung des Ausnahmebewilligungsverfahrens im Sinne von
Art. 24 RPG
dar.
BGE 117 Ib 9 S. 14
Nach Ansicht der Beschwerdeführer müssten die betroffenen Gebäude wegen ihrer Unvereinbarkeit mit
Art. 24 RPG
beseitigt werden. Eine solche Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands würde durch den Einbezug der betroffenen Parzellen in die Bauzone indessen verunmöglicht.
Diese Rüge ist, wie vorne in E. 2b/cc dargelegt, im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Verletzung von
Art. 24 RPG
zulässig. Die Ortsplanung der Gemeinde Trimmis betrifft im Gebiet Gargällis/Panätsch/Chrummächer einzelne, bestimmte, ausserhalb der alten Bauzone erstellte Häuser, die von der Gemeinde nun in die Bauzone W 2 eingezont worden sind. Die von den Beschwerdeführern beanstandeten Nutzungsplanfestsetzungen regeln die Frage der Zonenkonformität der genannten ausserhalb der bisherigen Bauzone erstellten Wohnhäuser neu.
Es handelt sich bei der von den Beschwerdeführern beanstandeten Festsetzung der Bauzone W 2 insoweit, als die genannten ausserhalb der bisherigen Bauzone erstellten Wohnhäuser im Gebiet Gargällis/Panätsch/Chrummächer davon betroffen sind, im Hinblick auf
Art. 24 RPG
um Anordnungen, die einer Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
gleichkommen und damit Anfechtungsobjekt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bilden können (
Art. 34 Abs. 1 RPG
i.V.m.
Art. 97 OG
). Im vorliegenden Fall ist kein Ausschlussgrund gemäss
Art. 99 ff. OG
erfüllt.
e) Die Beschwerdeführer rügen mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde neben der Verletzung von Bundesrecht (
Art. 104 lit. a OG
) auch eine unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (
Art. 104 lit. b OG
). Diese Rüge kann mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur insoweit erhoben werden, als sie die angebliche Umgehung von
Art. 24 RPG
betrifft. Soweit dieselbe Rüge in bezug auf die übrigen Teile der Trimmiser Ortsplanung vorgebracht wird, gehört sie ins staatsrechtliche Beschwerdeverfahren (siehe vorne E. 2b).
Das Bundesgericht weist sowohl die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch die staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es auf sie eintreten kann. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
67578e46-40d9-4919-b23c-2f1bfeeb6609 | Urteilskopf
100 IV 200
50. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Juli 1974 i.S. X. gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | Regeste
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 4,
Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
;
Art. 2 Abs. 8 VStGB 1
.
Verhältnis von ambulanter Behandlung der Trunksucht und Strafvollzug. | Sachverhalt
ab Seite 200
BGE 100 IV 200 S. 200
A.-
Am 31. August 1971 auferlegte das Amtsgericht Balsthal Frau X. wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand und Widerhandlung gegen Verkehrsregeln eine Gefängnisstrafe von drei Wochen sowie eine Busse. Es gewährte ihr den bedingten Strafvollzug auf eine Probezeit von zwei Jahren. Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte sie am 5. März 1974 wegen Führens in angetrunkenem Zustand und Nichtbeherrschens des Fahrzeugs zu einem Monat Gefängnis, zur an den Strafvollzug anschliessenden ambulanten Behandlung der Trunksucht und zur Veröffentlichung des Urteils im Amtsblatt des Kantons Bern.
Ebenfalls am 5. März 1974 ordnete das Obergericht des Kantons Bern den Vollzug der vom Amtsgericht Balsthal ausgesprochenen Gefängnisstrafe an.
B.-
Diesen Entscheid ficht die Verurteilte mit Nichtigkeitsbeschwerde an. Sie beantragt Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, damit sie den bedingten Strafvollzug nicht widerrufe, eventuell den Vollzug der Strafe bis nach Vollzug der ambulanten Behandlung aufschiebe.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Die ambulante Behandlung, die die Vorinstanz bei der Beurteilung der neuen Tat angeordnet hat, kann nicht zu
BGE 100 IV 200 S. 201
einem weitern Aufschub der durch Widerruf des bedingten Strafvollzugs vollstreckbar gewordenen dreiwöchigen Gefängnisstrafe führen. Denn die am 5. März 1974 ausgesprochene Gefängnisstrafe ist vor der ambulanten Behandlung zu vollziehen. Sie kann daher nicht den Strafvollzug hemmen, wie dies bei den in
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 4 StGB
aufgezählten Massnahmen stillschweigend vorausgesetzt ist. Es wäre nicht sinnvoll, zwischen den Vollzug der durch Widerruf des bedingten Strafvollzugs vollstreckbar gewordenen und den Vollzug der später ausgesprochenen Strafe die ambulante Behandlung einzuschieben und so den gemeinsamen Vollzug mehrerer Freiheitsstrafen zu durchbrechen (vgl.
Art. 2 Abs. 8 VStGB 1
). Dies gilt besonders dann, wenn die gemäss
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
vollziehbar gewordene Strafe mit dem Vollzug der neu ausgefällten Strafe zusammenfällt. In diesem Falle konkurriert sie nicht mit einer der in
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 4 StGB
aufgezählten Massnahmen. | null | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6758f199-82ac-4739-b4e9-d52e637655d2 | Urteilskopf
107 III 106
26. Arrêt de la IIe Cour civile du 23 avril 1981 dans la cause Binetti contre Madliger & Challandes Ing. S.A. en liquidation concordataire (recours en réforme) | Regeste
Art. 368 OR
, 211, 316 c SchKG.
Klage auf Sachgewährleistung gegen einen Unternehmer, der sich in Nachlassliquidation befindet; Abweisung der Klage, weil die Arbeiten vor der Bekanntmachung der Nachlassstundung ausgeführt worden waren: es besteht keine Verbindlichkeit der Masse, die deshalb nicht passivlegitimiert ist (E. 3-4). Der Bauherr hätte im Nachlassverfahren die Geldforderung geltend machen sollen, in die sich sein Anspruch umgewandelt hatte, damit sie in den Kollokationsplan aufgenommen werde (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 106
BGE 107 III 106 S. 106
A.-
a) De la fin de l'année 1975 au début de l'année 1976, l'entreprise Madliger & Challandes Ing. S.A., à Neuchâtel, a exécuté dans l'immeuble de Roberto Binetti, à Boudry, des travaux qui ont été terminés en mars 1976 et qui ont fait l'objet de quatre factures représentant un montant total de Fr. 81'725.50. Les parties sont convenues, en septembre 1976, d'arrêter le prix de l'ouvrage à Fr. 77'500.-, et Binetti s'est engagé, selon lettre du 17 septembre 1976, à payer "le solde de Fr. 7'500.-" au début de l'année 1977.
Le 7 décembre 1976, le Crédit Suisse a informé Binetti que Madliger & Challandes Ing. S.A. lui avait cédé sa créance de Fr. 7'500.-. Par lettre du 11 février 1977, Binetti a répondu au Crédit Suisse que l'isolation des chambres du dernier étage de son immeuble n'était pas en ordre et qu'il
BGE 107 III 106 S. 107
proposait de faire appel à un architecte neutre pour établir un rapport.
b) Le 31 janvier 1977, le juge instructeur du Tribunal cantonal neuchâtelois, donnant suite à une requête du 24 décembre 1976, a accordé à Madliger & Challandes Ing. S.A. un sursis concordataire de quatre mois à compter du 1er février 1977 et a nommé un commissaire. Les créanciers ont été invités à produire leurs créances dans le délai légal de vingt jours. Binetti n'a cependant pas produit de créance. A l'assemblée des créanciers, qui s'est tenue le 3 mai 1977, le commissaire a présenté son rapport, et une commission de liquidation a été nommée.
Le 4 juillet 1977, le Tribunal cantonal neuchâtelois a homologué le concordat par abandon d'actif proposé par Madliger & Challandes Ing. S.A. Le jugement d'homologation n'a pas été attaqué et est devenu exécutoire.
c) Le 30 août 1977, le commission de liquidation a invité Binetti à s'acquitter du solde de Fr. 7'500.- demeuré impayé. Par lettre du 30 septembre 1977, Binetti a répondu que l'isolation des chambres du dernier étage de son immeuble n'était pas satisfaisante, et que le solde dû serait payé dès que l'ouvrage fourni serait en ordre. La commission de liquidation a alors chargé un de ses membres, l'architecte Veillon, d'examiner les travaux et de régler l'affaire si possible à l'amiable. L'architecte Veillon a constaté que l'ouvrage présentait effectivement des défauts et a suggéré que Binetti renonçât à l'exécution des travaux de réfection contre l'abandon du solde dû de Fr. 7'500.-. Estimant toutefois que Binetti n'avait pas formulé de réclamation en temps utile, la commission n'a pas accepté cette proposition. Le 14 mars 1978, puis le 5 avril 1979, elle a mis Binetti en demeure de lui payer la somme de Fr. 7'500.-; elle a ensuite engagé des poursuites contre lui.
B.-
Le 17 juillet 1979, Binetti a ouvert l'action en garantie contre Madliger & Challandes Ing. S.A. en liquidation concordataire, lui réclamant, à titre principal, la remise en état de l'ouvrage, subsidiairement des dommages-intérêts.
La masse défenderesse a conclu principalement à l'irrecevabilité de l'action, subsidiairement à son rejet.
Le 10 octobre 1979, le Crédit Suisse a rétrocédé à Madliger & Challandes Ing. S.A. en liquidation concordataire la créance de Fr. 7'500.- contre Binetti, qui avait fait l'objet de la cession de décembre 1976.
BGE 107 III 106 S. 108
Le juge instructeur a ordonné l'instruction et le jugement séparés de la question relative à la recevabilité de l'action.
L'état de collocation de la masse en liquidation concordataire de Madliger & Challandes Ing. S.A. a été déposé le 16 avril 1980, et les créanciers en ont été informés par voie de publications. Binetti n'y figure pas.
Par jugement du 6 octobre 1980, le Tribunal cantonal du canton de Neuchâtel a déclaré l'action irrecevable.
C.-
Roberto Binetti a recouru en réforme au Tribunal fédéral, reprenant les conclusions qu'il avait formulées dans l'instance cantonale. Le recours a été rejeté.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La masse concordataire Madliger & Challandes Ing. S.A. (ci-après: la masse concordataire) considère que l'action concerne une dette éventuelle née avant l'octroi du sursis concordataire et qu'il ne peut s'agir, dès lors, d'une dette de la masse. Binetti soutient, pour sa part, que "la masse est entrée dans le contrat".
2.
Comme le dit la juridiction cantonale, en cas d'exécution défectueuse de l'ouvrage, le maître peut, suivant les circonstances, le refuser, réduire le prix en proportion de la moins-value ou obliger l'entrepreneur à réparer l'ouvrage à ses frais, si la réfection est possible sans dépenses excessives (
art. 368 al. 1 et 2 CO
); en cas de faute de l'entrepreneur, le maître peut en outre lui réclamer des dommages-intérêts. Lorsque les défauts de l'ouvrage ne sont pas suffisamment graves pour justifier l'action rédhibitoire (
art. 368 al. 1 CO
), le maître doit choisir entre la réduction du prix et la réparation (
art. 368 al. 2 CO
); il est lié par son choix aussitôt qu'il l'a communiqué à l'entrepreneur (GAUTSCHI n. 4a ad
art. 368 CO
; GAUCH, Der Unternehmer im Werkvertrag, 2e éd., n. 512 ss, 586 ss.). Il s'agit là d'un droit formateur, et la déclaration relative à son exercice, dans un sens ou dans un autre, est irrévocable (GAUCH, op.cit. n. 450 et 512). La juridiction cantonale observe pertinemment, en se référant à la jurisprudence (
ATF 96 II 353
/354 consid. 2), que s'il choisit la réparation et que l'entrepreneur refuse de l'exécuter ou se révèle incapable de l'effectuer, le maître peut faire réparer l'ouvrage par un tiers et réclamer des dommages-intérêts comportant notamment le remboursement de la facture du tiers auquel il a eu recours; ce sont là des dommages-intérêts compensatoires pour inexécution de l'obligation de faire incombant à l'entrepreneur.
BGE 107 III 106 S. 109
3.
a) La Cour cantonale considère, avec raison, que le concordat par abandon d'actif relève de l'exécution forcée et qu'il s'agit d'une procédure de droit public apparentée à la faillite, malgré l'élément contractuel résidant dans l'adhésion de la majorité des créanciers à la proposition du débiteur (
ATF 103 III 60
et les références); c'est une forme atténuée de la faillite patrimoine du débiteur s'opère selon les mêmes principes.
b) Aux termes de l'
art. 316c LP
, le concordat par abandon d'actif s'applique à toutes les dettes nées avant la publication du sursis concordataire, de même qu'à celles qui sont nées depuis lors et jusqu'à l'homologation définitive du concordat, sans l'assentiment du commissaire (al. 1); constituent en revanche des dettes de la masse, même dans une faillite subséquente, les dettes contractées pendant le sursis, avec l'assentiment du commissaire (al. 2).
c) L'
art. 211 LP
s'applique en matière de concordat par abandon d'actif, comme le dit la juridiction cantonale en s'appuyant sur la doctrine (LUDWIG, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabretung, thèse Berne 1970, p. 91; BÖNI, die Masseverbindlichkeiten im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, BlSchK 1962, p. 67; PICCARD, Die analoge Anwendung der Konkursnormen auf den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, RDS 1916, p. 29; DOKA, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, RDS 1926, p. 164; PAPA, Die analoge Anwendung der Konkursnormen auf den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, thèse Berne 1941, p. 104; SCHODER, Der Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, RJB 1952, p. 442). Cette disposition prévoit que la réclamation dont l'objet n'est pas une somme d'argent se transforme en une créance de valeur équivalente, mais que l'administration de la faillite peut se charger de l'effectuer en nature, sauf à fournir des sûretés si le créancier l'exige. La décision de l'administration de la masse en faillite ou des liquidateurs de la masse concordataire de se charger d'effectuer l'exécution en nature d'une obligation dont l'objet n'est pas une somme d'argent peut être expresse ou résulter d'actes concluants (JAEGER/PETITMERMET-BOVAY, n. 4 ad
art. 211 LP
).
Contrairement à l'opinion du recourant, la juridiction cantonale considère que ni le commissaire au sursis ni les liquidateurs de la masse concordataire défenderesse n'ont jamais choisi expressément ou par des actes concluants de réparer les défauts affectant l'ouvrage exécuté par l'entreprise Madliger & Challandes Ing. S.A. dans l'immeuble de Binetti.
BGE 107 III 106 S. 110
Elle retient que les liquidateurs ont certes sommé Binetti de payer le solde du prix de l'ouvrage, mais estime, avec raison, qu'en le lui réclamant ils ne se sont nullement prononcés pour l'exécution en nature de l'obligation de réparer l'ouvrage incombant à l'entrepreneur, lorsque le maître a choisi cette solution, conformément à l'
art. 368 al. 2 CO
, ni ne sont "entrés dans le contrat": ils ont par là simplement cherché à réaliser un actif de la masse, selon ce que prescrit l'
art. 316h LP
, et c'est dans le cadre de la réalisation qu'ils ont examiné les réclamations du demandeur; ils devaient en effet apprécier la valeur de la créance en paiement du solde du prix de l'ouvrage à recouvrer contre Binetti et évaluer les chances de succès ou les risques d'une procédure d'exécution forcée contre celui-ci.
En engageant des poursuites contre le recourant, les liquidateurs n'ont en aucune manière implicitement offert de réparer les défauts de l'ouvrage dont il se prévalait. On ne saurait voir non plus dans le fait qu'ils ont rejeté la proposition d'un des leurs tendante à ce que Binetti renonçât à l'exécution des travaux de réfection contre l'abandon du solde du prix de l'ouvrage, au motif qu'il n'avait formulé aucune réclamation en temps utile, la manifestation par des actes concluants d'une volonté de leur part que la masse concordataire se chargeât d'exécuter en nature l'obligation de réparation.
d) Ainsi, la juridiction cantonale a jugé avec raison qu'il n'y avait nulle dette de la masse concordataire ayant pour objet l'obligation de réparer les défauts de l'ouvrage allégués par le demandeur. Cette obligation était née de travaux exécutés antérieurement à l'octroi du sursis concordataire, et les liquidateurs n'ont jamais choisi expressément ou par des actes concluants de la faire exécuter par la masse concordataire. Il s'ensuit que les conclusions principales du demandeur ne sont pas fondées, dès lors que la masse concordataire n'est pas débitrice de l'obligation dont il se prévaut et n'a pas qualité pour défendre à l'action. Il s'agit là d'une question de fond. La Cour cantonale n'eût dès lors pas dû déclarer irrecevables les conclusions du demandeur, mais les rejeter. Cela n'a pas d'incidence cependant sur le sort du recours, qui reste dénué de fondement. Contrairement à ce que prétend le recourant, la Cour cantonale n'a nullement violé l'
art. 211 LP
.
4.
L'obligation de réparer les défauts de l'ouvrage dont se plaint le demandeur ne constituant pas une dette de la masse concordataire, celle de verser des dommages-intérêts compensatoires pour inexécution de cette
BGE 107 III 106 S. 111
obligation n'en est évidemment pas non plus une. Il s'ensuit que les conclusions subsidiaires du recourant ne sont pas fondées, car la masse concordataire n'a pas qualité pour défendre, et qu'elles doivent être rejetées. Il n'importe pas non plus, comme c'est le cas pour les conclusions principales, que le Tribunal cantonal les ait déclarées irrecevables au lieu de les rejeter quant au fond.
5.
La juridiction cantonale estime, avec raison, que l'obligation en nature de réparer les défauts de l'ouvrage, invoqués par le demandeur, s'est transformée en une créance en argent de valeur équivalente, conformément à l'
art. 211 al. 1 LP
, créance que Binetti devait produire dans la procédure concordataire, les liquidateurs étant tenus de se prononcer sur l'admission de celle-ci (
art. 316g LP
). Au cas où ils ne l'auraient pas portée à l'état de collocation, le recourant pouvait l'attaquer par l'action en contestation de l'état de collocation (
ATF 102 III 158
/159).
6.
La Cour cantonale, saisie d'une action dirigée contre la masse concordataire et tendant, principalement, à l'exécution de travaux de réfection des défauts de l'ouvrage dont le demandeur se prévalait, subsidiairement, au paiement de dommages-intérêts compensatoires pour inexécution de cette obligation, n'avait pas à se prononcer sur la question de savoir si la créance de l'entreprise Madliger & Challandes Ing. S.A. en liquidation concordataire, portant sur le solde du prix de l'ouvrage, était ou non fondée, dès lors qu'elle déclarait irrecevables lesdites conclusions au motif que les obligations litigieuses ne constituaient pas des dettes de la masse, mais des dettes soumises au concordat. Comme elle écartait les conclusions principales et subsidiaires du demandeur parce que la masse concordataire n'avait pas la qualité pour défendre, la juridiction cantonale n'avait pas besoin de statuer sur le mérite de celles-ci. Partant, il ne lui appartenait pas d'examiner si le solde du prix de l'ouvrage, réclamé à Binetti, était dû ou non, notamment si la créance exercée contre lui était éteinte par compensation avec celle faisant l'objet de ses conclusions subsidiaires, d'autant que la défenderesse n'avait pas formé, avec raison, de demande reconventionnelle tendant à la condamnation de Binetti au paiement de ce solde, mais s'était bornée à conclure à l'irrecevabilité de la demande principale. Le Tribunal cantonal a fait l'objet et qui concerne le solde de Fr. 7'500.- restant dû sur le prix de l'ouvrage, le demandeur peut lui opposer les moyens que la loi met à sa disposition". | null | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
675b2dcb-e65f-48f9-b229-7ead7c8a4442 | Urteilskopf
94 I 513
72. Urteil vom 18. Dezember 1968 i.S. X. gegen St. Gallen, Kanton und Verwaltungsgericht | Regeste
Veranlagungsverjährung bei periodischen Steuern.
Aus den Vorschriften über die Veranlagungsperiode ist, wie ohne Willkür angenommen werden kann, nicht abzuleiten, dass die Veranlagung im Laufe der Veranlagungsperiode vorzunehmen oder doch einzuleiten sei, ansonst sie verwirke (Erw. 1, 2).
Analoge Anwendung der Vorschriften über die Bezugsverjährung auf die Veranlagungsverjährung (Erw. 3).
Treu und Glauben im öffentlichen Recht.
Unmittelbar aus
Art. 4 BV
folgender Anspruch des Bürgers auf vertrauenswürdiges, gewissenhaftes Verhalten der Verwaltungsbehörden und auf Schutz des berechtigten Vertrauens auf behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden. Freie Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts inbezug auf die Frage, ob dieser Anspruch verletzt sei. (Erw. 4 a).
Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf die Geltendmachung von Steueransprüchen nach Ablauf der Veranlagungsperiode (Erw. 4 b). | Sachverhalt
ab Seite 514
BGE 94 I 513 S. 514
A.-
Das st. gall. Gesetz vom 17. April 1944 über die Staats- und Gemeindesteuern (StG) enthält u.a. folgende Bestimmungen:
Art. 11 Abs. 1: Die Steuern werden für das Kalenderjahr geschuldet. Der Steueranspruch entsteht zu Beginn des Steuerjahres.
Art. 62: Die Steuerpflichtigen werden auf ihr Begehren oder von Amtes wegen veranlagt.
Der Steuerpflichtige hat das Veranlagungsbegehren innert der Frist einzureichen, die jedes Jahr öffentlich bekanntgegeben wird. Er ist zur Einreichung eines Veranlagungsbegehrens verpflichtet, wenn er der Steuerpflicht erstmals unterliegt oder wenn sich sein Einkommen oder Vermögen erheblich vermehrt hat...
Die Veranlagung von Amtes wegen kann jederzeit auf Anordnung des Steuerkommissärs oder der kantonalen Steuerverwaltung erfolgen. Jeder Steuerpflichtige ist in der Regel alle vier Jahre neu zu veranlagen. Der Regierungsrat kann die gleichzeitige Veranlagung der Steuerpflichtigen eines ganzen Gebietes oder Wirtschaftszweiges verfügen.
Art. 97: Die rechtskräftigen Steuerforderungen verjähren in fünf Jahren nach ihrer Fälligkeit. Die Verjährung wird durch jede Bezugshandlung unterbrochen und ruht, solange der Steuerpflichtige in der Schweiz keinen Wohnsitz hat oder sein Aufenthalt unbekannt ist.
Gestützt auf Art. 62 Schlussatz StG hat der Regierungsrat seit 1960 vorerst durch Beschlüsse und dann am 12. Juli 1966 durch
BGE 94 I 513 S. 515
Abänderung von Art. 46 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung (VV) zum StG angeordnet, dass alle zwei Jahre eine Hauptveranlagung stattzufinden hat.
B.-
Der in Cham (Kt. Zug) wohnhafte X. kaufte im Juni 1959 eine Liegenschaft in der Gemeinde Rorschach (Kt. St. Gallen). Im Laufe des Jahres 1960 erhielt er vom Steueramt Rorschach eine Rechnung für die Staats- und Gemeindesteuern 1959/60. Mit Schreiben vom 12. Januar 1961 teilte das Steueramt Rorschach demjenigen von Cham mit, dass es für 1961/62 eine Steuerausscheidung verlange und um rechtzeitige Übermittlung des Ausscheidungsplans ersuche. Entsprechende Ausscheidungsbegehren stellte es am 24. Januar 1963 für die Steuerjahre 1963/64 und am 19. Januar 1965 für die Steuerjahre 1965/66. Es erhielt hierauf die Ausscheidungspläne für 1961/62 und 1963/64 am 12. Juni 1964 und denjenigen für 1965/66 am 15. April 1966.
Am 4. und 8. August 1966 eröffnete das Steueramt Rorschach X. die Staats- und Gemeindesteuereinschätzungen für die Steuerjahre 1961 bis 1964. Die Steuern für diese vier Jahre machten zusammen Fr. 7227.10 aus. X. erhob Einsprache und nach deren Abweisung Rekurs, im wesentlichen mit der Begründung, es gehe nicht an, ihn lange nach Ablauf der jeweiligen Veranlagungsperiode noch zu veranlagen. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen wies den Rekurs am 23. August 1967 ab.
Hiegegen führte X. Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen. Dieses hiess die Beschwerde am 13. März 1968 in dem Sinne teilweise gut, dass es feststellte, der Staats- und Gemeindesteueranspruch für 1961 könne zufolge Verjährung nicht geltend gemacht werden. Die Erwägungen dieses Entscheids lassen sich wie folgt zusammenfassen: Das StG regle im Art. 97 ausschliesslich die Verjährung rechtskräftiger Steuerforderungen und enthalte keine Regel, dass der Steueranspruch unabhängig von der Durchführung der Veranlagung verjähre. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete indes zwingend, dem Bestand öffentlich-rechtlicher Ansprüche zeitliche Schranken zu setzen. Habe der Gesetzgeber dies unterlassen, so habe der Richter eine jenes Gebot erfüllende Regel aufzustellen. Im vorliegenden Falle kämen zwei Lösungen in Frage; man könne das Recht, eine Veranlagung einzuleiten, befristen oder den noch nicht veranlagten Steueranspruch der
BGE 94 I 513 S. 516
Verjährung unterstellen. Von diesen beiden Lösungen verdiene die Anspruchsverjährung den Vorzug, da sie einfacher und klarer sei, zur Verjährungsvorschrift des
Art. 97 StG
passe und einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen des Fiskus und des Steuerpflichtigen schaffe (wird näher ausgeführt). Die Verjährungsfrist könne in Analogie zu
Art. 97 StG
auf 5 Jahre festgesetzt werden und beginne mit der Fälligkeit der Forderung (
Art. 128 Ziff. 1, 130 Abs. 1 OR
,
BGE 85 I 183
). Der Stadtrat von Rorschach habe in den Jahren 1961 bis 1964 mit Ermächtigung des Regierungsrates jeweils angeordnet, dass die Steuern am 31. Juli fällig werden. Es sei daher anzunehmen, dass die Verjährungsfrist für die Steuer jedes Jahres von diesem Tage an laufe, gleichgültig ob für sie Rechnung gestellt worden sei oder nicht. Dann sei die Verjährung für die vom Beschwerdeführer geforderten Steuern der Jahre 1962 bis 1964 durch die Zustellung der Veranlagungen am 4. bzw. 8. August 1966 unterbrochen worden und habe von da an neu zu laufen begonnen. Dagegen sei die Steuer für 1961 in diesem Zeitpunkt verjährt gewesen. Zu prüfen bleibe, ob die Geltendmachung der nicht veranlagten Steuern für 1962 bis 1964 gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstosse, der in
Art. 2 Abs. 1 StG
ausdrücklich verankert sei, aber schon aus
Art. 4 BV
folge. Ein solcher Verstoss hätte die Verwirkung des Steueranspruchs zur Folge. Für eine Verwirkung bestehe indes neben der verhältnismässig kurzen Verjährungsfrist grundsätzlich kein Raum. Dieser ausserordentliche Rechtsbehelf dürfe nur mit grosser Zurückhaltung und wenn besondere Umstände es rechtfertigen, gewährt werden. Die Steuerbehörde müsste die Durchführung der Veranlagung hinterhältig verzögert haben. Hiefür beständen jedoch keine Anhaltspunkte; vielmehr scheine Nachlässigkeit die Ursache der Verspätung zu sein. Solche blosse Untätigkeit führe nicht zur Verwirkung. Ebensowenig ginge es an, im langen Zuwarten mit der Veranlagung einen stillschweigenden Verzicht auf die Steuerforderung zu erblicken; dieser Schluss würde sich mit der zwingenden Natur des Steueranspruchs nicht vertragen.
C.-
Gegen diesen Beschwerdeentscheid des Verwaltungsgerichts hat X. staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, ihn insoweit aufzuheben, als er den Beschwerdeführer für 1962 bis 1964 als steuerpflichtig erkläre. Er macht Verletzung des
Art. 4 BV
geltend.
BGE 94 I 513 S. 517
D.-
Das Verwaltungsgericht und die Steuerverwaltung des Kantons St. Gallen beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Neben den allgemein üblichen Vorschriften über die Verjährung der durch Veranlagung festgesetzten Steuerforderung (sog. Bezugsverjährung) enthalten der Wehrsteuerbeschluss (Art. 98) und einige kantonale Steuergesetze (Bern Art. 103, Luzern § 78, Freiburg Art. 82 und Graubünden Art. 115) ausdrückliche Bestimmungen, welche das Recht des Gemeinwesens, den Pflichtigen zu veranlagen, befristen (sog. Feststellungs- oder Veranlagungsverjährung). Das st. gall. StG regelt nur die Bezugsverjährung (Art. 97), nicht dagegen die Veranlagungsverjährung. Aus dem Fehlen einer Bestimmung hierüber wird in den Erläuterungen von RIGOLETH/SCHERRER zum StG (Art. 97 N. 4) abgeleitet, dass nicht rechtskräftig festgestellte Steueransprüche der Verjährung nicht fähig seien. Diese Auffassung ist unhaltbar. In der schweizerischen Verwaltungsrechtsprechung wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen, allgemein angenommen, dass öffentlich-rechtliche Ansprüche auch dann, wenn das Gesetz es nicht ausdrücklich anordnet, der Verjährung unterliegen, da das öffentliche Interesse an der Wahrung der Rechtssicherheit dies gebietet (
BGE 85 I 183
Erw. 3 und dort zitierte frühere Urteile,
BGE 93 I 672
Erw. 3; VEBB 1954 Nr. 99; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung 3. Aufl. Nr. 121 II). Wenn sodann nach
Art. 120 StG
das Recht, ein Verfahren wegen Steuerwiderhandlung einzuleiten, in 6 Jahren nach Ablauf des letzten Jahres, in dem die Widerhandlung begangenwurde, erlischt, so muss erst rechtdie Geltendmachung von Steueransprüchen gegen Pflichtige, denen keine Widerhandlung vorzuwerfen ist, zeitlich begrenzt sein. Fragen kann sich nur, wie diese zeitliche Grenze zu bestimmen sei.
2.
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid angenommen, dass das StG in dieser Beziehung eine Lücke aufweise, und es hat diese durch analoge Anwendung des Art. 97 ausgefüllt. Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist dieses Vorgehen willkürlich. Er leitet aus
Art. 62 StG
ab, dass die Steuerbehörden während der dort festgelegten Veranlagungsperiode mit der Veranlagung fertig zu werden oder doch zu beginnen haben. Ferner macht er unter Hinweis auf
BGE 90 I 25
ff. geltend, bei periodischen Steuern habe auch beim Fehlen
BGE 94 I 513 S. 518
positiver Gesetzesvorschriften eine Veranlagung innert nützlicher Frist zu erfolgen und habe eine ungebührlich lange und durch nichts entschuldbare Verzögerung, wie sie hier vorliege, die Verwirkung des Steueranspruchs zur Folge.
Das StG enthält in den Art. 62 und 63 Vorschriften über die "Zeit der Veranlagung". Nach Art. 63 sind Kapitalgesellschaften und Genossenschaften jährlich von Amtes wegen zu veranlagen. Für die übrigen Steuerpflichtigen unterscheidet Art. 62 zwischen der Veranlagung auf eigenes Begehren und von Amtes wegen. Abs. 3, der die hier allein interessierende Veranlagung von Amtes wegen regelt, schreibt vor, dass jeder Steuerpflichtige in der Regel mindestens alle vier Jahre neu zu veranlagen sei, und ermächtigt den Regierungsrat, die gleichzeitige Veranlagung eines ganzen Gebietes oder Wirtschaftszweiges zu verfügen. Gestützt darauf hat der Regierungsrat für den ganzen Kanton einen zweijährigen Veranlagungsturnus eingeführt (Art. 46 VV). Diese Ordnung ist, trotz des nicht völlig klaren Randtitels "Zeit der Veranlagung", offenbar dahin zu verstehen, dass damit die sog. Veranlagungsperiode festgelegt wird, d.h. die Zeit, für welche eine Veranlagung vorzunehmen und verbindlich ist. Dagegen erscheint es als zweifelhaft, ob damit auch die Zeit bestimmt werde, in welcher die Veranlagung zu erfolgen hat oder doch einzuleiten ist und zwar mit der Wirkung, dass eine spätere Veranlagung nicht mehr zulässig wäre. Eine solche Ordnung wäre, wie in
BGE 90 I 23
ausgeführt wurde, durchaus ungewöhnlich und nur anzunehmen, wenn dafür besondere Anhaltspunkte bestünden. Hieran fehlt es; der Umstand allein, dass das StG, wie die meisten kantonalen Steuergesetze, keine Veranlagungsverjährung vorsieht, rechtfertigt es noch nicht und bildet jedenfalls keinen zwingenden Grund dafür, in der in Art. 62 enthaltenen Regelung der Veranlagungsperiode eine Befristung des Rechts zur Einleitung der Veranlagung zu erblicken. Wenn der angefochtene Entscheid annimmt, dass das StG die Veranlagungsverjährung nicht regle und inbezug auf sie eine Lücke aufweise, so kann diese Auslegung des StG und insbesondere seines Art. 62 zum mindesten nicht als schlechthin unhaltbar, geradezu willkürlich bezeichnet werden. In diesem Sinne hat das Bundesgericht in
BGE 90 I 23
Erw. 2 b bereits inbezug auf die in § 66 Abs. 1 des aarg. StG enthaltene Bestimmung über die Veranlagungsperiode entschieden.
BGE 94 I 513 S. 519
Der Beschwerdeführer leitet aus diesem Urteil zu Unrecht ab, dass eine Veranlagung auch bei Fehlen positiver Gesetzesbestimmungen innert nützlicher Frist zu erfolgen habe und eine Verzögerung, wie sie hier vorliege, die Verwirkung des Steueranspruchs zur Folge haben müsse. Das Bundesgericht hat dort zunächst dargelegt, was gegen die Annahme spreche, die Bestimmung über die Veranlagungsperiode regle auch die Veranlagungsverjährung; ferner hat es erklärt, dass und weshalb die Berufung des Beschwerdeführers auf die namentlich von BLUMENSTEIN vertretene Periodizitätslehre zur Begründung der Rüge der Willkür nicht genüge, sondern dass darzutun gewesen wäre, inwiefern die davon abweichende Betrachtungsweise des aargauischen Obergerichts schlechthin unhaltbar sei. Die weiteren Ausführungen legen im Sinne einer zusätzlichen Begründung dar, dass das Recht zur Besteuerung selbst dann nicht verwirkt wäre, wenn man sich der Auffassung von BLUMENSTEIN anschlösse, da ein wesentlicher Teil der Veranlagung noch in der Steuerperiode vorgenommen worden sei und der Steuerbehörde nicht vorgeworfen werden könne, mit der endgültigen Veranlagung ungebührlich lange zugewartet zu haben. Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Falle nicht zutreffen, ändert nichts daran, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts,
Art. 62 StG
regle die Veranlagungsverjährung nicht, dem Vorwurfe der Willkür standhält.
3.
Enthält das StG keine Vorschrift über die Veranlagungsverjährung, so fragt sich, wie diese Lücke auszufüllen und die Geltendmachung von Steueransprüchen, dem Gebot der Rechtssicherheit entsprechend, zeitlich zu begrenzen sei. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage sorgfältig geprüft und ist dabei zum Schlusse gekommen, die Gesetzeslücke sei am besten nicht durch Befristung des Rechts zur Einleitung der Veranlagung, sondern durch Verjährung des noch nicht veranlagten Steueranspruchs auszufüllen; sodann hat es angenommen, dass die Verjährungsfrist in Analogie zu
Art. 97 StG
auf 5 Jahre festzusetzen sei und mit der Fälligkeit der Steuer beginne, die für die in Frage stehenden Einkommens- und Vermögenssteuern jeweils am 31. Juli des betreffenden Steuerjahres eingetreten sei. Die Beschwerde setzt sich mit diesen Ausführungen nicht auseinander. Sie beanstandet lediglich die Annahme einer Gesetzeslücke als willkürlich, versucht aber für den Fall, dass diese Annahme haltbar sein sollte, mit keinem Worte darzutun,
BGE 94 I 513 S. 520
dass und aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht diese Lücke in unhaltbarer, willkürlicher Weise ausgefüllt habe. Von Willkür kann auch nicht die Rede sein. Art. 11 Abs. 1, wonach die Steuern für das Kalenderjahr geschuldet werden und "der Steueranspruch zu Beginn des Steuerjahres entsteht", gestattet durchaus den Schluss, dass dieser Anspruch nicht nur unabhängig von der Veranlagung entsteht, sondern auch vor dieser fällig werden und verjähren kann. Die in
Art. 97 StG
für rechtskräftige Steuerforderungen festgesetzte Verjährungsfrist von 5 Jahren analog auf die Verjährung noch nicht veranlagter periodischer Steuern anzuwenden, erscheint gerechtfertigt, entspricht diese Frist doch der nach
Art. 128 Ziff. 1 OR
für Ansprüche auf periodische Leistungen geltenden Verjährungsfrist (
BGE 85 I 183
). Einleuchtend sind schliesslich auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts über den Zeitpunkt der Fälligkeit des noch nicht veranlagten Steueranspruchs und über den Beginn der Verjährung, aus denen sich ergibt, dass die Steuern für die Jahre 1962 bis 1964 am 4. bzw. 8. August 1966, als die Veranlagungen für diese Jahre dem Beschwerdeführer eröffnet wurden, noch nicht verjährt waren.
4.
Zu prüfen bleibt die vom Verwaltungsgericht verneinte Frage, ob die so späte Geltendmachung dieser Steuern im vorliegenden Falle gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstosse.
a) Nach
Art. 2 Abs. 1 StG
sind die Vorschriften des StG nach Treu und Glauben anzuwenden und zu erfüllen. Damit wurde ein allgemeiner Grundsatz in das StG aufgenommen, der in
Art. 2 Abs. 1 ZGB
für das Gebiet des Bundeszivilrechts aufgestellt ist und nach der Rechtsprechung und Lehre auch ohne ausdrückliche Vorschrift auf weiteren Rechtsgebieten gilt (MERZ N. 68 ff. zu
Art. 2 ZGB
). Er ist auch im Verwaltungsrecht zu beachten (
BGE 91 I 136
mit Verweisungen,
BGE 91 I 320
; IMBODEN a.a.O. Nr. 343-345) und bedeutet dort, dass der Rechtsverkehr zwischen Bürger und Verwaltung von gegenseitigem Vertrauen getragen sein muss und berechtigtes Vertrauen Schutz verdient. Soweit der Grundsatz eine Norm für das Verhalten der Behörden bildet, wird er in der Rechtslehre als Verfassungsprinzip bezeichnet (IMBODEN a.a.O. Nr. 211 III) und aus
Art. 4 BV
abgeleitet (GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts S. 220 ff. und 189 ff.). Das Bundesgericht als Staatsgerichtshof hat in einigen älteren Urteilen die
BGE 94 I 513 S. 521
Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben in Steuersachen als Verstoss gegen
Art. 4 BV
und als Willkür betrachtet (
BGE 34 I 28
und 625,
BGE 36 I 566
). Nachdem es in der Folge den Grundsatz von Treu und Glauben währendlängerer Zeit in seinen Urteilen nicht mehr erwähnt hatte, hat es seine Geltung auch im öffentlichen Recht seit 1944 wiederholt anerkannt (
BGE 72 I 81
,
BGE 78 I 206
,
BGE 88 I 147
/8,
BGE 89 I 175
und 435,
BGE 91 I 320
,
BGE 94 I 351
) und gewisse Verstösse gegen ihn wiederum als Willkür und Verletzung des
Art. 4 BV
bezeichnet, so die einseitige Ausserkraftsetzung einer Steuervereinbarung (
BGE 70 I 134
) sowie das Nichteintreten auf ein im Vertrauen auf eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung zu spät eingereichtes kantonales Rechtsmittel (
BGE 76 I 190
,
BGE 77 I 274
). Der Umstand, dass in diesen Fällen nicht eine kantonale Vorschrift in unhaltbarer Weise ausgelegt oder angewendet worden ist, zeigt, dass das Bundesgericht den Grundsatz von Treu und Glauben jeweils als einen unmittelbar aus
Art. 4 BV
folgenden, für die gesamte staatliche Tätigkeit geltenden Grundsatz betrachtet hat. Gegen die ausdrückliche Anerkennung eines auf dem Gleichheitssatz beruhenden Anspruchs des Bürgers gegen die Verwaltung auf Schutz des berechtigten Vertrauens bestehen keine Bedenken; sie entspricht vielmehr der Entwicklung der Rechtsprechung. Das Bundesgericht hat dem in
Art. 4 BV
enthaltenen Gleichheitssatz von jeher eine weit über seinen Wortsinn hinausgehende Bedeutung beigemessen und darin die Grundlage des Rechtsstaates erblickt.
Art. 4 BV
bietet vor allem Schutz gegen willkürliche Rechtsanwendung, erfordert für Steuern und Abgaben eine gesetzliche Grundlage und gewährleistet dem Bürger in allen Streitsachen sowie im Verwaltungsverfahren ein Mindestmass an Verteidigungsrechten. Nach zahlreichen neuern Urteilen verbietet sodann
Art. 4 BV
jeden prozessualen Formalismus, der sich durch keine schutzwürdigen Interessen rechtfertigen lässt (
BGE 93 I 213
Erw. 2 mit Verweisungen,
BGE 94 I 211
). Ebenso notwendig aus dem Gesichtspunkt des Rechtsstaates und ebenfalls aus
Art. 4 BV
abzuleiten ist das Gebot eines gewissenhaften, vertrauenswürdigen Verhaltens der Verwaltungsbehörden (GIACOMETTI a.a.O. S. 289), dem ein Anspruch des Bürgers auf Schutz des berechtigten Vertrauens auf behördliche Zusicherungen und sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden entspricht. Folgt dieser Anspruch unmittelbar aus
Art. 4 BV
, so kommt seiner Anerkennung im
BGE 94 I 513 S. 522
kantonalen öffentlichen Recht keine selbständige Bedeutung mehr zu und ist die Frage, ob der Anspruch verletzt sei, gleich wie beim bundesrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör vom Bundesgericht frei zu prüfen.
b) Nachdem der Beschwerdeführer im Juni 1959 eine Liegenschaft in Rorschach erworben hatte, haben die st. gallischen Steuerbehörden von ihm für die Jahre 1959 und 1960 Steuern auf diesem Grundeigentum und dessen Ertrag erhoben. In der Folge haben sie nichts vorgekehrt, was beim Beschwerdeführer den Glauben, er habe diese Steuern von 1961 an nicht mehr zu entrichten, hätte erwecken können und die nachträgliche Geltendmachung der Steuern für 1962 bis 1964 als widersprüchliches Verhalten erscheinen liesse; vorgeworfen werden kann ihnen lediglich, dass sie mit der Veranlagung bis Anfang August 1966 zugewartet haben. Dafür, dass sie die Veranlagung arglistig verzögert hätten, bestehen, wie im angefochtenen Entscheid festgestellt und in der staatsrechtlichen Beschwerde nicht bestritten wird, keine Anhaltspunkte. Es liegt also ein blosses Versehen, eine Nachlässigkeit der Veranlagungsbehörden vor. Der Beschwerdeführer macht zu Unrecht geltend, er habe diese jahrelange Untätigkeit nach Treu und Glauben als stillschweigenden Verzicht auf die Steuererhebung betrachten dürfen. Da er für die Liegenschaft in Rorschach und deren Ertrag an seinem Wohnsitz Cham nicht besteuert wurde, dagegen für die Jahre 1959/60 in Rorschach veranlagt worden war, hatte er keinen hinreichenden Grund, um aus dem Ausbleiben von Aufforderungen zur Steuererklärung und von Steuerrechnungen für die folgenden Jahre auf einen Verzicht auf weitere Besteuerung zu schliessen, zumal ihm nicht unbekannt sein konnte, dass ein Verzicht auf Besteuerung unzulässig oder doch höchst ungewöhnlich ist; vielmehr musste sich ihm die Annahme aufdrängen, er werde versehentlich nicht besteuert. Selbst wenn man nicht so weit gehen will, ihm daraus einen Vorwurf zu machen, dass er innert der in Rorschach öffentlich bekannt gegebenen Frist nicht von sich aus Steuererklärungen für 1961/62 und 1963/64 einreichte noch sich dort über seine Steuerpflicht erkundigte, steht es ihm nach den gesamten Umständen jedenfalls nicht zu, unter Berufung auf Treu und Glauben die Verwirkung der noch nicht verjährten Steueransprüche geltend zu machen.
Die Sach- und Rechtslage unterscheidet sich wesentlich von den in der Beschwerde angerufenen Urteilen des Bundesgerichts.
BGE 94 I 513 S. 523
Im Falle
BGE 34 I 15
ff. wie übrigens auch im Falle
BGE 34 I 615
ff. haben die Steuerbehörden in voller Kenntnis der Verhältnisse bewusst jahrzehntelang von der Erhebung von Steueransprüchen abgesehen und damit nach Treu und Glauben auf diese stillschweigend verzichtet. In
BGE 50 I 146
ff. wurde die Frage des Verstosses gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nicht aufgeworfen und die angefochtene Besteuerung geschützt, während in
BGE 50 I 355
ff. festgehalten wurde, dass die Steuerbehörde nicht bei einem passiven Verhalten stehen geblieben sei, sondern den Beschwerdeführer durch Erhebung einer Kurtaxe als am betreffenden Ort nicht wohnhaft und damit als nicht steuerpflichtig behandelt habe (S. 366/7), was die Erhebung einer auf der Annahme des Wohnsitzes beruhenden Steuer ausschliesse. Im vorliegenden Falle kann den Behörden ein solches widersprüchliches Verhalten ebensowenig vorgeworfen werden wie im Falle
BGE 90 I 18
ff., auf den sich der Beschwerdeführer weiter beruft. Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben erweist sich damit als unbegründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
675b873a-3e12-475d-9346-dc131a631475 | Urteilskopf
101 Ia 281
46. Auszug aus dem Urteil vom 24. September 1975 i.S. Willener gegen Begnadigungskommission des Grossen Rates des Kantons Basel-Stadt und Justizdepartement des Kantons Luzern. | Regeste
Art. 84 Abs. 1 lit. d OG
; interkantonale Zuständigkeit zur Begnadigung.
1. Unter der "Begnadigungsbehörde des Kantons" im Sinne von
Art. 394 lit. b StGB
ist die Behörde desjenigen Kantons zu verstehen, dessen Richter die durch Begnadigung zu erlassende Strafe durch rechtskräftiges Urteil auferlegt hat (E. 3a).
2. Auch im Falle des Widerrufs des bedingten Strafvollzuges gemäss
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 Satz 1 StGB
steht die Begnadigungskompetenz der Behörde desjenigen Kantons zu, in welchem die bedingt aufgeschobene Strafe ausgesprochen wurde (E. 3b u. c). | Sachverhalt
ab Seite 282
BGE 101 Ia 281 S. 282
Beat Willener wurde vom Strafgericht Basel-Stadt am 18. September 1970 wegen wiederholter und fortgesetzter Widerhandlung gegen das BG über die Betäubungsmittel zu 7 Monaten Gefängnis und am 29. September 1971 vom Polizeigericht Basel-Stadt wegen des gleichen Vergehens zu 7 Tagen Gefängnis verurteilt. Der Vollzug beider Strafen wurde bedingt aufgeschoben.
Mit Urteil vom 15. Februar 1974 fällte das Obergericht des Kantons Luzern gegen Willener erneut wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Gefängnisstrafe von 5 Monaten aus. Für diese Strafe gewährte es ihm den bedingten Strafvollzug, ordnete aber den Vollzug der beiden im Kanton Basel-Stadt ausgesprochenen Gefängnisstrafen an.
Am 14. Juni 1974 reichte Willener im Kanton Basel-Stadt ein Begnadigungsgesuch ein, auf welches die Begnadigungskommission des Grossen Rates nicht eintrat mit der Begründung, es sei der Kanton Luzern zuständig, dessen Obergericht gemäss
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 StGB
den Vollzug der im Kanton Basel-Stadt ausgesprochenen Strafen angeordnet habe. Willener wandte sich daraufhin an das Justizdepartement des Kantons Luzern, das unter Berufung auf
Art. 394 lit. b StGB
und eine Auskunft der Bundesanwaltschaft vom 18. Dezember 1974 die Behandlung des Begnadigungsgesuchs mangels Zuständigkeit ebenfalls ablehnte.
Mit Beschwerde vom 22. April 1975, die als staats-, eventuell verwaltungsrechtliche bezeichnet wird und sich gegen die Kantone Basel-Stadt und Luzern richtet, ersucht Beat Willener das Bundesgericht um Feststellung, welcher der beiden Kantone zur Behandlung des Begnadigungsgesuchs verpflichtet sei, und dementsprechend um Anweisung des betreffenden Kantons, das Begnadigungsgesuch materiell zu behandeln.
BGE 101 Ia 281 S. 283
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Es ist zu prüfen, welchem Kanton im Falle des Widerrufs des bedingten Strafvollzuges nach
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 Satz 1 StGB
das Begnadigungsrecht zusteht, ob dem Kanton, der das Haupturteil gefällt hat (Basel-Stadt), oder demjenigen, dessen Richter im Zusammenhang mit der Beurteilung einer neuen Tat den bedingten Strafvollzug widerrufen hat (Luzern).
a) Gemäss
Art. 394 lit. b StGB
wird das Recht der Begnadigung "in den Fällen, in denen eine kantonale Behörde geurteilt hat, durch die Begnadigungsbehörde des Kantons" ausgeübt. An sich und insbesondere in Verbindung mit
Art. 396 StGB
kann damit nur der Kanton gemeint sein, der die durch Begnadigung zu erlassende Strafe durch rechtskräftiges Urteil "auferlegt" hat. Dieses Urteil ist aber das Haupturteil, nicht der Widerrufsentscheid, der lediglich den Vollzug der durch Haupturteil ausgesprochenen Strafe anordnet. Das haben die Bundesbehörden in einem Fall angenommen, wo die kantonalen Behörden eine von den Bundesbehörden ausgefällte Busse nach
Art. 49 Ziff. 3 StGB
in Haft und damit die ursprüngliche Strafe in eine andere umgewandelt haben (BBl 1942 S. 382 Antrag 2; VEB 18/1947 Nr. 13 S. 29 f.; zustimmend SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, Nr. 442a Ziff. 5 S. 248). Dass unter dem "rechtskräftigen Urteil" im Sinne von
Art. 396 StGB
das Haupturteil gemeint sein muss, folgt auch aus dem zwischen den Kantonen bestehenden Verhältnis, wonach kein Kanton in die Strafe eingreifen kann, die ein anderer rechtskräftig ausgesprochen hat. Hierzu bedürfte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift oder beim Schweigen des Gesetzes zumindest zwingender Gründe. Solche bestehen jedoch nicht.
b) Wohl hat der Gesetzgeber anlässlich der Revision vom 18. März 1971 angeordnet, dass derjenige Richter, der ein während der Probezeit begangenes Verbrechen oder Vergehen zu beurteilen hat, auch über den Vollzug einer früher bedingt aufgeschobenen Strafe entscheidet. Es bestehen indes keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber damit die bisherige interkantonale Kompetenzordnung hinsichtlich nachträglicher Entscheidungen grundsätzlich in Frage stellen wollte. Aus dem Spezialfall des
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 Satz 1 StGB
können
BGE 101 Ia 281 S. 284
keine weitergehenden Folgerungen, auch nicht bezüglich der Begnadigungskompetenz, gezogen werden.
Zwar würde es eine Vereinfachung bedeuten, wenn im Falle eines auswärts erfolgten Widerrufs des bedingten Strafvollzugs der Verurteilte am gleichen Ort die Begnadigung für alle, möglicherweise in verschiedenen Kantonen ausgesprochenen Strafen, die neue Strafe eingeschlossen, verlangen könnte. Dieses Ziel liesse sich aber auch mit der vom Kanton Basel-Stadt vorgeschlagenen Lösung nicht vollständig erreichen. Die Zuständigkeit der Begnadigungsbehörden verschiedener Kantone bliebe in vielen Fällen gleichwohl bestehen, so bei Strafen, die in verschiedenen Kantonen unbedingt ausgesprochen oder bei Strafen für Taten, welche nicht während der Probezeit verübt worden sind. Hinzu kommt, dass es mehr oder weniger von Zufälligkeiten abhinge, bei welcher Begnadigungsbehörde die Gesuche vereinigt würden. Bleibt es hingegen bei der Zuständigkeit des Kantons, der das Haupturteil gefällt hat, so ist es in der Regel der Kanton, wo der Täter die betreffende Tat oder wenigstens eine mit der Strafe zusammenhängende Tat verübt hat. Zwischen dem Gemeinwesen, dessen Ordnung durch die Tat gestört wurde, und dem Gemeinwesen, das die Strafe erlassen soll, ist damit ein sachlicher Zusammenhang gewahrt.
c) Die vom Kanton Basel-Stadt vorgeschlagene Zuständigkeitsordnung hätte sodann eine Verschiebung der Begnadigungskompetenz zwischen der Bundesversammlung und den kantonalen Begnadigungsbehörden zur Folge, könnte doch unter Umständen eine kantonale Behörde eine durch das Bundesstrafgericht bedingt ausgesprochene Strafe erlassen und umgekehrt. Das stünde im Widerspruch zu
Art. 394 StGB
, wonach sich die Begnadigungskompetenz nach der Gerichtsbarkeit richtet; diese orientiert sich weitgehend nach der bundesstaatlichen Aufgabenverteilung. Die Bundesgerichtsbarkeit ist vorwiegend für Delikte vorgesehen, die in Rechtsgüter eingreifen, deren Wahrung dem Bund übertragen ist (vgl.
Art. 340 StGB
). Es entspricht einer sinnvollen Aufgabenausscheidung, wenn allein die Bundesbehörden darüber befinden können, ob in solchen Fällen ohne Schaden für die Interessen des Bundes Gnade vor Recht ergehen kann. Diese Ausscheidung ist denn auch im Verhältnis zur militärischen Gerichtsbarkeit gewahrt (
BGE 98 Ia 222
E. 2, 3).
BGE 101 Ia 281 S. 285
Würde man entsprechend der Auffassung des Kantons Basel-Stadt annehmen, die Behörde des Widerrufskantons sei zur Begnadigung zuständig, so könnte diese Behörde eine Strafe aufheben, die das Gericht eines andern Kantons ausgesprochen hat. Damit würde dem Widerrufskanton eine Kompetenz übertragen, die weiter ginge als die Widerrufskompetenz. Die Übertragung der Widerrufskompetenz gemäss
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 Satz 1 StGB
erfolgte aus der Überlegung, dass der spätere Richter, der sich vor Ausfällung seines Urteils ohnehin mit der Persönlichkeit des Angeklagten zu befassen hat, besser als der frühere Richter in der Lage ist, darüber zu entscheiden, ob der bedingte Strafvollzug zu widerrufen oder ob die Strafe allenfalls durch andere, in
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB
vorgesehene Massnahmen zu ersetzen sei (
BGE 98 Ia 222
E. 2). Diesem Motiv käme im Begnadigungsverfahren nur dann eine Bedeutung zu, wenn der spätere Richter mit der Begnadigungsbehörde identisch wäre, was natürlich nicht der Fall ist. Muss aber die Begnadigungsbehörde für ihren Entscheid ohnehin Gerichtsakten beiziehen oder beim Richter zusätzliche Berichte einholen, so spielt es keine Rolle, ob sie hiefür einen Richter des eigenen oder eines andern Kantons angehe. Es sprechen somit gewichtige Gründe dafür, die Begnadigungskompetenz auch im Falle des Widerrufs des bedingten Strafvollzuges gemäss
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 3 Satz 1 StGB
bei der Behörde desjenigen Kantons zu belassen, in welchem die bedingt aufgeschobene Strafe ausgesprochen wurde.
Ist demnach unter der "Begnadigungsbehörde des Kantons" im Sinne von
Art. 394 lit. b StGB
die Behörde desjenigen Kantons zu verstehen, dessen Richter die durch Begnadigung zu erlassende Strafe durch rechtskräftiges Urteil auferlegt hat, so verletzte der Kanton Basel-Stadt den bundesrechtlichen Anspruch des Beschwerdeführers auf Behandlung seines Begnadigungsgesuchs, wenn er darauf nicht eintrat. Die Beschwerde ist daher gegenüber dem Kanton Basel-Stadt gutzuheissen und dieser zur Behandlung des vom Beschwerdeführer gestellten Begnadigungsgesuchs zuständig zu erklären.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Kanton Basel-Stadt richtet, gutgeheissen und der Kanton Basel-Stadt als zuständig erklärt, über das Begnadigungsgesuch zu befinden. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
675fc566-d763-4751-9f8d-a40f449036e3 | Urteilskopf
81 II 502
78. Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. November 1955 i. S. Göldlin gegen Brunner. | Regeste
Vorkaufsrecht an einem realen Teil eines Grundstücks.
Form des Vorkaufsvertrags (
Art. 216 OR
).
Vormerkung eines solchen Rechts im Grundbuch (
Art. 681 ZGB
).
Notwendiger Vertragsinhalt.
Genügende Bezeichmmg des Grundstücksteils, auf den das Vorkaufsrecht sich bezieht? Ausübung des Vorkaufsrechts im Falle, dass nicht bloss dieser Teil, sondern das ganze Grundstück verkauft wird.
Wie bestimmt sich in einem solchen Falle der vom Berechtigten zu bezahlende Preis? Richterliche Zusprechung des Eigentums an den Berechtigten? | Sachverhalt
ab Seite 502
BGE 81 II 502 S. 502
A.-
Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 15. Januar 1948 verkaufte Göldlin, dem damals die aneinandergrenzenden
BGE 81 II 502 S. 503
Grundstücke Parz. Nr. 459 (Willimatthof), 460 (Willimatt) und 664 in Sursee gehörten, das zuerst genannte Grundstück an Brunner. Der Vertrag bestimmte u.a. wörtlich:
"6. Zu Gunsten der Parzelle Nr. 459 wird zu Lasten der Parzelle Nr. 664 und eine südliche Parzelle (von Parz. Nr. 460) von ca. 700 m2 eine Gewerbebeschränkung für eine öffentliche Autogarage oder Autowerkstätte oder ein sonstiges lärmendes Gewerbe errichtet. Dieses Recht ist im Grundbuch einzutragen.
7. Der Verkäufer räumt dem Käufer auf den oben bezeichneten Parzellen Nr. 664 und von Parz. 460 (ca. 700 m2) ein Vorkaufsrecht ein. Dieses Vorkaufsrecht ist im Grundbuch einzutragen."
Der Kaufvertrag wurde am 17. Februar 1948 in das Grundbuch eingetragen. Auf dem Blatt für das Grundstück Nr. 460 wurde vorgemerkt: "Vorkaufsrecht an 700 m2 zG. Fritz Brunner ... bis 19. Januar 1958."
B.-
Am 14. Oktober 1954 verkaufte Göldlin das Grundstück Nr. 460 (Willimatt) im Umfange von 10 724 m2, das aus Wiesland und der seiner nordöstlichen Grenze folgenden Willimattstrasse besteht, nebst dem mit dieser Liegenschaft nicht zusammenhängenden Strassengrundstück Nr. 963 im Ausmass von 274 m2 zu einem Gesamtpreise von Fr. 70'000.-- an Frau Lehmann, die ihm am 12. August 1954 bereits das neben dem Willimatthof liegende, aus 646 m2 Wiesland bestehende Grundstück Nr. 664 zu Fr. 25'000.-- abgekauft hatte. Der Kaufvertrag vom 14. Oktober 1954 erwähnt unter den Dienstbarkeiten und Grundlasten u.a. ein "Fahrwegrecht (4,50 m Breite) zG. Nr. 973", das beim Verkauf dieser von Nr. 460 abgetrennten Parzelle an die Katholische Kirchgemeinde gemäss Vertrag vom 9. Februar 1954 begründet worden war, sowie das durch den Kaufvertrag vom 12. August 1954 errichtete Fahrwegrecht zugunsten von Nr. 664, und bestimmt in Ziffer 7, dass die Käuferin (Frau Lehmann) dem Verkäufer (Göldlin) auf der verkauften Parzelle Nr. 460 ein im Grundbuch vorzumerkendes Vorkaufsrecht für die Dauer von zehn Jahren einräume.
BGE 81 II 502 S. 504
Am 23. Oktober 1954 richtete Brunner an das Grundbuchamt Sursee sowie an Göldlin und Frau Lehmann folgendes Schreiben:
"Mit Zuschrift vom 21. crt. teilt mir das Grundbuchamt Sursee mit, dass die Parzelle No. 460 des Grundbuches Sursee von Herrn Göldlin an Frau Lehmann verkauft worden ist.
Laut Eintragung im Grundbuch habe ich auf dieser Parzelle ein Vorkaufsrecht für 700 m2 südlich, anstossend an mein Grundstück auf dessen Breite.
Zu Ihrer Orientierung teile ich Ihnen mit, dass ich von diesem Vorkaufsrecht Gebrauch mache.
Ich ersuche Sie hievon Vormerk nehmen zu wollen. Gleichzeitig bitte ich um Mitteilung, wann, wohin und an wen ich mein Betreffnis für fragl. 700 m2 zu vergüten habe."
Göldlin liess Brunner antworten, er betrachte das Vor kaufsrecht als ungültig, da es "in wesentlichen Punkten ...
viel zu wenig bestimmt oder bestimmbar" sei.
C.-
Hierauf leitete Brunner am 9. November 1954 gegen Göldlin Klage ein mit den Begehren:
"1. Der Beklagte habe dem Kläger gegen Bezahlung von Fr. 6.52 pro m2 auf dem Grundstück Willimatt, Parzelle Nr. 460 Grundbuch Sursee, eine Parzelle von 700 m2, gelegen südlich der Parzelle des Klägers Nr. 459, in einer Anstosslänge von 24 m und einer Tiefe von 29.15 m zu überlassen und ihm das Eigentum daran einzuräumen.
2. Der Richter habe dem Kläger an der sub 1 erwähnten Parzelle das Eigentum zuzusprechen."
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage und verlangte eventuell: a) es sei festzustellen, dass ihm "an der dem Kläger zu Eigentum übertragenen Parzelle von 700 m2 des Grundstücks Nr. 460 ... ein Vorkaufsrecht zustehe, welches im Grundbuch vorzumerken ist"; b) der Kläger habe ihm einen Kaufpreis von Fr. 15.- pro m2 zu bezahlen. Das Amtsgericht Sursee hiess die Klagebegehren und das Eventualbegehren a) des Beklagten gut. Das Obergericht des Kantons Luzern, an das nur der Beklagte appellierte, hat am 2. Juni 1955 "in Bestätigung des angefochtenen Urteils (mit redaktioneller Ergänzung)" erkannt:
"1. Der Beklagte hat dem Kläger vom Grundstück Willimatt, Parzelle No. 460 des Grundbuches Sursee, eine Parzelle von 700 m2 zum Preis vo n Fr. 6.52 pro m2 zu Eigentum zu
BGE 81 II 502 S. 505
überlassen. Diese Parzelle, deren gegenüberliegende Seiten parallel verlaufen, schliesst nordseits in ihrer vollen Breite von 24 m an die Südseite der Liegenschaft Willimatthof, Parzelle No. 459, an, während die östliche Längsseite fadenrichtig in Verlängerung der Ostseite der Parzelle No. 459 entlang der Willimattstrasse verläuft.
2. Das Eigentum an der unter Ziff. 1 umschriebenen Parzelle wird hiemit dem Kläger ... zugesprochen.
3. Es wird festgestellt, dass auf der dem Kläger gemäss Ziff. 1 und 2 hievor zugesprochenen Parzelle ein Vorkaufsrecht des Beklagten besteht, das im Grundbuch vorzumerken ist.
4. Mit den abweichenden Begehren sind die Parteien abgewiesen."
D.-
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage, eventuell Bestätigung von Ziffer 3 des obergerichtlichen Urteils und Festsetzung des vom Kläger zu bezahlenden Kaufpreises auf Fr. 15.- pro m2.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Streitwert.)
2.
Art. 216 OR
bestimmt in Abs. 1 und 2, dass Kaufverträge, die ein Grundstück zum Gegenstand haben, Vorverträge sowie Verträge, die ein Kaufrecht oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück begründen, zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung bedürfen, und fügt in Abs. 3 bei, Vorkaufsverträge seien "schon" in schriftlicher Form gültig. Damit ist implicite gesagt, dass Vorkaufsverträge in formeller Hinsicht auch dann gültig sind, wenn sie nicht in schriftlicher Form gemäss
Art. 12 ff. OR
errichtet, sondern öffentlich beurkundet wurden, wie es im vorliegenden Falle geschehen ist. Im übrigen trägt der öffentlich beurkundete Kaufvertrag vom 15. Januar 1948, worin der Kläger sich das streitige Vorkaufsrecht ausbedungen hat, die Unterschriften der Parteien. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob mit v. TUHR /SIEGWART (OR I 222) anzunehmen sei, die Schriftform könne immer durch öffentliche Beurkundung ersetzt werden, oder ob die Auffassung von OSER /SCHÖNENBERGER (N. 27 zu
Art. 11 OR
) den Vorzug verdiene,
BGE 81 II 502 S. 506
wonach die öffentliche Beurrkundung unter Vorbehalt gesetzlicher Vorschriften, welche die beiden Formen für bestimmte Fälle als gleichwertig erklären, dann nicht an die Stelle der Schriftlichkeit im Sinne von
Art. 12 ff. OR
treten kann, wenn nach kantonalem Recht die öffentliche Urkunde die Unterschriften der Parteien nicht enthalten muss (und sie dementsprechend nicht enthält).
3.
Nach dem Grundsatze der Vertragsfreiheit (
Art. 19 OR
) ist es ohne weiteres möglich, ein Vorkaufsrecht zu vereinbaren, das sich nur auf einen bestimmten realen Teil eines Grundstücks bezieht. Es ist aber auch zulässig, ein solches Vorkaufsrecht gemäss
Art. 681 ZGB
im Grundbuch vorzumerken, ohne vorher den in Frage stehenden Grundstücksteil als besonderes Grundstück ins Grundbuch aufzunehmen. Sogar gewisse dingliche Rechte, nämlich Dienstbarkeiten, die nur auf einem Teil eines Grundstücks ruhen, können ja ohne grundbuchliche Verselbständigung dieses Teils eingetragen werden. Um so eher muss ein persönliches Recht im Sinne von Art. 959, das sich nur auf einen Grundstücksteil bezieht, vorgemerkt werden können (so auch LEEMANN, 2. Aufl., N. 11 zu
Art. 681 ZGB
; OSTERTAG, 2. Aufl., N. 8 zu
Art. 945 ZGB
; Entscheid der Justizkommission des luzernischen Obergerichts vom 17. September 1942 in Maximen IX Nr. 85; Jahresbericht 1951 des zürcherischen Notariatsinspektorats in ZGBR 33 S. 152 Nr. 7). Die Auffassung HAABS, wonach sich die Vormerkung eines auf einen realen Grundstücksteil begrenzten Vorkaufsrechts nur in der Weise bewerkstelligen lässt, dass entweder das Grundstück vorher parzelliert oder aber ein auf das ganze Grundstück bezügliches Vorkaufsrecht vorgemerkt und dessen Ausübung durch Begründung einer persönlichen Verpflichtung des Berechtigten auf den fraglichen Teil beschränkt wird (N. 31 zu Art. 681 /82 ZGB), schafft unnötige Komplikationen. Der Umstand, dass das Vorkaufsrecht im Vertrag vom 15. Januar 1948 nicht für das ganze Grundstück Nr. 460, sondern nur für einen Teil davon stipuliert und im Grundbuch mit dieser Beschränkung
BGE 81 II 502 S. 507
vorgemerkt wurde, macht also dieses Recht und dessen Vormerkung keineswegs ungültig.
4.
Bei der Begründung eines Vorkaufsrechts, das sich auf einen realen Teil eines Grundstücks beziehen soll, bildet die Begrenzung dieses Teils ohne Zweifel einen wesentlichen Punkt im Sinne von
Art. 2 Abs. 1 OR
. Das Zustandekommen des Vorkaufsvertrags setzt also die Einigung hierüber voraus. Ausserdem ist für die Gültigkeit des Vertrags notwendig, dass die Willenserklärungen über diesen Punkt in der für den Vorkaufsvertrag vorgeschriebenen Form zum Ausdruck gebracht worden sind (vgl.
BGE 68 II 233
und dortige Zitate sowie
BGE 75 II 148
und
BGE 78 II 224
, wonach bei formbedürftigen Geschäften alle objektiv und subjektiv wesentlichen Vertragsabreden dem Formzwang unterliegen). Die Gültigkeit der streitigen Vorkaufsklausel hängt also davon ab, ob ihr entnommen werden kann, welcher Teil des Grundstücks Nr. 460 vom Vorkaufsrecht erfasst wird. Dabei sind die allgemeinen Grundsätze über die Auslegung von Verträgen massgebend. Neben dem Wortlaut der streitigen Klausel sind also auch der Zusammenhang, in dem sie steht, sowie die weitern Verumständungen in Betracht zu ziehen.
Ziffer 7 des Kaufvertrags vom 15. Januar 1948 nennt als Gegenstand des Vorkaufsrechts die "oben bezeichneten Parzellen Nr. 664 und von Parz. Nr. 460 (ca. 700 m2)." In der vorausgehenden Ziffer, auf die hier ausdrücklich verwiesen wird, ist neben der heute nicht interessierenden Parzelle Nr. 664 "eine südliche Parzelle (von Parz. Nr. 460) von ca. 700 m2" erwähnt. Es ist klar, dass unter dem in Ziff. 7 verwendeten Ausdruck "Parzelle ... von Parz. Nr. 460 (ca. 700 m2)" diese "südliche" Parzelle zu verstehen ist. Der Einwand des Beklagten, dass es nicht angehe, zur Interpretation der Bestimmung über das Vorkaufsrecht auf eine andere Ziffer des Kaufvertrags zurückzugreifen, ist unverständlich. Der Vorinztanz ist auch darin beizustimmen, dass mit dieser südlichen Parzelle von ca. 700 m2 nach den Umständen vernünftigerweise nur
BGE 81 II 502 S. 508
eine an das vom Kläger erworbene Grundstück Nr. 459 südlich (genauer: südöstlich) anstossende viereckige Parzelle dieses Ausmasses gemeint sein kann, deren Nord(west)seite mit der Süd(ost)seite des Grundstücks Nr. 459 übereinstimmt, deren (Nord)ostseite in geradliniger Verlängerung der entsprechenden Grenze des Grundstücks Nr. 459 der Willimattstrasse folgt und deren gegenüberliegende Seiten parallel sind. Die Angabe, dass die Parzelle "ca." 700 m2 messen soll, ist dahin auszulegen, dass bei der Abgrenzung Bruchteile eines Quadratmeters vernachlässigt werden dürfen. Die so bestimmte Parzelle weist, da die Grenze gegenüber dem Grundstück Nr. 459 24 m misst, zwischen dieser und der gegenüberliegenden Grenze einen Abstand von 29,15 m auf. Unter vernünftiger Berücksichtigung der bestehenden Grenz- und Lageverhältnisse ausgelegt, gibt also der Vertrag vom 15. Januar 1948 eindeutig darüber Auskunft, auf welchen Teil des Grundstücks Nr. 460 das Vorkaufsrecht des Klägers sich bezieht. Die Vorinstanz stellt im übrigen noch fest, dass Stadtschreiber Randegger, der diesen Vertrag beurkundete, nach seinem Zeugnis der Auffassung war, die 700 m2 seien "entlang der Willimattstrasse in der Breite der Parzelle Nr. 459" zu messen, und dass "bei Abschluss des Vertrages vom 15. Januar 1948 auch für den Beklagten die Anstosslänge und der Verlauf der Ostseite gegebene Grössen waren." Diese tatsächlichen Feststellungen bekräftigen die schon aus den objektiven Umständen sich ergebende Auslegung.
Der Einwand des Beklagten, dass die Vorkaufsklausel den Gegenstand des Vorkaufsrechts nicht genügend bezeichne, ist demnach unbegründet.
5.
Der Beklagte lässt heute mit Recht gelten, dass nicht nur der Verkauf des in Frage stehenden Grundstücksteils, sondern auch der Verkauf der ganzen Parzelle Nr. 460 einen Vorkaufsfall bildet. Dass der Kaufvertrag mit Frau Lehmann hinfällig werde, wenn diese nicht die ganze Parzelle Nr. 460 erhält, hat der Beklagte nie behauptet;
BGE 81 II 502 S. 509
offenbar mit Grund nicht, da Frau Lehmann angesichts der Vormerkung von vornherein mit dieser Möglichkeit rechnen musste. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob ein solcher Hinfall des Kaufvertrags das Vorkaufsrecht irgendwie zu beeinflussen vermöchte.
6.
Die Auffassung des Beklagten, dass mindestens für den Fall des Verkaufs des ganzen Grundstücks Nr. 460 der Kaufpreis für die dem Vorkaufsrecht unterliegende Parzelle als essentiale negotii in der Vorkaufsklausel hätte festgesetzt werden müssen, ist unzutreffend. Der Kaufpreis kann im Vorkaufsvertrag und in der Vormerkung festgesetzt werden (sog. limitiertes Vorkaufsrecht), muss es aber nicht. Fehlt diese Angabe, wie es im vorliegenden Falle zutrifft, so ist der Preis dem Kaufvertrag zu entnehmen, mit dem der aus dem Vorkaufsvertrag Verpflichtete sein Grundstück verkauft hat (vgl.
Art. 681 Abs. 1 ZGB
), hier also dem Vertrag mit Frau Lehmann.
7.
Es kann schliesslich auch keine Rede davon sein, dass die Vorkaufsklausel einen wesentlichen Punkt nicht regle, weil darin nicht bestimmt ist, wie die auf dem ganzen Grundstück Nr. 460 liegenden Belastungen (insbesondere Strassenbauverpflichtungen und Wegdienstbarkeiten) zu verteilen sind. Dieser Einwand kann schon deshalb nicht geschützt werden, weil die Ausführungen in der Berufungsschrift über die angeblichen Strassenbaupflichten als neue Vorbringen unzulässig sind (
Art. 55 lit. c OG
) und der "Bebauungsplan", den der Beklagte im kantonalen Verfahren erwähnt hat, gemäss seiner Überschrift nur einen "Vorschlag" für die Parzellierung der Willimatte darstellt, dem gemäss unwidersprochener Feststellung des Amtsgerichts die behördliche Genehmigung fehlt, und weil die Ausführungen des Beklagten über die Wegdienstbarkeiten mangels näherer Angaben über den Verlauf der Wege nicht genügend substantiiert sind. Hievon abgesehen musste der Vorkaufsvertrag über die Verteilung dieser Dienstkarkeitsbelastungen keine Bestimmungen enthalten, ja konnte dies überhaupt nicht, weil
BGE 81 II 502 S. 510
die vom Beklagten erwähnten Wegrechte erst nach dem 15. Januar 1948 errichtet worden sind. Wenn und soweit die zulasten des Grundstücks Nr. 460 bestellten Dienstbarkeiten auf der Vorkaufsparzelle ruhen und dem Kläger trotz der Vormerkung des Vorkaufsrechts entgegengehalten werden können, hat dieser sie von Gesetzes wegen zu übernehmen. (Zum Einfluss der Teilung des belasteten Grundstücks auf die Dienstbarkeiten vgl.
Art. 744 ZGB
und
Art. 86 GBV
, zur Wirkung der Vormerkung persönlicher Rechte
Art. 959 Abs. 2 ZGB
.) Wie es sich damit im vorliegenden Falle verhalte, kann im heutigen Verfahren, an dem die Dienstbarkeitsberechtigten nicht teilnehmen, nicht entschieden werden.
Ist die Vorkaufsklausel demnach gültig und stellt der Verkauf des Grundstücks Nr. 460 an Frau Lehmann einen Vorkaufsfall dar, so hat der Kläger, der die Ausübungserklärung rechtzeitig abgegeben hat, auf Überlassung der beschriebenen Parzelle von ca. 700 m2 Anspruch.
8.
Der vom Kläger zu bezahlende Preis muss sich, wie schon gesagt, nach dem Kaufvertrag mit Frau Lehmann richten. Dabei kann, da dieser Vertrag keinerlei Anhaltspunkte für eine andere Bewertung der Vorkaufsparzelle bietet, nur der Durchschnittspreis pro m2 der gesamten am 14. Oktober 1954 an Frau Lehmann verkauften Bodenfläche massgebend sein. Der Kläger hat diesen in der Klage irrtümlich etwas zu hoch auf (Fr. 70'000: 10 724 =) Fr. 6.52 statt auf (Fr. 70'000: 10 998 =) Fr. 6.36 berechnet, wobei ihn die kantonalen Gerichte behaftet haben. Sollten zwischen den einzelnen Teilen des Grundstücks Nr. 460 Wertunterschiede bestehen, was vom Beklagten behauptet wird, aber bestritten und nicht festgestellt ist, so hätte der Beklagte der Anwendung des Durchschnittspreises dadurch vorbeugen können, dass er entweder bei Bestellung des Vorkaufsrechts einen bestimmten Preis ausbedungen oder (worauf das Amtsgericht hingewiesen hat) das Grundstück vor dem Verkauf an Frau Lehmann parzelliert und die Preise für die einzelnen Teile dem Werte gemäss abgestuft hätte. Dass dies
BGE 81 II 502 S. 511
rechtsmissbräuchlich gewesen wäre, wie er meint, trifft wenigstens dem Grundsatze nach nicht zu. Da der Beklagte solche Vorkehren unterlassen hat, muss er nun eben dem Kläger die fragliche Parzelle zum Durchschnittspreis überlassen, was ihm übrigens gar keinen Nachteil verursacht, wenn ihm Frau Lehmann den Rest zu dem um (700 x Fr. 6.52 =) Fr. 4564.-- verminderten vertraglichen Kaufpreise abnimmt. Zu welchem Preis er die Parzelle Nr. 664 verkaufen konnte, ist unerheblich.
Da der Kaufvertrag mit Frau Lehmann bestimmt, dass die Wertzuwachssteuern, die Handänderungsgebühren usw. von beiden Vertragsparteien zu gleichen Teilen getragen werden, muss dies mit Bezug auf das Teilstück von 700 m2 auch für die heutigen Prozessparteien gelten. Für die Preisbestimmung spielen diese Kosten aber keine Rolle.
9.
Das von der Vorinstanz mit Dispositiv 2 gutgeheissene Klagebegehren 2, mit dem die richterliche Zusprechung des Eigentums an der Vorkaufsparzelle verlangt worden war, hat der Kläger heute im Hinblick auf die in
BGE 78 II 360
Erw. 4 erwähnte Praxis fallen gelassen. Es hätte im übrigen auf jeden Fall deshalb nicht geschützt werden können, weil diese Parzelle noch nicht als ein besonderes Grundstück ins Grundbuch aufgenommen wurde und demzufolge noch einen Bestandteil der Liegenschaft Nr. 460 bildet, an dem bis zur grundbuchlichen Abtrennung kein Sondereigentum bestehen kann. Der Richterspruch im Sinne von
Art. 665 ZGB
kann nur allenfalls die dem Veräusserer obliegende Anmeldung zur Eintragung des neuen Eigentümers, keinesfalls dagegen die Parzellierung ersetzen.
10.
Dispositiv 3 des obergerichtlichen Urteils ist wie schon die entsprechende Bestimmung des amtsgerichtlichen Urteils vom Kläger nicht angefochten worden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass Dispositiv 2 des Urteils des Obergerichtes des Kantons
BGE 81 II 502 S. 512
Luzern, I. Kammer, vom 2. Juni 1955 aufgehoben wird. Im übrigen wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Urteil bestätigt. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
67616649-9d2f-4745-a9cb-386a9f781b34 | Urteilskopf
125 V 377
62. Auszug aus dem Urteil vom 29. November 1999 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen G. und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen | Regeste
Art. 3 Abs. 3,
Art. 8 Abs. 2 AHVG
;
Art. 19 AHVV
: Beitragsbefreiung wegen Geringfügigkeit des Einkommens aus Nebenerwerb.
Das Führen des Familienhaushaltes durch einen verheirateten Ehegatten gilt als Haupttätigkeit, welche zur Beitragsbefreiung für ein geringfügiges Einkommen aus einer nebenberuflich ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt. | Sachverhalt
ab Seite 377
BGE 125 V 377 S. 377
A.-
Die verheiratete G. führt den Haushalt, während ihr Ehemann erwerbstätig ist. Daneben arbeitet sie ca. 3 Stunden pro Woche bei sich zu Hause als selbstständige Physiotherapeutin. Mit Verfügung vom 9. Juni 1997 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen G. zur Bezahlung des AHV/IV/EO-Mindestbeitrages von je Fr. 390.-- für die Jahre 1996 und 1997 (eingeschlossen Fr. 12.-- Verwaltungskostenbeitrag).
BGE 125 V 377 S. 378
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde schrieb das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 19. Februar 1998 in Bezug auf das Beitragsjahr 1996 als gegenstandslos ab und hiess sie in Bezug auf das Beitragsjahr 1997 gut.
C.-
Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Verfügung der Ausgleichskasse für das Beitragsjahr 1997 sei unter Aufhebung des kantonalen Entscheids zu bestätigen.
G. lässt sich nicht vernehmen. Die Ausgleichskasse schliesst auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Mit der 10. AHV-Revision wurde altArt. 3 Abs. 2 lit. b AHVG, wonach die nichterwerbstätigen Ehefrauen von Versicherten von der Beitragspflicht befreit waren, aufgehoben. Neu eingefügt wurde Abs. 3, wonach u.a. bei nichterwerbstätigen Ehegatten von erwerbstätigen Versicherten (lit. a) die eigenen Beiträge als bezahlt gelten, sofern der Ehegatte Beiträge von mindestens der doppelten Höhe des Mindestbeitrages bezahlt hat. Sofern eine verheiratete Person als Nichterwerbstätige beitragspflichtig ist, bemessen sich ihre Beiträge auf Grund der Hälfte des ehelichen Vermögens und Renteneinkommens (
Art. 28 Abs. 4 AHVV
, in Kraft seit 1. Januar 1997).
Beträgt das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit Fr. 7'700.-- oder weniger im Jahr, so ist laut
Art. 8 Abs. 2 AHVG
der Mindestbeitrag von Fr. 324.-- zu entrichten (Satz 1). Der Bundesrat kann anordnen, dass von geringfügigen Einkommen aus einer nebenberuflich ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeit nur auf Verlangen des Versicherten Beiträge erhoben werden (Satz 2). Als geringfügiger Nebenerwerb aus selbstständiger Erwerbstätigkeit gilt nach
Art. 19 AHVV
ein Einkommen, das Fr. 2'000.-- im Kalenderjahr nicht übersteigt.
b) Die Beitragsbefreiung für einen geringfügigen Nebenerwerb im Rahmen des Grenzbetrages setzt - abgesehen vom Einverständnis der Beitragspflichtigen - eine Haupttätigkeit voraus. Diese kann in einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit, darüber hinaus aber auch in einer nichterwerblichen Beschäftigung, namentlich in der Besorgung des Familienhaushaltes bestehen (
BGE 113 V 246
Erw. 4c). Der Aufgabenbereich als Hausfrau und Mutter galt denn auch seit jeher als eine zur Befreiung von der
BGE 125 V 377 S. 379
Beitragspflicht für nebenberuflichen Bagatellerwerb führende Haupttätigkeit (EVGE 1964 S. 145 Erw. 2 mit Hinweisen; ZAK 1954 S. 112, 1951 S. 417). Dementsprechend hielt die Verwaltungsweisung in der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung über den Bezug der Beiträge (WBB) in der bis 31. Dezember 1996 gültigen Fassung fest, dass das von einer Frau erzielte Einkommen, deren Haupttätigkeit im Führen des eigenen Familienhaushaltes bestehe, als Nebenerwerb gelte (Rz. 2087). Mit Inkrafttreten des mit der 10. AHV-Revision eingeführten Grundsatzes der allgemeinen Beitragspflicht der Nichterwerbstätigen (vgl. CADOTSCH, Die 10. AHV-Revision im Bereich der Beiträge, in: CHSS 1996 S. 234) änderte das BSV Rz. 2087 WBB dahingehend ab, dass das Führen des eigenen Familienhaushaltes nicht mehr als Haupterwerb gilt.
c) Verwaltungsweisungen sind für den Sozialversicherungsrichter nicht verbindlich. Er soll sie bei seiner Entscheidung mit berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Er weicht anderseits insoweit von Weisungen ab, als sie mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sind (
BGE 123 V 72
Erw. 4a,
BGE 122 V 253
Erw. 3d, 363 Erw. 3c, je mit Hinweisen).
2.
a) Streitig ist, ob Versicherte, die zur Hauptsache einen Haushalt führen, die Beitragsbefreiung für geringfügiges Einkommen aus einer nebenberuflich ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeit gemäss
Art. 8 Abs. 2 Satz 2 AHVG
in Verbindung mit
Art. 19 AHVV
weiterhin beanspruchen können. Im Hinblick auf die Aufhebung der Beitragsbefreiung der nichterwerbstätigen Ehefrau im Rahmen der 10. AHV-Revision wurde Rz. 2087 WBB dahingehend geändert, dass die Führung des eigenen Familienhaushaltes nicht mehr als für die Beitragsbefreiung vorausgesetzte Haupttätigkeit gilt. Es ist zu prüfen, ob die Gesetzesrevision Anlass zu einer Änderung der durch die Rechtsprechung erfolgten Auslegung des im Rahmen der 10. AHV-Revision unverändert belassenen
Art. 8 Abs. 2 Satz 2 AHVG
im Sinne der modifizierten Rz. 2087 WBB geben kann.
b) Das BSV macht in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Wesentlichen geltend, nach der bisherigen Rechtsprechung setze eine nebenberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit begriffsnotwendig einen Hauptberuf voraus, und zwar eine unselbstständige Erwerbstätigkeit. Ausnahmen hätten bloss zu Gunsten nichterwerbstätiger Ehefrauen und Witwen gegolten, deren Hauptbeschäftigung in der Besorgung ihres eigenen Familienhaushaltes bestehe,
BGE 125 V 377 S. 380
welchem Wirken die Bedeutung eines Berufes beigemessen werde. Die Ausnahmen beruhten ohne den geringsten Zweifel darauf, dass nichterwerbstätige Ehefrauen von Versicherten sowie nichterwerbstätige Witwen bis Ende 1996 generell nicht beitragspflichtig gewesen seien. Auf nicht von der Beitragspflicht als Nichterwerbstätige befreite Personen mit einer nichterwerblichen Haupttätigkeit sei
Art. 19 AHVV
denn auch nie angewendet worden, also insbesondere nicht auf allein stehende Personen sowie auf Frauen, deren Ehemann der schweizerischen Versicherung nicht unterstellt gewesen sei. Administrativ-organisatorische Überlegungen seien zur Begründung der Rechtsprechung bloss hilfsweise herangezogen worden. Ausserdem gelte es zu beachten, dass
Art. 8 Abs. 2 AHVG
eine Ausnahme vom Grundsatz schaffe, wonach von jedem Erwerbseinkommen Beiträge zu erheben seien, und deshalb keine ausdehnende Interpretation ertrage.
Art. 8 Abs. 2 Satz 2 AHVG
und
Art. 19 AHVV
hätten zwar in der 10. AHV-Revision keine Änderungen erfahren. Jedoch sei in deren Rahmen der Grundsatz der allgemeinen Beitragspflicht eingeführt worden. Folgerichtig seien die erwähnten generellen Beitragsbefreiungen für nichterwerbstätige Ehefrauen und Witwen aufgehoben worden. Im Zuge der erforderlichen Bereinigungen im Zusammenhang mit der 10. AHV-Revision seien deshalb auch die Verwaltungsweisungen betreffend Nebenerwerb an die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst worden. Unter Berücksichtigung auch des Umstandes, dass
Art. 8 Abs. 2 AHVG
nicht ausdehnend ausgelegt werden sollte, sei die Praxisänderung begründet, weil trotz
Art. 3 Abs. 3 AHVG
längst nicht mehr alle Ehefrauen von Versicherten von der Beitragspflicht als Nichterwerbstätige befreit seien. Nachdem
Art. 3 Abs. 2 lit. c AHVG
ersatzlos aufgehoben worden sei, gelte Entsprechendes erst recht für die nichterwerbstätigen Witwen. Fehl gehe weiter die Meinung, bei Nichtanwendung von
Art. 19 AHVV
würden die betroffenen Personen um die Beitragsbefreiungsmöglichkeit nach
Art. 3 Abs. 3 AHVG
gebracht. Die Befreiung nach
Art. 3 Abs. 3 AHVG
beziehe sich nur auf die Beiträge als Nichterwerbstätige, nie auf solche, die - wie diejenigen nach
Art. 8 AHVG
- auf dem Erwerbseinkommen erhoben würden. Nichterwerbstätig könne selbstverständlich auch sein, wer auf dem Erwerbseinkommen den Mindestbeitrag entrichtet habe. Nicht einzuleuchten vermöge, weshalb in einem solchen Fall eine verheiratete Person hinsichtlich der Beiträge, die sie als Nichterwerbstätige grundsätzlich schulde, nicht von der Befreiung nach
Art. 3 Abs. 3 AHVG
profitieren könne. Es treffe denn auch nicht zu, dass der Begriff
BGE 125 V 377 S. 381
der Nichterwerbstätigkeit nicht einheitlich ausgelegt werde. Administrative Gründe vermöchten dagegen nicht aufzukommen. Darauf abgestützte Argumente träten mit der fortschreitenden Entwicklung der EDV ohnehin immer mehr in den Hintergrund.
c) Auszugehen ist vom Zweck der in
Art. 8 Abs. 2 Satz 2 AHVG
vorgesehenen Beitragsbefreiung wegen Geringfügigkeit des Einkommens aus Nebenerwerb und der dazu ergangenen Rechtsprechung. Der Gesetzgeber führte diese Beitragsbefreiung "im Interesse der Vereinfachung der Verwaltung und zwecks Vermeidung einer zu weit gehenden Erfassung kleiner und kleinster Nebenverdienste" ein (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 9. Juni 1950, BBl 1950 II 193; ausführlich zur Entstehungsgeschichte
BGE 113 V 244
ff. Erw. 4b; vgl. auch
BGE 125 V 5
Erw. 4c). In ZAK 1951 S. 417 und 1954 S. 112 befand das Eidg. Versicherungsgericht, dass im vorliegenden Zusammenhang auch das Wirken als Hausfrau und Mutter die Bedeutung eines Berufes habe, sodass die in untergeordnetem Umfang erwerbstätige Hausfrau die Beitragsbefreiung in Anspruch nehmen könne. Dabei wurde der grundsätzlichen Beitragspflicht bei Erwerbstätigkeit die Beitragsbefreiung der nichterwerbstätigen Ehefrauen von Versicherten einerseits und für nebenberufliche Tätigkeit anderseits gegenübergestellt. Beide Beitragsbefreiungsgründe wurden bei nebenberuflicher Tätigkeit einer im Hauptberuf als Hausfrau und Mutter tätigen Versicherten als gegeben erachtet, und es wurde darauf hingewiesen, dass es sich mit der gesetzlich statuierten Beitragsbefreiung der nichterwerbstätigen Hausfrauen schlecht vertragen würde, wenn sie wegen einer untergeordneten Nebenbeschäftigung doch beitragspflichtig würden. Zum gleichen Schluss würden administrativ-organisatorische Überlegungen führen. In EVGE 1964 S. 146 Erw. 3 wurde die verwaltungsökonomische Begründung in den Vordergrund gestellt. Die Rechtsprechung wurde in
BGE 113 V 246
Erw. 4c schliesslich dahingehend zusammengefasst, dass die zur Beitragsbefreiung vorausgesetzte Haupttätigkeit in einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit, darüber hinaus aber auch in einer nichterwerblichen Beschäftigung, namentlich in der Besorgung des Familienhaushaltes, bestehen könne.
Diese Überlegungen bleiben unter dem neuen Recht nach wie vor aktuell. Das Eidg. Versicherungsgericht nahm in ZAK 1951 S. 417 nebst anderen Begründungen
BGE 125 V 377 S. 382
auch Bezug auf die Beitragsbefreiung der nichterwerbstätigen Ehefrau, die nicht aufgehoben werden dürfe, indem diese Versicherten wegen eines geringfügigen Nebenverdienstes beitragspflichtig erklärt würden, obwohl das Gesetz Nebentätigkeiten grundsätzlich nicht der Beitragspflicht unterstelle. Zwar sind die nichterwerbstätigen Ehegatten gemäss dem seit 1. Januar 1997 in Kraft stehenden
Art. 3 Abs. 3 AHVG
nicht mehr beitragsbefreit. Indessen gilt laut
Art. 3 Abs. 3 lit. a AHVG
ihr Beitrag als bezahlt, sofern der in der AHV versicherte Ehegatte Beiträge von mindestens der doppelten Höhe des Mindestbeitrages bezahlt hat. Diese neue gesetzliche Bestimmung würde ebenso wie die aufgehobene von
Art. 3 Abs. 2 lit. b AHVG
unterlaufen, wenn der zur Hauptsache nichterwerbstätige Ehegatte einer versicherten Person auf einer geringfügigsten Erwerbstätigkeit Beiträge bezahlen müsste. Sodann haben die verwaltungsökonomischen Gründe nicht an Bedeutung verloren (vgl. hiezu die bei GION PIEDER CASAULTA/ROLF LINDENMANN, Vollzugsprobleme rund um das AHVG, in: SZS 1998 S. 237 f. geschilderten Beispiele). Entscheidendes Gewicht kommt jedoch dem Umstand zu, dass das Wirken als Haufrau und Mutter auch unter dem neuen Recht die Bedeutung eines Berufes hat, was in den rentenbildenden Erziehungs- und Betreuungsgutschriften (
Art. 29sexies und
Art. 29septies AHVG
) zum Ausdruck kommt. Eine Änderung der Rechtsprechung zu
Art. 8 Abs. 2 Satz 2 AHVG
lässt sich daher nicht mit dem im Rahmen der 10. AHV-Revision eingeführten Grundsatz der allgemeinen Beitragspflicht der Nichterwerbstätigen rechtfertigen. Unter diesen Umständen erweist sich Rz. 2087 WBB als gesetzwidrig. | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
67632951-116d-4e3c-a4f7-eaa622503c3c | Urteilskopf
88 II 247
36. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Juni 1962 i.S. X gegen Vormundschaftsbehörde Y. | Regeste
Beiratschaft (
Art. 395 ZGB
).
Voraussetzungen ihrer Anordnung. Übermässiger Aufwand? Berücksichtigung der Vermögenslage zur Zeit der Entscheidung. | Sachverhalt
ab Seite 247
BGE 88 II 247 S. 247
X, geb. 1902, wuchs als Sohn eines Landwirts in einem ca. 30 km von der Kantonshauptstadt entfernten Dorfe auf. Er ist seit 1925 verheiratet und hat zwei Töchter und einen Sohn, die heute ebenfalls verheiratet und wirtschaftlich von ihm unabhängig sind. Er steht zu Frau und Kindern seit längerer Zeit in einem gespannten Verhältnis. Während vieler Jahre war er in zahlreichen Behörden und Organisationen tätig. Nachdem im Jahre 1951 sein Vater gestorben war, übernahm er dessen Heimwesen mit Aktiven und Passiven. Nach dem Testament des Vaters und dem im Testamentsanfechtungsprozess abgeschlossenen Vergleich ist er u.a. verpflichtet, zwei nur reduziert arbeitsfähige Brüder zu beschäftigen und ihnen Nahrung, Kleider, Unterkunft, ein angemessenes Taschengeld und soweit nötig ärztliche Pflege zu gewähren und dem einen von ihnen diese Leistungen auch noch während vier Jahren nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit zukommen zu lassen.
Am 5. August 1960 stellten seine drei Kinder bei der Vormundschaftsbehörde das Begehren, es sei für ihn wegen Misswirtschaft und Verschwendung eine Mitwirkungsbeiratschaft im Sinne von
Art. 395 Abs. 1 ZGB
anzuordnen. Die Ehefrau unterstützte dieses Begehren. Die Bezirksbehörde, bei der die Vormundschaftsbehörde am 31. Oktober 1960 in diesem Sinne Antrag stellte, errichtete mit Beschluss vom 12. Juni 1961 eine Verwaltungsbeiratschaft
BGE 88 II 247 S. 248
im Sinne von
Art. 395 Abs. 2 ZGB
. Die obere kantonale Behörde hat diese Massnahme am 4. Januar 1962 bestätigt mit der Begründung, X habe trotz angespannter Finanzlage, die ihn zu Landverkäufen und zur Aufnahme von Darlehen zu ungünstigen Bedingungen gezwungen habe, einen unsinnigen Aufwand getrieben (Kleider, Automobile, ärztliche Behandlung in einer ca. 90 km entfernten Stadt) und übermässige, unrentable und unüberlegte Investitionen vorgenommen sowie seinem Betrieb nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt; es sei ihm deshalb Verschwendung und Misswirtschaft vorzuwerfen; zur Abwendung oder Minderung der deswegen drohenden Verarmung sei eine Verwaltungsbeiratschaft erforderlich; dass X den stark gestiegenen Verkehrswert seines Heimwesens, für das er ein ernsthaftes Kaufsangebot zum Preise von 2,6 Millionen Franken besitze, in absehbarer Zeit realisieren könne, sei namentlich mit Rücksicht auf das Vorkaufsrecht gemäss EGG, das von der Ehefrau und den Kindern zum weit niedrigeren Schätzungswert im Sinne des LEG ausgeübt werden könne und "sicher" ausgeübt würde, nicht zu erwarten; auf jeden Fall wären zur Bereinigung der Lage ernsthafte Verhandlungen mit den Familienangehörigen nötig, die mit Erfolg selber zu führen X nicht in der Lage sei.
Gegen diesen Entscheid hat X die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, er sei aufzuheben und es sei von vormundschaftlichen Massnahmen ihm gegenüber abzusehen; eventuell sei die Sache zur Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem hat er den Entscheid der obern kantonalen Behörde mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
(Willkür und Verweigerung des rechtlichen Gehörs bei der Ermittlung des Tatbestandes) angefochten.
In Gutheissung der Berufung hebt das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid und die dadurch bestätigte Anordnung einer Verwaltungsbeiratschaft auf.
BGE 88 II 247 S. 249
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Nach
Art. 57 Abs. 5 OG
wird die Entscheidung über die Berufung in der Regel bis zur Erledigung einer staatsrechtlichen Beschwerde ausgesetzt. So vorzugehen, ist jedoch nicht nötig, falls das mit der Berufung gestellte Rechtsbegehren aus Gründen des Bundesrechts sogar dann geschützt werden muss, wenn auf die mit der staatsrechtlichen Beschwerde angefochtenen tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde abgestellt wird.
2.
Auf Grund der Tatsachen, welche die Vorinstanz festgestellt hat, kann dem Berufungskläger der Vorwurf nicht erspart werden, in den letzten Jahren einen Aufwand getrieben zu haben, der zu seinen flüssigen Mitteln in einem Missverhältnis stand und zumal in einer ländlichen Gegend als weit übersetzt anmuten konnte (Auslagen für Kleider in der Zeit von 1956 bis 1960 nahezu Franken 20'000.--; Kauf von sechs zum Teil teuren Automobilen - jeweilen zum Ersatz des bisher benützten Wagens - in der Zeit von 1952 bis 1960). Auch erscheinen einige der Investitionen, die er in seinem Landwirtschaftsbetrieb vornahm, beim festgestellten Sachverhalt als ungeschickt.
Eine Beiratschaft kann jedoch nur angeordnet werden, wenn sie sich heute noch als im Sinne von
Art. 395 ZGB
notwendig erweist. Diese Notwendigkeit lässt sich nicht schon damit begründen, dass ein wenig haushälterisches und nicht immer zweckmässiges Wirtschaften einen Vermögensrückgang befürchten lässt. Das Institut der Beiratschaft ist nicht dazu bestimmt, den künftigen Erben das anwartschaftliche Vermögen zu erhalten. Eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit im Sinne von
Art. 395 ZGB
erscheint vielmehr nur dann als notwendig, wenn mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die in Frage stehende Person durch die selbständige Durchführung von Geschäften im Sinne von Art. 395 Abs. 1 oder durch die Art ihrer Vermögensverwaltung ihre wirtschaftliche
BGE 88 II 247 S. 250
Existenz sowie diejenige der Angehörigen, für die sie aufzukommen hat, ernstlich gefährde (vgl.
BGE 78 II 336
f.). Bei Prüfung der Frage, ob dies der Fall sei, muss die Vermögenslage berücksichtigt werden, wie sie sich im Zeitpunkt der Entscheidung darbietet. Hieran ist der Aufwand zu messen.
Der Berufungskläger war nun zur Zeit der Ausfällung des angefochtenen Entscheides mindestens potentiell ein sehr reicher Mann. Bei einem Vermögen von zwei bis drei Millionen Franken können Aufwendungen, wie sie ihm vorgeworfen werden, die wirtschaftliche Existenz nicht gefährden, auch wenn sie das landesübliche Mass übersteigen.
Der Reichtum des Berufungsklägers liegt freilich in Liegenschaften, deren Verwertung zum heutigen Verkehrswert im Hinblick auf das gesetzliche Vorkaufsrecht der Ehefrau und der Kinder möglicherweise einigen Schwierigkeiten begegnen wird. Angesichts der gewaltigen Spanne zwischen Verkehrswert und Schätzungswert nach LEG, die sich aus dem Interesse an einer Überbauung erklärt, ist jedoch anzunehmen, dass die Verwertung sei es des ganzen Heimwesens, sei es einzelner Parzellen in absehbarer Zeit dennoch gelingen wird. Den Vorkaufsberechtigten ist letztlich so wenig wie dem Berufungskläger daran gelegen, dem Hof den Charakter eines landwirtschaftlichen Gewerbes zu erhalten. Sobald sie einsehen müssen, dass die Sicherung ihrer Erbanwartschaften kein genügender Grund zu vormundschaftlichen Massnahmen sein kann, wird der Weg zu einer vernünftigen Verständigung frei sein. Dann werden auch die Mittel zu einer angemessenen Abfindung oder Sicherstellung der Brüder, für die der Berufungskläger nach Massgabe des väterlichen Testaments und des Prozessvergleichs zu sorgen hat, verfügbar werden.
Dass der Berufungskläger weiterhin übertriebene Aufwendungen für seinen Betrieb machen oder mangels genügender Sorge dafür Schaden erleiden werde, ist kaum
BGE 88 II 247 S. 251
zu befürchten, nachdem er aus gesundheitlichen Gründen die Bewirtschaftung seines Heimwesens zur Hauptsache aufgegeben und sein Land verpachtet hat. Ihm allgemein die Fähigkeit abzusprechen, sein Vermögen zu verwalten, geht bei der gegebenen Sachlage nicht an. Auch wenn ihm die Konjunktur zu Hilfe gekommen ist, scheint er bei der Veräusserung und Wiederbeschaffung von Land, nach dem Ergebnis zu schliessen, im ganzen doch eher eine glückliche Hand gehabt zu haben. Von Unerfahrenheit in geschäftlichen Dingen kann bei ihm angesichts seiner Laufbahn nicht die Rede sein. Seine übertriebene Ausgabenfreudigkeit äusserte sich auf einem verhältnismässig beschränkten Gebiet. Im öffentlichen Leben, wo er offenbar einen Ausgleich dafür suchte, dass er das väterliche Heimwesen erst in vorgerückten Jahren übernehmen konnte, hätte er sich im übrigen als ein Mann von einfacher bäuerlicher Herkunft ohne besonders hervorstechende Gaben kaum behaupten können, wenn er nicht über gesunden Menschenverstand und eine gewisse Willenskraft verfügen würde. Darum darf auch angenommen werden, dass er aus dem vorliegenden Verfahren für sein künftiges Verhalten eine nützliche Lehre ziehen werde.
Nach alledem ist die Anordnung einer Verwaltungsbeiratschaft nicht notwendig und daher nicht gerechtfertigt. - Sollte der Berufungskläger, wie in der Eingabe vom 5. August 1960 behauptet worden ist, seiner Ehefrau das Haushaltungsgeld nur frankenweise geben, während er seine persönlichen Bedürfnisse reichlich befriedigt, so könnte sich die Ehefrau an den Eheschutzrichter wenden (
Art. 169 ff. ZGB
). Wenn er für ihren Unterhalt nicht pflichtgemäss sorgen würde, könnte sie überdies nach
Art. 183 Ziff. 1 ZGB
die Gütertrennung verlangen. | public_law | nan | de | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6766aea9-fcfe-42dc-9713-c92c9fd4376a | Urteilskopf
81 III 14
5. Estratto della sentenza 17 febbraio 1955 nella causa Carmine. | Regeste
Lohnpfändung.
1. Abzug von Arzt- und Apothekerkosten bei Berechnung des Existenzminimums (Erw. 2).
2. Dem Betreibungsamte steht nicht zu, nach Abzug des Existenzminimums vom Einkommen des Schuldners den pfändbaren Betrag auf Grund billigen Ermessens noch mehr zu ermässigen (Erw. 3).
3. Grundsätzlich wirkt eine Erhöhung der Lohnpfändung auf den Tag des Pfändungsvollzuges zurück. Ausnahme (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 15
BGE 81 III 14 S. 15
A.-
In un'esecuzione promossa dagli eredi fu Giacomo Carmine contro Silvio Carmine, a Bellinzona, l'ufficio di esecuzione di questa città pignorò lo stipendio percepito dal debitore nella misura di fr. 150 al mese, a contare dal luglio 1954.
Con istanza 30 settembre 1954, i creditori procedenti chiesero un pignoramento complementare. L'ufficio vi procedette il 21 ottobre seguente e confermò la trattenuta sullo stipendio nell'importo precedentemente stabilito.
Statuendo in data 31 dicembre 1954 sul reclamo interposto dai creditori contro l'operato dell'ufficio, l'Autorità cantonale di vigilanza determinò la trattenuta mensile in fr. 250 a far tempo dal momento in cui la decisione sarebbe cresciuta in giudicato. A giustificazione di quest'aumento, la giurisdizione cantonale osservò che le entrate deldebitore, integrate dalle contribuzioni della madre e della suocera alla pigione, ammontavano a fr. 821,25 al mese, che il minimo di esistenza per la famiglia del debitore era di fr. 541,25 (minimo per coniugi con una figlia quattordicenne fr. 400, pigione fr. 100, spese mediche e farmaceutiche fr. 41,25) e che il residuo pignorabile di fr. 280 doveva essere staggito solo limitatamente a fr. 250.
B.-
I creditori procedenti hanno deferito questa decisione alla Camera di esecuzione e dei fallimenti del Tribunale federale.
Erwägungen
Considerando in diritto:
2.
La posta per spese mediche e farmaceutiche, di cui tien conto l'accertamento del minimo indispensabile, non è motivata nella decisione querelata. Secondo i ricorrenti, essa potrebbe essere ammessa alla deduzione
BGE 81 III 14 S. 16
soltanto se si trattasse di oneri straordinari, presupposto che non ricorrerebbe però in concreto, le spese fatte valere essendo per così dire ordinarie e pertanto comprese nel minimo di esistenza. La giurisprudenza autorizza una deduzione a titolo di spese mediche e farmaceutiche quando sono prevedibili, per esempio in caso di malattie croniche (cf. Rivista dell'Associazione dei giuristi bernesi, vol. 76 p. 343; JAEGER/DAENIKER, Schuldbetreibungs- und Konkurspraxis, vol. I p. 202). Le risultanze degli atti - segnatamente il certificato del medico chirurgo dott. R. d'Apuzzo attestante delle spese mediche e farmaceutiche di circa fr. 100 al mese - consentono di ritenere che nella fattispecie la deduzione litigiosa era giustificata.
3.
La decisione querelata è criticata dai ricorrenti anche perchè, accertato un residuo pignorabile di fr. 280 al mese, ha fissato la trattenuta di stipendio a soli fr. 250 Questa critica è fondata. Nessuna disposizione legale autorizzava l'autorità cantonale, dopo il defalco del minimo di esistenza dalle entrate del debitore, a procedere in via equitativa a un'ulteriore riduzione della quota pignorabile.
- L'autorità cantonale ha giudicato che l'aumento della trattenuta sullo stipendio avrebbe avuto effetto a far tempo dal momento in cui la sua decisione sarebbe cresciuta in giudicato. Con ragione i ricorrenti insorgono contro questo modo di vedere. In massima, un siffatto aumento ha efficacia retroattiva al giorno del pignoramento complementare. In concreto però, nella misura in cui posteriormente al 21 ottobre 1954 la parte dello stipendio non staggita è stata versata al debitore, non esiste più un credito pignorabile. Finchè l'aumento della trattenuta non era stato notificato al datore di lavoro, questi poteva pagare l'intera eccedenza di stipendio al suo dipendente. Così facendo, il datore di lavoro ha soddisfatto ai suoi obblighi e non può quindi essere tenuto a versare nuovamente una parte dello stipendio all'ufficio di esecuzione. I ricorrenti avrebbero potuto ovviare a tale situazione
BGE 81 III 14 S. 17
chiedendo che al ricorso fosse accordato effetto sospensivo, il quale avrebbe dovuto consistere nell'ingiunzione al datore di lavoro di trattenere provvisoriamente in proprie mani o deporre presso l'ufficio un determinato importo dell'eccedenza di salario oltre la quota pignorata. Ciò non essendo avvenuto, l'aumento della trattenuta potrà esplicare retroattivamente i suoi effetti soltanto in quanto il datore di lavoro debba ancora dello stipendio all'escusso per i mesi passati; nel rimanente, l'efficacia di tale aumento sarà limitata al futuro.
Dispositiv
La Camera di esecuzione e dei fallimenti pronuncia:
Il ricorso è parzialmente accolto e la querelata decisione riformata nel senso che la trattenuta mensile è determinata in fr. 280 a contare dal 21 ottobre 1954 a norma dei considerandi. Pel rimanente il ricorso è respinto. | null | nan | it | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
67678309-ce64-4dc0-975c-7df9f89e52f9 | Urteilskopf
118 Ia 415
57. Estratto della sentenza 24 giugno 1992 della I Corte di diritto pubblico nella causa M.X. c. Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Art. 147 Abs. 2 des Tessiner Gesetzes betreffend Wahlen und Abstimmungen vom 23. Februar 1954 (LVE); Wahl von Mitgliedern des Appellationsgerichtes (Tribunale di appello).
1. Eine Vorbereitungsmassnahme für eine Abstimmung oder eine Wahl muss in der Regel unverzüglich angefochten werden, noch bevor deren Ausgang bekannt wird (
Art. 85 lit. a und
Art. 89 OG
) (E. 2a-b).
2.
Art. 86 OG
: Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges: Ausnahmen davon (E. 3).
3. System der Proporzwahl: Verfassungskonformität von Art. 147 Abs. 2 LVE.
a) Diese Bestimmung, welche die Zahl der kumulierten und panaschierten Stimmen (voti preferenziali) beschränkt, ist nicht unvereinbar mit dem Proporzsystem, welches naturgemäss die Parteien privilegiert (E. 6a-d).
b) Im Tessiner Proporzwahlsystem führt eine solche Regelung zu keiner Ungleichbehandlung zwischen grossen und kleinen Parteien und deren Wählern (E. 6e). | Sachverhalt
ab Seite 416
BGE 118 Ia 415 S. 416
Nel Cantone Ticino i membri del Tribunale di appello - che è composto attualmente di 20 giudici e di 12 supplenti - sono nominati dal popolo per un periodo di dieci anni: la nomina ha luogo in un unico circondario costituito dall'intero Cantone, col sistema proporzionale (art. 45 cpv. 1 della Costituzione cantonale del 4 luglio 1830, riordinata il 29 ottobre 1967 [Cost./TI]; art. 1bis della legge organica giudiziaria civile e penale del 24 novembre 1910 giusta la modifica del 22 maggio 1990). Le modalità dell'elezione sono precisate agli
art. 145 a 154
lett. a della legge sull'esercizio del diritto di voto, sulle votazioni e sulle elezioni del 23 febbraio 1954 (LVE).
L'art. 147 LVE è stato modificato da una novella dell'11 novembre 1991, entrata in vigore il 20 dicembre 1991, al fine di essere applicato alle elezioni di febbraio 1992. La modifica consisteva soltanto nell'aggiunta di un capoverso 2 che rinvia, per quanto riguarda le modalità dell'espressione del voto, alle norme speciali applicabili all'elezione del Gran Consiglio e che limita le possibilità di esprimere voti preferenziali. Essa ha eliminato anche la possibilità di stralciare un candidato della lista (cd. livragazione), ritenuta poco dignitosa per i magistrati dell'ordine giudiziario.
Il Consiglio di Stato, con decreto del 18 dicembre 1991, pubblicato nel Foglio ufficiale (FU) del 20 dicembre 1991, ha convocato per domenica 16 febbraio 1992 le assemblee dei Comuni per eleggere i giudici e i supplenti del Tribunale di appello, indicando altresì il termine per depositare le candidature. Con risoluzione del 28 gennaio 1992 il Governo, constatato che per l'elezione dei 12 supplenti erano state presentate un numero di candidature pari a quelle degli eleggendi, li ha
BGE 118 Ia 415 S. 417
proclamati eletti tacitamente. Inoltre, esso ha preso atto che erano state presentate sei liste comprendenti 24 candidati e che non erano state dichiarate congiunzioni di liste. La risoluzione governativa con le liste delle candidature e i nomi dei proponenti è apparsa sul FU del 31 gennaio 1992.
L'elezione ha avuto luogo il 16 febbraio 1992. L'Esecutivo cantonale ha constatato i risultati con verbale di accertamento del 25 febbraio 1992, pubblicato nel FU n. 17 del 28 febbraio successivo. Esso ha accertato la ripartizione dei 20 seggi spettanti alle diverse liste, indicando poi che eventuali ricorsi contro l'elezione dovevano essere presentati al Gran Consiglio entro 15 giorni dalla pubblicazione del citato verbale.
Con ricorso di diritto pubblico del 14 febbraio 1992 il lic.iur. M.X., domiciliato a C., ha chiesto al Tribunale federale di annullare la votazione cantonale e di accertare che l'art. 147 LVE viola il diritto di voto dei cittadini. Egli sostiene, in sostanza, che questa disposizione avrebbe privato l'elettore, concretamente, della possibilità di votare per un numero di candidati pari al numero degli eleggendi e che la limitazione di esprimere voti preferenziali favorirebbe indebitamente i grandi partiti a scapito delle piccole formazioni.
Il Governo, per sé e in rappresentanza del Gran Consiglio, ha postulato la reiezione del gravame, in quanto ammissibile. Nella replica e nella duplica le parti hanno ribadito le proprie conclusioni.
Il Tribunale federale ha respinto il ricorso in quanto ammissibile.
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
a) In conformità dell'
art. 89 cpv. 1 OG
anche i ricorsi di cui all'
art. 85 OG
devono essere proposti entro 30 giorni dalla comunicazione ufficiale dei risultati. Rimangono evidentemente riservati i casi in cui il diritto cantonale istituisce un rimedio di diritto preliminare, tali ricorsi essendo ammissibili, di regola, soltanto contro decisioni cantonali di ultima istanza (
art. 86 OG
).
In materia di elezioni e votazioni vige tuttavia il principio secondo cui l'interessato deve, di massima, impugnare immediatamente le disposizioni dell'autorità che stabiliscono le modalità della consultazione popolare senza attendere il risultato dello scrutinio; se omette di farlo allorché ne aveva la possibilità, egli si espone al rischio della perenzione dell'impugnativa (
DTF 110 Ia 178
consid. 2a e rinvii,
DTF 98 Ia 70
consid. 2a). Il termine di ricorso inizia quindi a decorrere,
BGE 118 Ia 415 S. 418
in questa ipotesi, al momento in cui l'interessato ha avuto conoscenza dell'atto preparatorio ritenuto viziato. In effetti, sarebbe contrario sia al principio della buona fede che a quello dell'economia delle procedure democratiche attendere il risultato del voto per impugnare poi irregolarità anteriori di cui si poteva esigere la rettifica prima della consultazione popolare. Evidentemente, colui che ha impugnato immediatamente un atto preparatorio con ricorso di diritto pubblico è dispensato dal proporne un secondo contro il risultato dello scrutinio, se il gravame non ha potuto essere trattato prima dello svolgimento dell'elezione, poiché l'effetto sospensivo non è stato richiesto o conferito; in tal caso il ricorso può essere considerato, implicitamente, diretto anche contro il risultato del voto stesso (
DTF 116 Ia 364
consid. 2c e rinvio).
b) Nel caso di specie il Consiglio di Stato sostiene che il ricorrente avrebbe dovuto impugnare il decreto di convocazione delle assemblee comunali per l'elezione litigiosa del 18 dicembre 1991 in quanto costituirebbe il primo atto preparatorio dello scrutinio. L'obiezione non è pertinente. Infatti, l'obbligo d'impugnare immediatamente un atto preparatorio s'impone soltanto qualora risulti in modo chiaro che l'atto contestato è suscettibile, obiettivamente, d'influenzare il corretto svolgimento del voto. Ora, il citato decreto fissava semplicemente la data dello scrutinio, retto segnatamente dal nuovo art. 147 cpv. 2 LVE, come pure il termine per depositare le candidature. Sulla base di tale decreto nessuno poteva sapere che, concretamente, l'applicazione di tale norma avrebbe comportato per gli elettori le censurate restrizioni. In quel momento nulla escludeva, in teoria, che le liste depositate dai proponenti fossero concepite in modo tale da rendere inesistenti o irrilevanti le criticate limitazioni. Del resto, allora, non era affatto escluso che l'elezione potesse avvenire in forma tacita ai sensi dell'art. 37 LVE.
La fattispecie è invece diversa per quanto attiene alla risoluzione del 28 gennaio 1992 con cui il Governo ha accertato il deposito delle liste. In quel momento il ricorrente sapeva che i cittadini sarebbero stati chiamati alle urne: inoltre egli poteva valutare l'effettiva portata della censurata restrizione. È tuttavia superfluo chiedersi se tale decreto costituisse o no un atto preparatorio da impugnare immediatamente: infatti, il ricorso è stato interposto entro trenta giorni dalla pubblicazione della risoluzione, termine che non era ancora scaduto alla data del voto.
3.
Il ricorrente non ha esaurito, deliberatamente, il corso delle istanze cantonali. Ora, l'esigenza del previo esaurimento dei rimedi
BGE 118 Ia 415 S. 419
di diritto cantonali sancita dall'
art. 86 OG
, salvo eccezioni che qui non interessano (cpv. 2) e cui la novella del 4 ottobre 1991 non ha cambiato la natura, è applicabile anche ai ricorsi per violazione dei diritti politici (DTF
DTF 102 Ia 266
consid. 2). Tuttavia, secondo la costante prassi, possono essere ammesse deroghe a tale regola qualora l'economia della procedura l'imponga. Ciò è il caso quando sussistono seri dubbi riguardo all'ammissibilità di un rimedio di diritto cantonale (
DTF 110 Ia 213
consid. 1 e rinvii), o se tale obbligo condurrebbe il ricorrente a far inutilmente uso di un simile rimedio, esistente di fatto, ma il cui inoltro costituirebbe soltanto una vana formalità (
DTF 103 Ia 363
consid. 1a,
DTF 93 I 21
consid. 2; CHRISTOPH HILLER, Die Stimmrechtsbeschwerde, tesi, Zurigo 1990, pag. 207 segg.). Quest'ultima ipotesi si verifica ad esempio allorché è impugnata come anticostituzionale l'applicazione di un disposto emanato dalla stessa autorità cantonale di ricorso o da essa approvato, cui sarebbe pertanto inutile indirizzarsi (
DTF 66 I 7
in medio,
DTF 38 I 438
consid. 1,
DTF 94 I 591
consid. 1).
In concreto questa giurisprudenza, confermata ancora recentemente (
DTF 114 Ia 265
consid. 2a-d), è chiaramente applicabile. Il ricorrente non pretende infatti che l'art. 147 cpv. 2 LVE sia stato applicato in modo erroneo da parte del Governo, ma censura l'attuazione pratica di questa norma, a suo dire anticostituzionale. Ora, questo disposto è stato applicato per la prima volta nell'ambito dello scrutinio litigioso in vista del quale, per di più, esso è stato adottato dal Gran Consiglio l'11 novembre 1991. Era quindi manifestamente inutile rivolgersi al Parlamento, che l'art. 107 LVE istituisce come autorità generale di ricorso contro le votazioni o elezioni cantonali, per chiedergli di accertare che il testo legale da esso adottato tre mesi prima viola la libertà di voto dei cittadini. Evidenti ragioni di economia processuale permettevano pertanto di rivolgersi direttamente al Tribunale federale.
6.
a) In concreto, il ricorrente censura soltanto la modifica introdotta dall'art. 147 cpv. 2 LVE che, limitando il numero dei voti preferenziali, non consente, in pratica, all'elettore ticinese di votare per un numero di candidati pari a quello dei giudici da eleggere e di comporre, in tal modo, secondo i suoi desideri, la totalità del Tribunale di appello. Ne risulterebbe una disparità di trattamento fra i grandi e i piccoli partiti - a suo dire sfavoriti -, poiché i gruppi che hanno proposto un maggior numero di candidati offrirebbero, a tal riguardo, una più ampia possibilità di scelta che gli altri. Nell'ambito dell'elezione litigiosa il cittadino disponeva infatti al massimo di
BGE 118 Ia 415 S. 420
17 suffragi nominativi differenti, ipotesi realizzata se sceglieva la lista n. 1 del partito liberale radicale ticinese (ossia sette candidati oltre a dieci voti preferenziali); per converso, qualora sceglieva la lista civica n. 5 l'elettore poteva votare soltanto per undici candidati, ovvero per l'unico candidato oltre a dieci voti preferenziali. Il Governo non contesta tale circostanza ma sostiene che il sistema criticato, compatibile con il sistema della proporzionale, non viola l'
art. 45 cpv. 1 Cost./TI
né la libertà di voto garantita dal diritto federale.
b) Giusta l'art. 147 LVE, concernente il quoziente elettorale e le modalità di elezione, nelle elezioni giudiziarie col sistema del voto proporzionale la ripartizione degli eletti fra i vari gruppi si esegue in base al quoziente elettorale costituito dalla somma totale dei voti ottenuti dai singoli gruppi divisi per il numero dei membri da eleggere (cpv. 1).
Secondo il capoverso 2 del citato disposto, per l'espressione del voto sono applicabili le norme sull'elezione del Gran Consiglio, ritenuto che possono essere espressi voti preferenziali fino ad un massimo corrispondente alla metà degli eleggendi, e se il numero di quest'ultimi non è divisibile per due, viene arrotondato alla cifra superiore.
Il capoverso 3 precisa che sono inoltre applicabili per analogia le norme sull'elezione del Gran Consiglio relative al quoziente elettorale, alla ripartizione dei seggi in caso di liste congiunte, alla designazione dopo la ripartizione e all'elezione in difetto di subentranti, mentre il capoverso 4 stabilisce che la proclamazione degli eletti avviene analogamente alle disposizioni di cui all'art. 138.
c) Gli articoli 5 e 6 cpv. 2 lett. b Cost. impongono ai cantoni di assicurare l'esercizio dei diritti politici giusta le forme repubblicane-rappresentative o democratiche. In virtù dell'
art. 74 cpv. 4 Cost.
il sistema di voto proporzionale può essere istituito liberamente per le elezioni cantonali. L'attuazione pratica può avvenire in diversi modi che il legislatore cantonale, in assenza di altre indicazioni costituzionali, può scegliere liberamente; in questo campo il Tribunale federale non può sostituirsi all'autorità cantonale ma interviene soltanto quando una determinata soluzione non sia più compatibile con il sistema proporzionale e violi pertanto la Costituzione. Tale sistema ha per scopo di assicurare ai diversi gruppi una rappresentanza proporzionale alla loro reale importanza nel corpo elettorale, indipendente dalla volontà della maggioranza (
DTF 109 Ia 207
consid. 5b,
DTF 107 Ia 220
consid. 3a,
DTF 103 Ia 561
). Ovviamente, in questo sistema, la rappresentanza de gruppi, generalmente i partiti politici, predomina
BGE 118 Ia 415 S. 421
sulla composizione nominativa degli organi sottomessi periodicamente a elezione. L'adozione del sistema proporzionale limita infatti, attraverso la presentazione di liste, la facoltà di scelta dell'elettore. Il Tribunale federale ha già avuto modo di precisare che sono quindi compatibili con tale sistema ad esempio, in ogni caso se presi singolarmente, l'obbligo di deporre liste di candidati entro un determinato termine, escludendo in tal modo la possibilità di votare per altri cittadini cui l'elettore non può dare - validamente - il proprio suffragio (
DTF 98 Ia 72
consid. 3c), l'obbligo di denominare queste liste con il nome del gruppo o del partito politico che le ha deposte, quello di scegliere soltanto fra l'una o l'altra di queste liste, come pure il divieto di radiare candidati (sentenza del 5 dicembre 1983 in re R. parzialmente pubblicata in RDAT 1984 n. 3, consid. 2 e 3).
d) Per quanto qui interessa, giusta l'art. 147 cpv. 2 LVE, il voto in oggetto è retto dalle norme applicabili all'elezione del Gran Consiglio e quindi, in particolare, anche da quelle, quali lex specialis, dell'art. 4 cpv. 3 della legge sulle elezioni politiche del 30 ottobre 1958 (LEP) relative all'espressione del voto. In conformità di quest'ultimo disposto, l'elettore può esprimere voti preferenziali da una parte a candidati del gruppo prescelto e, dall'altra, a candidati di altri gruppi (cd. panachage). L'art. 147 cpv. 2 LVE restringe tuttavia il numero di tali voti, che si aggiungono ai voti corrispondenti al numero di candidati di ciascuna lista, a un massimo corrispondente alla metà del numero degli eleggendi (cfr. anche l'
art. 4 cpv. 4 LEP
), ovvero dieci nel caso di specie. Questa limitazione è dettata senza dubbio dalla volontà del legislatore di evitare un'eccessiva dispersione dei suffragi e una disparità troppo grande fra i candidati di una stessa lista, motivi che possono costituire interessi generali degni di protezione.
Il panachage, compatibile con il sistema del voto proporzionale, vi introduce un elemento di scrutinio maggioritario permettendo all'elettore di personalizzare in modo limitato la propria scelta favorendo un determinato candidato, sia che questi figuri sulla lista che ha scelto (cumulo) sia su un'altra. Questa libertà consente al cittadino di prendere in considerazione, al di là dell'appartenenza politica di un candidato, le qualità personali, professionali e morali che gli riconosce. La critica del ricorrente riguardo alla limitazione del panachage, che non permette all'elettore di comporre integralmente l'organo di cui è invitato a scegliere i membri, è speciosa. In effetti, ciò che è decisivo, come rettamente sottolineato dal Governo nella risposta, è
BGE 118 Ia 415 S. 422
che l'elettore dispone di un numero di suffragi uguale al numero dei mandati da rinnovare, entrando in linea di conto, ai fini del conteggio, sia i voti emessi, vale a dire i suffragi ottenuti dai singoli candidati sia i voti non emessi, cioè i suffragi non espressi a favore di candidati e spettanti ad ogni lista in conformità dell'art. 79 LVE (cfr.
art. 11 LEP
). Quindi, se una lista contiene un numero di candidati inferiore a quello dei seggi che le spettano, i proponenti o il loro rappresentante hanno la facoltà di completarla fino al numero dei seggi che le sono stati assegnati (art. 126 LVE in relazione all'art. 147 cpv. 3 LVE). Ne segue che, per l'addizione dei voti emessi e non emessi, l'elettore dispone, in definitiva, quantitativamente di venti suffragi. L'elettore che vota indicando sulla propria lista meno suffragi nominativi che non i seggi da ripartire delega semplicemente ai proponenti della lista che ha scelto una parte della sua facoltà di scelta dei candidati. In tal modo egli riconosce, implicitamente, nel caso in cui il suo partito ottenesse più seggi che non quelli delle candidature deposte, il diritto ai suoi proponenti di designare il mandato in soprannumero che gli spetta: una siffatta delega non è incompatibile con il sistema proporzionale che privilegia per sua natura i partiti.
e) Infine, nel regime ticinese della rappresentanza proporzionale, questo sistema non costituisce una disparità di trattamento, sia fra i grandi e i piccoli partiti, sia fra gli elettori di questi gruppi. Infatti, le loro possibilità di scelta sono le stesse: dal momento ch'essi non hanno la facoltà di cancellare le candidature proposte, non si può affermare che la presentazione di un numero maggiore o minore di candidati per i diversi partiti conferisca agli elettori possibilità di scelta più o meno ampie. | public_law | nan | it | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
676bed67-f23b-421a-abc4-5d83dc171226 | Urteilskopf
82 II 283
41. Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Mai 1956 i.S. Puorger gegen Heinrich. | Regeste
Bau auf fremdem Grundstück. Ersatzansprüche des bauenden Materialeigentümers. Art. 672 Z GB.
1. Wie weit ist
Art. 672 Abs. 2 ZGB
analog anwendbar zu Gunsten eines bauenden Materialeigentümers, insbesondere bei mala fides superveniens des Grundeigentümers? (Erw. 3).
2. Wann ist der bauende Materialeigentümer als gutgläubig zu betrachten? (Erw. 4).
3.
Art. 672 Abs. 1 ZGB
ist dahin zu ergänzen, dass der Grundeigentümer den auf eigene Kosten bauenden gutgläubigen Materialeigentümer nach Ermessen des Richters auch für den ihm ausser dem Materialwert entstandenen Bauaufwand zu entschädigen hat (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 284
BGE 82 II 283 S. 284
A.-
Der in den Siebzigerjahren stehende Clà Puorger-Thun entschloss sich gegen Ende 1950, seinen Grundbesitz in Ramosch schon zu Lebzeiten auf seine fünf Kinder zu übertragen. Es handelte sich um das Wohnhaus (Nr. 62), den Anbau mit Ladenlokal und Restaurant (Nr. 62 A) und den Stall (Nr. 62 B). Am 29. Dezember 1950 wurde ein "act da partiziun" aufgesetzt, der in deutscher Übertragung lautet:
"Die Ehegatten Clà und Anna Puorger-Thun sind nach reiflicher Überlegung zum Entschluss gelangt, bereits heute ihr Haus Nr. 62 A ... zwischen ihren fünf Kindern teilen zu lassen. Die Kinder ziehen unter sich das Los, und diese Losziehung hat ergeben, dass das Haus der Tochter Anna Mengia Heinrich zufällt, welche von heute an einzige Eigentümerin des obgenannten Hauses wird. Zum Haus gehört auch der umliegende Boden, welcher auch
BGE 82 II 283 S. 285
an die Tochter Anna M. übergeht, alles zusammen für den Preis von Fr. 43'100.--. Was den Garten anbelangt, wird dieser heute nicht geteilt, vielmehr wird festgestellt, dass sowohl das Haus 62 A wie das Haus 62 B ihn gemeinsam nutzen können ... Ferner wird bekräftigt, dass die Tochter Anna Mengia vom Recht ausgeschlossen wird, zu gegebener Zeit an der Losziehung über das Haus 62 B teilzunehmen ... Die Eltern haben das Recht, solange sie wollen, im Haus 62 A zu wohnen. Kraft dessen wird vorliegende Urkunde eigenhändig von allen Partnern unterfertigt."
Die Urkunde trägt die Unterschrift der beiden Eltern und der fünf Kinder, ferner die Genehmigung der Vormundschaftsbehörde für den minderjährigen Sohn Lüzza. Auch Men Heinrich, der Ehemann der vom Los begünstigten Tochter Anna Mengia, unterzeichnete mit. Nach der Meinung der Vertragschliessenden sollte die begünstigte Tochter ihre Geschwister durch entsprechende Barbeträge abfinden. Unter der im Vertrag verwendeten Bezeichnung "Haus Nr. 62 A" wurde das Wohnhaus (Nr. 62) mit dem Anbau (Nr. 62 A) verstanden.
B.-
Der Vertrag wurde beim Grundbuchamte zur Eintragung angemeldet. Der Grundbuchführer legte ihn dem kantonalen Grundbuchinspektorat vor, da sich Zweifel über die formelle Gültigkeit erhoben. Er erhielt Bescheid, es handle sich um einen Erbvertrag, der in der Form einer öffentlichen letztwilligen Verfügung abgeschlossen werden müsste, und wies die Anmeldung daher ab.
C.-
Die Parteien gingen jedoch, ohne sich um die Schaffung einer Grundlage für die Eintragung zu kümmern, an den Vollzug ihrer Abmachung. Men Heinrich liess in der Zeit vom April bis September 1951 den einstöckigen Anbau Nr. 62 A um ein Stockwerk erhöhen, um dort mit seiner Frau Wohnung zu nehmen. Ferner errichtete er im Haus Nr. 62 ein Magazin, baute den Keller aus und liess diese Räume mit dem Anbau Nr. 62 A direkt verbinden. Vater Puorger, der bis zum 1. September 1951 Laden und Wirtschaft noch weiterführte, legte beim Aus- und Umbau bisweilen selber mit Hand an. Die gesamten Baukosten stellten sich auf Fr. 43'468.65 und wurden von Men Heinrich bezahlt. Dieser bezog auf den 1. September 1951 mit
BGE 82 II 283 S. 286
seiner Frau die im ersten Stockwerk errichtete Wohnung und übernahm vom Schwiegervater Laden und Wirtschaft. Den Steuerbehörden meldete Vater Puorger im Jahre 1951, er habe sein Vermögen den Kindern abgetreten. Die Steuern für die beiden Grundstücke liess er nun den Schwiegersohn Men Heinrich entrichten. Auf dessen Namen wurde das Haus Nr. 62 A bei der kantonalen Brandversicherungsanstalt umgeschrieben, und er zahlte die Prämien für dieses Haus wie für das Gebäude Nr. 62.
D.-
Im Lauf des Jahres 1952 trat bei Vater Puorger ein Sinneswandel ein. Er hatte von einem verwandten Juristen vernommen, dass der aufgesetzte und allseits unterschriebene Vertrag vom 29. Dezember 1950 aus Formgründen unverbindlich und er Eigentümer der beiden Gebäude geblieben sei. Da sein Sohn Schimun zu dieser Zeit vor der Verehelichung stand und einer Wohnung bedurfte, wollte er nunmehr diesem das Wohnhaus Nr. 62 abtreten und den Eheleuten Heinrich nur noch den Anbau Nr. 62 A überlassen. Er legte Men Heinrich den Entwurf zu einem Kaufvertrage vor, wonach dieser den Anbau in seiner ursprünglichen Gestalt nebst Laden- und Wirtschaftsinventar zum Preise von Fr. 23'100.-- erstehen sollte. Der Entwurf enthielt zudem eine Klausel, laut welcher Keller und Magazin des Hauses Nr. 62 dem Eigentümer des Hauses Nr. 62 A vermietet werden sollten. Im Falle von Unannehmlichkeiten sollte es aber dem Eigentümer des Hauses Nr. 62 freistehen, diese Räumlichkeiten zu kündigen und den Zugang zu vermauern.
E.-
Men Heinrich weigerte sich, zu diesem Vertrage Hand zu bieten. Er beharrte auf einer rechtsgültigen Abfassung und auf der Eintragung des sog. Erbvertrages vom Jahre 1950. Vater Puorger schlug dieses Begehren ab und verkaufte am 6. Juli 1952 das Wohnhaus Nr. 62 dem Sohn Schimun. Dieser kündigte in der Folgezeit dem Schwager Keller und Magazin. Die Eheleute Heinrich entschlossen sich hierauf zum Auszug. Heinrich nahm eine Stelle als Buchhalter in St. Moritz an. Am 10. Juni 1953 erfolgte
BGE 82 II 283 S. 287
unter Mitwirkung des Kreisamtes die Übergabe der Liegenschaften samt Inventar an Clà und Schimun Puorger.
F.-
Am 16. Juli 1953 erhob Men Heinrich gegen seinen Schwiegervater Clà Puorger Klage auf Bezahlung der von ihm aufgewendeten Baukosten von Fr. 43'468.65 nebst Zins zu 5% seit 10. Juni 1953, ferner auf Bezahlung von Fr. 555.34 nebst Zins zu 5% seit 10. Juni 1954 aus Warenlieferung. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bot er vor Bezirksgericht eine Entschädigung von Fr. 20'000.-- für das vom Kläger verbaute Material an.
G.-
Das Bezirksgericht schützte die erste Forderung im herabgesetzten Betrag von Fr. 39'000.-- und die zweite von Fr. 555.34 ganz; sie war anerkannt unter Vorbehalt einer Gegenforderung, auf die das Gericht aus formellen Gründen nicht eintrat. Dem Kläger wurde ferner Zins zugesprochen, jedoch nur zu 3 1/2%.
H.-
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Appellation ein, der sich der Kläger anschloss. Mit Urteil vom 23. August 1955 erhöhte das Kantonsgericht die Forderung aus Einbau auf Fr. 43'443.80 nebst Zins zu 5% seit 10. Juni 1953 und sprach ferner die Forderung aus Warenlieferung von Fr. 544.34 nebst Zins zu 5% seit 16. Juli 1953 zu.
I.-
Mit vorliegender Berufung stellt der Beklagte die Anträge 1. auf Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils, 2. auf bloss teilweise Gutheissung der Klage im Betrage von Fr. 20'555.34 nebst Zins zu 2 1/2% seit 10. Juni 1953, 3. eventuell auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Schätzung des beim Umbau seines Hauses verwendeten Baumaterials, welchen Betrag er nebst Zins zu 3% seit Fälligkeit zu zahlen hätte, 4. und 5. ... (Kosten).
Der Kläger trägt auf Bestätigung des angefochtenen Urteils an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Aktivlegitimation des Klägers zur Geltendmachung des streitigen Entschädigungsanspruches ist
BGE 82 II 283 S. 288
gegeben. Allerdings war das Eigentum an den Grundstücken Nr. 62 und 62 A seiner Ehefrau als Tochter des Beklagten zugedacht. Er selber hat jedoch den Um- und Ausbau auf eigene Kosten ausführen lassen und verlangt nun Ersatz seiner Aufwendungen.
2.
Da das vom Kläger verwendete Material Bestandteil des im Eigentum des Beklagten verbliebenen Grund und Bodens geworden ist (
Art. 667 und 671 Abs. 1 ZGB
) und eine Lostrennung nicht in Frage kommt und denn auch von keiner Seite verlangt worden ist, steht dem Kläger nach
Art. 672 ZGB
grundsätzlich eine Entschädigung zu, die der Beklagte denn auch in bundesgerichtlicher Instanz in einem Betrage von Fr. 20'000.-- anerkennt. Der Streit geht, abgesehen von dem anzuwendenden Zinssatze, nur noch darum, ob der Beklagte bloss den Wert des vom Kläger verwendeten Materials oder alle ihm aus dem Einbau erwachsenen Auslagen im Betrage von Fr. 43'443.80 zu vergüten habe.
3.
Das Kantonsgericht hat dem Kläger vollen Ersatz gewährt in Anwendung von
Art. 672 Abs. 2 ZGB
. Die Begründung geht dahin, der Beklagte sei als bösgläubig zu betrachten, während der Kläger als gutgläubig erscheine. Mit Recht hält jedoch der Beklagte die erwähnte Bestimmung nicht für anwendbar. Der Tatbestand, auf den sie sich unmittelbar bezieht - böser Glaube des bauenden Grundeigentümers - liegt zweifellos nicht vor. Denn gebaut hat nicht der Beklagte, sondern der Kläger. Nun ist freilich Art. 672 Abs. 2 analog anzuwenden, wenn der Grundeigentümer, ohne selber zu bauen, einen andern arglistig fremdes Material einbauen liess, d.h. ihn dazu veranlasste oder ihn gewähren liess, ohne ihn auf seinen Irrtum aufmerksam zu machen. Auch in einem solchen Falle trifft der gesetzgeberische Grund der in der erwähnten Bestimmung vorgesehenen vollen Schadenersatzpflicht zu: bösgläubige Bereicherung seiner selbst zum Nachteil des gutgläubigen Materialeigentümers. Dass aber dem Beklagten ein solches Verhalten nicht vorgeworfen werden
BGE 82 II 283 S. 289
darf, erklärt das Kantonsgericht selbst. Denn es hält es für glaubhaft - was angesichts der Vermutung des guten Glaubens nach
Art. 3 ZGB
genügt -, "dass beide Parteien sogar bis im Frühsommer 1952 der irrigen Meinung waren, dieser Übergang (des Grundeigentums) sei mit der Unterzeichnung des "act da partiziun" vom 29. Dezember 1950 rechtsgültig erfolgt". Wenn das Kantonsgericht dennoch den Beklagten als bösgläubig im Sinne von
Art. 672 Abs. 2 ZGB
betrachtet, so deshalb, weil als bösgläubig nicht nur anzusehen sei, wer einem andern den Einbau in zum voraus böser Absicht gestattet, sondern auch, "wer den Einbauer in der zunächst redlichen Absicht gewähren lässt, diesem das Eigentum am Baugrundstück zu verschaffen, sich dann aber nachträglich wieder zu einem andern entschliesst". Ein solcher Sachverhalt ist aber von Art. 672 Abs. 2 auch bei weitester Auslegung nicht mehr gedeckt. Eine mala fides superveniens des Grundeigentümers könnte im Rahmen dieser Bestimmung nur in Betracht fallen, wenn sie noch während der Bauarbeiten eingetreten wäre, und es liesse sich unter diesem Gesichtspunkt nicht der ganze Aufwand, sondern nur der Mehraufwand (mit allfälligem weiterem Schaden) berücksichtigen, der dem bauenden Materialeigentümer dadurch erwachsen wäre, dass der Grundeigentümer eben nicht, sobald wie tunlich, einen Abbruch der Bauvorkehren veranlasst hätte. Hier aber war der Um- und Ausbau, wie er nun vorliegt, bereits fertig, als der Beklagte, über die Rechtslage belehrt, auf die mit dem nicht formgültigen Vertrag vom 29. Dezember 1950 bekundete Absicht zurückkam.
4.
Der Beklagte möchte seinerseits den Kläger als bösgläubig betrachtet wissen und ihn daher auf eine minimale Vergütung gemäss
Art. 672 Abs. 3 ZGB
verweisen. Bei bösem Glauben des bauenden Materialeigentümers kann danach der Richter "auch nur dasjenige zusprechen, was der Bau für den Grundeigentümer allermindestens wert ist". Nach der oben erwähnten Feststellung des Kantonsgerichtes war aber der Kläger während der ganzen
BGE 82 II 283 S. 290
Bauzeit gleich dem Beklagten der Meinung, seine Frau sei kraft des "act da partiziun" bereits Eigentümerin der beiden Grundstücke geworden. Ob er sich dieser Betrachtungsweise etwas fahrlässig hingab, ist belanglos. Denn jedenfalls baute er mit dem Willen des Eigentümers, also des Beklagten, was nach wiederholten eingehend begründeten Entscheidungen genügt, um ihn als gutgläubig gelten zu lassen (
BGE 53 I 193
,
BGE 57 II 256
). Es ist geradezu rechtsmissbräuchlich, wenn der Beklagte dem Kläger bösen Glauben vorhalten will, nachdem er es gewesen, der die Teilung seines Vermögens mit Zuweisung der beiden Grundstücke an die Tochter Anna Mengia ins Werk gesetzt hatte, bei den Bauarbeiten mithalf, den Steuerbehörden den vermeintlichen Übergang des Eigentums mitteilte und den Kläger fortwährend im Glauben liess, es handle sich um den Um- und Ausbau von Frauengut.
5.
Kommt somit keine der Spezialbestimmungen, Art. 672 Abs. 2 oder Abs. 3, zur Anwendung, so bleibt es bei der allgemeinen Regel von Art. 672 Abs. 1, die den Grundeigentümer verpflichtet, "für das Material eine angemessene Entschädigung zu leisten". Diese Vorschrift bedarf indessen der Ergänzung; denn sie fasst nur das fremde Material ins Auge, sodass die Frage offen bleibt, wie es mit den übrigen Baukosten zu halten sei, die allenfalls dem bauenden Materialeigentümer oder einem Dritten erwachsen sind und deren Gegenwert nun zusammen mit dem Wert des Materials im vollendeten Bau liegt. Bei der Materialvergütung kann es sein Bewenden haben, wenn der Grundeigentümer selber das fremde Material verwendet hat, sodass die übrigen Baukosten ohnehin ihm erwachsen sind. Hat aber der Materialeigentümer, wie hier, auf eigene Kosten eingebaut, so ist dem ihm dadurch entstandenen, zum Wert des Materials hinzugetretenen Aufwande gleichfalls Rechnung zu tragen. Die einschränkende Auslegung des
Art. 672 Abs. 1 ZGB
durch den Beklagten, wonach nur für das Baumaterial "unter Ausschluss sonstigen Bauaufwandes" Entschädigung zu leisten wäre,
BGE 82 II 283 S. 291
entspricht nicht dem Willen des Gesetzes. Wenn dieses nur vom Material spricht, so deshalb, weil die Art. 671 ff. an und für sich nur die Folgen der Akzession regeln. Ein vom Materialeigentümer erbrachter Bauaufwand ist ihm grundsätzlich ebenfalls zu ersetzen, wobei zur Ausfüllung der in Art. 672 Abs. 1 offen gelassenen Lücke vor allem die Grundsätze über die ungerechtfertigte Bereicherung und über die Geschäftsführung ohne Auftrag wegleitend sein müssen. Art. 672 beruht ja auf dem Grundgedanken, dass der sich aus dem Akzessionsprinzip für den Grundeigentümer beim Einbau fremden Materials ergebende Zuwachs, wiewohl nicht grundlos, so doch unverdient und in diesem Sinne ungerechtfertigt ist (
BGE 81 II 431
ff.). Den baulichen Veränderungen liegt nun neben dem dafür beschafften Material die zur Ausführung erforderliche Arbeit zugrunde, wie sie denn auch die vom Kläger vorgelegten Rechnungen ausweisen. Der von Dritten geleisteten Arbeit wurde bereits bei der Ausarbeitung des Gesetzes Beachtung geschenkt (Erl. II 88).
Auch in dieser Hinsicht kann der Richter nach
Art. 672 Abs. 1 ZGB
die gegebenen Umstände nach seinem Ermessen berücksichtigen. Indessen ist das Kantonsgericht, obwohl von Art. 672 Abs. 2 ausgehend, durch Zusprechung der gesamten Baukosten nicht zu weit gegangen. Der Um- und Ausbau, wie ihn der Kläger - vor den Augen des dabei noch mithelfenden Beklagten - vornahm, war nach dem Beweisergebnis zweckmässig und der dafür ergangene Kostenaufwand nicht übersetzt. Es ist recht und billig, den Beklagten zu vollem Ersatz zu verpflichten, was ihn nicht mehr kostet, als wenn er selber sein Grundeigentum so ausgestaltet hätte. Er wendet ein, für ihn habe die bauliche Veränderung nicht soviel Wert. Aber darauf kann es nicht ankommen, nachdem der Kläger im Vertrauen auf seine Erklärungen in guten Treuen gebaut hat. Bei dieser Sachlage kann der gerechte Ausgleich nur in der vollen Entlastung des Klägers bestehen.
6.
Im übrigen ist nur noch der Verzugszins von 5%
BGE 82 II 283 S. 292
streitig, und zwar auch für die als solche vor Bundesgericht vorbehaltlos anerkannte Warenschuld von Fr. 544.34. Allein, das Kantonsgericht hat mit Recht jenen Prozentsatz gemäss dem Klagebegehren gelten lassen. Er ist gesetzlich so bestimmt und gilt, selbst wenn die vertraglichen Zinsen weniger hoch wären (
Art. 104 OR
). Auf diese Weise soll der Schaden vergütet werden, der gewöhnlich aus der Verspätung der Leistung entsteht, und den das Gesetz auf jenen Mindestansatz (unter Vorbehalt eines nachzuweisenden Mehrschadens,
Art. 106 OR
) bemisst.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 23. August 1955 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6771a61c-29d5-4bd4-bcbd-61760a89d212 | Urteilskopf
114 II 310
56. Estratto della sentenza 8 agosto 1988 della I Corte di diritto pubblico nella causa Comunione dei comproprietari del condominio X. c. Comune di Brissago e Gran Consiglio della Repubblica e Cantone del Ticino (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Art. 84 ff. OG
; Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde.
Art. 712t Abs. 2 ZGB
; Vertretungsbefugnis des Verwalters einer Stockwerkeigentümergemeinschaft im Zivilprozess.
1. Notwendigkeit der vorgängigen Ermächtigung der Versammlung der Stockwerkeigentümer im Hinblick auf ein staatsrechtliches Beschwerdeverfahren (E. 2a).
2. Möglichkeit, den Verwalter einer Stockwerkeigentümergemeinschaft, der sich nicht hat ermächtigen lassen, gleich zu behandeln, wie einen Vertreter ohne Vollmacht, dem der Richter eine angemessene Frist anzusetzen hat zur Behebung des Mangels, mit dem die bereits vorgenommenen Prozesshandlungen behaftet sind? (E. 2b).
3. Bejahung der Vertretungsbefugnis des Verwalters im konkreten Fall (E. 2c). | Erwägungen
ab Seite 311
BGE 114 II 310 S. 311
Dai considerandi:
2.
Il Municipio di Brissago ha eccepito in limine la carenza di legittimazione attiva della ricorrente ed ha proposto che il gravame venga dichiarato irricevibile per tal motivo. Esso ha addotto che al gravame è stata unicamente allegata la procura conferita dall'amministratore del condominio X. all'avv. M., mentre l'art. 712t cpv. 2 CC esige - salvo si tratti di procedura sommaria e tale non è quella dipendente da ricorso di diritto pubblico - l'autorizzazione preventiva dell'assemblea dei comproprietari; né può parlarsi nella fattispecie d'un caso urgente ove, in forza dell'ultima frase di questa norma, detta autorizzazione può esser richiesta in un secondo tempo.
a) Secondo il testo italiano e tedesco dell'art. 712t cpv. 2 CC, l'amministratore dev'essere autorizzato a stare in giudizio come attore o convenuto nell'ambito di un processo civile. Pertanto, ci si potrebbe già chiedere se questa esigenza valga anche per la procedura del ricorso di diritto pubblico, che non è una procedura civile: la questione è indubbiamente delicata ed il Tribunale federale non ha avuto finora che la possibilità di sollevarla, per poi
BGE 114 II 310 S. 312
lasciarla aperta, nella sentenza inedita del 13 novembre 1984 in re Stockwerkeigentümergemeinschaft Selva c. Christoffel e Comune di Davos (consid. 1). Ove si tenga conto delle finalità della norma, la risposta a tale quesito sembrerebbe invero dover essere affermativa: in effetti, l'ordinamento stabilito dall'art. 712t cpv. 2 CC - ripreso dal § 27 cpv. 2 n. 5 della Wohnungseigentumsgesetz tedesca del 15 marzo 1951 - si fonda sulle considerazioni che un processo, che potrebbe anche essere promosso contro uno o parecchi proprietari, ha sovente degli sviluppi imprevisti e provoca non solo gravi spese, ma turba i rapporti o perfino cagiona inimicizie durevoli tra proprietari e vicini (Messaggio 7 dicembre 1962 del Consiglio federale, in FF 1962 pag. 1864; GILLIOZ, L'autorisation d'ester en justice au nom de la communauté des copropriétaires par étage, RSJ 80/1984 pag. 284; LIVER, Sachenrecht, in Schweizerisches Privatrecht, vol. V/1, pagg. 103/4; KURT MÜLLER, Der Verwalter von Liegenschaften mit Stockwerkeigentum, tesi Zurigo 1965, pag. 137; SJ 1978 pag. 125). Ora, questi inconvenienti possono verificarsi anche nell'ambito d'una procedura di ricorso di diritto pubblico e sembrerebbe quindi necessario che l'assemblea dei comproprietari abbia a decidere anche in tal caso se si deve proporre codesto rimedio, dando o rifiutando all'amministratore la preventiva autorizzazione. Ai fini del giudizio, tale questione può tuttavia rimanere ancora una volta aperta, per le ragioni che si esporranno in seguito.
b) Secondo la dottrina, la formulazione dell'art. 712t cpv. 2 CC in merito ai casi sprovvisti d'urgenza non esclude che l'amministratore che non s'è fatto autorizzare venga trattato alla stregua di un rappresentante senza poteri (falsus procurator), a cui il giudice deve fissare un ragionevole termine per correggere il vizio che inficia provvisoriamente gli atti processuali già compiuti: se l'assemblea dei comproprietari dà poi il proprio consenso all'amministratore entro il termine assegnatogli, essa ratifica gli atti inizialmente eseguiti senza potere e sana il vizio con effetto ex tunc (GILLIOZ, op.cit., pag. 287; inoltre GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, III ediz., pag. 285).
Ora, nel concreto caso l'avv. M., entro il termine fissato dal Tribunale federale, ha prodotto il verbale dell'assemblea dei comproprietari del condominio X., svoltasi il 28 maggio 1988, la quale - alla trattanda "Diversi" - ha ratificato l'operato del suo amministratore con riguardo alla presentazione del ricorso di diritto pubblico. Ne consegue che, con questa ratifica, l'assemblea
BGE 114 II 310 S. 313
dei comproprietari ha riparato il vizio che inficiava il ricorso inoltrato dall'amministratore senza autorizzazione e che questo ricorso non può esser dichiarato irricevibile per tal motivo.
c) Del resto il gravame non risulterebbe inammissibile anche se non si volesse seguire l'opinione dottrinale appena esposta e si volesse ritenere che l'assemblea, nei casi normali, non possa ratificare atti processuali compiuti dall'amministratore senza il suo consenso. In effetti, ci si può perlomeno chiedere se l'amministratore della ricorrente non poteva prevalersi della clausola d'urgenza prevista dall'art. 712t cpv. 2, seconda frase CC. Ove si considerino, per un verso, il termine perentorio di 30 giorni stabilito dall'art. 89 cpv. 1 OG e, per altro verso, la difficoltà di indire a scadenza relativamente breve l'assemblea dei comproprietari del condominio, in prevalenza non domiciliati nel Cantone Ticino, la risposta affermativa al quesito sembrerebbe giustificata (cfr. in proposito: GILLIOZ, op.cit., pag. 285; FRIEDRICH, Das Stockwerkeigentum, II ediz., pagg. 169/70): e questa conclusione si imporrebbe addirittura ove si volesse ritenere (come suggerito in risposta dal Gran Consiglio) che la ricorrente - la quale ha impugnato nel 1988 una decisione del 23 aprile 1986 di cui non ha avuto in precedenza contezza - avrebbe dovuto agire entro il breve termine di 10 giorni giusta l'art. 35 cpv. 1 OG.
Infine, non si deve dimenticare che l'impugnativa in sede federale costituisce nel concreto caso la logica conseguenza dell'accoglimento del ricorso del Comune in sede cantonale, ove non è stato contestato che l'assemblea dei comproprietari del condominio X. avesse dato l'autorizzazione contemplata dall'art. 712t cpv. 2 CC: in queste circostanze si può quindi ragionevolmente ritenere che tale autorizzazione copra anche il successivo ricorso di diritto pubblico (cfr. in tal senso la citata sentenza in re Stockwerkeigentümergemeinschaft Selva, consid. 1; inoltre MÜLLER, op.cit., pag. 137).
d) Se ne deve concludere che la capacità di stare in giudizio dell'amministratore del condominio non può essere contestata e che la relativa eccezione sollevata dal resistente dev'essere disattesa. | public_law | nan | it | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
67741d92-b6a7-4b61-86ed-fa61f56c466f | Urteilskopf
100 Ib 208
33. Auszug aus dem Urteil vom 5. Juli 1974 i.S. Nigg und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Schwyz | Regeste
Gewässerschutz;
Art. 18 und 19 GSchG
.
Bauten sind innerhalb des Kanalisationsperimeters nur zu bewilligen, soweit das Bauvorhaben den Berechnungsgrundlagen der Kanalisation entspricht und die erforderliche Leitung besteht oder in absehbare Zeit gebaut wird. | Sachverhalt
ab Seite 208
BGE 100 Ib 208 S. 208
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der Parzelle Nr. 509 an der Bahnhofstrasse in Schwyz. Sie beabsichtigen auf diesem Grundstück, das eine für die bauliche Ausnützung anrechenbare Fläche von 2185 m2 aufweist, ein Mehrfamilienhaus mit 21 Wohnungen zu erstellen. Der Gemeinderat Schwyz lehnte durch Beschluss vom 21. September 1972 das eingereichte Baugesuch ab. Zur Begründung führte er aus,
BGE 100 Ib 208 S. 209
gemäss
Art. 19 GSchG
dürften Bewilligungen für den Neu- und Umbau von Bauten und Anlagen aller Art innerhalb der Bauzonen oder, wo solche fehlen, innerhalb des im Generellen Kanalisationsprojekt (GKP) abgegrenzten Gebietes nur erteilt werden, wenn der Anschluss der Abwässer an die Kanalisation gewährleistet sei. Da in der Gemeinde Schwyz kein Zonenplan bestehe, sei für die Behandlung des Baugesuchs das GKP massgebend. Das Kanalisationsprojekt sei aber für das in Betracht fallende Gemeindegebiet nicht auf Mehrfamilienhäuser ausgerichtet, es erlaube eine Ausnützungsziffer von 0,22; die im Bauprojekt vorgesehene Ausnützung betrage jedoch 0'902. Eine intensivere Ausnützung, als sie dem GKP entspreche, stelle jedoch den gleichen Sachverhalt dar wie das Bauen ausserhalb des GKP und dürfe daher nicht bewilligt werden. Grund zu einer Ausnahme bestehe im vorliegenden Fall nicht. Eine gegen diesen Entscheid des Gemeinderates eingereichte Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Schwyz am 30. Juli 1973 ab, indem er im wesentlichen die Argumentation des Gemeinderates bestätigte. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) In
Art. 18 GSchG
wird die Regel aufgestellt, dass im Bereiche der öffentlichen und den öffentlichen Zwecken dienenden privaten Kanalisationen alle Abwässer an diese anzuschliessen seien. Die in dieser Bestimmung erwähnten Ausnahmen (für zentrale Reinigung ungeeignete Abwässer u.ä.) sind im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. In Abs. 2 von
Art. 18 GSchG
wird als Korrelat zur Anschlusspflicht die generelle Pflicht der Inhaber solcher Anlagen zur Abnahme der Abwässer statuiert. Eine isolierte Interpretation des Wortlautes von
Art. 18 GSchG
könnte zum Schluss führen, im Perimeter einer Kanalisation dürfe der Anschluss irgendwelcher neuer Bauten und Anlagen und die Abnahme normal reinigungsfähiger Abwässer keinesfalls verweigert werden. Aus
Art. 19 GSchG
ergibt sich allerdings klar, dass Neubauten auch im Gebiete des GKP nicht ohne weiteres zu bewilligen sind, sondern dass solche Bewilligungen nur erteilt werden dürfen, wenn der Anschluss an die Kanalisation effektiv gewährleistet
BGE 100 Ib 208 S. 210
ist. Der Inhalt von Art. 19 zeigt deutlich die Tragweite und die Grenzen von Art. 18: Diese Bestimmung umschreibt zwar die Anschlusspflicht der Grundeigentümer einerseits und die Abnahmepflicht anderseits und regelt die Ausnahmen bei bestehenden Bauten und Anlagen. Die besondern Probleme, die sich bei der Errichtung neuer Bauten und Anlagen stellen, werden jedoch erst in Art. 19 geordnet. Es kann aus dem Fehlen eines entsprechenden Vorbehaltes in Art. 18 nicht der planerisch völlig unvernünftige Schluss gezogen werden, der Inhaber einer Kanalisation sei verpflichtet, jeden noch so grossen und abwasserintensiven Neubau im Bereich seines Leitungsnetzes anzuschliessen, bei Fehlen eines Zonenplanes könne ein Bauvorhaben mit hoher Ausnützung nicht auf Grund der Kapazität der vorhandenen und projektierten Kanalisationsanlagen verhindert werden.
Art. 19 GSchG
bringt klar zum Ausdruck, dass eine solche Baufreiheit innerhalb des GKP aus Gründen des Gewässerschutzes nicht besteht. Auch im Perimeter der Kanalisation ist die Bewilligung neuer Bauten nur zulässig, sofern ein Anschluss an die Kanalisation tatsächlich möglich ist. Die Bautätigkeit soll dem effektiv vorhandenen Leitungsnetz entsprechen; für kleinere Objekte (bis zu 12 Einwohnergleichwerten) kann nach
Art. 26 AGSchV
eine Ausnahme gestattet werden, sofern der Anschluss an die Kanalisation innerhalb von drei Jahren sichergestellt ist. Die Lage eines Bauplatzes innerhalb des GKP verschafft also nicht einen unbedingten Anspruch auf Erteilung der Baubewilligung; der Anschluss an die Kanalisation muss in der Regel sofort oder ausnahmsweise innerhalb von drei Jahren möglich sein.
b) Bei der Schaffung dieser Vorschriften dachte der Gesetzgeber offensichtlich an die im Einzugsgebiet des GKP vorgesehenen, aber noch nicht gebauten Kanalisationen. Der hier zu beurteilende Fall, dass ein Bauprojekt sich im Bereich einer vorhandenen Leitung befindet, aber die dem GKP und der vorhandenen Kanalisation zugrunde liegende Intensität der baulichen Ausnützung übersteigt, wird im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Doch ähnliche Überlegungen, wie sie der Bewilligung von Neubauten in einem eingezonten, aber kanalisationstechnisch noch nicht erschlossenen Gebiet entgegenstehen, führen folgerichtig zu der von Gemeinderat und Regierungsrat vertretenen Auffassung, dass Kanalisationsanschlüsse von Neubauten an bestehende Leitungen nur im Rahmen
BGE 100 Ib 208 S. 211
der Leistungsfähigkeit der vorhandenen Anlagen zu gestatten sind und dass daher zur Wahrung der Rechtsgleichheit nur eine den Berechnungsgrundlagen des GKP entsprechende bauliche Ausnützung bewilligt werden kann.
Mangels eines rechtsgültigen Zonenplanes - der übrigens mit den Berechnungsgrundlagen des GKP übereinstimmen müsste - kommt dem Generellen Kanalisationsprojekt nicht nur die im Gesetz (
Art. 20 GSchG
) umschriebene Funktion der Begrenzung des Baugebietes zu, sondern auch für die zulässige bauliche Ausnützung sind die Berechnungsgrundlagen der Kanalisation massgebend. Es widerspräche der Grundkonzeption der gesetzlichen Ordnung und würde ernstliche Gefahren der Gewässerverschmutzung mit sich bringen, wenn Anschlüsse von Bauten erlaubt werden müssten, deren Abwasseranfall die Leistungsfähigkeit der Kanalisation übersteigt und mit dem GKP nicht im Einklang steht. Das GKP legt Ausdehnung und technische Ausgestaltung des Kanalisationssystems und der Abwasserreinigungsanlagen verbindlich fest (
Art. 17 Abs. 1 GSchG
); dabei soll der zu erwartenden baulichen Entwicklung in angemessener Weise Rechnung getragen werden. Das einmal beschlossene GKP ist jedoch einzuhalten und vor allem muss die weitere bauliche Ausnützung im Bereich bereits erstellter Leitungen sich der Dimension der Leitung anpassen. Ein Bauinteressent kann nicht eine von der kanalisationstechnischen Planung abweichende, wesentlich grössere Abwässerabnahme beanspruchen, die zur Folge hätte, dass andere Grundstücke in gleicher Lage an die bestehende, auch für sie bestimmte Leitung nicht mehr angeschlossen werden dürften oder dass für die weitere Überbauung des Einzugsgebietes der Kanalisation eine Änderung des bereits realisierten GKP, d.h. eine Vergrösserung der planmässig erstellten Anlagen notwendig wäre.
c) Die Auslegung der
Art. 18 und 19 GSchG
nach der ratio legis führt somit zum Ergebnis, dass der Anschluss und damit auch die Errichtung von Bauten innerhalb des Kanalisationsperimeters nur zu bewilligen sind, soweit das Bauvorhaben den Berechnungsgrundlagen der Kanalisation entspricht und die erforderliche Leitung besteht oder in absehbarer Zeit gebaut wird. Die Möglichkeit, auf der Grundlage eines GKP gewisse planerische Massnahmen durchzusetzen, sollte allerdings nicht dazu führen, dass eine Gemeinde die Schaffung eines rechtsgültigen Zonenplans einfach unterlässt.
BGE 100 Ib 208 S. 212
3.
a) Im angefochtenen Entscheid der Regierungsrates wird dargelegt, dass für die Zone IV des GKP, in welcher sich das fragliche Grundstück befindet, eine Bewohnerdichte von 50 Einwohnern pro ha vorgesehen sei, was einer Ausnützungsziffer von 0,15 entspreche. Der Gemeinderat gehe davon aus, dass nicht überall die höchste zulässige Bevölkerungsdichte erreicht werde und berechne daher die maximale Ausnützung auf Grund von 75 Einwohnern pro ha, was die Ausnützungsziffer von 0'225 ergebe. Gegen diese Berechnung wird in der Beschwerde nichts vorgebracht und es ist auch unbestritten, dass das Bauprojekt der Beschwerdeführer zu einer Ausnützung führen würde, die ungefähr das Vierfache der vom Gemeinderat bei einer Bevölkerungsdichte von 75 Einwohnern pro ha berechneten maximalen Ausnützungsziffer betrüge.
Ob der Anschluss des projektierten Mehrfamilienhauses beim jetzigen Stand der Überbauung vorläufig noch ohne besonderes Risiko.möglich wäre, ist hier nicht zu prüfen. Auf jeden Fall würde eine der Argumentation der Beschwerdeführer entsprechende Bewilligunspraxis früher oder später zu einer Überlastung der auf eine viel geringere bauliche Ausnützung zugeschnittenen Kanalisationsleitung führen. Dies liesse sich nur durch eine rechtsungleiche Beschränkung der Überbauung auf den andern Parzellen dieser Zone verhindern. Die Beschwerdeführer können nicht Anspruch darauf erheben, dass ihnen eine die Berechnungsgrundlagen des GKP weit überschreitende Ausnützung eingeräumt wird und dass die Gemeinde das Risiko auf sich nimmt, entweder später die Kanalisation wegen dieser planwidrigen Bewilligungspraxis vergrössern oder den Eigentümern benachbarter Grundstücke unter Verletzung von
Art. 4 BV
starke Beschränkungen der baulichen Nutzung auferlegen zu müssen (vgl.
BGE 92 I 512
). Dadurch, dass Gemeinderat und Regierungsrat die dem GKP zugrunde liegende Ausnützungsziffer zur Richtlinie für die Bewilligung neuer Bauten erklärten, haben sie nicht gegen Bundesrecht verstossen, sondern die gesetzlichen Vorschriften sinngemäss zur Anwendung gebracht.
b) Auf Grund der Erfahrungen und auf Grund von Berechnungen des Bauverwalters geht der Gemeinderat Schwyz bei der Bestimmung der höchsten zulässigen Ausnützung nicht von der bei gleichmässiger Besiedlung der Zone angenommenen
BGE 100 Ib 208 S. 213
durchschnittlichen Bevölkerungsdichte aus, sondern macht zu Gunsten der interessierten Grundeigentümer einen Zuschlag von 50%. Diese gleichmässige Abweichung von den theoretischen Berechnungsgrundlagen des GKP ist sachlich begründet und kann daher keineswegs als willkürlich bezeichnet werden. Die in der Beschwerdeschrift geäusserte Befürchtung, der Gemeinderat könnte von Fall zu Fall willkürlich unterschiedliche "Zuschläge" anwenden, beruht offenbar nicht auf konkreten Feststellungen einer derartigen, sachlich nicht vertretbaren Differenzierung. Wie sich aus den Ver nehmlassungen ergibt, wird durchwegs die gleiche rechnerische "Korrektur" vorgenommen. Die Rüge einer Verletzung von
Art. 4 BV
ist daher unbegründet. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
6776d568-71a0-44e4-a216-dc2f09f596ca | Urteilskopf
139 IV 228
32. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public central du canton de Vaud (recours en matière pénale)
6B_14/2013 du 3 juin 2013 | Regeste
Art. 87 Abs. 1 StPO
; Zustellungsdomizil für Mitteilungen.
Art. 87 Abs. 1 StPO
hindert die Parteien nicht, den Behörden eine andere Zustelladresse mitzuteilen als die ihres Wohnsitzes, ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts oder ihres Sitzes (E. 1.1).
Tun sie dies, muss die Zustellung grundsätzlich an die angegebene Adresse erfolgen, ansonsten sie mangelhaft ist (E. 1.2). | Sachverhalt
ab Seite 228
BGE 139 IV 228 S. 228
A.
Par ordonnance pénale du 29 mai 2012, le Procureur de l'arrondissement de La Côte a condamné X. pour violation grave des règles de la circulation routière à vingt jours-amende, à 70 fr. le jour.
B.
Par prononcé du 10 octobre 2012, le Président du Tribunal d'arrondissement de La Côte a déclaré irrecevable l'opposition formulée par X. le 1
er
octobre 2012 contre cette ordonnance et dit que celle-ci était exécutoire.
C.
Par arrêt du 13 novembre 2012, la Chambre des recours pénale du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté le recours formé contre ce prononcé par X.
BGE 139 IV 228 S. 229
Cette autorité a estimé que X. n'avait pas renversé la présomption de fait selon laquelle l'employé postal avait correctement inséré l'avis de retrait du courrier recommandé contenant l'ordonnance pénale dans la boîte à lettres de son lieu de domicile et qu'il devait s'attendre à une telle remise. X. n'ayant pas retiré le pli recommandé dans les sept jours à compter de cette tentative infructueuse, le 31 mai 2012, l'ordonnance pénale était réputée notifiée au sens de l'
art. 85 al. 4 CPP
. Selon l'autorité cantonale, la mention par X. durant la procédure pénale d'une autre adresse que celle de son domicile n'invalidait pas la notification intervenue à ce dernier lieu. L'opposition formée le 1
er
octobre 2012 était tardive et donc irrecevable.
D.
X. forme un recours en matière pénale auprès du Tribunal fédéral. Il conclut à la réforme de l'arrêt du 13 novembre 2012 en ce sens que son recours cantonal est admis, le prononcé du 10 octobre 2012 est annulé, la cause est renvoyée au Ministère public de l'arrondissement de La Côte pour nouvelle procédure préliminaire, subsidiairement au Tribunal d'arrondissement de La Côte en vue des débats, les frais de la procédure de recours cantonal sont laissés à la charge de l'Etat de Vaud et une juste indemnité lui est allouée. Il requiert également l'effet suspensif.
La Chambre des recours pénale a renoncé à se déterminer. Le Ministère public a conclu au rejet du recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Au cours de la procédure ayant abouti à l'ordonnance pénale litigieuse, le recourant a indiqué à la police cantonale puis au procureur, à titre d'adresse: Hôtel A., à B. Il a précisé vouloir que le courrier à son attention soit envoyé à cet endroit. L'avis de retrait postal concernant l'ordonnance litigieuse a néanmoins été déposé à l'adresse rue C., à B. Il s'agit de l'adresse indiquée par la police comme domicile du recourant et figurant sur un courrier de l'administration fiscale. A titre préalable, il convient d'examiner si la notification de l'ordonnance à cette dernière adresse était régulière.
1.1
En vertu de l'
art. 87 al. 1 CPP
, toute communication doit être notifiée au domicile, au lieu de résidence habituelle ou au siège du destinataire. Se pose donc la question de savoir si cette disposition exclut que l'intéressé indique une adresse de notification.
Le Message du 21 décembre 2005 relatif à l'unification du droit de la procédure pénale (FF 2006 1057 ss) est muet sur ce point. Il ressort
BGE 139 IV 228 S. 230
toutefois des débats parlementaires que les art. 82 ss P-CPP réglant la notification et la communication des prononcés (actuels
art. 84 ss CPP
) reprenaient les principes généralement reconnus en droit procédural ainsi que, dans la mesure du possible, les dispositions de la loi sur le Tribunal fédéral. Une certaine harmonisation avec la future procédure civile unifiée était également souhaitée (BO 2006 CE 1007). La teneur de l'art. 85 al. 1 P-CPP a été reprise mot pour mot dans l'actuel
art. 87 al. 1 CPP
.
De jurisprudence constante, celui qui se sait partie à une procédure judiciaire et qui doit dès lors s'attendre à recevoir notification d'actes du juge, est tenu de relever son courrier ou, s'il s'absente de son domicile, de prendre des dispositions pour que celui-ci lui parvienne néanmoins. À ce défaut, il est réputé avoir eu, à l'échéance du délai de garde, connaissance du contenu des plis recommandés que le juge lui adresse (
ATF 138 III 225
consid. 3.1 p. 227;
ATF 130 III 396
consid. 1.2.3 p. 399). Une telle obligation signifie que le destinataire doit, le cas échéant, désigner un représentant, faire suivre son courrier, informer les autorités de son absence ou leur indiquer une adresse de notification (
ATF 117 V 131
consid. 4a p. 132/133 et plus récemment arrêts 8C_860/2011 du 19 décembre 2011; 2C_1015/2011 du 12 octobre 2012 consid. 3.3.1). Il découle de cette jurisprudence que le destinataire d'actes judiciaires non seulement peut, mais également doit, lorsqu'il estime qu'une notification ne pourra aboutir au lieu connu des autorités, désigner une adresse où il pourra être atteint.
L'
art. 39 al. 1 LTF
impose aux parties d'indiquer au Tribunal fédéral "leur domicile ou leur siège". Ces notions doivent toutefois être interprétées en fonction du but visé par les dispositions sur la notification (YVES DONZALLAZ, Loi sur le Tribunal fédéral, 2008, p. 321 n° 664), soit, pour celle du domicile, de manière plus large que le domicile civil visé par l'
art. 23 CC
(LAURENT MERZ, in Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, Niggli/Uebersax/Wiprächtiger [éd.],2
e
éd. 2011, n° 4 ad
art. 39 LTF
). Le Tribunal fédéral considère ainsi valable la notification faite par ses soins à l'adresse fournie par le destinataire, sans qu'il soit vérifié qu'il s'agisse du domicile ou du siège de l'intéressé (arrêts 2C_233/2012 du 18 mai 2012; 5F_9/2007 du 9 novembre 2007; 5A_28/2007 du 15 mars 2007; 5C.272/2006 du 22 novembre 2006). Une telle interprétation de l'
art. 39 al. 1 LTF
est corroborée par l'
art. 39 al. 2 LTF
qui permet aux parties de
BGE 139 IV 228 S. 231
choisir la notification électronique, soit de se voir notifier des décisions judiciaires à l'adresse électronique qu'elles choisissent et qu'elles peuvent consulter où bon leur semble.
Le Code de procédure civile suisse du 19 décembre 2008, entré en vigueur le 1
er
janvier 2011, ne traite pas du lieu où doivent être notifiés les actes de procédure. A l'instar de l'
art. 39 al. 2 LTF
, l'
art. 139 al. 1 CPC
permet toutefois au destinataire d'un acte de se faire notifier celui-ci par voie électronique, soit de choisir l'adresse électronique où cet acte lui parviendra. La doctrine admet quant à elle que les parties communiquent une simple adresse de notification, autre que celle du domicile (cf. FRANÇOIS BOHNET, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 9 ad
art. 133 CPC
; NINA J. FREI, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, vol. I, 2012, n° 5 ad
art. 136 CPC
).
Une telle interprétation des dispositions légales en matière de notification est seule compatible avec leur but, à savoir la sécurité du droit et l'économie de procédure. Il importe en effet que la personne qui se sait partie à une procédure puisse prendre les mesures pour être atteignable, respectivement assume le fait de ne pas l'être. L'
art. 87 al. 1 CPP
ne saurait dès lors être interprété comme interdisant à une partie d'indiquer aux autorités judiciaires une autre adresse que celles mentionnées dans cette disposition. Cette appréciation est appuyée par l'
art. 86 CPP
qui permet, en procédure pénale également, de notifier toute communication à l'adresse électronique choisie par son destinataire, lorsque celui-ci consent à un tel mode de notification. On ne voit pas que le destinataire d'un acte puisse choisir une adresse électronique à laquelle il veut être atteint, mais non une adresse postale à cette fin.
1.2
Dès lors que le destinataire a le droit d'indiquer une autre adresse de notification que son domicile ou sa résidence habituelle, il a le droit que les notifications se fassent à l'adresse communiquée (cf.
ATF 101 Ia 332
; également BOHNET/BRÜGGER, La notification en procédure civile suisse, RDS 129/2010 p. 307; DONZALLAZ, op. cit., p. 322 n° 665). Est toutefois réservée l'hypothèse où la notification à l'adresse indiquée serait sensiblement plus compliquée que celle à l'un des lieux mentionnés à l'
art. 87 al. 1 CPP
.
1.3
En l'occurrence, la Poste a apparemment déposé un avis de retrait uniquement à l'adresse (rue C., à B.) enregistrée par la police et l'administration fiscale comme le domicile du recourant et non à celle
BGE 139 IV 228 S. 232
(Hôtel A., à B.) indiquée clairement par ce dernier, à plusieurs reprises, durant la procédure. Le courrier d'accompagnement de l'ordonnance pénale litigieuse qui figure au dossier mélange d'ailleurs les deux adresses en mentionnant d'une part la rue C., d'autre part l'Hôtel A. Il incombait à l'autorité de faire en sorte qu'une notification ait bien lieu à l'adresse indiquée par le recourant. Que celui-ci ait répondu à des courriers adressés à son domicile et qu'il ait donc pu y être joint est sans pertinence dès lors qu'il a indiqué dans chacune de ses réponses à ces courriers, expressément, une autre adresse. La notification intervenue au domicile du recourant est donc irrégulière.
Une telle notification a généralement pour seule conséquence qu'elle ne doit entraîner aucun préjudice pour son destinataire (cf.
art. 49 LTF
). Le délai d'opposition pour attaquer une ordonnance notifiée irrégulièrement court par conséquent dès le jour où son destinataire a pu en prendre connaissance, dans son dispositif et ses motifs (cf.
ATF 102 Ib 91
consid. 3 p. 94). En vertu du principe de la bonne foi, l'intéressé est toutefois tenu de se renseigner sur l'existence et le contenu de la décision dès qu'il peut en soupçonner l'existence, sous peine de se voir opposer l'irrecevabilité d'un éventuel moyen pour cause de tardiveté (
ATF 134 V 306
consid. 4.2 p. 313;
ATF 107 Ia 72
consid. 4a p. 76;
ATF 102 Ib 91
consid. 3 p. 93/94).
Le recourant a eu connaissance de l'existence de l'ordonnance pénale litigieuse à réception du courrier du 18 septembre 2012 du Ministère public. Il a pu la consulter le 25 septembre 2012 et a fait opposition le lundi 1
er
octobre 2012. Celle-ci a donc été formée dans le délai légal de 10 jours prévu par l'
art. 354 al. 1 CPP
. Aucun retard ne peut être reproché au recourant. L'opposition a ainsi à tort été jugée irrecevable car tardive. L'arrêt entrepris doit par conséquent être annulé et la cause renvoyée à l'autorité cantonale afin qu'elle examine si l'opposition est irrecevable pour d'autres motifs. Si tel n'est pas le cas, le dossier sera transmis à l'autorité compétente, afin qu'il soit procédé conformément à l'
art. 355 CPP
. | null | nan | fr | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
677d4573-f32e-4793-88e1-1fb08dbde1bf | Urteilskopf
96 I 59
10. Auszug aus dem Urteil vom 25. März 1970 i.S. N. gegen Schulgemeinde Egg und Regierungsrat des Kantons Zürich. | Regeste
Lehrerwahl durch die Gemeindeversammlung.
Anwendung der Vorschrift, wonach der Stimmberechtigte auf dem Wahlzettel die zu wählende Person derart zu bezeichnen hat, dass über sie kein begründeter Zweifel besteht. Zulässigkeit der Abstimmung mit Ja oder Nein bei Vorhandensein eines einzigen wählbaren Kandidaten. | Sachverhalt
ab Seite 59
BGE 96 I 59 S. 59
A.-
Das zürch. Gesetz vom 4. Dezember 1955 über die Wahlen und Abstimmungen (WAG) enthält in den §§ 114 und 115 Vorschriften über die Neuwahlen der Volksschullehrer. Die Wahl erfolgt aufgrund einer Ausschreibung und durch die Stimmberechtigten. Die Schulpflege kann den Stimmberechtigten auch einen Lehrer zur Wahl vorschlagen, der sich nicht gemeldet hat. Die Stimmberechtigten sind an den Vorschlag der Schulpflege nicht gebunden, können aber nur solchen Kandidaten stimmen, die sich gemeldet haben. Über das im vorliegenden Fall anwendbare Verfahren bestimmt
§ 76 WAG
:
"Für geheime Wahlen in geschlossener Versammlung gelten folgende Vorschriften:
1. Die Wahlen sind bei geschlossenen Türen vorzunehmen; die Zahl der Anwesenden ist festzustellen.
2. Für jede einzelne Stelle findet unter dem Vorbehalt der Anordnung der Listenwahl eine besondere Wahl statt. Der Stimmberechtigte
BGE 96 I 59 S. 60
hat auf seinem Wahlzettel die zu wählenden Personen derart zu bezeichnen, dass über sie kein begründeter Zweifel besteht. Andernfalls ist die Stimme ungültig.
3. Nach der Stimmabgabe durch die Anwesenden werden die Stimmzettel von den Stimmenzählern gesammelt und gezählt. Das Ergebnis wird protokolliert.
4. Es finden höchstens drei Wahlgänge statt. Im ersten und im zweiten Wahlgang entscheidet das absolute, im dritten das relative Mehr. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.
5. Die geheime Stimmabgabe ist zu gewährleisten.
6. Der Präsident der Wahlversammlung stimmt mit."
B.-
Die Stimmberechtigten der Schulgemeinde Egg hatten in der Gemeindeversammlung vom 24. Februar 1969 fünf Volksschullehrer neu zu wählen. Ausser den von der Schulpflege vorgeschlagenen waren keine andern Kandidaten vorhanden. Da der von der Schulpflege zur Wahl als Sekundarlehrer empfohlene X. wegen seiner politischen Einstellung umstritten war, beschloss die Gemeindeversammlung auf Vorschlag ihres Präsidenten, die vorgeschlagenen Lehrer im geheimen Verfahren einzeln mit Ja und Nein wählen zu lassen. Während die 276 Teilnehmer der Gemeindeversammlung die übrigen Kandidaten nahezu einstimmig wählten, lehnten sie die Wahl von X. - bei 5 leeren Stimmzetteln - mit 149 Nein gegen 122 Ja ab.
Gegen diese Wahlen rekurrierte der Stimmberechtigte N. mit dem Antrag, entweder X. aufgrund der erhaltenen 122 Ja-Stimmen als gewählt zu erklären oder anzuordnen, dass die fraglichen Lehrerwahlen gemäss dem Wortlaut von
§ 76 Ziff. 2 WAG
nochmals durchgeführt werden. Der Bezirksrat Uster und der Regierungsrat des Kantons Zürich wiesen den Rekurs ab, der Regierungsrat im wesentlichen aus folgenden Gründen: Streitig sei einzig, ob der Wahlmodus mit
§ 76 Ziff. 2 WAG
vereinbar sei. Wenn wie hier keine andern Anmeldungen vorlägen, sei nach
§ 115 WAG
nur der von der Schulpflege vorgeschlagene Lehrer wählbar und könne sich daher die Willensäusserung der Stimmberechtigten nur auf die Frage beziehen, ob sie diesen einzigen Kandidaten wählen wollen oder nicht. Es liege somit weit eher eine Abstimmungssituation als eine echte Wahl- (Auswahl-) Situation vor. Das WAG enthalte keine ausdrückliche Sondervorschrift für diesen Fall. Wäre nach der allgemeinen Regel von
§ 76 Ziff. 2 WAG
vorzugehen und der zu wählende Kandidat auf dem Stimmzettel namentlich zu bezeichnen,
BGE 96 I 59 S. 61
so wären die Stimmberechtigten der Möglichkeit beraubt, ihrem Willen Ausdruck zu geben und die Wahl des ihnen nicht genehmen einzigen wählbaren Kandidaten zu verhindern. Sie könnten nur entweder den Namen dieses Kandidaten auf den Wahlzettel setzen oder aber leer oder ungültig stimmen, was zur Folge hätte, dass der einzige wählbare Kandidat spätestens im dritten Wahlgang, bei dem das relative Mehr gelte, gewählt sei, auch wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten ihn nicht wolle und nur eine Minderheit sich für ihn ausspreche. Ein solches Ergebnis wäre mit den Grundsätzen einer demokratischen Volkswahl nicht vereinbar und widerspräche Art. 64 zürch. KV, wonach die Volksschullehrer durch die Stimmbürger der Schulgemeinde zu wählen sind. Es bleibe daher nichts anderes übrig als das hier angewandte Wahlverfahren, bei dem sich der Stimmbürger mit Ja und Nein für oder gegen die Wahl des einzigen wählbaren Kandidaten aussprechen konnte.
C.-
Gegen diesen Entscheid hat N. staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er macht insbesondere geltend, der vom Regierungsrat gebilligte Wahlmodus verstosse offensichtlich gegen klares Recht, da nach
§ 76 Ziff. 2 WAG
der Stimmbürger auf dem Wahlzettel den Namen der zu wählenden Person, nicht aber Ja oder Nein zu schreiben habe.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Bei Beschwerden gemäss
Art. 85 lit a OG
überprüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch die Auslegung anderer kantonaler Vorschriften, sofern sie das schon von Bundesrechts wegen gewährleistete Stimmrecht nach Inhalt und Umfang näher normieren oder damit eng zusammenhängen (
BGE 91 I 319
,
BGE 92 I 355
E. 3,
BGE 94 I 531
E. 7). Im vorliegenden Fall ist streitig, ob ein dem Willen der Mehrheit der Teilnehmer an der Wahl entsprechendes Wahlergebnis gültig oder aufzuheben sei. Die in der Beschwerde als hiefür massgebend und als verletzt bezeichnete Bestimmung von
§ 76 Ziff. 2 WAG
ist nicht eine blosse Verfahrensvorschrift, sondern betrifft den Umfang des Stimmrechts. Die Auslegung dieser Bestimmung durch den Regierungsrat ist daher vom Bundesgericht frei zu überprüfen.
4.
Die ganze Argumentation des Beschwerdeführers beruht auf der Annahme, nach
§ 76 Ziff. 2 WAG
müsse der Stimmberechtigte
BGE 96 I 59 S. 62
den Namen der zu wählenden Person auf den Wahlzettel schreiben und dürfe daher über einen Kandidaten nicht mit Ja oder Nein abgestimmt werden. Hieraus leitet der Beschwerdeführer ab, dass bei Vorhandensein eines einzigen wählbaren Kandidaten dieser schon gewählt sei, wenn er das relative Mehr erziele.
a) Damit legt der Beschwerdeführer indes der Bestimmung von
§ 76 Ziff. 2 WAG
eine Tragweite bei, die ihr nicht zukommt. Satz 2 hat jedenfalls nach seinem Wortlaut nur die Unmissverständlichkeit der Willenskundgebung des Wählers im Auge und verlangt im Hinblick auf diese, er habe die zu wählende Person auf dem Wahlzettel derart zu bezeichnen, dass über sie kein begründeter Zweifel bestehe, ansonst die Stimme - wie Satz 3 weiter bestimmt - ungültig sei. Die Vorschrift will somit der Verwechslungsgefahr vorbeugen, die sich z.B. bei der nicht seltenen Gleichnamigkeit von Kandidaten ergeben kann. Mehr als das besagt die Bestimmung nicht. Insbesondere schliesst sie nicht aus, dass die danach erforderliche unmissverständliche Bezeichnung der zu wählenden Person unter Umständen auch auf andere Weise als durch Angabe ihres Namens erfolgen kann. Aus
§ 76 Ziff. 2 WAG
lässt sich daher nicht ableiten, dass es bei Vorhandensein eines einzigen wählbaren Kandidaten unzulässig sei, mit Ja oder Nein über ihn abzustimmen.
b) Der Beschwerdeführer behauptet, bei Vorhandensein eines einzigen wählbaren Kandidaten sei dieser gewählt, wenn er das "relative Mehr" erreiche, und auch der Regierungsrat nimmt an, dass, wenn man der Betrachtungsweise des Beschwerdeführers folgte, der einzig wählbare Kandidat spätestens im dritten Wahlgang gewählt wäre, da alsdann nur noch das "relative Mehr" entscheide. Wenn indessen, wie es
§ 66 WAG
vorschreibt, bei der Berechnung des absoluten Mehr die leeren Stimmen von der Zahl der abgegebenen Stimmen abgezählt werden, so hat es bei Vorhandensein eines einzigen wählbaren Kandidaten keinen Sinn mehr, vom absoluten und relativen Mehr zu sprechen, denn dieser einzige Kandidat müsste notwendigerweise alle gültigen Stimmen auf sich vereinen. Er wäre somit gewählt, wenn er nur einige wenige Stimmen, ja überhaupt nur eine einzige Stimme erhielte, und die leeren oder ungültigen Stimmen seiner zahlreichen Gegner hätten nur noch die Bedeutung einer wirkungslosen Kundgebung. Der Regierungsrat ist der Auffassung, dass dies keine Volkswahl mehr sei, wie sie die KV für die
BGE 96 I 59 S. 63
Volksschullehrer anordne. Es sei daher nach einer Lösung zu suchen, die den Gegnern des einzigen wählbaren Kandidaten die Möglichkeit biete, ihren Willen in rechtlich relevanter Weise auszudrücken, und das sei die Abstimmung mit Ja oder Nein.
Dem ist beizupflichten. Dieses Vorgehen ist das einzige, das die demokratische Willensbildung gewährleistet, die dem zürcherischen Verfassungsgesetzgeber offenbar vorschwebte, als er für die Volksschullehrer die Volkswahl einführte (Art. 64 KV). Der vom Beschwerdeführer befürwortete Wahlmodus würde dazu führen, dass in Fällen, wo sich auf die Ausschreibung hin nur ein einziger Bewerber anmeldet und dieser von der Schulpflege vorgeschlagen wird, in Wirklichkeit die Schulpflege Wahlbehörde wäre und die Schulgemeinde, der die Wahl nach Art. 64 KV und
§ 114 WAG
zusteht, praktisch ausgeschaltet wäre; denn ein der überwiegenden Mehrheit der Stimmberechtigten nicht genehmer Kandidat wäre gewählt, wenn er in der Gemeindeversammlung nur einige wenige Stimmen, etwa diejenigen der Mehrheit der Schulpflege, ja nur eine einzige Stimme erhielte. Wenn die Stimmberechtigten, worauf der Regierungsrat hinweist, bei den Bestätigungswahlen für Lehrer nach
§ 118 WAG
die Möglichkeit haben, durch Durchstreichen des Namens eines Lehrers gegen dessen Wiederwahl zu stimmen, so muss es ihnen auch ermöglicht werden, bei der Neuwahl ihrer Ablehnung in rechtlich relevanter Weise Ausdruck zu geben, und dafür steht, wenn nur ein einziger wählbarer Kandidat vorhanden ist, offenbar nur die Abstimmung mit Ja oder Nein zur Verfügung. Der Einwand des Beschwerdeführers, Neuwahlen liessen sich nicht mit Bestätigungswahlen vergleichen, geht fehl. Bei einer Neuwahl mit einem einzigen wählbaren Kandidaten steht der Stimmberechtigte gleich wie bei der Bestätigungswahl vor der Alternative: dieser Lehrer oder kein Lehrer, und muss ihm Gelegenheit geboten werden, sich im einen oder im andern Sinne auszusprechen. Bedeutungslos ist schliesslich, ob im Fall der Neuwahl mit einem einzigen wählbaren Kandidaten, wie der Regierungsrat annimmt, der Beschwerdeführer aber bestreitet, eine "durchaus aussergewöhnliche Wahlsituation" vorliege. Die Abstimmung mit Ja oder Nein drängt sich in diesem Falle nicht deshalb auf, weil die Wahlsituation ausserergewöhnlich ist, sondern weil auch dann die Gesamtheit der Stimmberechtigten als Wahlorgan die Möglichkeit haben muss, einen vom Vorschlag der Schulpflege abweichenden Entscheid zu treffen. | public_law | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
677d579d-e800-481a-91b3-6e398c65c9bd | Urteilskopf
140 III 206
33. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössisches Amt für das Handelsregister (EHRA) gegen Genossenschaft X. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_363/2013 vom 28. April 2014 | Regeste
Ausgabe von Partizipationsscheinen bei der Genossenschaft.
Die Ausgabe von Partizipationsscheinen ist bei der Genossenschaft (
Art. 828 ff. OR
) nach geltendem Recht unzulässig (E. 3). | Erwägungen
ab Seite 206
BGE 140 III 206 S. 206
Aus den Erwägungen:
3.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, sie habe die Ausgabe von Partizipationsscheinen bei der Genossenschaft zu Unrecht als genehmigungsfähig erachtet.
BGE 140 III 206 S. 207
3.1
Die Vorinstanz ging zutreffend davon aus, dass die von der Beschwerdegegnerin geplanten Beteiligungsscheine gemäss dem vorgelegten Statutenentwurf verschiedene Gemeinsamkeiten mit dem aktienrechtlichen Partizipationsschein (
Art. 656a ff. OR
) aufweisen, einem eigenständigen Beteiligungspapier, das dem Partizipanten grundsätzlich die gleichen Vermögensrechte wie einem Aktionär, nicht jedoch das Stimmrecht, einräumt: So sollen die geplanten Beteiligungsscheine ebenfalls gegen Einlage ausgegeben werden und einen Nennwert haben (vgl. Art. 7 Abs. 1 des Statutenentwurfs;
Art. 656a Abs. 1 OR
). Beide Instrumente begründen zudem ein Recht auf Gewinnbeteiligung (vgl. Art. 7
bis
Abs. 1 und Art. 7
ter
des Statutenentwurfs; Art. 656f Abs. 1 i.V.m.
Art. 660 Abs. 1 OR
) und im Fall der Liquidation ein Recht auf Rückzahlung bzw. auf einen Liquidationsanteil (vgl. Art. 56 Abs. 2 des Statutenentwurfs; Art. 656a Abs. 2 und Art. 656f Abs. 1 i.V.m.
Art. 745 Abs. 1 OR
). Wie den aktienrechtlichen Partizipanten soll auch den Inhabern eines Beteiligungsscheins kein Stimmrecht zustehen (vgl. Art. 7
bis
Abs. 1 des Statutenentwurfs;
Art. 656a Abs. 1 und
Art. 656c Abs. 1 OR
).
Die Vorinstanz hat die Zulässigkeit des Partizipationskapitals für die Genossenschaft im Wesentlichen mit der Analogie zum aktienrechtlichen Genussschein aufgrund der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der geltenden aktienrechtlichen Regelung vom 1. Juli 1992 (AS 1992 733) begründet.
3.2
Wie im angefochtenen Entscheid dargestellt, bildete der
aktienrechtliche
Partizipationsschein eine in der Praxis seit den 1960er-Jahren entwickelte Sonderart des aktienrechtlichen Genussscheins; er wurde bei Kapitalbedarf anstelle der Ausgabe neuer Aktien oder Obligationen als Finanzierungsmittel eingesetzt (dazu etwa PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 5 Rz. 1 ff.). Die Ausgabe von Partizipationsscheinen wurde damals auf aArt. 657 OR (AS 53 210) gestützt, der sich auf Genussscheine bezieht, deren Ausgabe gesetzlich beschränkt ist zugunsten von Personen, die mit dem Unternehmen durch frühere Kapitalbeteiligung, Aktienbesitz, Gläubigeranspruch oder durch ähnliche Gründe verbunden sind (vgl. nunmehr
Art. 657 Abs. 1 OR
). Obwohl der Partizipationsschein als Kapitalbeschaffungsmittel verwendet und gegen Kapitaleinlage ausgegeben wurde, was über den Wortlaut der Bestimmung hinausging und nicht der Absicht des Gesetzgebers der 1930er-Jahre entsprach (MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 11. Aufl. 2012, § 16 Rz. 330), wurde dieser in der Praxis als Sonderart
BGE 140 III 206 S. 208
des Genussscheins für zulässig erachtet (vgl.
BGE 113 II 528
E. 3 S. 529). Die Übertragung dieser Regelung auf die Genossenschaft - für welche im Unterschied zur Aktiengesellschaft der Genussschein gesetzlich nie vorgesehen war - wurde in der Lehre kontrovers diskutiert.
3.2.1
In der älteren Literatur wurde zunächst allgemein die Zulässigkeit von Genussscheinen nach schweizerischem Genossenschaftsrecht erörtert, ohne jedoch zu untersuchen, ob sie auch als Finanzierungsinstrument verwendet werden können. Die Frage wurde mehrheitlich unter unterschiedlichen Beschränkungen - vor allem für Sanierungen von Genossenschaften - bejaht. So wurde etwa die Ansicht vertreten, die Ausgabe von Genussscheinen werde - obwohl im Gegensatz zum Aktienrecht gesetzlich nicht vorgesehen - auch bei Genossenschaften "nicht verhindert werden können", sofern sie zugunsten aller Mitglieder in gleichem Masse und nicht zu dem Zweck erfolge, die Vorschrift über die Begrenzung der Ertragsausschüttung (
Art. 859 Abs. 3 OR
) zu umgehen (FRITZ VON STEIGER, Kann eine Genossenschaft Genussscheine ausgeben?, Schweizerische Aktiengesellschaft 1944/45 S. 180; HANS-PETER FRIEDRICH, Das Genossenschaftskapital im schweizerischen Obligationenrecht, 1943, S. 54; FRANÇOIS JOMINI, Parts sociales et capital dans le droit suisse des coopératives, 1966, S. 71; vgl. auch CHRISTIAN TERRIER, La comptabilité des sociétés coopératives, 1983, S. 47; WALTER HENSEL, Der Genossenschaftsanteil nach schweizerischem Obligationenrecht, 1947, S. 129, nach dem allerdings eine Ausgabe an alle Mitglieder nicht verlangt werden könne). Der Grundsatz der Vertragsfreiheit (
Art. 19 OR
) erlaube es den Genossenschaften, innerhalb der Schranken des zwingenden Rechts auf statutarischem Weg Institute zu schaffen, die im Gesetz nicht vorgesehen seien (VON STEIGER, a.a.O., S. 181).
Andere Autoren lehnten die Ausgabe von Genussscheinen dagegen als genossenschaftsfremd ab, etwa mit dem Hinweis darauf, der Genussschein sei seinem juristischen Inhalt nach unbestimmt bzw. es fehle ihm am "typischen Inhalt" und er sei deutlich auf die Bedürfnisse der Aktiengesellschaft zugeschnitten (MAX GUTZWILLER, Zürcher Kommentar, 1972, N. 11 zu
Art. 861 OR
; ablehnend auch GEORGES CAPITAINE, Particularités et anomalies du droit coopératif suisse, ZBJV 89/1953 S. 112;
derselbe
, Genossenschaft, Teil II: Gründung, SJK, Nr. 1155, Stand: 1955, S. 3;
derselbe
, Genossenschaft, Teil IV: Die Pflichten der Mitglieder, SJK, Nr. 1157, Stand: 1955, S. 2 f.).
BGE 140 III 206 S. 209
3.2.2
Nach dem Aufkommen der Finanzierungsgenussscheine bei Aktiengesellschaften befassten sich die Publikationen eingehender mit der Frage der Zulässigkeit dieses Kapitalbeschaffungsinstruments bei der Genossenschaft. Die Zulässigkeit wurde zwar mehrheitlich bejaht, jedoch mit unterschiedlichen Einschränkungen.
Der Autor eines Grundlagenwerkes zum Genossenschaftsrecht verneinte etwa aufgrund der Ausschüttungsbeschränkung nach
Art. 859 Abs. 3 OR
die Zweckmässigkeit eines solchen Anlagepapiers. Mit Bezug auf die Kreditgenossenschaft, bei der die Dividendenbeschränkung nicht anwendbar ist (
Art. 861 Abs. 1 OR
), erachtete er die Zulässigkeit einer Finanzierung durch Ausgabe von Genussscheinen als "sehr fraglich", weil dies praktisch zu einer Abspaltung der Vermögensrechte von der Mitgliedschaft führen würde, die zu "schweren rechtlichen Bedenken Anlass" gebe (PETER FORSTMOSER, Grossgenossenschaften, 1970, S. 241 f.; vgl. auch
derselbe
, Berner Kommentar, 1974, N. 70 zu
Art. 849 OR
).
In einem anderen Werk wurde die Ansicht vertreten, zwar spreche das Wesen der Genossenschaft nicht gegen eine Verwendung der Genussscheine, jedoch stünden einer Übernahme der aktienrechtlich ausgestalteten Finanzierungsgenussscheine einzelne Vorschriften des schweizerischen Genossenschaftsrechts entgegen, so insbesondere die Vorschriften über den Mitgliedschaftserwerb (
Art. 849 OR
), das Verbot der Ausgabe von Anteilscheinen in Wertpapierform (
Art. 853 Abs. 3 OR
) und die Bestimmungen über die Verteilung des Reinertrags (
Art. 859 Abs. 3 OR
). Die Verwendung von Genussscheinen bei der Genossenschaft sei daher nur zulässig, wenn sie nicht als Wertpapiere ausgestaltet würden, eine beschränkte Verteilung des Reinertrags (mit Ausnahme der Kreditgenossenschaften) vorsähen und überdies bei ihrer Übernahme auf die Einhaltung der Vorschriften über den Mitgliedschaftserwerb geachtet werde (ERICH FLURI, Die rechtlichen Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung im schweizerischen Genossenschaftsrecht, 1973, S. 117 f.).
Teilweise wurde die Zulässigkeit des Finanzierungsgenussscheins bei der Genossenschaft mit denselben Einschränkungen bejaht, jedoch mit Ausnahme des Verbots der Ausgestaltung als Wertpapier (
Art. 853 Abs. 3 OR
), das für den Genussschein keine Geltung beanspruche, da dieser keine Mitgliedschaftsrechte, sondern lediglich mitgliedschaftsähnliche Vermögensrechte gewähre (SUSY B. MOSER, Wohnbaugenossenschaften, 1978, S. 38; vgl. auch JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, Wertpapierrecht, 1985, S. 123).
BGE 140 III 206 S. 210
3.2.3
Über die gesetzgeberische Absicht lässt sich den Materialien nichts entnehmen. Soweit ersichtlich, war im Gesetzgebungsverfahren über die Revision des Genossenschaftsrechts in den 1930er-Jahren die Frage nicht diskutiert worden, ob Genussscheine entsprechend dem Aktienrecht auch bei der Genossenschaft zulässig sind, geschweige denn, ob solche zu Finanzierungszwecken ausgegeben werden können (vgl. auch FLURI, a.a.O., S. 113). Dass der Gesetzgeber die Möglichkeit von Partizipationsscheinen bei der Gesetzesreform von 1936 noch nicht in Betracht zog, vermag angesichts des Umstands nicht zu überraschen, dass die Ausgabe von Genussscheinen (aArt. 657 OR) zu Finanzierungszwecken bei Aktiengesellschaften erst in den 1960er-Jahren aufkam. Selbst wenn auch bei der Aktiengesellschaft die Verwendung von Genussscheinen als Finanzierungsmittel eigentlich nicht der Absicht des Gesetzgebers der 1930er-Jahre entsprach (MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, a.a.O., § 16 Rz. 330), lässt sich daher keine Entscheidung des damaligen Gesetzgebers über die Schaffung von Partizipationskapital bei der Genossenschaft feststellen.
3.3
Im Gegensatz zum Genossenschaftsrecht (
Art. 828 ff. OR
) enthält das geltende Aktienrecht in
Art. 656a ff. OR
detaillierte Regeln zu den Partizipationsscheinen.
3.3.1
Die Entwicklung der verbreiteten Ausgabe von Genussscheinen als Finanzierungsmittel der Aktiengesellschaft war seinerzeit kritisiert worden, weil die grobmaschige gesetzliche Regelung des Genussscheins Missbräuchen kaum Schranken entgegenstellte (MEIER- HAYOZ/FORSTMOSER, a.a.O., § 16 Rz. 331). Entsprechend wurde einhellig die Ansicht vertreten, dass der Partizipationsschein gesetzlich geregelt werden müsse, insbesondere zur Stärkung der Stellung des Partizipanten, da er Eigenkapital hingibt, ohne Mitwirkungsrechte zu erhalten, und seine Vermögensrechte von den Aktionären statutarisch festgelegt werden, womit diese Rechte letztlich dem guten Willen der Aktionäre preisgegeben sind (vgl. Botschaft vom 23. Februar 1982 über die Revision des Aktienrechts, BBl 1983 II 800 Ziff. 206.1).
Die im Rahmen einer Aktienrechtsrevision per 1. Juli 1992 in Kraft gesetzte Regelung der Partizipationsscheine (
Art. 656a ff. OR
) wird durch den Grundsatz der Gleichstellung beherrscht (vgl.
Art. 656a Abs. 2 OR
), nach dem alle Vorschriften über das Aktienkapital, die Aktien und den Aktionär auch für das Partizipationskapital, den Partizipationsschein und den Partizipanten gelten, soweit die
BGE 140 III 206 S. 211
Bestimmungen in
Art. 656b-656g OR
nichts anderes vorsehen (BBl 1983 II 801 Ziff. 206.31). Insbesondere müssen die Partizipationsscheine vermögensmässig einer Aktienkategorie gleichgestellt sein (
Art. 656f Abs. 2 OR
) und dem Partizipanten stehen die gleichen Anfechtungsrechte wie dem Aktionär zu (Art. 656a Abs. 2 i.V.m.
Art. 706 OR
). Hinsichtlich der Informationsrechte bleiben sie gegenüber den Aktionären zwar schlechtergestellt, wenn ihnen statutarisch keine entsprechenden Rechte eingeräumt werden (
Art. 656c OR
); den Partizipanten muss es aber auf jeden Fall möglich sein, Begehren um Auskunft oder Einsicht oder um Einleitung einer Sonderprüfung zu Handen der Generalversammlung zu stellen (
Art. 656c Abs. 3 OR
). Zudem bilden Aktionäre und Partizipanten eine Schicksalsgemeinschaft, indem die Aktionäre die Stellung der Partizipanten durch Generalversammlungsbeschlüsse nur verschlechtern können, wenn sie auch selber eine entsprechende Einbusse auf sich nehmen (
Art. 656f Abs. 3 OR
; vgl. MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, a.a.O., § 16 Rz. 332).
3.3.2
Damit ist der Partizipationsschein im geltenden Recht klar vom Genussschein abgegrenzt: Dieser darf nach (dem im Rahmen der erwähnten Gesetzesrevision ebenfalls neu gefassten)
Art. 657 Abs. 3 OR
keinen Nennwert haben und nicht mehr gegen eine Einlage ausgegeben werden, die unter den Aktiven der Bilanz ausgewiesen ist. Die Ausgabe von Genussscheinen zur Kapitalbeschaffung ist nach geltendem Recht demnach nicht mehr zulässig (vgl. auch BÖCKLI, a.a.O., § 5 Rz. 39).
3.4
Das Genossenschaftsrecht (
Art. 828 ff. OR
) enthält keine Regelung, welche die Finanzierung über Partizipationsscheine vorsehen bzw. die entsprechenden Rechte der Partizipanten festlegen würde. Zwar wurden nach dem Erlass der gesetzlichen Regelung über die aktienrechtlichen Partizipationsscheine verschiedene Gesetzesänderungen im Gesellschaftsrecht eingeleitet oder erlassen; die Möglichkeit der Schaffung eines Partizipationskapitals blieb ungeregelt.
3.4.1
So wurde Mitte Januar 1993 vom EJPD eine Groupe de réflexion "Gesellschaftsrecht" eingesetzt, um die Revisionsanliegen und den Handlungsbedarf im Bereich des Gesellschaftsrechts einer ersten Prüfung zu unterziehen. Sie befasste sich unter anderem mit dem Revisionsbedarf bei der Genossenschaft. In ihrem Schlussbericht vom 24. September 1993 hielt die Groupe de réflexion diesbezüglich fest, auch im Genossenschaftsrecht sei der Partizipationsschein zu regeln, wobei zu klären sein werde, inwieweit und mit welchen
BGE 140 III 206 S. 212
Beschränkungen dieser zulässig sein soll (S. 61). Ausserdem werde zu untersuchen sein, ob weitere Zielsetzungen der Aktienrechtsreform auch im Genossenschaftsrecht übernommen, jedoch mit anderen Mitteln realisiert werden sollen: So stelle etwa die Möglichkeit der Eigenfinanzierung viele Genossenschaften vor Probleme. Die Eigenart des variablen und überdies dispositiven Grundkapitals verbiete aber eine Übernahme der neuen aktienrechtlichen Ordnung; vielmehr seien "eigene Wege" zu diskutieren (S. 62). Auch wenn sich daraus für die Zulässigkeit von Partizipationskapital nach geltendem Recht keine Rückschlüsse ergeben, folgt daraus immerhin, dass ein Rechtsinstitut wie der Partizipationsschein - soweit er zugelassen werden soll - im Genossenschaftsrecht gesetzlich geregelt werden müsste und die Eigenart des (variablen und dispositiven) Grundkapitals einer Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmungen entgegensteht.
3.4.2
Mit der Änderung des Obligationenrechts (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht) vom 16. Dezember 2005 (AS 2007 4791) wurde sodann mit dem per 1. Januar 2008 in Kraft gesetzten
Art. 774a OR
auch bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) die Möglichkeit der Schaffung von
Genussscheinen
gesetzlich vorgesehen. Nach der erwähnten Bestimmung sind dabei die Vorschriften des Aktienrechts entsprechend anwendbar; eine Ausgabe von Genussscheinen als Finanzierungsmittel scheidet damit bei der GmbH aus (vgl.
Art. 657 Abs. 3 OR
). Denn
Partizipationsscheine
sind bei der GmbH nach geltendem Recht ausgeschlossen; das Gesetz enthält diesbezüglich ein qualifiziertes Schweigen (Botschaft vom 19. Dezember 2001 zur Revision des Obligationenrechts [GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht], BBl 2001 3249 Ziff. 2.4; vgl. Art. 4 der Übergangsbestimmungen der Änderung vom 16. Dezember 2005 [AS2007 4837]).
3.4.3
Im Rahmen der Revision des GmbH-Rechts wurden auch gewisse Bestimmungen des Genossenschaftsrechts geändert; zur Zulässigkeit von Partizipationsscheinen bei der Genossenschaft finden sich keine Äusserungen, da diese Gesetzesrevision in erster Linie die GmbH betraf (vgl. BBl 2001 3166 f. Ziff. 1.3.17).
3.5
Die Vorinstanz hat angenommen, die Regelung über die Genossenschaft sei in Bezug auf die Zulässigkeit von Partizipationskapital lückenhaft. Sie hat diese Lücke
modo legislatoris
in Analogie zum altrechtlichen Genussschein im Aktienrecht gefüllt.
BGE 140 III 206 S. 213
3.5.1
Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann (vgl.
BGE 139 II 404
E. 4.2 S. 416 f.;
BGE 138 II 1
E. 4.2 S. 3;
BGE 135 III 385
E. 2.1 S. 386). Ist ein lückenhaftes Gesetz zu ergänzen, gelten als Massstab die dem Gesetz selbst zugrunde liegenden Zielsetzungen und Werte (
BGE 129 II 401
E. 2.3 S. 403).
3.5.2
Der Umstand, dass sich eine bestimmte Regelung im Gesetz nicht findet, bedeutet nicht ohne Weiteres, dass eine Lücke im Rechtssinn vorliegt, die nach
Art. 1 Abs. 2 ZGB
zu füllen wäre (vgl. MEIER- HAYOZ, in: Berner Kommentar, 1962, N. 255 zu
Art. 1 ZGB
; HANS MICHAEL RIEMER, Die Einleitungsartikel des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 2003, § 4 Rz. 84; ERNST A. KRAMER, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl. 2013, S. 191 f.; CLAUS-WILHELM CANARIS, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl., Berlin 1983, S. 39 f.; KARL LARENZ, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., Berlin u.a. 1991, S. 375). Als lückenhaft kann das Gesetz im zu beurteilenden Fall nur gelten, wenn sich ergibt, dass es hinsichtlich der Arten des Eigenkapitals der Genossenschaft keine abschliessende Ordnung aufgestellt, sondern der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen. Ist die gesetzliche Ordnung hinsichtlich der Struktur des Grundkapitals bei der Genossenschaft aufgrund der Auslegung demgegenüber als abschliessend zu betrachten, ist das Fehlen besonderer Bestimmungen zum Partizipationsschein folgerichtig und es liegt keine Gesetzeslücke vor.
3.5.3
Ob das eine oder das andere zutrifft, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 256 zu
Art. 1 ZGB
). Zwar ist dabei eine historisch orientierte Auslegung insoweit von besonderer Bedeutung, als nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers (die sich insbesondere aus dem Materialien ergibt) aufzuzeigen vermag, die zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen
BGE 140 III 206 S. 214
Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Gerichts bleibt (vgl.
BGE 138 III 359
E. 6.2 S. 361;
BGE 137 V 13
E. 5.1 S. 17,
BGE 137 V 167
E. 3.2 S. 170; vgl. auch den von der Beschwerdegegnerin erwähnten
BGE 114 Ia 191
E. 3b/bb S. 196 f., der zudem zwar erwähnt, dass letztlich nur die Materialien Aufschluss darüber verschaffen, ob der damalige Gesetzgeber durch bewusstes Schweigen eine bestimmte Frage in negativem Sinne entschieden haben wollte, jedoch trotz deren Unergiebigkeit zu dieser Frage nicht ohne Weiteres auf eine Lücke schliesst). Eine negative Anordnung kann sich aber nicht nur anhand der Materialien (historisches Auslegungselement) erschliessen, sondern unter Umständen auch erst unter Beizug anderer Auslegungselemente ersichtlich werden (RIEMER, a.a.O., § 4 Rz. 89; vgl. auch HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, 2003, N. 223 zu
Art. 1 ZGB
).
3.5.4
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der
ratio legis
. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (
BGE 139 II 173
E. 2.1 S. 175;
BGE 139 III 201
E. 2.5.1 S. 205;
BGE 139 V 95
E. 2.2 S. 98,
BGE 139 V 358
E. 3.1 S. 361;
BGE 138 III 694
E. 2.4 S. 698). Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen (
BGE 139 II 404
E. 4.2 S. 416;
BGE 138 II 217
E. 4.1 S. 224;
BGE 137 III 217
E. 2.4.1 S. 221). Bei der Auslegung neuerer Bestimmungen kommt den Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen (
BGE 139 III 98
E. 3.1 S. 100;
BGE 138 II 440
E. 13 S. 453;
BGE 133 III 497
E. 4.1 S. 499).
3.5.5
Der Beschwerdeführer weist daher zu Recht darauf hin, dass sich eine negative Anordnung des Gesetzes etwa auch nach einer teleologischen bzw. systematisch-teleologischen Auslegung ergeben kann (so zutreffend auch HAUSHEER/JAUN, a.a.O., N. 223 zu
Art. 1 ZGB
; vgl. auch DAVID DÜRR, in: Zürcher Kommentar, 1998, N. 152
BGE 140 III 206 S. 215
zu
Art. 1 ZGB
). Eine solche ist auf Grundlage der aktuell geltenden Rechtsordnung vorzunehmen, weshalb die Einordnung einer Nichtregelung als qualifiziertes Schweigen grundsätzlich stets unter dem Vorbehalt eines geänderten rechtlichen oder tatsächlichen Kontextes steht (vgl. EMMENEGGER/TSCHENTSCHER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 348 zu
Art. 1 ZGB
; HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 188 zu
Art. 2 ZGB
; vgl. auch KRAMER, a.a.O., S. 192).
3.6
Der Gesetzgeber hat das Partizipationskapital für die Aktiengesellschaft ausdrücklich geregelt, für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung dagegen ausgeschlossen.
3.6.1
Die Unzulässigkeit des Partizipationsscheins wird in der Botschaft zur Revision des GmbH-Rechts (BBl 2001 3249 Ziff. 2.4) damit begründet, dass die Partizipanten am Risikokapital der Gesellschaft beteiligt sind, ohne auf die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und die Bestellung der Organe Einfluss nehmen zu können; demzufolge verfügten sie über eine ausserordentlich prekäre Rechtsstellung und seien daher in erheblichem Masse auf allgemeine gesellschaftsrechtliche Schutzvorkehren angewiesen. Für einen minimalen Schutz wäre nach der Botschaft etwa das Institut der Sonderprüfung vorauszusetzen; von einer entsprechenden Ausgestaltung des GmbH-Rechts werde jedoch abgesehen, um die Möglichkeit einer einfachen und wenig kostenintensiven Rechtsform zu erhalten. Da die Ausgabe von Partizipationsscheinen die Übernahme der aktienrechtlichen Schutzmechanismen bedingen würde, in der Praxis jedoch nur ein sehr beschränktes Bedürfnis bestehe, erscheine eine entsprechende Regelung für die Zulassung von Partizipationsscheinen in der GmbH nicht als sinnvoll. Solle eine stimmrechtslose Beteiligung am Risikokapital geschaffen werden, sei sachgerechterweise die Rechtsform der Aktiengesellschaft zu wählen, gegebenenfalls auf dem Weg der Umwandlung nach dem (in der Folge erlassenen) Bundesgesetz über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung vom 3. Oktober 2003 (Fusionsgesetz, FusG; SR 221.301). Aus diesen Gründen werde von der Möglichkeit der Ausgabe von Partizipationsscheinen in der GmbH abgesehen, wobei es sich um ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzes handle (BBl 2001 3249 Ziff. 2.4).
3.6.2
Die Botschaft zur Revision des GmbH-Rechts stellte hinsichtlich der Zulassung einer Ausgabe von Partizipationsscheinen zunächst darauf ab, dass die GmbH (aufgrund ihres personenbezogenen Charakters) als nicht kapitalmarktfähige Rechtsform ausgestaltet
BGE 140 III 206 S. 216
und für die Aufnahme von nicht stimmberechtigtem Eigenkapital auf dem Kapitalmarkt nicht geeignet ist (BBl 2001 3249 Ziff. 2.4 mit Verweis auf Ziff. 1.3.8). Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft sollte nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Kapitalbeteiligung bei der Genossenschaft nicht als mobilisierbare Anlagemöglichkeit, sondern als Folge personaler Mitgliedschaft ausgestaltet werden (vgl. FORSTMOSER, a.a.O., N. 32 und 70 zu
Art. 849 OR
). Entsprechend soll die Negotiabilität der Anteilscheine mit
Art. 853 Abs. 3 OR
(vgl. auch
Art. 784 Abs. 1 OR
, der nunmehr die Errichtung von Stammanteilen in Form von Namenpapieren vorsieht) auch bei der Genossenschaft verhindert werden (HANS NIGG, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 852/853 OR). Ausserdem ist auch die Genossenschaft personenbezogen ausgestaltet (MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, a.a.O., § 19 Rz. 2 ff.); entsprechend bestehen (wie bei der GmbH) über die Liberierung hinausgehende gesetzliche Pflichten der Genossenschafter (
Art. 866 ff. OR
). Die gesetzgeberische Wertung, die Möglichkeit von Partizipationsscheinen nur für Rechtsformen in Betracht zu ziehen, deren Struktur für die Aufnahme von Eigenkapital auf dem Kapitalmarkt geeignet ist, spricht demnach grundsätzlich auch bei der Genossenschaft für eine abschliessende gesetzliche Regelung des Grundkapitals.
3.6.3
Der Gesetzgeber stellte zudem darauf ab, dass die Partizipanten aufgrund ihrer ausserordentlich prekären Rechtsstellung in erheblichem Masse auf allgemeine gesellschaftsrechtliche Schutzvorkehren angewiesen seien; für einen minimalen Schutz wäre unter anderem das Rechtsinstitut der Sonderprüfung vorauszusetzen. Allgemein würde die Ausgabe von Partizipationsscheinen die Übernahme der aktienrechtlichen Schutzmechanismen bedingen (BBl 2001 3249 Ziff. 2.4). Darin kommt zum einen die Absicht zum Ausdruck, die Möglichkeit einer Ausgabe von Partizipationsscheinen vom Bestehen gesellschaftsrechtlicher Schutzvorkehren, so insbesondere in Form der Sonderprüfung (vgl.
Art. 697a ff. OR
), abhängig zu machen. Das Institut der Sonderprüfung ist jedoch im Genossenschaftsrecht ebenso wenig vorgesehen wie im GmbH-Recht. Zum anderen weist die gesetzgeberische Wertung, die Ausgabe von Partizipationsscheinen bedinge die Übernahme der aktienrechtlichen Schutzmechanismen bzw. eine entsprechende Regelung der Partizipationsscheine, darauf hin, dass deren Zulassung bei weiteren Rechtsformen ein Tätigwerden des Gesetzgebers voraussetzen soll. Dies muss umso mehr für die Genossenschaft gelten, bei der die Verwirklichung eines
BGE 140 III 206 S. 217
vergleichbaren Schutzes der Partizipanten angesichts der Eigenart des Genossenschaftskapitals in jedem Fall die Einführung eigener Regeln voraussetzen würde (vgl. bereits den Schlussbericht der Groupe de réflexion "Gesellschaftsrecht", S. 62).
3.6.4
Die Materialien insbesondere zur GmbH-Revision bringen den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, Partizipationsscheine nicht bei allen Gesellschaftsformen zuzulassen, und ihre Ausgabe von besonderen Schutzmechanismen zugunsten der Partizipanten abhängig zu machen. Aufgrund der detaillierten Regelung der aktienrechtlichen Partizipationsscheine mit entsprechenden Schutzvorkehren, der Unzulässigkeit des Partizipationsscheins bei der GmbH sowie dessen klarer Abgrenzung vom Genussschein nach Art. 657 bzw.
Art. 774a OR
, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Ausgabe von Beteiligungspapieren zur Kapitalbeschaffung ohne besondere Beschränkungen, wie sie etwa beim damaligen Finanzierungsgenussschein unter dem alten Aktienrecht (gestützt auf aArt. 657 OR) noch als zulässig erachtet wurde, in jedem Fall ausschliessen wollte.
Der Lehrmeinung, wonach sich das vom Gesetzgeber für die GmbH "neu geschaffene" qualifizierte Schweigen nicht auf das Genossenschaftsrecht beziehe und zudem impliziere, "dass das alte Recht (und damit auch das bestehende Genossenschaftsrecht) kein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers" enthalte bzw. enthalten habe (TAISCH/SCHWYTER, Finanzierung von Genossenschaften, in: Auf der Scholle und in lichten Höhen, Martina Caroni und andere [Hrsg.], 2011, S. 519; vgl. auch TAISCH/TROXLER, Eigenkapitalbeschaffung bei Genossenschaften, AJP 3/2013 S. 418 f.), kann nicht gefolgt werden. Im Rahmen der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit steht es der Genossenschaft ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die Rechte der Partizipanten nicht frei, Eigenkapitalinstrumente
sui generis
in Form von Partizipationsscheinen oder etwa nach dem Vorbild des unter dem alten Aktienrecht in der Praxis entwickelten Finanzierungsgenussscheins zu schaffen (vgl. dagegen TAISCH/SCHWYTER, a.a.O., S. 518 f.; TAISCH/TROXLER, a.a.O., S. 417 ff.). Insbesondere ergibt sich aus der Unzulässigkeit des Partizipationsscheins bei der GmbH aufgrund des unzweideutigen qualifizierten Schweigens des Gesetzes (BBl 2001 3249 Ziff. 2.4) und der in diesem Zusammenhang zum Ausdruck gebrachten Regelungsabsicht, dass solche zusätzlichen Eigenkapitalinstrumente nicht ohne Weiteres zugelassen werden sollen, selbst wenn sie im Grundsatz mit dem Wesen der
BGE 140 III 206 S. 218
jeweiligen Rechtsform vereinbar sind und mit ihrer Einführung nicht gegen tragende Grundsätze bzw. zwingende Vorschriften der betroffenen Gesellschaftsform verstossen wird. Im Gegenteil wird die Zulassung solcher Instrumente, die mit einer ausserordentlich prekären Rechtsstellung des Partizipanten verbunden sind, vom Bestehen entsprechender gesellschaftsrechtlicher Schutzvorkehren bzw. der Einführung besonderer Schutzbestimmungen auf dem Gesetzgebungsweg abhängig gemacht.
3.6.5
Der Ansicht der Beschwerdegegnerin, wonach ohne besondere gesetzliche Regelung die Schaffung einer zusätzlichen Art des Grundkapitals als Folge der Privatautonomie und unter Vorbehalt der Einhaltung der genossenschaftlichen Wesensmerkmale sowie der zwingenden Vorschriften des Genossenschaftsrechts ohne Weiteres zulässig sein soll, kann insoweit nicht gefolgt werden. Die im Rahmen der erwähnten Gesetzesrevisionen zum Ausdruck gebrachte Regelungsabsicht, die Zulässigkeit von Partizipationsscheinen allgemein nur in begrenztem Rahmen und mit besonderen Schutzvorkehren entsprechend dem Aktienrecht in Betrachtzu ziehen, schliesst eine freie Schaffung und Ausgestaltung von zusätzlichen Kategorien des Grundkapitals aus. Es kann daher nicht entscheidend sein, dass das Gleichbehandlungsgebot (
Art. 854 OR
) und die gesetzliche Ausschüttungsbeschränkung (
Art. 859 Abs. 3 OR
) nur auf Genossenschafter anwendbar seien und sich eine Genossenschaft grundsätzlich verpflichten darf, Dritte an ihrem Gewinn zu beteiligen (so aber REYMOND/TRIGO TRINDADE, Die Genossenschaft, SPR, Bd. VIII/5, 1998, S. 71; JACQUES-ANDRÉ REYMOND, La coopérative, TDPS, Bd. III/1, 1996, S. 89; TAISCH/SCHWYTER, a.a.O., S. 518; TAISCH/TROXLER, a.a.O., S. 422 ff.; vgl. auch WALTER GERBER, Die Genossenschaft als Organisationsform von Mittel- und Grossunternehmen, 2003, S. 67). Ebenso wenig wäre eineBeachtung dieser Grundsätze ausreichend (für die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebots und der Dividendenbeschränkung: SARAH BRUNNER-DOBLER, Fusion und Umwandlung von Genossenschaften, 2008, S. 57 f.; CARRON/NIGG, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 22 zu
Art. 852-853 OR
; NIGG, a.a.O., N. 22 zu Art. 852/853 OR). Vor dem Hintergrund der eingeführten Regelung der Partizipationsscheine im Aktienrecht (
Art. 656a ff. OR
) sowie der nunmehr unbestrittenen Unzulässigkeit des Partizipationskapitals nach dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen revidierten GmbH-Recht (BBl 2001 3249 Ziff. 2.4; AS
BGE 140 III 206 S. 219
2007 4791) ist der Genossenschaft vielmehr nach geltendem Recht verwehrt, ein Partizipationskapital zu schaffen, zumal im Genossenschaftsrecht jegliche gesetzliche Querverweise auf die aktienrechtlichen Schutzmechanismen für Partizipanten fehlen, die Eigenkapital hingeben, ohne jedoch Mitwirkungsrechte zu erhalten (zutreffend FLORIAN ZIHLER, in: Handelsregisterverordnung [HRegV], Siffert/ Turin [Hrsg.], 2013, N. 10 zu
Art. 60 HRegV
).
3.6.6
Nach der aktienrechtlichen Regelung des Partizipationsscheins und dessen klarer Unterscheidung vom Genussschein wäre eine Analogie für die Einführung des von der Beschwerdegegnerin gewünschten Beteiligungsscheinkapitals wenn schon in der geltenden aktienrechtlichen Regelung zu suchen. Auch die Beschwerdegegnerin bringt aber zu Recht nicht vor, aus dem Bestehen der gesetzlichen Bestimmungen zum Partizipationsschein (
Art. 656a ff. OR
), die auf die kapitalmarktfähige Aktiengesellschaft zugeschnitten sind, liesse sich darauf schliessen, dass eine entsprechende Regelung nach geltendem Recht auch bei der Genossenschaft erwartet werden müsste, das eine grundlegend verschiedene Regelung des (dispositiven und variablen) Genossenschaftskapitals kennt (vgl.
Art. 828 Abs. 2 und
Art. 853 Abs. 1 OR
). Im Gegenteil vertritt sie in ihrer Beschwerdeantwort die Auffassung, die verschiedenen Rechtsformen seien je für sich zu betrachten und es ergebe sich kein Wertungswiderspruch, wenn der Gesetzgeber den Partizipationsschein im Aktienrecht regle und nicht ebenso im Genossenschaftsrecht.
3.7
Mit dem Entscheid, die Ausgabe von Partizipationsscheinen nicht bei allen Rechtsformen und in jedem Fall nur im Rahmen besonderer Bestimmungen zum Schutz der Partizipanten vor Missbrauch und willkürlicher Behandlung durch die Gesellschafter zuzulassen, wird die freie inhaltliche Ausgestaltung des Grundkapitals entsprechend den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen des Formenzwangs und der Formenfixierung (vgl.
BGE 132 III 470
E. 3.3 S. 476; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, a.a.O., § 11 S. 329 ff.) eingeschränkt.
Entsprechend dem geltenden GmbH-Recht, das von einer Regelung von Partizipationsscheinen absieht und damit (im Sinne einer abschliessenden Ordnung) deren Unzulässigkeit zum Ausdruck bringt, ist das Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung aus den aufgeführten Gründen auch bei der Genossenschaft nicht als planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes zu verstehen. Nach der
BGE 140 III 206 S. 220
Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie dem Zweck und der Systematik des Gesetzes ist im Genossenschaftsrecht kein Fehlen einer Regelung auszumachen, welche die genossenschaftlichen Bestimmungen als planwidrig unvollständig erscheinen liesse. Eine Lücke liegt damit nicht vor. Die gesetzliche Ordnung schliesst die Ausgabe von Partizipationsscheinen bei der Genossenschaft vielmehr aus.
Dies gilt aufgrund der auf alle Genossenschaftsarten anwendbaren Regelung hinsichtlich der Struktur des genossenschaftlichen Grundkapitals unabhängig davon, ob es sich um eine Kreditgenossenschaft (
Art. 861 OR
) oder einen Genossenschaftsverband (
Art. 921 ff. OR
) handelt. Sollte sich erweisen, dass ein Bedürfnis für die Schaffung einer zusätzlichen Kapitalkategorie in Form eines Partizipationskapitals auch bei der Genossenschaft besteht, wie dies zum Teil in der Lehre vertreten wird (vgl. etwa TAISCH/SCHWYTER, a.a.O., S. 509, 524; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, a.a.O., § 19 Rz. 123, die im Rahmen einer Revision des Genossenschaftsrechts eine "liberalere Regelung im Bereich der Finanzierungsmöglichkeiten" fordern), wäre diese auf dem Weg der Gesetzgebung einzuführen und zu regeln. | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
678b8917-6bb2-4496-9814-3afe93459de5 | Urteilskopf
119 Ia 260
31. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Oktober 1993 i.S. Z. gegen Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
; rechtliches Gehör im Verfahren der fürsorgerischen Freiheitsentziehung; Recht auf Vertretung und Verbeiständung.
Wird einem Rechtsbeistand die Teilnahme an einer fachrichterlichen Begutachtung der psychisch kranken Person verweigert, ist das aus dem Gehörsanspruch fliessende Recht auf Vertretung und Verbeiständung im Regelfall nicht verletzt, wenn er und die betroffene Person nachträglich in das Gutachten Einblick erhalten und zu den dortigen Schlussfolgerungen Stellung nehmen können (E. 6). | Erwägungen
ab Seite 260
BGE 119 Ia 260 S. 260
Aus den Erwägungen:
6.
Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, weil ihrem Rechtsbeistand die Teilnahme an der fachrichterlichen Einvernahme verweigert worden
BGE 119 Ia 260 S. 261
sei. Sie beruft sich dazu nicht auf eine Vorschrift des kantonalen Verfahrensrechts, das in erster Linie den Umfang des Gehörsanspruchs umschreibt, sondern lediglich auf
Art. 4 BV
.
a)
Art. 4 BV
gewährleistet in allen Streitsachen den Rechtsunterworfenen ein bestimmtes Mindestmass an Verteidigungsrechten. Ob diese unmittelbar aus
Art. 4 BV
folgenden Regeln missachtet worden sind, prüft das Bundesgericht frei (
BGE 118 Ia 17
E. 1b und 104 E. 3a mit Hinweisen).
Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht der Betroffenen, sich vor Erlass eines in ihre Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (
BGE 119 Ib 12
E. 4;
118 Ia 17
E. 1c mit Hinweisen). Der Gehörsanspruch schliesst das Recht ein, sich im Zivilprozess vertreten und verbeiständen zu lassen (
BGE 105 Ia 288
E. 2b; JÖRG PAUL MÜLLER, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, 2. A., Bern 1991, S. 286, Ziff. 2.4).
b) In gewisser Hinsicht ist dieses Recht auf Vertretung und Verbeiständung in
Art. 397f Abs. 2 ZGB
konkretisiert worden. Nach dieser Bestimmung bestellt der Richter der von einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung betroffenen Person wenn nötig einen Rechtsbeistand; daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Rechtsbeistand zwingend in jedem Stadium des Verfahrens anwesend zu sein hat. Es kann vielmehr - gerade in ausgesprochen persönlichkeitsbezogenen Angelegenheiten - durchaus verantwortbar oder gar erforderlich sein, dass eine Person ohne Gegenwart ihres Rechtsvertreters oder Beistands angehört wird, um ein möglichst unverfälschtes Bild ihrer Persönlichkeit zu erhalten.
Das war nun aber vorliegend gerade der Grund, weshalb dem Rechtsbeistand die Anwesenheit während der fachrichterlichen Befragung der Beschwerdeführerin verweigert worden war. Mit den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Entscheid setzt sich die Beschwerdeführerin kaum auseinander. Insbesondere macht sie nicht geltend, es sei eine die Parteiöffentlichkeit im Beweisverfahren vorsehende Vorschrift des kantonalen Rechts missachtet
BGE 119 Ia 260 S. 262
worden, die nicht nur sie, sondern auch ihren Rechtsbeistand zur Teilnahme an den Beweiserhebungen bzw. dieser besonderen Beweiserhebung berechtigt hätte. Die Beschwerdeführerin wirft der Verwaltungsrekurskommission mit keinem Wort vor, in dieser Hinsicht in Willkür verfallen zu sein. Es kann sich deshalb einzig die Frage stellen, ob der Gehörsanspruch - entsprechend der Minimalgarantie des
Art. 4 BV
- der Betroffenen im Rahmen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung das Recht vermittelt, ihren Rechtsvertreter bei der Einvernahme durch den sachverständigen Instruktionsrichter beiziehen zu können.
c) Inwieweit zur wirksamen Interessenwahrung der Partei bzw. ihrem Rechtsvertreter eine Teilnahme an Beweiserhebungen zugestanden werden muss, beantwortet sich, ausgehend vom zugrunde liegenden Verfahren, je nach Beweismittel unterschiedlich (vgl. HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 140 f. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Während unter anderem die Teilnahme an einem Augenschein, sofern sie die Partei innert nützlicher Frist verlangt hat (
BGE 103 Ia 37
E. 5b), nur ganz ausnahmsweise verweigert werden darf (
BGE 116 Ia 94
E. 3b;
BGE 113 Ia 81
E. 3a mit Hinweis), ist das Ausschliessen von einer durch den Sachverständigen durchgeführten Begutachtung zulässig, wenn die Partei nachträglich in das Gutachten bzw. den Bericht Einblick erhält und zu den dortigen Schlussfolgerungen Stellung nehmen kann (
BGE 104 Ia 69
E. 3b;
BGE 99 Ia 42
E. 3b;
BGE 92 I 185
ff. mit Hinweis; JÖRG PAUL MÜLLER, a.a.O., S. 273 f., insbesondere Anm. 75).
Was den besonderen Fall ärztlicher Gutachten betrifft, meint GULDENER (Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. A., Zürich 1979, S. 178) kurz und bündig: "Zu einer körperlichen Untersuchung oder einer psychiatrischen Exploration durch einen Sachverständigen sind neben dem Exploranden keine weiteren Personen zuzulassen." Dieser Auffassung ist für den Regelfall mit Blick auf den rein fachbezogenen Untersuchungsauftrag der Sachverständigen im Verfahren der fürsorgerischen Freiheitsentziehung beizupflichten (vgl.
Art. 397e Ziff. 5 ZGB
). Um seinem Auftrag gerecht zu werden, ist es unumgänglich, dass sich der ärztliche Gutachter einen zuverlässigen persönlichen Eindruck vom psychischen Zustand des oder der Betroffenen verschafft. Es muss ihm mithin das Recht zugestanden werden, die Art und Weise der Begutachtung im Rahmen des Untersuchungszwecks nach eigenem Ermessen festzulegen (vgl. GULDENER, a.a.O., S. 350 f.), so auch, ob er weitere Personen daran teilnehmen lassen will oder eben gerade nicht. Gleiches gilt für eine
BGE 119 Ia 260 S. 263
fachrichterliche Einvernahme, deren Bedeutung einzig darin liegt, Grundlage für die Erstellung eines Gutachtens zu sein. Einen eigentlichen Augenschein und damit einen Akt der Beweiserhebung stellt auch sie nicht dar.
d) Im vorliegenden Fall steht der freie Verkehr der Betroffenen mit ihrem Rechtsvertreter nicht in Frage (
BGE 114 Ia 182
E. 3b S. 187 mit Hinweis). Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber selbst, und zwar im Bewusstsein der bedeutenden Interessen, die beim Freiheitsentzug auf dem Spiel stehen, die Bestellung eines Rechtsbeistands nicht zwingend, sondern nur bei Notwendigkeit vorgeschrieben hat (
Art. 397f Abs. 2 ZGB
). Unter diesen Umständen liegt keine Verletzung von
Art. 4 BV
darin, dass der Rechtsbeistand nicht bei der Befragung und Untersuchung der Beschwerdeführerin anwesend sein durfte. Es wird auch nicht etwa geltend gemacht, die Beschwerdeführerin sei infolge besonderer Hilflosigkeit auf den Beistand ihres Rechtsvertreters angewiesen gewesen oder der zu begutachtende Sachverhalt sei so schwierig, dass der Betroffenen (und ihrem Rechtsbeistand) ein Anspruch auf Mitwirkung bei der Instruktion des Sachverständigen hätte zugestanden werden müssen oder dass es nötig gewesen wäre, bereits in jenem Zeitpunkt dem Sachverständigen Ergänzungsfragen stellen zu können (
BGE 99 Ia 42
E. 3b).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann daher von einer Verletzung des Gehörsanspruchs nicht gesprochen werden. Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid diente die Anhörung dem ärztlichen Fachrichter als Grundlage, um zuhanden des Gesamtgerichts ein Gutachten und seinen Antrag zu stellen. Dem Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin wurde dieses Gutachten zugestellt und ihm gleichzeitig die Gelegenheit geboten, sich zu dessen Inhalt zu äussern. Mehr lässt sich aus dem Gehörsanspruch des
Art. 4 BV
nicht herleiten.
Zur nicht ganz unbedenklichen Verquickung sachverständiger und richterlicher Funktionen äussert sich die Beschwerde so wenig wie zur weiteren heiklen Problematik, dass der mit der Prozessvorbereitung betraute Richter, wie das in verschiedenen Prozessgesetzen vorgesehen wird, zugleich in eigener Regie eine wesentliche Beweisgrundlage erstellt. Der Rechtsvertreter pocht lediglich - und erst noch mit ganz allgemein gehaltenen, wenig differenzierten Argumenten - auf sein Teilnahmerecht an der Begutachtung, das ihm
Art. 4 BV
- wie gesagt - nicht garantiert. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet. | public_law | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
678fdd50-c1ca-4ba2-b24e-6e4e5cc6ac93 | Urteilskopf
102 II 103
18. Arrêt de la IIe Cour civile du 29 avril 1976 dans la cause Zurich, compagnie d'assurances contre Masse en faillite de la Société en nom collectif Agence immobilière H. Golay et P.E. Chapuis, en liquidation. | Regeste
Art. 401 OR
, 197 SchKG: Wirkungen des Konkurses auf das Vermögen des Beauftragten.
1. Die in
Art. 401 OR
enthaltene Ausnahme von der allgemeinen Regel des
Art. 197 SchKG
findet auf alle Formen des Auftrages Anwendung, aber sie bezieht sich nur auf die Forderungen oder die beweglichen Sachen, die der Beauftragte in seinem eigenen Namen auf Rechnung des Auftraggebers erworben hat (Erw. I, 1).
2. Grundsätzlich bezieht sich diese Ausnahme daher weder auf die Geldsummen, die der Beauftragte vor seinem Konkurs eingezogen hat (Erw. II, 1), noch auf die Forderungen oder die beweglichen Sachen, die er nicht im Zusammenhang mit der ordentlichen Ausführung seines Auftrages erworben hat (Erw. II, 2 lit. b).
3. Damit
Art. 401 OR
gegebenenfalls auch auf eine Geldsumme Anwendung finden kann, muss diese zum mindesten individualisiert sein und darf dem Beauftragten nicht mehr zur freien Verfügung stehen (Erw. II, 4 und 5). | Sachverhalt
ab Seite 104
BGE 102 II 103 S. 104
A.-
La société en nom collectif Agence immobilière H. Golay et P.E. Chapuis (dans la suite: l'agence) pratiquait sur la place de Lausanne la gérance immobilière. Elle gérait notamment plusieurs immeubles locatifs appartenant à la société d'assurances La Zurich. Le 4 février 1975, à la suite de difficultés financières, elle est entrée en liquidation.
Le 3 février, l'associé Chapuis fit connaître par téléphone la situation de la société à La Zurich. Le lendemain, un représentant de cette dernière, le sieur Lutz, se rendit à Lausanne et avisa avec Chapuis aux mesures à prendre.
L'agence percevait en effet les loyers à son compte de chèques postaux et reversait ensuite périodiquement à ses mandants ce qui leur était dû. Lutz et Chapuis convinrent
BGE 102 II 103 S. 105
d'un nouveau système d'encaissement: un nouveau compte de chèques postaux serait ouvert à Lausanne au nom de "La Zurich, Compagnie d'assurances, bureau de location Lausanne" sur lequel les locataires seraient invités à effectuer leurs paiements à l'avenir, à l'exclusion du compte de Golay et Chapuis. Mais la mise en place de ce nouveau régime demandait du temps. L'ouverture du nouveau compte, l'impression et la distribution de bulletins de versement à l'intention des locataires, exigeaient quelques jours. Les locataires ont ainsi continué dans un premier temps à payer au compte de chèques postaux de l'agence. Les liquidateurs avaient bien demandé aux PTT que ce compte fût résilié immédiatement, mais l'administration s'y est opposée en raison du grand nombre des versements, qui continuaient à affluer.
Il avait alors été entendu entre Lutz et Chapuis que les montants des loyers versés sur ce compte seraient virés chaque jour à Zurich. Mais cette rétrocession immédiate n'a pas été effectuée, un des liquidateurs s'y étant opposé.
En revanche, les liquidateurs ont ouvert, le 7 février 1975, au Crédit suisse à Lausanne, un compte dit "Crédit suisse No 2" au nom de "Agence immobilière H. Golay et P.E. Chapuis en liquidation". Dès le 12 février 1975, les montants versés au compte de chèques postaux de l'agence ont été virés par celle-ci à ce compte "Crédit suisse No 2", et cela en deux fois: Fr. 358'394.85 le 12 février et Fr. 182'425 le 18 mars 1975. Ces sommes représentaient des loyers encaissés pour le compte de plusieurs mandants, dont La Zurich.
Pour chacun des immeubles qu'elle gérait, l'agence a établi un décompte où elle a porté
- le solde dû au mandant au 4 février 1975;
- le montant prétendument encaissé dès le 4 février 1975 et viré sur le compte ouvert au Crédit suisse;
- le solde en faveur du mandant sur son compte individualisé;
- les commissions et frais de gérance pour la période du 4 février au 31 mars 1975.
Selon La Zurich, un montant total de Fr. 104'351.25 a été ainsi perçu par l'agence à titre de loyers pour son compte et viré sur le compte "Crédit suisse No 2".
Pendant cette même période du 4 au 28 février 1975, l'agence a encaissé, par versement à son compte de chèques
BGE 102 II 103 S. 106
postaux, des loyers pour un montant total de Fr. 571'075.65, et ce pour le compte de nombreux mandants.
Dès le début de mars 1975, les locataires ont payé leurs loyers directement à La Zurich.
B.-
L'Agence immobilière Golay et Chapuis a été déclarée en faillite le 1er avril 1975.
La Zurich a revendiqué dans cette faillite le montant de Fr. 104'351.25 correspondant aux loyers encaissés pour son compte par l'agence et dont le montant a été viré, du 5 au 28 février. D'autres mandants ont formulé la même revendication.
L'administration de la faillite a contesté la revendication de La Zurich. Elle a sursis à statuer sur les revendications des autres mandants jusqu'à droit connu sur la présente revendication.
C.-
Les parties ayant convenu de saisir directement le Tribunal fédéral de leur litige, La Zurich a ouvert action le 12 septembre 1975, concluant en substance à la remise par la masse de la somme de Fr. 104'351.25, consignée à l'Office de consignation cantonal vaudois.
La masse défenderesse conclut au rejet de la demande.
Erwägungen
Considérant en droit: I.
I.1.
En vertu de l'art. 197 LP, les biens propriété du débiteur lors de la déclaration de faillite tombent dans la masse et sont affectés au paiement des créanciers. L'art. 401 CO institue une exception en faveur du mandant. Selon cette règle, le mandant qui a satisfait à ses obligations est légalement subrogé aux droits du mandataire qui a acquis pour son compte des créances ou des choses mobilières. Il peut revendiquer dans la faillite du mandataire les créances et les biens meubles acquis pour son compte. Cette règle s'applique à n'importe quelle forme de mandat, pourvu que ses prémisses soient réalisées (arrêt Feras Anstalt c. Banca Vallugano S.A., RO 99 II 393 consid. 5 in fine, p. 396). Elle ne vise que les créances ou les choses mobilières que le mandataire acquiert en son nom pour le compte du mandant. Cette notion d'acquisition d'une créance contre un tiers a été interprétée
BGE 102 II 103 S. 107
largement dans un ancien arrêt, l'arrêt Schwob (RO 21, 1895, p. 809): un bailleur dépose en justice une somme d'argent à titre de garantie pour obtenir l'expulsion judiciaire d'un locataire, et cela sur mandat d'un tiers qui s'était porté caution du paiement du loyer et qui avait remis au bailleur la somme à consigner. Dans la faillite du bailleur, le Tribunal fédéral a admis que la caution revendique le montant consigné. Il a jugé que le bailleur avait acquis, contre l'office judiciaire, une créance en restitution de la somme consignée, et cela pour le compte de la caution, son mandant.
I.2.
En l'espèce, toutefois, il n'est ni allégué ni établi que l'agence ait fait autre chose que d'encaisser à son nom les loyers versés à son compte de chèques postaux. Elle procédait à ces encaissements pour le compte de ses mandants, à l'égard desquels elle était redevable du montant des loyers après déduction des frais d'entretien et d'administration des immeubles et de son salaire de gérant. A ce titre, elle n'a acquis aucune créance pour le compte de ses mandants, ni contre les locataires, ni contre l'office des chèques postaux. Le produit des loyers, versés à son compte de chèques postaux et mélangés avec d'autres revenus de l'agence, ne constituent pas des créances contre des tiers acquises pour le compte des mandants au sens de l'art. 401 CO. La demanderesse ne le soutient d'ailleurs pas.
Le problème se ramène ainsi à savoir si, en consignant le montant brut des loyers à un compte bancaire spécial ouvert au nom de l'agence, compte dont La Zurich ne disposait donc pas, et où étaient versés également des encaissements ne la concernant pas, les parties ont satisfait à l'exigence de l'art. 401 CO. II.
II.1.
Il faut poser qu'en règle générale, l'art. 401 ne s'applique pas à une somme d'argent encaissée par le mandataire avant la faillite (RO 87 III 22, 99 II 398 consid. 7).
Le premier de ces arrêts, par une référence à l'arrêt Schwob, de 1895 - où il s'agissait d'une créance contre un office judiciaire -, paraît admettre, sans trancher la question d'ailleurs, que la subrogation de l'art. 401 CO n'est pas exclue lorsque l'argent reçu par le mandataire a été placé dans un dépôt ou un compte spécial. Se référant à cet arrêt, l'arrêt Feras Anstalt
BGE 102 II 103 S. 108
admet que l'art. 401 s'applique lorsque l'argent encaissé par le mandataire est crédité "sur un compte libellé au nom du mandant et demeure séparé des autres fonds du mandataire" (consid. 7 p. 398).
II.2.
Une telle solution ne doit cependant en aucun cas être généralisée, mais demeurer au contraire exceptionnelle et restreinte aux circonstances particulières de l'espèce.
a) En effet, premièrement l'art. 401 ne vise que les créances et les choses mobilières acquises par le mandataire et non les deniers ou des crédits à un compte de chèques postaux, difficilement individualisables et d'ailleurs non individualisés in casu.
La solution donnée dans la cause Feras Anstalt s'explique par des circonstances très particulières: la Banque Vallugano procédait à des prêts, en général à court terme, trois à quatre mois, sur des eurodollars, ces opérations donnant lieu à des reconductions successives. Parmi celles effectuées pour plusieurs clients, certaines, au jour du sursis concordataire, étaient en cours, avec cette conséquence que la banque était titulaire fiduciaire de créances, acquises pour le compte du client, auxquelles l'art. 401 CO s'appliquait sans discussion. Pour d'autres opérations en revanche, le prêt se trouvait remboursé au jour du sursis concordataire: le montant avait alors été crédité à un compte spécial ouvert au client en attendant soit ses instructions, soit une occasion de reconduction ou de nouvelle opération avec les mêmes fonds. Il était difficile, dans ces circonstances, d'adopter des solutions différentes selon que l'opération était en cours ou terminée - et encore sous réserve de renouvellement - au jour du sursis concordataire. Cela aurait eu pour effet de traiter de façon différente des opérations identiques selon la coïncidence des échéances avec la date du sursis concordataire.
Il a dès lors paru plus juste de considérer chacune de ces opérations comme un tout et d'étendre la subrogation "au crédit constitué par la somme d'argent versée sur les comptes spéciaux". Tant la créance du fiduciaire contre le tiers que les sommes payées en remboursement de cette créance, immédiatement placée sur un compte spécial, sont apparues comme ne devant pas être dissociées et comme propriété des mandants, ces comptes fiduciaires n'étant au surplus pas portés au bilan de la banque.
BGE 102 II 103 S. 109
Cette construction était étayée par le fait que les sommes provenant du remboursement des prêts étaient immédiatement portées au crédit d'un compte spécial ouvert au nom du mandant. Ainsi la banque ne pouvait revenir, sauf instructions nouvelles du mandant, sur l'individualisation ainsi opérée par le versement à un compte spécial dont seul le mandant pouvait disposer.
b) En second lieu et surtout, l'art. 401 institue une subrogation légale aux droits que le mandataire a acquis contre des tiers. Cela implique à tout le moins que dans l'exercice régulier de son mandat, en exécution de son mandat, le mandataire acquière une créance ou des choses mobilières en son nom, pour le compte du mandant, comme cela est régulièrement le cas dans la commission d'achat, la fiducie et d'autres formes de représentation indirecte.
Le privilège, exorbitant du droit commun, de l'art. 401 CO se justifie par l'acte d'acquisition pour le compte du mandant d'une créance ou d'une chose mobilière individualisée, qui est assimilée à une créance ou une chose propriété du mandant. Son effet est d'atténuer la différence entre la représentation directe et la représentation indirecte. Le texte légal ne permet pas d'étendre cette exception au-delà du cas d'acquisition pour le compte du mandant.
Il n'y a notamment aucune raison de mettre au bénéfice de ce privilège toutes les créances du mandant contre le mandataire en faillite, et cela au préjudice de la masse des créanciers. Or c'est à cela que conduirait in casu l'admission de l'action, car l'ouverture d'un compte bancaire au nom du mandataire n'a été qu'un subterfuge tendant à constituer in extremis un tel privilège.
Dans l'affaire Vallugano, c'est parce que les sommes portées au compte spécial du fiduciant étaient le produit de créances acquises pour le compte des fiduciants que, par une sorte de remploi, la subrogation légale a pu être étendue aux sommes encaissées par le fiduciaire.
II.3.
Dans la présente espèce, cette condition première d'application de l'art. 401 n'est ni alléguée ni établie. On sait seulement que des loyers ont été encaissés sans que de ce fait l'agence ait acquis une quelconque créance contre des tiers au sens de la disposition précitée.
Si, en déposant à un compte au Crédit suisse les loyers
BGE 102 II 103 S. 110
encaissés en février 1975, l'agence est bien devenue titulaire d'une créance contre cet établissement, ce n'est pas dans l'exercice de son mandat, lequel ne prévoyait nullement cette opération. Il s'agit d'une mesure prise par un débiteur qui se sait insolvable et qui tente de privilégier certains créanciers.
Par ce motif, à lui seul décisif, la demanderesse ne peut invoquer l'art. 401.
II.4.
De plus, la somme à laquelle prétend la demanderesse n'est pas individualisée.
Le compte Crédit suisse No 2 a été alimenté par deux versements, par prélèvement sur le compte de chèques postaux de l'agence, compte exclusif de toute individualisation.
Ce compte Crédit suisse No 2 comprend en outre des sommes revenant à d'autres créanciers, placés certes dans la même position juridique que la demanderesse, mais distincts. Les sommes versées globalement à ce compte ne correspondent pas exactement aux sommes encaissées pendant la période du 4 février au 18 mars 1975: s'y sont ajoutées diverses recettes, en ont été déduits divers débits, dont certains sont totalement étrangers aux encaissements en cause.
Il n'y a donc pas individualisation, ni même identité des sommes: c'est par une opération comptable que les liquidateurs de l'agence ont pu déterminer le solde revenant à la demanderesse.
II.5.
Enfin, si un compte dit "spécial" a été ouvert, il l'a été au nom du mandataire, qui en a, jusqu'à la faillite, conservé l'entière disposition.
Il était ainsi loisible aux liquidateurs de prélever ce qu'ils voulaient sur ce compte ouvert en faveur de certains de leurs créanciers ou d'étendre le bénéfice de ce compte à d'autre créanciers encore. L'individualisation, toute relative, était ainsi révocable au bon plaisir du débiteur. Si l'on admettait la subrogation dans ce cas, le débiteur aurait le pouvoir de favoriser dans la mesure où il le voudrait tel de ses créanciers, ce qui est inconciliable avec le but de l'art. 401.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette la demande. | public_law | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
67932605-9bff-41ad-85d2-66c13b0f9962 | Urteilskopf
101 II 235
40. Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Februar 1975 i.S. Beyer gegen Jahr. | Regeste
Gesetzliches Vorkaufsrecht des Miteigentümers (
Art. 682 Abs. 1 ZGB
); BB über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland.
Will eine im Ausland wohnhafte Person in der Schweiz von einem ihr zustehenden gesetzlichen Vorkaufsrecht Gebrauch machen, so hat sie innert der 30tägigen Frist des
Art. 681 Abs. 3 ZGB
die Bewilligung für den Erwerb des Grundstücks im Sinne von
Art. 1 BewB
vorzulegen. Die Frage, ob es genügt, wenn die vorkaufsberechtigte Person wenigstens innerhalb dieser Frist bei der zuständigen Behörde um Erteilung der Bewilligung nachsucht, wurde offengelassen. | Sachverhalt
ab Seite 235
BGE 101 II 235 S. 235
A.-
a) Maria Wetter war Miteigentümerin am Appartementhaus Luegisland in Arosa, an dem ihr das Sondernutzungsrecht an der Attika-Wohnung und einem Einzelzimmer
BGE 101 II 235 S. 236
im Erdgeschoss zustand. Der deutsche Staatsangehörige John Jahr aus Hamburg war ebenfalls Miteigentümer an der fraglichen Liegenschaft; ihm stand das ausschliessliche Nutzungsrecht an einer Vierzimmer-Wohnung zu.
Anfangs 1972 beabsichtigte Maria Wetter, ihren Eigentumsanteil zu veräussern. John Jahr bemühte sich, diesen Anteil für seine Ehefrau, Elli Jahr, zu erwerben, und er beauftragte Rechtsanwalt Dr. Kunz mit der Ausarbeitung eines Vertragsentwurfes. Am 22. Februar 1972 stellte Elli Jahr beim Grundbuchinspektorat Graubünden ein Gesuch um Bewilligung des Grundstückkaufes durch sie als Ausländerin. Das Grundbuchinspektorat erteilte am 28. März 1972 die nachgesuchte Bewilligung, wobei es John Jahr aber gleichzeitig verpflichtete, seinen eigenen Miteigentumsanteil an der fraglichen Liegenschaft innert Jahresfrist zu verkaufen und den Vollzug dieser Auflage dem Grundbuchinspektorat mitzuteilen.
Inzwischen hatte Maria Wetter mit Schreiben vom 1. März 1972 Rechtsanwalt Dr. Kunz mitgeteilt, dass sie ihre Wohnung nicht an die Eheleute Jahr veräussern wolle. Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 10. März 1972 verkaufte sie sie an die deutschen Staatsangehörigen Heinrich und Käthe Beyer, denen drei Tage zuvor die Bewilligung zum Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland erteilt worden war. Am 29. März 1972 gab das Grundbuchamt Arosa John Jahr von diesem Kaufvertrag Kenntnis und forderte ihn als Miteigentümer an der Liegenschaft auf, sich innert 30 Tagen schriftlich darüber zu äussern, ob er vom gesetzlichen Vorkaufsrecht Gebrauch machen wolle. John Jahr teilte mit schriftlicher Erklärung vom 30. März 1972 dem Grundbuchamt und Maria Wetter mit, er übe das ihm zustehende Vorkaufsrecht aus und trete mit den Rechten und Pflichten der Käufer in den Kaufvertrag ein. Dem Grundbuchamt schrieb er, die erforderliche Ausländerbewilligung liege vor und er werde Rechtsanwalt Dr. Kunz veranlassen, die Unterlagen dafür dem Amte zugehen zu lassen. In Wirklichkeit besass John Jahr damals die erforderliche Ausländerbewilligung nicht.
Am 16. Mai 1972 trug das Grundbuchamt die Eheleute Beyer als Miteigentümer an der Liegenschaft Luegisland (mit ausschliesslichem Benutzungsrecht an der Attika-Wohnung und am Einzelzimmer im Erdgeschoss) im Grundbuch ein.
BGE 101 II 235 S. 237
Gemäss Kaufvertrag betrug der Kaufpreis einschliesslich das Mobiliar Fr. 280'000.--.
b) Am 16. Juni 1972 ersuchte John Jahr das Grundbuchinspektorat Graubünden um Übertragung der seiner Ehefrau erteilten Bewilligung auf ihn. Dieses Gesuch wurde vom Grundbuchinspektorat am 23. Juni 1972 abgewiesen, im Rekursverfahren vom Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden am 10. Oktober 1972 jedoch gutgeheissen. Gegen diesen am 1. Februar 1973 mitgeteilten Entscheid reichten die Eheleute Beyer am 23. Februar 1973 beim Bundesgericht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Während das Verfahren vor Bundesgericht hängig war, stellte John Jahr am 4. Juni 1973 beim Eidg. Justiz- und Polizeidepartement das Gesuch um Bewilligung für den Erwerb eines Grundstückes. Dieses Gesuch wurde am 11. Juli 1973 gutgeheissen, und die nachgesuchte Bewilligung wurde erteilt unter der Bedingung, dass der Gesuchsteller sich über den vorherigen Verkauf seiner andern Wohnung und dessen Eintragung im Grundbuch ausweise. Das Bundesgericht schrieb darauf am 22. Oktober 1973 die Beschwerde der Eheleute Beyer mit deren Einverständnis als gegenstandslos geworden ab.
B.-
Am 16. Juni 1972 (das heisst am selben Tag, an dem beim Grundbuchinspektorat das Gesuch um Übertragung der Bewilligung gestellt wurde) leitete John Jahr beim Vermittleramt Inner-Schanfigg gegen die Eheleute Beyer Klage ein mit dem Rechtsbegehren:
"1. Es sei festzustellen, dass der Kläger durch Ausübung des ihm zustehenden gesetzlichen Vorkaufsrechtes an die Stelle der Beklagten in den zwischen diesen und Frau Maria Rosa Wetter, Lugano, am 10.3.1972 auf dem Grundbuchamt von Arosa abgeschlossenen Grundstückkaufvertrag betreffend Miteigentum an der Parzelle 1604, Grundbuchblatt 870 des Grundbuches von Arosa, eingetreten ist.
2. Das Grundbuchamt von Arosa sei anzuweisen, das Grundbuch von Arosa dahingehend zu berichtigen, dass der Kläger anstelle der Beklagten als Miteigentümer gemäss Kaufvertrag zwischen Frau Maria Rosa Wetter einerseits und den Beklagten anderseits vom 10.3.1972 eingetragen wird."
Das Bezirksgericht Plessur wies am 11. Dezember 1973 die Klage ab, im wesentlichen mit der Begründung, der Bundesbeschluss über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 23. März
BGE 101 II 235 S. 238
1961 bewirke zivilrechtlich, dass ohne rechtskräftige Bewilligung kein Eigentum an Grundstücken erworben werden könne. Der Kläger habe während der 30tägigen Frist, während welcher er das Vorkaufsrecht hätte ausüben können, weder die erforderliche Bewilligung besessen noch sich um eine solche beworben.
Auf Berufung des Klägers fällte das Kantonsgericht von Graubünden am 23. April 1974 folgendes Urteil:
"1. Die Berufung wird gutgeheissen und das angefochtene Urteil aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger das ihm aufgrund des Kaufvertrages vom 10. März 1972 zwischen Maria Wetter und den Beklagten zustehende gesetzliche Vorkaufsrecht rechtsgültig ausgeübt hat.
3. Das Grundbuchamt Arosa wird angewiesen, den Eintrag der Beklagten als Eigentümer des Miteigentumsanteils von 136/1060 mit Sondernutzungsrecht an der Attikawohnung und am Einzelzimmer im Erdgeschoss an Parzelle Nr. 1604/Blatt 870 im Grundbuch zu löschen und an ihrer Stelle den Kläger einzutragen, wenn er sich darüber ausweist,
a) dass er den Beklagten den Kaufpreis von Fr. 280'000.-- bezahlt hat.
b) dass er die ihm mit der Bewilligung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes vom 11. Juli 1973 gemachte Auflage erfüllt hat."
Das Kantonsgericht hat diesen Entscheid im wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe am 30. März 1972 von dem ihm zustehenden gesetzlichen Vorkaufsrecht vorbehaltlos Gebrauch gemacht. Dass er als Ausländer keine Bewilligung zum Erwerb eines Grundstückes in der Schweiz besessen habe, sei dem Zustandekommen eines Rechtsverhältnisses zwischen ihm und der Verkäuferin Maria Wetter nicht im Wege gestanden. Rechtsgeschäfte auf Übertragung von Grundeigentum auf Personen im Ausland seien ohne vorliegende Bewilligung nicht nichtig, sondern nur unvollendet, bedingt unwirksam, das heisst, sie blieben in der Schwebe bis zum Entscheid über die Bewilligung. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes als eines Gestaltungsrechtes sei zwar grundsätzlich bedingungsfeindlich, aber sie dürfe nur dann nicht vom Eintritt ungewisser Tatsachen abhängig gemacht werden, wenn dadurch der Verkäufer in eine unzumutbar unsichere Rechtslage versetzt werde. Das treffe im vorliegenden Fall nicht zu, obwohl der
BGE 101 II 235 S. 239
Kläger in der Meinung, die seiner Ehefrau erteilte Bewilligung gelte auch für ihn, zunächst kein neues Gesuch bei der Bewilligungsbehörde gestellt habe. Die Dauer des Schwebezustandes sei nicht vom Willen der Parteien, sondern nur von der Erteilung der Ausländerbewilligung durch die zuständige Behörde abhängig gewesen. Da die Verkäuferin den Kläger hätte in Verzug setzen können, sei sie durch die Unterlassung der Einreichung eines Gesuches durch den Kläger nicht in eine unzumutbar unsichere Zwangslage gekommen. Es sei ihr zuzumuten gewesen, den Entscheid der zuständigen Behörde über das Gesuch des Klägers abzuwarten; denn sonst bestünden für Ausländer in der Schweiz praktisch keine Vorkaufsrechte, weil ein rechtskräftiger Entscheid über die Bewilligung eines Grundstückerwerbs in der Regel nicht innert 30 Tagen zu erwirken sei. - Nachdem der Eigentumsübergang am 16. Mai 1972 im Grundbuch eingetragen worden sei, seien die Beklagten als Vorkaufsverpflichtete an die Stelle der Verkäuferin Maria Wetter getreten. Die Ausübungserklärung des Klägers habe auch ihnen gegenüber rechtsverbindliche Wirkung. Der erfolgte Grundbucheintrag sei gemäss Art. 974/75 ZGB ungerechtfertigt, weil er die rechtsgültige Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts des Klägers missachte. Er sei deshalb zu löschen. Der Kläger habe den Beklagten den Kaufpreis von Fr. 280'000.-- zu entrichten. Das Grundbuchamt sei anzuweisen, anstelle der Beklagten den Kläger als Eigentümer des fraglichen Miteigentumsanteils einzutragen, sobald dieser die ihm gestellten Bedingungen erfüllt, d.h. seinen bisherigen Miteigentumsanteil verkauft und den Kaufpreis bezahlt habe.
C.-
Die Beklagten erheben Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
D.-
Der Kläger beantragt die Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Der Kläger verlangt mit seinem Rechtsbegehren eine Berichtigung des Grundbuches. Materiell dreht sich der Streit jedoch um das Eigentum am fraglichen Miteigentumsanteil, dessen Wert für die Streitwertberechnung massgebend ist (vgl. dazu
BGE 84 II 189
und 192). Gemäss Kaufvertrag
BGE 101 II 235 S. 240
betrug der Kaufpreis einschliesslich Mobiliar Fr. 280'000.--. Die für die Berufung an das Bundesgericht mit mündlicher Parteiverhandlung erforderliche Streitwertgrenze von Fr. 15'000.-- ist demnach überschritten.
b) Gesetzliche Vorkaufsrechte gelten wie die vorgemerkten als Realobligationen. Vertragsparteien sind der jeweilige Eigentümer des Vorkaufsobjektes und der Vorkaufsberechtigte. Dieser kann also das ihm zustehende Recht nicht nur dem Veräusserer, sondern nach der Übertragung des Objektes auch dem Dritterwerber gegenüber geltend machen (MEIER-HAYOZ, N. 76 zu
Art. 682 ZGB
;
BGE 92 II 155
Erw. 4 mit Hinweisen). Die Beklagten sind demnach nicht nur bezüglich einer Grundbuchberichtigungsklage, sondern auch bezüglich der Geltendmachung des Vorkaufsrechtes passiv legitimiert.
2.
a) Nach Art. 1 des Bundesbeschlusses über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 23. März 1961 (BewB; SR 211.412.41) bedarf der Erwerb von Grundstücken in der Schweiz durch Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland der Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde. Grundstücke im Sinne des Zivilgesetzbuches und damit des erwähnten Bundesbeschlusses sind gemäss
Art. 655 Ziff. 4 ZGB
auch Miteigentumsanteile an Grundstücken (ZBGR 1971 S. 123). Unter Erwerb von Grundstücken im Sinne der genannten Bestimmung ist nach deren Wortlaut und Sinn die Eintragung im Grundbuch zu verstehen; der Abschluss eines Kaufrechts- oder Vorkaufrechtsvertrages ist nicht bewilligungspflichtig (ZBGR 1964 S. 143).
Bei einem bewilligungsbedürftigen Erwerb kann ohne rechtskräftige Bewilligung kein Eigentum an Grundstücken erworben werden. Der Grundbuchverwalter hat in einem solchen Fall die Anmeldung abzuweisen oder, wenn Zweifel über die Bewilligungspflicht bestehen, den Anmeldenden an die Bewilligungsbehörde zu verweisen und ihm eine Frist von 10 Tagen anzusetzen unter der Androhung, dass nach unbenütztem Fristablauf die Anmeldung abgewiesen werde. Die rechtskräftige Verweigerung der Bewilligung oder die rechtskräftige Abweisung der Anmeldung bewirken die Nichtigkeit des dem Erwerb zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes (
Art. 11 und 12 BewB
in der auf den vorliegenden Fall anwendbaren Fassung vom 30. September 1965; AS 1965 S. 1239 ff.).
BGE 101 II 235 S. 241
Nach konstanter Praxis kann eine Bewilligung unter Bedingungen erteilt oder an Auflagen geknüpft werden. Bedingungen machen die Rechtswirksamkeit der Bewilligung von einem zukünftigen Ereignis abhängig, während Auflagen dem Adressaten eine öffentlich-rechtliche Pflicht zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden aufgeben. Bedingungen zwingen nicht zu ihrer Erfüllung und suspendieren die Wirkungen der Bewilligung, während Auflagen zu ihrer Erfüllung zwingen, die Wirkungen der Bewilligung aber nicht suspendieren (vgl. dazu MUFF, zur Bewilligung für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, in ZBGR 1963 S. 14; WIPFLI, Die Genehmigungspflicht beim Grundstückerwerb, Diss. Zürich 1966, S. 70).
Nach der Rechtsprechung der zur Anwendung des genannten Bundesbeschlusses geschaffenen Eidg. Rekurskommission sind Rechtsgeschäfte auf Übertragung von Grundeigentum ohne Bewilligung unvollendet; sie bleiben in der Schwebe und sind bis zur Erteilung bzw. der Rechtswirksamkeit der Bewilligung bedingt unwirksam (
BGE 99 Ib 249
und ZBGR 1966 S. 96 je mit Hinweisen). Der den Eigentumsübergang bewirkende Grundbucheintrag darf erst erfolgen, wenn eine rechtskräftige und rechtswirksame Bewilligung vorliegt.
Ob ein ausländischer Bewerber bei der Einholung einer Bewilligung in gewissen Fällen an bestimmte Fristen gebunden sei, sagt der Bundesbeschluss nicht. Bei der Zwangsversteigerung können nach der Praxis Personen mit Wohnsitz im Ausland (selbst dann, wenn sie Hypothekargläubiger sind) das Grundstück nur ersteigern, wenn sie im Zeitpunkt der Steigerung die behördliche Bewilligung bereits besitzen (Kreisschreiben des Bundesgerichts vom 23. Januar 1962 in
BGE 88 III 1
= ZBGR 1962 S. 251; ferner ZBGR 1963 S. 200, 1965 S. 252 =
BGE 89 III 81
/82, 1967 S. 299, 1969 S. 182), dies offenbar deshalb, weil bei der Zwangsversteigerung das Eigentum bereits mit dem Zuschlag auf den Erwerber übergeht (
Art. 656 Abs. 2 ZGB
; dazu MEIER-HAYOZ, N. 100 zu
Art. 656 ZGB
, und OSER/SCHÖNENBERGER, N. 4 zu
Art. 235 OR
).
b) Gemäss
Art. 682 Abs. 1 ZGB
haben Miteigentümer ein gesetzliches Vorkaufsrecht gegenüber jedem Nichtmiteigentümer, der einen Anteil erwerben will. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung einerseits die Umwandlung des (als
BGE 101 II 235 S. 242
unwirtschaftlich betrachteten und leicht zu Streitigkeiten Anlass gebenden) Miteigentums in Alleineigentum fördern und anderseits die Miteigentümer vor dem Eindringen eines ihnen nicht genehmen Dritten in die Gemeinschaft schützen (MEIER-HAYOZ, N. 11 zu
Art. 682 ZGB
; HAAB, N. 51 zu Art. 681/82 ZGB).
Auf das gesetzliche Vorkaufsrecht sind bezüglich der Voraussetzungen und Modalitäten seiner Ausübung die Vorschriften von
Art. 681 ZGB
analog anwendbar; der Miteigentümer muss also sein gesetzliches Vorkaufsrecht innert einem Monat ausüben, nachdem er vom Verkauf Kenntnis erhalten hat (
BGE 73 II 165
,
BGE 56 II 172
Erw. 2; MEIER-HAYOZ, N. 72 zu
Art. 682 ZGB
). Ob die Frist verlängert werden könne in Fällen, in denen die fristgerechte Ausübung des Vorkaufsrechts unmöglich ist (weil es zum Beispiel nur von einer Gemeindeversammlung ausgeübt, eine solche aber innert 30 Tagen nicht formgerecht einberufen werden kann), hat das Bundesgericht offen gelassen (
BGE 81 II 248
).
Die Geltendmachung des Vorkaufsrechts wurde zeitlich beschränkt, um unhaltbare Ergebnisse zu vermeiden. Ohne zeitliche Beschränkung könnte einerseits der Verkäufer unter Umständen jahrelang sein Eigentum nicht veräussern, ohne einen Schadenersatzanspruch befürchten zu müssen, und wäre anderseits der Erwerber seines Eigentums ebenso lange nicht sicher (MEIER-HAYOZ, N. 215 zu
Art. 681 ZGB
).
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist das Vorkaufsrecht nur dann rechtsgültig ausgeübt, wenn die Erklärung innert der Frist bestimmt, eindeutig, vorbehaltlos und bedingungslos abgegeben wurde (
BGE 81 II 245
). In der Literatur wird allerdings auch eine bedingte Ausübungserklärung als zulässig betrachtet, sofern dadurch nicht eine für den Erklärungsempfänger unzumutbare Rechtsunsicherheit entsteht (MEIER-HAYOZ, N. 226 zu
Art. 681 ZGB
; HAAB, N. 38 zu Art. 681/82 ZGB).
3.
a) Wenn eine Person mit Wohnsitz im Ausland in der Schweiz von einem ihr zustehenden gesetzlichen Vorkaufsrecht Gebrauch machen will, so stellt sich die Frage, ob sie verpflichtet sei, zugleich mit der Abgabe der Erklärung bezüglich der Ausübung des Vorkaufsrechts oder wenigstens innert einer bestimmten Frist sich durch Vorlegung einer Bewilligung im Sinne von
Art. 1 BewB
darüber auszuweisen, dass sie zum
BGE 101 II 235 S. 243
Erwerb des fraglichen Grundstücks berechtigt ist. Ohne eine solche Bewilligung ist das Vorkaufsrecht für die im Ausland wohnende Person ohne praktischen Wert, weil es ihr nicht zum Erwerb des Eigentums verhelfen kann. Die Frage, ob die Bewilligung innert einer bestimmten Frist vorgelegt oder wenigstens eingeholt werden müsse, war noch nie Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung.
Sicher würde es zu unhaltbaren Ergebnissen führen, wenn die im Ausland wohnhafte Person nach der Ausübung des Vorkaufsrechts mit der Einholung der Bewilligung im Sinne von
Art. 1 BewB
unbeschränkt lange zuwarten und dadurch einen Schwebezustand von unbeschränkter Dauer schaffen dürfte. Das widerspräche auch dem Sinne des Gesetzes, das durch die Ansetzung der Verwirkungsfrist des
Art. 681 Abs. 3 ZGB
(MEIER-HAYOZ, N. 215 zu
Art. 681 ZGB
; HAAB, N. 39 zu Art. 681/82 ZGB) dem Verkäufer innert 30 Tagen Gewissheit darüber verschaffen will, ob er sein Eigentum dem Vorkaufsberechtigten veräussern müsse oder frei darüber verfügen dürfe. Eine über Gebühr lange Beschränkung der Verfügungsfreiheit ist dem Eigentümer nicht zuzumuten.
Anderseits ist es fraglich, ob generell verlangt werden kann, dass eine im Ausland wohnende Person bei der Ausübung des ihr zustehenden gesetzlichen Vorkaufsrechts bereits im Besitz der erforderlichen Bewilligung gemäss
Art. 1 BewB
sei oder dass sie die Bewilligung innert der 30tägigen Frist des
Art. 681 Abs. 3 ZGB
beibringe. Der Vorkaufsberechtigte weiss in der Regel nicht zum voraus, wann der Vorkaufsfall eintreten wird. Stellt er das Gesuch um Erteilung der Bewilligung sofort nach Eintritt des Vorkaufsfalles, so hängt es von den Behörden ab, ob die Frist von 30 Tagen eingehalten werden kann oder nicht. Es wäre daher denkbar, auch nach Ablauf der Frist von
Art. 681 Abs. 3 ZGB
die Vorlage einer Bewilligung noch zuzulassen, wenn wenigstens innerhalb der Frist bei der zuständigen Behörde um Erteilung der Bewilligung nachgesucht worden ist.
Diese Fragen brauchen hier jedoch nicht abschliessend beurteilt zu werden. Vermag nämlich der im Ausland wohnende Vorkaufsberechtigte innert der Frist des
Art. 681 Abs. 3 ZGB
weder eine Bewilligung im Sinne von
Art. 1 BewB
vorzulegen, noch sich darüber auszuweisen, dass er bei der zuständigen Behörde um Erteilung der Bewilligung nachgesucht habe, ist
BGE 101 II 235 S. 244
es auf jeden Fall so zu halten, wie wenn keine rechtskräftige Bewilligung vorläge. Unter diesen Umständen kann gemäss
Art. 11 BewB
(in der hier massgebenden Fassung von 1965, heute Art. 20/21) kein Eigentum an Grundstücken erworben werden, und der Grundbuchverwalter hat die Anmeldung abzuweisen.
b) Im vorliegenden Fall hat der Grundbuchbeamte dem Kläger am 29. März 1972 eine Frist von 30 Tagen angesetzt, um von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Der Kläger teilte dem Grundbuchamt bereits am 30. März 1972 mit, er übe sein Vorkaufsrecht aus und trete mit den Rechten und Pflichten der Käufer in den Kaufvertrag ein. Gleichzeitig erklärte er, er besitze die erforderliche Ausländerbewilligung und werde seinen Rechtsanwalt veranlassen, die Unterlagen dem Amte einzureichen. In Wirklichkeit besass der Kläger bei der Abgabe seiner Erklärung vom 30. März 1972 keine Bewilligung im Sinne von
Art. 1 BewB
. Er legte dem Amte innert der 30tägigen Frist auch keine diesbezüglichen Unterlagen vor.
Der Ehefrau des Klägers war am 28. März 1972 eine Bewilligung gemäss
Art. 1 BewB
erteilt worden. Eine solche Bewilligung ist jedoch persönlicher Natur und grundsätzlich nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres übertragbar (siehe dazu ZBGR 1965 S. 102). Die Ehefrau war zudem zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht berechtigt. Der Kläger konnte sich daher nicht auf diese Bewilligung berufen. Er hat sie denn auch dem Grundbuchamt innert der 30tägigen Frist nicht vorgelegt. Auch die Vorinstanz ging davon aus, dass die der Ehefrau erteilte Bewilligung nicht ohne weiteres für den Kläger habe gelten können, und sie betrachtete für den Eigentumserwerb nicht die Bewilligung an die Ehefrau, sondern die vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement am 11. Juli 1973 ausgestellte Bewilligung als massgeblich.
Der Kläger hat innert der Frist des
Art. 681 Abs. 3 ZGB
auch kein Gesuch um Erteilung der Bewilligung im Sinne von
Art. 1 BewB
anhängig gemacht. Er ersuchte erst am 16. Juni 1972 um Übertragung der seiner Ehefrau zustehenden Bewilligung auf ihn, was zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren führte, und erst am 4. Juni 1973 verlangte er beim Eidg. Justiz- und Polizeidepartement eine entsprechende Bewilligung für sich selbst, die ihm dann am 11. Juli 1973 erteilt
BGE 101 II 235 S. 245
wurde. Ein derart langer Schwebezustand ist jedoch für den Vorkaufsbelasteten auf jeden Fall unzumutbar. Aus allen diesen Gründen war der Grundbuchverwalter daher berechtigt, die Anmeldung des Klägers zur Eintragung ins Grundbuch abzuweisen.
Der Kläger macht in der Berufungsantwort geltend, die Beklagten hätten alles getan, um die Erteilung einer Ausländerbewilligung an ihn zu verhindern, und er wirft ihnen deswegen Rechtsmissbrauch und venire contra factum proprium vor. Diese Behauptungen sind einerseits neu und deshalb unzulässig (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
) und anderseits nur schwer verständlich, nachdem der Kläger selber es unterlassen hat, bei Eintritt des Vorkaufsfalles bei der zuständigen Behörde um Erteilung einer Bewilligung oder um Übertragung der seiner Frau zustehenden Bewilligung auf ihn nachzusuchen.
c) Nach
Art. 11 Abs. 2 BewB
(Fassung 1965) hatte der Grundbuchverwalter, "wenn Zweifel über die Bewilligungspflicht bestehen", den Anmeldenden unter Ansetzung einer 10tägigen Frist an die Bewilligungsbehörde zu verweisen und nach unbenütztem Ablauf dieser Frist die Anmeldung abzuweisen. Im vorliegenden Fall bestanden keine Zweifel über die Bewilligungspflicht. Dass eine Bewilligung erforderlich war, wusste der Kläger von Anfang an, teilte er doch dem Grundbuchamt am 30. März 1972 selbst mit, dass die "erforderliche Ausländerbewilligung" vorliege. Bestanden aber keine Zweifel über die Bewilligungspflicht, so war auch kein Anlass zu einer Fristansetzung gemäss der zitierten Bestimmung gegeben.
Man könnte sich höchstens fragen, ob der Grundbuchbeamte, wenn der im Ausland wohnhafte Vorkaufsberechtigte keine Bewilligung vorgelegt hat, in analoger Anwendung von
Art. 11 Abs. 2 BewB
(Fassung 1965) verpflichtet gewesen wäre, ihm eine 10tägige Nachfrist zur Anhängigmachung eines entsprechenden Gesuches anzusetzen. Diese Frage kann hier jedoch offen bleiben. Die Ansetzung einer solchen Nachfrist durfte jedenfalls dann unterbleiben, wenn für den Grundbuchbeamten zweifelsfrei feststand, dass der Vorkaufsberechtigte um die Notwendigkeit der Beibringung einer Bewilligung wusste. Das war hier der Fall. Wenn der Kläger auf die vom Grundbuchamt erhaltene Fristansetzung hin mitteilte, er besitze die erforderliche Ausländerbewilligung und werde seinen Anwalt veranlassen, die Unterlagen dem Amte zugehen zu
BGE 101 II 235 S. 246
lassen, konnte der Grundbuchbeamte dies nur so verstehen, dass ihm die (angeblich vorhandene) Bewilligung oder doch wenigstens deren Unterlagen noch innert Frist vorgelegt würden. Als der Kläger dann seine eigene Zusicherung nicht einhielt, durfte der Grundbuchbeamte nach Ablauf der 30tägigen Frist des
Art. 681 Abs. 3 ZGB
annehmen, der Kläger besitze keine rechtskräftige Bewilligung, er habe um eine solche nicht nachgesucht oder auf sie verzichtet. Unter diesen Umständen war er berechtigt, die Anmeldung ohne Ansetzung einer Nachfrist abzuweisen und die Beklagten im Grundbuch als Eigentümer einzutragen.
Entgegen der Meinung der Vorinstanz war auch die Verkäuferin nicht verpflichtet, dem Kläger eine Nachfrist anzusetzen. Es war Sache des Klägers, dafür besorgt zu sein, dass er sich rechtzeitig über seine Berechtigung zum Grundstückerwerb ausweisen konnte.
4.
Die Vorinstanz wies das Grundbuchamt Arosa an, den Kläger als Eigentümer im Grundbuch einzutragen, sofern er den Kaufpreis bezahlt und die vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement am 11. Juli 1973 gemachte "Auflage" erfüllt habe. Dieses hatte die Bewilligung zum Erwerb des neuen Miteigentums nur unter der Bedingung erteilt, dass der Kläger sich über den vorherigen Verkauf seiner bisherigen Wohnung und dessen Eintrag im Grundbuch ausweise. Die Erteilung einer Bewilligung im Sinne von
Art. 1 BewB
unter der Bedingung, dass zunächst das bisherige Grundeigentum in der Schweiz veräussert werden müsse, ist grundsätzlich zulässig (ZBGR 1968 S. 346). Die im Ausland wohnhafte Person kann mit einer solch bedingten Bewilligung ein Vorkaufsrecht aber nur ausüben, wenn dadurch für den Vorkaufsbelasteten nicht eine unzumutbare Rechtsunsicherheit entsteht. Es ist denkbar, dass der Vorkaufsberechtigte beim Empfang der im umschriebenen Sinne bedingten Bewilligung bereits einen Käufer für sein bisheriges Eigentum in der Schweiz besitzt und deshalb in der Lage ist, die ihm gestellte Bedingung rasch zu erfüllen. In einem solchen Falle entsteht in der Geschäftsabwicklung keine oder nur eine geringfügige Verzögerung, die dem Vorkaufsbelasteten zugemutet werden darf.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger indessen nicht geltend gemacht, dass er für seinen bisherigen Miteigentumsanteil bereits einen Käufer habe. Ob und wann er sein Miteigentum
BGE 101 II 235 S. 247
werde veräussern können, steht nicht fest. Die Vorinstanz hat ihm hiefür keine Frist angesetzt. Er könnte also die Veräusserung willkürlich herbeiführen oder verhindern und sie Monate oder sogar Jahre hinauszögern, bevor er sich gestützt auf das vorinstanzliche Urteilsdispositiv als Eigentümer des von Maria Wetter veräusserten Miteigentumsanteils ins Grundbuch eintragen lässt. Eine derartige Unsicherheit ist sowohl für die seinerzeitige Verkäuferin wie für die heutigen Beklagten unzumutbar. Wenn die Vorinstanz ausführte, der Schwebezustand sei der Verkäuferin zuzumuten, weil dessen Beendigung nicht vom Willen der Parteien, sondern von der Erteilung der Ausländerbewilligung durch die zuständige Behörde abhänge, übersah sie, dass sowohl nach der Bewilligung des Justiz- und Polizeidepartements vom 11. Juli 1973 wie nach ihrem eigenen Entscheid der Schwebezustand erst beendet würde, wenn der Kläger seinen bisherigen Miteigentumsanteil verkauft hätte. Der Verkauf dieses Anteils hinge aber vom Kläger selbst ab.
Ein solcher Schwebezustand, der vom Vorkaufsberechtigten über Monate oder sogar Jahre aufrecht erhalten werden kann, ist für die Beklagten im vorliegenden Fall umso weniger zumutbar, als der Kläger im selben Hause bereits eine Wohnung besitzt und sein Vorkaufsrecht nicht dem vom Gesetzgeber gewollten Zweck entsprechend ausübt; er strebt nicht die Vereinigung des Miteigentums in einer Hand, sondern lediglich einen Wohnungsabtausch an. Indem die Vorinstanz für die Verkäuferin bzw. die Beklagten einen unzumutbar langen Schwebezustand schuf, verletzte sie Bundesrecht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 23. April 1974 aufgehoben und die Klage abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6794e08e-fd61-4e5f-be8f-7e914a8ca196 | Urteilskopf
118 IV 239
43. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 1er juillet 1992 dans la cause Ministère public du canton de Vaud c. X. (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 140 StGB
; Veruntreuung.
Tantiemen eines Verwaltungsrates, der diese Funktion zwar im eigenen Namen ausübt, aber als Mitglied einer Behörde verpflichtet ist, die Beträge dem Gemeinwesen abzuliefern, stellen kein anvertrautes Geld dar. | Sachverhalt
ab Seite 240
BGE 118 IV 239 S. 240
X. a été pendant plusieurs années conseiller municipal responsable des Services industriels de la commune de L. Dès son accession à cette fonction, X. est devenu administrateur ou membre de la direction de diverses sociétés à but lucratif; dans le cadre de ces activités, des tantièmes lui ont été versés. Le règlement de la Municipalité de L. prévoit que les membres de cette autorité ne peuvent appartenir à l'administration d'aucune entreprise ou société poursuivant un but lucratif, sauf si la commune y a un intérêt manifeste. Les tantièmes perçus par les membres de la Municipalité dans le cadre d'une telle activité doivent être versés à la caisse communale.
La commune a constaté que X. n'avait restitué qu'une partie des tantièmes perçus et que le retard accumulé dans ces paiements était allé en s'accroissant jusqu'à atteindre un montant de 28'000 francs. Il a en outre été établi que X. ne disposait pas pendant la période considérée des fonds qui lui auraient permis de régler en tout temps ce qu'il devait à la caisse communale. Sommé par le syndic de s'acquitter de cette dette, il l'a fait en plusieurs versements atteignant, au demeurant, un montant supérieur à ce qui était dû.
En première instance, X. a été reconnu coupable d'abus de confiance qualifié et condamné à une peine de 12 mois d'emprisonnement avec sursis pendant 2 ans. Sur recours du condamné, l'autorité cantonale a substitué à cette qualification juridique celle de gestion déloyale et a réduit la peine à 6 mois d'emprisonnement avec sursis pendant 2 ans.
Le Tribunal fédéral a rejeté le pourvoi déposé par le Ministère public qui soutenait que les faits de la cause devaient être qualifiés d'abus de confiance.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) La seule question litigieuse est de savoir si les faits retenus par la cour cantonale doivent ou non être qualifiés d'abus de confiance.
Pour s'acquitter de l'obligation découlant du règlement communal, il est constant que l'accusé disposait de plusieurs voies et qu'il pouvait - comme il l'a fait - mélanger les tantièmes reçus avec
BGE 118 IV 239 S. 241
son patrimoine, avant de payer la somme due sur présentation d'une facture. La question litigieuse doit donc être examinée à la lumière de l'
art. 140 ch. 1 al. 2 CP
.
Commet un abus de confiance, selon cette disposition, celui qui, sans droit, aura employé à son profit ou au profit d'un tiers une chose fongible, notamment une somme d'argent, qui lui avait été confiée.
Contrairement à ce qui est prévu au premier alinéa de l'
art. 140 CP
, lorsque la chose confiée est fongible, il n'est pas nécessaire qu'elle soit la propriété d'autrui pour que son emploi illicite entraîne la répression pénale, sans quoi le mélange suffirait à exclure l'infraction; dans ce cas, la chose est confiée aussitôt que l'auteur la reçoit - et en acquiert le cas échéant la propriété indépendamment de sa volonté - avec l'obligation de l'utiliser d'une manière particulière dans l'intérêt d'autrui, que ce soit pour la garder, l'administrer ou la livrer, selon des instructions qui peuvent être expresses ou tacites; la chose confiée peut avoir été remise matériellement à l'auteur non seulement par la victime, mais également par un tiers (
ATF 118 IV 33
consid. 2a,
ATF 106 IV 259
consid. 1,
ATF 101 IV 163
consid. 2a et les références citées).
b) La question essentielle en l'espèce est de savoir si les tantièmes, au moment où ils étaient versés à l'accusé, lui étaient confiés en vue de les transmettre à la commune de L.
Selon la définition jurisprudentielle, une somme est confiée lorsqu'elle est remise ou laissée à l'auteur pour qu'il l'utilise de manière déterminée dans l'intérêt d'autrui, en particulier pour la garder, l'administrer ou la remettre selon des instructions qui peuvent être expresses ou tacites (
ATF 118 IV 34
consid. c,
ATF 117 IV 257
consid. 1a et les arrêts cités). La doctrine considère généralement cette formule comme trop large (TRECHSEL, Kurzkommentar, ad art. 140 No 4; SCHULTZ, RJB 105 (1969) 402 ss; NOLL, Bes. Teil I p. 151; REHBERG, Strafrecht III, 5e éd., p. 95; STRATENWERTH, Bes. Teil I, 3e éd., No 62 p. 191). Ces critiques ne sauraient en tout cas inciter à une interprétation plus extensive encore.
S'agissant du transfert d'une somme d'argent, on peut concevoir deux hypothèses: soit les fonds sont confiés à l'auteur par celui qui les lui remet, soit les fonds sont confiés par celui pour lequel l'auteur les encaisse. Pour que l'on puisse parler d'une somme confiée, il faut cependant que l'auteur agisse comme auxiliaire du paiement ou de l'encaissement, en tant que représentant direct ou indirect, notamment comme employé d'une entreprise, organe d'une personne morale ou fiduciaire.
BGE 118 IV 239 S. 242
Cette condition n'est pas remplie lorsque l'auteur reçoit l'argent pour lui-même, en contrepartie d'une prestation qu'il a fournie pour son propre compte, même s'il doit ensuite verser une somme équivalente sur la base d'un rapport juridique distinct; l'inexécution de l'obligation de reverser une somme ne suffit pas à elle seule pour constituer un abus de confiance (
ATF 80 IV 55
; NOLL, op.cit., p. 153).
Ainsi, la jurisprudence récente a admis qu'il n'y avait pas d'abus de confiance de la part du patient qui encaisse la prestation de sa caisse maladie, mais ne paie pas la facture de la clinique (
ATF 117 IV 256
ss); il n'y a pas lieu non plus d'appliquer l'
art. 140 CP
lorsqu'un aubergiste encaisse la taxe de séjour sur sa facture, mais n'en verse pas le montant à l'administration (
ATF 106 IV 355
ss); en revanche, commet un abus de confiance le gérant d'un hôtel qui ne remet pas à son employeur les ristournes consenties à celui-ci par les fournisseurs (
ATF 106 IV 257
ss); il en va de même lorsqu'une personne ne verse pas le prix d'un achat qu'elle a encaissé et qui est destiné à son employeur (
ATF 106 IV 15
ss) ou encore lorsqu'un mandataire procède à un encaissement d'argent pour le compte du mandant (
ATF 101 IV 163
consid. 2a; pour un rappel de l'ensemble de la jurisprudence à ce sujet, voir SCHUBARTH, Kommentar Strafrecht, Bes. Teil II, art. 140 n. 38 s.).
c) A la lumière de ces principes, le cas d'espèce doit être analysé de la manière suivante.
Le recourant est devenu membre du Conseil d'administration de diverses sociétés en raison de sa qualité de conseiller municipal; cependant, il y siégeait à titre individuel, puisque seules des personnes physiques peuvent fonctionner en tant qu'administrateurs (
art. 707 al. 3 CO
). Comme il avait lui-même la qualité d'administrateur, les tantièmes lui étaient dus à titre personnel (voir
art. 677 CO
). A l'égard de la société, la commune de L. n'était pas créancière des tantièmes et la société se libérait en les versant en mains de son administrateur agissant en son propre nom et pour son propre compte. On ne saurait donc dire que les sociétés confiaient les tantièmes au recourant pour qu'il les transmette à la commune de L.; en effet, elles se libéraient par le paiement en mains de l'administrateur et l'usage que celui-ci faisait des fonds reçus ne les concernait en aucune manière.
d) S'il est ainsi établi que le recourant, au moment où il recevait les tantièmes, n'agissait pas en tant qu'auxiliaire du paiement, il reste à se demander s'il agissait en tant qu'auxiliaire de l'encaissement.
BGE 118 IV 239 S. 243
Certes, le recourant était un organe de la commune de L., mais cela ne suffit pas pour conclure qu'il encaissait les tantièmes en tant qu'auxiliaire de celle-ci. Il faut tout d'abord rappeler que la commune n'était pas créancière des tantièmes à l'égard de la société. Il n'était donc pas question pour la commune d'encaisser sa propre créance par l'entremise d'un organe, d'un employé ou d'un représentant.
On remarquera d'autre part que, selon le règlement communal, le recourant pouvait garder pour lui notamment les jetons de présence. On doit en déduire qu'il n'était pas rétribué pour ce travail par la commune et qu'il s'agissait d'une activité lucrative accessoire, extérieure à sa charge. Cet élément confirme qu'il n'agissait pas simplement en qualité d'auxiliaire de la commune.
Les tantièmes constituent une part de bénéfices destinée à récompenser les administrateurs. Il est donc logique qu'ils reviennent aux personnes physiques qui ont assumé cette charge. Toutefois, comme il ne s'agit pas à proprement parler de rémunérer une activité, la commune n'a pas voulu que ses conseillers s'enrichissent de cette façon grâce à des sièges obtenus du fait de leur fonction officielle. Il a donc été prévu une obligation de restitution, qui tend à sauvegarder l'image du magistrat, et qui constitue une partie intégrante de son statut. Ainsi, on ne saurait dire que le conseiller municipal encaisse des tantièmes en qualité d'auxiliaire de la commune; il apparaît au contraire que les tantièmes lui sont dus à titre personnel, mais qu'il est tenu, en raison de son statut particulier, de les rendre à la commune.
Les modalités de paiement décrites confirment d'ailleurs que le conseiller municipal pouvait disposer des sommes reçues, en attendant la facture par laquelle la commune lui en réclamait le paiement.
Ainsi, il y a une césure nette entre l'encaissement des tantièmes par l'administrateur et la dette du magistrat à l'égard de la commune; on ne saurait donc dire que le conseiller municipal, au moment où il encaisse les tantièmes, agit comme auxiliaire du paiement ou de l'encaissement; partant, ces sommes ne lui ont pas été confiées, et c'est à juste titre que la cour cantonale a nié l'existence d'un abus de confiance. | null | nan | fr | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
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