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62b50833-c46e-4e2e-809b-474c4c66eb7e | Urteilskopf
105 II 75
13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Februar 1979 i.S. Escophon AG gegen Bank in Langenthal | Regeste
Schadenersatz aus culpa in contrahendo.
1.
Art. 16 Abs. 1 OR
. Die seit Beginn der Vertragsverhandlungen vorbehaltene Schriftlichkeit dient nicht bloss der Beweissicherung. Kein Verzicht auf die Schriftform durch vertragsähnliches Verhalten, wenn die endgültige Einigung noch aussteht (E. 1).
2. Haftung aus culpa in contrahendo wegen fahrlässiger Verletzung der Aufklärungspflicht (E. 2).
3. Der Geschädigte hat Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entstanden ist, dass er sich auf die nachträglich gescheiterten Verhandlungen eingelassen hat. Überprüfung der Schadensermittlung durch das Bundesgericht (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 76
BGE 105 II 75 S. 76
A.-
Die Eheleute Schmid wollten zusammen mit Ernst Schneider Fernseh- und Stereogeräte vermieten, zu diesem Zwecke die Escophon AG gründen und die abzuschliessenden Geschäfte durch eine Bank finanzieren lassen. Ende Juli 1975 wurden ihnen von der Filiale Spreitenbach der "Bank in Langenthal" verschiedene Finanzierungsvarianten und der Entwurf eines Rahmenvertrages unterbreitet. Da die Parteien sich nicht einigen konnten, legte die Bank am 26. September 1975 neue Entwürfe zu einem Modell-Mietvertrag und einer Rahmenvereinbarung vor. Ab Anfang Oktober 1975 finanzierte sie gemäss diesen Entwürfen 80 Mietverträge, welche von der inzwischen gegründeten Escophon AG geschlossen wurden; 84 weitere Verträge wies sie zurück.
Am 25. November 1975 sandte die Bank der Escophon AG die definitiven Texte zum Mietvertrag und zur Rahmenvereinbarung. Ziff. 5 des Vertrages sah ein Faustpfandrecht zugunsten der Bank vor, und gemäss Ziff. 10 der Vereinbarung behielten sich die Parteien eine neue Regelung vor, falls die gesamten Mietzinsbeträge die Summe von Fr. 1'500'000.- übersteigen sollten. Die Bank forderte die Escophon AG auf, die Vertragsentwürfe "zum Zeichen ihres Einverständnisses" zu unterzeichnen und zurückzusenden. Am 8. Dezember 1975 fand auf Verlangen der Bank an deren Hauptsitz eine Besprechung statt. Den Vertretern der Gesellschaft wurde dabei erklärt, die Vertragsentwürfe könnten angesichts der rechtlich kaum haltbaren Faustpfandklausel und des "Ballungsrisikos" gemäss Ziff. 10 der Vereinbarung nicht genehmigt werden. Die Bank wollte ihre Finanzierung zudem auf höchstens Fr. 400'000.- beschränkt wissen.
Am 17. Dezember 1975 sandte die Escophon AG die von ihr unterzeichnete Vereinbarung zurück und fügte bei, dass sie die Besprechung vom 8. Dezember als hinfällig betrachte, da zwischen den Parteien bereits eine vertragliche Bindung bestehe. Die Bank weigerte sich daraufhin, weitere Mietverträge zu finanzieren.
BGE 105 II 75 S. 77
B.-
Im November 1976 klagte die Escophon AG gegen die Bank in Langenthal auf Zahlung von Fr. 390'000.- Schadenersatz nebst Zins. Sie warf der Beklagten vor, die zwischen den Parteien rechtsgültig zustande gekommene Vereinbarung gebrochen zu haben.
Durch Urteil vom 26. April 1978 hiess das Handelsgericht des Kantons Aargau die Klage teilweise gut und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin Fr. 39'500.- nebst 5% Zins seit 15. November 1976 zu bezahlen.
C.-
Die Klägerin hat gegen diesen Entscheid Berufung eingelegt mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung von Fr. 390'000.- nebst Zins zu verurteilen.
Die Beklagte hat sich der Berufung mit dem Begehren angeschlossen, die Klage ganz abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Handelsgericht fand, die Parteien hätten sich Ende November 1975 über den Inhalt der Vereinbarung und über den Text des Modell-Mietvertrages geeinigt, von Anfang an aber angenommen, dass das Vertragsverhältnis schriftlich festgehalten werde, sich vorher also nicht verpflichten wollen. Die in
Art. 16 Abs. 1 OR
für einen solchen Fall vorgesehene Vermutung sei nicht dadurch umgestossen worden, dass die Beklagte seit Oktober 1975 eine Anzahl Mietverträge gemäss dem Vereinbarungsentwurf vom 26. September finanzierte, denn sie habe nicht alle Verträge entgegengenommen und keinen Grund gehabt, solche abzulehnen, die ihr genügend sicher erschienen. Sei zwischen den Parteien mangels der vorbehaltenen Schriftform bis zum 8. Dezember 1975 aber keine vertragliche Bindung zustande gekommen, so könne aus der Weigerung der Beklagten, weitere Mietverträge zu finanzieren, keine Schadenersatzpflicht aus Vertrag abgeleitet werden.
Die Klägerin hält dem entgegen, die vorbehaltene Schriftform sei nicht Gültigkeitsvoraussetzung gewesen, sondern habe bloss der Beweissicherung gedient. Die Beklagte habe die gesetzliche Vermutung durch ihr eigenes Verhalten widerlegt, da sie zur Finanzierung übernommene Mietverträge genau nach dem Verhandlungsergebnis abgewickelt und ihr nicht genehme Verträge in Übereinstimmung mit Ziff. 1 der vorgesehenen Vereinbarung ohne Angabe von Gründen abgelehnt habe; dadurch
BGE 105 II 75 S. 78
habe sie darauf verzichtet, die Gültigkeit des Vertrages von der Schriftform abhängig zu machen.
Für die Behauptung, die Schriftform sei bloss zwecks Beweissicherung vorbehalten worden, ist dem angefochtenen Urteil indes nichts zu entnehmen. Auf eine solche Funktion dürfte die schriftliche Form zudem nur beschränkt werden, wenn sie erst nach Einigung über den Inhalt des Vertrages verabredet worden wäre (BECKER, N. 1 zu
Art. 16 OR
; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 25 zu
Art. 16 OR
). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Parteien dachten schon zu Beginn der Verhandlungen übereinstimmend an eine schriftliche Vereinbarung. Diesfalls ist nicht erforderlich, dass sie dieser Form stillschweigend oder ausdrücklich die Bedeutung beigemessen haben, der Vertrag solle erst bei deren Erfüllung verbindlich werden.
Ein Verzicht auf eine zum vorneherein vorbehaltene Schriftform ist anzunehmen, wenn die vertraglichen Leistungen trotz Nichteinhaltung der Form vorbehaltlos erbracht und entgegengenommen werden; denn durch ein solches Verhalten wird die Vermutung des
Art. 16 Abs. 1 OR
entkräftet (BECKER, N. 2 zu
Art. 16 OR
; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 41 zu
Art. 16 OR
). Die Beklagte hat seit Anfang Oktober 1975 von der Klägerin Mietverträge entgegengenommen und sie nach den Regeln des Entwurfes, den sie der Gesellschaft am 26. September 1975 zur Prüfung zugestellt hat, teils finanziert und teils zurückgewiesen. Daraus kann schon deshalb nicht gefolgert werden, die Beklagte habe vorbehaltlos auf die Schriftform verzichtet, weil die Parteien sich nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz erst Ende November 1975 über den ganzen Inhalt der Vereinbarung geeinigt haben. Die Klägerin übersieht ferner, dass die Bank nach dem angefochtenen Urteil einzelne Mietverträge, die ihr genügend sicher erschienen, auch im Rahmen ihrer normalen Geschäftstätigkeit finanzieren konnte, zumal sie sich von vorneherein eine Garantieerklärung geben liess. Dazu kommt, dass die Beklagte in ihrem Begleitschreiben vom 26. September 1975 den Vorbehalt der Schriftlichkeit wiederholt hat. Sie bat damals den Vertreter der Klägerin, die beiliegende Vereinbarung genau zu prüfen und zu unterzeichnen, falls keine Änderungen notwendig seien; sie werde dann umgehend ein Exemplar gegenzeichnen und es der Gesellschaft zustellen. Ähnlich äusserte sie sich in ihrem Schreiben vom 25. November 1975, dem sie "die definitive Vereinbarung" zur
BGE 105 II 75 S. 79
Unterzeichnung beilegte. Die Klägerin entsprach diesem Begehren und sandte die von der Beklagten noch nicht unterschriebene Vereinbarung am 17. Dezember 1975 unterzeichnet zurück. In einer solchen Zustellung von Vertragsdoppeln zur Unterschrift ist aber ein Vorbehalt der Schriftform zu erblicken (
BGE 50 II 284
, 49 II 119/20, 42 II 376 E. 2 mit Hinweisen). Das angefochtene Urteil ist daher insoweit nicht zu beanstanden.
2.
Das Handelsgericht nahm an, die Beklagte hafte aus culpa in contrahendo, weil sie mit der Klägerin während Monaten verhandelt und sich mit ihr über den Inhalt der abzuschliessenden Vereinbarung geeinigt, dann aber unter Berufung auf Organe des Hauptsitzes, die sich erst am 8. Dezember 1975 einschalteten, den formellen Abschluss des Vertrages abgelehnt habe. Dadurch habe sie objektive Sorgfaltspflichten, welche in Vertragsverhandlungen nach Treu und Glauben zu beachten seien, verletzt und die Klägerin in deren begründeten Erwartungen enttäuscht. Die Haftung beschränke sich in solchen Fällen nicht auf doloses Verhalten.
Die Beklagte bestreitet, die Klägerin durch ein gegen Treu und Glauben verstossendes Verhalten geschädigt zu haben. Sie sei zunächst durchaus willens gewesen, die Vereinbarung abzuschliessen; die Verhandlungen seien erst dann nicht mehr weitergeführt worden, als bei Auslegung einer wesentlichen Vertragsbestimmung (Ziff. 10) Meinungsverschiedenheiten auftauchten und sich bei den Versuchen, sie zu bereinigen, keine Lösung abzeichnete. Sie habe die Verhandlungen nicht trotz vorgefasster Absicht, sie scheitern zu lassen, fortgeführt, sich folglich auch nicht im Sinne der culpa in contrahendo dolos verhalten. Vor Erfüllung der vorbehaltenen Schriftform habe die Klägerin sich nicht auf Rechte der Vereinbarung verlassen dürfen, zumal sie auf die Zustellung der Entwürfe nicht reagiert, sich ihre Entscheidungsfreiheit vielmehr vorbehalten und selbst mit der Unterzeichnung und Rücksendung des angeblich in allen Teilen abgesprochenen Vertrages rund drei Wochen zugewartet habe.
a) Die Haftung aus culpa in contrahendo beruht auf der Überlegung, dass die Parteien sich während der Vertragsverhandlungen nach Treu und Glauben zu verhalten haben. Gewiss besteht keine Pflicht, begonnene Verhandlungen fortzuführen; jede Partei darf sie vielmehr abbrechen und hat darüber
BGE 105 II 75 S. 80
der andern grundsätzlich auch nicht Rechenschaft zu geben. Mit dem Eintreten in Verhandlungen ergeben sich jedoch zwangsläufig gegenseitige Verpflichtungen. Dazu gehört insbesondere, dass die Parteien Verhandlungen ihrer wirklichen Absicht gemäss führen und einander in gewissem Masse über Tatsachen unterrichten, die den Entscheid der Gegenpartei über den Vertragsschluss oder dessen Bedingungen beeinflussen können (
BGE 102 II 84
,
BGE 92 II 333
E. 3b, 90 II 455 E. 4).
In welchem Masse die Parteien einander gegenseitig aufzuklären haben, entscheidet sich nicht allgemein, sondern hängt von den Umständen des einzelnen Falles, namentlich von der Natur des Vertrages, der Art, wie sich die Verhandlungen abwickeln, sowie den Absichten und Kenntnissen der Beteiligten ab. Entgegen der Meinung der Beklagten setzt die Haftung aus culpa in contrahendo jedoch kein doloses Verhalten voraus. Wer Verhandlungen anbahnt und fortführt, aber nicht auf Umstände aufmerksam macht, von denen sich die Gegenpartei selber weder Kenntnis verschaffen kann noch verschaffen muss, haftet vielmehr auch bei fahrlässiger Verletzung der Aufklärungspflicht. Das leuchtet vor allem dann ein, wenn er diese Pflicht schon aus eigenem Interesse beachten sollte, um z.B. einer mangelhaften Zusage vorzubeugen (
BGE 92 II 333
,
BGE 90 II 455
/6; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 579 und 590 zu
Art. 1 OR
; MERZ, N. 270-274 zu
Art. 2 ZGB
; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 135 ff; PIOTET, Culpa in contrahendo, S. 127).
b) Die Beklagte liess die Filiale Spreitenbach während Monaten mit der Klägerin verhandeln und eine Vereinbarung entwerfen, welche Ende November 1975 der Gegenpartei zur Unterschrift vorgelegt wurde. Ihren Willen, die Vereinbarung gegenzuzeichnen, änderte sie erst, als Organe des Hauptsitzes anfangs Dezember 1975 die Zustimmung verweigerten. Dass die Genehmigung durch diese Organe notwendig war und daher vorbehalten blieb, wurde der Klägerin jedoch nie bekanntgegeben. Dazu hätte die Beklagte jedoch schon Ende September 1975, als sie der Klägerin einen neuen Entwurf zustellte, allen Anlass gehabt, zumal sie daraufhin begann, von ihr Mietverträge entgegenzunehmen und zu finanzieren; denn dadurch bestärkte sie die Klägerin in der Meinung, die Vereinbarung entspreche den Interessen der Bank und werde von dieser nach endgültiger Bereinigung ohne weiteres unterzeichnet.
BGE 105 II 75 S. 81
Das ist auch dem als Weigerungsgrund angeführten "Ballungsrisiko" entgegenzuhalten, das bereits aus dem Entwurf vom 26. September 1975 ersichtlich war und umsomehr auffallen musste, als ein Faustpfandrecht zugunsten der Bank noch fehlte. Wenn schon dieser Entwurf dem Hauptsitz nicht zur Prüfung vorgelegt worden und eine rechtzeitige Orientierung der Klägerin deswegen unterblieben ist, so hat die Beklagte sich dieses Verhalten anrechnen zu lassen, gleichviel welches Organ die Unterlassung zu vertreten hat. Es widersprach Treu und Glauben, die Verhandlungen unbekümmert um interne Befugnisse fortzuführen, das Zustandekommen des Vertrages dann aber an der Genehmigung durch den Hauptsitz scheitern zu lassen, als der definitive Text vorlag.
3.
Das Handelsgericht ist der Auffassung, die Klägerin hätte die Mitte 1976 mit einer andern Bank getroffene Vereinbarung zu ebenso günstigen Bedingungen zwei Monate früher abschliessen und in dieser Zeitspanne etwa 50 Geräte mehr finanzieren lassen können, wenn die Beklagte den am 8. Dezember 1975 eingenommenen Standpunkt bereits anfangs Oktober bekanntgegeben hätte. Aus den Mietzinseinnahmen für diese Geräte hätte die Klägerin unter Berücksichtigung, dass ungefähr ein Drittel der Verträge vorzeitig gekündigt werde, rund Fr. 32'000.- Gewinne erzielt. Dazu kämen je Gerät Fr. 50.- eingesparte Verwaltungs- und Servicekosten sowie ein Sperrkontobetrag von Fr. 100.-, so dass sich ein Schaden von insgesamt Fr. 39'500.- ergebe.
Bei Haftung aus culpa in contrahendo ist das negative Interesse zu ersetzen. Der Geschädigte hat Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm aus dem von der Gegenpartei erweckten Vertrauen auf das Zustandekommen eines Vertrages erwachsen ist (
BGE 40 II 372
,
BGE 36 II 203
; ENGEL, a.a.O., S. 137; VON BÜREN, OR Allg. Teil, S. 209). Entgegen der Auffassung der Klägerin geht es daher nicht an, die schuldige Partei so zu behandeln, wie wenn ein Vertrag mit ihr abgeschlossen worden wäre, sie also zum Ersatz des positiven Vertragsinteresses zu verpflichten. In welchem Umfang die Klägerin dadurch, dass sie sich auf die nachträglich gescheiterten Verhandlungen einliess, geschädigt wurde, ist zudem im wesentlichen eine Tat- und Ermessensfrage. Das Bundesgericht darf den angefochtenen Entscheid in diesem Punkte nur daraufhin überprüfen, ob er von unrichtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgeht, der
BGE 105 II 75 S. 82
allgemeiner Lebenserfahrung widerspricht oder aus dem Rahmen des Ermessens fällt, das dem kantonalen Richter insbesondere bei Abschätzen des Schadens gemäss
Art. 42 Abs. 2 OR
zusteht (vgl.
BGE 99 II 373
oben,
BGE 89 II 398
,
BGE 85 II 357
E. 6,
BGE 81 II 42
). Das Urteil der Vorinstanz ist unter keinem dieser Gesichtspunkte zu beanstanden.
a) Das Handelsgericht geht zutreffend davon aus, die Beklagte habe nur dafür einzustehen, dass sie die fehlende Bereitschaft, zu den vereinbarten Bedingungen einen Vertrag abzuschliessen, erst am 8. Dezember, statt bereits anfangs Oktober 1975 bekanntgegeben hat. Die Klägerin verlor deswegen zwei Monate Zeit, konnte folglich Verhandlungen mit einer andern Bank über die Finanzierung der Geschäfte und damit ihre Tätigkeit erst entsprechend später im vollen Umfange aufnehmen. Eine über diese Zeitspanne hinausgehende Wirkung zulasten der Beklagten ist dagegen zu verneinen; diese haftet weder für die von Juli bis Ende September 1975 dauernden Verhandlungen, die ordnungsgemäss geführt worden sind, noch dafür, dass die Klägerin sich mit dem neuen Finanzierungsinstitut angeblich erst auf 1. Juli 1976 einigen konnte. Die Rüge der Klägerin, das Handelsgericht verkenne, dass sie durch das schuldhafte Verhalten der Beklagten mindestens sieben Monate eingebüsst habe, geht daher samt den daraus gezogenen Folgerungen fehl.
Das gilt vorweg von den Behauptungen, sie habe frühere Interessenten nicht mehr angehen wollen und die Verhandlungen mit der Beklagten neuen nicht verschweigen können. Darüber hätte die Klägerin Dritten auch bei einem schuldlosen Abbruch der Verhandlungen Auskunft geben müssen, wenn sie andernfalls unerwünschte Wirkungen befürchtete. Dass sie Weihnachten 1975 und die olympischen Winterspiele nicht als besondere Geschäftsanlässe ausnutzen konnte, hilft ihr schon deshalb nicht, weil ihre Verhandlungen mit dem neuen Vertragspartner sich weit über diese Anlässe hinzogen. Für die Behauptungen schliesslich, die Klägerin habe wegen der Beklagten nutzlose Aufwendungen gehabt, ihr bester Vertreter sei nach dem 8. Dezember 1975 zu einer Konkurrenzfirma übergelaufen und habe ihr Kunden abspenstig gemacht, ist dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen. Sie sind auch abgesehen davon unbehelflich, weil konkrete Anhalte für angeblichen Schaden fehlen.
BGE 105 II 75 S. 83
b) (Ausführungen darüber, dass weder von einem Mitverschulden der Klägerin noch von einem Ermessensmissbrauch des Handelsgerichts die Rede sein kann.)
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Berufung und Anschlussberufung werden abgewiesen, und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 26. April 1978 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
62b5129d-70ec-4847-92d0-c83a6c3ea0ff | Urteilskopf
102 Ia 16
3. Extrait de l'arrêt du 11 février 1976 dans la cause Papaeftimio contre Mintzias et Cour de cassation civile du canton de Neuchâtel | Regeste
Art. 4 BV
(Willkür),
Art. 357 OR
.
Es ist willkürlich, einen Gesamtarbeitsvertrag in einem Konflikt anzuwenden, ohne dass die Parteien gemäss den
Art. 356 und 356b OR
an den Vertrag gebunden sind und dieser Gegenstand einer Allgemeinverbindlicherklärung gewesen ist im Sinne des BG vom 28. September 1956, das die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Gesamtarbeitsvertrages erlaubt. | Sachverhalt
ab Seite 17
BGE 102 Ia 16 S. 17
Christos Papaeftimio a travaillé en qualité de sommelier dans le restaurant exploité par Gianni Mintzias de juillet 1972 à fin avril 1973, date à laquelle son contrat a été résilié avec effet immédiat.
Statuant sur une demande de Papaeftimio et sur une action reconventionnelle de Mintzias, le Tribunal de prud'hommes du district de Boudry a condamné le premier à payer au second la somme de 644 fr. 40. Il a notamment alloué à l'employeur une indemnité de rupture de 200 fr., due en vertu de l'art. 8 de la convention collective.
Par arrêt du 28 mai 1975, la Cour de cassation civile du canton de Neuchâtel a rejeté un recours formé contre ce jugement par Papaeftimio.
Celui-ci a interjeté un recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst. que le Tribunal fédéral a partiellement admis, annulant l'arrêt attaqué dans le sens des considérants.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Selon le recourant, la cour cantonale est tombée dans l'arbitraire en admettant qu'il devait payer à l'intimé un montant de 200 fr. en application de l'art. 8 de la convention collective de travail régissant les conditions de travail dans les hôtels, restaurants et autres établissements analogues du canton de Neuchâtel, du 1er avril 1963/1er août 1967.
Cette disposition prévoit que la partie qui rompt le contrat de travail en violation de la convention est passible d'une peine conventionnelle de 200 fr. s'il s'agit d'une personne occupant un poste comportant des responsabilités, ainsi que du personnel en pourboire direct, les prétentions civiles excédant ces limites étant réservées.
a) Le recourant relève que la convention collective en question n'a jamais fait l'objet d'une décision d'extension, de sorte qu'elle ne régissait que les rapports des parties à la convention ou ceux des membres des groupements parties à celle-ci. Or il n'est membre d'aucune association de travailleurs, et il ignore si l'intimé est membre de l'association d'employeurs contractante. Il reproche à la juridiction cantonale de ne pas s'être
BGE 102 Ia 16 S. 18
souciée de ce problème et d'avoir appliqué la convention comme si celle-ci avait fait l'objet d'une décision d'extension, ce qui n'est pas le cas.
b) Dans son jugement du 18 février 1975, le Tribunal de prud'hommes a déclaré appliquer la "convention collective" sans fournir aucun motif à l'appui de sa décision et sans même dire de quelle convention il s'agissait. Le demandeur a fait valoir dans son recours à la Cour de cassation d'une part que le Tribunal de prud'hommes avait appliqué une convention collective qui n'était plus en vigueur, d'autre part que le jugement attaqué ne disait pas en vertu de quoi les parties auraient été soumises à une quelconque convention collective de travail. L'arrêt déféré reproduit ces critiques et relève notamment que, selon le recourant, le jugement de première instance "ne dirait pas en vertu de quoi les parties auraient été soumises à une quelconque convention collective de travail". La Cour de cassation se borne toutefois à considérer à cet égard que la convention collective neuchâteloise du 1er avril 1963/1er août 1967 était bien en vigueur à l'époque considérée, et que les premiers juges n'ont donc pas commis d'erreur de droit en faisant application de l'art. 8 de ce texte. Elle ne répond pas à la critique du recourant concernant l'assujettissement des parties à la convention collective et ne dit pas pourquoi cette convention devrait s'appliquer en l'espèce.
c) Selon l'art. 357 CO, les clauses normatives de la convention collective n'ont en principe d'effet qu'envers les employeurs et travailleurs qu'elles lient, c'est-à-dire les employeurs qui sont personnellement parties à la convention, les employeurs et les travailleurs qui sont membres d'une association contractante, ou encore les employeurs et les travailleurs qui ont déclaré se soumettre à la convention au sens de l'art. 356b CO (cf. ATF 98 Ia 563; message du Conseil fédéral du 29 janvier 1954, FF 1954 I 156). La convention peut toutefois être étendue aux tiers en vertu de la loi permettant d'étendre le champ d'application de la convention collective de travail, du 28 septembre 1956 (LECCT); ses clauses s'appliquent alors également aux employeurs et travailleurs auxquels elle est étendue. En dehors de ces cas, les rapports entre parties sont régis par le contrat individuel et la loi, éventuellement par un contrat-type de travail, mais pas par la convention collective.
BGE 102 Ia 16 S. 19
d) Il ne résulte ni de l'arrêt de la Cour de cassation ni du jugement du Tribunal de prud'hommes que les parties au litige seraient membres d'associations contractantes, qu'elles se seraient soumises à la convention, ou encore que celle-ci aurait été étendue par décision de l'autorité compétente du canton de Neuchâtel, approuvée par le Conseil fédéral (art. 7 et 13 LECCT). La Cour de cassation ne pouvait donc pas faire application en l'espèce de la convention collective et condamner le recourant à payer à l'intimé la peine conventionnelle de 200 fr. prévue par l'art. 8 de ladite convention. En rejetant sur ce point le recours du demandeur, elle est partant tombée dans l'arbitraire. | public_law | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
62b9e27e-ad4b-4546-94e3-2fe1768f13f2 | Urteilskopf
109 Ib 198
34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. Dezember 1983 i.S. Konsortium Gewerbe- und Sporthallen gegen Gemeinde Bassersdorf, Freizeitorganisation des Personals der Swissair, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichts- und staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG
, § 5 Einführungsverordnung zum RPG des Kantons Zürich,
Art. 103 lit. a OG
.
Ein Gewerbetreibender wird durch das Bauvorhaben eines Konkurrenten nicht in seinen schutzwürdigen Interessen im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
berührt. Die Legitimation eines Konkurrenten zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde setzt eine vom einschlägigen Bundesrecht erfasste spezifische Beziehungsnähe voraus (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 198
BGE 109 Ib 198 S. 198
Der Gemeinderat Bassersdorf erteilte am 1. Dezember 1981 der Freizeitorganisation des Personals der Swissair für die Erweiterung der bestehenden Freizeitanlage "im Häuli-Störchelwiesen" in Bassersdorf die Baubewilligung. Die Gesellschafter der einfachen Gesellschaft "Konsortium Gewerbe- und Sporthallen", welche auf dem Grundstück Grindelstrasse 11 in Bassersdorf als Leasingnehmer eines grossen Gebäudes neun Tennisplätze im Dachgeschoss, drei Squashplätze und eine Minigolfanlage betreibt, erhoben dagegen Rekurs. Ihr Interesse an der Anfechtung der Bewilligung begründeten sie damit, dass diese der Freizeitorganisation einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Die Freizeitorganisation überlasse ihre Anlagen stundenweise gegen Entgelt auch Nichtmitgliedern und trete daher mit ihrem Konsortium in ein Konkurrenzverhältnis.
BGE 109 Ib 198 S. 199
Die Baurekurskommission I trat jedoch auf den Rekurs nicht ein, und das Verwaltungsgericht, das die Gesellschafter in der Folge wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs anriefen, bestätigte diesen Entscheid. Die dagegen von den Gesellschaftern erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vom Bundesgericht als staatsrechtliche Beschwerde behandelt und abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Die Zürcher Einführungsverordnung zum Raumplanungsgesetz umschreibt in § 5 die Zulassung zum Rekurs oder zur Beschwerde wie folgt:
"In Streitigkeiten über die Anwendung des Bundesgesetzes über die Raumplanung oder des Planungs- und Baugesetzes ist abweichend von § 21 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes die Legitimation im vorgeschriebenen Mindestumfang von
Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG
gegeben; danach ist zum Rekurs oder zur Beschwerde berechtigt, wer durch den angefochtenen Erlass oder die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des Anfechtungsobjektes hat."
Der Ausgang der Sache hängt somit davon ab, ob das Verwaltungsgericht mit Recht annehmen durfte, die Beschwerdeführer würden die Voraussetzungen für die Beschwerdebefugnis im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für die Anfechtung der der Beschwerdegegnerin erteilten Baubewilligung nicht erfüllen. Diese stützt sich auf Zonenvorschriften des kantonalen Rechts, welche im Sinne des Raumplanungsgesetzes der zweckmässigen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes dienen. Sie erging somit in Anwendung kantonaler Ausführungsbestimmungen zum Raumplanungsgesetz im Sinne von
Art. 33 Abs. 2 RPG
(EJPD/BRP, Erläuterungen, N. 16 zu Art. 33, S. 346).
a) Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht vor, sein Entscheid mache im Ergebnis die Rekursbefugnis von der Schutzrichtung der als verletzt bezeichneten Norm abhängig, was das Bundesgericht ausdrücklich verneint habe (
BGE 104 Ib 248
ff., E. 5-7, insbesondere 255). In der Tat sind die Erwägungen des Gerichts geeignet, diesen Eindruck zu erwecken.
Die Beispiele, die das Verwaltungsgericht anführt, um darzulegen, auf welche Entfernung sich ein Bauvorhaben im Sinne des geltend gemachten Anfechtungsinteresses auszuwirken vermöge, beziehen sich im Regelfall auf Rügen, mit denen die Verletzung einer den Nachbarn schützenden Bauvorschrift geltend gemacht
BGE 109 Ib 198 S. 200
wird (Verletzung von Regeln über Lichteinfall, Beschattungsdauer, Gebäudehöhe, Abstand, Immissionsschutz usw.). In gleicher Weise werden allgemeine oder spezielle Immissionsschutzvorschriften angerufen, wenn ein Gebäude oder seine Bewirtschaftung auf das nachbarliche Grundstück oder dessen Bewohner nachteilig einwirkt. Sollte das Verwaltungsgericht nur die Abwehr solcher schädigenden Auswirkungen von Bauten als schützenswert erachten, würde es die Rekursbefugnis im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
zu stark einschränken. Doch ist es nicht ausgeschlossen, bei richtigem Verständnis die Erwägungen des Gerichts als mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts vereinbar zu bezeichnen.
b) Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt es ausdrücklich zu, dass derjenige, der von einer Verfügung berührt ist, die Verletzung öffentlichen Rechts geltend machen kann, das seine Interessen nicht zu schützen bezweckt. So kann etwa ein Nachbar ein ihm missliebiges Bauvorhaben, obschon es den nachbarschützenden Bauvorschriften entspricht, mit der Begründung anfechten, es verstosse gegen Gewässerschutzrecht oder Forstrecht (
BGE 108 Ib 93
E. 3b aa,
BGE 104 Ib 253
ff. E. 7; BGE vom 24. November 1978, ZBl 80/1979 S. 480;
BGE 108 Ib 509
, nicht publizierte Erwägung 1).
Doch genügt auch für das Bundesgericht zur Bejahung des "Berührtseins" in schutzwürdigen Interessen im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
nicht jedes beliebige Interesse. Mit den Worten der Rechtsprechung muss eine besondere, beachtenswerte, nahe Beziehung zur Streitsache vorliegen (
BGE 104 Ib 249
E. 5c mit Verweisungen). Besondere und andere Interessen als das allgemeine öffentliche Interesse an der richtigen Durchsetzung und einheitlichen Anwendung des Bundesrechts müssen gegeben sein, damit das "unmittelbare" Berührtsein bejaht werden kann (
BGE 105 Ib 359
E. 5a,
BGE 101 Ib 185
E. 4a). Der Beschwerdeführer muss in höherem Masse als jedermann berührt sein (
BGE 106 Ib 175
E. 1a).
Es ist zuzugeben, dass aus diesen Formulierungen nicht ohne weiteres präzis hergeleitet werden kann, wann das geforderte "höhere Mass" an Betroffenheit in schutzwürdigen Interessen gegeben ist. Es bleibt in Grenzfällen ein Beurteilungsspielraum, bei dessen Ausübung einerseits eine kaum mehr zu begrenzende Öffnung des Beschwerderechts vermieden werden muss und andererseits die Schranken auch nicht zu eng gezogen werden dürfen, um nicht die vom Gesetzgeber bewusst gewollte Überprüfung
BGE 109 Ib 198 S. 201
der richtigen Rechtsanwendung in Fällen, in denen der Beschwerdeführer ein aktuelles Rechtsschutzinteresse besitzt, auszuschliessen.
c) Die vorliegende Konkurrentenbeschwerde lässt diese Problematik deutlich erkennen. Geht man im Sinne der Formulierung von
BGE 107 Ib 45
f. E. 1c mit der Minderheit des Verwaltungsgerichts davon aus, das "Berührtsein" in schutzwürdigen Interessen sei stets gegeben, "wenn der Ausgang des Verfahrens, in das der Beschwerdeführer sich einmischen will, seine Interessensphäre zu beeinflussen vermag, er also einen praktischen Nutzen hat bzw. einen Nachteil abwenden kann, den der angefochtene Verwaltungsakt für ihn zur Folge hätte", so ist eine Abgrenzung gegenüber der nach wie vor verpönten Popularbeschwerde kaum mehr möglich. Es träfe in der Tat zu, dass "beispielsweise sämtliche Hotelbesitzer in der weiteren Umgebung gegen ein Hotelprojekt oder sämtliche Apotheker gegen die Errichtung einer Apotheke Einsprache erheben (könnten), ja alle Hauseigentümer, welche um die Vermietbarkeit ihrer Wohnungen fürchten, gegen den Neubau eines Wohnhauses".
d) Eine Analyse der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Konkurrentenbeschwerde lässt erkennen, dass ihr ein engeres Verständnis des "Berührtseins" eines Konkurrenten in schützenswerten Interessen zugrunde liegt. Bei konkurrenzierenden Gewerbegenossen dürfe der Kreis der Berechtigten zur Anfechtung von Verwaltungsverfügungen, welche angeblich Konkurrenten rechtswidrig begünstigen, nicht zu weit gespannt werden, wird in
BGE 101 Ib 185
f. E. 4a mit Verweisung auf
BGE 100 Ib 337
ausdrücklich festgehalten.
Soweit das Bundesgericht auf Konkurrentenbeschwerden eintrat, ging es stets um eine von der einschlägigen gesetzlichen Regelung des Bundesrechts erfasste spezielle Beziehung. Einmal war die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften nach Postverkehrsgesetz umstritten (
BGE 101 Ib 185
E. 4). Ein anderes Mal ging es um die Anfechtung wirtschaftspolitischer Vorschriften über die Butterversorgung (
BGE 101 Ib 89
E. 2), oder es war die Erteilung eines neuen Einfuhrkontingentes für Mahlhafer bzw. die Kontingentszuteilung gemäss den Statuten der Genossenschaft für Getreide- und Futtermittel zu beurteilen (BGE
BGE 100 Ib 423
E. 1b,
BGE 97 I 297
E. 1c). Umstritten war ferner die Anerkennung von Treuhandgesellschaften als Revisionsstellen gemäss Bankengesetz (
BGE 99 Ib 105
E. 1) und die Einrichtung einer Apotheke im
BGE 109 Ib 198 S. 202
Bahnhofgebäude gestützt auf die Eisenbahngesetzgebung (
BGE 98 Ib 229
E. 2, 97 I 592 E. 2).
Aus allen diesen Fällen ergibt sich, dass nicht jedes beliebige wirtschaftliche Interesse das erforderliche "Berührtsein" für die Anfechtung einer Verfügung zu begründen vermag. Vielmehr muss eine "spezifische Beziehungsnähe", wie sie etwa durch eine Kontingentsordnung geschaffen wird (
BGE 100 Ib 424
E. 1b), vorliegen. Dabei lassen die angeführten Fälle erkennen, dass diese Nähe durch die spezielle wirtschaftsverwaltungsrechtliche Ordnung, welcher die Konkurrenten unterworfen sind, begründet wird, nicht jedoch durch die blosse Befürchtung, verstärkter Konkurrenz ausgesetzt zu sein (
BGE 100 Ib 338
).
Auch ist zu beachten, dass der Vollzug wirtschaftsrechtlicher Ordnungen vielfach ausserhalb der Verwaltung stehenden Körperschaften wie der Genossenschaft für Getreide- und Futtermittel übertragen wird. "Unerlässliches Korrelat einer solchen Auftragsverwaltung bildet eine umfassende Verwaltungsrechtspflege, wie sie mit der Novelle zum Bundesrechtspflegegesetz von 1968 weitgehend verwirklicht worden ist" (LEO SCHÜRMANN, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bern 1978, S. 332). Die einer derartigen Ordnung unterworfenen Konkurrenten haben ein besonderes Interesse am richtigen Gesetzesvollzug, was sie in höherem Masse als jedermann berührt erscheinen lässt.
e) In der vorliegenden Sache geht es um keine derartige spezifische Beziehungsnähe. Was die Beschwerdeführer zu den baurechtlichen Voraussetzungen der Bewilligung, die der Beschwerdegegnerin für die Erweiterung ihrer bereits bestehenden Anlagen erteilt wurde, vorbringen, vermag diese Nähe nicht zu begründen. Jeder Bauherr hat die für sein Baugrundstück geltenden Anforderungen zu erfüllen. Dass Wert, Lage, Grösse und Gestaltung des Grundstücks zu Wettbewerbsunterschieden führen können, ist verständlich, vermag jedoch keine besondere Betroffenheit des Konkurrenten im Sinne von
Art. 103 Abs. 1 lit. a OG
auszulösen. Dieser wird in seiner allgemeinen wirtschaftlichen Stellung als Gewerbegenosse berührt. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die wirtschaftliche Tätigkeit, die im geplanten Bau betrieben werden soll, in Konkurrenz zu wenigen oder zu zahlreichen Gewerbetreibenden tritt. Diese Art von "Berührtsein" liegt im Prinzip des freien Wettbewerbs.
Wer als Eigentümer - wie hier - von seinem Recht Gebrauch macht, einen Bau zur Ausübung einer auch wirtschaftlich
BGE 109 Ib 198 S. 203
orientierten Tätigkeit zu erstellen, greift nicht in besonderer Weise in die Interessen des Konkurrenten ein. Der Konkurrent kann daher nicht im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
geltend machen, er werde durch die Baubewilligung in seinen schützenswerten Interessen in höherem Masse als jedermann berührt. Für jeden Bürger gilt grundsätzlich das Prinzip des freien Wettbewerbs. Wollte man die Legitimation bejahen, so müsste jedem Gewerbetreibenden, der befürchtet, der neue Betrieb könnte mit ihm in Konkurrenz treten, die Beschwerdelegitimation gegen die Erteilung einer Baubewilligung zuerkannt werden. Damit würde - wie dies in
BGE 100 Ib 338
zur Anfechtung der Bewilligung zum Verkauf einer Ware, welche die Milchproduzenten konkurrenzieren könnte, gesagt wurde - der Kreis der Beschwerdeberechtigten derart erweitert, dass die Verwaltungsbeschwerde und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Popularbeschwerde angenähert würden.
Der Entscheid des Verwaltungsgerichts widerspricht daher der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu
Art. 103 lit. a OG
nicht, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
62bceaa7-dbc7-4619-a08f-87018d049eee | Urteilskopf
102 II 128
21. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 4 mai 1976 dans la cause P. contre L. | Regeste
Auf Geldleistungen hinzielende Vaterschaftsklage, die von einem Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bei einem schweizerischen Gericht gegen den angeblichen Vater erhoben wird, der in der Schweiz Wohnsitz hat. Anwendung der Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht.
1. Die selbständige Anknüpfung der durch die Übereinkommen gesondert geregelten Unterhaltsverpflichtungen und der Ausschluss jeglicher familienrechtlicher Wirkungen bedeutet nicht, dass ein Gericht nicht - vorfrageweise - über den Bestand des Vaterschaftsverhältnisses befinden könnte, wo das anwendbare - im vorliegenden Fall deutsche - Recht dieses als Rechtsgrund für den Unterhaltsanspruch voraussetzt. Dem Entscheid über diesen Punkt wird für die Verurteilung zu Unterhaltsleistungen freilich nur tatsächliche Bedeutung zukommen. Der angerufene Richter wird demnach - gestützt auf das deutsche Recht - sowohl über das Vaterschaftsverhältnis als der grundlegenden Voraussetzung für die Unterhaltspflicht wie auch hinsichtlich der Modalitäten und des Umfanges der Unterhaltspflicht materiell zu entscheiden haben (Erw. 3).
2. Die Anwendung des ausländischen Rechts, die auf einer Kollisionsnorm des Bundesrechts (das auch die von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen einschliesst) beruht, ist der Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen. Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht als Berufungsinstanz lediglich zu prüfen, ob das kantonale Gericht das anwendbare Recht auf Grund der durch die Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 eingeführten Regeln richtig bestimmt hat (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 130
BGE 102 II 128 S. 130
Résumé des faits:
A.-
a) Dame H., née L., ressortissante de la République fédérale d'Allemagne, a donné naissance, le 29 juin 1962, à Bonn, à une fille, prénommée Maria Christiane.
Le 24 juin 1964, la Cour d'appel de Bonn a prononcé le divorce des époux H.-L. Par un arrêt du même jour, elle a déclaré que Maria Christiane n'était pas l'enfant légitime du mari.
Dame L. ayant désigné P., de nationalité française, comme étant le père naturel de l'enfant, le Stadtjugendamt de Bonn a entrepris dès 1965, sans succès, des démarches en vue d'obtenir une contribution à l'entretien de Maria Christiane.
Le 11 novembre 1971, le Stadtjugendamt de Bonn, agissant en qualité de tuteur de Maria Christiane L., a assigné P., qui avait pris domicile à Vésenaz, devant le Tribunal de première instance de Genève, aux fins de le faire déclarer père naturel de l'enfant et d'obtenir sa condamnation au paiement d'une contribution à l'entretien de celle-ci. P. s'est opposé à la demande.
b) Le 23 janvier 1975, le Tribunal de première instance de Genève a rejeté l'action. Son jugement est motivé en substance comme il suit:
En vertu de la Convention de La Haye du 24 octobre 1956 sur la loi applicable aux obligations alimentaires envers les enfants, entrée en vigueur pour la République fédérale allemande le 1er janvier 1962, pour la France le 1er juillet 1963 et
BGE 102 II 128 S. 131
pour la Suisse le 17 janvier 1965, était applicable au fond du litige, à partir de cette dernière date, la loi de la résidence habituelle de l'enfant, en l'espèce le droit allemand. Pour la période antérieure au 17 janvier 1965, soumise au droit suisse, la demande est mal fondée, le délai de péremption de l'
art. 308 CC
étant expiré. Pour la période postérieure au 17 janvier 1965, la demande doit être considérée comme prématurée. En effet, selon les nouvelles dispositions sur le enfants illégitimes, entrées en vigueur en République fédérale allemande le 1er juillet 1970, la demande en paiement d'une contribution alimentaire exige la constatation préalable de la paternité, dans une procédure séparée ayant effet erga omnes. Cette action n'entre pas dans le cadre de la Convention de La Haye et ne peut être portée que devant un tribunal allemand. Ce n'est qu'une fois que la paternité a été constatée que l'action alimentaire prévue par la Convention est recevable.
B.-
Statuant le 16 janvier 1976 sur appel du demandeur, la Cour de justice de Genève a annulé le jugement de première instance et renvoyé la cause à l'instance inférieure pour jugement au fond.
Elle estime qu'un juge étranger, saisi d'une action, en vertu de la Convention de La Haye de 1956, par un enfant ayant sa résidence habituelle en République fédérale allemande, peut appliquer sans réserve la loi de ce pays et procéder, selon les conditions qu'elle prescrit, à la constatation préjudicielle de la paternité. Dans le cas contraire, les enfants résidant en Allemagne et plaidant contre un père présumé domicilié à l'étranger perdraient les avantages de la Convention de La Haye et seraient moins bien traités que les enfants qui dirigent leur action contre un père présumé domicilié en Allemagne.
C.-
Le défendeur recourt au Tribunal fédéral. Il conclut à la réforme de l'arrêt attaqué en ce sens que la cause n'est pas renvoyée au Tribunal de première instance pour qu'il statue sur le fond, l'action de la demanderesse étant rejetée.
Erwägungen
Considérant en droit:
3.
La convention de La Haye du 24 octobre 1956 ne règle que les conflits de lois en matière d'obligations alimentaires; les décisions rendues en application de ladite convention ne peuvent préjuger des questions de filiation et des rapports
BGE 102 II 128 S. 132
familiaux entre le débiteur et le créancier (art. 5 al. 2). Le Message du Conseil fédéral du 9 mars 1964 (FF 1964 I p. 519) précise la portée de cette disposition:
"Cette disposition doit faciliter l'adhésion à la convention d'Etats dont le droit subordonne par principe l'obligation alimentaire à l'existence d'un lien de filiation entre l'enfant et le débiteur des aliments. Ces Etats n'auraient par exemple pas accepté qu'une obligation alimentaire imposée à l'un de leurs ressortissants fût fondée sur une loi étrangère s'écartant, en matière d'état ou de droit de famille, d'un principe fondamental de leur propre droit interne. En séparant nettement du domaine alimentaire les questions de filiation et de rapports familiaux, et en soumettant à son régime les seules questions d'aliments, la convention rassure donc ces Etats puisqu'elle empêche qu'un enfant au bénéfice d'une décision d'entretien fondée sur une loi applicable en vertu de la convention ne puisse invoquer cette décision à l'appui d'une action en reconnaissance judiciaire d'un lien de filiation entre lui et le débiteur des aliments. Une telle reconnaissance continuera à dépendre uniquement de la législation particulière de chaque Etat."
Le rattachement séparé de l'obligation alimentaire, créée en catégorie autonome, et l'exclusion de tout effet de droit de famille ne signifient cependant pas qu'un tribunal ne puisse pas se prononcer, à titre préalable et accessoire, sur l'existence d'un lien de famille (filiation établie), lorsque la loi applicable prévoit l'existence de ce lien comme fondement du droit aux aliments. La règle de l'art. 5 al. 2 de la convention aura pour conséquence que la décision, sur ce point, n'aura que valeur de motif et portée de fait pour la condamnation alimentaire; elle n'affectera nullement l'état des intéressés et sera dépourvue de l'autorité de la chose jugée (v. OVERBECK, Les nouvelles conventions de La Haye sur les obligations alimentaires, Annuaire suisse de droit international, XXIX 1973, p. 146/147; dans le même sens: MÜLLER-FREIENFELS, Zum räumlich-persönlichen Geltungsbereich Haager IPR Übereinkommen, insbesondere des Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht v. 24.10.1956, Festschrift für Hans G. Ficker, 1967, p. 328; HOLLEAUX, Actes de la huitième session de la Conférence de La Haye, p. 177). En revanche, le problème se pose de savoir si la décision incidente sur la question préalable doit être prise en application de la loi qui régit l'obligation alimentaire ou si, au contraire, elle doit être rattachée séparément. Le juge ne saurait éluder cette question, en ne tenant compte,
BGE 102 II 128 S. 133
dans l'application de la loi interne du pays de résidence de l'enfant, que des dispositions relatives à l'obligation alimentaire et en faisant abstraction de celles qui lient cette obligation à l'établissement d'une filiation. Car, d'une part, il n'a pas le pouvoir de modifier la loi interne qu'il reconnaît comme applicable et, d'autre part, il violerait l'art. 1 al. 1 de la convention, selon lequel la loi de la résidence habituelle de l'enfant détermine, non seulement dans quelle mesure, mais aussi si et à qui l'enfant peut réclamer des aliments.
On ne saurait non plus résoudre la question préalable de la filiation en appliquant la loi désignée par le droit international privé du pays de résidence de l'enfant, c'est-à-dire du pays dont la loi interne est reconnue applicable pour régir la question principale, ou en appliquant la loi désignée par le droit international privé du for. En effet, l'idée et le but de la convention, en retenant applicable la loi de la résidence, sont de ne prendre en considération que le droit matériel du pays de la résidence, à l'exclusion de son droit international privé, et d'éviter que le sort du litige ne soit lié au contenu d'une règle de conflit qui varie avec le tribunal saisi (Actes de la huitième session de la Conférence de La Haye 1956, p. 310 et Documents de la huitième session, p. 127; cf. aussi, sur ce qui précède, BISCHOFF, Les conventions de La Haye en matière d'obligations alimentaires, Journal du droit international 1964, p. 768/769).
Aussi la majorité de la doctrine et de la jurisprudence s'est-elle prononcée, conformément à l'art. 1er al. 1 de la convention, pour l'application de la loi de la résidence habituelle non seulement au quantum de l'obligation, mais aussi à son principe (v. OVERBECK, loc.cit., p. 147 et les citations aux n. 19 et 20; MÜLLER-FREIENFELS, loc.cit.; BISCHOFF, loc.cit., p. 769; FIRSCHING, De la filiation en droit français, autrichien et allemand, Revue international de droit comparé, 1973, p. 33; BELLET, Les nouvelles conventions de La Haye en matière d'obligations alimentaires, Journal du droit international 1974, p. 9; DE CESARI, Diritto agli alimenti del figlio naturale, convenzioni dell'Aja e ordine pubblico, Rivista di diritto internazionale privato e processuale 1974, p. 255 et n. 52; SONNENBERGER, Vaterschaftsfeststellung und Unterhaltsanspruch im internat. Privatrecht, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1973, p. 554 II). Ce point de vue est confirmé
BGE 102 II 128 S. 134
par la genèse de la convention (Actes VIII, p. 168 et 311; Documents VIII, p. 125 et 127, Rapport de la commission spéciale: "Dans la pratique une convention en ce domaine n'a de valeur réelle que si elle a pour résultat de soumettre les obligations alimentaires en leur entier aux dispositions d'une loi unique" et: "Par l'application de la loi de la résidence habituelle de l'enfant, on évite en outre que la personne qui doit entretenir l'enfant ne puisse se soustraire à l'obligation alimentaire en s'établissant dans un pays où cette obligation est soit inconnue, soit reconnue seulement dans une mesure très restreinte"). Si le principe de l'obligation était soumis à une loi autre que celle de la résidence habituelle de l'enfant et si la filiation était érigée en question préalable à juger selon une loi déterminée par un rattachement distinct, une réponse négative à cette question pourrait faire obstacle à l'action alimentaire et empêcher l'application de la convention (cf. v. OVERBECK. L'application par le juge interne des conventions de droit international privé, Recueil des cours de l'Académie de droit international, 1971, I p. 62-65).
L'autorité cantonale a dès lors fait une saine application de la convention en invitant le juge de première instance à statuer au fond, sur la base du droit allemand, aussi bien en ce qui concerne - préalablement - la condition fondamentale de l'obligation alimentaire, à savoir la paternité, respectivement le lien de filiation avec le défendeur, qu'en ce qui a trait aux modalités et au montant de cette obligation.
4.
Aux termes du par. 1600a BGB, introduit par la loi du 19 août 1969 (Nichtehelichengesetz), entrée en vigueur le 1er juillet 1970, les effets juridiques de la paternité ne peuvent être invoqués qu'à partir du moment où ils sont constatés. Ainsi, les nouvelles dispositions ont supprimé les actions alimentaires dans la mesure où elles ne peuvent plus être intentées avant l'établissement de la filiation (mais elles peuvent l'être en même temps, cf. PALANDT, BGB, 32e éd., par. 1600a n. 4). L'allocation d'aliments est subordonnée à la constatation formelle d'un lien de filiation à l'égard du père et l'établissement de ce lien est la condition de l'obligation alimentaire. C'est la conséquence de l'assimilation de l'enfant né hors mariage à l'enfant légitime.
L'essentiel du recours est fondé sur ces principes - incontestés - du droit allemand. Le recourant soutient que le droit
BGE 102 II 128 S. 135
actuel allemand est incompatible avec la convention de La Haye, qui ne s'occupe que des actions alimentaires et qui, selon son art. 5, ne peut pas préjuger d'autres questions de droit de famille, notamment établir la filiation. Saisi d'un recours en réforme, le Tribunal fédéral n'examine que l'application du droit fédéral, cette notion comprenant aussi les conventions internationales ratifiées par la Suisse et qui s'appliquent au même titre qu'une loi fédérale (
ATF 96 II 7
). En revanche, l'application du droit étranger qui intervient en vertu d'une règle de conflit du droit fédéral échappe à l'examen du Tribunal fédéral. En l'espèce, la Cour fédérale de réforme est tenue uniquement de rechercher si l'autorité cantonale a désigné correctement le droit applicable en vertu des règles instituées par la convention de La Haye, mais non pas de revoir l'application du droit, puisque ce droit est étranger (
ATF 77 II 117
consid. 2,
ATF 88 II 203
consid. 4).
Au demeurant, l'application du droit allemand ne conduit pas nécessairement à l'impasse relevée par le recourant.
Certes, la Convention de La Haye de 1956 ne règle que le statut alimentaire, alors que le droit allemand, désigné par la convention comme applicable, exige l'action d'état, d'où découlent les conséquences alimentaires. Si le juge genevois, dans le but de satisfaire aux exigences du droit allemand, procède à la déclaration de paternité, cette déclaration n'aura, dans le régime conventionnel, que valeur de motif et si le dispositif contient des dispositions sur un point autre que l'obligation alimentaire, l'effet de la convention restera limité à cette dernière (art. 1er al. 2 de la convention de 1958 sur l'exécution). Cela ne signifie cependant pas que l'enfant soit empêché d'invoquer la convention pour demander des prestations alimentaires, parce que le droit du pays de sa résidence habituelle exige l'établissement préalable du rapport de filiation. Simplement, et aux fins de l'exécution, les effets du jugement seront limités au plan alimentaire (cf. v. OVERBECK, Une règle de conflits uniforme en matière d'obligations alimentaires envers les enfants, Nederlands Tudschrift voor international Recht, 1958, p. 265/266).
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours dans la mesure où il est recevable. | public_law | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
62c0af01-2e94-4d62-908f-c440d2884005 | Urteilskopf
101 IV 317
73. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Juni 1975 i.S. S. gegen Generalprokurator des Kantons Bern | Regeste
Art. 397 StGB
, Wiederaufnahme des Verfahrens.
Erheblich sind auch neue Tatsachen und Beweismittel, die bloss eine Änderung im Schuldspruch zu bewirken vermögen (Änderung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 317
BGE 101 IV 317 S. 317
Aus den Erwägungen:
2.
Nach neuer Praxis ist der Schuldspruch anfechtbar (
BGE 96 IV 66
,
BGE 100 IV 2
). Das hat bei der Wiederaufnahme zur Folge, dass neue Tatsachen und Beweismittel nicht nur erheblich sind, wenn sie zu einem wesentlich milderen Urteil führen können (
BGE 92 IV 179
und bisherige Rechtsprechung), sondern auch dann, wenn sie geeignet sind, die der Verurteilung zugrunde liegenden Feststellungen so zu erschüttern, dass auf Grund des veränderten Sachverhalts hinsichtlich einer von mehreren strafbaren Handlungen, derentwegen der Täter verurteilt wurde, ein Freispruch möglich ist, unabhängig davon, ob dieser mildere Bestrafung nach sich zieht. | null | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
62c7b9f4-7ec6-4700-9bc2-7a9cc2eebb01 | Urteilskopf
97 II 37
5. Estratto della sentenza 7 maggio 1971 della II Corte civile nella causa Ferrovie federali svizzere contro Ghiringhelli. | Regeste
Art. 676 ZGB
.
Vermutung, dass die Leitungen für Wasser, Gas, elektrische Kraft und dergleichen Zugehör des Werkes sind, von dem sie ausgehen.
Diese Zugehöreigenschaft ist nicht im Sinne der Definition von
Art. 644 und 645 ZGB
zu verstehen.
Das Leitungsrecht nach
Art. 676 ZGB
wird als persönliche Dienstbarkeit errichtet, und der Eigentümer der Leitung selbst kann von jenem des Werks und des Grundstücks verschieden sein.
Ist die Leitung äusserlich wahrnehmbar, so besteht das Leitungsrecht ohne Pflicht zur Eintragung im Grundbuch. | Sachverhalt
ab Seite 38
BGE 97 II 37 S. 38
Riassunto della fattispecie:
A.-
Con contratto collettivo del 9 maggio 1938, le Ferrovie federali svizzere si fecero accordare da diversi proprietari di fondi in territorio di Osogna un diritto reale di condotta per la linea ad alta tensione Giornico-Giubiasco.
Nel contratto si fa cenno alla legge federale sull'espropriazione del 20 giugno 1930, alla legge federale sugli impianti a corrente debole e forte del 24 giugno 1902 ed agli
art. 676 e 691
CC. È previsto, tra l'altro, un divieto di costruzione per fabbricati o parti di essi che non distino almeno sei metri dalla condotta elettrica. Ogni proprietario riceve un'indennità una volta tanto e si impegna a trasferire a qualsiasi successore in diritto gli obblighi derivanti dal contratto. È riconosciuta alle FFS la facoltà di far annotare a registro fondiario la servitù di condotta. In realtà, l'annotazione non fu mai chiesta.
Tra i fondi gravati figurano anche i mappali 376, 377 e 378, che, nella successiva procedura di raggruppamento di terreni, vennero fusi con altri mappali e formarono la nuova particella 659 RT, prato di mq. 2924, assegnata a Cipriano Berini e da quest'ultimo venduta, il 24 luglio 1962, a Walter Ghiringhelli.
Nel corso del 1963 Ghiringhelli decise di lottizzare il proprio terreno in quattro appezzamenti di circa 700 mq. ognuno e di costruirvi altrettante case di abitazione. Chiese, pertanto, alle Ferrovie federali svizzere lo spostamento dell'elettrodotto. Queste ultime vi si opposero, adducendo che i progetti potevano egualmente essere realizzati, arretrando di qualche metro tre dei quattro fabbricati previsti. Anche una successiva domanda di indennità per la modifica dei progetti e la svalutazione dell'area sottostante l'elettrodotto, ebbe esito negativo.
B.-
Con azione dell'11 gennaio 1967 Walter Ghiringhelli chiese che il proprio fondo venisse liberato dall'elettrodotto di proprietà delle convenute. Il 18 luglio 1969 il Pretore del distretto di Riviera respinse l'azione, osservando che le FFS erano al beneficio di una servitù prediale, l'elettrodotto essendo un accessorio della sotto-centrale di Giornico, e che tale servitù,
BGE 97 II 37 S. 39
riconoscibile esteriormente, sussisteva senza inscrizione a registro fondiario.
Mediante sentenza del 20 marzo 1970 il Tribunale di appello del Cantone Ticino riformò il giudizio del Pretore, accolse l'azione e fece ordine alle FFS di liberare il fondo dell'attore dall'elettrodotto di loro proprietà.
C.-
Le Ferrovie federali svizzere hanno presentato un ricorso per riforma. Esse chiedono l'accoglimento del gravame, l'annullamento della sentenza impugnata e la reiezione della petizione.
L'attore propone la reiezione del ricorso.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
(Valore litigioso).
2.
Nel contratto collettivo del 9 maggio 1938 il diritto reale di condotta è costituito non a favore di un determinato fondo, o di ogni proprietario di un determinato fondo, bensì a favore delle Ferrovie federali svizzere. Il Pretore ha ritenuto che l'elettrodotto fosse un accessorio della sottocentrale FFS di Giornico. Il Tribunale di appello ha invece accertato che questa circostanza non risultava dagli atti: tale affermazione è invero singolare, quando si tenga presente che il contratto del 1938 si riferisce espressamente alla condotta Giornico-Giubiasco. Nel ricorso al Tribunale federale le convenute non pretendono di essere al beneficio di una servitù prediale, ma sostengono che il diritto di condotta sussisterebbe senza inscrizione, anche se costituito sotto forma di servitù personale. Il quesito di sapere se il contratto 9 maggio 1938 preveda una servitù prediale può quindi essere lasciato aperto, qualora risulti che il diritto di condotta può sussistere senza inscrizione anche come servitù personale. In tal caso, non occorrerebbe neppure esaminare se l'attore fosse a conoscenza del contratto 9 maggio 1938 e se egli ne abbia assunto i relativi obblighi.
3.
L'art. 676 CC presume accessori dell'impianto da cui provengono le condotte d'acqua, di gas, di forza elettrica e simili, in quanto si trovino fuori del fondo a cui servono. La costituzione di tali diritti reali sui fondi altrui ha luogo a titolo di servitù, ma l'inscrizione a registro fondiario non è richiesta, qualora si tratti di condotta riconoscibile esteriormente.
BGE 97 II 37 S. 40
Secondo LEEMANN (N. 15 all'art. 676 CC), è necessaria la costituzione di una servitù prediale. In caso contrario, ad esempio se al diritto di condotta è stata data la forma di una servitù personale, non esiste accessorietà tra la condotta ed un fondo, ossia un vincolo tra le due cose tale che un atto di disposizione sulla seconda si estenda anche alla prima (art. 644 cpv. 1 CC) e l'inscrizione a registro fondiario deve aver luogo. A questa opinione si ricollega MEIER-HAYOZ (N. 23 all'art. 676 CC). Nello stesso senso si pronuncia HAAB (N. 16 all'art. 676 CC). Come "accessori" le condotte sono soggette al diritto di proprietà del proprietario del fondo.
L'accessorietà dell'art. 676 CC non è tuttavia da intendersi secondo la definizione degli art. 644/645 CC (cfr. gli autori testé citati, Leemann N. 24, Meier-Hayoz N. 34, Haab N. 14-16 all'art. 676 CC). Le differenze risiedono nel fatto che le condotte non sono cose mobili (cfr. anche RU 48 I 450); che esse sono definite accessorio non di una cosa mobile o immobile, bensì di un impianto (entreprise, Werk), ossia di un complesso che può a sua volta consistere di cose mobili, immobili e di diritti (ad esempio un'azienda di produzione di elettricità); che economicamente, rispetto all'impianto, le condotte possono costituire la cosa principale e che, infine, il diritto di condotta (definito come accessorio) può essere inscritto come tale a registro fondiario e non solo menzionato come qualsiasi accessorio (art. 946 cpv. 2 CC). Solo tale inscrizione rende le condotte suscettibili di essere costituite come diritti di superficie (Baurecht) giusta l'art. 675 CC, di cui il diritto dell'art. 676 CC non rappresenta, del resto, che un caso speciale (RU 48 I 450). D'altra parte, l'impianto non può, per sè, nemmeno essere considerato quale "fondo" ai sensi dell'art. 655 CC.
Come ha mostrato LIVER, Die Anmerkung, ZBGR 1969 p. 21 (nello stesso senso già TOBLER, Die dinglichen Rechte des ZGB, dargestellt am Beispiel der Leitungen, tesi Berna 1953, p. 149), se il diritto di condotta rappresentasse una servitù prediale, esso starebbe nei confronti del fondo dominante nel medesimo rapporto in cui stanno una cosa e le sue parti costitutive (art. 642 CC), in ogni caso in un rapporto giuridico più stretto di quello che intercorre tra cosa principale e accessoria. Qualsiasi alienazione o aggravio del fondo dominante colpirebbe automaticamente la condotta, poiché sotto l'aspetto giuridico le servitù prediali seguono necessariamente la sorte del fondo
BGE 97 II 37 S. 41
dominante (LIVER, N. 37 all'art. 730 CC e Nachtrag p. 659; LEEMANN, N. 11 all'art. 730 CC). La disposizione che designa le condotte quale accessorio dell'impianto non avrebbe né senso né scopo. Essa ne ha, solo se il diritto di condotta dell'art. 676 CC è costituito come servitù personale, e se il proprietario della condotta può essere diverso (ciò che sarebbe escluso dalla applicazione stretta della nozione di accessorio) dal proprietario dell'impianto e del fondo. Ne consegue che anche l'argomento, di pura portata redazionale, dedotto dal testo dell'art. 676 cpv. 1 CC ("Le condotte ..., in quanto si trovino fuori dal fondo a cui servono ...") non può avere carattere decisivo.
A torto, quindi, la Corte cantonale afferma che la servitù dell'art. 676 cpv. 3 CC non potrebbe essere che una servitù prediale, poiché così esigerebbe il concetto di accessorietà su cui è fondata la disposizione di legge. Anzitutto, si tratta, come si è visto, di un'accessorietà sui generis; poi, la servitù prediale farebbe, in effetti, del diritto di condotta una parte costitutiva del fondo dominante e, infine, "l'impianto" menzionato all'art. 676 CC, di cui la condotta è accessorio, non costituisce necessariamente un fondo ai sensi dell'art. 655 CC, suscettibile di diventare fondo dominante e di ricevere servitù prediali attive.
Così stando le cose, il diritto reale di condotta delle convenute sussiste, in virtù della sua apparenza e riconoscibilità esteriore e della norma dell'art. 766 cpv. 3 CC, come servitù personale, senza obbligo di inscrizione (cfr. anche Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden, vol. 24-1954 p. 297, che cita espressamente anche l'art. 781 cpv. 3 CC; decisione pubblicata anche nella ZBGR 39 p. 303): l'attore è quindi tenuto a tollerarlo, poco importando, poiché la servitù aderisce al fondo serviente, che il suo predecessore in diritto abbia ricevuto il fondo stesso nella procedura di raggruppamento dei terreni.
Il contenuto e l'estensione della servitù personale sono chiaramente delimitati dal contratto di costituzione. Non si vede d'altra parte, contrariamente all'opinione della Corte cantonale, quali concrete ragioni di sicurezza giuridica esigerebbero la forma della servitù prediale, oppure, in caso di servitù personale, e nonostante l'apparenza della condotta, che assicura sufficiente pubblicità, l'inscrizione a registro fondiario. Come osservano le ricorrenti, la riconoscibilità della condotta sostituisce l'inscrizione sul fondo serviente (la sola che conti per la nascita
BGE 97 II 37 S. 42
della servitù; v. LIVER N. 55 all'art. 731 CC) e per il proprietario del fondo gravato è, da questo profilo, indifferente che il titolare della servitù siano una persona o un altro fondo. La costituzione come servitù prediale non assicurerebbe, d'altra parte, nessuna migliore pubblicità in punto alla persona del proprietario della condotta, il fondo dominante potendosi trovare a notevole distanza da quelli attraversati.
Sono i bisogni dell'economia elettrica che, segnatamente, hanno suggerito l'introduzione nella legge dell'art. 676 CC e la dispensa dall'obbligo di inscrizione (WIELAND N. 1 e LEEMANN N. 1 all'art. 676), ritenuto che la pubblicità appariva sufficientemente garantita dalla presenza della condotta e dalla sua riconoscibilità. Ciò vale, però, sia per la forma della servitù prediale che per quella della servitù personale. Quand'anche, al momento dell'adozione del CC, si fosse ritenuta inutile la possibilità di un'alienazione o di una dazione in pegno della condotta, senza il fondo da cui essa dipende, e sufficiente, pertanto, la costituzione come servitù prediale (WIELAND N. 5 all'art. 676 CC), attualmente una siffatta opinione non potrebbe più essere mantenuta. Non solo la legge non esclude la costituzione come servitù personale, ma anzi la designa come meglio appropriata alla natura giuridica della condotta, che non è accessorio dell'impianto, come lo intendono gli art. 644/645 CC.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è accolto, la sentenza impugnata è annullata e l'azione è respinta. | public_law | nan | it | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
62cf8d72-c146-4b55-939c-64b5c96d316f | Urteilskopf
87 I 342
56. Auszug aus dem Urteil vom 4. Oktober 1961 i.S. Erben X. gegen Solothurn, Kanton und Regierungsrat. | Regeste
Kantonale Handänderungssteuer; Willkür, rechtsungleiche Behandlung.
Liegenschaften im Gesamteigentum. Berechnung der Handänderungssteuer bei Änderungen im Bestande der Gesamthänder (hier: Austritt aus einer Kollektivgesellschaft). Die unwiderlegliche Vermutung, alle Gesamthänder seien zu gleichen Teilen eigentumsberechtigt, ist unhaltbar, wenn die Steuer nach dem Gesetz "vom wahren Wert" des veräusserten Grundstücks zu bezahlen ist. | Sachverhalt
ab Seite 342
BGE 87 I 342 S. 342
Aus dem Tatbestand:
A.-
Das solothurn. Gesetz betreffend den Bezug von Handänderungsgebühren beim Eigentumsübergang an Liegenschaften vom 23. Februar 1919 (HGG) bestimmt in § 1 Abs. 1:
"Wenn Grundstücke auf einen neuen Eigentumer übergehen, so ist vom wahren Wert des veräusserten Grundstücks eine Handänderungsgebühr zu bezahlen. .."
Der Eigentumsübergang infolge Erbgangs ist - im Hinblick auf die gemäss Gesetz vom 13. Dezember 1848
BGE 87 I 342 S. 343
erhobene Erbschaftssteuer - von der Handänderungsabgabe befreit (§ 2 lit. a).
Am 27. Dezember 1926 erliess der Regierungsrat eine Weisung, die sich eingehend mit den Handänderungsgebühren bei Gesamthandsverhältnissen befasst (Gesetzessammlung Bd. 70 S. 351). Darin wird u.a. bestimmt, dass der Mitgliederwechsel in einer Gesamthand inbezug auf die Gesamthandsliegenschaften einen gebührenpflichtigen Eigentumswechsel zur Folge habe (Ziff. III) und ein Gesamthänder, der bei der Auflösung der Gesamthand eine Liegenschaft derselben zu Alleineigentum übernehme, insoweit gebührenpflichtig sei, als er Anteile von Mitgenossen erwerbe (Ziff. IV). Ferner bestimmt Ziff. II:
"Beim Gesamteigentum ist die Handänderungsgebühr nach Kopfteilen zu berechnen, d.h. Gesamteigentümer gelten zu gleichen Teilen eigentumsberechtigt, auch wenn das dem Gesamteigentum zugrunde liegende innere Gesamthandverhältnis eine andere Anteilsberechtigung am Gemeinschaftsgut vorsieht."
B.-
Im Jahre 1920 schlossen sich die Geschwister A., B. und C. X. zur Kollektivgesellschaft X. & Cie zusammen. Diese Gesellschaft, welche Erwerb, Verwaltung und Verkauf von Liegenschaften bezweckte und an der die drei Teilhaber zu je einem Drittel beteiligt waren, übernahm die Liegenschaften, welche die Geschwister X. von ihrem kurz vorher verstorbenen Vater geerbt hatten.
Am 18. April 1959 starb B. X. Einzige Erben waren seine beiden Geschwister. Das am 3. Dezember 1959 abgeschlossene Inventar mit Teilung ergab ein reines Nachlassvermögen von Fr. 1'236,317.90, darunter als Aktivum den auf Fr. 626'003.-- geschätzten Anteil an der Kollektivgesellschaft X. & Cie. Durch den Teilungsvertrag trat C. X. seinen Erbteil an seinen Bruder A. X. ab, womit dieser am Vermögen der Kollektivgesellschaft zu 2/3 anteilsberechtigt wurde. Bei diesem Erbgang erhob der Kanton Solothurn eine Erbschaftssteuer von 6% des genannten Reinvermögens = Fr. 74'179.20.
Durch Vertrag vom 23. Dezember 1959 trat C. X. auch seinen 1/3-Anteil an der Kollektivgesellsc haft an seinen
BGE 87 I 342 S. 344
Bruder A. X. ab, wodurch das ganze Gesellschaftsvermögen auf diesen überging und die Gesellschaft aufgelöst wurde. Die Amtsschreiberei schätzte den Verkehrswert der Liegenschaften der Kollektivgesellschaft auf Fr. 2'007,950.--, nahm gemäss der regierungsrätlichen Weisung von 1926 an, dass die Handänderungsgebühr von 2,2% auf der Hälfte dieses Betrages zu erheben sei, und auferlegte demgemäss A. X. eine Gebühr von Fr. 22'087.45.
Hiegegen rekurrierte A. X. an den Regierungsrat. Dieser wies den Rekurs mit Entscheid vom 10. Februar 1961 ab, indem er ausführte: Vor der am 23. Dezember 1959 erfolgten Abtretung des Anteils an der Gesellschaft habe diese nur noch aus zwei Teilhabern bestanden. Nach der Weisung von 1926 und der seitherigen Praxis sei die Handänderungsgebühr im Falle des Übergangs von Gesamthandsanteilen nicht nach Massgabe der Kapitalbeteiligung (hier: 2: 1), sondern nach Kopfteilen (hier: 1: 1) zu berechnen. Diese Regelung beruhe auf der Erwägung, dass sich das interne Anteilsverhältnis nicht ohne grosse Schwierigkeiten feststellen lasse und die Annahme der Gleichberechtigung der Gesamteigentümer für die Abgabeerhebung dem Wesen des Gesamteigentums und der Verkehrssteuer am besten entspreche. Würde man auf die effektiven Beteiligungen oder auf Parteiabreden abstellen, so würde man unlauteren Machenschaften Tür und Tor öffnen, da die Beteiligten die Quotenverhältnisse jederzeit durch Vereinbarung so gestalten könnten, dass die Handänderungsgebühr vermindert würde.
C.-
Gegen diesen Rekursentscheid haben die Erben des inzwischen verstorbenen A. X. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
erhoben.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
Beim Gesamteigentum steht dem einzelnen Gesamteigentümer kein ideeller Bruchteil an den einzelnen
BGE 87 I 342 S. 345
gemeinschaftlichen Sachen zu, sondern es "geht das Recht eines jeden auf die ganze Sache" (
Art. 652 ZGB
); soweit von einem Anteil des Gesamthänders gesprochen werden kann, ist damit die Gesamtheit der vermögensrechtlichen Ansprüche des Gesamthänders am Gemeinschaftsvermögen gemeint (HAAB N. 21 zu Art. 652/54 ZGB, MEIER-HAYOZ N. 1 b zu Art. 652 und N. 9 zu
Art. 653 ZGB
). Die Annahme von Bruchteilen an einzelnen Sachen auch beim Gesamteigentum ist jedoch nicht zu umgehen, wenn man die Änderungen im Bestand der Gesamthänder (wie Ein- und Austritt in die Gemeinschaft sowie die Abtretung von Anteilen) abgaberechtlich als Handänderungen behandelt (vgl. WIELAND N. 2, LEEMANN N. 6 und MEIER-HAYOZ N. 63-68 zu
Art. 652 ZGB
;
BGE 51 I 433
ff.). Auch der Regierungsrat ist denn auch in ständiger Praxis bei der Berechnung der Handänderungsgebühr in derartigen Fällen von Anteilen an der Sache ausgegangen und hat eine gebührenpflichtige Handänderung nur insoweit angenommen, als solche Anteile übergehen. Dabei hat er jedoch die Gesamteigentümer stets als zu gleichen Teilen eigentumsberechtigt behandelt. Die Beschwerdeführer sind demgegenüber der Auffassung, dass auf die tatsächliche Anteilsberechtigung nach dem innern Gesamthandsverhältnis (Erbquoten bei der Erbengemeinschaft, Quoten nach Gesellschaftsvertrag bei der Kollektivgesellschaft usw.) abzustellen sei und die Betrachtungsweise des Regierungsrates vor
Art. 4 BV
nicht standhalte; da vorliegend A. X. an der Kollektivgesellschaft bereits zu 2/3 anteilsberechtigt gewesen sei, als er am 23. Dezember 1959 den 1/3-Anteil des C. X. erworben habe, gehe es nicht an, dabei die Handänderungsgebühr auf der Hälfte des Verkehrswertes der Liegenschaften der Gesellschaft zu erheben.
Diese Besteuerung ist in der Tat unhaltbar. Nach § 1 HGG ist die Handänderungsgebühr "vom wahren Werte" des veräusserten Grundstücks zu bezahlen. Dem widerspricht es offensichtlich, wenn bei der Abtretung eines Anteils am Vermögen einer Kollektivgesellschaft die
BGE 87 I 342 S. 346
Gebühr nicht auf Grund der wirklichen Beteiligungsquote des Gesellschafters, sondern auf einem Kopfteil berechnet wird. Diese Berechnungsweise stellt überdies eine rechtsungleiche Behandlung dar. Wenn der Fiskus beim Gesamteigentum abweichend vom Zivilrecht Anteile an den einzelnen gemeinschaftlichen Sachen annimmt, das Gesamteigentum also wie Miteigentum behandelt, darf er nicht von fiktiven Kopfquoten ausgehen, sondern muss jedenfalls grundsätzlich auf die wirklichen Anteile am Gemeinschaftsvermögen abstellen, ansonst die Gesamteigentümer schlechter behandelt werden als die Miteigentümer, bei denen die Abgabe auf dem wahren Wert ihres Anteils berechnet wird.
Was der Regierungsrat für seinen Standpunkt und gegen denjenigen der Beschwerdeführer vorbringt, hält einer näheren Überprüfung nicht stand und vermag die Schlechterbehandlung der Gesamteigentümer im Verhältnis zu andern Abgabepflichtigen nicht zu rechtfertigen. Die Berechnung der Handänderungsgebühr nach Kopfteilen ist zweifellos einfacher als auf Grund der wirklichen Anteilsberechtigung. Indessen müssen, wie die Beschwerdeführer ausführen und der Regierungsrat nicht bestreitet, auch die Steuerbehörden, welche die Einschätzung zur Einkommens- und Vermögenssteuer vornehmen, dabei jedes Jahr die Anteilsberechtigungen bei Erbengemeinschaften sowie Kollektiv- und Kommanditgesellschaften feststellen, sodass nicht einzusehen ist, weshalb diese Feststellung nicht auch bei der Berechnung der Handänderungssteuer möglich sein sollte. Die Berechnung derselben nach Kopfteilen mag dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn die Feststellung der wirklichen Anteilsberechtigung wegen des Verhaltens der Steuerpflichtigen oder aus andern Gründen unmöglich oder sehr schwierig ist. Davon ist jedoch im vorliegenden Falle nicht die Rede, da die drei Geschwister X. an der Kollektivgesellschaft während Jahrzehnten zu gleichen Teilen, also zu je 1/3 beteiligt waren, A. X. durch den Erwerb des Anteils des
BGE 87 I 342 S. 347
verstorbenen B. X. zu 2/3 anteilsberechtigt wurde und hierauf den 1/3-Anteil des C. X. vertraglich erworben hat. Angesichts dieser klaren und eindeutigen Verhältnisse verfängt auch der Einwand nicht, dass das Abstellen auf die wirklichen Beteiligungen zu Missbräuchen und Steuerumgehungen führen könnte. Solche Missbräuche mögen vorkommen und bei der Berechnung nach Kopfteilen ausgeschlossen sein. Das vermag jedoch ein Abweichen von der gesetzlichen Berechnungsart nicht zu rechtfertigen in einem Falle, wo, wie hier, von irgendwelchen Machenschaften der Beteiligten offensichtlich nicht die Rede sein kann. Richtig mag auch sein, dass die Berechnung der Handänderungsgebühr nach Kopfteilen für den Fiskus nicht nur vorteilhaft, sondern unter Umständen auch nachteilig ist. Damit kann sich der Fiskus abfinden, weil die Vor- und Nachteile, auf lange Sicht betrachtet, sich ungefähr die Waage halten dürften. Beim einzelnen Steuerpflichtigen findet jedoch kein solcher Ausgleich statt, weshalb er sich die gesetzwidrige und rechtsungleiche Besteuerung nicht gefallen zu lassen braucht. Dass die Berechnung nach Kopfteilen zu stossenden Ergebnissen führen kann, zeigt gerade der vorliegende Fall, wo bei fast gleichzeitigem Übergang je eines 1/3-Anteils zunächst durch Erbgang und Teilung und dann durch Abtretungsvertrag zuerst die Erbschaftssteuer auf einem 1/3-Anteil und dann die Handänderungsgebühr auf einem 1/2-Anteil erhoben worden ist. Unbegründet ist auch der Einwand des Regierungsrates, das Abstellen auf die Kapitalbeteiligung bei der Kollektivgesellschaft werde der Stellung des Gesellschafters nicht gerecht, weil dabei ausser acht gelassen werde, dass jeder Gesellschafter mit seinem Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft hafte (
Art. 568 OR
). Es ist nicht einzusehen, welcher Zusammenhang zwischen den Haftungsverhältnissen und dem Umfang der Beteiligung der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen Aktiven besteht und inwiefern die Haftungsverhältnisse für die Berechnung der
BGE 87 I 342 S. 348
Handänderungsgebühr beim Wechsel im Bestand der Gesellschafter von Bedeutung sein sollen. Schliesslich ist auch der Hinweis des Regierungsrates auf die bei REINHARDT Die solothurn. Liegenschaften-Handänderungssteuer N. 26 erwähnte Ordnung in andern Kantonen unbehelflich. Das basel-städt. HGG vom 11. Dezember 1882 schreibt für Änderungen im Bestand einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft die Berechnung der Handänderungssteuer nach Kopfteilen ausdrücklich vor (§ 9), während das soloth. HGG keine derartige Bestimmung enthält, sondern vielmehr die Berechnung nach dem "wahren Werte" anordnet. Das neue st. gall. StG vom 17. April 1944 aber stellt die Vermutung der gleichen Anteilsberechtigung aller Gesamthänder nur für den Fall auf, dass nichts anderes nachgewiesen ist (Art. 137). Im Kanton Zürich endlich hat das Obergericht seine frühere Praxis in einem eingehend begründeten Entscheid geändert und festgestellt, dass für die Änderungen im Gesellschafterbestand einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft überhaupt keine Handänderungsgebühr geschuldet sei (ZBGR 1955 S. 140/60), während für die Handänderungssteuer sich auf Grund des StG vom 8. Juli 1951 noch keine Praxis gebildet zu haben scheint.
Der angefochtene Entscheid hält nach dem Gesagten vor
Art. 4 BV
nicht stand und ist daher aufzuheben. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
62db9abb-7dfa-4686-be0e-1313358381ad | Urteilskopf
91 II 86
13. Arrêt de la IIe Cour civile du 8 avril 1965 dans la cause Schmid contre dame Nussbaumer. | Regeste
Ehescheidung. Güterrechtliche Auseinandersetzung.
Art. 154 ZGB
.
1. Rücknahme des Eigengutes bei Gütergemeinschaft. (Erw. 1).
2. Eingebrachtes Gut des Ehemannes; Begriff (Erw. 2).
3. Gegenstand eines unentgeltlichen Erwerbes infolge von Erbgang. Wie verhält es sich mit einem Grundstück, das einem der Erben bei der Teilung ganz zugewiesen wurde gegen Übernahme der grundpfändlich gesicherten Schulden und Zahlung eines Ausgleichsbetrages an seinen Miterben? (Erw. 3 bis 5). | Sachverhalt
ab Seite 87
BGE 91 II 86 S. 87
A.-
Kaspar Schmid et Lotte Nussbaumer se sont mariés le 4 octobre 1945 à Lucerne. Aucun enfant n'est issu de leur union.
Les jeunes époux continuèrent d'exploiter avec la mère et la soeur du mari le restaurant "Bethléem", à Lucerne, comme ils le faisaient depuis un an déjà. Dame Schmid-Peter mère, propriétaire de l'immeuble, décéda le 14 janvier 1946. Elle laissait comme héritiers son fils et sa fille Marie Küng-Schmid. Par contrat du 21 décembre 1946, intitulé "Auskaufsvertrag", Kaspar Schmid acquit la part de succession de sa soeur, moyennant paiement de 31 000 fr. Il lui céda en outre gratuitement un mobilier estimé à 1247 fr. Il devint ainsi seul propriétaire de tous les biens compris dans la succession, hormis le mobilier. Il se chargea de toutes les dettes successorales.
Le 11 novembre 1950, les époux, qui vivaient sous le régime ordinaire de l'union des biens, passèrent un contrat de mariage instituant entre eux le régime de la communauté des biens prévu aux art. 215 ss. CC. L'acte comprenait en outre un pacte successoral. Il disposait, à son art. 4: "En cas de dissolution de l'avoir matrimonial d'une autre façon que par la mort, les biens apportés en mariage écherront à chacun des époux, alors que le bénéfice éventuel sera partagé par moitié entre eux". La convention fut approuvée par l'autorité tutélaire, conformément à l'art. 181 al. 2 CC.
En 1953, le restaurant de Lucerne fut fermé sur ordre de l'autorité compétente. Le mari conserva néanmoins l'immeuble. Les époux s'établirent en 1955 à Territet, où ils exploitèrent un tea-room.
B.-
En 1961, Kaspar Schmid introduisit une.action en divorce devant le Tribunal du district de Vevey.
Dame Schmid-Nussbaumer conclut au rejet de l'action et forma une demande reconventionnelle en divorce.
En cours d'instance, le tribunal confla au notaire André Bornand, à Montreux, une expertise comptable sur la liquidation du régime matrimonial. L'expert déposa un premier rapport
BGE 91 II 86 S. 88
le 29 août 1962 et un rapport complémentaire le 8 février 1963. Il établit notamment que l'immeuble du mari avait augmenté de valeur en cours de mariage. Sur le vu des conclusions de l'expert, les parties signèrent le 8 juillet 1963 une convention reconnaissant à l'épouse, à titre de restitution d'apports et de participation au bénéfice de l'union conjugale, la propriété des biens mobiliers en sa possession, les droits attachés à une police d'assurance sur la vie et une créance de 20 000 fr., respectivement 85 000 fr., si l'immeuble de Lucerne était considéré comme un apport du mari dans son entier ou pour une demie seulement. L'époux conservait la propriété des autres actifs et reprenait les dettes de l'union conjugale.
Statuant le 18 juin 1964, le Tribunal du district de Vevey prononça le divorce en application de l'art. 137 CC. Il interdit aux deux parties, coupables d'adultère, de se remarier dans le délai d'un an. Il ratifia la convention du 8 juillet 1963 et fixa la créance de l'épouse à 85 000 fr. Il considéra qu'après cession en lieu de partage, le mari était devenu seul propriétaire de l'immeuble de sa mère, moyennant paiement à sa soeur d'une soulte de 31 000 fr. La part de succession qui lui était échue à titre gratuit constituait un apport au sens de l'art. 195 CC, applicable par analogie. Quant à la part que sa soeur lui avait cédée contre paiement d'une soulte, elle ne représentait pas une succession, mais un patrimoine acquis à titre onéreux. Elle apparaissait dès lors comme un acquêt du mari, compris dans la masse des biens matrimoniaux à partager.
C.-
Par arrêt du 30 novembre 1964, la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois rejeta le recours de Kaspar Schmid, qui demandait la réduction à 20 000 fr. de la créance reconnue à son épouse. Sa décision est motivée en substance comme il suit:
La part du recourant sur l'immeuble dépendant de la succession de sa mère n'était que d'une demie. Postérieurement à la dévolution de la succession, il a acquis l'autre moitié moyennant reprise de la totalité des hypothèques grevant l'immeuble et paiement de 31 000 fr. à l'unique cohéritière. Il est sans importance que cette somme ait représenté une soulte successorale ou le prix d'une vente, et que le transfert de propriété ait eu lieu par accroissement de la part successorale du recourant à la suite d'une cession en lieu de partage ou par acquisition distincte d'une part indivise: en effet, s'agissant de calculer le
BGE 91 II 86 S. 89
bénéfice de l'union conjugale - ce qui est une opération comptable - le mode d'acquisition du droit de propriété n'est pas déterminant. Comme le recourant a repris la totalité des hypothèques grevant l'immeuble et payé ou remboursé la somme de 31 000 fr. au moyen des deniers conjugaux, il faut considérer que l'immeuble a été acquis pour moitié à titre onéreux en commun par les époux. Partant, dans le calcul du bénéfice de l'union conjugale, la part de l'immeuble que le recourant a acquis de sa soeur doit être comptée comme un bien commun et non comme un apport du mari. Il n'y a pas d'inconvénients pratiques à considérer un immeuble en partie comme un apport et en partie comme un bien commun: le rapport entre la part échue à titre gratuit et celle acquise à titre onéreux étant connu, il est aisé de répartir la plus-value intervenue en cours de mariage entre apports et biens communs.
D.-
Contre cet arrêt, Kaspar Schmid recourt en réforme au Tribunal fédéral. Il persiste à demander que la créance de l'épouse dans la liquidation du régime matrimonial soit arrêtée à 20 000 fr. Il soutient, en bref, que l'immeuble litigieux constituait son lot dans la succession de sa mère et représente dès lors un apport du mari dans sa totalité. A son avis, l'actif successoral net s'élevait à 64 400 fr., conformément au rapport complémentaire de l'expert. Sa soeur aurait reçu les meubles estimés à 1200 fr. et la soulte de 31 000 fr., au total 32 200 fr. Il aurait reçu lui-même l'immeuble, grevé des dettes successorales et de la soulte, reprenant ainsi un actif net estimé à 32 200 fr. La soulte ayant été payée au moyen d'emprunts garantis par l'immeuble et amortis à concurrence de 30 000 fr. pendant le mariage, le recourant admet avec l'expert qu'il doit une récompense de ce montant à la masse commune.
Dame Schmid-Nussbaumer, intimée, conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
En cas de divorce, chaque époux reprend son patrimoine personnel, c'est-à-dire ses biens propres (Eigengut), quel qu'ait été le régime matrimonial (art. 154 al. 1 CC). Dans le régime de la communauté des biens, que les parties ont adopté par contrat de mariage, chacun des conjoints reprend ses apports, qui étaient fondus dans la masse des biens communs et dont l'existence juridique n'était que latente (cf. LEMP,
BGE 91 II 86 S. 90
n. 25 ad art. 215 CC). Le contrat de mariage passé en l'espèce confirme la réglementation légale, à laquelle il ne pourrait du reste déroger sur ce point. Quant au bénéfice de l'union conjugale, il est réparti entre les époux conformément aux règles de leur régime (art. 164 al. 2 CC).
2.
La loi définit seulement les apports de la femme dans le régime de l'union des biens (art. 195 CC). Mais la jurisprudence admet que la définition légale vaut aussi pour les apports du mari (RO 50 II 433, 75 II 276). Aux termes de l'art. 195 CC, les apports d'un conjoint sont les biens matrimoniaux qui lui appartenaient "lors de la conclusion du mariage ou qui lui échoient pendant le mariage par succession ou à quelque autre titre gratuit". Comme le précise la doctrine, il faut lire "au début du régime matrimonial" à la place de "lors de la conclusion du mariage" et "pendant le régime" au lieu de "pendant le mariage" (LEMP, n. 15 et 23 ad art. 195 CC; KNAPP, Le régime matrimonial de l'union des biens, no 5 p. 3 et no 26 p. 8; DESCHENAUX, Revision du régime matrimonial, RDS 1957 p. 509 a; FJS, 1237, Union des biens I, ch. III/2 litt. a p. 2 et litt. b p. 3). La précision que nécessite le texte légal n'exerce toutefois aucune influence en l'espèce. Acquis en 1946 par le mari sous le régime de l'union des biens, l'immeuble a été apporté par lui en 1950 dans la communauté, pour autant qu'il constituait déjà un apport dans le régime précédent. Dans la mesure où il était alors un acquêt, il a continué de figurer parmi les biens matrimoniaux à considérer dans le calcul du bénéfice de l'union conjugale.
Pour qu'un bien échu au mari ou à la femme pendant le régime soit un apport, il faut qu'il ait été acquis à titre gratuit, que ce soit par succession ou d'une autre manière; la succession acquise à titre onéreux - par pacte successoral - ne constituerait pas un apport (KNAPP, op.cit., nos 34 ss. p. 9 ss.; LEMP, no 22 ss. ad art. 195 CC; EGGER, no 3 ad art. 195 CC; GMÜR, no 20 ad art. 195 CC; DESCHENAUx, RDS 1957 p. 509 a, texte et n. 219; FJS 1237, ch. III/2, litt. b et IV/1, p. 3).
3.
Lorsque l'acquisition à titre gratuit se fait par succession, elle a juridiquement pour objet la part successorale indivise de l'héritier (cf. art. 560, 602 et 604 CC) ou la créance du légataire en délivrance du legs (art. 562 CC). L'apport qu'elle représente pour l'époux appelé à succéder se forme déjà à l'ouverture de
BGE 91 II 86 S. 91
la succession, non lors du partage ou de la délivrance du legs (LEMP, n. 8 et 26 ad art. 195 CC). Pratiquement, l'apport consistera dans le droit à une part de liquidation de la communauté héréditaire.
Les biens attribués dans le partage à l'époux héritier prennent la place de la part successorale acquise de plein droit à l'ouverture de la succession. S'ils ont la même valeur que cette part, ils constituent un apport dans leur totalité (abstraction faite des biens réservés visés par l'art. 190 CC, qui ne nous intéressent pas ici). S'ils valent moins que la part héréditaire de l'acquéreur et que celui-ci reçoive une soulte pour compenser la différence, tant les biens que la soulte sont acquis à titre gratuit et constituent un apport. En revanche, si la valeur des biens est supérieure à la part successorale, et que l'intéressé doive payer une soulte à ses cohéritiers pour compenser la différence, l'acquisition n'est gratuite que pour la valeur correspondant à la part héréditaire; elle se fait à titre onéreux pour le surplus. Suivant que les deniers servant à payer la soulte proviennent des apports de l'époux héritier, de ses biens réservés, des acquêts, des apports ou des biens réservés de l'autre époux, les biens acquis à titre onéreux lors du partage de la succession peuvent entrer dans les apports ou les biens réservés de l'époux héritier, pourvu que les conditions de la subrogation réelle soient réunies, ou dans les acquêts, sous réserve de récompenses éventuelles.
La distinction entre la part des biens acquise à titre gratuit et la part acquise à titre onéreux dans le partage de la succession est possible même si l'époux héritier ne reçoit pas des choses divisibles en nature. La jurisprudence admet en effet qu'une chose déterminée, par exemple un immeuble, constitue en partie un apport, dans la mesure où elle est acquise à titre gratuit, en partie un acquêt, dans la mesure où elle est acquise à titre onéreux (cf. RO 50 II 433 ss., concernant un immeuble agricole vendu par un père à son fils marié pour un prix de faveur, inférieur à sa valeur réelle, que le fils a revendu ensuite par parcelles en réalisant un bénéfice; RO 74 II 148, concernant un immeuble que la femme mariée aurait acquis, suivant les faits à élucider, par donation mixte; arrêt Waltisperger du 29 novembre 1951, non publié au RO mais paru dans la ZBGR 1954 p. 319 ss., traitant à la p. 324 d'un immeuble acheté par la femme mariée sous le régime de l'union des biens, qui serait compris nécessairement dans les apports ou les biens réservés
BGE 91 II 86 S. 92
de l'épouse propriétaire, mais dont l'augmentation de valeur entrerait néanmoins, pour une partie, dans le calcul du bénéfice de l'union conjugale). Rien n'empêche donc qu'un immeuble figurant dans les biens matrimoniaux soit soumis à deux régimes juridiques différents, chacun s'appliquant à une partie seulement de sa valeur.
4.
Le recourant s'efforce vainement de démontrer par des hypothèses théoriques qu'une pareille distinction aboutirait à des conséquences inadmissibles. Cependant, les exemples qu'il cite ne sont pas pertinents. En particulier, lorsqu'une succession à partager également entre cinq ou dix héritiers comprend essentiellement une entreprise ou une exploitation agricole attribuée en bloc à l'un d'eux, les autres recevront une soulte. L'héritier qui reprend le bien principal fait une acquisition à titre onéreux dans la mesure où il doit payer des soultes. S'il est marié, il ne reçoit un apport que pour la fraction de la valeur de l'entreprise ou de l'exploitation agricole correspondant à sa part successorale. Supposé qu'il paie les soultes au moyen de deniers provenant des acquêts ou des biens propres de son épouse, celle-ci participera, dans la liquidation du régime matrimonial, au bénéfice résultant de l'augmentation de valeur conjoncturelle du bien acquis grâce à son concours financier. Le résultat auquel conduit l'application du système légal n'est donc pas contraire à l'équité.
On ne saurait suivre le recourant dans les autres hypothèses qu'il envisage. Elles ne font que démontrer qu'à des situations de fait différentes correspondent des solutions juridiques différentes. Cette conséquence logique n'infirme pas les conclusions tirées plus haut des règles légales.
5.
La succession de dame Schmid-Peter comprenait un immeuble grevé de dettes hypothécaires et un mobilier. Elle présentait un actif net estimé à 64 400 fr., dont 1200 fr. pour le mobilier. Le recourant et sa soeur ont acquis cette succession par parts égales et à titre gratuit. Ils n'avaient en effet pas disposé pour cause de mort en faveur de leur mère ni promis à celle-ci, dans un pacte successoral, des prestations entre vifs. A l'ouverture de la succession, les deux cohéritiers sont devenus propriétaires communs de chacune des choses laissées par la défunte (art. 602 CC). Jusqu'au partage, le droit de chacun d'eux s'étendait à chaque chose entière (art. 652 CC).
Usant de la liberté que l'art. 607 al. 2 CC reconnaît aux hoirs
BGE 91 II 86 S. 93
quant au mode de partage, le recourant et sa soeur ont conclu le contrat ("Auskaufsvertrag") du 21 décembre 1946. D'après ses termes, la convention apparaît comme une cession de droits successifs (art. 635 al. 1 CC); la soeur aurait quitté la communauté héréditaire et reçu en contre-partie de la renonciation à ses droits le mobilier et une somme d'argent ("Auskaufssumme"); le frère serait devenu propriétaire exclusif de l'immeuble par accroissement et resté seul tenu des dettes. Toutefois, le juge n'est pas lié par les termes employés par les parties. Or le contrat du 21 décembre 1946, considéré selon son but et ses effets, équivaut pratiquement à un acte de partage (art. 634 CC): la soeur a reçu un lot composé du mobilier et une soulte, tandis que le frère obtenait un lot formé de la valeur nette de l'immeuble et payait la soulte; il reprenait toutes les dettes de la succession, à la décharge de sa cohéritière. La qualification du contrat peut cependant demeurer indécise. Le résultat économique, qui seul importe pour déterminer les apports du mari et le bénéfice de l'union conjugale, reste en effet le même dans les deux cas.
L'actif net de la succession s'élevant à 64 400 fr. et le mobilier étant estimé à 1200 fr., la valeur nette de l'immeuble au moment du partage était de 63 200 fr. Le recourant a acquis le bien-fonds à titre gratuit dans la mesure où la valeur nette correspondait à sa part successorale, c'est-à-dire pour 32 200 fr.; il l'a acquis à titre onéreux dans la mesure où la valeur nette dépassait sa part successorale, c'est-à-dire à concurrence de la soulte de 31 000 fr. payée à sa cohéritière.
Selon l'arrêt attaqué, la soulte a été payée au moyen des deniers conjugaux, non des biens propres du recourant. Cette constatation de l'autorité cantonale exclut une subrogation réelle en faveur du mari. Il en résulte que, dans la mesure où l'immeuble a été acquis à titre onéreux, il ne constitue pas un apport. La soulte de 31 000 fr. n'est que très légèrement inférieure à la valeur de la part successorale du recourant, 32 000 fr. On peut faire abstraction de cette différence minime et considérer, comme l'expert et, à sa suite, les parties dans leur convention du 8 juillet 1963, que l'immeuble - plus exactement, sa valeur nette - a été acquis pratiquement pour moitié à titre gratuit (constitution d'apport) et pour moitié à titre onéreux. Du reste, le calcul établi par l'expert n'est plus litigieux. La juridiction cantonale n'a donc pas violé le droit fédéral en fixant
BGE 91 II 86 S. 94
à 85 000 fr. la créance de l'épouse dans la liquidation du régime matrimonial.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme l'arrêt rendu le 30 novembre 1964 par la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois. | public_law | nan | fr | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
62ddaa0f-a0f1-4f92-bfbf-c4ffa02dd55d | Urteilskopf
114 IV 36
13. Urteil des Kassationshofes vom 10. Juni 1988 in Sachen X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 305 StGB
. Begünstigung.
Begünstigung durch Beherbergen einer polizeilich gesuchten Person für die Dauer einer Nacht. | Sachverhalt
ab Seite 37
BGE 114 IV 36 S. 37
A.-
X. machte zusammen mit seiner Ehefrau anlässlich eines Ferienaufenthalts in Paris im Frühjahr 1985 die Bekanntschaft mit S. und dessen Freundin R. Zu einem späteren Zeitpunkt im Verlaufe des Jahres 1985 übergab er S. auf dessen Bitten darlehensweise Fr. 1'000.-- als Startkapital für ein neues Geschäft, obschon er vermutete, dass er das Geld nicht zurückerhalten werde. Anfang Dezember 1986 meldete sich S. wieder bei X. Er teilte ihm mit, dass seine Freundin für längere Zeit nach Amerika verreist sei und er daher keine Bleibe mehr habe. X. nahm S. in sein Einfamilienhaus in Z. auf, das er zusammen mit seiner Ehefrau und seinen zwei Kindern bewohnte. Am 1. Februar 1987 setzte er S. vor die Tür, nachdem in seinem Haus eine tätliche Auseinandersetzung zwischen S. und dessen Freundin, die inzwischen aus Amerika zurückgekehrt war, stattgefunden hatte.
Am 4. Februar 1987 erstattete X. Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Diebstahls von Silbermünzen und 2'000 Franken Bargeld etc., wobei er in der Folge S. als möglichen Täter bezeichnete. Im Rahmen der Ermittlungen wurde bei der Durchsicht des schweizerischen Fahndungsregisters festgestellt, dass S. steckbrieflich gesucht wurde und zur Verhaftung ausgeschrieben war. Dies wurde X. noch am 4. Februar 1987 mitgeteilt. X. machte sich daraufhin sofort auf die Suche nach S. und fand diesen in Begleitung seiner Freundin am späten Abend des 4. Februar 1987 in einem Restaurant in Richterswil. S. wusste nicht, wo er die Nacht verbringen sollte, da seine Freundin ihn nicht in ihrer Wohnung übernachten lassen wollte. X. gewährte S. daher auf dessen Bitten hin für die Dauer einer Nacht in seinem Haus Unterkunft, nachdem er ihn erfolglos aufgefordert hatte, sich der Polizei zu stellen. Am nächsten Morgen verliess S. das Haus um 6.45 Uhr, noch bevor ein Mitglied der Familie X. aufgestanden war. S. konnte am 6. Februar 1987 aufgrund eines anonymen Hinweises in einem Restaurant in Wädenswil verhaftet werden.
B.-
Das Bezirksgericht Höfe verurteilte X. am 23. November 1987 wegen Begünstigung zu einer Gefängnisstrafe von 5 Tagen, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren. Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz bestätigte am 15. März 1988 im Berufungsverfahren den Schuldspruch und reduzierte die Strafe
BGE 114 IV 36 S. 38
auf 3 Tage Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren.
C.-
Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz vom 15. März 1988 sei aufzuheben und die Sache sei zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in
Art. 42-44 und 100bis StGB
vorgesehenen Massnahmen entzieht, wird gemäss
Art. 305 Abs. 1 StGB
wegen Begünstigung mit Gefängnis bestraft.
Gegenstand des angefochtenen Urteils ist einzig die Gewährung von Unterkunft für die Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1987.
a) Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass das Beherbergen einer polizeilich gesuchten Person den Tatbestand der Begünstigung erfüllen kann. Er macht geltend, dass die ihm zur Last gelegte Gewährung von Unterkunft für die Dauer von 6 bis 7 Nachtstunden jedenfalls unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles nicht als "Entziehen" im Sinne von
Art. 305 StGB
qualifiziert werden könne, da dadurch die polizeiliche Suche nicht "stark erschwert", die Flucht nicht "in entscheidender Weise unterstützt" und die gesuchte Person nicht "tatsächlich mindestens für eine gewisse Zeit" der Strafverfolgung oder dem Strafvollzug entzogen worden sei und somit die in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (
BGE 106 IV 192
mit Hinweisen) genannten Voraussetzungen für die Bejahung des objektiven Tatbestandes der Begünstigung entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht erfüllt seien. Er setzt sich auch mit dem Urteil des Kassationshofes vom 6. November 1987 in Sachen M. (auszugsweise publiziert in BJM 1988 S. 96 f.) auseinander, wonach die Gewährung von Unterkunft für die Dauer einer Nacht den objektiven Tatbestand der Begünstigung erfüllt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers darf die Frage, ob das Beherbergen einer flüchtigen Person den objektiven Tatbestand von
Art. 305 StGB
erfülle, nicht schematisch behandelt werden, sondern ist entscheidend, "ob durch die Handlung des Täters die Wahrscheinlichkeit bedeutend verringert worden ist, dass der Gesuchte von der zuständigen Behörde gefunden wird". Diese Frage ist nach Auffassung des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu
BGE 114 IV 36 S. 39
verneinen. Seines Erachtens ist angesichts der Tatsachen, dass S. sich bereits seit Monaten auf der Flucht befand, zweimal unbehelligt die Landesgrenze überschritt, sich seit längerer Zeit im Raum Ausserschwyz/linkes Zürichseeufer aufhielt, sowie unter Berücksichtigung der Umstände, dass die Polizei nachts lediglich einen Bereitschaftsdienst für Notfälle unterhält und wegen der Kälte naturgemäss nur wenige Personen unterwegs waren, durch die Gewährung von Unterkunft für 6 bis 7 Nachtstunden die Wahrscheinlichkeit, dass S. von der Polizei gefunden werde, nur unwesentlich reduziert worden.
b) Diese Ausführungen des Beschwerdeführers geben keinen Anlass zur Änderung der im Urteil des Kassationshofes vom 6. November 1987 in Sachen M. wiedergegebenen Rechtsprechung. Nach der in BJM 1988 S. 95 ff. nicht veröffentlichten Erwägung 5a dieses Entscheides ist es in vielen Fällen schwierig und oft unmöglich abzuschätzen, was geschehen wäre, wenn die Tathandlung unterblieben wäre. Zur Bejahung des objektiven Tatbestandes der Begünstigung reicht es aus, dass die Tathandlung geeignet ist, den Flüchtigen für eine gewisse Zeit der Strafverfolgung oder dem Strafvollzug zu entziehen. Es ist nicht erforderlich, dass diese Folge tatsächlich eintrat, sondern es genügt eine diesbezügliche Gefahr. Andernfalls wäre der Anwendungsbereich von
Art. 305 StGB
insoweit, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwider, allzu stark eingeschränkt. Das Beherbergen einer flüchtigen Person für die Dauer einer Nacht ist seiner Natur nach geeignet, den behördlichen Zugriff auf die gesuchte Person zu erschweren bzw. zeitlich zu verzögern. Indem der Beschwerdeführer S. für die Dauer von 6 bis 7 Nachtstunden in seinem Einfamilienhaus in Z. Unterkunft gewährte, erfüllte er nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz den objektiven Tatbestand von
Art. 305 StGB
. Ob er entsprechend den Erwägungen des Kantonsgerichts, die in der Nichtigkeitsbeschwerde kritisiert werden, durch die inkriminierte Handlung S.' "Entschluss, sich der Polizei nicht zu stellen, wesentlich erleichtert hat, indem er ihm die Gelegenheit bot, sich auf die neue Situation einzustellen und seine Flucht neu zu organisieren", kann dahingestellt bleiben, da es darauf nicht ankommt.
2.
a) Der Beschwerdeführer wusste unbestrittenermassen, dass S. polizeilich gesucht wurde. Ihm war sodann, wie jedermann, bekannt, dass das Beherbergen einer flüchtigen Person in einer Privatwohnung für die Dauer einer Nacht seiner Natur nach geeignet ist, den behördlichen Zugriff auf die gesuchte Person zu erschweren
BGE 114 IV 36 S. 40
bzw. zeitlich zu verzögern. Damit ist der Vorsatz gegeben. Da der tatsächliche Eintritt jenes Erfolges nach dem Gesagten zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes von
Art. 305 StGB
nicht erforderlich ist, müssen sich das Wissen und der Wille des Täters nicht auf einen solchen Erfolg beziehen. Die Anwendung von
Art. 305 StGB
setzt sodann nicht voraus, dass der Täter in der Absicht oder aus dem Beweggrund handelte, den behördlichen Zugriff auf die gesuchte Person zu erschweren bzw. zeitlich zu verzögern. Es ist daher für die Frage der Tatbestandsmässigkeit der inkriminierten Handlung unerheblich, dass der Beschwerdeführer keine solchen Absichten bzw. Motive hatte, sondern S. nur ungern zu sich nahm, nachdem er ihn erfolglos aufgefordert hatte, sich der Polizei zu stellen. Der Beschwerdeführer gewährte S. trotz des Scheiterns seiner diesbezüglichen Bemühungen Unterkunft, und er macht mit Recht selber nicht geltend, dass sich dies zwecks weiterer Einflussnahme oder zwecks Gewährung einer Gelegenheit zur Besinnung aufgedrängt habe.
b) Der Beschwerdeführer behauptet, er habe S. aus Angst vor dessen möglichen gewalttätigen Reaktionen für den Fall, dass er ihn in der nächtlichen Kälte stehen liesse, zu sich genommen. Diese Behauptung steht im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und ist daher im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig (
Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277bis BStP
). Sie berührt im übrigen als Tatmotiv die Frage des Vorsatzes nicht. Sie steht sodann im Widerspruch zur Darstellung des Beschwerdeführers, wonach S. als eigentlicher Kleinkrimineller mit Sicherheit Unterschlupf in einer Scheune oder sonst in einem privaten Unterstand gesucht hätte. S. hatte abgesehen davon nach dem von ihm verübten Diebstahl genügend Geld, um sich in einem geeigneten Ort vor der Kälte zu schützen. Dass der Beschwerdeführer in den kritischen Minuten, in denen er sich entscheiden musste, ob er S. für die Nacht Unterkunft gewähren solle, angeblich die Tragweite seiner Handlung nicht bedachte, berührt die Frage des Vorsatzes nicht. Dazu genügt es in einem Fall der vorliegenden Art, dass ihm die Tragweite seines Handelns an sich bewusst war. Der Beschwerdeführer legt schliesslich nicht dar, inwiefern die Vorinstanz seine Lage zu Unrecht nicht als Notstandssituation im Sinne von
Art. 34 StGB
bzw. als schwere Bedrängnis im Sinne von
Art. 64 StGB
qualifiziert habe.
Die Vorinstanz hat die Motive des Beschwerdeführers und den Bagatellcharakter seiner Tat im Rahmen von
Art. 63 StGB
gebührend
BGE 114 IV 36 S. 41
dadurch berücksichtigt, dass sie die Mindeststrafe von 3 Tagen Gefängnis (Art. 305 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 36 StGB
), bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren, ausfällte. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
62e05c00-911c-4e8b-b92e-f201a253c9e8 | Urteilskopf
109 II 333
70. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Oktober 1983 i.S. Raymund Caluori AG gegen Stiftung Dr. M. Blumenthal für den Neubau eines naturhistorischen Museums des Kantons Graubünden in Chur (Berufung) | Regeste
Anfechtung eines Werkvertrages wegen Irrtums.
Art. 373 Abs. 2 OR
ist eine Sonderregel, welche der allgemeinen Bestimmung des
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
vorgeht. | Sachverhalt
ab Seite 334
BGE 109 II 333 S. 334
Für den Neubau des naturhistorischen Museums in Chur wurden am 2. Juni 1978 unter anderem die Schlosserarbeiten zur freien Konkurrenz ausgeschrieben. Die Raymund Caluori AG gab am 22. Juni, dem letzten Tag der Eingabefrist, eine Offerte ein, die nachträglich auf den Betrag von Fr. 108'336.-- berichtigt wurde und für rund Fr. 23'000.-- Handläufe aus Holz auf den Metallgeländern umfasste. In der Folge schloss die den Neubau durchführende Stiftung Dr. Blumenthal mit der Firma Caluori auf Grund dieser Offerte den Werkvertrag ab. Die Unternehmerin übertrug die Schreinerarbeiten für die Handläufe der J. Ettinger AG. Nachdem diese im Anschluss an eine Baustellenbesichtigung vom 27. September 1978 sich ausserstande erklärt hatte, den Auftrag auszuführen, übertrug die Firma Caluori die Schreinerarbeiten am 20. Oktober 1978 der Lignoform Formsperrholz AG.
Mit Brief vom 14. Dezember 1978 teilte die Firma Caluori den Architekten der Stiftung mit, der Laufmeter-Preis der Handläufe komme doppelt so hoch zu stehen wie offeriert. In ihrer Schlussabrechnung vom 21. April 1979 setzte sie für die Handläufe Fr. 550.--/m ein statt der offerierten Fr. 135.-- bis Fr. 206.--/m. Damit ergab sich unter Einbezug der Schlosserarbeiten eine Gesamtforderung von Fr. 179'875.70, wovon die Stiftung jedoch nur Fr. 128'973.30 anerkannte und auch bezahlte.
Am 13. Juli 1979 erhob die Raymund Caluori AG gegen die Stiftung Klage auf Zahlung eines nachträglich auf Fr. 26'965.65 nebst 5% Zins seit 19. Mai 1979 reduzierten Betrages. Zugleich verkündete die Klägerin der Firma J. Ettinger AG den Streit. Mit Urteil vom 16. Februar 1982 hiess das Bezirksgericht Plessur die Klage für Fr. 26'900.65 gut. Auf Berufung der Beklagten gelangte jedoch das Kantonsgericht von Graubünden am 23. August 1982 zur Abweisung der Klage. Die Litisdenunziatin J. Ettinger AG hatte sich am Berufungsverfahren nicht beteiligt.
Das Bundesgericht weist die von der Klägerin gegen das Urteil des Kantonsgerichts erhobene Berufung ab.
BGE 109 II 333 S. 335
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die Klägerin hält mit der Berufung am Vorliegen von Grundlagenirrtum im Sinn von
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
fest. Sie begründet dies damit, dass im Arbeitsbeschrieb von "gerundeten" statt von "gewundenen" Handläufen die Rede gewesen sei, weshalb sie sich nicht eine Wendeltreppe vorgestellt und demgemäss zu tiefe Preise eingegeben habe. Dabei macht sie - wie das Kantonsgericht zutreffend festhält - eine blosse Teilunverbindlichkeit des Werkvertrags geltend, von der die Schlosserarbeiten nicht berührt werden.
Mit der Berufung wird nicht dargelegt, welches die Rechtsfolgen der behaupteten teilweisen Unverbindlichkeit des Vertrages wären und warum sich daraus die eingeklagte Forderung ergeben sollte. Während die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren von Schadenersatz sprach, nahm das Bezirksgericht an, die Beklagte habe durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie sich verpflichte, für die Mehrkosten aus der nachträglichen Vergebung des Auftrags an die Lignoform Sperrholz AG aufzukommen. Wie abzurechnen wäre, wenn eine Teilunverbindlichkeit infolge Irrtums gegeben wäre, kann jedoch offen bleiben, falls das Werkvertragsrecht seinerseits Vorschriften enthält, welche unter den gegebenen Umständen der allgemeineren Regel von
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
vorgehen.
b) Gemäss
Art. 373 Abs. 2 OR
kann der Richter nach seinem Ermessen eine Erhöhung des fest vereinbarten Preises oder die Auflösung des Vertrages bewilligen, falls ausserordentliche Umstände, die nicht vorausgesehen werden konnten oder nach den von beiden Parteien angenommenen Voraussetzungen ausgeschlossen waren, die Fertigstellung hindern oder übermässig erschweren. In den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen nicht nur nachträglich eintretende, sondern auch bereits bestehende ausserordentliche Umstände, wie etwa die ungünstige Beschaffenheit des Baugrundes (
BGE 104 II 316
; GAUCH, Der Unternehmer im Werkvertrag, 2. Aufl., Nr. 174). Es verhält sich nicht grundsätzlich anders, wenn der Unternehmer bei seiner Preisfestsetzung in anderer Hinsicht von Voraussetzungen ausgegangen ist, die sich nachträglich als falsch erweisen. Angesichts der Sonderbestimmung des Werkvertragsrechts braucht deshalb vorliegend nicht auf
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
zurückgegriffen zu werden. Dem entspricht auch die Ordnung im Fall von unverhältnismässiger Preisüberschreitung bei ungefährer Preisabrede, wo der Besteller
BGE 109 II 333 S. 336
vom Vertrag zurücktreten kann (
Art. 375 OR
); Rechtsprechung und Literatur sehen darin ebenfalls eine spezielle Ausgestaltung der Irrtumsanfechtung im Werkvertragsrecht (
BGE 98 II 303
E. c; VON TUHR/PETER, S. 315).
3.
Ist der Beurteilung in diesem Sinn
Art. 373 Abs. 2 OR
zugrundezulegen, so wird entscheidend, ob für die Klägerin voraussehbar war, dass nicht eine gewöhnliche, sondern eine Wendeltreppe auszuführen war. Diese Frage ist vom Standpunkt eines sachkundigen und sorgfältigen Unternehmers aus und nach einem eher strengen Massstabe zu beantworten (
BGE 104 II 317
). Dabei ist auf die tatsächlichen Feststellungen abzustellen, welche die Vorinstanz im Blick auf den Grundlagenirrtum getroffen hat.
a) Das Kantonsgericht nimmt gestützt auf bestimmte Zeugenaussagen an, dass sich der Begriff "halbkreisförmig gerundet" im Offertformular ausschliesslich auf das Querprofil der Handläufe beziehe, doch hält es fest, dass die Bezeichnungen "Betonwand halbkreisförmig" bzw. "halbkreisförmig" auf eine Wendeltreppe schliessen liessen. Das sei auch im Plan NM 87 zum Ausdruck gekommen, auf den die Offertunterlagen verwiesen hatten. Die Photos über den Baufortschritt zeigten sodann, dass schon ein Halbjahr vor der Ausschreibung der Schlosserarbeiten die Wendeltreppenkonstruktion am Bau deutlich sichtbar gewesen sei. Nachdem die Schlosserarbeiten Metallgeländer für die Wendeltreppe mitumfassten, hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass nur gewundene Handläufe dazu passten. Aufgrund der Submissionsbedingungen hätte die Klägerin sich über die Situation auf dem Baugelände orientieren und zudem die zur Verfügung stehenden Pläne konsultieren müssen; dann hätte sie den Arbeitsbeschrieb nicht falsch verstehen können, sondern erkennen müssen, dass eine Wendeltreppe vorgesehen war.
b) Die Klägerin anerkennt, dass sie sich ein Fehlverhalten ihrer Unterakkordantin J. Ettinger AG anrechnen lassen muss. Dieser Einsicht widersprechen freilich verschiedene Ausführungen der Berufung. Zu beurteilen ist nicht die Beziehung der Klägerin zur Firma Ettinger und damit auch nicht, ob diese von jener ausreichend informiert worden ist. Indem die Klägerin selbst den Auftrag einschliesslich Schreinerarbeiten übernahm, um diese weiterzuvergeben, hatte sie dafür einzustehen, dass den Obliegenheiten der Ausschreibung nachgelebt wurde, sei es durch sie selbst oder die Unterakkordantin. Es hilft ihr daher weder, dass ein Einschluss von Schreinerarbeiten in die Schlosserofferte ungewöhnlich, noch
BGE 109 II 333 S. 337
dass die spezifischen Probleme der Holzarbeiten für sie nicht erkennbar gewesen seien. Ebensowenig kann sie sich darauf hinausreden, dass der Arbeitsbeschrieb für ihre Schlosserarbeiten ausreichend gewesen sei und es Sache der Unterakkordantin gewesen wäre, weitere Erklärungen einzuziehen, die Pläne einzusehen oder eine Begehung durchzuführen.
c) Das Kantonsgericht stellt unwidersprochen und zutreffend fest, dass nach den Vertragsbestandteil gewordenen Artikeln 7 und 16 der SIA-Norm 118 (Ausgabe 1977) der Unternehmer sich nach den Plänen und der örtlichen Situation Klarheit über den Inhalt des Auftrags zu verschaffen hatte. Die Klägerin meint zu Unrecht, aufgrund der Rangfolge in Art. 7 Abs. 3 SIA-Norm 118 erübrige es sich, neben dem Offertformular auf weitere Unterlagen zurückzugreifen; diese Stufenfolge gilt nur für den Fall von Widersprüchen und macht keinesfalls eine gehörige Information entbehrlich. Die Klägerin bestreitet allerdings, dass aus den im Arbeitsbeschrieb zitierten Plänen die Ausführung als Wendeltreppe ersichtlich gewesen sei. Dagegen räumt sie ein, dass der Zustand des Rohbaus zur Zeit der massgebenden Ausschreibung längst die Konstruktion einer Wendeltreppe erkennen liess. Selbst wenn die übrigen Unterlagen unklar gewesen sein sollten, hätte daher die Besichtigung des Bauwerks jedes Missverständnis ausgeschlossen; eines Begehrens der Bauleitung bedurfte es dafür nicht.
Bei gehöriger Sorgfalt hätte somit die Klägerin ohne weiteres erkennen können, dass die von ihr offerierten Geländer mit Handläufen zum Teil eine Wendeltreppe betrafen.
Art. 373 Abs. 2 OR
erlaubt ihr daher die verlangte nachträgliche Preiserhöhung nicht. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
62e11692-0825-44a8-b67c-604f3d62c31b | Urteilskopf
91 IV 228
61. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Dezember 1965 i.S. Cramer gegen Cramer und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 220 StGB
. Vorenthalten eines Unmündigen.
1. Täter kann auch der Ehegatte sein, dem das Kind während des Scheidungsverfahrens nicht zugeteilt ist (Erw. 1).
2. Dieser Ehegatte ist dem schweizerischen Recht auch dann unterworfen, wenn er das Kind im Ausland zurückhält, der andere Ehegatte aber, dem es zugeteilt ist, in der Schweiz wohnt.
3. Unter Erfolg im Sinne von
Art. 7 StGB
ist der Schaden zu verstehen, um dessentwillen die Handlung unter Strafe gestellt ist. Ein solcher Schaden tritt nicht nur bei den Erfolgsdelikten im technischen Sinne, sondern auch bei den schlichten Tätigkeitsdelikten ein (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 228
BGE 91 IV 228 S. 228
A.-
Cramer lebt mit seiner Frau, die ihm 1957 einen Knaben geboren hat, in Scheidung. Im November 1962, als sie sich in Muri bei Bern aufhielt, verbrachte er das Kind nach Vaduz, wo er seit Ende Juli 1963 wohnt.
Durch Beschluss vom 26. November 1964 traf das Bezirksgericht Zürich, bei dem die Scheidungsklage angebracht wurde, verschiedene vorsorgliche Massnahmen im Sinne von
Art. 145 ZGB
. Es stellte fest, dass die Ehefrau zum Getrenntleben berechtigt
BGE 91 IV 228 S. 229
sei, sprach den Knaben für die Dauer des Scheidungsverfahrens der Mutter zu und wies Cramer an, ihn unverzüglich der in Zürich wohnhaften Ehefrau zu übergeben. Es ordnete ferner das Besuchsrecht und setzte die vom Ehemann zu leistenden Unterhaltsbeiträge fest.
Ein Rekurs Cramers gegen diesen Beschluss wurde vom Obergericht des Kantons Zürich am 9. Februar 1965 abgewiesen.
Da Cramer sich weigerte, das Kind in die Obhut der Mutter zurückzubringen, erstattete die Ehefrau gegen ihn Strafanzeige wegen Vorenthaltens eines Unmündigen im Sinne von
Art. 220 StGB
.
B.-
Das Bezirksgericht Zürich sprach Cramer frei. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin erklärte ihn das Obergericht des Kantons Zürich dagegen am 7. September 1965 im Sinne der Anzeige schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sieben Tagen.
C.-
Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
Er macht insbesondere geltend, der Eheschutzrichter dürfe die elterliche Gewalt weder ganz noch teilweise entziehen; als Inhaber dieser Gewalt könne er die Straftat des
Art. 220 StGB
aber nicht begehen. Freizusprechen sei er auch, weil ein besonderer Erfolg in der Schweiz nicht eingetreten,
Art. 7 StGB
folglich nicht anwendbar und die Tat zudem nach liechtensteinischem Recht nicht strafbar sei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Nach
Art. 220 StGB
wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer eine unmündige Person dem Inhaber der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt entzieht oder vorenthält.
Wie der Kassationshofin
BGE 91 IV 137
ausgeführt hat, kann sich nach dieser Bestimmung auch der Ehegatte vergehen, dem die Kinder bei der richterlich bewilligten Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes durch Zuteilung an den andern Ehegatten weggenommen wurden. Die Befugnis, über eine unmündige Person, insbesondere über ihren Aufenthaltsort, ihre Erziehung und Lebensgestaltung frei zu verfügen, steht auf Grund der richterlichen Anordnung allein dem Ehegatten zu, dem das Kind zugeteilt worden ist. Sie wird daher durch
Art. 220 StGB
gegenüber dem andern Ehegatten in gleicher Weise geschützt wie
BGE 91 IV 228 S. 230
gegenüber Dritten. Dass dieser andere Elternteil nach herrschender Lehre trotz Einschränkung in seiner Verfügungsberechtigung über die Kinder noch als Mitinhaber der elterlichen Gewalt angesehen wird, ändert in diesem Zusammenhang nichts; entscheidend bleibt, dass ihm im Rahmen der richterlichen Regelung das Recht entzogen ist, über den Aufenthalt, die Pflege und Erziehung der Kinder zu bestimmen.
An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Nach Einreichung einer Klage auf Scheidung oder Trennung ist jeder Ehegatte für die Dauer des Rechtsstreites zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes berechtigt (
Art. 170 Abs. 2 ZGB
). Das Bezirksgericht Zürich hatte deshalb, als die Klage bei ihm angebracht war, über die Versorgung des Kindes zu bestimmen. Es tat dies, indem es durch Beschluss vom 26. November 1964 den Knaben für die Dauer des Scheidungsverfahrens der Mutter zusprach und das Besuchsrecht des Ehemannes auf einen halben Tag im Monat festsetzte. Dadurch wurde aber die unmittelbare Verantwortung für das Kind, insbesondere das Recht und die Pflicht, es zu betreuen, zu erziehen und seinen Aufenthaltsort zu bestimmen, auf die Mutter allein übertragen, das Entscheidungsrecht des Beschwerdeführers folglich entsprechend eingeschränkt. Inwiefern diese Auffassung den zivilrechtlichen Bestimmungen widersprechen sollte, ist nicht zu ersehen. Der Eheschutzrichter kann nicht einem Elternteil die Kinder durch Zuweisung an den andern wegnehmen und ihn zugleich sämtliche Rechte aus der elterlichen Gewalt weiterhin ausüben lassen. Seine Anordnung wäre diesfalls sinn- und zwecklos. Nach der herrschenden Lehre ist ein Elternteil, dem die Kinder während des Scheidungsverfahrens nicht zugeteilt sind, in der Ausübung dieser Rechte denn auch wesentlich beschränkt (Komm. EGGER, N. 13 zu
Art. 145 ZGB
; LEMP, N. 15 zu
Art. 170 ZGB
; HEGNAUER, N. 30 f. zu Art. 274 und N. 165 zu
Art. 283 ZGB
). Dazu bedarf es keines förmlichen Entzuges der elterlichen Gewalt, wie der Beschwerdeführer anzunehmen scheint. Seiner Rechte und Pflichten enthoben war er nur insoweit, als diese mit der Kindeszuweisung notwendigerweise auf die Ehefrau übergingen. Im übrigen blieb seine elterliche Gewalt unberührt; er hatte nach wie vor die Pflichten zu erfüllen, von denen er nach dem Sinn und Wortlaut der richterlichen Anordnung nicht befreit war.
Das schliesst eine Bestrafung des Beschwerdeführers nach
Art. 220 StGB
jedoch nicht aus. Diese Bestimmung setzt keinen
BGE 91 IV 228 S. 231
Entzug der elterlichen Gewalt voraus; nach ihrem Sinn und Zweck muss es vielmehr genügen, dass der Täter die Ausübung von Rechten und Pflichten, die auf Grund der richterlichen Anordnung einem Elternteil allein zustehen, vereitelt. Das kann nicht nur ein Dritter, sondern auch der andere Elternteil tun, dem der Eheschutzrichter die Kinder für die Dauer des Scheidungsverfahrens abgesprochen hat. Vorenthalten im Sinne von
Art. 220 StGB
heisst nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes denn auch nichts anderes als Nichtherausgeben, obschon rechtlich herausgegeben werden müsste (Prot. 2 Exp. Kom. Bd. 3 S. 303, Votum Zürcher).
Dass nach der Rechtsprechung (
BGE 86 II 307
) jeder Ehegatte berechtigt ist, auch ohne Anrufung des Eheschutzrichters den gemeinsamen Haushalt aufzugeben, wenn die Voraussetzungen des
Art. 170 ZGB
erfüllt sind, hilft dem Beschwerdeführer nicht. Er ist nicht bestraft worden, weil er seiner Ehefrau das Kind im November 1962 gewaltsam weggenommen hat, sondern weil er den Knaben ungeachtet des Beschlusses des Bezirksgerichtes Zürich vom 26. November 1964 nicht in ihre Obhut zurückbringen wollte. Im November 1962 war nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers noch keine Massnahme im Sinne von
Art. 145 oder 169 ff. ZGB
angeordnet. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, wie es sich mit der Strafbarkeit von Eheleuten verhielte, die einander die Kinder entziehen oder vorenthalten, bevor sie den Eheschutzrichter anrufen.
2.
Bei der Straftat des
Art. 220 StGB
handelt es sich nach der Auffassung des Beschwerdeführers um ein schlichtes Tätigkeits- bzw. Unterlassungsdelikt, das sich im Verhalten des Täters erschöpfe und keine davon abhebbare Wirkung habe; von einer solchen Wirkung könnte nur die Rede sein, wenn der Tatbestand ergänzt würde, z.B. durch die Wendung "und dadurch ordnungsgemässe Pflege und Auferziehung erschwert oder verunmöglicht".
Der Beschwerdeführer übersieht, dass er die Ausübung von Rechten und Pflichten, die nach der rechtskräftigen Anordnung des Eheschutzrichters, also ordnungsgemäss, seiner Ehefrau allein zustanden, tatsächlich verunmöglicht hat. Es lässt sich deshalb nicht sagen, ein Erfolg sei in der Schweiz, am Wohnort der Ehefrau, nicht eingetreten und
Art. 7 StGB
könne folglich keine Anwendung finden. Dass das Gesetz den verpönten Erfolg nicht ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal anführt, ändert
BGE 91 IV 228 S. 232
nichts. Bei schlichten Tätigkeitsdelikten hatte der Gesetzgeber keinen Anlass, ihn als gesondertes Merkmal in den Tatbestand aufzunehmen, weil der Erfolg bei diesen Straftaten, im Unterschied zu den eigentlichen Erfolgsdelikten, immer und notwendig eintritt; ein vollendeter Versuch ist ausgeschlossen. Das gilt auch für das Vorenthalten im Sinne von
Art. 220 StGB
. Indem der Beschwerdeführer das Kind im Ausland zurückhielt, hinderte er zwangsläufig die in Zürich wohnhafte Ehefrau, ihre Rechte dem Kinde gegenüber wahrzunehmen. Er hat somit die Tat nicht nur im Ausland, sondern auch in der Schweiz verübt, sich folglich hier und nach schweizerischem Recht zu verantworten (Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 7 StGB
). Im gleichen Sinne hat der Kassationshof bereits im Falle eines Unterlassungsdeliktes gemäss
Art. 217 StGB
entschieden (
BGE 87 IV 153
ff.).
Dieses Urteil ist freilich von SCHULTZ in ZBJV 99 43 f. kritisiert worden, weil darin der Begriff "Erfolg" derart weit ausgelegt werde, dass sämtliche Beeinträchtigungen von Rechtsgütern der in der Schweiz sich aufhaltenden Personen unter die schweizerische Strafrechtshoheit fielen. Art. 4 würde völlig überflüssig und
Art. 5 StGB
beinahe bedeutungslos. Eine solche Begründung der schweizerischen Strafrechtshoheit könne sich zudem völkerrechtlich zum Nachteil der Schweiz auswirken. Statt den Erfolgsbegriff auszudehnen, wäre nach SCHULTZ - was s.E. zum gleichen praktischen Ergebnis führen würde - beim Unterlassungsdelikt der Begriff des "Ausführens" so auszulegen, dass die Tat auch dort als ausgeführt gilt, wo der Täter hätte handeln sollen.
Unter Erfolg im Sinne von
Art. 7 StGB
ist der Schaden zu verstehen, um dessentwillen die Handlung unter Strafe gestellt ist. Ein solcher Schaden tritt nicht nur bei den Erfolgsdelikten im technischen Sinne ein, sondern auch bei den schlichten Tätigkeitsdelikten; ein Unterschied besteht nur insofern, als er sich bei den ersteren von der Handlung abhebt, bei den letzteren aber als notwendige Wirkung in der Handlung eingeschlossen ist. So liegt der Schaden bei der Vernachlässigung von Unterstützungspflichten nach
Art. 217 StGB
darin, dass der Berechtigte nicht die ihm geschuldete Leistung erhält. Beim Vorenthalten eines Unmündigen nach
Art. 220 StGB
besteht er darin, dass der Inhaber der elterlichen Gewalt nicht die ihm über den Unmündigen zustehenden Befugnisse ausüben kann. Tritt der für die Strafbarkeit der Handlung massgebende Schaden in der
BGE 91 IV 228 S. 233
Schweiz ein, weil der Geschädigte oder Verletzte hier seinen Wohnsitz hat, so ist daher die Anwendung des schweizerischen Rechts bei schlichten Tätigkeitsdelikten nicht minder gerechtfertigt als bei Erfolgsdelikten im engern Sinne (vgl. HAFTER, Allg. Teil S. 87 Ziff. 3, Bes. Teil S. 437 Ziff. 5).
Wie diese Betrachtungsweise der Schweiz völkerrechtlich schaden könnte, ist nicht zu ersehen. Ein fremder Staat wird in ähnlichen Fällen so oder anders nach eigenem Gutfinden entscheiden. Auch ist es nicht so, dass bei der in
BGE 87 IV 153
f. vertretenen Auffassung
Art. 4 und 5 StGB
überflüssig würden. Nach Art. 4 ist das schweizerische Recht auf Staatsschutzdelikte unter allen Umständen anwendbar. Solche Straftaten sind in der Schweiz unbekümmert darum, ob sie hier einen Erfolg zeitigen, strafbar; erforderlich ist nur, dass sie gegen die Schweiz, ihre Behörden, Organisationen, ihre Angehörigen oder Einwohner gerichtet sind (vgl.
BGE 82 IV 164
und dort angeführte Urteile). Es ist denn auch offensichtlich, dass der Gesetzgeber sich beim Erlass des Art. 4 keine Gedanken darüber machte, inwieweit Verbrechen und Vergehen, die im Ausland gegen die Schweiz begangen werden, bereits nach
Art. 7 StGB
erfasst werden könnten. Art. 5 sodann ist anwendbar, gleichviel, ob der Erfolg im Ausland oder in der Schweiz eintrete.
Im übrigen ergibt sich aus der Auffassung des Kassationshofes auch nicht etwa ein anderer Erfolgsbegriff als in
Art. 22 StGB
. Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung ist nur deswegen auf die sog. Erfolgsdelikte beschränkt, weil nur bei ihnen der Erfolg nicht ohne weiteres schon mit der Vollendung der strafbaren Tätigkeit gegeben ist. | null | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
62e57c6a-a2fd-43fa-a6e6-0213f58accde | Urteilskopf
87 II 213
31. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Oktober 1961 i.S. K. gegen Regierungsrat des Kantons Aargau. | Regeste
Örtliche Zuständigkeit zur Entmündigung gemäss
Art. 371 ZGB
; Art. 376: Ein im Kanton seines letzten Wohnsitzes verurteilter und dort seine Zuchthausstrafe verbüssender Bürger eines andern Kantons ist - trotz mehreren Monaten unsteten Aufenthalts vor seiner Verhaftung - am (fiktiven) Wohnsitz gemäss
Art. 24 Abs. 1 ZGB
, nicht im Heimatkanton zu entmündigen. | Sachverhalt
ab Seite 214
BGE 87 II 213 S. 214
A.-
Willy K., geb. 1911, von Wohlen (AG), hatte von 1937 bis zu seiner Verhaftung im Jahre 1952 in Zürich Wohnsitz. Nach seiner Entlassung aus der Strafanstalt im Oktober 1957 lebte er bis anfangs Dezember 1957 bei seiner früheren, von ihm geschiedenen Ehefrau in Zürich. In der Folge hielt er sich an verschiedenen Orten auf; vom Februar bis September 1958 stieg er häufig im Motel City Terminal in Spreitenbach (AG) ab und bewohnte zeitweise auch ein Mietzimmer in Bern. Am 10. Oktober 1958 wurde er wieder verhaftet und am 18. Dezember 1959 vom Schwurgericht des Kantons Zürich wegen Betrugs etc. zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Er verbüsst die Strafe in Regensdorf.
B.-
Nachdem weder die Heimatgemeinde Wohlen (AG) noch die Gemeinde Spreitenbach sich zur Bevormundung des K. gemäss
Art. 371 ZGB
zuständig erachtet hatten, wandte sich die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich am 6. März 1961 deswegen an die Justizdirektion des Kantons Aargau. Diese wies mit Schreiben vom 21. März 1961 die Gemeinde Wohlen an, K. gemäss
Art. 371 ZGB
unter Vormundschaft zu stellen, da dieser in letzter Zeit unstet gewesen sei, seit Ende 1957 keine wohnörtliche Beziehung zu Zürich gehabt und seither keinen neuen Wohnsitz begründet habe. Es bleibe deshalb nur noch die rechtliche Bindung an die Heimatgemeinde; sachlich wäre es unbefriedigend, nach
Art. 24 Abs. 1 ZGB
die Behörde von Zürich als zuständig zu erklären.
C.-
Gemäss dieser Weisung sprach der Gemeinderat
BGE 87 II 213 S. 215
von Wohlen die Entmündigung des K. aus und bestellte ihm den Amtsvormund des Bezirks Bremgarten als Vormund.
D.-
Die Beschwerden des Interdizenden gegen die Bevormundung wegen örtlicher Unzuständigkeit der Heimatgemeinde Wohlen haben der Bezirksamtmann von Bremgarten und mit Entscheid vom 30. Juni 1961 der Regierungsrat des Kantons Aargau abgewiesen. Der Regierungsrat führt aus, angesichts der unsteten Lebensführung des Beschwerdeführers seit seinem Wegzug von Zürich im Dezember 1957 und des offenbaren Fehlens einer Wohnsitzbegründung in Bern vor seiner letzten Verhaftung sei das Einspringen der Vormundschaftsbehörde des Heimatortes im Lichte der Richtlinien der Vormundschaftsdirektorenkonferenz von 1950 zweifellos angemessen gewesen. Im übrigen sei nicht einzusehen, welchen Vorteil K. davon hätte, wenn die Vormundschaft an einem andern Orte geführt würde. Die Voraussetzungen zur Bevormundung gemäss
Art. 371 ZGB
seien unzweifelhaft gegeben.
E.-
Mit der vorliegenden Berufung beantragt K. Aufhebung der Bevormundung wegen örtlicher Unzuständigkeit der Heimatgemeinde, Verantwortlicherklärung der Staatsanwaltschaft Zürich, Gutheissung seiner Schadenersatzforderung und Bestellung eines vorläufigen Beistandes in der Person von Dr. B. in Zürich.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Soweit der Berufungskläger Anträge stellt, die über die Aufhebung der angefochtenen Bevormundung hinausgehen, kann darauf in diesem Berufungsverfahren schon deshalb nicht eingetreten werden, weil diese Begehren nicht Gegenstand der Entscheide der Vorinstanzen bildeten.
2.
Der Interdizend anerkennt ausdrücklich, dass er gemäss
Art. 371 ZGB
bevormundet werden muss, und verlangt dies auch; er bestreitet lediglich der Heimatgemeinde
BGE 87 II 213 S. 216
Wohlen AG die örtliche Zuständigkeit dafür. Nur diese Frage steht zur Prüfung.
Gemäss
Art. 376 Abs. 1 ZGB
erfolgt die Bevormundung am Wohnsitz des Interdizenden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung können die Kantone für ihre im Kanton wohnenden Bürger die vormundschaftlichen Behörden der Heimat als zuständig erklären, insofern auch die Armenunterstützung ganz oder teilweise der Heimatgemeinde obliegt. Die Vorinstanzen berufen sich indessen nicht auf letztere Bestimmung, und mit Recht, da - wie immer die Armenunterstützung im Aargau örtlich geregelt sei - Art. 376 Abs. 2 in casu nicht anwendbar wäre, weil K. nicht im Kanton Aargau wohnt. Die Zuständigkeit der Entmündigungsbehörden richtet sich daher grundsätzlich nach Art. 376 Abs. 1, d.h. zuständig sind die Behörden am Wohnsitz des Interdizenden. Der Wohnsitz einer Person richtet sich nach
Art. 23 ff. ZGB
. Nach Art. 24 Abs. 1 bleibt der einmal begründete Wohnsitz bestehen bis zum Erwerb eines neuen. Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar (oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer gegründet worden), so gilt nach Art. 24 Abs. 2 der Aufenthaltsort als Wohnsitz. Vom Prinzip des fiktiven Wohnsitzes nach Art. 24 Abs. 1 hat jedoch die Praxis - mit Billigung der Doktrin - Ausnahmen zugelassen (vgl. EGGER Komm. zu Art. 376, N. 8 und 9). So greift anstelle des fiktiven der Heimatort als Wohnsitz Platz für Personen, die von der Heimatbehörde dauernd in Obhut genommen werden, weil sie aus dem bisherigen Wohnsitzkanton ausgewiesen wurden (
BGE 65 II 97
ff.) oder sonst armenrechtlich betreut werden müssen (
BGE 69 II 1
ff.). Die Konferenz der Vormundschaftsdirektoren von 1950 hat den Behörden der Kantone empfohlen, für die Bevormundung die heimatlichen Behörden in weitern Fällen als zuständig zu betrachten, insbesondere gegenüber Personen, die sich ausserhalb des Heimatkantons aufhalten, ohne längere Zeit am gleichen Orte zu verweilen (Vaganten), solange
BGE 87 II 213 S. 217
die Wohnsitzbehörde nicht eine entsprechende vormundschaftliche Massnahme getroffen hat oder zu treffen bereit ist (vgl. Zeitschrift für Vormundschaftswesen, Band 5, S. 73 ff., bes. S. 75 ff.). Auf diese Empfehlungen beruft sich in casu die Vorinstanz.
Es kann nicht verkannt werden, dass damit praeter legem eine Zuständigkeit der Heimatbehörden eingeführt wird, während das Bundesgericht in den erwähnten Entscheiden auf Grund von
Art. 23 Abs. 1 ZGB
und in Auslegung dieses Grundsatzes den Heimatort als Wohnsitz gelten lässt, weil der Bürger durch den Willen der fürsorgenden Heimatbehörde und ohne dass dabei auf seinen eigenen Willen - seine "Absicht" im Sinne von Art. 23 Abs. 1 - etwas ankäme, effektiv im Heimatkanton den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen angewiesen erhalten hat.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die in den Empfehlungen postulierte Praxis grundsätzlich mit dem Gesetze vereinbar ist. Jedenfalls liegen im hier streitigen Falle keine Gründe vor, eine solche Praxis von Bundesrechtswegen zu sanktionieren. Der Berufungskläger hatte bis anfangs Dezember 1957 in Zürich Wohnsitz, was ohne Schwierigkeiten festgestellt werden konnte. Gemäss
Art. 24 Abs. 1 ZGB
blieb dieser Wohnsitz bis zum Erwerb eines neuen bestehen. Nach den - verbindlichen - Feststellungen der Vorinstanz hat K. seither keinen neuen Wohnsitz erworben. Es besteht umso weniger Anlass, die Heimatbehörden entgegen Art. 24 Abs. 1 als zuständig zu betrachten, als der Interdizend sich nur rund 10 Monate (Dezember 1957 bis Oktober 1958) anderswo als an seinem zivilrechtlichen Wohnsitz Zürich aufgehalten hat. Dazu kommt, dass das Schwergewicht seiner deliktischen Tätigkeit, die zu seiner neuen Verurteilung führte, offenbar im Kanton Zürich lag und dass er die Strafe in einer Anstalt dieses Kantons verbüsst, somit auch sein gegenwärtiger effektiver Existenzmittelpunkt nicht im Heimatkanton liegt. Unter diesen Umständen sind zu seiner Entmündigung gemäss
BGE 87 II 213 S. 218
Art. 371 ZGB
nicht die aargauischen, sondern die zürcherischen Behörden zuständig. Ganz ausser Betracht fallen - entgegen der Auffassung des Berufungsklägers selbst - die Behörden des Kantons Bern; denn wenn man schon, seiner Auffassung in diesem Punkte folgend, einen früher begründeten Wohnsitz als nicht nachweisbar und daher gemäss
Art. 24 Abs. 2 ZGB
den Aufenthaltsort als massgebend betrachten wollte, so käme man wiederum zur Zuständigkeit der Behörden des Kantons Zürich; denn bei Eintritt des Bevormundungsgrundes des
Art. 371 ZGB
, der Verurteilung zur Zuchthausstrafe, hielt er sich - wenn auch nicht freiwillig - in diesem Kanton auf (vgl.
BGE 80 II 107
).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden kann; der angefochtene Entscheid des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 30. Juni 1961 und die durch die Behörden des Kantons Argau verfügte Bevormundung des Berufungsklägers werden aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
62e69d83-2bd8-47d0-9491-bb12e50a742c | Urteilskopf
120 Ib 411
56. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Oktober 1994 i.S. K. G. gegen Kanton Aargau (Direktprozess) | Regeste
Staatshaftung für spitalärztliche Tätigkeit.
Anforderungen an die ärztliche Sorgfaltspflicht (E. 4a). Die Haftung des Arztes für einen Selbstmordversuch des Patienten setzt eine konkret erkennbare Suizidgefährdung voraus (E. 4b/c). | Sachverhalt
ab Seite 411
BGE 120 Ib 411 S. 411
A.-
K. G. besuchte am Freitag den 21. August 1986 nach ihrer Arbeit ihren Ehemann A. G., welcher seit zwei Monaten Patient auf der offenen Station P 8-2 der Psychiatrischen Klinik Königsfelden war. A. G. stellte fest, dass es seiner Frau psychisch nicht gut ging. Er fragte deshalb den Abteilungsarzt Dr. B., ob er die Nacht mit ihr zuhause verbringen dürfe. Im Gespräch mit Frau G. fielen dem Arzt ihr "paranoider Blick" und ihre "Verfolgungsideen" auf; er entsprach deshalb dem Wunsch ihres Ehemannes. Da sich der Gesundheitszustand von Frau G. in der Nacht verschlechtert hatte, entschloss sich Herr G. am Morgen, seine Frau in die Klinik mitzunehmen und eine stationäre Aufnahme zu veranlassen. Das Ehepaar wurde von einer Krankenschwester ins Besuchszimmer gebeten und aufgefordert, auf den zuständigen Tagesarzt zu warten. Um ca. 07.45 Uhr erschien Dr. A. und führte das Ehepaar in sein Büro. Da Frau G. einen offensichtlich verstörten
BGE 120 Ib 411 S. 412
Eindruck machte und in Anwesenheit des Ehemannes kaum sprechen wollte, schickte Dr. A. den Ehemann ins Besuchszimmer.
Im Gespräch mit Frau G. stellte Dr. A. fest, dass sie zeitlich und autopsychisch nicht voll orientiert war und unter Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn litt. In der Folge liess Dr. A. Frau G. allein in seinem Büro, um mit Dr. B. und dem Oberarzt zu telefonieren. Während dieser Gespräche begab sich Frau G. in den Korridor und stürzte sich aus dem offen stehenden Fenster auf das ca. 4 m tiefer liegende Vordach des Pavillons. Sie erlitt dabei u.a. schwere Hirnverletzungen und ist seither vollkommen arbeitsunfähig.
B.-
Am 11. März 1991 klagte K. G. gestützt auf
Art. 42 Abs. 1 OG
beim Bundesgericht gegen den Kanton Aargau. Sie beantragte, der Beklagte sei zur Bezahlung von Fr. 220'000.-- nebst Zins zu 5% seit 23. August 1986 zu verpflichten. Sie wirft Dr. A. eine Sorgfaltspflichtverletzung vor, weil er sie trotz ihrer desolaten psychischen Verfassung allein im Büro zurückgelassen habe. Gemäss § 75 der aargauischen Kantonsverfassung hafte der Kanton für den Schaden, den Behörden oder Beamte in Ausübung der amtlichen Tätigkeit widerrechtlich verursachten. Der Kanton Aargau bestreitet in seiner Klageantwort jegliche Verantwortlichkeit, da die Suizidgefahr von K. G. nicht erkennbar gewesen sei.
C.-
Der vom Instruktionsrichter zum Experten ernannte Prof. F. beantwortete im Gutachten vom 30. Juni 1992 die ihm unterbreiteten Fragen. Prof. F. empfahl überdies, die beiden Ärzte Dr. A. und Dr. B. sowie Herrn G. mündlich anzuhören. Gestützt darauf erstattete der Gutachter am 10. Februar 1993 einen zusätzlichen Bericht.
D.-
An der Hauptverhandlung vom 25. Oktober 1994 erhöhte die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch auf Fr. 226'190.-- nebst Zins. Der Beklagte beantragte, im Haftungsfalle sei dieser Betrag gestützt auf
Art. 43 und 44 OR
auf einen Drittel herabzusetzen. Im übrigen sind die Parteien bei ihren Rechtsauffassungen geblieben.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Die Klägerin erblickt in ihrer ungenügenden Überwachung eine pflichtwidrige Unterlassung des Tagesarztes Dr. A. und somit eine Haftung des Beklagten. Sie wirft dem Beklagten eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung vor.
a) Die Besonderheit der ärztlichen Kunst liegt darin, dass der Arzt mit seinem Wissen und Können auf einen erwünschten Erfolg hinzuwirken hat, was
BGE 120 Ib 411 S. 413
aber nicht heisst, dass er diesen auch herbeiführen oder gar garantieren müsse; denn der Erfolg als solcher gehört nicht zu seiner Verpflichtung, gleichviel ob er als Beamter oder als Beauftragter des Patienten handelt. Die Anforderungen an die ärztliche Sorgfaltspflicht lassen sich zudem nicht ein für allemal festlegen; sie richten sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles, namentlich nach der Art des Eingriffs oder der Behandlung, den damit verbundenen Risiken, dem Ermessensspielraum, den Mitteln und der Zeit, die dem Arzt im einzelnen Fall zur Verfügung stehen, sowie nach dessen Ausbildung und Leistungsfähigkeit. Allgemein lässt sich immerhin sagen, dass seine Haftung sich nicht auf grobe Verstösse gegen Regeln der ärztlichen Kunst beschränkt. Der Arzt hat Kranke stets fachgerecht zu behandeln, zum Schutze ihres Lebens oder ihrer Gesundheit insbesondere die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt zu beachten, grundsätzlich folglich für jede Pflichtverletzung einzustehen (
BGE 115 Ib 175
E. 2b S. 180,
BGE 113 II 429
E. 3a S. 32/33 mit Hinweisen).
Der Begriff der Pflichtverletzung darf jedoch nicht so verstanden werden, dass darunter jede Massnahme oder Unterlassung fällt, welche aus nachträglicher Betrachtungsweise den Schaden bewirkt oder vermieden hätte. Der Arzt hat für jene Gefahren und Risiken, die immanent mit jeder ärztlichen Handlung und auch mit der Krankheit an sich verbunden sind, im allgemeinen nicht einzustehen und übt eine gefahrengeneigte Tätigkeit aus, der auch haftpflichtrechtlich Rechnung zu tragen ist. Dem Arzt ist sowohl in der Diagnose wie in der Bestimmung therapeutischer oder anderer Massnahmen nach dem objektiven Wissensstand oftmals ein Entscheidungsspielraum gegeben, welcher eine Auswahl unter verschiedenen in Betracht fallenden Möglichkeiten zulässt. Sich für das eine oder das andere zu entscheiden, fällt in das pflichtgemässe Ermessen des Arztes, ohne dass er zur Verantwortung gezogen werden könnte, wenn er bei einer Beurteilung ex post nicht die objektiv beste Lösung gefunden hat. Eine Pflichtverletzung ist daher nur dort gegeben, wo eine Diagnose, eine Therapie oder ein sonstiges ärztliches Vorgehen nach dem allgemeinen fachlichen Wissensstand nicht mehr als vertretbar erscheint und damit ausserhalb der objektivierten ärztlichen Kunst steht. Dies entspricht denn seit langem bereits der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach der Arzt für eine unrichtige Beurteilung nur einzustehen hat, wenn diese unvertretbar ist oder auf objektiv ungenügender Untersuchung beruht, ihm aber objektive Fehlgriffe nicht als Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen
BGE 120 Ib 411 S. 414
sind, welche bei einem so vielgestaltigen und verschiedenartigen Auffassungen Raum bietenden Beruf in gewissem Umfang als unvermeidbar erscheinen (
BGE 66 II 34
, 64 II 200 E. 4a S. 205).
Nach der Rechtsprechung ist ein Verhalten widerrechtlich, wenn es gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten Rechtsgutes dienen. Ein solches Gebot ist weder im aargauischen Spitalgesetz noch in den dazugehörigen Dekreten speziell festgehalten. Das ist jedoch nicht von Belang; denn wird ein Patient bei einer Heilbehandlung in seiner körperlichen Integrität getroffen, so ergibt sich die Widerrechtlichkeit schon aus dem Verbot, das den
Art. 122 ff. StGB
zugrunde liegt (
BGE 115 Ib 175
E. 2b S. 181,
BGE 112 II 118
E. 5e mit Hinweisen). Die objektiv gebotene Sorgfalt wird nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre bei der vertraglichen Haftung von der Vertragsverletzung, bei der ausservertraglichen, zu der auch die Staatshaftung zu zählen ist, dagegen von der Widerrechtlichkeit erfasst; sie gehört daher im einen wie im andern Fall zum Beweisthema des Geschädigten, welcher die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat (
BGE 115 Ib 175
E. 2b S. 181).
b) Das Bundesgericht hat in
BGE 112 Ib 322
ff. eine Verantwortlichkeit des Kantons Basel-Landschaft bejaht, weil ein Patient, der in einer geschlossenen Abteilung untergebracht war und dessen akute Suizidgefahr bekannt war, wegen ungenügender Sicherheit der Liftanlage entweichen konnte. Diese strenge Haftung der Anstaltsträger für Patienten, die wegen ihrer Selbstgefährdung zu behandeln sind und welche die Klinik vor einer Selbstschädigung zu bewahren hat, gilt auch nach deutscher Lehre (LAUFS, in LAUFS/UHLENBRUCK, Handbuch des Arztrechts, S. 645 Rz. 11). Die deutschen Richter messen jedoch laut den publizierten Urteilen dem Vorhandensein akuter Selbstgefährdungsanzeichen und der Voraussehbarkeit einer Suizidhandlung bei der Beurteilung einer Arzthaftung entscheidendes Gewicht bei (vgl. KUNTZ, Arzthaftungsrecht, Sammlung von Entscheiden, 1c/A/II S. 19, S. 25, S. 69; OLG Düsseldorf, VERSR 1984, S. 193 ff.). Dabei muss vor allem die konkrete Suizidgefahr im Auge behalten werden. Einen Behandlungsfehler begeht dabei insbesondere, wer eine konkret erkennbare Suizidgefährdung oder die Gefahr des Entweichens nicht erkennt, sie fehlerhaft einschätzt oder sie schlicht nicht beachtet. Je grösser die konkrete, aktuelle Suizidgefahr ist, desto intensiver müssen die erforderlichen Vorsichtsmassnahmen sein (GROPP, Zur rechtlichen Verantwortlichkeit des Klinikpersonals bei Suizidhandlungen
BGE 120 Ib 411 S. 415
hospitalisierter Psychiatriepatienten, Medizinrecht 1994, Heft 4, S. 130 und S. 132).
c) Werden diese allgemeinen Leitsätze auf den vorliegenden Fall angewendet, so ist eine Haftung des Beklagten zu verneinen.
aa) Die Prüfung, ob dem an Stelle des Beklagten handelnden Arzt eine Ermessensüberschreitung zur Last gelegt werden muss, beurteilt sich nicht nach dem Sachverhalt, wie er sich nachträglich dem Experten oder dem Richter darstellt; massgebend ist vielmehr, was der Arzt im Zeitpunkt, in dem er sich für eine Massnahme entschied oder eine solche unterliess, von der Sachlage halten musste (
BGE 115 Ib 175
E. 3b S. 184/185).
bb) Prof. F. führt in seinem Gutachten aus, die Patientin habe keine Suizidabsichten geäussert und keine Symptome gezeigt, die auf eine akute Suizidgefährdung hingewiesen hätten, so dass ein unvermuteter Suizidversuch nicht zu erwarten gewesen sei. Nach der Zeugenbefragung kommt der Gutachter in seinen Ergänzungsberichten zum Schluss, Dr. A. habe damals aufgrund seiner Beurteilung, die ausreichend sorgfältig gewesen sei, keine akute Suizidgefährdung gesehen. Aus der Einschätzung der Situation vor dem Suizidversuch habe er mit einem gewissen Mass an Berechtigung annehmen dürfen, dass die Patientin, die freiwillig in Begleitung ihres Mannes in die Klinik gekommen war, nicht weglaufen würde.
Was die Klägerin dagegen einwendet, vermag an den gutachterlichen Feststellungen, eine konkrete Suizidgefahr sei nicht erkennbar gewesen - und nur dies ist ausschlaggebend -, nichts zu ändern. Der Umstand, dass der Gutachter anerkennt, die Situation sei unklar gewesen, weil der affektive Kontakt zur Patientin gestört gewesen sei und gleichzeitig eine Sprunghaftigkeit des Denkens sowie Angst, Ratlosigkeit und ein gewisses Mass an Verworrenheit bestanden habe, reicht für eine Haftpflicht nicht aus. Ebenfalls unbeachtlich ist, dass die Frage, ob der Sturz aus dem Fenster medizinisch als Suizidversuch zu qualifizieren sei, vom Gutachter aufgrund der vorhandenen Informationen nicht beantwortet werden konnte. Auch wenn die Kurzschlusshandlung der Klägerin durch eine plötzlich einschiessende Wahneingebung oder Angst oder durch andere psychotische Motive hervorgerufen worden sein könnte, mithin ein Suizidversuch nach Auffassung von Prof. F. aufgrund der Umstände kurzfristig nicht hätte ausgeschlossen werden können, so genügt auch dies für eine Haftung des Beklagten nicht. Von einem haftpflichtrechtlich massgebenden Diagnosefehler des Arztes könnte nur dann die Rede sein, wenn die Suizidgefahr anlässlich
BGE 120 Ib 411 S. 416
des Gesprächs konkret erkennbar gewesen wäre. Ist eine solche Gefahr bei einem bestimmten Krankheitsbild, insbesondere bei akuten Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, nicht auszuschliessen, so kann dieser Umstand allein - entgegen der Ansicht der Klägerin - noch keine Haftung auslösen. Ebensowenig genügt es für eine Haftung, dass es bei Würdigung der Gesamtsituation angezeigt gewesen wäre, die Patientin nicht allein zu lassen, denn diese Beurteilung stellt eine Ermessensentscheidung dar, welche nach Ansicht des Experten bei dem komplexen und ungewöhnlichen Ablauf der Ereignisse an diesem Morgen mit Unsicherheit und Ungewissheit behaftet bleiben müsste. Daraus erhellt, dass Dr. A. sein Ermessen, das sich primär nach fachärztlichen und nicht nach rechtlichen Kriterien beurteilt, nicht in unvertretbarer Weise gehandhabt hat.
Die Klägerin hat somit den Beweis für eine Sorgfaltspflichtverletzung des behandelnden Arztes nicht zu erbringen vermocht, weshalb die Klage abgewiesen wird. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
62e9c2b7-5e69-4224-bd21-7cbea22d08e5 | Urteilskopf
108 II 25
4. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 11 février 1982 dans la cause X contre X (recours en réforme) | Regeste
Widerstand gegen die Scheidungsklage gemäss
Art. 142 Abs. 2 ZGB
; Rechtsmissbrauch.
1. Die gesetzliche Vermutung der ehezerrüttenden Wirkung des Ehebruchs kann umgestossen werden (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 2a).
2. Nicht kausaler Ehebruch eines Ehegatten. Widerstand seinerseits gegen die Scheidungsklage des andern Ehegatten. Umstände, unter denen die Berufung auf
Art. 142 Abs. 2 ZGB
rechtsmissbräuchlich ist (Erw. 3). | Erwägungen
ab Seite 25
BGE 108 II 25 S. 25
Considérant en droit:
2.
a) Aux termes de l'
art. 137 al. 1 CC
, chacun des époux peut demander le divorce pour cause d'adultère de son conjoint. Selon la jurisprudence récente (
ATF 98 II 161
ss consid. 4), l'adultère ne constitue pas une cause absolue de divorce; la présomption légale de la rupture du lien conjugal qu'il emporte peut être renversée; s'il est établi que l'adultère n'a effectivement pas eu pour effet de
BGE 108 II 25 S. 26
détruire irrémédiablement le lien conjugal, l'action en divorce fondée sur l'
art. 137 CC
doit être rejetée; en revanche, si la présomption instituée par cette disposition n'est pas renversée, le fardeau de la preuve incombant à l'époux adultère, l'action du conjoint trompé sera admise même s'il a contribué à la désunion par sa faute prépondérante.
b) Il est constant que dame X. a eu trois liaisons adultères. La première, qu'elle a entretenue en 1956/1957 avec Y., décédé par la suite, a été pardonnée, selon ce qu'admet le Tribunal civil du district de Lausanne dans son jugement du 21 mai 1976 rejetant l'action en divorce introduite par le mari; cet adultère ne pouvait au demeurant plus être invoqué comme cause de divorce selon l'
art. 137 al. 1 CC
puisque le demandeur ne s'en était pas prévalu dans les délais de péremption fixés au second alinéa de cette disposition. La deuxième liaison nouée par dame X. avec Z., après que son mari l'eut quittée pour aller vivre avec sa maîtresse, et alors qu'elle était particulièrement désemparée par cet abandon, n'a pas été causale pour la désunion d'après ce que retiennent en fait aussi bien les premiers juges que la Chambre des recours du Tribunal cantonal dans l'arrêt déféré. La troisième liaison que dame X. a entretenue avec sieur G., actuellement décédé, pendant une durée indéterminée en 1977/1978, n'a pas causé la rupture du lien conjugal et n'y a pas non plus contribué. En effet, à cette époque le demandeur avait déjà ouvert une nouvelle action en divorce par requête aux fins de conciliation du 3 novembre 1976 et allégué que le lien conjugal était entièrement rompu, alors même qu'il n'a eu connaissance de ce dernier adultère de sa femme que le 29 octobre 1979 et n'en a fait état que le 31 janvier 1980. La Cour cantonale retient dès lors que l'adultère avec G. n'a pas été "causal de la rupture d'un lien conjugal déjà détruit".
c) Appliquant la jurisprudence de l'arrêt
ATF 98 II 161
ss consid. 4, auquel elle se réfère, la Cour cantonale, estimant que la présomption posée par l'
art. 137 CC
est renversée, juge avec raison que l'action en divorce du demandeur, fondée sur cette disposition, ne saurait être admise (cf. Arrêt non publié du 6 octobre 1977, dans la cause G. c. G., consid. 1, paru dans la Semaine judiciaire 1978 p. 435).
3.
a) Selon l'
art. 142 al. 1 CC
, le divorce peut être demandé par chacun des époux lorsque le lien conjugal est si profondément atteint que la continuation de la vie commune ne peut plus être raisonnablement exigée des époux. Il suffit que le maintien de
BGE 108 II 25 S. 27
l'union ne puisse plus être imposé au demandeur (
ATF 78 II 301
,
ATF 52 II 318
; BÜHLER/SPÜHLER, n. 23 ad
art. 142 CC
et les références: GMÜR, n. 37 ad
art. 142 CC
; EGGER, n. 10 ad
art. 142 CC
; CURTI, n. 3 ad
art. 142 CC
; HINDERLING, p. 9; KNUSS, Die Ehescheidungsgründe..., thèse Zurich 1935, p. 125; arrêt non publié du Tribunal fédéral, Semaine judiciaire 1961 p. 623; DESCHENAUX/TERCIER, Le mariage et le divorce, 2e éd., 1980 p. 105). La désunion peut être due à la faute de l'époux actionné, à des fautes de l'un et l'autre conjoints, à des faits objectifs, ou à ces divers facteurs cumulativement. Le divorce est la conséquence qui est tirée de la rupture du lien conjugal; c'est l'échec de l'union qui en motive la dissolution. Le divorce doit être prononcé même en l'absence de toute faute. C'est l'application du principe que l'on désigne par le terme allemand "Zerrüttungsprinzip". Mais l'
art. 142 al. 2 CC
fait une réserve notable à ce système du divorce fondé sur la rupture du lien conjugal, pour le cas où la désunion est due à la faute prépondérante de l'un des époux: celui-ci ne peut pas obtenir le divorce contre la volonté de son conjoint, à qui est reconnu le droit de s'y opposer. La faute de l'époux demandeur est ici prise en considération, dans la mesure où elle est prépondérante, comme cause de l'atteinte au lien conjugal rendant la vie commune insupportable. Il s'agit d'une application du principe selon lequel nul ne peut se prévaloir d'une position qu'il a acquise de façon déloyale ou irrégulière (
art. 2 al. 2 CC
: "Nemo auditur propriam turpitudinem allegans"). Le droit de s'opposer à l'action en divorce de l'époux exclusivement ou le plus coupable repose sur l'idée que l'on ne doit pas pouvoir déduire de sa propre faute le droit de divorcer. L'
art. 142 al. 2 CC
vise à faire obstacle à un usage abusif du droit d'action (
ATF 104 II 151
).
Selon la jurisprudence (
ATF 105 II 224
/225 consid. 3,
ATF 104 II 151
), le droit de l'époux innocent, ou notablement moins coupable, de s'opposer au divorce demandé par l'autre conjoint principalement responsable de la désunion est cependant limité, à son tour, par l'interdiction générale de l'abus manifeste de droit (
art. 2 al. 2 CC
). Mais le Tribunal fédéral n'a fait usage qu'avec réserve de la possibilité de déclarer inadmissible, parce que constituant un abus de droit, le moyen tiré de l'
art. 142 al. 2 CC
. Cette réserve se justifie, d'une part, parce que l'
art. 2 al. 2 CC
ne refuse la protection de la loi qu'en cas d'abus manifeste d'un droit et, d'autre part, parce qu'il convient de ne pas vider de sa substance, par une relativisation trop importante, le droit de
BGE 108 II 25 S. 28
s'opposer à l'action de l'époux dont la faute est prépondérante (
ATF 105 II 225
,
ATF 104 II 151
/152). Dans sa jurisprudence antérieure, le Tribunal fédéral n'a tenu pour abusif l'exercice du droit d'opposition prévu à l'
art. 142 al. 2 CC
que si l'époux qui refuse le divorce n'entendait pas reprendre la vie commune, même si l'autre partie y était disposée et mettait fin à sa conduite contraire aux devoirs du mariage (
ATF 92 II 76
). Dans des arrêts plus récents, non publiés, le Tribunal fédéral s'est demandé si la règle établie dans l'arrêt ATF
ATF 92 II 76
n'est pas trop rigide; il a finalement laissé la question indécise. Cette règle a été quelque peu adoucie par l'arrêt précité
ATF 104 II 152
/153, en ce sens que le fait d'invoquer l'
art. 142 al. 2 CC
peut également constituer un abus manifeste de droit - même si le conjoint dont la faute est prépondérante n'est, il est vrai, pas prêt à renoncer à son comportement fautif - lorsque la volonté de l'époux innocent, ou notablement moins coupable, de maintenir l'union apparaît complètement dénuée de sens et lorsque ce dernier n'a aucun intérêt digne de protection au maintien du mariage (
ATF 105 II 225
). Le Tribunal fédéral a jugé, dans l'arrêt
ATF 104 II 153
, que lorsque la partie défenderesse a perdu toute véritable attache avec le mariage et le demandeur et qu'elle ne tient plus au lien du mariage que pour la forme, le refus du divorce en vertu de l'
art. 142 al. 2 CC
ne servirait qu'à maintenir une union absolument vidée de son contenu; dans ce cas, si l'époux défendeur entend malgré tout faire triompher son opposition au divorce, il doit établir qu'il a un intérêt digne de protection à la continuation du mariage, tels notamment des intérêts financiers.
L'opposition de l'époux défendeur innocent ou moins coupable ne mérite aucune protection lorsqu'il rejette expressément ou de manière concluante la communauté conjugale et n'y croit plus, indépendamment du comportement actuel ou futur du conjoint demandeur. Il en est ainsi notamment dans le cas où il est établi que l'époux défendeur a noué des relations durables avec un tiers, en particulier une liaison adultère, montrant par là qu'il s'est détourné de façon définitive de son conjoint, même si ces relations ne peuvent plus avoir un effet destructeur sur le lien conjugal parce qu'il était déjà rompu; un tel comportement fait apparaître l'opposition au divorce comme manifestement abusive au sens de l'
art. 2 al. 2 CC
, car elle constitue un venire contra factum proprium (HINDERLING, FJS no 513, Divorce, p. 4/5).
Dans le cas où l'époux défendeur a manifesté sa profonde
BGE 108 II 25 S. 29
désaffection envers son conjoint en s'attachant à un tiers dans une liaison adultère durable, même non causale, et que partant le mariage a perdu son sens véritable pour l'un et l'autre époux, un intérêt exclusivement financier de celui qui s'oppose au divorce, en vertu de l'
art. 142 al. 2 CC
à raison d'une faute prépondérante de l'instant à l'action, ne saurait prévaloir et empêcher la dissolution du lien conjugal: en effet, les
art. 151 et 152 CC
visent à assurer au conjoint innocent la réparation du dommage pécuniaire résultant pour lui du divorce, en particulier de la perte du droit à l'entretien et des espérances successorales, comme aussi du tort moral. Il serait choquant que l'époux qui a commis un adultère non causal, mais durable, et qui est définitivement détaché de son conjoint puisse le contraindre par le moyen de l'
art. 142 CC
à demeurer lié par une union conjugale vidée de tout sens pour l'un et l'autre, pour conserver uniquement les avantages matériels que lui assure le mariage.
b) En l'espèce, il est constant que le lien conjugal est "entièrement rompu" et que la recourante a noué successivement trois liaisons adultères d'une certaine durée qui ont manifesté, quand bien même elles n'étaient pas causales, sa profonde désaffection envers l'intimé. La Cour cantonale estime partant, avec raison, que, même si dame X. a un intérêt financier incontestable au maintien du mariage, il y a de sa part, dans ces conditions, un abus manifeste de droit à s'opposer au divorce, le mariage ayant perdu tout sens véritable pour elle et ne conservant plus qu'une existence formelle.
Dans ses critiques dirigées contre l'arrêt déféré, la recourante cherche en vain à minimiser la portée de ses liaisons adultères successives et à les présenter pratiquement comme devant être sans incidence sur le sort de son opposition à la demande en divorce de son mari. Certes les deux premières liaisons n'auraient pas suffi, seules, pour faire admettre par le juge du divorce que dame X est en réalité détachée de son conjoint au point que le maintien du mariage est dénué de sens. La troisième liaison, qui a été nouée en 1977, après l'échec de pourparlers en vue d'une reprise de la vie commune, alors qu'une nouvelle instance en divorce était pendante, manifeste que la défenderesse a rejeté le demandeur comme partenaire dans une communauté conjugale et qu'elle n'a plus foi dans une restauration de l'union. Cela est corroboré par le fait que, lors d'une des dernières rencontres des époux, elle a craché au visage de son mari.
BGE 108 II 25 S. 30
L'intérêt uniquement financier qu'elle peut encore avoir au maintien du mariage, qui a perdu toute valeur pour l'une et l'autre parties, ne saurait partant prévaloir et faire échec à la prononciation du divorce, quand bien même la faute du mari est prépondérante. Etant l'épouse innocente, puisqu'elle n'a pas commis de faute causale pour la rupture du lien conjugal, alors que son mari est coupable, elle peut prétendre aux prestations prévues à l'
art. 151 CC
.
La Cour cantonale n'a dès lors pas violé le droit fédéral en jugeant que le divorce devait être en l'espèce prononcé.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours partiellement, annule l'arrêt de la Chambre des recours du Tribunal cantonal du canton de Vaud du 21 avril 1981 et renvoie la cause à cette autorité pour nouveau jugement dans le sens des considérants. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
62eceadb-002c-49b1-97ef-4fd39eec13bd | Urteilskopf
122 V 200
29. Arrêt du 10 juillet 1996 dans la cause Ecole X contre Office fédéral des assurances sociales | Regeste
Art. 203 AHVV
,
Art. 89 IVV
,
Art. 10 und 11 SZV
,
Art. 98 lit. b und c OG
,
Art. 47 Abs. 1 lit. c VwVG
: Rechtsweg gegen einen Entscheid des Bundesamtes für Sozialversicherung über die Zulassung von Sonderschulen.
Das Eidg. Departement des Innern in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde ist zuständig, in erster Instanz über einen Rekurs gegen einen Entscheid des Bundesamtes für Sozialversicherung in Sachen Zulassung von Sonderschulen zu erkennen.
Der direkte Rechtsweg gegen einen solchen Entscheid an das Eidg. Versicherungsgericht steht nicht offen. | Sachverhalt
ab Seite 201
BGE 122 V 200 S. 201
A.-
L'école X est une école constituée sous la forme d'une société en nom collectif et dont le but est d'accueillir des enfants présentant des difficultés de développement et d'adaptation scolaire, en vue de leur intégration sociale. Elle peut accueillir 28 élèves. Ceux-ci proviennent du canton de Genève et de la France voisine.
L'école X est au bénéfice d'une reconnaissance comme école spéciale pour des cas particuliers, délivrée par le canton de Genève.
Le 29 avril 1988, elle a présenté une demande de reconnaissance comme école spéciale dans l'assurance-invalidité. Cette demande a été rejetée par l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) le 12 septembre 1990, au motif qu'aucun membre du personnel de l'école n'était au bénéfice d'une formation d'enseignant reconnue par le canton ni d'une formation en pédagogie curative se basant sur le brevet d'enseignement général.
B.-
Le 23 février 1995, l'école X a présenté une nouvelle demande de reconnaissance comme école spéciale. Par décision du 11 mai 1995, l'OFAS a rejeté cette demande, considérant que le personnel de l'école ne remplissait toujours pas les exigences minimales en matière de formation de personnel, savoir une formation d'enseignant reconnue par le canton, ainsi qu'une formation en pédagogie curative adaptée aux infirmités des élèves.
C.-
L'école X interjette un recours de droit administratif en concluant à l'annulation de cette seconde décision et à sa reconnaissance en qualité d'école spéciale. Subsidiairement, elle conclut au renvoi du dossier à l'OFAS ou à toute autre autorité compétente pour nouvelle décision.
L'OFAS conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Selon l'
art. 19 al. 1 LAI
, des subsides sont alloués pour la formation scolaire spéciale des mineurs éducables mais qui, par suite d'invalidité, ne peuvent suivre l'école publique ou dont on ne peut attendre qu'ils la suivent. La formation scolaire spéciale comprend la scolarisation proprement dite, adaptée aux besoins de l'invalide, ainsi que, pour les mineurs incapables ou peu capables d'assimiler les disciplines scolaires élémentaires, des mesures destinées à développer soit leur habilité manuelle, soit leur aptitude à accomplir les actes ordinaires de la vie ou à établir des contacts avec leur entourage (
art. 8 al. 1 let. a RAI
).
b) Aux termes de l'
art. 26bis LAI
, l'assuré a le libre choix entre le personnel paramédical, les établissements et les ateliers qui appliquent des mesures de réadaptation, ainsi que les fournisseurs de moyens
BGE 122 V 200 S. 202
auxiliaires, autant qu'ils satisfont aux prescriptions cantonales et aux exigences de l'assurance (al. 1). Le Conseil fédéral peut, après avoir entendu les cantons et les associations intéressées, établir des prescriptions suivant lesquelles les personnes et établissements indiqués au 1er alinéa sont autorisés à exercer leur activité à la charge de l'assurance (al. 2).
A l'
art. 24 al. 1 RAI
, le Conseil fédéral a sous-délégué son pouvoir réglementaire au Département fédéral de l'intérieur (DFI), lequel a édicté l'ordonnance du 11 septembre 1972 sur la reconnaissance d'écoles spéciales dans l'assurance-invalidité (ORESp; RS 831.232.41). Selon l'
art. 1er ORESp
, qui définit le champ d'application de l'ordonnance, les institutions et les personnes qui, dans le cadre de l'assurance-invalidité, donnent un enseignement spécial à des mineurs invalides (
art. 8 al. 1 let. a RAI
) ou les préparent à suivre l'enseignement de l'école publique ou à recevoir une formation scolaire spéciale (
art. 12 RAI
) sont considérées comme écoles spéciales et doivent faire l'objet d'une reconnaissance. L'ordonnance règle notamment les conditions de la reconnaissance (art. 2 à 9 ORESp) et la procédure de décision de reconnaissance (art. 10 à 13 ORESp). La reconnaissance des écoles spéciales qui donnent à demeure un enseignement à cinq élèves ou plus, bénéficiaires de subsides de l'assurance-invalidité pour la formation scolaire spéciale, est de la compétence de l'OFAS (
art. 10 al. 1 ORESp
). La reconnaissance des écoles spéciales qui ne sont pas touchées par cette disposition est de la compétence du canton sur le territoire duquel se trouve l'école (
art. 10 al. 2 ORESp
). Les écoles spéciales qui désirent être reconnues en vertu de l'
art. 10 al. 1 ORESp
adressent à l'OFAS une demande en double exemplaire, sur une formule officielle; l'OFAS statue après entente avec l'autorité cantonale désignée par le gouvernement cantonal (
art. 11 al. 1 et 2 ORESp
).
2.
En saisissant le Tribunal fédéral des assurances d'un recours de droit administratif, la recourante s'est conformée à l'indication des moyens juridictionnels qui figurent au bas de la décision attaquée. Cette indication ne lie pas l'autorité de recours, qui doit se prononcer d'office sur sa compétence (
ATF 121 III 371
consid. 2a,
ATF 112 V 365
consid. 1,
ATF 111 Ib 153
consid. 1; GRISEL, Traité de droit administratif, vol. II, p. 830 sv.).
a) En principe, l'autorité de recours contre une décision de l'OFAS est le Département fédéral de l'intérieur en tant qu'autorité de surveillance selon l'
art. 47 al. 1 let
. c PA. La décision du département fédéral peut ensuite être déférée au Tribunal fédéral des assurances, conformément à
BGE 122 V 200 S. 203
l'
art. 98 let. b OJ
(MEYER, Die Rechtspflege in der Sozialversicherung, BJM 1989 p. 20 ch. 5a).
En effet, selon l'
art. 98 let
. c OJ, en liaison avec l'
art. 128 OJ
, les décisions en matière d'assurances sociales rendues en première instance par un service subordonné à un département du Conseil fédéral ne peuvent être attaquées par un recours de droit administratif que si le droit fédéral le prévoit. Sous réserve de cette exception, l'
art. 98 OJ
repose sur le principe du double degré de juridiction, qui implique qu'avant d'être portée devant le Tribunal fédéral ou le Tribunal fédéral des assurances, une décision administrative soit d'abord contrôlée, avec un plein pouvoir d'examen, par une autorité administrative fédérale ou par une commission fédérale de recours (KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, p. 215 sv., notes 363 ss; RHINOW/KOLLER/KISS-PETER, Öffentliches Prozessrecht, p. 258, note 1219; KNAPP, Précis de droit administratif, 4ème édition, p. 392, note 1867).
b) L'indication par l'OFAS d'un recours direct au Tribunal fédéral des assurances se fonde vraisemblablement sur l'
art. 203 RAVS
, selon lequel le recours de droit administratif peut être interjeté directement contre les décisions de l'OFAS. L'
art. 89 RAI
déclare applicable par analogie cette disposition.
aa) La jurisprudence a déduit de l'
art. 203 RAVS
que les décisions de l'OFAS en matière de subventions pouvaient être déférées directement au Tribunal fédéral des assurances, qu'il s'agisse de subventions pour frais d'exploitation au sens de l'ancien
art. 73 al. 2 let. a LAI
(
ATF 106 V 96
consid. 1b), de subventions en faveur de homes recueillant des invalides selon l'
art. 73 al. 2 let
. c LAI (
ATF 118 V 16
) ou de subventions pour la construction au sens de l'
art. 155 LAVS
(
ATF 117 V 136
; RCC 1989 p. 38 consid. 1). Elle en a fait de même concernant l'autorisation de bureaux de révision, conformément aux
art. 68 al. 4 LAVS
et 165 RAVS (RCC 1985 p. 128) ou encore à propos de l'affiliation à la Caisse de compensation fédérale, en vertu des
art. 62 al. 1 LAVS
et 111 RAVS (
ATF 116 V 307
).
bb) L'entrée en vigueur, le 1er avril 1991, de la loi fédérale sur les aides financières et les indemnités, dite loi sur les subventions (LSu; RS 616.1), du 5 octobre 1990, a modifié ce régime procédural en ce qui concerne les subventions. L'
art. 35 al. 1 LSu
prévoit que les décisions en ce domaine peuvent faire l'objet d'un recours "conformément aux dispositions générales de la procédure administrative fédérale". Dans un
BGE 122 V 200 S. 204
arrêt récent, le Tribunal fédéral des assurances a jugé que cette disposition légale était applicable en matière de subventions allouées par l'AVS selon l'
art. 155 al. 1 LAVS
, car elle l'emporte sur l'
art. 203 RAVS
, qui est une simple norme réglementaire d'exécution; en conséquence, le tribunal n'est pas entré en matière sur un recours dirigé contre une décision de refus de subventions de l'OFAS et il a transmis le dossier au Département fédéral de l'intérieur, autorité de recours compétente en première instance (
ATF 122 V 189
).
En revanche, la révision de la loi fédérale d'organisation judiciaire par la loi du 4 octobre 1991 (RO 1992 288) n'a, quant à elle, pas apporté de modifications à la réglementation spéciale de l'
art. 203 RAVS
. L'ordonnance sur les autorités dont les décisions peuvent être déférées au Tribunal fédéral ou au Tribunal fédéral des assurances du 3 février 1993 (RS 173.51), édictée en application des chiffres 1 al. 3 let. b et 2 al. 3 des dispositions finales de la loi du 4 octobre 1991, apporte, il est vrai, un certain nombre de modifications à la LAVS et au RAVS, relativement au pouvoir de décision de l'OFAS (chiffres 19 et 20 de l'annexe à ladite ordonnance). Mais l'
art. 203 RAVS
est resté inchangé. Le Conseil fédéral n'a pas non plus prévu, dans ce cas, de possibilité de recours à l'une des commissions du Département fédéral de l'intérieur (art. 1er de l'ordonnance concernant l'organisation et la procédure des commissions fédérales de recours et d'arbitrage du 3 février 1993 [RS 173.31] et annexe 1 à ladite ordonnance; cf. PETER UEBERSAX, Zur Entlastung der eidgenössischen Gerichte durch eidgenössische Schieds- und Rekurskommissionen sowie durch die Neuregelung des verwaltungsrechtlichen Klageverfahrens, PJA 1994 p. 1230 ss). C'est dire que l'autorité exécutive n'a pas attribué à une autorité judiciaire la compétence générale de connaître de décisions de l'OFAS en matière d'AVS/AI.
cc) Il est évident qu'une décision de reconnaissance d'une école spéciale ne relève pas de la loi sur les subventions. Il s'agit, pour l'autorité compétente, de décider si un établissement est ou non autorisé à donner un enseignement à des bénéficiaires de subsides de l'assurance-invalidité. Ces subsides représentent des prestations d'assurance sociale, dont le versement est lié à la survenance d'un risque (invalidité) et qui n'entrent pas dans la notion d'aide financière au sens de l'
art. 3 LSu
; de telles prestations échappent totalement au champ d'application de la LSu (BARBARA SCHAERER, Subventionen des Bundes zwischen Legalitätsprinzip und Finanzrecht, thèse Berne 1992, p. 40).
BGE 122 V 200 S. 205
Pour autant, cela ne permet pas d'admettre que la voie du recours direct au Tribunal fédéral des assurances est en l'espèce ouverte en vertu de l'application combinée des
art. 203 RAVS
et 89 RAI. Les conditions formelles et matérielles de la reconnaissance, ainsi que la procédure à suivre pour l'obtention de celle-ci, sont réglées de manière exhaustive par l'ORESp. Ni la loi sur l'assurance-invalidité ni son règlement d'exécution ne contiennent de dispositions à ce sujet, le législateur et le Conseil fédéral ayant tour à tour entièrement délégué leurs pouvoirs, législatif et réglementaire. Dès lors que le droit de fond et les règles de procédure en matière de reconnaissance font l'objet d'une réglementation autonome, par rapport au RAI, l'
art. 89 RAI
est inapplicable. Un recours direct au Tribunal fédéral des assurances rendrait nécessaire, en l'occurrence, une interprétation extensive de l'
art. 89 RAI
, impliquant une assimilation des dispositions de l'ORESp à celles du RAI. Pareille interprétation ne se justifie toutefois pas au regard du système actuel de la procédure administrative fédérale, qui tend à généraliser la règle du double degré de juridiction (MOOR, Droit administratif, vol. II, p. 368 sv).
dd) L'ORESp ne contient elle-même aucune règle au sujet des voies de droit. Conformément aux principes généraux, ce sont donc les dispositions de la PA qu'il y a lieu d'appliquer, spécialement l'
art. 47 al. 1 let
. c PA (dans ce sens également: MEYER-BLASER, Die Bedeutung der Sonderschulzulassung für den Leistungsanspruch gegenüber der Invalidenversicherung, SZS 1986 p. 76 sv.). Cela conduit à considérer que la décision administrative litigieuse aurait dû, tout d'abord, être déférée au Département fédéral de l'intérieur.
c) Il suit de là que le recours doit être déclaré irrecevable et la cause transmise au département fédéral, comme objet de sa compétence.
3.
Selon l'
art. 107 al. 3 OJ
, une notification irrégulière, notamment le défaut d'indication ou l'indication incomplète ou inexacte des voies de droit, ne peut entraîner aucun préjudice pour les parties. Pour cette raison, et bien que la procédure, qui ne porte pas sur des prestations d'assurance dans un cas concret (
ATF 106 V 98
consid. 3,
ATF 98 V 131
consid. 1), soit en principe onéreuse (134 OJ a contrario), il y a lieu de renoncer à la perception de frais de justice. | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
62ef01b9-2be1-487c-8743-88a16e2de3d0 | Urteilskopf
84 II 187
28. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Februar 1958 i.S. Bischoff gegen A.-G. für Kohlenförderung. | Regeste
Vorkaufsrecht der Verwandten des Verkäufers nach
Art. 6 EGG
und ergänzendem kantonalen Recht.
1. Streitwert beim Prozess über Grundeigentum (Erw. 1).
2. Prätendentenstreit zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Käufer, der die rechtswirksame Ausübung des Vorkaufsrechts bestreitet. Ist der Vorkaufsberechtigte bereits im Grundbuch eingetragen, so ist der Käufer bei Einwilligung des Verkäufers auch zum Begehren um Grundbuchberichtigung legitimiert.
Art. 975 ZGB
(Erw. 2).
3. Das Grundbuchamt hat den Verkauf erst dann nach
Art. 13 Abs. 3 EGG
den vorkaufsberechtigten Verwandten anzuzeigen, wenn er zur Eintragung angemeldet ist. Die Anmeldung eines in die Sperrfrist des
Art. 218 OR
(in der Fassung nach
Art. 50 EGG
) fallenden Verkaufes ist erst zulässig, wenn die zuständige Behörde ihn bewilligt hat.
Art. 965 und 966 ZGB
, 12 Abs. 1 GBV, 218ter OR (Erw. 3).
4. Die Ausübungserklärung nach
Art. 14 EGG
erfolgt rechtzeitig, wenn sie binnen der Monatsfrist, d.h. bis 24 Uhr des letzten Tages, an das Grundbuchamt adressiert der schweizerischen Post übergeben wird. Analoge Anwendung von
Art. 32 Abs. 3 OG
(Erw. 4).
5. Kann auf das Verwandten-Vorkaufsrecht mit Bezug auf einen konkreten Verkauf verzichtet werden? Frage offen gelassen. Jedenfalls fällt nur eine dem Grundbuchamt oder zu dessen Handen abgegebene Erklärung in Betracht (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 188
BGE 84 II 187 S. 188
A.-
Anton Bischoff, Landwirt in Aach-Tübach (Sankt Gallen), hatte 1952 durch Erbteilung ein landwirtschaftliches Heimwesen erworben. Mit Vertrag vom 3. Mai 1955 verkaufte er es der A.-G. für Kohlenförderung, St. Gallen, zum Preise von Fr. 208'000.--. Unter den "weitern Kaufsbestimmungen" wurde ausdrücklich erklärt: "Für diesen Kaufvertrag ist die Zustimmung des kantonalen Volkswirtschaftsdepartementes bezüglich vorzeitigen Verkauf (Kürzung der Sperrfrist) einzuholen".
B.-
Diese Zustimmung wurde am 12. Mai 1955 erteilt. Schon am 5. Mai hatte jedoch das Grundbuchamt Tübach die Anmeldung des Kaufvertrages gemäss
Art. 13 Abs. 3 EGG
den vorkaufsberechtigten Personen mitgeteilt, mit der Weisung, "innert Monatsfrist, von der Zustellung dieser Mitteilung an gerechnet, dem unterzeichneten Grundbuchamt mittels beigefügtem Zirkular schriftlich zu erklären", ob sie ihr Vorkaufsrecht geltend machen wollten.
BGE 84 II 187 S. 189
C.-
Olga Bischoff, Zürich, Schwester des Verkäufers, erhielt diese Mitteilung am 6. Mai 1955. Am 6. Juni 1955 liess sie die von ihr unterzeichnete Erklärung, sie übe ihr Vorkaufsrecht aus, in St. Gallen der Post übergeben. Das Grundbuchamt erhielt sie am 7. Juni 1955, liess gleichen Tages den Verkäufer die Anmeldung zur Eintragung der Vorkaufsberechtigten unterzeichnen und nahm diese Eintragung vor.
D.-
Hierauf klagte die A.-G. für Kohlenförderung (Käuferin) einerseits gegen den Verkäufer Anton Bischoff, anderseits gegen die nunmehr auf Grund ihres Vorkaufsrechtes eingetragene Eigentümerin Olga Bischoff.
Mit der ersten Klage verlangte sie, es sei ihr das verkaufte Heimwesen als Eigentum zuzusprechen, und sie sei zur Anmeldung der Eintragung des Eigentumsüberganges zu ermächtigen; eventuell sei der Verkäufer zu Schadenersatz (in noch zu bestimmender Höhe) zu verpflichten. Vor Bezirksgericht anerkannte Anton Bischoff den Hauptantrag dieser Klage; er ermächtigte die Klägerin, die Eintragung des Eigentumsübergangs auf sie anzumelden. Das Bezirksgericht Rorschach schrieb am 22. Dezember 1955 die Sache als dadurch erledigt ab.
Im vorliegenden zweiten Prozess erstrebt die A.-G. für Kohlenförderung eine Grundbuchberichtigung in dem Sinne, dass sie selbst an Stelle der Beklagten Olga Bischoff als Eigentümerin einzutragen sei. Sie begründet die Klage damit, die Beklagte habe vor und nach dem Abschluss des Kaufvertrages in mündlichen Verhandlungen sowohl gegenüber dem Verwaltungsratspräsidenten der Klägerin, Ettore Corazza, als gegenüber dem Verkäufer Anton Bischoff ihr Einverständnis mit dem Verkauf an die Klägerin erklärt und auf ihr Vorkaufsrecht vorbehaltlos und unwiderruflich verzichtet. Wenn das aber nicht genügte oder nicht nachweisbar wäre, hätte die Beklagte jedenfalls ihr Vorkaufsrecht wegen verspäteter Abgabe ihrer Erklärung verwirkt. Die Monatsfrist nach
Art. 14 Abs. 1 EGG
in Verbindung mit
Art. 77 Abs. 1 Ziff. 3 OR
sei am 6. Juni
BGE 84 II 187 S. 190
1957 abgelaufen. An diesem Tage, nicht erst am 7. Juni, hätte die Erklärung beim Grundbuchamt eintreffen müssen, weil es sich um ein Gestaltungsrecht, daher um eine empfangsbedürftige Erklärung handle.
Die Beklagte bestritt, jemals einen Verzicht auf ihr Vorkaufsrecht ausgesprochen zu haben. In rechtlicher Hinsicht machte sie geltend, zur Wahrung des Vorkaufsrechtes habe die Postaufgabe ihrer Ausübungserklärung am letzten Tage der Frist genügt. Im übrigen sei die Klägerin zu einer Grundbuchberichtigungsklage gar nicht legitimiert. Nach
Art. 975 Abs. 1 ZGB
habe nur derjenige ein Klagerecht, der durch einen Eintrag in seinen dinglichen Rechten verletzt sei. Ein solches Recht an der umstrittenen Liegenschaft habe die Klägerin nie erworben.
E.-
Das Bezirksgericht Rorschach hat die Klage mangels Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen. Es nahm an, die Klägerin könnte ein dingliches Recht an der Liegenschaft nur durch ein Urteil, das ihr gemäss
Art. 656 Abs. 2 ZGB
das Eigentum zugesprochen hätte, erworben haben. Einer Klageanerkennung ohne Urteil mit nachfolgender Abschreibung des Prozesses könne diese Wirkung nicht zukommen; es hätte der materiellen Beurteilung des Erwerbsanspruchs durch den Richter bedurft, um einen Eigentumsübergang ohne Grundbucheintrag zustande zu bringen. - Das Bezirksgericht fügte bei, die Klage wäre auch bei Bejahung der Legitimation abzuweisen, weil die Beklagte ihr Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt habe. Es sei heute ein allgemein anerkannter Grundsatz (wobei auf
BGE 81 IV 322
hingewiesen wird), dass eine Erklärung rechtzeitig erfolge, wenn sie am letzten Tag der Frist einer schweizerischen Poststelle übergeben werde.
F.-
Auf Appellation der Klägerin hat das Kantonsgericht St. Gallen die Klage am 7. Dezember 1956 gutgeheissen. Das Urteil bejaht die Aktivlegitimation der Klägerin, weil die Klageanerkennung im Prozess der Klägerin gegen Anton Bischoff mit dem darauf gestützten Abschreibungsbeschluss einem Urteil gleichzusetzen sei.
BGE 84 II 187 S. 191
Auf diesem Wege habe die Klägerin das Eigentum und damit auch das Recht zur Klage nach
Art. 975 ZGB
gegen die eingetragene Eigentümerin erworben. Dass diese Rechtsänderung erst während der Hängigkeit des vorliegenden Prozesses eingetreten sei, schade nichts, denn nach st. gallischem Prozessrecht genüge es, wenn die Aktivlegitimation bis zum Abschluss des Schriftenwechsels behauptet werde und bei Urteilsfällung zu Recht bestehe. - Entgegen dem erstinstanzlichen Urteil erachtet das Kantonsgericht das Vorkaufsrecht der Beklagten sodann für verwirkt, da sie die Ausübungsfrist von einem Monat nicht gewahrt habe. Es handle sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit der Zustellung an den Empfänger wirksam abgegeben sei. Daran ändere es nichts, dass als Empfänger eine Behörde (das Grundbuchamt) erscheine; denn der Grundbuchverwalter habe nach
Art. 14 Abs. 1 EGG
als Vertreter der Vertragsparteien zu handeln. Somit behalte die Ausübung des Vorkaufsrechtes den Charakter einer privaten, rechtsgeschäftlichen Erklärung. Auf diesen Sachverhalt lasse sich die prozessuale, für Eingaben an Behörden im allgemeinen geltende Regel, auf die sich auch
BGE 81 IV 322
beziehe, nicht ausdehnen. Bei diesem Ergebnis brauche nicht geprüft zu werden, ob die Beklagte ihr Vorkaufsrecht infolge Verzichtes überhaupt nicht gültig hätte ausüben können, auch wenn sie die ihr dazu angesetzte Frist eingehalten hätte.
G.-
Neben einer kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde, die das Kassationsgericht St. Gallen am 28. Juli 1957 abwies, legte die Beklagte gegen das Urteil des Kantonsgerichts die vorliegende Berufung an das Bundesgericht ein mit dem Antrag auf Abweisung der Klage, eventuell Rückweisung der Sache zu neuer Beurteilung.
Die Klägerin trägt auf Bestätigung des angefochtenen Urteils an. Eventuell, wenn den Erwägungen des Kantonsgerichts nicht gefolgt würde, wäre nach ihren Ausführungen die Rückweisung der Sache zur Abklärung der Verzichtsfrage geboten.
BGE 84 II 187 S. 192
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Streit geht um das Eigentum an einer Liegenschaft. Deren Wert macht daher den Streitwert aus. Er würde, nach dem Kaufpreis bemessen, Fr. 208'000.-- und nach den Angaben der Berufungsschrift Fr. 210'000.-- betragen. Jedenfalls ist der für die Berufung an das Bundesgericht, und zwar mit mündlicher Parteiverhandlung, erforderliche Streitwert von Fr. 8000.-- erreicht.
2.
Die vorliegende Klage stellt sich nach dem Antrag als Grundbuchberichtigungsklage im Sinne von
Art. 975 ZGB
dar. Zu einer solchen Klage ist nach dem Gesetzestext befugt, wer durch einen ungerechtfertigten Eintrag in seinen dinglichen Rechten verletzt ist. Ebenso dient diese Klage zum Schutze vorgemerkter sowie solcher dinglicher Rechte, die durch den beanstandeten Eintrag indirekt betroffen werden (OSTERTAG, 2. Aufl., N. 15-18, und HOMBERGER, 2. Aufl., N. 13-17 zu
Art. 975 ZGB
). Als blosse Käuferin befand sich die Klägerin zunächst in keiner derartigen Rechtsstellung. Der Kaufvertrag gab ihr nur einen persönlichen Anspruch auf Eintragung, und der bei Weigerung des Eigentümers entstehende Anspruch auf gerichtliche Zusprechung des Eigentums lässt den Käufer ebenfalls nicht als sogleich dinglich Berechtigten erscheinen, da ihm erst das gerichtliche Urteil das Eigentum zuweisen soll (
Art. 665 Abs. 1 ZGB
). Als Eigentumserwerbsakt kommt daher für die Klägerin nur die erfolgreiche Beendigung des Prozesses gegen den Verkäufer in Betracht. Abgesehen von der unter den Parteien umstrittenen Frage aber, ob ein gerichtlicher Vergleich oder eine gerichtliche Klageanerkennung, also ein Willensakt ohne materielle gerichtliche Überprüfung des Anspruches auf Eigentumserwerb, die Wirkung einer gerichtlichen Eigentumszusprechung haben könne, ist zweifelhaft, ob sich im Prozess gegen den Verkäufer, und wäre es auch durch Urteil, ein Eigentumsübergang auf die Käuferin überhaupt bewirken liess, nachdem jener über das Grundstück zugunsten
BGE 84 II 187 S. 193
einer Drittperson, der Beklagten, verfugt hatte und diese im Grundbuch eingetragen worden war.
Wie dem auch sein mag, ist indessen die Aktivlegitimation der Klägerin aus folgenden Gründen zu bejahen:
Die Klage mündet zwar nach ihrem Antrag in eine Grundbuchberichtigungsklage aus, ist aber nach ihrer Begründung in erster Linie eine Prätendentenklage der Käuferin gegen die gestützt auf ein Vorkaufsrecht in den Kaufvertrag eingetretene Dritte, die ihr den Erwerbsanspruch streitig gemacht hat. Normalerweise haben sich die beiden Ansprecher auseinanderzusetzen, bevor der eine von ihnen im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen wird.
Art. 14 Abs. 1 EGG
verpflichtet denn auch das Grundbuchamt, die Erklärung über die Ausübung eines Vorkaufsrechts den Vertragsparteien mitzuteilen, also auch dem Käufer (vgl. dazu A. COMMENT, Le droit de préemption agricole, ZBGR 39/1958 S. 22). Der Verkäufer wird sich dazu in der Regel neutral verhalten, und es kommt daher, wenn ein Vorkaufsrecht geltend gemacht wird, der Käufer aber dessen gültige Ausübung bestreitet, zum Prätendentenstreite, nach dessen Beendigung erst der Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen wird, und zwar auf den obsiegenden Prätendenten. Im vorliegenden Falle wurde die Beklagte nur deshalb vor der Auseinandersetzung mit der Klägerin eingetragen, weil der Grundbuchverwalter, sobald er im Besitz ihrer Ausübungserklärung war, beim Verkäufer die Bewilligung zur Eintragung des Eigentumsüberganges auf sie einholte und erhielt, ohne dass die Stellungnahme der Klägerin abgewartet wurde. Da sie aber die gültige Ausübung des Vorkaufsrechtes bestritt, blieb ihr die Durchführung des Prätendentenstreites gegen die Beklagte vorbehalten, um entscheiden zu lassen, ob deren Erwerbsanspruch zu schützen sei oder nicht, wovon es abhängt, ob der bestehende Eigentumseintrag zu Recht besteht oder als ungerechtfertigt zu gelten hat. Der bei ungültiger Ausübung des Vorkaufsrechts sich ergebende Anspruch auf Grundbuchberichtigung stand an und für
BGE 84 II 187 S. 194
sich dem Verkäufer zu, dessen Eintrag durch denjenigen der Beklagten ersetzt wurde. Die Aktivlegitimation der Klägerin ist jedoch auch in dieser Hinsicht gegeben, nachdem der Verkäufer die von ihr gegen ihn erhobene Klage anerkannt hat. Denn abgesehen von der oben offen gelassenen Frage, ob dieser Anerkennung Urteilswirkung zukomme, ist darin die Erklärung des Verkäufers enthalten, es stehe der Käuferin anheim, den Anspruch auf Berichtigung des Eigentumseintrages zu erheben und, wenn dieser Anspruch geschützt würde, unmittelbar sich selbst als Eigentümerin eintragen zu lassen.
3.
Somit ist zu prüfen, ob die Beklagte ihr Vorkaufsrecht wegen verspäteter Geltendmachung verwirkt habe, so dass sich ihre auf dieses Recht gestützte Eintragung als ungerechtfertigt erwiese. Dabei stellt sich in erster Linie die Frage, ob der Grundbuchverwalter befugt gewesen sei, die Frist den vorkaufsberechtigten Verwandten des Verkäufers zur Stellungnahme schon am 5. Mai 1955 anzusetzen, obwohl der in die Sperrfrist des
Art. 218 OR
(in der Fassung nach
Art. 50 EGG
) fallende Kaufvertrag noch der behördlichen Bewilligung bedurfte und sie erst am 12. Mai erhielt. Diese Frage wurde zwar im kantonalen Verfahren von keiner Seite aufgeworfen. Sie betrifft aber die Rechtsfolgen festgestellter Tatsachen, ist also eine vom Bundesgericht im Rahmen der Parteianträge von Amtes wegen zu beurteilende Rechtsfrage (
Art. 63 Abs. 1 und 3 OG
).
Das Vorkaufsrecht der Verwandten nach EGG und ergänzendem kantonalen Recht (
Art. 6 Abs. 2 EGG
) untersteht nicht dem
Art. 681 Abs. 2 und 3 ZGB
. Nach spezialgesetzlicher Ordnung hat die Urkundsperson dem Grundbuchverwalter ein von der zuständigen kantonalen Behörde beglaubigtes Verzeichnis solcher vorkaufsberechtigter Personen einzureichen. Und diesen hat alsdann der Grundbuchverwalter "die Anmeldung eines Kaufvertrages unverzüglich mitzuteilen, unter Hinweis auf die Frist zur Geltendmachung des Vorkaufsrechts" (
Art. 13 Abs. 1 und 3 EGG
). Diese Fristansetzung ist somit erst zulässig, wenn
BGE 84 II 187 S. 195
der Kaufvertrag beim Grundbuchamte zur Eintragung angemeldet worden ist. Nichts anderes meint
Art. 14 Abs. 1 EGG
, wenn er ungenau auf die "Mitteilung vom Abschluss des Kaufvertrages" Bezug nimmt. Diese Vorschrift knüpft an die vorausgehende an, die eindeutig als Gegenstand der Mitteilung an die Vorkaufsberechtigten die Anmeldung des Kaufvertrages bezeichnet (vgl. auch den französischen Text von
Art. 13 Abs. 3 EGG
: "Dès que l'inscription de la vente a été requise, le conservateur ... avisera ..."). Zu beanstanden ist daher der Text des vom Grundbuchamte verwendeten Formulars "Mitteilung an die Vorkaufsberechtigten ...", wonach ihnen Kenntnis gegeben wird, "dass ... seine landwirtschaftliche Liegenschaft ... zu verkaufen beabsichtigt". Massgebend ist, dass nach der erwähnten gesetzlichen Vorschrift die Anzeige an die Vorkaufsberechtigten mit Fristansetzung erst nach Eingang der Anmeldung des Kaufvertrages erfolgen darf. Und zwar fällt nur eine Anmeldung in Betracht, die als formell gültige Grundlage der Eintragung erscheint. Sie muss nach
Art. 12 Abs. 1 GBV
unbedingt und vorbehaltlos sein und sich nach
Art. 965 ZGB
auf den Ausweis über (das Verfügungsrecht und) den Rechtsgrund stützen. Fehlt es an einem genügenden Ausweis über den Rechtsgrund, so ist die Anmeldung nach
Art. 966 Abs. 1 ZGB
abzuweisen, ohne dass auch nur eine vorläufige Eintragung nach Abs. 2 daselbst in Frage käme. Bei Kaufverträgen, die in die gesetzliche Sperrfrist nach
Art. 218 OR
fallen, bedarf der Rechtsgrundausweis einer besondern Ergänzung. Solche Verträge sind, solange die behördliche Ausnahmebewilligung aussteht, "nichtig und geben kein Recht auf Eintragung in das Grundbuch" (
Art. 218ter OR
). Daher ist die Anmeldung erst zulässig, wenn ihr als Beleg ausser dem öffentlich beurkundeten Vertrag eine amtliche Bescheinigung über die behördliche Bewilligung beigelegt werden kann. Das traf im vorliegenden Fall erst am 12. Mai 1955, dem Tag der Erteilung dieser Bewilligung, zu, so dass eine frühere Anmeldung verfrüht war und mangels der
BGE 84 II 187 S. 196
unerlässlichen formellen Ausweise auch nicht Gegenstand einer Anzeige nach
Art. 13 Abs. 3 EGG
bilden konnte. Übrigens ist gar nicht festgestellt und aus den Akten nicht ersichtlich, dass das Grundbuchamt am 5. Mai überhaupt im Besitz einer solchen (mangelhaften) Anmeldung (Eintragungsbewilligung des Verkäufers) war, deren es (als materieller Verfügung über das Grundeigentum zur Erfüllung der im Kaufvertrag eingegangenen Verpflichtung) auch in den Kantonen bedarf, welche die Vertragsbeurkundung dem Grundbuchamt zugewiesen haben. Jedenfalls durfte mangels einer gehörig belegten Anmeldung die Anzeige mit Fristansetzung an die Beklagte am 5. Mai 1955 noch nicht ergehen. Dies um so weniger, als eine in die Sperrfrist fallende Veräusserung bisweilen nur unter bestimmten Bedingungen bewilligt wird, die auch ein in den Vertrag eintretender Vorkaufsberechtigter einhalten muss, und sich die Behörde mitunter für den Fall des Eintritts eines Vorkaufsberechtigten die nochmalige Entscheidung vorbehält. Über diese Modalitäten der Bewilligung sind die vorkaufsberechtigten Verwandten in der grundbuchamtlichen Anzeige ebenso zu orientieren wie über die für ihre Entschliessung wesentlichen Bestimmungen des Kaufvertrages (wozu vgl. JOST, N. 3 zu
Art. 13 EGG
; COMMENT, Le droit de préemption agricole, a.a.O. S. 18;
BGE 83 II 517
ff.). Nach alldem konnte die Monatsfrist gegenüber der Beklagten frühestens am 12. Mai beginnen, ist also durch die am 6. Juni zur Post gegebene, am 7. Juni beim Grundbuchamt eingetroffene Erklärung auf alle Fälle eingehalten.
Dass die Beklagte aus Rechtsunkenntnis sich an die Fristansetzung, wie das Grundbuchamt sie vornahm, halten zu müssen glaubte, kann ihr nicht schaden. Vielmehr muss ihr die gesetzliche Ordnung zugute kommen, wonach die unabänderlich auf einen Monat bemessene Frist nicht vor dem 12. Mai beginnen konnte.
Für den Fristbeginn ist belanglos, ob die behördliche Bewilligung sicher in Aussicht steht. Hier war dies übrigens
BGE 84 II 187 S. 197
nicht der Fall, da die Klägerin sich nicht landwirtschaftlich betätigt. Die Behörde fand sich, wie aus der Begründung ihrer Verfügung hervorgeht, zur Erteilung der Bewilligung deshalb bereit, weil die Klägerin die Kaufliegenschaft einem Landwirt verpachten will.
4.
Bei dieser Sachlage entfällt die von den Parteien gestützt auf Rechtsgutachten erörterte Frage, ob die Ausübungserklärung der Beklagten bei Berechnung der Frist vom 6. Mai 1955 an am 6. Juni 1955 als dem letzten Tag der Frist hätte beim Grundbuchamt eintreffen müssen, oder ob es hiefür genügte, dass sie an diesem Tage an das Grundbuch adressiert bei einem schweizerischen Postamt aufgegeben wurde. Entgegen der Ansicht der Klägerin erweist sich die Ausübungserklärung auch bei dieser Berechnung des Fristenlaufes als rechtzeitig. Freilich hat man es bei der Ausübung des Vorkaufsrechtes mit einer jemand anderem (nämlich nach den erwähnten Vorschriften des EGG dem Grundbuchamt) abzugebenden, also mit einer "empfangsbedürftigen" Willenserklärung zu tun. Damit ist aber nicht entschieden, welche Handlung oder sonstige Tatsache binnen der zur Abgabe der Erklärung angesetzten Frist erfolgen muss. Bei rechtsgeschäftlichen Erklärungen unter Abwesenden gilt allerdings grundsätzlich die Empfangstheorie, wie sie
Art. 3 Abs. 2 OR
für die Annahme von Vertragsofferten anerkennt und wonach die Erklärung vor Ablauf der dafür eingeräumten Frist beim Destinatär eintreffen muss (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER, N. 15 der Vorbem. zu
Art. 3-10 OR
; GUHL, OR § 13 III/IV; siehe auch
Art. 1 Abs. 4 VVG
; hinsichtlich der Anwendung dieses Grundsatzes auf andere befristete Willenserklärungen, namentlich Kündigungen: v. TUHR, OR, § 22 VI; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 9, und BECKER, N. 8 zu
Art. 267 OR
). Diese in
BGE 73 II 168
Mitte auch auf die Ausübung eines Vorkaufsrechts nach
Art. 681 ZGB
angewendete Regel ist immerhin dispositiver Natur. Es besteht somit Raum für abweichende Vereinbarungen und Übungen, wie sie denn auch in bestimmten Berufs- und Gewerbekreisen
BGE 84 II 187 S. 198
anzutreffen sind und in Geschäftsbedingungen und Vertragsformularen Ausdruck finden. Namentlich wird dabei etwa auf das Datum der Postaufgabe abgestellt. Doch ist nicht zu ersehen, dass sich für die Beklagte auf privatrechtlichem Boden eine solche Abweichung vom "Empfangsprinzip" rechtfertigen liesse. Was nun aber die Postaufgabe vom 6. Juni 1955 auf alle Fälle als den für die Fristwahrung genügenden Akt erscheinen lässt, ist der Umstand, dass die Erklärung nicht einer Privatperson, sondern dem Grundbuchamt abzugeben war, gemäss dem in
Art. 13 und 14 EGG
vorgeschriebenen amtlichen Verfahren. Es drängt sich auf, für die Frage der Wahrung dieser amtlich anzusetzenden Frist die im Verfahrensrecht des Bundes (insbesondere
Art. 32 Abs. 3 OG
) und in zahlreichen Prozessgesetzen der Kantone aufgestellte, geradezu allgemeines schweizerisches öffentliches Gewohnheitsrecht gewordene Regel anzuwenden, wonach es zur Wahrung einer Frist für Eingaben an Behörden und andere amtliche Stellen genügt, wenn der an die betreffende Stelle adressierte Brief noch binnen der Frist der schweizerischen Post übergeben worden ist (vgl. auch
BGE 81 IV 321
). Und zwar ist als Endpunkt der gemäss Art. 13/14 EGG dem Vorkaufsberechtigten anzusetzenden Monatsfrist das Ende (24 Uhr) des letzten Tages zu betrachten, entsprechend
Art. 32 Abs. 3 OG
, also abweichend von einzelnen kantonalen Prozessgesetzen wie auch von dem durch
Art. 169 OG
aufgehobenen
Art. 31 Abs. 3 SchKG
, wonach die Frist für Eingaben an Behörden am letzten Tag um 18 Uhr ablief. Dieser Betrachtungsweise lässt sich nicht mit Fug entgegenhalten, die beim Grundbuchamt abzugebende Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechtes diene der Wahrung privater Ansprüche und habe daher rechtsgeschäftlichen Charakter wie eine dem allgemeinen Recht des
Art. 681 ZGB
unterstehende Erklärung; somit sei das Grundbuchamt nur als gesetzlicher Vertreter der Beteiligten zu betrachten. Gewiss geht es um die Geltendmachung eines Privatpersonen zustehenden gesetzlichen Vorkaufsrechts.
BGE 84 II 187 S. 199
Aber dafür schreibt das EGG im Unterschied zum allgemeinen Recht des ZGB (Art. 681/82) und des OR (Art. 216 Abs. 3) eben das vom Grundbuchverwalter durchzuführende Verfahren vor. Damit wird die Einholung der Ausübungserklärungen zu einem Teil der Grundbuchführung, nämlich der sich an den Eingang der Anmeldung des Kaufvertrages anschliessenden Massnahmen des Grundbuchamtes. Dieses erlässt die Mitteilung und Fristansetzung nach Art. 13/14 EGG denn auch in eigenem Namen als Behörde (Amtsstelle), nicht als gesetzlicher Vertreter des Verkäufers oder des Käufers. Es handelt sich somit um eine amtliche Verfügung gleichwie etwa die Ansetzung der Frist zum Rechtsvorschlag oder zur Bestreitung des Lastenverzeichnisses durch ein Betreibungsamt. Hier wie dort tut der in der Verwirklichung privater Ansprüche bestehende Zweck des Verfahrens seinem amtlichen Charakter keinen Abbruch. Wer als Vorkaufsberechtigter eine solche grundbuchamtliche Einladung zur Stellungnahme unter Fristansetzung erhält, betrachtet deshalb mit Recht die ihm obliegende Erklärung als Eingabe an eine Behörde, was die Heranziehung der in
Art. 32 Abs. 3 OG
formulierten Regel zur Auslegung der
Art. 13 und 14 EGG
vollauf rechtfertigt. In gleichem Sinne hat sich übrigens bereits ein Kreisschreiben des eidg. Justiz- und Polizeidepartementes vom 6. Dezember 1917 (BBl 1917 IV S. 877 ff., Ziff. 3) zur Anwendung des
Art. 108 ZGB
(Einspruch gegen die Eheschliessung) ausgesprochen.
5.
Zu prüfen bleibt, ob die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen sei zur Beweiserhebung über den von der Klägerin behaupteten Verzicht der Beklagten auf die Ausübung ihres Vorkaufsrechts. Die Behauptung geht dahin, die Beklagte habe wiederholt, namentlich am 18. April und am 17. Mai 1955, in telefonischer Besprechung mit dem Verwaltungsratspräsidenten der Klägerin ihr Einverständnis mit dem Kauf der Liegenschaft durch diese und den Verzicht auf ihr Vorkaufsrecht erklärt. Im gleichen Sinn habe sie sich gegenüber dem Verkäufer Anton Bischoff
BGE 84 II 187 S. 200
geäussert, als sie ihn im Kantonsspital St. Gallen besucht habe, und Bischoff habe dies wieder der Klägerin mitgeteilt.
Nach herrschender Lehre bedarf die Aufhebung eines gesetzlichen Vorkaufsrechts der öffentlichen Beurkundung und der Eintragung in das Grundbuch gemäss
Art. 680 Abs. 2 ZGB
(JOST, N. 3 zu
Art. 6 EGG
mit Zitaten). Dagegen wird der Verzicht auf die Ausübung eines solchen Vorkaufsrechts im einzelnen Vorkaufsfall, nach dessen Eintritt, als formlos zulässig betrachtet (JOST, a.a.O. und N. 6 zu
Art. 7 EGG
). Gegenüber diesem zweiten Fall eines Verzichtes, wie er hier allein behauptet wird, erheben sich Bedenken, wenn ein Vorkaufsrecht von Verwandten nach EGG in Frage steht. Denn wenn die Liegenschaft an jemand veräussert wird, der mit dem Vorkaufsberechtigten nicht auch verwandt ist, läuft der Verzicht auf Ausübung bei diesem Verkauf auf die endgültige Aufgabe des Vorkaufsrechtes hinaus. Allerdings kann dieses Recht auch bei Versäumung der für die Ausübung eingeräumten Frist nicht mehr wirksam zur Geltung kommen, was man als stillschweigenden Verzicht bezeichnen mag. Dabei stand aber dem Berechtigten die Überlegungsfrist ganz zur Verfügung. Die an die Versäumung der Frist geknüpfte Verwirkungsfolge besagt nicht, dass schon während der Frist ein Verzicht in jeder Form habe verbindlich ausgesprochen werden können. Verneint man die Zulässigkeit eines solchen Verzichtes, so bleibt die Ausübungserklärung der Beklagten gültig, auch wenn vorher eine (eben nicht rechtsverbindliche) Verzichtserklärung abgegeben worden sein sollte.
Aber auch wenn man die Möglichkeit eines rechtsverbindlichen, unwiderruflichen Verzichtes nach Eintritt des Vorkaufsfalles bejaht, könnte doch nach der in den
Art. 13 und 14 EGG
getroffenen Ordnung nur ein beim Grundbuchamt oder zu dessen Handen erklärter und ihm tatsächlich übermittelter Verzicht in Betracht kommen. Denn nach den erwähnten spezialgesetzlichen Vorschriften ist die Feststellung, ob die betreffenden Vorkaufsrechte ausgeübt
BGE 84 II 187 S. 201
werden oder auf die Ausübung verzichtet werde, Aufgabe des Grundbuchamtes. Mit Recht werden daher die Berechtigten laut dem vom Grundbuchamt verwendeten Mitteilungsformular ersucht, diesem Amte binnen Monatsfrist schriftlich zu erklären, "ob Sie das Vorkaufsrecht geltend machen, evtl. zu welchem Preis, oder ob Sie auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes verzichten". Im vorliegenden Falle hat das Grundbuchamt keine Verzichtserklärung erhalten, und es ist gar nicht behauptet worden, die Beklagte habe ihre angeblich an die Klägerin gerichtete Verzichtserklärung zu Handen des Grundbuchamtes abgegeben, was übrigens der guten Ordnung halber in einem Schriftstück hätte geschehen sollen, das dem Grundbuchamt hätte als von der verzichtenden Person ausgestelltes Beleg übermittelt werden können. Nachdem das Verfahren vor dem Grundbuchamt keinen Verzicht ergeben, sondern zur vorbehaltlosen und, wie dargetan, rechtzeitigen Ausübung des Vorkaufsrechtes geführt hatte, war die Beklagte rechtswirksam in den Kaufvertrag eingetreten. Diese Rechtsgestaltung lässt sich nicht entkräften durch einen Verzicht, der dem Grundbuchamt nicht, jedenfalls nicht vor der Ausübungserklärung, eingereicht worden ist.
Vorbehalten bleibt die Frage, ob ein ausserhalb des grundbuchlichen Verfahrens der
Art. 13 und 14 EGG
erklärter und daher unbeachtlicher Verzicht immerhin die Grundlage von Schadenersatzansprüchen, etwa aus dem Gesichtspunkt arglistig oder leichtfertig gegebener Zusicherungen, bilden könne, was die vorliegende Klage nicht geltend macht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichtes des Kantons St. Gallen vom 7. Dezember 1956 aufgehoben und die Klage abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
62f2715a-f7b9-4fc4-9eea-dd68baf66bb5 | Urteilskopf
81 II 598
91. Extrait de l'arrêt rendu par la IIe Cour civile le 13 décembre 1955 dans la cause Wolff contre de Quay et Ribordy. | Regeste
1. La copropriété assortie de servitudes de jouissance en laquelle les intéressés ont transformé, par convention, une propriété par étages de l'ancien droit civil cantonal est régie par les dispositions du code civil suisse (art. 650, 781 CC, 17, 45 Tit. fin. CC, 114 ORF).
2. Le droit de demander qu'il soit mis fin à la copropriété n'est pas exclu même lorsque celle-ci a remplacé une propriété par étages de l'ancien droit civil cantonal (art. 650 CC).
3. Le droit fédéral ne prescrit pas la forme authentique pour les conventions par lesquelles les intéressés transforment une propriété par étages de l'ancien droit civil cantonal en une copropriété. La forme écrite à laquelle les parties ont recouru est suffisante (art. 657 CC, 114 ORF).
4. Renvoi de la cause à la juridiction cantonale pour juger si l'une des parties peut se prévaloir d'une erreur essentielle (art. 24 CO). | Sachverhalt
ab Seite 599
BGE 81 II 598 S. 599
A.-
L'immeuble rue du Château 12 à Sion, qui se compose d'une maison d'habitation et du terrain attenant, était propriété d'Adolphe de Courten. Au décès de celui-ci, l'immeuble a passé à ses deux filles Julie et Léonie, qui ont partagé par étages la propriété de la maison d'habitation au sens de l'ancien droit valaisan, par acte du 6 décembre 1887. La propriété de la première comprenait trois salles au rez-de-chaussée, le premier étage ainsi que des locaux dans les caves et galetas, et celle de la seconde, trois salles au rez-de-chaussée, le second étage et également divers locaux dans les caves et galetas. En 1925, Jean Wolff a acheté la part de Julie; au décès de ce dernier, survenu en 1944, la part qu'il avait acquise est revenue à ses héritiers. Quant à la part de Léonie, ce sont ses deux filles, dame Marie de Quay-Ribordy et demoiselle Marthe Ribordy, qui en ont hérité en 1935.
Lors des travaux destinés à préparer l'introduction du registre foncier fédéral à Sion, les organes chargés de cette tâche se sont adressés aux propriétaires de l'immeuble précité et les ont invités à passer une convention pour "la transformation de la propriété par étage en copropriété, conformément à l'art. 58 de l'Ordonnance du Conseil d'Etat du 17 avril 1920 concernant la tenue du registre foncier". Cette convention a été signée par Jean Wolff le 21 janvier 1943 et par dame de Quay-Ribordy et demoiselle Ribordy le 9 mars 1945, soit après le décès de Jean Wolff. Elle a la teneur suivante:
"Le bâtiment est reconnu copropriété indivise des soussignés, dans la proportion et avec les servitudes de jouissance perpétuelle et transmissibles, afférentes suivantes; ce, en conformité de l'article 781 du CCS et sur la base du plan sommaire annexé.
Il est de plus convenu entre les copropriétaires du bâtiment, en application des articles 647 et 648 du CCS, que chacun d'eux est autorisé à faire, pour son propre compte et sans en référer à
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ses copropriétaires, toutes les réparations d'entretien et modifications utiles dans les locaux dont il a la jouissance. Cette autorisation ne s'étend pas, toutefois, aux grosses réparations affectant les murs principaux et les escaliers aux passages communs du bâtiment, ni aux changements importants dans la destination des locaux. Dans ces derniers cas, le consentement des copropriétaires devra être requis, les dispositions de l'article 176 (503) de la loi d'application demeurant réservées.
A. Détermination des quote-parts à l'immeuble:
a) Wolff Jean d'Edouard: pour 3/5
b) de Courten Léonie d'Adolphe, épouse de Ribordy Henri: pour 2/5
B. Servitudes actives transmissibles affectant l'immeuble: Droits
a) Wolff Jean: jouissance exclusive de: caves No 1 et 2, caveaux No 4 et escaliers de cave No 5; rez-de-chaussée: buanderie No 8, réduit No 10, salles No 13 et 14, escalier de cave No 17; 1er étage, appartement No 20; 3e étage, appartement No 24, galetas No 27 et tourelle No 28.
b) de Courten Léonie: jouissance exclusive de cave No 3, caveau et escalier No 6; rez-de-chaussée, salles No 7, 15 et 16; entrée de cave No 12; 2e étage, appartement No 22; 3e étage, appartement No 25 et galetas No 29.
c) Wolff Jean et de Courten Léonie: jouissance en commun: rez-de-chaussée, couloir No 9, fosse et couloir No 11; corridor d'entrée et escalier No 18; escaliers et paliers jusqu'au 3e étage No 21, 23 et 26; place au couchant du bâtiment No 30. Sur le No 30 place, entrée de cave en jouissance au propriétaire de la cave No 1."
Sur la base de cette convention, l'inscription suivante a été portée au registre foncier, aux Nos 323 et 326, folio 4:
"Propriétaires: de Courten Léonie épouse de Ribordy Henri pour 1/3; Wolff Jean l'hoirie pour 2/3.
No 323 folio 4, En Ville, inculte de 672 m2.
No 326 folio 4, En Ville, habitation de 313 m2.
... Pour les servitudes de jouissance de copropriété concernant le 326, voir convention 91."
Le registre foncier fédéral est entré en vigueur dans la commune de Sion le 1er juillet 1953.
B.-
Des contestations ont surgi entre les parties, dans le courant de l'année 1953, au sujet des travaux entrepris par les hoirs Wolff pour l'installation du chauffage au mazout dans leurs locaux et du déplacement de la canalisation d'égout. A la suite de ces difficultés, les hoirs Wolff, invoquant l'art. 650 CC et la convention du 21 janvier 1943 /9 mars 1945, ont demandé la suppression de la copropriété et ont ouvert action à cet effet contre dame
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de Quay-Ribordy et demoiselle Ribordy en prenant les conclusions suivantes:
"1.- La licitation des parcelles No 323 et 326 du Registre foncier de Sion est ordonnée entre les parties, sur la base que le Tribunal dira au vu des expertises.
2.- Les défenderesses sont condamnées aux frais. Subsidiairement: Les parcelles ci-dessus seront vendues aux enchères publiques et le produit réparti sur la base que le Tribunal dira au vu des expertises".
Les défenderesses ont conclu principalement au rejet de la demande, faisant valoir que la suppression de la propriété collective ne pouvait pas être requise lorsque la copropriété n'avait été créée que comme un prolongement de la propriété par étages et en vue de permettre l'inscription de celle-ci au registre foncier. Elles ont allégué en outre qu'elles avaient signé la convention alors que Jean Wolff était décédé et que celle-ci n'était dès lors pas valable, qu'elle était de plus atteinte d'un vice de forme et entachée d'une erreur essentielle; elles ont en conséquence conclu subsidiairement et reconventionnellement à ce que cette convention fût déclarée nulle et non avenue. Par jugement du 25 mai 1955, le Tribunal cantonal du canton du Valais a rejeté l'action des hoirs Wolff.
C.-
Les demandeurs ont recouru en réforme au Tribunal fédéral contre ce jugement et ont conclu à ce qu'il fût prononcé:
"La licitation des parcelles No 323 et 326 du Registre foncier de Sion est ordonnée entre les parties sur la base que le Tribunal dira, au vu des expertises. Sinon elles seront vendues aux enchères publiques...
Subsidiairement: La fin de la copropriété de la parcelle No 323 est ordonnée entre les parties, de la façon que le Tribunal dira."
Les intimées ont conclu principalement au rejet du recours et subsidiairement au renvoi de la cause au Tribunal cantonal "pour qu'il statue sur les conclusions des défenderesses tendant à ce que la transformation de la propriété par étages en copropriété-servitude soit déclarée nulle et non avenue et à ce que le rétablissement des anciens droits soit ordonné, ces droits devant être ensuite
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annotés au registre foncier, conformément à l'art. 45 du Titre final du CCS".
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Recevabilité du recours).
2.
Selon la Cour cantonale, la convention du 21 janvier 1943 /9 mars 1945 n'a pas eu pour effet de transformer la propriété par étages compétant aux parties, qui était régie par les dispositions du code civil valaisan, en une copropriété soumise au droit civil fédéral; il s'agit au contraire en l'espèce d'une copropriété sui generis du droit cantonal, grâce à laquelle la propriété par étages de l'ancien droit civil valaisan est mise en harmonie avec les prescriptions du droit fédéral concernant le registre foncier; l'art. 650 CC n'est dès lors pas applicable et la suppression de la copropriété ne peut pas être demandée en vertu de cette disposition.
Cette opinion est erronée. Aux termes de l'art. 45 al. 1 Tit. fin. CC, les droits de propriété par étages, qui existent lors de l'entrée en vigueur du droit civil fédéral mais qui ne peuvent plus être constitués à teneur des dispositions relatives au registre foncier, ne doivent pas être inscrits mais simplement mentionnés d'une manière suffisante dans ce registre. Toutefois, selon l'art. 114 al. 2 ORF, les lois cantonales d'introduction peuvent prescrire ou les intéressés peuvent convenir que ces droits seront inscrits d'une manière conforme aux prescriptions relatives au registre foncier et que, par exemple, ils seront portés dans ce registre comme droit de propriété sur le sol pour l'un des ayants droit et comme servitude personnelle transmissible au sens de l'art. 781 CC pour l'autre ayant droit. En outre, selon l'art. 45 al. 2 Tit. fin. CC, lorsque ces droits s'éteignent pour une cause quelconque, ils ne peuvent plus être rétablis. La loi valaisanne d'application du code civil ne prescrit pas que les droits de propriété par étages de l'ancien droit cantonal sont d'office inscrits au registre foncier d'une manière conforme aux règles relatives à ce
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registre. Elle laisse au contraire toute latitude aux intéressés de choisir soit le maintien de leurs droits de propriété par étages soit leur transformation en des droits susceptibles d'être inscrits au registre foncier, et règle ces deux éventualités de la façon suivante à son art. 268: "Ces droits ne sont pas inscrits au registre foncier, mais ils y sont annotés d'une manière suffisante, ou bien, à la requête des intéressés et ensuite d'accord intervenu entre eux, ils sont transformés en droits réels admissibles, tels que copropriété combinée avec une servitude, conformément à l'art. 781 CCS et inscrits comme tels."
En l'espèce, il ressort à l'évidence de l'inscription au registre foncier et de la convention sur laquelle celle-ci est fondée que c'est la seconde solution qui a été appliquée et que l'ancienne propriété par étages a été remplacée par une copropriété assortie de servitudes de jouissance. L'inscription indique clairement que les parties sont copropriétaires et aucune mention concernant des droits de propriété par étages, au sens de l'art. 45 al. 1 Tit. fin. CC, ne figure au registre foncier. En outre, le renvoi, qui est ainsi libellé "Pour les servitudes de jouissance de copropriété concernant le 326 voir Convention 91", désigne expressément le régime établi entre les parties comme étant celui de la copropriété. Par ailleurs, la convention est intitulée "Transformation de propriété par étage en copropriété" et dispose de façon précise que "le bâtiment est reconnu copropriété indivise des soussignés"; elle prévoit également que les servitudes de jouissance sont créées "en conformité de l'article 781 du C.c.s." et règle les pouvoirs d'administration et de disposition "des copropriétaires ... en application ... des articles 647 et 648 du C.c.s.". Ces références aux dispositions du code civil concernant les servitudes personnelles (art. 781) et les actes d'administration et de disposition des copropriétaires (art. 647 et 648) manifestent clairement que la convention suit la voie tracée par les art. 114 al. 2 ORF et 268 de la loi valaisanne d'application du code civil et transforme la propriété par étages de
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l'ancien droit valaisan en une copropriété soumise aux règles du droit civil fédéral. Il est vrai que le dernier alinéa de la convention réserve l'art. 503 du code civil valaisan qui demeure en vigueur, en vertu de l'art. 176 de la loi d'application, pour la réglementation, entre les propriétaires par étages, des réparations et reconstructions des gros murs, du toit, des plafonds et planchers, de l'escalier, etc. ... Ce renvoi ne revêt toutefois aucune signification pour la détermination de la nature juridique des rapports de droit établis par la convention, car les dispositions de l'art. 503 précité peuvent aussi bien s'appliquer, à la suite d'un accord entre les intéressés comme c'est le cas en l'espèce, à une copropriété assortie de droits de jouissance qu'à une propriété par étages.
A l'appui de son opinion, la Cour cantonale invoque l'art. 267 de la loi d'application du code civil à teneur duquel "les droits réels existants dont la constitution n'est plus permise par le droit nouveau, tels que droits de propriété sur les divers étages d'une maison ..., sont maintenus sous l'empire du droit nouveau". Elle fait état également de l'art. 270 de la même loi aux termes duquel "aussi longtemps que les divers étages d'une maison appartiennent à différents propriétaires, les dispositions y relatives du code civil valaisan sont applicables". Ces références ne sont cependant pas pertinentes, car les dispositions citées supposent que les anciens droits réels visés ont été maintenus tels quels, ce qui n'est pas le cas en l'espèce. Lorsque les intéressés, choisissant la seconde solution prévue par l'art. 268 de la loi d'application, ont transformé conventionnellement "en une copropriété combinée avec une servitude, conformément à l'art. 781 CCS", leurs droits de propriété par étages, ceux-ci s'éteignent et sont remplacés par les "droits réels admissibles" qui sont inscrits au registre foncier; dans ce cas, les dispositions destinées à régir les anciens droits réels ne sont pas applicables.
C'est à tort également que le Tribunal cantonal, pour fonder sa décision, fait état de l'art. 58 de l'Ordonnance
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du Conseil d'Etat concernant la tenue du registre foncier du 17 avril 1920 /12 septembre 1924. Cette disposition édicte précisément, sous litt. A, les prescriptions réglant la façon de procéder lorsque les propriétaires par étages "sont d'accord de transformer leurs droits en copropriété"; elle se réfère expressément à l'art. 781 CC au sujet de la nature des servitudes de jouissance transmissibles qui doivent être inscrites et à l'art. 682 CC quant au "droit de préemption en faveur de chaque copropriétaire", ce qui indique à l'évidence que la copropriété établie conventionnellement est soumise aux règles fédérales du code civil.
Ainsi, contrairement à l'avis de la juridiction cantonale, il n'y a pas de copropriété sui generis du droit cantonal instituée en vue de maintenir les droits de propriété par étages de l'ancien droit valaisan et de permettre leur inscription au registre foncier fédéral, en les adaptant formellement aux prescriptions relatives à ce registre sans les modifier quant au fond. Lorsque les intéressés, entre les deux solutions prévues par l'art. 268 de la loi cantonale d'application, savoir le maintien de leurs droits de propriété par étages et leur simple mention au registre foncier ou la transformation de ces droits en une copropriété assortie de servitudes de jouissance et susceptible d'être inscrite au registre foncier, choisissent le second parti, ils remplacent les anciens droits qui s'éteignent par une copropriété du droit civil fédéral. En tant qu'il soustrait la copropriété établie par la convention conclue entre les parties et inscrite au registre foncier à l'empire du droit fédéral pour la soumettre exclusivement au droit cantonal, le jugement attaqué viole dès lors le droit fédéral; il est, en particulier, contraire à l'art. 17 al. 2 Tit. fin. CC, à teneur duquel l'étendue de la propriété est réglée par le code civil dès son entrée en vigueur dans la mesure où une exception n'est pas prévue, car aucune réserve de ce genre n'est statuée en matière de copropriété.
3.
Se référant notamment à HAAB (Sachenrecht,
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note 4 à l'art. 650, p. 154, note 13 à l'art. 675, p. 359) et à la circulaire du Département fédéral de justice et police du 10 octobre 1951, la Cour cantonale considère que, s'agissant d'une copropriété qui provient de la transformation conventionnelle d'une ancienne propriété par étages, le droit d'en demander le partage est de toute façon exclu.
Cette opinion ne peut être admise. Dans le premier passage cité de son commentaire (note 4 à l'art. 650), HAAB ne fait que rapporter, sans prendre position, l'avis du Tribunal supérieur du canton de Zurich; de son côté, celui-ci se borne à affirmer sans autre explication, dans sa réponse à une demande de renseignements émanant du conservateur du registre foncier de Meilen (Revue suisse de jurisprudence, 15, 1918 /1919, p. 317-318) que le partage ne peut être demandé, en raison de l'affectation des parts de copropriété à un but durable au sens de l'art. 650 al. 1 CC, lorsqu'une propriété par étages est transformée en une copropriété susceptible d'être inscrite au registre foncier. C'est, d'autre part, à tort que la Cour cantonale fait état d'un autre passage de cet avis du Tribunal supérieur de Zurich, selon lequel la mise en gage et le transfert des droits de propriété par étages de l'ancien droit cantonal demeurent régis par ce dernier; il est évident, en effet, que les cas visés ici sont ceux où la propriété par étages a été maintenue sans modification sous l'empire du nouveau droit et non pas ceux dans lesquels elle a été transformée en une copropriété soumise aux dispositions du droit civil fédéral.
La seconde référence du jugement attaqué au commentaire de HAAB (note 13 à l'art. 675) n'est pas pertinente, car la note citée traite de la propriété par étages de l'ancien droit cantonal conservée telle quelle après l'entrée en vigueur du code civil suisse et non de la copropriété du droit fédéral que les intéressés sont convenus de lui substituer. Du fait que, selon l'art. 17 Tit. fin. CC, les droits réels existant lors de l'entrée en vigueur du code civil sont
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maintenus et continuent, dans le cas de l'al. 3 de cette disposition, à être régis par la loi ancienne, on ne peut tirer aucun argument en faveur de l'opinion selon laquelle le droit de demander la suppression de la copropriété est exclu lorsque celle-ci a remplacé une propriété par étages du droit cantonal.
Dans un autre passage de son commentaire que la Cour cantonale n'invoque pas (note 17 à l'art. 675, p. 360-361), HAAB déclare, à la vérité, que le droit d'exiger le partage est exclu dans les cas où il s'agit d'une copropriété combinée avec des servitudes personnelles qui a été constituée en lieu et place d'une propriété par étages de l'ancien droit cantonal. Il ne motive toutefois pas son affirmation mais se contente de renvoyer à l'art. 650 al. 1 CC ainsi qu'à l'avis du Tribunal cantonal zurichois rapporté ci-dessus.
L'opinion exprimée dans le même sens par GUHL lors de l'assemblée des conservateurs du registre foncier valaisans, le 31 août 1922, n'est également pas motivée. C'est aussi sans autre explication que la circulaire du Département fédéral de justice et police, du 10 octobre 1951, affirme que la loi (art. 650 al. 1 CC) interdit de demander la suppression de la copropriété combinée avec des servitudes personnelles de jouissance et constituée pour remplacer la propriété par étages, qu'il s'agisse de la transformation d'anciennes propriétés par étages du droit cantonal ou de la création de rapports juridiques nouveaux destinés à jouer le même rôle au point de vue économique que la propriété par étages, dont la constitution n'est pas possible sous l'empire du droit civil fédéral.
Dans son commentaire (Sachenrecht, note 22 à l'art. 675, p. 230), LEEMANN prétend, de son côté, que le droit de demander le partage d'une copropriété établie à la place d'une propriété par étages est exclu, car on est en présence d'une copropriété avec indivision forcée. Cet auteur a toutefois également défendu l'opinion contraire dans un article, publié il est vrai avant la deuxième édition de son commentaire, où il déclare que la transformation de la
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propriété par étages en copropriété favorise la suppression de l'indivision, car chaque intéressé peut en exiger le partage en vertu des art. 650 et 651 CC (Das Stockwerkeigentum, insbesondere seine Überleitung in das neue Recht, Revue suisse de jurisprudence, 10, 1913 /1914, p. 354).
Les auteurs qui ont étudié spécialement la propriété par étages et son remplacement par la copropriété combinée avec des servitudes personnelles de jouissance sont d'un avis différent de ceux dont les opinions viennent d'être rappelées et admettent que chacun des copropriétaires peut demander qu'il soit mis fin à la copropriété par application de l'art. 650 CC (BIELANDER, Das Stockwerkeigentum im Wallis und seine Überleitung in das neue Recht, p. 116; FLATTET, La propriété par étages et le droit suisse, p. 15; SATTIVA, Recherches sur la propriété par étages, p. 94; LIVER, Das Stockwerkeigentum - Umwandlung und Neubegründung, Schweiz. Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht, 1954, p. 70-71). Ce point de vue est exact. La copropriété assortie de servitudes de jouissance constituée par convention pour remplacer les droits de propriété par étages de l'ancien droit cantonal étant soumise aux dispositions du droit civil fédéral, chacun des copropriétaires, en vertu de l'art. 650 al. 1 CC, a le droit d'exiger le partage, à moins qu'il ne soit tenu de demeurer dans l'indivision en vertu d'un acte juridique ou en raison de l'affectation de la chose à un but durable. Ni l'une ni l'autre condition mise par cette disposition à l'exclusion du partage n'est réalisée en l'espèce.
De l'examen du texte de la convention conclue entre les parties, il ressort qu'elle ne contient aucune clause excluant le partage. La disposition qui stipule que la copropriété est indivise ne saurait en particulier être interprétée dans ce sens, mais signifie que l'objet de la propriété collective n'est pas divisé matériellement, les intéressés n'ayant que des quotes-parts idéales, ce qui constitue l'essence de la copropriété. De même, la qualification de la jouissance
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comme perpétuelle n'a pas le sens d'une interdiction de mettre fin à la copropriété; elle veut dire que la jouissance est liée de façon permanente à la copropriété et que celle-là compète aux intéressés pour toute la durée de celle-ci. Au demeurant, les parties n'auraient pas pu s'obliger définitivement et sans limite dans le temps à rester dans l'indivision, car le partage ne peut être exclu par convention, selon l'art. 650 al. 2 CC, pour une période supérieure à dix ans.
Le droit de demander qu'il soit mis fin à la copropriété n'est pas non plus exclu par l'affectation de la chose à un but durable au sens de l'art. 650 al. 1 CC. On ne saurait voir une affectation de la chose à un but durable dans l'attribution, par convention, de certaines parties d'un bâtiment (étages, dépendances, escaliers) à chacun des copropriétaires pour qu'il en ait la jouissance exclusive. Ce n'est en effet pas la chose comme telle qui est affectée à un but durable, mais ce sont des parties de celle-ci qui sont destinées à l'usage privatif des divers copropriétaires en vertu des servitudes qu'ils ont établies. En outre, au regard de la disposition impérative de l'art. 650 al. 2 CC à teneur de laquelle le partage ne peut être exclu par un acte juridique pour une période supérieure à dix ans, il n'est pas possible, par une convention affectant des parties d'une chose à la jouissance exclusive des différents copropriétaires, de supprimer le droit de ceux-ci de demander le partage de la copropriété.
Selon la jurisprudence (RO 77 II 240-241), on est en présence d'une affectation durable quand il s'agit de biens qui, de par leur nature, sont destinés à l'usage de deux ou plusieurs propriétaires de choses différentes, de telle sorte qu'ils ne puissent être partagés ni attribués à l'un d'eux sans préjudice pour l'autre ou les autres. Le but de l'art. 650 CC est d'empêcher que des installations, sur lesquelles deux ou plusieurs propriétaires possèdent un droit de copropriété et qui servent à leur usage commun puissent être soustraites à cette destination par l'un des intéressés
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au détriment des autres. Il n'est pas nécessaire de se prononcer en l'espèce sur la question de savoir si cette jurisprudence n'est peut-être pas, sous certains aspects, un peu étroite. Il suffit de relever qu'elle indique à juste titre que la notion de l'affectation de la chose à un but durable ne doit pas être interprétée de façon extensive mais restrictive, l'exclusion du partage n'étant qu'une exception au principe selon lequel nul n'est tenu de rester dans l'indivision, énoncé à l'art. 650 al. 1 CC. L'affectation de la chose à un but durable excluant le partage est donnée, par exemple, dans le cas des murs mitoyens, des murs limitrophes ou des clôtures, où il y a copropriété avec indivision forcée. Contrairement à l'opinion de LEEMANN (note 22 à l'art. 675 CC), dans la copropriété assortie de servitudes assurant aux divers intéressés la jouissance exclusive des parties d'un bâtiment qui leur sont attribuées, on n'est pas en présence d'une indivision forcée, car ces parties sont précisément affectées à l'usage non pas commun mais privatif des copropriétaires. Bien que les copropriétaires aient la jouissance en commun de certaines parties de l'immeuble, en l'espèce notamment de couloirs, escaliers et paliers, le bâtiment comme tel n'est pas affecté à l'usage commun des copropriétaires, mais ses différentes parties sont au contraire pour l'essentiel réservées, dans la mesure fixée par la convention, à un seul des copropriétaires à l'exclusion des autres. On ne peut pas non plus prétendre qu'il y ait affectation de la chose à un but durable du fait que le bâtiment est destiné à servir d'habitation, car celui-ci ne doit pas nécessairement de par sa nature être attribué, dans telles de ses parties, à un copropriétaire déterminé pour qu'il en jouisse à titre de logement et, dans telles autres, à un autre copropriétaire; ce but de l'immeuble, qui est d'être utilisé comme locaux d'habitation, n'est pas lié à la copropriété mais peut être aussi bien rempli si celle-ci est supprimée pour être, par exemple, remplacée par la propriété d'une seule personne.
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Il résulte de ce qui précède que le partage n'étant exclu ni par la convention ni par l'affectation de la chose à un but durable, le droit de demander qu'il soit mis fin à la copropriété, en vertu de l'art. 650 al. 1 CC, doit être admis.
4.
La question du sort des servitudes de jouissance à la suite du partage de la copropriété par la voie de la licitation n'a pas été soulevée en procédure. On peut dès lors se dispenser de la trancher.
5.
Les intimées font valoir que la convention n'est pas valable parce qu'elles l'ont signée après la mort de Jean Wolff et qu'il n'était pas "possible de contracter avec une personne décédée". Ce moyen est sans valeur et, pour le réfuter, il suffit d'observer que, les demandeurs ayant succédé à Jean Wolff dans tous ses droits et obligations, c'est envers eux que les défenderesses se sont obligées en signant la convention le 9 mars 1945.
6.
Invoquant l'arrêt RO 77 II 236, les intimées prétendent que, pour être valable, la convention devait revêtir la forme authentique; comme elle a été conclue sous seing privé, elle est entachée d'un vice de forme entraînant sa nullité. Cet argument n'est pas fondé. Dans cet arrêt, le Tribunal fédéral n'a pas jugé que l'acte mettant fin à une copropriété doit être fait en la forme authentique mais se borne, dans le passage auquel les défenderesses se réfèrent, à citer les considérants du jugement cantonal, lequel constatait que la convention écrite de la main d'un notaire n'avait pas été signée par lui ni par les témoins conformément à la loi cantonale alors en vigueur. On peut laisser indécise la question de savoir si un tel acte doit être conclu en la forme authentique, car la convention dont la validité est en l'espèce contestée a pour objet non pas la suppression d'une copropriété mais la transformation d'une propriété par étages de l'ancien droit cantonal en une copropriété du droit fédéral à l'occasion de l'introduction du registre foncier, conformément à l'art. 114 al. 2 ORF. Or, le droit fédéral ne prescrit pas une forme particulière pour les conventions de cette nature. Il s'agit en effet non pas
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de contrats ayant pour objet le transfert de la propriété qui, selon l'art. 657 al. 1 CC, doivent être faits en la forme authentique, mais d'actes conclus entre les titulaires de droits de propriété par étages pour remplacer ceux-ci par des droits susceptibles d'être inscrits au registre foncier. La forme écrite à laquelle les parties ont eu recours était dès lors suffisante au regard du droit fédéral.
7.
Les intimées font valoir enfin que la convention ne les lie pas parce qu'elles étaient dans une erreur essentielle lors de sa conclusion. Se fondant sur les dépositions du conservateur du registre foncier de Sion, d'un employé de celui-ci et du chef du service juridique cantonal du registre foncier, la Cour cantonale a considéré "que les organes chargés de procéder à l'introduction du registre foncier fédéral ... ont dû laisser croire aux intéressés que la signature de la convention ... ne modifiait pas la situation juridique de leur propriété par étages et qu'en tout cas le droit à la licitation était exclu". Bien qu'elle ait admis que l'exception fondée sur l'art. 24 ch. 4 CO ne paraissait pas dénuée de fondement, la juridiction cantonale ne s'est pas prononcée sur le moyen tiré de l'erreur ni sur les conclusions en découlant, parce qu'elle a rejeté les conclusions des demandeurs pour d'autres motifs.
Le droit de demander qu'il soit mis fin à la copropriété qui a remplacé une propriété par étages de l'ancien droit cantonal étant admis, contrairement à l'opinion qui a amené le Tribunal cantonal à rejeter la demande, il y a lieu de renvoyer la cause à celui-ci pour qu'il statue sur les conclusions des défenderesses tendantes à ce que la convention soit déclarée nulle pour cause d'erreur. Il lui incombera en particulier de juger si la convention litigieuse est entachée d'une erreur qui doit être considérée comme essentielle au sens de l'art. 24 CO et si les intimées se sont prévalues en temps utile de ce vice de consentement et, en général, de se prononcer sur les questions soulevées par ce moyen. S'il estime que celui-ci n'est pas fondé et qu'il rejette les conclusions des intimées, il devra accueillir la
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demande et déterminer la façon dont il sera mis fin à la copropriété.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est admis, l'arrêt attaqué est annulé et la cause est renvoyée à l'autorité cantonale pour nouveau jugement dans le sens des considérants. | public_law | nan | fr | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
62f91ac2-6f16-410b-9fc1-32031dd7ae78 | Urteilskopf
104 Ia 343
53. Extrait de l'arrêt du 5 juillet 1978 en la cause Annen et consorts contre Grand Conseil du canton de Neuchâtel | Regeste
Art. 85 lit. a OG
; Ungültigerklärung einer Initiative.
1. Natur einer Initiative nach neuenburgischem Recht, die auf Erweiterung der Volksrechte gerichtet ist (Verfassungs- oder Gesetzesinitiative) (E. 2 und 3).
2. Grundsätze der Auslegung eines Initiativtextes; Anwendung derselben auf den konkreten Fall (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 343
BGE 104 Ia 343 S. 343
Le 7 juillet 1975, un groupe de citoyens a annoncé à la Chancellerie d'Etat du canton de Neuchâtel le lancement d'une initiative populaire pour la sauvegarde des droits du peuple dans le domaine de l'énergie atomique.
Le Conseil d'Etat neuchâtelois a constaté, par arrêté du 20 février 1976, que le nombre de signatures valables se montait à 10674, et que le minimum légal requis était atteint. Le texte de l'initiative déposée est le suivant:
"Initiative populaire pour la sauvegarde des droits du peuple dans le domaine de l'énergie atomique.
Vu l'article 7 al. 2 de la loi fédérale sur l'utilisation pacifique de l'énergie atomique et la protection contre les radiations, du 23 décembre 1959.
BGE 104 Ia 343 S. 344
Considérant la nécessité pour le peuple de pouvoir se prononcer expressément au cas où l'édification d'une installation atomique sur le territoire neuchâtelois serait envisagée.
Les soussignés, citoyens et citoyennes exerçant leurs droits civiques dans le canton de Neuchâtel, demandent par voie d'initiative populaire que la législation cantonale soit complétée par le décret suivant:
Décret concernant l'application de la loi fédérale sur l'utilisation pacifique de l'énergie atomique et la protection contre les radiations. Article premier. - Si le canton de Neuchâtel est requis de donner son avis à l'autorité fédérale compétente à propos de l'implantation d'une installation atomique, le Grand Conseil prend position.
Sa décision est soumise obligatoirement au vote du peuple.
Le résultat de ce vote constitue l'avis du canton.
Art. 2.- Le Conseil d'Etat est chargé de pourvoir, s'il y a lieu, à la promulgation et à l'exécution du présent décret.
Si le Grand Conseil adopte des dispositions correspondant aux voeux de l'initiative, ou si la loi fédérale était amendée dans un sens analogue, les soussignés autorisent les personnes suivantes, agissant collectivement, à retirer ladite initiative au profit des nouvelles dispositions."
Suivent les noms de ces personnes.
Le Conseil d'Etat transmit cette initiative au Grand Conseil, en lui proposant, dans son rapport, de la soumettre au peuple et de recommander son rejet. Le Grand Conseil ayant renvoyé ce rapport à sa Commission législative, celle-ci a proposé de déclarer l'initiative irrecevable. Elle a considéré que l'extension des droits populaires proposée par les initiants ne pouvait se faire que par une revision de la constitution. L'initiative déposée étant du niveau législatif, elle aurait dû avoir la forme d'une initiative constitutionnelle pour être recevable.
Le Grand Conseil s'est rallié à la proposition de la Commission législative et, dans sa séance du 20 juin 1977, a adopté le décret suivant:
"Article premier. L'initiative populaire pour la sauvegarde des droits du peuple dans le domaine de l'énergie atomique est déclarée irrecevable.
Art. 2. L'autorité compétente pour donner le préavis prévu à l'art. 7 al. 2 de la loi fédérale sur l'utilisation de l'énergie atomique et la protection contre les radiations, du 23 décembre 1959, est le Conseil d'Etat."
Georges Annen et consorts, agissant par la voie du recours de droit public, demandent au Tribunal fédéral d'annuler le décret du 20 juin 1977. Ils invoquent la violation de leurs droits politiques (
art. 85 OJ
), d'une part, et celle de l'
art. 4 Cst.
pour formalisme excessif, d'autre part.
Le Tribunal fédéral a admis le recours.
BGE 104 Ia 343 S. 345
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
En l'espèce, le Grand Conseil du canton de Neuchâtel a qualifié de législative l'initiative populaire pour la sauvegarde des droits du peuple dans le domaine de l'énergie atomique; il l'a déclarée irrecevable, considérant qu'il était exclu d'introduire, par une telle initiative, un droit populaire que la constitution cantonale ne prévoit pas. Les recourants admettent que les dispositions dont ils proposent l'adoption sont de rang constitutionnel; ils affirment que c'est à tort que l'autorité cantonale qualifie de législative l'initiative précitée.
L'examen du Tribunal fédéral doit ainsi porter sur deux points. Il s'agit en premier lieu de dire si l'initiative populaire pour la sauvegarde des droits du peuple dans le domaine de l'énergie atomique tend à l'introduction, dans le droit neuchâtelois, de normes de rang constitutionnel. Dans l'affirmative, il faut alors examiner si c'est à juste titre que cette initiative, telle qu'elle a été déposée, a été qualifiée de législative par le Grand Conseil.
3.
a) La constitution neuchâteloise traite de l'initiative constitutionnelle à ses art. 83 à 85, et de l'initiative législative à son art. 38.
Aux termes de l'
art. 84 Cst.
cant., le droit d'initiative en matière de revision partielle de la constitution appartient au peuple, à tout membre du Grand Conseil et au Conseil d'Etat. L'initiative constitutionnelle populaire est le droit qu'ont 6000 électeurs au moins de proposer au Grand Conseil l'adoption d'un nouvel article constitutionnel, l'abrogation ou la modification d'articles en vigueur.
L'initiative populaire législative est le droit qu'ont 6000 électeurs au moins de proposer au Grand Conseil l'adoption, l'élaboration, la modification ou l'abrogation d'une loi ou d'un décret (
art. 38 Cst.
cant.).
La loi sur l'exercice des droits politiques, du 21 novembre 1944, telle qu'elle a été revisée par la loi du 21 décembre 1959 (LEDP), règle, à son chapitre VII, l'exercice du droit d'initiative populaire. Les art. 118 à 132 ont trait à l'initiative constitutionnelle, alors que les art. 133 et 134 se rapportent à l'initiative législative.
Les
art. 85 Cst.
cant. et 128 LEDP précisent que la constitution revisée ou la partie revisée de la constitution sera soumise à
BGE 104 Ia 343 S. 346
la sanction populaire et qu'elle devra, pour être acceptée, réunir la majorité absolue des électeurs ayant valablement pris part à la votation. Qu'elle soit conçue en termes généraux ou présentée sous la forme d'un projet rédigé de toutes pièces, l'initiative constitutionnelle doit toujours être soumise au peuple. En revanche, l'initiative législative n'est obligatoirement soumise à la sanction populaire que si le Grand Conseil rejette la proposition des initiants ou s'il modifie le texte du projet (
art. 38 Cst.
cant. et 133 LEDP). Si le Parlement cantonal adopte le projet présenté, celui-ci ne sera soumis au peuple que si la demande en est faite par 6000 électeurs (
art. 39 al. 2 Cst.
cant. et 138 LEDP).
Il y a ainsi un réel intérêt à déterminer si une initiative est de rang constitutionnel ou de rang législatif. Si la proposition faite par les initiants concerne des règles de rang constitutionnel, elle ne peut être soumise au peuple que sous la forme d'une initiative constitutionnelle. Si elle tend en revanche à la modification d'une loi ou d'un décret, elle doit alors être présentée dans le cadre d'une initiative législative. Au surplus, les normes adoptées, si elles sont de rang constitutionnel, doivent recevoir la garantie de la Confédération.
b) Il faut dès lors examiner si, en droit neuchâtelois, la détermination ou l'extension des droits populaires doit intervenir par la modification de la constitution cantonale ou simplement par la voie de l'initiative législative. A cet égard, il convient de relever qu'en matière de votations et d'élections, les droits populaires - droit de vote, droit d'initiative, droit de référendum - sont tous définis par la constitution. Le peuple tient de cette dernière le droit d'élire les députés au Conseil des Etats (art. 17bis), les députés au Grand Conseil (art. 23 ss.) et les membres du Conseil d'Etat (art. 43 ss.). C'est également la constitution qui l'habilite à participer à la formation de la volonté étatique par l'exercice du droit d'initiative et du droit de référendum. La loi sur l'exercice des droits politiques ne crée pas elle-même ces droits ni n'en institue de nouveaux. Son rôle essentiel est de fixer les règles de procédure nécessaires à l'exercice de ces droits et à un déroulement normal des opérations de scrutin. On peut dès lors en déduire qu'en l'état actuel du droit neuchâtelois, seule une initiative constitutionnelle peut proposer la modification des droits populaires. Le principe du parallélisme des formes exige en tout cas que les règles de degré
BGE 104 Ia 343 S. 347
constitutionnel existantes ne soient modifiées que par la voie de l'initiative constitutionnelle.
En l'espèce, les initiants n'ont pas proposé la modification des droits populaires, tels qu'ils sont établis par la constitution cantonale. Ils demandent une extension de ces droits. Ils entendent en effet étendre au préavis que le canton est appelé à donner à l'autorité fédérale en application de l'art. 7 de la loi fédérale sur l'utilisation pacifique de l'énergie atomique et la protection contre les radiations (LUA) le droit de référendum obligatoire prévu aux
art. 39 et 84 Cst.
cant. Dans la mesure où elles instituent un nouveau droit populaire, les règles dont l'adoption est proposée par voie d'initiative sont de degré constitutionnel; d'après la systématique adoptée par la constituante neuchâteloise, les droits populaires sont en effet reconnus par la constitution, la loi sur l'exercice des droits politiques ne contenant que des dispositions sur l'exercice de ces droits. Telle est l'opinion soutenue par les autorités cantonales compétentes et par les recourants. Certes, en mettant l'accent sur d'autres éléments, la thèse contraire serait aussi défendable. S'il est vrai que les droits populaires sont reconnus par la constitution, cela ne signifie cependant pas qu'une extension de ces droits par la voie de l'initiative législative soit absolument exclue. Il faut relever à cet égard la nature particulière du préavis que le canton est appelé à donner en application de l'art. 7 LUA; en outre, les dispositions dont l'adoption est proposée constituent en quelque sorte des dispositions d'exécution d'une loi fédérale, et leur application sera relativement rare. Par ailleurs, l'
art. 52 Cst.
cant., aux termes duquel "le Conseil d'Etat est chargé des relations fédérales et étrangères dans les limites des constitutions fédérale et cantonale", ne devrait pas constituer un obstacle à ce que les normes proposées par les initiants soient adoptées par la voie de l'initiative législative. Cette disposition vise plutôt une compétence de représentation qu'une compétence de décision. Elle n'exclut pas qu'un autre organe puisse intervenir. A cet égard, on peut relever que, dans son décret du 20 juin 1977, le Grand Conseil lui-même a prévu que le préavis donné par le Conseil d'Etat devait être soumis à la ratification du Parlement.
L'opinion défendue par le Grand Conseil et par les recourants et selon laquelle toute extension des droits populaires doit, d'après la systématique du droit constitutionnel cantonal,
BGE 104 Ia 343 S. 348
être reconnue par des normes de rang constitutionnel, repose cependant sur de sérieux arguments et le Tribunal fédéral doit lui donner la préférence. C'est dès lors à juste titre que le Grand Conseil a admis in casu que les dispositions que l'initiative pour la sauvegarde des droits populaires dans le domaine de l'énergie atomique tend à faire adopter, sont de rang constitutionnel, et qu'il y a donc lieu d'agir par la voie de l'initiative constitutionnelle.
4.
Il faut ainsi examiner si l'initiative formée par les recourants répond aux exigences d'une initiative constitutionnelle. Le texte de cette initiative est susceptible d'interprétation; d'après la jurisprudence, l'inviolabilité du droit de vote exige que l'autorité qui se prononce sur la recevabilité d'une initiative interprète cette dernière dans le sens le plus favorable aux initiants. Lorsqu'une initiative peut, d'après les règles générales d'interprétation des textes juridiques, être comprise dans un sens qui ne permette pas de la considérer comme étant manifestement et indubitablement inexécutable, il faut la déclarer recevable et la soumettre au vote populaire (
ATF 101 Ia 367
).
Dans ses observations sur le présent recours, le Grand Conseil énumère les divers éléments qu'il a pris en considération et qui l'ont conduit à qualifier de législative l'initiative en cause. Les initiants demandaient que la "législation" cantonale soit complétée par un décret concernant l'application d'une loi fédérale. Ce faisant, ils auraient eux-mêmes fixé la nature législative de leur proposition, et il n'appartenait pas au Parlement de prendre une décision qui aille à l'encontre de leur volonté.
Certes, en règle générale, le terme de "législation cantonale" se rapporte aux lois, règlements et arrêtés, alors que l'expression "droit cantonal" a un sens plus large et vise l'ensemble des normes, constitutionnelles et légales, en vigueur dans un canton. Toutefois, l'utilisation d'un terme non approprié ou d'une expression imprécise ne suffit pas pour conférer à l'initiative déposée un caractère législatif. Il en va de même en ce qui concerne l'usage du terme "décret". L'art. 138 LEDP met sur le même rang la loi et le décret; la loi "est une disposition législative d'ordre général et sans limite de temps", alors que "le décret est limité à un objet particulier ou dans le temps". Le décret paraît dès lors bien être, en principe, de degré inférieur par rapport à la constitution. Toutefois, l'autorité cantonale relève elle-même, dans ses observations sur le recours, que "le
BGE 104 Ia 343 S. 349
mot décret ne présente pas de caractère spécifique dont l'emploi serait déterminant pour apprécier la question litigieuse". Elle soutient en revanche que les initiants, en liant le décret proposé à l'application d'une loi, ont fixé la nature législative de leur initiative, car "les dispositions d'application d'une loi ne se conçoivent, selon les principes généraux du droit, que dans le cadre législatif et non constitutionnel". On ne saurait cependant la suivre sur ce point. Constatant que l'initiative tendait à étendre les droits populaires, le Grand Conseil a admis que les normes dont l'adoption était proposée étaient de rang constitutionnel. Il ne pouvait dès lors se fonder sur le seul fait que l'initiative propose formellement l'adoption d'un décret concernant l'application d'une loi fédérale pour la qualifier de législative, en faisant abstraction du but poursuivi par les initiants et de la nature des dispositions proposées. S'il eût suffi que l'initiative tende à l'adoption d'un "décret concernant l'extension des droits populaires dans le domaine de l'énergie atomique" pour qu'elle soit alors qualifiée de constitutionnelle, la décision d'irrecevabilité, qui se fonde sur les termes adoptés en réalité par les initiants pour déterminer la nature de l'initiative, ne peut être approuvée.
Certes, présentées sous forme de décret, les nouvelles dispositions de rang constitutionnel proposées par l'initiative ne peuvent être insérées dans le texte même de la constitution. Les initiants auraient effectivement pu songer à la modification de dispositions constitutionnelles existantes. Quoi qu'il en soit, c'est bien la nature des normes proposées qui est déterminante. Ces dispositions ayant rang constitutionnel, elles ont la même valeur juridique que les règles inscrites dans la constitution, même si elles n'y sont pas d'emblée incluses.
C'est dès lors à tort que le Grand Conseil a déclaré irrecevable l'initiative populaire pour la sauvegarde des droits du peuple dans le domaine de l'énergie atomique. Le recours doit ainsi être admis, et la décision déférée doit être annulée. | public_law | nan | fr | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
62fe7f6a-1fb8-4389-b6ba-219df30e26dc | Urteilskopf
126 III 438
75. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 7 juillet 2000 dans la cause Sociétés S. et D. contre C. et IIe Cour d'appel du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg (recours de droit public) | Regeste
Art. 84 Abs. 1 lit. a und c OG
; Art. 39 Abs. 2 des Übereinkommens von Lugano vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen;
Art. 83 Abs. 1 und
Art. 271 ff. SchKG
; Sicherungsmassnahmen nach Vollstreckbarerklärung.
Kognition des Bundesgerichts (E. 3).
Die Weigerung, einen Arrestbefehl mit Bezug auf Sicherungsmassnahmen im Sinne von
Art. 39 Abs. 2 LugÜ
zu erlassen, ist nicht willkürlich (E. 4); eine solche Weigerung bedeutet auch keine willkürliche Anwendung von kantonalen - vorliegendenfalls freiburgischen - Bestimmungen mit Bezug auf vorsorgliche Massnahmen (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 438
BGE 126 III 438 S. 438
A.-
Par acte notarié du 3 novembre 1992, revêtu de la formule exécutoire, la société O., à Paris, a octroyé à la Compagnie T., à Paris, un prêt de 8'000'000 FF, plus intérêts à 11,5%; ce crédit était garanti, notamment, par la "caution personnelle, solidaire et indivise" de C. Le prêteur a cédé le 28 mai 1996 sa créance à la société S., à Paris, qui a engagé des poursuites en France contre la caution. Par jugement du 12 avril 1999, le Tribunal de Grande Instance de Paris a condamné celle-ci à payer 9'159'730.44 FF, avec suite d'intérêts; la défenderesse s'est pourvue en appel.
BGE 126 III 438 S. 439
B.-
a) Le 13 avril 1999, la société S. a requis l'exequatur de l'acte notarié français ainsi que le séquestre des avoirs détenus par C. auprès de la Banque X. à Fribourg. Par décision du 15 avril suivant, la Présidente du Tribunal civil de la Sarine a accueilli la requête et pris, le même jour, une ordonnance de séquestre fondée sur "l'art. 39 de la Convention de Lugano"; l'Office des poursuites de la Sarine a exécuté cette mesure.
b) C. a d'abord formé opposition au séquestre, puis recouru contre la décision d'exequatur et de mesures conservatoires. Statuant le 23 décembre 1999, la IIe Cour d'appel du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg a annulé le séquestre (1) et sursis à statuer sur l'exequatur jusqu'à droit jugé sur la validité de l'acte notarié (2).
C.-
Les sociétés S. et D. exercent un recours de droit public au Tribunal fédéral contre cet arrêt, concluant à son annulation en tant qu'il révoque le séquestre.
Le Tribunal fédéral rejette le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
En l'espèce, le recours dénonce une violation de l'art. 39 al. 2 de la Convention du 16 septembre 1988 concernant la compétence judiciaire et l'exécution des décisions en matière civile et commerciale (Convention de Lugano [CL; RS 0.275.11]), d'après lequel la décision qui accorde l'exequatur emporte l'autorisation de procéder à des mesures conservatoires sur les biens de la partie contre laquelle l'exécution est demandée, et se fonde expressément sur l'"article 84 al. 1 lettre c OJ"; dans le cadre d'un tel recours, le Tribunal fédéral revoit librement l'application du droit conventionnel (
ATF 119 II 380
consid. 3b p. 382/383 et la jurisprudence citée).
Ce motif de recours ne saurait toutefois entrer en considération. La disposition précitée se borne à poser le principe que la partie ayant sollicité et obtenu l'exécution peut procéder à des mesures conservatoires; c'est au droit de l'Etat du juge saisi, en l'occurrence le droit suisse, qu'il appartient de définir le type de mesures susceptibles d'être ordonnées (cf. notamment: BUCHER, Droit international privé suisse, T. I/1, no 822; CAMBI FAVRE-BULLE, La mise en oeuvre en Suisse de l'art. 39 al. 2 de la Convention de Lugano, in RSDIE 1998 p. 335 ss, spéc. 343; DONZALLAZ, La Convention de Lugano, vol. II, § 4119; GASSMANN, Arrest im internationalen Rechtsverkehr, th. Zurich 1998, p. 184 ss; GAUDEMET-TALLON, Les Conventions de Bruxelles et de Lugano, 2e éd., no 401 in fine; GEIMER/SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, N. 9 et KROPHOLLER,
BGE 126 III 438 S. 440
Europäisches Zivilprozessrecht, 6e éd., N. 5 ad art. 39 CB/CL). En écartant le séquestre au profit de la saisie provisoire (cf. infra, consid. 4), la Cour d'appel ne pouvait dès lors violer la convention, puisque, précisément, celle-ci ne règle pas ce point.
La question litigieuse relevant du droit interne, le Tribunal fédéral ne peut en connaître que sous l'angle restreint de l'arbitraire (
art. 84 al. 1 let. a OJ
;
ATF 125 III 386
consid. 3a p. 388;
ATF 105 Ib 37
consid. 4c p. 43/44;
ATF 87 I 163
consid. 3 p. 167/168); il s'ensuit que l'arrêt déféré ne doit être annulé que s'il est manifestement insoutenable, méconnaît gravement une norme ou un principe juridique clair et incontesté, ou heurte de manière choquante le sentiment de la justice et de l'équité (
ATF 125 I 166
consid. 2a p. 168); il ne suffit pas qu'une autre solution soit concevable, voire préférable (
ATF 125 II 129
consid. 5b p. 134).
4.
Pour annuler le séquestre, la cour cantonale a tout d'abord tiré argument du refus du législateur fédéral de donner suite à la proposition de la commission d'experts tendant à introduire un nouveau cas de séquestre fondé sur l'
art. 39 al. 2 CL
(art. 271 ch. 6 Projet LP; Rep 1992 p. 163 ss, spéc. 169 ss); elle a ensuite considéré que d'autres mesures de sûreté sont à la disposition du créancier, "telle que la saisie provisoire qui est conforme à la CL et qui s'inscrit dans le système général de la LP".
a) Savoir quelles sont les mesures conservatoires pouvant être ordonnées en application de l'
art. 39 al. 2 CL
est une question controversée (CAMBI FAVRE-BULLE, op. cit., p. 363 ss; GASSMANN, op. cit., p. 189 ss et les références citées par ces auteurs). Dans ses observations du 18 octobre 1991 concernant l'exécution des jugements qui emportent une condamnation pécuniaire dans l'optique de l'entrée en vigueur de la Convention de Lugano, l'Office fédéral de la justice a proposé de retenir le séquestre au sens des
art. 271 ss LP
, la "clause d'exequatur" constituant par elle-même un nouveau cas de séquestre (FF 1991 IV 312/313); cette solution a été suivie par plusieurs auteurs (notamment: DONZALLAZ, op. cit., §§ 4180 ss; LEUENBERGER, Lugano-Übereinkommen: Verfahren der Vollstreckbarerklärung ausländischer "Geld"-Urteile, in AJP 1992, p. 965 ss, spéc. 972; MERKT, Les mesures provisoires en droit international privé, th. Neuchâtel 1993, p. 196 ss, spéc. 199/200 no 487; OTTOMANN, Der Arrest, in RDS 115/1996 I p. 241 ss, spéc. 273 ss; SCHWANDER, Neuerungen in den Bereichen der Rechtsöffnung sowie der Aufhebung oder Einstellung der Betreibung, aber fehlende Regelung von Exequaturverfahren im SchKG, in Publication FSA, vol. 13,
BGE 126 III 438 S. 441
p. 35 ss, spéc. 55 ss; en ce sens: GASSMANN, op. cit., p. 198, lorsque le débiteur est domicilié à l'étranger et n'a pas de succursale en Suisse, ou qu'il est domicilié en Suisse, mais sans y être soumis à la poursuite par voie de faillite).
Cette opinion n'est pourtant pas incontestée, loin s'en faut. Une partie de la doctrine se prononce en faveur de la saisie provisoire instituée à l'
art. 83 al. 1 LP
(DUTOIT, in FJS no 158, p. 14/15 no 208; GILLIÉRON, L'exequatur des décisions étrangères condamnant à une prestation pécuniaire ou à la prestation de sûretés selon la Convention de Lugano, in RSJ 88/1992 p. 117 ss, spéc. 127; MEIER, Vorschlag für ein effizientes Verfahren zur Vollstreckung von Urteilen auf Leistung von Geld oder Sicherheit, in RSJ 89/1993 p. 282 ss, spéc. 284; D. STAEHELIN, Die internationale Zuständigkeit der Schweiz im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, in AJP 1995 p. 259 ss, spéc. 271; STOFFEL, Das Verfahren zur Anerkennung handelsrechtlicher Entscheide nach dem Lugano-Übereinkommen, in RSDA 1993 p. 107 ss, spéc. 115 ss; idem, in Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 118 ss ad
art. 271 LP
; WALDER, Zur Vollstreckung von "Lugano-Urteilen" über Geldverpflichtungen in der Schweiz, in Mitteilungen aus dem Institut für zivilgerichtliches Verfahren in Zürich no 13 [1991], p. 5 ss, spéc. 7; cf. aussi BUCHER, op. cit., no 860, pour qui une telle mesure représente, "de par sa nature, le moyen de protection le plus proche des mesures conservatoires au sens de l'
art. 39 CL
"). Dans le prolongement de cet avis, d'aucuns accordent au créancier ayant obtenu l'exequatur (en première instance) le droit de requérir directement la saisie des biens du débiteur; n'ayant d'abord que les effets d'une saisie "provisoire", cette saisie devient "définitive" sitôt que le jugement d'exequatur est passé en force (cf.
art. 83 al. 3 LP
), et ouvre la voie de la réalisation sans poursuite préalable, même contre le débiteur sujet à la poursuite par voie de faillite (WALTER, Zur Sicherungsvollstreckung gemäss Art. 39 des Lugano-Übereinkommens, in RJB 128/1992 p. 90 ss, spéc. 98, approuvé par PESTALOZZI/WETTENSCHWILER, Art. 39 des Lugano-Übereinkommens - Ein neuer Arrestgrund ?, in FS Peter Forstmoser, p. 327 ss, spéc. 334 ss; sur ce dernier point, cf. également: BUCHER, op. cit., no 858; STOFFEL, Das neue Arrestrecht, in AJP 1996 p. 1401 ss, spéc. 1404).
Enfin, la doctrine apparaît aussi largement divisée quant à la possibilité de requérir un inventaire conformément à l'
art. 162 LP
(pro: DUTOIT, MEIER et D. STAEHELIN, ibidem; STOFFEL, in RSDA 1993 p. 117 [plus réservé, apparemment, in AJP 1996 p. 1404]; GASSMANN, op. cit.,
BGE 126 III 438 S. 442
p. 198, pour le cas où le débiteur est sujet à la poursuite par voie de faillite d'après l'
art. 39 LP
; GILLIÉRON, Itérativement: L'exécution des décisions rendues dans un Etat partie à la Convention de Lugano, portant condamnation à payer une somme d'argent ou à la prestation de sûretés, in RSJ 90/1994 p. 73 ss, spéc. 78; contra: BUCHER, op. cit., no 851 in fine; CAMBI FAVRE-BULLE, op. cit., p. 367; PESTALOZZI/WETTENSCHWILER, op. cit., p. 331 et les références citées; SCHWANDER, op. cit., p. 58; idem, note ad
ATF 122 III 36
, in AJP 1996 p. 630; KAUFMANN-KOHLER, L'exécution des décisions étrangères selon la Convention de Lugano, in SJ 1997 p. 561 ss, spéc. 578).
Ces controverses n'ont guère épargné les autorités judiciaires. La voie du séquestre est consacrée à Zurich (ZR 90/1991 no 35 ch. 6) et à Lucerne (LGVE 1991 I no 34 ch. 5); le Tribunal de première instance de Genève s'était également rallié à cette solution (RSDIE 1994 p. 422 et note VOLKEN), que la Cour de justice a désavouée ultérieurement (arrêt non publié du 9 mai 1996, rapporté par JEANNERET, Aperçu de la validation du séquestre sous l'angle de la nouvelle LPDF, in Le séquestre selon la nouvelle LP, p. 89 ss, spéc. 113). En revanche, le Président du Tribunal du district de Kreuzlingen a opté pour la saisie provisoire, mais sans l'avis préalable au débiteur (BlSchK 1996 p. 103 ss = RSDIE 1997 p. 413 ss et note VOLKEN). Le Tribunal fédéral n'a pas eu l'occasion de trancher le débat (arrêt non publié de la IIe Cour civile du 4 novembre 1996 dans la cause 5P.151/1996, où l'admissibilité du séquestre n'était pas mise en cause comme telle); dans sa prise de position sur le rapport du groupe d'experts chargé d'examiner la nécessité d'adapter le projet de révision de la LP à la Convention de Lugano (in Rep 1992 p. 163 ss), il a néanmoins souligné que l'opinion de WALTER (citée ci-dessus), en tant qu'elle implique une saisie provisoire sans poursuite préalable, représente "einen weit grösseren Einbruch in das geltende schweizerische Vollstreckungsrecht" (cité par REEB, Procès-verbal de la 131e assemblée annuelle de la SSJ, in RDS 116/1997 II p. 540).
b) Aucune des deux mesures entrant en considération en l'occurrence - séquestre et saisie provisoire - ne peut être adoptée sans de notables aménagements, et même l'auteur cité dans l'acte de recours fait appel à une institution "sui generis" qui s'appuie directement sur l'
art. 39 al. 2 CL
et dont les effets correspondent à ceux du séquestre (DONZALLAZ, op. cit., § 4188); une tendance récente affirme, d'ailleurs, qu'il n'est pas nécessaire de choisir entre l'une ou l'autre si chacune d'elles est appliquée conformément aux exigences de la convention (BUCHER, op. cit., no 859; KAUFMANN-KOHLER,
BGE 126 III 438 S. 443
op. cit., p. 579; M. STAEHELIN, in Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 43 ad
art. 30a LP
).
A l'encontre de la solution du séquestre, on a fait valoir qu'il serait exclu d'astreindre le créancier à valider la mesure et à fournir des sûretés (BUCHER, op. cit., no 854; CAMBI FAVRE-BULLE, op. cit., p. 356 et 366; KAUFMANN-KOHLER, op. cit., p. 579 et les références citées; contra: FF 1991 IV 313), et que le juge de l'exequatur ne pourrait suppléer au défaut de base légale (PESTALOZZI/WETTENSCHWILER, op. cit., p. 332 et 334; réservés également: BUCHER, op. cit., no 854; SCHWANDER, op. cit., p. 57/58; critique: GASSMANN, op. cit., p. 193 et les citations). En outre, la question est discutée de savoir si l'obligation de désigner les biens à mettre sous main de justice (
art. 272 al. 1 ch. 3 LP
; cf.
ATF 126 III 95
consid. 4a p. 96 ss et les références) est compatible ou non avec l'
art. 39 CL
(d'une part: DONZALLAZ, op. cit., § 4190; LEUENBERGER, op. cit., p. 971; STOFFEL, in RSDA 1993 p. 116; WALTER, op. cit., p. 94; Rep 1992 p. 175 in fine; d'autre part: BUCHER, op. cit., no 855; CAMBI FAVRE-BULLE, op. cit., p. 365); ce point n'a cependant aucune incidence dans le cas présent, la requérante s'y étant conformée spontanément.
Quoi qu'en pensent la cour cantonale et l'intimée, la saisie provisoire ne satisfait pas mieux que le séquestre aux impératifs du traité. L'argument déduit de l'absence de base légale vaut aussi pour la saisie provisoire, qui n'est autorisée qu'après le prononcé de la mainlevée provisoire, et non définitive, de l'opposition (D. STAEHELIN, in Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 4 ad
art. 83 LP
et les références; cf. les remarques de GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N. 70 ad art. 30a, N. 7, 8 et 50 ad art. 80, N. 32 ad
art. 83 LP
et les citations). Alors que le séquestre est exécuté à l'improviste (
ATF 107 III 29
consid. 3 p. 31), la saisie provisoire ne peut l'être sans que le débiteur en soit préalablement avisé (
art. 90 LP
; D. STAEHELIN, ibidem, N. 8); pour respecter l'effet de surprise (
art. 34 al. 1 CL
), il faudrait alors y renoncer (BUCHER, op. cit., no 858 et les références). En outre, selon la jurisprudence récente, elle ne peut être requise tant que le jugement de mainlevée est susceptible d'un recours muni de l'effet suspensif (
ATF 122 III 36
; critiques: GILLIÉRON, op. cit., N. 16 ad
art. 83 LP
; idem, note in JdT 1998 II p. 67 ss; D. STAEHELIN, ibidem, N. 5; REEB, Les mesures provisoires dans la procédure de poursuite, in RDS 116/1997 II p. 421 ss, spéc. 442 n. 103), solution qui ne satisfait pas aux exigences de l'
art. 39 CL
(BUCHER, ibidem; cf. SCHWANDER, in AJP 1996 p. 630, qui y voit là un obstacle déterminant à la saisie provisoire). Est enfin mentionnée la nécessité d'un for de poursuite en Suisse
BGE 126 III 438 S. 444
(CAMBI FAVRE-BULLE, op. cit., p. 368 let. b in fine; GASSMANN, op. cit., p. 196 et n. 65), aspect qui ne soulève toutefois pas de difficulté dans le cas particulier. L'objection selon laquelle la saisie provisoire ne pourrait pas être ordonnée dans le cadre d'une procédure séparée d'exequatur n'apparaît pas décisive - comme le démontre la décision du Président du Tribunal du district de Kreuzlingen (supra, consid. 4a in fine) -, ce d'autant que l'admissibilité d'une telle procédure (sur ce point:
ATF 125 III 386
consid. 3a p. 387/388 et les références; RAPIN/WAKIM, Cour de justice des Communautés européennes et Convention de Bruxelles, Chronique de jurisprudence 1999, in SJ 2000 II p. 317 ss, spéc. 336) est explicitement évoquée dans l'acte de recours.
En résumé, l'opinion de l'autorité cantonale, dont la motivation est pour le moins indigente au sujet de la mise en oeuvre de la mesure préconisée, n'est certes pas à l'abri de toute critique; elle n'est cependant pas isolée et tranche une question âprement débattue, si bien qu'on ne peut parler d'une norme ou d'un principe juridique clair et indiscuté que les magistrats d'appel auraient arbitrairement violés (supra, consid. 3 in fine; cf.
ATF 119 III 108
consid. 3b p. 112;
ATF 117 III 76
consid. 7c p. 83;
ATF 115 III 125
consid. 3 p. 130).
5.
Dans sa réponse, à laquelle les recourantes ont été invitées à répliquer (
art. 93 al. 2 OJ
;
ATF 107 Ia 1
et les citations), l'autorité inférieure a considéré qu'elle ne pouvait ordonner un séquestre sur la base du droit cantonal, car une telle mesure ne saurait être prise pour la garantie de créances soumises à la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite.
Selon l'
art. 347 al. 3 CPC
/FR, lorsque l'exécution d'un jugement étranger est accordée, la partie qui a requis l'exécution peut obtenir des "mesures conservatoires"; cette norme renvoie pour le surplus aux art. 366 ss, relatifs aux mesures provisionnelles. Ce renvoi englobant aussi l'art. 367 al. 2, d'après lequel celles-ci ne peuvent être prises pour la sûreté de créances pécuniaires, il n'y a pas d'arbitraire à admettre que l'
art. 347 al. 3 CPC
/FR se rapporte uniquement aux mesures conservatoires qui - fussent-elles même fondées sur l'
art. 39 al. 2 CL
- n'ont pas pour objet de garantir de pareilles prétentions (DONZALLAZ, op. cit., § 4184; GASSMANN, op. cit., p. 188/189 et les références citées; LEUCH ET AL., Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5e éd., N. 2d ad art. 400d ZPO). La prohibition de mesures provisionnelles du droit cantonal n'est, il est vrai, pas incontestée (BUCHER, op. cit., no 861; M. STAEHELIN, op. cit., N. 42 ad
art. 30a LP
), mais cela ne rend pas insoutenable pour autant l'opinion de la cour cantonale. | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
630342e6-47ed-4999-8466-98173822b276 | Urteilskopf
111 V 406
72. Auszug aus dem Urteil vom 5. Dezember 1985 i.S. Baumgartner gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Art. 150 und 107 Abs. 1 OG
: Wahrung der Frist bei Leistung eines Gerichtskostenvorschusses.
-
Art. 107 Abs. 1 OG
ist nicht nur für Beschwerden, sondern sinngemäss auch für andere an Fristen gebundene Eingaben sowie für Kostenvorschüsse anwendbar.
- Unter dem Begriff der "unzuständigen Behörde" gemäss
Art. 107 Abs. 1 OG
(und
Art. 21 Abs. 2 VwVG
) ist jede Behörde des Bundes, der Kantone und Gemeinden zu verstehen, unabhängig davon, ob die angeschriebene Instanz in einer konkreten Beziehung zum Streitfall steht oder nicht. | Sachverhalt
ab Seite 406
BGE 111 V 406 S. 406
Jakob Baumgartner führt in einem AHV-Beitragsstreit Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Der Präsident des Eidg. Versicherungsgerichts ordnete zur Sicherstellung der mutmasslichen Gerichtskosten die Bezahlung eines Kostenvorschusses an, setzte Jakob Baumgartner
BGE 111 V 406 S. 407
dafür eine Frist und verband damit die Androhung, dass bei Nichtleistung innert der gesetzten Frist auf die Rechtsvorkehr nicht eingetreten werde.
Jakob Baumgartner zahlte den Kostenvorschuss am letzten Tag der Frist bei der Post ein, gab dabei jedoch irrtümlicherweise das Obergericht des Kantons Luzern als Empfänger an, welches das Betreffnis in der Folge - jedoch nach Ablauf der Frist - an das Eidg. Versicherungsgericht überwies.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Nach Art. 150 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 135 OG
kann die Partei, die das Eidg. Versicherungsgericht anruft, zur Sicherstellung der mutmasslichen Gerichtskosten angehalten werden, wenn der Gegenstand der Streitigkeit oder die Art und Weise der Prozessführung es rechtfertigt. Bei fruchtlosem Ablauf der für die Sicherstellung gesetzten Frist wird gemäss
Art. 150 Abs. 4 OG
auf die Rechtsvorkehr nicht eingetreten.
b) Nach der Rechtsprechung ist die Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses in analoger Anwendung von
Art. 32 Abs. 3 OG
eingehalten, wenn das Betreffnis spätestens am letzten Tag der Frist bei der schweizerischen Post einbezahlt oder dieser ein entsprechender Überweisungsauftrag übergeben wird (
BGE 110 V 220
Erw. 2,
BGE 104 II 63
Erw. 2,
BGE 96 I 472
Erw. 1).
2.
Der Beschwerdeführer hat den verlangten Kostenvorschuss am letzten Tag der Frist, also rechtzeitig bei der Post einbezahlt; doch hatte er ihn versehentlich an das Obergericht des Kantons Luzern adressiert, von wo er erst nach Ablauf der Frist an das Eidg. Versicherungsgericht weitergeleitet wurde. Damit stellt sich die Frage, ob die Zahlungsfrist auch dann als gewahrt gilt, wenn der Kostenvorschuss fristgerecht an eine unzuständige Behörde einbezahlt wird.
Nach
Art. 107 Abs. 1 OG
gilt die Frist zur Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch dann als gewahrt, wenn der Beschwerdeführer fristgerecht an eine unzuständige Behörde gelangt. Diese Bestimmung ist für andere an Fristen gebundene Eingaben und für die Leistung von Kostenvorschüssen sinngemäss anwendbar. Denn es besteht kein Anlass, die sich diesbezüglich irrende Partei schlechterzustellen als bei der Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind mithin bei Kostenvorschüssen gemäss
BGE 111 V 406 S. 408
Art. 150 Abs. 1 OG
die zu
Art. 107 Abs. 1 OG
entwickelten Grundsätze anwendbar.
Allerdings fragt es sich, ob dies für jegliche "unzuständige Behörde" oder nur für diejenige gilt, die im Einzelfall in einer gewissen Beziehung zum konkreten Streitfall steht. Letzteres ist im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht verlangt (
Art. 107 Abs. 1 OG
; zu andern bundesgerichtlichen Rechtsmitteln siehe etwa
BGE 103 Ia 54
,
BGE 91 II 142
). Es muss sich aber um eine Behörde von Bund, Kanton oder Gemeinde handeln (GRISEL, Traité de droit administratif, S. 894; vgl.
BGE 101 Ib 102
Erw. 2,
BGE 97 I 857
Erw. 3). Vorbehalten bleiben rechtsmissbräuchliche Fehladressierungen. Ein solcher Fall liegt indes beim Beschwerdeführer mit der versehentlichen Adressierung an das Obergericht des Kantons Luzern nicht vor. Der Beschwerdeführer hat demnach den Kostenvorschuss rechtzeitig geleistet, so dass unter diesem Gesichtspunkt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten ist. | null | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
6306caee-63e1-4873-b03c-b184df970d32 | Urteilskopf
117 IV 493
86. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. November 1991 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen W. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Schuldhafte Nichtbezahlung des Militärpflichtersatzes (Art. 42 MPG).
Die Schuldhaftigkeit im Sinne von Art. 42 MPG kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass die verfügbaren Einkünfte des Abgabepflichtigen vom Empfang der ersten Mahnung an das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht überstiegen. Massgebend ist vielmehr, wie der Pflichtige vom Zeitpunkt an, als er Kenntnis von seiner Abgabepflicht hatte, bis zum Ablauf der Nachfrist seine Einkünfte tatsächlich verwendet hat. | Erwägungen
ab Seite 493
BGE 117 IV 493 S. 493
Aus den Erwägungen:
2.
Nach Art. 42 MPG wird der Ersatzpflichtige, der die Ersatzabgabe schuldhafterweise, ungeachtet vorausgegangener Verwarnung, nicht innert der in Art. 33 Abs. 3 MPG bezeichneten Nachfrist (von 15 Tagen nach Empfang der Verwarnung) bezahlt, mit Haft bis zu 10 Tagen bestraft.
BGE 117 IV 493 S. 494
a) aa) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Urteil ist zwar der objektive Tatbestand von Art. 42 MPG erfüllt, doch handelte der Beschwerdegegner nicht schuldhaft im Sinne dieser Bestimmung. Die Vorinstanz hält dazu unter Hinweis auf ihre Rechtsprechung (SOG 1988 Nr. 18) fest, dass schuldhaft derjenige handle, dem mehr als das betreibungsrechtliche Existenzminimum zur Verfügung stehe und der den Militärpflichtersatz trotzdem nicht bezahlt; schuldhaft handle ausserdem der Abgabepflichtige, der nur aus Liederlichkeit oder aus Arbeitsscheu nicht das Einkommen erziele, das ihm die Zahlung des Militärpflichtersatzes ermöglichen würde. Die Vorinstanz führt aus, dem Beschwerdegegner könne weder Arbeitsscheu noch Liederlichkeit vorgeworfen werden. Da sein das betreibungsrechtliche Existenzminimum von Fr. 2'680.-- übersteigendes Einkommen im Betrag von Fr. 320.-- im ihres Erachtens massgebenden Zeitraum der Lohnpfändung unterlag, habe der Beschwerdegegner die Zahlung der Militärpflichtersatzabgabe nicht schuldhaft unterlassen.
bb) Die Staatsanwaltschaft macht in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde demgegenüber geltend, dass das betreibungsrechtliche Existenzminimum zwar ein praktikables Kriterium zur Beurteilung der Schuldhaftigkeit darstelle, aber keinesfalls absolute Geltung haben könne. Sie führt zur Begründung unter Berufung auf
BGE 85 IV 241
unter anderem aus, dass mit der Auferlegung der Militärpflichtersatzabgabe die durch die Befreiung von der Militärdienstpflicht geschaffene Ungleichheit ausgeglichen werden soll; die Ersatzabgabe werde denn auch, soweit es sich nicht um die Einkommens-, sondern um die Personaltaxe handle, unter Vorbehalt der gesetzlichen Befreiungsgründe von jedem Ersatzpflichtigen erhoben und als feste Abgabe selbst dann geschuldet, wenn die Einkünfte des Ersatzpflichtigen unter dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum liegen. Daher sei der Richter verpflichtet, in subjektiver Hinsicht zu prüfen, ob ein Eingriff in das betreibungsrechtliche Existenzminimum zugunsten des Militärpflichtersatzes unter den Umständen des konkreten Einzelfalles zumutbar gewesen wäre. Diese Pflicht obliege dem Richter insbesondere dort, wo der Ersatzabgabepflichtige zur Anschaffung von Gegenständen, die nicht zum notwendigen Lebensunterhalt gehören, freiwillig unter dem Existenzminimum lebe. Die Beschwerdeführerin macht in diesem Zusammenhang geltend, das Obergericht habe aufgrund seiner ihres Erachtens bundesrechtswidrigen Rechtsprechung unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdegegner
BGE 117 IV 493 S. 495
gemäss dem Leumundsbericht für einen Mittelklassewagen monatlich Fr. 897.-- leiste, aber den Militärpflichtersatz von Fr. 630.-- schuldig blieb.
b) Aus den Zielen des MPG und der Natur der Ersatzabgabe, wie sie in
BGE 85 IV 241
unter Hinweis auf die Ausführungen in der bundesrätlichen Botschaft (BBl 1958 II 333ff., 339 ff., 358 f., 369 ff.) umschrieben werden, ergibt sich, dass selbst in Fällen, in denen dem Abgabepflichtigen weder Arbeitsscheu noch Liederlichkeit vorzuwerfen ist, die Schuldhaftigkeit im Sinne von Art. 42 MPG unter Umständen auch dann gegeben sein kann, wenn die verfügbaren Einkünfte des Abgabepflichtigen unter dessen betreibungsrechtlichem Existenzminimum (
Art. 93 SchKG
) liegen. Darauf kann also nicht allein abgestellt werden (vgl. auch E. KLAUS, Existenzminimum in Steuer, Betreibung, Militärpflichtersatz, SJZ 36/1935, S. 328 ff., 332 f., 355 ff.), und zwar auch dann nicht, wenn in der ganzen Schweiz die gleichen Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Notbedarfs gelten würden. Die Festlegung eines betreibungsrechtlichen Existenzminimums, das unter anderem pauschale Grundbeträge enthält (vgl. etwa die Richtlinien in ZBJV 126/1990, S. 481 ff.), hat im Betreibungsrecht einen guten Sinn; die zuständigen Behörden können ohne allzu grossen Aufwand bestimmen, welcher Geldbetrag jedenfalls nicht der Lohnpfändung unterworfen werden kann. Das betreibungsrechtliche Existenzminimum mit den darin enthaltenen Grundbeträgen kann indessen im Einzelfall höher sein als der Betrag, den jemand zur Finanzierung seines und seiner Familie notwendigen Lebensunterhalts tatsächlich benötigt (vgl. auch E. KLAUS, op.cit., S. 332/333). Für die Beantwortung der Frage, ob die Nichtbezahlung der Ersatzabgabe schuldhaft im Sinne von Art. 42 MPG sei, sind daher allein die konkreten Umstände des Einzelfalles entscheidend. Insoweit ist
BGE 85 IV 241
zu bestätigen. Dass eine Fortsetzung der Betreibung für die ausstehende Ersatzabgabe durch Lohnpfändung nicht möglich ist, wenn die Einkünfte des Pflichtigen dessen betreibungsrechtliches Existenzminimum nicht übersteigen, schliesst eine Bestrafung gemäss Art. 42 MPG nicht aus. Betreibung und Strafe sind voneinander völlig unabhängig (siehe
BGE 116 IV 390
E. 2f).
An
BGE 85 IV 241
kann aber nicht festgehalten werden, soweit darin ausgeführt wird, dass der Ersatzpflichtige notfalls "devra s'acquitter en entamant un salaire inférieur au montant strictement indispensable" (S. 243). Unmögliches kann vom Pflichtigen nicht
BGE 117 IV 493 S. 496
verlangt werden (vgl.
BGE 116 IV 389
E. 2e). Wie das Solothurner Obergericht in einem Urteil vom 27. Juni 1962 unter Hinweis auf ein Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung an die Militärpflichtersatzbehörden der Kantone vom 16. Februar 1951 (betreffend die Strafverfolgung wegen schuldhafter Nichtbezahlung des Militärpflichtersatzes durch inländische Ersatzpflichtige) zutreffend festhielt, hat die Bestreitung der unentbehrlichen Kosten der Lebenshaltung Vorrang vor der Zahlung der Ersatzabgabe.
Der Richter kann somit die Schuldhaftigkeit im Sinne von Art. 42 MPG nicht einfach mit der Begründung verneinen, dass die verfügbaren Einkünfte des Pflichtigen im relevanten Zeitraum das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht überstiegen. Der Richter hat vielmehr im konkreten Einzelfall zu prüfen, wofür der Ersatzabgabepflichtige seine das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht übersteigenden Einkünfte tatsächlich verwendet hat. Stellt sich heraus, dass der Pflichtige damit teilweise Gegenstände etc. finanzierte, die nicht zum unentbehrlichen Lebensunterhalt gehören, dass der Pflichtige den dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum entsprechenden Betrag also nicht ausschliesslich für seinen und seiner Familie notwendigen Lebensunterhalt benötigte, dann ist die Nichtbezahlung der Ersatzabgabe im entsprechenden Umfang schuldhaft. Massgebend ist nicht das betreibungsrechtliche Existenzminimum, sondern die tatsächliche Verwendung der verfügbaren Einkünfte im relevanten Zeitraum.
c) Der Kassationshof hat im bereits zitierten
BGE 85 IV 241
unter Hinweis auf ein nicht publiziertes Urteil vom 21. (richtig: 26.) Januar 1945 i.S. Hotz zum damals geltenden Art. 1 des Bundesgesetzes über den Militärpflichtersatz vom 28. Juni 1878 in der Fassung vom 29. März 1901 erkannt, für die Beantwortung der Frage, ob den Pflichtigen ein Verschulden treffe, komme es nicht allein auf dessen finanzielle Situation am letzten Tag der Frist an, sondern sei vielmehr dessen insoweit relevantes Verhalten "en tout cas depuis la réception de la première sommation" massgebend (S. 243/244). Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf diese Erwägung die Zeit von der Zustellung der Mahnung an den Beschwerdegegner bis zum Ablauf der 15tägigen Nachfrist seit Zustellung der Verwarnung als strafrechtlich relevante Zeit erachtet. Während dieses Zeitraums konnte der Beschwerdegegner über den das betreibungsrechtliche Existenzminimum übersteigenden Lohnanteil
BGE 117 IV 493 S. 497
von Fr. 320.-- nicht verfügen, da dieser Betrag der Lohnpfändung unterworfen war.
Der Zeitraum, in dem das die finanzielle Situation beeinflussende Verhalten eines Abgabepflichtigen für die Frage der Schuldhaftigkeit im Sinne von Art. 42 MPG relevant ist, beginnt indessen nicht immer und notwendigerweise erst mit dem Empfang der ersten Mahnung. Der Empfang der ersten Mahnung ist nur insoweit von Bedeutung, als der Betroffene "en tout cas", "jedenfalls" (vgl. Pra 49/1960 Nr. 63) von diesem Moment an Kenntnis von seiner Zahlungspflicht hat. Diese Kenntnis um die Zahlungspflicht ist aber entscheidend, und mit ihr beginnt der relevante Zeitraum. Sobald jemand weiss, dass er zur Zahlung einer Ersatzabgabe verpflichtet ist, hat er das Nötige vorzukehren, um rechtzeitig, d.h. spätestens innert der Nachfrist von 15 Tagen seit der Verwarnung, zahlen zu können (
BGE 85 IV 243
E. 2). Oft weiss der Betroffene schon lange vor dem Empfang der ersten Mahnung, dass er zur Zahlung einer bestimmten Ersatzabgabe verpflichtet ist (siehe auch E. KLAUS, op.cit., S. 356). Wer in Kenntnis seiner Zahlungspflicht beispielsweise Gegenstände anschafft, die nicht zum notwendigen Lebensunterhalt gehören, und dadurch bewirkt, dass er in der Zeit vom Empfang der Mahnung bis zum Ablauf der Nachfrist seit der Verwarnung die Ersatzabgabe nicht zahlen kann, weil er in dieser Phase nur noch über die zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts erforderlichen Mittel verfügt, handelt schuldhaft im Sinne von Art. 42 MPG.
d) Zusammenfassend lässt sich somit die Schuldhaftigkeit im Sinne von Art. 42 MPG nicht mit der Begründung verneinen, dass die verfügbaren Einkünfte des Abgabepflichtigen vom Empfang der ersten Mahnung an das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht überstiegen. Massgebend ist vielmehr, wie der Pflichtige vom Zeitpunkt an, als er Kenntnis von seiner Abgabepflicht hatte, bis zum Ablauf der Nachfrist seine verfügbaren Einkünfte tatsächlich verwendet hat. ... | null | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6309b9f9-6c0a-4a26-b3d2-d88af95e325f | Urteilskopf
126 III 479
82. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 30 octobre 2000 dans la cause A. SA (recours LP) | Regeste
Fortsetzung der Betreibung (
Art. 88 SchKG
); Rechtskraftbescheinigung des Rechtsöffnungsentscheids (Form. 4, Erläuterungen Ziff. 2).
Es besteht kein Anlass, eine Rechtskraftbescheinigung des Rechtsöffnungsentscheids zu verlangen, wenn sich die Rechtskraft des Entscheids klar aus dem Gesetz ergibt. Das ist der Fall, wenn das kantonale Recht gegen den Rechtsöffnungsentscheid nur das ausserordentliche Rechtsmittel der Nichtigkeitsklage vorsieht, welcher nicht von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 479
BGE 126 III 479 S. 479
Dans une poursuite intentée par A. SA contre L. en paiement d'une somme de 3'000 fr. plus intérêts, le Président I du Tribunal du district de Delémont a prononcé la mainlevée définitive de l'opposition faite par le débiteur. La créancière a aussitôt requis la continuation de la poursuite en joignant le jugement de mainlevée. L'Office des poursuites du district de Delémont lui a alors réclamé une attestation de non-recours contre ledit jugement. La créancière ayant retourné sa réquisition en faisant valoir que le jugement en question était immédiatement exécutoire parce que non susceptible d'appel, l'office a refusé de donner suite à la réquisition de continuer la poursuite, faute d'attestation d'exequatur.
La plainte de la créancière contre cette décision a été rejetée par l'Autorité cantonale de surveillance en matière de poursuites et de faillites du canton du Jura. Son recours au Tribunal fédéral a en
BGE 126 III 479 S. 480
revanche été admis, l'office étant invité à donner immédiatement suite à la réquisition de continuer la poursuite et à procéder sans tarder à la saisie des biens du débiteur.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Selon l'
art. 88 al. 2 LP
, le droit de requérir la continuation de la poursuite se périme par un an à compter de la notification du commandement de payer. Si opposition a été formée, ce délai ne court pas entre l'introduction de la procédure judiciaire ou administrative et le jugement définitif. S'agissant de l'action en reconnaissance de dette de l'
art. 79 LP
, le délai de péremption ne reste suspendu que tant que le créancier n'a pas la faculté d'obtenir une déclaration authentique certifiant le caractère définitif et exécutoire du jugement levant l'opposition (
ATF 113 III 120
consid. 3;
ATF 106 III 51
consid. 3 p. 55). En matière de mainlevée d'opposition, pour qu'une décision de première instance n'entre pas en force dès sa notification, il faut que la procédure cantonale prévoie un recours ayant, de par la loi, un effet suspensif (
ATF 101 III 40
consid. 2 et arrêts cités). Dans cette hypothèse, la suspension du délai de péremption de l'
art. 88 al. 2 LP
est prolongée jusqu'à l'échéance du délai de ce recours ordinaire assorti d'effet suspensif et, en cas de recours, jusqu'à ce que le créancier soit en mesure d'obtenir du tribunal l'attestation d'entrée en force du jugement rendu (ROBERT JOOS, Handbuch für die Betreibungsbeamten der Schweiz, p. 113).
b) Comme le constate l'arrêt attaqué et le confirment les références légales et doctrinales contenues dans le dossier, le droit jurassien, en matière de mainlevée d'opposition, n'ouvre l'appel - voie ordinaire avec effet suspensif automatique - que si la valeur litigieuse est de 5'000 fr. au moins (
art. 318 ch. 3 et 344 al. 1 CPC
); seul était donc envisageable en l'espèce le moyen extraordinaire du pourvoi en nullité (
art. 315 et 369 CPC
), sans effet suspensif automatique (
art. 370 al. 2 CPC
). Le jugement de mainlevée ici en cause est par conséquent passé en force de chose jugée et devenu exécutoire immédiatement (
art. 317 CPC
; cf. également CHARLES CEPPI, Les conclusions en procédure civile, supplément 1987, p. 32 et 84; PIERRE JOLIDON, Procédure civile bernoise, p. 177 et 179, cet auteur précisant bien que le pourvoi en nullité est toujours dirigé contre des jugements ou décisions qui sont formellement "déjà entrés en force de chose jugée"). La situation était donc claire dans le cas particulier, l'attestation d'entrée en force étant donnée par la loi elle-même.
BGE 126 III 479 S. 481
Conformément à la jurisprudence rappelée ci-dessus, l'office pouvait dès lors donner suite sans autre à la réquisition de continuer la poursuite sur la base du jugement de mainlevée produit à l'appui de cette réquisition (cf.
ATF 104 III 52
consid. 2; JOOS, op. cit., p. 109 ch. 2 in fine).
Certes, en vertu du chiffre 2 des explications figurant au verso du formulaire de la réquisition de continuer la poursuite (Form. 4), le jugement de mainlevée doit être produit muni d'une attestation de son caractère exécutoire. Il n'y a pas lieu d'exiger une telle attestation lorsque, comme en l'espèce, le caractère exécutoire du jugement découle clairement de la loi. Au demeurant, les explications en question n'ont pas force de loi, elles ne représentent que de simples règles d'ordre; l'office des poursuites peut donc renoncer à l'exigence de l'attestation et donner suite à la réquisition de continuer la poursuite en notifiant l'avis de saisie, lequel n'en sera pas invalide, ni totalement nul pour autant (
ATF 101 III 40
consid. 1, jurisprudence concernant la notification de la commination de faillite et applicable ici mutatis mutandis). | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
630dd721-2dfd-452f-9583-5544df5fb580 | Urteilskopf
117 II 109
23. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. März 1991 i.S. B. gegen B. (Berufung) | Regeste
Zustimmung zur Adoption; Anfechtung wegen Urteilsunfähigkeit (
Art. 265a ZGB
;
Art. 44 OG
).
Wird dem Begehren, es sei die Zustimmung zur Adoption wegen Urteilsunfähigkeit als ungültig zu bezeichnen, von der oberen kantonalen Spruchbehörde nicht entsprochen, so kann deren Entscheid nicht mit Berufung beim Bundesgericht angefochten werden. | Sachverhalt
ab Seite 109
BGE 117 II 109 S. 109
A.-
Am 25. Juni 1987 hatte Daniela B. der von einer Sozialarbeiterin vorbereiteten schriftlichen Erklärung betreffend Adoption ihres Sohnes durch ungenannte Pflegeeltern zugestimmt. Die Vormundschaftsbehörde entzog ihr in der Folge die elterliche Gewalt, stellte das Kind unter Vormundschaft und bestimmte die Sozialarbeiterin zu dessen Vormündin. Gleichentags wurde das Kind in Gegenwart seiner Mutter den Pflege- und künftigen Adoptiveltern übergeben. Am 13. August 1987 stellte die Vormundschaftsbehörde fest, dass nach Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist die Zustimmungserklärung von Daniela B. endgültig geworden sei.
B.-
Mit Eingabe vom 29. November 1988 beantragte Daniela B. der Vormundschaftsbehörde, es sei ihre Zustimmung zur Adoption als nichtig bzw. als unverbindlich zu erklären und es sei ihr das Kind wieder zurückzugeben, eventuell sei die Frist für den
BGE 117 II 109 S. 110
Widerruf der Zustimmung wiederherzustellen. Sie machte im wesentlichen geltend, dass sie im Augenblick ihrer Zustimmung zur Adoption nicht urteilsfähig gewesen sei.
Nachdem die Vormundschaftsbehörde und die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde auf Nichtigkeit der Zustimmung zur Adoption erkannt hatten, beschwerte sich die Vormündin beim Regierungsrat des Kantons Thurgau. Dieser hiess die Beschwerde gut und stellte - in Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheide - fest, dass Daniela B. am 25. Juni 1987 im Sinne von
Art. 265a ZGB
gültig der Adoption ihres Kindes zugestimmt habe.
C.-
Daniela B. erhob gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Thurgau sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde. Auf die Berufung trat das Bundesgericht aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Der vorliegenden Streitsache liegt die Zustimmung zur Adoption im Sinne von
Art. 265a ZGB
zugrunde, die Daniela B. am 25. Juni 1987 für ihr Kind erteilt hat. Sie hat diese Zustimmung innert der Frist von
Art. 265b Abs. 2 ZGB
nicht widerrufen, möchte sie nun aber wegen Nichtigkeit, eventuell wegen Willensmängeln anfechten.
Eine solche Streitsache ist - wie von keiner Seite bestritten wird - wohl (formell) eine Zivilsache, jedoch keine Zivilrechtsstreitigkeit, die gestützt auf
Art. 44 OG
mit Berufung an das Bundesgericht weitergezogen werden könnte (
BGE 107 II 501
E. 2b). Sie lässt sich auch nicht ohne weiteres den Ausnahmen von Art. 44 lit. c und d zuordnen.
b) Daniela B. stellt sich nun aber auf den Standpunkt, der vorliegende Fall sei analog zu
Art. 265c Ziff. 2 ZGB
zu behandeln, welche Bestimmung in
Art. 44 lit. c OG
ausdrücklich genannt wird. Indem die Vorinstanz die Gültigkeit der Zustimmungserklärung bejaht habe, hätten nämlich die Behörden sinngemäss von der Einholung einer Zustimmungserklärung ganz abgesehen.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Nach dem klaren Wortlaut von
Art. 44 lit. c OG
ist die Berufung nur zulässig beim Absehen von der Zustimmung eines Elternteils zur Adoption - und auch dies nur im Fall der Ziff. 2 von
Art. 265c ZGB
. Die Ausnahmen in
Art. 44 lit. a-f OG
sind nach der Rechtsprechung und nach einhelliger Lehre abschliessend aufgezählt (BGE 109
BGE 117 II 109 S. 111
II 27 E. 1, 108 II 524 E. 1, 107 II 501 E. 2b, 95 II 302 E. 1; Kommentar BIRCHMEIER, S. 129, mit Verweis auf die ältere Rechtsprechung; POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bern 1990, Band II, S. 205). Daher lässt sich der vorliegende Sachverhalt nicht in derart extensiver Weise
Art. 44 lit. c OG
analog subsumieren, wie sich das die Berufungsklägerin vorstellt. Es geht um den Widerruf einer unbestritten erteilten Zustimmung zur Adoption, und dieser Sachverhalt kann nicht dem Absehen von der Zustimmung (weil der Elternteil sich um das Kind nicht ernstlich gekümmert hat) gleichgestellt werden (vgl. auch das Bundesgerichtsurteil vom 28. Juni 1984 i.S. Bernasconi gegen Dipartimento di giustizia della Repubblica e Cantone del Ticino, veröffentlicht in Repertorio di giurisprudenza patria 118/1985, S. 234 f., E. 1).
c) Daniela B. meint ausserdem, die Zulässigkeit der Berufung wäre auch aufgrund von
Art. 44 lit. d OG
zu bejahen. Nach dieser Vorschrift kann Berufung erhoben werden gegen Entscheide, welche die Entziehung oder die Wiederherstellung der elterlichen Gewalt zum Gegenstand haben (
Art. 311 und 313 ZGB
).
Die Berufungsklägerin verliert indessen aus den Augen, dass die Frage der Wiederherstellung der elterlichen Gewalt nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Sie müsste allenfalls nach Massgabe von
Art. 313 Abs. 1 ZGB
geprüft werden, wenn Daniela B. mit der Anfechtung des Entscheides des Regierungsrates des Kantons Thurgau Erfolg hätte. Der Regierungsrat hat - entsprechend seinem Standpunkt in dem hier allein streitigen Punkt - festgehalten, dass auf Fragen der Wiederherstellung der elterlichen Gewalt zugunsten von Daniela B. bzw. der Rückplazierung des Kindes zu seiner Mutter nicht einzutreten sei. Der Bezirksrat hat sich zur Wiederherstellung der elterlichen Gewalt überhaupt nicht geäussert. Daniela B. hat in ihrer dem Regierungsrat eingereichten Stellungnahme vom 1. September 1989 selber erklärt, dass über die Wiederherstellung der elterlichen Gewalt in diesem Verfahren nicht zu entscheiden sei.
Es kann demnach auf die Berufung auch nicht aufgrund von
Art. 44 lit. d OG
eingetreten werden. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
63144414-e27f-4994-9b0c-4cb93663874b | Urteilskopf
89 I 65
11. Urteil vom 30. Januar 1963 i.S. Goebel gegen Diethrich und Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. | Regeste
Gerichtsstandsklausel.
Die Annahme, die Vereinbarung eines Gerichtsstandes schliesse die Klage am ordentlichen Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten nicht aus
- verstösst nicht gegen die
Art. 58 und 59 BV
(Erw. 1).
- ist in casu mit dem Wortlaut und Sinn der Klausel vereinbar und nicht willkürlich (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 65
BGE 89 I 65 S. 65
A.-
Die in Frankreich wohnhafte Louise Diethrich stand nach dem ersten Weltkrieg mit dem bis 1959 in Frankfurt a.M. wohnenden Arnold Goebel in Geschäftsbeziehung und übergab ihm gewisse Geldbeträge. Um 1930 führte sie verschiedene Prozesse gegen Goebel und erwirkte, dass dieser vom Landgericht Frankfurt in den Jahren 1933/35 verurteilt wurde, ihr 20'000. - RM zu
BGE 89 I 65 S. 66
bezahlen und über den gemeinschaftlichen An- und Verkauf von Grundstücken Rechnung abzulegen. Auf Grund dieser Urteile nahm sie an der Pfändung und Zwangsverwaltung der in Frankfurt befindlichen Liegenschaften Goebels teil. Da ein Teil dieser Liegenschaften während des zweiten Weltkrieges beschädigt wurden und ihr Wiederaufbau die Aufhebung der Zwangsverwaltung erforderte, schlossen Louise Diethrich und Goebel am 16. August/20. September 1951 einen Vergleich, in welchem Louise Diethrich auf ihre Recht aus den genannten Urteilen verzichtete, während Goebel sich zur Zahlung von 15'000.-- DM verpflichtete und ausserdem versprach, ihr frühestens ab 1. Januar 1953 eine monatliche lebenslängliche Rente von höchstens 300.-- DM zu bezahlen, "sofern und soweit die (näher bezeichneten) Grundstücke entsprechenden Ertrag abwerfen". Die letzte Bestimmung des Vergleichs lautete: "Erfüllungsort und Gerichtsstand für beide Teile ist Frankfurt a.M.".
Goebel zahlte die 15'000. - DM, nicht dagegen die vereinbarte Rente. In den Jahren 1956/58 verkaufte er seine Liegenschaften in Frankfurt für 610'000.-- DM und zog dann nach Teufen (Kt. Appenzell A.Rh.), wo er seit anfangs 1959 wohnt.
B.-
Am 8. Februar 1961 reichte Louise Diethrich beim Bezirksgericht Mittelland Klage ein gegen Goebel mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr rückwirkend seit 1. Januar 1953 eine lebenslängliche Leibrente von monatlich 300.-- DM zu bezahlen, und es sei der Beklagte zu verpflichten, ihr die seit 1. Januar 1953 bis zur Urteilsfällung verfallenen Rentenbetreffnisse zum Tageskurse zu bezahlen.
Der Beklagte beantragte unter Berufung auf die im Vergleich von 1951 enthaltene Gerichtsstandsklausel, auf die Klage sei wegen örtlicher Unzuständigkeit nicht einzutreten; eventuell beantragte er Abweisung der Klage. Das Bezirksgericht Mittelland betrachtete die Einrede der Unzuständigkeit als begründet. Das Obergericht des
BGE 89 I 65 S. 67
Kantons Appenzell A.Rh. dagegen wies sie mit Urteil vom 24. September 1962 ab und die Streitsache zur materiellen Beurteilung an das Bezirksgericht zurück. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Ob ein vereinbarter Gerichtsstand ausschliesslich sei oder mit dem gesetzlichen Gerichtsstand konkurriere, sei eine Frage der Auslegung der Vereinbarung. Im Zweifel schliesse die Vereinbarung eines Gerichtsstandes die Klage am ordentlichen Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten nicht aus, liege es doch im allgemeinen in seinem Interesse, am Wohnsitz eingeklagt zu werden. Dem Wortlaut der vorliegenden Gerichtsstandsklausel sei nicht zu entnehmen, dass die Parteien in Frankfurt a.M. einen ausschliesslichen Gerichtsstand begründen wollten. Viel näher liege die Annahme, dass der Beklagte damit den ordentlichen Gerichtsstand seines Wohnsitzes wählte. Wohl sei es möglich, dass die Parteien den Gerichtsstand in Frankfurt auch im Hinblick auf den sachlichen Zusammenhang zwischen der von der Klägerin verlangten Rente und den Erträgnissen der in Frankfurt liegenden Grundstücke wählten. Daraus folge aber nicht zwingend, dass sie damit am damaligen Wohnsitz des Beklagten einen ausschliesslichen Gerichtsstand begründen wollten. Es könne auch nicht gesagt werden, die Frankfurter Gerichte seien wegen jenes sachlichen Zusammenhangs besser zur Entscheidung über die streitigen Rentenansprüche geeignet als die appenzellischen Gerichte. Der Beklagte habe kein schutzwürdiges Interesse am vereinbarten Gerichtstand in Frankfurt, weil er seit 1959 in der Schweiz wohne und seine Grundstücke in Frankfurt verkauft habe, und weil der für die Bemessung der streitigen Rente allenfalls massgebende Ertrag der Grundstücke ohne Schwierigkeiten auf dem Wege der Rechtshilfe zu ermitteln sei. Die Berufung des Beklagten auf die im Jahre 1959 unter ganz andern tatsächlichen Voraussetzungen (Wohnsitz und Grundbesitz des Beklagten in Frankfurt) vereinbarte Gerichtsstandsklausel sei rechtsmissbräuchlich.
BGE 89 I 65 S. 68
C.-
Gegen dieses Urteil des Obergerichts hat Arnold Goebel staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er macht Verletzung der
Art. 58 und 59 BV
geltend. Ferner rügt er, dass die Annahme, die Gerichtsstandsklausel sei nicht ausschliesslich, willkürlich sei und gegen
Art. 4 BV
verstosse, da aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des Vergleichs von 1951 klar hervorgehe, dass der vereinbarte Gerichtsstand aus Rücksicht auf den Sachzusammenhang, die gelegene Sache, die Prozessökonomie und das anwendbare Recht gewählt worden sei. Die nähere Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
D.-
Das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. und die Beschwerdegegnerin Louise Diethrich beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Berufung des Beschwerdeführers auf die
Art. 58 und 59 BV
geht offensichtlich fehl.
Art. 59 BV
schützt den Schuldner unter gewissen Voraussetzungen davor, an einem andern Orte als an seinem schweizerischen Wohnsitz belangt zu werden. Diese Garantie kann vorliegend nicht verletzt sein, da der Beschwerdeführer ja seinen Wohnsitz unbestrittenermassen in Teufen hat und dort vor Gericht gezogen wird. Aus
Art. 59 BV
kann der Schuldner nicht ableiten, dass er gegebenenfalls nicht an seinem Wohnsitz, sondern an einem andern Orte in der Schweiz oder gar im Ausland belangt werden müsse.
Art. 58 BV
schützt zunächst gegen die Unterstellung unter Ausnahmegerichte und ist sodann verletzt, wenn ein ordentliches Gericht in Missachtung einer Verfassungs- oder Gesetzesvorschrift seine Zuständigkeit bejaht oder verneint (
BGE 48 I 148
Erw. 1,
BGE 83 I 85
Erw. 3). Es ist klar, dass von einer solchen Verletzung vorliegend nicht die Rede sein kann, denn der Beschwerdeführer wird für eine persönliche Ansprache an seinem Wohnsitz belangt,
BGE 89 I 65 S. 69
wo sich nach Art. 24 appenzell. ZPO der allgemeine und für Forderungsklagen durch
Art. 59 BV
noch besonders geschützte Gerichtsstand der natürlichen Person befindet.
Fraglich ist einzig, ob die Parteien mit der im Vergleich von 1951 enthaltenen Gerichtsstandsklausel den verfassungs- und gesetzmässigen Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten wegbedungen und für die vorliegende Streitigkeit die Gerichte von Frankfurt a.M. als ausschliesslich zuständig erklärt haben. Das Obergericht hat die Frage verneint. Diese Auslegung der Gerichtsstandsklausel kann vom Bundesgericht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel des
Art. 4 BV
, d.h. daraufhin überprüft werden, ob sie mit dem Wortlaut und Sinn der Klausel unvereinbar, geradezu willkürlich sei.
2.
Das Obergericht geht davon aus, dass die Ausschliesslichkeit einer Gerichtsstandsklausel nicht zu vermuten sei und dass die Vereinbarung eines Gerichtsstandes im Zweifel die Klage am ordentlichen Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten nicht ausschliesse. Diese Betrachtungsweise wird vom Beschwerdeführer mit Recht nicht beanstandet, denn sie wird von GULDENER (Schweiz. Zivilprozessrecht 2. Aufl. S. 94 Anm. 88) vertreten und das Bundesgericht hat sich ihr in
BGE 87 I 72
Erw. 5 a angeschlossen, sodass sie jedenfalls nicht als schlechthin unhaltbar, willkürlich bezeichnet werden kann. Der Beschwerdeführer ist jedoch der Auffassung, vorliegend könne kein Zweifel an der Ausschliesslichkeit des vereinbarten Gerichtsstandes bestehen.
Die letzte Bestimmung des Vergleichs von 1951 hat den üblichen Inhalt der einem Vertrag beigefügten Gerichtsstandsklausel (vgl. z.B.
BGE 87 I 74
und 131). Sie enthält nach ihrem Wortlaut keinen Anhaltspunkt dafür, dass damit im Falle von Streitigkeiten der ordentliche Gerichtsstand des jeweiligen Wohnsitzes des Beklagten ausgeschlossen werden sollte. Es liegen auch keine dem Vergleichsabschluss vorausgegangenen schriftlichen Äusserungen der Parteien oder ihrer damaligen Anwälte vor,
BGE 89 I 65 S. 70
die Aufschluss über den Sinn und Zweck der Gerichtsstandsklausel geben würden. Es kann sich somit nur fragen, ob die Umstände, unter denen die Klausel vereinbart wurde, zwingend dafür sprechen, dass die Parteien damit einen ausschliesslichen Gerichtsstand in Frankfurt a.M. begründen wollten.
Im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses lag der vereinbarte Gerichtsstand vor allem deshalb im Interesse des Beschwerdeführers, weil er damals in Frankfurt a.M. wohnte. Daneben rechtfertigte sich dieser Gerichtsstand aus sachlichen Gründen, da für die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin auf Grund des Vergleichs eine Rente zu bezahlen verpflichtet sei, der Ertrag einiger in Frankfurt befindlicher Liegenschaften massgebend ist. Unter diesen Umständen kann es sehr wohl sein, dass die Parteien den im Vergleich vereinbarten Gerichtsstand Frankfurt a.M. als ausschliesslich verstanden haben. Indessen ist dies nicht die einzig mögliche Betrachtungsweise. Die genannten Umstände, die den vereinbarten Gerichtsstand zu rechtfertigen vermögen, sprechen nicht zwingend dafür, dass ihm die Parteien ausschliesslichen Charakter beilegen wollten, und noch weniger, dass sie dies selbst für den Fall wollten, dass der Beschwerdeführer in der Folge seinen Wohnsitz von Frankfurt an einen andern Ort verlegen und seine dortigen Liegenschaften veräussern sollte. Die Annahme des Obergerichts, dass die Parteien für diesen nun eingetretenen Fall den Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten für auf Grund des Vergleichs zu erhebende Forderungsklagen gegen ihn nicht ausschliessen wollten, lässt sich mit guten Gründen vertreten und hält jedenfalls dem Vorwurfe der Willkür stand; denn es liegt nach den genannten Umständen nahe und ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Gerichtsstand Frankfurt allein oder doch hauptsächlich im Hinblick auf den damaligen Wohnsitz des Beschwerdeführers in dieser Stadt vereinbart wurde.
BGE 89 I 65 S. 71
Ob die Berufung des Beschwerdeführers auf diesen Gerichtsstand, wie das Obergericht angenommen hat, geradezu missbräuchlich sei, d.h. gegen Treu und Glauben verstosse und auch deshalb keinen Schutz verdiene, kann dahingestellt bleiben. Für die Abweisung der Beschwerde genügt, dass die vom Obergericht vertretene Annahme, die Klausel schliesse den ordentlichen Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten nicht aus, dem Vorwurfe der Willkür standhält.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6319f809-30a6-4b62-9322-826c04732e08 | Urteilskopf
125 II 643
65. Estratto della sentenza della I Corte di diritto pubblico del 15 novembre 1999 nella causa X. e altri contro Città di Lugano e Dipartimento federale dell'ambiente, dei trasporti, dell'energia e delle comunicazioni (ricorsi di diritto amministrativo) | Regeste
Betriebskonzession und Rahmenkonzession für den Flugplatz Lugano-Agno; Umweltschutz.
Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 4a).
Systematik des Luftfahrtgesetzes (in der Fassung von 1995), Inhalt der verschiedenen Konzessionen (E. 5).
Bedeutung der Tatsache, dass die zu einem Regionalflugplatz auszubauende Anlage bisher nur die Stellung eines - nicht öffentlichen - Flugfeldes hatte (E. 6).
Verhältnis zwischen Erteilung luftfahrtrechtlicher Konzessionen und Erlass von Lärmzonen- und Sicherheitszonenplänen (E. 7).
Bedürfnisnachweis als Voraussetzung für die Erteilung einer bundesrechtlichen Konzession; Bedeutung des regionalen Luftverkehrs (E. 8).
Schutz vor Lärm aus dem Flugplatzbetrieb: Bestimmungen des Umweltschutzgesetzes über die in den Konzessionen festzulegenden Massnahmen zur Emissionsbegrenzung (E. 15).
Ausbau und Sanierung eines bestehenden Flugplatzes; die Behörde ist nicht verpflichtet, die Sanierung in der Rahmenkonzession anzuordnen (E. 16).
Vorschriften über den Lärmschutz bei wesentlicher Änderung bestehender Anlagen; die Bestimmungen über die ortsfesten neuen Anlagen sind nicht anwendbar (
Art. 25 Abs. 1 USG
,
Art. 8 Abs. 2 LSV
- E. 17a-b). Möglichkeit von Erleichterungen und die sich daraus ergebende Pflicht zur Schallisolierung lärmbelasteter Bauten (E. 17c-d).
Überprüfung der in der Konzession enthaltenen Betriebsbestimmungen für den Flugplatz Lugano-Agno im Lichte der eidgenössischen Lärmschutzvorschriften. Tragweite einer Konzessions-Klausel, in welcher eine generelle Limite des zulässigen Lärms festgesetzt wird ("Lärmkorsett"); Prüfung der Berechnungsgrundlagen und der gewählten Limite; das Vorgehen erscheint im vorliegenden Fall als angemessen (E. 18a-c).
Notwendigkeit zusätzlicher Verwaltungsverfahren zur Abklärung verschiedener Fragen, insbesondere zur Anordnung von Schallschutzmassnahmen an lärmbelasteten Bauten (E. 18d).
Voraussetzungen, unter denen das "Lärmschutzkorsett" der Betriebskonzession geändert werden könnte (E. 18e). Da die Betroffenen über die Lärmentwicklung zu orientieren sind, ist der Flugplatzhalter zu jährlichen Kontrollen und Veröffentlichung der Resultate verpflichtet (E. 18f-g).
Der Schutz gegen den Fluglärm muss in der Nacht in besonderem Masse gewährleistet werden; die Sache ist zur Anordnung solcher zusätzlicher emissionsbegrenzender Massnahmen an das zuständige Departement zurückzuweisen (E. 19). | Sachverhalt
ab Seite 646
BGE 125 II 643 S. 646
A.-
L'Aeroclub Svizzero, sezione di Lugano, veniva autorizzato nel 1947 a esercire un aerodromo nella piana del Vedeggio, tra le località di Agno, Bioggio e Muzzano. La Città di Lugano decideva nel 1963 di acquistare tale aerodromo. Il 30 maggio 1974 essa otteneva dall'autorità federale competente l'autorizzazione di esercirlo quale aerodromo privato o campo d'aviazione. L'aerodromo veniva dotato di un regolamento d'esercizio, del 12 agosto 1974. Le installazioni dell'aerodromo (pista asfaltata di 1350 metri, aerostazione ecc.) erano progressivamente realizzate e ampliate dall'esercente. Il perimetro complessivo, di circa 36 ettari, si estende sul territorio di tre comuni, Agno a sud-ovest (circa 10,5 ha), Bioggio a nord (circa 16 ha) e Muzzano a sud-est (circa 9,5 ha).
Nel novembre 1980 l'aerodromo ("Aeroporto di Lugano-Agno") veniva aperto al traffico di linea. La compagnia Crossair otteneva progressivamente la concessione federale del diritto di esercire varie linee colleganti Lugano a determinate città svizzere ed europee. L'aerodromo è altresì aperto all'aviazione generale. Il traffico di linea vi si è sviluppato considerevolmente: mentre nel 1981, su 28'461 movimenti complessivi, 2'964 concernevano il traffico di linea, nel 1996 quest'ultimo registrava, su un totale di 31'432 movimenti, ben 18'682 movimenti; analogamente, il numero dei passeggeri del traffico di linea saliva da 25'289 nel 1981 (su un totale di 54'185) a 383'124 nel 1996 (su un totale di 398'228).
Malgrado l'introduzione e l'espansione del traffico di linea, l'aerodromo non ha cambiato dal 1974 il proprio statuto giuridico ai sensi della legislazione federale ed è rimasto formalmente un campo d'aviazione privato, e non un aeroporto aperto all'aviazione pubblica. L'autorizzazione d'esercizio e il regolamento d'esercizio sono stati tuttavia modificati per permettere movimenti d'aerei di linea all'inizio del mattino e nel corso della serata.
BGE 125 II 643 S. 647
Il 19 aprile 1989 il Consiglio di Stato ticinese emanava un decreto esecutivo concernente le infrastrutture dell'aviazione civile nel Cantone Ticino (DEIAC), che enuncia gli obiettivi della politica cantonale in materia di aerodromi civili, prevedendo, in particolare, la concentrazione delle attività aeronautiche a Lugano-Agno (dove è garantito prioritariamente il traffico di linea) e a Locarno-Magadino (dove vanno favoriti i voli charter, d'affari, turismo, nonché i voli locali di scuola e di lavoro). Tale decreto prevede inoltre che, fino all'entrata in vigore di piani d'utilizzazione dell'aerodromo di Lugano-Agno, non dev'essere superato il limite di 40'000 movimenti annui, di cui 60 movimenti al giorno riservati ai voli di linea e calcolati secondo una media settimanale.
B.-
Il 25 gennaio 1993 la Città di Lugano presentava al Dipartimento federale dell'ambiente, dei trasporti, dell'energia e delle comunicazioni (denominazione attuale; in seguito: il Dipartimento federale) una domanda di concessione per la costruzione e l'esercizio riguardante l'aerodromo di Lugano-Agno, destinata a regolarizzare la situazione esistente e a garantire gli sviluppi futuri, con la possibilità di accogliere 700'000 passeggeri all'anno. La concessione era richiesta altresì per permettere l'estensione del perimetro dell'aeroporto e la realizzazione, in diverse fasi, della prima tappa d'ampliamento, avente per oggetto, in particolare: una nuova via di rullaggio parallela alla pista in tutta la sua lunghezza, in luogo e vece di una bretella di raccordo tra la parte mediana della pista e la superficie di sosta; un nuovo piazzale di sosta aeromobili per 20 aerei, destinato a raddoppiare la superficie asfaltata di parcheggio; l'ampliamento dell'aerostazione passeggeri; un nuovo edificio amministrativo e nuovi hangar per merci ecc.; nuovi posti di parcheggio per autovetture, in modo da porre a disposizione degli utenti complessivamente 600 posti, di cui 500 accessibili al pubblico; nuove sistemazioni stradali destinate all'accesso all'aeroporto del pubblico (dal lato sud) e dei veicoli di servizio (dal lato nord).
La domanda di concessione era accompagnata da un progetto di regolamento d'esercizio, da un piano delle zone di sicurezza, da un piano delle zone di rumore e da un rapporto sull'impatto ambientale (redatto nel 1993). I livelli di rumore nelle vicinanze dell'aeroporto erano stati calcolati da uno studio d'ingegneria, presupponendo un traffico futuro prevedibile di 45'000 movimenti all'anno, di cui 30'000 di linea. Tale valutazione del traffico è servita come base per le analisi contenute nel rapporto sull'impatto, come pure per le considerazioni in materia di protezione contro il rumore e negli altri ambiti.
BGE 125 II 643 S. 648
Nel giugno 1993 aveva luogo il deposito pubblico e l'inizio della procedura di audizione. Il 21 dicembre 1993 l'Ufficio federale dell'ambiente, delle foreste e del paesaggio trasmetteva il suo parere sul progetto. In base ai risultati della consultazione, l'Ufficio federale dell'aviazione civile (UFAC) esaminava insieme con i rappresentanti della Città di Lugano e con le autorità cantonali le modifiche da apportare ai progetti; venivano altresì uditi i comuni interessati.
C.-
Il 16 settembre 1996 il Dipartimento federale accordava alla Città di Lugano una "concessione per l'esercizio" e una "concessione quadro." Nella stessa decisione esso si esprimeva sulle obiezioni formulate nel corso della consultazione pubblica ed esponeva le modifiche apportate al progetto presentato dall'esercente.
Con la concessione per l'esercizio sono stati determinati gli obblighi della concessionaria, tra di essi quello di ammettere gli utenti (con la possibilità di limitare, d'intesa con l'UFAC, l'ammissione di singole categorie di aeromobili per ragioni legate alla sicurezza del traffico o alla lotta contro il rumore), e quello di garantire un esercizio ordinato dell'aeroporto e di gestire quest'ultimo in modo conforme alle disposizioni di legge e della concessione. La concessione contiene l'approvazione del nuovo regolamento d'esercizio e determina, in via di principio, l'orario d'esercizio. Nell'enunciare gli obblighi rispetto all'ambiente, essa impone alla concessionaria di presentare entro 6 mesi dalla crescita in giudicato una domanda di concessione per un mezzo di trasporto pubblico che garantisca il collegamento dell'aeroporto con i principali centri urbani della regione. In una specifica clausola (3.6.2) concernente l'inquinamento fonico, la concessione stabilisce che non devono essere superati i valori di esposizione al rumore indicati nel catalogo di esposizione al rumore del settembre 1995; la concessionaria è tenuta a garantire l'adempimento di questa condizione quadro per mezzo di provvedimenti contro l'inquinamento acustico a livello tecnico, organizzativo e di esercizio; in caso di superamento di tali valori, vengono accordate alla concessionaria facilitazioni per continuare l'esercizio dell'aeroporto. La concessionaria deve ordinare provvedimenti di isolamento acustico in tutte le zone in cui vengano superati i valori limite; il piano d'isolamento acustico dev'essere approvato dall'autorità esecutiva, che fissa le scadenze per la sua esecuzione; i relativi costi sono a carico dell'esercente dell'aeroporto. La concessione regola altresì l'uso degli accessi all'aeroporto, fissa a 30 anni la propria validità e revoca l'autorizzazione di esercizio precedente.
BGE 125 II 643 S. 649
Il catasto di esposizione al rumore a cui si riferisce la concessione è stato allestito dalla Città di Lugano e dall'UFAC (sarà indicato in seguito come: catasto del 1995). Si fonda su di un traffico aereo annuo di 38'000 movimenti, di cui 28'000 di linea e 10'000 d'aviazione generale (e non più su di un totale di 45'000, quale considerato nella domanda di concessione). Esso si presenta sotto forma di piani (scala 1:5000 e 1:2000) indicanti le curve dei livelli di rumore Lr 55, 60, 65, 70 e 75 dB(A), calcolati secondo le prescrizioni dell'ordinanza contro l'inquinamento fonico. Il regolamento d'esercizio disciplina, in particolare, l'organizzazione dell'aeroporto, le procedure di atterraggio e di decollo, e contiene prescrizioni sul contenimento delle immissioni acustiche, sugli orari di esercizio, sulle limitazioni dei voli scuola o di allenamento e sulle priorità di utilizzo della pista applicabili alle varie categorie di voli.
La concessione quadro, che è una decisione preliminare secondo la legislazione edilizia per il programma di costruzione relativo all'aeroporto di Lugano-Agno, è accompagnata da un piano dei settori di pianificazione e concerne solo la prima tappa del potenziamento figurante nel progetto della richiedente, ridimensionato d'altronde dal Dipartimento federale. Essa prevede che per ogni singolo progetto del programma di costruzione i committenti debbano presentare una domanda di concessione edilizia, ma che le questioni di principio oggetto di decisioni nell'ambito della procedura relativa alla concessione quadro sono vincolanti per le autorità e per i terzi nelle successive procedure di concessione edilizia. La concessione quadro determina il perimetro di pianificazione (comprensorio dell'aerodromo) con i settori di pianificazione, nonché i progetti di costruzione. Nell'evocare gli obblighi della concessionaria, essa impone a quest'ultima di rispettare, nel proprio progetto di costruzione, le esigenze della pianificazione del territorio, della protezione dell'ambiente e del paesaggio, e di considerare e concretizzare nelle domande di concessione edilizia i provvedimenti indicati nel rapporto sull'impatto ambientale per garantire un buon inserimento nel paesaggio e il rispetto ottimale delle aree verdi circostanti, la protezione delle acque, la riduzione delle emissioni acustiche e delle vibrazioni durante la costruzione, e la riduzione delle sostanze nocive per l'aria sia durante la fase operativa che durante la fase di costruzione. Prevede altresì che nella procedura di concessione edilizia concernente l'autosilo debba essere presentato un piano di gestione per tutti i parcheggi del comprensorio aeroportuale, che indichi l'adeguamento al piano cantonale dei provvedimenti di risanamento
BGE 125 II 643 S. 650
dell'aria. Per il potenziamento degli impianti previsti nella concessione quadro, dev'essere presentata una domanda di concessione edilizia al più tardi quando sia raggiunto un volume di 500'000 passeggeri all'anno. Per la costruzione della via di rullaggio, la domanda di concessione edilizia va inoltrata entro 6 mesi dal passaggio in giudicato della concessione per l'esercizio e della concessione quadro. La validità di quest'ultima è limitata a 15 anni.
D.-
Contro la decisione con cui il Dipartimento federale ha accordato la concessione per l'esercizio e la concessione quadro, sono stati proposti 57 ricorsi di diritto amministrativo, concernenti sia entrambe le concessioni sia una sola di esse. I tre comuni confinanti, un'associazione intercomunale, un consorzio di manutenzione di opere idrauliche, e numerosi proprietari di fondi vicini chiedono, in sostanza, che l'ampliamento e l'esercizio dell'aeroporto siano assoggettati a condizioni più rigorose, tali da limitare in misura maggiore l'inquinamento dell'ambiente, in particolare quello acustico e atmosferico. Tre organizzazioni aeronautiche (due associazioni e una società anonima) chiedono, per converso, una modifica del regolamento d'esercizio in relazione agli orari applicabili all'aviazione generale e alle priorità stabilite nell'utilizzazione dell'aeroporto.
Il 29 maggio 1997 è stato designato quale perito acustico nei procedimenti ricorsuali di cui sopra il dott. Robert Hofmann, capo della "Sezione acustica, lotta contro i rumori" del Laboratorio federale di prova dei materiali e di ricerca, al quale il Tribunale federale ha sottoposto un questionario su cui le parti avevano avuto occasione di esprimersi. Il perito era invitato a pronunciarsi su questioni generali (formule di calcolo del rumore del traffico aereo, valori limite) e a verificare determinati elementi del catasto del 1995 a cui si riferisce la concessione per l'esercizio. Ricevuto il suo referto, il Tribunale federale l'ha comunicato alle parti, invitandole ad esprimersi al riguardo; il 13 novembre 1998 esso ha sottoposto alcuni quesiti complementari al perito, che ha risposto il 14 dicembre 1998; anche tali quesiti e le relative risposte sono stati comunicati alle parti, con facoltà di esprimersi e di chiedere eventuali complementi. Il referto peritale e il suo complemento, redatti in tedesco, sono stati in seguito tradotti in italiano a richiesta del Tribunale federale.
Il Tribunale federale ha accolto parzialmente 52 ricorsi, e ha rinviato la causa al Dipartimento federale perché completi la decisione impugnata, nel senso che è imposto alla Città di Lugano di controllare annualmente se siano stati rispettati i valori di esposizione
BGE 125 II 643 S. 651
al rumore del 1995, e perché avvii una procedura tendente a introdurre nella concessione per l'esercizio o nel regolamento d'esercizio una nuova clausola che limiti il traffico o le emissioni inquinanti tra le ore 22.00 e le 23.00 ed eventualmente tra le ore 06.00 e le 07.00. Esso ha confermato per il rimanente la decisione impugnata e ha stabilito che nel frattempo l'aeroporto può essere esercito secondo la concessione d'esercizio accordata in detta decisione.
Erwägungen
Dai considerandi:
I.
Procedura e ammissibilità
4.
a) Le due concessioni litigiose sono state rilasciate in base a disposizioni della legislazione federale entrate in vigore il 1o gennaio 1995 (che hanno sostituito vecchie norme in materia di concessione d'aeroporti): gli art. 37 segg. della legge federale sulla navigazione aerea del 21 dicembre 1948 (LNA), modificata e completata al riguardo dalla legge federale del 18 giugno 1993 (RS 748.0; RU 1994 3010, 3024), e gli art. 4 segg. dell'ordinanza del 23 novembre 1994 sull'infrastruttura aeronautica (OSIA; RS 748.131.1). In virtù di tali norme, il Dipartimento federale è attualmente competente a decidere da solo su di una domanda di concessione per l'esercizio o di concessione quadro; nei due casi, la procedura è la stessa; le sue decisioni sono impugnabili esclusivamente con ricorso di diritto amministrativo secondo gli art. 97 segg. OG (
art. 37a cpv. 1 e 2 LNA
).
Poiché il Tribunale federale è la prima autorità di ricorso e poiché la decisione del Dipartimento federale non è stata preceduta da una vera e propria procedura d'opposizione - il diritto federale prevede soltanto l'audizione delle autorità e dei privati interessati (
art. 37a cpv. 3 LNA
,
art. 4 OSIA
) -, sono ammissibili tutte le censure concernenti gli accertamenti di fatto o l'applicazione del diritto federale che si riferiscano alle due concessioni litigiose. Il Tribunale federale può esaminare liberamente gli accertamenti di fatto del Dipartimento federale (
art. 104 lett. b e 105 cpv. 1 OG
). Dato che un aeroporto è di per sé un impianto suscettibile di gravare notevolmente l'ambiente (ciò che comporta la necessità di procedere a un esame dell'impatto sull'ambiente - cfr. art. 9 cpv. 1 della legge federale del 7 ottobre 1983 sulla protezione dell'ambiente (LPAmb; RS 814.01), occorre che i fatti rilevanti siano accertati in modo dettagliato e completo; solamente su tale base può essere effettuata un'accurata ponderazione degli opposti interessi (
DTF 121 II 378
BGE 125 II 643 S. 652
consid. 1 e/aa). Detta ponderazione è anzitutto una questione di diritto - o relativa all'esercizio del potere d'apprezzamento - che il Tribunale federale esamina liberamente (
art. 104 lett. a OG
). Secondo quanto stabilito dalla giurisprudenza, esso deve nondimeno imporsi un certo riserbo al proposito ove siano in discussione questioni di carattere tecnico e l'autorità amministrativa si sia pronunciata, conformemente ai requisiti formali applicabili a tale genere di progetti, in base a un rapporto sull'impatto e ad analisi compiute da organi specializzati. In tal caso, il Tribunale federale verifica in primo luogo se gli interessi toccati siano stati determinati e se l'autorità amministrativa li abbia apprezzati in funzione degli effetti che possono risultare dalla costruzione o dall'esercizio dell'impianto (
DTF 121 II 378
consid. 1e/bb). Per questa ragione, qualora siano menzionate nell'incarto più soluzioni o varianti, non spetta al Tribunale federale di esaminare quale di esse sia la migliore; gli incombe, per converso, di verificare se il progetto, approvato dopo la ponderazione degli interessi, sia conforme al diritto federale (
DTF 124 II 146
consid. 3c;
DTF 118 Ib 206
consid. 10). Esso non è, al riguardo, vincolato dai motivi invocati dalle parti (
art. 114 cpv. 1 OG
).
II.
Sistema generale della legge federale sulla navigazione aerea; generalità
5.
La causa concerne determinati elementi della concessione per l'esercizio e della concessione quadro, che sono stati oggetto di una decisione globale del Dipartimento federale. Conviene evocare in modo generale, in un primo tempo, il contenuto e la portata rispettivi di tali due concessioni.
a) Il rilascio di una concessione d'esercizio alla Città di Lugano ha per effetto di modificare lo statuto del suo aerodromo, che diviene un aerodromo aperto alla navigazione aerea pubblica, ai sensi dell'
art. 37 cpv. 1 LNA
, ovvero un aerodromo pubblico (aeroporto) (cfr. titolo marginale dell'
art. 37a LNA
). In precedenza, esso apparteneva alla categoria degli "altri aerodromi (campi d'aviazione)" (cfr.
art. 37 cpv. 2 LNA
e titolo marginale dell'
art. 37b LNA
). L'aeroporto ha una caratteristica essenziale che lo distingue dal campo d'aviazione; esso ha l'"obbligo di ammettere utenti" ("Zulassungszwang"; - cfr. art. 2 e 19 cpv. 1 lett. c OSIA). La separazione tra aeroporti e campi d'aviazione esisteva già prima della revisione del 18 giugno 1993 della legge federale sulla navigazione aerea e dell'entrata in vigore dell'ordinanza sull'infrastruttura aeronautica (cfr. DTF 117
BGE 125 II 643 S. 653
Ib 387 consid. 5a, 399 consid. 1b/bb). Tale cambiamento di statuto non è, di per sé, contestato dai ricorrenti che, in altri termini, non chiedono che l'aerodromo di Lugano-Agno rimanga un campo d'aviazione. Essi criticano, invece, sia varie modalità d'esercizio, sia il contenuto della concessione.
La legge federale sulla navigazione aerea non definisce direttamente il contenuto della concessione per l'esercizio, né le condizioni a cui è subordinato il suo rilascio; essa rinvia alle prescrizioni particolareggiate emanate dal Consiglio federale (cfr.
art. 36 LNA
). L'
art. 8 cpv. 1 OSIA
enumera nel modo seguente i presupposti per il rilascio della concessione per l'esercizio - tali condizioni generali valgono altresì per una concessione di costruzione, e, per analogia, in virtù dell'
art. 15 OSIA
, pure per una concessione quadro:
a. il progetto adempie le esigenze tecniche e operative minime nonché le esigenze legate alla sicurezza dell'aviazione, alla pianificazione del territorio e alla protezione dell'ambiente, della natura e del paesaggio;
b. sussiste un bisogno sufficiente;
c. i piani delle zone di rumore e delle zone di sicurezza sono esposti al pubblico.
L'
art. 19 cpv. 1 OSIA
definisce come segue il contenuto della concessione per l'esercizio:
La concessione contiene:
a. il diritto di usare l'aeroporto a titolo commerciale;
b. il diritto di fissare tasse aeroportuali;
c. l'obbligo di ammettere utenti nonché l'obbligo per il concessionario di creare le condizioni per l'utilizzazione disciplinata dall'aeroporto, secondo le disposizioni legali e nell'ambito della concessione;
d. le condizioni quadro relative alle esigenze operative minime nonché le esigenze fondamentali legate alla sicurezza dell'aviazione, alla pianificazione del territorio e alla protezione dell'ambiente, della natura e del paesaggio;
e. l'approvazione del regolamento d'esercizio.
Il regolamento d'esercizio a cui si riferisce l'art. 19 cpv. 1 lett. e OSIA è emanato dal concessionario. Il suo contenuto è determinato nell'
art. 11 OSIA
; esso completa o precisa su certi punti le disposizioni della concessione per l'esercizio.
b) La concessione quadro, rilasciata nella fattispecie concreta insieme con la concessione per l'esercizio, è, ai sensi dell'
art. 14 cpv. 1 OSIA
, una "decisione preliminare secondo la legislazione edilizia" per "importanti programmi edilizi relativi agli aeroporti." Tale
BGE 125 II 643 S. 654
concessione "può definire segnatamente l'utilizzazione prevista, l'urbanizzazione dei terreni destinati ad essere edificati, l'ubicazione e la configurazione esterna dei singoli progetti nonché il loro inserimento nel paesaggio" (
art. 14 cpv. 2 OSIA
). Le condizioni poste dall'
art. 8 cpv. 1 OSIA
per il rilascio di una concessione per l'esercizio (cfr. supra consid. 5a) valgono anche per una concessione quadro (
art. 15 OSIA
).
Lo strumento della concessione quadro è stato introdotto nella legislazione federale con l'ordinanza sull'infrastruttura aeronautica del 23 novembre 1994 (OSIA), ossia dopo che la Città di Lugano aveva presentato la propria domanda di concessione (gennaio 1993). La legge federale sulla navigazione aerea non menziona questa fase preliminare che precede la concessione edilizia; la giurisprudenza ha nondimeno ammesso la conformità alla legge delle disposizioni dell'ordinanza che hanno istituito la concessione quadro (
DTF 124 II 293
consid. 10b pag. 318).
Il rilascio in questo stadio della procedura di una concessione quadro significa che la costruzione dei differenti impianti del programma d'ampliamento dell'aeroporto non è ancora autorizzata; perché lo sia, occorre, secondo il diritto attualmente in vigore, che il Dipartimento federale rilasci una concessione edilizia per ognuno degli impianti previsti (art. 16 seg. OSIA; cfr. n. 1.2. della concessione quadro). La Città di Lugano, che non ha impugnato la concessione quadro, non critica la soluzione scelta dal Dipartimento federale, e ciò benché la domanda da essa presentata nel gennaio 1993 tendesse a far beneficiare il proprio programma d'ampliamento di una concessione edilizia. I ricorrenti, dal canto loro, non pretendono che qualsiasi modernizzazione dell'aeroporto sia ingiustificata e che non debba quindi essere rilasciata una concessione quadro; essi si limitano a contestare certi elementi del progetto così inquadrato.
c) Il legislatore federale ha istituito nel 1995 per la creazione di nuovi aeroporti una disciplina giuridica coerente: il programma edilizio è in primo luogo oggetto di una concessione quadro; in seguito sono rilasciate concessioni edilizie per la costruzione dei diversi impianti; terminati i lavori, l'esercizio dell'aeroporto è autorizzato mediante una specifica concessione per l'esercizio. Queste tre fasi corrispondono a quelle dell'esame dell'impatto sull'ambiente, secondo il n. 14.1 dell'allegato dell'ordinanza del 19 ottobre 1988 concernente l'esame dell'impatto sull'ambiente (OEIA; RS 841.011). Il Tribunale federale ha già rilevato che questa nuova disciplina
BGE 125 II 643 S. 655
non è necessariamente adeguata - ossia può presentare lacune - laddove un aerodromo già esistente debba essere trasformato o ampliato (
DTF 124 II 293
consid. 10c pag. 318, 75 consid. 5a pag. 79).
Nel caso concreto, la situazione è sotto vari aspetti singolare. L'aerodromo di Lugano-Agno è già esercito come campo d'aviazione e, aperto da parecchi anni al traffico commerciale, potrebbe manifestamente ottenere lo statuto di aerodromo pubblico indipendentemente dal programma d'ampliamento previsto. Il rilascio di una concessione per l'esercizio sarebbe pertanto concepibile anche in assenza di una concessione quadro o di una concessione edilizia. Orbene, nel caso concreto la concessione per l'esercizio è vincolata alla concessione quadro: le due decisioni sono state emanate lo stesso giorno dal Dipartimento federale, in base ad un'unica domanda e a un unico incarto; detta autorità ha suffragato le sue decisioni con un'unica motivazione (risposta alle osservazioni presentate in occasione della consultazione pubblica) e la concessione per l'esercizio si riferisce espressamente al contenuto della concessione quadro (n. 1.4 della concessione per l'esercizio). Le condizioni d'esercizio sono quindi state determinate tenendo conto della realizzazione progressiva del programma d'ampliamento, durante la durata di validità della concessione per l'esercizio (30 anni - cfr. n. 5 della concessione per l'esercizio e
art. 10 cpv. 2 OSIA
). A tal proposito la concessione quadro rinvia a sua volta alla concessione per l'esercizio (n. 1.3 della concessione quadro). Nella fattispecie non si pone la questione, sorta in altri casi (cfr.
DTF 124 II 293
consid. 10d pag. 319 segg.; sentenza inedita del 2 marzo 1999 nella causa Aéroport Région Lausannoise La Blécherette, consid. 3b; sentenza inedita del 7 agosto 1996 nella causa Alpar, consid. 2a), dell'adeguamento di una vigente concessione d'esercizio dopo il rilascio di una concessione quadro o di una concessione edilizia destinata alla modernizzazione o all'ampliamento di un aeroporto esistente: il Dipartimento federale ha infatti previsto sin dall'inizio di fissare, nella concessione corrispondente, le condizioni d'esercizio in funzione del programma d'ampliamento.
Non occorre quindi trattare nel caso in esame separatamente la concessione per l'esercizio e la concessione quadro. Le censure ricorsuali saranno esaminate secondo gli ambiti a cui si riferiscono (protezione contro il rumore, protezione dell'aria, pianificazione del territorio, ecc.); in più ambiti, i rispettivi contenuti delle due concessioni sono strettamente connessi.
BGE 125 II 643 S. 656
d) Le Camere federali hanno adottato il 18 giugno 1999 la legge federale sul coordinamento e la semplificazione delle procedure d'approvazione dei piani (FF 1999 4365 - il termine referendario è scaduto infruttuosamente il 7 ottobre 1999), che comporta la modifica di diverse leggi federali, tra cui quella sulla navigazione aerea (LNA). Tali nuove norme non sono ancora in vigore; è nondimeno opportuno evocarle.
Le nuove disposizioni riprendono le nozioni di concessione d'esercizio e di regolamento d'esercizio (nuovi
art. 36a e 36c LNA
- FF 1999 4406 seg.); esse introducono una procedura d'approvazione dei piani per gli impianti di un aerodromo (nuovi art. 37 segg.; FF 1999 4407 segg.). Il messaggio del Consiglio federale indica a tal riguardo che la procedura di approvazione dei piani degli aerodromi pubblici è destinata a sostituire quelle dell'approvazione del progetto e della concessione edilizia ("il disegno di legge prevede di raggruppare le procedure di approvazione del progetto e di concessione di costruzione in un'unica procedura d'approvazione dei piani", FF 1998 2081). Questa modifica della legge dovrebbe logicamente implicare una revisione dell'ordinanza sull'infrastruttura aeronautica.
Le concessioni litigiose (concessione per l'esercizio e concessione quadro) si riferiscono alle "concessioni edilizie" che dovranno essere rilasciate per l'attuazione del programma d'ampliamento e di modernizzazione dell'aeroporto di Lugano-Agno (in primo luogo per la via di rullaggio, poi per le altre installazioni e per gli edifici). Se la nozione di concessione edilizia viene meno, le decisioni sull'autorizzazione di costruire dovranno essere prese nel quadro della nuova procedura di approvazione dei piani. Le modifiche legislative su tali questioni formali non rimettono peraltro in discussione il sistema previsto per il caso oggetto del presente giudizio. In altri termini, incomberà all'autorità competente di indicare, per ogni progetto concreto, la procedura applicabile, sostitutiva di quella della concessione edilizia; il contenuto di queste decisioni non dovrebbe comunque variare, né dovrebbero differire i requisiti relativi all'esame dell'impatto sull'ambiente o alla possibilità per gli interessati di partecipare alla procedura. Stando così le cose, conviene utilizzare nel presente giudizio la terminologia giuridica attualmente in vigore.
È possibile che le modifiche legislative di cui sopra implichino la soppressione, nell'ordinanza sull'infrastruttura aeronautica, della nozione di concessione quadro. Ciò non significa che una concessione
BGE 125 II 643 S. 657
quadro accordata secondo il diritto vigente non esplichi più i suoi effetti. Il contenuto di tale concessione - la determinazione del tipo di utilizzazione previsto per ognuno dei settori, come pure quella dell'ubicazione degli edifici e degli impianti nonché dei principi stabiliti per l'infrastruttura - è paragonabile al contenuto di un piano di utilizzazione ai sensi degli art. 14 segg. della legge federale del 22 giugno 1979 sulla pianificazione del territorio (LPT; RS 700), o di altro piano che determini il modo di utilizzazione del suolo. Alla stessa stregua di un piano di utilizzazione, la concessione quadro deve fruire di una certa stabilità. Inoltre, salvo in circostanze particolari, non dovrebbe essere riesaminata incidentalmente, in occasione di progetti edilizi (cfr., per i piani di utilizzazione,
DTF 123 II 337
consid. 3a pag. 342;
121 II 317
consid. 12c pag. 346;
120 Ia 227
consid. 2c pag. 232 e rispettivi rinvii). Tali norme generali sono nella fattispecie richiamate nel n. 1.2, seconda proposizione, della concessione quadro.
6.
Taluni ricorrenti pretendono che il rilascio di una concessione d'esercizio per l'aerodromo di Lugano-Agno porrebbe fine a una "situazione illegale", dato che lo sviluppo del traffico di linea a partire dal 1980 non sarebbe più compatibile con lo statuto di campo d'aviazione.
Questa argomentazione è addotta a sostegno di censure relative all'applicazione della legislazione federale sulla protezione dell'ambiente: secondo i ricorrenti, l'illegalità da essi invocata giustificherebbe di trattare nella procedura di concessione l'aerodromo come un impianto nuovo e non come un impianto esistente. La qualifica dell' impianto alla stregua della legge sulla protezione dell'ambiente o dell'ordinanza contro l'inquinamento fonico sarà esaminata più avanti (consid. 17). È peraltro opportuno pronunciarsi sin d'ora su tale pretesa illegalità, poiché trattasi di una questione che può essere determinante sotto altri aspetti.
L'aerodromo di Agno è stato regolarmente autorizzato quale campo d'aviazione. Non è mai stato sostenuto che la sua attività nell'ambito dell'aviazione generale (90% dei movimenti nel 1981, 45% nel 1995) fosse illegale; messi in discussione sono esclusivamente i movimenti del traffico di linea. I ricorrente non espongono tuttavia per quali ragioni la legislazione federale sulla navigazione aerea impedirebbe l'esercente di un campo d'aviazione di ammettere un traffico commerciale. Un campo d'aviazione, anche se non è tenuto ad ammettere utenti, può, in linea di principio, essere aperto al traffico di linea se l'esercente l'autorizza; lo scopo dei voli effettuati
BGE 125 II 643 S. 658
(trasporto privato o pubblico di persone e merci) non è determinante per la qualifica di un aerodromo come aeroporto o come campo d'aviazione (cfr.
DTF 117 Ib 387
consid. 5c). L'apertura di linee aeree a destinazione di Agno e in partenza da tale aerodromo, esercite dalla compagnia Crossair, è stata d'altronde autorizzata, a livello federale, dal 1980, conformemente alla legislazione sulla navigazione aerea. Questa attività commerciale non è riservata ai tre grandi aeroporti svizzeri (aeroporti nazionali - Zurigo, Ginevra, Basilea-Mulhouse) né agli aeroporti regionali che beneficiano di una concessione. La nozione di "aeroporto regionale" non è del resto una nozione della legge federale sulla navigazione aerea (anche se è utilizzata in norme concernenti la protezione contro il rumore del traffico aereo - per es. nell'ordinanza concernente le zone di rumore degli aerodromi regionali in concessione [RS 748.134.3] e nell'allegato 5 dell'ordinanza del 15 dicembre 1986 contro l'inquinamento fonico [OIF; RS 814.41], concernente i valori limite d'esposizione al rumore degli aeroporti regionali e dei campi d'aviazione). Il fatto che l'aerodromo di Agno non fosse un aeroporto regionale prima del rilascio della concessione d'esercizio litigiosa è sotto questo aspetto privo di rilevanza (cfr. PIERRE MOREILLON, Les obstacles à la création et à l'exploitation des champs d'aviation, tesi Losanna 1986, pag. 24 segg.). Anche se la domanda di concessione evoca una "regolarizzazione dell'attuale situazione", non può parlarsi di una situazione illegale sotto il profilo della legge federale sulla navigazione aerea.
Non deve quindi essere esaminata l'opportunità di mantenere lo statuto di aerodromo privato nelle circostanze attuali e tenuto conto dei progetti di ampliamento: la Città di Lugano ha ritenuto che il suo progetto di modernizzazione era strettamente connesso alla trasformazione dell' aerodromo in un aeroporto pubblico. Tale sua scelta non è contestata (cfr. supra consid. 5a).
7.
Alcuni ricorrenti criticano i piani delle zone di sicurezza e delle zone di rumore dell'aerodromo di Lugano-Agno. Tali piani, che devono essere allestiti in virtù dell'
art. 42 LNA
in prossimità degli aeroporti (cfr. sui piani delle zone di rumore,
DTF 121 II 317
consid. 12 pag. 343 segg.), non fanno parte dei documenti allegati alla concessione per l'esercizio o alla concessione quadro. Essi sono oggetto di una procedura distinta; l'art. 8 cpv. 1 lett. c OSIA si limita a prescrivere che essi siano esposti al pubblico prima del rilascio della concessione. Tale condizione è stata adempiuta nella fattispecie.
BGE 125 II 643 S. 659
I piani di cui trattasi non sono ancora stati approvati dal Dipartimento federale (
art. 43 cpv. 3 LNA
,
art. 40 cpv. 3 e
art. 73 cpv. 4 OSIA
); essi sono ancora allo stato di progetti. Il Tribunale federale non deve pronunciarsi al riguardo nell'ambito dei ricorsi di diritto amministrativo a cui si riferisce il presente giudizio. Le censure concernenti detti piani - censure di ordine formale (relative alla procedura di opposizione o di adozione) o sostanziale (riguardanti la proporzionalità delle restrizioni della proprietà che ne deriverebbero) - sono quindi premature. Ne discende che esse non vanno esaminate, neppure a titolo sussidiario o accessorio.
Non è d'altronde certo che, nel caso dell'aeroporto di Lugano-Agno, la procedura relativa all'allestimento del piano delle zone di rumore proseguirà sino alla sua conclusione, dato che progetti legislativi in corso prevedono la soppressione di tale strumento (cfr.
DTF 124 II 293
consid. 21b pag. 338; cfr. altresì il progetto di modifica dell'OIF e dell'OSIA del 21 giugno 1999, posto in consultazione).
III.
Clausola del bisogno
8.
La maggioranza dei ricorrenti contesta, quanto meno implicitamente, che sussista un bisogno sufficiente, ai sensi dell'
art. 8 cpv. 1 lett. b OSIA
, per l'ampliamento dell'aeroporto. Essi si riferiscono agli obiettivi fissati per il traffico annuo a medio termine - 28'000 movimenti di linea e 700'000 passeggeri - e revocano in dubbio l'affidabilità di tali previsioni, tenuto conto delle altre possibilità di trasporto offerte ai viaggiatori di questa regione (nuovo aeroporto della Malpensa a Milano, nuove linee ferroviarie attraverso le Alpi [NLFA]).
a) L'apertura o l'ampliamento di un aerodromo pubblico sono soggetti alla condizione che sussista un bisogno sufficiente per tale infrastruttura. Questa clausola del bisogno risulta sia dalla legislazione federale sulla navigazione aerea (
art. 8 cpv. 1 lett. b OSIA
- cfr. supra consid. 5a), che dalle norme relative all'esame dell'impatto sull'ambiente.
L'art. 9 cpv. 4 della legge federale sulla protezione dell'ambiente (LPAmb) dispone infatti che per gli impianti pubblici e gli impianti privati concessionati soggetti a un esame dell'impatto sull'ambiente, il rapporto concernente l'impatto deve contenere la giustificazione del progetto. Nella propria decisione finale sull'esame dell'impatto, l'autorità competente deve pertanto esaminare anche tale questione, ossia valutare l'utilità pubblica di un'attività statale o concessionata rispetto ai bisogni della protezione dell'ambiente naturale (cfr.
BGE 125 II 643 S. 660
sentenza del 19 novembre 1996 in RDAF 1997 I pag. 137 consid. 2b/aa). L'ampliamento dell'aeroporto litigioso, quale previsto nella concessione quadro, consisterebbe in una considerevole modifica delle sue condizioni d'esercizio attuali; esso soggiace quindi a un esame dell'impatto sull'ambiente (
art. 2 cpv. 1 OSIA
in relazione con il n. 14.1 dell'allegato OEIA). L'esame dell'impatto costituisce la prima tappa della procedura di rilascio della concessione quadro, la quale è nella fattispecie vincolata alla procedura di rilascio della concessione per l'esercizio; l'esame della giustificazione del progetto deve intervenire precisamente in questo stadio, e non nella fase delle autorizzazioni edilizie (sentenza del 19 novembre 1996 in RDAF 1997 I pag. 137 consid. 2b/aa; cfr. altresì sentenza inedita del 27 aprile 1999 nella causa Tridel, consid. 3a/aa).
L'
art. 8 cpv. 1 lett. b OSIA
e l'
art. 9 cpv. 4 LPAmb
hanno sostanzialmente la stessa portata.
b) Per esaminare la clausola del bisogno secondo le disposizioni sopra menzionate non occorre effettuare nella procedura di ricorso una ponderazione generale di tutti gli interessi in gioco. Per considerare provato il bisogno, basta che la decisione impugnata contenga dati affidabili sull'utilità pubblica dell'impianto e che l'apprezzamento dell'autorità resistente non si trovi su questo punto in contraddizione con i dati risultanti dagli altri strumenti che determinano la politica pubblica nell'ambito di cui trattasi. Tale questione di natura politica va risolta previamente, prima di esaminare se siano state applicate rettamente le norme speciali sulla protezione dell'ambiente, sulla pianificazione del territorio, ecc. (v. per analogia, in materia di smaltimento dei rifiuti: la questione del bisogno per un nuovo impianto d'incenerimento dei rifiuti urbani, la quale dipende dalle capacità disponibili negli impianti esistenti e quindi dalle diverse pianificazioni settoriali cantonali, va decisa preliminarmente; cfr. sentenza inedita del 27 aprile 1999 nella causa Tridel). Il Tribunale federale deve imporsi un certo riserbo nel controllo della valutazione del bisogno da parte del Dipartimento federale, che è precisamente incaricato di determinare (nel quadro fissato dal parlamento e dal governo) la politica aeronautica svizzera (cfr.
art. 3 cpv. 1 LNA
).
c) Nel richiamarsi alla clausola del bisogno, i ricorrenti si riferiscono esclusivamente al traffico di linea. Orbene, il primo elemento da considerare sotto questo profilo è il volume esistente del traffico di linea, che, dalla sua introduzione ad Agno, tende costantemente ad aumentare. Trattasi di una base obiettiva per le previsioni di sviluppo a medio termine, ossia per i prossimi quindici anni (tale
BGE 125 II 643 S. 661
termine corrisponde a quello previsto per la prima tappa d'ampliamento e corrisponde altresì al limite di validità della concessione quadro). Nell'esame del "bisogno sufficiente" o della giustificazione del progetto non occorre controllare la precisione delle cifre considerate nella decisione impugnata - 28'000 movimenti, 700'000 passeggeri all'anno -, dato che i pronostici sono, per loro natura, incerti; le cifre testé indicate, che servono soprattutto quale base per i calcoli destinati a determinare il livello degli inquinamenti provocati dall'aeroporto, sembrano peraltro affidabili; quanto meno, esse non sono contraddette dalle statistiche attuali (cfr.
DTF 124 II 293
consid. 14 pag. 324). È d'altronde palese che, malgrado il suo statuto di campo d'aviazione fino al rilascio delle concessioni litigiose, l'aerodromo, esercito da un ente pubblico, non era principalmente al servizio di interessi privati e già adempiva un bisogno generale in materia di trasporti aerei (cfr. al proposito ÉTIENNE POLTIER, Énergie, transports, logement, Losanna 1983, pag. 136).
È pacifico che esiste un interesse pubblico a che sia garantito in Svizzera il buon funzionamento del trasporto aereo e che le differenti parti del paese siano collegate adeguatamente tra di loro. Anche se tale mezzo di trasporto è destinato soprattutto a determinate categorie di viaggiatori - contrariamente a ciò che è il caso per la ferrovia - e se lo sviluppo aereo regionale non ha costituito l'oggetto di decisioni di principio del parlamento federale o del popolo (come è avvenuto invece per gli aeroporti nazionali - cfr.
DTF 124 II 293
consid. 18a pag. 329 - o per il progetto RAIL 2000 - cfr.
DTF 124 II 146
consid. 6c pag. 160) un bisogno può essere ammesso su un piano generale. L'aerodromo di Lugano-Agno occupa sin d'ora un posto importante nella rete del traffico regionale; va nondimeno tenuto conto nell'esame del bisogno di talune peculiarità, vincolate dalla sua ubicazione. Il Dipartimento federale non ha ignorato, nella decisione impugnata, l'aeroporto di Milano-Malpensa, sito in prossimità della regione di Lugano (a suo tempo, tale aeroporto non era stato ancora aperto al traffico nella misura attuale), ma ha considerato che il suo potenziamento non avrebbe necessariamente avuto come conseguenza quella di ridurre l'importanza dell'aeroporto litigioso. Alla data del presente giudizio non è ancora possibile valutare l'influenza che il recente potenziamento dell'aeroporto internazionale di Milano-Malpensa, che dispone di una capacità considerevole, avrà effettivamente sul traffico aereo in questa regione europea (Lombardia e Ticino). Sta comunque di fatto che gli aeroporti di Milano-Malpensa e di Lugano-Agno hanno funzioni
BGE 125 II 643 S. 662
differenti e, in un certo senso, complementari. Per il traffico regionale - collegamenti tra il Ticino e le altri parti della Svizzera, o tra Lugano e altre città europee, mediante aerei di capacità media (30-90 posti) -, l'aeroporto di Lugano-Agno conserverà indubbiamente la sua ragione d'essere e i suoi vantaggi (facilità d'accesso, flessibilità e rapidità delle formalità d'imbarco e di sbarco, ecc.).
In questo stadio è pure difficile fare previsioni sull'influenza che eserciterà l'apertura al traffico ferroviario delle nuove trasversali alpine; comunque sia, tale elemento non appare determinante per il momento, né a medio termine. Per il resto, la liberalizzazione e l'apertura del mercato del trasporto aereo, attualmente in corso (v., in particolare, la revisione della legge sulla navigazione aerea del 26 giugno 1998 [RU 1998 2566] e il relativo messaggio del Consiglio federale [FF 1997 III 982 segg.]) non dovrebbero a priori ostacolare il traffico sugli aerodromi regionali svizzeri. Infine, l'aerodromo di Lugano-Agno è il solo aerodromo regionale della parte meridionale del paese; esso non si trova quindi in concorrenza con altri impianti analoghi. Questi differenti elementi suffragano, in linea di principio, l'esistenza di un bisogno sufficiente per il suo ampliamento, ai sensi dell'
art. 8 cpv. 1 lett. b OSIA
. La questione se l'ampliamento sia attuabile in tutta la misura prevista dipende nella fattispecie dalla possibilità di rispettare altre prescrizioni, in particolare quelle in materia di protezione contro il rumore. Tali aspetti saranno esaminati più avanti.
VI.
Protezione dell'ambiente, protezione contro il rumore
15.
La grande maggioranza dei ricorrenti si duole del rumore causato dal traffico aereo e pretende che le misure imposte all'esercente dell'aeroporto per limitare gli effetti dannosi o molesti sono insufficienti o inadeguate. Essa invoca le norme della legislazione federale sulla protezione dell'ambiente. La motivazione dei diversi ricorsi è al tal proposito più o meno diffusa, ma è comunque in ogni caso sufficiente ai sensi dell'
art. 108 cpv. 2 OG
(motivazione specifica - cfr.
DTF 125 II 230
consid. 1c;
DTF 118 Ib 134
consid. 2). Non devono essere infatti posti a tal proposito requisiti troppo rigorosi, dato che la presente procedura rappresenta per gli interessati l'unica possibilità di contestare dinanzi a un'autorità giudiziaria la disciplina contenuta nelle concessioni litigiose.
a) La protezione contro il rumore è regolata dalla legislazione federale sulla protezione dell'ambiente, alla quale rinviano le disposizioni della legislazione aeronautica. L'adempimento delle "esigenze
BGE 125 II 643 S. 663
della protezione dell'ambiente" è, in virtù dell'
art. 8 cpv. 1 lett. a OSIA
, una condizione a cui è subordinato il rilascio di una concessione d'esercizio o di una concessione quadro (cfr. supra consid. 5a).
L'aerodromo è, nella sua integralità (pista, hangar, parcheggi, strutture per la circolazione stradale all'interno del perimetro aeroportuale), un impianto (o impianto fisso) che provoca rumore esterno (cfr.
art. 7 cpv. 7 LPAmb
,
art. 2 cpv. 1 OIF
). Gli effetti dannosi o molesti si manifestano sotto varie forme: rumore degli aerei in fase d'avvicinamento o in partenza, rumore degli aerei nelle aviorimesse o sui parcheggi in occasione dei lavori di manutenzione, rumore dei veicoli a motore del personale e dei passeggeri. Risulta peraltro che il problema principale consiste nel rumore provocato dai movimenti dagli aerei al decollo e all'atterraggio (rumore del traffico aereo nelle dirette vicinanze) e che gli altri rumori sono d'importanza secondaria; tale è d'altronde l'apprezzamento espresso dai ricorrenti.
Conformemente all'
art. 11 cpv. 1 LPAmb
, il rumore va limitato con misure applicate alla fonte. Queste possono essere ordinate allo stadio della pianificazione o della costruzione di un nuovo impianto, al momento della trasformazione di un impianto esistente o persino, se il livello attuale degli effetti dannosi o molesti lo esige, nel quadro di una procedura di risanamento (cfr. art. 16 segg. LPAmb). La natura e l'ampiezza delle misure destinate a limitare le emissioni dipendono dalla situazione concreta dell'impianto: semplici misure preventive secondo l'
art. 11 cpv. 2 LPAmb
(che tengano conto del progresso tecnico, delle condizioni d'esercizio e delle possibilità economiche del detentore dell'impianto), oppure misure più rigorose secondo l'
art. 11 cpv. 3 LPAmb
, se è certo o probabile che gli effetti, tenuto conto del carico inquinante esistente, divengano dannosi o molesti. In materia di lotta contro il rumore, la legge federale completa tali principi generali con altre prescrizioni (art. 19 segg. LPAmb), che accordano talora uno statuto speciale - o privilegiato - agli aeroporti e ad altri impianti fissi pubblici o concessionati (cfr. art. 20 cpv. 1, 25 cpv. 3 LPAmb). L'applicazione di tali differenti disposizioni, nel quadro determinato dalle censure ricorsuali, sarà esaminata in primo luogo con riferimento al rumore del traffico aereo (consid. 18-20), poi in relazione agli altri rumori provocati dall'esercizio dell'aeroporto (consid. 21-22).
b) Trattasi nella presente procedura di pronunciarsi sulle misure destinate a limitare il rumore che devono essere imposte alla Città
BGE 125 II 643 S. 664
di Lugano, quale proprietaria ed esercente dell'aeroporto. Conformemente all'
art. 12 cpv. 1 LPAmb
, le emissioni possono nella fattispecie essere limitate mediante l'applicazione di prescrizioni in materia di costruzione o di attrezzatura (lett. b), oppure di prescrizioni in materia di traffico o d'esercizio (lett. c).
Misure in materia di costruzione o di attrezzatura (cfr.
art. 12 cpv. 1 lett. b LPAmb
) possono essere appropriate per limitare il rumore del traffico stradale (esigenze circa la capacità dei futuri parcheggi ecc.) o quello provocato dai lavori di manutenzione degli aerei (esigenze circa l'isolamento o l'ubicazione delle aviorimesse o delle aree per il parcheggio degli aerei ecc.). Per limitare il rumore del traffico aereo, è prevista la costruzione di ripari fonici all'interno del perimetro aeroportuale, allo scopo di proteggere un vicino immediato della parte nord della pista (l'impresa G. - cfr. n. 3.6.3 cpv. 2 della concessione per l'esercizio; cfr. altresì infra consid. 21). Tutte queste misure devono essere esaminate e ordinate nelle procedure in cui si decide sulle differenti tappe dell'ampliamento dell'aeroporto, ossia nella procedura concernente la concessione quadro - oggetto dei presenti ricorsi - e, in seguito, nelle procedure relative alle concessioni edilizie.
La concessione quadro o le concessioni edilizie non devono, in linea di principio, regolare direttamente le modalità d'esercizio di un aeroporto (cfr.
DTF 124 II 293
consid. 20 pag. 336; sentenza inedita del 2 marzo 1999 nella causa Aéroport Région Lausannoise La Blécherette, consid. 3b). Le misure in materia di traffico o di esercizio (cfr. art. 12 cpv. 1 lett. c LPAmb) vanno quindi ordinate nella concessione per l'esercizio. Il solo modo, per l'esercente di un aerodromo pubblico, di limitare efficacemente alla fonte il rumore del traffico aereo è di applicare prescrizioni sulle procedure di avvicinamento e di decollo, sugli orari d'esercizio, sulle condizioni alle quali certi aeromobili particolarmente rumorosi sono autorizzati a servirsi dell'aeroporto, ecc. La creazione di ostacoli sulla rotta di propagazione del rumore non entra in considerazione (salvo in casi del tutto particolari), dato che sotto questo aspetto la situazione è assai diversa da quella esistente per gli impianti stradali o ferroviari. Queste misure relative al traffico aereo possono essere determinate direttamente nella stessa concessione per l'esercizio, che contiene "le condizioni quadro relative alle esigenze operative minime, nonché le esigenze fondamentali ... della protezione dell'ambiente" (art. 19 cpv. 1 lett. d OSIA), o nel regolamento d'esercizio allestito parallelamente e sottoposto per approvazione all'autorità concedente.
BGE 125 II 643 S. 665
Tale regolamento deve infatti definire le procedure di avvicinamento e di decollo, le prescrizioni d'utilizzazione particolari e la messa in vigore delle condizioni quadro della concessione, segnatamente per quanto concerne le esigenze legate alla protezione dell'ambiente (art. 11 cpv. 1 lett. b e c,
art. 11 cpv. 2 OSIA
).
Le prescrizioni sulle emissioni foniche degli aerei generalmente utilizzati nel traffico regionale non fanno parte delle prescrizioni in materia di traffico ai sensi dell'art. 12 cpv. 1 lett. c LPAmb (cfr. ALEXANDER ZÜRCHER, Die vorsorgliche Emissionsbegrenzung nach dem Umweltschutzgesetz, tesi Basilea 1996, pag. 310). La concezione tecnica degli aeromobili non può essere infatti influenzata dalle disposizioni di una concessione per l'esercizio di un aeroporto aperto al traffico pubblico (con riserva di restrizioni applicabili ad alcuni tipi di aerei particolarmente rumorosi). Il diritto federale prevede pertanto a tal proposito solo esigenze generali (v. l'ordinanza del Dipartimento federale del 10 gennaio 1996 sulle emissioni degli aeromobili [OEmiA; RS 748.215.3], a cui rinvia, in particolare, l'
art. 3 cpv. 2 OIF
).
16.
La decisione impugnata accerta che l'aerodromo di Lugano-Agno è un impianto esistente, già bisognoso di risanamento. Tale accertamento si riferisce al rumore del traffico aereo e non ad altri rumori provocati dall'esercizio dell'aeroporto.
In caso di risanamento, misure destinate a limitare emissioni possono essere ordinate, in base all'
art. 16 LPAmb
, indipendentemente da qualsiasi progetto d'ampliamento o di modificazione dell'impianto. Nondimeno, una trasformazione dell'impianto da risanare può giustificare che venga ordinata previamente l'attuazione delle misure di risanamento (risanamento simultaneo; cfr.
art. 18 LPAmb
). Poiché il bisogno di risanamento non è contestato nel suo principio, occorre esaminare l'influenza di tale aspetto sulla procedura o sulle concessioni.
a) Le disposizioni di legge sul risanamento ("Sanierungsrecht") - ossia i principi contenuti negli
art. 16-18 LPAmb
e, in materia di rumore, le norme complementari contenute, in particolare, negli
art. 20 LPAmb
e 13 segg. OIF - sono state concepite in vista della loro applicazione agli impianti anteriori all'entrata in vigore della legge federale sulla protezione dell'ambiente, ossia al 1o gennaio 1985 ("vecchi impianti"; cfr. ANDRÉ SCHRADE, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Zurigo 1987, Vorbemerkungen zu Art. 16-18 n. 1; ROBERT WOLF, Auswirkungen des Lärmschutzrechts auf Nutzungsplanung und Baubewilligung, AJP/PJA 1999, pag. 1065; non occorre, nel presente giudizio, determinare in quali ipotesi le
BGE 125 II 643 S. 666
menzionate disposizioni potrebbero eventualmente essere applicate a impianti posteriori al 1o gennaio 1985). L'aerodromo di Lugano-Agno è, precisamente, un "vecchio impianto" nel senso sopra indicato, dato che l'autorizzazione d'esercizio (quale campo d'aviazione, sulla cui base l'impianto si è sviluppato prima della domanda di concessione) risale al 1974 e che, concretamente, questo aerodromo era già adibito sin dall'inizio degli anni `80 in una proporzione considerevole al traffico di linea (circa 10'000 movimenti di linea nel 1984). È infatti il traffico di linea che, in tali impianti, costituisce la fonte principale di rumore e l'elemento principale che va considerato in un risanamento (cfr. perizia del dott. Hofmann).
b) La decisione impugnata ammette il bisogno di risanamento senza fornire indicazioni precise sull'obiettivo di questo specifico risanamento ("Sanierungsziel") né sulle misure da adottare. In altri termini, l'esistenza di un caso di risanamento è considerata come acquisita, ma s'ignora su quali particelle, in quali edifici prossimi all'aeroporto le prescrizioni della legge federale sulla protezione dell'ambiente non sono soddisfatte (cfr.
art. 16 cpv. 1 LPAmb
) allo stato attuale o non lo erano al momento in cui la domanda di concessione si trovava all'esame del Dipartimento federale.
Il rapporto sull'impatto contiene dati sulle immissioni foniche del traffico aereo relative al 1990 (pag. 101 del rapporto del gennaio 1993, "Curve isofone 1990"). Le carte riprodotte in tale rapporto mostrano che, in più zone vicine all'aerodromo (ne sono indicati i gradi di sensibilità al rumore), i valori limite d'immissione figuranti nell'allegato 5 dell'OIF (valori limite d'esposizione al rumore degli aeroporti regionali e dei campi d'aviazione) sarebbero, alla stregua di tali calcoli, superati. Conformemente all'
art. 13 cpv. 1 OIF
, un siffatto superamento, provocato principalmente dal rumore degli aerei, potrebbe giustificare l'apertura di una procedura di risanamento. Nondimeno, se dà un'idea generale della situazione o della necessità di un risanamento, il rapporto sull'impatto non consente di determinare in modo preciso il livello di esposizione al rumore di ognuna delle particelle colpite e, di conseguenza, l'ampiezza delle misure da adottare per ridurre in ogni caso le immissioni al livello dei valori limite figuranti nell'allegato 5 dell'OIF (la questione delle facilitazioni rimane riservata). Non appare certo che questa parte del rapporto sull'impatto possa essere assimilata al catasto dei rumori, ai sensi dell'
art. 37 OIF
, in base al quale potrebbe essere allestito un programma di risanamento dell'aerodromo (v. al proposito, l'
art. 19 OIF
, relativo ai programmi di risanamento delle strade).
BGE 125 II 643 S. 667
Il "catasto di esposizione al rumore" del settembre 1995 corrisponde eventualmente alla definizione contenuta nell'
art. 37 OIF
. Tale catasto, allestito dalla Città di Lugano e dall'Ufficio federale dell'aviazione civile dopo la presentazione della domanda di concessione, esprime i risultati di calcoli effettuati in funzione di un totale di 38'000 movimenti annui; nella ripartizione tra le diverse categorie di voli (di linea, di diporto, giri pista, ecc.), è stato tenuto conto dell'evoluzione a medio termine, in funzione dei progetti d'ampliamento dell'aeroporto che prevedono un aumento considerevole del traffico di linea (approssimativamente: 28'000 movimenti di linea - ciò che consentirebbe d'avvicinarsi all'obiettivo di 700'000 passeggeri [cfr. supra consid. 8] - e 10'000 movimenti d'aviazione generale). In base a tale traffico futuro prevedibile, i livelli di valutazione "Lr" sono stati calcolati secondo le formule dell'allegato 5 dell'OIF; il catasto indica le curve di rumore per i livelli "Lr" di 55, 60, 65, 70 e 75 dB(A). Sono pure menzionati la destinazione dei settori esposti al rumore e i loro gradi di sensibilità. Questo catasto del 1995 non ha quindi per oggetto l'indicazione delle immissioni attuali, dato che si fonda sulla loro evoluzione futura dopo considerevoli modificazioni dell'aeroporto (cfr.
art. 36 cpv. 2 OIF
); esso non può pertanto costituire un documento idoneo per valutare il bisogno o l'obiettivo del risanamento allo stato attuale dell'esercizio.
Non occorre tuttavia esaminare ulteriormente la questione se l'aerodromo possa essere risanato indipendentemente dai progetti di ampliamento o di modernizzazione (ossia in base agli effetti dannosi o molesti attuali e non in funzione dell'aerodromo futuro). La procedura di rilascio della concessione non è stata aperta a tal fine. Nulla s'opponeva d'altronde, in linea di principio, a che l'autorità competente rinunciasse ad avviare separatamente una procedura di risanamento, dato che il termine fissato a tal uopo nell'OIF non è ancora scaduto (scadenza normale il 1o aprile 2002, secondo l'
art. 17 cpv. 3 OIF
in relazione con l'
art. 50 OIF
; gli aeroporti nazionali beneficiano invece di un termine più lungo in virtù dell'
art. 48 lett. a OIF
; cfr.
DTF 124 II 293
consid. 21a pag. 338;
DTF 123 II 560
consid. 4b/aa pag. 570). La scelta fatta dal Dipartimento federale di risolvere la questione del risanamento nel quadro delle procedure di concessione, in funzione dell'evoluzione dell'esercizio legata al previsto ampliamento dell'aeroporto (ossia, in base allo stato futuro, anziché a quello attuale, delle immissioni), non è quindi criticabile.
c) La relazione tra il rilascio delle concessioni e il risanamento va ancora esaminata alla luce dell'
art. 18 cpv. 1 LPAmb
. Secondo tale
BGE 125 II 643 S. 668
disposizione, "un impianto bisognoso di risanamento può essere trasformato o ampliato soltanto se viene contemporaneamente risanato."
Trattasi, sotto questo profilo, di pronunciarsi unicamente su di una questione di ordine formale concernente l'attuazione del risanamento; tale questione è indipendente da quella relativa al contenuto dei provvedimenti destinati a limitare le emissioni, necessari per questo impianto esistente. In altri termini, occorre esaminare se il principio di cui all'
art. 18 cpv. 1 LPAmb
obbligasse nella fattispecie il Dipartimento, nel momento in cui accordava la concessione quadro e la concessione per l'esercizio, a regolare in modo definitivo la questione del risanamento ordinando simultaneamente l'attuazione delle misure richieste - in funzione delle immissioni attuali provocate dall'impianto esistente, e non delle immissioni future prevedibili - benché il termine ordinario per il risanamento non fosse ancora scaduto (ciò avrebbe altresì implicato una decisione sulle facilitazioni e, di conseguenza, eventualmente una decisione sull'esecuzione dell'isolamento acustico degli edifici esposti a un rumore eccessivo - cfr. infra consid. 17c-d).
Nell'imporre il risanamento simultaneo in caso di trasformazione o d'ampliamento, il legislatore ha inteso risparmiare al detentore dell'impianto spese o complicazioni inutili: infatti, l'attuazione delle misure di risanamento al momento in cui sono intrapresi i lavori di trasformazione o d'ampliamento suole essere più vantaggiosa, sotto vari aspetti, di una esecuzione ulteriore di tali misure, una volta terminata la modificazione (cfr. Messaggio concernente una legge federale sulla protezione dell'ambiente, FF 1979 III 762; ANDRÉ SCHRADE, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Zurigo 1987, n. 15-16 ad art. 18; ULRICH ZIMMERLI, Sanierungen nach dem Bundesgesetz über den Umweltschutz: Grundlagen und Grundsätze, URP 1990 pag. 248). In tali condizioni, il risanamento simultaneo è concepibile solo al momento dell'esecuzione effettiva dell'ampliamento o della trasformazione, e non già nello stadio della pianificazione di detti lavori (cfr. SCHRADE, op.cit., n. 11 ad art. 18).
Orbene, nella fattispecie non si tratta allo stato attuale di autorizzare la realizzazione di nuovi edifici o installazioni all'interno del perimetro aeroportuale - ciò costituirà l'oggetto delle future concessioni edilizie - ma soltanto di definire l'utilizzazione del suolo e le future condizioni d'esercizio (cfr.
art. 14 cpv. 2 OSIA
; cfr. supra consid. 5). Il concessionario non ha ancora la possibilità di effettuare lavori di modernizzazione o di ampliamento. Per quanto riguarda il
BGE 125 II 643 S. 669
rilascio della concessione per l'esercizio, essa non è suscettibile di comportare direttamente - prima che sia disponibile l'infrastruttura prevista nella concessione quadro - una modificazione determinante dell'aeroporto quale esercito attualmente. Per tale ragione non occorre ordinare un risanamento dell'impianto esistente, ai sensi dell'
art. 18 cpv. 1 LPAmb
, prima del rilascio della concessione edilizia o delle concessioni edilizie per gli elementi principali del progetto di modernizzazione (nuovi edifici d'esercizio, hangar e parcheggi) (cfr.
DTF 124 II 293
consid. 19c pag. 335).
d) Malgrado quanto sopra illustrato non è escluso che, per certi edifici particolarmente esposti al rumore del traffico aereo, possano essere ordinate, "a titolo preventivo", in applicazione dell'
art. 16 cpv. 4 LPAmb
, determinate misure (cfr.
DTF 120 Ib 89
consid. 4b). Né l'incarto del Dipartimento federale né i ricorsi evocano nondimeno una siffatta situazione, per cui non v'è ragione di soffermarsi ulteriormente su questo punto.
17.
Per l'applicazione delle disposizioni degli art. 11 segg. LPAmb in materia di limitazione del rumore, il progetto di modificazione dell'aerodromo di Lugano-Agno va esaminato in funzione degli effetti dannosi o molesti prevedibili alla stregua del contenuto delle concessioni; tali effetti già esistono in parte e sono suscettibili di aumentare con l'attuazione del programma della concessione quadro e con la nuova disciplina della concessione d'esercizio. La situazione è complessa, dato che dev'essere tenuto conto e dell'esistenza dell'impianto e dell'attuale bisogno di risanamento come pure, poiché i nuovi elementi previsti influenzano il volume del traffico, delle misure speciali che possono essere imposte per tale ragione.
Come già menzionato, gli effetti dannosi o molesti dell'aeroporto provengono principalmente dal traffico aereo (il rumore causato dal traffico stradale o dai lavori di manutenzione è, comparativamente, marginale). Occorre quindi verificare se siano state adottate tutte le misure che limitano preventivamente le emissioni del traffico aereo, conformemente all'
art. 11 cpv. 2 LPAmb
("Indipendentemente dal carico inquinante esistente, le emissioni, nell'ambito della prevenzione, devono essere limitate nella misura massima consentita dal progresso tecnico, dalle condizioni d'esercizio e dalle possibilità economiche" - cfr. altresì l'art. 7 cpv. 1 lett. a e l'
art. 8 cpv. 1 OIF
). È poi d'uopo esaminare le condizioni d'esercizio dell'aeroporto, prendendo in considerazione il livello delle emissioni nelle vicinanze, e pronunciarsi sul rispetto dei valori limite di esposizione al rumore (cfr.
DTF 124 II 517
consid. 4 e richiami). A tal
BGE 125 II 643 S. 670
riguardo, le esigenze differiscono secondo la natura e l'ampiezza della trasformazione dell'impianto.
a) Taluni ricorrenti pretendono - riferendosi d'altronde al parere espresso dall'Ufficio federale dell'ambiente, delle foreste e del paesaggio in sede di valutazione del rapporto sull'impatto (parere del 21 dicembre 1993) - che, nella procedura di rilascio delle concessioni, dovrebbero essere rispettate le esigenze applicabili ai nuovi impianti. Essi invocano l'
art. 25 cpv. 1 LPAmb
, secondo il quale nuovi impianti fissi possono essere costruiti solo se le emissioni foniche da essi prodotte non superano da sole i valori di pianificazione nelle vicinanze. Questi valori sono inferiori ai valori limite d'immissione, considerati nella fattispecie come determinanti dal Dipartimento federale (
art. 23 LPAmb
- cfr. infra consid. 18c/aa).
L'applicazione dell'
art. 25 cpv. 1 LPAmb
entrerebbe in linea di conto se l'aerodromo di Lugano-Agno non fosse un "vecchio impianto" ai sensi della legge federale sulla protezione dell'ambiente - impianto anteriore al 1o gennaio 1985, già allora esercito come aeroporto regionale con traffico di linea (cfr. supra consid. 16a) -, bensì un "nuovo impianto" da trasformare. Infatti, secondo la giurisprudenza, non vi sarebbe motivo di non applicare tale disposizione nello stadio della trasformazione se il rispetto dei valori di pianificazione già dovesse essere preteso, in virtù della legge federale, al momento della costruzione (
DTF 123 II 325
consid. 4c/cc pag. 330/331). Tale soluzione è d'altronde confermata nell'ordinanza contro l'inquinamento fonico: l'
art. 8 cpv. 4 OIF
dispone che, nel caso in cui un impianto fisso nuovo venga modificato, è applicabile l'
art. 7 OIF
, che corrisponde nel suo contenuto all'
art. 25 LPAmb
.
L'
art. 25 cpv. 1 LPAmb
potrebbe nondimeno applicarsi, in caso di trasformazione di un impianto esistente, in un'altra ipotesi: se l'ampliamento progettato avesse un'importanza tale da far apparire, comparativamente, una volta compiuta l'opera, la parte originaria come insignificante rispetto alla parte nuova (
DTF 116 Ib 435
consid. 5d/bb pag. 444;
DTF 115 Ib 456
consid. 5a pag. 466). Lo stesso varrebbe laddove il progetto cambiasse completamente l'utilizzazione dell'impianto esistente; l'
art. 2 cpv. 2 OIF
assimila infatti tale trasformazione alla costruzione di un impianto nuovo (per l'ipotesi in cui un edificio precedentemente utilizzato in modo scevro da effetti dannosi o molesti sia trasformato in impianto rumoroso, cfr.
DTF 123 II 325
consid. 4c/aa pag. 329; cfr. altresì la sentenza non pubblicata del 20 novembre 1998, riprodotta in URP 1999 pag. 264 consid. 3a). Tale non è il caso dell'aeroporto di Lugano-Agno.
BGE 125 II 643 S. 671
La concessione quadro e la concessione per l'esercizio non prevedono una modifica fondamentale dell'impianto, ossia l'insieme formato dagli edifici e dall'infrastruttura dell'aeroporto: la pista non è stata prolungata per permettere l'atterraggio e il decollo di altre categorie di aeromobili; gli edifici per l'esercizio e le superfici d'accesso alla pista (via di rullaggio) e di parcheggio per gli aerei sono migliorati, ma non è modificata la funzione dell'aerodromo nella rete degli aeroporti regionali; sono state sviluppate strutture annesse - parcheggio per le autovetture, vie d'accesso, ecc. -, ma al solo fine di adeguare l'attrezzatura dell'aeroporto alle attuali esigenze. Da un apprezzamento globale del progetto non risulta che questo possa essere assimilato alla costruzione di un nuovo impianto; il solo cambiamento dello statuto giuridico - trasformazione da aerodromo privato in aerodromo pubblico - è privo di rilevanza sotto questo aspetto. Non si giustifica pertanto di applicare direttamente l'
art. 25 LPAmb
(cfr. sentenza inedita del 2 marzo 1999 nella causa Aéroport Région Lausannoise La Blécherette, consid. 3c).
b) Nella decisione impugnata, il Dipartimento federale s'è fondato sull'
art. 8 OIF
. Tale disposizione riprende in primo luogo il principio enunciato nell'
art. 11 cpv. 2 LPAmb
circa la limitazione preventiva delle emissioni (
art. 8 cpv. 1 OIF
); in seguito, per quanto riguarda la protezione contro le immissioni, essa prevede la disciplina seguente: se un impianto è modificato sostanzialmente, le emissioni foniche dell'intero impianto devono essere almeno limitate in modo tale da non superare i valori limite d'immissione. È evidente che il progetto d'ampliamento dell'aeroporto rappresenta una modifica sostanziale - e non una modifica poco importante - dell'impianto, dato che tende a permettere un aumento considerevole del numero dei movimenti di linea, ciò che suole comportare immissioni foniche percettibilmente più elevate (cfr.
art. 8 cpv. 3 OIF
, che definisce la nozione di "modificazione sostanziale").
L'obiettivo fissato dall'
art. 8 cpv. 2 OIF
- il rispetto dei valori limite d'immissione - è meno rigoroso di quello dell'
art. 25 cpv. 1 LPAmb
. Questa disposizione prescrive nondimeno di tener conto delle immissioni dell' intero impianto, ivi comprese quelle provenienti dalle parti esistenti e non modificate. La base legale della norma contenuta nell'ordinanza non è chiara, poiché possono entrare in considerazione sia le disposizioni sul risanamento sia quelle concernenti i nuovi impianti (cfr.
DTF 116 Ib 435
consid. 5d/bb pag. 443;
DTF 115 Ib 456
consid. 5b pag. 466; ZÜRCHER, op.cit., pag. 157). Detta norma appare peraltro come una soluzione pragmatica e
BGE 125 II 643 S. 672
agevolmente applicabile; essa considera nello stesso tempo tanto lo scopo dell'
art. 18 LPAmb
(per la parte dell'impianto da risanare), quanto quello dell'
art. 25 LPAmb
(per la parte nuova; quest'ultima disposizione permette d'altronde di accordare, a certe condizioni, facilitazioni, sempreché non siano superati i valori limite d'immissione). Non v'è alcun motivo di rimetterla in discussione in questa sede (cfr. HEINZ AEMISEGGER, Aktuelle Fragen des Lärmschutzrechts in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, URP 1994 pag. 453/454).
Le misure destinate a limitare le emissioni dell'aeroporto vanno quindi esaminate sotto il profilo dell'
art. 8 OIF
(prevenzione secondo il cpv. 1 e rispetto, in linea di principio, dei valori limite d'immissione in virtù del cpv. 2). La decisione impugnata appare, su tale punto, fondata.
c) Il principio posto dall'
art. 8 cpv. 2 OIF
- rispetto dei valori limite d'immissione - non esclude che, in determinate circostanze, possano essere accordate facilitazioni. Ciò risulta, in particolare, dall'
art. 10 cpv. 1 OIF
, che, come l'
art. 8 OIF
, fa parte del capitolo 3 dell'ordinanza (il quale è intitolato "Impianti fissi nuovi o modificati"). L'
art. 10 cpv. 1 OIF
recita: "Se per impianti nuovi o modificati sostanzialmente, pubblici o concessionati, le esigenze secondo gli articoli 7 capoverso 2 e 8 capoverso 2 o secondo l'articolo 9 non possono essere rispettati, l'autorità esecutiva obbliga i proprietari degli edifici esistenti esposti al rumore ad isolare secondo l'allegato 1 le finestre dei locali sensibili al rumore."
L'aeroporto litigioso è un impianto fisso concessionato di cui è prevista la modificazione sostanziale. L'
art. 10 cpv. 1 OIF
può essergli applicato. Benché tale disposizione non contenga espressamente la nozione di facilitazione, quest'ultima vi è insita. Infatti, poiché l'impossibilità di rispettare le esigenze dell'
art. 8 cpv. 2 OIF
non costituisce in ogni caso un ostacolo all'autorizzazione di trasformare, ciò significa necessariamente che una facilitazione può essere accordata. Facilitazioni sono d'altronde previste dalla legge in certi casi di risanamento (
art. 17 LPAmb
,
art. 14 OIF
), o in caso di costruzione di nuovi impianti fissi "ordinari" (
art. 25 cpv. 2 LPAmb
: la facilitazione va intesa nel senso che possono essere superati i valori di pianificazione, non invece i valori limite d'immissione [cfr. altresì l'
art. 7 cpv. 2 OIF
]; per i nuovi "impianti fissi pubblici o concessionati", l'
art. 25 cpv. 3 LPAmb
prevede addirittura facilitazioni nel caso in cui i valori limite d'immissione non possano essere rispettati).
BGE 125 II 643 S. 673
Una facilitazione può essere accordata solo se sia giustificata da una ponderazione degli interessi in gioco. In altri termini, occorre verificare se il rispetto dei valori limite fissati costituisca per il proprietario dell'impianto un onere sproporzionato (cfr.
art. 17 cpv. 1 LPAmb
,
art. 7 cpv. 2 OIF
,
art. 14 cpv. 1 OIF
). La misura della facilitazione dipende quindi dai costi supplementari o dalle difficoltà d'esercizio che una limitazione più rigorosa delle emissioni comporterebbe. Nella fattispecie, trattandosi di un aeroporto, ossia di un impianto concessionato, la legislazione federale non restringe la latitudine di cui fruisce l'autorità nell'accordare facilitazioni: i valori d'allarme (valori superiori ai valori limite d'immissione;
art. 19 LPAmb
) non costituiscono necessariamente un limite insuperabile. La possibilità di una facilitazione che implichi il superamento dei valori d'allarme è infatti riconosciuta dalla legge sia in caso di risanamento (art. 17 cpv. 2 in relazione con l'
art. 20 cpv. 1 LPAmb
;
art. 14 cpv. 2 OIF
; cfr. ANDRÉ SCHRADE, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Zurigo 1987, n. 41 ad art. 17), sia in caso di costruzione di un nuovo aeroporto (
art. 25 cpv. 3 LPAmb
; cfr. PETER ETTLER, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Zurigo 1989, n. 46 ad art. 25). Il legislatore ha inteso attribuire un peso particolare all'interesse pubblico volto a permettere che infrastrutture destinate ai trasporti, quali strade, aeroporti o impianti ferroviari, possano essere costruite, mantenute o trasformate (cfr.
DTF 122 II 33
consid. 5a pag. 38).
d) Corollario di una facilitazione così accordata può essere l'obbligo di attuare un isolamento acustico degli edifici esistenti esposti al rumore. L'
art. 25 cpv. 3 LPAmb
prevede tale obbligo in occasione della costruzione di nuove strade, di aeroporti, di impianti ferroviari o di altri impianti fissi pubblici o concessionati, qualora l'applicazione di misure prese alla fonte non consenta di rispettare i valori limite d'immissione (cfr., ad esempio,
DTF 121 II 378
consid. 10c pag. 400). In caso di risanamento di tale categoria d'impianti, l'
art. 20 cpv. 1 LPAmb
prescrive l'isolamento acustico degli edifici esistenti se i valori d'allarme non possono essere rispettati (cfr. ad es.
DTF 123 II 560
consid. 3d/cc pag. 568;
DTF 122 II 33
consid. 3c pag. 38). La soglia a partire dalla quale l'isolamento acustico è richiesto non è pertanto identica nelle due ipotesi summenzionate: valori limite d'immissione in caso di costruzione di un nuovo impianto, e valore d'allarme in caso di risanamento di un vecchio impianto.
Nell'ipotesi di modificazione sostanziale di un impianto esistente - nella quale entrano in considerazione sia le esigenze per i nuovi impianti che quelle per il risanamento di vecchi impianti (cfr. supra
BGE 125 II 643 S. 674
consid. 17b) -, il Consiglio federale ha, in materia d'isolamento acustico, scelto una soluzione pragmatica: tale isolamento è imposto ove non sia possibile rispettare le esigenze poste dall'
art. 8 cpv. 2 OIF
, ossia ove siano superati i valori limite d'immissione (
art. 10 cpv. 1 OIF
). I vicini sono così meglio protetti che in caso di mero risanamento ai sensi dell'
art. 20 LPAmb
. Nel caso di modificazione sostanziale di un impianto esistente, l'isolamento acustico è insomma ordinato secondo gli stessi criteri che in caso di costruzione di un nuovo impianto che benefici di facilitazioni (cfr.
art. 25 cpv. 3 LPAmb
,
art. 10 cpv. 1 OIF
in relazione con l'art. 7 cpv. 2 in fine OIF). Non v'è motivo di rimettere in discussione nel presente giudizio la disciplina prevista al proposito dall'ordinanza.
L'attuazione delle misure d'isolamento acustico su edifici appartenenti a terzi può dar luogo a diversi problemi. Il loro finanziamento è regolato dalla legislazione federale. In linea di principio, i costi indispensabili sono sopportati dal proprietario dell'impianto che produce il rumore (art. 25 cpv. 3 in fine LPAmb,
art. 11 OIF
). Per il caso di modificazione sostanziale di un impianto esistente, l'ordinanza non prevede deroghe a tale principio; gli
art. 10 e 11 OIF
non si riferiscono infatti alla regola dell'
art. 20 cpv. 2 LPAmb
, applicabile nei casi di risanamento propriamente detto e in virtù della quale i proprietari degli edifici possono essere tenuti a sopportare le spese delle misure d'isolamento acustico se i valori limite d'immissione erano già superati alla data della domanda di costruzione del loro edificio e se, a quel momento, il progetto dell'impianto rumoroso era già stato pubblicato (cfr. altresì l'
art. 16 cpv. 2 OIF
in caso di risanamento). Nel presente giudizio basta rammentare tali principi, perché le misure concrete d'isolamento acustico non sono ancora state ordinate nel presente stadio della concessione per l'esercizio e della concessione quadro (cfr. infra consid. 18d).
18.
Vanno a questo punto esaminate, alla luce dei principi testé menzionati, le misure adottate nella fattispecie, in materia di traffico e d'esercizio, per limitare le emissioni di rumore del traffico aereo (cfr. art. 12 cpv. 1 lett. c LPAmb). Il Tribunale federale deve verificare se tali misure siano adeguate e sufficienti; esso s'impone tuttavia un certo riserbo, tenuto conto della natura delle prescrizioni in questione (cfr. supra consid. 4).
a) Diverse misure son state adottate dalla Città di Lugano nel regolamento d'esercizio (soggetto all'approvazione dell'autorità concedente) o le sono state imposte dal Dipartimento federale nella concessione per l'esercizio.
BGE 125 II 643 S. 675
Talune concernono le procedure e i circuiti per le fasi di avvicinamento e di decollo: l'allegato B del regolamento d'esercizio rinvia a tal proposito al "Manuale d'informazione aeronautica AIP" pubblicato dall'Ufficio federale dell'aviazione civile (la scheda relativa all'aeroporto di Lugano-Agno indica gli spazi riservati ai differenti movimenti aerei ed enuncia prescrizioni in materia di rumore ["noise abatement procedures"/"Procedure di lotta antirumore"]). Tali misure non sono messe in discussione né contestate nei ricorsi.
Altre disposizioni del regolamento d'esercizio si riferiscono specialmente al rumore: sono quelle dell'allegato C, intitolato "Contenimento delle immissioni acustiche." Tale allegato indica gli aeromobili particolarmente rumorosi (velivoli a reazione, velivoli a elica ed elicotteri), che possono utilizzare l'aeroporto di Lugano-Agno solo in virtù di un'autorizzazione speciale (n. 2). Esso enuncia altresì diverse prescrizioni sul regime dei motori nelle fasi di avvicinamento e di preparazione del volo (n. 3 segg.). Neppure queste regole sono messe in discussione dai ricorrenti, i quali non pretendono che esse siano inadeguate o insufficienti.
La lite concerne, in definitiva, gli orari d'esercizio e il volume del traffico aereo, in particolare il numero dei movimenti di linea, che costituiscono la fonte principale di rumore (cfr., in particolare, la perizia Hofmann).
L'orario d'esercizio dell'aeroporto è fissato nella concessione per l'esercizio (n. 3.4); esso distingue, in sostanza, il periodo diurno (dalle ore 06.00 alle ore 23.00) dal periodo notturno (dalle ore 23.00 alle ore 06.00). Durante la giornata o in fine di giornata, alcune fasce orarie sono soggette a prescrizioni speciali, in virtù della stessa concessione o del regolamento d'esercizio. Così, all'inizio del mattino e alla fine del giorno, i voli di linea e gli altri voli sono sottoposti a limitazioni differenti (nessun volo privato prima delle ore 07.00 e dopo le 22.00; autorizzazione speciale della concessione necessaria per i voli di linea tra le ore 06.00 e le 07.00 e tra le 22.00 e le 23.00, ecc.). Durante la notte, il traffico aereo è, in linea di principio, vietato.
Occorre proteggere in modo speciale i vicini nei periodi della giornata in cui il traffico aereo può manifestamente provocare molestie maggiori, in particolare all'inizio della notte; più ricorrenti ribadiscono tale aspetto. Di ciò debbono tener conto le misure tendenti a limitare le emissioni foniche (cfr. infra consid. 19-20). Dato che gli effetti dannosi o molesti per la popolazione non risultano solo da manifestazioni foniche isolate o che intervengono in periodi normalmente calmi, ma che essi derivano anche dall'intensità del traffico,
BGE 125 II 643 S. 676
sia durante la giornata sia durante l'intero anno, giova in primo luogo adottare, in materia di traffico o d'esercizio, misure suscettibili di ridurre o di limitare in modo adeguato il volume globale del rumore provocato dal traffico aereo.
b) A tal proposito la concessione per l'esercizio prevede nel n. 3.6.2 il sistema seguente, che corrisponde, in un certo senso, secondo la terminologia del Dipartimento federale, a un "corsetto di rumore" ("Lärmkorsett") o a una limitazione globale del "volume massimo di rumori": i valori di esposizione al rumore, secondo il catasto di esposizione al rumore del settembre 1995, fondato su di un traffico di 38'000 movimenti annui, non devono essere superati e la concessionaria deve garantire il rispetto di questa condizione quadro mediante provvedimenti contro l'inquinamento acustico adottati a livello tecnico, organizzativo e di esercizio.
Tale clausola occupa una posizione centrale nel sistema della concessione, poiché mira a fissare un limite allo sviluppo del traffico per ragioni fondate sulla protezione dell'ambiente. Conviene dunque esaminare se questa clausola, con cui sono applicate le norme del diritto federale sulla limitazione delle emissioni di rumore, sia adeguata e, in primo luogo, se i dati su cui essa si basa - il pronostico sul rumore in funzione di un determinato numero di movimenti - siano affidabili. Parecchi ricorrenti contestano precisamente questo punto, mettendo in discussione i metodi e i risultati dei calcoli (modelli di calcolo utilizzati, dati iniziali per il calcolo del rumore, numero determinante dei movimenti, ecc.).
aa) Nel catasto di esposizione al rumore sopra menzionato, sono tracciate, su piani a scala 1:5000 ("piano generale") e 1:2000 (per ogni comune interessato), le curve di rumore (isofone) per i livelli di valutazione "Lr" di 55, 60, 65, 70 e 75 dB(A), in funzione di un totale di 38'000 movimenti annui, di cui 28'000 movimenti di linea (cfr. supra consid. 16b). Questi livelli "Lr" sono stati determinati in base all'allegato 5 OIF, che fissa i "valori limite di esposizione al rumore degli aeroporti regionali e dei campi d'aviazione" e stabilisce a tal fine i metodi di calcolo (v., in particolare, il n. 3 dell'allegato 5 dell'OIF). Questo catasto non indica, per converso, direttamente i valori di esposizione al rumore da rispettare secondo il n. 3.6.2 della concessione per l'esercizio; tali valori dipendono dalla situazione concreta degli edifici esposti al rumore (destinazione della zona, grado di sensibilità al rumore; cfr. infra consid. 18c).
Taluni ricorrenti pretendono che il metodo di cui all'allegato 5 OIF non sia adeguato nella fattispecie, dato che l'aeroporto di
BGE 125 II 643 S. 677
Lugano-Agno è, contrariamente alla maggior parte degli altri aeroporti regionali o campi d'aviazione, aperto principalmente al traffico di linea. Il perito del Tribunale federale - il dott. Hofmann - è stato invitato a pronunciarsi su tale questione.
bb) Due testi del diritto federale indicano un metodo per determinare le immissione foniche di un aerodromo quale quello di Lugano-Agno (aeroporto regionale): l'allegato 5 dell'OIF, già menzionato, e l'ordinanza del Dipartimento federale del 9 marzo 1984 concernente le zone di rumore degli aerodromi regionali in concessione (RS 748.134.3). Secondo il referto peritale, entrambe le ordinanze preconizzano la stessa procedura di calcolo del livello di valutazione "Lr" e pervengono, in base agli stessi dati, agli stessi risultati numerici. Nel merito, la scelta dell'una o dell'altra ordinanza è quindi irrilevante; poiché nella presente procedura non ci si deve pronunciare sul piano delle zone di rumore, basta riferirsi all'allegato 5 dell'OIF.
cc) Pur essendo un aeroporto regionale, l'aeroporto di Lugano-Agno presenta certe analogie con un aeroporto nazionale (voli di linea regolari, voli internazionali, ecc.).
I valori limite d'esposizione al rumore degli aeroporti nazionali non sono ancora stati determinati nell'ordinanza contro l'inquinamento fonico. Il Consiglio federale, incaricato di emanare tali prescrizioni (cfr., in particolare, l'
art. 13 cpv. 1 LPAmb
), non ha ancora reso noto il metodo per determinare il livello di rumore e le norme particolari applicabili a tali impianti (cfr.
DTF 124 II 293
consid. 18b pag. 329). Attualmente, per detta categoria di aeroporti, solo una vecchia ordinanza - l'ordinanza del Dipartimento federale, del 23 novembre 1973, concernente le zone di rumore degli aerodromi di Basilea-Mulhouse, Ginevra-Cointrin e Zurigo (RS 748.134.2 - cfr. al proposito
DTF 121 II 317
consid. 12a pag. 343) - prevede un metodo per determinare le immissioni di rumore (mediante l'indice "NNI"), ma risulta chiaramente dalla perizia che questo metodo non è appropriato nel caso di un aerodromo regionale; il risultato a cui porta avrebbe infatti l'inconveniente di sottovalutare in ampia misura le molestie provocate dal rumore del traffico aereo nella regione interessata, dato che prescinde totalmente dalle emissioni provenienti dagli aerei poco rumorosi. Non è quindi il caso - soprattutto tenendo conto del punto di vista dei ricorrenti - di applicarlo nella fattispecie.
Alcuni specialisti hanno presentato proposte per colmare la lacuna esistente nell'ordinanza contro l'inquinamento fonico per quanto
BGE 125 II 643 S. 678
concerne gli aeroporti nazionali. Il perito si è pronunciato sulla proposta ufficiale più recente al momento in cui ha formulato il proprio referto: trattasi della proposta sottoposta nel settembre 1997 al Consiglio federale dalla Commissione federale per la valutazione dei valori limite d'immissione per il rumore ("Valeurs limites d'exposition au bruit des aéroports nationaux/Belastungsgrenzwerte für den Lärm der Landesflughäfen"; 6o rapporto parziale della menzionata commissione, pubblicato in tedesco e in francese dall'Ufficio federale dell'ambiente, delle foreste e del paesaggio, fascicolo sull'ambiente 296, Berna 1998). Tale commissione preconizza un metodo per determinare il rumore degli aeroporti nazionali, la cui applicazione diretta all'aeroporto di Lugano-Agno dovrebbe tuttavia essere, secondo il perito, chiaramente sconsigliata, pur essendo in questo aeroporto il traffico di linea (regionale) relativamente intenso: l'utilizzazione di tale metodo comporterebbe infatti una valutazione considerevolmente meno elevata delle immissioni foniche (differenza dell'ordine di 5 dB(A) per lo stesso volume di traffico, in particolare a causa di un fattore di correzione "K" introdotto nel calcolo secondo l'allegato 5 dell'OIF, che ha come conseguenza di aumentare il livello "Lr" quando il numero annuo totale di movimenti sia considerevole). In definitiva, il perito considera che conviene attenersi al metodo seguito nell'allegato 5 dell'OIF.
Il perito non è stato invitato a pronunciarsi su di un recente progetto del Dipartimento federale, messo in consultazione nell'estate 1999, concernente i valori limite d'esposizione al rumore degli aeroporti nazionali (progetto del 21 giugno 1999, posteriore alla presentazione del referto peritale). Tale progetto completerebbe e modificherebbe l'ordinanza contro l'inquinamento fonico (OIF) nonché l'ordinanza sull'infrastruttura aeronautica (OSIA), prevedendo una nuova disciplina per la valutazione del rumore non solo degli aeroporti nazionali, ma anche di quelli regionali con un intenso traffico di linea (e di charter). Il rumore del traffico aereo a Lugano-Agno non dovrebbe più essere valutato secondo la formula dell'attuale allegato 5 dell'OIF, ma secondo un metodo applicabile a tutti gli aerodromi civili (aeroporti nazionali, altri aeroporti concessionati e campi d'aviazione). Il rumore dei "velivoli grandi" e quello dei "velivoli piccoli" verrebbe valutato secondo formule distinte; in altri termini, il rumore del traffico di linea di un aeroporto regionale sarebbe determinato separatamente secondo il metodo applicabile agli aeroporti nazionali (rapporto esplicativo del 25 giugno 1999 allestito per l'invio in consultazione del progetto menzionato, pag. 3). Tale
BGE 125 II 643 S. 679
cambiamento del metodo di valutazione sarebbe rilevante per l'aeroporto di Lugano-Agno; esso avrebbe come conseguenza, secondo il Dipartimento federale, che il catasto del carico fonico concernerebbe settori nettamente ridotti rispetto a un catasto allestito secondo l'attuale allegato 5 dell'OIF (rapporto esplicativo, pag. 7). In altri termini, la superficie dei settori in cui i livelli "Lr" di 55, 60, 65, 70 e 75 dB(A) sarebbero superati verrebbe ad essere sensibilmente diminuita. Sembra quindi, a prima vista, che tale progetto del Dipartimento federale si scosti su più punti dalle proposte fatte nel 1997 dalla Commissione federale per la valutazione dei valori limite d'immissione. Non si giustifica peraltro di esaminarlo in modo più particolareggiato.
Per quanto concerne l'allestimento del catasto del 1995, l'applicazione dell'attuale allegato 5 dell'OIF non è stata rimessa in discussione dal Dipartimento federale, né nella decisione impugnata né nella sua risposta ai ricorsi. I vicini (comuni e proprietari fondiari) che criticano le concessioni litigiose non chiedono che sia adottato un metodo avente per effetto di "sottovalutare" - o di valutare a un livello meno elevato, come sarebbe il caso ove fosse applicata la soluzione prevista dal menzionato progetto di modifica dell'OIF - le immissioni foniche provenienti dal traffico aereo, rispetto a ciò che risulta secondo il metodo del vigente allegato 5 dell'OIF. Quanto alle altre parti o interessati, essi non pretendono che quest'ultimo metodo sia inadeguato per l'attuazione dei principi enunciati negli art. 11 segg. LPAmb. In tali condizioni, e tenuto conto dell'apprezzamento espresso al riguardo dal perito, conviene applicare le norme vigenti, ossia l'attuale allegato 5 dell'OIF, che concerne precisamente gli aeroporti regionali. Le censure ricorsuali relative al metodo di calcolo sono pertanto infondate.
dd) Gli stessi ricorrenti adducono che il "numero di movimenti n", che è uno dei dati che permettono di determinare il livello di valutazione "Lr" secondo l'allegato 5 dell'OIF (cfr. n. 31 cpv. 2 di tale allegato), sarebbe stato calcolato erroneamente. L'autore del catasto del 1995 ha applicato la formula destinata agli aeroporti regionali esistenti (n. 32 dell'allegato 5 dell'OIF), mentre nella fattispecie ci si sarebbe dovuto fondare, secondo questi ricorrenti, sulla formula prevista per gli aeroporti regionali nuovi (n. 33 dell'allegato 5 dell'OIF). Ne deducono che, nel catasto del 1995, il rumore è stato generalmente sottovalutato di 3,3 dB(A).
Il perito del Tribunale federale ha ritenuto che la formula "approssimativa" ("Faustformel") contenuta nel n. 33 dell'allegato 5 dell'OIF,
BGE 125 II 643 S. 680
la quale permette solo una valutazione grossolana prima che un nuovo aerodromo sia posto in esercizio, non fosse applicabile nella fattispecie. Infatti, dato che l'aeroporto di Lugano-Agno è esercito da vari anni con una proporzione considerevole di traffico di linea, e che le previsioni per l'esercizio futuro hanno potuto essere espresse in modo sufficientemente preciso e affidabile - sia pure con il margine d'incertezza inerente ad ogni pronostico -, non v'è motivo di non utilizzare il metodo di cui al n. 32 dell'allegato 5 dell'OIF per determinare il numero di movimenti "n." Inoltre, il perito ha controllato l'applicazione di tale metodo nel caso particolare e ha ammesso la validità delle cifre così accertate. Queste delucidazioni e verifiche devono essere considerate come sufficientemente probanti.
Conviene ancora rilevare che, quantunque il n. 32 lett. c dell'allegato 5 dell'OIF evochi una media "sulle dodici ore diurne", ciò non significa che, nella fattispecie, non sia stato tenuto conto della totalità dei movimenti tra le ore 06.00 e le 22.00 (voli diurni; cfr.
art. 39 OSIA
a contrario - cfr. infra consid. 19b/aa), poiché l'aeroporto di Lugano-Agno è aperto tutti i giorni durante più di dodici ore, contrariamente ad altri aerodromi regionali o locali. Sotto questo aspetto, sono stati presi in considerazione i dati adeguati. Dei movimenti di linea tra le ore 22.00 e le 23.00 non è stato invece tenuto conto, ma il perito ha dimostrato che ciò non influiva sul risultato dei calcoli.
ee) Il perito ha altresì controllato il modello di calcolo (informatico) su cui s'è fondato il catasto del settembre 1995, come pure i dati iniziali per il calcolo del rumore, in particolare la ripartizione tra i diversi tipi di aerei utilizzati ("Flottenmix"), le traiettorie, la topografia. Egli ha rilevato varie lacune metodologiche; ha considerato altresì che, tenuto conto del tipo di aerei utilizzati attualmente per il traffico regionale a Lugano-Agno, più silenziosi di quelli su cui si sono basati i calcoli per il catasto del 1995, il livello "Lr" potrebbe essere diminuito di 3 dB(A) rispetto alle indicazioni figuranti nel catasto, ma che tale differenza poteva corrispondere al margine d'errore ammissibile, che è di +/- 3 dB(A) (deviazione standard; il perito afferma testualmente: "Secondo l'attuale livello delle conoscenze si può presupporre una sovravvalutazione sistematica dell'esposizione al rumore nell'ordine di grandezza di 3 dB, cui si aggiunge un errore accidentale di +/- 3 dB. L'insicurezza dei pronostici raggiunge così un'entità che non può essere trascurata, bensì deve essere presa in considerazione nelle decisioni di pianificazione territoriale" [traduzione italiana]).
BGE 125 II 643 S. 681
ff) Il perito dà un apprezzamento generale prudente o riservato delle previsioni risultanti dal catasto del 1995; la loro affidabilità non è considerata molto elevata: ("Die Zuverlässigkeit des Prognosenverfahrens ist nicht besonders gut", "L'affidabilità del metodo previsionale non è molto elevata"). Il perito menziona peraltro già di primo acchito la problematica dell'esattezza in materia di pronostici - nella fattispecie per quanto concerne la composizione della flotta e il numero dei movimenti degli aerei di linea, l'utilizzazione sempre più generalizzata d'aerei a turboelica, meno rumorosi che gli aerei a reazione, e tali da provocare una diminuzione delle immissioni. Il punto determinante è di sapere se, per l'utilizzazione prevista dei dati, i risultati siano sufficientemente probanti.
Il perito si riferisce più volte a un'utilizzazione dei dati del catasto del 1995 per l'allestimento del piano delle zone di rumore, da cui derivano "limitazioni della proprietà fondiaria" (
art. 42 LNA
). Le curve di 60, 65 e 70 dB(A), che per il piano delle zone di rumore vanno calcolate secondo una formula corrispondente a quella dell'allegato 5 dell'OIF (cfr. supra consid. 18b/bb), determinano, in linea di principio, il tracciato dei limiti delle diverse zone (
art. 43 OSIA
) e, di conseguenza, la disciplina giuridica applicabile alle particelle comprese nel perimetro di tale piano, ossia la loro "utilizzazione ammissibile", secondo l'
art. 42 OSIA
. Per le nuove costruzioni, tale disciplina è più o meno rigorosa, secondo le zone (cfr.
DTF 121 II 317
consid. 12a-b pag. 343 segg.). La posta in gioco può essere importante per i proprietari fondiari interessati: se i livelli di valutazione sono stimati in misura eccessiva, le limitazioni a cui essi sono soggetti in virtù del piano delle zone di rumore rischiano di essere troppo rigorose. Nella presente procedura non si tratta peraltro di pronunciarsi sul piano delle zone di rumore dell'aeroporto di Lugano-Agno (cfr. supra consid. 7).
Una determinazione precisa del rumore dell'aeroporto o un pronostico dettagliato su questo punto potrebbero essere richiesti anche in procedure diverse da quelle concernenti l'allestimento del piano delle zone di rumore ai sensi dell'
art. 42 LNA
. Ciò è concepibile in un caso di applicazione dell'
art. 22 LPAmb
(licenza edilizia nelle zone esposte ai rumori - cfr. anche l'
art. 31 OIF
) o eventualmente nel quadro di una revisione dei piani di utilizzazione dei comuni limitrofi in virtù dell'
art. 24 LPAmb
(requisiti per le zone edificabili), qualora una valutazione globale od "approssimativa" degli effetti dannosi o molesti, attuali o prevedibili, non sia sufficiente. La concessione per l'esercizio e la concessione quadro non hanno per
BGE 125 II 643 S. 682
compito di regolare l'utilizzazione del suolo fuori del perimetro aeroportuale; tale compito incombe alle autorità cantonali e comunali incaricate della pianificazione del territorio, anche se l'esistenza di questo impianto è un elemento che va preso necessariamente in considerazione. Dette autorità si pronunceranno direttamente, se del caso, sulla pertinenza o la validità per le questioni che dovranno risolvere dei risultati figuranti nel catasto del 1995 (tenendo conto del fatto che tale documento indica i livelli di rumore dopo un sensibile aumento del traffico di linea ed è quindi suscettibile d'essere adeguato all'evoluzione delle circostanze - cfr. infra consid. 18e).
Nella fattispecie si tratta soltanto di valutare, a prima vista (nel quadro della prima fase dell'esame dell'impatto sull'ambiente), gli effetti dannosi o molesti probabili al momento in cui sia stato realizzato il programma di modernizzazione dell'aeroporto, di accertare l'ampiezza dei superamenti dei valori limite, d'esaminare pertanto la proporzionalità delle facilitazioni richieste e di verificare se le restrizioni d'esercizio imposte alla concessionaria - il "corsetto di rumore" - siano in definitiva adeguate. Per questi fini, che non presuppongono una determinazione precisa del rumore sui terreni o negli edifici in vicinanza dell'aeroporto, ma soltanto una valutazione globale degli effetti fonici dannosi o molesti, i dati del catasto del 1995 possono essere considerati, in base alle conclusioni della perizia, come sufficientemente probanti.
c) aa) Il n. 3.6.2 cpv. 1 della concessione per l'esercizio esige, in linea di principio, il rispetto dei "valori di esposizione al rumore", una nozione di per sé imprecisa. Nei motivi della decisione impugnata, il Dipartimento federale spiega che si tratta dei valori limite d'immissione (
art. 15 LPAmb
), e non dei valori di pianificazione (
art. 23 LPAmb
). Fissare come obiettivo, nel caso concreto, il rispetto dei valori limite d'immissione è, come già illustrato (supra consid. 17a-b), conforme alle disposizioni federali contro l'inquinamento fonico (
art. 8 cpv. 2 OIF
).
Il principio secondo cui i valori limite d'immissione devono essere rispettati non è assoluto per un aerodromo pubblico (impianto concessionato): sia il diritto federale (cfr. supra consid. 17c) sia la concessione per l'esercizio (n. 3.6.2 cpv. 2) ammettono che possano essere accordate facilitazioni (chieste nella fattispecie implicitamente dalla Città di Lugano, poiché i dati relativi alle immissioni foniche contenuti nel rapporto sull'impatto dimostrano che tali agevolazioni sono necessarie per consentire lo sviluppo del traffico prevedibile). La clausola del n. 3.6.2 cpv. 2 della concessione per
BGE 125 II 643 S. 683
l'esercizio stabilisce così che, malgrado il superamento dei valori limite d'immissione in certi punti, risultanti dal catasto del 1995, prevalgono gli imperativi dell'esercizio dell'aeroporto. In altri termini, il superamento dei valori limite in uno dei settori non fa sì che debba restringersi il "corsetto di rumore", in linea di principio vincolante (n. 3.6.2 cpv. 1 della concessione per l'esercizio), ma che debba essere accordata una facilitazione corrispondente al superamento. Tale clausola non può, per converso, essere interpretata come un obbligo di accordare anticipatamente o automaticamente facilitazioni supplementari nel caso in cui il "corsetto di rumore" non fosse rispettato in seguito ad un aumento del traffico aereo. L'ampiezza delle facilitazioni è dunque sin d'ora delimitata dalla concessione per l'esercizio.
bb) I valori limite d'immissione divergono secondo il grado di sensibilità al rumore della zona in cui le immissioni avvengono. I piani con scala 1:2000 del catasto del settembre 1995 indicano il grado di sensibilità attribuito a quel momento dall'autorità cantonale competente ad ogni zona esposta al rumore dell'aeroporto sul territorio dei comuni di Agno, Bioggio, Breganzona, Manno e Muzzano. Interessate sono solo le zone di grado II (zone in cui non sono ammesse aziende moleste, in particolare zone destinate all'abitazione -
art. 43 cpv. 1 lett. b OIF
) o di grado III (zone in cui sono ammesse aziende mediamente moleste, in particolare, zone miste - art. 43 cpv. 1 lett. c OIF). Conformemente al n. 21 dell'allegato 5 dell'OIF, i valori limite d'immissione applicabili nella fattispecie sono, rispettivamente, 60 dB(A) e 65 dB(A) (nel progetto di revisione dell'OIF del 21 giugno 1999, se i metodi di determinazione del rumore sono differenti, i valori limite d'immissione per le ore diurne nelle zone di grado di sensibilità II e III sono rimasti invariati).
La decisione del Dipartimento federale enumera i settori in cui il catasto del 1995 prevede un superamento dei valori limite d'immissione (parti di zone residenziali ad Agno, Bioggio e Muzzano; parti di zone artigianali/industriali o miste in questi tre comuni). Essa rileva altresì che, nella maggioranza dei casi, il superamento sarebbe di circa 2 dB(A) e che raggiungerebbe 5-6 dB(A) solo in taluni punti. Menzionata è pure una piccola striscia di terreno in cui si trovano attualmente due edifici della zona residenziale "I Mulini" a Bioggio, ad est della pista, in cui sarebbero superati i valori d'allarme (70 dB(A) per un grado di sensibilità II). Tali accertamenti non sono stati contestati dai ricorrenti. Essi possono d'altronde essere
BGE 125 II 643 S. 684
verificati in base ai piani, sufficientemente chiari, del catasto del 1995.
Il Tribunale federale non deve pronunciarsi in modo speciale su ogni caso in cui è stato constatato un superamento dei valori limite d'immissione. Le indicazioni del catasto del 1995, che non corrispondono allo stato attuale delle immissioni ma si fondano su di un pronostico, possono servire come base soltanto per un apprezzamento generale, globale. D'altronde, nel presente stadio, il controllo giudiziario del contenuto delle concessioni va esercitato con riserbo, poiché i dati pertinenti in materia di rumore appaiono sufficientemente affidabili.
Così, partendo dall'ipotesi che gli stessi valori limite d'immissione siano ancora applicabili nella seconda fase dell'esame dell'impatto (rilascio delle concessioni edilizie per concretizzare il programma di modernizzazione dell'aeroporto) e quando il traffico di linea sia considerevolmente aumentato secondo le previsioni - ossia ammettendo che non vengano modificati la destinazione delle zone edificabili vicine e il loro grado di sensibilità, e che il metodo di calcolo figurante nell'allegato 5 OIF non sia riveduto -, si può ritenere che i superamenti dei valori limite d'immissione non siano eccessivi. Nel loro insieme, le facilitazioni richieste sono, in definitiva, relativamente poco importanti; il principio della proporzionalità è a tal riguardo rispettato.
Potrebbero certamente essere studiati, sotto il profilo della proporzionalità o dei principi enunciati nell'
art. 11 LPAmb
, gli effetti di un "corsetto di rumore" più restrittivo, ma tale analisi non si giustifica nella fattispecie. I limiti che il Dipartimento federale ha fissato dopo aver proceduto ad una ponderazione degli interessi - esso non si è limitato ad accettare le proposte dell'esercente dell'aeroporto, poiché il traffico considerato per il catasto del 1995 (28'000 movimenti di linea, 10'000 movimenti d'aviazione generale) è inferiore a quello su cui si è fondata la domanda di concessione (30'000 movimenti di linea, 15'000 movimenti d'aviazione generale) - non sono il risultato di un abuso o di un eccesso del potere d'apprezzamento. D'altronde, come spiegato dal perito, piccole varianti nel numero determinante di movimenti di linea (-10% o -20%, per esempio) non avrebbero grande rilevanza sul tracciato delle curve isofone. Non occorre quindi, per motivi concernenti la protezione contro il rumore, fissare un "corsetto di rumore" più rigoroso, che non corrisponderebbe ai bisogni in materia di collegamento aereo della regione, quali valutati in modo sostenibile dal Dipartimento federale (cfr. supra consid. 8).
BGE 125 II 643 S. 685
cc) In tale situazione non può essere esclusa l'ipotesi di una revisione a medio termine dei piani di utilizzazione dei comuni interessati, allo scopo di tener conto degli effetti dannosi o molesti dell'aeroporto - per esempio nel senso di una modifica della destinazione di certe zone edificabili che attribuisca loro una utilizzazione meno sensibile al rumore, declassamento dal grado di sensibilità II al grado di sensibilità III di certe zone destinate all'abitazione (
art. 43 cpv. 2 OIF
; cfr.
DTF 121 II 235
consid. 5). La presenza dell'impianto aeroportuale da molto tempo esistente era un elemento che le autorità cantonali competenti per la pianificazione non potevano ignorare al momento in cui hanno esaminato i primi piani di utilizzazione conformi alla legge federale sulla pianificazione del territorio e tali quindi da "preservare quanto possibile i luoghi destinati all'abitazione da immissioni nocive o moleste" (
art. 3 cpv. 3 LPT
). Dal 1985, la legge federale sulla protezione dell'ambiente precisa gli obblighi incombenti alle autorità pianificatorie (cfr.
art. 24 LPAmb
; cfr., in particolare,
DTF 120 Ib 76
consid. 4 pag. 86). Comunque sia, esse sono tenute ad adeguare i piani di utilizzazione o i loro regolamenti all'evoluzione delle circostanze (
art. 21 cpv. 2 LPT
), nella fattispecie allo sviluppo di un aeroporto esistente. Nella presente procedura in materia di concessione federale non è compito del Tribunale federale di verificare se i piani di utilizzazione dei comuni interessati, nel loro stato attuale oppure, in caso di revisione in corso, nel loro stato futuro, tengano sufficientemente conto dei principi sopra evocati. Conviene forse solo rilevare che non è escluso che in futuro zone prossime all'aeroporto possano divenire meno sensibili al rumore a causa di una revisione della disciplina giuridica applicabile secondo le disposizioni sulla pianificazione del territorio; i casi concreti in cui vengano superati i valori d'immissione verrebbero allora ad essere meno frequenti di quanto indicato nel catasto del 1995.
d) Nello stadio attuale - quello del rilascio di una concessione quadro e di una concessione per l'esercizio, in cui si svolge la prima fase dell'esame dell'impatto -, risulta dunque che le emissioni foniche provocate dal traffico aereo, secondo il numero di movimenti prevedibile e in funzione delle restrizioni che comporta il "corsetto di rumore", sarebbero dopo la modernizzazione dell'aeroporto compatibili con le esigenze della legge federale sulla protezione dell'ambiente.
L'autorità federale dovrà effettuare un nuovo esame dell'impatto (seconda fase - cfr.
art. 6 OEIA
e n. 14.1 dell'allegato dell'OEIA)
BGE 125 II 643 S. 686
e procedere ad una nuova valutazione al momento del rilascio delle concessioni edilizie per gli edifici e le installazioni grazie ai quali il traffico di linea potrà svilupparsi effettivamente. Prima di tale fase non occorre regolare in dettaglio la questione dell'isolamento acustico degli edifici esposti al rumore (cfr. supra consid. 17d).
Il n. 3.6.3 della concessione per l'esercizio prevede al proposito l'allestimento di un "piano di isolamento acustico", che dev'essere approvato dall'"autorità esecutiva." L'autorità federale competente (l'Ufficio federale dell'aviazione civile - cfr.
art. 46 cpv. 4 lett. b OIF
) è quindi tenuta, una volta entrata in vigore la concessione per l'esercizio, a esaminare senza ritardo le misure da adottare in tale ambito; i casi in cui siano superati i valori d'allarme vanno trattati con priorità (cfr. n. 3.6.3 cpv. 3 di detta concessione). Questo sistema è adeguato nella situazione complessa propria dell'aeroporto di Lugano-Agno. Il piano di isolamento acustico permette di stabilire un programma d'attuazione scaglionata dei provvedimenti richiesti in virtù dell'
art. 10 OIF
in seguito alla modificazione dell'impianto esistente e garantisce un certo coordinamento e una certa uguaglianza tra i proprietari interessati. Non sarebbe d'altronde concepibile di trattare tutte le situazioni concrete nella decisione con cui è rilasciata la concessione per l'esercizio; occorre prevedere al proposito decisioni ulteriori (cfr.
DTF 124 II 293
consid. 19c pag. 335; cfr. pure
DTF 117 Ib 285
consid. 8b/bb pag. 304). Potranno essere allora eventualmente applicate le norme della procedura semplificata ai sensi dell'
art. 27 OSIA
. Giova ricordare che la giurisprudenza ammette, in casi del genere, che siano avviate procedure successive (per complementi della concessione, per progetti particolareggiati, ecc.) anche laddove esse non siano espressamente previste dalla legislazione federale (cfr.
DTF 124 II 293
consid. 19b-c pag. 335;
DTF 121 II 378
consid. 6b pag. 393).
e) Il "corsetto di rumore" del catasto del 1995 - ossia i vari livelli di rumore che non possono essere superati in vicinanza dell'aeroporto - è una clausola della concessione per l'esercizio che vincola la concessionaria.
aa) Se, in base a nuove previsioni sul traffico o nuovi pronostici concernenti il rumore, o se, a causa di una revisione dell'ordinanza contro l'inquinamento fonico e del suo allegato 5 (cfr. supra consid. 18b/cc), l'esercente ottenesse, in seguito a misure e a calcoli, nuove curve isofone presentate in un catasto aggiornato di esposizione al rumore, tali curve non verrebbero a sostituire automaticamente quelle del catasto del 1995. Le condizioni d'esercizio
BGE 125 II 643 S. 687
dell'aeroporto, quali fissate nel n. 3.6.2 della concessione per l'esercizio dal Dipartimento federale per una durata determinata (secondo il n. 5, tale concessione è, in linea di principio, valida trent'anni), si riferiscono esclusivamente al catasto del 1995. Una deroga sistematica alle esigenze poste nel n. 3.6.2 non è quindi ammissibile senza una modifica previa di detta clausola.
Una modifica di tal sorta prima della scadenza della concessione per l'esercizio sarebbe giuridicamente concepibile in applicazione dell'
art. 20 cpv. 1 OSIA
: questa disposizione permette al Dipartimento federale di completare o modificare la concessione "se la sicurezza dell'aviazione, innovazioni tecniche o economiche oppure esigenze fondamentali della protezione dell'ambiente lo esigono." La disposizione in parola potrebbe, a prima vista, applicarsi ove fosse necessario modificare considerevolmente il "corsetto di rumore" del n. 3.6.2 cpv. 1, in un senso o nell'altro (ossia, per permettere più o meno rumore).
Questo "corsetto di rumore", che rappresenta una garanzia importante per le persone esposte agli effetti dannosi o molesti del traffico aereo, deve fruire di una certa stabilità (conformemente al principio generale della certezza nei rapporti giuridici, di cui possono prevalersi, in particolare, i comuni e i proprietari vicini dell'aeroporto - cfr., in particolare, per analogia,
DTF 120 Ia 227
consid. 2b). Un eventuale progetto di modifica del n. 3.6.2 della concessione per l'esercizio dovrebbe tener conto di questo principio, come pure di tutti gli altri interessi in gioco. Un'eventuale modifica del n. 3.6.2 cpv. 1 della concessione per l'esercizio dovrebbe quindi essere oggetto di una normale procedura amministrativa, nel corso della quale gli interessati dovrebbero poter esercitare il loro diritto di essere sentiti dall'autorità federale competente e, se del caso, il loro diritto di ricorrere contro la decisione di quest'ultima.
bb) Una modifica del "corsetto di rumore" è prospettabile in due ipotesi principali: ove sia accertato che le restrizioni che ne derivano impediscono un esercizio dell'aeroporto conforme all'interesse pubblico oppure, per converso, ove si consideri necessario fissare limiti più stretti in seguito a una nuova valutazione degli interessi della protezione dell'ambiente.
Non è infatti escluso, ad esempio, che in futuro, per effetto dell'evoluzione della tecnica aeronautica, venga accertato che, per un numero costante di movimenti, il traffico di linea è globalmente meno rumoroso di quanto previsto nel catasto del 1995; potrebbe in tal caso essere eventualmente deciso di restringere il "corsetto di
BGE 125 II 643 S. 688
rumore" (mediante un'applicazione "dinamica" degli art. 11 segg. LPAmb - cfr. ANDRÉ SCHRADE/THEO LORETAN, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Zurigo 1998, n. 25 ad art. 11). Fatta salva questa ipotesi, non occorre fissare nell'attuale concessione per l'esercizio - come proposto da taluni ricorrenti, che temono che il sistema attuale consenta un sensibile aumento del traffico - anche un limite massimo del numero totale di movimenti, corrispondente al traffico considerato dal catasto del 1995 (28'000 movimenti di linea, 10'000 movimenti d'aviazione generale). Se un giorno il numero di 28'000 movimenti di linea fosse considerevolmente superato (un superamento del numero di movimenti d'aviazione generale avrebbe invece, come ribadito dal perito, solo poca rilevanza per le curve isofone del catasto), le autorità competenti dovrebbero riesaminare la situazione e pronunciarsi su di un eventuale adeguamento del "corsetto di rumore."
f) I vicini dell'aeroporto (comuni, proprietari fondiari, ecc.), che il "corsetto di rumore" intende proteggere, sono direttamente interessati a conoscere regolarmente il livello medio degli effetti dannosi o molesti a cui sono esposti, in particolare per poter esaminare se si giustifichi di chiedere un adeguamento della concessione per l'esercizio nel senso sopra evocato. Orbene, essi non sono in grado di raccogliere i dati necessari per poter controllare se la clausola n. 3.6.2 di tale concessione sia rispettata (questo controllo presuppone la conoscenza di vari elementi: numero di movimenti, tipo d'aeromobili nonché traiettorie seguite in fase di avvicinamento o di decollo; una modifica di dette traiettorie potrebbe infatti comportare, a terra, una diversa esposizione al rumore). È quindi necessario a tal fine poter avere accesso ai dati del traffico dell'aeroporto e al modello informatico su cui si basa il catasto del 1995. L'
art. 12 OIF
impone all'autorità esecutiva di controllare, al più tardi un anno dopo che l'impianto nuovo o modificato sia stato messo in esercizio, se le limitazioni d'emissione ordinate siano state attuate. Tale controllo unico non è peraltro sufficiente nel caso di un aeroporto le cui emissioni foniche possono variare considerevolmente da un anno all'altro.
Per questa ragione il presente giudizio deve stabilire una condizione speciale in materia di esecuzione o di utilizzazione delle concessioni: conformemente a quanto proposto dal perito, la concessionaria dovrà procedere ogni anno a un calcolo di controllo, secondo gli stessi parametri utilizzati per il catasto del 1995 (margine di tolleranza per i superamenti: al massimo 1.0 dB). Essa dovrà altresì
BGE 125 II 643 S. 689
procedere a misurazioni puntuali e periodiche e paragonare i loro risultati con i valori calcolati (per la determinazione dei punti in cui devono essere effettuate le misurazioni, ci si riferisce a quanto indicato al proposito nella perizia). Il rapporto annuale su tali controlli dovrà essere posto in consultazione pubblica dall'Ufficio federale dell'aviazione civile.
La decisione con cui il Dipartimento federale ha accordato le due concessioni litigiose va pertanto completata per tener conto delle raccomandazioni del perito. I ricorsi degli enti pubblici e dei proprietari vicini che si sono doluti dell'insufficienza delle misure previste per limitare le emissioni (cfr. supra consid. 15 initio) vanno quindi accolti in questa misura.
Per il rimanente, non occorre ordinare formalmente alla concessionaria di mettere in servizio un'attrezzatura adeguata per misurare il rumore (cfr. al proposito la sentenza 7 settembre 1998 concernente la concessione d'esercizio per l'aeroporto di Berna-Belp, pubblicata in Pra 1999, pag. 195 consid. 4c). Tale obbligo già risulta dalla condizione di cui sopra.
g) L'Ufficio federale dell'aviazione civile è tenuto d'altronde, in virtù dell'
art. 46 cpv. 4 OIF
, a vigilare sull'esecuzione delle prescrizioni in materia di limitazione delle emissioni, sul risanamento, nonché sulla determinazione e sulla valutazione delle immissioni foniche. Gli incombe pertanto di adottare tutte le disposizioni atte a garantire l'adempimento delle condizioni contenute nella concessione per l'esercizio in materia di protezione contro l'inquinamento fonico, e in particolare di verificare che la concessionaria applichi le misure necessarie (controllo delle traiettorie, restrizioni dell'ammissione di aerei particolarmente rumorosi, ecc.). Tali questioni, che concernono l'attuazione della decisione impugnata e la gestione dell'aeroporto nel quadro fissato dal Dipartimento federale, non vanno esaminate ulteriormente nel presente giudizio, poiché, per la loro natura, non devono costituire oggetto di prescrizioni speciali figuranti nelle concessioni. Lo stesso vale per la creazione - preconizzata da taluni ricorrenti - di un organo in seno al quale gli interessati (esercente dell'aeroporto, comuni, rappresentanti dei vicini, ecc.) s'informerebbero reciprocamente sull'evoluzione dell'esercizio dell'aeroporto (come proposto, in particolare, da una ricorrente).
19.
Nel dolersi di una limitazione insufficiente delle emissioni foniche del traffico aereo, taluni ricorrenti ribadiscono la necessità di una protezione particolare durante la notte o durante le ore
BGE 125 II 643 S. 690
più tranquille della giornata (inizio del mattino, ore meridiane o in serata). Essi criticano la disciplina prevista al riguardo nella concessione per l'esercizio e nel regolamento d'esercizio, che prevedono un orario a loro avviso troppo esteso, in particolare per i voli di linea.
a) La concessione per l'esercizio distingue, per quanto riguarda l'orario d'esercizio, fra il traffico di linea e gli altri voli (aviazione generale - voli commerciali, voli privati, voli scuola, ecc.): per il primo gruppo di voli, i movimenti sono, in linea di principio, ammessi tra le ore 06.00 e le 23.00; per l'altro gruppo, tra le 07.00 e le 22.00. Il regolamento d'esercizio contiene, entro questi limiti, prescrizioni complementari.
Da tale regolamento risulta che l'aeroporto è normalmente aperto, tutti i giorni, dalle ore 07.00 alle 22.00; questo orario è più esteso di quello precedente (dalle ore 08.00 alle 20.00). Esso vale, in linea di principio, per tutte le categorie di aerei, ma il regolamento prevede una disciplina speciale per i voli di linea programmati tra le ore 06.00 e le 07.00 e quelli programmati tra le ore 22.00 e le 23.00: le compagnie interessate possono ottenere dalla concessionaria un'autorizzazione speciale se i voli rispondono ad un interesse generale e previa consultazione con l'autorità cantonale.
La disciplina generale (dalle ore 07.00 alle 22.00) non si applica indiscriminatamente a tutte le categorie di "altri voli." Così, i voli privati sono, in linea di principio, ammessi solo tra le ore 08.00 e le 20.00 (ciò che corrisponde, globalmente, alla disciplina precedente); i giri pista sono vietati la domenica e, durante la settimana, sono limitati ad alcune ore del mattino e del pomeriggio; i voli d'istruzione notturni VFR non sono ammessi il sabato e la domenica, ecc. (n. 2 dell'allegato D del regolamento d'esercizio).
b) I ricorrenti che si dolgono degli effetti dannosi o molesti del traffico aereo (proprietari fondiari, comuni) censurano principalmente che l'orario d'esercizio per i voli di linea sia stato esteso al mattino a partire dalle ore 06.00 e alla sera fino alle 23.00. Essi chiedono, in sostanza, che tali movimenti non siano autorizzati fuori dell'orario regolare di apertura dell'aeroporto, che va dalle ore 07.00 alle 22.00. Le doglianze relative all'orario d'esercizio per l'aviazione generale saranno esaminate più avanti (v. infra consid. 20).
aa) L'ordinanza sull'infrastruttura aeronautica (OSIA) definisce "voli notturni" quelli che si svolgono dalle ore 22.00 alle 06.00; durante tale periodo, essa prescrive all'autorità competente di autorizzare soltanto con il massimo riserbo i decolli e gli atterraggi di
BGE 125 II 643 S. 691
aeromobili a motore (
art. 39 cpv. 1 OSIA
). Benché tale ordinanza non vieti i voli notturni del traffico di linea (cfr. art. 39 cpv. 2 lett. a n. 1 OSIA), si può dedurre che questi voli debbano, per proteggere i vicini dal rumore, rimanere eccezionali. Ai fini dell'ordinanza, i voli tra le ore 06.00 e le 07.00 non sono considerati come voli notturni; l'interesse generale a tutelare la tranquillità in questo intervallo della giornata è considerato meno importante.
Conviene, in primo luogo, esaminare la questione dei voli notturni ai sensi dell'
art. 39 OSIA
.
bb) Il vigente allegato 5 dell'OIF non prevede una disciplina speciale per determinare o valutare il rumore dei voli notturni. Esso è stato infatti concepito, come illustrato nella perizia, per essere applicato agli aerodromi riservati all'aviazione leggera, nella quale l'attività aeronautica si limita alle ore diurne. In una recente sentenza concernente un altro aeroporto regionale con traffico di linea - quello di Berna-Belp (sentenza del 7 settembre 1998, pubblicato in Pra 1999, pag. 495 consid. 5) -, il Tribunale federale ha rilevato che questo sistema non offriva una grande protezione ai vicini; esso s'è chiesto se l'allegato 5 dell'OIF non dovesse essere modificato nel caso in cui, nel determinare per gli aeroporti nazionali i valori limite di esposizione al rumore, fosse introdotta nel diritto federale per le ore notturne una disciplina distinta da quella prevista per il traffico diurno, come suggerito nel 6o rapporto parziale della Commissione federale per la valutazione dei valori limite d'immissione per il rumore ("Valeurs limites d'exposition au bruit des aéroports nationaux/Belastungsgrenzwerte für den Lärm der Landesflughäfen" - cfr. supra consid. 18b/cc). Tale rapporto propone infatti di determinare limiti d'esposizione al rumore inferiori per le ore notturne, in particolare per la prima (tra le 22.00 e le 23.00), per la seconda (tra le 23.00 e le 24.00) e l'ultima (tra le 05.00 e le 06.00), poiché in quelle rimanenti il traffico è inesistente; esso propone altresì di calcolare separatamente, per ognuno di questi intervalli, un livello di valutazione "Lr"; lo scopo è di limitare, in particolare, l'esercizio per evitare le reazioni di risveglio (pag. 45/46 della versione francese del rapporto parziale). Il progetto di revisione dell'OIF del 21 giugno 1999 (cfr. supra consid. 18b/cc) prevede precisamente, nell'allegato 5 - che sarebbe applicabile a tutti gli aeroporti civili, in particolare a quelli regionali - valori limite d'esposizione diversi secondo le ore della notte (prima, seconda e ultima). Esso stabilisce inoltre, per gli aeroporti regionali, che i decolli e gli atterraggi dei voli commerciali sono autorizzati tra le ore 22.00 e le
BGE 125 II 643 S. 692
23.00 soltanto se le emissioni provenienti dagli aerei non superino 87 EPNdB e che i movimenti sono vietati tra le ore 23.00 e le 06.00 (progetto del nuovo
art. 39b OIF
).
Può così constatarsi che i progetti e i rapporti ufficiali sopra menzionati preconizzano una regolamentazione speciale per i voli notturni - valori limite d'esposizione inferiori, valori limite d'emissione -, in particolare per la prima ora della notte. Nel suo referto peritale, anche il dott. Hofmann evoca la possibilità di applicare una disciplina più rigorosa tra le ore 22.00 e le 23.00, nel senso di fissare un valore limite d'immissione inferiore di 5 o 10 dB rispetto a quello previsto nel vigente allegato 5 dell'OIF per il traffico delle ore diurne o di fissare un totale annuo di movimenti dopo le ore 22.00. Il regolamento d'esercizio in vigore a Lugano-Agno fino al rilascio della presente concessione limitava, dal canto suo, sotto più aspetti il traffico di linea durante la prima ora della notte: un atterraggio quotidiano al massimo, con un tipo di velivolo determinato (Jumbolino o velivolo ad esso paragonabile per quanto concerne le emissioni foniche), prima delle ore 22.30.
cc) Nella fattispecie, nessuna delle possibilità sopra evocate - valori limite d'esposizione speciali per la prima ora della notte, valori limite d'emissioni foniche degli aerei ammessi ad effettuare voli notturni, numero totale massimo quotidiano o annuo di movimenti nelle ore notturne - è stata presa in considerazione nella decisione del Dipartimento federale relativa alle concessioni litigiose. I voli notturni sono, in definitiva, soggetti a una sola restrizione: essi non sono più ammessi dopo le ore 23.00 (cfr. n. 3.4.1 della concessione per l'esercizio). Quanto alle esigenze imposte dal regolamento d'esercizio - autorizzazione chiesta dalla concessionaria, consultazione dell'autorità cantonale -, esse sono principalmente d'ordine formale e non sono sufficientemente precise per costituire una garanzia in materia di protezione contro il rumore: il riferimento a un "interesse generale" che giustifichi l'autorizzazione è vago, dato che una compagnia aerea è sempre in grado di prevalersi di un siffatto interesse quando esercisca una linea destinata al trasporto pubblico dei passeggeri.
Tale modo di trattare il problema dei voli notturni su di un aeroporto regionale non è soddisfacente. I principi della legge federale sulla protezione dell'ambiente concernenti la limitazione preventiva delle emissioni (
art. 11 cpv. 2 LPAmb
; cfr.
DTF 124 II 517
consid. 4) non consentono al Dipartimento federale di non esaminare l'introduzione di determinate restrizioni d'esercizio complementari
BGE 125 II 643 S. 693
o più precise, riferite a una fase dell'arco della giornata particolarmente sensibile e per la quale è generalmente ammesso (dal perito del Tribunale federale, dagli specialisti incaricati di elaborare testi legislativi e dallo stesso Dipartimento federale nel 1994 allorché ha approvato una modifica del regolamento d'esercizio dell'aerodromo litigioso) che s'impone una disciplina più specifica. La decisione impugnata è lacunosa e viola su questo punto il diritto federale. I ricorsi con cui è addotta l'insufficienza delle misure destinate a limitare le emissioni foniche (cfr. supra consid. 15 initio) devono essere accolti parzialmente per questo motivo.
Conformemente all'
art. 114 cpv. 2 OG
la causa va rinviata al Dipartimento federale perché avvii una procedura tendente a introdurre nella concessione o nel regolamento d'esercizio una nuova clausola concernente la limitazione del traffico o degli effetti dannosi o molesti durante la prima ora della notte (tra le ore 22.00 e le 23.00). Il progetto dev'essere reso pubblico o messo in consultazione (
art. 5 o
art. 11 cpv. 5 OSIA
) entro il termine di sei mesi successivo alla comunicazione della presente sentenza e dovrà essere adottato il più presto possibile. Allo stato attuale non si giustifica di prevedere una disciplina provvisoria sino a che la procedura sopra menzionata sia conclusa, dato che il presente numero di movimenti che hanno luogo durante la prima ora della notte è ancora relativamente limitato (due atterraggi quotidiani, secondo gli orari pubblicati dalle compagnie aeree svizzere).
dd) I movimenti tra le ore 06.00 e le 07.00 non sono considerati come voli notturni, ma sussiste manifestamente un interesse a proteggere in modo particolare i confinanti in questo periodo della giornata. Il precedente regolamento d'esercizio dell'aerodromo di Lugano-Agno limitava d'altronde il numero dei movimenti durante questo intervallo (un decollo quotidiano). Nessuna disciplina speciale è stata prevista al proposito nella concessione per l'esercizio litigiosa né nel regolamento d'esercizio a cui rinvia. Per gli stessi motivi esposti in precedenza deve ritenersi che il Dipartimento federale abbia violato l'
art. 11 cpv. 2 LPAmb
rinunciando a esaminare la possibilità d'imporre prescrizioni adeguate. La causa dev'essergli rinviata perché decida nuovamente a tale riguardo.
A priori non appare escluso che il traffico aereo possa essere soggetto durante la prima ora della notte (tra le ore 22.00 e le 23.00) a restrizioni diverse da quelle stabilite per la prima ora della giornata (tra le ore 06.00 e le 07.00), e che l'interesse dei confinanti possa essere considerato più importante all'inizio della notte che all'inizio
BGE 125 II 643 S. 694
del mattino. Non si giustifica tuttavia di esaminare ulteriormente tale questione nel presente giudizio.
c) Taluni ricorrenti chiedono un divieto di volo tra le ore 12.00 e le 13.00, limitandosi ad addurre che momenti di totale tranquillità sono apprezzati dai confinanti. Ciò costituirebbe nondimeno manifestamente un ostacolo eccessivo per l'esercizio di un aeroporto regionale caratterizzato da un traffico di linea considerevole, ripartito sull'insieme della giornata. La menzionata conclusione ricorsuale va pertanto respinta.
d) Gli stessi ricorrenti chiedono che vengano annullate le clausole della concessione e del regolamento d'esercizio che consentono deroghe agli orari. Tali disposizioni possono tuttavia dar luogo soltanto a deroghe puntuali, fondate su ragioni importanti. È inoltre previsto che i loro motivi siano menzionati nel registro delle autorizzazioni, ciò che permette all'autorità di vigilanza di controllare il carattere non discrezionale della prassi seguita dalla direzione dell'aeroporto. Clausole derogatorie o autorizzazioni eccezionali sono usuali in una regolamentazione di questo tipo e non compromettono manifestamente la coerenza del sistema. In questo stadio, il Tribunale federale non ha motivo per ritenere che le norme d'esercizio tendenti a limitare le emissioni foniche (cfr. art. 12 cpv. 1 lett. c LPAmb) non saranno applicate in modo adeguato. Le censure ricorsuali sono su questo punto infondate. | public_law | nan | it | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
631b3592-d6f4-4f6a-a39e-338993d3d5b5 | Urteilskopf
102 V 13
5. Arrêt du 25 février 1976 dans la cause Caisse-maladie Intras contre Balsiger et Cour de justice civile du canton de Genève | Regeste
Art. 30 KUVG
.
Wiedererwägung einer nicht formellen Verfügung, die der Versicherte nicht mehr anfechten kann, weil eine angemessene Überprüfungs- und Überlegungsfrist abgelaufen ist. | Sachverhalt
ab Seite 13
BGE 102 V 13 S. 13
A.-
X. Balsiger, né en 1932, a rempli le 1er septembre 1971 une demande d'entrée dans l'assurance collective de la Caisse-maladie Intras. Sur la base des renseignements fournis par le candidat ainsi que des résultats d'un examen médical auquel le Dr N. avait procédé le 13 décembre 1971, ladite caisse a admis le prénommé avec des réserves pour endocardite et goutte
BGE 102 V 13 S. 14
valables du 1er septembre 1971, date du début de l'affiliation, au 31 août 1976. L'assuré a retourné signé à l'administration un document, établi le 21 décembre 1971, l'informant de cette décision, qu'il n'a pas contestée à l'époque.
Au début de 1974, l'assuré, puis Me C., qu'il avait consulté, ont demandé la suppression de la réserve pour l'affection cardiaque, "injustifiée dès le début, car aucune endocardite n'avait été diagnostiquée avant le 1er septembre 1971 ni n'existait antérieurement à cette date". Après avoir pris connaissance du résultat d'un nouvel examen chez le Dr N., la caisse a annulé les deux réserves susmentionnées avec effet dès le 1er juillet 1974.
Le mandataire de l'assuré a alors demandé la suppression rétroactive desdites restrictions ainsi que le versement des prestations statutaires à raison d'un traitement, notamment d'une hospitalisation, pour endocardite en novembre/décembre 1971. Il affirmait que son client n'avait jamais été soigné pour cette affection avant le 5 novembre 1971, date de l'entrée à l'hôpital, et que, l'affiliation ayant débuté le 1er septembre 1971, la réserve pour endocardite n'était pas admissible.
Le 14 décembre 1974, le Dr N. a certifié que l'assuré avait été hospitalisé en juillet 1971 pour une méningite virale, puis en novembre 1971, pour une endocardite lente. Dans le rapport d'examen médical d'admission établi le 13 décembre 1971 à l'intention de la caisse, ce médecin avait toutefois mentionné que le premier séjour hospitalier avait aussi été rendu nécessaire par l'affection cardiaque.
Le 15 avril 1975, la Caisse-maladie Intras a rendu une décision formelle maintenant les réserves pour la période du 1er septembre 1971 au 30 juin 1974. Elle se fondait sur les renseignements fournis en 1971 par le praticien précité, sur l'opinion de son médecin-conseil suivant laquelle l'endocardite "pourrait bien être une suite" de la méningite virale et enfin sur le fait que l'intéressé n'avait pas signalé la maladie et l'hospitalisation de juillet 1971 dans le questionnaire d'admission.
B.-
L'assuré a recouru contre cette décision par l'entremise de Me C. Contestant - avec à l'appui une lettre du 7 mars 1975 du Dr N. - qu'il puisse y avoir une relation entre la méningite virale traitée selon lui en juillet 1971 et l'endocardite de novembre 1971, il a demandé implicitement l'annulation
BGE 102 V 13 S. 15
de l'acte administratif attaqué et conclu au versement de la somme de 2'007 fr. 30 représentant les frais consécutifs aux soins fournis en novembre 1971.
Par jugement du 23 mai 1975, la Cour de justice civile de Genève a admis le recours, dans ce sens qu'elle a condamné la caisse à verser ses prestations statutaires pour le traitement litigieux. Les premiers juges ont retenu en bref que l'assuré n'avait jamais souffert d'endocardite avant le 1er septembre 1971, que la réserve formulée en son temps pour ce genre d'affection n'était pas justifiée et qu'on ne pouvait considérer que la maladie non déclarée de juillet 1971 fût à l'origine de celle soignée en novembre/décembre 1971.
C.-
La Caisse-maladie Intras interjette recours de droit administratif. Elle conclut au rétablissement de sa décision, en invoquant le caractère tardif de la contestation portant sur le bien-fondé de la réserve formulée en décembre 1971.
Représenté par Me C., l'assuré conclut au rejet du recours.
Dans son préavis, l'Office fédéral des assurances sociales conclut principalement à l'admission du recours et au rétablissement de la décision litigieuse, subsidiairement à une instruction complémentaire portant sur la cause de l'hospitalisation de juillet 1971.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Il n'y a pas, pour la caisse-maladie, obligation légale de régler, dans chaque cas, ses rapports juridiques avec ses membres en édictant des décisions formelles. Selon l'art. 30 al. 1 LAMA, l'administration ne doit rendre une semblable décision, indiquant notamment les voies de droit et susceptible de passer en force de chose jugée à défaut de recours (art. 30 al. 4 LAMA), que lorsque l'intéressé exige un tel acte ou qu'il ressort de son attitude qu'il n'accepte pas la manière dont la caisse entend régler une affaire le concernant. L'art. 90 des statuts de la Caisse-maladie Intras donne à cet égard aux assurés toutes indications utiles.
b) En l'espèce, X. Balsiger n'a pas contesté les réserves formulées en décembre 1971. Au contraire, il a retourné, dûment signée, une formule l'informant de ces restrictions d'assurance et de leur libellé. La caisse recourante n'avait dès lors aucun motif d'émettre un acte administratif satisfaisant aux exigences de l'art. 30 al. 1 LAMA.
BGE 102 V 13 S. 16
2.
a) La loi ne précise pas dans quel laps de temps le candidat ou l'assuré doit déclarer son désaccord avec le mode de règlement choisi par la caisse et faire valoir son droit à une décision formelle, attaquable dans les 30 jours dès sa notification devant le tribunal des assurances. Le Tribunal fédéral des assurances a déjà eu l'occasion d'examiner cette question. Il a déclaré qu'on contreviendrait aux principes de l'équité et de la sécurité du droit si l'on considérait comme sans importance, du point de vue juridique, une renonciation - expresse ou tacite - à des prestations. Savoir si l'on est en présence d'une telle renonciation doit être examiné de cas en cas; on peut toutefois attendre de l'assuré qui n'admet pas une certaine solution, et entend voir statuer sur ses droits dans un acte administratif susceptible de recours, qu'il fasse connaître son point de vue dans un délai d'examen et de réflexion convenable (RJAM 1973, No 183, p. 186). Il ne saurait en aller autrement lorsque est en cause l'introduction d'une réserve d'assurance (cf. RO 96 V 13, consid. 4a, s'agissant d'un cas d'exclusion).
b) En l'occurrence, l'assuré a expressément admis les réserves formulées par la caisse, entre autres pour endocardite, à un moment où il savait que des frais occasionnés par cette affection resteraient à sa charge, du fait de la restriction d'assurance. Il est donc permis de penser qu'il tenait alors la mesure de l'administration pour justifiée. On notera à cet égard que la communication de la caisse du 21 décembre 1971 indiquait clairement que la durée de validité des réserves commençait à courir le 1er septembre 1971. L'intéressé ne saurait ainsi se prévaloir d'une erreur quant au début de l'affiliation. Force est par conséquent de constater que l'intimé avait bel et bien accepté en toute connaissance de cause que son assurance ne couvrit pas les affections que sont la goutte et l'endocardite.
Voudrait-on du reste admettre que l'assuré pouvait valablement revenir sur l'acceptation donnée dans les circonstances décrites plus haut, il faudrait alors reconnaître que la période qui s'est écoulée entre la notification des réserves, en décembre 1971, et la première remise en cause de ces dernières, en janvier 1974, excéderait un temps d'examen et de réflexion convenable, au sens de la jurisprudence. L'intimé aurait donc été à tard pour demander une décision formelle. Il ne faut pas
BGE 102 V 13 S. 17
perdre de vue à cet égard que l'écoulement du temps rend souvent aléatoires d'éventuelles mesures d'instruction.
3.
a) Selon la jurisprudence constante, en matière d'assurance sociale, même en l'absence de normes légales sur la révision de ses décisions, l'administration doit revenir sur celles qui se révèlent erronées à la suite de la découverte de faits nouveaux ou de preuves nouvelles. A défaut de faits ou preuves nouveaux, l'administration peut revenir sur un acte formel qui n'a pas été attaqué en justice lorsque celui-ci est sans nul doute erroné et que sa correction revêt une importance appréciable (RO 100 V 20 consid. 4b, 99 V 103, 98 V 100 consid. 5 et les arrêts cités; pour l'assurance-maladie voir p.ex. RJAM 1973, No 183, p. 186). La reconsidération de telles décisions passées en force ne saurait cependant intervenir que dans les cas où il s'agit de corriger les erreurs grossières de l'administration, sous peine de porter atteinte de manière injustifiée à la sécurité du droit. Au demeurant, en l'état actuel de la jurisprudence, le juge ne peut pas imposer cette mesure.
Il y a lieu d'appliquer par analogie ces principes lorsqu'on se trouve en présence d'une décision non formelle d'une caisse-maladie qui ne peut plus être remise en cause en application de ce qui a été dit au considérant 2 ci-dessus (cf. RJAM 1973 No 183 p. 186).
b) Dans le cas particulier, on ne saurait admettre l'existence d'un fait ou d'un moyen de preuve nouveaux: le fait invoqué ultérieurement par l'assuré était connu de ce dernier - ou à tout le moins aurait-il dû l'être - en 1971 et l'intéressé aurait pu avancer à cette époque déjà le moyen de preuve invoqué en 1974. D'autre part, on ne peut pas dire que l'introduction de réserves pour endocardite et goutte était sans nul doute erronée. La caisse se fondait en effet sur des indications non équivoques du praticien qui avait procédé à l'examen médical d'admission en décembre 1971. Certes, trois ans plus tard, le même médecin a-t-il fourni des renseignements différents. Mais, même s'il n'est pas exclu que l'intimé ait souffert de méningite virale en juillet 1971, cela ne saurait suffire à établir l'inexactitude manifeste de la décision prise en décembre 1971, l'intéressé ayant alors accepté la réserve pour endocardite, et cela en toute connaissance de cause, comme il a été dit plus haut.
BGE 102 V 13 S. 18
Dans ces conditions, une reconsidération n'entrerait pas en ligne de compte non plus...
4.
Le litige concerne l'octroi ou le refus de prestations d'assurance, puisque du maintien de la réserve en cause résulte le rejet des conclusions tendantes au remboursement des frais encourus à l'occasion du traitement de l'endocardite en novembre/décembre 1971. La procédure est donc gratuite (art. 134 OJ).
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours est admis, le jugement cantonal étant annulé. | null | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
632e5338-bca0-4ab6-b6bf-03cc3bcc91d6 | Urteilskopf
87 I 374
62. Auszug aus dem Urteil vom 22. November 1961 i.S. G. gegen Einwohnergemeinde Sachseln, Kanton Obwalden und Steuerrekurskommission des Kantons Obwalden. | Regeste
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
.
Inhalt der Beschwerdeschrift.
Beruht der angefochtene Entscheid auf mehreren von einander unabhängigen Begründungen, so muss sich die Beschwerdeschrift mit jeder von ihnen auseinandersetzen und dartun, dass der Entscheid unter Zugrundelegung einer jeden verfassungswidrig ist. | Erwägungen
ab Seite 375
BGE 87 I 374 S. 375
Aus den Erwägungen:
Nach
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
ist in der Beschwerdeschrift auszuführen, dass und inwiefern der angefochtene Entscheid verfassungswidrig sei. Beruht ein Urteil, wie dasjenige der Steuerrekurskommission, auf zwei selbständigen Begründungen, so verstösst es nur dann gegen
Art. 4 BV
, wenn beide Begründungen willkürlich sind; erweist sich hingegen selbst nur eine der Begründungen als frei von Willkür, so ist es auch der Entscheid als solcher. Um im Sinne des
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
die Verfassungswidrigkeit des Entscheids aufzuzeigen, muss die Beschwerdeschrift demzufolge die Willkürlichkeit beider Begründungen dartun (ASA 28 S. 175 mit Verweisungen; nicht veröffentlichtes Urteil vom 5. Oktober 1960 i.S. Imboden, Erw. 2 c; BIRCHMEIER, Handbuch, S. 391 oben).
Die vorliegende Beschwerdeschrift wird diesem Erfordernis nicht gerecht. Der Beschwerdeführer setzt sich wohl mit der ersten, nicht jedoch mit der zweiten von der Steuerrekurskommission gegebenen Begründung auseinander. Mangels einer den Anforderungen des
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
genügenden Begründung ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6335ad11-e228-4a4a-937f-5ec83eaf1380 | Urteilskopf
93 II 461
59. Arrêt de la Ire Cour civile du 5 décembre 1967 dans la cause Masse en faillite de Fonds Immobiliers SA contre Ferszt et Banque Romande SA | Regeste
1. Vom Verwaltungsreglement eines Anlagefonds abweichende Sondervereinbarung, wonach der Zeichner eines innerhalb einer Tranche selbständigen Fonds das ausschliessliche Verfügungsrecht über eine Wohnung erwirbt, die Eigentum einer Immobiliengesellschaft ist, deren Aktien dem Anlagefonds fiduziarisch übertragen worden waren (Erw. 2-4).
2. Vertrag über die Abtretung von Namenaktien, die sich für Rechnung des Abtretenden bei einem Dritten befinden; Übertragung des Eigentums an diesen Titeln auf den Zessionar durch Besitzanweisung (
Art. 967 OR
, 714 und 924 Abs. 1 ZGB. Erw. 5).
3. Nichtigkeit des Vertrags wegen Doppelvertretung? Umschreibung der Vollmacht des Vertreters durch stillschweigende Willensbekundung des Vertretenen (
Art. 1, 32 ff. OR
. Erw. 6).
4. Kann die Konkursmasse, falls in dritter Hand befindliche Namenaktien durch einen vor der Konkurseröffnung über den Zedenten abgeschlossenen Vertrag abgetreten worden sind, die Aushändigungder Titel an den Zessionar gestützt auf
Art. 211 SchKG
verweigern? (Erw. 9).
5. Ist die in
Art. 292 SchKG
für die Anfechtungsklage vorgesehene Frist eine Verjährungs- oder eine Verwirkungsfrist? Steht diese Frist infolge der Konkurseröffnung auf Grund analoger Anwendung von
Art. 207 Abs. 3 SchKG
still? Fragen offen gelassen (Erw. 10).
6. Wegen offenbaren Rechtsmissbrauchs im Sinne von
Art. 2 ZGB
abzuweisen ist die von der Konkursmasse gegen den Hauptgläubiger des Gemeinschuldners auf Veranlassung eben dieses Gläubigers erhobene Anfechtungsklage, die auf die Nichtigerklärung einer vor dem Konkurs vorgenommenen Zession abzielt, durch welche der beklagte Gläubiger Namenaktien hatte auf sich übertragen lassen, die er gemäss rechtskräftigem, im Streit zwischen ihm und einem Dritten ergangenen Schiedsgerichtsurteil diesem Dritten aushinzugeben hätte (Erw.11). | Sachverhalt
ab Seite 463
BGE 93 II 461 S. 463
A.-
1. Fonds immobiliers SA (en abrégé: FISA), dont le siège est à Genève, a été inscrite au registre du commerce le 24 juin 1955. La société avait notamment pour objet la création de communautés d'intérêts et la gérance des fonds et des biens appartenant à ces communautés en copropriété, ainsi que l'émission, la vente et l'achat de certificats représentatifs d'une part de copropriété sur des fonds et des biens qu'elle gérait pour le compte de ces communautés. Le conseil d'administration était formé d'Alexandre Zelig, président, Laurent Comtesse, Louis Servien, René Lenoir et Arthur Lozeron, qui engageaient la société par leur signature collective à deux.
Le règlement de gestion de FISA, dans sa teneur modifiée du 15 janvier 1957, contenait notamment les dispositions suivantes:
"1. Dispositions générales 1. Fonds Immobiliers SA a pour objet de créer et de gérer des fonds d'investissement en valeurs immobilières en Suisse et à l'étranger. Un fonds indépendant est organisé pour chaque pays déterminé et des certificats immobiliers sont émis, par tranches, aux conditions fixées dans les prospectus d'émission. Ces certificats sont au porteur; ils confèrent à leur détenteur les droits stipulés à l'art. 12 de ce Règlement.
Les fonds créés pour un pays déterminé peuvent être divisés en différentes séries concernant un ou plusieurs objets immobiliers. Dans ce cas, chaque série constitue un fonds spécial, indépendant des autres et les porteurs de certificats d'une même série forment entre eux une communauté indépendante et absolument distincte des autres tranches ou séries émises ou à émettre.
Si les titres représentatifs d'une communauté déterminée bénéficient de droits ou sont grevés des charges en dérogation aux principes énoncés dans le Règlement de gestion de la Société, il sera stipulé sur les titres eux-mêmes que ceux-ci sont régis par des règles particulières, faisant l'objet d'une convention spéciale entre cette communauté et la Société de Gestion.
Si une tranche est divisée en plusieurs séries, les titres représentatifs de chacune d'elles porteront en évidence la mention de cette série.
2. Fonds Immobiliers SA est chargée, en tant que Société de Gestion, de l'administration et la gestion des fonds créés.
3. Les conditions d'émission sont fixées par la Société de Gestion (appelée ci-après: l'Administration), d'entente avec l'Investment Trustee.
4. L'Administration désigne une banque Deposit Trustee pour chaque pays. La Banque Romande, à Genève, fonctionne en qualité d'Investment Trustee. Ces banques assument les obligations prises
BGE 93 II 461 S. 464
dans le présent Règlement (chap. V). Elles ne peuvent, en aucun cas, être tenues à des engagements plus étendus.
5. Les porteurs de certificats immobiliers forment entre eux, dans le cadre de chaque tranche ou série, une communauté séparée et indépendante au sens des articles 646 et suivants du Code Civil Suisse.
6. Les capitaux appartenant aux communautés sont placés selon les directives du présent Règlement.
7. Les papiers-valeurs et tous autres documents représentant les biens des communautés sont déposés chez le ou les Deposit Trustees.
8. L'Investment Trustee est le représentant des porteurs de certificats immobiliers et ceux-ci lui donnent tous pouvoirs, afin d'agir au mieux de leurs intérêts, dans le cadre du présent Règlement.
9. Les porteurs de certificats immobiliers acceptent ce Règlement et toutes les modifications ultérieures ratifiées par leur représentant.
10. Les rapports de droit, créés par ce Règlement, sont limités à 25 ans. La validité du présent Règlement peut être prorogée, après entente entre les signataires.
II. Certificats immobiliers
11. Les certificats immobiliers sont des papiers-valeurs au sens des Art. 965 et suivants du Code fédéral des Obligations.
12. Ils confèrent aux porteurs les droits suivants:
a) part de copropriété sur l'ensemble des actifs nets des communautés;
b) part sur les bénéfices nets distribuables des communautés;
c) part de la fortune nette, lors de sa répartition, en cas de liquidation.
13. Les certificats immobiliers sont au porteur et entièrement libérés .....
14. Les porteurs de certificats ne peuvent exiger ni une suppression de la copropriété, ni une répartition des biens des communautés.
15. Les certificats immobiliers sont négociables immédiatement et en tout temps et l'Investment Trustee organise un marché, afin de faciliter les achats et ventes.
...
III. Placement et gestion des fonds
17. Les porteurs de certificats confient à l'Administration l'achat, la vente, la gestion et la représentation des fonds et des biens en copropriété.
...
V. Les Trustees
26. L'Investment Trustee est le représentant des porteurs de certificats à l'égard de l'Administration. A ce titre, il veille à ce que le présent Règlement soit respecté.
Il reçoit en dépôt les fonds momentanément inutilisés.
Il se charge de la vente et du rachat des certificats immobiliers, ainsi que du paiement des coupons annuels, pour le compte de l'Administration.
BGE 93 II 461 S. 465
Il procède, en cas d'impossibilité par la Société de Gestion, à la liquidation des communautés.
27. Le Deposit Trustee reçoit, en dépôt, les papiers-valeurs et tous autres documents représentant les biens des communautés."
Avant que le règlement de gestion n'ait reçu cette nouvelle teneur, le conseil d'administration de FISA avait déjà admis des dérogations à l'ancien règlement. Par exemple, lors de sa séance du 4 octobre 1956, on avait parlé d'une "tranche spéciale", appelée "tranche française B", "dont les investissements serviraient uniquement à couvrir cette opération". Par la suite, FISA a créé trois séries pour la tranche française. Deux d'entre elles, la "série La Fontaine" et la "série Foch" avaient été réservées chacune à un seul souscripteur de certificats du fonds. Une comptabilité séparée était tenue pour la "série Foch".
2. Moizest Ferszt, industriel à Londres, était entré en relations avec Zelig en automne 1956. Le 15 novembre 1956, il a fait virer une somme de 5000 dollars au compte personnel de Zelig à l'Union de banques suisses, à Zurich. Le 24 avril 1957, FISA a écrit à Ferszt - sous la seule signature de Zelig - une lettre dans laquelle elle accusait réception de la somme de 5000 dollars, invitait le destinataire à verser encore 25 000 dollars et lui confirmait "the purchase for our (sans doute faut-il lire "your") account of the apartment on 69/75 avenue Foch". Ferszt a effectivement fait virer le 23 mai 1957 un montant de 25 000 dollars en faveur de FISA. Le 27 mai 1957, FISA a adressé à Ferszt, également sous la seule signature de Zelig, la lettre de confirmation suivante:
"We herewith confirm your subscription of 'Certificats Immobiliers' for an apartment of Avenue Foch building for a total amount of Swiss francs 256'152.-- c.o. at July Ist 1956.
Since your subscription represents a 100 % of these certificates issued for this specific apartment, you are accordingly a complete owner of the property unless you sell or transfer these certificates to others.
You will be informed of the corresponding numbers of certificates which will be placed with Banque Romande in Geneva at your disposition.
You will also receive a letter from Banque Romande confirming this transaction".
Ferszt a répondu le 28 mai 1957 qu'il avait donné pour instructions à l'Union de banques suisses, le jour même, de
BGE 93 II 461 S. 466
verser à FISA 29 778,75 dollars, afin de parfaire le prix de l'appartement. Il ajoutait:
"Please do the necessary to place at my disposal with Banque Romande-Geneva, the certificates referring to the apartment, asking Banque Romande to confirm".
Le virement à la Banque Romande a été effectué le 1er juin 1957.
Les fonds versés par Ferszt à FISA ont servi à l'achat de 327 actions de la Société foncière immobilière Dauphine, dont le siège était à Paris. En effet, FISA a fait virer au crédit de la Société d'études et de financement immobiliers, à Paris (SEFI), le 7 juin 1957, la somme de 18 000 000 de francs français qui représentait la contre-valeur de son versement de 223 950 francs suisses effectué sur l'ordre de la Banque Romande par le Crédit Suisse à MM. Worms et Cie, à Paris. Le 17 juin 1957, la Société foncière immobilière Dauphine a établi un certificat d'actions nominatives, attestant que FISA était inscrite sur les registres de la société comme propriétaire de 327 actions entièrement libérées. Le 13 juillet 1957, elle a remis ce document à un sieur Morton attaché à la SEFI. Les 327 actions donnaient droit à un appartement et aux locaux annexes dans un immeuble sis aux nos 65, 67 et 69 de l'avenue Foch, à Paris.
Par lettre du 1er juillet 1957, la Banque Romande a fait savoir à Ferszt qu'elle lui avait ouvert un nouveau dossier où elle avait placé "Fr. 256 000.-- certificats Fonds Immobiliers SA Genève 'Tranche française'" et qu'elle lui remettait cijoint le certificat de dépôt y relatif. Daté du 29 juin 1957, le certificat de dépôt a la teneur suivante: "256 certificats 'FISA, Tranche française', Au porteur, de Fr. s. 1000.-- nom. chacun, portant la mention: 'SERIE FOCH', non cessible sans accord formel de 'FISA', nos 1361 à 1616".
Le 18 septembre 1957, la Banque Romande a accusé réception du paiement de 54 778,75 dollars effectué par Ferszt le 1er juin 1957 (soit le total des versements du 23 mai, 25 000 dollars, et du 1er juin, 29 778,75 dollars) en ajoutant: "... and we specify that this transfer was for the payment of your subscription of sw. Fr. 256 000.-- of Fonds Immobiliers SA 'Tranche Française'". Le même jour, la Banque Romande a écrit à Ferszt: "We refer to your subscription of 256 shares Fonds Immobiliers SA 'Tranche Française'and we specify that this subscription give you the entire disposal of your apartment in the Avenue Foch".
BGE 93 II 461 S. 467
Le 2 octobre 1957, FISA a écrit à Ferszt une lettre signée par Comtesse et qui a la teneur suivante:
"This letter is to confirm the agreement between us. You have paid to us US $ 59'778.75 (equivalent to Sw. Fr. 256'000) for which we have issued to you 256 shares, each share value Sw. Fr. 1'000 exactly, in Fonds Immobiliers SA Genève,Tranche Française'.
The certificates of these shares number 1361-1616 inclusive, have been deposited to your account and in your name at Banque Romande, Genève, Switzerland and ownership of these confirms your complete and absolute ownership of Apartment No 159, at No 69/75 Avenue Foch, Paris, France.
We confirm that you have complete, absolute and unencumbered right to sell, lease, transfer or make any disposition whatsoever that you think fit of this Apartment and of these shares and we will carry out your instructions in regard to any of these matters. All monies received or realised in respect of this Aparment whether by sale or letting, whether capital or rent or income or of whatsoever nature shall belong to you and we undertake to transfer all such monies to Switzerland to be held to your account and absolute disposition.
We also confirm that the Apartment is still in the name of Fonds Immobiliers SA, and that until it is transferred on your instructions to any other name, we hold it as trustee for you".
L'appartement de l'avenue Foch a été mis à la disposition de Ferszt. Celui-ci y a fait exécuter divers travaux à ses frais. Il détenait les clés et jouissait librement de l'appartement, mais ne semble pas y avoir habité lui-même.
Dans sa séance du 4 janvier 1958, le conseil d'administration de FISA a été informé que "M. Ferszt a reçu des certificats 'Tranche Française' tandis que les actions de l'appartement Foch sont actuellement à SEFI qui doit les déposer chez MM. Worms".
3. Au printemps 1958, des difficultés ont surgi entre les administrateurs de FISA. En avril, Comtesse a donné sa démission. Ses pouvoirs ont été radiés au registre du commerce le 21 avril 1958. En juin, il a été arrêté, ainsi que Zelig.
Le 24 juin 1958, Servien, Lozeron et Lenoir ont tenu une séance du conseil d'administration. Ils ont constaté que la situation de FISA était catastrophique et que son capitalactions paraissait entièrement absorbé. Le conseil d'administration a décidé que FISA renonçait à son mandat de société de gestion des Tranches canadienne et française. Il a désigné Jean-Pierre François comme mandataire et lui a conféré "tous
BGE 93 II 461 S. 468
pouvoirs" à l'effet de "valablement intervenir et agir" au nom de FISA. Jean-Pierre François venait d'être "investi de pouvoirs très étendus de la part du conseil d'administration de la Banque Romande": il était le mandataire du conseil d'administration de cette banque avec signature individuelle.
Le même jour, la Banque Romande, agissant en qualité de représentant des porteurs de la Tranche canadienne et de la Tranche française, a informé FISA qu'elle révoquait avec effet immédiat son "mandat de gestion" desdites tranches et qu'elle l'invitait à lui remettre sans retard les titres des sociétés immobilières Oberland, Seawright, Le Parc, Allée des Chênes, Vallée de l'Orge et Leuville que FISA détenait fiduciairement. Le 28 juin 1958, les administrateurs Servien et Lozeron ont écrit au nom de FISA à la Banque Romande:
"Nous apprenons que Monsieur Ferszt vous réclame un montant de 25 000 dollars inscrit au crédit de son compte.
Nous croyons utile d'attirer votre attention sur les relations étroites et peut-être suspectes que ce client entretient depuis longtemps avec Zelig et consorts et estimons qu'il serait indispensable de procéder à une vérification détaillée de ces comptes avant de vous dessaisir de cet argent.
Nous avons d'ailleurs de fortes raisons de croire que M. Ferszt nous doit une somme importante pour un appartement Avenue Foch qui lui a été cédé dans des conditions probablement irrégulières, sans que notre société ait reçu les fonds correspondants, soit entre Fr. s. 200 000 et 300 000.--.
A toutes fins utiles, nous vous faisons par la présente en tant que notre principal, sinon unique, créancier, cession de nos créances vis-à-vis du sieur Ferszt".
Le 30 juin 1958, les mêmes administrateurs ont écrit au nom de FISA à la Banque Romande qu'ils lui cédaient à l'encaissement une créance de leur société contre Ferszt pour un montant de 300 000 fr. approximativement, cette somme reprérentant le prix de vente de leur appartement sis avenue Foch, dont Ferszt se prétendait propriétaire.
Le 1er juillet 1958, François a écrit au nom de FISA à la Banque Romande:
"En ma qualité de fondé de pouvoir conférée par le Conseil d'administration dans sa séance du 24 juin 1958, agissant au nom et pour le compte de la société Fonds Immobiliers SA, je vous cède et transfère avec effet immédiat tous droits, titres, créances et autres assimilables que la société Fonds Immobiliers SA détient ou pourrait revendiquer dans:
BGE 93 II 461 S. 469
a) le fonds de placement Série La Fontaine, Parc des Sceaux, ou dans l'une des sociétés civiles propriétaires ou ayants droit des immeubles et autres actifs situés à l'endroit précité;
b) le fonds de placement Série Foch (pour autant qu'il existe juridiquement) et plus particulièrement dans la société civile immobilière Dauphine, propriétaire de l'immeuble 63 avenue Foch, à Paris;
c) tous autres droits, titres et créances existant à l'encontre de toutes personnes impliquées dans les affaires ci-dessus mentionnées.
La présente cession est définitive et irrévocable et son produit éventuel sera ultérieurement imputé à due concurrence sur les créances que votre Banque détient à l'encontre de la société Fonds Immobiliers SA Il vous appartiendra de juger en temps et lieu du droit de propriété de Fonds Immobiliers SA dans les divers immeubles, titres et créances ci-dessus indiqués, notamment en ce qui concerne les éventuelles interventions fiduciaires pour le compte de fonds de placement suisses.
En tant que besoin, veuillez signer pour accord l'un des exemplaires de la présente lettre faite en double valant un seul original".
Au pied de cette lettre figure la mention souscrite par François: "Bon pour accord Banque Romande J.P.F.".
4. Par jugement du 7 juillet 1958, le Tribunal de première instance de Genève a ajourné la déclaration de faillite de FISA et désigné comme curateur Léon Tchéraz, à Genève, conformément à l'art. 725 al. 4 CO. Les pouvoirs des administrateurs Zelig, Servien, Lenoir et Lozeron ont été radiés au registre du commerce le 24 juillet 1958.
Tchéraz a réclamé le certificat d'actions de la Société foncière immobilière Dauphine et l'a reçu par l'entremise de Me Schlaepfer, qui le tenait de Me Cremer, conseiller juridique de Ferszt. Tchéraz a remis le certificat au Président de la Sixième Chambre du Tribunal de première instance de Genève.
5. Le 8 octobre 1958, FISA a été déclarée en faillite.
L'Office des faillites de Genève a tout d'abord admis que le certificat d'actions de la Société foncière immobilière Dauphine, respectivement l'appartement de l'avenue Foch, n'appartenait pas à FISA, mais au porteur des certificats du fonds et ne devait donc pas être compris dans l'inventaire des biens de la société faillie.
Le 4 mars 1959, Me Dupont-Willemin, agissant en qualité de mandataire de la Banque Romande, a écrit au préposé à l'office des faillites que tout le monde était d'accord que les actifs des Tranches canadienne et française appartenaient aux
BGE 93 II 461 S. 470
porteurs des certificats et ne devaient donc pas être inventoriés dans la faillite de FISA.
Par une lettre que son conseil Me Schlaepfer a adressée à la Banque Romande le 17 mars 1959, Ferszt a déclaré qu'il révoquait avec effet immédiat les pouvoirs qu'il avait conférés à cet établissement bancaire en souscrivant les 256 certificats de la Tranche française, Série Foch. Le même jour, il a demandé au Président de la Sixième Chambre du Tribunal de première instance de Genève de lui remettre le certificat d'actions de la Société foncière immobilière Dauphine et, si la BanqueRomande ou l'administration de la faillite de FISA s'y opposaient, de le conserver ou d'en ordonner la consignation.
Le 19 mars 1959, le Tribunal de première instance de Genève a ordonné la liquidation sommaire de la faillite.
B.-
Le 24 avril 1959, Ferszt a produit dans la faillite de FISA les créances suivantes, qui devaient être colloquées en cinquième classe:
a) 24 370 fr. représentant la différence entre son versement de 256 000 fr. d'une part, et la somme du montant de 223 950 fr. employé par FISA pour acquérir les actions de la Société foncière immobilière Dauphine et de la commission de FISA, qui s'élevait à 3% ou 7680 fr., d'autre part;
b) 121 036 fr. 50 à titre de dommages-intérêts pour une compensation illicite que FISA aurait effectuée de concert avec la Banque Romande;
c) 300 000 fr. à titre de dommages-intérêts pour inexécution du contrat ou actes illicites pour le cas où la revendication de Ferszt comme seul porteur de la Série Foch sur les actions de la Société foncière immobilière Dauphine ne serait pas reconnue, ainsi que 20 000 fr. à titre de frais d'avocat et de procès;
d) 12 000 fr. à titre de dommages-intérêts moratoires pour inexécution du contrat et actes illicites de la Banque Romande, frais d'hôtel et débours.
Le 19 juin 1959, l'Office des faillites de Genève a informé le mandataire de Ferszt que les productions de son client étaient écartées en totalité.
Par exploit déposé en conciliation le 30 juin 1959, Ferszt a introduit une action en contestation de l'état de collocation tendant à faire admettre ses productions.
C.-
Le 19 juillet 1960, la Banque Romande a signifié à la Société foncière immobilière Dauphine que FISA lui avait cédé
BGE 93 II 461 S. 471
les 327 actions de cette société dont elle affirmait être propriétaire.
Le 7 octobre 1960, la Société foncière immobilière Dauphine a établi un nouveau certificat d'actions nominatives portant sur 327 titres entièrement libérés. A cette occasion, la Banque Romande s'était engagée à payer le solde du coût de l'appartement de l'avenue Foch. Elle a versé effectivement à ce titre une somme de 31 096,25 francs français.
En février/mars 1962, la Société foncière immobilière Dauphine a été liquidée par acte amiable et la Banque Romande s'est fait attribuer la propriété de l'appartement sis avenue Foch.
Le 22 août 1962, Ferszt a intenté à la Banque Romande devant le Tribunal de grande instance de la Seine une action tendant au transfert de la propriété de l'appartement.
D.-
Le 1er août 1958, Ferszt avait poursuivi la Banque Romande en paiement de 107 279 fr. 85 et 1542 fr. 50 en restitution d'un dépôt de 25 006,95 dollars. Le 2 septembre, il avait obtenu la mainlevée provisoire de l'opposition formée par la poursuivie. Sur quoi la Banque Romande avait introduit une action en libération de dette. Elle avait joint une demande additionnelle tendant au paiement de 300 000 fr. et déclarait opposer cette créance en compensation à concurrence de 107 279 fr. 85 qu'elle reconnaissait devoir au poursuivant. Par jugement du 22 janvier 1962, le Tribunal de première instance de Genève avait rejeté l'action en libération de dette et imparti à la Banque Romande un délai d'un mois pour faire valoir sa prétention en paiement de 300 000 fr. devant un tribunal arbitral, conformément à l'art. 37 du règlement de gestion de FISA.
Le tribunal arbitral a rendu le 2 octobre 1964 une sentence constatant que la Banque Romande s'était fait inscrire sans droit comme propriétaire des 327 actions de la Société foncière immobilière Dauphine, ainsi que de l'appartement de l'avenue Foch. Il a condamné la Banque Romande à transférer à Ferszt la propriété dudit appartement. Il a déclaré caducs les certificats immobiliers Tranche française, Série Foch, émis par FISA sous les nos 1361 à 1616. Il a rejeté la prétention de la Banque Romande en paiement de 300 000 fr.
E.-
1. La Banque Romande a versé à Ferszt la somme de 142 804 fr. 10, mais elle n'a pas exécuté la sentence pour le surplus. Bien au contraire, en sa qualité de créancière principale de FISA, elle a demandé à l'office des faillites, le 9 décembre
BGE 93 II 461 S. 472
1964, d'inventorier à l'actif de la masse en faillite de FISA tous les droits concernant le certificat d'actions de la Société foncière immobilière Dauphine et l'appartement de l'avenue Foch.
L'office des faillites a donné suite à cette requête le 17 décembre 1964.
Le 24 décembre 1964, Ferszt a revendiqué les droits ainsi portés à l'inventaire.
L'office, n'ayant ni les éléments ni les moyens financiers nécessaires pour soutenir un procès, a admis le 28 décembre la revendication formée par Ferszt.
Il ressort de l'état de collocation dressé dans la faillite de FISA que les créances suivantes ont été admises:
No Créancier Montant de la
créance
Frais de la Masse
1 Banque Romande Fr. 8000.--
Créances garanties par gage
1 Banque Romande Fr. 3600.--
Deuxième classe
2 Banque Romande (créance acquise le 27 juil-
let 1960 par cession de la Caisse de compen-
sation des banques suisses) Fr. 1029.--
Cinquième classe
1 Banque Romande, 4 articles dont le total
s'élève à Fr. 1 497 718.10
3 Robert Achard, notaire Fr. 95.15
6 Pierre Dupont (créance acquise le 2 juillet 1959
par cession de Comptabilité Ruf SA) Fr. 145.--
11 Jean P. François (créance acquise le 14 décem-
bre 1960 par cession de Nicola Frizzi) Fr. 2 000.--
12 Imprimerie Glauser Fr. 8454.--
17 Georges Tillmann (créance acquise le 15 juin
1959 par cession de Ritschard et Cie SA) Fr. 197.80
18 SA pour contrôle bancaire et industriel Fr. 1630.60
22 Banque Romande, dommages-intérêts Fr. 5 140 645.90
Toutes les autres productions ont été écartées ou retirées. Les productions de Ferszt font l'objet du présent procès.
Quant à la personne des créanciers admis à l'état de collocation, les publications faites dans la Feuille officielle suisse du commerce (FOSC), qui peuvent être retenues comme faits de notoriété judiciaire, établissent les constatations suivantes:
BGE 93 II 461 S. 473
Pierre Dupont a été inscrit au registre du commerce le 17 février 1959 comme fondé de pouvoir de la Banque Romande (FOSC du 23 février 1959, p. 570) et il a conservé cette qualité jusqu'au 6 février 1962 (FOSC du 16 février 1962, p. 501). Lorsqu'il a acquis la créance de Comptabilité Ruf SA, le 2 juillet 1959, il était donc fondé de procuration de la Banque Romande. L'office des faillites a porté mention de la cession à l'état de collocation le 4 juillet 1959. Il avait adressé la veille, le 3 juillet, une circulaire offrant aux créanciers de FISA la cession au sens de l'art. 260 LP des créances en dommagesintérêts contre la Banque Romande et ses administrateurs, créances qui figuraient à l'inventaire depuis le 1er juillet 1959.
Jean-Pierre François est devenu membre du conseil d'administration de la Banque Romande, avec signature individuelle, le 10 octobre 1958 (FOSC du 15 octobre 1958, p. 2749) et il a été nommé délégué dudit conseil le 10 avril 1959; il continuait à signer individuellement (FOSC du 17 avril 1959, p. 1094).
Georges Tillmann a été nommé fondé de pouvoir de la Banque Romande le 24 février 1960 (FOSC du 2 mars 1960, p. 730), sous-directeur le 20 juillet 1961 (FOSC du 28 juillet 1961, p. 2214) et enfin directeur adjoint le 9 avril 1964 (FOSC du 17 avril 1964, p. 1206).
Le 15 janvier 1965, la Banque Romande a demandé que la faillite de FISA soit liquidée en la forme ordinaire, selon l'art. 231 al. 2 LP.
Réunie le 19 février 1965, l'assemblée des créanciers a décidé de contester la revendication de Ferszt. L'office avait convoqué neuf créanciers. Outre Ferszt, qui avait seulement voix consultative parce que sa créance était contestée, six créanciers étaient présents ou représentés. La décision rejetant la revendication de Ferszt a été prise par quatre voix (Tillmann, Imprimerie Glauser - représentée par Tillmann -, Banque Romande - représentée par un sieur Rossi - et François - représenté par Me de Cerjat -). Il y a eu deux abstentions (Me Achard et SA pour le contrôle bancaire et industriel, représentés tous deux par Me Dupont-Willemin).
L'assemblée a décidé à l'unanimité d'instituer une commission de surveillance, présidée par Me Alain Hirsch, représentant de la Banque Romande, et comprenant en outre Me Jacques Cottier, représentant de François, ainsi que Georges Tillmann. L'assemblée a conféré à la commission de surveillance les
BGE 93 II 461 S. 474
pouvoirs légaux prévus à l'art. 237 LP. Elle a autorisé l'office à plaider, sous le contrôle de la commission de surveillance. Le directeur de l'office, qui présidait l'assemblée, l'a informée que les frais du procès et les honoraires d'avocat de la masse, de même que les honoraires éventuels de l'avocat de la partie adverse, étaient garantis par la Banque Romande.
Il résulte des pièces du dossier que la Banque Romande a fourni des avances à l'office des faillites pour payer les honoraires de l'avocat de la masse.
2. Informé de la décision de l'assemblée des créanciers par un avis du 19 février 1965, Ferszt a déposé le 1er mars un exploit d'ouverture d'action en revendication contre la masse en faillite de FISA. Il a pris des conclusions tendant à faire constater son droit de propriété sur le certificat de 327 actions nominatives de la Société foncière immobilière Dauphine, l'appartement de l'avenue Foch et les locaux annexes.
Le Tribunal de première instance de Genève a décidé le 11 octobre 1965 de joindre le procès en revendication au procès en contestation de l'état de collocation que Ferszt avait introduit précédemment.
3. Le 12 avril 1965, la commission de surveillance de la masse en faillite de FISA a tenu sa première séance. Elle a notamment décidé d'intervenir dans le procès pendant à Paris entre Ferszt et la Banque Romande afin de revendiquer la propriété de l'appartement de l'avenue Foch en faveur de la masse. Me Hirsch, représentant dudit établissement bancaire, a donné régulièrement à l'office des faillites, ainsi qu'aux deux avocats de la masse à Genève (Me Dupont-Willemin) et à Paris (Me Dumas) des instructions sur la conduite des procès pendants. Le 17 novembre 1965, la commission de surveillance à même pris la décision suivante: "Pour des raisons de simplification et d'efficacité, la commission donne tous pouvoirs à Me A. Hirsch pour surveiller les procédures en cours et donner toutes instructions utiles, d'accord avec M. Mouchet, directeur de l'office des faillites".
Par lettre du 20 octobre 1965, le directeur de l'office des faillites a déclaré à la Banque Romande sa "résolution de ne pas maintenir l'acte du 1er juillet 1958" par lequel FISA avait cédé à cet établissement ses "droits dans la société civile immobilière Dauphine".
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4. La masse en faillite de FISA a conclu au rejet des prétentions de Ferszt tant en ce qui concerne l'action en contestation de l'état de collocation que l'action en revendication.
5. Statuant le 28 février 1966, le Tribunal de première instance de Genève a admis l'action en revendication en ce sens qu'il a ordonné la radiation de l'inventaire de la masse en faillite de FISA de tous les droits réels ou personnels et toutes les prétentions directes ou indirectes, de quelque nature et sous quelque forme que ce soit, sur l'appartement sis aux nos 65, 67 et 69 de l'avenue Foch, à Paris, et sur les actions de la Société foncière immobilière Dauphine.
Le tribunal a admis partiellement l'action en contestation de l'état de collocation en ce sens que les productions de Ferszt devaient être admises en cinquième classe pour 24 370 fr. et pour 10 000 fr. d'une part, et pour 300 000 fr. à la condition que ledit appartement ne lui soit pas attribué en pleine propriété et possession, d'autre part.
Il a débouté les parties de toutes autres conclusions.
6. La masse en faillite de FISA a formé un appel contre ce jugement.
Ferszt a formé un appel incident et conclu à l'admission intégrale de ses conclusions en modification de l'état de collocation.
F.-
Donnant suite à une proposition de Me Hirsch, acceptée par Tillmann et par Me Cottier, agissant comme représentant de François, la masse en faillite de FISA, par exploit du 24 août 1966, a introduit directement devant la Cour de justice du canton de Genève, avec l'accord de sa partie adverse et en vertu de l'art. 37 litt. a de la loi genevoise sur l'organisation judiciaire, une action contre la Banque Romande tendant à faire prononcer la nullité de la convention conclue le 1er juillet 1958 entre la Banque Romande et FISA.
La Banque Romande a déclaré qu'elle s'en rapportait à justice.
Le 1er novembre 1966, la Cour de justice a décidé de joindre le procès intenté par la masse en faillite de FISA à la Banque Romande à la procédure en appel de la cause opposant Ferszt à ladite masse.
G.-
Par arrêt du 7 mars 1967, la Deuxième Chambre de la Cour de justice du canton de Genève a débouté la masse en
BGE 93 II 461 S. 476
faillite de FISA et la Banque Romande de toutes leurs conclusions et confirmé le jugement du Tribunal de première instance du 28 février 1966, sauf en ce qui concerne la créance conditionnelle de 300 000 fr. admise en faveur de Ferszt, qu'elle a écartée d'office de l'état de collocation.
H.-
La masse en faillite de FISA recourt en réforme au Tribunal fédéral. Elle reprend ses conclusions libératoires.
La Banque Romande s'en remet à justice.
Ferszt conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Extait des considérants:
2.
Le litige porte essentiellement sur le point de savoir qui, de la masse en faillite de FISA ou de la Banque Romande, est propriétaire de l'appartement sis à Paris, avenue Foch, nos 65, 67 et 69. Selon le tribunal arbitral, l'appartement doit revenir à Ferszt, qui en a déjà la possession puisqu'il a disposé des clés; la Banque Romande doit lui en transférer la propriété, qu'elle a fait inscrire sans droit à son nom. La masse en faillite de FISA - à laquelle le prononcé des arbitres n'est pas opposable, attendu qu'elle n'était pas partie à la procédure arbitrale qui opposait la Banque Romande à Ferszt - s'efforce d'annihiler les effets de la sentence en affirmant qu'elle est elle-même propriétaire de l'appartement litigieux. On ne saurait toutefois perdre de vue que la masse ne plaide qu'à l'instigation de la Banque Romande, laquelle est de loin la principale créancière de FISA. La Banque Romande cherche donc, en plaidant contre elle-même par le truchement d'une personne interposée, la masse en faillite de FISA, à se mettre dans l'impossibilité d'exécuter la sentence arbitrale qui l'a condamnée à transférer à Ferszt la propriété de l'appartement litigieux.
3.
Ainsi que l'a relevé avec pertinence le tribunal arbitral, les relations juridiques nouées entre Ferszt et FISA ne sont pas régies exclusivement par les dispositions du règlement de gestion de FISA, auquel se réfèrent les certificats du fonds que FISA a déposés le 29 juin 1957 à la Banque Romande, en exécution d'un mandat conféré par Ferszt et au nom de celui-ci. Les dérogations convenues spécialement entre FISA et Ferszt l'emportent sur le règlement de gestion.
L'une des dérogations convenues consistait en ceci que Ferszt a exprimé en novembre 1956 déjà la volonté d'acquérir sous le nom de FISA la libre disposition de l'appartement de
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l'avenue Foch et que FISA s'est déclarée d'accord. Elle l'a fait notamment dans ses lettres des 24 avril, 27 mai et 2 octobre 1957. Il est vrai que les deux premières missives n'ont été signées que par Zelig et que la troisième porte seulement la signature de Comtesse. Mais nul ne prétend que l'un d'eux ait agi sans le consentement de l'autre. Du reste, FISA a manifesté son accord en utilisant comme convenu la majeure partie des fonds versés par Ferszt à l'acquisition de 327 actions de la Société foncière immobilière Dauphine, qui donnaient droit à l'appartement en question, puis en établissant 256 certificats munis de la surcharge "Série Foch", qu'elle a déposés au nom de Ferszt. Ainsi que le tribunal arbitral l'a expliqué en motivant soigneusement son opinion, qui n'est contestée par aucune des parties au présent procès, FISA et Ferszt sont convenus que la "Série Foch" constituait un fonds autonome à l'intérieur de la Tranche française, distinct des autres valeurs comprises dans cette tranche. Le 10 mars 1958, l'administrateur Servien a écrit à Zelig une lettre dans laquelle il mentionne, sous le titre: "Problèmes de politique générale de développement de FISA", le point no 35 suivant: "Urgence de différencier les séries de certificats Tranche française par des modifications apposées sur chaque titre (dissocier en fait et en droit Foch, Chanteloup et La Fontaine)". Aucun des plaideurs ne prétend que FISA ait apposé la surcharge "Série Foch" sur d'autres certificats émis par elle que sur les 256 certificats qui font l'objet du litige. Ferszt a d'ailleurs reçu les clés de l'appartement de l'avenue Foch et il a pu en disposer librement. Lui seul a exercé le droit de jouissance découlant des 327 actions de la Société foncière immobilière Dauphine.
Selon son propre voeu, Ferszt n'était pas lui-même actionnaire de la Société foncière immobilière Dauphine. Le certificat d'actions était libellé au nom de FISA, qui revêtait la qualité d'actionnaire, mais agissait à titre fiduciaire pour le compte de Ferszt (cf. RO 71 II 100, 85 II 99). Elle le lui a confirmé dans la dernière phrase de sa lettre du 2 octobre 1957 où elle déclarait détenir l'appartement en son propre nom, mais "as a trustee for you" et cela "until it is transferred on your instructions to any other name". Ferszt avait donc le droit d'exiger en tout temps le transfert des actions de la Société foncière immobilière Dauphine à une autre personne, c'est-à-dire de retirer à FISA sa qualité de propriétaire fiduciaire. Dès lors, il pouvait aussi
BGE 93 II 461 S. 478
demander que les actions lui soient transférées. Ses rapports juridiques avec FISA dérogeaient ainsi au ch. 14 du règlement de gestion, aux termes duquel les porteurs de certificats ne pouvaient exiger ni la suppression de la copropriété, ni la répartition des biens de la communauté.
4.
En faisant l'acquisition des 256 certificats de la Série Foch, Ferszt a noué également - comme l'a reconnu le jugement arbitral - des relations juridiques avec la Banque Romande. Celle-ci a eu connaissance de l'émission des certificats en question. Conformément à l'art. 26 du règlement de gestion, elle a reçu en dépôt les fonds versés par Ferszt et les a conservés jusqu'à ce que FISA les utilise pour acquérir les actions de la Société foncière immobilière Dauphine. Le 29 juin 1957, elle a souscrit pour le compte de Ferszt les 256 certificats de FISA, Tranche française, Série Foch. Le 18 septembre, elle a confirmé à Ferszt que la souscription de ces titres lui conférait l'entière disposition de l'appartement de l'avenue Foch. Elle a participé, de la manière expliquée par les arbitres, à l'élaboration de la lettre de FISA du 2 octobre 1957, qui confirmait à Fersztles démarches faites en exécution des accords intervenus.
Ayant ainsi prêté son concours à la conclusion et à l'exécution des accords spéciaux conclus entre Ferszt et FISA, la Banque Romande était tenue par analogie de remplir envers Ferszt les obligations de l'"Investment Trustee" que le règlement de gestion mettait à sa charge, c'est-à-dire de représenter Ferszt pris comme porteur de certificats à l'égard de FISA, de veiller à ce que le règlement fût respecté, dans la mesure où il demeurait applicable et d'agir au mieux des intérêts de Ferszt, dans le cadre dudit règlement (cf. ch. 8 et 26).
5.
La masse en faillite de FISA prétend que la déclaration signée par François le 1er juillet 1958 n'a pas eu pour effet de transférer à la Banque Romande les droits découlant du certificat d'actions de la Société foncière immobilière Dauphine du 17 juin 1957, parce qu'elle n'a pas été suivie d'un transfert de la possession du titre au sens de l'art. 967 al. 1 CO, ni d'une déclaration écrite satisfaisant aux exigences de l'art. 967 al. 2 CO. De l'avis de la recourante, le texte de la convention du 1er juillet 1958 ne saurait valoir déclaration écrite de transfert, du moment qu'il ne mentionne même pas le certificat d'actions.
a) La forme dans laquelle une créance peut être cédée est déterminée par la loi du lieu où la cession est opérée ou par le
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droit que cette loi déclare applicable (RO 65 II 83, 74 II 87, 78 II 392). Il n'est pas nécessaire d'examiner si cette jurisprudence vaut également pour le transfert d'actions nominatives ou de certificats d'actions nominatifs. En effet, même si le certificat d'actions de la Société foncière immobilière Dauphine pouvait être cédé par FISA à la Banque Romande dans les formes prescrites par le droit suisse, ni l'art. 967 CO, que la juridiction cantonale invoque d'ailleurs à titre subsidiaire seulement, ni l'art. 714 CC ne seraient violés.
b) L'art. 967 al. 2 CO exige pour le transfert de titres nominatifs une déclaration écrite, qui ne sera pas nécessairement apposée sur le titre lui-même. En l'espèce, la déclaration requise par la loi figurait dans l'écrit rédigé par François le 1er juillet 1958 à l'adresse de la Banque Romande. Par cet acte, FISA ne promettait pas seulement de céder un jour des droits à la Banque Romande. Le document renferme la déclaration de cession elle-même. Invoquant sa qualité de fondé de pouvoir de FISA, François déclarait en effet: "... je vous cède et transfère avec effet immédiat tous droits, titres, créances et autres assimilables que la Société Fonds immobiliers SA détient ou pourrait revendiquer dans ... le fonds de placement Série Foch (pour autant qu'il existe juridiquement) et plus particulièrement dans la Société civile immobilière Dauphine, propriétaire de l'immeuble 63 avenue Foch, à Paris". Ainsi désigné, l'objet de la cession comprenait évidemment le certificat d'actions de la Société foncière immobilière Dauphine. Il n'était pas nécessaire de mentionner en outre le numéro du certificat d'actions, ni la date de son émission, ni le numéro des actions.
c) Selon l'art. 967 al. 1 CO, le transfert de la propriété d'un papier-valeur requiert dans tous les cas le transfert de la possession du titre. Le législateur n'a pas voulu exiger de la sorte une remise de la main à la main; jugeant cette notion trop étroite, le Conseil national a modifié le texte du projet en remplaçant l'expression "remise du titre de la main à la main" (dans le texte allemand: "Übergabe der Urkunde") par celle de "transfert de la possession du titre" ou "Übertragung des Besitzes an der Urkunde", afin de préciser qu'il admettait tous les modes de transfert de la possession prévus aux art. 922 ss. CC (Bull. stén. CN 1934 p. 796, 863). L'art. 967 CO n'énonce dès lors aucune notion particulière du transfert
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de la possession qui serait propre au droit des papiersvaleurs; il se réfère aux règles générales des droits réels en la matière (cf., dans le même sens, JÄGGI, n. 31 ad art. 967 CO).
En l'espèce, le transfert a été opéré par délégation de possession au sens de l'art. 924 al. 1 CC. Le certificat d'actions était dans la possession d'un tiers, qui le détenait à un titre spécial pour FISA. Peu importe qui était ce tiers: le sieur Morton attaché à la SEFI, auquel la Société foncière immobilière Dauphine avait remis le certificat le 13 juillet 1957, ou la Banque Worms et Cie en sa qualité de deposit trustee, laquelle aurait reçu le certificat de la SEFI selon les déclarations faites au conseil d'administration de FISA le 4 janvier 1958, ou encore Me Cremer, représentant de Ferszt, qui a remis le certificat à Me Schlaepfer à une date non précisée. La déclaration de cession du 1er juillet 1958 doit être interprétée en ce sens que le tiers posséderait désormais le certificat pour la Banque Romande. Les parties contractantes n'avaient pas besoin de signifier leur accord au tiers possesseur. La délégation de possession n'exigeait pas non plus que ce tiers ait pris connaissance de l'arrangement d'une autre manière, ni qu'il ait eu la volonté de posséder désormais pour la Banque Romande. Cela résulte de l'art. 924 al. 2 CC, qui ne subordonne les effets de la délégation de possession à un avis de l'aliénateur qu'à l'égard des tiers (RO 46 II 49). Dès lors, la Cour de justice, qui a admis la validité du transfert des actions nominatives de la Société foncière immobilière Dauphine de FISA à la Banque Romande, n'a pas violé non plus l'art. 714 CC, aux termes duquel la mise en possession est nécessaire pour le transfert de la propriété mobilière.
6.
Invoquant une prétendue violation des art. 1er et 32 ss. CO, la masse en faillite de FISA objecte encore que la convention du 1er juillet 1958 est nulle pour cause de double représentation. A son avis, le transfert de la propriété de l'appartement portait une grave atteinte aux intérêts de FISA et de ses créanciers. Le fait que FISA avait l'obligation contractuelle de délivrer à Ferszt la propriété de l'appartement n'excluait pas le risque d'une telle lésion. François ne pouvait pas savoir qu'il signait une convention nulle pour cause de double représentation: il ne voulait transférer qu'un simple pouvoir de gestion, acte qui n'aurait pas lésé les intérêts de FISA et qu'il pouvait dès lors accomplir valablement en qualité de double représentant.
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a) De même que le contrat passé par le représentant avec lui-même, la double représentation est admissible lorsqu'il n'existe aucun conflit d'intérêts entre les deux personnes représentées et qu'il n'y a dès lors aucune raison de craindre que le représentant n'avantage l'une d'elles au détriment de l'autre (RO 39 II 568, 50 II 183, 57 II 560, 63 II 174, 82 II 391, 89 II 325).
Cette jurisprudence n'a pas apporté une restriction impérative à la liberté des contractants. La règle énoncée ne signifie pas que la double représentation soit inadmissible chaque fois que le représenté court le risque de subir un préjudice. Elle détermine seulement l'étendue des pouvoirs conférés au représentant, à défaut de l'expression d'une volonté contraire du représenté. Comme l'art. 181 du Code civil allemand, sur le modèle duquel elle a été établie, la norme jurisprudentielle ne limite la capacité du représentant de conclure un contrat avec lui-même en son nom propre ou au nom d'un tiers que dans la mesure où il n'a pas reçu une autorisation contraire. Aussi bien, le Tribunal fédéral a souvent considéré l'absence de risque d'une lésion du représenté comme un indice du fait que celui-ci avait autorisé le représentant à conclure le contrat avec lui-même, le cas échéant en qualité de double représentant. S'il a relevé récemment (RO 89 II 325) que le juge suisse n'avait pas besoin, lorsque le risque de lésion fait défaut, de recourir à la fiction d'une autorisation tacite, cette remarque ne signifie pas que l'admission du contrat avec soi-même ou de la double représentation ne dépende jamais de la volonté du représenté. Celui-ci est libre, dans les limites que lui assignent l'ordre public, les bonnes moeurs et les droits attachés à la personnalité (art. 19 et 20 CO), de choisir son représentant contractuel et de déterminer les pouvoirs qu'il lui confère. Il peut donner à quelqu'un le mandat de faire un acte juridique qui le lésera peut-être ou même sûrement, comme il lui est loisible, dans les limites que l'on vient de rappeler, de conclure personnellement un contrat qui lèse ses propres intérêts. En règle générale, le représenté n'a pas à se préoccuper non plus des intérêts des tiers, notamment de ses créanciers. Par exemple, ce sont les règles de l'action révocatoire (art. 285 ss. LP) et non celles que la jurisprudence a développées quant à l'interdiction du contrat avec soi-même ou de la double représentation, qui fixent la mesure dans laquelle un acte juridique peut être annulé pour le motif qu'il lèse les intérêts des créanciers.
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L'étendue des pouvoirs est déterminée par l'acte juridique qui les confère (art. 33 al. 2 CO). Or l'objet du contrat peut être défini non seulement par une manifestation de volonté expresse, mais aussi par une manifestation tacite (art. 1er al. 2 CO). Le représenté peut donc conférer au représentant l'autorisation de contracter avec lui-même ou d'agir comme double représentant par une manifestation de volonté expresse ou tacite. Pour dire s'il y a autorisation tacite, il faut examiner les circonstances de chaque cas particulier à la lumière du principe dit de la confiance, que la jurisprudence du Tribunal fédéral applique à l'interprétation des actes juridiques. Lorsque le représentant pouvait, selon les règles de la bonne foi, inférer des circonstances que le représenté voulait l'autoriser à contracter avec lui-même ou à conclure un acte juridique en qualité de double représentant, le contrat qu'il a conclu avec lui-même ou comme représentant d'un tiers est valable au regard des art. 1er et 32 ss. CO. En cas de double représentation, il faut aussi rechercher si les pouvoirs ont été portés à la connaissance d'un tiers; leur étendue est alors déterminée envers ce dernier par la communication qui lui a été faite (art. 33 al. 3 CO). Si le tiers pouvait inférer des circonstances que son cocontractant voulait autoriser le représentant à pratiquer la double représentation, celle-ci est permise.
b) Le 24 juin 1958, le conseil d'administration de FISA, siégeant en présence de Servien, Lozeron et Lenoir, a décidé que FISA renonçait à son "mandat de société de gestion des Tranches canadienne et française". Il envisageait cette renonciation comme l'une des mesures à prendre en faveur de la Banque Romande et des porteurs de certificats représentés par elle, "pour garantir les engagements souscrits par elle (réd. la Banque Romande) au bénéfice de FISA". Le conseil d'administration de FISA estimait qu'il manquait "un organisme permanent capable de gérer sainement FISA et ses tranches". Sachant que, selon le règlement de gestion, la Banque Romande devait sauvegarder les intérêts des porteurs de certificats, il a exprimé le voeu (sous la forme d'une décision) que ladite banque constitue une société de gestion "complètement indépendante de FISA" et lui confie la gestion des Tranches canadienne et française "dans le plus bref délai possible". Ces décisions ne doivent pas être comprises en ce sens que les droits attachés aux certificats des fonds d'investissement devaient rester en
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main de FISA et que la Banque Romande, respectivement la société à constituer par elle, n'agirait qu'en qualité de mandataire et de représentant direct de FISA. Le conseil d'administration voulait transférer définitivement les droits sur les fonds d'investissement, afin que ni la Banque Romande, ni les porteurs de certificats de ces fonds ne subissent un préjudice du fait de l'incapacité de FISA.
Le procès-verbal de la séance du 24 juin 1958 ne constate pas expressément que les actions de la Société foncière immobilière Dauphine devaient elles aussi être transférées à la Banque Romande et par elle à une nouvelle société. La masse en faillite recourante admet cependant que FISA a décidé alors de transférer à la Banque Romande la gestion des biens de tous les fonds de placement sans exception. Il n'y a d'ailleurs aucune raison de penser que le conseil d'administration de FISA ait voulu traiter différemment les actions de la Société foncière immobilière Dauphine, d'une part et les autres biens des Tranches canadienne et française qui faisaient l'objet de ses décisions, d'autre part. Ces actions avaient été acquises par FISA comme un fonds spécial dans le cadre de la Tranche française et les certificats appartenant à Ferszt portaient, outre la surcharge "Série Foch", la mention "Tranche française".
c) Il résulte de ces circonstances que François n'a pas excédé les limites des pouvoirs qui lui avaient été conférés lorsque, le 1er juillet 1958, il a déclaré, en se référant aux décisions prises le 24 juin 1958 par le conseil d'administration de FISA, qu'il cédait à la Banque Romande tous les droits, titres, créances et autres semblables que FISA détenait dans le fonds de placement Série Foch, pour autant qu'il existe juridiquement. Il agissait ainsi dans les limites des décisions que le conseil d'administration de FISA avait prises une semaine plus tôt. Il ne cherchait pas à défendre les intérêts de la Banque Romande au-delà de la mesure définie par la volonté effective du conseil d'administration de FISA et par les manifestations de cette volonté, interprétées selon le principe dit de la confiance.
On ne saurait non plus reprocher à François d'avoir exercé une double représentation derrière le dos de FISA. Selon le procès-verbal de la séance du 24 juin 1958, le conseil d'administration de FISA savait que François avait également reçu des pouvoirs du conseil d'administration de la Banque Romande. Il savait aussi que le conseil de ladite banque adhérait aux
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décisions qu'il venait de prendre. Les administrateurs des deux établissements ont donc agi en plein accord les uns avec les autres et François n'était que l'auxiliaire qui, en sa qualité de double représentant, a exécuté leur volonté concordante.
d) Il ressort du dossier de la faillite de FISA que Servien et Lozeron étaient également administrateurs de la Banque Romande; Lenoir a été fondé de pouvoir de cette banque du 31 janvier au 10 octobre 1958 (FOSC du 5 février 1958, p. 348, du 26 juin 1958, p. 1746 et du 15 octobre 1958, p. 2749). Pas plus que la double représentation opérée par François, le fait que les mêmes personnes physiques soient les organes des deux personnes morales qui passent un contrat ne suffit à provoquer la nullité de cet acte juridique. La double représentation par les organes inférieurs est parfois autorisée par l'organe supérieur. L'assemblée générale des actionnaires de FISA a peut-être autorisé la double représentation, fût-ce tacitement, ce qui s'expliquerait notamment si les actions de FISA appartenaient à la Banque Romande. Il est fréquent qu'une société qui en domine une autre charge le conseil d'administration de celle-ci, avec l'accord de son assemblée générale, d'accomplir comme double représentant un acte juridique qui transfère des biens de la société dominée à la société dominante. La masse en faillite de FISA aurait dû établir, dans le procès qui l'oppose à la Banque Romande, que Lozeron, Servien et Lenoir avaient pris les décisions du 24 juin 1958 comme doubles représentants, contre la volonté de l'assemblée générale des actionnaires. Elle n'en a pas apporté le moindre indice et ne l'a même pas allégué.
Dès lors, ni les décisions du 24 juin 1958, ni la cession du 1er juillet 1958 faite en exécution de celles-ci, ne sauraient être frappées de nullité pour cause de double représentation. Au surplus, la masse en faillite de FISA et la Banque Romande qui lui dicte ses volontés abusent manifestement de leur droit en plaidant ce motif de nullité de la cession à la seule fin de se soustraire à l'exécution de la sentence arbitrale, comme on le montrera plus loin à propos de l'action révocatoire...
9.
Supposé que la cession du 1er juillet 1958 fût valable, la masse en faillite de FISA estime que l'acquisition par la Banque Romande du certificat d'actions de la Société foncière immobilière Dauphine et de la propriété de l'appartement de l'avenue Foch lui serait néanmoins inopposable. En effet, ce
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n'est qu'après l'ouverture de la faillite de FISA que la Banque Romande a été inscrite comme actionnaire dans les registres de la Société foncière immobilière Dauphine et comme propriétaire de l'appartement au registre foncier. Or ces inscriptions auraient été opérées sans cause valable, du moment que les droits personnels que la convention du 1er juillet 1958 conférait à la Banque Romande contre FISA s'étaient transformés, à l'ouverture de la faillite, en une créance d'argent équivalente conformément à l'art. 211 LP.
Le raisonnement de la recourante suppose que les droits d'actionnaire de FISA n'aient pas été transférés à la Banque Romande par la déclaration de cession du 1er juillet 1958, mais seulement par les actes d'exécution ultérieurs. Sans doute le droit français dispose-t-il que le titre nominatif est transmis à l'égard des tiers et de la personne morale émettrice, par un transfert sur les registres que la société tient à cet effet (cf. art. 1er du décret du 7 décembre 1955 relatif au régime des titres nominatifs, Recueil Dalloz, Législation, 1955 p. 514, et actuellement art. 265 de la loi du 24 juillet 1966 sur les sociétés commerciales, op.cit., 1966 p. 279, ainsi que le décret du 23 mars 1967 sur les sociétés commerciales, art. 204 ss., op.cit., 1967 p. 150). Mais la cession est régie par la loi suisse, qui n'exige pas l'inscription du transfert sur le registre de la société anonyme. Seuls les effets de la convention du 1er juillet 1958, notamment le point de savoir si les droits d'actionnaire étaient cessibles et si la cession était opposable à la Société foncière immobilière Dauphine, étaient éventuellement soumis au droit français. Tel serait le cas si l'on admettait avec JÄGGI (rem. prél. 28-30 au titre XXXIII du CO), mais contre l'opinion de SCHNITZER (Handbuch des internationalen Privatrechts, 4e éd., tome II p. 659), que la jurisprudence selon laquelle la validité quant au fond de la cession de créance se détermine d'après la loi qui régit la créance (RO 61 II 245, 62 II 110, 74 II 87, 78 II 392), s'applique également aux transferts des droits incorporés dans les papiers-valeurs. Point n'est besoin de résoudre la question, du moment que les parties ne contestent pas que les droits d'actionnaire fussent cessibles et que la Société foncière immobilière Dauphine - dont l'attitude n'est d'ailleurs pas décisive - a reconnu le transfert.
Au regard du droit suisse déterminant, la déclaration de cession du 1er juillet 1958 opérait le transfert des droits d'actionnaire
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par délégation de possession. La juridiction cantonale ne pouvait dès lors pas violer l'art. 211 LP. Le jour de l'ouverture de la faillite de FISA, la Banque Romande n'avait pas un droit personnel à la délivrance des droits d'actionnaire de la Société foncière immobilière Dauphine; elle avait acquis ces droits le 1er juillet 1958 déjà. Il en résulte également que la propriété de l'appartement ne lui a pas été attribuée sans cause valable lors de la liquidation de la Société foncière immobilière Dauphine.
Au surplus, la masse en faillite de FISA n'a pas allégué ni établi qu'elle ait fait déclarer le jugement de faillite exécutoire en France ni qu'elle ait réclamé l'application de la faillite aux biens que FISA possédait en France, selon les art. 6 al. 2 et 16 de la Convention entre la Suisse et la France sur la compétence judiciaire et l'exécution des jugements en matière civile du 15 juin 1869 (RS 12 p. 315 ss.; cf. RO 58 I 316 s. et les arrêts cités). Tant que cette application n'a pas été requise, le droit suisse de la faillite ne pouvait pas mettre obstacle à la libre disposition de FISA sur ses biens en France ni par conséquent à l'inscription de la Banque Romande sur le registre des actionnaires de la Société foncière immobilière Dauphine.
La cession du 1er juillet 1958 étant valable au regard du droit civil, il est superflu de rechercher si elle a été ratifiée par la masse en faillite de FISA, qui n'a pas inventorié les biens cédés à l'actif, argument que la Cour de justice invoque par surabondance à l'appui de sa décision.
10.
La juridiction cantonale n'a pas examiné si la cession du 1er juillet 1958 pouvait faire l'objet d'une action révocatoire conformément aux art. 285 ss. LP. Elle a considéré qu'une pareille action serait prescrite en vertu de l'art. 292 LP depuis le 1er juillet 1963. La masse en faillite de FISA objecte que cette disposition légale ne devait pas être appliquée d'office et que la Banque Romande, qui serait défenderesse à l'action révocatoire, n'a pas invoqué la prescription, mais a déclaré s'en remettre à justice.
a) Aux termes de l'art. 292 LP, l'action révocatoire se prescrit (dans le texte allemand: verjährt) par cinq ans à partir de l'acte vicieux. Mais on ne saurait se fonder uniquement sur le terme utilisé par le législateur pour dire qu'il s'agit d'une véritable prescription et non d'une péremption (RO 86 I 64 ss. et FAVRE, Droit des poursuites, 2e éd., p. 110). Du reste, la IIe
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Cour civile du Tribunal fédéral a jugé dans l'arrêt Wertheimer du 8 juillet 1915 (RO 41 III 319 ss., consid. 2) que la disposition légale précitée instituait un délai de déchéance ou de péremption en ce sens qu'elle exclut l'action révocatoire si la faillite est déclarée plus de cinq ans après l'acte sujet à révocation; en revanche, si la faillite est ouverte avant l'expiration du délai de cinq ans, le laps de temps qui reste doit être considéré comme un délai de prescription et celle-ci peut être interrompue selon l'art. 135 CO. Dans un arrêt plus récent, rendu le 21 octobre 1965 en la cause Eggimann (RO 91 III 99 s., consid. 2), la IIe Cour civile ne s'est pas prononcée sur le point de savoir si l'art. 292 LP instituait un délai de prescription ou de péremption, ou encore s'il revêtait un double caractère participant de l'un et de l'autre.
La question est controversée en doctrine. Selon VON TUHR/SIEGWART, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, 1944, tome II, p. 657, n. 27 et p. 661 n. 60, l'action révocatoire est soumise à un délai de prescription au sens propre. L'opinion exprimée par le Tribunal fédéral dans l'arrêt Wertheimer est partagée par GAUGLER, Die paulianische Anfechtung, 1944, tome I p. 193 ss., et par FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2e éd., 1968, tome II p. 292. Tout en concédant que le législateur a peut-être envisagé une péremption également pour le temps qui suit la naissance du droit à la restitution, BERZ, Der paulianische Rückerstattungsanspruch, thèse Zurich 1960, p. 82 n. 20, estime lui aussi qu'on évite des inconvénients sérieux en admettant un délai de prescription. La thèse selon laquelle l'art. 292 LP institue purement et simplement un délai de péremption a été adoptée par quelques décisions cantonales (BlZR 14 no 32; RJB 81 p. 402). Elle est soutenue par maints auteurs qui sont pour la plupart anciens: BLUMENSTEIN, Handbuch des schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, 1911, p. 874; KELLER, in Schweizerische Zeitschrift für Betreibungs- und Konkursrecht 1914 p. 184; HANGARTNER. Die Gläubigeranfechtung im schweizerischen Recht, thèse Zurich 1929, p. 99; BRAND, Das Anfechtungsrecht der Gläubiger, thèse Berne 1902, p. 321; JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, 1911, n. 2 ad art. 292 LP et FAVRE, op.cit., p. 387. Les trois derniers auteurs cités admettent cependant que les règles du droit des obligations concernant la prescription s'appliquent par analogie.
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Dans l'arrêt Wertheimer (RO 41 III 320), la IIe Cour civile a relevé que le délai de l'art. 292 LP qui, à partir de l'ouverture de la faillite, n'est plus un délai de péremption, mais de prescription, peut être interrompu conformément à l'art. 135 CO. S'il en est ainsi, il n'y a aucune raison de ne pas appliquer également l'art. 142 CO, en vertu duquel le juge ne peut suppléer d'office le moyen résultant de la prescription. JAEGER (loc. cit.) déclare expressément que cette disposition légale est applicable par analogie. Et le Tribunal supérieur de Zurich a jugé que la prescription de l'action révocatoire ne devait être admise que sur exception du défendeur (BlZR 4 no 179 ou RSJ 2 p. 125 no 636).
b) En l'espèce, le délai de l'art. 292 LP a expiré le 1er juilliet 1963, cinq ans après la cession contestée. La masse en faillite de FISA n'allègue pas qu'elle ait interrompu la prescription après l'ouverture de la faillite.
La Banque Romande s'est bien gardée d'invoquer la prescription. Elle a constamment déclaré qu'elle s'en remettait à justice quant au bien-fondé des conclusions prises contre elle par la masse en faillite de FISA. Sa passivité s'explique par son désir de faire entrer dans la masse en faillite l'appartement de l'avenue Foch qu'elle ne veut pas délivrer à Ferszt, alors qu'elle devrait le faire en exécution de la sentence arbitrale. Si abusive soit-elle, son abstention ne saurait être interprétée en ce sens qu'elle invoque la prescription, mais laisse au tribunal le soin de dire si l'exception est fondée ou non.
L'intimé Ferszt a certes invoqué la prescription devant les juridictions cantonales et il reprend ce moyen dans sa réponse au recours. Mais bien que les arbitres aient reconnu ses droits envers la Banque Romande, qui tendent au transfert de la propriété de l'appartement litigieux, il n'est pas défendeur à l'action révocatoire (cf. art. 290 LP). En effet, ce n'est pas lui, mais la Banque Romande qui a passé avec FISA la convention du 1er juillet 1958 qui, selon la recourante, serait sujette à révocation.
Dès lors, si l'on s'en tient à la jurisprudence qui considère le délai de l'art. 292 LP comme un délai de prescription, pour la période postérieure à l'ouverture de la faillite, l'exception ne peut pas être retenue, du moment qu'elle n'a pas été invoquée par la Banque Romande, défenderesse à l'action révocatoire.
c) On pourrait se demander, il est vrai, s'il ne conviendrait pas de modifier la jurisprudence - ce qui exigerait en vertu
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de l'art. 16 OJ un échange de vues avec la IIe Cour civile - et de considérer le délai institué par l'art. 292 LP comme un délai de péremption, même après l'ouverture de la faillite. Il faudrait alors examiner si l'art. 207 LP est applicable par analogie. Cette disposition légale prévoit la suspension des procès civils intentés par le débiteur ou contre lui jusqu'au dixième jour qui suit la seconde assemblée des créanciers; elle précise que les délais de prescription et de péremption ne courent pas pendant les suspensions d'instance. A la vérité, l'analogie envisagée semble douteuse, car l'art. 207 LP vise les procès déjà pendants au moment de l'ouverture de la faillite, auxquels le débiteur est partie comme demandeur ou comme défendeur, et non pas les actions à intenter par le failli ou contre lui (SANDOZ, Des effets de la faillite sur les procès du débiteur, thèse Lausanne 1938, p. 47). De plus, lorsqu'il s'agit d'une prétention de la masse, que l'on doit faire valoir dans un certain délai, JAEGER (n. 16 ad art. 207 LP) estime que ce délai continue à courir nonobstant l'ouverture de la faillite; il appartiendra à l'office des faillites déjà, ou éventuellement à la première assemblée des créanciers, de veiller à ce que le délai soit interrompu (ou sauvegardé) par une ouverture d'action. Or, selon l'art. 285 ch. 2 LP, l'action révocatoire appartient à l'administration de la faillite ou aux créanciers individuellement dans les cas visés aux art. 260 et 269 al. 3 LP. Il n'est toutefois pas nécessaire de se prononcer sur l'opinion de JAEGER.
Supposé en effet que l'action révocatoire soit soumise à un délai de péremption et que ce délai soit suspendu en vertu de l'art. 207 LP appliqué par analogie, les circonstances de la cause ne permettraient pas de dire que l'action est périmée. L'acte contesté a été fait le 1er juillet 1958. La faillite de FISA a été ouverte le 8 octobre 1958. Il n'y a pas eu tout d'abord d'assemblée des créanciers, car le juge a ordonné le 19 mars 1959 que la faillite soit liquidée en la forme sommaire (art. 231 LP). Ce n'est que le 15 janvier 1965 que la Banque Romande a demandé que la faillite soit liquidée en la forme ordinaire (art. 231 al. 2 LP). L'assemblée des créanciers s'est tenue le 19 février 1965. L'action de la masse en faillite de FISA contre la Banque Romande a été ouverte par exploit du 24 août 1966. Pour que le délai de péremption de cinq ans fût expiré à cette date, il aurait fallu que sa suspension consécutive à l'ouverture de la faillite ait pris fin le 30 novembre 1961 au plus
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tard: le délai aurait alors couru pendant trois mois et sept jours du 2 juillet au 8 octobre 1958 et pendant quatre ans, huit mois et vingt-trois jours du 1er décembre 1961 au 23 août 1966, ce qui fait cinq ans au total.
Le 30 novembre 1961, la faillite était encore liquidée en la forme sommaire. En règle générale, il n'y a pas d'assemblée des créanciers dans ce mode de liquidation (cf. art. 96 litt. a OOF). JAEGER (n. 8 ad art. 207 LP) estime que les procès pendants sont alors suspendus - et que les délais de péremption et de prescription ne courent pas - jusqu'à ce que l'office des faillites ait pu se former une opinion et prendre une décision en ce qui concerne la reprise du procès, c'est-à-dire en tout cas jusqu'à l'expiration du délai fixé aux créanciers pour produire leurs créances (art. 231 al. 3 LP). S'agissant de procès non encore ouverts, il faudrait admettre que les délais de péremption ou de prescription ne courent pas jusqu'à ce que l'office des faillites ait pu se convaincre du bien-fondé ou du mal-fondé de la prétention. Mais la décision n'appartient pas seulement à l'office. Il importe aussi que les créanciers soient mis en mesure de se prononcer en connaissance de cause sur l'ouverture d'une action ou la reprise d'un procès pendant lors de la déclaration de faillite. C'est pourquoi, même en cas de liquidation sommaire, lorsque la masse comprend une prétention douteuse, notamment une action révocatoire, l'office convoquera une assemblée des créanciers ou consultera ceux-ci par circulaire afin de leur permettre de demander la cession du droit litigieux en vertu de l'art. 260 LP ou de charger l'office - le cas échéant en lui faisant une avance de frais - d'introduire une action au nom de la masse (JAEGER, n. 9 ad art. 231 LP, p. 175 de l'édition allemande, resp. p. 291 de l'édition française; n. 1 ad art. 242 LP, p. 208, resp. p. 325; n. 2 ad art. 260 LP, p. 257, resp. p. 378; SANDOZ, op.cit., p. 98; cf. RO 53 III 121 ss.; art. 49 et 96 litt. a OOF).
En l'espèce, l'Office des faillites de Genève n'a pas convoqué une assemblée des créanciers ni adressé à ceux-ci une circulaire les invitant à décider s'ils voulaient que la masse intente à la Banque Romande une action révocatoire concernant la cession du 1er juillet 1958 ou, dans la négative, si l'un d'eux demandait la cession de cette prétention en vertu de l'art. 260 LP. La circulaire adressée par l'office aux créanciers le 3 juillet 1959 mentionne certes une prétention litigieuse contre la Banque
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Romande, inventoriée sous no 32, mais il s'agit d'une réclamation de 3 000 000 fr. représentant des commissions perçues indûment et tous autres montants dus à titres divers (violation des dispositions du règlement de gestion, art. 41 ss. CO, 62 ss. CO), réclamation qui avait fait l'objet d'une autorisation de citer délivrée le 26 juin 1959. Cette prétention en paiement d'une somme d'argent ne saurait être confondue avec l'action révocatoire fondée sur les art. 285 ss. LP, visant la cession du 1er juillet 1958, qui tendait à faire réaliser au profit de la masse en faillite les valeurs acquises par l'acte contesté, à savoir les actions de la Société foncière immobilière Dauphine ou l'appartement de l'avenue Foch qui avait pris leur place. Du reste, les droits découlant des deux certificats d'actions de la Société foncière immobilière Dauphine du 17 juin 1957 et du 7 octobre 1960 et les droits sur l'appartement de l'avenue Foch ont été portés ensuite à l'inventaire sous nos 38 à 40. Cela confirme que l'office des faillites n'estimait pas que ces droits étaient compris dans la créance contre la Banque Romande inventoriée sous no 32.
Dans ces conditions, il n'est pas nécessaire de décider si le délai de cinq ans prévu à l'art. 292 LP doit être considéré comme un délai de péremption.
11.
Au demeurant, il est sans importance que la prescription de l'action révocatoire ne puisse pas être relevée d'office. De toute manière, cette action doit être rejetée pour un autre motif. Il résulte en effet du dossier de la faillite que la décision de plaider l'action révocatoire a été prise uniquement par la Banque Romande, représentée par Me Hirsch, le délégué de son conseil d'administration François, représenté par Me Cottier et le directeur adjoint de l'établissement Tillmann. Ces trois personnes avaient déjà provoqué l'ouverture de l'action en revendication que Ferszt a intentée à la masse après le rejet de ses prétentions par l'administration de la faillite. La Banque Romande supporte tous les frais de la masse en faillite. Elle profiterait de la majeure partie du gain du procès, si l'issue en était favorable à la masse dont elle est de loin le principal créancier. En plaidant une action révocatoire contre elle-même par personne interposée, avec le concours de l'office des faillites, la Banque Romande cherche évidemment à échapper à l'obligation que lui fait la sentence arbitrale de délivrer à Ferszt la propriété de l'appartement de l'avenue Foch. Elle entend
BGE 93 II 461 S. 492
faire réaliser ce bien par l'administration de la faillite de FISA au profit de la masse, c'est-à-dire principalement à son propre bénéfice. Elle tente d'obtenir, en soutenant une argumentation spécieuse, un prononcé judicaire qui la mette dans l'impossibilité d'exécuter la sentence arbitrale à laquelle elle cherche à se soustraire par tous les moyens. C'est pourquoi elle se garde bien d'invoquer la prescription de l'action révocatoire qui dans la forme est exercée contre elle par la masse en faillite de FISA, mais dont elle est le seul instigateur. Une pareille attitude est en contradiction flagrante avec les règles de la bonne foi et apparaît d'autant plus condamnable qu'en sa qualité d'investment trustee, la Banque Romande devrait précisément sauvegarder les intérêts de Ferszt. En cherchant au contraire à lui nuire et en poursuivant uniquement son propre intérêt, elle commet une violation grossière de ses obligations contractuelles.
Dès lors, l'action révocatoire de la masse en faillite de FISA, qui est en réalité un procès que la Banque Romande plaide contre elle-même, constitue un abus de droit manifeste au sens de l'art. 2 CC et ne peut qu'être rejetée...
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme l'arrêt rendu le 7 mars 1967 par la Deuxième Chambre de la Cour de justice du canton de Genève. | public_law | nan | fr | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6337cf5d-5e84-41e8-987b-aa6ca23f6e12 | Urteilskopf
117 II 199
41. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. März 1991 i.S. Touring Club der Schweiz gegen Mercedes-Benz (Schweiz) AG (Berufung) | Regeste
Begründung einer Berufung (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
).
Hat die kantonale Instanz eine Klage, die auf mehrere Rechtsgründe abgestützt worden war, unter allen abgewiesen, so überprüft das Bundesgericht nur noch diejenigen, die als bundesrechtswidrig ausgegeben werden (E. 1).
Unlauterer Wettbewerb; Verwechslungsgefahr (
Art. 3 lit. d UWG
).
- Die Verwendung einer gemeinfreien Bezeichnung steht grundsätzlich jedem Wettbewerbsteilnehmer offen (E. 2a/bb), es sei denn, sie habe durch ausschliesslichen langen Gebrauch oder wegen ihrer originellen Kombination Individualisierungskraft erlangt (E. 2b).
- Der Begriff der Leistung nach
Art. 3 UWG
ist nicht gleichbedeutend mit demjenigen in
Art. 5 UWG
(E. 2a/ee). | Sachverhalt
ab Seite 200
BGE 117 II 199 S. 200
A.-
Der Touring Club der Schweiz, ein Verein im Sinne von
Art. 60 ff. ZGB
, bezweckt die Wahrung der Rechte und Interessen seiner über 1,2 Millionen Mitglieder im Strassenverkehr und die Förderung ihrer touristischen Belange. Eine seiner bedeutendsten Dienstleistungen stellt der mobile Pannenhilfsdienst dar. Die hiefür verwendeten gelben TCS-Fahrzeuge geniessen einen hohen Bekanntheitsgrad.
Die Mercedes-Benz (Schweiz) AG ist für den Vertrieb der "Mercedes-Benz"-Fahrzeuge in der Schweiz zuständig. Am 1. September 1989 lancierte sie unter dem Titel "DIE NEUE MERCEDES-BENZ TOURING GARANTIE" eine Pressemitteilung. Sie pries darin eine "in dieser Form einzige Serviceleistung" an, welche darin bestehe, dass den Fahrern von neuen Mercedes-Personenwagen vier Jahre lang der kostenlose Einsatz des Mercedes-Benz-Notdienstes gewährt werde.
Der Touring Club der Schweiz erblickt darin eine unlautere Konkurrenzierung seiner "Touring-Hilfe" sowie eine Namensanmassung.
B.-
Am 8. November 1989 ersuchte der Touring Club der Schweiz das Handelsgericht des Kantons Zürich, der Mercedes-Benz (Schweiz) AG bei Strafe zu verbieten, für ihren Pannenhilfe-Service die Bezeichnung "Touring-Garantie" bzw. "Garantie Touring" zu verwenden. Mit Urteil vom 4. September 1990 wies das Handelsgericht die Klage ab.
C.-
Mit seiner eidgenössischen Berufung beantragt der Kläger, das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und der Beklagten bei Strafe zu verbieten, für ihren Pannenhilfe-Service die Bezeichnung "Touring-Garantie" bzw. "Garantie Touring" zu verwenden.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Vor Handelsgericht stützte der Kläger seinen Anspruch auf Wettbewerbs- und Namensrecht; er wurde unter beiden Aspekten abgewiesen. Der Kläger macht vor Bundesgericht nicht geltend, die namensrechtliche Abweisung verletze Bundesrecht. Mithin ist diese mangels entsprechender Begründung in der Berufung nicht zu überprüfen (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
).
2.
Der Kläger ist der Ansicht, die Gleichartigkeit des Angebots der Beklagten schmälere seinen Gewinn und führe zu einer
BGE 117 II 199 S. 201
Konkurrenzsituation, die das neue UWG untersage. Ferner macht er geltend, die von der Beklagten verwendete Bezeichnung "Mercedes-Benz Touring-Garantie" schaffe eine Verwechslungsgefahr zu der vom Kläger offerierten Dienstleistung "Touring-Hilfe", welche sich überdies im Verkehr durchgesetzt habe.
Das neue UWG bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten (Art. 1). Unlauter ist das Verhalten eines Mitbewerbers nur, wenn es gegen den in
Art. 2 UWG
allgemein formulierten Grundsatz oder gegen die Sondertatbestände (Art. 3 ff.) verstösst. Solange sich ein Mitbewerber mit lauteren Mitteln um mehr Anteil oder Einfluss auf dem Markt bemüht und dabei den Wettbewerb als solchen nicht gefährdet, kann ein Gewinn- oder Umsatzrückgang bei andern Konkurrenten nicht widerrechtlich sein. Das neue Gesetz will einen funktionierenden Wettbewerb garantieren (Botschaft zum UWG vom 18. Mai 1983, BBl 1983 II 1038) und schützt somit auch gleichartige Leistungen, die deshalb im folgenden nur unter dem Gesichtspunkt der Lauterkeit zu prüfen sind. Wettbewerbsrechtlich stellt sich dabei allein die Frage nach einer unlauteren Verwechslungsgefahr.
a) Gemäss
Art. 3 lit. d UWG
handelt unlauter, wer Massnahmen trifft, die geeignet sind, Verwechslungen mit Waren, Werken, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines andern herbeizuführen.
Die Verwechslungsgefahr wird als Rechtsfrage vom Bundesgericht frei geprüft (
BGE 95 II 458
E. 1, 465 E. II/1 und 468 E. II/3). Dies gilt auch insoweit, als sie sich nach dem Verständnis des allgemeinen Publikums, welches die streitigen Leistungen in Anspruch nimmt, beurteilt (
BGE 95 II 458
E. 2); anders verhält es sich bloss, wenn das Branchenverständnis spezifischer Verkehrskreise in Frage steht (
BGE 96 II 261
E. a). Der Begriff der Verwechslungsgefahr ist dabei für den Bereich des gesamten Kennzeichnungsrechts ein einheitlicher (
BGE 116 II 370
E. 4a).
aa) Das Handelsgericht führt mit Bezug auf
BGE 58 II 314
E. 1 aus, der Begriff "Touring" gehöre als blosse Sachbezeichnung dem sprachlichen Gemeingut an. Er sei als Bestandteil von Firmen und Marken sehr verbreitet und zeichne sich nicht durch eine besondere Originalität aus.
bb) Die Verwendung einer gemeinfreien Bezeichnung steht grundsätzlich jedem Wettbewerbsteilnehmer offen (
BGE 96 II 261
E. 3a,
BGE 94 II 46
). Schranken bestehen einerseits darin, dass durch gleichartige Hinweise nicht die Gefahr von Verwechslungen
BGE 117 II 199 S. 202
geschaffen werden darf, dieser mithin durch geeignete Zusätze oder auf andere Weise begegnet werden muss, anderseits darin, dass eine Sachbezeichnung, welche durch langen Gebrauch zum Individualzeichen geworden ist, nicht als charakteristischer Bestandteil in einer Konkurrenzbezeichnung übernommen werden darf (
BGE 98 II 63
E. 3 mit Hinweisen).
cc) Das Bundesgericht hat in
BGE 58 II 314
E. 1 die Auffassung vertreten, der Firmenbestandteil "Touring" des Klägers gehöre dem sprachlichen Gemeingut an, sei im Englischen die umfassende Bezeichnung für touristische Betätigung, also auch für das Rad- und Autofahren. Als Fremdwort habe er im deutschen Sprachgebrauch zwar etwas Besonderes an sich, bleibe aber deswegen nicht weniger als im Englischen eine der Allgemeinheit zugängliche Sachbezeichnung. Daran ist unverändert festzuhalten.
dd) "Hilfe" ist wie "Touring" eine gemeinfreie Sachbezeichnung. Zu Recht hält die Vorinstanz fest, dass Zusammensetzungen solcher Sachbezeichnungen grundsätzlich keinen über denjenigen der einzelnen Bestandteile hinausgehenden Schutz geniessen, ausser, die Kombination sei so originell, dass sie Individualisierungskraft erlange (
BGE 109 II 488
: "Computerland"). Dem Begriff "Touring-Hilfe" eignet eine solche Originalität nicht; er entfaltet keine über den allgemeinen Leistungsbeschrieb hinausgehende Kennzeichnungsfunktion, welche aus dem Begriff allein auf die Individualisierung eines Unternehmens schliessen liesse.
Im allgemeinen Sprachvergleich unterscheiden sich die "Mercedes-Benz Touring-Garantie" und die "Touring-Hilfe" formal wie auch inhaltlich deutlich. Identisch ist allein der gemeinfreie Begriff "Touring". Ein aufmerksamer Leser wird deshalb die Bezeichnung der Beklagten nicht mit dem Geschäftsbetrieb oder der Leistung "Touring-Hilfe" des Klägers in Verbindung bringen. Das Handelsgericht hat deshalb zu Recht eine unlautere Verwechslungsgefahr nach
Art. 3 lit. d UWG
verneint.
ee) Fehl geht schliesslich die Ansicht des Klägers, der Begriff der Leistung nach
Art. 3 UWG
sei inhaltsgleich mit demjenigen in
Art. 5 UWG
. Letzterer befasst sich mit der Verwertung einer fremden Leistung. Darunter fallen Arbeitsergebnisse, also Produkte geistiger Anstrengung und materieller Aufwendungen, die ausserhalb des Bereichs der Spezialgesetzgebung zum Schutz von Immaterialgütern als solche nicht geschützt sind (Botschaft S. 1047; DAVID, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 2. Aufl., Rz. 372 ff.; TROLLER/TROLLER, Kurzlehrbuch des Immaterialgüterrechts,
BGE 117 II 199 S. 203
S. 196). Die Behauptung des Klägers, die Beklagte biete seine "Touring-Hilfe" an, trifft nach dem bisher Gesagten in keiner Weise zu. Insoweit sich der Kläger hiermit auf Leistungsschutz berufen will, sind seine Ausführungen unbegründet. Die klägerische Dienstleistung an sich wie auch die Idee der Pannenhilfe sind wettbewerbsrechtlich nicht geschützt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, welche Arbeitsergebnisse im Sinne des Gesetzes die Beklagte sich parasitär zu eigen gemacht haben soll. Von einer Verletzung von
Art. 5 UWG
kann demnach keine Rede sein.
b) Der Kläger beansprucht für seine "Touring-Hilfe" eine weitergehende, durchgesetzte Kennzeichnungskraft, welche er in langjähriger, intensiver Arbeit und unter sehr grossem Aufwand von Zeit und Mitteln erworben habe. Letzteres ist allein nicht entscheidend. Ein schutzwürdiges Zeichen liegt erst vor, wenn es durch langen Gebrauch zum Individualzeichen geworden ist, d.h. die Bedeutung eines schlagwortähnlichen Hinweises auf ein Geschäft erlangt hat (
BGE 98 II 63
,
BGE 77 II 325
f.). Wie die Vorinstanz indessen zutreffend erkannt hat, verbietet sich angesichts der Vielzahl von Verwendungen des Begriffs "Touring" gerade im Zusammenhang mit Tätigkeiten in der Auto-, Autozubehör-, Autoservice- und Touristikbranche die Annahme einer individualisierenden Zuordnung zum Betrieb des Klägers. Unbesehen der Bedeutung des TCS kann daher nicht davon ausgegangen werden, in den einschlägigen Konsumentenkreisen werde der Begriff "Touring" ausschliesslich diesem zugeordnet. Die Bezeichnung "Hilfe" sodann lässt sich von vornherein nicht monopolisieren und wird zudem im Leistungsbeschrieb der Beklagten auch nicht verwendet. Es bleibt mithin dabei, dass die beiden streitigen Bezeichnungen sich hinreichend unterscheiden, um eine wettbewerbsrechtliche Verwechslungsgefahr auszuschliessen. Dies führt zur Bestätigung des angefochtenen Urteils. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6338e758-f8f4-46e5-8a5e-53de58d6e6f7 | Urteilskopf
118 Ia 64
10. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Februar 1992 i.S. Minelli gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Grundrechtliche Ansprüche an die Haftbedingungen in Strafvollzug und Untersuchungshaft (insbesondere persönliche Freiheit,
Art. 6 Ziff. 1,
Art. 8,
Art. 10 und
Art. 14 EMRK
).
1. Eintretensvoraussetzungen: Antrags- und Substantiierungserfordernis,
Art. 90 Abs. 1 lit. a und b OG
(E. 1b); zulässige Rügen,
Art. 84 Abs. 1 lit. a-d OG
(E. 1d); kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1e).
2. Grundsätzliche und allgemeine Erwägungen: Bedeutung der einschlägigen Resolutionen und Empfehlungen der Organe des Europarates betreffend die Behandlung von Gefangenen (E. 2a); bundesstaatliche Kompetenzordnung für die Regelung des straf- und strafprozessrechtlichen Freiheitsentzuges (E. 2b); Natur des abstrakten Normenkontrollverfahrens, Ermessensausübung im Falle der Anfechtung kantonaler Gefängnisverordnungen (E. 2c); Grundsätzliches über Zweck und Grenzen freiheitsbeschränkender Eingriffe während Untersuchungshaft und Strafvollzug (E. 2d).
3. Prüfung der grundrechtlichen Zulässigkeit einzelner Vorschriften der angefochtenen Gefängnisverordnung (E. 3):
- Inventarisierung der persönlichen Habe (E. 3a);
- persönliche Effekten in der Zelle (E. 3b);
- Beschränkung und Entzug des Spazierganges als besondere Sicherungsmassnahme (E. 3c);
- Mahlzeitenregelung (E. 3g);
- Sonderkost (E. 3h);
- Zulassung von Alkohol, Medikamenten, Drogen und Tabakwaren (E. 3i);
- allgemeine Spaziergangsregelung (E. 3k);
- Bezug von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften (E. 3l);
- Fernsehkonsum (E. 3m);
- Besuchsregelung (E. 3n-o);
- Briefverkehr (E. 3p-q);
- Einschränkungen des Bücher- und Zeitungsbezuges bzw. des Radio- und Fernsehempfanges als Disziplinarsanktion (E. 3r);
- Disziplinarverfahren, richterliche Prüfung (E. 3s);
- Entzug des Spazierganges während den ersten drei Tagen bei Arrest (E. 3t).
4. Zusammenfassendes Ergebnis (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 66
BGE 118 Ia 64 S. 66
Gestützt auf §§ 29 f. des zürcherischen Gesetzes über das kantonale Strafrecht und den Vollzug von Strafen und Massnahmen vom 30. Juni 1974 erliess der Regierungsrat des Kantons Zürich am 24. April 1991 eine neue Verordnung über die Bezirksgefängnisse (GVO), welche am 24. Mai 1991 im Zürcher Amtsblatt veröffentlicht wurde. Innert 30 Tagen seit der amtlichen Publikation hat Ludwig A. Minelli den Erlass mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten. Er stellt den Antrag, es seien verschiedene Bestimmungen der neuen Gefängnisverordnung aufzuheben. Zur Begründung macht der Beschwerdeführer u.a. geltend, durch die angefochtenen Bestimmungen würden folgende Grundrechte bzw. verfassungsmässige Grundsätze verletzt:
BGE 118 Ia 64 S. 67
- Garantie der persönlichen Freiheit;
- Gleichheitsgebot und Willkürverbot (
Art. 4 BV
);
- Eigentumsgarantie (
Art. 22ter BV
);
- Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes (Art. 2 ÜbBest.BV);
-
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(Anspruch auf faires Verfahren und unabhängigen Richter);
-
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
(Unschuldsvermutung);
-
Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c EMRK
(Recht auf ausreichende Verteidigung);
-
Art. 8 EMRK
(Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens und des Briefverkehrs);
-
Art. 10 EMRK
(Meinungsäusserungsfreiheit);
-
Art. 14 EMRK
(Diskriminierungsverbot).
Der Inhalt der angefochtenen Vorschriften und die einzelnen gegen den angefochtenen Erlass vorgebrachten Rügen ergeben sich aus den nachfolgenden Erwägungen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition (
BGE 117 Ia 2
E. 1).
b) Gemäss
Art. 90 Abs. 1 lit. a OG
muss die Beschwerdeschrift die Anträge des Beschwerdeführers enthalten, gemäss lit. b der gleichen Bestimmung im Falle der Anfechtung von Erlassen ausserdem eine kurzgefasste Darlegung darüber, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass verletzt worden sind. Der Beschwerdeführer macht u.a. geltend, die §§ 34 Abs. 2 lit. b, 40 Abs. 6, 43, 45g, Abs. 5, 52 Abs. 5, 59 Abs. 4 und 64 des angefochtenen Erlasses würden gegen
Art. 6 EMRK
verstossen, da von den entsprechenden Einschränkungen "zivilrechtliche Ansprüche" im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
betroffen seien, über die nur eine richterliche Behörde entscheiden dürfe.
aa) Die Garantien von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
, insbesondere der Anspruch auf ein unabhängiges Gericht, gelten im Falle von Entscheidungen über "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" ("contestations sur ses droits et obligations de caractère civil") oder über die Stichhaltigkeit einer "strafrechtlichen Anklage"
BGE 118 Ia 64 S. 68
("toute accusation en matière pénale"). Im Gegensatz zu Streitigkeiten über Zivilansprüche aus einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis ist
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
somit bei Streitigkeiten aus dem Kernbereich des öffentlichen Rechtes und im Rahmen von besonderen Rechtsverhältnissen des Bürgers zu staatlichen Institutionen grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl 1985,
Art. 6 N 8
, N 22). Auch allfällige mittelbare Auswirkungen des Verfahrens auf zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen führen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes sowie des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht zur Anwendbarkeit von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(
BGE 115 Ia 464
E. b;
BGE 115 Ib 550
f. E. a, je mit Hinweisen; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O.,
Art. 6 N 10
). Nach der Praxis des Bundesgerichtes, welche ebenfalls mit derjenigen der Rechtsprechungsorgane der Europäischen Menschenrechtskonvention übereinstimmt, unterstehen im besonderen auch Disziplinarmassnahmen während Untersuchungs- und Sicherheitshaft bzw. während dem Strafvollzug (mangels einer "strafrechtlichen Anklage") in der Regel nicht dem Anwendungsbereich von
Art. 6 EMRK
. Das Bundesgericht prüft jedoch im konkreten Fall, ob besondere Umstände vorliegen, welche die Anwendbarkeit der betreffenden Verfassungs- und Konventionsgarantien ausnahmsweise gebieten (vgl.
BGE 117 Ia 187
ff. = EuGRZ 18 (1991) 429 f., mit Hinweisen; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O.,
Art. 6 N 24
).
bb) Im vorliegenden Fall kann offengelassen werden, ob die genannten Bestimmungen der angefochtenen Verordnung "zivilrechtliche Ansprüche" im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
betreffen, wie dies der Beschwerdeführer behauptet. Weder hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer in seinem ausführlichen formellen Beschwerdeantrag § 68 GVO angefochten, noch macht er in der Beschwerdebegründung geltend, die Rechtsmittelordnung von § 68 GVO (welcher in Abs. 2 die Justizdirektion als zweite kantonale Rekursinstanz vorsieht) verletze
Art. 6 EMRK
. Fälschlicherweise geht der Beschwerdeführer davon aus, die angefochtene Verordnung schweige sich über die Rechtsmittel aus. Dies trifft nicht zu, vielmehr werden diese explizit und auch in systematisch klarer Weise geregelt ("II. Allgemeine Vollzugsbestimmungen, 10. Rechtsmittel"). Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss geltend machen will, die Rechtsmittelordnung des angefochtenen Erlasses verstosse gegen
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
, kann daher auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
BGE 118 Ia 64 S. 69
d) Die staatsrechtliche Beschwerde kann erhoben werden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger, Verletzung von Konkordaten und Staatsverträgen (mit Ausnahmen) und wegen Verletzung von bundesrechtlichen Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit der Behörden (
Art. 84 Abs. 1 lit. a-d OG
). Soweit der Beschwerdeführer lediglich einen Verstoss gegen einfaches kantonales Gesetzesrecht rügt, kann auf die Beschwerde daher ebenfalls nicht eingetreten werden. Ebensowenig macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Grundrechten durch §§ 34 Abs. 2 lit. b und 47 GVO geltend, wenn er sich auf Ziff. 20 der Resolution (73) 5 des Ministerkomitees des Europarates über Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen vom 19. Januar 1973 beruft (vgl.
BGE 111 Ia 344
f. E. 3a).
e) Von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen, bei denen die verfassungsmässige Ordnung nicht schon durch Aufhebung des angefochtenen Entscheides oder Erlasses wiederhergestellt werden kann, ist die staatsrechtliche Beschwerde rein kassatorischer Natur (
BGE 115 Ia 297
E. 1a;
BGE 114 Ia 212
E. 1b, je mit Hinweisen). Das Bundesgericht kann eine als verfassungswidrig erkannte Verfügung oder Bestimmung nur aufheben, nicht aber abändern oder ersetzen. Bei der abstrakten Normenkontrolle hebt es nötigenfalls den ganzen Erlass, nach Möglichkeit aber nur die einzelnen verfassungswidrigen Bestimmungen auf (
BGE 113 Ia 146
;
BGE 110 Ia 13
E. e). Soweit der Beschwerdeführer das Fehlen von gewissen "positiven Ansprüchen" in der angefochtenen Verordnung bemängelt und sinngemäss deren Ergänzung verlangt, kann daher auf die Beschwerde ebenfalls nicht eingetreten werden.
2.
Bevor auf die in der staatsrechtlichen Beschwerde gegen die revidierte Zürcher Bezirksgefängnisverordnung erhobenen Rügen im einzelnen eingegangen wird, rechtfertigen sich einige Vorbemerkungen zu den Rechtsgrundlagen für den straf- und strafprozessrechtlichen Freiheitsentzug sowie zur Praxis des Bundesgerichtes betreffend Verfassungsmässigkeit von Haftbedingungen in Untersuchungshaft und Strafvollzug.
a) Einleitend ist auf die Bedeutung der einschlägigen Resolutionen und Empfehlungen der Organe des Europarates auf dem Gebiete des Freiheitsentzugsvollzuges hinzuweisen.
Am 19. Januar 1973 beschloss das Ministerkomitee des Europarates, gestützt auf Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung der Gefangenen vom 31. Juli 1957, die Resolution (73) 5 betreffend Mindestgrundsätze für die Behandlung der
BGE 118 Ia 64 S. 70
Gefangenen. In der Recommandation (82) 17 vom 24. September 1982 gab das Ministerkomitee besondere Empfehlungen für die Inhaftierung und Behandlung von gefährlichen Gefangenen ab. Am 12. Februar 1987 billigte das Ministerkomitee des Europarates in der Empfehlung (87) 3 eine überarbeitete Fassung der allgemeinen Europäischen Haft- und Strafvollzugsgrundsätze ("Règles pénitentiaires européennes"; vgl. Europäische Strafvollzugsgrundsätze, Gemeinsame Übersetzung für die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Österreich und die Schweizerische Eidgenossenschaft, Heidelberg 1988). Die Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen, welche sich auf Empfehlungen und Entschliessungen der Organe des Europarates stützen, haben für die zuständigen Legislativ- und Exekutivbehörden der Mitgliedstaaten den Charakter von Richtlinien und Empfehlungen für einen zweckmässigen Vollzug freiheitsentziehender Sanktionen. Sie sind nach der Praxis des Bundesgerichtes indessen nicht in der Weise völkerrechtlich verbindlich, dass die Missachtung der Mindestgrundsätze für sich allein als Verstoss gegen verfassungsmässige Rechte der Bürger oder wegen Verletzung eines Staatsvertrages mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden könnte, und sie begründen insofern keine subjektiven Rechte und Pflichten. Da in den Mindestgrundsätzen aber die gemeinsame Rechtsüberzeugung der Mitgliedstaaten des Europarates zum Ausdruck kommt, werden sie vom Bundesgericht bei der Konkretisierung der Grundrechtsgewährleistungen der Bundesverfassung sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention gleichwohl berücksichtigt (
BGE 111 Ia 344
f. E. 3a;
BGE 106 Ia 282
E. 3c;
BGE 105 Ia 102
;
BGE 103 Ia 309
;
BGE 102 Ia 284
f. E. 2c, 308). Sie beinhalten wichtige Richtlinien für eine moderne strafrechtliche Freiheitsentzugspraxis, zur Wahrung des Grundrechtes der Achtung der Menschenwürde und des auch den Gefangenen zukommenden verfassungsmässigen Mindestanspruches auf persönliche Freiheit (vgl. PIERRE-HENRI BOLLE, Über verfassungs- und allgemeinrechtliche Bestimmungen des Freiheitsentzuges in der Schweiz, Requiem für die verblichenen Mindestgrundsätze, Der Strafvollzug in der Schweiz, 2/3 1988, S. 44; KURT FURGLER, Geleitwort, in: Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen, Europäische Fassung, Karlsruhe 1975, S. 11). Soweit die Mindestgrundsätze des Europarates dagegen kriminalpolitische Ziele festlegen, obliegt ihre Verwirklichung nicht der Verfassungsrechtsprechung, sondern den politischen Behörden des Bundes und der Kantone, in deren Kompetenz die Gesetzgebung und Rechtsanwendung hinsichtlich Strafvollzug und Strafprozessrecht gehört.
BGE 118 Ia 64 S. 71
b) Gemäss
Art. 64bis Abs. 2 BV
sind die Kantone ausserhalb der Zuständigkeit der Bundesstrafrechtspflege zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafprozessrechtes befugt. Somit können sie auch Bestimmungen über den Vollzug von Untersuchungs- und Sicherheitshaft erlassen. Was das Strafvollzugsrecht betrifft, so ist der Bund gemäss
Art. 64bis Abs. 3 BV
befugt, den Kantonen zur Errichtung von "Straf-, Arbeits- und Besserungsanstalten" und für Verbesserungen im Strafvollzug Beiträge zu gewähren (vgl. Bundesgesetz über die Leistungen des Bundes für den Straf- und Massnahmenvollzug vom 5. Oktober 1984, SR 341, sowie bundesrätliche Verordnung vom 29. Oktober 1986, SR 341.1). Im übrigen überlässt
Art. 64bis Abs. 3 BV
das Strafvollzugsrecht implizit den Kantonen (
Art. 3 BV
; vgl. STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Zürich 1989,
Art. 374 StGB
N 1).
Art. 397bis StGB
räumt dem Bundesrat indessen die Befugnis zum Erlass von ergänzenden Bestimmungen im Bereich des Strafvollzugsrechtes ein. Von dieser Kompetenz hat der Bundesrat teilweise Gebrauch gemacht, teilweise wird den Kantonen ausdrücklich die Regelung der aufgezählten Fragen überlassen (vgl. z.B.
Art. 397bis Abs. 1 lit. k StGB
i.V.m.
Art. 6 Abs. 1 VStGB 1
betreffend Anstaltskleidung und Anstaltskost). In Art. 5 der Verordnung (1) zum Schweizerischen Strafgesetzbuch vom 13. November 1973 (VStGB 1) wurde insbesondere eine Rahmenregelung für den Empfang von Besuchen und den Briefverkehr getroffen (
Art. 5 Abs. 1 VStGB 1
lautet wie folgt: "Der Empfang von Besuchen und der Briefverkehr sind nur soweit beschränkt, als es die Ordnung in der Anstalt gebietet. Die Anstaltsleitung kann wenn nötig im Einzelfall weitere Einschränkungen verfügen"; vgl. auch
Art. 4 VStGB 1
betreffend tageweisen Strafvollzug und Halbgefangenschaft, Art. 1 VStGB 2 betreffend Vollzugsanstalten für Frauen oder
Art. 1 und 2 VStGB 3
betreffend Halbgefangenschaft und Strafvollzug in einer Massnahmeanstalt). Weitere Rahmenbedingungen für den Strafvollzug ergeben sich aus
Art. 37-40 StGB
(insbesondere betreffend Einzelhaft,
Art. 37 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
, und den Vollzug von kurzen Gefängnisstrafen,
Art. 37bis StGB
). Die
Art. 376-378 StGB
enthalten schliesslich eine summarische Regelung über den Verdienstanteil (Pekulium) für Gefangenenarbeit.
Art. 6 Abs. 1 VStGB 1
i. V. m.
Art. 397bis Abs. 1 lit. m StGB
beauftragt die Kantone diesbezüglich mit der näheren Regelung.
Die Untersuchungs- und Sicherheitshaft im Rahmen der Bundesstrafrechtspflege ist in
Art. 44-64 BStP
und
Art. 54-61 MStP
BGE 118 Ia 64 S. 72
geregelt. Insbesondere ist der Untersuchungs- und Sicherheitsgefangene, der dem Bundesstrafprozess untersteht, berechtigt, sich auf eigene Kosten zu verpflegen (
Art. 48 Abs. 2 BStP
).
Im übrigen ist die Gesetzgebung auf dem Gebiet des straf- und strafprozessrechtlichen Freiheitsentzuges Angelegenheit der kantonalen Gesetzgebung (Art. 64bis Abs. 2 und 3 i.V.m.
Art. 3 BV
).
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Erlasses im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn zugemessen werden kann, der sie mit den angerufenen Verfassungsgarantien vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt die Vorschrift nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist. Werden wie im vorliegenden Fall neben verfassungsmässigen Rechten Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention angerufen, so ist in gleicher Weise zu prüfen, ob der angefochtenen kantonalen Norm ein Sinn zugemessen werden kann, der sie mit dieser vereinbar erscheinen lässt; das Bundesgericht hebt demnach die angefochtene Vorschrift nur auf, wenn sie sich auch einer konventionskonformen Auslegung entzieht (
BGE 114 Ia 354
f. E. 2, 401 f. E. 5;
BGE 113 Ia 131
, 261 E. b, 324 E. 5c;
BGE 111 Ia 25
f. E. 2;
BGE 109 Ia 277
E. 2a mit Hinweisen). Im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle hebt das Bundesgericht nötigenfalls den ganzen Erlass, nach Möglichkeit aber nur die einzelnen verfassungswidrigen Bestimmungen auf (
BGE 113 Ia 131
, 146, 261 E. b;
BGE 110 Ia 13
E. 1e). Ob ein kantonaler Erlass mit dem Bundesverfassungsrecht vereinbar ist, prüft das Bundesgericht frei (
BGE 114 Ia 354
E. 2;
BGE 113 Ia 131
;
BGE 111 Ia 24
E. 2 mit Hinweisen). Mit Rücksicht auf die verfassungsmässige Kompetenzordnung im föderalistischen Bundesstaat legt sich jedoch das Bundesgericht als Staatsgerichtshof bei der Prüfung kantonaler Erlasse (gerade im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle) eine gewisse Zurückhaltung auf, welche allerdings mit der dem Bundesgericht durch
Art. 113 BV
übertragenen Aufgabe der Verfassungsgerichtsbarkeit vereinbar sein muss (vgl.
BGE 115 Ia 244
f. E. 3c). Da die Haftbedingungen in hohem Masse von den lokalen Gegebenheiten, insbesondere den sachlichen und personellen Möglichkeiten der einzelnen Vollzugseinrichtungen, abhängig sind, lässt das Bundesgericht den kantonalen Instanzen beim Erlass von Gefängnisverordnungen einen weiten Ermessensspielraum (
BGE 106 Ia 280
E. 3 mit Hinweisen; unveröffentlichte Urteile vom
BGE 118 Ia 64 S. 73
9. Oktober 1989 i.S. L. B., S. 5, vom 27. September 1989 i.S. A. B., S. 12, E. 4a, sowie vom 29. Januar 1987 i.S. M., S. 5 mit Hinweisen).
d) Die Verfassungsmässigkeit einer Gefängnisverordnung, welche die Haftbedingungen regelt, ist vorab unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Freiheit zu beurteilen (
BGE 113 Ia 327
E. 4). Die Garantie der persönlichen Freiheit ist ein ungeschriebenes Grundrecht der Bundesverfassung, das nicht nur die Bewegungsfreiheit und die körperliche Integrität, sondern darüber hinaus alle Freiheiten schützt, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung darstellen. Das Recht auf persönliche Freiheit gilt indessen, wie die übrigen Freiheitsrechte, nicht absolut. Beschränkungen sind zulässig, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind; zudem dürfen die verfassungsmässigen Freiheitsrechte weder völlig unterdrückt noch ihres Gehaltes als Institution der Rechtsordnung entleert werden (
BGE 113 Ia 327
f.;
BGE 112 Ia 162
E. 3a;
BGE 111 Ia 232
f. E. 3a, je mit Hinweisen).
Die Beschränkung der Freiheitsrechte von Gefangenen darf nicht über das hinausgehen, was zur Gewährleistung des Haftzweckes und zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen Anstaltsbetriebes erforderlich ist (
BGE 113 Ia 328
E. 4 mit Hinweisen; WALTER HALLER, BV-Sammelkommentar, Basel 1987 ff., persönliche Freiheit, N 147). Die von der Bundesverfassung garantierten Freiheitsrechte, insbesondere die persönliche Freiheit, stehen auch dem Untersuchungsgefangenen zu. Dieser darf in seinen Freiheitsrechten nur soweit eingeschränkt werden, als es der Untersuchungszweck erfordert (
BGE 116 Ia 421
;
BGE 107 Ia 149
, je mit Hinweisen; vgl. WALTER HALLER, a.a.O., N 147). Die aus den Haftbedingungen resultierenden Freiheitsbeschränkungen müssen auch mit den Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sein. Diese gewährleistet indessen im Bereich der Haftbedingungen keine über das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit hinausgehenden Rechte (
BGE 113 Ia 328
E. 4). In dem die Schweiz betreffenden Urteil vom 20. Juni 1988 i.S. Schönenberger und Durmaz hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgehalten, dass der Zweck der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen im Falle von Untersuchungsgefangenen empfindlichere Eingriffe rechtfertigen könne als bei Personen, die sich in Freiheit befinden (EGMR Série A, vol. 137, Ziff. 25). Was Untersuchungs- und Sicherheitshäftlinge betrifft, können die Erfordernisse des Untersuchungszweckes nur im konkreten
BGE 118 Ia 64 S. 74
Einzelfall präzise bestimmt werden. Je höher die Flucht- oder die Kollusionsgefahr erscheint, oder je stärker der ordnungsgemässe Gefängnisbetrieb gefährdet ist, desto restriktiver können die Haftbedingungen sein. Ebenso sind Einschränkungen der Freiheitsrechte zur Gewährleistung der Sicherheit der Mitgefangenen und des Gefängnispersonals grundsätzlich zulässig (
BGE 113 Ia 328
E. 4).
Der Schutzbereich der einzelnen Freiheitsrechte samt ihren Ausprägungen sowie die Grenzen der Zulässigkeit von Eingriffen sind im Einzelfall angesichts von Art und Intensität der Beeinträchtigung zu bestimmen (vgl.
BGE 117 Ia 30
E. 5a mit Hinweis).
3.
a) Der Beschwerdeführer ficht als erste Vorschrift § 27 Abs. 1 Satz 4 GVO an, welche gegen
Art. 22ter BV
verstosse. Er macht geltend, das Eigentum des Gefangenen werde "gefährdet", weil gemäss dieser Bestimmung grössere Gepäckstücke ohne Inventarisierung des Inhaltes in das Effektenverzeichnis aufgenommen werden könnten.
Es kann indessen offengelassen werden, ob die in der Bundesverfassung garantierte Eigentumsgarantie überhaupt einen Anspruch auf Schutz vor blossen angeblichen Gefährdungen des Privateigentums des Gefangenen gewährleistet. Die angefochtene Bestimmung kann jedenfalls verfassungskonform angewendet werden. Nach der in § 27 Abs. 1 GVO getroffenen Regelung müssen grundsätzlich alle dem Gefangenen abgenommenen Gegenstände inventarisiert werden (Satz 1; s. auch
§ 74 StPO
/ZH). Die Richtigkeit von Effektenverzeichnis und Barschaftsgutschrift ist von der Gefängnisverwaltung und vom Gefangenen unterschriftlich zu bestätigen (Satz 3). Gemäss Satz 4 "können" grössere Gepäckstücke nach summarischer Kontrolle ohne Inventarisierung des Inhalts in das Effektenverzeichnis aufgenommen werden. Der klare Wortlaut der angefochtenen Bestimmung verunmöglicht damit eine Regelung nicht, bei der grundsätzlich auch bei grösseren Gepäckstücken - insbesondere bei wertvollem Inhalt - eine sorgfältige Inventarisierung erfolgt, im Falle einer grösseren Menge unterschiedlicher Effekten von geringem Wert dagegen nicht. Entsprechend wird die Bestimmung offenbar laut Vernehmlassung auch von der Justizdirektion ausgelegt (vgl. auch Mindestgrundsatz Nr. 48 des Europarates R (87) 3). Bei einer Anwendung von § 27 Abs. 1 GVO im beschriebenen Sinne bleiben die schützenswerten Vermögensinteressen des Gefangenen in Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einem ohne unverhältnismässigen Aufwand gewährleisteten Betrieb der Bezirksgefängnisse in einer vor der Verfassung ausreichenden Weise
BGE 118 Ia 64 S. 75
gewahrt. Die Rüge ist somit unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann (vgl. E. 1d).
b) Im weiteren richtet sich die Beschwerde gegen § 28 GVO.
aa) Der Beschwerdeführer rügt als erstes, dass die Bestimmung "einen Anspruch des Gefangenen auf Mitnahme eines Schlafsackes in die Zelle vermissen" lasse. Wenigstens sinngemäss macht er u.a. eine Verletzung des ungeschriebenen verfassungsmässigen Rechtes der persönlichen Freiheit ("körperliches Wohlbefinden") geltend. Soweit der Beschwerdeführer dabei die kassatorische Natur der staatsrechtlichen Beschwerde bzw. die zulässigen Beschwerdegründe verkennt, ist auf die entsprechenden Rügen nicht einzutreten (vgl. E. 1d-e). Im übrigen wären sie insoweit unbegründet, als die Nichterwähnung eines Anspruches auf Mitnahme eines Schlafsackes keineswegs bedeutet, dass der Schlafkomfort des Gefangenen deswegen in einer die persönliche Freiheit verletzenden Weise beeinträchtigt würde. Der Beschwerdeführer übersieht, dass der Wortlaut der angefochtenen Bestimmung die Behörden nicht daran hindert, nötigenfalls - etwa aus baulichen oder witterungsbedingten Gründen - Schlafsäcke oder andere Ausrüstungsgegenstände zur Gewährleistung eines ausreichenden Schlafkomforts an die Gefangenen abzugeben (vgl. auch § 28 Abs. 5 GVO: "Die Gefängnisverwaltung kann die Mitnahme weiterer Gegenstände der persönlichen Habe in die Zelle gestatten"). Auch der Mindestgrundsatz Nr. 24 des Ministerkomitees des Europarates R (87) 3, der dem Gefangenen das Recht auf ein Bett und angemessenes eigenes Bettzeug ("d'un lit et d'une literie individuelle convenables") einräumt, geht über diese Anforderungen nicht hinaus.
bb) Aus ähnlichen Gründen geht auch die Rüge fehl, der "fehlende positive Anspruch auf Schreibapparate" verletze verschiedene Garantien der EMRK. Der Text von § 28 Abs. 3 GVO, der es dem Gefangenen u.a. erlaubt, "Schreibzeug" in die Zelle mitzunehmen, schliesst entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers die Bewilligung von Schreibapparaten (Schreibmaschinen, evtl. Personal Computer) in begründeten Fällen keineswegs aus. Der Begriff des "Schreibzeugs" kann bei der konkreten Anwendung der angefochtenen Bestimmung durchaus in diesem Sinne und damit verfassungs- und konventionskonform ausgelegt werden. Dass das Wörterbuch, welches der Beschwerdeführer in der Beschwerdeergänzung zitiert, eine andere, einschränkendere Auslegung nahelegt, ist nicht weiter erstaunlich, beruft er sich doch auf ein Wörterbuch aus dem Jahre 1899. Auch im Mindestgrundsatz Nr. 97 des Europarates, der sich
BGE 118 Ia 64 S. 76
auf Untersuchungsgefangene bezieht, ist im übrigen von Schreibmaterial ("writing materials", "matériel nécessaire pour écrire") die Rede.
cc) Analoges gilt auch für das Vorbringen, § 28 GVO lasse "eine Norm darüber vermissen", dass die Mitnahme von Tieren in die Zelle gestattet sei. Soweit auf die Rüge der Verletzung der persönlichen Freiheit überhaupt eingetreten werden kann (vgl. E. 1e), ist sie unbegründet. Die angefochtene Bestimmung schliesst die Zulassung von Kleintieren nicht zum vornherein aus (vgl. insbesondere § 28 Abs. 5 GVO). Dabei muss allerdings festgehalten werden, dass Einschränkungen der persönlichen Freiheit im Interesse von Sicherheit und Hygiene sowie der Aufrechterhaltung des ordnungsgemässen Gefängnisbetriebs in den Grenzen des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes zulässig sind (vgl. E. 2d). Jedenfalls bei einer Zulassung von Katzen und Hunden wären nicht nur Sicherheit und Hygiene im Gefängnis in Frage gestellt, auch die Tierhaltung selber wäre kaum artgerecht und im Interesse des Tieres in der Regel nicht wünschenswert.
c) Die Beschwerde richtet sich sodann gegen § 34 Abs. 2 lit. b GVO, welcher als besondere Sicherungsmassnahme bei erhöhter Fluchtgefahr oder bei Gefahr von Gewaltanwendung die Beschränkung oder den Entzug des Spaziergangs vorsieht. Nach der Ansicht des Beschwerdeführers verletzt die Bestimmung insbesondere die persönliche Freiheit und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
.
aa) Es fragt sich, ob der völlige Entzug des Spazierganges aus Sicherheitsgründen vor der Verfassung standhält.
Gemäss der Praxis des Bundesgerichtes ist ab zweiter Woche der Inhaftierung ein täglicher Spaziergang an der frischen Luft von mindestens einer halben Stunde zur Erhaltung der physischen und psychischen Gesundheit der Gefangenen notwendig und stellt als Ausprägung der persönlichen Freiheit einen verfassungsmässigen Mindestanspruch des Inhaftierten dar (
BGE 106 Ia 293
E. 8a;
BGE 102 Ia 292
). Dieser Minimalanspruch muss grundsätzlich auch gefährlichen Häftlingen zuerkannt werden. Den entsprechenden Risiken für die Sicherheit des Gefängnisses ist mit geeigneten technischen und organisatorischen Massnahmen zu begegnen. So hat das Bundesgericht in einem unveröffentlichten Entscheid vom 27. September 1989 i.S. A. B. das Haftregime für einen mutmasslichen gefährlichen Gewaltverbrecher als insgesamt zu streng angesehen, bei dem der Gefangene in Isolationshaft gehalten wurde und lediglich einen stündlichen Spaziergang in einem allseitig vergitterten Gang mit betoniertem
BGE 118 Ia 64 S. 77
Dach absolvieren durfte (a.a.O., S. 14, S. 16 f.). Wie eine Delegation des Bundesgerichtes anlässlich eines Augenscheines im Genfer Gefängnis Champ-Dollon feststellen konnte, sind sinnvolle Lösungen für ausreichende körperliche Betätigung im Freien auch für gefährliche Gefangene technisch realisierbar. In Champ-Dollon wurde ein Hochsicherheitstrakt für besonders gefährliche Gefangene geschaffen. Unter anderem wurde ein ausbruchsicheres grosses Käfig auf dem Gefängnisdach eingerichtet, worin sich diverse Sportgeräte befinden. Auch für den Kanton Zürich sollte im Falle besonderer Sicherheitsrisiken eine ähnliche Lösung gefunden werden können. Die Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates betreffend Inhaftierung und Behandlung von gefährlichen Gefangenen sehen die Einrichtung von speziellen Hochsicherheitstrakten ausdrücklich vor (vgl. Recommandation R (82) 17, Exposé des motifs, Ziff. 111). Trotz Fluchtgefahr oder Risiko der Gewaltanwendung muss auch gefährlichen Gefangenen nach dem Gesagten grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt werden, sich einmal täglich während mindestens einer halben Stunde im Freien bewegen bzw. körperlich betätigen zu können. Dies entspricht auch dem Grundsatz Nr. 1 der Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates R (82) 17, wonach auf gefährliche Gefangene soweit als möglich ("dans toute la mesure du possible") die allgemeinen Haftregeln anzuwenden seien. Vorbehalten sind einschränkende disziplinarische Sanktionen im Falle von schweren Disziplinarvergehen (vgl. E. t).
Insofern als die angefochtene Bestimmung den völligen Entzug des Spazierganges als Sicherungsmassnahme zulässt, ist die Beschwerde daher begründet, soweit auf sie eingetreten werden kann (vgl. E. 1b, d). Ob die allgemeine Spaziergangsregelung selber (§ 47 GVO) oder der Entzug des Spaziergangs in den ersten drei Tagen aus disziplinarischen Gründen (Arrest, § 66 Abs. 4 GVO) grundrechtskonform erscheinen, wird im folgenden noch zu beurteilen sein (E. k, t).
bb) Soweit der Spaziergang nicht stärker beschränkt wird, als es der dargelegte grundrechtliche Minimalstandard erfordert, ist ein besonderes Haftregime aus Sicherheitsgründen und eine entsprechende Einschränkung der allgemeinen Spaziergangsregelung in zeitlicher oder organisatorischer Hinsicht dagegen zulässig. In diesem Sinne ist gegen eine "Beschränkung des Spaziergangs" als Sicherungsmassnahme nach § 34 Abs. 2 lit. b GVO von Verfassungs wegen nichts einzuwenden. Was die Rüge der Verletzung von
BGE 118 Ia 64 S. 78
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
betrifft, da die Beschränkung des Spazierganges von einer nichtrichterlichen Behörde angeordnet werde, so ist die Beschwerde unbegründet, soweit sie überhaupt zulässig ist. Es kann offengelassen werden, ob die Beschränkung des Spazierganges aus Sicherheitsgründen einen Eingriff in "zivilrechtliche Ansprüche" oder eine selbständige strafrechtliche Sanktion im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
darstellt, und nicht bloss ein spezielles Haftregime für gefährliche Gefangene. Die angefochtene Bestimmung regelt lediglich die erste Anordnung von besonderen Sicherungsmassnahmen und schliesst selber eine richterliche Überprüfung der Massnahme - sollte sie überhaupt in den Anwendungsbereich von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
fallen - nicht aus. Die Rechtsmittelordnung von § 68 GVO dagegen hat der Beschwerdeführer ausdrücklich nicht angefochten.
g) Der Beschwerdeführer ficht § 41 GVO an, wonach den Gefangenen durch die Gefängnisverwaltung täglich drei Mahlzeiten zu verabreichen sind. Damit werde auch für Untersuchungs- und Sicherheitsgefangene "implizite die Beschaffung von Mahlzeiten für Gefangene auf deren eigene Kosten durch Gasthäuser am Platze ausgeschlossen". Die Rüge der Verletzung von
Art. 6 Ziff. 2 und
Art. 8 EMRK
sowie der persönlichen Freiheit ist unbegründet. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass selbst für den Fall, dass Verfassung und Konvention einen Anspruch von nicht verurteilten Gefangenen auf auswärtige Verpflegung gewährleisten würden, der angefochtene Erlass eine solche nicht ausschliesst. § 41 sowie § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GVO bestimmen lediglich, welche Verpflegung die Gefängnisverwaltung abgeben muss. In § 42 Abs. 2 Satz 2 ist die Möglichkeit einer privaten zusätzlichen Verpflegung mittels "Einkauf" sogar grundsätzlich vorgesehen, zumindest aber nicht ausgeschlossen.
Zum anderen kann die persönliche Freiheit von Untersuchungs- und Sicherheitsgefangenen eingeschränkt werden, soweit dies zur Gewährleistung des Haftzweckes notwendig ist (vgl. E. 2d). Ein entsprechender Eingriffsvorbehalt ist auch in
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
vorgesehen. Bei einer Verpflegung durch aussenstehende Private, insbesondere Gasthäuser, ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass Missbrauch betrieben und von interessierten Dritten oder den Gefangenen selber versucht werden könnte, Gegenstände ins oder aus dem Gefängnis zu schmuggeln (insbesondere Kassiber, Drogen, Medikamente, Kleinwaffen und -werkzeuge u.ä., vgl. auch
BGE 113 Ia 330
E. 5). Zur Verhinderung möglicher Missbräuche wäre die Gefängnisverwaltung gezwungen, gegebenenfalls mehrmals täglich
BGE 118 Ia 64 S. 79
alle extern gelieferten Mahlzeiten sorgfältig zu kontrollieren und umzuschöpfen. Das öffentliche Interesse an der Nichtgefährdung des Haftzweckes und an der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen Gefängnisbetriebes ohne unverhältnismässigen Verwaltungsaufwand ist grundsätzlich höher einzustufen als der Wunsch des Gefangenen, sich nach seinen persönlichen Wünschen extern verpflegen lassen zu können. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die Gefängnisverpflegung ausreichend und dem Geschmack eines nicht allzu verwöhnten Konsumenten zumutbar ist. Ausserdem sind im angefochtenen Erlass Sonderkostregelungen für besondere Fälle ausdrücklich vorgesehen bzw. zumindest nicht ausgeschlossen (vgl. E. h). Die zusätzliche Berufung auf
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
erfolgt schliesslich offensichtlich zu Unrecht. Dadurch, dass Untersuchungs- und Sicherheitshäftlingen die gleiche Kost verabreicht wird wie Strafgefangenen, wird ihnen in keiner Weise die Schuld an einer strafbaren Handlung zugewiesen.
h) Der Beschwerdeführer wendet sich im weiteren gegen § 42 Abs. 2 GVO, weil die Bestimmung eine Sonderkost lediglich aus religiösen Gründen vorsehe. Dadurch würden insbesondere Vegetarier in einer
Art. 14 EMRK
verletzenden Weise diskriminiert. Es kann im vorliegenden Fall indessen offengelassen werden, ob über die Regelung im angefochtenen Erlass hinaus ein Grundrechtsanspruch auf Sonderkost, insbesondere auf streng vegetarische Ernährung, besteht. Zum einen schliesst schon § 41 GVO das Angebot einer vegetarischen Mahlzeit durch die Gefängnisküche nicht aus. Im Sinne von Satz 2 dieser Bestimmung könnte die Justizdirektion durchaus die hierfür nötigen Weisungen erlassen. Dass § 42 Abs. 2 GVO die Abgabe einer Sonderkost aus religiösen Gründen ausdrücklich zulässt, schliesst keineswegs aus, dass im ordentlichen Menüplan der Gefängnisse gemäss § 41 GVO eine vegetarische Mahlzeit ermöglicht wird. Deren Abgabe wird im Erlass nirgends ausgeschlossen. Zusätzlich gewährleistet § 42 Abs. 1 GVO, der sich auf die ärztlich verordnete Diätkost und Zusatzverpflegung bezieht, die Möglichkeit, dass sich der Gefangene beim Arzt um Bewilligung einer von ihm gewünschten Sonderkost bemüht. Im Sinne einer verfassungsmässigen Auslegung von §§ 41 f. GVO ist in diesem Rahmen allerdings zu erwarten, dass auf ernsthaften Wunsch des Gefangenen auch den berechtigten Interessen namentlich von konsequenten Vegetariern bei der Anwendung des angefochtenen Erlasses Rechnung getragen wird. Die Empfehlung Nr. 25 Ziff. 1 des Ministerkomitees des Europarates R (87) 3 verlangt, dass hinsichtlich
BGE 118 Ia 64 S. 80
Gefangenenverpflegung den religiösen und kulturellen Überzeugungen soweit wie möglich ("dans toute la mesure du possible") Rechnung zu tragen sei. Der Vorwurf der Grundrechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung ist dagegen unbegründet.
i) Der Beschwerdeführer verlangt auch die Aufhebung von § 43 Abs. 1 GVO, welcher den Genuss von Alkohol und nicht vom Gefängnisarzt verschriebener oder zugelassener Medikamente und Drogen verbietet. Es werde dadurch insbesondere in unzulässiger Weise in die persönliche Freiheit der Gefangenen eingegriffen. Zum Alkoholverbot macht der Beschwerdeführer geltend, mässiger Genuss von Bier, Wein und Spirituosen gehöre hierzulande zur "Kultur der Verpflegung". Auch Medikamente, welche von den Gefangenen in Freiheit benützt werden, müssten ohne Kontrolle durch den Gefängnisarzt verwendet werden können. Unter dem in § 43 Abs. 1 verwendeten Begriff "Drogen" könnten auch völlig harmlose Stoffe, etwa Gewürze, verstanden werden, deren Verbot unverhältnismässig sei.
Vorauszuschicken ist, dass Gefangene im Strafvollzug bzw. in Untersuchungs- und Sicherheitshaft insoweit zivilen Gewohnheiten und persönlichen Vorlieben entsagen müssen, als das betreffende Verbot zur Gewährleistung des Haftzweckes und der Aufrechterhaltung des geordneten Anstaltsbetriebes notwendig ist. Ein vollständiges Alkoholverbot in Gefängnissen erscheint nicht unverhältnismässig, zumal der informelle Austausch von Alkohol unter den Gefangenen nicht vollständig kontrolliert und unterbunden werden kann. Eine Freigabe beschränkter Mengen würde Missbräuchen (insbesondere Horten und Manipulieren von kleineren Mengen alkoholischer Substanzen, Schwarzhandel usw.) Vorschub leisten und Gefahren von Alkoholismus und Trinkexzessen unter den Gefangenen nach sich ziehen. Nicht zuletzt mit Rücksicht auf sucht- bzw. missbrauchsgefährdete Mitgefangene erscheint ein Verzicht auf Alkoholkonsum im Gefängnis zumutbar und verfassungskonform. Die Missbrauchsgefahr gilt auch für Medikamente und Drogen. Was die Verwendung von Medikamenten betrifft, verbietet die angefochtene Bestimmung nicht, selbst mitgebrachte Arzneimittel weiter zu benützen. Die Verwendung innerhalb der Anstalt wird lediglich von der Zustimmung des Gefängnisarztes abhängig gemacht. Was daran grundrechtswidrig sein könnte, ist nicht einzusehen. Wenn der Gefangene die Ansicht vertritt, er benötige unverzüglich ein Medikament, so steht es ihm frei, die Vorführung vor den Gefängnisarzt zu verlangen (vgl. § 48 Abs. 1 GVO). Völlig zu Recht
BGE 118 Ia 64 S. 81
verbietet die angefochtene Bestimmung den Genuss von Drogen. Naheliegenderweise sind unter dem Begriff der "Drogen" im Sinne des angefochtenen Erlasses Suchtgifte im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes zu verstehen. Dass der Beschwerdeführer eine extensivere Auslegung, welche allerdings vom modernen umgangssprachlichen Begriff der Drogen deutlich abweicht, für zulässig hält, lässt die angefochtene Norm nicht grundrechtswidrig werden. ...
Auch der ebenfalls angefochtene Abs. 2 von § 43 GVO kann verfassungskonform ausgelegt werden. Wenn diese Norm das Rauchen in den Zellen grundsätzlich gestattet, Rauchverbote im übrigen den Hausordnungen überlässt, so steht damit keineswegs fest, dass Gefangene automatisch gegen ihren Willen dem Passivrauchen ausgesetzt werden müssen. Eine sinnvolle Praxis ist durchaus möglich und wird in der Vernehmlassung der Justizdirektion auch angedeutet. So spricht z.B. nichts dagegen, dass ein Raucher in einer Einzelzelle oder zwei Raucher in einer Zweierzelle grundsätzlich rauchen dürfen. Die Hausordnung kann indessen (den konkreten Verhältnissen angepasst) einen angemessenen Schutz vor unerwünschtem Passivrauchen in Unterkünften und Gemeinschaftsräumen vorschreiben. Die angefochtene Bestimmung verstösst damit nicht gegen die persönliche Freiheit.
k) Der Beschwerdeführer rügt sodann, die allgemeine Spaziergangsregelung von § 47 GVO verstosse gegen Mindestgrundsätze des Ministerkomitees des Europarates, da die Bestimmung lediglich einen "mindestens halbstündigen Aufenthalt im Freien" pro Tag vorsehe. Diese Rüge ist auf Grund von Art. 84 Abs. 1 i.V.m.
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
unzulässig (vgl. E. 1d). Es fragt sich indessen, ob die allgemeine Spaziergangsregelung mit dem verfassungsmässigen Grundrecht der persönlichen Freiheit vereinbar ist.
Der Grundsatz Nr. 86 der Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates R (87) 3 sieht einen täglichen Spaziergang von mindestens einer Stunde vor. In
BGE 99 Ia 281
E. 8d erachtete das Bundesgericht noch eine Regelung, welche die körperliche Bewegungsmöglichkeit im Freien auf drei halbstündige Spaziergänge pro Woche beschränkbar erklärte, als verfassungsrechtlich zulässig. Das Bundesgericht hielt jedoch fest, dass die entsprechende Norm der alten Zürcher Bezirksgefängnisverordnung lediglich eine "Minimalregel" enthalte, und dass die in der Beschwerde "geforderte tägliche Bewegung dort, wo es praktisch durchführbar ist", gewährt werden müsse. Drei Jahre später stellte das Bundesgericht insoweit strengere Anforderungen an eine Spaziergangsregelung, als es nach einer Haftdauer
BGE 118 Ia 64 S. 82
von einer Woche einen täglichen Spaziergang von einer halben Stunde als Minimum bezeichnete. Es liess offen, ob von dieser Regel allenfalls "in Ausnahmefällen für eine Übergangszeit" abgewichen werden dürfte. Darüber hinaus hielt es in einem obiter dictum fest, obschon ein entsprechender Grundrechtsanspruch nicht bestehe, müsse es "Ziel der kantonalen Behörden und des Bundes sein, künftig den Gefangenen" im Sinne der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze einen einstündigen Aufenthalt im Freien pro Tag zu gewähren (
BGE 102 Ia 292
). Der verfassungsrechtliche Minimalanspruch auf einen halbstündigen Spaziergang pro Tag ab zweiter Haftwoche wurde in
BGE 106 Ia 293
E. 3a bestätigt.
Ein täglicher wenigstens halbstündiger Spaziergang stellt in Rücksicht auf die geistige und körperliche Gesundheit des Gefangenen das absolute Minimum dar. Im Lichte der dargestellten Rechtsprechung muss aber jedenfalls dort, wo die tatsächlichen Verhältnisse dies zulassen, ein täglicher Spaziergang von einer Stunde Dauer gewährleistet werden. Leider sind noch nicht in allen Bezirksgefängnissen die baulichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen dafür geschaffen. Entsprechende Bemühungen sind indessen dringend notwendig und gemäss Vernehmlassung der Justizdirektion teilweise auch im Gang. Ungeachtet der tatsächlichen Verhältnisse erscheint aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nach einer Haftdauer von einem Monat ein täglicher Spaziergang von mindestens einer Stunde notwendig. Der Wortlaut der allgemeinen Spaziergangsregelung der zürcherischen Bezirksgefängnisverordnung lässt sich mit diesen Grundsätzen insofern nicht vereinbaren, als er die Gewährung eines längeren als halbstündigen Spazierganges pro Tag in das Ermessen der Behörde stellt. § 47 des angefochtenen Erlasses ist daher aufzuheben. Die Gefangenen haben von Beginn weg Anspruch auf Bewegung im Freien von täglich mindestens einer halben Stunde, und wo es die Verhältnisse erlauben, von einer Stunde. Nach einem Monat Haftdauer ist in jedem Fall ein zumindest einstündiger täglicher Spaziergang zu gewährleisten. Vorbehalten bleibt die Beschränkung des Spazierganges aus Sicherheits- und disziplinarischen Gründen (vgl. E. c und t).
l) In der Beschwerde wird geltend gemacht, § 52 Abs. 3 und 5 GVO (insbesondere die vorgesehene Sperrfrist für Zeitungsabonnemente in der ersten Woche) würde gegen die persönliche Freiheit,
Art. 4 BV
sowie
Art. 6 Ziff. 1 und
Art. 10 EMRK
verstossen.
aa) Die Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit, die schon
Art. 55 BV
stillschweigend unter Schutz stellt, gilt, wie auch die
BGE 118 Ia 64 S. 83
persönliche Freiheit, nicht unbegrenzt. Einschränkungen sind zulässig, sofern sie auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind (
BGE 113 Ia 317
mit Hinweisen). Einschränkungen von
Art. 10 Ziff. 1 EMRK
sind nach Massgabe von Ziff. 2 zulässig, wenn sie im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, oder zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Nachrichten unentbehrlich sind. Als "Ordnung" ("l'ordre") im Sinne von
Art. 10 Ziff. 2 EMRK
ist nach der Rechtsprechung der Strassburger Organe insbesondere auch die Gefängnisordnung zu betrachten (vgl. FROWEIN/PEUKERT, a.a.O.,
Art. 10 N 30
). Bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit einer Freiheitsrechtsbeschränkung ist die Schwere des Eingriffs zu berücksichtigen und eine Interessenabwägung zwischen den involvierten privaten und öffentlichen Interessen vorzunehmen (vgl.
BGE 113 Ia 317
f. E. 4b;
BGE 112 Ia 101
).
bb) Der Umstand, in den ersten sieben Tagen der Haft keine eigenen Zeitungen und Zeitschriften abonnieren zu dürfen, bedeutet keinen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte des Gefangenen. Dies umso weniger, als die angefochtene Bestimmung nicht verbietet, dass die Gefangenen schon in der ersten Woche die von anderen Gefangenen oder von der Gefängnisverwaltung abonnierten Presseprodukte erhalten können. § 52 Abs. 3 Satz 2 GVO sieht in diesem Zusammenhang sogar ausdrücklich vor, dass abonnierte Zeitschriften nach Haftende von der Gefängnisverwaltung nicht nachgeschickt, sondern "für andere Gefangene verwendet" werden. Der angefochtene Erlass lässt es ohne weiteres zu, dass das gleiche mit sämtlichen Presseprodukten geschieht, welche von Häftlingen oder Gefängnispersonal zur Verfügung gestellt werden. Auch der Bücherbezug wird in der ersten Woche nicht beschränkt (vgl. § 52 Abs. 1 f. GVO). § 48 der alten Verordnung über die Bezirksgefängnisse hatte noch ausdrücklich ausgeschlossen, dass die Gefangenen in der ersten Woche "von der Gefängnisverwaltung abonnierte" Presseprodukte beziehen durften. Sogar diese absolute Pressesperre betrachtete das Bundesgericht in
BGE 99 Ia 283
E. a als nicht besonders schweren und zulässigen Eingriff. Auf der anderen Seite werden der Gefängnisverwaltung durch die (in der revidierten Verordnung entschärfte) Einschränkung erhebliche Umtriebe erspart, da die Verteilung und Kontrolle (§ 52 Abs. 5 GVO) der privat abonnierten Zeitungen und Zeitschriften bei Gefangenen, die nicht länger als eine Woche inhaftiert sind, wegfällt. Bei
BGE 118 Ia 64 S. 84
Untersuchungsgefangenen kommen noch die Interessen der Verhinderung von Kollusions- und Verdunkelungsgefahr hinzu (vgl. auch § 71 GVO), indem gerade bei solchen, die erst wenige Tage in Haft sind, oft nur schwer beurteilt werden kann, welche Presseinformationen dem Untersuchungs- und Haftzweck abträglich sein könnten (etwa im Falle von Berichten über Straftaten, Flucht von Mitverdächtigen usw.). Der Briefverkehr und der persönliche Kontakt mit dem Verteidiger werden von dieser Massnahme nicht berührt.
Daraus ergibt sich, dass die angefochtene Norm die Freiheitsrechte der Gefangenen nicht in verfassungswidriger Weise einschränkt. Ebenso folgt aus dem Gesagten, dass keine Benachteiligung der erst kürzere Zeit Inhaftierten vorliegt, welche sich entgegen
Art. 4 BV
nicht auf sachliche Gründe stützen könnte. Auf die Rüge der Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
(da gemäss § 52 Abs. 5 GVO die Gefängnisverwaltung und nicht ein Gericht über die Beschränkung oder Verweigerung des Bezuges von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften entscheidet) ist aus den in Erwägung 1b dargelegten Gründen nicht einzutreten.
m) ... Gegenüber § 54 Abs. 2 GVO macht der Beschwerdeführer geltend, die Bestimmung könne dazu führen, dass den Gefangenen verwehrt wird, in der Zelle das Fernsehprogramm ihrer Wahl zu verfolgen. Es sei jedoch "keinem Gefangenen zuzumuten, nur jenes Fernsehprogramm mitansehen zu müssen, das gerade in einem Gemeinschaftsraum läuft", daher verstosse die Bestimmung gegen
Art. 10 EMRK
. - Es kann indessen offengelassen werden, ob dem Gefangenen ein Grundrechtsanspruch darauf zusteht, das Fernsehprogramm seiner Wahl ansehen zu können, so dass das im Gemeinschaftsraum angebotene Programm nicht ausreichen würde. Die Freiheitsrechte eines Gefangenen finden ihre Schranken nämlich an den Rechten der Mitgefangenen und an den Regeln, welche zur Aufrechterhaltung der Gefängnisordnung unerlässlich sind. Zumindest soweit sich der Gefangene nicht in einer Einzelzelle befindet, muss er sich mit Rücksicht auf die Wünsche und Ruhebedürfnisse seiner Mitgefangenen daher durchaus gefallen lassen, mit dem im Gemeinschaftsraum angebotenen Fernsehprogramm vorliebzunehmen. Ob der Betrieb von Fernsehgeräten auch in Einzelzellen die Ruhe von Zellennachbarn übermässig stören kann, hängt von den lokalen Verhältnissen (Schallisolation) ab. Die angefochtene Bestimmung, welche besagt, dass die Hausordnung den Fernsehkonsum von Gefangenen, die zur Gemeinschaft zugelassen sind, auf die Gemeinschaftsräume beschränken
BGE 118 Ia 64 S. 85
"kann", lässt sich somit ohne weiteres differenziert und verfassungskonform auslegen, und ist sachlich gerechtfertigt.
n) Die Beschwerde richtet sich sodann gegen die Sperrfrist von einer Woche für Besuche gemäss § 55 Abs. 1 GVO. Diese verstosse gegen Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c,
Art. 8 und
Art. 10 EMRK
.
aa)
Art. 8 Ziff. 2 und
Art. 10 Ziff. 2 EMRK
lassen im Rahmen der Verhältnismässigkeit Einschränkungen des Rechts auf Privat- und Familienleben und auf Meinungsäusserungsfreiheit insbesondere im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung oder zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Nachrichten zu. Zur "Ordnung" im Sinne der EMRK gehört, wie schon erwähnt, auch die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen und ungestörten Gefängnisbetriebes. Das öffentliche Interesse an der Einschränkung ist den tangierten privaten Interessen gegenüberzustellen (vgl. E. 3l, aa).
bb) Bei Untersuchungsgefangenen ist in den ersten Tagen der Haft (insbesondere bis zu den ersten Einvernahmen) regelmässig schwieriger abzuschätzen, zu welchen Personen in welcher Hinsicht Kollusionsgefahr bestehen könnte, und welche Sicherungs- und Überwachungsmassnahmen bei Besuchen zur Gewährleistung des Haftzwecks notwendig sind. Für alle Gefangenenkategorien gilt, dass Besuche einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen. Im Interesse der Sicherheit des Gefängnisses und der Nichtgefährdung des Haftzweckes muss insbesondere eine Besuchsbewilligung erteilt werden (§ 55 Abs. 1, § 56 Abs. 2 GVO), alle Besuche müssen überwacht werden, notfalls müssen die Gespräche auf Tonband aufgezeichnet oder es muss eine Kleider- und Effektendurchsuchung vollzogen werden (§ 57 GVO,
Art. 5 Abs. 3 VStGB 1
), unter Umständen sind weitere Sicherheitsmassnahmen erforderlich. Es liegt im öffentlichen Interesse, den personellen und zeitlichen Aufwand im Verwaltungsbetrieb von Gefängnissen nach Möglichkeit auf ein vertretbares Mass zu beschränken, solange die daraus resultierenden Eingriffe verhältnismässig bleiben. Die Sperrfrist von einer Woche erspart den Behörden erhebliche Umtriebe gerade im Falle von kurzfristig Gefangenen, die ansonsten ebenfalls in den Genuss der Besuchsregelung kämen. Bei Verzicht auf die Sperrfrist könnten z.B. auch Gefangene, die lediglich eine Haftstrafe von wenigen Tagen zu verbüssen haben, einen Anspruch auf einen Besuch in der ersten Woche geltend machen.
cc) Es fragt sich, ob die erwähnte Sperrfrist für Gefangene, die länger als nur wenige Tage inhaftiert sind, zu einer übermässigen
BGE 118 Ia 64 S. 86
Beeinträchtigung führt. Dass der Erlass nur einen (zumindest halbstündigen) Besuch pro Woche zulässt, wird nicht als grundrechtswidrig gerügt. Die Tatsache, dass der Gefangene nur einmal, nämlich in der ersten Woche, auf einen solchen Besuch verzichten muss, stellt keinen besonders schwerwiegenden Eingriff dar, zumal der Briefverkehr der Gefangenen keiner solchen Beschränkung unterliegt (§ 58 GVO) und auch der Verkehr mit dem Verteidiger von Anfang an unbeschränkt gewährleistet ist (§ 60 GVO). Schliesslich ist auch noch darauf hinzuweisen, dass § 55 Abs. 2 GVO für dringende Fälle Ausnahmen von den Besuchseinschränkungen zulässt. In Würdigung dieser Umstände verletzt die angefochtene Sperrfrist für Besuche in der ersten Woche
Art. 8 und 10 EMRK
nicht.
Die Rüge der Verletzung von
Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c EMRK
ist offensichtlich unbegründet. Die angefochtene Bestimmung schränkt den Verkehr mit dem Anwalt in keiner Weise ein, dieser ist vielmehr in § 60 GVO geregelt und grundsätzlich unbeschränkt. Hinsichtlich der Frage, welchen Anwalt er zur Verteidigung beauftragen soll, kann der Gefangene per Briefverkehr schriftlich seine Meinung äussern und Nachrichten empfangen.
o) Der Beschwerdeführer stösst sich daran, dass § 56 Abs. 1 GVO als besuchsberechtigte "nahe Angehörige" Eltern, Geschwister, Ehefrau und Kinder des Gefangenen aufzählt, nicht aber nichteheliche Lebenspartner. Ausserdem würden im Gegensatz zu Arbeitgeber und Vormund des Gefangenen "Freunde, Bekannte, Angestellte sowie Geschäftspartner" ausgeschlossen, was gegen
Art. 8 und
Art. 14 EMRK
verstosse. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist indessen auch diese angefochtene Bestimmung der verfassungs- bzw. konventionskonformen Auslegung zugänglich. Insbesondere legt sie nicht fest, dass die erwähnte Aufzählung von "nahen Angehörigen" abschliessend sei. Unter den Begriff der nahen Angehörigen im Sinne von § 56 Abs. 1 GVO können somit ohne weiteres auch nichteheliche Lebenspartner subsumiert werden. Was den Kreis der übrigen Besuchsberechtigten betrifft, so muss im Interesse eines geordneten Gefängnisbetriebes eine sachgerechte Beschränkung getroffen werden (vgl. E. n, bb). Auch der Mindestgrundsatz Nr. 43 Ziff. 1 des Ministerkomitees des Europarates R (87) 3 sieht für den Besuchsverkehr den Vorbehalt der Erfordernisse der Haft sowie von Sicherheit und Ordnung vor. Es kann indessen offengelassen werden, ob dem Gefangenen ein Grundrechtsanspruch zusteht, irgendwelche Freunde, Bekannte und Geschäftspartner als Besucher
BGE 118 Ia 64 S. 87
empfangen zu können, oder ob ein Untersuchungshäftling oder ein Strafgefangener Anspruch darauf hat, "in dem Umfange" Besuch zu empfangen, "wie das zur Weiterführung seines Geschäftes als notwendig erscheint". Falls der Gefangene tatsächlich ein schützenswertes Interesse daran geltend machen kann, entsprechende Besuche zu empfangen, lässt § 56 Abs. 1 Satz 2 GVO die Zulassung von "weitere(n) Personen" ausdrücklich zu. Die angefochtene Bestimmung ist im Lichte von Verfassung und EMRK daher nicht zu beanstanden.
p) Auch die Einschränkung eines übermässigen Briefverkehrs, welcher die Briefkontrolle erheblich erschwert (§ 58 Satz 2 GVO), verletzt
Art. 8 EMRK
nicht. Gegen Missbräuche des in § 58 Satz 1 GVO gewährleisteten Prinzips auf unbeschränkten Briefverkehr muss zur Wahrung eines ungestörten Gefängnisbetriebes eingeschritten werden können. Andernfalls könnte ein Gefangener den "Freipass" ausnützen und den Gefängnisbetrieb lähmen, indem er z.B. täglich mutwillig Dutzende von Briefen schreibt, welche (insbesondere zur Sicherung des Haftzweckes) ausnahmslos kontrolliert werden müssten (§ 59 GVO,
Art. 5 Abs. 3 VStGB 1
). Allerdings muss § 58 Satz 2 GVO konsequent als Missbrauchsbestimmung im engeren Sinne angewendet werden. Dies wird durch § 58 Satz 1 verdeutlicht, welcher als Grundregel bestimmt: "Der Briefverkehr der Gefangenen ist nicht beschränkt." Der Beschwerdeführer verkennt aber, dass sich auch ein Rechtsanwalt oder ein Bankier die Einschränkungen seines Briefverkehrs gefallen lassen muss, die der ordnungsgemässe Gefängnisbetrieb verlangt. Kann der Gefangene jedoch schutzwürdige Interessen für einen umfangreichen Briefverkehr geltend machen, läge kein Missbrauch des freien Briefverkehrs vor und die Behörden hätten entsprechend besondere Anstrengungen zur Bewältigung des Kontrollaufwandes zu unternehmen. Die angefochtene Bestimmung lässt sich im dargelegten Sinne grundrechtskonform auslegen.
q) § 59 Abs. 2 GVO sieht vor, dass die für die Briefkontrolle zuständige Behörde verlangen kann, "dass die Kosten für die zur Kontrolle erforderliche Übersetzung nicht in einer Landessprache abgefasster und umfangreicher Korrespondenz" vom Gefangenen vorzuschiessen sind. Bei Verweigerung werden die betroffenen Sendungen dem Absender zurückgegeben. Der Beschwerdeführer beanstandet, die Bestimmung würde insbesondere bei mittellosen Gefangenen gegen Art. 14 i.V.m.
Art. 8 EMRK
verstossen.
Analog dem zu § 58 GVO Ausgeführten lässt sich jedoch auch diese Bestimmung grundrechtskonform anwenden. Es steht jedenfalls
BGE 118 Ia 64 S. 88
ausser Zweifel, dass auch bei umfangreicher ausländischer Korrespondenz eine Handhabe gegen Missbräuche vorhanden sein muss. Andernfalls könnten Gefangene Aussenstehende veranlassen, massenweise Briefe in fremder Sprache ins Gefängnis zu senden, um damit den Verwaltungsbetrieb des Gefängnisses zu lähmen oder die Briefkontrolle zu beeinträchtigen. Auch bei den ausgehenden Briefen besteht eine entsprechende Missbrauchsgefahr, beherrscht doch ein erheblicher Teil der Untersuchungs- und Strafgefangenen in den Zürcher Bezirksgefängnissen Sprachen ausserhalb der schweizerischen Landessprachen (insbesondere serbokroatisch, türkisch, arabisch und andere). Die angefochtene Bestimmung kann ohne weiteres als entsprechende Missbrauchsregelung ausgelegt und angewendet werden, zumal ausdrücklich von ausländischer "und umfangreicher" Korrespondenz die Rede ist und es sich bei § 59 Abs. 2 GVO zudem um eine "Kann-Vorschrift" handelt ("kann verlangen"), deren Anwendung auf Extremfälle im erwähnten Sinn beschränkt werden kann. Dabei ist aber festzuhalten, dass im Falle eines mittellosen Gefangenen, der das Recht auf freien Briefverkehr in ausländischer Sprache nicht missbraucht, die Übersetzungskosten auch für umfangreiche Korrespondenz vom Staat vorgeschossen werden müssen. Andernfalls würde das Recht auf freien Briefverkehr im Falle von Gefangenen ausländischer Muttersprache praktisch seines Wesensinhaltes entleert...
r) § 62 Abs. 1 lit. b GVO sieht als Disziplinarmassnahme unter anderem die Beschränkung bzw. Sperre des Bücher- und Zeitungsbezuges sowie den Entzug von Radio- und Fernsehempfang vor. In der Beschwerde wird geltend gemacht, diese Einschränkungen würden gegen
Art. 10 EMRK
verstossen.
Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, dass es zur Aufrechterhaltung der Sicherheit des Gefängnisses möglich sein muss, Gefangene, welche die Gefängnisordnung missachten und sich disziplinarische Verstösse zuschulden kommen lassen, mit wirksamen Disziplinarsanktionen zu belegen (vgl. auch Mindestgrundsatz Nr. 33 des Europarates R (87) 3: "L'ordre et la discipline doivent être maintenus dans l'intérêt de la sécurité, d'une vie communautaire bien organisée et des objectifs du traitement poursuivi dans l'établissement"). Dies gilt auch für Untersuchungsgefangene (
§ 76 Abs. 4 StPO
/ZH). Die vorgesehenen Massnahmen zur entsprechenden Verschärfung des Haftregimes sind ihrem Charakter nach sachgerecht und verhältnismässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist bei schweren Disziplinarverstössen der Vollzug einer
BGE 118 Ia 64 S. 89
Arreststrafe von einigen Tagen, u.a. verbunden mit der Sperre von Zeitungen und einem Radioempfangsverbot, grundsätzlich zulässig (vgl.
BGE 117 Ia 189
f. E. 4b = EuGRZ 18 (1991) 429 f.). Im Falle von weniger schweren Disziplinarvergehen gemäss § 62 Abs. 1 lit. b GVO sind a maiori ad minus auch die entsprechenden Einschränkungen ohne die übrigen Erschwerungen des Arrestvollzuges (§ 66 GVO) nicht zu beanstanden. Wer sich der Disziplinarordnung im Gefängnis nicht unterzieht, muss sich stärkere Eingriffe in die persönliche Freiheit gefallen lassen als die übrigen Gefangenen. Zur Durchsetzung des Gefängnisreglementes müssen die Disziplinarsanktionen zudem von gewisser Empfindlichkeit sein. Die mögliche Höchstlänge des Zeitungs-, Radio- oder Fernsehentzuges von bis zu zwei Monaten wird in der Beschwerde nicht ausdrücklich gerügt. Ebensowenig ist § 62 Abs. 2 GVO angefochten, wonach mehrere Disziplinarsanktionen miteinander verbunden werden können. Im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung ist immerhin darauf hinzuweisen, dass der Ausschluss von Medieninformationen über die Dauer von mehreren Wochen eine empfindliche Sanktion darstellt. Bei der konkreten Anwendung wäre darauf zu achten, dass eine Kumulation solcher Massnahmen kaum grundrechtskonform erschiene und dass eine mehrwöchige Einzelmassnahme höchstens bei schweren oder wiederholten Disziplinarvergehen in Frage kommen kann. Die angefochtene Bestimmung entzieht sich einer solchen Anwendung nicht. Insofern ist keine Verletzung von
Art. 10 EMRK
in den angefochtenen Einschränkungen von § 62 Abs. 1 lit. b GVO zu beanstanden.
s) Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, dass auch Disziplinarstrafen gemäss § 62 GVO in "zivilrechtliche Ansprüche" eingreifen könnten. Das Disziplinarverfahren gemäss § 64 GVO verletze daher den Anspruch auf einen unabhängigen Richter gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
.
aa) Die Rüge ist unbegründet, soweit im Lichte von
Art. 90 Abs. 1 lit. a und b OG
überhaupt darauf eingetreten werden kann (vgl. E. 1b). Erstens übersieht der Beschwerdeführer, dass der in diesem Zusammenhang allein angefochtene § 64 GVO eine gerichtliche Überprüfung der Disziplinarsanktion nicht ausschliessen würde. Zweitens ist nach der Praxis des Bundesgerichtes und der Strassburger EMRK-Organe
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
auf Disziplinarmassnahmen gegenüber Gefangenen in der Regel nicht anwendbar. So hat das Bundesgericht im schon erwähnten Urteil vom 17. April 1991 i.S. J. N. entschieden, dass sogar die Ausfällung einer disziplinarischen Arreststrafe
BGE 118 Ia 64 S. 90
von zwei Tagen Dauer nicht unter
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
falle (
BGE 117 Ia 189
f. E. 4b). Ob sich ausnahmsweise eine Anwendung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
rechtfertigt, kann zudem nur im konkret zu entscheidenden Fall beurteilt werden (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 22. Mai 1990 i.S. Franz Weber, Série A, vol. 177; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O.,
Art. 6 N 24
). Die angefochtene Bestimmung ist in diesem Sinne ohne weiteres verfassungskonform auslegbar.
bb) Ob eine Arreststrafe von 20 Tagen, welche gemäss § 62 Abs. 1 lit. e GVO ausgefällt werden könnte, einer strafrechtlichen Sanktion gleichkommt, welche im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
von einer richterlichen Behörde sanktioniert werden müsste, ist im vorliegenden Fall nicht zu untersuchen, da § 62 Abs. 1 lit. e und § 68 GVO nicht angefochten worden sind. Im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtes drängen sich hier freilich gewisse Bedenken auf (vgl.
BGE 117 Ia 187
ff.). Allfällige Grundrechtsverstösse könnten vom Betroffenen aber notwendigenfalls immer noch im konkreten Anwendungsfall gerügt werden. Es empfiehlt sich allerdings für schwere Disziplinarvergehen dringend eine diesbezügliche Ergänzung der zürcherischen Bezirksgefängnisverordnung; andernfalls wären entsprechenden Beschwerden im Einzelfall nicht geringe Erfolgsaussichten beschieden.
t) Der Beschwerdeführer rügt sodann, der Entzug des Spazierganges während den ersten drei Tagen bei Arreststrafen von mehr als drei Tagen Dauer (§ 66 Abs. 4 GVO) verstosse gegen das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit. Dem ist ebenfalls nicht zu folgen. Die persönliche Freiheit darf im Falle von Arreststrafen wegen schweren Disziplinarvergehen eingeschränkt werden. Wie das Bundesgericht im zitierten Urteil vom 17. April 1991 festgestellt hat, ist eine disziplinarische Arreststrafe von einigen Tagen, angeordnet nach alter Zürcher Gefängnisverordnung, grundsätzlich mit
Art. 3 EMRK
bzw. der persönlichen Freiheit vereinbar (a.a.O., nicht veröffentlichte E. 5). Auch der mit der Arreststrafe verbundene Spaziergangsentzug in den ersten drei Tagen ist nicht unverhältnismässig, sondern stellt eine angemessene Verschärfung des ordentlichen Haftregimes zur Sanktionierung von schweren Disziplinarvergehen und damit zur Aufrechterhaltung der Sicherheit des Gefängnisses dar. Bei Arreststrafen von mehr als drei Tagen Dauer wird dem Gefangenen vom vierten Tag an täglich Gelegenheit zum Einzelspaziergang gegeben. Diese Regelung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. ... Was allfällige Gesundheitsrisiken
BGE 118 Ia 64 S. 91
durch den dreitägigen Spaziergangsentzug betrifft, so verbietet die angefochtene Verordnung im übrigen nicht, dass der Gefangene im Arrest jederzeit den Gefängnisarzt konsultieren kann (§ 48 Abs. 1 GVO). Bei längeren Arreststrafen ist eine ärztliche Begutachtung spätestens am fünften Tag sogar obligatorisch vorgeschrieben (§ 66 Abs. 5 GVO).
4.
Zusammenfassend ergibt sich, dass lediglich die allgemeine Spaziergangsregelung von § 47 GVO sowie die in § 34 Abs. 2 lit. b GVO vorgesehene Möglichkeit des vollständigen Entzuges des Spazierganges als besondere Sicherungsmassnahme gegen die Bundesverfassung verstossen (vgl. E. 3c, aa und E. 3k). § 47 GVO ist aufzuheben. Die Verfassungsmässigkeit von § 34 Abs. 2 lit. b GVO kann durch die Aufhebung der Wendung "oder der Entzug" hergestellt werden. Im übrigen ist die Beschwerde unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
63413d39-7fb7-4c2c-8ce3-c950791d60bc | Urteilskopf
114 Ia 307
50. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Januar 1988 i.S. Star Unterhaltungsbetriebe AG gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (
Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG
); Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde (
Art. 88 OG
).
1. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist unzulässig gegen eine Verfügung, wonach Aufenthaltsbewilligungen für Ausländer, die bei einem bestimmten Arbeitgeber arbeiten wollen, nur bis zu einer bestimmten Quote erteilt werden (E. 2).
2. Der Arbeitgeber ist in der Sache selbst auch nicht zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (E. 3b).
3. Legitimation zur Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung bei Fehlen der Legitimation in der Sache selbst (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3c). | Sachverhalt
ab Seite 308
BGE 114 Ia 307 S. 308
Seit Jahren laufen in der Stadt Zürich Bestrebungen, das Sexgewerbe einzudämmen. Die Massnahmen betreffen auch die Erteilung von fremdenpolizeilichen Aufenthaltsbewilligungen für ausländische Tänzerinnen. Vorerst wurden im Jahre 1983 die Gebiete mit starker Konzentration an Unterhaltungsbetrieben, in denen Tänzerinnen auftreten, in einer Zone erfasst, wobei vorgesehen wurde, dass für ihre Arbeit in Lokalen ausserhalb dieser Zone nach Ablauf einer angemessenen Liquidationsfrist keine Bewilligungen mehr erteilt werden. Für die einzelnen Betriebe wurden Zuteilungsquoten festgelegt, die als Richtschnur für die Beurteilung von Aufenthaltsgesuchen dienten. 1985 wurde sodann beschlossen, die Bewilligungsquoten sämtlicher Unterhaltungsbetriebe der fraglichen Art um 25% zu kürzen. Im Zuge dieser Anordnung wurde gegenüber der STAR Unterhaltungsbetriebe AG am 25. November 1985 verfügt, mit Wirkung ab 1. Juli 1986 werde für das Cabaret "Red Lips" die Quote von bisher fünf auf vier Bewilligungen pro Monat herabgesetzt.
Diese Verfügung wurde vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 10. Juni 1987 bestätigt.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, eventuell staatsrechtlicher Beschwerde, verlangt die STAR Unterhaltungsbetriebe AG, der Regierungsratsbeschluss vom 10. Juni 1987 und die Verfügung der Fremdenpolizei des Kantons Zürich vom 25. November 1985 seien aufzuheben.
Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein. Die staatsrechtliche Beschwerde weist es ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
a) Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob es auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde bzw. staatsrechtliche Beschwerde eintreten kann.
Das Bundesgericht hatte sich bisher in drei Fällen mit Beschwerden von Arbeitgeberfirmen betreffend die Handhabung des Fremdenpolizeirechts bei Tänzerinnen zu befassen. In den Urteilen Battaya AG vom 7. September 1984 und Homa AG vom 12. März 1987 ist es auf die Beschwerde eingetreten, wobei die Art des Rechtsmittels offengelassen wurde. Im Urteil König vom 25. März 1987 warf das Bundesgericht sodann die Frage auf, ob auf Beschwerden der vorliegenden Art überhaupt eingetreten werden
BGE 114 Ia 307 S. 309
könne. Die Frage konnte allerdings offengelassen werden, weil die Beschwerde - wie in den beiden anderen Fällen - in der Sache unbegründet war.
b) Die staatsrechtliche Beschwerde ist gemäss
Art. 84 Abs. 2 OG
lediglich dann zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen Behörde hätte gerügt werden können, so dass zunächst geprüft werden muss, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offensteht.
2.
a) Das Bundesgericht beurteilt Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen letztinstanzliche kantonale Verfügungen, welche sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (
Art. 5 VwVG
in Verbindung mit
Art. 97 und 98 lit. g OG
). Beim angefochtenen Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich handelt es sich um eine solche Verfügung, so dass dagegen grundsätzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergriffen werden kann. Sie ist nach
Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG
auf dem Gebiete der Fremdenpolizei indessen unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch gibt. Das Bundesrecht stellt den Entscheid über die Zusicherung, Erteilung oder Erneuerung einer Aufenthaltsbewilligung nach
Art. 4 ANAG
, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, ins freie Ermessen der Behörde; der Ausländer hat somit grundsätzlich keinen Anspruch auf Anwesenheit in der Schweiz, und auch der schweizerische Arbeitgeber hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass einem Ausländer, den er in seinem Betrieb einstellen möchte, eine fremdenpolizeiliche Bewilligung im Sinne von
Art. 4 ANAG
erteilt werde.
b) Die Beschwerdeführerin macht allerdings geltend, vorliegend sei nicht die Erteilung einer fremdenpolizeilichen Aufenthaltsbewilligung im Sinne von
Art. 4 ANAG
streitig. Vielmehr gehe es um eine davon zu unterscheidende Bewilligung an den Arbeitgeber, kontrollpflichtige Arbeitnehmer beschäftigen zu dürfen. Diese Auffassung geht fehl. Das schweizerische Recht kennt keine spezielle Arbeitsbewilligung, die lediglich die Frage der Erwerbstätigkeit eines aufenthaltsberechtigten Arbeitnehmers bei einem bestimmten Arbeitgeber regelt. Die Aufenthaltsbewilligung erfasst vielmehr sowohl das Anwesenheitsrecht wie die Frage der Erwerbstätigkeit. Wenn Fremdenpolizei und Regierungsrat des Kantons Zürich nun gegenüber einem Arbeitgeber verfügen, Aufenthaltsbewilligungen an Ausländer würden nur bis zu einer bestimmten
BGE 114 Ia 307 S. 310
Quote erteilt, entscheiden sie darüber, ob und inwiefern es sich unter Beachtung der geistigen und wirtschaftlichen Interessen sowie der Überfremdung des Landes (
Art. 16 ANAG
) rechtfertigt, Aufenthaltsbewilligungen an Ausländer zu erteilen, die beim fraglichen Arbeitgeber arbeiten wollen. Damit entscheiden sie zwar nicht über eine Aufenthaltsbewilligung als Ganzes, aber doch über einen Teil der für die Aufenthaltsbewilligung massgeblichen Gesichtspunkte. Entsprechend beurteilt sich die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht anders, als wenn die Aufenthaltsbewilligung eines bestimmten ausländischen Arbeitnehmers selber in Frage stünde.
c) Einen bundesrechtlichen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung und damit die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat das Bundesgericht aus
Art. 8 EMRK
abgeleitet, wonach jedermann Anspruch "auf Achtung seines Privat- und Familienlebens" hat. Wenn der Ausländer nahe Familienangehörige (Ehefrau, minderjährige Kinder) mit Anwesenheitsrecht in der Schweiz hat, und er die Familienbeziehung tatsächlich lebt, tritt das Bundesgericht daher auf Verwaltungsgerichtsbeschwerden ein (
BGE 109 Ib 183
ff.). Aus dem hier angerufenen Grundrecht der Handels- und Gewerbefreiheit kann sich demgegenüber kein Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz ergeben. Der Ausländer kann sich darauf nämlich nicht berufen, da er gerade wegen seiner Ausländerqualität besonderen Aufenthaltsbewilligungsvoraussetzungen unterworfen ist (
BGE 108 Ia 148
ff.). Wäre lediglich der schweizerische Arbeitgeber, was im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde einmal zu unterstellen ist, in seiner Wirtschaftsfreiheit verletzt, könnte sich daraus gleichwohl noch kein Anspruch auf Aufenthalt des Ausländers ergeben. Denn für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung müssen wesentlich auch subjektive Voraussetzungen in der Person des Ausländers erfüllt sein, deren Würdigung ohnehin im freien Ermessen der Behörde stünde (
Art. 4 ANAG
). Unter diesen Umständen kann sich aus der Handels- und Gewerbefreiheit kein Anspruch auf die Erteilung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung ergeben.
d) Unabhängig von einem Bewilligungsanspruch steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde bei Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung insoweit offen, als geltend gemacht wird, der Ausländer sei zu Unrecht den Begrenzungsmassnahmen nach der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer vom 6. Oktober 1986 (BVO; SR 823.21) unterstellt worden (
BGE 111 Ib 169
ff.;
BGE 114 Ia 307 S. 311
110 Ib 67 f.). Auch wenn man sich wohl fragen kann, ob Tänzerinnen wie sie im Cabaret "Red Lips" aufzutreten pflegen, tatsächlich eine "künstlerisch-musikalische Darbietung" vortragen (
Art. 13 lit. c Ziff. 3 BVO
) und deshalb von den kantonalen Höchstzahlen ausgenommen werden können, scheint der Regierungsrat dies anzunehmen. Jedenfalls geht der angefochtene Entscheid nicht davon aus, die Erteilung der Bewilligung an ausländische Tänzerinnen erfolge zu Lasten der vom Bundesrat festgelegten Höchstzahlen. Da demnach nicht diese, der Überprüfung des Bundesgerichts allein zugängliche Frage streitig ist, bleibt es dabei, dass auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten ist (
Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG
).
3.
Damit stellt sich die Frage, ob auf die staatsrechtliche Beschwerde einzutreten ist (
Art. 84 Abs. 2 OG
).
a) In der Regel ist die staatsrechtliche Beschwerde nur gegen letztinstanzliche Entscheide zulässig (
Art. 86 und 87 OG
). Der Entscheid einer unteren Instanz kann mitangefochten werden, wenn entweder der letzten kantonalen Instanz nicht sämtliche vor Bundesgericht erhobene Rügen unterbreitet werden konnten, oder wenn solche Rügen zwar von der letzten kantonalen Instanz zu beurteilen waren, jedoch mit einer engeren Prüfungsbefugnis, als sie dem Bundesgericht zusteht (
BGE 111 Ia 353
). Mit dem Rekurs an den Regierungsrat konnte die Beschwerdeführerin alle Mängel des Verfahrens und der angefochtenen Verfügung der Fremdenpolizei vom 25. November 1985 geltend machen (§ 20 des zürcherischen Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen [Verwaltungsrechtspflegegesetz] vom 24. Mai 1959). Die Voraussetzungen für eine Mitanfechtung dieses unterinstanzlichen Entscheides sind damit nicht erfüllt. Soweit dagegen der letztinstanzliche Entscheid des Regierungsrates vom 10. Juni 1987 angefochten wird, ist die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich zulässig und darauf einzutreten, falls die Legitimation der Beschwerdeführerin gegeben ist.
b) Gemäss
Art. 88 OG
steht das Recht zu Beschwerdeführung Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemeinverbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Ein tatsächliches Interesse an der Beschwerdeführung genügt nicht; die staatsrechtliche Beschwerde ermöglicht dem Bürger nur die Geltendmachung seiner rechtlich geschützten Interessen (
BGE 113 Ia 249
mit Hinweisen).
BGE 114 Ia 307 S. 312
Die Beschwerdeführerin beruft sich hauptsächlich auf die Handels- und Gewerbefreiheit. Diese schützt grundsätzlich jede berufsmässig ausgeübte Tätigkeit, mit welcher ein Gewinn oder ein regelmässiges Einkommen erzielt wird (
BGE 110 Ia 102
E. 5a). Sie garantiert an sich auch die freie Wahl der Mitarbeiter des Arbeitgebers. Indessen bezieht sich dieses Recht nicht auf Ausländer, die auf dem Arbeitsmarkt (noch) nicht zugelassen sind.
Art. 69ter BV
und die darauf beruhende Gesetzgebung mit ihrer arbeitsmarktlichen und demographischen Zielsetzung schränken die Handels- und Gewerbefreiheit im Bereich der Zuordnung der ausländischen Arbeitskräfte ein.
Art. 4 ANAG
stellt eine Bewilligung ins freie Ermessen der Behörden. Sowenig der Ausländer gestützt auf
Art. 4 BV
oder gestützt auf die Handels- und Gewerbefreiheit einen Anspruch auf Aufenthalt geltend machen kann, sowenig steht ein solches Recht dem Arbeitgeber zu. Mangels rechtlich geschütztem Interesse kann damit weder auf eine staatsrechtliche Beschwerde eines ausländischen Arbeitnehmers noch auf eine solche des schweizerischen Arbeitgebers eingetreten werden.
Soweit bisher auf Beschwerden von Betrieben der vorliegenden Art wegen Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit eingetreten wurde, kann an dieser Rechtsprechung nicht festgehalten werden. Die dafür gegebene Begründung, wonach in Branchen, in denen ein hoher Anteil ausländischer Arbeitskräfte existiere, die generelle Verweigerung von Aufenthaltsbewilligungen eine empfindliche Beeinträchtigung der Wirtschaftsfreiheit bewirke und daher eine verfassungsrichterliche Überprüfung nicht verwehrt werden könne, überzeugt nicht. Solange das Bundesrecht einen Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz grundsätzlich ausschliesst und sich ein solcher auch nicht aus der Handels- und Gewerbefreiheit ergeben kann, fehlt es am rechtlich geschützten Interesse auch des Arbeitgebers für die Rüge der Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit.
c) Zu prüfen bleibt, ob auf die staatsrechtliche Beschwerde hinsichtlich der Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs einzutreten ist.
Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann der Beschwerdeführer eine Verletzung der Verfahrensgarantien geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (
BGE 113 Ia 250
E. 3;
BGE 106 Ib 132
E. 3;
BGE 105 Ia 276
E. d). Das nach
Art. 88 OG
erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls nicht aus einer Berechtigung in der
BGE 114 Ia 307 S. 313
Sache, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen. Eine solche besteht dann, wenn dem Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung zukommt. Ist dies der Fall, kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund von
Art. 4 BV
zustehen. Das Bundesgericht prüft die Auslegung und Anwendung der kantonalen Verfahrensvorschriften auf Willkür hin; frei prüft es dagegen, ob, im Rahmen der dem Beschwerdeführer nach kantonalem Recht eingeräumten Parteistellung im Verfahren, die durch
Art. 4 BV
gewährleisteten Minimalansprüche respektiert wurden (
BGE 111 Ia 166
E. a).
Damit kann der Beschwerdeführer, der in der Sache nicht berechtigt ist, dem aber im kantonalen Verfahren Parteistellung zukam, beispielsweise geltend machen, auf ein Rechtsmittel sei zu Unrecht nicht eingetreten worden, er sei nicht angehört worden, habe keine Gelegenheit erhalten, Beweisanträge zu stellen, oder er habe nicht Akteneinsicht nehmen können. Hingegen kann er weder die Würdigung der beantragten Beweise noch die Tatsache, dass seine Anträge wegen Unerheblichkeit oder aufgrund vorweggenommener Beweiswürdigung abgelehnt wurden, rügen. Die Beurteilung dieser Fragen kann nämlich nicht von der Prüfung der Sache selber getrennt werden; auf eine solche hat der in der Sache selbst nicht Legitimierte keinen Anspruch (
BGE 107 Ia 345
/6).
An der in
BGE 107 Ia 185
E. 3c erfolgten Präzisierung der Rechtsprechung ist nach dem Gesagten insofern festzuhalten, als die Rüge der formellen Rechtsverweigerung nur dann erhoben werden kann, wenn eine Verletzung rechtlich geschützter Interessen, nämlich einer rechtlich garantierten Parteistellung, in Frage steht. Soweit daraus allerdings gefolgert worden ist, der in der Sache nicht legitimierte Beschwerdeführer könne nur die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm aufgrund des kantonalen Rechts zustehen, nicht aber jene, die sich direkt aus
Art. 4 BV
ergeben (so insbesondere
BGE 109 Ib 180
E. 2), kann daran nicht festgehalten werden.
Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend; im kantonalen Verfahren kam ihr Parteistellung zu. Demzufolge ist auf die staatsrechtliche Beschwerde, mit der eine Verletzung von § 8 und § 26 des Verwaltungsrechtspflegegesetze sowie der aus
Art. 4 BV
folgenden Minimalansprüche gerügt wird, insoweit einzutreten.
BGE 114 Ia 307 S. 314
4.
a) Eine Verletzung von Art. 8 des Verwaltungsrechtspflegegesetze und von
Art. 4 BV
sieht die Beschwerdeführerin zunächst darin, dass sie vor Erlass der Verfügung durch die Fremdenpolizei nicht angehört worden sei. Der Regierungsrat vertritt demgegenüber in seinem Beschluss die Auffassung, ein allfälliger Mangel im Verfahren vor der Fremdenpolizei wäre im Rekursverfahren geheilt worden, weil ihm, dem Regierungsrat, umfassende Kognition zustehe.
Dies entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu den aus
Art. 4 BV
folgenden Verfahrensregeln, wonach eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geheilt wird, wenn der Berechtigte die Möglichkeit hatte, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die zu freier Prüfung aller Fragen befugt war, welche der unteren Instanz hätten unterbreitet werden können (
BGE 110 Ia 82
E. d;
BGE 105 Ib 174
mit Hinweisen). Aus Art. 8 des Verwaltungsrechtspflegegesetze ergibt sich nichts anderes. Damit liegt weder eine willkürliche Anwendung kantonalen Verfahrensrechts noch eine Verletzung der unmittelbar aus
Art. 4 BV
folgenden Minimalgarantien vor.
b) Der Gehörsanspruch soll nach Auffassung der Beschwerdeführerin schliesslich verletzt sein, weil der Regierungsrat ihr nicht Gelegenheit gegeben habe, zur Vernehmlassung der Fremdenpolizei Stellung zu nehmen.
§ 26 Abs. 3 des Verwaltungsrechtspflegegesetze schreibt nicht zwingend einen zweiten Schriftenwechsel vor. Anspruch auf die Durchführung eines solchen besteht danach nur, wenn die Rekursinstanz in ihrem Entscheid auf erstmals in der Vernehmlassung vorgetragene Behauptungen abstellen will (KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, Zürich 1978, N. 9 zu § 26). Unmittelbar aus
Art. 4 BV
hat das Bundesgericht kein weitergehendes Recht auf Replik abgeleitet. Lediglich dann läge eine Verletzung des aus
Art. 4 BV
folgenden Minimalanspruchs auf rechtliches Gehör vor, wenn in der Vernehmlassung der Fremdenpolizei an den Regierungsrat neue und erhebliche Gesichtspunkte geltend gemacht worden wären, zu denen der Beschwerdeführer noch keine Stellung hat nehmen können (
BGE 111 Ia 3
E. 3 mit Hinweisen).
Die rechtserhebliche Begründung für die fremdenpolizeiliche Anordnung ergibt sich bereits aus der Verfügung vom 25. November 1985. Sie besteht darin, dass die Zuteilungsquoten für sämtliche Betriebe, die ausländische Tänzerinnen beschäftigen, um 25%
BGE 114 Ia 307 S. 315
gekürzt werden, um den unerwünschten Auswirkungen des Sexgewerbes entgegenzuwirken und die Überfremdung zu bekämpfen. Wohl machte die Fremdenpolizei in ihrer Vernehmlassung an den Regierungsrat weitere Ausführungen allgemeiner Natur zur Problematik des Sexgewerbes, die aber von der Beschwerdeführerin nicht bestritten werden und von ihrer Darstellung auch nicht wesentlich abweichen. Konkrete Vorwürfe an bestimmte Inhaber von Betrieben, die Tänzerinnen beschäftigen, erhob die Fremdenpolizei im Verfahren vor dem Regierungsrat zwar, indessen nicht an die Adresse der Beschwerdeführerin. Der Regierungsrat hat denn solche Vorwürfe auch nicht zur Grundlage seines Entscheides gemacht. Unter diesen Umständen kann in der Nichtdurchführung eines zweiten Schriftenwechsels keine Verfassungsverletzung erblickt werden. Die Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet. | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
63425be6-199c-46e0-bb80-99975ff67d38 | Urteilskopf
83 II 489
65. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. November 1957 i.S. M. gegen B. | Regeste
Ein Verlöbnis liegt nur bei beidseitigem Eheversprechen vor, und es können Ansprüche aus Verlöbnisbruch grundsätzlich nicht mit Vorgängen begrundet werden, die sich vor der Verlobung ereignet haben.
Art. 90 ff. ZGB
. | Erwägungen
ab Seite 489
BGE 83 II 489 S. 489
Aus den Erwägungen:
Dass die Parteien einander die Ehe versprochen haben, bestreitet der Beklagte nicht. Er behauptet jedoch, dies sei später geschehen, als das Obergericht annimmt.
Der Zeitpunkt der Verlobung ist insofern von Bedeutung, als die Klägerin ihre Ansprüche - wenigstens grundsätzlich - nicht mit Vorgängen begründen kann, die sich vorher abgespielt haben. Nun geht der angefochtene Entscheid davon aus, die Klägerin habe sich schon auf Grund der in Nizza (im Februar 1949) erfolgten Besprechungen "darauf verlassen dürfen", dass der Beklagte sie im Herbst heiraten werde. Indessen ist nicht festgestellt, dass die Klägerin ein ihr allenfalls schon damals gegebenes Eheversprechen angenommen und mit einem eigenen Eheversprechen erwidert habe. Vielmehr verweist das Obergericht auf einen Brief der Klägerin vom 18. Januar 1950, worin sie erklärte, die Aussprache in Nizza sei "ganz ungezwungen und ohne irgendwelches formelles Eheversprechen" vor sich gegangen. Im selben Brief heisst es, der
BGE 83 II 489 S. 490
Beklagte habe ihr an seinem Geburtstag (d.h. am 27. März) "offiziell" die Heirat versprochen; am 19. April 1949 habe er das Eheversprechen wiederholt und sie ihm nun auch das ihrige gegeben; von da an habe sie sich als seine Braut betrachtet. Erst an diesem letztgenannten Tage kam es somit zu einem gegenseitigen Eheversprechen und damit zum Verlöbnis. Dass nicht schon ein einseitiges, sondern erst ein gegenseitiges Eheversprechen, also der von beiden Parteien einander bekundete Wille zu künftiger Eheschliessung als Verlobung zu gelten hat, entspricht dem allgemein anerkannten Begriff dieses familienrechtlichen Verhältnisses. Auch das ZGB geht von diesem Begriffe aus, indem der französische Randtitel zu Art. 90 geradezu "contrat de fiançailles" lautet und die Art. 92 ff. den einen wie den andern Partner gleichermassen als Verlobten ins Auge fassen. Das Gesetz nimmt hiebei eine das Verlöbnis, den Brautstand, begründende Willenseinigung als gegeben an, die freilich auch durch ausdrückliches Eheversprechen (Heiratsantrag) des einen und wenn nicht ausdrückliche, so doch konkludente Annahme durch den andern Partner zustande kommt (vgl. GMÜR, N. 2 und 3 zu
Art. 90 ZGB
und N. 3 der Vorbemerkungen zum Abschnitt über das Verlöbnis; EGGER, N. 8 ff., zu
Art. 90 ZGB
; HAURI, Le contrat de fiançailles, S. 61; UNGRICHT, Das Recht der Verlobten, S. 44). Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass
Art. 323 ZGB
zur Zusprechung eines ausserehelichen Kindes an den Beklagten mit Standesfolge auch ein einseitiges Eheversprechen desselben an die Mutter genügen lässt (und zwar auch ein bedindingtes, für den Fall der Schwängerung abgegebenes Versprechen solcher Art, vgl.
BGE 52 II 309
,
BGE 53 II 278
,
BGE 56 II 155
,
BGE 73 II 140
/41). Denn
Art. 323 ZGB
will dem Umstande Rechnung tragen, "dass derartige Versprechen geeignet sind, eine Frau zur Hingabe zu bestimmen oder doch ihren Widerstand zu schwächen" (
BGE 73 II 141
oben). Das trifft in der Tat zu, auch wenn kein beidseitiges Eheversprechen, also kein Verlöbnis vorliegt. Mit Recht bemerkt daher PH. VON DER WEID,
BGE 83 II 489 S. 491
La réparation du tort moral causé par la rupture des fiançailles, S. 22,
Art. 323 ZGB
gestatte die Zusprechung eines Kindes mit Standesfolge "alors même qu'il n'y a pas eu de fiançailles au sens de l'art. 90 CCS, mais simple promesse de mariage unilatérale". Ansprüche wegen Verlöbnisbruches nach
Art. 92 ff. ZGB
können dagegen nur erhoben werden, wenn ein Verlöbnis im Sinne von
Art. 90 ZGB
, d.h. ein beidseitiges Eheversprechen, vorlag, ansonst nicht von einem Verlöbnisbruch die Rede sein kann. | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6344a09e-4593-449f-bc93-8b23526d0a95 | Urteilskopf
95 I 512
74. Urteil vom 19. November 1969 i.S. X. und Mitbeteiligte gegen Kanton Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich. | Regeste
Verjährung öffentlichrechtlicher Ansprüche, insbesondere des Anspruchs auf Aufnahme in eine Beamtenversicherungskasse (hier: Sparversicherung).
Es kann ohne Willkür angenommen werden,
- dass öffentlichrechtliche Ansprüche des Privaten gegenüber dem Gemeinwesen auch ohne ausdrückliche Vorschrift verjähren (Erw. 3);
- dass nicht nur Geldforderungen, sondern auch andere öffentlichrechtliche Ansprüche der Verjährung unterliegen (Erw. 4).
Wann beginnt der Anspruch auf Aufnahme in die Versicherungskasse für das Personal des Kantons Zürich zu verjähren? Unhaltbarkeit der Annahme, dass der Beamte (schon vor der Aufnahme in die Kasse) monatlich fällig werdende Ansprüche auf Staatsbeiträge an die Kasse habe und sein Aufnahmeanspruch mit diesen Ansprüchen verjähre (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 513
BGE 95 I 512 S. 513
A.-
Nach dem Gesetz über die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung der Beamten, Angestellten und Arbeiter des Kantons Zürich vom 13. September 1926 (BVKG) führt der Kanton Zürich eine Versicherungskasse, welcher das gesamte im Dienst des Kantons stehende Personal mit Einschluss der Mitglieder des Regierungsrates und des Obergerichts obligatorisch beizutreten hat (§§ 1 und 4). Die ständigen, aber nur teilweise beschäftigten Angestellten sind gemäss § 20 obligatorisch der Sparversicherung angeschlossen, die ebenfalls von der Versicherungskasse besorgt wird und ihre Rechtsgrundlagen in den §§ 21/22 BVKG und §§ 65-69 der Statuten der Versicherungskasse vom 18. Dezember 1950 (Statuten) hat. Nach diesen Bestimmungen leisten die Sparversicherten und der Staat gleich hohe Beiträge, welche dem einzelnen Versicherten gutgeschrieben und verzinst werden. Scheidet der Versicherte wegen Alters oder Invalidität aus dem Staatsdienst aus, so wird ihm sein gesamtes Guthaben (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge) mit Zins und Zinseszins ausbezahlt; im Todesfall erfolgt die Auszahlung an die Hinterbliebenen. Bei freiwilligem Austritt aus dem Staatsdienst sowie in einigen weiteren Fällen (§ 67 Statuten) werden bloss die persönlichen Einlagen des Versicherten mit Zins und Zinseszins ausbezahlt.
B.-
Die Mitglieder des Kassationsgerichts des Kantons Zürich sind nebenamtlich tätig. Sie erhalten Vergütungen für die Referate und seit 1. Januar 1942 ausserdem eine feste jährliche Entschädigung. Seit diesem Zeitpunkt hätten sie daher jeweils mit dem Amtsantritt der Sparversicherung angeschlossen werden sollen. Das wurde aber zunächst unterlassen. Nachdem einige Richter im Juni 1966 mündlich um Aufnahme in die Sparversicherung ersucht und alle das ihnen hierauf zugestellte Anmeldungsformular im Laufe des Monats Juli 1966 ausgefüllt und eingereicht hatten, verfügte die Finanzdirektion am 28. September 1966, dass alle Richter mit Wirkung ab 1. Juli 1966 unter Zuteilung zur Sparversicherung in die Beamtenversicherung aufzunehmen seien.
Hiegegen rekurrierten sämtliche Mitglieder des Kassationsgerichts
BGE 95 I 512 S. 514
an den Regierungsrat mit dem Antrag, sie seien mit Rückwirkung auf den jeweiligen Amtsantritt in die Sparversicherung aufzunehmen.
Der Regierungsrat hiess den Rekurs am 20. Juni 1968 teilweise gut, indem er die angefochtene Verfügung aufhob und die Finanzdirektion anwies, die amtierenden Mitglieder des Kassationsgerichts rückwirkend auf das Datum ihres Amtsantritts, frühestens aber auf den 1. Januar 1961 in die Sparversicherung aufzunhmen. Der Regierungsrat prüfte zunächst seine Zuständigkeit und bejahte sie (Erw. 1). Sodann stellte er fest, dass die Mitglieder des Kassationsgerichts gemäss den Bestimmungen des BVKG seit dem 1. Januar 1942 jeweils auf das Datum ihres Dienstantritts der Sparversicherung zuzuteilen gewesen wären (Erw. 2 und 3). Die anschliessenden Ausführungen (Erw. 4) lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der Anspruch der Rekurrenten auf Aufnahme in die Sparversicherung involviere zwangsläufig den Anspruch gegenüber dem Staat auf Einlage eines monatlich fällig werdenden Arbeitgeberbeitrags in die Kasse zugunsten des Versicherten. Es stelle sich daher die von Amtes wegen zu prüfende Frage, ob bezüglich dieser Arbeitgeberbeiträge die Verjährung eingetreten sei.
a) Die Erlasse über das Beamtenversicherungsrecht enthielten keine Verjährungsvorschriften, noch bestünden allgemeine, d.h. generell auf öffentlichrechtliche Ansprüche anwendbare Verjährungsvorschriften. Nach einem vom Bundesgericht und von der Lehre anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verwaltungsrechts seien solche Ansprüche indessen auch dann der Verjährung unterworfen, wenn das positive Recht hierüber nichts bestimme, und zwar gelte dies sowohl für Ansprüche des Gemeinwesens gegenüber Privaten als auch umgekehrt für Ansprüche des Privaten gegenüber dem Gemeinwesen. Beim Fehlen einer besondern Vorschrift seien die Verjährungsfristen in Anlehnung an die zivilrechtliche Ordnung zu bestimmen und gelte für periodische Leistungen (wie Besoldungen, Renten usw.) daher die fünfjährige Frist des
Art. 128 OR
, wobei die Verjährung mit der Fälligkeit der Forderung beginne.
b) Der Anspruch der Rekurrenten auf Ausrichtung der Arbeitgeberbeiträge, der mit dem Anspruch auf Aufnahme in die Beamtenversicherungskasse zusammenfalle, sei monatlich fällig geworden. Die Leistung dieser Beiträge sei somit eine der
BGE 95 I 512 S. 515
fünfjährigen Verjährung unterworfene Leistung. Eine Hemmung der Verjährung sei nicht anzunehmen, da es den Rekurrenten jederzeit möglich gewesen wäre, ihren Anspruch durch Anmeldung bei der Kassenverwaltung oder nötigenfalls im Wege des Rekurses an den Regierungsrat geltend zu machen, was nicht geschehen sei. In Anlehnung an
Art. 135 Ziff. 1 OR
werde aber die Verjährung auch durch jede Anerkennung seitens der Verwaltung unterbrochen. Eine solche Anerkennung liege hier in der am 29. Juni 1966 erfolgten Einladung der Rekurrenten zur Anmeldung. Daraus ergebe sich, dass der Anspruch verjährt sei, soweit er Leistungen betreffe, welche vor dem 29. Juni 1961 fällig geworden seien. Da die Besoldung der Kassationsrichter als Jahresbesoldung ausgesetzt sei, rechtfertige es sich, den Stichtag der Verjährung auf den 1. Januar 1961 festzusetzen.
c) Im öffentlichen Recht sei die Verjährung von Amtes wegen zu berücksichtigen. Selbst wenn dem nicht so wäre, müsste hier die Verjährungseinrede nach pflichtgemässem Ermessen erhoben werden, da die Aufnahme der Rekurrenten in die Sparversicherung nicht nur infolge eines Fehlers der Kassenverwaltung unterblieben sei, sondern in erster Linie deshalb, weil das Kassationsgericht bzw. die dafür zuständigen Justizverwaltungsorgane die in den §§ 11 ff. des Verwaltungsreglements der Kasse festgehaltenen Obliegenheiten zur Einleitung des Aufnahmeverfahrens versäumt hätten.
C.-
Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates haben vier Mitglieder des Kassationsgerichts, die ihr Amt vor dem 1. Januar 1961 angetreten haben, gleichzeitig beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Beschwerde, eventuell Klage, und beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben.
Das kantonale Verwaltungsgericht ist mit Urteil vom 7. November 1968 auf die Beschwerde und die Klage wegen Unzuständigkeit nicht eingetreten.
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde wird beantragt, der Beschluss des Regierungsrates sei insoweit aufzuheben, als er die Finanzdirektion generell anweise, die amtierenden Mitglieder des Kassationsgerichts frühestens auf den 1. Januar 1961 in die Sparversicherung aufzunehmen, und es sei die Aufnahme der Beschwerdeführer in die Sparversicherung auf das Datum ihres Amtsantritts anzuordnen. Die Beschwerdeführer machen Verletzung des
Art. 4 BV
(Willkür) geltend. Die Begründung
BGE 95 I 512 S. 516
der Beschwerde ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.
D.-
Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde hat im Regelfall, der hier vorliegt, rein kassatorische Funktion (
BGE 95 I 197
E. 2 mit Hinweisen auf frühere Urteile). Auf das Beschwerdebegehren ist daher nur insoweit einzutreten, als damit die Aufhebung des Beschlusses des Regierungsrates vom 20. Juni 1969 verlangt wird. Der darüber hinaus gehende Antrag, es sei die Aufnahme der Beschwerdeführer in die Sparversicherung auf das Datum ihres Amtsantrittes anzuordnen, ist unzulässig. Sollte die Beschwerde begründet und der angefochtene Entscheid aufzuheben sein, so würde damit die vorherige prozessuale Lage wiederhergestellt (vgl.
BGE 94 I 591
E. 2), d.h. es hätte der Regierungsrat neuerdings über den bei ihm erhobenen Rekurs der Beschwerdeführer gegen die Verfügung der Finanzdirektion vom 28. September 1966 zu entscheiden und dabei den Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils Rechnung zu tragen.
2.
Die Finanzdirektion hat die Beschwerdeführer mit Wirkung auf den 1. Juli 1966 in die Sparversicherung aufgenommen. Mit dem hiegegen erhobenen Rekurs verlangten die Beschwerdeführer rückwirkende Aufnahme auf das Datum ihres jeweiligen Amtsantritts. Der Regierungsrat hat angenommen, nach den massgebenden Bestimmungen des BVKG und der Ausführungserlasse zu diesem (Statuten und Verwaltungsreglement) wären die Mitglieder des Kassationsgerichts in der Tat seit dem 1. Januar 1942 jeweils auf das Datum ihres Amtsantritts der Sparversicherung zuzuteilen gewesen, doch sei eine Aufnahme der Beschwerdeführer mit Rückwirkung auf einen Zeitpunkt vor dem 1. Januar 1961 abzulehnen, da für die weiter zurückliegende Zeit ihr Anspruch gegenüber dem Staat auf Einlage von Arbeitgeberbeiträgen in die Kasse verjährt sei. Diese Betrachtungsweise wird von den Beschwerdeführern aus verschiedenen Gründen als willkürlich angefochten.
3.
Nach Auffassung der Beschwerdeführer ist der angefochtene Entscheid schon deshalb willkürlich, weil beim
BGE 95 I 512 S. 517
Schweigen des Gesetzes eine Verjährung zu Ungunsten des Individuums nicht in Frage komme.
Es ist unbestritten, dass das zürcherische Beamtenversicherungsrecht keine Verjährungsvorschriften enthält und der Kanton Zürich auch keine allgemeinen, für das gesamte öffentliche Recht des Kantons geltenden Verjährungsvorschriften aufgestellt hat. In der schweizerischen Verwaltungsrechtsprechung wird jedoch, von wenigen Ausnahmen abgesehen, allgemein angenommen, dass öffentliche Ansprüche auch dann, wenn das Gesetz es nicht ausdrücklich vorsieht, der Verjährung unterliegen, da das öffentliche Interesse an der Wahrung der Rechtssicherheit dies gebietet (
BGE 94 I 517
E. 1 und dort angeführte frühere Urteile; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung 3. A. Nr. 121 II mit Hinweisen auf kantonale Entscheide). Die Beschwerdeführer setzen sich mit dieser Rechtsprechung nicht auseinander, machen aber geltend, beim Schweigen des Gesetzes komme eine Verjährung zu Ungunsten des Individuums nicht in Frage, womit sie offenbar sagen wollen, im Gebiete des Beamtenversicherungsrechts könnten ohne gesetzliche Verjährungsvorschriften zwar Ansprüche des Gemeinwesens gegen den Beamten, nicht dagegen solche des Beamten gegen das Gemeinwesen verjähren. Für eine solche unterschiedliche Behandlung bestehen indes keine sachlichen Gründe (vgl. ZWEIFEL, Zeitablauf als Untergangsgrund öffentlichrechtlicher Ansprüche S. 17/8). Das Bundesgericht hat denn auch wiederholt, und sogar mit freier Prüfung, angenommen, dass beim Fehlen einer positiven Norm auch Ansprüche des Privaten gegenüber dem Gemeinwesen der Verjährung unterworfen seien (
BGE 85 I 183
,
BGE 78 I 191
/2,
BGE 71 I 47
). Angesichts dieser gefestigten Rechtsprechung ist es zum mindesten nicht willkürlich, wenn der Regierungsrat des Kantons Zürich im gleichen Sinne entschieden hat.
4.
Die Beschwerdeführer bezeichnen den angefochtenen Entscheid weiter deshalb als unhaltbar, weil der Anspruch auf Aufnahme in die Kasse keine Geldforderung sei und dies die Verjährung ausschliesse. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb nur Geldforderungen und nicht auch andere öffentlichrechtliche Ansprüche der Verjährung unterliegen sollten. Die Gründe, die bei Geldforderungen für die Verjährung sprechen, treffen gleichermassen auch bei andern öffentlichrechtlichen Ansprüchen wie z.B. beim Anspruch auf Aufnahme in eine
BGE 95 I 512 S. 518
Pensionskasse oder Sparversicherung zu. Insbesondere dürfte es mit der Rechtssicherheit kaum vereinbar sein, wenn ein Beamter, der aus Versehen oder wegen vermeintlichen Fehlens der Voraussetzungen nicht in eine solche Kasse oder Versicherung aufgenommen wurde, diese Aufnahme nachträglich ohne zeitliche Grenzen verlangen könnte, wenn also z.B. die Mitglieder des Kassationsgerichts, die am 1. Januar 1942 im Amte standen, bzw. ihre Erben heute noch die rückwirkende Aufnahme in die Sparversicherung verlangen könnten. Wie es sich damit verhält, ist jedoch hier nicht zu untersuchen, da der Regierungsrat zur Frage der Verjährung des Aufnahmeanspruchs als solchen im angefochtenen Entscheid nicht Stellung genommen hat; zu prüfen ist einzig, ob die Begründung, mit welcher er dort die Aufnahme der Beschwerdeführer in die Kasse nur rückwirkend auf den 1. Januar 1961 zugelassen hat, dem Vorwurfe der Willkür standhält.
5.
Der Regierungsrat ging davon aus, dass der Anspruch der Beschwerdeführer auf Aufnahme in die Kasse den Anspruch gegenüber dem Staat auf Einlage eines Arbeitgeberbeitrages "involviere", mit diesem Anspruch "zusammenfalle"; dieser monatlich fällig werdende Anspruch aber verjähre in 5 Jahren, weshalb auch der Aufnahmeanspruch nicht auf eine längere Zeit zurück geltend gemacht werden könne. Diese Auffassung erweist sich bei einer näheren Prüfung als unhaltbar.
a) Die Beschwerdeführer haben freilich kein anderes Interesse an einer früheren als der vom Regierungsrat angeordneten Aufnahme in die Sparversicherung als das, dass der Kanton seine Beiträge bis auf ihren Amtsantritt nachleiste. Das gestattet es aber noch nicht, den Anspruch des Beamten auf Aufnahme in die Versicherung einfach als Anspruch auf Leistung von Staatsbeiträgen an die Kasse zu behandeln und die Frage der Verjährung unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen. Voraussetzung hiefür wäre in erster Linie, dass dem Beamten ein solcher Anspruch vor Beendigung des Dienstverhältnisses auch wirklich zusteht. Gerade das ist aber nicht dargetan.
Nach den massgebenden Bestimmungen (§ 21 BVKG, § 59 und 60 in Verbindung mit § 65 Statuten) leisten der Sparversicherte und der Staat gleich hohe Beiträge (6% der Besoldung und 3 Monatsbetreffnisse der Besoldungserhöhungen) in die Kasse. Der Staat, der die Versicherungskasse als unselbständige Anstalt führt, hat aufgrund dieser Bestimmungen
BGE 95 I 512 S. 519
gegenüber dem Beamten zweifellos einen öffentlichrechtlichen Anspruch auf Leistung dieser Beiträge, der durch Abzug von der Besoldung geltend gemacht wird (vgl. § 59 Abs. 3 Statuten) und der, sofern der Abzug aus irgendeinem Grunde unterbleibt, der Verjährung unterliegt. Daraus folgt aber nicht, dass der Sparversicherte gegen den Staat einen entsprechenden Anspruch auf Leistung der gleichen monatlichen Beiträge hat. Der Regierungsrat, der das Bestehen eines solchen Anspruchs behauptet, hat weder im angefochtenen Entscheid noch in dem diese Frage betreffenden Teil der Beschwerdeantwort eine Bestimmung genannt, aus der sich ein solcher Anspruch ergäbe; der dort erwähnte § 18 Abs. 2 des Verwaltungsreglements bezieht sich offensichtlich auf die vom Staat durch Lohnabzug geltend zu machenden Beiträge der Versicherten, nicht auf die Beiträge des Staates, für die § 22 gilt. Für das Beamtenversicherungsrecht des Bundes wird die Auffassung vertreten, der Versicherte habe kein subjektives Recht auf Leistung der Bundesbeiträge an die Kasse; die Vorschrift, wonach der Bund solche Beiträge zu leisten habe, sei eine reine Verwaltungsvorschrift (SENN, Rechtliche Natur des Pensionsanspruchs der Bundes-Beamten, -Angestellten und -Arbeiter S. 113 und 143). Einen Anspruch gegen den Staat erhält der Versicherte (bzw. dessen Hinterbliebene) erst bei der Beendigung des Dienstverhältnisses, wie denn auch der Umfang des Anspruchs erst dann feststeht. In diesem Sinne hat das Zürcher Verwaltungsgericht in der vorliegenden Streitsache im Urteil vom 7. November 1968 zutreffend bemerkt, die Beschwerdeführer machten mit ihrem Begehren "den suspensiv bedingten Anspruch gegen die Beamtenversicherungskasse geltend, dass ihnen im Versicherungsfalle Einlagen des Staates ab Amtsantritt, nicht erst ab 1. Januar 1961 auszurichten seien". Hätten die Sparversicherten schon während der Dauer des Dienstverhältnisses einen der Verjährung unterliegenden Anspruch auf Leistung (und Verzinsung) der Staatsbeiträge, so müsste ihnen die Leistung (und Verzinsung) dieser Beiträge regelmässig zur Kenntnis gebracht werden, damit sie, wenn die Leistung (oder Verzinsung) unterbleibt, das zur Wahrung ihres Anspruchs und zur Unterbrechung der Verjährung erforderliche vorkehren könnten. Dass eine derartige Mitteilung an die Versicherten zu erfolgen hätte, ist aber den Bestimmungen nicht zu entnehmen, welche vorschreiben, dass die Finanzdirektion die Arbeitgeberbeiträge an
BGE 95 I 512 S. 520
die Kasse zu überweisen und diese sie den Versicherten gutzuschreiben (und mit deren eigenen Einlagen zu verzinsen) habe (§ 21 Abs. 2 BVKG, § 22 des Verwaltungsreglements). Diese Vorschriften sind offenbar rein verwaltungsinterner Natur und bezwecken lediglich die Bereitstellung der Mittel, welche die Kasse bzw. der sie führende Staat im Versicherungsfall oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses benötigt, begründen aber während der Dauer dieses Verhältnisses keinen Anspruch des Versicherten gegen den Staat. Einen solchen Anspruch erhält der Versicherte erst mit dem Austritt aus dem Staatsdienst oder mit dem Eintritt des Versicherungsfalles, d.h. mit der Beendigung des Dienstverhältnisses (vgl. für das Beamtenversicherungsrecht des Bundes
BGE 93 I 660
/1). Bis dahin ist sein Anspruch gegen den Staat, wie das Verwaltungsgericht ausführt, suspensiv bedingt, was zur Folge hat, dass er erst mit dem Eintritt der Bedingung fällig wird und zu verjähren beginnt.
b) An der Fälligkeit würde es im vorliegenden Falle übrigens selbst dann offensichtlich fehlen, wenn angenommen würde, der Sparversicherte habe schon während des Dienstverhältnisses einen Anspruch gegenüber dem Staat auf Leistung von Beiträgen. Nach § 62 Abs. 2 der Statuten beginnt und endigt die Beitragspflicht für den Staat mit der Zahlungspflicht für den Versicherten. Wann diese beginnt, wird in den massgebenden Vorschriften nicht ausdrücklich bestimmt, doch muss angenommen werden, dass der Beamte erst zur Beitragszahlung verpflichtet ist, wenn er in die Versicherung aufgenommen wird, was bei der Sparversicherung "in der Regel" erst nach dreimonatiger Amtsdauer geschieht (§ 3 des Verwaltungsreglements). Dafür, dass ein Beamter schon vorher zu Beiträgen verpflichtet wäre, finden sich im zürcherischen Beamtenversicherungsrecht keine Anhaltspunkte. Die Aufnahmeverfügung hat auch insofern mehr als nur formelle Bedeutung, als damit auch die anrechenbare Besoldung bzw. Entschädigung festgesetzt wird. Nach der ganzen Ausgestaltung des Beamtenversicherungsrechts erscheint die Annahme, es bestehe schon vor der Aufnahme in die Sparversicherung eine Pflicht des Beamten und des Staates, Beiträge zu leisten, als unhaltbar. War vor einer Aufnahme der Beschwerdeführer in die Sparversicherung der Staat nicht verpflichtet, Beiträge zu leisten, so konnten die Beschwerdeführer auch nicht deren Überweisung an die Versicherungskasse fordern und bestand keine fällige Forderung.
BGE 95 I 512 S. 521
c) Erweist sich demnach die Annahme, den Beschwerdeführern hätten vor der Aufnahme in die Kasse fällige, der Verjährung unterworfene Ansprüche gegen den Staat auf Beiträge an die Kasse zugestanden, als unhaltbar, so ist es auch willkürlich, aus der Verjährung solcher Ansprüche abzuleiten, ihr Anspruch auf Aufnahme in die Sparversicherung könne für diejenige Zeit nicht mehr geltend gemacht werden, für welche jene Ansprüche verjährt seien. Der angefochtene Entscheid ist daher wegen Verletzung des
Art. 4 BV
aufzuheben. Der Regierungsrat wird neu über den Rekurs der Beschwerdeführer gegen die Verfügung der Finanzdirektion zu befinden und dabei die in der Beschwerdeantwort ohne nähere Begründung und insbesondere ohne Angabe der dafür geltenden Verjährungsfrist bejahte Frage zu entscheiden haben, ob "der Anspruch auf Aufnahme in die Sparversicherung an sich, losgelöst vom Anspruch auf Arbeitgeberleistungen zugunsten der Sparkonti der Beschwerdeführer, der Verjährung unterliegt".
6.
Ist die Beschwerde aus diesem Grunde gutzuheissen, so braucht zu den übrigen darin erhobenen Rügen nicht Stellung genommen zu werden. Bemerkt sei immerhin, dass die Rüge, die Berufung des Regierungsrates auf Verjährung verstosse gegen den (nach der neuern Rechtsprechung des Bundesgerichts -
BGE 94 I 520
E. 4 a,
BGE 95 I 125
E. 4 - unmittelbar aus
Art. 4 BV
folgenden) Anspruch des Bürgers auf ein dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprechendes Verhalten der Verwaltungsbehörden, kaum begründet sein dürfte, denn die Berufung auf Verjährung erscheint nur dann als missbräuchlich, wenn der Schuldner den Gläubiger durch ein dessen Vertrauen erweckendes Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung seines Anspruchs abgehalten hat, nicht dagegen, wenn die Verjährung ohne Zutun des Schuldners eingetreten ist (MEIER-HAYOZ N. 407-415 zu
Art. 2 ZGB
;
BGE 69 II 103
,
BGE 89 II 262
E. 4).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 20. Juni 1968 aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
63471fb3-84af-4443-9dfe-210a5afb0b14 | Urteilskopf
90 I 137
22. Auszug aus dem Urteil vom 18. März 1964 i.S. Rheinpark AG gegen Kachler und Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Art. 4 BV
, Art. 9 BAU. Haftung für Schaden aus Aufschub von Umzugsterminen.
Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei Beschwerden wegen Verletzung des
Art. 4 BV
(Erw. 2).
Art. 1 Abs. 2 ZGB
ist nur beim Vorliegen echter Lücken des Gesetzes anwendbar (Erw. 3). Die Annahme, der Vermieter hafte dem neuen Mieter für den Schaden, der diesem aus dem (dem früheren Mieter bewilligten) Aufschub des Umzugstermins erwächst, lässt sich nicht auf Art. 9 BAU, dagegen ohne Willkür auf
Art. 258 OR
stützen (Erw. 3, 4). | Sachverhalt
ab Seite 138
BGE 90 I 137 S. 138
Die Rheinpark A. G. mit Sitz in Basel ist Eigentümerin eines Mietshauses in Birsfelden. Sie kündigte am 5. September 1961 ihrem Mieter Lüthi den Mietvertrag über die Wohnung, die dieser in ihrem Hause innehatte, auf den 1. April 1962. Lüthi erhob gegen die Kündigung keinen Einspruch. Am 16. Oktober 1961 vermietete die Rheinpark A. G. die Wohnung auf den 1. April 1962 an Kachler, der damals in St. Gallen wohnte.
Gestützt auf den Bundesbeschluss über den Aufschub von Umzugsterminen (BAU) vom 20. März 1953 bewilligte der Gemeinderat von Birsfelden am 21. März 1962 dem bisherigen Mieter Lüthi, bis längstens zum 30. Juni 1962 in der Wohnung zu bleiben. Lüthi machte von der Bewilligung bis Ende Mai 1962 Gebrauch. Der neue Mieter Kachler konnte die Wohnung infolgedessen statt am 1. April erst am 1. Juni 1962 beziehen.
Für den Schaden, der ihm daraus erwuchs, macht Dr. Kachler die Vermieterin haftbar. Das Zivilgericht Basel-Stadt wies die Klage ab, das Appellationsgericht hat sie dagegen im Betrag von Fr. 4'000.-- geschützt. Es hat dazu ausgeführt, Art. 9 Abs. 1 BAU, der die Gemeinde für den dem Vermieter erwachsenen Schaden haften lässt, sei nur sinnvoll, wenn angenommen werde, der Vermieter habe seinerseits zunächst unbekümmert um den Nachweis eines Verschuldens für jeden Schaden aufzukommen, der dem neuen Mieter aus dem Aufschub des Umzugstermins entsteht. Der Hauptschaden, der dem Vermieter erwachsen könne, bestehe gerade aus derartigen Ansprüchen des neuen Mieters. Dieser habe selber kein Klagerecht gegen die Gemeinde. Wäre die allgemeine Regel des
Art. 97 OR
anwendbar, so hätte, falls den Vermieter kein Verschulden treffe, der neue Mieter den entstandenen Schaden selbst zu tragen. Das widerspreche dem Zweck des Art. 9 BAU. Ohne die Annahme einer kausalen primären Haftung des Vermieters gegenüber dem neuen Mieter würde die Schadenersatzpflicht der Gemeinde im Hauptanwendungsfall überhaupt nie praktisch.
BGE 90 I 137 S. 139
Die Rheinpark A. G. hat das Urteil des Appellationsgerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
angefochten.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Prozessuales.)
2.
Das Appellationsgericht hat dem Beschwerdegegner in der zwischen den Parteien hängigen Zivilrechtsstreitigkeit gestützt auf Art. 9 BAU den Betrag von Franken 4'000. - zugesprochen. Da der Streitwert die Berufungssumme des
Art. 46 OG
nicht erreicht, unterlag dieses Urteil nicht der Berufung. Der Beschwerdeführerin stand in dem hier zu erörternden Punkte nur die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
offen, die sie denn auch eingereicht hat. Die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, welche die kantonale Instanz ihrem Entscheid zugrunde gelegt hat, kann das Bundesgericht auf dieses Rechtsmittel hin nicht frei, sondern nur auf das Vorliegen von Willkür (und der hier nicht geltend gemachten Rechtsungleichheit) hin überprüfen. Das gilt für das kantonale so gut wie für das eidgenössische Gesetzesrecht (
BGE 57 I 365
). Willkür ist nach der Rechtsprechung namentlich dann anzunehmen, wenn der angefochtene Akt eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich schwer verletzt oder wenn er in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider läuft (FAVRE, ZSR
BGE 81 II 587
). Gegen eine Rechtsanwendung, die zwar bei freier Prüfung als unrichtig zu beanstanden wäre, die aber nicht an den angegebenen schweren Mängeln leidet, kann das Bundesgericht dagegen auf Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
hin nicht einschreiten. Die Beschwerdeführerin irrt daher, wenn sie wähnt, das Bundesgericht könne im Rahmen der vorliegenden Willkürbeschwerde einen "klaren Entscheid" in dem Sinne fällen, dass es die streitige Frage ein für allemal grundsätzlich klarstellen würde (vgl.
BGE 88 I 203
).
3.
Im kantonalen Verfahren war zu entscheiden, ob
BGE 90 I 137 S. 140
die Beschwerdeführerin als Vermieterin dem Beschwerdegegner als Mieter für den Schaden hafte, der diesem daraus entstanden ist, dass er die Wohnung wegen des dem bisherigen Mieter bewilligten dreimonatigen Aufschubs des Umzugstermins erst mit entsprechender Verspätung beziehen konnte. Das Appellationsgericht hat die Haftung unter Berufung auf Art. 9 Abs. 1 BAU bejaht. Laut dieser Bestimmung haftet "die Gemeinde ... den Vermietern für den ihnen aus den getroffenen Verfügungen erwachsenden Schaden". Unter den "getroffenen Verfügungen" ist der in Art. 1 ff. BAU geregelte Aufschub der ordentlichen Umzugstermine zu verstehen.
Das Appellationsgericht hält dafür, Art. 9 Abs. 1 BAU lasse den Vermieter kausal - wenn auch mit der Möglichkeit des Rückgriffes auf die Gemeinde - für den Schaden haften, der dem neuen Mieter aus dem Aufschub des Umzugstermins erwächst. Die genannte Bestimmung erwähnt indes nur die Haftung der Gemeinde gegenüber dem Vermieter; sie spricht sich weder über die Rechtsbeziehungen zwischen der Gemeinde und dem neuen Mieter noch über diejenigen zwischen diesem und dem Vermieter aus. Aus der Entstehungsgeschichte ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 BAU zu eng sei und nur einen Teil des Anwendungsgebiets erfasse, welches der Gesetzgeber der Vorschrift zuerkennen wollte. Art. 9 wurde wörtlich aus dem notrechtlichen Vorgänger des BAU, dem Bundesratsbeschluss über den Aufschub von Umzugsterminen vom 28. Januar 1944 übernommen, der in Art. 7 von der Haftung der Gemeinde handelte. Über die Tragweite dieser Vorschrift und des Art. 9 BAU sprach sich weder der Bundesrat in der Botschaft zum BAU (BBl 1953 I S. 521) noch das Parlament bei der Genehmigung des Bundesratsbeschlusses (StenB 1944 NatR S. 188 f., StR S. 73) und bei der Beratung des BAU (StenB 1953 NatR S. 204, StR S. 9) aus.
Das Appellationsgericht versucht nicht, die von ihm gefundene Lösung mit dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 1 BAU
BGE 90 I 137 S. 141
in Einklang zu bringen; es nimmt auf die Entstehungsgeschichte keinen Bezug, sondern glaubt, sich unmittelbar auf den "Sinn" der Bestimmung berufen und daraus eine Regelung des Verhältnisses zwischen dem Vermieter und dem neuen Mieter entnehmen zu können. Richtig ist zwar, dass bei der Auslegung des Gesetzes den darin niedergelegten Zwecken und Werten der gebührende Platz einzuräumen ist. Wird die aus dem Zweckgedanken gewonnene Erkenntnis aber auf Gebiete angewendet, die das Gesetz, seinem Wortlaut zufolge, schlechthin nicht geregelt haben kann, dann geht es (den Fall der Berichtigung eines durch die Entstehungsgeschichte ausgewiesenen Redaktionsfehlers vorbehalten) nicht an, diese Folgerung noch als Auslegung zu bezeichnen; eine derartige Übertragung ist vielmehr im Sinne der in
Art. 1 ZGB
getroffenen Unterscheidung der Lückenfüllung zuzurechnen.
Gemäss
Art. 1 Abs. 2 ZGB
hat der Richter, wo dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden kann, nach Gewohnheitsrecht und, wo solches fehlt, nach der Regel zu entscheiden, die er als Gesetzgeber aufstellen würde. Diese Bestimmung ist auch im Gebiete der eidgenössischen Nebengesetzgebung anwendbar (MEIER-HAYOZ, N. 46 zu
Art. 1 ZGB
). Sie greift aber nur beim Vorliegen einer echten Lücke des Gesetzes Platz (MEIER-HAYOZ, N. 313, 316 zu
Art. 1 ZGB
), das heisst dort, wo das Gesetz - sei es der betreffende Erlass selber oder eine andere Norm - eine sich unvermeidlicherweise stellende Rechtsfrage überhaupt nicht beantwortet (MEIER-HAYOZ, N. 271, 274, 293 zu
Art. 1 ZGB
; vgl. auch IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 2. Aufl., Nr. 33 S. 123 Ziff. II a). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter werden grundsätzlich durch das Obligationenrecht geregelt. Wenn der BAU hierüber keine besonderen Bestimmungen enthält, so beurteilt sich die Frage, ob der Vermieter dem neuen Mieter für den durch den Aufschub des Umzugstermins entstandenen Schaden hafte, nach den allgemeinen obligationenrechtlichen
BGE 90 I 137 S. 142
Vorschriften über die Haftung des Vermieters, die darauf eine Antwort geben.
Da insofern keine echte Gesetzeslücke vorliegt, kann Art. 9 BAU auch nicht auf dem Wege der Übertragung auf das darin nicht geregelte Rechtsverhältnis zwischen dem Vermieter und dem neuen Mieter angewendet werden. Das Urteil des Appellationsgerichts lässt sich somit nicht auf diese Bestimmung gründen.
4.
Zu untersuchen bleibt, ob das angefochtene Urteil nicht im Ergebnis - zumindest ohne Willkür - auf das Obligationenrecht gestützt werden könne.
a) Gemäss
Art. 97 Abs. 1 und
Art. 255 Abs. 2 OR
haftet der Vermieter grundsätzlich nur dann für den Schaden, der dem Mieter aus der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung des Mietvertrages erwächst, falls er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. Das Zivilgericht hat mit Recht festgestellt, dass die Beschwerdeführerin am Eintritt des Schadens, welcher dem Beschwerdegegner aus der verspäteten Übergabe der Wohnung erwuchs, kein Verschulden traf. Der Vermieter kann nur dann nach Treu und Glauben gehalten sein, den Mieter beim Vertragsabschluss auf die Möglichkeit eines behördlichen Aufschubs des Umzugstermins hinzuweisen, wenn er Grund zur Annahme hat (oder bei gehöriger Sorgfalt haben sollte), dass die Gemeinde diese Massnahme anordnen werde. Diese Voraussetzung traf hier nicht zu. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft ermächtigte die Gemeinde Birsfelden erst am 13. Februar 1962, die Umzugstermine aufzuschieben. Als die Parteien am 16. Oktober 1961 den Mietvertrag abschlossen, bestand darum für die Beschwerdeführerin keinAnlass, ein behördliches Eingreifen in Betracht zu ziehen und den Beschwerdegegner auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen. Das Zivilgericht hat ferner mit Recht erkannt, dass die Beschwerdeführerin namentlich auch insofern kein Verschulden traf, als sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versuchte, die Bewilligung eines Aufschubs an den früheren Mieter zu verhindern. Das
BGE 90 I 137 S. 143
Appellationsgericht hat diese Feststellungen mit Fug nicht in Frage gestellt und der Beschwerdeführerin kein Verschulden zur Last gelegt.
b) Der Grundsatz, wonach der Vermieter dem Mieter nur für schuldhaft verursachten Schaden haftet, gilt indes nicht ausnahmslos. Wenn ein Dritter auf die gemietete Sache einen Anspruch erhebt, der sich mit den Rechten des Mieters nicht verträgt und dieser infolgedessen in der vertragsmässigen Benutzung des Mietgegenstandes gestört wird, so hat der Vermieter laut
Art. 258 OR
Schadenersatz zu leisten, und zwar ungeachtet dessen, ob ihn ein Verschulden treffe oder nicht (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 3, BECKER, N. 3 zu
Art. 258 OR
).
Eine ältere Lehrmeinung verstand unter dem "Anspruch" eines Dritten auf die gemietete Sache jedes (private) Recht eines Dritten, das den Mieter an der vertragsmässigen Benutzung der Mietsache hindert, wobei sie neben dinglichen auch persönliche Rechte in Betracht zog (SCHNEIDER, N. 2 zu Art. 280 aoR; FICK, N. 3 zu
Art. 258 OR
; MARTIN, Le code des obligations, Des contrats de droit civil, S. 113; ZR 18 Nr. 181; gleicher Meinung wohl noch BRUNNER, Mietrecht, 2. Aufl., S. 308). Die neue Lehre (und zuvor schon HAFNER, N. 1 zu Art. 280 aoR) hat sich von dieser weiten Auslegung des
Art. 258 OR
abgewandt; sie schliesst aus systematischen und textlichen Gründen, die Bestimmung erfasse nur dingliche (und diesen kraft
Art. 260 OR
gleichgestellte) Rechte (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2, BECKER, N. 1 zu
Art. 258 OR
; DÜRR, Der Mietvertrag, S. 53). Wenn auch vieles für diese Auffassung spricht, so ist doch weder der Wortlaut noch die Systematik und der Sinn des Gesetzes so eindeutig, dass die Vertretung der älteren Meinung daneben als schlechthin unsachlich und damit willkürlich erschiene. Es kann daher offen bleiben, ob nicht die Rechte des früheren Mieters, die hier der Benutzung der Wohnung durch den neuen Mieter entgegenstanden, mit der Bewilligung des Aufschubes eine gewisse Verdinglichung erfahren hätten.
BGE 90 I 137 S. 144
Wesentlich ist jedoch, dass die Ausdehnung der Rechte des früheren Mieters auf öffentlich-rechtlicher Anordnung beruhte. Ob unter den Ansprüchen Dritter im Sinne des
Art. 258 OR
neben privaten Rechten auch öffentlich-rechtliche Beschränkungen zu verstehen seien, hat FICK mit Bezug auf die Enteignung sowie das polizeiliche Verbot einer vom Mieter vorgenommenen Betriebsvergrösserung (N. 8 vor Art. 258, N. 4 zu
Art. 258 OR
) und BRUNNER hinsichtlich der bau- und gesundheitspolizeilichen Benutzungsverbote (a.a.O., S. 308/9) verneint. Die deutsche Lehre begrenzt die Haftung des Vermieters für Rechtsmängel nach § 541 BGB in allgemeiner Weise auf den Fall, dass dem vertragsmässigen Gebrauch der Mietsache durch den Mieter private Rechte Dritter entgegenstehen (STAUDINGER, 11. Aufl., N. 5, PALANDT, 23. Aufl., N. 1 zu § 541 BGB; ENNECCERUS/LEHMANN, Schuldrecht, 14. Bearb., S. 504; ESSER, Schuldrecht, 2. Aufl., S. 539). Da eine Überspannung des Grundsatzes, dass der Vermieter die Gefahr von Rechtsmängeln der vermieteten Sache zu tragen hat, unbillig wäre, dürfte es sich auch für das schweizerische Recht in der Regel nicht rechtfertigen, den Vermieter für die Folgen eines (von ihm nicht veranlassten) behördlichen Eingreifens einstehen zu lassen. Diese Rücksicht entfällt jedoch, wenn das öffentliche Recht dafür sorgt, dass der Vermieter, der wegen des auf behördlicher Anordnung beruhenden Rechtsmangels der Mietsache in Anspruch genommen wird, seinerseits durch das anordnende Gemeinwesen zu entschädigen ist. Das trifft hier zu: Gemäss Art. 9 Abs. 1 BAU haftet die Gemeinde den Vermietern für den ihnen aus den getroffenen Verfügungen erwachsenen Schaden. Der Annahme, der Vermieter habe ungeachtet des fehlenden Verschuldens nach
Art. 258 OR
für den Schaden aufzukommen, der dem neuen Mieter aus dem (dem früheren Mieter bewilligten) Aufschub des Umzugstermins erwachsen ist, begegnet mithin vom Standpunkt der Billigkeit aus keinen ernstlichen Bedenken.
Zusammengefasst ergibt sich, dass der Wortlaut des Gesetzes die Anwendung des
Art. 258 OR
auf einen Fall wie
BGE 90 I 137 S. 145
den vorliegenden nicht ausschliesst. Ob dieses Vorgehen auch den Sinn des Gesetzes für sich habe, ist zwar fraglich, doch widerspricht es ihm jedenfalls nicht in offensichtlicher Weise. Es kann zudem nicht gesagt werden, die Lösung laufe eindeutig klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsätzen zuwider. Wenn und soweit dem Vermieter der Rückgriff auf die Gemeinde möglich bleibt, kommt es auch nicht zu einer schweren Verletzung des Gerechtigkeitsgedankens. Ist dem aber so, dann kann die betreffende Gesetzesauslegung trotz der Einwendungen, die sich dagegen vorbringen lassen, nach der in Erw. 2 vorgenommenen Abgrenzung nicht als willkürlich bezeichnet werden.
Da das angefochtene Urteil mit der nachgeschobenen Begründung, die Beschwerdeführerin hafte nach
Art. 258 OR
, vor
Art. 4 BV
standhält, ist es im Ergebnis nicht willkürlich (vgl.
BGE 86 I 269
). Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
634bc4ab-f81a-45ce-a89f-58721531f1ba | Urteilskopf
87 II 7
2. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 24 mars 1961 dans la cause B. contre B. | Regeste
Gerichtsstand der Ehescheidungs- und der Ehetrennungsklage.
Art. 144 ZGB
.
Wohnsitz des Ehemannes, der seinen Wohnsitz im Ausland aufgegeben und keinen neuen in der Schweiz, wo er sich aufhält, begründet hat (Erw. 2).
1. Tatsächliche Aufgabe des frühern Wohnsitzes im Ausland.
2. Begriff des Aufenthaltes. Wahl zwischen mehreren möglichen Orten.
In welchem Verhältnis steht
Art. 24 Abs. 2 ZGB
zu
Art. 7 g Abs. 1 NAG
? (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 8
BGE 87 II 7 S. 8
A.-
R. B. est originaire d'Avry sur Matran, dans le canton de Fribourg. Le 6 avril 1939, il épousa S. di M., dont il eut trois enfants. Il vécut avec sa famille à Rome, où il travaillait au service de l'Administration spéciale du Saint-Siège.
Des dissensions conjugales l'engagèrent à quitter l'Italie pour s'établir en Suisse. En juin 1958, il démissionna de ses fonctions et se rendit à Genève, où il loua une chambre le 26 de ce mois. Après être retourné à Rome le 30, notamment pour faire enregistrer son départ, il revint à Genève et s'y inscrivit le 9 juillet au Contrôle de l'habitant. A cette époque, il fit plusieurs voyages d'un ou deux jours à Paris et à Fribourg. En septembre, il se soigna dans une clinique de Lausanne. Entre temps, il avait multiplié des démarches dans quelques villes suisses afin de trouver une occupation. A partir du 1er novembre 1958, il fut employé par une banque de Nyon et, dès le 15 octobre 1959, par une maison genevoise.
B.-
Le 9 juillet 1958, il intenta devant le Tribunal de première instance de Genève une action en divorce, qu'il transforma ultérieurement en demande de séparation
BGE 87 II 7 S. 9
de corps. Sa femme excipa de l'incompétence du for genevois.
Le 22 septembre 1960, le tribunal saisi se déclara compétent en l'état. Il considère qu'à l'ouverture du procès, B. avait quitté son domicile en Italie sans en acquérir un nouveau en Suisse; comme il résidait à Genève, il était réputé domicilié dans cette ville conformément à l'art. 24 al. 2 CC et avait dès lors le droit d'y introduire une action en divorce en vertu de l'art. 144 CC.
Le 10 janvier 1961, la Cour de justice du canton de Genève confirma ce jugement, tout en admettant la compétence des tribunaux genevois à titre définitif et non seulement en l'état.
C.-
Dame B. recourt en réforme contre l'arrêt de seconde instance.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
...
2.
L'art. 24 al. 2 CC répute domicilié au lieu de sa résidence celui qui quitte son domicile à l'étranger sans en acquérir un nouveau en Suisse. Il s'agit d'examiner dans le cas particulier si la juridiction cantonale s'est fondée à juste titre sur cette disposition pour attribuer à l'intimé un domicile à Genève le 9 juillet 1958, soit à l'ouverture du procès en divorce.
On doit se demander d'abord si, à cette date, l'intimé avait quitté son domicile à l'étranger au sens de l'art. 24 al. 2 CC. Pour remplir cette condition, il suffit d'abandonner en fait le domicile étranger; peu importe que ce dernier subsiste ou non en vertu du droit étranger à titre de domicile légal (RO 68 II 184; EGGER, 2e éd., note 5 ad art. 24 CC). La situation de fait l'emporte donc sur l'état de droit; sinon, l'application de la loi suisse serait subordonnée à la possibilité de renoncer à un domicile en droit étranger (HOLENSTEIN, Der privatrechtliche Wohnsitz im schweiz. Recht, p. 117). En l'occurrence, la Cour cantonale déduit des circonstances qu'en juin 1958, B.
BGE 87 II 7 S. 10
était parti de Rome sans esprit de retour. Cette constatation, ayant trait aux intentions de l'intimé, lie le Tribunal fédéral. Elle se justifie d'ailleurs au regard de l'ensemble des faits retenus par la décision attaquée. C'est en juin 1958 que B. a démissionné de ses fonctions auprès de l'Administration spéciale du Saint-Siège. Comme il désirait se séparer de sa femme et se fixer en Suisse, plus rien ne le rattachait à Rome. Il n'importe que sa démission ait été acceptée immédiatement ou plus tard; ce qui est certain, c'est qu'il ne l'a pas révoquée. Il est indifférent aussi qu'après avoir loué le 26 juin une chambre à Genève, il ait reparu à Rome le 30; ce bref passage, dont il a profité pour faire enregistrer son départ, n'implique pas un changement d'intention. Dès lors, le 9 juillet 1958, il avait quitté son domicile à l'étranger dans l'acception de l'art. 24 al. 2 CC.
De plus, il n'avait pas acquis en Suisse de nouveau domicile. Il n'y résidait nulle part avec l'intention de s'établir, comme l'exige l'art. 23 al. 1 CC. En particulier, s'il avait loué une chambre à Genève et s'y était inscrit au Contrôle de l'habitant, il n'avait pas fait de cette ville le centre de ses relations (RO 85 II 322 et arrêts cités). Sans activité lucrative, il n'occupait pas son logis en permanence. Il s'était simplement procuré à Genève un pied-à-terre pour trouver un emploi, là ou ailleurs. Ce n'était pas un domicile.
Aussi, lors de l'introduction de l'action en divorce, ayant déjà quitté l'Italie sans avoir encore acquis un domicile en Suisse, l'intimé était-il censé domicilié, de par la fiction de l'art. 24 al. 2 CC, au lieu de sa résidence. Telle que la prévoit l'art. 24 al. 2 CC, la résidence suppose un séjour d'une certaine durée dans un endroit donné et la création en ce lieu de rapports assez étroits; un séjour tout à fait éphémère ou de pur hasard n'est pas une résidence (RO 56 I 454). Mais il ne s'ensuit pas que seul un séjour prolongé et permanent la constitue. S'il en était ainsi, certaines personnes se trouveraient dépourvues
BGE 87 II 7 S. 11
de résidence et, partant, privées de domicile. Ce résultat, dont les tiers pourraient aussi pâtir, serait contraire au but de l'art. 24 al. 2 CC, qui tend à éviter l'absence de domicile (EGGER, 2e éd., note 4 ad art. 24 CC; HAFTER, 2e éd., note 1 ad art. 24 CC; HOLENSTEIN, op.cit., p. 115). Comme l'a déclaré le rapporteur de langue française lors des débats du Conseil national sur le projet de code civil, "il faut absolument que toute personne puisse être rattachée à un domicile; le législateur lui en assigne un si elle n'en a pas ou si elle n'en a plus" (Bull. stén. 1905, p. 455). Or, selon l'art. 24 al. 2 CC, celui qui quitte son domicile à l'étranger sans en acquérir un nouveau en Suisse ne peut être réputé domicilié qu'au lieu où il réside. Pour obtenir un domicile, il devra donc nécessairement avoir une résidence. S'il séjourne tantôt dans un endroit tantôt dans un autre, il sera tenu pour résidant là où l'unissent les liens les plus forts (RO 56 I 455). En l'espèce, deux villes peuvent être envisagées comme résidence de l'intimé: Fribourg et Genève. C'est à juste titre que la juridiction cantonale a retenu la seconde. Certes, en été 1958, l'intimé s'est rendu une fois ou l'autre à Fribourg, où habite sa mère et où, selon la recourante, il aurait reçu de la correspondance. Néanmoins, désireux de s'employer dans une banque, il avait intérêt à s'établir dans un centre financier plus important. D'autre part, s'il avait à Fribourg des parents et des connaissances, ce n'était pas une raison péremptoire de se fixer dans cette ville plutôt qu'ailleurs. Au contraire, comme le fait observer la Cour cantonale, il pouvait craindre que les personnes renseignées sur ses difficultés familiales ne lui facilitent pas toutes la recherche d'une occupation. En revanche, il avait certaines attaches avec Genève, où de sérieux motifs l'engageaient à s'installer. C'est là qu'il avait loué une chambre et, s'il ne l'habitait pas en permanence, il y revenait régulièrement et s'y faisait adresser du courrier. Au surplus, il pouvait espérer trouver dans cette ville d'affaires une activité qui répondît à ses aspirations. En
BGE 87 II 7 S. 12
tout cas, il n'avait guère à redouter d'y être entravé par ses déboires conjugaux. Bref, si Genève n'était pas encore le centre de ses relations le 9 juillet 1958, c'est tout de même avec ce lieu qu'il avait alors les rapports les plus étroits. C'était donc l'endroit où il résidait.
Il s'ensuit qu'au jour de l'ouverture du procès, conformément à l'art. 24 al. 2 CC, le recourant était réputé domicilié à Genève. A cette date, il avait le droit d'y demander le divorce en vertu de l'art. 144 CC. Aussi la recourante décline-t-elle à tort la compétence du juge genevois.
3.
L'art. 7 g al. 1 LRDC, qui autorise le Suisse habitant l'étranger à intenter une action en divorce devant le juge de son lieu d'origine, ne fait pas obstacle à cette solution, comme paraît le croire la recourante. Son but, c'est de procurer un for suisse au Suisse qui, n'étant pas domicilié dans son pays, ne peut y plaider en divorce en se fondant sur l'art. 144 CC. Par conséquent, celui qui invoque l'art. 7 g al. 1 LRCD doit prouver avant tout qu'il n'a pas de domicile en Suisse (STAUFFER, Der Ehescheidungsgerichtsstand in der Schweiz, p. 73). Or, tel n'était pas le cas de l'intimé qui, selon l'art. 24 al. 2 CC, était censé domicilié à Genève. Au reste, il serait contradictoire qu'un Suisse ait quitté son domicile à l'étranger conformément à l'art. 24 al. 2 CC et qu'il y habite encore suivant l'art. 7 g al. 1 LRDC. | public_law | nan | fr | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6350dfdd-92e5-443f-8990-05eed33e08a5 | Urteilskopf
89 II 96
17. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 9 avril 1963 dans la cause Torre et Arts Ménagers SA contre Columbia Gramo- phone Company Ltd. et The Gramophone Company Ltd. | Regeste
Art. 24 lit. c MSchG
. Markenrecht.
1. Der Inhaber einer in der Schweiz eingetragenen Marke kann den Schutz seines Rechtes gegenüber einer ausländischen Marke verlangen, sobald diese auf dem inländischen Markte erscheint (Territorialitätsprinzip); sein ausschliessliches Recht besteht selbst dann, wenn die Marke im Ausland rechtmässigerweise angebracht und gebraucht worden ist; auf die Qualität der beiden mit derselben Marke versehenen Erzeugnisse kommt nichts an, und ebenso nicht darauf, ob der schweizerische und der ausländische Markeninhaber wirtschaftlich miteinander verbunden sind, sofern die Marke in der Schweiz nur durch den einen von ihnen hinterlegt worden ist (Erw. 3).
2. Nichtigkeit der Markenübertragung.
a) Beweislastverteilung.
b) Originärer Erwerb einer seit mehr als 5 Jahren gelöschten Marke.
c) Ergänzung des kantonalen Tatbestandes in einem nebensächlichen Punkte (
Art. 64 Abs. 2 OG
) (Erw. 4).
3. Konzernmarke? (Erw. 5).
4. Nachahmung einer Marke durch Wiedergabe ihres figurativen Teiles (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 97
BGE 89 II 96 S. 97
A.-
1) La société Columbia Gramophone Company Ltd., dont le siège est à Hayes (Middlesex, Grande-Bretagne), est titulaire des marques suivantes, enregistrées par le Bureau fédéral de la propriété intellectuelle:
- la marque verbale "Columbia" no 158 095, déposée le 29 septembre 1955 en renouvellement de la marque no 86 797, déposée elle-même pour la première fois le 7 octobre 1935;
- la marque figurative no 107 786, représentant deux doubles croches (Twin notes), déposée le 15 mars 1944 en renouvellement de la marque no 56 892, déposée elle-même le 30 juillet 1924;
- la marque mixte no 107 787 (les termes Columbia Grafonola sont inscrits dans un cercle autour des deux doubles croches), déposée le 15 mars 1944 en renouvellement de la marque no 56 893, déposée elle-même le 30 juillet 1934.
Ces marques concernent notamment des appareils d'enregistrement et de reproduction des sons. Les deux dernières avaient été déposées respectivement les 4 et 9 septembre 1920, sous nos 47 648 et 49 970, par la société américaine Columbia Gramophone Manufacturing Company, à Bridgeport (Connecticut), qui les aurait cédées au
BGE 89 II 96 S. 98
titulaire actuel vers 1923, lors de l'achat du capitalactions de sa filiale anglaise par un groupe britannique. L'enregistrement de 1924 se réfère à une "Übertragung mit Gebrauchsausdehnung" des nos 47 648 et 49 970.
2) La société The Gramophone Company Ltd., dont le siège est également à Hayes, est titulaire de deux marques mixtes composées d'une image représentant un chien devant un gramophone et des mots "His Master's Voice", l'une déposée le 8 mai 1943 sous le no 104 922, l'autre le 22 janvier 1959 sous le no 173 841; celle-ci renouvelle la première et protège expressément, comme appareils d'enregistrement et de reproduction des sons, les disques de gramophones et les bandes d'enregistrement.
3) Les deux sociétés ont constaté que les magasins exploités par la maison "Aux Arts Ménagers SA" et Armand Torre à Genève, Neuchâtel et Lausanne vendent des disques munis des marques précitées et importés des Etats-Unis d'Amérique. Elles ont aussitôt réagi, comme elles le firent dans d'autres cas (cf. RO 85 IV 53). Mais elles se heurtèrent à un refus, malgré plusieurs mises en demeure.
B.-
A la demande de Columbia Gramophone Company Ltd., la Cour de justice de Genève ordonna le 19 janvier 1959 l'inventaire du stock des disques américains revêtus des marques déposées en Suisse par la requérente ou "de tout autre élément essentiel" de celles-ci; elle enjoignit en outre aux intimés de communiquer leurs nouvelles acquisitions. Ceux-ci formèrent opposition. L'ordonnance fut confirmée sur le premier point, le 17 avril 1959. Du 24 janvier au 17 février, l'huissier avait dressé l'inventaire des (5591) "disques concernés", soit des disques "Columbia en stock"; la liste qu'il a établie en donne les numéros, mais n'indique pas la marque.
Le 26 mars 1959, la Cour de justice fit droit à une requête identique de The Gramophone Company Ltd.; son ordonnance fut confirmée dans la même mesure que la précédente le 18 septembre 1959, malgré l'opposition
BGE 89 II 96 S. 99
des intimés. Du 3 avril au 5 mai, l'huissier avait dressé l'inventaire de 1962 disques His Master's Voice "RCA". Selon les intimés, il s'agit de disques RCA Victor, dont la marque est quelquefois "malheureusement ... accompagnée du même petit chien que celui figurant dans les marques HMV".
C.-
Le 21 mars 1959, Columbia Gramophone Company Ltd. a actionné Torre et Arts Ménagers SA Elle demandait au juge de déclarer illicite et de prohiber la vente ou la circulation dans le pays de disques américains revêtus des marques déposées par elle en Suisse ou de l'un de leurs éléments essentiels, d'en interdire l'importation, de saisir et détruire le stock existant, de condamner enfin les défendeurs à lui payer une indemnité de 25 000 fr. Le 25 juin 1959, The Gramophone Company Ltd. a également ouvert action contre les mêmes personnes et pris des conclusions analogues (les dommagesintérêts étant arrêtés à 20 000 fr., sous réserve d'amplification). Les deux causes ont été jointes.
Les demanderesses sont des filiales du trust anglais Electric and Musical Industries Ltd. (EMI). Elles exposent qu'elles n'ont rien de commun avec les maisons américaines Radio Corporation of America (RCA) et Columbia Connecticut, titulaires aux Etats-Unis des marques "His Master's Voice" et "Columbia"; peu importe qu'il y ait eu des échanges de matrices jusqu'au 31 mars 1957, en dehors de tout rapport de Konzern. La société suisse EMI AG importe les disques fabriqués par les deux filiales anglaises; elle ne traite qu'avec les maisons Pianohaus Jecklin et Cie, à Zurich, et Hug et Cie, à Bâle, qui écoulent la marchandise par le canal des associations de grossistes et de détaillants, à des prix minima.
Les défendeurs ont conclu au rejet des demandes et, reconventionnellement, en cessation du boycott et en paiement de 200 000 fr. de dommages-intérêts.
En cours de procédure, des disques de provenance américaine ont été produits avec leur emballage. La marque
BGE 89 II 96 S. 100
figurative no 107 786 et la marque mixte Columbia Grafonola no 107 787 n'y sont apposées nulle part.
D.-
Le 26 octobre 1962, la Cour de justice a déclaré illicite la mise en vente en Suisse de disques américains revêtus des marques des demanderesses "ou encore de tout élément essentiel" de ces marques; elle a ensuite ordonné la saisie et la destruction des disques se trouvant en main des défendeurs (sous réserve de leur expédition aux USA sous contrôle d'huissier), ainsi que la publication du dispositif de son arrêt. La Cour a réservé la fixation des dommages-intérêts et commis un expert; elle n'est pas entrée en matière sur la demande reconventionnelle (art. 57 de la loi genevoise d'organisation judiciaire).
E.-
Les défendeurs recourent en réforme au Tribunal fédéral. Ils concluent au rejet de la demande. Les intimées proposent le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1./2. - ....
3.
De par l'art. 24 litt. c LMF, sera poursuivi par la voie civile quiconque aura vendu, mis en vente ou en circulation des produits ou marchandises revêtus d'une marque qu'il savait être contrefaite, imitée ou indûment apposée, pour autant du moins que le public pouvait être trompé sur leur provenance (RO 86 II 279 et les arrêts cités).
Interprétant cette disposition, le Tribunal fédéral a abandonné le principe de l'universalité des marques et s'est rallié à celui de la territorialité, admis presque partout à l'étranger et dans la doctrine suisse actuelle (RO 78 II 164;
85 IV 53
;
86 II 272
; TROLLER, Immaterialgüterrecht, I, p. 133 ss.; MATTER, Kommentar zum MSchG, p. 50; DAVID, Kommentar zum MSchG, 2e éd., p. 52). Selon cette jurisprudence, la marque enregistrée en Suisse confère à son titulaire le droit exclusif de l'utiliser dans ce pays, la protection étant limitée au champ d'application
BGE 89 II 96 S. 101
de la loi. Si donc l'ayant droit ne saurait s'opposer à l'usage de sa marque à l'étranger par une autre entreprise, il le peut dès qu'elle apparaît sur le marché suisse, même si elle a été apposée et utilisée licitement ailleurs; lui seul jouit en Suisse de la protection légale.
La fonction de la marque étant de spécifier le fabricant et son entreprise par une indication de provenance (mais pas celle de l'art. 18 LMF: RO 86 II 277), peu importe la qualité respective des produits revêtus de la même marque (RO 78 II 172 et les arrêts cités) ou les liens économiques unissant les titulaires en Suisse et à l'étranger, si la marque n'est déposée en Suisse que par l'un d'eux.
Sans doute, un cartel peut-il ainsi recourir au droit des marques pour imposer de manière efficace la répartition territoriale des débouchés entre ses membres et conférer à la convention de cartel, à ses clauses d'exclusivité et à l'organisation de monopoles privés, qui ressortissent au domaine du contrat et des droits relatifs, le renfort d'une protection ayant un effet réel. Tel n'est pas l'objet du droit d'auteur et de la propriété industrielle (RO 85 II 442;
86 II 284
). Mais c'est une conséquence inéluctable du principe de la territorialité, voulue semble-t-il par le législateur (art. 11 al. 1 LMF). La liberté économique de droit privé peut d'ailleurs être protégée par des voies de droit appropriées (art. 28 CC).
Vu ce qui précède, les intimées, si elles sont titulaires en Suisse des marques dont elles se prévalent, peuvent s'opposer à leur contrefaçon ou à leur imitation, quand bien même la marchandise vendue, mise en vente ou en circulation, serait identique à leurs propres produits, proviendrait d'entreprises liées économiquement à ellesmêmes ou serait revêtue d'une marque apposée licitement à l'étranger.
4.
a) Comme dans l'instance cantonale, les recourants invoquent la nullité du transfert de la marque figurative "Twin Notes" no 107 786 et de la marque mixte
BGE 89 II 96 S. 102
"Columbia Grafonola" no 107 787 à l'une des intimées'la société anglaise Columbia Gramophone Company Ltd., parce que l'art. 11 LMF, ancienne teneur, n'aurait pas été respecté (RO 58 II 181;
61 II 61
).
Le jugement attaqué n'a pas examiné si la société, comme elle le soutient et offrait de le prouver, a acquis la part de l'entreprise américaine Columbia Connecticut afférente à la Suisse. Il a admis en effet la validité de la marque par d'autres motifs. On ne saurait donc dire que la demanderesse a échoué dans l'administration d'une preuve qui lui incombait, ni que la Cour cantonale, à tort, ne lui en a pas imposé le fardeau. On pourrait tout au plus reprocher au juge d'avoir fixé les faits de manière incomplète s'il s'avérait que les motifs de sa décision ne sont pas convaincants et que le point litigieux fût donc décisif. Comme on le verra, l'intimée est titulaire des marques enregistrées en Suisse. La Cour de céans se borne dès lors à noter, par surabondance de droit et contre l'avis des recourants (cf. p. 6 de l'acte de recours), que le fardeau de la preuve n'incombait pas à l'intimée. Le transfert des marques est soumis à des formalités et fait l'objet d'un contrôle par le Bureau fédéral de la propriété intellectuelle; il est enregistré sur la base d'une pièce justificative suffisante, dans un registre public (art. 16 LMF; art. 19 du règlement d'exécution). De par l'art. 9 CC, l'intimée est présumée avoir acquis le droit conformément à la loi et notamment à la suite d'une transmission, totale ou partielle, de l'entreprise dont la marque sert à distinguer les produits (TROLLER, op.cit., II p. 1025; DAVID, 2e éd., note 4 ad art. 5; MATTER, p. 93). Il suffisait dès lors que l'intimée se prévalût de l'inscription; il incombait aux recourants de renverser la présomption en alléguant et prouvant les faits d'où résulte, à leur avis, la nullité de la marque ou de son transfert.
b) Quand bien même le transfert intervenu en 1924 serait nul, l'intimée peut se prévaloir actuellement d'une acquisition originaire, à un double point de vue. En premier
BGE 89 II 96 S. 103
lieu, les marques litigieuses ont été radiées au nom de la maison américaine en 1924; comme elles pouvaient être déposées par un tiers pour les mêmes produits cinq ans après la radiation (art. 10 LMF), l'acquisition initiale dérivée, supposée nulle, eût été validée en 1929 (RO 83 II 220 consid. 2 in fine). En second lieu, le renouvellement demandé en 1944, soumis aux mêmes formalités qu'un premier enregistrement (art. 8 al. 2 LMF), est intervenu à un moment où l'on pouvait utiliser la marque radiée (art. 10 LMF).
Vu la mention du transfert, on ne saurait objecter que la maison américaine a conservé le droit à la marque jusqu'en 1940 (art. 8 al. 1 LMF); elle a au contraire exprimé sa volonté de ne plus en user. La marque doit donc être réputée radiée même si, par hypothèse, l'acquisition dérivée par la maison anglaise était nulle. Du reste, faute de renouvellement, la marque était disponible en 1945. A ce moment-là au plus tard, toute acquisition viciée était donc validée.
c) Il suit de là que les objections visant la validité du transfert tombent. Il reste à rechercher si, malgré leurs dénégations, les recourants ont mis en vente des disques revêtus des deux marques nos 107 786 et 107 787 visées par le dispositif du jugement attaqué. Sur cette question de fait, le Tribunal fédéral est lié par les constatations de la Cour cantonale (art. 63 al. 2 OJ), sous réserve de l'art. 64 OJ.
Les conclusions de la requête de mesures provisionnelles mentionnaient la marque figurative "Twin Notes" et la "marque - verbale ou mixte - Columbia"; la seule marque mixte comprenant ce terme est "Columbia Grafonola" no 107 787. Le jugement attaqué définit l'office de l'huissier comme "l'inventaire des disques concernés". Le document établi à cette occasion ne porte pas la marque en regard des titres des disques mais, lorsqu'il relate les opérations effectuées, se réfère aux "disques 'Columbia' en stock". Le jugement attaqué,
BGE 89 II 96 S. 104
qui ne contient pas d'autres précisions, se révèle donc insuffisant.
Le point est accessoire, car l'acte illicite vise essentiellement la marque verbale "Columbia". Aussi le tribunal peut-il rechercher dans le dossier des constatations complémentaires (art. 64 al. 2 OJ). Il ne s'y en trouve aucune. Mais dans la discothèque mise à la disposition de la Cour cantonale, les deux marques ne sont apposées sur aucun des disques de provenance américaine produits - fût-ce par l'intimée -, ni sur leurs emballages. (Sur l'étui du disque no 2577, en bas à droite, les deux notes figurent dans une énumération, en caractères très petits, des marques utilisées par la maison américaine; la marque du disque lui-même est "Columbia LP".
Il ne ressort donc pas de la procédure ou du jugement attaqué que les recourants aient mis en vente des disques américains revêtus des marques nos 107 786 et 107 787 (qui paraissent avoir été abandonnées en fait). Or la preuve de l'infraction incombait à l'intimée, au cours de l'instance cantonale; elle n'a pas été tentée sérieusement ou a échoué. Le refus opposé par les recourants à l'injonction de ne point vendre "des disques revêtus des marques Columbia, Twin Notes et His Master's Voice" (contenue dans la lettre du 5 mai 1958) n'est pas probant, car l'ordre est imprécis et ne vise pas expressément la marque mixte Columbia Grafonola; de plus, si l'usage effectif de la marque n'est pas nécessaire quand le défendeur refuse de s'engager à s'abstenir d'en user et conteste la prétention, c'est dans la seule hypothèse où le défendeur a fait enregistrer la marque contestée, dans le but évident de l'utiliser (RO 58 II 172;
84 II 322
;
87 II 111
); tel n'est pas le cas.
Il suit de ces considérations que l'infraction visée par l'art. 24 litt. c LMF n'est pas réalisée en ce qui concerne les marques nos 107 786 et 107 787. L'action de Columbia Gramophone Company Ltd. doit être rejetée dans cette mesure.
BGE 89 II 96 S. 105
5.
Les recourants admettent la licéité de la marque verbale "Columbia" no 158 095, déposée le 29 septembre 1955 (après un refus du Conseil fédéral du 16 juin 1922; BURCKHARDT, Le droit fédéral suisse, IV, no 2158); l'indication géographique évoque principalement dans l'esprit du public suisse un produit déterminé (hat sich im Verkehr durchgesetzt).
a) Ils soutiennent en revanche, semble-t-il, que ce public la considère comme une marque américaine, en raison de la renommée mondiale acquise par le produit fabriqué aux Etats-Unis; cela exclurait toute protection de l'intimée. Mais cet avis n'est confirmé, en fait, par aucune contestation du jugement attaqué.
b) Les recourants prétendent en outre que des relations économiques étroites existent entre la société américaine et le groupe EMI; ils en déduisent que la première bénéficie en Suisse d'une marque "de fait", de "Konzern". Mais on ne se trouve en tout cas pas en présence d'une marque collective (art. 7 bis LMF), l'existence d'une personne morale n'étant pas établie. La faculté de l'art. 6 bis LMF n'a pas davantage été utilisée, les intéressés, quelles que soient leurs relations économiques, n'ayant pas déposé en commun une marque. La société américaine n'a même pas fait enregistrer une marque en Suisse. Il s'ensuit que le moyen des recourants, malaisé à saisir, paraît dénué de tout fondement.
c) L'acte de recours se réfère enfin à l'arrêt Philipps c. Radio Import (RO 86 II 283) et affirme que la vente de disques américains revêtus de la marque Columbia ne peut induire le public en erreur; tel n'est en effet pas le cas lorsque la marchandise provient d'un Konzern et que, dans l'esprit du public suisse, la marque désigne non pas l'entreprise de son titulaire mais n'importe quelle maison appartenant au Konzern; or, à en croire les recourants, le disque Columbia est considéré comme américain, vu la renommée qui s'est attachée d'emblée, dès avant 1924, au produit fabriqué aux Etats-Unis.
BGE 89 II 96 S. 106
Cette argumentation ne repose pas sur les constatations du jugement attaqué. Si l'intimée tolère la vente en Suisse de disques Columbia fabriqués dans d'autres pays d'Europe sous les marques qu'elle-même ou le groupe EMI y ont déposées, on n'en saurait déduire que, dans l'esprit du public, la marque Columbia est celle d'un Konzern mondial, comprenant également des maisons hors d'Europe. Cela ne ressort pas du jugement attaqué; celui-ci constate au contraire que l'entreprise américaine ne vend pas de disques en Suisse et que l'intimée n'a jamais toléré les ventes isolées qui se sont réalisées. La situation est donc différente de celle de l'arrêt invoqué, où les titulaires de la marque suisse eux-mêmes importaient et mettaient en vente, comme le défendeur, des marchandises provenant d'entreprises Philipps à l'étranger. En l'espèce au contraire, le marché suisse est fermé depuis plus de trente ans aux produits américains, ensuite de la cession intervenue en 1924; en outre, les groupes européen et américain sont distincts et indépendants. On ne saurait dès lors prétendre que, dans l'esprit du public suisse, la marque Columbia émane d'un Konzern touchant aussi la fabrication américaine.
6.
Les recourants contestent avoir mis en vente des disques "His Master's Voice" de provenance américaine. Selon eux, il n'existe que des disques revêtus de la marque RCA Victor, "qui malheureusement est quelquefois accompagnée du même petit chien que celui figurant dans les marques de HMV".
Effectivement, le procès-verbal de l'huissier, relatant l'inventaire "des disques 'His Master's Voice, en stock à Genève", mentionne des disques RCA. Mais les recourants accordent qu'une partie d'entre eux au moins portent l'élément figuratif de la marque de l'intimée The Gramophone Company Ltd. Cela est d'ailleurs corroboré par les pièces produites par la société anglaise, qui établit les avoir achetées au magasin de la recourante: sur les enveloppes est apposée la marque no 173 841 à côté de RCA
BGE 89 II 96 S. 107
Victor, et l'étiquette des disques porte soit cette marque complète, soit le plus souvent l'élément figuratif seul. Les recourants ont donc mis en vente - peu importe en quelle quantité - des disques revêtus de la marque enregistrée en 1943.
Cette marque a été déposée pour les appareils d'enregistrement et de reproduction des sons. Sont ainsi visés, notamment, les disques de gramophone. On ne saurait objecter que la marque RCA Victor est "prépondérante"; cela est inexact en fait et sans pertinence en droit, car l'imitation ou la contrefaçon est de nature à créer une confusion dans le public, même si une autre marque est aussi apposée. En outre, le Cour de céans ne peut examiner les faits articulés par les recourants qui sortent du cadre des constatations du jugement attaqué (art. 63 al. 2 OJ), ceux notamment qui touchent les disques de l'entreprise RCA Victor et les relations entre celle-ci et le groupe EMI.
Il convient en revanche de rectifier d'office le jugement attaqué sur un point de détail. Dans la mesure où seul l'élément figuratif est apposé sur les disques américains, il n'y a pas contrefaçon, mais imitation (RO 32 I 702; DAVID, op.cit., note 3 ad art. 24 LMF, p. 267/268). Pour interdire celle-ci, on ne peut se référer, comme la Cour cantonale, à "tout élément essentiel desdites marques". L'ordre d'abstention doit être précis, de façon qu'aucune difficulté ne puisse surgir lors de l'exécution forcée (RO 84 II 457 consid. 6). Il visera donc en l'espèce "l'élément figuratif de la marque".
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
Admet partiellement le recours et réforme le jugement attaqué en ce sens que l'alinéa premier du dispositif a la teneur suivante:
"Interdiction est faite aux défendeurs de mettre en vente en Suisse des disques de gramophone de provenance américaine revêtus des marques suivantes:
- Columbia, enregistrée sous no 158-095
BGE 89 II 96 S. 108
- His Master's Voice, enregistrées sous nos 104 922 et 173 841, ou encore du seul élément figuratif des marques His Master's Voice précitées.";
Confirme le jugement pour le surplus. | public_law | nan | fr | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
63546b98-77c9-485f-98bf-cd9e1706a767 | Urteilskopf
80 I 129
23. Extrait de l'arrêt du 13 avril 1954 dans la cause Blanc contre Conseil d'Etat du Canton de Vaud. | Regeste
Handels- und Gewerbefreiheit. Polizeiliche Beschränkungen. Disziplinarmassnahmen (
Art. 31 BV
).
Wesen und Zweck des als Disziplinarmassnahme angeordneten vorübergehenden oder dauernden Entzugs der Bewilligung zur Ausübung eines bestimmten Berufes. Anwendung auf den Fall des Zahntechnikers (Erw. 1-3).
Rechtsgleichheit (
Art. 4 BV
).
Der Grundsatz der Rechtsgleichheit wird nicht verletzt durch eine kantonale Bestimmung, die jede Vereinbarung verbietet, durch die ein Zahnarzt in ein Abhängigkeitsverhältnis zu einem Assistenten oder Zahntechniker gerät (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 130
BGE 80 I 129 S. 130
A.-
En vertu d'un règlement adopté par le Conseil d'Etat du canton de Vaud le 24 décembre 1928, le mécanicien pour dentiste est un artisan qui confectionne les appareils de prothèse dentaire pour le compte d'un ou plusieurs médecins-dentistes autorisés par le Conseil d'Etat à pratiquer l'art dentaire, et cela sous le contrôle et la responsabilité de ceux-ci. Son activité, qui le range parmi le personnel médical auxiliaire, est strictement limitée à la fabrication de ces appareils, à l'exclusion de toute intervention quelconque dans la bouche du patient. Il peut exercer sa profession soit dans le laboratoire d'un mécanicien-dentiste autorisé à pratiquer l'art dentaire, soit à son propre domicile en qualité de mécanicien à façon, soit enfin dans un laboratoire de prothèse à façon, sous la surveillance et la responsabilité du titulaire reconnu de ce laboratoire. Pour exercer sa profession, il doit obtenir l'autorisation du Département de l'Intérieur. S'il entend exercer sa profession en exploitant un laboratoire de prothèse dentaire à façon, il doit de plus obtenir l'autorisation préalable dudit Département (art. 1, 2, 5, 6 et 7 du règlement précité).
La loi vaudoise du 4 septembre 1928 sur l'organisation sanitaire, en vigueur jusqu'au 29 décembre 1952, permettait de retenir à la charge du mécanicien pour dentiste qui pratiquait sans autorisation ou intervenait dans la bouche du client, une contravention passible d'amende ou d'arrêts, sans préjudice des sanctions disciplinaires. La loi vaudoise du 9 décembre 1952 sur l'organisation sanitaire en vigueur depuis le 30 décembre 1952 a repris le même système. Son art. 133 al. 1 prévoit ce qui suit au sujet des sanctions disciplinaires:
BGE 80 I 129 S. 131
"Lorsqu'une personne exerçant une profession relevant de la présente loi est convaincue d'indignité, d'immoralité ou de procédés frauduleux, ou lorsqu'elle fait preuve, dans l'exercice de sa profession, d'incapacité, de négligence ou de résistance aux ordres de l'autorité, le Département de l'Intérieur peut la réprimander, lui infliger une amende de 50 à 1000 fr. ou lui retirer, à titre temporaire ou définitif, l'autorisation de pratiquer dans le canton."
Enfin, la nouvelle loi d'organisation sanitaire interdit le compérage, c'est-à-dire "toute convention qui placerait le médecin-dentiste sous la dépendance d'un assistant ou d'un mécanicien pour dentiste" (art. 39 et 57).
B.-
Marius Blanc est mécanicien pour dentiste et pratique dans le canton de Vaud. En 1937 et 1946, il a été condamné à deux amendes de 50 et 200 fr. pour avoir exercé sa profession sans être au bénéfice de l'autorisation requise. Postérieurement à la dernière de ces condamnations, il a sollicité et obtenu, le 9 septembre 1946, l'autorisation d'exploiter un laboratoire de prothèse dentaire à façon. Au printemps 1951, une enquête a été ouverte à son sujet, qui a révélé qu'il avait donné des soins à un jeune étranger en violant l'interdiction d'intervenir dans la bouche du client. Dénoncé au préfet du district de Lausanne, il a été condamné, le 22 juin 1951, à une amende de 100 fr. Quelque temps plus tard, une nouvelle enquête a montré que Blanc continuait à travailler dans la bouche de plusieurs personnes, donnant des soins, posant différents appareils et, en particulier, arrachant une vingtaine de dents à trois clientes. Le 30 juillet 1952, il a été condamné de ce chef à une amende de 200 fr. Enfin, au début de 1953, l'autorité a appris que Blanc était intervenu de nouveau deux fois dans la bouche de certains patients. Le 16 avril 1953, Blanc a été condamné pour ces faits à une amende de 300 fr. A diverses reprises, les interventions de Blanc ont provoqué des complications parfois sérieuses et douloureuses chez ses clients.
Le 2 juin 1953, le Département de l'Intérieur du canton
BGE 80 I 129 S. 132
de Vaud a décidé de retirer pour une année à Blanc "l'autorisation de pratiquer la profession de mécanicien pour dentiste dans le canton de Vaud et l'autorisation d'exploiter un laboratoire de prothèses dentaires à façon dans le canton de Vaud".
C.-
La dernière enquête ouverte contre Blanc a révélé qu'il était propriétaire d'un cabinet dentaire et qu'il le louait à R., médecin dentiste, qui était son employé. Le 2 juin 1953, le Chef du service sanitaire cantonal a écrit à R. qu'il contrevenait ainsi aux art. 39 et 57 LOS et a ajouté ce qui suit:
"Nous vous invitons à nous faire savoir dans un délai de 8 jours quelles dispositions vous entendez prendre pour faire cesser cet état de choses, à défaut de quoi nous vous dénoncerons sans autre au magistrat compétent en demandant l'application des art. 122 et 127 de la loi ci-dessus. Dans ce cas nous ferions également application de l'art. 133 de cette même loi. Nous nous réservons d'autre part de prendre toutes autres dispositions que les circonstances pourraient justifier".
A la suite de cette lettre, R. a rompu toute relation d'affaires avec Blanc, dont le cabinet dentaire s'est ainsi trouvé sans médecin-dentiste. C'est pourquoi, le 13 juillet 1953, Blanc s'est adressé au Département de l'Intérieur en lui demandant de l'autoriser "à s'entendre avec un médecin-dentiste pour la gérance du cabinet dentaire, provisoirement". N'ayant pas reçu de réponse, Blanc a récrit au Département de l'Intérieur le 30 juillet 1953 en lui exposant que R. lui enlevait des clients et en l'informant que, "pour sauver ce qu'il pouvait de son patrimoine, il était contraint de chercher la collaboration d'un médecin-dentiste".
Le 6 août 1953, le Département de l'Intérieur a répondu au conseil de Blanc:
"Il ne saurait être question pour nous, d'autoriser votre client à engager un autre dentiste sous quelle forme que ce soit. Vous savez, en effet, que cela lui est expressément interdit par deux dispositions légales précises, soit
BGE 80 I 129 S. 133
par l'art. 39 et l'art. 57 de la loi sur l'organisation sanitaire. Toute attitude contraire à ce qui précède nous obligerait à prendre de nouvelles sanctions contre M. Marius Blanc".
D.-
Blanc a recouru au Conseil d'Etat du canton de Vaud d'une part contre la décision lui retirant pour un an l'autorisation de pratiquer la profession de mécanicien pour dentiste dans le canton de Vaud et d'y exploiter un laboratoire de prothèse dentaire à façon, d'autre part contre les mesures prises les 2 juin et 6 août 1953 l'empêchant d'engager un médecin-dentiste pour son cabinet dentaire.
Le 19 janvier 1954, le Conseil d'Etat a rejeté le recours. Selon lui, les agissements de Blanc constituent une "infraction successive ou continuée" et révèlent une "unité de résolution" montrant "une mentalité particulièrement immorale et indigne, au sens de l'art. 133 LOS". Dans ces conditions, il se justifie de lui retirer l'autorisation de pratiquer la profession de mécanicien pour dentiste et, par voie de conséquence, celle d'exploiter un laboratoire de prothèses à façon. Cette décision est du reste justifiée parce que, par sa conduite, Blanc a montré un caractère "absolument dénué de scupules" et que la santé publique ne serait pas suffisamment sauvegardée par un simple retrait de l'autorisation d'exercer la profession. Enfin, le Département de l'Intérieur était fondé à prendre des mesures pour empêcher R. de pratiquer dans le cabinet dentaire appartenant à Blanc. En effet, en acceptant d'être l'employé de Blanc, R. s'était mis à son égard dans un état de dépendance constituant le compérage prohibé par les art. 39 et 57 LOS.
E.-
Blanc attaque la décision du Conseil d'Etat par la voie d'un recours de droit public fondé sur les art. 4 et 31 Cst. Il en demande l'annulation et conclut également à ce que le Tribunal fédéral déclare "nuls et de nul effet" les art. 39 et 57 de la loi vaudoise sur l'organisation sanitaire. Son argumentation est en bref la suivante:
La décision interdisant au recourant d'exercer son
BGE 80 I 129 S. 134
métier et d'exploiter son laboratoire dépasse la sanction méritée. Elle réduit le recourant et sa famille à la misère. Dès lors elle n'est pas conforme au principe de la proportionnalité de la peine. D'autre part les restrictions de police que les cantons ont le droit d'apporter à la liberté du commerce et de l'industrie ne peuvent viser qu'au maintien de la sécurité ou de la santé publiques. Or si la décision attaquée vise bien ce but-là, il est douteux qu'elle soit propre à l'atteindre. En fait, il fallait simplement éviter que le recourant ne mît en danger la santé publique en pratiquant l'art dentaire sans en avoir le droit ni les connaissances. Il eût donc suffi de l'empêcher de travailler dans son cabinet. En allant au-delà, l'autorité cantonale a pris une décision arbitraire, d'autant plus d'ailleurs qu'elle ne l'a fait précéder d'aucune mise en garde formelle. En outre, les faits reprochés au recourant n'ont pas exposé la société à un danger sérieux. Ils ne sont pas non plus la preuve d'une mentalité indigne et immorale. Du reste, une moralité sans tache aucune n'est pas indispensable à l'exercice de la profession de mécanicien-dentiste. Quant aux mesures tendant à l'empêcher de faire exploiter son cabinet dentaire par un médecindentiste, le recourant soutient que les art. 39 et 57 LOS sont contraires à l'art. 4 Cst. et constituent une inégalité de traitement. Sans avoir rien à faire avec la police sanitaire, ils établissent une discrimination arbitraire entre les citoyens, en privant les mécaniciens-dentistes du droit d'être, comme chacun, propriétaires d'un cabinet dentaire. L'application qu'en fait l'autorité cantonale aboutit au même résultat.
Le Conseil d'Etat conclut, avec suite de frais et dépens, au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
En vertu de l'art. 31 Cst., qui garantit la liberté du commerce et de l'industrie, les cantons ont le droit de prendre des mesures de police destinées à empêcher que l'ordre, la santé, la moralité ou la tranquillité publics
BGE 80 I 129 S. 135
ne soient compromis par la façon dont une profession est exercée. Ils peuvent soumettre l'exercice de certaines professions, celle de mécanicien pour dentiste notamment, à une autorisation et à l'observation de certaines règles. Afin d'obtenir le respect de ces règles, ils ont la faculté de prévoir des sanctions disciplinaires allant jusqu'au retrait temporaire ou définitif de l'autorisation de pratiquer (RO 78 I 308, 67 I 327).
Lorsque le retrait de l'autorisation de pratiquer est définitif, il a surtout pour but de protéger le public contre certains agissements. Il n'en va pas de même quand il est temporaire. Il tend tout d'abord à atteindre le coupable, à le punir chaque fois que des sanctions moins graves n'y suffisent pas. C'est indirectement seulement que l'ordre public est alors protégé par la sanction prise. A cet égard, le retrait temporaire d'une autorisation de pratiquer peut se comparer à la peine prononcée par le juge pénal. Comme elle, il doit être adapté à la gravité de l'infraction commise et de la faute. Il sert non seulement de prévention générale, mais aussi de prévention spéciale, c'est-à-dire qu'il a pour but d'amender le coupable afin de le maintenir dans l'observation de ses devoirs (RO 74 I 90 ss, relatif à une sanction disciplinaire prononcée contre un fonctionnaire, mais qui peut être invoqué ici par analogie).
Le mécanicien pour dentiste, qui ne possède pas de connaissances médicales, est souvent et facilement enclin à empiéter sur le domaine qui doit être réservé au dentiste. Il met alors en danger la santé publique et viole la loi. Ce comportement est grave, d'autant plus que l'Etat ne peut que difficilement contrôler l'activité d'un mécanicien pour dentiste et qu'il est obligé dans une large mesure de se fier à sa bonne foi lorsqu'il lui délivre une autorisation. Celui qui a obtenu pareille autorisation et qui trompe systématiquement la confiance ainsi mise en lui mérite une sanction sévère. Le retrait temporaire ou définitif de l'autorisation de pratiquer peut alors se justifier.
2.
En l'espèce, le Conseil d'Etat, appliquant l'art. 133 LOS, a retiré au recourant pour une année l'autorisation
BGE 80 I 129 S. 136
de pratiquer la profession de mécanicien pour dentiste et celle d'exploiter un laboratoire de prothèse dentaire à façon.
L'art. 133 LOS, qui est applicable au mécanicien pour dentiste, est conforme aux principes rappelés ci-dessus. Il permet d'obliger ceux qui exercent certaines professions à respecter les règles que l'Etat a posées dans l'intérêt de la santé publique, telle la règle que le mécanicien pour dentiste ne doit pas intervenir dans la bouche des patients (arrêts non publiés du 27 avril 1942 en la cause Kreienbühl et Graff c. Lucerne, Tribunal supérieur, et du 23 septembre 1943 en la cause Bärtsch c. Grisons, Conseil d'Etat). La seule question est dès lors de savoir si la sanction prononcée in casu est proportionnée à la gravité de l'infraction commise et de la faute. Le Tribunal fédéral ne peut revoir cette question librement. Il doit se borner à examiner si la décision prise est conforme à l'art. 31 Cst.
3.
Le recourant soutient que la sanction prise à son égard est excessive au regard du peu de gravité de ses fautes. Toutefois il se trompe. Sans doute, les amendes qui lui ont été infligées n'étaient-elles pas très élevées. Mais ce fait n'est pas décisif. En prenant la décision attaquée, le Conseil d'Etat a entendu sanctionner non pas tant les infractions qui ont entraîné les diverses condamnations pénales du recourant, que la mentalité et le comportement général qu'elles révèlent. Or cette mentalité et ce comportement constituent sans conteste un manquement grave aux devoirs que la loi impose au mécanicien pour dentiste.
D'après les constatations de l'autorité cantonale, qui lient le Tribunal fédéral du moment qu'elles ne sont pas évidemment fausses ou arbitraires (RO 67 I 328, 78 I 302), le recourant est intervenu à maintes reprises et pendant de longues années dans la bouche de ses clients, malgré l'interdiction qui lui est faite à cet égard par la loi. Il a encouru de ce chef cinq condamnations à des peines d'amende, dont les trois dernières ont été prononcées en 1951, 1952 et 1953. Ces sanctions n'ont pas suffi
BGE 80 I 129 S. 137
à le forcer à respecter les devoirs de sa profession. Il n'en a tenu aucun compte, alors pourtant qu'elles constituaient des avertissements sérieux. En persistant dans ces conditions à violer la loi avec obstination, il a fait preuve de "résistance aux ordres de l'autorité". Dès lors, le Conseil d'Etat pouvait lui retirer l'autorisation de pratiquer sans excéder pour autant les limites de son pouvoir appréciateur (RO 71 I 87) ni violer l'art. 31 Cst.
Le recourant ne saurait faire valoir aujourd'hui qu'il n'a agi que pour "rendre service" à certaines personnes et que ces interventions n'ont eu aucune conséquence dommageable. Tout d'abord, ces affirmations sont contraires aux constatations de fait de l'autorité cantonale. En outre et surtout, la loi interdit de façon absolue au mécanicien pour dentiste d'intervenir dans la bouche de ses clients. Elle ne se préoccupe pas à cet égard du but qu'il poursuit ni des conséquences de ses agissements.
4.
La constitutionnalité des dispositions d'une loi cantonale peut être contestée à l'occasion de chaque cas particulier où l'autorité en fait usage. Lorsque le délai pour attaquer la loi par la voie du recours de droit public est expiré, le Tribunal fédéral examine à titre préjudiciel si la disposition invoquée viole la constitution. Dans l'affirmative, il annule non cette disposition, mais la décision qui l'applique (RO 56 I 526, confirmé depuis lors par des arrêts non publiés, notamment par l'arrêt du 15 novembre 1950 en la cause Murith c. Genève, Conseil d'Etat). En l'espèce, le recourant est donc recevable à attaquer la constitutionnalité des art. 39 et 57 LOS, bien qu'il soit hors délai pour attaquer la loi.
L'art. 39 LOS interdit de façon générale "à quiconque exerce une profession médicale de s'associer avec une personne ne pratiquant pas la même profession ou de contracter une obligation qui l'exposerait à une dépendance incompatible avec la dignité de sa profession". L'art. 57 vise un cas particulier de compérage et prohibe "toute convention qui placerait le médecin-dentiste sous la dépendance d'un assistant ou d'un mécanicien pour
BGE 80 I 129 S. 138
dentiste". Le recourant soutient que ces dispositions sont contraires à l'art. 4 Cst. et constituent une inégalité de traitement. Mais il est dans l'erreur.
Il est en effet de jurisprudence constante qu'une loi ou un arrêté de portée générale ne violent le principe de l'égalité des citoyens garanti par l'art. 4 Cst. que lorsque leurs dispositions n'ont pas de fondement objectif et sérieux, qu'elles n'ont aucun sens ou qu'elles créent une inégalité qui ne trouve pas de justification dans les faits (RO 78 I 416, 77 I 102, 107 et 189). Or ces conditions ne sont manifestement pas réunies en l'espèce. La protection de la santé publique, que l'Etat a le devoir d'assurer, permettait au législateur vaudois d'exiger que le mécanicien pour dentiste travaille sous le contrôle et la responsabilité d'un médecin-dentiste. C'est là en effet un moyen efficace d'empêcher le mécanicien d'empiéter sur le domaine qui doit être réservé à celui qui possède des connaissances médicales. Lorsqu'un dentiste est placé sous la dépendance d'un mécanicien, comme R. l'était à l'égard du recourant, il n'est plus en mesure de contrôler, avec l'indépendance nécessaire, l'activité du mécanicien. La situation voulue par la loi est alors renversée et la santé publique mise en danger. C'est précisément ce que les art. 39 et 57 LOS visent à empêcher. Ils reposent donc sur des raisons sérieuses. Sans doute, parmi l'ensemble des citoyens, les mécaniciens pour dentiste sont-ils seuls à ne pouvoir être propriétaires d'un cabinet dentaire. Mais cette inégalité, créée par les art. 39 et 57 LOS, est justifiée par les faits. Car le mécanicien pour dentiste est le seul qui, par ses connaissances spéciales, est enclin à violer la loi lorsqu'il est propriétaire d'un cabinet dentaire exploité par un dentiste qui est son employé intéressé ou son locataire.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce:
Le recours est rejeté. | public_law | nan | fr | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6357ffa9-4d7c-41ea-b78f-91d62af11400 | Urteilskopf
115 V 103
16. Urteil vom 18. Mai 1989 i.S. S. gegen Basellandschaftliche Beamtenversicherungskasse und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft | Regeste
Art. 29 BVG
,
Art. 331c OR
: Übertragung der Freizügigkeitsleistung.
- Im Obligatoriumsbereich ist gemäss
Art. 29 BVG
(vorbehältlich Abs. 2) die Freizügigkeitsleistung bei ununterbrochener Weiterführung der obligatorischen beruflichen Vorsorge an die neue Vorsorgeeinrichtung zu überweisen (Erw. 3c).
- Voraussetzungen, unter denen in der weitergehenden Vorsorge der Versicherte bezüglich der in die neue Vorsorgeeinrichtung eingebrachten Freizügigkeitsleistung ein Wahlrecht hinsichtlich der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten der Erhaltung des Vorsorgeschutzes hat (Erw. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 103
BGE 115 V 103 S. 103
A.-
Walter S. (geb. am 10. Oktober 1954) war bis Ende 1986 Mitglied der Pensionskasse der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft. Auf den 1. Januar 1987 wurde er in die Basellandschaftliche Beamtenversicherungskasse (BVK) aufgenommen, da er auf diesen Zeitpunkt eine neue Stelle bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank angetreten hatte. Laut
BGE 115 V 103 S. 104
Abrechnung der Pensionskasse vom 30. Dezember 1986 betrug die Freizügigkeitsleistung nach BVG Fr. 4'722.60 und jene nach OR bzw. Statuten Fr. 24'672.55, weshalb der austretende Versicherte den höheren der beiden Beträge beanspruchen konnte.
Walter S. hatte sich bei der BVK statutengemäss auf das 30. Altersjahr, d.h. auf den 10. Oktober 1984 zurück einzukaufen. Die Einkaufssumme belief sich auf Fr. 13'862.40, welchen Betrag die BVK mit den ihr von der Pensionskasse überwiesenen Fr. 24'672.55 verrechnete. Das für den Einkauf nicht erforderliche Kapital von Fr. 10'810.15 schrieb die BVK dem Versicherten gut, wobei sie eine Verrechnung mit künftigen Prämienzahlungen oder Einkaufsgeld bei Lohnerhöhungen gestützt auf ihre Statuten ausschloss.
B.-
Walter S. wandte sich an das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft und beantragte, es sei das für den Einkauf nicht erforderliche Kapital von Fr. 10'810.15 auf ein gesperrtes Vorsorgekonto bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank, lautend auf seinen Namen, zu überweisen.
Das Versicherungsgericht wies dieses Rechtsbegehren mit Entscheid vom 30. März 1988 ab.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert Walter S. den vor der Vorinstanz gestellten Antrag.
Während die BVK auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) deren Gutheissung.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Kognition)
2.
a) Im Obligatoriumsbereich sieht
Art. 29 BVG
als Mindestvorschrift (
Art. 6 BVG
) unter dem Marginale "Übertragung der Freizügigkeitsleistung" vor: Der Betrag der Freizügigkeitsleistung ist der neuen Vorsorgeeinrichtung zu überweisen. Diese schreibt ihn dem Versicherten gut (Abs. 1). Der Versicherte kann den Betrag bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung belassen, wenn ihre reglementarischen Bestimmungen dies zulassen und der neue Arbeitgeber zustimmt (Abs. 2). Kann der Betrag weder einer neuen Vorsorgeeinrichtung überwiesen noch bei der alten belassen werden, so ist der Vorsorgeschutz durch eine Freizügigkeitspolice oder in anderer gleichwertiger Form zu erhalten (Abs. 3). Der Bundesrat regelt die Errichtung, den Inhalt und die Rechtswirkungen der
BGE 115 V 103 S. 105
Freizügigkeitspolicen und anderer Formen der Erhaltung des Vorsorgeschutzes (Abs. 4).
b) Für die Übertragung der Freizügigkeitsleistung aus weitergehender Vorsorge (
Art. 49 Abs. 2 BVG
) gilt nicht
Art. 29 BVG
, sondern
Art. 331c OR
, welche Bestimmung für die weitergehende zivil- und auch für die öffentlichrechtliche berufliche Vorsorge von Bund, Kantonen und Gemeinden massgeblich ist (
Art. 342 Abs. 1 lit. a OR
;
BGE 113 V 124
Erw. 3b mit Hinweis). Abs. 1 und 2 von
Art. 331c OR
lauten:
Die Personalfürsorgeeinrichtung hat ihre der Forderung des Arbeitnehmers
entsprechende Schuldpflicht in der Weise zu erfüllen, dass sie zu
dessen Gunsten eine Forderung auf künftige Vorsorgeleistungen gegen die
Personalfürsorgeeinrichtung eines anderen Arbeitgebers, gegen eine der
Versicherungsaufsicht unterstellte Unternehmung oder, unter voller
Wahrung des Vorsorgeschutzes, gegen eine Bank oder Sparkasse begründet,
welche die vom Bundesrat festgesetzten Bedingungen erfüllt (Abs. 1).
Die Forderung auf künftige Vorsorgeleistungen wird in jedem Fall nach
den Bestimmungen des Reglementes der Personalfürsorgeeinrichtung füllig
und kann vom Arbeitnehmer vor der Fälligkeit gültig weder abgetreten
noch verpfändet werden (Abs. 2).
c) Der Bundesrat hat u.a. gestützt auf die erwähnten
Art. 29 Abs. 4 BVG
und
Art. 331c Abs. 1 OR
die Verordnung über die Erhaltung des Vorsorgeschutzes und die Freizügigkeit vom 12. November 1986, in Kraft seit 1. Januar 1987, erlassen. Diese Verordnung gilt sowohl im obligatorischen als auch im weitergehenden Bereich der beruflichen Vorsorge (ZAK 1988 S. 48 Erw. 4a). Nach Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung wird der Vorsorgeschutz durch eine Freizügigkeitspolice oder durch ein Freizügigkeitskonto erhalten, wenn die Versicherung im Freizügigkeitsfall weder bei einer neuen noch bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung weitergeführt wird. Der Vorsorgenehmer kann jederzeit das Vorsorgekapital in eine Vorsorgeeinrichtung einbringen (Art. 4 lit. a der Verordnung). Ist der Betrag der Freizügigkeitsleistung höher als das vom Vorsorgenehmer nach BVG erworbene Altersguthaben, so muss dieses Altersguthaben gesondert angegeben werden (Art. 11 Abs. 1 der Verordnung). Nach Art. 13 Abs. 3 gibt der Versicherte der Vorsorgeeinrichtung bekannt, an welche neue Vorsorgeeinrichtung die Freizügigkeitsleistung zu überweisen ist (Satz 1). Kann die Freizügigkeitsleistung nicht einer neuen Vorsorgeeinrichtung überwiesen oder bar ausbezahlt werden, gibt ihr der Versicherte bekannt, in welcher Form der Vorsorgeschutz zu erhalten ist (Satz 2).
BGE 115 V 103 S. 106
d) Die Statuten der BVK vom 9. April 1979 sehen in § 12 unter dem Randtitel "Verwendung der eingebrachten Mittel, Einkauf" vor:
Beim Eintritt in die Kasse hat sich das Mitglied ungeachtet seines Alters
über die von der letzten Vorsorgeeinrichtung empfangenen Mittel
auszuweisen und mindestens diese in die Kasse einzulegen (Abs. 1).
Die eingebrachten Mittel werden zuerst zur Deckung des Einkaufsanteils
des Mitglieds und danach zur Deckung des Einkaufsanteils des
Arbeitgebers verwendet (Abs. 2).
Übersteigen die eingebrachten Mittel
die gesamte gemäss Absatz 4 erforderliche Einkaufssumme, so hat das
Mitglied nur in dem Masse einen zusätzlichen Anspruch gemäss § 11 Absatz
6, als die von der letzten Vorsorgeeinrichtung zugesagten Leistungen die
neuen übersteigen. Kann diesem Anspruch nicht Folge geleistet werden, so
wird das allfällige Guthaben dem Mitglied persönlich gutgeschrieben. Eine
Verrechnung mit künftigen Prämienzahlungen oder Einkaufsgeld bei
Lohnerhöhungen ist ausgeschlossen (Abs. 3).
3.
a) Im Lichte der erwähnten Art. 2 Abs. 1 und 13 Abs. 3 der Verordnung über die Erhaltung des Vorsorgeschutzes und die Freizügigkeit hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass dem Versicherten, der bisher einer Personalfürsorgeeinrichtung gemäss
Art. 331c Abs. 1 OR
angehört habe, im Freizügigkeitsfall das Recht zustehe, zwischen den gesetzlich möglichen Formen des Vorsorgeschutzes selber zu wählen, wenn die Versicherung weder bei einer neuen noch bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung weitergeführt wird (ZAK 1988 S. 43 und S. 48 Erw. 4a). Diese Rechtsprechung ist indes auf den vorliegenden Fall nicht direkt anwendbar, weil der Beschwerdeführer seine berufliche Vorsorge nach dem auf den 31. Dezember 1986 erfolgten Austritt aus der Pensionskasse ohne Unterbruch fortführte, indem er mit Wirkung ab 1. Januar 1987 in die BVK aufgenommen wurde. Zu beurteilen ist vielmehr hier die sich erstmals stellende Rechtsfrage, ob und inwieweit dem Versicherten hinsichtlich der gesetzlich anerkannten Formen der Wahrung des Vorsorgeschutzes ein Wahlrecht zusteht, wenn die Versicherung unmittelbar nach Austritt aus der letzten Vorsorgeeinrichtung in einer neuen Kasse weitergeführt wird.
b) Das kantonale Gericht hat zum Antrag im wesentlichen erwogen, das BVG bestimme nicht, auf welche Weise der für den Einkauf nicht erforderliche überschiessende Teil der Freizügigkeitsleistung zu verwenden sei. Einzelne Vorsorgereglemente sähen vor, dass der nichtbenötigte Freizügigkeitsbetrag dem Versicherten als Sparkapital separat gutgeschrieben werde; andere liessen solche Beträge zugunsten des allgemeinen Deckungskapitals
BGE 115 V 103 S. 107
verfallen. Eine gesetzliche Pflicht, die überschiessende Freizügigkeitsleistung in einem bestimmten Sinn zu verwenden, bestehe nicht. Wenn in der Literatur gelegentlich vorgeschlagen werde, die nicht für den Einkauf benötigte Freizügigkeitsleistung sei in einer besonderen Freizügigkeitspolice anzulegen, so handle es sich dabei um eine unverbindliche Empfehlung. Da die Statuten der BVK eine derartige Lösung nicht vorsähen, sei der Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen.
c) Für das BVG-Obligatorium ist, vorbehältlich des hier nicht anwendbaren
Art. 29 Abs. 2 BVG
, eine Pflicht zur Überweisung der Freizügigkeitsleistung nach
Art. 29 Abs. 1 BVG
an die neue Vorsorgeeinrichtung zu bejahen. Dies geht einerseits aus dem zitierten
Art. 29 Abs. 3 BVG
hervor, wonach die Erhaltung des Vorsorgeschutzes durch eine Freizügigkeitspolice oder in anderer gleichwertiger Form voraussetzt, dass der Betrag weder einer neuen Vorsorgeeinrichtung überwiesen noch bei der alten belassen werden kann. Die Überweisung des Altersguthabens an die neue Vorsorgeeinrichtung deckt sich anderseits auch mit Sinn und Zweck der gesetzlich vorgesehenen Freizügigkeitsleistung im Obligatoriumsbereich. Hier entspricht ja die Höhe der Freizügigkeitsleistung dem vom Versicherten bis zu deren Überweisung erworbenen Altersguthaben (
Art. 28 Abs. 1 BVG
), welches die Grundlage für künftige Rentenleistungen darstellt (Art. 15 Abs. 1 lit. a und b in Verbindung mit
Art. 14 BVG
betreffend die Altersrente und
Art. 24 Abs. 2 BVG
betreffend die Invalidenrente). Da nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2) vom 18. April 1984, in Kraft seit 1. Januar 1985, die Vorsorgeeinrichtung für jeden Versicherten ein Alterskonto führen muss, aus dem das Altersguthaben nach
Art. 15 Abs. 1 BVG
ersichtlich ist, wäre es im Falle der Weiterführung der beruflichen Vorsorge mit den Erfordernissen der obligatorischen Mindestversicherung nicht vereinbar, bisher erworbene Altersguthaben in Form einer Versicherungspolice oder auf einem Bankkonto anzulegen. Registrierte Vorsorgeeinrichtungen, welche neben den Minimalleistungen auch Mehrleistungen erbringen ("umhüllende Kassen") wie die BVK, haben im Rahmen einer Schattenrechnung den Nachweis zu erbringen, dass in ihren Leistungen die obligatorischen Leistungen enthalten sind und dass ihre Versicherung jederzeit dem Obligatorium entspricht (HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 3. Aufl., S. 274 ff. und 408 ff.; RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der
BGE 115 V 103 S. 108
Schweiz, § 1, N. 41, S. 38 f.). Dieser Nachweis wäre mit der Führung des individuellen Alterskontos nicht möglich, wenn eine eingebrachte BVG-Freizügigkeitsleistung einer Versicherungspolice oder einem Bankkonto gutgeschrieben würde. Ausserdem ist es zur Vermeidung von Versicherungslücken unerlässlich, dass das Altersguthaben in die neue Vorsorgeeinrichtung übergeführt wird (vgl. dazu Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 3 betreffend die "Übertragung der Freizügigkeitsleistung von einer Vorsorgeeinrichtung zur andern", publiziert in ZAK 1987 S. 232).
4.
a) In bezug auf die weitergehende Vorsorge gelten nach Auffassung des BSV hinsichtlich der Einbringung der Freizügigkeitsleistung in die neue Vorsorgeeinrichtung die gleichen Überlegungen wie im Obligatoriumsbereich. Das Bundesamt hält dazu in der erwähnten Mitteilung, publiziert in ZAK 1987 S. 234, fest:
Eine Aufteilung der Freizügigkeitsleistung ist nach Möglichkeit zu
vermeiden; sie widerspräche auch den Absichten des Gesetzgebers. Dieser
hat sich bemüht, die obligatorische Zweite Säule ohne Schaden in das
bestehende Vorsorgesystem einzubauen und insbesondere die
BVG-Freizügigkeitsleistung auf jene gemäss OR abzustimmen. Die einzige
Ausnahme von diesem Grundsatz wäre jener Fall, wo die neue
Vorsorgeeinrichtung sich streng auf die Anwendung des Obligatoriums
beschränkt oder nicht den Gesamtbetrag der Freizügigkeitsleistung
benötigt. Der Versicherte hat dann die Möglichkeit, den Mehrbeitrag auf
eine Freizügigkeitspolice oder auf ein Freizügigkeitskonto überweisen zu
lassen.
In der Vernehmlassung führt das BSV aus, primär werde die Freizügigkeitsleistung auf die Vorsorgeeinrichtung des neuen Arbeitgebers übertragen. Dies sei jedoch nicht die einzige Verwendungsart. Auch die Weiterführung der Versicherung bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung, die Errichtung einer Freizügigkeitspolice oder eines Freizügigkeitskontos seien gesetzlich anerkannte, gleichwertige Verwendungsformen. Sie kämen aber erst zur Anwendung, wenn die Übertragung der Freizügigkeitsleistung in eine neue Vorsorgeeinrichtung nicht möglich sei (z.B. bei Stellenlosigkeit, vorübergehender Auslandsabwesenheit). Es stelle sich die Frage, ob nicht ein ähnlicher Fall vorliege, wenn die Freizügigkeitsleistung des neuen Mitglieds von der neuen Vorsorgeeinrichtung für die Zwecke seiner beruflichen Vorsorge nicht vollständig verwendet werden könne. Dies würde bedeuten, dass die Freizügigkeitsleistung von der bisherigen Vorsorgeeinrichtung nur teilweise auf die neue zu übertragen sei, während der Versicherte für den verbleibenden Rest unter den übrigen genannten Formen frei
BGE 115 V 103 S. 109
wählen könnte. Es sei - auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung - nicht ersichtlich, weshalb der überschiessende Teil der Freizügigkeitsleistung von der neuen Vorsorgeeinrichtung, wie im vorliegenden Fall, erst bei einem allfälligen späteren Austritt weitergegeben werden oder ansonsten sogar zu den Mutationsgewinnen fallen solle. Dadurch würden jene Versicherten in ungerechtfertigter Weise privilegiert, welche - anders als Neueintretende wie der Beschwerdeführer - eine gemessen am Vorsorgeplan zu kleine Freizügigkeitsleistung einbringen und sich für den Restbetrag einkaufen. Diese müssten nicht befürchten, einen Teil der eingebrachten Mittel später zu verlieren.
b) Die Vorsorgeeinrichtungen sind im Rahmen des BVG in der Gestaltung ihrer Leistungen, in deren Finanzierung und in ihrer Organisation frei (
Art. 49 Abs. 1 BVG
). Dies bedeutet indessen nicht, dass sie für die weitergehende Vorsorge nur die in Art. 49 Abs. 2 ausdrücklich vorbehaltenen Vorschriften des BVG zu beachten hätten. Ähnlich wie die Krankenkassen auch im Rahmen der ihnen in
Art. 1 Abs. 2 KUVG
gewährleisteten Autonomie die allgemeinen Rechtsgrundsätze zu berücksichtigen haben, wie sie sich insbesondere aus der Bundesverfassung ergeben (vgl.
BGE 113 V 215
Erw. 3b, RKUV 1989 Nr. K 794 S. 26 Erw. 2b, je mit Hinweisen), sind von Verfassungs wegen die Vorsorgeeinrichtungen an die Grundsätze der Rechtsgleichheit, des Willkürverbotes und der Verhältnismässigkeit gebunden. Insbesondere darf die Vorsorgeeinrichtung im Rahmen der ihr zustehenden Gestaltungsfreiheit die Rechte der Versicherten nur so weit beschränken, als dies für die sachgerechte Durchführung des Vorsorgeverhältnisses erforderlich ist. Indem § 12 der Statuten der BVK (vgl. Erw. 2d) die Pflicht zur Gutschreibung überschiessender eingebrachter Mittel normiert, ist dies durch den für die Rechtfertigung einer solchen Einschränkung massgeblichen Zweck der Erhaltung des Vorsorgeschutzes schlechterdings nicht gedeckt. Diese Regelung lässt ausser acht, dass das Bundesrecht im Bereich der weitergehenden Vorsorge, wie dargetan (Erw. 2b, c), andere Formen der Erhaltung des Vorsorgeschutzes kennt. Von diesen kann der Versicherte im Bereich der weitergehenden beruflichen Vorsorge dann Gebrauch machen, wenn und insoweit die von der letzten Vorsorgeeinrichtung ausgerichtete vor-, über- und unterobligatorische Freizügigkeitsleistung für die Fortführung seiner weitergehenden beruflichen Vorsorge bei der neuen Pensionskasse angesichts deren statutarischen Leistungssystems bedeutungslos ist. Das trifft hier zu
BGE 115 V 103 S. 110
und gilt vorliegend umso mehr, als Satz 3 von § 12 Abs. 3 der Statuten eine Verrechnung eines solchen überschiessenden Guthabens mit künftigen Prämienzahlungen oder Einkaufsgeldern bei Lohnerhöhungen ausschliesst. Diese persönliche Gutschreibung gemäss Statuten entzieht daher dem Versicherten die verschiedenen gesetzlich verbürgten Möglichkeiten zur Wahrung des Vorsorgeschutzes im weitergehenden Bereich, ohne dass diese Beschränkung sich mit der Durchführung des mit der Kasse bestehenden Vorsorgeverhältnisses rechtfertigen liesse.
5.
a) Die Freizügigkeitsleistung betrug laut Abrechnung der Pensionskasse vom 30. Dezember 1986 nach OR bzw. Statuten Fr. 24'672.55 und jene nach BVG Fr. 4'722.60, weshalb nach
Art. 28 Abs. 2 BVG
der erstgenannte höhere Betrag ausgerichtet wurde. Die Einkaufssumme für die BVK belief sich auf Fr. 13'862.40. Weil daher mit dem für die Einkaufssumme geleisteten Teil der eingebrachten OR-Freizügigkeitsleistung von Fr. 13'862.40 das bisher erworbene Altersguthaben nach BVG von Fr. 4'722.60 bei weitem finanziert ist und zudem der für den Einkauf nicht erforderliche Teil der Freizügigkeitsleistung von Fr. 10'810.15 für die Fortführung seiner weitergehenden Vorsorge bei der BVK bedeutungslos ist, steht dem Beschwerdeführer insoweit das Wahlrecht hinsichtlich der übrigen gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten der Erhaltung des Vorsorgeschutzes zu.
b) Gemäss Art. 2 Abs. 3 lit. a der Verordnung über die Erhaltung des Vorsorgeschutzes und die Freizügigkeit gelten als Freizügigkeitskonten besondere, ausschliesslich und unwiderruflich der Vorsorge dienende Verträge, u.a. bei einer Kantonalbank. Da die Überweisung auf ein gesperrtes Vorsorgekonto bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank, lautend auf den Namen des Beschwerdeführers, den Anforderungen nach der erwähnten Verordnungsbestimmung genügt, ist seinem Begehren stattzugeben.
6.
(Parteientschädigung)
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 30. März 1988 aufgehoben und die Basellandschaftliche Beamtenversicherungskasse verpflichtet, den Betrag von Fr. 10'810.15 auf ein auf den Namen des Beschwerdeführers lautendes,
BGE 115 V 103 S. 111
gesperrtes Berufsvorsorgekonto bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank zu überweisen. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
635b05b9-3aee-43ba-9959-85bc1de52ded | Urteilskopf
108 III 71
23. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Dezember 1982 i.S. X. gegen S. (Berufung) | Regeste
Art. 5 SchKG
; Haftung des Konkursbeamten.
Entgegen dem Wortlaut von § 12 Abs. 2 des zürcherischen Notariatsgesetzes besteht heute im Kanton Zürich die Praxis, dass das Obergericht und nicht der Notar die Notariatssubstituten ernennt. Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit eines solchen Notariatsangestellten richtet sich daher nach
Art. 5 Abs. 2 SchKG
, soweit er auch als Konkursbeamter tätig ist, was bedeutet, dass er für schuldhaftes Verhalten bei der Amtsführung selber belangt werden kann und die Haftung des Amtsvorstehers entfällt, es sei denn, es komme auf ihn
Art. 5 Abs. 1 SchKG
wegen eigenen Verschuldens zur Anwendung. | Sachverhalt
ab Seite 72
BGE 108 III 71 S. 72
A.-
H. S. übte mit schriftlicher Erklärung vom 10. September 1975 ein mit der C. AG vereinbartes und im Grundbuch vorgemerktes Kaufsrecht an einer Liegenschaft aus. Die Aktiengesellschaft verweigerte indessen die Übereignung des Grundstücks. Am 27. November 1975 wurde über sie der Konkurs eröffnet, der vom Konkursamt Y. durchzuführen war. Dieses lehnte mit Verfügung vom 11. Oktober 1977 die Aufnahme des Kaufsrechts in das Lastenverzeichnis der Liegenschaft ab mit der Begründung, der Vormerkungsschutz sei mit der Ausübung des Kaufsrechts dahingefallen. H. S. erhob dagegen Kollokationsklage, die letztlich vom Bundesgericht am 12. Oktober 1978 geschützt wurde. Das Konkursamt wurde angewiesen, das Kaufsrecht in das Lastenverzeichnis aufzunehmen. Daraufhin trat H. S. das Kaufsrecht am 12. Februar 1979 an seine Ehefrau ab, die gleichentags als Eigentümerin der Liegenschaft im Grundbuch eingetragen wurde. In der Folge kam es zwischen den Ehegatten S. und dem Konkursamt Y. zum Streit wegen der Abrechnung über die Verwaltung der Liegenschaft.
B.-
Die Ehegatten S. machten geltend, durch die Verzögerung in der Übereignung der Liegenschaft sowie durch weitere Unterlassungen des Konkursamtes sei ihnen ein beträchtlicher Schaden entstanden. Sie erhoben deshalb am 10. März 1981 beim zuständigen Bezirksgericht Klage auf Schadenersatz in der Höhe von Fr. 136'241.80 nebst 5% Zins seit 1. Januar 1979. Die Klage richtete sich gegen X., den Vorsteher des Konkursamtes Y., der zugleich auch als Notar von Y. amtet.
Der Beklagte erhob die Einrede der fehlenden Passivlegitimation. Er wandte ein, falls überhaupt ein Schaden aus der Abwicklung des Konkurses der C. AG zu verantworten sein sollte, könnte höchstens Z., der ordentliche Notar-Stellvertreter, ins Recht gefasst werden, weil dieser mit der selbständigen und alleinigen
BGE 108 III 71 S. 73
Durchführung des Konkurses betraut worden sei und das Verfahren auch in eigener Verantwortung geleitet habe. Als von der öffentlichen Gewalt ernannter Notar-Stellvertreter hafte Z. nach
Art. 5 Abs. 2 SchKG
persönlich.
Gestützt auf diese Einrede beschränkte das Bezirksgericht das Verfahren auf die Frage der Passivlegitimation. In seinem Urteil vom 22. Dezember 1981 hiess es die Einrede der fehlenden Passivlegitimation des Vorstehers des Konkursamtes Y. gut und wies die Klage ab.
Die Kläger erhoben Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich, worauf der Beklagte Anschlussberufung erklärte. Das Obergericht bejahte die Passivlegitimation des Beklagten, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Sache mit Beschluss vom 25. Mai 1982 zur materiellen Beurteilung an das Bezirksgericht zurück.
C.-
Der Beklagte führt beim Bundesgericht Berufung mit den Anträgen, den Beschluss des Zürcher Obergerichts aufzuheben, seine Einrede der mangelnden Passivlegitimation zu schützen und demzufolge die Klage endgültig abzuweisen.
Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut, hebt den Rückweisungsbeschluss des Obergerichts auf und weist die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid das Folgende für das Bundesgericht verbindlich festgehalten: Gemäss § 2 Ziff. 2 des zürcherischen Notariatsgesetzes (NotG) und § 2 EG SchKG ist im Kanton Zürich der Notar Konkursbeamter. Die Stellvertretung des Konkursbeamten richtet sich nach den für den Notar geltenden Vorschriften in § 10 NotG (siehe auch § 1 Abs. 5 der Verordnung des Zürcher Obergerichts über die Betreibungs- und Konkursämter vom 1. September 1947). Nach § 12 NotG besteht auch die Möglichkeit, Substituten zu beschäftigen. Danach bewilligt das Obergericht dem Notar einen oder mehrere Substituten, wenn er seine Arbeit nicht allein zu bewältigen vermag. Sie werden gemäss § 12 Abs. 2 NotG vom Notar ernannt. Hingegen bestellt das Obergericht in jedem Fall für den Notar unter den Notaren eines benachbarten Notariatskreises einen ordentlichen Stellvertreter, der den Notar während kürzerer Zeit wegen Krankheit
BGE 108 III 71 S. 74
oder Abwesenheit oder weil er sich im Ausstand befindet, zu vertreten hat. Bei längerer Verhinderung hat das Obergericht einen ausserordentlichen Stellvertreter zu ernennen. Gemäss § 10 Abs. 2 NotG hat der Stellvertreter seine Tätigkeit aber nur dann aufzunehmen, wenn nicht durch einen Substituten hinreichende Aushilfe gewährleistet ist, was allerdings voraussetzen dürfte, dass der Amtsvorsteher trotz Verhinderung die Leitung des Amtes nicht ganz aus der Hand geben muss. Dem Obergericht steht es im übrigen frei, den ausserordentlichen Stellvertreter unter den erfahrenen Substituten des gleichen oder eines andern Amtes auszuwählen.
Die zürcherischen Notare waren seit jeher Beamte. Hingegen hat erst das Notariatsgesetz von 1907 dazu geführt, dass auch alle Angestellten eines Notariates im Dienste des Staates stehen. Dem Notar verblieb nach § 12 Abs. 2 NotG nur noch die Ernennung der Substituten unter Vorbehalt der Genehmigung durch das Obergericht. In neuerer Zeit ist indessen entgegen dem Wortlaut des Notariatsgesetzes eine Praxisänderung in dem Sinne eingetreten, als das Obergericht als den Notariaten vorgesetzte Justizverwaltungsbehörde dazu übergegangen ist, auch die Substituten auf Antrag des zuständigen Notars zu ernennen, zu befördern, zu entlassen und zu versetzen. Das Obergericht setzt auch die Besoldungen fest und trifft alle andern wesentlichen, das Dienstverhältnis der Beamten des Notariats beschlagenden Entscheidungen.
So geschah es im vorliegenden Fall auch mit dem bisherigen Kanzleisekretär Z., der seit dem 17. Dezember 1975 im Besitze des Wahlfähigkeitszeugnisses für Notare war. Z. wurde gestützt auf den Antrag des Notars von Y. am 12. Januar 1976 von der Verwaltungskommission des Obergerichts zum Notariatssubstituten ernannt und am 26. April 1978 auf eine dreijährige Amtsdauer als Notariats-Stellvertreter im Sinne eines Notariatssubstituten beim Notariat Y. gewählt. Die Bezeichnung Notar-Stellvertreter entspricht nicht ganz der Funktion. Gestützt auf die zürcherische Beamtenverordnung vom 16. November 1970 werden nämlich die Notariatssubstituten gemäss Notariatsgesetz als "Notar-Stellvertreter (Notariatssubstitut)" oder abgekürzt als "Notar-Stellvertreter" bezeichnet (§ 19 der Beamtenverordnung), obwohl sie nicht als ordentliche oder ausserordentliche Stellvertreter im Sinne von § 10 NotG tätig sein sollen. So wurde Z. denn auch ausdrücklich in Anwendung von § 12 Abs. 2 NotG zum Notariatssubstituten ernannt bzw. gewählt. Seine Funktion entsprach unbestrittenermassen
BGE 108 III 71 S. 75
der in § 12 umschriebenen. Indessen erfolgte seine Wahl zwar auf Antrag des Konkursbeamten von Y., wurde aber nicht von diesem, sondern vom Obergericht vollzogen.
4.
Trotz der dargelegten zürcherischen Praxis und der Feststellung im angefochtenen Urteil, dass heute im Kanton Zürich alle Notariatsbeamten durch die öffentliche Hand ernannt bzw. gewählt werden, vertritt das Obergericht die Auffassung, die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Angestellten des Konkursamtes richte sich nach § 12 NotG und damit nach
Art. 5 Abs. 1 SchKG
, so dass der Amtsvorsteher für den Notariatssubstituten, der bei einer amtlichen Verrichtung schuldhaft einen Schaden verursache, hafte, auch wenn er ihn tatsächlich nicht selber ernannt habe. Bei dieser Betrachtungsweise handelt es sich aber nicht um eine für das Bundesgericht verbindliche Auslegung kantonalen Rechts. Es geht vielmehr um die Anwendung von Bundesrecht, die das Bundesgericht im Rahmen einer Berufung frei überprüfen kann. Dabei ist zu beachten, dass die Regelung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des Konkursbeamten, seines Stellvertreters und seiner Angestellten in
Art. 5 SchKG
im wesentlichen durch die in der ständerätlichen Kommission erhobenen Anträge geprägt worden ist. Dem Protokoll über die dritte Session der ständerätlichen Kommission vom 21. bis 24. Oktober 1886 ist zu entnehmen, dass die Kommission vorerst noch die Meinung vertreten hatte, die Betreibungs- und Konkursbeamten seien für ihre sämtlichen Angestellten verantwortlich zu erklären, dass aber nun auf Vorschlag der Redaktionskommission eine differenziertere Lösung in das Gesetz Eingang finden sollte. Denn "es wäre unbillig, den Beamten auch für solche Angestellten haftbar zu erklären, die er gar nicht selber ernannt hat, die ihm vielmehr vom Staate aufgenötigt worden sind. Solche Angestellte sollten nach Ansicht der Kommission direkt verantwortlich, dafür aber, wie ihre Chefs, zur Kautionsleistung verpflichtet sein. Daher der (neue) Absatz 3 dieses Artikels. Dieser Absatz bezieht sich nur auf die vom Staat wirklich ernannten Beamten, nicht auf diejenigen, deren Wahl bloss seiner Bestätigung unterliegt" (siehe Verhandlungen betreffend den Bundesgesetz-Entwurf vom 23. Februar 1886 über Schuldbetreibung und Konkurs, S. 141). Im übrigen gibt dieses Protokoll auch darüber Aufschluss, dass mit der Wendung "Ernennung durch die öffentliche Gewalt" die Wahl durch einen öffentlichen Wahlkörper gemeint war.
Die Gesetzesmaterialien lassen somit keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Vorsteher des Konkursamtes nur dann für seine
BGE 108 III 71 S. 76
Angestellten haften muss, wenn ihn für sie auch die cura in eligendo trifft. Trägt der Konkursbeamte die Sorgfaltspflicht bei der Auswahl seiner Gehilfen selber, soll er auch für deren schuldhaftes Verhalten im Bereiche der Amtstätigkeit einstehen müssen. Ist er indessen für die Auswahl des Angestellten nicht verantwortlich, soll er auch keine zusätzliche Haftung übernehmen müssen. Das gleiche muss billigerweise auch dort gelten, wo dem Konkursbeamten zwar nicht gemäss geltendem Rechtssatz, jedoch zufolge der Praxis der ihm vorgesetzten Behörde die Möglichkeit genommen ist, seine Angestellten weitgehend selbst auszuwählen. Das dem Vorsteher eines zürcherischen Konkursamtes tatsächlich verbliebene blosse Antragsrecht ist mit dem Genehmigungsvorbehalt einer vorgesetzten Behörde zu vergleichen, das nach dem Willen des historischen Gesetzgebers noch nicht dazu führen sollte, die Verantwortung für das schuldhafte Fehlverhalten eines Angestellten vom Konkursbeamten auf die Genehmigungsbehörde zu übertragen. Z. ist daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 SchKG
als von der öffentlichen Gewalt ernannter Angestellter anzusehen, der für schuldhaftes Verhalten bei der Amtsführung selber gerichtlich belangt werden kann, so dass die Haftung des Vorstehers des Konkursamtes Y. unter diesem Gesichtspunkt entfällt.
5.
Damit ist aber die Berufung noch nicht vollumfänglich gutzuheissen. Die Vorinstanz hat die Passivlegitimation des Beklagten als Konkursbeamten von Thalwil nämlich nicht nur im Hinblick auf das ihm fälschlicherweise angerechnete Verhalten des Notariatssubstituten Z. bejaht. Sie hat vielmehr die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass der Beklagte je nach Ausgang des vom Bezirksgericht noch durchzuführenden Beweisverfahrens von den Klägern auch für eigenes Verschulden im Zusammenhang mit der beanstandeten Amtsführung zur Verantwortung gezogen werden könnte. Gegen eine solche Betrachtungsweise lässt sich entgegen der Meinung des Beklagten nicht einwenden, sie beruhe auf blossen Parteibehauptungen. Nachdem die Kläger auch ein eigenes schuldhaftes Verhalten des Beklagten als Vorsteher des Konkursamtes Y. zum Gegenstand des Rechtsstreites gemacht haben, ist es Aufgabe der kantonalen Gerichte, in einem Beweisverfahren die tatsächlichen Grundlagen dieser Behauptungen zu überprüfen. Ohne die Vorwürfe der Kläger an die Adresse des Beklagten, er hafte auch aus eigenem Verschulden gemäss
Art. 5 Abs. 1 SchKG
für einen angeblichen Schaden, abzuklären, darf die Passivlegitimation des Beklagten nicht völlig ausgeschlossen werden.
BGE 108 III 71 S. 77
Es ist somit die Berufung insoweit gutzuheissen, als die Vorinstanz die Passivlegitimation des Beklagten im Hinblick auf ein eventuelles schuldhaftes Verhalten des Notariatssubstituten Z. bejaht hat. Hingegen ist die Berufung abzuweisen, soweit der Beklagte auch ein eigenes Verschulden zum vornherein ausschliesst. Dieses Ergebnis führt zur Aufhebung des Beschlusses des Obergerichts vom 25. Mai 1982 und zur Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Prüfung der Frage, ob den Beklagten bei seiner Amtsführung im Zusammenhang mit dem Konkurs der C. AG ein eigenes Verschulden treffe, das allenfalls zu einer Haftung nach
Art. 5 Abs. 1 SchKG
führe, und ob demzufolge in dieser Hinsicht seine Passivlegitimation zu bejahen sei. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
635e6eba-1e6f-4663-863f-a5a5aa8c9c10 | Urteilskopf
108 IV 63
15. Urteil des Kassationshofes vom 4. Juni 1982 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen M. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
; schwerer Fall.
1. Die Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen ist bei einer Anzahl von 20 Personen - als unterster Grenze - gegeben (E. 2).
2. Für die Bemessung der erheblichen Menge ist von der gefährlicheren Konsumart und der bei dieser üblichen Rauschgiftdosis auszugehen (E. 3). Bei Kokain ist es die intravenöse Applikation mit Konsumeinheiten von 10 mg (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 63
BGE 108 IV 63 S. 63
A.-
Am 28. August 1981 verurteilte das Strafgericht Baselland M. wegen wiederholter und fortgesetzter Zuwiderhandlung gegen das BG über die Betäubungsmittel (BetmG) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von acht Monaten und zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 400.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren. Es legte dem Verurteilten u.a. zur Last, den Kauf von 50 g Kokain durch einen ihm als Rauschgifthändler bekannten D. R. mitfinanziert zu haben.
BGE 108 IV 63 S. 64
Am 30. März 1982 wies das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft, mit welcher diese die Verurteilung von M. wegen qualifizierter Begehung im Sinne von
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
verlangt hatte, ab.
B.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie M. hinsichtlich der Mitfinanzierung des Ankaufs von 50 g Kokain nach
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
verurteile.
M. beantragt sinngemäss Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Zur Entscheidung steht im vorliegenden Fall einzig die Frage, ob die Finanzierung des Kaufs von 50 g Kokain ein schwerer Fall im Sinne des
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
sei, ob mit anderen Worten, 50 g des genannten Rauschgiftes eine Menge darstellen, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann.
Obergericht und Staatsanwaltschaft sind sich darüber einig, dass bei einer ungefähr über ein halbes Jahr reichenden, sukzessiven, intravenösen Applikation von 10 mg Kokain täglich (insgesamt ca. 2 g) eine Schädigung der menschlichen Gesundheit eintreten kann, die sich in einer eigentlichen Wesensveränderung, in einer "Entkernung" der Persönlichkeit (erhöhte Empfindlichkeit, Stimmungslabilität, zunehmende Kritikunfähigkeit, Willensschwäche) verbunden mit einer psychischen Abhängigkeit neben körperlichen Veränderungen äussert. Dagegen gehen Vorinstanz und Beschwerdeführerin insoweit auseinander, als die letztere die Vielzahl der Menschen im Sinne des
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
bei 20 Personen, die erstere bei mindestens 30 als untersten Grenzwert festlegen möchte. Weiter scheiden sich ihre Auffassungen in der Berechnung der kritischen Menge des Rauschgifts. Während die Staatsanwaltschaft von der für die intravenöse Applikation gültigen gefährlichen Tagesdosis von 10 mg ausgeht, entsprechend - bezogen auf eine Dauer von 180 Tagen - für 20 Personen auf 36 g Kokain kommt und diese Zahl zur Bezeichnung der von ihr als kritisch erachteten Menge auf 40 g aufrundet, ist das Obergericht der Meinung, es sei der zur Zeit der Tat vorwiegend üblichen Art des Kokaingebrauchs durch Schnupfen, bei welcher von einer Konsumeinheit von 0,5-1 g Kokain auszugehen sei, Rechnung zu
BGE 108 IV 63 S. 65
tragen; unter Berücksichtigung "aller Untersicherheiten beim Gebrauch von Kokain" sei die Annahme der ersten Instanz, wonach ein schwerer Fall erst bei einer Menge von 80 g gegeben sei, begründet, auch wenn dieser Grenzwert im vorliegenden Fall eher als zu tief angesetzt erscheine.
2.
Der in
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
verwendete Begriff "viele Menschen" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der zwar der Auslegung bedarf, sich jedoch theoretischen Überlegungen weitgehend entzieht und sich auch zahlenmässig nicht genau bestimmen lässt.
a) Der Versuch, den genannten Begriff nach unten zahlenmässig zu begrenzen, ist notwendig mit einer ermessensmässigen Wertung verbunden. Diese muss in jedem Fall aber ein einheitliches Ergebnis anstreben und darf nicht die mehr oder weniger grosse Gefährlichkeit des jeweiligen Rauschgifts zum Massstab nehmen; denn ob die im konkreten Fall gehandelte Droge eine leichte oder eine harte sei, kann nicht entscheidend ins Gewicht fallen, wenn es darum geht, den Begriff der Vielzahl von Menschen nach unten zu begrenzen (vgl.
BGE 106 IV 231
E. 3c); die Art der Droge ist lediglich für die Berechnung der kritischen Menge von Belang. Bei der Auslegung des Begriffs "viele Menschen" wird sich der Richter an den Zweckgedanken des BetmG als einer allgemeinen Richtlinie halten und entsprechend einerseits die verheerenden gesundheitlichen Schäden berücksichtigen, die sich infolge des Konsums von Rauschgiften ergeben können, und anderseits in Rechnung stellen, dass der Gesetzgeber aus diesem Grunde schon die bloss abstrakte Gefährdung der menschlichen Gesundheit mit Strafe bedroht hat (M. DELACHAUX, Drogues et législation, Diss. Lausanne 1977, S. 164 oben) und dabei insbesondere den Handel in den verschiedensten Formen und Stadien hat treffen wollen (
BGE 106 IV 230
E. 3b). Schon nach diesen allgemeinen Überlegungen besteht kein Grund, dem Täter gegenüber, der mit Rauschgift handelt und damit die Gesundheit anderer rücksichtslos aufs Spiel setzt, bei der Anwendung von
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
besondere Rücksicht walten zu lassen, indem man den Begriff der Vielzahl von Menschen so fasst, dass die unterste Grenze hoch angesetzt wird. Im Kampf gegen den unbefugten Rauschgifthandel ist vielmehr Strenge am Platz (s. ebenso SCHULTZ, Die strafrechtliche Behandlung von Betäubungsmitteln, SJZ 68/1972 S. 238).
b) Das Obergericht beruft sich zur Stütze seiner Auffassung, wonach die unterste Grenze bei 30 Personen festzulegen sei, auf eine "in der Literatur als Folge der älteren bundesgerichtlichen
BGE 108 IV 63 S. 66
Praxis" geäusserten Meinung. Hiezu ist festzustellen, dass A. SCHÜTZ (Die Strafbestimmungen des BetmG, Diss. Zürich 1980, S. 158), den allein die Vorinstanz in diesem Zusammenhang zitiert, lediglich ausführt, der genannte Begriff sei einer sachgerechten Umschreibung nicht zugänglich, das Bundesgericht habe in
BGE 103 IV 281
bei einer Heroinmenge von 15 g eine Gefährdung von 35 Personen in jedem Fall für ausreichend erachtet und das Geschworenengericht des Kantons Zürich habe in Anwendung von
Art. 237 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
die Zahl von 29 Flugzeuginsassen als Vielzahl genügen lassen, so dass es nicht gerade willkürlich sein dürfte, die untere Grenze auf etwa 30 festzusetzen. Mehr ist der angeführten Literatur nicht zu entnehmen, und mit dem fraglichen Hinweis ist im Ergebnis wenig oder nichts gewonnen; denn in keinem der beiden Gerichtsfälle stand die Frage zur Entscheidung, wo die unterste Grenze zu ziehen sei. Vielmehr haben die beiden Gerichte in den konkreten Fällen die genannte Anzahl von Menschen zur Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes bloss für ausreichend erachtet, ohne damit eine unterste Limite zu ziehen. Eine anders lautende, ältere Praxis vermag auch das Obergericht nicht anzuführen.
c) In
BGE 106 IV 231
E. 3c und
BGE 105 IV 75
E. 3d sowie in einigen nicht veröffentlichten Urteilen aber hat der Kassationshof einen Personenkreis von 20-40 Personen als eine Vielzahl von Menschen im Sinne des
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
erkannt. Auch aus dieser ebenfalls einen blossen Rahmen umschreibenden Formel kann nicht geschlossen werden, das Bundesgericht habe ein Mittel von 30 Personen als unterste Grenze angesehen, sonst hätte es nicht von 20-40 Personen gesprochen. Vielmehr ist jenen Entscheidungen zu entnehmen, dass der Kassationshof implicite bereits einen Kreis von 20 Personen genügen lassen wollte, hierin aber die allerunterste Grenze gesehen hat. Zwingende Gründe, diese Limite nach oben zu verschieben, bestehen nach dem Gesagten (E. 2a) nicht.
3.
Was die zweite zwischen Vorinstanz und Beschwerdeführerin kontroverse Frage betrifft, so wurde sie vom Bundesgericht bereits dahin entschieden, dass bei Rauschgiften, die in verschiedener Art eingenommen werden können und bei denen je nach der Art der Applikation eine mehr oder weniger hohe Dosis eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit bewirken kann, für die Bemessung der nach
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
erheblichen Menge von der gefährlicheren Konsumart und der bei dieser üblichen
BGE 108 IV 63 S. 67
Rauschgiftdosis auszugehen ist (
BGE 107 IV 152
). Bei Kokain ist dies die intravenöse Applikation, bei der schon tägliche Konsumeinheiten von 10 mg bei sukzessiver Einnahme über 3-6 Monate psychopathologische Folgeerscheinungen zeitigen können. Der Umstand, dass zur Zeit der dem Beschwerdegegner zur Last fallenden Handlungen (1979) die intranasale Einnahme von Kokain (Schnupfen), bei welcher die Konsumeinheit 0,5-1 g beträgt, häufiger war als die intravenöse, ist kein Grund, von jener Rechtsprechung abzugehen, zumal dem genannten Entscheid ebenfalls Handlungen aus den Jahren 1978 und 1979 zugrunde lagen und sich der Händler in aller Regel weder darum kümmert, ob die Konsumenten in mittlerem Alter stehen oder Jugendliche sind, bei denen das Gesundheitsrisiko ein erheblich höheres ist, noch darum, ob der Erwerber bereits abhängig ist oder nicht, noch um die Art, in welcher schliesslich das Kokain konsumiert wird.
4.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdegegner unbestrittenermassen den Kauf von 50 g Kokain durch einen ihm als Rauschgifthändler bekannten D. R. mitfinanziert. Geht man von der bei intravenöser Applikation üblichen Tagesdosis von 10 mg und einem regelmässigen Konsum (nicht schon von drei Monaten - was an sich möglich wäre - sondern) von einem halben Jahr aus, so ergibt sich, dass 1,8 g Kokain (180 Tage x 10 mg) ausreichen um eine Person während jener kritischen Dauer zu versorgen. Mit 50 g Kokain können infolge dessen rund 27 Personen während 6 Monaten versorgt werden. Die Vorinstanz hätte demnach den Beschwerdegegner wegen eines schweren Falls gemäss
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG
bestrafen sollen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 30. März 1982 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
635fd572-f912-4822-9285-d7e672d6738a | Urteilskopf
110 V 291
46. Urteil vom 22. August 1984 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen A. und Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel | Regeste
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
.
-
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
ist auch insofern nicht bundesrechtswidrig, als die Wiedererwägung mit Wirkung ex nunc erfolgt (Erw. 3a-c).
- Die Verordnungsbestimmung kann nur so weit Anwendung finden, als der zur Wiedererwägung führende Fehler bei der Beurteilung eines spezifisch invalidenversicherungsrechtlichen Gesichtspunktes unterlaufen ist. Sie ist analog auf die Wiedererwägung von Abweisungsverfügungen anwendbar (Erw. 3d).
- Wann hat der Mangel gemäss
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
als "entdeckt" zu gelten (Erw. 4)? | Sachverhalt
ab Seite 291
BGE 110 V 291 S. 291
A.-
Giacomo A. meldete sich im November 1981 zum Bezug einer Rente der Invalidenversicherung an. Laut Bericht der Hausärztin Dr. S. vom 21. Dezember 1981 leidet er an einem vertebragenen Syndrom und einer depressiven Entwicklung. Auf Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission wies die Ausgleichskasse Basel-Stadt das Begehren am 12. Juli 1982 ab mit der Begründung, es liege keine rentenbegründende Invalidität vor.
Im November 1982 suchte Giacomo A. erneut um Zusprechung einer Rente nach, worauf die Invalidenversicherungs-Kommission eine stationäre Abklärung im Zentrum für Medizinische Begutachtung der Chrischonaklinik in Bettingen anordnete. In ihrem
BGE 110 V 291 S. 292
Gutachten vom 24. Februar 1983 diagnostizierte die Klinik ein "Stiff-man-Syndrom" sowie eine depressive Verstimmung und schätzte die Arbeitsfähigkeit bei geeigneter, körperlich nicht anstrengender Tätigkeit auf weniger als ein Drittel. Gestützt hierauf sprach die Invalidenversicherungs-Kommission dem Versicherten - nach Rücksprache mit dem Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) - eine ganze einfache Invalidenrente mit Zusatzrente für die Ehefrau ab 1. März 1983 zu (Verfügung der Ausgleichskasse Basel-Stadt vom 25. Mai 1983).
B.-
In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde setzte die Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel, den Rentenbeginn auf den 1. November 1981 fest. Als massgebend hiefür erachtete sie, dass sich die erste Verfügung vom 12. Juli 1982 aufgrund des Gutachtens vom 24. Februar 1983 als zweifellos unrichtig erweise und die Korrektur eines fehlerhaften Verwaltungsaktes grundsätzlich rückwirkend zu erfolgen habe (Entscheid vom 8. September 1983).
C.-
Das BSV erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei die Verfügung der Ausgleichskasse Basel-Stadt vom 25. Mai 1983 wiederherzustellen. Der Versicherte und die Vorinstanz lassen sich mit dem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vernehmen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (
BGE 109 V 112
, 121,
BGE 107 V 84
Erw. 1).
Von der Wiedererwägung ist die sogenannte prozessuale Revision von Verwaltungsverfügungen zu unterscheiden. Danach ist die Verwaltung verpflichtet, auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn neue Tatsachen oder neue Beweismittel entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer andern rechtlichen Beurteilung zu führen (
BGE 109 V 121
,
BGE 108 V 168
,
BGE 106 V 87
,
BGE 102 V 17
).
2.
a) Die Vorinstanz stellt unter Hinweis auf
Art. 68 VwVG
fest, im vorliegenden Fall bestehe ein Revisionsgrund, weil durch
BGE 110 V 291 S. 293
das Gutachten des Zentrums für Medizinische Begutachtung vom 24. Februar 1983 erwiesen sei, dass in den früheren Arztberichten die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten nicht nur im Rahmen des Ermessens anders, sondern wegen unrichtiger Diagnose eindeutig falsch beurteilt worden sei. Soweit damit davon ausgegangen wird, dass die Voraussetzungen für eine sog. prozessuale Revision der rechtskräftigen Verfügung vom 12. Juli 1982 gegeben waren, ist festzuhalten, dass im Gutachten zwar neu die Diagnose eines "Stiff-man-Syndroms" erhoben wird, worunter eine progressive fluktuierende Muskelrigidität zu verstehen ist (vgl. THIELE, Handlexikon der Medizin, S. 2335). Schon in den früheren Arztberichten war indessen von einer "praktisch totalen Verspannung der Muskulatur" (Berichte Dr. S. vom 21. Dezember 1981 und Felix-Platter-Spital vom 27. März 1982) die Rede, weshalb hierin keine neue Tatsache erblickt werden kann. Die im Gutachten vom 24. Februar 1983 erhobene Diagnose und die entsprechenden Folgerungen mit Bezug auf die Arbeitsfähigkeit beinhalten lediglich eine neue Bewertung des im Zeitpunkt der ursprünglichen Verfügung gegebenen Sachverhaltes, was zu keiner Revision Anlass geben kann (vgl. zu
Art. 137 lit. b OG
:
BGE 108 V 171
Erw. 1).
b) Demgegenüber kann als unbestritten gelten, dass aufgrund der ergänzten Akten davon auszugehen ist, dass der Versicherte seit November 1980 in rentenbegründendem Ausmass arbeits- bzw. erwerbsunfähig ist und der Versicherungsfall somit im November 1981 eingetreten ist. Die Verfügung vom 12. Juli 1982, mit welcher das im November 1981 erhobene Rentenbegehren abgewiesen worden ist, erweist sich damit als zweifellos unrichtig, weshalb die Verwaltung hierauf zu Recht zurückgekommen ist. Streitig ist die Frage des Rentenbeginns.
3.
a) Die - gemäss einer Stellungnahme des BSV erlassene - Verfügung vom 25. Mai 1983, mit welcher dem Versicherten eine ganze Rente ab 1. März 1983 zugesprochen wurde, stützt sich auf
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
, wonach in Fällen, in denen festgestellt wird, dass der Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission zum Nachteil des Versicherten zweifellos unrichtig war, die Erhöhung der Rente oder der Hilflosenentschädigung frühestens von dem Monat an erfolgt, in dem der Mangel entdeckt wurde. Die Vorinstanz verneint die Anwendbarkeit dieser Bestimmung, weil es im vorliegenden Fall um die erstmalige Festsetzung einer Rente und nicht um die Änderung einer laufenden Rente gehe. Sie lehnt auch eine bloss analogieweise Anwendung der
BGE 110 V 291 S. 294
Bestimmung ab und bezweifelt deren Gesetzmässigkeit. Ausgleichskasse und Invalidenversicherungs-Kommission stellen die Gesetzmässigkeit von
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
ebenfalls in Frage in der Meinung, die Wiedererwägung habe rückwirkend zu erfolgen. Demgegenüber stellt sich das BSV auf den Standpunkt, es bestehe kein allgemeiner Grundsatz, wonach die Wiedererwägung rückwirkend zu erfolgen habe, und es sei
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
analog auf den Fall der Neuanmeldung nach vorausgegangener Abweisung des Rentenbegehrens anzuwenden.
b) Über die Frage der Gesetzmässigkeit von
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
hatte das Eidg. Versicherungsgericht bisher nicht zu entscheiden. In
BGE 109 V 112
hat es lediglich festgestellt, dass es sich hiebei - entgegen der systematischen Stellung - nicht um eine Revisionsbestimmung im Sinne von
Art. 41 IVG
, sondern um den Fall der Wiedererwägung einer zweifellos unrichtigen Verfügung handle. Dass die Bestimmung nicht die Revision von Leistungen gemäss
Art. 41 IVG
betrifft und damit systematisch nicht unter
Art. 86 ff. IVV
gehört, bedeutet nicht, dass sie als gesetzwidrig zu betrachten wäre. Die Bestimmung entbehrt zwar einer konkreten gesetzlichen Grundlage; das Institut der Wiedererwägung hat jedoch den Charakter eines allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatzes (vgl.
Art. 58 VwVG
), der insbesondere auch in der Sozialversicherung Geltung hat. Insofern erweist sich
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
als zulässige Teilkodifikation des allgemeinen Grundsatzes der Wiedererwägung mit Bezug auf Verfügungen über Renten und Hilflosenentschädigungen der Invalidenversicherung. Fraglich kann lediglich sein, ob die Bestimmung auch insofern bundesrechtskonform ist, als die Wiedererwägung nicht ex tunc, sondern mit Wirkung ex nunc ab Entdeckung des Mangels erfolgt.
c) Die Vorinstanz begründet die rückwirkende Zusprechung der Rente auf den 1. November 1981 damit, dass die Korrektur eines fehlerhaften Beschwerdeentscheides gemäss
Art. 68 VwVG
bei Vorliegen eines Revisionsgrundes rückwirkend auf den Zeitpunkt des unrichtigen Entscheides zu erfolgen habe und dass diese Bestimmung als allgemeine verwaltungsrechtliche Richtlinie auch bei der Korrektur fehlerhafter erstinstanzlicher Verfügungen grundsätzlich anwendbar sei. Im vorliegenden Fall geht es nach dem Gesagten indessen nicht um eine sog. prozessuale Revision, sondern um die Wiedererwägung einer zweifellos unrichtigen Verfügung. Weil für die Revision besondere Voraussetzungen bestehen,
BGE 110 V 291 S. 295
lassen sich deren Rechtsfolgen nicht ohne weiteres auf die Wiedererwägung übertragen (vgl. auch ZAK 1973 S. 139, RSKV 1975 Nr. 210 S. 28).
In der Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertritt die Vorinstanz die Auffassung, auch die Wiedererwägung fehlerhafter Verfügungen habe grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Verfügung zu erfolgen. Nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen sei bezüglich der Widerruflichkeit von Verfügungen und der Modalitäten des Widerrufs entscheidend darauf abzustellen, ob es sich um belastende oder begünstigende Verfügungen handle. Bei begünstigenden Verfügungen könne die Widerruflichkeit aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes fraglich sein, oder es habe die Wirkung jedenfalls lediglich ex nunc zu erfolgen. Wo aber - wie hier - eine belastende Verfügung in Wiedererwägung gezogen werde, müssten schon besondere Gründe vorliegen, um nicht eine Wirkung ex tunc eintreten zu lassen.
Dem BSV ist indessen darin beizupflichten, dass in Lehre und Praxis keine einheitliche Auffassung hinsichtlich der zeitlichen Wirkung der Wiedererwägung besteht. Dies namentlich auch in dem Sinne nicht, dass die Wiedererwägung belastender Verfügungen mit Wirkung ex tunc und diejenige begünstigender Verfügungen mit Wirkung ex nunc zu erfolgen hätte. Ebensowenig besteht ein Grundsatz, wonach die Wiedererwägung negativer Verwaltungsakte regelmässig ex tunc vorzunehmen wäre. IMBODEN/RHINOW (Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Bd. I, S. 249), worauf sich die Vorinstanz beruft, unterscheiden zwar zwischen begünstigenden und belastenden Verfügungen, jedoch nur mit Bezug auf die Voraussetzungen der Wiedererwägung, nicht hinsichtlich ihrer zeitlichen Wirkung. GRISEL (Droit administratif suisse, S. 218) spricht lediglich davon, dass die Wiedererwägung je nach den Umständen mit Wirkung ex tunc oder ex nunc erfolgt, und beantwortet die Frage nur für den besondern Fall der dolosen Erwirkung einer begünstigenden Verfügung im Sinne der Wirkung ex tunc. KNAPP (Grundlagen des Verwaltungsrechts, S. 159) äussert sich dahin, dass die Wiedererwägung grundsätzlich vom Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen Verfügung an wirksam sei, ohne zwischen begünstigenden und belastenden Verfügungen zu unterscheiden (vgl. im übrigen auch FLEINER-GERSTER, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., S. 234 f. und 265 ff.;
BGE 110 V 291 S. 296
GYGI, Zur Rechtsbeständigkeit von Verwaltungsverfügungen, ZBl 83/1982, S. 149 ff.; SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, S. 98 ff. und 165 ff.). Generelle Kriterien mit Bezug auf die zeitliche Wirkung der Wiedererwägung finden sich auch in der Rechtsprechung nicht, zumal hinsichtlich der Voraussetzungen der Wiedererwägung keine einheitliche Praxis besteht (vgl. IMBODEN/RHINOW, a.a.O., S. 250; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I S. 479 f.). In EVGE 1964 S. 47 hat das Eidg. Versicherungsgericht aus dem Umstand, dass der Richter praxisgemäss die Verwaltung nicht zur Wiedererwägung einer zweifellos unrichtigen Verfügung verhalten kann, geschlossen, dass er der Verwaltung auch keine Vorschriften darüber machen kann, ob bzw. inwieweit eine Wiedererwägung rückwirkend zu erfolgen hat. In EVGE 1967 S. 221 hat es diesen Entscheid einschränkend präzisiert, ohne in der Folge jedoch nähere Richtlinien über die zeitliche Wirkung der Wiedererwägung aufzustellen. Nach der neueren Rechtsprechung kann der Richter eine zu Unrecht auf
Art. 41 IVG
gestützte Revisionsverfügung mit der substituierten Begründung schützen, dass die ursprüngliche Verfügung zweifellos unrichtig war, wobei die Bestätigung mit Wirkung ex nunc erfolgt. Massgebend ist auch hier die Überlegung, dass der Verwaltung, wenn es ihr schon freisteht, ob sie eine Wiedererwägung vornehmen will oder nicht, auch nicht vorgeschrieben werden kann, dass sie die Wirkung ex tunc eintreten lassen muss. Wenn somit vor Einführung des am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
die Verwaltung wohl berechtigt, aber nicht verpflichtet war, die Wirkung der Wiedererwägung ex tunc eintreten zu lassen, so kann - mangels eines gegenteiligen allgemeinen Rechtsgrundsatzes - auch nicht beanstandet werden, wenn in der Verordnungsbestimmung lediglich die Wirkung ex nunc vorgesehen worden ist. Die Bestimmung kann somit auch hinsichtlich der zeitlichen Wirkung der Wiedererwägung nicht als bundesrechtswidrig bezeichnet werden.
d) Dem Wortlaut nach bezieht sich
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
lediglich auf die Erhöhung von Renten und Hilflosenentschädigungen, somit auf laufende Leistungen. Eine unterschiedliche Regelung der zeitlichen Wirkung der Wiedererwägung je nachdem, ob dem Versicherten zu Unrecht keine oder eine zu geringe Leistung zugesprochen worden ist, liesse sich jedoch nicht rechtfertigen. Die Verordnungsbestimmung ist daher analog auf Fälle anzuwenden,
BGE 110 V 291 S. 297
in welchen sich die Abweisung eines Leistungsbegehrens nachträglich als zweifellos unrichtig erweist.
Im Hinblick auf
Art. 85 Abs. 1 IVV
in Verbindung mit
Art. 77 AHVV
kann
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
indessen nur so weit Anwendung finden, als der zur Wiedererwägung führende Fehler bei der Beurteilung eines spezifisch invalidenversicherungsrechtlichen Gesichtspunktes unterlaufen ist (vgl. mit Bezug auf die Rückerstattung zu Unrecht ausgerichteter Leistungen:
BGE 110 V 298
, 107 V 36, 105 V 170). Im vorliegenden Fall geht es aber um die Beurteilung eines spezifisch invalidenversicherungsrechtlichen Gesichtspunktes, weshalb der Anwendbarkeit der Verordnungsbestimmung nichts im Wege steht.
4.
a) Nach
Art. 88bis Abs. 1 lit. c IVV
erfolgt die Wiedererwägung mit Wirkung ab jenem Monat, "in dem der Mangel entdeckt wurde". Es kann somit weder generell auf den Zeitpunkt eines allfälligen Wiedererwägungsgesuches noch auf denjenigen des Erlasses der Wiedererwägungsverfügung abgestellt werden. Massgebend ist der Zeitpunkt, in welchem die Verwaltung vom Mangel Kenntnis erhalten hat. Dies setzt nicht voraus, dass die Unrichtigkeit der Verfügung - allenfalls nach Vornahme ergänzender Abklärungen - mit Sicherheit feststeht. Es genügt, dass die Verwaltung - aufgrund des Wiedererwägungsgesuches oder von Amtes wegen - Feststellungen getroffen hat, die das Vorliegen eines relevanten Mangels als glaubhaft bzw. wahrscheinlich erscheinen lassen. Bei Wiedererwägung aufgrund eines entsprechenden Gesuches wird es daher entscheidend auf den Inhalt dieses Gesuches ankommen, ob der Mangel bereits in diesem Zeitpunkt als "entdeckt" gelten kann.
b) Im vorliegenden Fall hat die Verwaltung auf den Eingang des Gutachtens des Zentrums für Medizinische Begutachtung bei der Invalidenversicherungs-Kommission am 3. März 1983 abgestellt. Aufgrund dieses Berichtes stand fest, dass die ursprüngliche Verfügung zweifellos unrichtig war. Es stellt sich indessen die Frage, ob der Mangel nicht schon in einem früheren Zeitpunkt als entdeckt gelten konnte. Laut einem Schreiben des Sekretariates der Invalidenversicherungs-Kommission an den Versicherten vom 30. November 1982 war die Verwaltung zunächst nicht bereit, auf das neue Begehren vom November 1982 einzutreten. In der Folge änderte sie diese Meinung jedoch aufgrund einer telephonischen und schriftlichen Intervention der Hausärztin Dr. S., welche auf eine vollständige Arbeitsunfähigkeit schloss und sinngemäss eine
BGE 110 V 291 S. 298
Wiedererwägung der Verfügung vom 2. Juni 1982 befürwortete. Die Invalidenversicherungs-Kommission ordnete noch im Dezember 1982 ergänzende Abklärungen an und erachtete es damit zumindest als glaubhaft, dass ein relevanter Mangel vorlag. Nach den gesamten Umständen rechtfertigt sich daher die Annahme, der Mangel sei bereits in diesem Zeitpunkt entdeckt worden, weshalb Anspruch auf eine Rente ab 1. Dezember 1982 besteht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der Kantonalen Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel, vom 8. September 1983 und die Kassenverfügung vom 25. Mai 1983 aufgehoben, und es wird die Ausgleichskasse Basel-Stadt verhalten, dem Beschwerdegegner eine ganze Invalidenrente ab 1. Dezember 1982 auszurichten. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
63619742-82bb-445d-803e-2cf1880a85d6 | Urteilskopf
101 III 43
10. Entscheid vom 13. Januar 1975 i.S. Oettli. | Regeste
Ausseramtliche Konkursverwaltung (
Art. 237 Abs. 2 SchKG
).
Als ausseramtliche Konkursverwaltung kann auch eine juristische Person gewählt werden. | Sachverhalt
ab Seite 43
BGE 101 III 43 S. 43
A.-
Im Konkurs über Willi Oettli wählte die erste Gläubigerversammlung am 20. Juni 1972 die Neutra Treuhand AG als ausseramtliche Konkursverwaltung. Am 15. Mai 1974 stellte der Vertreter des Schuldners beim Bezirksgericht Horgen als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs das Begehren,
"es sei der Beschluss der 1. Gläubigerversammlung im Konkurs über Herrn Wilhelm (Willi) Oettli vom 20. Juni 1972, mit welchem die Neutra Treuhand AG als ausseramtliche Konkursverwaltung gewählt
BGE 101 III 43 S. 44
wurde, von Amtes wegen aufzuheben und es sei die Neutra Treuhand AG mit sofortiger Wirkung ihrer Funktionen als ausseramtliche Konkursverwaltung zu entheben."
Zur Begründung machte er geltend, eine juristische Person sei als ausseramtliche Konkursverwaltung schlechthin nicht wählbar, weshalb die Neutra Treuhand AG von Amtes wegen abzusetzen sei. Mit Beschluss vom 17. Mai 1974 wies das Bezirksgericht das Begehren ab. Das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde, an welches der Schuldner in der Folge rekurrierte, bestätigte diesen Entscheid mit Beschluss vom 11. September 1974.
B.-
Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt der Schuldner, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Neutra Treuhand AG ihrer Funktionen als ausseramtliche Konkursverwaltung zu entheben; ferner sei die Neutra Treuhand AG "im Sinne eines Suspensiveffektes" anzuweisen, im Konkurse des Gemeinschuldners Oettli unverzüglich jede weitere Tätigkeit zu unterlassen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 237 Abs. 2 SchKG
hat die erste Gläubigerversammlung darüber zu entscheiden, ob sie das Konkursamt oder eine von ihr zu wählende Person als Konkursverwaltung einsetzen wolle. Gegen Beschlüsse der ersten Gläubigerversammlung kann gemäss
Art. 239 Abs. 1 SchKG
jeder Gläubiger binnen fünf Tagen bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde führen, wobei diese die Gläubigerbeschlüsse auch auf deren Angemessenheit zu überprüfen hat (
BGE 97 III 126
,
BGE 86 III 123
,
BGE 59 III 134
/135). Nach der Rechtsprechung ist indessen auch der Schuldner legitimiert, Beschlüsse der Gläubigerversammlung, namentlich solche über die Verwertung von Aktiven sowie über die Erfassung und Sicherung des Konkursvermögens, mit Beschwerde anzufechten, wenn sie in seine gesetzlich geschützten Rechte und Interessen eingreifen. Dass der angefochtene Beschluss unangemessen sei, kann der Schuldner jedoch nicht geltend machen; die Aufsichtsbehörde hat bei einer Beschwerde des Schuldners lediglich die Gesetzmässigkeit des Gläubigerbeschlusses zu überprüfen (
BGE 95 III 28
/29,
BGE 94 III 88
/89,
BGE 88 III 34
/35, 77,
BGE 85 III 180
).
BGE 101 III 43 S. 45
Im vorliegenden Fall ist die fünftägige Beschwerdefrist des
Art. 239 Abs. 1 SchKG
längst abgelaufen. Zudem ist fraglich, ob der Rekurrent zur Anfechtung des Beschlusses, mit welchem die Gläubiger die Neutra Treuhand AG zur ausseramtlichen Konkursverwaltung bestimmten, legitimiert sei, beruft er sich zur Begründung seines Begehrens doch vor allem auf Interessen der Gläubiger und der Öffentlichkeit. Dass er ein eigenes, gesetzlich geschütztes Interesse an der Absetzung der Neutra Treuhand AG habe, geht jedenfalls aus der Rekursschrift nicht hervor.
Indessen sind die Aufsichtsbehörden berechtigt und verpflichtet, die Einsetzung einer ausseramtlichen Konkursverwaltung kraft ihres Aufsichtsrechts (
Art. 13 SchKG
) von Amtes wegen aufzuheben, wenn sich diese Massnahme als unangemessen erweist oder wenn die in die Konkursverwaltung gewählten Personen für ihr Amt nicht geeignet sind (
BGE 48 III 79
,
BGE 41 III 417
Erw. 2, 31 I 742/743; JAEGER, N. 7 zu
Art. 237 SchKG
; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., II, S. 129; FAVRE, Droit des poursuites, 3. Aufl., S. 317). Für das Eingreifen der Aufsichtsbehörde ist demnach nicht erforderlich, dass der Gläubigerbeschluss, mit dem die ausseramtliche Konkursverwaltung eingesetzt worden ist, geradezu nichtig sei, d.h. gegen eine Vorschrift verstosse, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse eines unbestimmten Kreises Dritter aufgestellt und daher zwingend ist (vgl. dazu
BGE 98 III 39
,
BGE 97 III 20
, 96 III 77, 104,
BGE 94 III 68
,
BGE 93 III 87
; zur Unterscheidung von Betreibungshandlungen, die von Amtes wegen aufgehoben werden können, und solchen, die schlechthin nichtig sind, vgl. SCHWANDER, Nichtige Betreibungshandlungen, BlSchK 1954 S. 6).
Die Vorinstanz ist somit zu Recht auf das Begehren des Rekurrenten eingetreten. Sie hätte sich jedoch nicht auf die Prüfung der Nichtigkeit des Gläubigerbeschlusses beschränken dürfen. Am Ergebnis änderte diese Beschränkung der Kognition indessen nichts. Der Rekurrent begründete sein Begehren lediglich damit, dass eine juristische Person nicht als ausseramtliche Konkursverwaltung tätig sein dürfe. Dass die Neutra Treuhand AG aus einem andern Grund, etwa wegen Unfähigkeit oder mangelnder Unabhängigkeit, abgesetzt werden müsse, machte er nicht geltend. Entscheidend für das Schicksal des Gesuchs war somit einzig die Auslegung von
BGE 101 III 43 S. 46
Art. 237 Abs. 2 SchKG
. Dabei kam es nicht darauf an, ob der Beschluss der Gläubigerversammlung, mit dem die Neutra Treuhand AG eingesetzt worden war, frei oder nur auf Nichtigkeit hin überprüft wurde. Denn auch bei beschränkter Prüfung hätte die Neutra Treuhand AG abgesetzt werden müssen, wenn die Auslegung ergeben hätte, eine juristische Person könne nicht als ausseramtliche Konkursverwaltung gewählt werden, wäre doch ein dieser Deutung widersprechender Gläubigerbeschluss zweifellos als nichtig zu betrachten gewesen.
2.
In
BGE 24 I 732
/733 hatte das Bundesgericht die Frage zu entscheiden, ob eine Firma - es handelte sich um eine Kollektivgesellschaft - als ausseramtliche Konkursverwaltung bestellt werden könne. Es verneinte die Frage mit der Begründung, der Gesetzgeber habe beim Erlass von
Art. 237 Abs. 2 SchKG
"offenbar" eine oder mehrere Einzelpersonen im Auge gehabt, "nicht auch Firmen, die sehr oft nicht nur aus einer Person bestehen, sondern einen Personenverband mit oder ohne juristische Selbständigkeit repräsentieren". Sodann habe die Konkursverwaltung amtliche Aufgaben zu erfüllen; derartige Aufgaben gehörten aber nicht zu den Geschäften, die von Firmainhabern als solchen besorgt zu werden pflegten. Die besonderen Konkursverwaltungen seien denn auch hinsichtlich ihrer allgemeinen Pflichten, ihrer Verantwortlichkeit und der Beschwerdeführung den Konkursämtern gleichgestellt. Da diese nur mit Einzelpersonen besetzt werden könnten, müsse das auch für die besonderen Konkursverwaltungen zutreffen.
In Anlehnung an diesen Entscheid und ohne weitere Begründung vertritt auch die Lehre die Ansicht, eine juristische Person könne nicht als ausseramtliche Konkursverwaltung gewählt werden (JAEGER, N. 6 zu
Art. 237 SchKG
; FRITZSCHE, a.a.O. S. 129; FAVRE, a.a.O. S. 317; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, S. 730 N. 36; WETTSTEIN, Die Konkursverwaltung, Diss. Bern 1935, S. 54; EGLI, Die Einwirkung des Gläubigerelementes auf die Organisation und Durchführung des Konkursverfahrens..., Diss. Zürich 1942 S. 72; MARTZ, SJK 1004, S. 4).
3.
Entgegen der Meinung des Rekurrenten ist der Wortlaut von
Art. 237 Abs. 2 SchKG
, nicht eindeutig; es lässt sich daraus nicht ableiten, es seien ausschliesslich natürliche Personen als ausseramtliche Konkursverwaltung wählbar. Wenn es in jener Bestimmung heisst, die erste Gläubigerversammlung
BGE 101 III 43 S. 47
könne "eine oder mehrere von ihr zu wählenden Personen" als Konkursverwaltung einsetzen, so können damit ohne weiteres auch juristische Personen gemeint sein. Der Begriff "Person" umfasst in der Rechtssprache nicht nur die natürlichen, sondern auch die juristischen Personen.
Sodann lässt sich nicht nachweisen, dass der Gesetzgeber beim Erlass von
Art. 237 Abs. 2 SchKG
tatsächlich nur natürliche Personen im Auge hatte, wie in
BGE 24 I 733
ohne nähere Begründung angenommen wird. Zwar hätten gemäss Art. 242 Abs. 1 des bundesrätlichen Entwurfes vom 23. Februar 1886 die Gläubiger darüber zu entscheiden gehabt, ob die Konkursverwaltung dem Betreibungsbeamten überlassen oder einem von ihnen zu wählenden besonderen "Verwalter" übertragen werden solle (BBl 1886 II 152). Ob darunter auch eine juristische Person hätte verstanden werden können, mag zweifelhaft erscheinen. Im definitiven Entwurf des Bundesrates vom 7. Dezember 1888 (BBl 1888 IV 1213) und in der von den eidgenössischen Räten angenommenen Referendumsvorlage vom 11. April 1889 (BBl 1889 II 507) ist jedoch nicht mehr von zu wählenden Konkursverwaltern die Rede, sondern es wird der ersten Gläubigerversammlung die Befugnis eingeräumt, eine oder mehrere Personen als Konkursverwaltung einzusetzen. Aus welchen Gründen diese Abweichung vom ursprünglichen Entwurf vorgenommen wurde, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Jedenfalls bietet die Entstehungsgeschichte des Gesetzes keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber juristische Personen bewusst vom Amt der besonderen Konkursverwaltung hat ausschliessen wollen.
Ein Anhaltspunkt für den Willen des Gesetzgebers ergibt sich auch nicht daraus, dass in Art. 30 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 35 Abs. 3 BankG
für den Bankenkonkurs ausdrücklich vorgesehen ist, eine juristische Person, insbesondere eine Bank oder eine Treuhandgesellschaft, könne die Funktion der Konkursverwaltung ausüben. Diese Bestimmung, die 1934 erlassen wurde (vgl. Sten.Bull. StR 1934 S. 248, NR 1934 S. 691/692), lässt keinen Rückschluss darauf zu, was der Gesetzgeber im Jahre 1889 gewollt hat. Es deutet auch nichts darauf hin, dass damit bewusst eine vom SchKG abweichende Lösung getroffen werden sollte.
Schliesslich ist auch aus Art. 43 KV nichts abzuleiten. Nach dieser Vorschrift hat das Konkursamt der Aufsichtsbehörde
BGE 101 III 43 S. 48
Namen, Beruf und Wohnort der Mitglieder der ausseramtlichen Konkursverwaltung mitzuteilen, was sich in der Tat nur auf natürliche Person beziehen kann. Es versteht sich aber von selbst, dass das Bundesgericht beim Erlass von Art. 43 KV nicht die Frage entscheiden wollte, wer als ausseramtliche Konkursverwaltung wählbar sei. Vielmehr bezweckt diese Bestimmung lediglich, der Aufsichtsbehörde die Ausübung ihres Aufsichtsrechts zu ermöglichen (JAEGER, N. 7 zu
Art. 237 SchKG
). Sind nach
Art. 237 Abs. 2 SchKG
juristische Personen zur Übernahme der ausseramtlichen Konkursverwaltung fähig, so muss Art. 43 KV einfach analog angewendet werden, in dem Sinne etwa, dass das Konkursamt der Aufsichtsbehörde Firma, Sitz und Zweck der gewählten Konkursverwaltung mitzuteilen hat.
4.
Das Bundesgericht hat seine Auslegung von
Art. 237 Abs. 2 SchKG
in
BGE 24 I 733
vor allem damit begründet, die besondere Konkursverwaltung erfülle amtliche Funktionen, die der Natur der Sache nach von juristischen Personen nicht wahrgenommen werden könnten. Auch der Rekurrent macht geltend ein öffentliches Amt könne schon begrifflich nicht von einer juristischen Person bekleidet werden.
a) Es ist richtig, dass die besondere Konkursverwaltung einen öffentlichen Auftrag ausführt, also ein öffentliches Amt versieht (
BGE 94 III 95
mit Hinweisen,
BGE 38 I 199
). Dass juristische Personen schlechthin unfähig wären, amtliche Funktionen wahrzunehmen, trifft indessen durchaus nicht zu. Es ist im modernen Verwaltungsrecht im Gegenteil eine häufige Erscheinung, dass juristische Personen des privaten Rechts mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betraut werden (vgl. GRISEL, Droit administratif suisse, S. 156 ff.; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl., II, Nr. 514). Ein Beispiel hiefür findet sich aber gerade auch im Zwangsvollstreckungsrecht. Wie bereits erwähnt, kann nämlich im Bankenkonkurs gemäss ausdrücklicher Gesetzesvorschrift eine Bank oder eine Treuhandgesellschaft die Funktion der Konkursverwaltung ausüben. Damit steht aber fest, dass die öffentliche Natur der zu erfüllenden Aufgaben die Bestellung einer juristischen Person als besondere Konkursverwaltung grundsätzlich nicht ausschliesst.
b) Der Rekurrent befürchtet, es bestehe keine hinreichende Kontrolle, wenn juristische Personen als Konkursverwaltung
BGE 101 III 43 S. 49
amten dürften. Die hinter der juristischen Person stehenden, wirtschaftlichen Eigentümer seien nicht bekannt, und zudem könnten sich die Eigentumsverhältnisse im Laufe des Verfahrens durch Übergang von Aktien ändern, ohne dass dies publik würde. Unbekannte Aktionäre könnten daher die Entscheidungen der Konkursverwaltung beeinflussen und dadurch einzelne Gläubiger begünstigen.
Nun unterliegt aber die ausseramtliche Konkursverwaltung so gut wie die ordentliche der Überwachung durch die Aufsichtsbehörde (Art. 13 in Verbindung mit
Art. 241 SchKG
; JAEGER, N. 3 zu
Art. 13 SchKG
). Somit können Gläubiger wie Schuldner gegen gesetzwidrige oder auch bloss unangemessene Verfügungen Beschwerde führen, sofern sie dadurch in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen sind. Kraft ihres Aufsichtsrechts können die Aufsichtsbehörden aber auch ohne Beschwerde eingreifen und der Konkursverwaltung Weisungen erteilen, wenn sich dies als erforderlich erweisen sollte (JAEGER, N. 1 lit. c zu Art. 241 und N. 1 zu
Art. 13 SchKG
). Insbesondere können sie, wie bereits in Erw. 1 ausgeführt, eine ausseramtliche Konkursverwaltung von Amtes wegen absetzen bzw. die Wahl annullieren, wenn sich Zweifel an deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ergeben. Dazu kommt die disziplinarische Kontrolle der Aufsichtsbehörde, der auch die ausseramtliche Konkursverwaltung untersteht (
BGE 94 III 59
, 39 I 501, 38 I 197 ff.; JAEGER, N. 1 S. 206 zu
Art. 241 SchKG
; FAVRE, a.a.O. S. 318; EGLI, a.a.O. S. 80 ff.). Entgegen der Ansicht des Rekurrenten kann diese Kontrolle auch die juristische Person erfassen. Dies gilt vor allem für die beiden schwersten Disziplinarmassnahmen, die zeitweilige Amtseinstellung und die Amtsentsetzung. Bei den restlichen zwei in
Art. 14 Abs. 2 SchKG
vorgesehenen Sanktionen kann man sich zwar die Frage stellen, ob sie nicht ausschliesslich natürliche Personen treffen können. Diesfalls wären sie jedoch einfach gegenüber den Organen der juristischen Person auszusprechen, was ihre Wirksamkeit nicht beeinträchtigen würde.
Die Kontrolle der Amtsführung ist damit auch dann, wenn eine juristische Person als Konkursverwaltung fungiert, durchaus gewährleistet. Die Bedenken, die wegen der Anonymität der juristischen Person bestehen, mögen der Aufsichtsbehörde im Einzelfall Anlass zum Einschreiten bieten oder gegen die Wahl einer bestimmten Treuhandgesellschaft sprechen; sie bilden
BGE 101 III 43 S. 50
jedoch keinen hinreichenden Grund, juristische Personen vom Amt der besonderen Konkursverwaltung schlechthin auszuschliessen.
c) Einen weiteren Grund, der gegen die Zulassung von juristischen Personen sprechen soll, sieht der Rekurrent in der Regelung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit. Nach
Art. 5 SchKG
, der gemäss
Art. 241 SchKG
auch auf die besondere Konkursverwaltung Anwendung findet, haftet der Konkursbeamte für den Schaden, den er oder die von ihm ernannten Angestellten durch ihr Verschulden verursachen. Dieser Haftung kann ohne weiteres auch eine juristische Person unterliegen. Da der Konkursbeamte für das Verschulden seiner Angestellten schlechthin einzustehen hat und sich entgegen der Ansicht des Rekurrenten nicht auf die Entlastungsgründe des
Art. 55 Abs. 1 OR
berufen kann (
BGE 80 III 53
/54; JAEGER, N. 4 zu
Art. 5 SchKG
; vgl. auch
BGE 67 II 23
ff.), ist demzufolge auch die als ausseramtliche Konkursverwaltung eingesetzte juristische Person für alle Schäden haftbar, die ihre Organe und Hilfspersonen in Ausübung ihres Amtes schuldhaft angerichtet haben. Der Geschädigte ist daher nicht schlechter gestellt, wenn er eine juristische Person belangen muss, zumal deren finanzielle Leistungsfähigkeit oft grösser sein dürfte als die einer natürlichen Person.
d) Schliesslich bringt die Wahl einer juristischen Person zur ausseramtlichen Konkursverwaltung auch in Bezug auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit keine Nachteile mit sich. Wohl ist die juristische Person als solche nicht deliktsfähig. Für die von ihr begangenen Handlungen haben jedoch die zuständigen Organe strafrechtlich einzustehen (
BGE 100 IV 40
,
BGE 97 IV 202
ff., 90 IV 116,
BGE 82 IV 46
; vgl. auch
Art. 172 StGB
und
Art. 6 Abs. 1 VStrR
). Der strafrechtliche Schutz wird dadurch nicht vermindert. Dies wäre auch dann nicht der Fall, wenn man annehmen wollte, der ausseramtliche Konkursverwalter sei als Beamter im Sinne von
Art. 110 Ziff. 4 StGB
zu betrachten (so HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, S. 824; gegenteilig EGLI, a.a.O. S. 82). Denn die Organe bzw. die Angestellten der juristischen Person, die mit der Konkursverwaltung betraut sind, würden bei dieser Annahme nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung den für Beamte geltenden besonderen Strafandrohungen unterstehen (
BGE 71 IV 146
,
BGE 70 IV 218
f.; vgl. auch
BGE 100 IV 41
).
BGE 101 III 43 S. 51
5.
Die Vorinstanz weist zu Recht auf die praktischen Gründe hin, welche es rechtfertigen, juristische Personen als Konkursverwalter zuzulassen. Ausseramtliche Konkursverwaltungen werden vor allem bei umfangreichen und komplizierten Konkursen eingesetzt. Die Abwicklung derartiger Konkursverfahren ist für einen Einzelnen kaum zu bewältigen. Wohl besteht für die Einzelperson die Möglichkeit, zur Erledigung von untergeordneten Arbeiten Hilfskräfte beizuziehen, oder es können zum vornherein mehrere Einzelpersonen als Konkursverwaltung eingesetzt werden. Gegenüber diesen beiden Lösungen weisen indessen juristische Personen - im Vordergrund stehen vor allem Treuhandgesellschaften - den gewichtigen Vorteil auf, dass sie über eine bereits bestehende, eingespielte Organisation verfügen, in welche die für die Durchführung solcher Verfahren erforderlichen Fachleute (Juristen, Revisoren usw.) eingegliedert sind. Dies ermöglicht es, auch unübersichtliche und weitläufige Konkurse speditiv abzuwickeln. Wohl deswegen ist denn auch im Bankennachlass und -konkurs, wo stets eine sehr grosse Zahl von Gläubigern beteiligt ist, die Bestellung von juristischen Personen zu Sachwaltern bzw. Konkursverwaltern die Regel (vgl. z.B.
BGE 97 III 128
ff.,
BGE 95 III 60
ff.,
BGE 93 III 23
ff.,
BGE 85 III 146
ff.).
Aus all diesen Gründen ist davon auszugehen,
Art. 237 Abs. 2 SchKG
schliesse die Wahl einer juristischen Person als ausseramtliche Konkursverwaltung nicht aus. Der Rekurs ist daher abzuweisen.
6.
Der Antrag des Rekurrenten, dem Rekurs sei in dem Sinne aufschiebende Wirkung zu verleihen, als die Neutra Treuhand AG anzuweisen sei, ihre Tätigkeit als ausseramtliche Konkursverwalterin unverzüglich einzustellen, wird mit dem Entscheid über den Rekurs gegenstandslos. Ein derartiges Begehren, mit dem nicht der Aufschub der Vollstreckbarkeit einer Verfügung, sondern die vorsorgliche Anordnung einer auf dem Beschwerdeweg verlangten Amtshandlung beantragt wird, wäre im übrigen gar nicht zulässig (
BGE 39 I 258
/259,
BGE 38 I 806
/807; JAEGER, N. 4 zu
Art. 36 SchKG
; FRITZSCHE, a.a.O., I, S. 47).
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
6361e84f-5092-42f8-a58a-fa6ec8fa04ed | Urteilskopf
81 I 313
51. Urteil vom 23. September 1955 i.S. Aktiengesellschaft Hunziker & Cie. und Ulrich gegen Landwirtschafts-Departe ment und Obergericht des Kantons Solothurn. | Regeste
Bäuerlicher Grundbesitz, Einspruch gegen Liegenschaftsverkauf.
Verkauf zur Ausbeutung eines Kies- und Sandlagers. Begriff der Eignung (
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
): Die Ausnützung muss technisch und wirtschaftlich möglich und rechtlich zulässig sein. Einspruch wegen Gefahr der Beeinträchtigung eines für Trinkwasserversorgungen herangezogenen Grundwasserstroms. | Sachverhalt
ab Seite 314
BGE 81 I 313 S. 314
A.-
Josef Ulrich, geb. 1891, ist Eigentümer eines rund 711 a umfassenden landwirtschaftlichen Heimwesens im Gebiete der solothurnischen Gemeinden Rickenbach, Wangen b. Olten und Kappel. Da er selber die Landwirtschaft nicht mehr betreiben kann und seine Söhne sich dafür nicht interessieren, hat er den Hof verpachtet. Weil er sich zudem in finanzieller Bedrängnis befindet, hat er sich entschlossen, das Heimwesen der Aktiengesellschaft Hunziker & Cie zum Preise von Fr. 130'000.-- zu verkaufen. Diese Gesellschaft betreibt in Olten-Hammer eine Zementwaren- und Kalkfabrik sowie ein Kies- und Sandwerk. Da das Kies- und Sandlager, das sie dort abbaut, nach ihrer Darstellung voraussichtlich in 15-20 Jahren erschöpft sein wird, sucht sie sich in der Gegend weiteres ausbeutungsfähiges Land zu sichern. Deshalb will sie das von ihren Oltner Werkanlagen etwa 3 km (Luftlinie) entfernte Heimwesen Ulrichs erwerben; denn es ist mit einer Fläche von über 540 a an den ausgedehnten von einer Humus- und Lehmschicht überdeckten Kies- und Sandvorkommen der Gäuebene beteiligt. Bis zum Beginn der in Aussicht genommenen industriellen Ausbeutung soll der Hof im vollen Umfange der landwirtschaftlichen Nutzung erhalten bleiben. Die für jene Ausbeutung vorgesehenen Parzellen liegen im Bereich eines Grundwasserstroms, der von Gemeinden, so von der Stadt Olten, zur Trinkwasserversorgung herangezogen wird.
B.-
Das Landwirtschafts-Departement des Kantons Solothurn hat gegen das erwähnte Kaufsvorhaben gestützt auf Art. 19 Abs. 1 lit. a und c des BG über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 12. Juni 1951 (EGG) Einspruch erhoben. Es hat ursprünglich die Auffassung vertreten, Zweck des Verkaufs sei nicht die Überbauung oder die gewerbliche oder industrielle Ausnützung des Bodens; eventuell habe man es mit Güteraufkauf zu tun. In der Folge hat es unter Berufung auf ein Gutachten der Abteilung Wasserbau des kantonalen Tiefbauamtes noch geltend gemacht, dass eine Ausbeutung des in Frage stehenden
BGE 81 I 313 S. 315
Kies- und Sandlagers, soweit sie über eine geringe Tiefe hinausginge, nach der heutigen Rechtslage wegen der Gefahr der Beeinträchtigung des Grundwasserstroms und damit der Trinkwasserversorgung verschiedener Gemeinden unzulässig wäre, im erlaubten Umfange aber sich wirtschaftlich nicht lohnen würde.
Die kantonale Bodenrechtskommission hat den Einspruch in Anwendung der lit. c wie auch der lit. a des
Art. 19, Abs. 1 EGG
geschützt. Das solothurnische Obergericht hat die Beschwerde der Vertragsparteien hiegegen mit Entscheid vom 31. Oktober 1953 abgewiesen. Es nimmt an, infolge des Verkaufs verlöre ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit und das Kaufsobjekt eigne sich nicht für die vorgesehene industrielle Ausnützung, weil diese nach dem Gutachten des Tiefbauamtes von der zuständigen kantonalen Behörde auf Grund der Verordnung des Regierungsrates vom 9. Oktober 1944 über die Reinhaltung der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers zum grössten Teil verboten werden müsste und im übrigen wirtschaftlich nicht ergiebig wäre. Der Einspruch sei daher nach
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
begründet.
C.-
Der Verkäufer und die Käuferin erheben Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben, der Einspruch für unbegründet zu erklären und das Grundbuchamt anzuweisen, den angemeldeten Kauf zu fertigen und im Grundbuch einzutragen. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Rentabilität der geplanten industriellen Ausnützung sei im Einspruchsverfahren nicht zu prüfen. Entscheidend sei, dass die Ausbeutung objektiv möglich und rechtlich zulässig sei. Für die Beurteilung der Frage, ob sich der Grundbesitz Ulrichs für die vorgesehene Ausnützung eigne, sei allein das eidg. Bodenrecht massgebend. Die vom Obergericht herangezogenen Bestimmungen des kantonalen Wasserrechts spielten keine Rolle, abgesehen davon, dass fragwürdig sei, ob sie rechtlich haltbar seien. Auch bei einer Baggerung unter den Grundwasserspiegel hinab könne
BGE 81 I 313 S. 316
durch geeignete Vorkehren jede Verschmutzung des Grundwassers vermieden werden.
D.-
Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das kantonale Landwirtschafts-Departement beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das eidg. Justiz- und Polizeidepartement hält dafür, dass entscheidend die Ermessensfrage sein werde, was volkswirtschaftlich wichtiger sei, die Erhaltung des Landwirtschaftsbetriebes oder die Kies- und Sandausbeutung bis in die polizeilich zulässige Tiefe.
E.-
Im Instruktionsverfahren vor Bundesgericht ist eine Expertise angeordnet worden. Die Experten, die Herren F. Baldinger, dipl. Ingenieur in Aarau, und Dr. H. Schmassmann, Geologe in Liestal, hatten zu untersuchen, ob und inwieweit die Kies- und Sandvorkommen auf dem Land Ulrichs ausgebeutet werden können, ohne dass die den Grundwasserstrom nutzenden Trinkwasserversorgungen beeinträchtigt werden, und ob allfällige Beeinträchtigungen durch geeignete Massnahmen verhindert werden können.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
kann Einspruch erhoben werden, wenn durch den Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verliert, es sei denn, die Liegenschaften werden zur Überbauung oder zur gewerblichen oder industriellen Ausnützung des Bodens verkauft und eignen sich hiefür, oder die Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes lasse sich durch andere wichtige Gründe rechtfertigen. Hier hat man es mit einem Verkauf zum Zwecke der industriellen Ausnützung zu tun. Die Aktiengesellschaft Hunziker & Cie will, wie sie erklärt, das landwirtschaftliche Heimwesen Ulrichs deshalb erwerben, weil sie das dort vorhandene Kies- und Sandlager in absehbarer Zukunft, nach Erschöpfung der von ihr zur Zeit noch ausgebeuteten Kies- und Sandvorkommen auf
BGE 81 I 313 S. 317
ihrem Grundbesitz in Olten-Hammer, für die Herstellung von Zementwaren in ihrem Oltner Werk abbauen möchte. Da diese Darstellung glaubhaft gemacht ist, kann es sich nicht um einen Kauf zum offensichtlichen Zwecke der Spekulation oder des Güteraufkaufs im Sinne von
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
handeln, jedenfalls dann nicht, wenn das in Frage stehende Land sich im Sinne der lit. c daselbst für die vorgesehene Ausnützung eignet. Der Einspruchsgrund der lit. b fällt von vornherein ausser Betracht.
Da von den rund 711 a, die das Heimwesen Ulrichs umfasst, über 540 a auf den Boden entfallen, aus dem die Käuferin später Kies und Sand gewinnen will, könnten höchstens noch rund 170 a landwirtschaftlich genutzt werden, sobald einmal die geplante industrielle Ausnützung im vollen Gange wäre. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass durch den Verkauf ein landwirtschaftliches Gewerbe seine Existenzfähigkeit verlieren würde. Wie es sich damit verhält, kann indessen offen gelassen werden. Auf jeden Fall ist der Einspruch, auch unter dem Gesichtspunkte von
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
, dann unbegründet, wenn sich ergibt, dass der kies- und sandhaltige Boden Ulrichs sich für die beabsichtigte industrielle Verwendung eignet.
2.
In
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
ist von Eignung schlechthin die Rede. Verlangt ist demnach eine allseitige Eignung, d.h. es dürfen der beabsichtigten Verwendung keinerlei Hindernisse im Wege stehen. Die Verwendung muss in technischer und wirtschaftlicher Beziehung möglich und auch rechtlich zulässig sein.
a) Die technische Eignung ist hier gegeben, was nicht bestritten ist. Das Land Ulrichs birgt Kies- und Sandvorkommen, die nach dem Stande der Technik industriell ausgebeutet werden können.
b) Rechtliche Hindernisse, die einer industriellen Ausnützung landwirtschaftlichen Bodens entgegenstehen, können sich ergeben aus Abmachungen oder Vorschriften verschiedener Art, privat- oder öffentlichrechtlichen Charakters. Ob sie auf kantonalem oder eidgenössischem Recht
BGE 81 I 313 S. 318
beruhen, ist unerheblich. Die abweichende Auffassung der Beschwerdeführer findet in
Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG
keine Stütze.
Hier fällt § 249 des seit 1. Januar 1955 in Kraft stehenden sol. EG zum ZGB in Betracht, wonach die Eröffnung neuer Gruben zur Gewinnung von Baumaterial der Bewilligung des Regierungsrates bedarf, die nur verweigert oder an beschränkende Bedingungen geknüpft werden darf, wenn öffentliche Interessen es erfordern. In Frage steht das öffentliche Interesse daran, dass Kies- und Sandgruben unter dem Gesichtspunkte der Baupolizei einwandfrei eingerichtet und betrieben und dass durch ihre Anlage und ihren Betrieb Grundwasservorkommen, die zur Trinkwasserversorgung herangezogen werden, nicht verunreinigt oder geschmälert werden. Besteht die Gefahr, dass die beabsichtigte industrielle Ausnützung zu einer Verschmutzung des Grundwassers führt, so wird die zuständige kantonale Behörde auf Grund des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer vor Verunreinigung vom 16. März 1955 (BBl 1955 I S. 552) einschreiten können, nachdem dieses Gesetz einmal in Kraft gesetzt sein wird. Eventuell wird sich die Behörde (auch) auf die solothurnische Verordnung vom 9. Oktober 1944 über die Reinhaltung der oberirdischen Gewässer und des Grundwassers stützen können, wenn und soweit dieser Erlass nicht durch jenes Bundesgesetz und die kantonalen Ausführungsbestimmungen dazu überholt sein wird.
Nach dem Gutachten Baldinger/Schmassmann hätte die Ausbeutung der Kies- und Sandschicht auf dem Areal, das verkauft werden soll, ohne besondere Massnahmen zur Folge, dass die den Grundwasserstrom nutzenden Trinkwasserversorgungen quantitativ und qualitativ beeinträchtigt würden, auch dann, wenn nicht unter den Grundwasserspiegel hinab gebaggert würde. Indessen kommen die Experten zum Schluss, dass bei Anwendung der von ihnen zum Schutz des Grundwassers vorgesehenen Vorkehren, die im einzelnen aufgeführt werden, die gesamte vorhandene
BGE 81 I 313 S. 319
Kies- und Sandschicht, auch soweit sie unter dem Grundwasserspiegel liegt, unter Vorbehalt der bautechnischen und baupolizeilichen Vorsichtsmassnahmen ausgebeutet werden kann. Dieser Befund beruht auf sorgfältiger Untersuchung und überzeugender Würdigung der Verhältnisse. Er ist daher dem Urteile zugrunde zu legen. Aus ihm ergibt sich, dass die geplante Ausbeutung unter den Gesichtspunkten der Baupolizei und des Gewässerschutzes als zulässig erscheint. Dass nach anderen Richtungen rechtliche Hindernisse bestehen, wird nicht geltend gemacht. Indessen kann die Aktiengesellschaft Hunziker & Cie aus dem vorliegenden Urteil ein Recht auf Ausbeutung des in Rede stehenden Kies- und Sandlagers nicht ableiten. Im gegenwärtigen Verfahren kann die rechtliche Zulässigkeit solcher Ausbeutung nur vorläufig, vorfrageweise geprüft werden; der Entscheid der zuständigen Behörde im Bewilligungsverfahren bleibt vorbehalten. Die Gesellschaft anerkennt das denn auch; sie hat dementsprechend die Erklärung abgegeben, dass sie sachlich begründete Sicherungsmassnahmen, die von der Behörde zu gegebener Zeit angeordnet würden, akzeptieren und genau beachten werde, und dabei ist sie zu behaften. In diesem Sinne ist die rechtliche Eignung zu bejahen.
c) Zu prüfen bleibt die wirtschaftliche Eignung. Eine genaue zahlenmässige Rentabilitätsberechnung kann nicht verlangt werden. Da die beabsichtigte Ausbeutung erst in 15-20 Jahren beginnen soll, könnte eine solche Berechnung heute gar nicht aufgestellt werden. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist in erster Linie Sache des geschäftlichen Ermessens der Firma Hunziker. Der Gerichtshof könnte die Wirtschaftlichkeit nur dann verneinen, wenn nach den gegebenen Verhältnissen von vornherein feststände, dass die Verwirklichung des Ausbeutungsprojektes zu einem geschäftlichen Misserfolg führen würde und daher für einen vernünftig überlegenden Unternehmer nicht in Frage komme. Ein zureichender Grund zur Annahme, dass es sich so verhalte, besteht jedoch nicht.
BGE 81 I 313 S. 320
3.
Da die Beschwerde nur im Sinne der Erwägungen gutgeheissen werden kann und die Abklärung des Sachverhalts durch die gerichtliche Expertise im Interesse aller Parteien - namentlich auch der Firma Hunziker - lag, rechtfertigt es sich, die bundesgerichtlichen Kosten verhältnismässig zu verlegen und den Beschwerdeführern keine Parteientschädigung zuzusprechen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und der Einspruch im Sinne der Erwägungen für unbegründet erklärt wird. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
636642dd-c4b5-456c-8f20-4373a432908e | Urteilskopf
116 II 677
118. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Dezember 1990 i.S. Baugenossenschaft IRIEB gegen Johann Müller Heizung und Lüftung AG (Berufung) | Regeste
Bauhandwerkerpfandrecht (
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
).
Voraussetzungen, unter denen ein Handwerker oder Unternehmer Anspruch auf Einräumung des gesetzlichen Pfandrechts gegenüber dem Grundstückeigentümer hat, wenn seine Leistungen von einem Mieter bestellt worden sind. | Sachverhalt
ab Seite 677
BGE 116 II 677 S. 677
Die Baugenossenschaft IRIEB ist Eigentümerin des Hochhauses Shopping-Center 13 in Spreitenbach (Grundbuch Spreitenbach Nr. 2914, Kat. Plan 16, Parzelle 2917). Durch Vertrag vom 14. Mai 1984 vermietete sie der IVDS AG Büro-Räumlichkeiten im Parterre und im ersten Geschoss des genannten Gebäudes.
Ebenfalls noch im Mai 1984 beauftragte die IVDS AG die Johann Müller Heizung und Lüftung AG (im folgenden Müller AG) mit der Lieferung und der Montage von zehn Klimageräten für insgesamt Fr. 55'000.-- und der Lieferung von zehn Fernbedienungsgeräten zum Gesamtpreis von Fr. 3'000.--.
Am 19. März 1986 wurde über die IVDS AG der Konkurs eröffnet; mangels Aktiven wurde das Konkursverfahren am 2. April 1986 jedoch wieder eingestellt. Die Rechnungen der Müller AG blieben unbezahlt.
Mit Verfügung vom 8. Januar 1985 hatte der Gerichtspräsident von Baden das Grundbuchamt Baden angewiesen, auf dem Grundstück Nr. 2914 der Baugenossenschaft IRIEB in Spreitenbach
BGE 116 II 677 S. 678
zugunsten der Müller AG ein Bauhandwerkerpfandrecht für den Betrag von Fr. 70'000.-- nebst Zins zu 5% seit 10. Juli 1984 im Sinne einer Vormerkung vorläufig einzutragen.
Die Müller AG reichte mit Eingabe vom 3. September 1985 beim Bezirksgericht Baden gegen die Baugenossenschaft IRIEB Klage ein. Sie beantragte, es sei festzustellen, dass ihr ein Bauhandwerkerpfandrecht im Sinne von
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
für den Betrag von Fr. 58'000.-- nebst Zins zu 5% seit 10. September 1984 zustehe, und es sei dessen definitive Eintragung anzuordnen.
Das Bezirksgericht Baden (I. Abteilung) hiess die Klage am 21. März 1989 für einen reduzierten und unverzinslichen Pfandbetrag von Fr. 50'000.-- gut.
Gegen diesen Entscheid erhoben beide Parteien Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau. Dessen 1. Zivilabteilung erkannte am 8. September 1989, dass die Beschwerde der Klägerin abgewiesen und diejenige der Beklagten teilweise - bezüglich der Kosten- und Entschädigungsfolgen für das erstinstanzliche Verfahren - gutgeheissen werde.
Den obergerichtlichen Entscheid hat die Beklagte beim Bundesgericht mit Berufung angefochten. Sie stellt den Antrag, er sei aufzuheben und die Klage sei vollumfänglich abzuweisen.
Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes besteht gemäss
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
für die Forderungen der Handwerker und Unternehmer, die zu Bauten oder andern Werken auf dem betreffenden Grundstück Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, sei es, dass sie den Grundeigentümer selbst oder einen Unternehmer zum Schuldner haben.
a) Dass die Leistungen, für welche die Klägerin die Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts verlangt, nach ihrer Art und auch hinsichtlich ihrer Beziehung zu dem in Frage stehenden Grundstück Bauarbeiten darstellen, wie sie gemäss
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
geschützt werden, bestreitet die Beklagte nicht. Sie hat nach den Feststellungen der Vorinstanz überdies einen Werklohnanspruch der Klägerin gegenüber der IVDS AG in der Höhe von Fr. 50'000.-- ausdrücklich anerkannt. Es steht sodann fest, dass die Klägerin den Werkvertrag einzig mit der IVDS AG, d.h. nicht (auch) mit der Beklagten abgeschlossen hat, dass aber die Beklagte
BGE 116 II 677 S. 679
mit der Ausführung der in Frage stehenden Arbeiten einverstanden war. Unbestritten ist schliesslich auch, dass das von der Klägerin beanspruchte Pfandrecht im Sinne von
Art. 839 Abs. 2 ZGB
fristgerecht im Grundbuch vorläufig eingetragen worden ist.
b) Durch das Bundesgericht zu entscheiden ist nach dem Gesagten einzig, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Handwerker oder Unternehmer (hier die Klägerin) Anspruch auf Einräumung eines gesetzlichen Pfandrechts gemäss
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks habe, wenn seine Leistungen durch einen Mieter bestellt worden sind.
2.
a) In
BGE 56 II 163
ff. war ebenfalls die Frage zu beurteilen, ob der Unternehmer, der auf Bestellung eines Mieters Leistungen im Sinne von
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
erbracht hat, das gesetzliche Pfandrecht zu Lasten des Grundstücks des Vermieters eintragen lassen könne. Das Bundesgericht wies darauf hin, dass der Anspruch auf das Bauhandwerkerpfandrecht das Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Grundeigentümer und dem Gläubiger nicht notwendigerweise voraussetze, stehe doch das Pfandrecht von Gesetzes wegen nicht nur dem Unternehmer, der sich dem Eigentümer gegenüber verpflichtet habe, sondern auch einem Unterakkordanten zu. Den Pfanderrichtungsanspruch auf Leistungen auszudehnen, die der Handwerker oder Unternehmer gestützt auf einen Vertrag mit dem Mieter erbracht hat, hielt das Bundesgericht im erwähnten Entscheid dagegen für grundsätzlich unzulässig; ausgenommen sei einzig der Fall, da der Grundeigentümer sich verpflichtet habe, für die in Frage stehenden Arbeiten aufzukommen (vgl.
BGE 56 II 166
und 169 f.).
In dem von den kantonalen Instanzen angerufenen
BGE 92 II 227
ff. hat das Bundesgericht sodann erklärt, dass an seiner früheren Betrachtungsweise nicht festgehalten werden könne. Es verwies dabei auf die neuere Entwicklung in der Lehre, wonach alle der schweizerischen Gesetzgebung bekannten Schuldverhältnisse, bei denen der Schuldner und oft auch der Gläubiger durch die dingliche Berechtigung oder den Besitz an einer Sache bestimmt würden, als sogenannte Realobligationen zu qualifizieren seien. Das Bundesgericht folgerte daraus, dass der Anspruch des Bauhandwerkers auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes sich gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks richte, auf dessen Boden Material und Arbeiten zu Bauten oder andern Werken geliefert worden seien. Weiter zog es den Schluss, dass dem Bauhandwerker
BGE 116 II 677 S. 680
oder Unternehmer unter den genannten Umständen grundsätzlich ein Anspruch auf Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts gegen den Grundeigentümer auch dann zustehe, wenn nicht dieser (es war in jenem Fall ebenfalls ein Mieter) Schuldner der Unternehmerforderung sei, zu deren Sicherstellung die Eintragung des Pfandrechts verlangt werde (a.a.O., S. 229 f. E. 1). Diese Auffassung wurde in
BGE 95 II 229
bestätigt; das Bundesgericht hat dabei das gesetzliche Pfandrecht zur Sicherung einer Entschädigung nach
Art. 672 Abs. 1 ZGB
(für den Eigentumsübergang infolge Akzession) zuerkannt, die einem gutgläubigen Unternehmer für den vom Geranten eines Hotels eigenmächtig bestellten Ausbau zugesprochen worden war.
b) Die zu beurteilende Frage wird im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet: Für PAUL PIOTET, der sich dazu verschiedentlich geäussert hat (vgl. JdT 1967 I 272 ff.; JdT 1970 I 136 f.; JdT 1972 I 330; Les prétentions de l'entrepreneur du locataire contre le propriétaire de l'immeuble, in: Zeitschrift Baurecht 1988, S. 3 ff.), ist die Anerkennung eines gesetzlichen Pfandrechts zugunsten des durch den Mieter beauftragten Unternehmers mit dem Gesetzestext nicht vereinbar und eine Lücke, die es auszufüllen gelten würde, nicht vorhanden; die Forderung des Unternehmers gegenüber dem Mieter sei nicht derjenigen eines Unterakkordanten gegenüber dem Generalunternehmer gleichzustellen; es bestehe insofern ein wesentlicher Unterschied, als im zweiten Fall der Eigentümer den Preis für die Arbeiten selbst schulde und befugt sei, von der Forderung des Unternehmers Zahlungen, die er an den Unterakkordanten geleistet habe, in Abzug zu bringen; eine derartige Möglichkeit bestehe nicht, wenn der Eigentümer den vom Mieter beauftragten Handwerker oder Bauunternehmer zahle, da er dem Mieter gegenüber keine mit den Bauarbeiten zusammenhängende Schuld habe (Zeitschrift Baurecht 1988, S. 6). Mit gleicher Strenge haben sich JACQUES-MICHEL GROSSEN (Quelques problèmes actuels concernant l'hypothèque légale des artisans et des entrepreneurs, in: ZBGR 54/1973, S. 65 ff., insbesondere S. 70 f.) und JEAN-CLAUDE DE HALLER (Le droit à l'inscription de l'hypothèque légale de l'entrepreneur, Diss. Lausanne 1970, S. 113 ff., insbesondere S. 123) geäussert. DE HALLER hebt hervor, dass dort, wo die Arbeiten durch einen Mieter in Auftrag gegeben worden seien, die Forderung für die erbrachten Leistungen nicht auf ein Verhalten des Grundeigentümers zurückzuführen sei und der Bauunternehmer - im Gegensatz zum Unterakkordanten
BGE 116 II 677 S. 681
- nicht dessen mittelbarer Gläubiger sei (a.a.O., S. 118 f.). WERNER SPRENGER (Entstehung, Auslegung und Auflösung des Mietvertrages für Immobilien, unter Berücksichtigung der zürcherischen Gesetzgebung und Rechtspraxis, Diss. Zürich 1972, S. 67) nimmt insofern eine weniger strenge Haltung ein, als er die Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts beim Mieterbau als zulässig hält wenigstens für den Fall, dass die Arbeiten im Interesse des Vermieters und Grundeigentümers ausgeführt worden seien und der Mieter als diesem nur vorgeschoben erscheine (in diesem Sinne auch Kommentar SCHMID, N 22 zu Art. 263/264 OR).
In seiner Besprechung von
BGE 92 II 227
ff. (ZBJV 104/1968, S. 27) hat PETER LIVER erklärt, dass ein Anspruch auf das gesetzliche Pfandrecht gemäss
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
jedenfalls dann nicht bestehe, wenn der Mieter die Einbauten gegen den Willen des Eigentümers habe vornehmen lassen und er sie auf Verlangen des Eigentümers wieder entfernen müsse. Eine Haftung des Grundstücks würde sich nach diesem Autor ohnehin nur dann rechtfertigen, wenn es durch die vom Mieter veranlasste Überbauung eine Wertvermehrung erfahren hätte, so dass der Eigentümer auf Kosten der Bauhandwerker, die den Mehrwert geschaffen hätten, bereichert wäre (vgl. auch LIVER, Das Eigentum, in: Schweizerisches Privatrecht, Band V/1, S. 192).
Verschiedene weitere Autoren bejahen die Zulässigkeit der Errichtung eines Bauhandwerkerpfandrechts im Falle des Mieterbaus unter der Voraussetzung, dass der Grundeigentümer den Arbeiten zugestimmt bzw. sie in Kauf genommen habe (so DIETER ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, in: ZSR 101/1982 II S. 82; RAINER SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2. Aufl., S. 120, Rz. 450 f.; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, in: Recht, Zeitschrift für juristische Ausbildung und Praxis, 4/1986, S. 92; PAUL HOFMANN, Die gesetzlichen Grundpfandrechte des
Art. 837 ZGB
, insbesondere das Bauhandwerkerpfandrecht, Diss. Zürich 1940, S. 57, der ausdrücklich den Fall vorbehält, da der Grundeigentümer jegliche Übernahme der Kosten abgelehnt habe). SCHUMACHER (Das Bauhandwerkerpfandrecht, S. 123, Rz. 458) vertritt darüber hinaus den Standpunkt, dass der Handwerker auch bei fehlender Einwilligung des Grundeigentümers das Pfandrecht beanspruchen könne, wenn er bei Abschluss des Werkvertrags gutgläubig habe annehmen dürfen, der Grundeigentümer sei der (mittelbare oder unmittelbare) Bauherr oder mit den Bauarbeiten einverstanden.
BGE 116 II 677 S. 682
3.
Als Realobligationen werden Schuldverhältnisse bezeichnet, die eine positive Leistung zum Gegenstand haben und bei denen der Schuldner, oft auch der Gläubiger, durch die dingliche Berechtigung oder den Besitz an einer Sache bestimmt werden (Kommentar MEIER-HAYOZ, Systematischer Teil, N 271; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. Aufl., S. 688; dazu auch
BGE 105 Ia 25
mit weiteren Hinweisen).
Der Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Pfandrechts nach
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
ist insofern zwar durchaus realobligatorischer Natur, als zwischen dem Handwerker oder Bauunternehmer einerseits und dem Grundeigentümer andererseits nicht notwendigerweise eine vertragliche Beziehung zu bestehen braucht. Für die Frage, in welchen Fällen ein Handwerker oder Unternehmer pfandrechtsberechtigt ist, lässt sich daraus jedoch nichts gewinnen, was übrigens schon in
BGE 95 II 229
festgestellt worden ist (dazu auch PETER GAUCH, Der Werkvertrag, 3. Aufl., S. 253, Rz. 882 f.).
4.
a) Dem Institut des Bauhandwerkerpfandrechts liegt der Gedanke zugrunde, dass Bauhandwerker und -unternehmer für ihre Leistungen nach herrschender Übung in der Regel nicht zum voraus, sondern meist erst einige Zeit nach Fertigstellung ihrer Arbeit bezahlt werden. Zudem können ihre Ansprüche nicht etwa durch Fahrnispfand oder Eigentumsvorbehalt gesichert werden, da das von ihnen Erzeugte kein selbständiges Dasein haben kann, sondern Bestandteil der Baute wird. Der dadurch entstandene Mehrwert des Grundstücks soll jedoch trotzdem vorrangig denjenigen als Sicherheit dienen, die ihn geschaffen haben (vgl. TUOR/SCHNYDER, a.a.O., S. 748 f.; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, S. 14, Rz. 51 ff.).
b) Wie Geschäftslokale ganz allgemein werden auch Büro-Räumlichkeiten immer häufiger im Roh-Zustand vermietet. Der weitere Ausbau (so namentlich etwa die Fein-Unterteilung) sowie die Ausgestaltung und Ausstattung der Räume nach den spezifischen Ansprüchen ist dann Sache des Mieters. Dieser kann dabei durchaus Arbeiten in Auftrag geben, die ihrer Art nach unter
Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
fallen und zufolge Akzession den Wert des Gebäudes erhöhen. In einem solchen Fall dem Handwerker oder Bauunternehmer eine grundpfandrechtliche Sicherheit grundsätzlich zu verweigern, würde nicht nur den Bedürfnissen des heutigen Geschäftsverkehrs nicht gerecht, sondern käme zudem einer Verkennung des Schutzgedankens
BGE 116 II 677 S. 683
und der sozialpolitischen Ausrichtung des Bauhandwerkerpfandrechts gleich.
c) Den Eintrag eines Bauhandwerkerpfandrechts muss sich der Grundeigentümer indessen selbst dann nicht unter allen Umständen gefallen lassen, wenn er - wie hier die Beklagte - in die Arbeiten eingewilligt hat. Es ist in der Tat zu bedenken, dass der Grundeigentümer in einem Fall der vorliegenden Art nicht die Möglichkeit hat, sich in der gleichen Weise am (unmittelbaren) Besteller der Arbeiten schadlos zu halten wie dort, wo - von ihm selbst - ein Generalunternehmer eingeschaltet worden ist; im Gegensatz zum Generalunternehmer hat hier der Mieter keine mit den fraglichen Bauarbeiten zusammenhängende Geldforderung gegen den Grundeigentümer, von der dieser Zahlungen abziehen könnte, die er zur Abwendung einer Pfandverwertung einem Handwerker oder Unternehmer hat leisten müssen. Die Einräumung eines Pfanderrichtungsanspruchs rechtfertigt sich deshalb nur dann, wenn die vom Mieter bestellten, mit Zustimmung des Eigentümers ausgeführten Arbeiten infolge Akzession zu einer dauernden Vermehrung des Grundstückwerts geführt haben (so auch LIVER, Das Eigentum, in: Schweizerisches Privatrecht, Band V/1, S. 192).
d) Wie schon im kantonalen Beschwerdeverfahren verneint die Beklagte das Vorliegen eines Mehrwerts mit der Begründung, die strittigen Umbauarbeiten seien für sie völlig nutzlos gewesen; sie habe die Arbeiten der Klägerin für teures Geld rückgängig machen müssen, bevor sie die Räumlichkeiten habe neu vermieten können; die klägerischen Leistungen hätten somit letztlich einen Schaden dargestellt. Diese Vorbringen sind unbehelflich. Der mit dem Bauhandwerkerpfandrecht angestrebte Schutz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr - konkret der Schutz des Vertrauens des vorleistungspflichtigen Handwerkers oder Unternehmers (dazu SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, S. 20 Rz. 77 und S. 120 Rz. 449) - gebietet, dass die Frage, ob im einzelnen Fall eine Wertvermehrung eingetreten sei, entgegen der Ansicht der Beklagten nach einem objektiven Massstab beurteilt wird. Es ist zu prüfen, ob die in Frage stehenden Arbeiten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet seien, den Wert der betreffenden Liegenschaft zu erhöhen. Dem Eigentümer und Vermieter bleibt im übrigen unbenommen, sich die Kosten für eine allfällige spätere Entfernung der vom Mieter in Aussicht genommenen Einrichtungen von diesem sicherstellen zu lassen.
BGE 116 II 677 S. 684
5.
Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil lässt sich nicht beurteilen, ob die Leistungen der Klägerin, die dem geltend gemachten Pfanderrichtungsanspruch zugrunde liegen, zu einer Vermehrung des Wertes der beklagtischen Liegenschaft infolge Akzession geführt haben. Der Entscheid des Obergerichts ist daher aufzuheben, und die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese im Lichte der vorstehenden Erwägungen die tatsächlichen Feststellungen ergänze und hierauf neu entscheide. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6368784d-0c66-4db9-91e5-b0f8ccf3ebae | Urteilskopf
98 Ib 92
14. Sentenza della II Corte civile del 4 maggio 1972 nella causa Martignoni contro Dipartimento di giustizia del cantone Ticino. | Regeste
Erbbescheinigung als Ausweis für die Eintragung des Eigentums im Grundbuch.
Art. 18 ff. GBV
.
1. Erfordernisse. Der Grundbuchführer ist ausser bei offensichtlichen Fehlern nicht befugt, die materielle Grundlage der Bescheinigung zu überprüfen. Er hat die Anmeldung zur Eintragung abzuweisen, wenn sie den in
Art. 11-23 GBV
aufgestellten Anforderungen nicht genügt (Erw. 2).
2. Art. 21 Abs. 1 Ziff. 3 des Grundbuchgesetzes des Kantons Tessin, wonach die Erbbescheinigung stets die allfälligen Pflichtteilserben erwähnen muss, geht über die Anforderungen des Bundesrechts hinaus; dieses Erfordernis rechtfertigt sich nur dann, wenn keine Erbeinsetzung für den ganzen Nachlass vorliegt (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 93
BGE 98 Ib 92 S. 93
A.-
Teodolinda Martignoni è deceduta a Muralto il 16 luglio 1971. Con testamento olografo dell'11 gennaio 1960, pubblicato il 3 agosto 1971, essa aveva designato come erede la sorella Angelica.
Il 24 settembre 1971 il Pretore della giurisdizione di Locarnocittà ha rilasciato un certificato ereditario, dal quale risulta che "erede testamentaria della defunta Martignoni Teodolinda, qdm Francesco, è la sorella Angelica Martignoni, 1909".
Con decisione del 19 ottobre 1971 l'Ufficiale del registro fondiario di Locarno ha respinto la domanda di iscrizione della mutazione per successione da Teodolinda Martignoni ad Angelica Martignoni. Egli ha ritenuto insufficiente il certificato ereditario rilasciato dal Pretore, sostenendo che avrebbe dovuto figurarvi la precisa menzione che "solo erede era l'erede testamentario". Occorrerebbe, infatti, ogni volta poter accertare se la designazione di erede testamentario escluda, quando ne esistano, la qualità di erede degli eredi necessari.
B.-
Il Dipartimento di giustizia del cantone Ticino, statuendo quale autorità di ricorso in materia di registro fondiario, ha confermato, il 30 dicembre 1971, il rifiuto di iscrizione dell'Ufficiale del registro fondiario. Nel dispositivo del proprio giudizio esso ha precisato:
"Quale titolo di mutazione per il trapasso dalla decuius Teodolinda Martignoni alla erede testamentaria Angelica Martignoni occorre un certificato ereditario nel quale l'erede sia qualificata come sola erede."
L'autorità cantonale ha richiamato l'art. 18 del Regolamento federale per il registro fondiario (RRF), il quale prescrive che il documento giustificativo da produrre per l'iscrizione della proprietà, nel caso di eredità, è, se l'iscrizione è richiesta dagli
BGE 98 Ib 92 S. 94
eredi legali o dagli eredi istituiti, un certificato attestante che essi sono i soli eredi del defunto. Scopo della disposizione sarebbe di liberare l'autorità amministrativa, cui spetta solo un potere di cognizione ristretto, da ogni interpretazione del certificato emanato dal giudice. La mancanza dell'indicazione "solo erede" lascerebbe aperta la questione a sapere se, accanto all'erede testamentario, esistano o meno eredi necessari.
C.-
Angelica Martignoni ha impugnato questa decisione davanti al Tribunale federale mediante un ricorso di diritto amministrativo. Essa chiede di ordinare l'iscrizione del trapasso litigioso e, in via subordinata, di indicare e regolare in questa sede "la forma definitiva dei certificati ereditari rilasciati dalle competenti Autorità cantonali".
Sia l'autorità cantonale che il Dipartimento federale di giustizia e polizia propongono, nelle loro osservazioni, la reiezione del ricorso.
D.-
L'11 gennaio 1972, statuendo su un'istanza di completazione del certificato ereditario del 24 settembre 1971, il Pretore di Locarno-città ha pronunciato che "sola erede testamentaria della defunta Martignoni Teodolinda qdm Francesco, è la sorella Angelica Martignoni, 1909", ed ha rettificato in tal senso il precedente certificato.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
a) L'art. 103 cpv. 1 e 4 RRF apre la via del ricorso di diritto amministrativo al Tribunale federale contro le decisioni dell'autorità cantonale di vigilanza, nel caso di reiezione della richiesta di iscrizione. La nuova formulazione degli art. 97 e segg. OG non ha modificato tale ordinamento (RU 97 I 270 consid. 1 e 697 consid. 1).
b) Improponibile è la domanda subordinata del ricorso, con cui si chiede vengano impartite direttive generali riguardanti il contenuto dei certificati ereditari. In questa materia, il Tribunale federale statuisce solo in relazione ad una singola fattispecie e non esercita un potere generale di vigilanza, come gli è attribuito, ad esempio, dall'art. 15 LEF. Ciò non esclude, evidentemente, che dai motivi che accompagnano un giudizio attorno ad una determinata controversia possano dedursi regole di portata generale.
c) Il Pretore ha completato il certificato ereditario del 24 settembre 1971, nel senso che Angelica Martignoni è ora
BGE 98 Ib 92 S. 95
indicata come "sola erede testamentaria" e non unicamente come "erede testamentaria" della defunta Teodolinda Martignoni. Il giudice ha così parzialmente tenuto conto delle obiezioni formulate nella decisione impugnata.
2.
Giusta l'art. 18 RRF il certificato di eredità da produrre per l'iscrizione a registro fondiario deve attestare che gli eredi istanti (legali o istituiti) sono i soli eredi del defunto. L'Ufficiale del registro fondiario non è legittimato, a meno di errori manifesti, ad esaminare il fondamento materiale del certificato (ossia ad accertare se gli eredi ivi indicati posseggono effettivamente tale qualità). Egli deve pertanto poter esigere che il certificato contenga perlomeno gli elementi che il tenore e lo scopo dell'art. 559 CC esigono, ossia, tra l'altro, la dichiarazione di solo erede prevista dall'art. 18 RRF. È ciò, da una parte, affinché non sussista dubbio sulla persona o sulle persone autorizzate ad ottenere l'iscrizione a proprio nome e quindi a conseguire la legittimazione formale e il diritto di disporre a registro fondiario a favore di terzi (di buona fede); dall'altra, affinché egli non sia chiamato, riguardo al titolo giuridico prodotto, ad un'attività di interpretazione che, come autorità amministrativa, non gli compete, ma che spetta all'autorità la quale ha rilasciato il certificato [RU 79 I 264; ESCHER, N. 9, 11, 14 e TUOR/PICENONI N. 21-22 all'art. 559 CC; AUER, Die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters, tesi Berna, 1932, p. 83, cfr. inoltre la sentenza 20 novembre 1956 dell'autorità di vigilanza del canton Friborgo in ZBGR 38 (1957) p. 79].
A torto la ricorrente pretende che l'Ufficiale del registro non vanterebbe la competenza di respingere un certificato ereditario ritenuto insufficiente ed incompleto, ma dovrebbe limitarsi a chiederne al Pretore la correzione o la completazione. L'art. 24 cpv. 1 RRF impone all'Ufficiale del registro di rifiutare l'iscrizione e respingere la richiesta, quando questa non soddisfi alle condizioni volute dagli articoli da 11 a 23 e quando (come in concreto) non si possa far luogo ad un'iscrizione provvisoria ai sensi dell'art. 966 cpv. 2 CC. Tutt'al più egli avrebbe potuto sospendere la propria decisione, invitando la ricorrente a provvedere al completamento del certificato, ma non rientrava nelle sue attribuzioni rivolgersi direttamente al Pretore. Contro l'eventuale rifiuto del Pretore di completare il certificato, l'interessata avrebbe potuto far uso dei mezzi di ricorso offerti dal diritto cantonale (nel caso in esame, del ricorso in appello
BGE 98 Ib 92 S. 96
secondo l'art. 370 del nuovo codice di procedura civile ticinese). Ciò vale anche nel caso di reiezione del presente ricorso di diritto amministrativo e di conferma del rifiuto di iscrizione, per cui è infondato il timore della ricorrente di vedersi preclusa, per sempre, la possibilità di ottenere la mutazione a registro, e di dover subire un diniego di giustizia.
La prima formula usata dal Pretore nel certificato 24 settembre 1971 ("erede testamentaria ... è ...") lasciava completamente aperta la questione a sapere se, accanto a quella erede, non sussistessero altri eredi testamentari oppure eredi legittimi. Difatti, essa attestava unicamente che Angelica Martignoni era erede di Teodolinda Martignoni, in virtù di un testamento, ma non escludeva l'esistenza di altri eredi (in forza di testamento o per effetto di legge). Il diritto svizzero ammette che eredi istituiti abbiano a sussistere accanto ad eredi legittimi (art. 481 cpv. 2 CC; TUOR N. 3 ed ESCHER N. 7 all'art. 481 CC). Per l'Ufficiale del registro fondiario, incompetente a sindacare il contenuto materiale del certificato, non appariva quindi chiaro se, assieme all'erede testamentaria, altri eredi avrebbero potuto chiedere di essere iscritti quali proprietari a registro e vantare un diritto di disposizione.
Ma anche la nuova dizione rettificata è equivoca. "Sola erede testamentaria" acquista un significato diverso, a seconda che si ponga l'accento sulla parola "sola" o su "testamentaria". Nel primo caso, essa significa che Angelica Martignoni è sola (unica) erede e che lo è per testamento; nel secondo caso, che essa è la sola erede a ricevere una quota dell'eredità per testamento (il che suppone che esistano altri eredi, chiamati all'eredità per legge, che formano una comunione con l'istituito). L'equivoco si dissiperebbe, invece, usando la formula: "Sola eredi di ... è l'erede testamentaria..."
A ragione, quindi, l'Ufficiale del registro non ha ritenuto il certificato ereditario prodotto dalla ricorrente quale titolo idoneo per la mutazione.
Non si può neppure asserire che il fatto di rilasciare il certificato ereditario al nome di un determinato erede costituisca prova sufficiente, anche in assenza di una esplicita menzione, che quello sia il solo erede. Anzitutto ciò esigerebbe, da parte dell'Ufficiale del registro, un'attività di interpretazione dalla quale invece la sicurezza giuridica legata all'istituto del registro fondiario esige che sia dispensato; inoltre, occorrerebbe la
BGE 98 Ib 92 S. 97
dimostrazione che il de cuius ha disposto di tutta la successione in favore di quell'erede.
È vero che, conformemente all'art. 559 CC, dal certificato 24 settembre 1971 si deduce che fu data agli eredi legittimi la possibilità di contestare i diritti dell'erede istituita e di opporsi al rilascio del certificato ereditario. Non risulta però che Teodolinda Martignoni abbia disposto, per testamento, di tutta la successione e che Angelica Martignoni sia la sola erede.
La sentenza pubblicata nella RU 82 I 188 non giova alla ricorrente. Se in quell'occasione il Tribunale federale non attribuì importanza al fatto che nel certificato ereditario mancava la menzione di "solo" od "unico" erede, è perché lo stesso certificato elencava gli eredi legittimi (la vedova e la figlia) ed accertava ulteriormente che, in base a contratto successorio, alla vedova pertoccava tutta l'eredità. In tal modo, non poteva esistere dubbio alcuno sulla persona del solo erede.
3.
L'art. 31 cpv. 1 num. 3 lett. a della legge cantonale ticinese sul registro fondiario del 2 febbraio 1933 esige che il certificato ereditario menzioni sempre gli eventuali eredi necessari. Siffatta esigenza va oltre quanto è richiesto dalle norme di diritto federale, ed è giustificata solo se non esiste un'istituzione di erede universale.
Trascorso un mese dalla comunicazione della disposizione di ultima volontà agli interessati, e se non è intervenuta una contestazione dei diritti degli eredi istituiti, questi ultimi possono chiedere che sia rilasciato il certificato ereditario a loro nome (documento giustificativo valido per l'iscrizione a registro fondiario) e quindi che siano immessi in possesso dell'eredità. Restano riservate le azioni di nullità e di petizione dell'eredità (art. 559 cpv. 1 CC).
Anche gli eredi necessari (legittimari), che non hanno contestato tempestivamente il testamento e fatto opposizione al rilascio del certificato ereditario, devono, a tutela dei loro diritti ed onde reintegrare la quota legittima, promuovere le azioni (segnatamente di riduzione) previste dal diritto successorio. Nel frattempo, tuttavia, gli eredi istituiti, sempre che il defunto abbia disposto di tutta l'eredità, possono chiedere di essere iscritti a registro quali proprietari, perlomeno fin quando una sentenza definitiva del giudice non abbia disconosciuto i loro diritti a profitto di altri eredi, riservate altresi, a favore di questi ultimi, determinate misure cautelari, quale l'annotazione
BGE 98 Ib 92 S. 98
di una restrizione della facoltà di disporre a mente dell'art. 960 cpv. 1 num. 1 CC.
Non si vede per quale ragione gli eredi necessari debbano essere privilegiati rispetto agli altri eredi legittimi (l'art. 559 CC non fa distinzione tra eredi necessari e non necessari) e figurare obbligatoriamente, come se l'autorità fosse tenuta d'ufficio a salvaguardare le loro pretese, accanto agli eredi istituiti su tutta la successione, di cui, quantunque tempestivamente avvertiti, non hanno contestato i diritti nel termine previsto dall'art. 559 cpv. 1 CC. In tal senso è la più autorevole dottrina [ESCHER, 3. ediz. N. 12, TUOR/PICENONI N. 17 all'art. 559 con indicazioni di giurisprudenza cantonale; MERZ, Die Übertragung des Grundeigentums gestützt auf gesetzliche Erbfolge, usw., ZBGR 36 (1955) p. 121 e segg.; BAUMANN, Der Erbschein gemäss
Art. 559 ZGB
, ZBGR 22 (1941) p. 1 e segg.; POUDRET, La mention des réservataires dans le certificat d'héritier et ses incidences sur les actions successorales, SJZ 55 (1959) p. 233 e segg., che confuta, nel medesimo tempo, l'opinione contraria del Tribunale cantonale di Vaud; CHAUSSON, Le certificat d'héritier, tesi Losanna 1924, p. 85. Inoltre, la sentenza 15 luglio 1959 del Tribunale civile della Sarina, pubblicata in ZBGR 41 (1960) p. 82]. La dottrina citata fa pure giustamente rientrare nelle azioni riservate all'art. 559 CC, anche l'azione di riduzione degli art. 522 e segg. CC (segnatamente TUOR/PICENONI N. 20 all'art. 559, MERZ, 1.c. p. 126 e POUDRET, 1.c. p. 234-235).
L'opinione di SOMMER, Die Erbbescheinigung nach schweiz. Recht, tesi Zurigo 1941, p. 25 e segg., secondo cui la violazione della legittima da parte del de cuius colpirebbe di nullità assoluta, su questo punto, la disposizione di ultima volontà, con la conseguenza che, essendo l'erede legittimario sempre erede, dovrebbe anche essere menzionato d'ufficio nel certificato ereditario, non trova fondamento nella legge. Il codice civile mette a disposizione dell'erede necessario (legittimario) due rimedi di diritto: l'opposizione al rilascio del certificato ereditario a favore degli eredi istituiti e l'esperimento dell'azione di riduzione. Non prevede invece una tutela assoluta ed un intervento d'ufficio dell'autorità. Se non è formulata opposizione al certificato ereditario e non viene intentata l'azione di riduzione, la disposizione di ultima volontà, che ha violato la legittima, mantiene la propria efficacia (cfr. POUDRET, 1.c. p. 240).
BGE 98 Ib 92 S. 99
Neppure la sentenza RU 56 II 17 può essere invocata a sostegno della tesi opposta. Essa esprime unicamente il principio per cui gli eredi necessari non possono essere privati di tale loro qualità che nelle forme previste dagli
art. 477 e 479
CC, ossia attraverso una formale diseredazione, e rimangono eredi nonostante il testatore abbia ecceduto la quota disponibile. Non dice invece nulla quanto alla facoltà per gli eredi testamentari, istituiti per tutta la successione, di ottenere il certificato ereditario (che ha essenzialmente funzione probatoria e carattere provvisorio, è fondato sulla apparenza e non conferisce agli eredi - legittimi o istituiti - la proprietà che già è loro devoluta direttamente dalla legge) anche contro gli eredi necessari, quando questi ultimi non abbiano contestato i diritti dei primi nel termine dell'art. 559 cpv. 1 CC e non siano, per avventura, già in possesso dell'eredità [cfr., nel medesimo senso, l'Obergericht Zurigo nella sentenza pubblicata in ZBGR 20 (1939) p. 76].
Sta, invece, la riserva delle azioni successorie (la cui menzione appartiene, secondo l'art. 559 cpv. 1 CC, al contenuto del certificato ereditario) e quindi la possibilità che l'iscrizione a registro si riveli erronea e debba essere rettificata, senza contare che gli interessi degli eredi necessari appaiono già sufficientemente salvaguardati dalla facoltà di opporsi, senza motivazione, all'emissione del certificato.
Anche se la disposizione di ultima volontà appare nulla per vizio di forma, il giudice rilascia il certificato agli eredi istituiti, in mancanza di opposizione, sulla base di tale disposizione e l'erede escluso dalla successione in virtù di una disposizione viziata deve promuovere l'azione di nullità.
4.
Se, in concreto, Angelica Martignoni è stata istituita erede per tutta la successione della defunta sorella, non è lecito, contrariamente al citato disposto di diritto cantonale, esigere la menzione degli eventuali eredi necessari nel certificato ereditario.
Dagli atti non risulta, tuttavia, se esistano tali eredi, né, del resto, che l'Ufficiale del registro, il quale ha respinto la domanda di iscrizione, voglia tenersi alla norma dell'art. 21 della legge cantonale sul registro fondiario.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è respinto. | public_law | nan | it | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
638a6000-3cb3-48aa-9833-84137c83c9b5 | Urteilskopf
95 II 312
43. Arrêt de la Ire Cour civile du 9 mai 1969 dans la cause Julen contre Crédit-Vente SA | Regeste
Kauf auf Abzahlung. Eigentumsvorbehalt.
Art. 226 i OR
, 716 ZGB. Berufung. Neue Begehren.
Art. 55 Abs. 1 lit.b OG
.
1. Neu und daher unzulässig sind Begehren, die der Berufungskläger nicht schon vor der letzten kantonalen Instanz gestellt hat (Erw. 1).
2. In der Abrechnung infolge Rücktritts des Verkäufers vom Vertrag und Rücknahme der Sache ist der angemessene Mietzins auf Grund des im Vertrag angegebenen Kaufpreises festzusetzen; vorbehalten bleiben die Einwendungen, die der Käufer nach dem OR erheben kann, wenn der angegebene Preis den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht (Erw. 2).
3. Der angemessene Mietzins ist geschuldet für die Zeit zwischen der Lieferung der Sache und ihrer Rücknahme durch den Verkäufer (Erw. 3).
4. Der Mietzins ist festzusetzen unter Berücksichtigung der üblichen Entwertung, die die Sache durch ihren normalen Gebrauch oderinfolge blossen Zeitablaufs und Modewechsels erleidet. Der Verkäufer hat Anspruch auf Amortisation des vollen Kaufpreises und auf den Zins dieser Summe. Der im Vertrag angegebene Prozentsatz der Amortisation bindet den Richter nicht; dieser kann einen degressiven Prozentsatz festsetzen (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 313
BGE 95 II 312 S. 313
Résumé des faits:
A.-
Par contrat de vente du 14 août 1964, Gérard L. Furrer a vendu à dame Julen, à Genève, pour son usage professionnel, deux machines à nettoyer à sec de marque "Singer" au prix de 62 000 fr., à quoi s'ajoutaient 50 fr. de "frais de contrat et inscription". Dame Julen avait déjà payé le 7 janvier 1964 un acompte de 20 000 fr. Elle a reconnu devoir au vendeur le solde, soit 42 050 fr., majoré d'un supplément de 6313 fr., pour vente à crédit et intérêts, au total 48 363 fr., payable en 30 mensualités.
Le contrat renferme un pacte de réserve de propriété, dûment inscrit au registre tenu par l'Office des poursuites de Genève.
En vertu de l'article 2, le vendeur cédait à Crédit-Vente SA, à Genève, la créance en paiement du solde du prix, ainsi que tous les droits accessoires, y compris la réserve de propriété.
L'article 9 confère à Crédit-Vente SA le droit d'exiger, en cas de demeure de l'acheteur pour deux mensualités représentant au moins le dixième du prix de vente, le paiement immédiat
BGE 95 II 312 S. 314
du solde dû; il lui donne aussi la faculté de résilier le contrat et de reprendre ou faire reprendre l'objet de la vente, que l'acquéreur s'engage à restituer à la première réquisition.
L'article 10 dispose que l'acheteur reconnaît devoir, en cas de résiliation du contrat, une location comprenant une indemnité d'usure normale fixée à 1/4% par jour, calculée sur le prix de vente, et une indemnité de dépréciation si l'objet présente une moins-value excessive due à un accident ou au mauvais entretien.
Dame Julen a versé des acomptes à concurrence de 11 482 fr. Comme elle était en retard de plusieurs mensualités, Crédit-Vente SA résilia le contrat et fit reprendre les machines par un huissier judiciaire, le 5 août 1966. Cependant, dame Julen effectua un dernier versement de 2000 fr., le 8 août 1966, en vue semble-t-il d'obtenir un arrangement amiable.
B.-
Crédit-Vente SA fit assigner dame Julen en paiement de 79 003 fr. à titre de loyer calculé selon l'article 10 du contrat, sous déduction des acomptes reçus.
Dame Julen admit que la demanderesse était en droit de lui reprendre les machines, mais contesta le montant des prétentions pécuniaires articulées contre elle. Estimant le loyer équitable à 250 fr. par mois et par machine, elle forma une demande reconventionnelle en paiement de 21 482 fr. représentant la différence entre ses versements (33 482 fr.) et le loyer 12 000 fr. qu'elle reconnaissait devoir à Crédit-Vente SA
Par jugement du 15 février 1968, le Tribunal de première instance de Genève condamna Crédit-Vente SA à payer à dame Julen la somme de 21 000 fr., avec intérêt à 5% l'an dès le 21 septembre 1967. Le tribunal admit que le vendeur était fondé à résilier le contrat et à reprendre les machines.
C.-
Saisie d'un appel de Crédit-Vente SA, la Première Chambre de la Cour de justice du canton de Genève, par arrêt du 7 février 1969, a confirmé le jugement en ce qui concerne la reprise des machines par le vendeur, mais l'a réformé pour le surplus et a débouté les parties de toutes autres conclusions.
D.-
Dame Julen a recouru en réforme et conclu à ce qu'il plaise au Tribunal fédéral condamner Crédit-Vente SA à lui restituer la somme de 21 482 fr. avec intérêt à 5% l'an dès le 26 août 1966.
Appliquant l'art. 60 al. 2 OJ, le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
BGE 95 II 312 S. 315
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Dans la mesure où la recourante conclut au paiement d'une somme supérieure à celle de 21 000 fr. avec intérêt à 5% dès le 21 septembre 1967, que lui avait allouée le jugement de première instance, qu'elle n'a pas attaqué en appel, elle prend des conclusions nouvelles par rapport à celles qu'elle avait prises dans la dernière instance cantonale et son recours est irrecevable (art. 55 al. 1 lettre b OJ; cf. RO 80 III 154, consid. 2 b;
94 II 211
, consid. 2).
2.
Aux termes de l'art. 226 i al. 1 CO, introduit par la loi fédérale du 23 mars 1962 sur la vente par acomptes et la vente avec paiements préalables, si l'acheteur est en demeure et que le vendeur résilie le contrat après avoir livré la chose, ils sont tenus de restituer les prestations qu'ils se sont faites. Le vendeur peut en outre réclamer un loyer équitable et une indemnité pour la détérioration de la chose. Il ne peut cependant exiger plus que ce qu'il aurait obtenu si le contrat avait été exécuté à temps.
a) Sous réserve de quelques modifications d'ordre rédactionnel, les deux premières phrases de l'art. 226 i CO correspondent au texte de l'art. 227 al. 2 CO ancien et à celui de l'art. 716 CC, toujours en vigueur. Sous l'empire de ces dispositions légales, le Tribunal fédéral a jugé dans l'arrêt Motorwagenfabrik Berna AG c. Eschmann (RO 62 II 31 s.) qu'en cas de résiliation, le vendeur ne saurait obtenir davantage que si le contrat avait été exécuté, de telle sorte que ses prétentions en paiement d'un loyer et d'une indemnité d'usure ne devaient pas dépasser la différence entre le prix convenu et la valeur de la chose au jour de la reprise. Quelques années plus tard, dans la cause Lévy c. Faillite Straumann (RO 68 II 292 s.), il a modifié sa jurisprudence en considérant que le système légal ne fait pas entrer l'intérêt du vendeur à l'exécution du contrat dans le règlement de comptes; il postule l'équivalence économique des prestations réciproques: usage de la chose procuré par le vendeur à l'acheteur, loyer payé par celui-ci pour cette utilisation. Lorsqu'il reprend la chose, le vendeur par acomptes est économiquement comparable à un bailleur; il a droit à une indemnité qui corresponde à l'utilisation et à l'usure. Cette solution a été critiquée en doctrine (cf. GUHL, RJB 79 - 1943 - p. 364 s.; STOFER, Der Abzahlungsvertrag de lege ferenda,
BGE 95 II 312 S. 316
RDS 1958 II 330 a et Kommentar zum schweizerischen Bundesgesetz über den Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag, p. 109 s.). Sans prendre parti dans la controverse, le Tribunal fédéral a jugé dans l'arrêt Dreyfus c. Grimmer (RO 75 II 33 s., notamment 35, consid. 2) que le loyer devait être fixé non pas sur la base du prix de vente, qui peut être excessif, mais en fonction de la valeur réelle de la chose lors de la conclusion du contrat. Le vendeur recevra donc un loyer égal à celui qu'il aurait perçu s'il avait loué la chose pendant le temps qu'elle a été en possession de l'acheteur, ainsi qu'une indemnité pour l'usure (arrêt cité).
b) Cette jurisprudence est dépassée par le nouveau texte légal. En édictant la troisième phrase de l'art. 226 i al. 1 CO, le législateur a repris à dessein la solution de l'arrêt Motorwagenfabrik Berna AG c. Eschmann. Le Message du Conseil fédéral relève en effet que "les prétentions du vendeur doivent... se limiter à son intérêt à l'exécution du contrat, car il ne serait pas admissible que l'acheteur en demeure - le plus souvent dans la gêne - soit astreint à des prestations supérieures à celles dont il aurait dû s'acquitter en exécutant le contrat. Ce principe, posé par un arrêt du Tribunal fédéral (RO 62 II 31 s.), puis abandonné (RO 68 II 293), répond à une préoccupation d'ordre social et doit être appliqué pour épargner à l'acheteur une charge trop lourde" (FF 1960 I 581 s.). De plus, l'obligation faite par l'art. 226 a al. 2 ch. 3, 4 et 5 CO d'indiquer dans le contrat de vente par acomptes le prix de vente au comptant, le supplément de prix résultant du paiement par acomptes et le prix de vente global montre que le législateur a voulu que l'acheteur soit exactement renseigné sur la différence du prix à payer, selon qu'il achète au comptant ou à tempérament (cf. à ce sujet RO 89 III 28 ss.; Message du Conseil fédéral, FF 1960 I 568 s.; JEANPRETRE, La vente à tempérament et la vente-épargne de lege ferenda, RDS 1958 II 386 a - 389 a, qui doute cependant que la protection soit efficace). C'est donc en connaissance de cause que le législateur a voulu donner une grande importance au prix de vente fixé dans le contrat. Aussi bien, ce prix doit servir de base pour calculer le loyer équitable dû par l'acheteur en cas de résiliation du contrat par le vendeur. Il serait contraire au système de la loi de remettre en cause le prix que l'acheteur avait librement accepté lors de la conclusion du contrat, précisément lorsque cet acheteur
BGE 95 II 312 S. 317
est en demeure et que l'inexécution du contrat, qui est son fait, permet au vendeur de le résilier conformément à la loi. Le prix convenu correspondra d'ailleurs généralement a la valeur de la chose au jour où le contrat a été conclu, à moins qu'il ne soit manifestement surfait (cf. STOFER, Kommentar, p. 110). Et si le prix était fictif en raison d'une simulation ou que l'acheteur se trouvait lors de la conclusion du contrat sous l'empire du dol ou d'une erreur essentielle, ou encore s'il avait été victime d'une lésion, il pourra faire valoir les moyens que le droit des obligations met à sa disposition en pareil cas.
c) Contrairement à l'avis de la recourante, qui voudrait déduire du prix convenu la marge de bénéfice du vendeur, ce n'est pas le prix de revient de la chose qui est décisif, mais le prix de vente fixé par les parties dans le contrat.
En l'espèce, la Cour de justice relève d'ailleurs qu'elle ne voit aucun motif de s'écarter de la valeur de 62 000 fr. que les intéressés ont eux-mêmes attribuée aux deux machines en indiquant ce chiffre comme prix de vente au comptant dans le contrat de vente. Saisi d'un recours en réforme, le Tribunal fédéral ne peut revoir cette décision qui ressortit à la constatation des faits (art. 63 al. 2 OJ; cf. RO 75 II 35, consid. 2 in fine).
3.
Lorsque la partie qui bénéficie d'un pacte de réserve de propriété reprend la chose, le décompte prévu par l'art. 716 CC doit être établi au jour de la restitution par l'autre partie. Le loyer équitable prévu par la loi, soit par l'art. 226 i al. 1 CO en cas de vente par acomptes, est dû pour la période qui s'est écoulée de la livraison de la chose à sa reprise. L'acheteur doit en effet supporter le dommage consécutif à l'inexécution de ses obligations contractuelles (RO 60 II 416). La recourante doit dès lors payer à l'intimée un loyer équitable pour la période du 14 août 1964 au 5 août 1966; peu importe qu'elle ait utilisé ou non l'une des deux ou les deux machines pendant tout le temps qu'elle les a eues en sa possession ou seulement pendant une partie de ce temps.
4.
La recourante tient pour arbitraire le loyer fixé par la juridiction cantonale. Elle ne démontre cependant pas en quoi la décision attaquée viole sur ce point le droit fédéral (cf. art. 55 al. 1 lettre c OJ). Même si le grief était recevable, il devrait être rejeté comme mal fondé. A défaut de toute allégation quelconque à ce sujet et en l'absence de toute offre de preuve, la Cour de justice n'avait pas d'autre possibilité que
BGE 95 II 312 S. 318
de fixer selon l'expérience la durée de l'amortissement des machines. Elle a calculé l'amortissement sur une période de 5 ans. Cette décision, qui repose essentiellement sur l'appréciation des circonstances, ne viole en aucune manière le droit fédéral.
Quant au taux d'amortissement, le contrat le fixe à 1/4% du prix de vente par jour. Ce taux représente plus de 91% du prix de vente par an. En l'espèce, calculé sur deux ans, le loyer serait de 180% du prix de vente au comptant des deux machines. Un loyer aussi élevé n'est pas seulement inéquitable: il est usuraire et ne lie donc pas le juge, qui doit fixer le loyer équitable en considérant la dépréciation ordinaire de la chose, soit par suite de son utilisation normale, soit par suite du seul écoulement du temps et des changements de la mode (cf. RO 60 II 414 s.).
Au titre du loyer équitable, le vendeur a droit à l'amortissement du prix de vente total et à l'intérêt de cette somme (RO 68 II 293). En outre, il convient de tenir compte du fait qu'un objet neuf subit une dépréciation importante du seul fait de son utilisation. C'est pourquoi le taux d'amortissement est fixé parfois selon une échelle dégressive (cf. Cour d'appel de Berne, RJB 85 - 1949 - p. 144 et 72 - 1935 - p. 580; RSJ 49 -1953 - p. 129; STOFER, Kommentar, p. 110 et JEANPRETRE, op.cit., RDS 1958 II 403 a).
En l'espèce, la Cour de justice a calculé l'amortissement sur cinq ans selon un taux dégressif de 30% la première année, 25% la seconde, puis respectivement 20%, 15% et 10% pour les trois années suivantes. Ce mode de calcul donne un taux global de 55% pour les deux premières années. Il n'apparaît pas défavorable à l'acheteur, d'autant moins que l'arrêt déféré n'a pas retenu le facteur de dépréciation invoqué par l'intimée, à savoir que les appareils litigieux seraient fortement démodés en raison de l'apparition sur le marché d'un appareil plus perfectionné et ne vaudraient plus le 45% de leur prix, soit la fraction restée à la charge du vendeur. En tout cas, la cour cantonale n'a pas excédé les limites de son pouvoir d'appréciation, ni partant violé le droit fédéral quant à la détermination du taux d'amortissement. | public_law | nan | fr | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
638a7c88-8c1a-4fd6-9b19-70c8b7c0632d | Urteilskopf
99 V 136
43. Urteil vom 21. Dezember 1973 i.S. Boller gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Zürich | Regeste
Unfallbegriff (
Art. 67 KUVG
).
Merkmal des aussergewöhnlichen äussern Schadensfaktors. | Sachverhalt
ab Seite 136
BGE 99 V 136 S. 136
A.-
Als Betriebassistent der Firma Hefti AG, chemische Fabrik, hatte Hans Boller für die periodische Beheizung der Lagertanks zu sorgen. Zu diesem Zweck muss er ein hängend montiertes Dampfventil betätigen. Dieses Ventil befindet sich etwa 3-4 m über dem Boden, weshalb zu seiner ordentlichen Bedienung eine besonders konstruierte Stange und eine Leiter zur Verfügung stehen. Diese beiden Hilfsmittel waren am Morgen des 2. Februar 1972 nicht unmittelbar zur Stelle, als der bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versicherte Hans Boller das Ventil zu betätigen hatte. Wie schon wiederholt zuvor bestieg er die Rohrleitungen und andern Einrichtungen der Heizungsanlage, hielt sich mit der rechten Hand an einer Leitung fest und versuchte mit der linken Hand das nunmehr etwa auf Kopfhöhe befindliche Ventilrad von rund 12 cm Durchmesser zu drehen. Da die Spindel vorher frisch gedichtet worden war, liess sich das Handrad nicht bewegen. Er versuchte deshalb, es ruckartig zu lösen, indem er mit dem Mittel-, Ring- und Kleinfinger eine Radspeiche fasste. Nach wiederholten Versuchen spürte er in den drei Fingern einen stechenden Schmerz, als wären sie eingeklemmt. Nun gab er sein Vorhaben auf. Wieder am Boden angelangt, stellte er fest, dass die drei Finger weiss waren und sich trotz Massierens nicht mehr normal färbten.
BGE 99 V 136 S. 137
Da die Schmerzen nicht verschwanden, erstattete die Arbeitgeberfirma der SUVA am 8. März 1972 Unfallanzeige. Chefarzt Dr. L. stellte anhand einer Arteriographie "verminderte arterielle Durchblutung der Mittel- und Endphalanx am linken Mittelfinger bei partieller Obliteration der Aa. digitales palmaris propriae" fest; auch am 4. und 5. Strahl beständen partielle Verschlüsse dieser Arterien; die arterielle Gefässversorgung dieser Phalangen sei jedoch ausreichend. Für PD Dr. Sch. war es "nicht ganz klar", ob die arterielle Durchblutungsstörung am dritten Strahl links und in geringem Mass auch am 4. und 5. Strahl mit dem Trauma des Drehens eines Hahns in Zusammenhang zu bringen sei; vielleicht habe sich dadurch ein vorbestandener Schaden verstärkt. Chefarzt Dr. S. bestätigte in seinem gutachtlichen Bericht gegenüber der SUVA die bereits erwähnte Diagnose und vertrat die Auffassung, dass "die vom Versicherten geäusserten Beschwerden und die objektiven Befunde sicher auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen" seien, die festgestellten Veränderungen hätten vorbestanden und seien am ehesten als arterielle Thrombosen der Fingerarterien zu deuten; die Veränderungen "dürfen sicher zu 50% für die Folgen des erwähnten Ereignisses angenommen werden".
Mit Verfügung vom 4. Dezember 1972 verneinte die SUVA ihre Leistungspflicht, weil sich nichts ereignet habe, was als Unfall im Sinn der Rechtsprechung gelten könnte.
B.-
Hans Boller focht diese Verfügung beim Versicherungsgericht des Kantons Zürich an und beantragte, die SUVA sei zu verpflichten, für den Schadenfall vom 2. Februar 1972 die gesetzlichen Leistungen zu erbringen.
Die Vorinstanz hat die Beschwerde am 18. Mai 1973 abgewiesen, da das schädigende Ereignis vom 2. Februar 1972 mangels einer "ungewöhnlichen äussern Einwirkung" nicht als Unfall im Rechtssinn gewertet werden könne.
C.-
Mit der gegen diesen Entscheid gerichteten Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Hans Boller sein vorinstanzliches Rechtsbegehren erneuern. Zu dessen Begründung wird im wesentlichen ausgeführt: Das Merkmal des mehr oder weniger ungewöhnlichen äussern Faktors sei, weil ungenau und dem Gedanken der obligatorischen Unfallversicherung widersprechend, fallen zu lassen. Abgesehen davon sei die Ungewöhnlichkeit des äussern Faktors hier vorhanden gewesen. Die überraschende Feststellung des Beschwerdeführers, dass das
BGE 99 V 136 S. 138
Ventilrad sperrte, verbunden damit, dass er aus betrieblichen Gründen rasch habe handeln müssen, verleihe dem Sperren des Rades bzw. dem Versuch, dieses zu lockern, besondere Bedeutung und lasse die Ungewöhnlichkeit des Vorfalles deutlich in Erscheinung treten. Auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer bei seiner Tätigkeit keinen festen Boden unter den Füssen gehabt, sondern auf einer Rohrleitung gestanden habe und sich habe festhalten müssen, stemple das Ereignis zum besondern Vorfall. Der entscheidende aussergewöhnliche Faktor liege gerade darin, dass der Versicherte beim Versuch, das Ventilrad zu drehen, Mittelhand, Daumen und Zeigefinger nicht habe gebrauchen können und die übrigen Finger isoliert zwischen zwei hartkantige, gusseiserne Radspeichen habe quetschen und mit diesen ruckartig habe ziehen müssen...
Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
In ständiger, von der Lehre anerkannter Rechtsprechung qualifiziert das Eidg. Versicherungsgericht als Unfall die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines mehr oder weniger ungewöhnlichen äussern Faktors auf den menschlichen Körper (
BGE 98 V 166
,
BGE 97 V 2
; EVGE 1966 S. 138 und 1963 S. 18; MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, S. 86). Zuweilen ist es schwierig, zu entscheiden, ob eine Gesundheitsschädigung die Folge eines Unfalles oder aber einer Krankheit ist. Dies gilt insbesondere für gewisse typische Gesundheitsschäden, die erfahrungsgemäss auch als alleinige Folge von Krankheit, insbesondere von vorbestandenen degenerativen Veränderungen eines Körperteils innerhalb eines durchaus normalen Geschehensablaufes auftreten können. In derartigen Fällen müssen die Merkmale des Unfallbegriffs besonders deutlich erfüllt sein. Vor allem muss die unmittelbare Ursache der Schädigung unter besonders sinnfälligen Umständen (z.B. Ausgleiten, Schlag) gesetzt worden sein; denn das Begriffsmerkmal der Aussergewöhnlichkeit bezieht sich nach der Definition des Unfalles nicht auf die Wirkung des äussern Faktors, sondern nur auf diesen selber (EVGE 1969 S. 24, 1966 S. 138, 1956 S. 90, 1946 S. 32; unveröffentlichte Urteile vom 28. Januar 1970 i.S. Kummer, 27. Januar 1969 i.S. Givel, 29. Juni 1954 i.S.
BGE 99 V 136 S. 139
Schöni; MAURER S. 98 ff.). Diese Aussergewöhnlichkeit ist nicht schon dann gegeben, wenn die Gesundheitsschädigung bei einer etwas ungewohnten, der zu verrichtenden Arbeit aber angepassten Körperstellung (z.B. Knie-, Hock- oder Kriechstellung) erfolgt (vgl. die grundlegenden Urteile in EVGE 1932 S. 48 und 55).
Das Eidg. Versicherungsgericht sieht sich nicht veranlasst, diese bewährte Praxis zu ändern.
2.
Es gehörte zu den üblichen Aufgaben des Beschwerdeführers, das Ventilrad je nach den Temperaturverhältnissen zu handhaben. Dazu äusserte er sich gegenüber dem Inspektor der SUVA wie folgt: "Früher jede Woche 3 bis 4 mal das gleiche Rad auf die gleiche Weise geöffnet bzw. geschlossen." Allerdings sei das Rad bis kurz vor dem Ereignis vom 2. Februar 1972 für die praktische Handhabung zweckmässiger montiert gewesen. Dem Versicherten standen aber Hilfsmittel zur Verfügung. So hätte er eine Leiter benützen können, die jedoch am betreffenden Morgen aus einer Entfernung von rund 200 m hätte herangeholt werden müssen und die er offenbar selten benützte. Ferner stand ihm eine Bedienungsstange zur Verfügung, mit der er vom Boden aus das Ventil hätte öffnen und schliessen können. Diese Stange war aber aus unerklärlichen Gründen an jenem Morgen nicht unmittelbar griffbereit. Indessen braucht für die Beurteilung des vorliegenden Falles, weil unerheblich, nicht weiter geprüft zu werden, weshalb sich der Beschwerdeführer keines der beiden Hilfsmittel bedient hat. Es steht nämlich fest, dass er das Handrad des Ventils vorher wiederholt auf demselben Weg erreicht hat wie am 2. Februar 1972. Es war für den Versicherten also nichts Ungewohntes, über Gestänge und Rohrleitungen zum Ventil hinaufzuklettern, um dieses betätigen zu können.
Der Beschwerdeführer mag dann überrascht worden sein, als er feststellte, dass das Rad sich nicht wie sonst üblich ohne weiteres drehen liess, sondern blockierte, weil es anscheinend vorher vom Betriebsschlosser "gestopft" und zu stark angezogen worden war. Darauf versuchte er mindestens noch einmal, wahrscheinlich aber auch mehrere Male das Rad ruckartig in Bewegung zu setzen. Seine Bemühungen blieben erfolglos. Hingegen traten die geklagten Schmerzen mit den später ärztlich erhobenen Befunden auf. In dieser ruckartigen Bewegung mit drei Fingern der linken Hand kann nichts Aussergewöhnliches
BGE 99 V 136 S. 140
erblickt werden. Auch die Form und die Grösse des Handrades, dessen Speichen anscheinend kantig und so klein sind, dass sie sich nur mit drei Fingern fassen lassen, haben nichts Aussergewöhnliches an sich. Aussergewöhnlich war lediglich die durch das Ziehen bedingte schädigende Einwirkung jener Speiche auf die drei innerlich betroffenen Finger. Wie bereits dargelegt, bezieht sich aber das Merkmal der Aussergewöhnlichkeit nur auf den äussern Faktor selber und nicht auch auf dessen Wirkung auf den menschlichen Körper.
Fehlt es somit an einem aussergewöhnlichen Faktor, der auf den Beschwerdeführer eingewirkt hätte, so kann der Vorfall vom 2. Februar 1972 nicht als Unfall im Sinn des KUVG qualifiziert werden. Demzufolge war die SUVA befugt, Leistungen für die Folgen des Ereignisses vom 2. Februar 1972 zu verweigern...
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
638d1a53-0c2d-4684-aa62-fa66038a4780 | Urteilskopf
81 IV 319
69. Sentenza 21 ottobre 1955 della Corte di cassazione penale nella causa Galvaerom SA contro Tribunale d'appello del Cantone Ticino. | Regeste
Art. 32 Ziff. 1 Fisch G.
Bemessung und Höchstbetrag der Busse im Wiederholungsfalle. | Erwägungen
ab Seite 319
BGE 81 IV 319 S. 319
Estratto dei considerandi:
4.
L'applicazione dell'art. 32 cifra 1 LPesc. pone tuttavia un problema, a sapere come debba essere determinata la pena in caso di recidiva e quale ne debba essere l'importo massimo. Il problema, che non è stato sollevato nel ricorso, può e dev'essere nondimeno esaminato d'ufficio, la Corte di cassazione federale non essendo vincolata dai motivi fatti valere dalle parti (art. 277bis cp. 2 PPF; RU 72 IV 112 e 76 IV 28).
Nella sua sentenza RU 42 I 226 il Tribunale federale ha interpretato l'art. 32 cifra 1 LPesc. nel senso del raddoppiamento puro e semplice della multa precedente, ritenuto però che anche nel caso di recidiva l'importo della multa non doveva oltrepassare quello massimo comminato dall'art. 31 LPesc. Questa giurisprudenza dev'essere abbandonata. Il raddoppiamento automatico della multa precedentemente inflitta, senza alcun riguardo alla gravità dell'atto incriminato, non è compatibile con il principio della colpevolezza, cui è informato il codice penale federale. In ossequio a tale principio il giudice deve dapprima commisurare - entro il minimo e il massimo della multa previsti dall'art. 31 LPesc. - la pena che dovrebbe essere
BGE 81 IV 319 S. 320
inflitta per l'atto incriminato ad un reo non recidivo, poi raddoppiarla per tener conto della recidiva. Siccome la gravità dell'infrazione può meritare il massimo della pena comminata, il raddoppiamento obbligatorio prescritto dall'art. 32 cp. 1 LPesc. ha per conseguenza che in caso di recidiva il massimo della pena deve corrispondere al doppio della pena massima comminata dall'art. 31 LPesc. La contravvenzione reiterata d'insozzamento delle acque pescose, che qui interessa, è quindi passibile d'una multa fino a 800 franchi. Tutt'altra interpretazione toglierebbe ogni efficacia al disposto dell'art. 32 cifra 1 LPesc. proprio nei casi di recidiva più gravi, quando già l'atto incriminato merita, indipendentemente dall'aggravamento della pena per la reiterazione, il massimo della multa ordinaria comminata all'infrazione.
Un siffatto caso è appunto quello che ne occupa. Confermando la multa di 800 franchi inflitta alla ricorrente, la Corte cantonale non ha quindi violato il diritto federale e tanto meno ecceduto nell'esercizio del proprio potere discrezionale. | null | nan | it | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
638e8e47-67d2-4588-b75d-e2990d965eb3 | Urteilskopf
116 Ib 228
30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Juli 1990 i.S. Regierungsrat des Kantons Aargau gegen St. und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Raumplanung; Ausnahmebewilligung.
1. Prüfungsprogramm bei Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen (E. 2).
2.
Art. 24 Abs. 1 RPG
; Bewilligung für ein Stöckli.
- Wohnraum für Betagte, die ein Leben lang in der Landwirtschaft gearbeitet haben, ist standortgebunden (E. 3a).
- Im Rahmen der Interessenabwägung nach
Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG
ist zu prüfen, ob dieser Wohnraum im bestehenden Wohnhaus geschaffen werden kann. Erst wenn dies zu verneinen ist, kann der Neubau eines Stöcklis bewilligt werden (E. 3b).
3. Grundsatz der Rechtsgleichheit.
Das Bundesgericht ist an eine bundesrechtswidrige Praxis der Kantone nicht gebunden, sondern es hat der gesetzeskonformen Rechtsanwendung zum Durchbruch zu verhelfen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 229
BGE 116 Ib 228 S. 229
St. ist Eigentümer eines ausserhalb der Bauzone gelegenen Landwirtschaftsbetriebes in der Gemeinde Schlossrued. Im Hinblick auf die vorerst pachtweise Hofübergabe an seinen Sohn und die Schaffung von getrenntem Wohnraum für die abtretende Generation reichte er ein Baugesuch ein für eine separate Stöcklibaute. Am 14. Januar 1987 verweigerte die Baugesuchszentrale des Baudepartements des Kantons Aargau die Zustimmung mit der Begründung, dass sich der an sich zulässige Altenteil im bestehenden Gebäude realisieren lasse und deshalb eine separate Stöcklibaute nicht bewilligt werden könne. In der Folge wies der Gemeinderat Schlossrued das Baugesuch ab.
Gegen diese Bauverweigerung erhob St. erfolglos Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Aargau. Das hierauf angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hiess indessen die Beschwerde von St. gut und stellte fest, "dass das Bauvorhaben nicht wegen Fehlens der Voraussetzungen von Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) abgelehnt werden" dürfe.
Der Regierungsrat führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 1989 sei aufzuheben und die Baubewilligung für das neue Einfamilienhaus (Stöckli) zu verweigern.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
Bei einem Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen ist nach der Rechtsprechung zunächst zu prüfen, ob es zonenkonform ist und ihm demnach eine ordentliche Bewilligung nach
Art. 22 Abs. 2 RPG
erteilt werden kann. Trifft dies nicht zu, stellt sich die Frage, ob es als Ausnahme gestützt auf
Art. 24 RPG
zu bewilligen ist
BGE 116 Ib 228 S. 230
(
BGE 115 Ib 297
mit Hinweisen). Das Bauvorhaben des Beschwerdegegners liegt im Land- und Forstwirtschaftsgebiet der Gemeinde Schlossrued (vgl. § 129 des Baugesetzes des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971, BauG). Dieses stellt keine Landwirtschaftszone im Sinne von
Art. 16 RPG
dar, weshalb das Verwaltungsgericht sich zu Recht darauf beschränkte zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 RPG
erfüllt seien (
BGE 111 Ib 215
f.; Entscheid des Bundesgerichts vom 13. Juni 1989, in ZBl 91/1990 S. 359, E. 3a).
3.
Unbestritten ist, dass für das Bauvorhaben
Art. 24 Abs. 2 RPG
nicht anwendbar ist, da es sich um eine Neubaute handelt. Eine Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 Abs. 1 RPG
kann erteilt werden, wenn der Zweck der Baute einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert (lit. a) und wenn dem Vorhaben keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (
BGE 115 Ib 299
mit Hinweisen).
a) Die Standortgebundenheit darf nach der bundesgerichtlichen Praxis nur dann bejaht werden, wenn eine Baute aus technischen oder betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist. Dabei beurteilen sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben, und es kann weder auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen noch auf die persönliche Zweckmässigkeit oder Bequemlichkeit ankommen. Bauten, die der Landwirtschaft dienen und betrieblich notwendig sind, werden ausserhalb der Bauzonen grundsätzlich als standortgebunden anerkannt, soweit sie nicht in einer Landwirtschaftszone liegen und wegen ihrer Bodenabhängigkeit ohnehin zonenkonform sind. Dabei sind an die Erfordernisse der Standortgebundenheit strenge Anforderungen zu stellen. Der landwirtschaftliche Zweck darf nicht bloss Vorwand sein, um ein Bauvorhaben zu realisieren, das für die Bewirtschaftung des Bodens nicht erforderlich ist (
BGE 115 Ib 299
E. a mit Hinweisen). Folglich ist in jedem Fall anhand eindeutiger Kriterien zu prüfen, ob der Gesuchsteller ein objektiv begründetes Bedürfnis, ausserhalb der Bauzone Wohnsitz zu nehmen, nachweisen kann. Es ist zu untersuchen, ob die ständige Anwesenheit des Gesuchstellers im Landwirtschaftsbetrieb notwendig ist. Reine Wohnbauten ausserhalb der Bauzone sind nur zu rechtfertigen, wenn diese im Hinblick auf die Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung unentbehrlich erscheinen.
BGE 116 Ib 228 S. 231
Das Vorrecht, ausserhalb der Bauzone zu wohnen, bleibt einem relativ engen Personenkreis vorbehalten, nämlich der bäuerlichen Bevölkerung, welche unmittelbar in der Landwirtschaft tätig ist, den Hilfskräften und deren Familienangehörigen sowie den Betagten, welche ein Leben lang in der Landwirtschaft tätig waren (
BGE 112 Ib 261
f.; unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 28. März 1990 i.S. S., E. 2a; vom 29. Juni 1988 i.S. R., E. 3a; vom 26. Mai 1988 i.S. B., E. 2a). In diesem Sinne ist Wohnraum für die abtretende Generation als standortgebunden zu betrachten. Es kann einem betagten Bauern nicht zugemutet werden, seinen Hof im Hinblick auf die Aufgabe der landwirtschaftlichen Tätigkeit zu verlassen. Im übrigen kann dadurch die bäuerliche Sozialstruktur aufrechterhalten bleiben, zu der auch das Verbleiben des abtretenden Landwirts auf dem Hofe gehört. Dieser kann weiterhin wertvolle Dienste für die Bewirtschaftung des Hofes leisten, sei es mit Besorgungen, mit Ratschlägen, in Zeiten grosser Arbeitsbelastung oder angesichts besonderer Umstände wie Krankheit oder Militärdienst (Urteil des Bundesgerichts vom 24. November 1978, in ZBl 80/1979, S. 483; PETER KELLER, Neubauten in der Landwirtschaftszone, Diss. Bern 1987, S. 84 f.).
Beim Hof des privaten Beschwerdegegners handelt es sich unbestrittenermassen um einen existenzsichernden und lebensfähigen Familienbetrieb. Er setzt die Anwesenheit der Bewirtschafter voraus, und der Anspruch auf Wohnraum für die abtretende Generation wird auch vom Regierungsrat nicht bestritten. Der benötigte Wohnraum ist daher als standortgebunden im Sinne von
Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG
zu betrachten.
b) Damit das Bauvorhaben des Beschwerdegegners bewilligt werden kann, dürfen ihm keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (
Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG
). Dies ist aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu prüfen, in die sowohl öffentliche als auch private Interessen einzubeziehen sind (
BGE 114 Ib 130
;
112 Ib 120
). Alle sich widerstreitenden Interessen müssen vollständig berücksichtigt und deren Gewichtung mit sachgerechten Erwägungen begründet werden (
BGE 113 Ib 154
;
BGE 112 Ib 428
). Lenkender Massstab der Interessenabwägung bilden hauptsächlich die Planungsziele und Planungsgrundsätze des Raumplanungsgesetzes (
Art. 1 und 3 RPG
;
BGE 114 Ib 272
E. 3b mit Hinweisen). Diese bezwecken unter anderem, das Kulturland und das Siedlungsgebiet zu trennen, den Siedlungsraum zu beschränken und das Land ausserhalb des baulichen Bereichs grundsätzlich von
BGE 116 Ib 228 S. 232
Überbauungen freizuhalten (
Art. 3 Abs. 2 und 3 RPG
;
BGE 114 Ib 319
E. 4a). Damit soll der Zersiedlung der Landschaft entgegengewirkt werden. Weiter sollen der Landwirtschaft genügende Flächen geeigneten Kulturlandes erhalten bleiben (
Art. 3 Abs. 2 lit. a RPG
;
BGE 114 Ia 375
f.). Selbst wenn wie hier Wohnraum für die abtretende Generation als standortgebunden zu betrachten ist, bedeutet dies noch nicht, dass der Neubau eines Stöcklis ohne weiteres zulässig wäre. Kann nämlich der benötigte Wohnraum im bestehenden Wohnhaus integriert werden, so tritt er nach aussen baulich nicht in Erscheinung, und die landwirtschaftlichen Interessen sowie das Ziel, Land ausserhalb der Bauzonen von Überbauungen freizuhalten, werden kaum beeinträchtigt. Steht genügender Wohnraum nicht bereits zur Verfügung, ist solcher in erster Linie durch den Ausbau des bestehenden Bauernhauses oder durch einen entsprechenden Anbau zu schaffen. Erst wenn der Einbau zusätzlichen Wohnraums im bestehenden Gebäude aus objektiven Gründen nicht möglich ist, stellt sich die Frage, ob der Neubau eines Stöcklis, also einer eigenständigen Wohnbaute für die abtretende Generation, bewilligt werden kann (PETER KELLER, a.a.O., S. 86). Im Rahmen der Interessenabwägung muss daher nach einer Lösung gesucht werden, die sich mit den Zielen der Raumplanung am besten verträgt, d.h. die eine möglichst geringe Beeinträchtigung der raumplanerischen Interessen nach sich zieht. Diesen öffentlichen Interessen sind die privaten Interessen des Gesuchstellers entgegen zu stellen.
Das Verwaltungsgericht prüfte in seinem Entscheid zwei Varianten, mit welchen der für die abtretende Generation benötigte Wohnraum geschaffen werden könnte. Zur Diskussion standen ein Umbau des bestehenden Wohnhauses (Variante Giessen) und ein Neubau eines Stöcklis. Das Gericht stellte dabei fest, dass der Umbau technisch problemlos machbar sei. Trotzdem kam es zum Schluss, der vom Beschwerdegegner geplante Neubau eines Stöcklis könne bewilligt werden, da es der Kosten- und Finanzierungsfrage ein erhebliches Gewicht beigemessen hat. Es ging davon aus, dass bei der Umbauvariante ein Betrag von rund Fr. 450'000.-- durch Fremdfinanzierung aufgebracht werden müsste, während das kostengünstigere Projekt einer freistehenden Stöcklibaute mit einer Fremdfinanzierung von Fr. 200'000.-- bis Fr. 250'000.-- für den Beschwerdegegner finanziell tragbarer sei, wobei sich hier namentlich auch die Eigenleistungsmöglichkeiten eher besser darstellten als bei einem Umbau und keine Umquartierungskosten
BGE 116 Ib 228 S. 233
entstünden. Wenn dem leistungsfähigen Familienbetrieb eine Stöckliwohnung oder -baute zugebilligt werde, so stünden hinter einer solchen Praxis in erster Linie öffentliche, auf das agrarpolitische Leitbild ausgerichtete Interessen wie namentlich etwa die Erleichterung des Generationenwechsels, die Verhinderung der Landflucht usw. Dieser Zielsetzung widerspreche es, auf der nicht finanzierbaren Einbauvariante zu beharren, wenn andererseits die - unter dem Finanzierungsaspekt verkraftbare - Möglichkeit bestehe, ein freistehendes Stöckli zu errichten. Hauptsächlich aus diesen Gründen hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde von St. gutgeheissen.
Unbestritten ist, dass der benötigte Wohnraum für die abtretende Generation durch Umbau des bestehenden Wohnhauses des Beschwerdegegners geschaffen werden könnte. Wie erwähnt, hat das Verwaltungsgericht trotzdem den geplanten Neubau eines Stöcklis als zulässig erklärt. Es fragt sich daher, ob es mit den dargelegten öffentlichen Interessen vereinbar sei, diesen Neubau aus den vom Verwaltungsgericht angeführten privaten, finanziellen Interessen zu bewilligen, obwohl der fragliche Wohnraum im bestehenden Gebäude integriert werden könnte. Diese Frage ist zu verneinen, da die finanziellen Interessen bei der Interessenabwägung nach
Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG
nicht ausschlaggebend sein können. Wie das Bundesgericht schon wiederholt im Zusammenhang mit kommunalen Nutzungsplanungen festgehalten hat, müssen solche Interessen in der Regel hinter die öffentlichen Interessen zurücktreten, ansonsten die Ziele der Raumplanung nicht verwirklicht werden könnten (
BGE 114 Ia 369
mit Hinweisen). Dieser Grundsatz gilt auch in Fällen wie dem vorliegenden. Dass der verfassungsrechtliche Schutz der Landwirtschaft gemäss
Art. 31bis Abs. 3 lit. b und c BV
ebenfalls Raumplanungsrecht bildet (EJPD/BRP, Erläuterungen zum RPG, Einleitung, N. 16), steht dazu nicht im Widerspruch. Vielmehr wäre eine Zulassung neuer Bauten aus finanziellen Gründen mit den öffentlichen Interessen an der Schonung der Landschaft, der Freihaltung des Nichtsiedlungsgebietes und der Erhaltung der Landwirtschaftszone als Produktionsfläche nicht vereinbar. Zudem ist hier wie in der Bauzone in Kauf zu nehmen, dass den Wohnbedürfnissen nicht in jedem Fall ideal entsprochen werden kann. Auch Wohnungen in Obergeschossen und gewisse andere Unannehmlichkeiten schliessen deshalb den Einbau einer Alterswohnung ins bestehende Wohnhaus nicht aus. Kann aber der benötigte Wohnraum im
BGE 116 Ib 228 S. 234
bestehenden Gebäude geschaffen werden, so käme eine separate Stöcklibaute nur dann in Frage, wenn sich ein Umbau aus anderen als rein finanziellen Gründen als unzumutbar darstellen würde. Dies könnte etwa bei einem unvernünftigen Sanierungsaufwand, bei einer zu grossen baulichen Verdichtung des bestehenden Wohnhauses oder bei sachlich und funktionell nicht gerechtfertigten Dachausbauten der Fall sein. Die Kostendifferenz zwischen einem Umbau und einem Neubau wäre gegebenenfalls ein Indiz für bauliche oder funktionelle Gründe, die einem Umbau entgegenstehen. Derartige andere Gründe liegen aber im hier zu Diskussion stehenden Fall nicht vor. Der Beschwerdegegner kann zudem aus dem von ihm geltend gemachten Umstand, dass ca. 1962 ein zum Hof gehörendes Gebäude mit Wohnraum abgerissen worden sei, nichts zu seinen Gunsten ableiten, besteht doch eine Besitzstandsgarantie für eine vor mehr als 20 Jahren abgebrochene Baute und ein Recht der alten Baustelle offensichtlich nicht (vgl. ERICH ZIMMERLIN, Baugesetz des Kantons Aargau, Aarau 1985, Nr. 4d zu § 224; LEO SCHÜRMANN, Bau- und Planungsrecht, Bern 1984, S. 182).
Aus diesen Erwägungen folgt, dass die privaten finanziellen Interessen, die für den Neubau eines Stöcklis sprechen und die durchaus verständlich sind, hinter die gewichtigen öffentlichen Interessen zurückzutreten haben. Dies gilt hier um so mehr, als der Wohnraum im bestehenden Wohnhaus integriert werden könnte, womit die raumplanerischen Interessen weniger stark beeinträchtigt würden. Das Bauvorhaben kann daher gestützt auf
Art. 24 Abs. 1 RPG
nicht bewilligt werden, weshalb die Beschwerde in diesem Punkt gutzuheissen ist.
4.
Das Verwaltungsgericht und der Beschwerdegegner nennen verschiedene Fälle, in denen offenbar Neubauten ausserhalb der Bauzonen bewilligt worden sein sollen. Sie vertreten die Auffassung, dass eine Verweigerung der vorliegenden Ausnahmebewilligung im Vergleich zu diesen Fällen einen Verstoss gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit bedeuten würde. Die erwähnten Vergleichsobjekte werden indessen bis auf den Fall Lüscher ohne Bezeichnung der entscheidrelevanten Tatsachenelemente angeführt, so dass in dieser Hinsicht auf die Rüge der Ungleichbehandlung mangels Begründung nicht eingetreten werden kann. Den Fall Lüscher hat der Regierungsrat schon beim seinerzeitigen Entscheid als Grenzfall bezeichnet, und es besteht kein Anlass zur Annahme, dass der Regierungsrat inskünftig eine von den
BGE 116 Ib 228 S. 235
dargelegten Grundsätzen abweichende Praxis ausüben wird. Zudem wäre das Bundesgericht an eine bundesrechtswidrige Praxis der Kantone nicht ohne weiteres gebunden. Im Interesse der Durchsetzbarkeit einer zentralen und ausserordentlich wichtigen Vorschrift des Bundesrechts muss es Ansprüche auf gesetzwidrige Begünstigung verweigern und der gesetzeskonformen Rechtsanwendung zum Durchbruch verhelfen können (
BGE 108 Ia 214
E. 4a; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 27. Februar 1989 i.S. Th., E. 4d). | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
6391ef56-8ca1-4b0f-9a83-7c1780c5dfa8 | Urteilskopf
118 IV 218
39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. April 1992 i.S. S. gegen Regierung des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 38 Ziff. 2 und
Art. 47 StGB
; bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug; Anordnung einer Schutzaufsicht.
Die Schutzaufsicht soll dem Betroffenen vor allem eine Hilfe sein. Bei der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug ist ihre Anordnung in weitem Umfang zulässig (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 219
BGE 118 IV 218 S. 219
A.-
S. befand sich im Strafvollzug zur Verbüssung dreier wegen verschiedener Vermögensstraftaten verhängter Freiheitsstrafen von insgesamt sechs Jahren und neun Monaten.
Am 10. Dezember 1991 beschloss die Regierung des Kantons Graubünden, S. nach zwei Dritteln der Strafzeit, d.h. auf den 19. Dezember 1991, bedingt aus dem Strafvollzug zu entlassen. Die Probezeit setzte sie auf drei Jahre fest. Zudem ordnete sie für deren Dauer eine Schutzaufsicht an.
B.-
Dagegen führt S. Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er beantragt, auf die Anordnung einer Schutzaufsicht sei zu verzichten.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Gemäss
Art. 38 Ziff. 2 Satz 1 StGB
bestimmt die zuständige Behörde dem bedingt Entlassenen eine Probezeit, während der er unter Schutzaufsicht gestellt werden kann. Unter welchen Voraussetzungen eine Schutzaufsicht anzuordnen ist, sagt das Gesetz nicht. Der Behörde steht insoweit deshalb ein erheblicher Ermessensspielraum zu.
b) Der Inhalt und Zweck der Schutzaufsicht ist geregelt in
Art. 47 StGB
. Danach sucht sie den ihr Anvertrauten zu einem ehrlichen Fortkommen zu verhelfen, indem sie ihnen mit Rat und Tat beisteht, namentlich bei der Beschaffung von Unterkunft und Arbeit (Abs. 1). Sie beaufsichtigt die ihr Anvertrauten unauffällig, so dass ihr Fortkommen nicht erschwert wird (Abs. 2). Sie hat darauf zu achten, dass trunksüchtige, rauschgiftsüchtige oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustandes zu Rückfällen neigende Schützlinge in einer geeigneten Umgebung untergebracht und, wenn nötig, ärztlich betreut werden (Abs. 3).
An erster Stelle nennt das Gesetz bei der Regelung der Schutzaufsicht somit den Beistand mit Rat und Tat; von der Beaufsichtigung
BGE 118 IV 218 S. 220
spricht es erst an zweiter Stelle. Die Schutzaufsicht soll dem Betroffenen demnach vor allem eine Hilfe sein und sich zu seinen Gunsten auswirken. Ihre Anordnung ist daher nicht an enge Voraussetzungen gebunden. In weitem Umfang ist sie zulässig bei der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug nach
Art. 38 StGB
, vor allem nach längerer Freiheitsentziehung. Denn der bedingt zu Entlassende befindet sich - vielfach anders als der zu einer bedingten Freiheitsstrafe Verurteilte, der ebenfalls unter Schutzaufsicht gestellt werden kann (
Art. 41 Ziff. 2 Satz 1 StGB
) - regelmässig in einer schwierigen persönlichen Lage. Er muss sich, nachdem ihm die Freiheit entzogen und er von der Aussenwelt getrennt war, in die Gesellschaft wiedereingliedern und sich in der Freiheit zurechtfinden. Er muss insbesondere seine persönlichen Verhältnisse regeln und, soweit das nicht schon vor der Entlassung möglich war, eine Wohnung und Arbeit finden. Das wird ihm, namentlich nach einem langen Freiheitsentzug, vielfach schwerfallen. Eine Hilfe in Form einer Schutzaufsicht ist hier im Hinblick auf die Verminderung der Rückfallgefahr oft notwendig und sinnvoll.
An die Anordnung einer Schutzaufsicht bei der bedingten Entlassung sind auch deshalb nur geringe Anforderungen zu stellen, weil diese Massnahme vor dem Hintergrund des Stufenstrafvollzugs gesehen werden muss, bei dem der Betroffene allmählich an die Lebensverhältnisse in Freiheit herangeführt wird und Beschränkungen der persönlichen Freiheit schrittweise entfallen (vgl.
Art. 37 Ziff. 3 StGB
). Die bedingte Entlassung bildet die letzte Stufe des Strafvollzugs; beendigt ist er erst mit der endgültigen Entlassung (vgl. SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, zweiter Band, 4. Aufl., S. 58). Auch mit Blick darauf muss es gerechtfertigt sein, in Fällen, in denen der Betroffene mit dem Übertritt in das Leben in Freiheit voraussichtlich Schwierigkeiten haben wird, mit der bedingten Entlassung nicht sämtliche Beschränkungen des Strafvollzugs aufzuheben, sondern eine Schutzaufsicht zu verfügen und damit eine geringfügige strafvollzugsrechtliche Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit bis zur endgültigen Entlassung aufrechtzuerhalten.
c) Der einschlägig vorbestrafte Beschwerdeführer befand sich viereinhalb Jahre im Strafvollzug. Er ist bald 67 Jahre alt und an den Rollstuhl gebunden. Vermögen hat er nicht. Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz davon ausgehen, dass sich dem Beschwerdeführer mit der Strafentlassung Probleme stellen können, für deren Bewältigung eine Hilfe der Schutzaufsicht
BGE 118 IV 218 S. 221
notwendig und sinnvoll sein kann. Mit deren Anordnung hat sie ihr Ermessen folglich nicht überschritten. Die Beschwerde ist daher abzuweisen. | null | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
63940e66-04d8-47e8-a8fd-67c0a81cd0ad | Urteilskopf
81 II 413
64. Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. September 1955 i. S. Traxel gegen Stalder. | Regeste
Berufung.
1. Streitwert (
Art. 36 OG
) bei Anfechtung eines Ehevertrags durch einen Erben (Erw. 1).
2. Können die Gegenbemerkungen der kantonalen Behörde (
Art. 56 OG
) tatsächliche Feststellungen im Sinne von
Art. 63 Abs. 2 OG
enthalten? (Erw. 5 Abs. 2.)
Eheliches Güterrecht.
1. Zustimmung der Vormundschaftsbehörde zu einem während der Ehe abgeschlossenen Ehevertrag (
Art. 181 Abs. 2 ZGB
). Ortliche Zuständigkeit (Erw. 3 a). Wirkungen der von einer örtlich unzuständigen Behörde erteilten Zustimmung (Erw. 3 b).
2. Gütergemeinschaft. Ehevertragliche Zuweisung des ganzen Gesamtgutes an den überlebenden Ehegatten (
Art. 226 Abs. 1 ZGB
). Rechtsmissbrauch? (Erw. 4.)
3. Aufhebung einer im Ehevertrag getroffenen Abmachung durch Testament? (Erw. 5.) | Sachverhalt
ab Seite 414
BGE 81 II 413 S. 414
A.-
Am 26. Juni 1945 heiratete Franz Traxel, geb. 1885, von Altdorf, die um zehn Jahre jüngere Marie Theresia Signer. Die Eheleute Traxel-Signer hatten ihren Wohnsitz in Flüelen. Am 12. September 1947 schlossen sie vor einem urnerischen Notar einen Ehevertrag, mit dem sie sich dem Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft gemäss
Art. 215 ff. ZGB
unterstellten. Dieser Vertrag bestimmte u.a.:
"5. Da die Ehe kinderlos ist, soll das Gesamtgut nach dem Tode des einen oder andern Ehegatten vollständig und im ganzen Umfange ungeteilt dem überlebenden Ehegatten zukommen, sofern nicht durch eine gemeinsame Verfügung anders bestimmt wird.
6. Jede Erbfolge von Verwandten des einen oder andern Gatten wird hiemit ausgeschlossen, sofern nicht durch eine spätere gemeinsame Verfügung anders bestimmt wird.
7. Die Kontrahenten nehmen davon Umgang, diesen Ehevertrag ins Güterrechtsregister eintragen zu lassen, da gegenüber Erben der Güterrechtsvertrag auch ohne Eintragung Rechtskraft besitzt. ZGB 248.
8. Es wird für diesen Vertrag die Zustimmung der zuständigen Vormundschaftsbehörde gemäss ZGB 179 und 181 eingeholt."
Am 6. Oktober 1947 genehmigte der Gemeinderat Flüelen als Vormundschaftsbehörde diesen Vertrag.
B.-
Am 3. Mai 1948 starb Franz Traxel. Sein reiner Nachlass betrug gemäss Wehrsteuer- und Wehropferinventar rund Fr. 130'000.--. Als gesetzliche Erben hinterliess er seine Witwe und seinen Bruder Josef Traxel.
C.-
Am 31. Juli 1951 leitete die Witwe des Erblassers, die sich inzwischen mit Emil Stalder verheiratet hatte, beim Landgericht Uri gegen Josef Traxel Klage ein, mit der sie u.a. die Feststellung verlangte, dass der Ehevertrag vom 12. September 1947 rechtsgültig verurkundet sei und dass gemäss diesem Vertrag das Gesamtgut dem überlebenden Ehegatten gehöre und die Erbfolge von Verwandten, insbesondere des Josef Traxel, ausgeschlossen sei. Am 24. Juni 1952 zog sie diese Klage zurück.
BGE 81 II 413 S. 415
D.-
Am 5. November 1952 hob Josef Traxel gegen Frau Stalder-Signer verwitwete Traxel die vorliegende Klage an mit den Rechtsbegehren:
"1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der am 12. September 1947 durch Franz Traxel mit der Beklagten als seiner Ehefrau abgeschlossene Ehevertrag nichtig sei.
2. Es sei demgemäss der Kläger als an der Hinterlassenschaft seines Bruders Franz Traxel erbberechtigt zu erklären.
3. Es sei die Hinterlassenschaft des genannten Franz Traxel richterlich festzustellen und zu teilen...
Zur Begründung machte er im wesentlichen geltend, der Ehevertrag sei nichtig, weil er in der Voraussicht des nahen Todes des Erblassers und demgemäss nicht zur Regelung eines Rechtsverhältnisses unter Lebenden, sondern nur zwecks Umgehung des Pflichtteilsrechts des Klägers abgeschlossen und überdies nicht von der gemäss § 40 des urnerischen EG zum ZGB zuständigen Vormundschaftsbehörde der Heimatgemeinde Altdorf genehmigt worden sei. Ausserdem könne sich die Beklagte heute nicht mehr auf die Gültigkeit des Vertrages berufen, weil sie die hierauf bezügliche Feststellungsklage zurückgezogen habe, sodass res judicata vorliege.
Am 4. März 1953 beschloss der Gemeinderat Altdorf auf Gesuch der Beklagten, den Ehevertrag vom 12. September 1947 nachträglich zu genehmigen. Der Regierungsrat des Kantons Uri trat auf die Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluss mangels Aktivlegitimation des Klägers nicht ein. Das Bundesgericht wies die staatsrechtliche Beschwerde des Klägers gegen den regierungsrätlichen Entscheid am 14. Oktober 1953 ab.
Am 24. November 1953 wies hierauf das Landgericht Uri die Klage vom 5. November 1952 ab. Das Obergericht Uri hat dieses Urteil am 13. Januar 1955 bestätigt.
E.-
Gegen das obergerichtliche Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er erneuert damit seine Klagebegehren und beantragt eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Beurteilung des
BGE 81 II 413 S. 416
Klagebegehrens 3. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
Die staatsrechtliche Beschwerde des Klägers gegen das obergerichtliche Urteil ist am 1. Juni 1955 abgewiesen worden.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Entgegen
Art. 51 lit. a OG
ist in der Klage nicht angegeben und in den kantonalen Entscheiden nicht festgestellt worden, ob der Streitwert Fr. 8000.-- oder wenigstens Fr. 4000.-- erreiche. In der Berufungsschrift macht der Kläger geltend, die Hinterlassenschaft Franz Traxels betrage "gestützt auf die Akten und sonstigen Feststellungen (vgl. OG Urteil S. 9)" gegen Fr. 200'000.--, was von der Gegenpartei nie bestritten worden sei; die "streitwertmässige Zuständigkeit" des Bundesgerichts sei daher offenbar gegeben. Demgegenüber ist festzustellen, dass die Beklagte die Ausführungen des Klägers über die Höhe des Nachlasses in der Klageantwort bestritten hatte, wenn auch nur "vorsorglich", und dass an der Stelle des obergerichtlichen Urteils, auf die der Kläger hinweist, nur seine eigene Behauptung wiedergegeben ist, wonach der Wert des Nachlasses ca. Fr. 200'000.-- ausmacht. Indessen findet sich in den Akten das von der Beklagten unterzeichnete Steuerinventar, laut welchem der reine Nachlass rund Fr. 130 000.-- beträgt. Der Erbteil von 3/4, den der Kläger auf Grund der Behauptung beansprucht, dass der Ehevertrag nichtig und das ganze hinterlassene Vermögen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge zu teilen sei, beträgt hienach rund Fr. 97'500.--. Nach Massgabe der vor der letzten kantonalen Instanz noch streitigen Begehren übersteigt also der Streitwert die Berufungssumme von Fr. 4000.-- und den für das mündliche Verfahren erforderlichen Betrag von Fr. 8000.--, auch wenn man die vom Kläger anerkannte Tatsache berücksichtigt, dass der Erbteil, der dem Kläger bei Gutheissung der Klage zukäme, gemäss
Art. 462 Abs. 2 ZGB
mit einer lebenslänglichen
BGE 81 II 413 S. 417
Nutzniessung zugusten der Beklagten belastet wäre (Barwert der Nutzniessung der zur Zeit des Todes des Erblassers 53 Jahre alten Beklagten bei einem Zinsfuss von 3 1/2% gemäss PICCARD, Tabelle 17, Fr. 50'470.--; Wert der streitigen nuda proprietas des Klägers also Fr. 97'500.-- - Fr. 50'470.-- = Fr. 47 030.--).
2.
Mit der Behauptung, dass der Streit über die Gültigkeit des Ehevertrags vom 12. September 1947 infolge des Rückzugs der von der heutigen Beklagten seinerzeit eingeleiteten Feststellungsklage (oben C) als abgeurteilte Sache zu betrachten sei, will der Kläger offenbar geltend machen, bei Beurteilung der vorliegenden Klage müsse als verbindlich festgestellt angesehen werden, dass der streitige Vertrag ungültig sei. Indem die Vorinstanz es ablehnte, aus dem erwähnten Klagerückzug diesen Schluss zu ziehen, hat sie keinen Satz des Bundesrechts verletzt. Es handelt sich hier um eine Frage des kantonalen Prozessrechts (vgl. Erw. 2 des Urteils der staatsrechtlichen Kammer vom 1. Juni 1955). In diesem Punkt ist daher auf die Berufung, mit der gemäss
Art. 43 OG
nur die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden kann, nicht einzutreten.
3.
Es ist unbestritten, dass beim Abschluss des streitigen Ehevertrags die Vorschriften von
Art. 181 Abs. 1 ZGB
beobachtet worden sind. Dagegen macht der Kläger geltend, dieser Vertrag sei ungültig, weil die nach Art. 181 Abs. 2 erforderliche Zustimmung der Vormundschaftsbehörde nicht in wirksamer Weise erteilt worden sei; die Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde Flüelen sei wegen örtlicher Unzuständigkeit dieser Behörde, die Genehmigung durch die örtlich zuständige Vormundschaftsbehörde Altdorf deswegen unbeachtlich, weil sie erst nach dem Erbanfall an den Kläger erteilt worden sei und den vom Bundesgericht aufgestellten Erfordernissen nicht genügen (d.h. nicht auf einer gehörigen Prüfung der Sache im Sinne von
BGE 77 I 3
beruhen) könne. Die Genehmigung durch die Vormundschaftsbehörde Flüelen
BGE 81 II 413 S. 418
ist jedoch mit der Vorinstanz als wirksam zu betrachten, sodass auf die nachträgliche Genehmigung durch die Behörden von Altdorf nichts ankommt.
a)
Art. 181 ZGB
sagt nicht, welche Vormundschaftsbehörde für die Genehmigung eines während der Ehe abgeschlossenen Ehevertrags örtlich zuständig sei. Auch die analoge Vorschrift von
Art. 177 ZGB
, die in Abs. 2 und 3 die Rechtsgeschäfte unter Ehegatten betreffend das eingebrachte Gut der Ehefrau oder das Gemeinschaftsgut und die Dritten gegenüber zugunsten des Ehemanns eingegangenen Verpflichtungen der Ehefrau der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde unterwirft, schweigt sich über die örtliche Zuständigkeit aus. Eine Vorschrift, welche diese Zuständigkeit generell für alle nach Bundesrecht der Vormundschaftsbehörde obliegenden Geschäfte regeln würde, ist ebenfalls nicht vorhanden.
Art. 376 ZGB
gilt, obwohl der französische Text den Ausdruck "for tutélaire" verwendet, der an sich den "Gerichtsstand" für alle den vormundschaftlichen Behörden übertragenen Angelegenheiten bezeichnen könnte, unmittelbar nur für die Vormundschaft; denn er stellt in Abs. 1 nach allen drei Fassungen übereinstimmend auf den Wohnsitz der zu bevormundenden bezw. bevormundeten Person (du mineur ou de l'interdit, del tutelato) ab und gehört zu den Vorschriften über die allgemeine Ordnung der Vormundschaft (vgl. die Überschrift des zehnten Titels, der zwar auch die Verbeiständung behandelt, hiefür aber eine eigene Zuständigkeitsvorschrift aufstellt). Anderseits bezieht sich Art. 396 nach seinem Wortlaut und seiner Stellung im Gesetz, wie soeben angedeutet, nur auf die Beistandschaft. Aus dem Mangel einer Bestimmung, welche die örtliche Zuständigkeit für die Fälle von
Art. 181 und 177 ZGB
ausdrücklich ordnen würde, ist indessen nicht zu schliessen, dass die Regelung dieser Frage einfach dem kantonalen Recht anheimgestellt sei. So gut wie für die Vormundschaft und die Beistandschaft muss vielmehr auch hier mindestens dem Grundsatze nach eine allgemeine bundesrechtliche Zuständigkeitsordnung
BGE 81 II 413 S. 419
gelten, nicht etwa bloss eine nur im interkantonalen Verhältnis massgebende Norm, wie sie in
Art. 2 NAG
, den GULDENER (Grundzüge der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Schweiz, S. 27 Anm. 32) in diesem Zusammenhang anführt, gefunden werden könnte. Das fordert schon die Rechtssicherheit, der im Falle der behördlichen Genehmigung von privaten Rechtsgeschäften besonders grosse Bedeutung zukommt.
Wie
Art. 376 Abs. 1 ZGB
, der nicht nur für die Bevormundung (d.h. die Errichtung der Vormundschaft) gilt, sondern im Hinblick auf die weitere französische Fassung, auf die Überschrift des zehnten Titels und auf Art. 377 /78 ZGB auch für die Führung der Vormundschaft gelten muss, erklärt
Art. 396 ZGB
, der die Zuständigkeit für die Fälle der Beistandschaft regelt, in Abs. 1, der von der Anordnung einer Vertretungsbeistandschaft handelt, den Wohnsitz der hilfsbedürftigen Person als massgebend. Am Wohnsitz ist nach der Rechtsprechung zu Art. 396 auch die im gleichen Abschnitt geordnete Beiratschaft zu errichten (
BGE 46 II 3
Erw. 2). Art. 396 Abs. 2, nach welchem die Anordnung einer Vermögensverwaltung durch die Vormundschaftsbehörde des Ortes erfolgt, wo das Vermögen in seinem Hauptbestandteil verwaltet worden oder der zu vertretenden Person zugefallen ist, stellt nach dem eben erwähnten Entscheid eine Sondervorschrift dar, die sich nur auf die Verwaltungsbeistandschaft im Sinne von
Art. 393 ZGB
, nicht etwa auch auf die Verwaltungsbeiratschaft bezieht. In der Anknüpfung an den Wohnsitz, die hienach für die Vormundschaft, d.h. für die zentrale Aufgabe der vormundschaftlichen Behörden, und ausserdem für die Vertretungsbeistandschaft und die Beiratschaft vorgesehen ist, muss das Grundprinzip der Ordnung der Zuständigkeit dieser Behörden erblickt werden. Es wird dadurch gerechtfertigt, dass die Behörden des Wohnsitzes in der Regel mit den massgebenden Verhältnissen am besten vertraut sind und am raschesten handeln können. Mit dieser Auffassung steht im Einklang,
BGE 81 II 413 S. 420
dass die Praxis annimt, für die Kinderschutzmassnahmen gemäss Art. 283 /84 ZGB sowie für den Entzug und die Wiederherstellung der elterlichen Gewalt (
Art. 285-287 ZGB
) seien grundsätzlich die Wohnsitzbehörden zuständig (
BGE 52 II 417
/18,
BGE 53 II 282
,
BGE 56 II 346
,
BGE 62 II 205
f.).
Der für die Vormundschaft aufgestellte Art. 376 sieht von der in Abs. 1 ausgesprochenen Regel eine Ausnahme vor, indem er in Abs. 2 bestimmt, die Kantone seien berechtigt, "für ihre im Kanton wohnenden Bürger die vormundschaftlichen Behörden der Heimat als zuständig zu erklären, insofern auch die Armenunterstützung ganz oder teilweise der Heimatgemeinde obliegt." Diese Vorschrift, die nach allgemeiner Auffassung nicht nur für die vormundschaftlichen Behörden im Sinne von
Art. 361 ZGB
, sondern auch für die mit diesen vielerorts nicht identischen Entmündigungsinstanzen gilt (EGGER, 2. Aufl., N. 23, und KAUFMANN, 2. Aufl. N. 16 /17 a zu
Art. 376 ZGB
) und nach den zuletzt angeführten Entscheiden auf die Kinderschutzmassnahmen sowie auf den Entzug und die Wiederherstellung der elterlichen Gewalt entsprechend anwendbar ist, hat in
Art. 396 ZGB
kein Gegenstück. Diese letzte Bestimmung gewährt der Heimatbehörde in Abs. 3 lediglich die Befugnis, bei den Behörden des Wohnsitzes Antrag zu stellen und Beschwerde zu führen (vgl.
Art. 378 Abs. 1 und 2 ZGB
). Für die Anordnung einer Vertretungsbeistandschaft sind demnach die Wohnsitzbehörden ohne einen Vorbehalt im Sinne von Art. 376 Abs. 2 zuständig. Diese unterschiedliche Regelung will der Tatsache Rechnung tragen, dass die Fälle, wo eine Vormundschaft oder Massnahmen im Sinne von
Art. 283 ff. ZGB
angezeigt sind, recht häufig auch die Armenbehörden beschäftigen, wogegen ein Zusammenhang mit der Armenfürsorge in Fällen, wo nur eine Vertretungsbeistandschaft angeordnet werden muss, in der Regel nicht besteht oder doch viel loser ist.
Die vormundschaftliche Genehmigung von Eheverträgen hat eher noch seltener als die Anordnung einer Vertretungsbeistandschaft
BGE 81 II 413 S. 421
derartige Beziehungen zur Armenfürsorge. Der gesetzgeberische Grund der in
Art. 376 Abs. 2 ZGB
enthaltenen Ermächtigung zugunsten der Kantone mit heimatlicher Armenfürsorge trifft also für die Genehmigung von Eheverträgen noch weniger zu als für die Errichtung einer Vertretungsbeistandschaft. Mit den Massnahmen, die nach dem Gesagten in solchen Kantonen den Heimatbehörden übertragen werden können, hat diese Genehmigung aber auch sonst nicht viel gemein. Es handelt sich dabei im Unterschied zu jenen Massnahmen nicht um eine umfassende Fürsorge, sondern wie im Falle der Vertretungsbeistandschaft nach
Art. 392 ZGB
um die Interessenwahrung in einer einzelnen Angelegenheit, die der Wohnsitzbehörde zu überlassen allein zweckmässig ist. Den für die Vormundschaft erlassenen Art. 376 Abs. 2 auf die Genehmigung von Eheverträgen entsprechend anzuwenden, ist also nicht am Platze. Vielmehr muss hier wie bei der Vertretungsbeistandschaft der allgemeine Grundsatz der wohnörtlichen Zuständigkeit vorbehaltlos gelten, und zwar ist der Wohnsitz des Ehemannes als massgebend anzusehen (so auch EGGER, N. 13 zu
Art. 177 ZGB
, hinsichtlich der Genehmigung gemäss
Art. 177 Abs. 2 ZGB
). Diese Lösung steht mit dem von GULDENER (a.a.O.) zitierten Entscheide
BGE 64 II 5
nicht im Widerspruch, denn das Bundesgericht hat dort (wie auch in
BGE 77 I 1
ff.) zur Zuständigkeitsfrage nicht Stellung genommen.
Im vorliegenden Falle war also die Vormundschaftsbehörde Flüelen örtlich zuständig, obwohl der Kanton Uri in § 40 des EG zum ZGB von der in
Art. 376 Abs. 2 ZGB
vorgesehenen Befugnis Gebrauch gemacht hat.
b) Selbst wenn übrigens
Art. 376 Abs. 2 ZGB
und damit § 40 des urnerischen EG anzuwenden und demgemäss die Vormundschaftsbehörde der Heimatgemeinde Altdorf als zuständig anzusehen wäre, müsste die von der Wohnsitzbehörde erteilte Genehmigung aus Gründen der Rechtssicherheit doch als wirksam anerkannt werden (vgl.
BGE 81 II 413 S. 422
GULDENER a.a.O. S. 71 und die Praxis betr. die unzuständigen Orts errichteten Vormundschaften, Beistandschaften und Beiratschaften,
BGE 55 II 325
,
BGE 58 I 290
,
BGE 61 II 15
und Urteil der II. Zivilabteilung als Staatsgerichtshof vom 28. September 1953 i.S. Zwyssig, Erw. 3 a.E.); dies um so eher, als § 40 EG den Grundsatz, dass für die im Kanton wohnenden Kantonsbürger der Gemeinderat der Heimatgemeinde als Vormundschaftsbehörde zuständig ist, nicht streng durchführt, sondern in Abs. 2 bestimmt, dass statt der Vormundschaftsbehörde der Heimatgemeinde diejenige der Wohngemeinde des Mündels angegangen oder vom Regierungsrat zur Ausübung der Vormundschaft angewiesen werden kann, wenn besondere Gründe es ausnahmsweise notwendig machen. Umgekehrt wird man auch einem Ehevertrag, der infolge eines Irrtums über die Tragweite von
Art. 376 Abs. 2 ZGB
und der gestützt darauf erlassenen kantonalen Bestimmungen von der heimatlichen statt von der wohnörtlichenVormundschaftsbehörde genehmigt worden ist, wie es z.B. im Falle
BGE 77 I 1
ff. zutraf, deswegen die Wirksamkeit nicht absprechen können. Interessen Dritter, um derentwillen die am unrichtigen Ort erfolgte Eintragung eines Ehevertrags in das Güterrechtsregister wohl als unwirksam betrachtet werden müsste (GULDENER S. 73; vgl. auch IMBODEN, Der nichtige Staatsakt, S. 116 oben), kommen bei der Genehmigung eines Ehevertrags, der nur unter den Parteien und ihren Erben gelten soll, nicht in Betracht.
4.
In materieller Hinsicht zieht der Kläger angesichts der herrschenden Praxis mit Recht nicht in Zweifel, dass die "andere Teilung" des Gesamtgutes, welche die Ehegatten gemäss
Art. 226 Abs. 1 ZGB
durch Ehevertrag an die Stelle der in Art. 225 vorgesehenen Teilung nach Hälften setzen können, unter Vorbehalt der hier nicht zutreffenden Bestimmung von Art. 226 Abs. 2 in der Zuweisung des ganzen Gesamtguts an den überlebenden Ehegatten bestehen kann (
BGE 77 I 3
Erw. 3). Er macht dagegen geltend, die dahingehende Vereinbarung stelle im
BGE 81 II 413 S. 423
vorliegenden Falle einen Rechtsmissbrauch dar, weil sie in einem Zeitpunkt geschlossen worden sei, wo mit dem täglichen oder sogar stündlichen Ableben des Ehemanns habe gerechnet werden müssen. Er beruft sich auf das Urteil vom 11. Mai 1927 i.S. Apolloni, wo das Bundesgericht erklärt hat, es müsse als Rechtsmissbrauch erachtet werden, "wenn zwei Ehegatten - welche sich bisher nie veranlasst sahen, an eine vom gesetzlichen Güterstand abweichende vertragliche Regelung auch nur zu denken - in einem Zeitpunkte, wo die Auflösung der Gemeinschaft durch den Tod des einen Ehegatten offensichtlich unmittelbar bevorsteht und daher eine Regelung der ökonomischen Folgen des Gemeinschaftslebens gar nicht mehr in Frage kommt, einen andern Güterstand vereinbaren, nur um dadurch dem überlebenden Ehegatten auf Kosten der Pflichtteilserben des dem Tode nahen Kontrahenten mehr zuzuhalten, als das Gesetz auf dem normalen Wege der Verfügung von Todes wegen erlaubt" (
BGE 53 II 99
).
Diese Rechtsprechung von Grund auf neu zu überprüfen, ist im vorliegenden Falle nicht notwendig. Der Kläger behauptet selber nicht, dass die Einrede des Rechtsmissbrauchs gegenüber ehevertraglichen Abmachungen der in Frage stehenden Art in noch weiterm Umfange zuzulassen sei, als es im eben zitierten Entscheide geschehen ist. In der Tat kann für die Anwendung von
Art. 2 Abs. 2 ZGB
keineswegs genügen, dass die Begünstigung des überlebenden Ehegatten der Hauptzweck des Ehevertrags war, sondern von einem Rechtsmissbrauch kann höchstens dann die Rede sein, wenn der eine solche Begünstigung enthaltende Vertrag unter Umständen eingegangen wurde, die es als ausgeschlossen erscheinen liessen, dass der vertragliche Güterstand sich noch unter Lebenden werde auswirken können, m.a.W. wenn die Ehegatten mit dem Vertrag einzig die Begünstigung des überlebenden Kontrahenten über das durch Verfügung von Todes wegen erreichbare Mass hinaus bezweckten. Diese Voraussetzung ist hier nach den tatsächlichen Feststellungen
BGE 81 II 413 S. 424
der Vorinstanz und denjenigen des Landgerichts, dessen Erwägungen die Vorinstanz ausdrücklich bestätigt hat, nicht erfüllt. Franz Traxel war darnach zwar schon längere Zeit vor dem Abschluss des streitigen Vertrags (12. September 1947) schwer herzleidend. In der Zeit zwischen dem 20. August und 3. Oktober 1947 trat eine gewisse Krise ein, die zur Folge hatte, dass Traxel seinen Arzt nicht mehr in dessen Praxis in Altdorf aufsuchen konnte, sondern dass dieser zu ihm kommen musste. Bettlägerig war er aber nicht. Sein Zustand war, wie das Landgericht feststellt, "weit davon entfernt, dass stündlich sein Ableben erwartet worden wäre." Dr. Müller, dessen Zeugenaussage die kantonalen Gerichte als zuverlässig beurteilen, erklärte u.a.: "Im Sommer 1947 hätte man sagen können, dass bei Traxel noch eine Lebensdauer von einigen Jahren möglich sei. Am letzten Monat der Behandlung (d.h. im April 1948) hätte man dies nicht mehr sagen können, weil seine Lebensaussichten nicht mehr günstig waren." Wenn die Prognose sich erst im April 1948 verschlechterte, so kann die Krise vom Herbst 1947 nicht bedrohlich gewesen sein. Traxel überlebte denn auch den Abschluss des Ehevertrags immerhin um beinahe acht Monate, konsultierte seinen Arzt wieder in Altdorf und war bis kurz vor seinem Tode in seinem Betriebe tätig, welche Tatsachen die kantonalen Gerichte sehr wohl als Indizien für seinen Gesundheitszustand zur Zeit des Vertragsabschlusses in Betracht ziehen durften. Bei dieser Sachlage lässt sich nicht sagen, beim Abschluss des streitigen Vertrags habe es sich für die Eheleute Traxel nicht mehr um eine Neuordnung der güterrechtlichen Verhältnisse unter Lebenden, sondern nur noch um die Regelung der Auseinandersetzung nach dem Tode des Ehemanns handeln können. Die Einrede des Rechtsmissbrauchs ist daher zu Recht verworfen worden. Die Umstände lagen im heute zu beurteilenden Falle wesentlich anders als im Falle Apolloni, wo zur Zeit des Vertragsabschlusses mit dem nahen Ende des schwer krank darniederliegenden Ehemanns
BGE 81 II 413 S. 425
gerechnet wurde und der Tod dann auch bereits neun Tage später eintrat.
5.
Der Kläger wendet gegen die Gültigkeit des streitigen Ehevertrags schliesslich noch ein, Franz Traxel habe kurz vor seinem Tode ein Testament errichtet, mit dem er seine Ehefrau als Universalerbin eingesetzt habe. Das zeige, dass er sich über die Wirkungen des Ehevertrags nicht im klaren gewesen sei. Auf jeden Fall habe er mit diesem Testament die ehevertragliche Teilungsvorschrift hinsichtlich seines Nachlasses aufgehoben, wozu er berechtigt gewesen sei, weil die Bestimmung des Ehevertrags, dass eine hievon abweichende Anordnung nur durch gemeinsame Verfügung getroffen werden könne, gemäss
Art. 20 OR
nichtig sei.
Zu diesen in der Hauptsache schon im kantonalen Verfahren erhobenen Einwendungen hat die Vorinstanz in ihrem Urteil nicht Stellung genommen. In ihren Gegenbemerkungen zur Berufung erklärt sie, sämtliche Ausführungen betreffend ein nach Abschluss des Ehevertrags errichtetes Testament seien mangels Beweises nicht zu hören. Es ist zweifelhaft, ob die in dieser nachträglichen Äusserung der Vorinstanz enthaltene tatsächliche Feststellung als eine solche im Sinne von
Art. 63 Abs. 2 OG
behandelt werden dürfe; denn der Kläger hatte nicht die Möglichkeit, sie in der Berufungsschrift als offensichtlich auf Versehen beruhend zu beanstanden (
Art. 55 lit. d OG
) oder geltend zu machen, sie sei unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustandegekommen, noch konnte er sie mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Willkür anfechten, was nicht ohne weiteres aussichtslos gewesen wäre, weil die Beklagte im kantonalen Verfahren die Tatsache, dass der Erblasser nach Abschluss des Ehevertrags noch ein Testament zu ihren Gunsten errichtet hatte, ausdrücklich zugegeben hatte und diese Tatsache auch von der Zeugin Olga Infanger, deren Aussagen die Vorinstanz nicht würdigte, bestätigt worden war.
Wie es sich mit diesem (nach den Angaben der Beklagten
BGE 81 II 413 S. 426
verschwundenen) Testament verhalte, braucht indes nicht näher abgeklärt zu werden. Auch wenn man nämlich davon ausgeht, dass Franz Traxel kurz vor seinem Tode noch ein Testament errichtete, mit dem er seiner Ehefrau seinen ganzen Nachlass zuwandte, so ergibt sich daraus nicht, dass er beim Abschluss des Ehevertrags über dessen Tragweite nicht im klaren gewesen sei. Freilich war ein solches Testament überflüssig, wenn er ausser dem gemäss Ehevertrag der überlebenden Ehefrau zufallenden Gesamtgut kein Vermögen besass. Dass er gleichwohl ein solches Testament errichtete, beweist aber höchstens, dass er sich bei diesem letzten Akt von der Bedeutung des früher abgeschlossenen Ehevertrags nicht mehr Rechenschaft gab. Ebensogut ist im übrigen möglich, dass er das Testament (nach dem Sprichwort: doppelt genäht hält besser) für den Fall errichtete, dass der Ehevertrag aus irgendeinem Grunde nicht gültig sein sollte. Den Hinfall der streitigen Klausel des Ehevertrags konnte dieser Akt schon deshalb nicht bewirken, weil sich eine ehevertragliche Abmachung über die güterrechtliche Auseinandersetzung keinesfalls durch eine letztwillige Verfügung, die sich nur auf das bei dieser Auseinandersetzung den Erben des verstorbenen Gatten zufallende Vermögen beziehen kann, abändern lässt.
6.
Da der Ehevertrag nach alledem noch gültig ist und der Kläger selber nicht behauptet, dass der Erblasser nicht zum Gesamtgut gehörendes Vermögen besessen habe, sind seine Erbansprüche gegenstandslos.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann, und das Urteil des Obergerichtes Uri vom 13. Januar 1955 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
63973b0a-08ba-47e9-b20f-676884e4c890 | Urteilskopf
111 Ia 41
10. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 9 janvier 1985 dans la cause Franziska Lohri c. cantons du Valais et de Genève (recours de droit public) | Regeste
Art. 46 Abs. 2 BV
; Doppelbesteuerungsverbot.
Eine volljährige, unverheiratete Person, die in unselbstan diger, nicht leitender Stellung tätig ist, kann zu einem Ort engere familiäre und gesellschaftliche Bande haben als zu demjenigen, an dem sie ihre berufliche Tätigkeit ausübt. Bei der Festlegung des Wonhsitzkantons sind somit alle Umstände im Zeitpunkt der Veranlagung zu berücksichtigen. | Sachverhalt
ab Seite 41
BGE 111 Ia 41 S. 41
Depuis le mois de mai 1982, Franziska Lohri, qui habitait précédemment à Brigue, séjourne à Genève, où elle a loué un appartement en son propre nom. Elle travaille dans cette ville, en qualité d'employée de banque.
Franziska Lohri, née en 1962, est célibataire. Elle déclare qu'elle retourne vivre chez ses parents, à Brigue, un week-end sur deux et pendant ses vacances. Elle est toujours inscrite au Contrôle de l'habitant de la commune de Brigue-Glis, où elle est imposée depuis le 1er janvier 1981.
N'ayant pas rempli la déclaration d'impôts que lui avait envoyée l'Administration fiscale genevoise, Franziska Lohri a été taxée d'office sur son revenu pour l'année 1983; cette décision du 15 novembre 1983 était accompagnée du prononcé d'une amende.
BGE 111 Ia 41 S. 42
Par pli expédié le 17 novembre 1983, Franziska Lohri a formé une réclamation contre la décision de taxation et le prononcé de l'amende. Cette réclamation a toutefois été rejetée, par décision de l'Administration fiscale genevoise du 30 mai 1984.
Franziska Lohri a formé auprès du Tribunal fédéral un recours de droit public, en invoquant l'interdiction constitutionnelle de la double imposition intercantonale. Il ressort de ses déclarations qu'elle considère le canton du Valais comme seul compétent pour la frapper d'un impôt cantonal ou communal à raison de ses revenus pour l'année 1983.
Le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé la taxation d'office et l'amende prononcées par l'Administration fiscale genevoise, en déclarant le canton du Valais seul compétent pour imposer les revenus de la recourante pour l'année fiscale 1983.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
En principe, seul le canton de domicile a le droit d'imposer l'ensemble du revenu d'une personne physique (
ATF 104 Ia 266
; KURT LOCHER, Das interkantonale Doppelbesteuerungsrecht, in Praxis der Bundessteuern, IIIe partie, § 3, IA, 1, No 19 et les arrêts cités).
Franziska Lohri étant une jeune employée de banque, elle n'assume manifestement pas de responsabilités particulières et n'a pas de nombreux subordonnés, de sorte qu'elle n'exerce pas une fonction dirigeante (
ATF 104 Ia 268
consid. 3c). S'agissant d'une personne de condition dépendante, qui n'exerce pas une fonction dirigeante, il faut admettre que les liens familiaux et sociaux sont plus forts que ceux qui résultent de l'exercice de son activité professionnelle et qu'ils déterminent le domicile, aussi bien du point de vue fiscal que du point de vue du droit civil (
ATF 101 Ia 559
consid. 4a).
En l'espèce, la recourante soutient, et rien dans le dossier ne permet d'infirmer ses déclarations, que ses parents et ses amis vivent à Brigue. Certes, les liens qui unissent une personne majeure et célibataire à ses père et mère ne sont sans doute pas aussi étroits que ceux qui lient des époux l'un à l'autre. La jurisprudence a cependant admis que l'on ne saurait faire passer les intérêts professionnels avant les attaches affectives du seul fait que le contribuable est célibataire; le lieu où se trouvent les parents et les amis détermine le domicile, s'il ressort de l'attitude du contribuable
BGE 111 Ia 41 S. 43
qu'il attache une importance primordiale à ces liens affectifs (
ATF 78 I 316
,
ATF 68 I 139
; LOCHER, op.cit., § 3, IB, 2b, No 1, 3, 10 et 11).
La recourante allègue en outre, sans être contredite, qu'elle retourne vivre chez ses parents, à Brigue, un week-end sur deux et pendant ses vacances. Elle manifeste ainsi, par des actes, son attachement pour ses parents et ses amis vivant en Valais. Selon la jurisprudence, il faut considérer que le contribuable, de condition dépendante, qui n'exerce pas une activité dirigeante, a son domicile fiscal et civil au lieu où se trouve sa famille lorsqu'il rentre régulièrement auprès d'elle en fin de semaine et pour les vacances (
ATF 104 Ia 268
consid. 3a). Il est vrai que la recourante ne rentre pas en Valais tous les week-ends, mais la jurisprudence a affirmé qu'il ne fallait pas se montrer trop strict à cet égard, puisque l'on ne saurait perdre de vue le temps et les frais des déplacements (
ATF 79 I 27
,
ATF 78 I 317
consid. 2; LOCHER, op.cit., § 3, IB, 2b, No 3, 7, 9, 10 [a contrario] et 11). Si l'on tient compte du fait que la recourante est une jeune personne séjournant depuis peu de temps à Genève, ainsi que du coût et du temps d'un déplacement de Genève à Brigue, l'on doit admettre qu'en rentrant chez ses parents un week-end sur deux et pendant ses vacances, soit pendant la part la plus importante de son temps libre, avec une très grande régularité, la recourante a montré par son attitude que c'était avec le canton du Valais qu'elle avait, en 1983, les liens les plus étroits.
Le fait que la recourante continue de rédiger en allemand, qu'elle déclare ne résider à Genève que temporairement, pour y apprendre le français, constitue des indices supplémentaires, quand bien même on ne saurait parler d'un simple séjour d'études (
art. 26 CC
), en faveur d'un domicile en Valais. Le dépôt des papiers de Franziska Lohri en Valais et son inscription au Contrôle de l'habitant représentent également un indice, certes non décisif, de son intention de conserver en Valais le centre de ses intérêts (
ATF 108 Ia 255
consid. 5a; LOCHER, op.cit., § 3, IA, 2d).
Au vu de l'ensemble des éléments qui lui sont fournis, le Tribunal fédéral parvient à la conclusion que la recourante était domiciliée, en 1983, dans le canton du Valais, qui est donc seul compétent pour imposer ses revenus. Si le séjour de la recourante à Genève se poursuit, qu'elle noue des relations dans ce canton ou qu'elle ne rentre plus régulièrement en Valais, la question pourrait être tranchée dans un sens différent, pour une période fiscale ultérieure. | public_law | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
63982c55-6e99-4d6e-be30-2bbb78db7959 | Urteilskopf
140 III 1
1. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Tribunal de protection de l'adulte et de l'enfant de Genève (recours en matière civile)
5A_540/2013 du 3 décembre 2013 | Regeste
Art. 400 Abs. 1, Art. 401 Abs. 1 und 3 und
Art. 449a ZGB
; Fähigkeiten des Beistandes, die zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben notwendig sind; Berücksichtigung von Wünschen und Einwänden der von der Beistandschaft betroffenen Person mit Bezug auf die Person des Beistandes.
Begriff der Interessenkollision zwischen den zwei einander folgenden, derselben Person übertragenen Aufgaben eines Vertretungsbeistandes im Verfahren der Errichtung der Beistandschaft und eines Vertretungsbeistandes mit Vermögensverwaltung in Vollziehung der getroffenen Massnahme (E. 4.2).
Behördliche Prüfung der Einwände des Interessierten gegen die Ernennung einer bestimmten Person als Beistand (E. 4.3.2). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 140 III 1 S. 2
A.
Le 28 février 2013, la situation des époux A. (1929) et B. (1933) a été signalée au Tribunal de protection de l'adulte et de l'enfant du canton de Genève par une assistante sociale de l'Unité de gériatrie des Hôpitaux universitaires de Genève. Celle-ci demandait qu'une mesure de curatelle de portée générale soit instituée. Il ressort notamment du signalement que l'époux souhaite intégrer un établissement médico-social (EMS) avec son épouse et qu'il n'a pas proposé de personne de son entourage susceptible d'être désignée comme curateur.
Selon un certificat médical établi le 13 février 2013 par le Dr C., A. est incapable de gérer ses affaires administratives et financières. Il peut valablement être entendu et choisir un mandataire, mais ne semble pas en mesure d'en contrôler l'activité, en raison d'un trouble cognitif débutant.
Par décision du 7 mars 2013, le Tribunal de protection de l'adulte et de l'enfant de Genève a désigné Me D. en qualité de curatrice de A., en application de l'
art. 449a CC
, afin qu'elle le représente dans le cadre de cette procédure.
Lors de l'audience du 25 mars 2013, A. a déclaré qu'il souhaitait pouvoir bénéficier de l'aide d'un curateur dans la gestion de ses affaires, notamment pour ses factures médicales.
B.
Par ordonnance du 11 avril 2013, le Tribunal a notamment instauré une "curatelle de représentation avec gestion" en faveur de A. et désigné Me E., avocat, en qualité de curateur.
Par acte déposé le 15 mai 2013, A. a recouru contre cette décision, concluant à ce que ce soit Me D., et non pas Me E., qui soit désignée en qualité de curatrice.
C.
Statuant le 14 juin 2013, la Chambre de surveillance de la Cour de justice du canton de Genève (ci-après: la Chambre de surveillance) a rejeté le recours.
BGE 140 III 1 S. 3
D.
Le Tribunal fédéral a admis le recours formé par A. contre cette décision.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Le recourant reproche à la Chambre de surveillance, d'une part de ne pas avoir désigné Me D. comme curatrice de gestion, contrairement à ce qu'il souhaitait, et, d'autre part, de ne pas avoir tenu compte des objections qu'il avait soulevées à l'encontre de Me E., alors même qu'il s'opposait pour la première fois à la nomination de ce curateur. Ce faisant, il soutient que l'
art. 401 CC
n'a pas été respecté.
Le recourant affirme encore qu'il n'existe aucun conflit d'intérêts entre les fonctions de curateur de représentation en procédure et de curateur de gestion, de sorte que Me D. pouvait parfaitement être nommée comme sa curatrice, d'autant qu'il ne s'est pas opposé à ce qu'une curatelle de gestion soit ordonnée en sa faveur. Au surplus, contrairement à ce qu'affirme la cour cantonale, ce ne serait pas parce qu'il n'était pas capable de désigner valablement un représentant qu'un curateur de représentation lui a été désigné pour la durée de la procédure; il ressortirait en effet du certificat médical du Dr C. qu'il est en mesure de choisir un mandataire. Enfin, le fait d'avoir nommé le même curateur pour lui et son épouse apparaîtrait inopportun, leurs intérêts respectifs étant susceptibles de diverger, notamment en matière successorale.
4.1
Sous l'empire du droit antérieur, en vigueur jusqu'au 31 décembre 2012, l'ancien
art. 381 CC
prévoyait qu'en principe l'autorité tutélaire nomme comme tuteur la personne proposée par l'intéressé (selon le texte allemand: "soll" Folge leisten). Elle pouvait toutefois s'écarter du voeu de l'incapable, pour autant que de "justes motifs" s'opposent à la désignation de cette personne; elle devait alors exposer les motifs ayant fondé le rejet de la proposition (
ATF 107 II 504
consid. 3 p. 506; arrêts 5A_559/2012 du 17 janvier 2013 consid. 5.2; 5A_17/2011 du 20 juillet 2011 consid. 4.1; 5P.332/2000 du 5 octobre 2000 consid. 3a). Cette disposition a été introduite exclusivement dans l'intérêt public, non pas dans l'intérêt privé du bénéficiaire de la mesure (arrêt 5A_443/2008 du 14 octobre 2008 consid. 2.2).
La possibilité pour l'intéressé de proposer une personne en qualité de curateur a été reprise dans le nouveau droit à l'
art. 401 al. 1 CC
. Lorsque la personne concernée propose une personne comme curateur, l'autorité de protection de l'adulte accède à son souhait
BGE 140 III 1 S. 4
(entspricht; acconsente) à condition que la personne proposée remplisse les conditions requises et accepte la curatelle (
art. 401 al. 1 CC
). La prise en considération des voeux de la personne qui a besoin d'aide permet de tenir compte du fait que, si celle-ci choisit une personne en qui elle a confiance, les chances de succès de la curatelle augmentent. Le principe de l'autonomie de la personne (Selbstbestimmungsrecht; autodeterminazione) est au centre de cette disposition (Message du 28 juin 2006 concernant la révision du code civil suisse [...], FF 2006 6684 ad art. 401), plus encore qu'il ne l'était sous l'empire de l'ancien
art. 381 CC
(RUTH E. REUSSER, in Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, n° 26 ad
art. 401 CC
).
4.2
Le curateur doit être une personne physique qui possède les aptitudes et les connaissances nécessaires à l'accomplissement des tâches qui lui seront confiées (
art. 400 al. 1 CC
). Parmi les éléments déterminants pour juger de l'aptitude figurent notamment le fait de posséder les qualités professionnelles et relationnelles, ainsi que les compétences professionnelles requises pour les accomplir (FF 2006 6683 ad art. 400), de disposer du temps nécessaire et d'exécuter les tâches en personne (
art. 400 al. 1 CC
), mais aussi de ne pas se trouver en situation de conflit d'intérêts. Ce dernier critère doit permettre au curateur de se dédier à sa tâche sans que l'exécution de celle-ci ne soit rendue impossible ou difficile à l'excès par une autre activité qui lui serait contraire, ou par tout autre intérêt dont il aurait la charge, et de respecter son devoir de diligence ainsi que le secret professionnel auquel il est tenu en vertu de l'
art. 413 al. 1 et 2 CC
.
La loi envisage expressément les cas dans lesquels les intérêts du curateur et ceux de l'intéressé entreraient en conflit (
art. 403 al. 1 CC
). La notion de "conflit d'intérêts" peut aussi englober les cas dans lesquels le mandataire est en charge, successivement, de deux mandats contradictoires. En l'occurrence, se pose la question de l'existence d'un conflit d'intérêts, pour la curatrice, entre sa mission de représentation durant la procédure (
art. 449a CC
) et la mission subséquente de curatrice de représentation avec gestion (art. 394 s. CC). Cette question ne peut être résolue de façon uniforme, mais doit être analysée dans chaque cas d'espèce en tenant compte de l'ensemble des circonstances. En principe, dans le cas où l'intéressé
s'oppose
au principe même de la curatelle, il n'est pas opportun de confier le mandat de curatelle à celui qui avait été nommé pour l'assister au cours de la procédure. En effet, l'intéressé ne peut en général pas avoir une relation de confiance avec cette personne, si celle-ci assume par la
BGE 140 III 1 S. 5
suite le mandat (arrêt 5A_221/2007 du 28 août 2007 consid. 3), ce qui compromet les chances de succès de la mesure. En revanche, lorsque l'intéressé a consenti à la curatelle, il n'est pas forcément inopportun de confier les deux mandats successifs à la même personne.
4.3
4.3.1
En l'occurrence, le recourant souhaitait bénéficier d'une mesure de curatelle. Au cours de la procédure, il a pu nouer un lien de confiance avec Me D., celle-ci ayant été nommée comme curatrice pour l'aider dans ses démarches, qui ont d'ailleurs abouti puisque l'autorité a ordonné la mesure sollicitée. Dès lors, on ne voit pas pourquoi la curatrice se trouverait en conflit d'intérêts si elle devait assumer successivement les deux missions. Peu importe, à cet égard, de savoir si elle a été nommée pour assister l'intéressé en procédure parce qu'il n'était pas en mesure de défendre lui-même ses intérêts et de désigner un représentant, ou pour d'autres motifs.
Par conséquent, pour autant qu'aucun autre motif ne s'oppose à la désignation de Me D. (cf. supra consid. 4.2), et que celle-ci accepte sa mission, elle doit en principe être désignée comme curatrice. La Cour de céans ne disposant pas de tous les éléments nécessaires pour déterminer si elle remplit toutes les autres conditions requises, la cause doit être renvoyée à l'autorité précédente pour instruction complémentaire et nouvelle décision sur ce point (
art. 107 al. 2 LTF
).
4.3.2
A toutes fins utiles, il convient d'examiner le grief de violation de l'
art. 401 al. 3 CC
, pour le cas où l'autorité cantonale retiendrait que Me D. ne possède pas les qualités requises pour être désignée et déciderait de confirmer Me E. dans ses fonctions.
En vertu de cette disposition, l'autorité de protection de l'adulte doit tenir compte autant que possible des objections que la personne concernée soulève à la nomination d'une personne déterminée. Le droit de l'intéressé de refuser la nomination d'une personne n'est cependant pas absolu, car il y a lieu d'éviter que des refus répétés n'empêchent d'instituer la curatelle (FF 2006 6684 ad art. 401). Lorsque l'intéressé formule des objections, l'autorité de protection de l'adulte doit examiner si celles-ci sont objectivement plausibles. Il y a lieu de se montrer moins strict dans l'appréciation des objections lorsque la personne s'oppose, pour la première fois, à ce qu'une personne soit désignée comme curatrice et qu'elle ne conteste pas la mesure en tant que telle.
En l'espèce, l'autorité précédente ne pouvait donc pas se contenter de rejeter les objections du recourant à l'encontre de la désignation de
BGE 140 III 1 S. 6
Me E. pour le seul motif qu'il n'avait allégué "aucun grief sérieux" à l'encontre de celui-ci; elle devait tout au moins expliquer en quoi ces critiques, qui ne sont pas explicitées dans la décision attaquée, ne seraient pas objectivement plausibles. Elle devait également tenir compte, d'une part, du fait que le recourant ne semble pas vouloir empêcher la mise en place de la curatelle, puisqu'il a lui-même proposé un curateur et, d'autre part, du fait qu'il n'avait encore jamais formulé d'objections. Quant à l'éventuel conflit d'intérêts qui résulterait du double mandat de Me E., curateur de l'intéressé et de son épouse, la question n'est plus d'actualité, l'épouse étant désormais décédée. | null | nan | fr | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
63992714-c717-41d2-91c9-471bc168e570 | Urteilskopf
107 Ib 233
42. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Dezember 1981 i.S. Müller und Koller gegen Regierungsrat des Kantons Thurgau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Raumplanung; Ausnahmebewilligung.
1. Gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Ausnahmebewilligungen gemäss
Art. 24 RPG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig, unabhängig davon, ob die Anwendung von Bundesrecht (
Art. 24 Abs. 1 RPG
) oder von kantonalem Ergänzungsrecht (
Art. 24 Abs. 2 RPG
) streitig ist (E. 1a). Anfechtbar sind sowohl positive als auch negative Entscheide (
Art. 34 Abs. 1 RPG
; E. 1b).
2.
Art. 24 Abs. 2 RPG
ist eine reine Kompetenznorm; fehlt entsprechendes kantonales Ergänzungsrecht, dürfen Ausnahmebewilligungen nur unter den strengeren Voraussetzungen von
Art. 24 Abs. 1 RPG
erteilt werden (E. 2a).
3. Kantonales Ergänzungsrecht zu
Art. 24 Abs. 2 RPG
kann nur sein, was die Kantone gestützt auf diese Vorschrift erlassen haben (E. 2b). | Erwägungen
ab Seite 234
BGE 107 Ib 233 S. 234
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführer beanspruchen eine Bewilligung für den Wiederaufbau einer zerstörten Baute ausserhalb der Bauzone. Sie stützen ihren Anspruch auf Art. 24 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) beziehungsweise auf das kantonale Recht, worauf diese Vorschrift des Raumplanungsgesetzes verweist.
a)
Art. 34 Abs. 1 RPG
erklärt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als zulässiges Rechtsmittel gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Bewilligungen im Sinne von
Art. 24 RPG
. Abs. 1 von
Art. 24 RPG
enthält eine abschliessende bundesrechtliche Regelung, während es Abs. 2 dem kantonalen Recht überlässt, in einem beschränkten Umfang Ausnahmen vorzusehen. Bewilligungen nach
Art. 24 Abs. 1 RPG
stützen sich somit auf eidgenössisches, solche nach
Art. 24 Abs. 2 RPG
auf kantonales Recht. In beiden Fällen ist gemäss
Art. 34 Abs. 1 RPG
die
BGE 107 Ib 233 S. 235
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig, ohne dass es darauf ankäme, ob eine Bewilligung nach
Art. 24 Abs. 1 oder Abs. 2 RPG
streitig ist (vgl. HEINZ AEMISEGGER, Leitfaden zum Raumplanungsgesetz, VLP-Schriftenfolge Nr. 25, Bern 1980, S. 123; FRITZ GYGI, Der Rechtsschutz, in: Das Bundesgesetz über die Raumplanung, Berner Tage für die juristische Praxis 1980, Bern 1980, S. 72; EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, Art. 34 N. 6 lit. a, S. 360, N. 13, S. 364).
b)
Art. 34 Abs. 1 RPG
spricht nur von "Bewilligungen". Damit stellt sich die Frage, ob ablehnende Entscheide letzter kantonaler Instanzen im Sinne von
Art. 24 RPG
nicht mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechtbar seien. Einen Anhaltspunkt für eine solche Betrachtungsweise könnte zunächst der Wortlaut von
Art. 34 Abs. 1 RPG
geben. Sodann liegt es im Sinne des Raumplanungsgesetzes, die Gestattung unkontrollierter Ausnahmen möglichst weitgehend zu verhindern; deshalb erklärt auch
Art. 34 Abs. 2 RPG
die Kantone und Gemeinden als beschwerdeberechtigt. Schliesslich liesse sich eine Anmerkung von FRITZ GYGI in diesem Sinne verstehen (a.a.O., S. 71, Anm. 20); danach lässt das Raumplanungsgesetz die Verwaltungsgerichtsbeschwerde für Verfügungen letzter kantonaler Instanzen über Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen "anscheinend beschränkt auf die Gestattung der Ausnahme" zu. Eine derart einschränkende Auslegung entspräche indessen nicht dem Sinn vom
Art. 34 Abs. 2 RPG
. Abgesehen davon, dass es aussergewöhnlich wäre, ein bestimmtes Rechtsmittel nur gegen befürwortende, nicht aber gegen ablehnende Entscheide zuzulassen, schiebt ein Vergleich mit dem französischen Text von
Art. 34 Abs. 1 RPG
jegliche Zweifel beiseite. Danach ist der Aussageteil "Entscheide ... über Bewilligungen im Sinne von Artikel 24" mit "les décisions ... sur des demandes de dérogation selon l'art. 24" übersetzt. Diese Formulierung bringt klar zum Ausdruck, dass sowohl die positiven als auch die negativen Entscheide anfechtbar sind. Davon ist denn auch das Bundesgericht bereits wiederholt ausgegangen (unveröffentlichte Urteile Keller vom 15. Oktober 1980; Henselmann vom 18. März 1981, insbesondere E. 1a; Lauchetal AG vom 25. März 1981; SI Dardagny les Granges S.A. vom 23. September 1981; Pfister vom 7. Oktober 1981; Vögeli vom 25. November 1981).
c) Die Beschwerde entspricht den Anforderungen von
Art. 34 Abs. 1 RPG
. Da sie auch die übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt, ist darauf einzutreten.
BGE 107 Ib 233 S. 236
2.
Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG
setzt für die Erteilung einer Baubewilligung voraus, dass die Bauten und Anlagen dem Zweck der Nutzungszone entsprechen. Abweichend davon darf nach
Art. 24 Abs. 1 RPG
die Errichtung oder Zweckänderung von Bauten und Anlagen ausnahmsweise bewilligt werden, wenn deren Zweck einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert (lit. a) und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b). Zudem kann gemäss
Art. 24 Abs. 2 RPG
das kantonale Recht gestatten, Bauten und Anlagen zu erneuern, teilweise zu ändern oder wieder aufzubauen, wenn dies mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar ist.
a) Die Beschwerdeführer berufen sich zur Begründung ihres Anspruchs, das abgebrannte Badehäuschen wieder aufbauen zu können, auf
Art. 24 Abs. 2 RPG
. Diese Vorschrift überlässt es dem kantonalen Recht, die Erneuerung, teilweise Änderung und den Wiederaufbau von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen gegenüber
Art. 24 Abs. 1 RPG
zu erleichtern. Dabei verlangt das Bundesrecht keine Standortbedingtheit mehr, sondern nur noch, dass das Vorhaben mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar ist (Aldo Zaugg, Aufgaben der Kantone, in: Das Bundesgesetz über die Raumplanung, Berner Tage für die juristische Praxis 1980, S. 23). Enthält jedoch das kantonale Recht keine Regelung, so kommt
Art. 24 Abs. 2 RPG
gar nicht zum Zug; diese Vorschrift ist keine Bewilligungs-, sondern eine reine Kompetenznorm (HEINZ AEMISEGGER, a.a.O., S. 123). Daher dürfen Ausnahmebewilligungen in solchen Fällen nur unter den strengeren Voraussetzungen von
Art. 24 Abs. 1 RPG
erteilt werden (PETER LUDWIG, Die Wirkungen der Zuweisung zur Landwirtschaftszone, in: Blätter für Agrarrecht 1980, S. 99; EJPD/BRP, a.a.O., Art. 24 N. 33, S. 302).
b) Kantonales Ergänzungsrecht zu
Art. 24 Abs. 2 RPG
kann nur sein, was die Kantone gestützt auf diese Kompetenzvorschrift erlassen haben. Nicht als Ausführungsrecht in diesem Sinne kommen kantonale Ausnahmevorschriften in Betracht, die schon vor Erlass des Raumplanungsgesetzes bestanden haben. Diese beziehen sich nicht auf die bisher vom Bundesrecht geregelte Frage der Zulässigkeit von Bauvorhaben ausserhalb der Bauzonen beziehungsweise des durch das GKP abgegrenzten Gebietes (
Art. 19 und 20 GSchG
,
Art. 25-28 AGSchV
, je in der bis Ende 1979 geltenden Fassung). Sie wären nur dann anzuerkennen, wenn sie vom zuständigen kantonalen Organ gestützt auf
Art. 24 Abs. 2
BGE 107 Ib 233 S. 237
RPG
ausdrücklich als Ergänzungsrecht zu dieser Vorschrift des Raumplanungsgesetzes bezeichnet worden wären.
Die Beschwerdeführer sehen das im vorliegenden Fall massgebende kantonale Ergänzungsrecht zu
Art. 24 Abs. 2 RPG
in erster Linie in § 108 Abs. 1 und in zweiter Linie in § 106 des Thurgauer Baugesetzes vom 28. April 1977 (BauG). Das Baugesetz des Kantons Thurgau ist indessen mehr als zwei Jahre vor Erlass des Raumplanungsgesetzes in Kraft getreten. Auch fehlt eine Vorschrift im Thurgauer Recht, die das Baugesetz oder einzelne Vorschriften davon als Ausführungsrecht zu
Art. 24 Abs. 2 RPG
bezeichnen würde. Die angerufenen Bestimmungen kommen daher von vornherein nicht als kantonales Ergänzungsrecht im Sinne von
Art. 24 Abs. 2 RPG
in Frage. Das Vorhaben ist deshalb wie ein Neubau zu behandeln, der nur bewilligt werden darf, wenn die Voraussetzungen von
Art. 24 Abs. 1 RPG
erfüllt sind. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
63a52cd5-633a-455d-a449-88f151d541e6 | Urteilskopf
109 II 239
54. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. August 1983 i.S. Löwenbräu Zürich AG gegen Gewerbebank Baden (Berufung) | Regeste
Umwandlung von Inhaberaktien in vinkulierte Namenaktien.
1.
Art. 8 und 930 ZGB
.
Art. 978 OR
. Der Besitzer von Inhaberaktien hat selbst als Fiduziar die gesetzliche Vermutung für sich, der aus den Aktien Berechtigte zu sein. Beweislast der Gesellschaft, die ihm widerspricht (E. 2).
2.
Art. 20 Abs. 2, 686 und 706 OR
. Anfechtung von Umtauschbedingungen, die vom Verwaltungsrat der Gesellschaft festgesetzt worden, zum Teil aber nichtig sind (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 239
BGE 109 II 239 S. 239
A.-
Am 14. Dezember 1979 beschloss die Generalversammlung der Löwenbräu Zürich AG, 8000 Inhaberaktien der Gesellschaft im Nennwert von je Fr. 200.-- in vinkulierte Namenaktien umzuwandeln.
Im Februar 1981 liess die Gesellschaft die Besitzer der Inhaberaktien öffentlich auffordern, ihre Titel umzutauschen; durch "Weisungen an die Banken" gab sie ferner die Modalitäten des Umtausches bekannt. Dazu gehörte insbesondere, dass gemäss Beschluss des Verwaltungsrates sämtliche Aktionäre, "die nachweisbar am 30. November 1979 Eigentümer von Inhaberaktien der Löwenbräu Zürich AG waren", als Eigentümer von Namenaktien B ins Aktienbuch eingetragen werden. Der Nachweis des Altbesitzes galt als erbracht, wenn die Inhaberaktien am 30. November 1979 auf den Namen des Aktionärs, der die Eintragung beantragte,
BGE 109 II 239 S. 240
bei der einreichenden Bank hinterlegt waren. Fiduziarische Eintragungen von Namenaktien waren nicht gestattet. Der Umtausch sollte bis spätestens 30. April 1981 abgeschlossen sein.
Am 10. April 1981 liess die Gewerbebank Baden 4856 Inhaberaktien, die sie bereits am 30. November 1979 besass, zum Umtausch in die gleiche Anzahl Namenaktien B der Löwenbräu Zürich AG übergeben. Die Gesellschaft weigerte sich indes, der Bank neue Namenaktien auszuhändigen und sie als Eigentümerin solcher Aktien ins Aktienbuch einzutragen. Mit Schreiben vom 2. Februar 1982 erklärte sie zudem, dass eine Rückgabe der nicht mehr zirkulationsfähigen Inhabertitel unmöglich geworden sei. Die übergebenen Inhaberaktien hatten damals angeblich einen Kurswert von rund 7 Mio. Franken.
B.-
Die Gewerbebank wandte sich daraufhin an den Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich, damit er der Löwenbräu Zürich AG unter Androhung von Strafe befehle, ihr 4856 Aktien B auf ihren Namen auszustellen und herauszugeben (Begehren 1), sie mit den entsprechenden Angaben im Aktienbuch einzutragen und ihr die Eintragung schriftlich zu bestätigen (Begehren 2).
Der Einzelrichter hielt die Begehren für illiquid und trat darauf nicht ein. Auf Rekurs der Klägerin hiess das Obergericht des Kantons Zürich sie am 2. Februar 1983 dagegen gut.
Die Beklagte führte dagegen Nichtigkeitsbeschwerde, die das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 6. Juni 1983 abwies.
C.-
Die Beklagte hat gegen den Rekursentscheid des Obergerichts auch Berufung eingelegt mit den Anträgen, die Rechtsbegehren der Klägerin abzuweisen oder die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt den angefochtenen Entscheid.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beklagte geht mit der Vorinstanz davon aus, dass die Klägerin am 30. November 1979 4856 Inhaberaktien der Löwenbräu AG besessen hat. Gleichwohl hält sie an ihren Einwänden fest, dass die Klägerin die Umtauschbedingungen weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht erfülle. Die Klägerin behaupte zwar, an 2576 Aktien eigene Rechte zu haben, also nicht als Beauftragte für Dritte zu handeln; die Rekursinstanz habe
BGE 109 II 239 S. 241
diese von der Gesellschaft bestrittene Behauptung aber nicht geprüft. Von den übrigen 2280 Aktien sage die Klägerin selber, dass sie nicht zu ihrem Eigenbestand gehörten; die Vorinstanz habe fiduziarisches Eigentum angenommen, die Rechtsverhältnisse zwischen der Klägerin und ihren Auftraggebern in der Meinung, es komme darauf im vorliegenden Fall nichts an, jedoch nicht untersucht. Ob die Klägerin diesen Teil der Aktien als Treuhänderin oder bloss als Aufbewahrerin, Nutzniesserin oder Faustpfandgläubigerin besessen habe, sei indes nicht gleichgültig. Selbst fiduziarisches Eigentum gebe ihr nach den Umtauschbedingungen keinen Anspruch darauf, dass die Gesellschaft ihr Aktien auf ihren Namen ausstelle und sie im Aktienbuch eintrage.
a) Dieser Kritik am angefochtenen Urteil ist vorweg entgegenzuhalten, dass die Klägerin nach dem erstinstanzlichen Entscheid, auf den das Obergericht für Einzelheiten des Sachverhalts und die Parteivorbringen vor dem Einzelrichter verweist, gemäss Bestätigungen ihres Verwaltungsrates, ihrer Direktion und der bankengesetzlichen Revisionsstelle vom 12. Januar 1982 am Stichtag 2576 Inhaberaktien der Gesellschaft zu Eigentum besessen hat. Das Obergericht hat diese Bestätigungen offensichtlich anders gewürdigt als der Einzelrichter; das erhellt daraus, dass es dessen Annahme, Zweifel an den behaupteten Eigentumsverhältnissen liessen das Verfahren nicht als liquid erscheinen, ausdrücklich verworfen hat. Es geht gestützt auf die Angaben der Parteien davon aus, die Klägerin habe an einem Teil der Aktien selbständiges, am andern zumindest fiduziarisches Eigentum. Das ist auch nach Auffassung des Kassationsgerichts Ausgangspunkt des vorliegenden Rechtsstreites. Dass das Obergericht eine bestrittene Behauptung der Klägerin ohne Überprüfung als richtig hingenommen und dadurch
Art. 8 ZGB
verletzt habe (
BGE 105 II 145
mit Hinweisen), liesse sich nur sagen, wenn es die Beweislast verkannt hätte. Das trifft nicht zu.
Die Vorinstanz hat es nicht bei den eigenen Angaben der Klägerin, an einem Teil der Inhaberaktien "bloss" fiduziarische Eigentümerin zu sein, bewenden lassen. Sie hält unter Hinweis auf Jäggi (N. 48 ff. zu
Art. 978 OR
) mit Recht fest, dass die Klägerin als (rechtmässige) Besitzerin der Inhaberaktien so oder anders die gesetzliche Vermutung für sich hat, nicht nur zu deren Vorweisung im Umtauschverfahren legitimiert, sondern auch die aus den Aktien Berechtigte zu sein (vgl. HOMBERGER, N. 9 zu
Art. 930 ZGB
). Warum diese Vermutung vorliegend nicht gelten, die Beweislast
BGE 109 II 239 S. 242
also umgekehrt und von anderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden soll, ist nicht zu ersehen. Es war Sache der Beklagten, die Vermutung zu zerstören, falls sie Anhaltspunkte für täuschende Angaben hatte (JÄGGI, N. 51 zu
Art. 978 OR
). Solche hat sie nach dem angefochtenen Urteil aber nicht behauptet, geschweige denn mit Beweismitteln, die sie spätestens in der Rekursantwort hätte vorbringen müssen, zu belegen versucht; sie begnügte sich vielmehr mit blossen Bestreitungen, obschon sie noch im kantonalen Beschwerdeverfahren das Recht beanspruchte, das Verhältnis zwischen der Klägerin und deren Auftraggeber überprüfen zu dürfen, bevor sie die Aktien umtausche.
b) Beizupflichten ist der Vorinstanz auch darin, dass der Fiduziar bei Treuhandgeschäften Dritten gegenüber unbeschränkter Inhaber der übertragenen Rechte wird, insbesondere an den ihm anvertrauten Vermögenswerten volles Eigentum erwirbt, gleichviel auf welchem Rechtsgrund die Übertragung beruht. Das entspricht sowohl ständiger Rechtsprechung (
BGE 96 II 93
E. 8a und 71 II 100 ff. mit Zitaten) wie der herrschenden Lehre (JÄGGI/GAUCH, N. 188 ff. zu
Art. 18 OR
und dort angeführtes Schrifttum). Daraus folgt, dass die Klägerin selbst als fiduziarische Eigentümerin von Inhaberaktien sich nicht bloss auf die gesetzliche Vermutung zu ihren Gunsten berufen kann, sondern gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich auch Anspruch auf Umtausch der Aktien in Namenpapiere und auf Eintragung ins Aktienbuch hat.
3.
Die Beklagte macht ferner geltend, das Obergericht verkenne, dass es gar nicht um Rechte aus Inhaberpapieren gehe, weil ihre Generalversammlung mit rechtsgültigem Beschluss vom 14. Dezember 1979, der unangefochten geblieben sei, die Inhaberaktien in Namenpapiere umgewandelt habe. Die Klägerin mache mit ihren Rechtsbegehren denn auch Ansprüche geltend, die nur einem "Namenaktionär" zustehen könnten, nämlich dass ihr Namenaktien ausgestellt werden und sie damit im Aktienbuch einzutragen sei. Die Vorweisung von Inhaberpapieren genüge dafür aber nicht; die Gesellschaft dürfe vom Ansprecher vielmehr zusätzliche Ausweise verlangen. Das Obergericht habe zudem die vom Verwaltungsrat festgesetzten Umtauschbedingungen zu Unrecht als unmassgeblich bezeichnet, da nach § 3 der Statuten der Verwaltungsrat die Übertragung von Namenaktien zu genehmigen habe, die Bedingungen für die Eintragung im Aktienbuch festlege (Abs. 4) und die Genehmigung auch ohne Begründung verweigern dürfe (Abs. 5).
BGE 109 II 239 S. 243
a) Aus diesen Befugnissen ihres Verwaltungsrates kann die Beklagte nichts zu ihren Gunsten ableiten. Sie übersieht, dass die entsprechenden Bestimmungen zur Statutenänderung vom 14. Dezember 1979 gehören und ihre Generalversammlung am gleichen Tag beschlossen hat, alle Inhaberaktien der Gesellschaft in vinkulierte Namenaktien umzuwandeln, die Klägerin die streitigen Wertpapiere aber schon am Stichtag gemäss Ziff. 5 der Umtauschbedingungen, nämlich am 30. November 1979 besessen hat, sie folglich noch früher erworben haben muss. Damit hatte die Klägerin zum vornherein Anspruch auf alle Rechte, die nur gestützt auf die Aktienurkunden geltend gemacht werden konnten und auch nach dem Umwandlungsbeschluss mit den Urkunden verbunden bleiben mussten (
BGE 90 II 241
,
BGE 83 II 305
; BÜRGI, N. 98 f. zu
Art. 686 OR
). Die Argumentation der Beklagten läuft darauf hinaus, den neuen Vinkulierungsvorschriften rückwirkende Kraft beimessen und einem Aktionär wohlerworbene Rechte absprechen zu wollen. Das eine wie das andere ist unzulässig.
Daran scheitert auch der Einwand, die Inhaberpapiere seien (jedenfalls) zur Zeit, als die Klägerin sie zum Umtausch einreichte, infolge des 1979 gefassten Umwandlungsbeschlusses der Gesellschaft Namenpapiere gewesen, weshalb die Klägerin nicht nur die weiteren Bedingungen für den Umtausch, sondern auch die statutarischen Voraussetzungen dafür habe erfüllen müssen. Die Vinkulierungsvorschriften gemäss § 3 Abs. 4 und 5 der Statuten gelten nach ihrem klaren Wortlaut lediglich für "die Übertragung von Namenaktien". Von einer solchen Übertragung kann hier im Ernst aber keine Rede sein, da die Klägerin mit den eingeklagten Ansprüchen bloss die bisherigen Inhaberaktien entsprechend dem Beschluss der Gesellschaft durch eine gleiche Anzahl Namenaktien ersetzt haben und von der Beklagten weiterhin als vollberechtigte Aktionärin behandelt werden will (vgl.
BGE 81 II 541
).
b) Die Umtauschbedingungen sind nach den eigenen Angaben der Beklagten von deren Verwaltungsrat festgesetzt und im Februar 1981 mit der Aufforderung an die Besitzer der bisherigen Inhaberaktien, ihre Titel bis spätestens 30. April 1981 einzuliefern, veröffentlicht worden. Auch die in den Weisungen an die Banken enthaltene Erklärung, dass fiduziarische Eintragungen von Namenaktien nicht gestattet seien, beruhte auf einem Beschluss des Verwaltungsrates. Es schadet der Klägerin nicht, dass sie sich erst im vorliegenden Verfahren auf die Unzulässigkeit einer solchen Einschränkung berufen hat, da Verwaltungsratsbeschlüsse
BGE 109 II 239 S. 244
nicht Gegenstand einer Anfechtungsklage gemäss
Art. 706 OR
sein können (
BGE 76 II 61
ff.). Wie es sich verhalten würde, wenn die Einschränkung durch die Generalversammlung der Gesellschaft beschlossen worden wäre, braucht unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden.
Dass die Vorinstanz die Umtauschbedingungen teils als gültig, teils als ungültig bezeichnet und erklärt hat, der Verwaltungsrat habe "auf diesem Weg" keine bindenden Rechtsnormen schaffen können, ergibt keinen Widerspruch. Das Obergericht hielt diese Bedingungen bloss insoweit für unbeachtlich, als sie sich mit zwingenden Vorschriften des Aktien- und Wertpapierrechts nicht vertragen (
BGE 86 II 86
E. 5,
BGE 84 II 555
). Die Klägerin hält der Beklagten zudem mit Recht entgegen, im kantonalen Verfahren nicht verlangt zu haben, dass auf Nichtigkeit überhaupt zu erkennen, der Umtausch von Inhaberaktien in Namenaktien samt der damit zusammenhängenden Statutenänderung also rückgängig zu machen sei, wenn die Umtauschbedingungen sich teilweise als nichtig erweisen sollten. Das Obergericht hatte auch daher weder nach Aktienrecht noch nach
Art. 20 OR
einen Anlass, die Umtauschbedingungen in ihrem vollen Umfang für unverbindlich zu erklären. Dies gilt um so mehr, als
Art. 20 Abs. 2 OR
nach seinem Sinn und Zweck eine Schutzbestimmung zugunsten der Partei ist, die bei Teilnichtigkeit des Rechtsverhältnisses benachteiligt würde, daran im übrigen aber selber festhält (
BGE 107 II 423
E. 3a mit Hinweisen).
c) Nach dem, was tatsächlich feststeht und in rechtlicher Hinsicht gilt, hat das Obergericht nicht bloss den Anspruch der Klägerin auf Ausstellung von Namenaktien, sondern auch deren Begehren um Eintragung im Aktienbuch zu Recht geschützt. Die Beklagte vermengt die beiden Begehren zu Unrecht miteinander. Das erste ergibt sich daraus, dass die Klägerin alle streitigen Inhaberaktien samt den damit verbundenen Rechten eines Aktionärs beizeiten erworben hat, sich folglich nach Treu und Glauben auf die Aufforderung der Beklagten berufen kann, die bisherigen Titel zum Umtausch in Namenaktien einzuliefern; das zweite ist eine Rechtsfolge ihres Anspruchs auf Aushändigung von Namenaktien (
BGE 76 II 67
/68; BÜRGI, N. 30 und 36 zu
Art. 686 OR
). | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
63a70d7f-131e-47f2-be49-9895a921b8e1 | Urteilskopf
115 IV 8
3. Extrait du jugement de la Cour pénale fédérale du 24 février 1989 dans la cause Ministère public de la Confédération c. Hariri | Regeste
Art. 112 StGB
; Mord.
Ein Fanatismus, der bis zur totalen Missachtung des Lebens anderer Menschen führt, bildet eines der spezifischen Merkmale des Mordes, indem er die Geisteshaltung des Täters enthüllt und die besondere und dauernde Gefahr offenbart, die er für diejenigen darstellt, welche seinen Glauben nicht teilen. | Sachverhalt
ab Seite 8
BGE 115 IV 8 S. 8
A. L'accusé
a) Hussein Ali Mohamad est né semble-t-il le 10 mars 1966 dans le Sud-Liban. Cinquième d'une famille de sept enfants, il a bénéficié d'un milieu familial harmonieux, respectant son père, âgé maintenant de 55 ans et homme de bien, ennemi de la violence, ainsi que sa mère, qui encadre bien sa famille, mais redoute les contacts extérieurs. Les valeurs prédominantes de cette famille sont le soutien mutuel inconditionnel, la vie collective, la solidarité, la discrétion et la modestie. Hariri a commencé, à l'âge de trois ou quatre ans, à fréquenter une école chrétienne. Il a acquis l'écriture vers cinq-six ans et il a toujours obtenu des notes satisfaisantes, même en dessus de la moyenne, sans toutefois être un élève brillant. Il n'a pas eu de problèmes disciplinaires, s'entendant bien tant avec ses camarades qu'avec ses professeurs. Il a continué sa scolarité jusqu'en 1982, soit jusqu'à seize ans. Ses branches préférées étaient la géométrie et la géographie, ses sports favoris le volley-ball et le tennis de table. La fin de la scolarité d'Hariri a coïncidé avec la période d'occupation du Sud-Liban par l'armée israélienne. Un grand nombre d'écoles professionnelles ont été fermées et il y avait très peu de possibilités d'apprentissage, c'est pourquoi Hariri, ne pouvant comme il le souhaitait acquérir un métier technique dans le domaine de l'électricité ou de la
BGE 115 IV 8 S. 9
mécanique, a accepté d'aller rejoindre son père qui, en 1980, à la suite de conflits intercommunaux et des interventions israéliennes était parti pour Bangui, en Afrique, où il tenait un magasin. Hariri est resté 18 mois auprès de son père, mais il a eu de plus en plus la nostalgie de son pays et du reste de sa famille resté au Liban. Presque immédiatement après son retour, en 1984, il a été arrêté par les Israéliens et placé dans un camp. Interné d'abord dans le camp d'Aman, au Sud-Liban, il a été ensuite transféré dans le camp Adlid, à proximité d'Haïfa. Il a été libéré dix mois plus tard, en 1985, dans le cadre de négociations consécutives à un détournement d'avion. A sa libération, Hariri est retourné à Bangui pour se reposer, aussi n'a-t-il pas aidé son père au magasin. Cinq mois après, il est revenu au Liban où il a travaillé avec un de ses beaux-frères, dans un commerce de voitures d'occasion importées d'Allemagne. Cette période a été entrecoupée d'un bref et troisième séjour à Bangui au cours duquel il a fait commerce d'appareils audiovisuels. C'est en 1985, à sa libération des camps palestiniens, que Hariri a adhéré au Hezbollah. En 1986, il a fait un stage militaire dans un camp de la Bekaa, où il a appris l'usage des armes. II. Les faits de la cause
Après son troisième séjour à Bangui, Hariri est revenu au Liban où il a reçu des chefs du mouvement Hezbollah la mission de détourner un avion sur Beyrouth, de façon à disposer d'une monnaie d'échange. Il a reçu à cet effet un document en langue arabe contenant des instructions sur les revendications à présenter. Avec un pistolet cal. 7,65 browning, trois cartouches à blanc, environ 140 cartouches à balle contenues notamment dans trois paquets de 25, trois détonateurs, deux piles de 9 volts, des fils électriques et 562 g de trinitrotoluène, il s'est rendu à Bangui où il est resté environ un mois avant de prendre le 23 juillet un avion d'Air Afrique dont la destination était Paris via Rome. Ce vol (Air Afrique RK 056) avait été choisi en raison du grand nombre de Français se trouvant à bord, dans l'espoir de pouvoir obtenir la libération des Libanais détenus en France. Il semble que le matériel mentionné plus haut ait pu être introduit dans l'avion grâce à la complicité d'un employé de l'aéroport de Bangui. Alors qu'il aurait été probablement plus facile de détourner l'avion avant l'escale de Rome, Hariri a décidé de ne procéder au détournement
BGE 115 IV 8 S. 10
qu'après le départ de cette ville car, devant agir seul, il espérait que la moitié des passagers descendraient à cette escale. Il a également pris un billet Bangui-Rome, pour éviter d'avoir à présenter un visa pour la France.
A Rome, Hariri est resté dans l'avion sans être interpellé, un autre passager étant descendu sans s'annoncer et la vérification par comptage n'ayant pour cette raison pas permis de le repérer. Peu après le départ en direction de Paris, à la verticale de l'île d'Elbe, vers 7 h, il s'est rendu aux toilettes avec le sac de sport dans lequel se trouvait son matériel. Il a pris son pistolet, chargé de trois cartouches à blanc et de cinq cartouches à balle, ainsi qu'un chargeur de réserve rempli de huit cartouches à balle, dans la poche de sa chemise, et cinquante cartouches à balle en vrac, dans les poches de son pantalon. Une demi-heure après, il a fait irruption en criant dans le compartiment de première classe, tirant deux coups à blanc, puis dans la cabine de pilotage où il a encore tiré un coup à blanc et a, après avoir fait sortir le copilote et le mécanicien, demandé de détourner l'avion sur Beyrouth. Il est ensuite revenu dans le compartiment de première classe où il a tiré deux balles dans le plancher et ordonné, sous la menace de son arme, l'évacuation des passagers vers l'arrière. Il s'est également fait apporter son sac de toile dans lequel il a pris l'explosif ainsi qu'une pile de 9 volts qu'il a fixés à sa ceinture par du ruban adhésif. Puis il a introduit un des trois détonateurs dans la charge explosive et il a attaché les fils électriques de manière à pouvoir provoquer l'explosion en mettant le contact avec la pile. Il ressort des explications données par l'expert J. Meier et de l'expertise déposée le 12 février 1988 par l'Institut de recherches scientifiques de la ville de Zurich que cet explosif était de nature à tuer dans un rayon de 2 m, à causer des lésions corporelles graves sinon mortelles dans un rayon de 5 m, à provoquer presque certainement la perte de l'avion en vol et à le détruire au sol avec tout ou partie de ses passagers, l'explosion risquant de mettre le feu au carburant. Hariri est alors retourné dans le poste de pilotage où le commandant de bord lui a expliqué que la destination de Beyrouth était exclue, faute de carburant et des papiers nécessaires. Il a accepté que l'avion se pose à Genève d'où, une fois le plein effectué, il serait possible de prendre l'air pour le Liban. Peu avant l'atterrissage à Genève-Cointrin, aux environs de 8 h, il a demandé aux stewards de ramasser les passeports des passagers de race blanche, puis de les trier par nationalité. A cette occasion, il a fait
BGE 115 IV 8 S. 11
venir près de lui un occupant, Peter Schroth, ressortissant des Etats-Unis dont il semble avoir cru qu'il ne voulait pas remettre son passeport, alors que celui-ci était seulement resté dans le compartiment de première classe. Il l'a menacé de son arme, puis l'a conduit dans le compartiment de la classe touriste, plaçant son pistolet sur la nuque de son prisonnier et disant: "Regardez cet homme, si quelqu'un bouge, il va mourir." Il lui a ensuite réclamé à nouveau son passeport et ne l'a relâché qu'après avoir constaté qu'il avait affaire à un ressortissant américain.
L'avion a atterri à Genève peu après 8 heures. Après avoir exigé à plusieurs reprises, en proférant des menaces, que le plein de carburant soit effectué rapidement, Hariri a fait venir aux environs de 9 h 30 deux passagers français, Xavier Beaulieu et Sébastien Brethes, qu'il a obligés à s'asseoir côte à côte dans le compartiment de première classe et il a recouvert la tête de chacun d'eux avec une couverture. Il a lancé alors plusieurs ultimatums, annonçant qu'il allait exécuter un passager si satisfaction ne lui était pas donnée. Enfin, après un dernier ultimatum de trois minutes, à 10 h 50, il s'est placé selon toute vraisemblance derrière les sièges où se trouvaient les deux Français puis, approchant son arme par-derrière, à quelques centimètres du crâne de Beaulieu, tout contre celui-ci, il a tiré, tuant sa victime d'un seul coup. Certes, Hariri a-t-il soutenu lors du procès une autre version, prétendant avoir tiré parce que Beaulieu s'était élancé sur lui, tête en avant, alors qu'il triait les passeports placés devant lui sur un siège de la rangée voisine, pour retrouver ceux de passagers non Français qu'il voulait libérer, mais un tel processus est invraisemblable et ne peut être retenu, ne serait-ce que parce que Beaulieu, souffrant d'une hépatite virale, était sans doute bien incapable de tenter quoi que ce soit contre son bourreau, mais aussi et surtout parce que la première version des faits donnée par Hariri lors de l'instruction correspond mieux aux déclarations du témoin Bemba, aux observations de l'expert médico-légal quant au trajet de la balle de haut en bas et d'arrière en avant, dans la boîte crânienne, et enfin au contenu de la conversation entre Hariri et le représentant de l'OLP. A cela s'ajoute encore que le voisin de Beaulieu, dont le bras touchait le sien, n'a perçu aucun mouvement et que le moment du coup de feu a correspondu exactement à l'échéance du dernier délai de trois minutes.
Après l'exécution de Beaulieu, Hariri a invité deux stewards à jeter le corps par-dessus bord, mais, devant leur refus, il les a
BGE 115 IV 8 S. 12
autorisés à descendre avec deux autres stewards la victime, dont la tête était toujours sous la couverture, au bas de la passerelle. Il est ensuite revenu dans la cabine de pilotage où il a ordonné la transmission d'un nouvel ultimatum de deux minutes après lesquelles il tuerait à nouveau, et il a passé dans le compartiment de première classe dans lequel il a interpellé Brethes, après avoir retiré la couverture masquant son visage et lui avoir montré le siège ensanglanté de son voisin, en lui disant: "Regarde, ton frère est mort, ça va être ton tour dans deux minutes"; puis il a replacé la couverture sur sa tête, répétant plusieurs fois ses menaces. A ce moment, il a été appelé sur la radio de bord par le représentant de l'OLP à Genève, Nabil Ramlaoui et, après avoir d'abord refusé, il a eu avec celui-ci une conversation de près d'une heure à l'issue de laquelle il a accepté de libérer trois otages, deux Belges et un Canadien. Il a alors fait passer une annonce par haut-parleur pour faire venir ces personnes et faire savoir que l'avion allait repartir. Les passagers de l'avion, effrayés, ont alors réussi à ouvrir certaines portes et à obtenir de l'équipage qu'il en ouvre d'autres et ils ont commencé à quitter l'appareil, soit en sautant, soit en utilisant le toboggan lorsque celui-ci s'est déployé. Entendant du bruit à l'arrière, Hariri s'est précipité son pistolet à la main, mais il a été intercepté par plusieurs hommes d'équipage, dont Jean-Pierre Elouma, qui le ceinturait par-derrière et qu'il a blessé sérieusement en tirant avec son arme, tenue de la main droite. La balle a pénétré à droite de l'ombilic et elle est ressortie à l'aîne gauche après avoir perforé l'intestin grêle. La police est alors intervenue et elle a repris le contrôle de l'avion, aux environs de 11 h 15, mais une trentaine de passagers s'étaient déjà blessés en sautant au sol. Sébastien Brethes, qui était toujours sous la couverture, a été libéré à ce moment.
Erwägungen
Considérant en droit:
I.
Les infractions retenues
a) Plusieurs qualifications juridiques retenues dans l'acte d'accusation peuvent être reprises sans grande discussion, tant elles sont évidentes. Tel est ainsi le cas de la prise d'otage qualifiée au sens de l'
art. 185 ch. 3 CP
qui englobe les éléments constitutifs des chiffres 1 et 2 du même article. En effet, ni la prise d'otage ni les menaces de mort, ni le grand nombre de personnes visées ne sont contestables. Il en va de même en ce qui concerne l'emploi
BGE 115 IV 8 S. 13
d'explosifs avec dessein délictueux au sens de l'
art. 224 CP
, le trinitrotoluène étant un explosif puissant et connu, dont l'utilisation dans un but illicite ne peut pas plus être contestée en l'espèce que le risque couru par les passagers, ainsi que de l'entrave qualifiée à la circulation publique au sens de l'art. 237 ch. 1 al 2 CP, dont la réalisation résulte sans autre du détournement de l'avion Air Afrique (cf.
ATF 106 IV 122
), un tel acte ajouté aux risques de la circulation aérienne mettant en principe en danger la vie ou l'intégrité corporelle des passagers. Enfin, tant l'explosif que les détonateurs, le pistolet et les cartouches utilisés par Hariri sont du matériel de guerre au sens des art. 1 et 2 de l'ordonnance sur le matériel de guerre du 10 janvier 1973. Or, en acceptant que l'avion détourné se dirige sur Genève, Hariri a du même coup accepté d'introduire ce matériel sur le territoire suisse sans autorisation. Il s'ensuit qu'il a violé l'art. 17 de la loi fédérale sur le matériel de guerre. On relève toutefois que ladite loi n'a pas pour but d'assurer la sécurité sur le territoire suisse mais seulement d'assurer le contrôle des transactions portant sur du matériel de guerre et de la circulation de celui-ci sur et à travers le territoire suisse. Il s'ensuit que la gravité du cas ne résulte pas de l'emploi qui est fait du matériel mais de l'importance ou de la quantité de celui qui est en cause. En l'espèce donc, un pistolet et une quantité d'explosif comparable à celle que contient une grenade à main ne saurait constituer un cas grave au sens de l'art. 17 de la loi sur le matériel de guerre. Aussi l'accusation ne peut-elle être suivie sur ce point.
b) En ce qui concerne l'homicide commis sur Xavier Beaulieu, il doit sans hésitation être considéré comme un assassinat, comme dans l'acte d'accusation, mais il convient de relever que cette qualification ne résulte pas du seul fait que la victime a été tuée dans le cadre d'une prise d'otage, mais bien de la référence à une jurisprudence constante (cf. notamment
ATF 104 IV 153
et 106 IV 342). Selon celle-ci, l'assassinat est réalisé lorsque l'auteur a tué dans des circonstances ou avec une préméditation dénotant qu'il est particulièrement pervers ou dangereux, la présence de l'un seul de ces deux caractères étant suffisante. Pour apprécier si l'auteur est particulièrement pervers ou dangereux, il faut prendre en considération non seulement les circonstances dans lesquelles il a agit, mais encore les événements qui ont entouré l'infraction, dans la mesure où ils révèlent le caractère du délinquant, son comportement général ainsi que son état ou ses réactions
BGE 115 IV 8 S. 14
psychiques au moment de l'acte. Dans ce cadre, l'utilisation de moyens particulièrement condamnables, un mode d'exécution impliquant cruauté ou perfidie, des mobiles tels que le plaisir de tuer, la vengeance, l'égoïsme ou enfin l'absence de repentir sont des éléments particulièrement révélateurs de la mentalité de l'auteur. Cette mentalité doit apparaître comme une constante de la personnalité sur laquelle le juge doit se prononcer selon des critères moraux. Chez l'assassin, l'égoïsme l'emporte en général sur toute autre considération; il est souvent prêt à sacrifier pour la satisfaction de besoins égoïstes un être humain dont il n'a pas eu à souffrir et fait preuve d'un manque complet de scrupules et d'une grande froideur affective.
En l'espèce, il est vrai qu'à première vue, Hariri n'a pas agi au premier chef dans un but égoïste, puisque le détournement était notamment destiné à obtenir la libération de terroristes détenus en France et en Allemagne et que de toute manière il n'était pas dans les intentions de son auteur d'en retirer le moindre profit personnel. Cela dit, si l'on examine le cas de plus près, on doit admettre qu'Hariri a porté de très graves atteintes à la liberté, à l'intégrité corporelle et même à l'existence de gens totalement innocents - sous réserve d'une responsabilité collective qui n'est plus admise dans les pays civilisés - qu'il s'apprêtait à livrer à Beyrouth, à la merci de militants impitoyables et déterminés. Lui-même, pour parvenir à ses fins, n'a pas hésité à prendre parmi ses victimes deux personnes au hasard, dans l'intention de les tuer froidement comme on abat des bêtes de boucherie, après les avoir cachées sous une couverture pour éviter soit la perception de leurs regards, soit un mouvement intempestif à l'approche de l'arme. De tels procédés ne peuvent qu'être jugés très sévèrement du point de vue moral, tant l'utilisation d'êtres humains comme de vulgaires objets est condamnée par toute société évoluée. De toute manière, si l'on hésitait sur l'égoïsme dont Hariri a fait preuve en faisant primer ses idéaux sur les conceptions communément admises, on devrait en tout cas reconnaître qu'il a agi au moins par fanatisme, lequel, lorsqu'il conduit au mépris le plus complet de la vie d'autrui, doit être considéré comme un des caractères spécifiques de l'assassinat en ce qu'il découvre la mentalité de l'auteur et constitue le signe révélateur du danger particulier et constant qu'il représente pour ceux qui ne partagent pas sa foi. On peut enfin ajouter que si Hariri s'est montré particulièrement dangereux, il a également fait preuve d'une particulière perversité en désignant à
BGE 115 IV 8 S. 15
Sébastien Brethes le siège ensanglanté de son voisin et en lui promettant une mort imminente, alors que cette cruauté était totalement gratuite, la victime ne pouvant rien pour satisfaire aux exigences présentées aux autorités genevoises.
c) Ce qu'Hariri a fait à Xavier Beaulieu, il avait l'intention de le faire à l'égard de Sébastien Brethes si ses exigences n'étaient pas satisfaites. Comme il n'a pas eu le temps de mettre ses menaces à exécution, on peut, au bénéfice du doute, le libérer de la prévention de tentative d'assassinat, mais les dispositions systématiques qu'il avait prises de manière à pouvoir commettre aisément un deuxième assassinat présentaient une nature et une ampleur justifiant l'application de l'
art. 260bis ch. 1 CP
.
d) Il n'en va pas de même en ce qui concerne le coup de feu tiré sur Jean-Pierre Elouma. Il est certain qu'en tirant sur sa victime pour lui faire lâcher prise, Hariri a accepté l'éventualité de la tuer. Il s'est donc rendu coupable de délit manqué d'homicide par dol éventuel. On ne saurait toutefois parler ici d'assassinat manqué, dès lors que cette infraction, tout envisagée qu'elle ait pu être, ne faisait pas partie du plan de l'auteur, comme la prise d'otage d'un ou plusieurs passagers et leur exécution pour obtenir satisfaction. Il s'agit donc d'un délit manqué de meurtre.
II.
La fixation de la peine
a) Hariri a été soumis à une expertise psychiatrique de laquelle il ressort qu'au moment d'agir il n'était pas atteint d'un trouble dans sa santé mentale, d'idiotie, d'une grave altération de la conscience ou d'un développement mental incomplet, qu'il ne compromet pas gravement la sécurité publique en raison de son état mental et que ce dernier n'exige pas de traitement médical ou de soins spéciaux susceptibles d'éliminer ou d'atténuer le danger qu'il commette d'autres actes punissables. Il s'ensuit qu'Hariri doit être reconnu pleinement responsable, et que l'atténuation libre de la peine prévue à l'
art. 11 CP
ne peut entrer en considération. Il en va de même de l'atténuation simple au sens de l'
art. 65 CP
. En effet, aucune des circonstances atténuantes énumérées à l'
art. 64 CP
n'est réalisée. Pour ne prendre que celles qui pourraient à première vue être prises en considération, on relève qu'Hariri ne peut se réclamer d'un mobile honorable dans la mesure où les circonstances particulièrement condamnables des infractions retenues rejettent totalement dans l'ombre l'honorabilité même
BGE 115 IV 8 S. 16
admise de certains des mobiles politiques qui l'ont poussé à agir (cf.
ATF 101 IV 387
,
ATF 104 IV 244
,
ATF 106 IV 339
et
ATF 107 IV 29
). Il en va de même de la détresse profonde, Hariri n'ayant en aucun cas respecté la proportionnalité qui convient entre son action et l'importance des biens qu'il a lésés (
ATF 107 IV 97
). Par ailleurs, en s'incorporant volontairement au Hezbollah dont il ne pouvait ignorer le recours systématique à la violence et au terrorisme, Hariri s'est privé de la possibilité de se prévaloir de la circonstance d'avoir agi sous l'ascendant d'autrui. Enfin, on ne saurait considérer comme une manifestation de repentir sincère les simples regrets exprimés en audience quant à la mort de Xavier Beaulieu, dès lors que ceux-ci n'ont été accompagnés d'aucune manifestation permettant d'en juger la profondeur.
Si Hariri n'est pas assez jeune pour bénéficier de la circonstance atténuante prévue à l'art. 64 dernier alinéa CP, il est néanmoins un jeune adulte au sens des
art. 100 ss CP
. Toutefois ces dispositions ne peuvent trouver application en l'espèce, puisque les infractions en cause ne sont pas liées au développement caractériel gravement perturbé ou menacé de leur auteur, à son état d'abandon, à sa vie dans l'inconduite ou à la fainéantise, ainsi que cela ressort de l'expertise rappelée plus haut.
b) Dès lors qu'aucune mesure ou cause d'atténuation de la peine n'entre en considération, l'
art. 112 CP
ne laisse aucune latitude au juge: seule la réclusion à vie peut être prononcée. Cette peine se justifie d'autant plus que l'assassinat a été commis en concours avec plusieurs infractions graves dont l'une, la prise d'otage qualifiée, est aussi passible de la même sanction. Toutefois, Hariri n'a pas laissé une impression totalement négative et l'on peut espérer que l'évolution de son caractère et sa conduite en détention autoriseront l'autorité compétente à lui accorder la libération conditionnelle après quinze ans de détention (
art. 38 ch. 1 al. 2 CP
). Dans cette hypothèse, il conviendra de faire la déduction de la détention préventive qui, au jour du jugement, avait été subie pendant 582 jours. Enfin, il y a lieu de condamner Hariri à l'expulsion du territoire suisse pour la plus longue durée possible à compter du jour de son éventuelle libération. Cette durée, en l'absence de récidive, est de 15 ans (
art. 55 al. 1 CP
).
BGE 115 IV 8 S. 17
Dispositiv
Par ces motifs,
La Cour pénale fédérale,
Vu les art. 22, 55, 58, 68, 69, 111, 112, 185, 224, 237, 260bis du Code pénal; 17 de la loi fédérale sur le matériel de guerre; 171, 172, 175, 210, 241, 245, 246 PPF et 41 et suivants du Code des obligations,
1. Reconnaît Hussein Ali Mohamad Hariri coupable d'assassinat (
art. 112 CP
), d'actes préparatoires d'assassinat (
art. 112 et 260bis CP
), de meurtre manqué (
art. 111 et 22 al. 1 CP
), de prise d'otage qualifiée (
art. 185 ch. 3 CP
), d'emploi d'explosifs avec dessein délictueux (
art. 224 al. 1 CP
), d'entrave qualifiée à la circulation publique (
art. 237 ch. 1 al. 2 CP
), d'infraction à la loi fédérale sur le matériel de guerre (art. 17);
2. Le condamne à la réclusion à vie et à l'expulsion du territoire suisse pour une durée de quinze ans;
3. Dit que la détention préventive, de 582 jours, sera déduite de la peine en cas de libération conditionnelle au sens de l'
art. 38 ch. 1 al. 2 CP
; 4. Charge le canton de Genève d'exécuter la peine de réclusion; 5. Ordonne le maintien de l'incarcération (
art. 239 al. 2 PPF
);
6. Ordonne la confiscation de l'arme, des munitions, de l'explosif et du matériel séquestré et sa dévolution au Service scientifique de la police de Zurich. | null | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
63a95bf8-7f54-44b6-ac67-3cb7ddeb97f9 | Urteilskopf
114 Ia 29
6. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Juni 1988 i.S. B. gegen Präsident des Obergerichts des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Unentgeltliche Rechtsverbeiständung;
§ 88 ZPO
/ZH.
Es ist nicht willkürlich, einem Scheidungsbeklagten die unentgeltliche Rechtsverbeiständung für das zürcherische Sühnverfahren zu verweigern (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 30
BGE 114 Ia 29 S. 30
B. ist seit Sommer 1987 in einer psychiatrischen Klinik hospitalisiert. Ihr Ehemann ersuchte Ende August 1987 beim Friedensrichteramt Uster um Durchführung des Sühnverfahrens betreffend Ehescheidung. Die Sühnverhandlung wurde auf den 14. Dezember 1987 angesetzt. Mit Eingabe vom 11. Dezember 1987 stellte B. beim Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zürich das Gesuch, es sei ihr mit Wirkung bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage ein unentgeltlicher Rechtsvertreter zu bestellen. Mit Verfügung vom 15. Dezember 1987 wies der Obergerichtspräsident das Gesuch ab. Gegen diese Verfügung erhob B. staatsrechtliche Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
§ 88 ZPO
/ZH macht die unentgeltliche Verbeiständung vor Prozessbeginn von den gleichen Voraussetzungen abhängig, wie sie auch für die Verbeiständung während des Prozesses gelten. Eine Partei hat somit auch vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit nur dann Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsvertreter, wenn sie eines solchen für die gehörige Wahrung ihrer Interessen bedarf. Es kann nun keinesfalls als willkürlich bezeichnet werden, wenn der Obergerichtspräsident diese Frage im vorliegenden Fall verneinte. Im Sühnverfahren sind die Parteien in der Regel nicht auf den Beistand eines rechtskundigen Vertreters angewiesen. Der Zweck dieses Verfahrens besteht darin, die Parteien vor Einleitung des eigentlichen Prozesses zu versöhnen und sie davon abzuhalten, offenbar unbegründete Klagen zu erheben oder begründete Rechtsbegehren zu bestreiten (vgl.
§ 97 Abs. 1 ZPO
/ZH). Dafür benötigen die Parteien keinen Anwalt. In
§ 31 Abs. 1 ZPO
/ZH wird die Parteivertretung im Verfahren vor dem Friedensrichter sogar als unzulässig erklärt, es sei denn, die Partei wohne nicht im Bezirk oder sei durch Krankheit, Militärdienst oder aus andern wichtigen Gründen am persönlichen Erscheinen verhindert. Der Gesetzgeber geht offenbar davon aus, bei einer persönlichen Aussprache der Parteien sei eine Aussöhnung eher zu erwarten (STRÄULI/MESSMER, N. 1 zu
§ 31 ZPO
). Das dürfte im Fall einer Scheidungsklage erst recht gelten. Da im Scheidungsprozess Anerkennung und Vergleich nicht möglich sind, bedarf die
BGE 114 Ia 29 S. 31
beklagte Partei im Hinblick darauf auch keiner rechtlichen Beratung. Das einzige, was von ihr verlangt wird, ist eine Stellungnahme zum klägerischen Scheidungsbegehren (vgl.
§ 100 Ziff. 4 ZPO
/ZH). Anträge zu den Nebenfolgen der Scheidung sind im Sühnverfahren noch nicht zu stellen (STRÄULI/MESSMER, N. 5 zu
§ 100 ZPO
), und eine allfällige Widerklage kann noch mit der Klageantwort erhoben werden (
§ 117 ZPO
/ZH). Die Entscheidung darüber, ob sich eine Partei einer gegen sie gerichteten Scheidungsklage widersetzen will, kann ihr aber ein Rechtsbeistand nicht abnehmen. Abgesehen davon besteht im Scheidungsprozess ohnehin keine Bindung an die vor dem Friedensrichter abgegebene Stellungnahme. Es ist daher nicht ersichtlich, welchen Nachteil ein rechtsunkundiger Scheidungsbeklagter im Sühnverfahren erleiden könnte.
Freilich war die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall aus gesundheitlichen Gründen überhaupt verhindert, an der Sühnverhandlung teilzunehmen. Auch dadurch war sie indessen nicht benachteiligt, denn selbst ein unentschuldigtes Ausbleiben an der Verhandlung hätte nur zur Folge gehabt, dass dem Kläger die Weisung hätte ausgestellt werden müssen (
§ 99 Abs. 2 ZPO
/ZH). Wenn der Kläger zur Scheidung entschlossen ist, lässt sich ein gerichtliches Verfahren so oder anders nicht vermeiden. Im übrigen hätte sich die Beschwerdeführerin damit begnügen können, dem Friedensrichter schriftlich mitzuteilen, dass sie aus gesundheitlichen Gründen an der Sühnverhandlung nicht teilnehmen könne und dass sie sich der Scheidungsklage widersetze. Wenn sie auch dazu nicht in der Lage gewesen wäre, hätte die Anstalt oder der bereits ernannte Beistand für sie eine entsprechende Mitteilung machen können. Ein Rechtsanwalt war dafür nicht erforderlich.
Es erscheint somit zumindest als vertretbar, wenn der Obergerichtspräsident der Beschwerdeführerin für das Sühnverfahren die unentgeltliche Rechtsverbeiständung verweigerte.
§ 88 ZPO
/ZH wird dadurch keineswegs seines Gehalts beraubt. Diese Bestimmung will es einem Unbemittelten vor allem ermöglichen, die Erfolgsaussichten einer Klage durch eine rechtskundige Person prüfen zu lassen und die vor Klageerhebung erforderlichen Abklärungen zu treffen (STRÄULI/MESSMER, zu
§ 88 ZPO
). Einer solchen Hilfe bedarf der Beklagte im Sühnverfahren, zumal im Scheidungsprozess, nicht. Für ihn genügt es, wenn er nach Eingang der Klage beim Gericht vertreten ist. | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
63ad6e1f-e577-4b2b-b669-e461c6e544a9 | Urteilskopf
109 IV 60
17. Estratto della sentenza dell'8 aprile 1983 della Camera d'accusa nella causa P. contro Ufficio federale di polizia (reclamo) | Regeste
1. Art. 48 Abs. 2 und 50 Abs. 3 IRSG; Auslieferungshaft; Beschwerde.
Die Beschwerde an die Anklagekammer des Bundesgerichts kann nicht nur gegen den Haftbefehl, sondern auch gegen jede die Aufhebung der Auslieferungshaft ablehnende Verfügung erhoben werden (E. 1).
2. Art. 6 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Schweiz und Belgien über gegenseitige Auslieferung von Verbrechern vom 13. Mai 1874. Mitteilung der dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden Aktenstücke an den Verfolgten.
Für die in dieser Bestimmung vorgesehene Mitteilung, ohne welche die provisorische Verhaftung nach Ablauf von drei Wochen aufhören soll, können grundsätzlich auch Fotokopien verwendet werden (E. 2). | Erwägungen
ab Seite 61
BGE 109 IV 60 S. 61
Considerando in diritto:
1.
Dato che contro l'ordine di arresto in vista d'estradizione è ammissibile il reclamo alla Camera d'accusa del Tribunale federale (art. 48 cpv. 2 della legge federale sull'assistenza internazionale in materia penale, del 20 marzo 1981, in vigore dal 1o gennaio 1983, AIMP) e che la persona perseguita può chiedere in ogni tempo d'essere scarcerata (art. 50 cpv. 3 AIMP), il reclamo alla Camera d'accusa deve essere ammissibile anche contro ogni decisione che neghi la scarcerazione; tale decisione non è infatti altro che una conferma dell'ordine di arresto originariamente emanato. Detta ammissibilità è d'altronde espressamente ribadita nel messaggio del Consiglio federale dell'8 marzo 1976 concernente l'AIMP (FF 1976 II 463).
2.
Il reclamante si duole che gli siano stati sottoposti, il 23 febbraio 1983, anziché i documenti in originale o in copia ufficialmente autenticata, su cui si fonda la domanda d'estradizione, solo fotocopie malfatte e affrancate in modo errato, in violazione di quanto prescritto dall'art. 6 cpv. 2 del Trattato tra la Svizzera e il Belgio per la reciproca estradizione dei delinquenti, del 13 maggio 1874 (RS 0.353.917.2). Egli assume che non gli è stata comunicata la documentazione originale pervenuta all'Istruzione giudiziaria sottocenerina il 28 febbraio 1983. Ne discende che, a suo avviso, l'arresto a fini estradizionali doveva cessare, ai sensi dell'art. 6 cpv. 2 del menzionato Trattato, tre settimane dopo che era stato effettuato.
Come risulta dall'art. 47 cpv. 1 AIMP, l'Ufficio federale di polizia può prescindere dall'arresto - e di conseguenza anche dalla prosecuzione della carcerazione a fini estradizionali - non solo per i motivi specificati nelle lettere a e b di detto articolo, bensì
BGE 109 IV 60 S. 62
anche per altri. È quindi consentito al reclamante di addurre nel proprio reclamo contro la decisione con cui è stata respinta la sua istanza di scarcerazione un motivo fondato sul Trattato di estradizione concluso tra la Svizzera e il Belgio.
Secondo l'art. 6 cpv. 2 della citata convenzione, l'arresto provvisorio deve cessare d'aver seguito quando entro tre settimane, contando dal momento in cui sia stato effettuato, l'incolpato non abbia ricevuto comunicazione di uno dei documenti menzionati nell'articolo 5 del Trattato. L'art. 6 cpv. 2 del Trattato non dice in quale forma debba avvenire tale comunicazione; in particolare, non vi si esige che essa abbia luogo mediante l'esibizione dei documenti in originale o in copia autenticata. Se appare ovvio che per l'esame della domanda d'estradizione i documenti su cui la stessa si basa debbano essere prodotti in originale o in copia ufficialmente autenticata (art. 5 cpv. 1 del Trattato), tale requisito formale non vale necessariamente per quanto concerne la loro comunicazione all'arrestato. Il riferimento fatto dall'art. 6 cpv. 2 del Trattato ai documenti menzionati nell'art. 5 del medesimo non può quindi giovare alla tesi sostenuta dal reclamante. Il testo e il senso dell'art. 6 cpv. 2 del Trattato inducono, al contrario, a ritenere che il precetto stabilito in questa norma è adempiuto mediante la comunicazione all'arrestato del contenuto dei documenti su cui si basa la domanda d'estradizione. La comunicazione può pertanto avvenire senz'altro mediante l'esibizione di fotocopie, sempreché debba presumersi che esse corrispondano agli originali; tale conformità non è peraltro contestata dal reclamante. Le fotocopie litigiose sono state esaminate dalla Camera d'accusa; è risultato che le censure del reclamante circa il loro ordine e la loro qualità sono infondate.
Poiché il reclamante ha potuto prendere conoscenza, mediante l'esibizione delle relative fotocopie, dei documenti a cui si riferisce la domanda d'estradizione, in modo conforme a quanto richiesto dall'art. 6 cpv. 2 del Trattato, è irrilevante sapere se l'arrivo degli originali presso l'Istruzione giudiziaria gli sia stato comunicato e se ne abbia potuto prendere visione. | null | nan | it | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
63b52e33-1e89-4440-acdf-e8c51df8c9e0 | Urteilskopf
121 II 252
43. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 13 juillet 1995 dans la cause M. B., son épouse N. B. et leurs enfants A. et T. contre Département fédéral de justice et police (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 21 Abs. 1,
Art. 50 und 52 VwVG
; Eintreten auf eine per Fax eingereichte Beschwerde.
Formerfordernisse, welchen die Beschwerdeschrift genügen muss (E. 2).
Bedeutung der Unterschrift bei der Einreichung einer Beschwerde (E. 3).
Eine Beschwerde kann nicht gültig per Fax erhoben werden (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 252
BGE 121 II 252 S. 252
Par décision du 13, notifiée le 15 avril 1994, l'Office fédéral des étrangers a refusé de mettre M. B., son épouse N. et leurs enfants A. et T. au bénéfice d'une exception aux mesures de limitation en vertu de l'art. 13
BGE 121 II 252 S. 253
lettre f de l'ordonnance du 6 octobre 1986 limitant le nombre des étrangers (OLE; RS 823.21).
Par acte daté du 15 mai 1994, le conseil de la famille B. a déposé, comme suit, un recours contre cette décision. Ce recours a d'abord été adressé au Département fédéral de justice et police (ci-après: le Département) le 16 mai 1994, dernier jour du délai, par un téléfax qui, selon les indications apposées par le télécopieur émetteur, porte comme heure de transmission 23h07 (première page) à 23h09 (dernière page). Le lendemain 17 mai 1994, le conseil de la famille B. a spontanément déposé auprès du Département le recours original muni de sa signature manuscrite.
Le Département a déclaré le recours irrecevable, par décision du 14 juillet 1994. Il a considéré que la transmission d'un écrit par télécopie ne pouvait être considérée comme une remise de l'acte à un bureau de poste suisse et n'était pas non plus une remise valable de cet acte à l'autorité de recours.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, M. B., son épouse N. B. et leurs enfants demandent au Tribunal fédéral d'annuler la décision prise le 14 juillet 1994 par le Département et de lui renvoyer l'affaire pour qu'il se prononce sur le fond. Tout en soutenant que le dépôt d'un recours par télécopie doit être accepté, ils invoquent notamment une violation du principe de la bonne foi parce que, précédemment, le Département a admis la recevabilité de recours déposés de cette manière.
Le Tribunal fédéral a admis le recours pour violation du principe de la bonne foi.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
D'après la loi fédérale sur la procédure administrative (PA; RS 172.021), le mémoire de recours doit être déposé dans le délai de recours (en l'espèce 30 jours selon l'
art. 50 PA
) auprès de l'autorité de recours (
art. 51 al. 1 PA
). L'
art. 21 al. 1 PA
précise de manière générale que "les écrits sont remis à l'autorité ou, à son adresse, à un bureau de poste suisse ou à une représentation diplomatique ou consulaire suisse le dernier jour du délai au plus tard". Le mémoire de recours doit répondre à un certain nombre de conditions et porter la signature du recourant ou de son mandataire; si le recours ne satisfait pas à ces exigences, un court délai supplémentaire est imparti au recourant pour régulariser le recours à peine d'irrecevabilité (
art. 52 PA
). Cette réglementation, prévue par le droit
BGE 121 II 252 S. 254
fédéral pour le recours administratif, recoupe les dispositions applicables aux recours devant le Tribunal fédéral (
art. 30 et 32 al. 3 OJ
). Dès lors, les principes posés à partir du présent cas sont valables non seulement pour le recours administratif, mais encore pour le recours de droit administratif au Tribunal fédéral.
L'autorité de céans n'a pas encore eu l'occasion de se prononcer au regard de ces dispositions (du moins dans leur teneur actuelle) sur la validité d'un recours déposé par télécopieur. Dans un arrêt non publié rendu le 16 octobre 1991, soit avant l'entrée en vigueur de l'actuel
art. 32 al. 3 OJ
, (en la cause F. contre TG, Commission cantonale de recours pour l'assurance-vieillesse et survivants et Caisse de compensation, consid. 1b) le Tribunal fédéral des assurances a déclaré qu'un recours déposé le dernier jour du délai par télécopieur était irrecevable; l'original signé à la main avait été produit après l'échéance de ce délai et la législation alors applicable ne permettait pas une telle régularisation après coup du défaut de signature originale de l'acte déposé en temps utile. Dans un arrêt non publié du 22 juillet 1993 (en la cause S.-F. contre C. SA, consid. 4b), le Tribunal fédéral a déclaré qu'une autorité cantonale qui, dans des circonstances similaires, déclarait un recours irrecevable, ne tombait pas dans l'arbitraire; vu les particularités du cas d'espèce, le Tribunal fédéral n'a du reste pas examiné de manière approfondie les questions que pose la transmission d'un acte de recours par télécopie.
La Commission suisse de recours en matière d'asile admet qu'un recours transmis par télécopieur est déposé valablement lorsqu'il parvient à cette autorité le dernier jour du délai légal, après la fermeture des bureaux, et que le vice inhérent à l'absence de signature originale est guéri par l'envoi du recours original signé, dans le délai de régularisation (JICRA 1994 p. 18, 19). En Allemagne, le dépôt d'un recours par télécopieur est admis (ROSENBERG/SCHWAB/GOTTWALD, Zivilprozessrecht, Munich 1993, 15e éd., par. 65, p. 355, et par. 137, p. 821/822; BAUMBACH/LAUTERBACH/ALBERS/HARTMANN, Zivilprozessordnung, Munich 1995, 53e éd., n. 21 ad par. 129 et n. 4 ad par. 518).
3.
Pour des raisons de sécurité, il y a lieu d'exiger qu'un acte de recours soit muni de la signature originale de son auteur; l'acte sur lequel la signature ne figure qu'en photocopie n'est pas valable (
ATF 112 Ia 173
consid. 1 et la jurisprudence citée; POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Berne 1990, vol. I, n. 1.3.1 ad art. 30; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des
BGE 121 II 252 S. 255
Bundes, Zurich 1993, n. 262, p. 159). Même si la personne envoyant le téléfax signe l'original en sa possession, qui sert de support à la transmission, l'autorité ne saurait admettre la validité d'un acte judiciaire dont la signature ne lui parvient qu'en (télé)copie, en raison des risques d'abus. La doctrine récente paraît admettre que, dans les relations entre parties, la forme écrite selon l'
art. 13 CO
est respectée par un échange de télécopies (SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Das Obligationenrecht, n. 32 ad
art. 13 CO
; SCHWENZER, in: HONSELL/VOGT/WIEGAND, Obligationenrecht I, Bâle 1992, n. 14 ad
art. 13 CO
. Pour les télex, cf.
ATF 112 II 326
consid. 3a p. 328/329 ainsi que
ATF 111 Ib 253
consid. 5 p. 255. En matière de compromis arbitral, cf. LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage, Lausanne 1989, n. 6.1 ad
art. 6 CA
[RS 279]. Dans l'arbitrage international, l'
art. 178 LDIP
[RS 291] admet expressément que la convention d'arbitrage soit passée par télécopieur: à ce sujet cf. LALIVE/POUDRET/REYMOND, op.cit., n. 5 à 12 ad
art. 178 LDIP
). Ces assouplissements, répondant à la pratique et aux besoins du commerce interne ou international, sur lesquels il n'est pas nécessaire de prendre position ici, ne sauraient être, en l'état tout au moins, étendus au dépôt des actes judiciaires.
4.
a) Le mémoire de recours envoyé par télécopieur ne comporte, par définition, qu'une copie de la signature de son auteur, ce qui est contraire aux exigences légales (
art. 52 al. 1 PA
et 30 al. 2 OJ). Par conséquent celui qui utilise un télécopieur pour faire parvenir un tel mémoire sait d'emblée que son acte est vicié.
b) Selon le droit actuellement en vigueur, le défaut de signature est un vice réparable (
art. 52 al. 2 PA
et 30 al. 2 OJ): le recourant se voit alors impartir un délai convenable pour régulariser son acte.
Cette réglementation tend à éviter tout formalisme excessif en permettant à l'intéressé de réparer une omission. Bien que la loi ne fasse pas de distinction à ce sujet entre omissions volontaires et omissions involontaires, il y a lieu de penser que le législateur visait la deuxième catégorie d'omissions, alors que le cas présent fait partie de la première. Les dispositions susmentionnées ne tendent pas à couvrir le vice d'un acte par définition imparfait. Sinon, on en arriverait d'ailleurs à admettre une autre irrégularité: le non-respect du délai. Le recourant qui dépose un acte, dont il ne peut ignorer l'irrégularité (absence de signature), en comptant sur l'octroi d'un délai pour en réparer le vice initial s'attend en fait à une prolongation du délai de recours. En effet, le problème de la validité de l'acte ne se posera que lorsque le recourant utilisera le télécopieur à la fin du délai de recours - ce qui sera vraisemblablement le
BGE 121 II 252 S. 256
cas - et ne pourra plus le régulariser avant l'échéance de ce délai. Il n'est pas justifié de protéger un tel comportement qui s'apparente à l'abus de droit. Cela est d'autant plus vrai que, tant pour le recours administratif que pour le recours de droit administratif, le délai de recours est relativement long: en principe trente jours (
art. 50 PA
et 106 OJ). Au demeurant, l'obligation faite au recourant de remettre son mémoire sinon à l'autorité compétente, du moins à un bureau de poste suisse à son adresse - outre le cas particulier du dépôt du recours à une représentation diplomatique ou consulaire suisse - (
art. 21 al. 1 PA
et 32 al. 3 OJ) n'est pas excessive.
Compte tenu de ce qui précède, le dépôt d'un recours ne peut être effectué valablement au moyen d'un télécopieur.
c) Au surplus, l'admission du dépôt d'un recours au moyen d'un télécopieur poserait un grand nombre de problèmes pratiques.
A l'heure actuelle, une autorité a l'obligation de recevoir les actes qui lui sont envoyés, mais pas celle de recevoir en permanence les actes que les intéressés voudraient lui remettre, notamment en dehors des heures d'ouverture normales des bureaux (Poudret, op.cit., n. 4.2 ad art. 32). Si l'on admettait le dépôt d'un recours par télécopieur, il faudrait décider si l'autorité devrait disposer d'un tel appareil et si elle pourrait le débrancher. Il conviendrait aussi de déterminer si elle serait responsable des pannes et autres incidents qui pourraient survenir à cet appareil.
La question de la date déterminante se poserait également. Pour éviter tout risque de manipulation, il faudrait en principe se fonder sur la date apposée non pas par l'appareil émetteur mais par l'appareil récepteur. Il serait alors nécessaire d'établir comment devrait être traité un écrit dont une partie serait transmise le dernier jour du délai de recours avant minuit et l'autre après minuit.
Il conviendrait en outre de se demander si le principe de la transmission d'une autorité incompétente à l'autorité compétente s'appliquerait au cas où le recourant utiliserait un mauvais numéro de télécopieur. On devrait également veiller au respect du principe de la confidentialité de la procédure.
Par ailleurs, il faudrait résoudre la question de savoir si l'usage du télécopieur devrait être admis pour les autres actes de procédure.
En outre, il y a lieu de relever que l'autorité verrait son travail de chancellerie augmenter, notamment par l'obligation d'interpeller systématiquement ceux qui utiliseraient le télécopieur, afin qu'ils fassent parvenir un original signé de leur écrit. | public_law | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
63b7cf75-a3d4-4b61-9924-980051485197 | Urteilskopf
95 IV 45
13. Entscheid der Anklagekammer vom 17. Mai 1969 i.S. Gelbert gegen Schweiz. Bundesanwaltschaft und eidg. Untersuchungsrichter. | Regeste
1.
Art. 118 Satz 1 BStP
. Sinn und Tragweite dieser Bestimmung (Erw. 1 und 3).
2.
Art. 214 ff. BStP
. Prüfungsbefugnis der Anklagekammer bei Beschwerden gegen Amtshandlungen des Untersuchungsrichters (Erw. 2 und 4). | Sachverhalt
ab Seite 45
BGE 95 IV 45 S. 45
A.-
Dr. Alexandre Gelbert, der in der eidgenössischen Voruntersuchung gegen Dr. Dieter Bührle und weitere Personen insbesondere wegen Widerhandlung gegen den BRB über das Kriegsmaterial mitbeschuldigt ist, wurde vom Untersuchungsrichter auf den 12. Mai 1969 zur Einvernahme vorgeladen. Am 30. April 1969 ersuchte sein bevollmächtigter Verteidiger den Untersuchungsrichter, ihm gemäss
Art. 118 BStP
zu gestatten, "an dieser Verhandlung teilzunehmen" und ihm eine Vorladung zukommen zu lassen.
BGE 95 IV 45 S. 46
Der Untersuchungsrichter wies das Gesuch am 5. Mai 1969 ab.
B.-
Mit Eingaben vom 5. und 6. Mai 1969 führt der Verteidiger namens des Dr. Gelbert gegen diese Verfügung Beschwerde. Er beantragt, es sei ihm zu gestatten, der Einvernahme des Beschuldigten durch den Untersuchungsrichter beizuwohnen.
C.-
Der Untersuchungsrichter und die Bundesanwaltschaft beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 118 Satz 1 BStP
"kann" der Untersuchungsrichter dem Verteidiger gestatten, bei der Einvernahme des Beschuldigten anwesend zu sein, sofern dadurch die Untersuchung nicht beeinträchtigt wird. Der Entscheid darüber, ob der Verteidiger der Einvernahme beiwohnen dürfe, liegt also im Ermessen des Untersuchungsrichters. Sein Ermessen ist freilich kein völlig freies, ungebundenes. Das heisst insbesondere, dass der Untersuchungsrichter das Begehren des Beschuldigten, in Anwesenheit des Verteidigers verhört zu werden, nicht abweisen darf, wenn der Teilnahme des Verteidigers sachlich nichts entgegensteht. Ob letzteres zutreffe oder nicht, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Der Untersuchungsrichter hat sie nach pflichtgemässem Ermessen zu würdigen. An irgendwelche Grundsätze der europäischen Menschenrechtskonvention, aus welcher der Beschwerdeführer "allgemeine rechtsstaatliche Gedanken" ableiten will, ist er nicht gebunden, da die Schweiz dieser Konvention noch nicht beigetreten ist.
Die Berufung auf die Konvention geht übrigens fehl. Die Vorschriften des Bundesstrafprozesses über die Verteidigung halten sich durchaus im Rahmen der entsprechenden Konventionsbestimmungen, die dem Beschuldigten nicht das Recht gewährleisten, nur in Anwesenheit des Verteidigers verhört zu werden (vgl. Bericht des Bundesrates vom 9. Dezember 1968 und Art. 6 Ziff. 3 der Konvention, BBl 1968 II 1109 und 1150).
2.
Art. 214 ff. BStP
, die den Parteien "gegen Amtshandlungen und wegen Säumnis des Untersuchungsrichters" ein Beschwerderecht geben, nennen die Beschwerdegründe nicht abschliessend. Ausser im Falle der Säumnis ist die Beschwerde begründet, wenn die angefochtene Verfügung das Gesetz verletzt. Dagegen haben die
Art. 214 ff. BStP
nicht den Sinn,
BGE 95 IV 45 S. 47
dass die Anklagekammer auf Beschwerde gegen eine im Ermessen des Untersuchungsrichters liegende Amtshandlung hin nach eigenem freiem Ermessen zu prüfen habe, ob sich diese Handlung rechtfertige oder nicht. Es ist nicht die Aufgabe der Anklagekammer, in das Ermessen des Untersuchungsrichters einzugreifen und ihm damit die Verantwortung für die Führung der Untersuchung abzunehmen. Bei Beschwerden gegen seine Amtshandlungen hat die Anklagekammer nur zu entscheiden, ob der Untersuchungsrichter die Grenze zulässigen Ermessens offensichtlich überschritten habe (
BGE 77 IV 56
,
BGE 83 IV 182
,
BGE 90 IV 240
Erw. 2).
3.
Der Untersuchungsrichter hat im vorliegenden Falle das Gesuch des Verteidigers um Teilnahme an der Einvernahme unter anderem mit der Begründung abgewiesen, der Abschluss der Untersuchung würde eine wesentliche Verzögerung erfahren, wenn jedesmal darauf Rücksicht genommen werden müsste, dass nicht nur der Beschuldigte, sondern auch dessen Verteidiger zur Verfügung stehe.
Dass der Untersuchungsrichter zu solcher Rücksicht verpflichtet sei, ist
Art. 118 BStP
indes nicht zu entnehmen. Diese Bestimmung berechtigt den Verteidiger unter der darin genannten Voraussetzung bloss, bei der Einvernahme des Beschuldigten anwesend zu sein, der Vernehmung also zuzuhören. Dagegen gibt sie ihm nicht das Recht, sich in das Verhör des Beschuldigten einzumischen oder eine Verschiebung der Einvernahme zu verlangen, wenn er daran aus irgendeinem Grunde nicht teilnehmen kann. Ist dem Verteidiger die Teilnahme nicht möglich, so kann die Einvernahme gleichwohl stattfinden oder fortgesetzt werden, zumal die Voruntersuchung möglichst rasch durchzuführen und abzuschliessen ist.
4.
Der Untersuchungsrichter befürchtet ferner, die Anwesenheit des Verteidigers könnte zu Kollusionen führen. Er hat den bestimmten Eindruck, die Aussagen der schon verhörten Beschuldigten seien weitgehend aufeinander abgestimmt worden, und er glaubt, dass durch die Zulassung der Verteidiger weitere Kollusionsmöglichkeiten entstehen würden, denen er im Interesse einer möglichst objektiven Abklärung des Sachverhaltes vorbeugen wolle.
Diese Überlegung ist nicht willkürlich, sondern hält sich im Rahmen des Ermessens, das dem Untersuchungsrichter nach
Art. 118 BStP
zusteht. Der Beschwerdeführer bemüht sich
BGE 95 IV 45 S. 48
denn auch nicht, die Kollusionsmöglichkeit zu widerlegen, noch versucht er sonstwie darzutun, dass und inwiefern die Annahme des Untersuchungsrichters unhaltbar sei. Dass die Beschuldigten schon im polizeilichen Ermittlungsverfahren einvernommen worden sind, heisst natürlich nicht, sie könnten vor dem Untersuchungsrichter die Wahrheit nicht entstellen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
63b976c8-6c4d-4a2a-9377-d5b5a20573de | Urteilskopf
115 II 258
44. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 24 octobre 1989 dans la cause S.I. Z contre X (recours en réforme) | Regeste
Art. 270 OR
.
Art. 28 Abs. 3 BMM
.
Kündigung des Mietvertrages beim Tod des Mieters. Die Schutzfrist des
Art. 28 Abs. 3 BMM
gilt auch gegenüber dem Erben, der vor dem Tod des Mieters die Wohnung mit diesem geteilt hat. | Sachverhalt
ab Seite 259
BGE 115 II 258 S. 259
X vivait maritalement avec dame Y, dont il est héritier.
A l'audience du Tribunal des baux et loyers du 20 février 1986, la S.I. Z retira la requête en validation de la hausse de loyer contestée par dame Y, titulaire du bail.
Dame Y décéda le 4 juin 1986. Le 18 juin, la S.I. Z résilia le bail.
Saisie par X, débouté en première instance, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers a tenu ce congé pour nul en application de l'
art. 28 al. 3 AMSL
.
Le Tribunal fédéral rejette le recours en réforme de la S.I. Z.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
La défenderesse voit dans l'arrêt attaqué une violation des
art. 2 CC
, 270 CO et 28 AMSL en ce sens qu'il ne serait pas nécessaire d'attendre l'écoulement d'un délai de 2 ans après l'échec d'une tentative de notification de hausse de loyer lorsque le titulaire du bail décède dans l'entretemps.
a) Il n'y a aucune différence de nature entre le congé ordinaire et la résiliation de l'
art. 270 CO
(
ATF 80 I 315
). Le décès du titulaire permet donc une résiliation ordinaire mais anticipée (GUINAND/KNOEPFLER, La durée et la fin du bail, FJS No 360 p. 9; GMÜR/CAVIEZEL, Mietrecht - Mieterschutz, 2e éd. p. 9; JEANPRÊTRE, La prolongation des baux à loyer, 10e journée juridique, Genève 1970 p. 122). A défaut, le bail se poursuit avec les héritiers du titulaire (
ATF 80 I 315
). Si le bailleur fait usage de son droit de résiliation, ceux-ci ont qualité pour solliciter la prolongation du bail (
art. 267a al. 1 CO
). Doivent être réservées les dispositions contractuelles qui prévoiraient l'extinction du contrat au décès du titulaire: la prolongation de bail n'est alors pas possible (SCHMID, n. 1 ad
art. 267b CO
). La défenderesse paraît alléguer que le contrat de bail comportait semblable disposition, mais cette allégation n'est pas confirmée par les faits constatés dans l'arrêt attaqué et la défenderesse n'invoque à ce propos nulle inadvertance au sens de l'
art. 55 al. 1 let
. d OJ. L'allégation est donc nouvelle et, partant, irrecevable (
art. 55 al. 1 let
. c OJ).
b) Selon la jurisprudence, les dispositions sur la protection des locataires s'appliquent à la résiliation fondée sur l'
art. 270 CO
(
ATF 80 I 316
No 50). Dans cet arrêt, rendu sous l'empire de l'ordonnance du Conseil fédéral limitant le droit de résilier les baux (RO 1953 1322), le Tribunal fédéral, statuant sous l'angle de l'arbitraire, a tenu compte du besoin accru de protection du
BGE 115 II 258 S. 260
conjoint et des enfants du preneur lorsque celui-ci décède. L'entrée en vigueur de l'AMSL ne change rien à cela. On peut cependant se demander si le cercle des personnes ainsi définies - qui seront en principe simultanément héritiers du preneur - aura besoin en toutes circonstances de la protection de la loi, par exemple également lorsque le preneur vivait seul.
Il n'en va pas ainsi en l'espèce, où un héritier habitait avec le titulaire. Limiter la protection de l'
art. 28 al. 3 AMSL
au seul preneur vivant aurait dans ce cas des conséquences inéquitables: le décès de celui-ci priverait l'héritier d'une protection dont il eût, sans cela, automatiquement bénéficié, qu'il fût marié ou non avec le preneur. Dans une telle situation, dès lors que les droits et obligations issus du bail lui ont été transférés, il faut admettre que l'héritier ayant partagé le logement du preneur puisse se prévaloir de l'
art. 28 al. 3 AMSL
au décès de celui-ci. Cette solution ne consacre aucun abus de droit de X, dont la qualité d'héritier ne saurait être affectée par le mode de vie qui fut le sien avec dame Y. Elle est en harmonie avec le texte de l'
art. 28 al. 3 AMSL
, qui ne mentionne pas l'
art. 270 CO
parmi les exceptions qu'il énumère exhaustivement (
ATF 110 II 314
consid. 3d).
c) La défenderesse ne contestant pas que le retrait de l'avis de hausse devant le Tribunal des baux et loyers équivale à une renonciation à porter l'affaire auprès de l'autorité judiciaire, le délai de 2 ans institué par l'
art. 28 al. 3 AMSL
courait jusqu'au 20 février 1988. Notifié le 18 juin 1986, le congé fondé sur le décès du preneur est donc nul. | public_law | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
63c01086-103d-4df9-a476-3d55eed57b2e | Urteilskopf
105 Ia 1
1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. April 1979 i.S. F. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
. Anspruch auf rechtliches Gehör.
Das Recht des Angeschuldigten auf Mitwirkung an der Zeugeneinvernahme besteht unabhängig davon, ob der in einem andern Kanton wohnhafte Zeuge von der zuständigen Behörde dieses Kantons oder von den mit der Sache selber befassten Behörden einvernommen wird (E. 3b). | Erwägungen
ab Seite 1
BGE 105 Ia 1 S. 1
Aus den Erwägungen:
3.
b) Das Recht des Angeschuldigten auf Mitwirkung an der Beweisaufnahme besteht auch dann, wenn der Zeuge nicht im Amtskreis oder im Kanton des mit der Sache befassten Gerichts wohnt. Der aus
Art. 4 BV
fliessende Anspruch auf rechtliches Gehör darf nicht von der Ausgestaltung der Bestimmungen über die interkantonale Rechtshilfe abhängig gemacht werden. Dementsprechend räumt das Konkordat über die gegenseitige Rechtshilfe in Zivilsachen (SR 274) den Parteien und ihren Vertretern ausdrücklich ein Mitwirkungsrecht an Einvernahmen
BGE 105 Ia 1 S. 2
und Augenschein durch die ersuchte Behörde ein (Art. 3 f.). Das muss auch im Strafverfahren gelten. Ob das mit der Sache befasste Gericht den in einem andern Kanton (vgl.
Art. 355 Abs. 4 StGB
) oder Bezirk wohnhaften Zeugen vorlädt und selber einvernimmt, oder ob es die zuständige Behörde des andern Kantons oder Bezirks um Rechtshilfe ersucht, kann auf das Recht des Angeschuldigten auf Mitwirkung an der Beweisaufnahme keinen Einfluss haben. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
63c05d50-96c8-4234-b82e-44a8e8352408 | Urteilskopf
112 Ib 134
22. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 28 février 1986 dans la cause G. contre Genève, Chambre d'accusation (recours de droit administratif) | Regeste
Internationale Rechtshilfe; Anforderungen an das Inventar der beschlagnahmten Gegenstände.
Das Inventar muss genügend detailliert sein, um die schützenswerten Interessen des Inhabers und die Vollständigkeit der Dokumente sowie anderer beschlagnahmter Gegenstände zu gewährleisten.
Grenzen dieser Anforderung. | Erwägungen
ab Seite 135
BGE 112 Ib 134 S. 135
Considérant en droit:
3.
La recourante soutient que l'inventaire établi par le Juge d'instruction le 23 janvier 1985 au cours de la perquisition et de la saisie de ses documents dont la transmission à l'Etat requérant a été ordonnée, n'est pas suffisant pour la protection de ses intérêts.
a) La forme que doit revêtir l'inventaire dressé au cours de la perquisition et de la saisie de documents requis par voie de commission rogatoire internationale n'est régie ni par la Convention, ni par l'accord bilatéral, ni par l'EIMP et son ordonnance d'exécution. L'autorité intimée devait donc appliquer ses propres règles de procédure en vertu de l'art. 12 EIMP soit, dans le cas particulier, l'art. 181 CPP gen. Selon cette disposition, le Juge d'instruction dresse un inventaire des objets qu'il saisit parce qu'ils ont servi à l'infraction, parce qu'ils en sont le produit ou parce qu'ils sont utiles à la manifestation de la vérité. Il les conserve, s'il y a lieu, pour être mis à la disposition de la justice jusqu'à droit jugé.
Il ne fait pas de doute que l'inventaire au sens de cette disposition poursuit le même objectif que celui prescrit par l'art. 70 PPF, à savoir notamment la sauvegarde des intérêts dignes de protection du détenteur des objets saisis et la garantie de leur intégrité. L'inventaire de papiers d'affaires a aussi pour but de permettre à leur possesseur de savoir où ils se trouvent et d'en obtenir soit la production, soit une copie conforme si cela s'avère, immédiatement ou ultérieurement, nécessaire à la poursuite d'activités professionnelles régulières. L'opinion de l'autorité intimée, selon laquelle le droit genevois soumettrait l'inventaire à des règles moins strictes que le droit fédéral (art. 70 PPF), est donc difficilement soutenable. L'inventaire doit être détaillé dans la mesure où cela s'avère indispensable à la réalisation des objectifs qui viennent d'être mentionnés. Si des documents revêtent, individuellement, un intérêt actuel pour leur détenteur (testament, effets de change, par exemple), ils seront ordinairement portés de manière distincte dans l'inventaire dont une copie sera remise à l'intéressé. En revanche, un inventaire générique suffit dans la mesure où celui-ci porte sur des liasses de pièces coordonnées de manière logique tels des dossiers de factures, de relevés de comptes bancaires ou de correspondance groupés en ordre chronologique. Il appartient à l'autorité qui procède à la saisie d'apprécier s'il s'impose, au regard des circonstances, de paginer les lots de pièces inventoriées et de prendre
BGE 112 Ib 134 S. 136
toutes autres mesures utiles à garantir, le cas échéant, la restitution intégrale des pièces à leur détenteur. De telles mesures devront également être mises en oeuvre lors de la consultation du dossier par des tiers intéressés à la procédure. Il convient enfin que le détenteur des papiers saisis ait la possibilité de désigner, à bref délai, ceux dont la conservation lui est indispensable et de les lui remettre, en original ou en copie, lorsque les impératifs de la procédure ne l'interdisent pas. On peut en effet concevoir que la saisie d'un grand nombre de documents, voire de tous les papiers d'affaires d'une société ou d'un individu compromettent gravement la poursuite d'une activité dont la légalité ne prêterait pas à discussion.
En l'espèce, le Juge d'instruction a saisi tous les papiers d'affaires qui se trouvaient dans les bureaux de la recourante. Ces papiers ont été groupés par celle-ci dans les classeurs bien ordonnés, généralement par ordre chronologique, et selon la nature particulière de chacun d'eux (télex, contrats, commissions, relevés de comptes, etc.). Le procès-verbal de perquisition et de saisie énumérait simplement le nombre des classeurs, des boîtes et des enveloppes saisis avec leur titre ou en-tête. A la demande de l'autorité intimée, le Juge de première instance a dressé un nouvel inventaire plus détaillé en faisant numéroter et étiqueter par couleur chacun des classeurs ou enveloppes saisis. Cette mesure est suffisante au regard des règles qui viennent d'être exposées. On ne saurait en effet exiger, raisonnablement, de l'autorité de saisie qu'elle se livre à une compilation détaillée, parfaitement inutile à la sauvegarde des intérêts du détenteur. Les critiques formées par la recourante sur ce point sont donc dénuées de pertinence.
b) La recourante ne prétend pas que certaines pièces séquestrées ne soient d'aucune utilité pour la procédure pénale en cours. Elle déclare cependant que ses activités se poursuivent et que certaines des pièces saisies pourraient être indispensables à celles-ci. Elle affirme ne pas être en mesure de dire quelles sont ces pièces, raison pour laquelle elle requiert un inventaire détaillé. Le caractère abusif des prétentions ainsi émises n'est pas démontré. Le principe de la proportionnalité conduit toutefois à une autre solution que celle préconisée par la recourante. La possibilité doit être offerte à celle-ci de consulter, sous surveillance, les documents saisis et de désigner ceux d'entre eux dont elle désire qu'une photocopie lui soit remise à ses frais, cela dans un bref délai qu'il appartiendra à l'autorité compétente de fixer. Le recours de droit administratif sera, partant, admis dans cette mesure limitée. | public_law | nan | fr | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
63c45801-0ca6-4153-b6cc-c801b30736fe | Urteilskopf
99 Ib 240
29. Arrêt de la IIe Cour civile du 27 septembre 1973 dans la cause Brulhart contre Fribourg, Conseil d'Etat | Regeste
Art. 7 g Abs. 3 NAG
.
Eintragung einer im Ausland ausgesprochenen Ehescheidung in die schweizerischen Zivilstandsregister. Zuständigkeit der kantonalen Aufsichtsbehörde (Erw. 2).
Voraussetzungen, unter denen ein ausländisches Erkenntnis einer Scheidung im Sinne des schweizerischen Rechts gleichgestellt werden kann. Der brasilianische "desquite" kommt einer solchen Scheidung nicht gleich (Erw. 2-4).
Abweichungen von den Grundsätzen des
Art. 7 g Abs. 3 NAG
sind nur beim Vorliegen aussergewöhnlicher Umstände zulässig (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 240
BGE 99 Ib 240 S. 240
A.-
René Brulhart est originaire des communes fribourgeoises d'Ueberstorf et St. Antoni. Il a épousé, le 25 mars 1965, à Rio de Janeiro une Brésilienne, Leda Maria Pulcherio. Les époux se sont installés à Rio. Peu après, vu leur mésentente, ils ont décidé de se séparer. Saisi du litige, le Tribunal de Rio a
BGE 99 Ib 240 S. 241
rendu, le 18 mars 1968, un prononcé ordonnant le "desquite" des époux Brulhart-Pulcherio en application des dispositions du Code civil brésilien. Ce jugement autorisait les conjoints à se séparer et précisait que l'épouse devait dès lors reprendre son nom de célibataire; il a été confirmé par la Cour d'appel, saisie d'office par le juge de première instance. Actuellement, dame Pulcherio vit au Mexique avec un tiers, dont elle a eu un enfant. Quant à Brulhart, il fait ménage commun avec une ressortissante fribourgeoise. Un enfant est né de cette union.
B.-
Se fondant sur le jugement brésilien, Brulhart a demandé au Bureau de l'état civil de ses communes d'origine, le 18 mai 1972, d'inscrire la dissolution de son mariage au registre des familles. Le service cantonal de l'état civil a rejeté cette requête en faisant valoir que le "desquite" brésilien ne saurait être assimilé à un divorce au sens du droit suisse.
C.-
Le Conseil d'Etat du canton de Fribourg ayant rejeté le recours interjeté par Brulhart le 19 mars 1973, celui-ci a déposé un recours de droit administratif. Il a persisté dans ses conclusions. Tant le Ministère public de l'Etat de Fribourg, au nom du Conseil d'Etat, que le Département fédéral de justice et police proposent le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Le divorce d'époux suisses doit être inscrit dans les registres des familles et des mariages de l'état civil au lieu d'origine des époux (art. 52 ch. 3, 113 et 117 al. 2 ch. 1 de l'ordonnance du 1er juin 1953 sur l'état civil). Le jugement prononcé à l'étranger ne peut cependant être transcrit sans l'autorisation de l'autorité cantonale de surveillance, qui décide s'il équivaut à un jugement de divorce et peut être reconnu en Suisse. Il s'agit là d'une compétence exclusive, qui ne laisse aucune place à une procédure cantonale d'exequatur (RO 94 I 239 et arrêts cités; J.-F. AUBERT, Zeitschrift für Zivilstandswesen 1959 p. 338). La reconnaissance d'un divorce prononcé à l'étranger et son inscription dans les registres de l'état civil suisse ne dépendent pas du point de savoir si le motif retenu comme cause de divorce est également reconnu en droit suisse. Il suffit que le jugement étranger ait été rendu par un Tribunal compétent selon le droit étranger - c'est le cas en l'espèce - et qu'il ait pour effet le divorce des époux, soit la dissolution définitive du lien conjugal (art. 7 litt. g al. 3 LRDC). Cet élément ne peut découler de la
BGE 99 Ib 240 S. 242
terminologie utilisée, mais doit être déduit des effets concrets du jugement, selon le droit étranger (BECK, N. 152 ad art. 7 litt. g LRDC).
En l'espèce, il reste à déterminer si le "desquite" a, en droit brésilien, les mêmes effets qu'un divorce en droit suisse, tout au moins en ce qui concerne le conjoint qui n'est pas de nationalité brésilienne.
3.
Le Code civil du Brésil (CCB) prévoit que l'union conjugale prend fin:
- par la mort de l'un des époux,
- en vertu d'une contestation de la validité du mariage ou d'un prononcé d'annulation,
- sur la base d'une séparation amiable ou judiciaire (desquite).
Un mariage valable n'est cependant dissous que par la mort de l'un des époux (art. 315 CCB). Ce principe découle de la Constitution brésilienne, qui proclame l'indissolubilité du mariage (art. 175).
Lorsque des époux obtiennent l'autorisation de se séparer (desquite), la vie commune prend fin et le régime matrimonial est dissous. La femme perd en outre le droit de porter le nom de son mari (art. 322 et 324 CCB). Les époux ont cependant la faculté de rétablir en tout temps l'union conjugale par simple déclaration devant le Tribunal compétent.
Le prononcé de séparation rendu par un Tribunal brésilien ne dissout donc pas un mariage valable de manière définitive. Il se borne à ordonner et à organiser la séparation de corps et de biens des époux. Un tel prononcé ne peut être assimilé à un jugement de divorce, même si ses incidences sur le sort de l'union conjugale sont plus profondes que dans le système de la séparation de corps du droit suisse (JAAC 1959-1960 no 79 p. 154).
4.
En vertu de l'art. 7 § 6 de la loi d'introduction au Code civil brésilien, un prononcé de divorce ne peut déployer ses effets au Brésil si les deux époux sont de nationalité brésilienne; en revanche, si seul l'un d'eux l'est, le divorce est reconnu à l'égard de l'autre; celui-ci ne peut cependant se remarier au Brésil.
Cette disposition n'est pas applicable en l'espèce, car on ne voit pas comment un Etat soumettrait à une procédure de reconnaissance les jugements rendus par les autorités de son propre ordre judiciaire. L'art. 7 § 6 de la loi d'introduction au CCB se présente à l'évidence comme une règle de conflit, fixant la portée des jugements de divorce rendus à l'étranger (cf.
BGE 99 Ib 240 S. 243
H. VALLADAO, Revue critique de droit international privé, 1959, p. 447 ss.; J. SAMTLEBEN, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 1966, p. 459 ss.; BERGMANN/FERID: Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, p. 10).
Le seul fait qu'un étranger divorcé peut faire reconnaître son nouveau mariage au Brésil ne signifie nullement que cet Etat reconnaît l'institution du divorce, qu'il ne connaît ni n'organise. Un Etat peut avoir de bonnes raisons de reconnaître la validité d'une institution que son ordre juridique ne connaît pas - et dont un étranger se prévaut - sans pour autant la consacrer luimême.
5.
Il peut arriver qu'en matière de reconnaissance en Suisse de divorces prononcés à l'étranger, il se justifie, pour des raisons d'humanité ou d'équité, de ne pas appliquer les principes de l'art. 7 litt. g al. 3 LRDC dans toute leur rigueur (cf. AUBERT: Revue de l'état civil 1959 p. 371). Toutefois, pour que l'inscription d'un divorce dans les registres de l'état civil suisse soit possible, il est en tout cas nécessaire qu'il s'agisse d'un jugement qui entraîne la dissolution définitive de l'union conjugale. Des motifs d'humanité ne permettent pas d'inscrire en Suisse comme divorce un jugement qui prononce la séparation de corps et de biens des époux.
Les motifs d'humanité ne doivent d'ailleurs corriger la rigueur du droit que dans des circonstances exceptionnelles. En l'espèce, le recourant, qui est de nationalité suisse, a la possibilité d'introduire une action en divorce devant le juge de son lieu d'origine (art. 7 litt. g al. 1 LRDC). Il ne se trouve donc pas dans une situation juridiquement sans issue.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
63cb00a3-51c9-4cc5-8cf9-9cc6dc7bdffa | Urteilskopf
110 V 313
50. Urteil vom 30. Oktober 1984 i.S. Sanofi Pharma AG gegen Bundesamt für Sozialversicherung und Eidgenössisches Departement des Innern | Regeste
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. c und Abs. 6 KUVG, Art. 1 und 4 Vo VIII, Vf 10.
Arzneimittel, die ausschliesslich der Krankheitsverhütung (Prophylaxe) dienen, fallen nicht unter die gesetzlichen Pflichtleistungen; sie können auch in die Spezialitätenliste, welcher lediglich empfehlender Charakter zukommt, nicht aufgenommen werden. | Sachverhalt
ab Seite 313
BGE 110 V 313 S. 313
A.-
Die Sanofi Pharma AG ersuchte am 20. Dezember 1981 um Aufnahme des Präparates Hevac-B, eines Impfstoffes gegen Hepatitis-B-Erkrankungen, in die Spezialitätenliste gemäss Art. 3 ff. der Vo VIII über die Krankenversicherung vom 30. Oktober 1968.
Mit Verfügung vom 19. Juli 1982 lehnte das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) die Aufnahme des Präparates in die Spezialitätenliste ab, weil es ausschliesslich der Prophylaxe diene.
B.-
Gegen diese Verfügung beschwerte sich die Sanofi Pharma AG mit der Begründung, das Hevac-B erfülle sämtliche Voraussetzungen, welche gemäss Art. 3 und 4 Vo VIII für die Aufnahme eines Präparates in die Spezialitätenliste massgebend seien. Eine Rechtsgrundlage für den Ausschluss von Präparaten, die der Prophylaxe dienten, bestehe nicht. Auch könne die Begründung des BSV, wonach das Hevac-B ausschliesslich der Prophylaxe diene, nicht in allen Fällen anerkannt werden. Schliesslich gehöre
BGE 110 V 313 S. 314
die Verhütung schwerer Erkrankungen in den Aufgabenbereich der sozialen Krankenversicherung.
Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) wies die Beschwerde im wesentlichen mit der Feststellung ab, dass die Krankenkassen nach geltendem Recht grundsätzlich keine Leistungen zu erbringen hätten, die der Krankheitsverhütung dienten. Dementsprechend könnten Arzneimittel, deren Wirkung nicht auf Heilung, sondern auf Prophylaxe gerichtet seien, nicht in die Spezialitätenliste aufgenommen werden. Wie die Abklärungen der Eidgenössischen Arzneimittelkommission (EAK) ergeben hätten, diene das Hevac-B - vorbehältlich seltener Ausnahmefälle - allein der Prophylaxe. Die angefochtene Verfügung beruhe auf einer sorgfältigen Prüfung des Falles und verstosse nicht gegen Bundesrecht (Entscheid vom 22. Juni 1983).
C.-
Die Sanofi Pharma AG erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei die Sache zur Neubeurteilung an das EDI zurückzuweisen. Dieses schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, Kognition des Eidg. Versicherungsgerichts: vgl.
BGE 108 V 132
Erw. 1.)
2.
Nach
Art. 12 Abs. 6 KUVG
bezeichnet der Bundesrat nach Anhören der von ihm bestellten Eidgenössischen Arzneimittelkommission die Arzneimittel und Analysen, die von den Krankenkassen als Pflichtleistung zu übernehmen sind; ferner bezeichnet er nach Anhören dieser Kommission die Arzneimittel, deren Übernahme den Kassen empfohlen wird. Gemäss Art. 1 Vo VIII wird die Auswahl der Arzneimittel und Analysen nach Massgabe dieser Verordnung vom BSV vorgenommen (vgl. auch Art. 22 Vo III); die ausgewählten Arzneimittel und Analysen werden in folgenden Listen zusammengefasst:
"a. Liste der Arzneimittel mit Tarif (Arzneimittelliste);
b. Liste der zur Rezeptur für die Krankenkassen zugelassenen
pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel
(Spezialitätenliste);
c. Liste der Analysen mit Tarif (Analysenliste)."
Nach Art. 4 Abs. 1 Vo VIII sind für die Aufnahme eines Arzneimittels in die Spezialitätenliste massgebend das medizinische
BGE 110 V 313 S. 315
Bedürfnis (lit. a), die Zweckmässigkeit und Zuverlässigkeit in bezug auf Wirkung und Zusammensetzung (lit. b) sowie die Wirtschaftlichkeit (lit. c). Nach Abs. 6 der Bestimmung ordnet das EDI nach Anhören der EAK das Nähere über die Aufnahmebedingungen. Dies ist mit der Verfügung 10 des EDI über die Krankenversicherung betreffend die Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste vom 19. November 1968 geschehen.
3.
a) Die Krankenkassen haben die gesetzlichen Leistungen grundsätzlich nur zu erbringen, wenn der Versicherte an einer Krankheit leidet (
BGE 105 V 182
Erw. 1a mit Hinweisen). Die Pflichtleistungen gemäss
Art. 12 ff. KUVG
umfassen nicht nur Massnahmen, die der Beseitigung körperlicher oder psychischer Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes dienen. Es gehören dazu auch Vorkehren, mit welchen der Eintritt eines drohenden Gesundheitsschadens oder die Verschlimmerung eines bestehenden Leidens verhindert werden soll. Voraussetzung ist, dass bereits ein krankhafter Zustand vorliegt. Keine Leistungspflicht besteht bei rein vorsorglichen Massnahmen, die im Hinblick auf eine bloss mögliche künftige Schädigung durchgeführt werden (
BGE 107 V 100
Erw. 1b; RSKV 1982 Nr. 503 S. 193, Nr. 517 S. 290).
Diese Regelung gilt auch für die von den Krankenkassen gemäss Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. c KUVG zu übernehmenden Arzneimittel. Präparate, die ausschliesslich der Krankheitsverhütung (Prophylaxe) dienen, fallen daher nicht unter die gesetzlichen Pflichtleistungen.
b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Umstand, dass für prophylaktische Massnahmen keine gesetzliche Leistungspflicht bestehe, sei für die Beurteilung der vorliegenden Streitfrage unerheblich, weil die Spezialitätenliste nur jene Präparate umfasse, deren Bezahlung den Krankenkassen empfohlen werde und die somit nicht zu den Pflichtleistungen gehörten.
Es trifft zu, dass die in die Spezialitätenliste aufgenommenen Präparate nicht zu den gesetzlichen Pflichtleistungen gehören, indem den Krankenkassen die Kostenübernahme für diese Arzneimittel lediglich "empfohlen" wird. Zur Bedeutung dieser "Empfehlung" hat der Bundesrat in der Botschaft zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Änderung des Ersten Titels des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 5. Juni 1961 (BBl 1961 I 1417 ff.) ausgeführt, eine Obligatorischerklärung der Spezialitätenliste - wie sie von verschiedener Seite beantragt worden war - wäre an sich zwar wünschbar. Es könne
BGE 110 V 313 S. 316
indessen festgestellt werden, dass schon heute die Mehrzahl der Versicherten Kassen angeschlossen sei, welche wenigstens die in der Liste aufgeführten Spezialitäten gewährten. Im Hinblick darauf und auch mit Rücksicht auf die finanzielle Tragweite, welche eine Verpflichtung auf die Liste für die Kassen und damit indirekt auch für die Versicherten hätte, erscheine es als richtig, am bisherigen System einer Liste, deren Übernahme den Kassen empfohlen werde, festzuhalten. Dies um so mehr, als für Kassen, welche die Spezialitäten nicht wenigstens gemäss der Liste übernähmen, eine Herabsetzung des Bundesbeitrages (
Art. 35 Abs. 1 lit. a KUVG
) vorgesehen werde. Nötigenfalls könnten pharmazeutische Spezialitäten auch in die Arzneimittelliste aufgenommen und damit zur Pflichtleistung der Kassen gemacht werden (BBl 1961 I 1426 f.).
Aus den bundesrätlichen Ausführungen, welche in der parlamentarischen Beratung der Vorlage zu keinen Diskussionen Anlass gaben, ergibt sich als Begründung dafür, dass die Spezialitätenliste in die Form einer Empfehlung gekleidet wurde, lediglich, dass die Krankenkassen nicht vom Gesetzgeber zwangsweise zu entsprechenden Leistungen verpflichtet werden sollten. Dagegen fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass mit dem empfehlenden Charakter der Liste den Krankenkassen nahegelegt werden wollte, die Kosten von Präparaten zu übernehmen, auch wenn die allgemeine gesetzliche Leistungsvoraussetzung des Vorliegens eines krankhaften Zustandes nicht gegeben ist. Die Notwendigkeit dieser Voraussetzung für die Kostenübernahme von Arzneimitteln im Rahmen der Spezialitätenliste wurde offensichtlich als selbstverständlich erachtet. Mithin verbietet sich die Annahme, die Verwaltung sei befugt, den Krankenkassen durch Aufnahme in die Spezialitätenliste die Kostenübernahme für Präparate mit vorbeugendem Charakter zu "empfehlen". Aus dem Umstand, dass der Spezialitätenliste lediglich empfehlender Charakter zukommt, kann die Beschwerdeführerin somit nichts für sich ableiten.
Ob die Vo VIII bzw. die Vf 10 die Aufnahme von Präparaten in die Spezialitätenliste im genannten Sinne einschränkt oder nicht, ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin unerheblich. Die Nichtaufnahme prophylaktischer Arzneimittel folgt unmittelbar aus dem Gesetz, so dass eine allfällige gegenteilige Regelung als gesetzwidrig zu betrachten wäre.
c) Die Beschwerdeführerin macht des weitern geltend, die Unterscheidung zwischen prophylaktischen und therapeutischen Arzneimitteln bei der Aufnahme in die Spezialitätenliste erscheine
BGE 110 V 313 S. 317
nicht mehr als gerechtfertigt und es entspreche einer allgemeinen Auffassung, dass die Verhütung schwerer Erkrankungen in den Aufgabenbereich der sozialen Krankenversicherung gehöre.
Ob und gegebenenfalls inwieweit die Krankenkassen sinnvollerweise auch für die Kosten der Prophylaxe aufkommen sollten, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu erörtern. Die Prüfung dieser Frage, die sowohl in grundsätzlicher als auch in finanzieller Hinsicht von grosser Tragweite ist, obliegt nicht dem Richter, welcher an das Gesetz gebunden ist, sondern dem Gesetzgeber. Entsprechende Vorarbeiten sind gegenwärtig im Gange. Es kann diesbezüglich auf die Botschaft des Bundesrates über die Teilrevision der Krankenversicherung vom 19. August 1981 (BBl 1981 II 1117 ff., insbesondere 1142 und 1165) hingewiesen werden. Danach sollen auch präventivmedizinische Massnahmen Gegenstand der Versicherung bilden, wobei die Leistungspflicht auf bestimmte, in einer Verordnung des Bundesrates näher zu umschreibende Vorkehren beschränkt werden soll. Im übrigen wird ausdrücklich festgehalten, dass die Präventivmassnahmen nach geltendem Recht nicht zu den Pflichtleistungen der Kassen gehören.
d) Die Beschwerdeführerin rügt ferner eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit, ohne allerdings anzugeben, worin diese Verletzung bestehen soll. Dem Richter ist es indessen verwehrt, Bundesgesetze und allgemein verbindliche Bundesbeschlüsse auf Übereinstimmung mit der Verfassung zu prüfen (
Art. 113 Abs. 3 und
Art. 114bis Abs. 3 BV
). Soweit sich der Ausschluss der Präventivmassnahmen von der Leistungspflicht der Krankenkassen unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, ist er daher einer richterlichen Überprüfung unter dem Gesichtspunkt der Handels- und Gewerbefreiheit entzogen (vgl. im übrigen auch
BGE 109 V 216
ff.).
4.
Beim Hevac-B handelt es sich um einen Impfstoff gegen Hepatitis-B-Erkrankungen. Im vorinstanzlichen Verfahren machte die Beschwerdeführerin geltend, das Präparat diene nicht ausschliesslich der Prophylaxe, sondern bilde u. a. bei Hämodialysen und bei Patienten mit Immunsuppressiva und Nierentransplantationen Teil der Therapie. Die Experten der EAK stellten fest, dass es sich auch in diesen Fällen um Prophylaxe handle; dagegen räumten sie ein, dass es einige seltene Fälle gebe, in denen dem Präparat therapeutische Wirkung zukomme, so beispielsweise, wenn Hevac-B an Spitalpersonal verabreicht werde, das sich mit dem Blut eines an Hepatitis-B erkrankten Patienten infiziert habe. In diesen seltenen
BGE 110 V 313 S. 318
Fällen würden die Kosten jedoch von den Spitalträgern bzw. den Spitalhaftpflicht-Versicherungen übernommen, so dass keine Notwendigkeit für eine diesbezügliche Kassenzulässigkeit von Hevac-B bestehe.
Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, eine besondere Gefährdung bestehe auch für andere Personengruppen; sowohl beim Spitalpersonal als auch bei den übrigen gefährdeten Personengruppen erfolge die Verabreichung von Hevac-B aber nicht erst nach einer Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus; denn es liesse sich nicht verantworten, auf eine Impfung zu verzichten, um dann im Erkrankungsfall die wesentlich höheren Kosten für die Therapie zu übernehmen. Damit bestätigt die Beschwerdeführerin indessen, dass die Verabreichung von Hevac-B auch in diesen Fällen prophylaktisch erfolgt. Selbst für eine begrenzte Kassenzulässigkeit (Aufnahme in die Spezialitätenliste mit Limitation), wie sie für gewisse Impfstoffe Geltung hat, besteht daher kein Grund.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
63cbe683-b74e-45ea-81ad-ab19d7dad456 | Urteilskopf
115 III 95
21. Arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 22 septembre 1989 dans la cause Fondation institution supplétive LPP (recours LP) | Regeste
Art. 79 und 80 SchKG
.
Im Gegensatz zu den Krankenkassen kann die Auffangeinrichtung der beruflichen Vorsorge nicht selber den Rechtsvorschlag beseitigen, den der Arbeitgeber in der für die Beiträge eingeleiteten Betreibung erhoben hat. | Sachverhalt
ab Seite 95
BGE 115 III 95 S. 95
A.-
Par décision du 26 juin 1987, la Fondation institution supplétive LPP, Agence régionale de la Suisse romande, à Lausanne, a prononcé l'affiliation d'office de la société Editostar S.A., à Porrentruy. Le 8 avril 1988, l'institution supplétive a notifié à Editostar S.A. un décompte de primes LPP pour 1985 et 1986 s'élevant à 4'419 francs 80, valeur 30 mars 1988. La débitrice n'a pas payé ce montant et fait opposition à la poursuite que lui a fait notifier l'institution supplétive.
Par décision du 18 août 1988, l'institution supplétive a levé l'opposition et indiqué à la poursuivie qu'elle pouvait recourir contre cette décision auprès du Tribunal cantonal des assurances du canton de Vaud. Aucun recours n'ayant été exercé, la créancière a requis la continuation de la poursuite et l'Office des poursuites de Porrentruy a notifié à Editostar S.A. une commination de faillite. Le 19 juin 1989, l'Office des poursuites a toutefois annulé la commination de faillite, après avoir été rendu attentif par le juge de la faillite au fait que la poursuivante n'avait pas fait reconnaître au préalable son droit par la Chambre des assurances du Tribunal cantonal jurassien.
B.-
La Fondation institution supplétive LPP a formé une plainte contre la décision de l'Office que l'autorité cantonale de surveillance a rejetée, par décision du 24 juillet 1989.
C.-
La plaignante exerce en temps utile un recours à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral. Elle
BGE 115 III 95 S. 96
conclut à l'annulation de la décision attaquée et à ce qu'il soit dit que l'Office des poursuites de Porrentruy doit continuer la poursuite par voie de saisie.
L'Office et la débitrice ont renoncé à déposer des observations.
La Chambre des poursuites et des faillites a rejeté le recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'autorité cantonale a considéré que la décision d'une institution de prévoyance condamnant un employeur à payer une créance de cotisations ne peut lier ce dernier que si elle a été approuvée par un tribunal. Comme la plaignante n'avait pas fait reconnaître son droit par la juridiction compétente, elle ne pouvait demander la continuation de la poursuite paralysée par l'opposition de la débitrice.
A l'appui de son recours, la plaignante reproche à l'autorité cantonale de surveillance d'avoir méconnu que, selon l'
art. 54 al. 4 LPP
(RS 831.40), les fondations supplétives sont considérées comme des autorités au sens de l'
art. 1er al. 2 let
. c PA (RS 172.021). Elle estime dès lors que de telles fondations jouissent d'une situation particulière par rapport aux autres institutions de prévoyance, notamment parce que, contrairement à celles-ci, les institutions supplétives sont tenues d'affilier d'office les employeurs qui ne le font pas spontanément (
art. 11 al. 1 LPP
).
2.
La question litigieuse en l'espèce porte uniquement sur le point de savoir si la recourante, en tant qu'institution supplétive au sens de l'
art. 60 LPP
, peut invoquer la jurisprudence relative aux caisses-maladie (
ATF 107 III 60
ss) dont les décisions, exécutoires tant en vertu du droit cantonal que de l'
art. 30 al. 4 LAMA
(RS 832.10), lèvent l'opposition à la poursuite. Tel pourrait être le cas si l'institution supplétive disposait d'un pouvoir de décision relatif non seulement à l'affiliation des employeurs, mais aussi aux cotisations. Or, l'existence d'une voie de recours auprès d'une juridiction cantonale (
art. 73 LPP
) à côté de celle qui soumet le litige entre institution supplétive et employeurs à la commission fédérale (
art. 74 al. 1 let
. c LPP), montre qu'il n'en est rien; la question des cotisations fixées par l'institution supplétive pouvant être portée devant le juge cantonal (cf. SCHWARZENBACH-HANHART, Die Rechtspflege nach dem BVG, SZS 1983 p. 169 ss, p. 201), celle-ci ne dispose donc pas en la matière du pouvoir
BGE 115 III 95 S. 97
souverain de décision (cf. BRÜHWILER, Die Betriebliche Personalvorsorge der Schweiz, ASR 1989 p. 433 ss).
Certes, on doit admettre que la situation de l'institution supplétive n'est pas tout à fait identique à celle des institutions de prévoyance normales. La loi lui attribue le statut d'autorité (
art. 54 al. 4 LPP
) et l'institution supplétive est tenue, outre l'exécution de ses tâches spécifiques (art. 60 al. 2 let. a-c LPP), d'octroyer aux salariés (et à leurs survivants) les prestations légales (
art. 12 et 60 al. 2 let
. d LPP). Pour ce faire, il est naturellement nécessaire qu'elle puisse bénéficier des cotisations des employeurs qu'elle a dû affilier d'office. Il n'est donc pas absurde que la recourante cherche à étendre à ce domaine aussi l'autorité que la loi lui octroie. Mais le législateur a clairement voulu, s'agissant des cotisations, mettre les institutions supplétives sur le même pied que les autres institutions de prévoyance (
art. 60 al. 3 LPP
), et notamment en instituant la même voie de recours contre leurs décisions en cette matière (
art. 73 LPP
). | null | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
63d1d1f8-91e7-4993-bba4-c51d74e4a0dd | Urteilskopf
122 III 298
53. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 23 août 1996 dans la cause K. contre dames P. et F. (recours en réforme) | Regeste
Internationales Privatrecht; Zuständigkeit ratione loci; Vermittlung.
Auslegung des Begriffs "Vertrag oder Ansprüche aus Vertrag" im Sinn von
Art. 5 Ziff. 1 LugÜ
(E. 3a). Anwendung dieses Begriffs auf einen Mäklervertrag (E. 3b). Stillschweigende Anerkennung der Zuständigkeit gemäss
Art. 18 LugÜ
(E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 298
BGE 122 III 298 S. 298
Le 23 décembre 1992, P. et F., domiciliées à Genève, y ont assigné K., domicilié à Londres, en paiement de 106'000 fr., plus intérêts, à titre de commission de courtage en rapport avec la vente par le défendeur d'un grand appartement dont il était propriétaire à Genève.
Par jugement du 15 septembre 1995, le Tribunal de première instance du canton de Genève a condamné K. à payer la somme de 96'000 fr., intérêts en sus, à dame P. Il a, en revanche, rejeté la demande de dame F. au motif qu'il n'existait aucun contrat de courtage entre le défendeur et elle.
Statuant sur appel de K., la Cour de justice du canton de Genève, par arrêt du 24 novembre 1995, a confirmé ledit jugement. Elle s'est déclarée
BGE 122 III 298 S. 299
compétente ratione loci pour connaître de la présente affaire, en vertu de l'art. 5 ch. 1 de la Convention de Lugano, et elle a appliqué le droit suisse conformément à l'
art. 117 LDIP
(RS 291).
Le défendeur interjette un recours en réforme au Tribunal fédéral. Il conclut à l'annulation de l'arrêt déféré et au déboutement de P. de toutes ses conclusions. Selon lui, la cour cantonale aurait violé l'art. 5 ch. 1 de la Convention de Lugano en n'examinant pas de manière suffisante si la cause en litige relevait ou non de la "matière contractuelle". A son avis, un tel examen eût permis d'exclure l'applicabilité de cette disposition et, partant, la compétence des autorités judiciaires suisses, en vertu de l'art. 2 al. 1 de ladite convention, étant donné qu'il est domicilié en Grande-Bretagne.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours, dans la mesure où il était recevable, et confirmé l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
a) La Convention concernant la compétence judiciaire et l'exécution des décisions en matière civile et commerciale conclue à Lugano le 16 septembre 1988 (Convention de Lugano; RS 0.275.11) s'applique aux actions judiciaires intentées postérieurement à son entrée en vigueur dans l'état concerné (art. 54 al. 1;
ATF 119 II 391
consid. 2 et les références). Elle est entrée en vigueur en Suisse le 1er janvier 1992 et en Grande-Bretagne le 1er mai de ladite année. Les demanderesses ont introduit leur action en paiement le 23 décembre 1992. Par conséquent, cette action est régie par la Convention de Lugano.
En principe, les personnes domiciliées sur le territoire d'un Etat contractant sont attraites, quelle que soit leur nationalité, devant les juridictions de cet Etat (art. 2 al. 1 de la Convention de Lugano). Cependant, en matière contractuelle, le défendeur domicilié sur le territoire d'un Etat contractant peut être attrait devant le tribunal du lieu où l'obligation qui sert de base à la demande a été ou doit être exécutée (art. 5 ch. 1 de la Convention de Lugano). La notion de "matière contractuelle" est une notion autonome qui ne doit pas être interprétée par renvoi au droit interne de l'un ou l'autre des Etats concernés. Elle inclut les contestations sur l'existence ou sur la validité d'un contrat, faute de quoi il suffirait au défendeur d'alléguer que le contrat n'existe pas ou n'est pas valable pour déjouer la règle instituant cette compétence spéciale. L'obligation à retenir n'est ni l'une quelconque des obligations nées du contrat, ni l'obligation caractéristique, mais l'obligation qui
BGE 122 III 298 S. 300
sert de base à l'action en justice. Lorsque les parties n'ont pas désigné le lieu d'exécution de l'obligation litigieuse, le lieu où l'obligation a été ou doit être exécutée, au sens de l'art. 5 ch. 1 de la Convention de Lugano, est déterminé conformément à la loi qui régit l'obligation litigieuse selon sa règle de conflit de lois, et c'est ensuite le lieu d'exécution désigné par cette loi qui fonde la compétence spéciale; le plus souvent, ce sera la loi du contrat d'où dérive cette obligation (cf., pour plus de détails: HÉLÈNE GAUDEMET-TALLON, Les Conventions de Bruxelles et de Lugano - Compétence internationale, reconnaissance et exécution des jugements en Europe, Paris 1993, p. 101 ss; BEATRICE BRANDENBERG BRANDL, Direkte Zuständigkeit der Schweiz im internationalen Schuldrecht, thèse St-Gall 1991, p. 218 ss; JAN KROPHOLLER, Europäisches Zivilprozessrecht, 5e éd., p. 94 ss).
b) Dans le cas particulier, la question centrale a trait à l'existence ou l'inexistence d'un contrat de courtage ayant lié K. à P. Malgré qu'en ait le défendeur, la question relève de la "matière contractuelle" réservée par l'art. 5 ch. 1 de la Convention de Lugano, attendu que cette notion, autonome, embrasse aussi le problème de l'existence d'un contrat. L'obligation litigieuse est en l'occurrence le paiement de la commission réclamée par la courtière. Pour la localiser, il faut se référer au droit suisse. En effet, cette obligation dérive d'un contrat de courtage, lequel tombe sous le coup de l'
art. 117 LDIP
(CATERINA AMMANN, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, n. 21 ad
art. 412 CO
). Cette disposition, par le jeu de ses trois alinéas, commande d'appliquer le droit de l'Etat dans lequel le courtier a sa résidence habituelle ou, s'il agit à titre professionnel, son établissement. Or, la demanderesse P. est domiciliée et travaille à Genève. En droit suisse, à défaut de stipulation contraire, lorsqu'il s'agit d'une somme d'argent, le paiement s'opère dans le lieu où le créancier est domicilié à l'époque du paiement (
art. 74 al. 2 ch. 1 CO
). Ainsi, en l'espèce, l'obligation relevant du domaine contractuel et servant de base à la demande, c'est-à-dire le paiement de la commission litigieuse, devait être exécutée en Suisse. Le défendeur, bien qu'il fût domicilié en Grande-Bretagne au moment de l'ouverture de la présente action, pouvait donc être attrait en Suisse, conformément aux dispositions de l'art. 5 ch. 1 de la Convention de Lugano. Partant, la Cour de justice s'est déclarée à bon droit compétente pour connaître de cette action. Toutes les explications avancées dans l'acte de recours pour tenter d'établir le contraire tombent dès lors à faux. Au demeurant, le défendeur
BGE 122 III 298 S. 301
n'est pas logique avec lui-même puisqu'il s'ingénie à démontrer l'incompétence territoriale des autorités judiciaires suisses tout en invitant le Tribunal fédéral à débouter P. de ses conclusions, autrement dit à statuer sur le fond.
4.
En tout état de cause, et comme le relèvent avec raison les demanderesses, l'art. 18 de la Convention de Lugano relatif à la prorogation tacite de compétence conduirait ici au même résultat que celui auquel est parvenue la Cour de justice, à supposer que celle-ci n'eût pas appliqué correctement l'art. 5 ch. 1 de ladite Convention. A cet égard et contrairement aux affirmations de l'intéressé, il ressort du dossier cantonal que le défendeur n'a jamais contesté la compétence territoriale des autorités judiciaires genevoises. De fait, en première instance, il s'en est simplement rapporté à justice sur ce point et, en instance d'appel, il n'a même plus repris cette pseudo-réserve, mais s'est contenté de conclure au rejet de l'action en se référant, en droit, aux
art. 1 ss et 412 ss CO
. C'est là un motif supplémentaire de rejet de son recours en réforme. | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
63d61616-b65a-428f-bf60-d537813d7564 | Urteilskopf
118 Ia 124
18. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. April 1992 i.S. Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle NAGRA gegen Kanton Nidwalden und Verfassungsgericht des Kantons Nidwalden (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 15 Abs. 3 und
Art. 36b OG
(gemäss Revision 1991).
Das Urteil über staatsrechtliche Beschwerden gegen referendumspflichtige kantonale Erlasse kann bei Einstimmigkeit in der Besetzung mit sieben Richtern im Zirkulationsverfahren gefällt werden (E. 1).
Art. 6,
Art. 85 Ziff. 7 und
Art. 113 BV
;
Art. 84 Abs. 1 OG
: Überprüfung kantonaler Verfassungsbestimmungen?
Änderungen von Kantonsverfassungen können nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde im abstrakten Normkontrollverfahren angefochten werden; sie unterliegen ausschliesslich der Gewährleistung der Bundesversammlung (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 124
BGE 118 Ia 124 S. 124
Aufgrund von Volksinitiativen beschloss die Landsgemeinde des Kantons Nidwalden im Jahre 1990 Änderungen der Kantonsverfassung,
BGE 118 Ia 124 S. 125
des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch und des Gesetzes über die Gewinnung mineralischer Rohstoffe (Bergregalgesetz). Diese Neuerungen betreffen die Benützung des Untergrundes für Ausbeutung, Produktion und Lagerung und verlangen hierfür eine von der Landsgemeinde zu erteilende Konzession.
Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle NAGRA focht u.a. die Änderungen der Kantonsverfassung erfolglos beim Verfassungsgericht des Kantons Nidwalden an. In der Folge machte sie beim Bundesgericht geltend, die neuen Bestimmungen in Art. 52 Abs. 3 Ziff. 6 und Art. 65 Abs. 2 Ziff. 8 KV verstiessen insbesondere gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 15 Abs. 3 OG
(in der hier anwendbaren Fassung vom 4. Oktober 1991, AS 1992 288 und 337) entscheiden die öffentlichrechtlichen Abteilungen in der Besetzung mit sieben Richtern u.a. über referendumspflichtige Erlasse. Diese Besetzung stellt die ordentliche dar und gilt unabhängig von der Frage, ob Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden sind (JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Band I, N 3.3 zu Art. 15). In Anlehnung an die frühere Rechtsprechung zum summarischen Verfahren nach Art. 92 aOG (
BGE 108 Ia 280
f.) ist anzunehmen, dass auch bei der Anfechtung von referendumspflichtigen kantonalen Erlassen (und den entsprechenden Stimmrechtsbeschwerden) das vereinfachte Verfahren nach Art. 36a nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (POUDRET, a.a.O.). Die Bestimmung von
Art. 15 Abs. 3 OG
über die ordentliche Besetzung gebietet indessen eine gewisse Zurückhaltung bei der Anwendung des vereinfachten Verfahrens. Dieses kommt für den Fall einer Gutheissung kaum oder nur unter ganz besonderen Umständen in Frage (vgl. POUDRET, a.a.O.), entspricht nicht dem Normalfall und ist demnach im wesentlichen auf offensichtlich unbegründete oder unzulässige und damit geradezu trölerische oder missbräuchliche Beschwerden zu beschränken (vgl. POUDRET, a.a.O.). Auf der andern Seite erlauben die neuen, hier anwendbaren Bestimmungen des Organisationsgesetzes, bei Einstimmigkeit grundsätzlich alle Entscheidungen nach
Art. 36b OG
im Zirkulationsverfahren zu beurteilen. Das gilt auch für Beschwerden wie die vorliegende, für welche
Art. 15 Abs. 3 OG
eine Besetzung von sieben Richtern erfordert.
BGE 118 Ia 124 S. 126
Im vorliegenden Fall kann nicht im vereinfachten Verfahren im Sinne von
Art. 36a OG
entschieden werden. Angesichts der Einstimmigkeit ist es aber zulässig, im Zirkulationsverfahren nach
Art. 36b OG
in der Besetzung mit sieben Richtern zu entscheiden.
2.
Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (
BGE 117 Ia 2
).
Die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde hat ausschliesslich die Frage der Zulässigkeit der Änderung der Verfassung des Kantons Nidwalden bzw. die Einfügung der Art. 52 Abs. 3 Ziff. 6 und Art. 65 Abs. 2 Ziff. 8 zum Gegenstand.
... Es stellt sich die Frage, ob eine Änderung einer Kantonsverfassung angesichts des Erfordernisses der Gewährleistung durch die Eidgenössischen Räte im Verfahren der abstrakten Normkontrolle vor dem Bundesgericht überhaupt angefochten werden kann.
3.
a) Gemäss
Art. 6 Abs. 1 BV
sind die Kantone verpflichtet, für ihre Verfassungen die Gewährleistung des Bundes nachzusuchen. Die Bundesversammlung ist nach
Art. 85 Ziff. 7 BV
zuständig, die kantonalen Verfassungen zu überprüfen und ihnen die Gewährleistung zu erteilen. Die Bundesversammlung hat nach
Art. 6 Abs. 2 BV
u.a. zu prüfen, ob die Kantonsverfassung "nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes" enthalte (vgl.
BGE 89 I 392
ff.,
BGE 104 Ia 219
, mit Hinweisen).
In Anbetracht dieser Kompetenz der Bundesversammlung zur Gewährleistung von Kantonsverfassungen hat das Bundesgericht in einer auf das Jahre 1891 zurückgehenden Rechtsprechung angenommen, es sei zur Überprüfung von Kantonsverfassungen nicht zuständig. Es hat daran trotz der in der Literatur geübten Kritik festgehalten und ist auf entsprechende Beschwerden nicht eingetreten (BGE 17, 630,
BGE 89 I 392
ff.,
BGE 104 Ia 219
ff., mit weiteren Hinweisen auf Judikatur und Doktrin). Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt,
Art. 85 Ziff. 7 BV
stelle gegenüber
Art. 113 BV
eine lex specialis dar, weshalb Kantonsverfassungen nicht Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde im Sinne von
Art. 113 BV
bzw.
Art. 84 OG
sein könnten. Es könne nicht angenommen werden, dass der Verfassungsgeber die (abstrakte) Überprüfung von Verfassungen zwei verschiedenen Organen übertragen habe. Eine zweifache Kontrolle brächte zudem die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen mit sich. Ferner sei die Prüfung durch die Bundesversammlung nicht anderer Natur als diejenige durch das Bundesgericht (vgl. insbes.
BGE 89 I 393
ff. E. 3 und 4,
BGE 104 Ia 220
f.).
BGE 118 Ia 124 S. 127
Diese Rechtsprechung bezog sich zu Beginn auf Fälle, in denen im Anschluss an den Erlass einer Verfassungsänderung im Verfahren der abstrakten Normkontrolle staatsrechtliche Beschwerde erhoben wurde (vgl. BGE 17, 622 ff.,
BGE 89 I 392
, 104 Ia 219 ff., mit Hinweisen). Später hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung auf die vorfrageweise Überprüfung kantonaler Verfassungsbestimmungen ausgedehnt und es abgelehnt, im Einzelfall deren Vereinbarkeit mit dem Bundesverfassungsrecht zu prüfen (
BGE 83 I 181
ff.,
BGE 100 Ia 364
, vgl. 104 Ia 220). Diese Rechtsprechung ist in der Literatur ebenfalls auf Kritik gestossen (vgl.
BGE 111 Ia 241
, mit zahlreichen Hinweisen). Das Bundesgericht hat ihr im Jahre 1984 teilweise Rechnung getragen und unter Präzisierung der Rechtsprechung eine gewisse Ausdehnung der vorfrageweisen Überprüfung kantonaler Verfassungsbestimmungen anerkannt; danach kann die vorfrageweise Überprüfung kantonaler Verfassungsbestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit den vor der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleisteten Rechten und mit dem übrigen Bundesrecht jedenfalls dann mit staatsrechtlicher Beschwerde verlangt werden, wenn das übergeordnete Recht im Zeitpunkt der Gewährleistung durch die Bundesversammlung noch nicht in Kraft getreten ist (
BGE 111 Ia 241
f.). Diese Rechtsprechung ist mit allgemeiner Formulierung kürzlich bestätigt worden (
BGE 116 Ia 366
f.).
b) Im vorliegenden Fall steht einzig in Frage, ob eine Änderung der Kantonsverfassung direkt im Anschluss an deren Erlass mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann. Die bundesgerichtliche Praxis hat dies - soweit ersichtlich - in der Sache selbst stets verneint, und dementsprechend ist das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerden nicht eingetreten (BGE 17, 622 ff.,
BGE 89 I 392
,
BGE 104 Ia 209
ff.); daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass es im gleichen Zusammenhang erhobene Stimmrechtsbeschwerden im Sinne von
Art. 85 lit. a OG
behandelt hat (vgl.
BGE 89 I 399
E. 6,
BGE 104 Ia 222
E. 2). In der heutigen Doktrin wird diese Ansicht weitgehend geteilt (vgl. PETER SALADIN, BV-Kommentar, Rz. 24 zu Art. 6; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, S. 63; WALTER KÄLIN, Überprüfung kantonaler Verfassungsbestimmungen durch das Bundesgericht, in: recht 1986 S. 135). Zum Teil wird der Ausschluss des abstrakten Normkontrollverfahrens in Beziehung zur Möglichkeit der vorfrageweisen Überprüfung gesetzt (vgl. ANDREAS AUER, La juridiction constitutionnelle en Suisse, S. 152 N 270; ROLAND VETTERLI, Kantonale Erlasse als Anfechtungsobjekte der staatsrechtlichen Beschwerde, Diss.
BGE 118 Ia 124 S. 128
St. Gallen 1989, S. 124 ff., je mit weiteren Hinweisen); mit der erwähnten Ausdehnung der Rechtsprechung zur vorfrageweisen Überprüfung der Kantonsverfassungen ist auch diesen Überlegungen weitgehend Rechnung getragen. Aus all diesen Gründen ist an der Praxis festzuhalten, dass Änderungen von Kantonsverfassungen mit staatsrechtlicher Beschwerde im abstrakten Normkontrollverfahren nicht angefochten werden können.
c) Aufgrund dieser Rechtslage ist die gegen den Erlass von Art. 52 Abs. 3 Ziff. 6 und Art. 65 Abs. 2 Ziff. 8 der Kantonsverfassung gerichtete staatsrechtliche Beschwerde der NAGRA nicht zulässig. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
63d9e0d7-920b-4cef-a883-c46a36daeee4 | Urteilskopf
102 Ib 137
24. Urteil des Kassationshofes vom 11. Juni 1976 i.S. W. gegen Regierungsrat des Kantons Luzern | Regeste
Art. 4 der Verordnung 1 zum StGB.
Die Kantone können die Höchstdauer der in der Form der Halbgefangenschaft vollziehbaren Strafen auf weniger als drei Monate begrenzen. | Sachverhalt
ab Seite 137
BGE 102 Ib 137 S. 137
A.-
Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte W. am 19. Dezember 1974 zu einem Monat Gefängnis, abzüglich einen Tag Untersuchungshaft, und widerrief gleichzeitig den vom Amtsstatthalteramt Luzern-Stadt am 13. August 1973 für eine Gefängnisstrafe von acht Tagen gewährten bedingten Strafvollzug.
Das Amtsstatthalteramt Luzern-Land lehnte am 13. Oktober 1975 ein Gesuch des Verurteilten um Vollzug der beiden Gefängnisstrafen in Form der Halbgefangenschaft ab. Die gegen diese Verfügung geführte Verwaltungsbeschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Luzern am 22. März 1976 gestützt auf § 1 Abs. 1 der von ihm am 7. April 1975 erlassenen
BGE 102 Ib 137 S. 138
Verordnung über den Vollzug kurzfristiger Freiheitsstrafen ab, welcher die Form der Halbgefangenschaft nur für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen bis zu einem Monat zulässt.
B.-
W. führt gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung zurückzuweisen, eventuell den Vollzug der gegen ihn ausgesprochenen Freiheitsstrafen in Form der Halbgefangenschaft zu gewähren. Er macht geltend, gemäss Art. 4 Abs. 1 der Verordnung des Bundesrates zum Schweizerischen Strafgesetzbuch vom 13. November 1973 (VStGB 1) seien, wenn ein Kanton den Vollzug von Freiheitsstrafen in der Form der Halbgefangenschaft einführe, sämtliche Gefängnisstrafen von nicht mehr als drei Monaten in dieser Weise zu vollstrecken. Die Verweigerung der Halbgefangenschaft für die an ihm zu vollziehenden Strafen sei daher bundesrechtswidrig.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die vom Bundesrat gestützt auf
Art. 397bis StGB
erlassene Verordnung vom 13. November 1973 zum Schweizerischen Strafgesetzbuch (VStGB 1: SR 311.01) gestattet in Art. 4 Abs. 1 den Kantonen, für Einschliessungsstrafen, Haftstrafen und Gefängnisstrafen bis zu drei Monaten den Vollzug in der Form der Halbgefangenschaft (semi-détention) einzuführen. Diese besteht darin, dass der Verurteilte nur die Ruhe- und Freizeit in der Anstalt zu verbringen hat, seine bisherige Arbeit oder Ausbildung aber ausserhalb der Anstalt fortsetzen kann (Abs. 3).
Art. 4 VStGB (1) schafft die bisher fehlende Rechtsgrundlage für den Vollzug kurzer Freiheitsstrafen in der Form der Halbgefangenschaft, die schon früher vereinzelt Anwendung fand. Die Kantone werden indessen zur Einführung dieser Vollzugsform nur ermächtigt, nicht verpflichtet. Abgesehen davon, dass der Bund den zulässigen Maximalrahmen festsetzt, wird die den Kantonen erteilte Ermächtigung in keiner Richtung eingeschränkt oder mit Auflagen versehen. Sie sind also nicht bloss frei, die Halbgefangenschaft einzuführen oder davon abzusehen, sondern es wird ihnen auch anheimgestellt, in welcher Weise und in welchem Umfang sie von der Befugnis
BGE 102 Ib 137 S. 139
Gebrauch machen wollen. Das schliesst auch die Möglichkeit ein, die Halbgefangenschaft auf einzelne der in der Verordnung genannten Strafarten zu beschränken oder nur für Strafen von kürzerer Dauer einzuführen. Ein Kanton, der einen Versuch mit der Halbgefangenschaft machen will, ist also nicht gehalten, sie für Gefängnisstrafen bis zu drei Monaten zu gewähren, sondern kann, wie es im Kanton Luzern geschehen ist, die Grenze der Strafdauer z.B. auf einen Monat herabsetzen. Gegen die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung, dass die Kantone nur die Wahl hätten, entweder die bundesrechtliche Höchstdauer der Strafen anzunehmen oder aber auf die Einführung der Halbgefangenschaft überhaupt zu verzichten, spricht schon der Wortlaut der Verordnung, der den Ausdruck "gestatten" verwendet, der weiter geht als das Wort "können", und dass die Verordnung nur die Art der Freiheitsstrafen und die obere Grenze der Strafdauer festlegt, im übrigen aber keine abschliessende Ordnung aufstellt, sondern die Regelung der Voraussetzungen und Bedingungen der Halbgefangenschaft den Kantonen überlässt. Die vom Beschwerdeführer gewünschte Auslegung würde sich auch mit dem Sinn und Zweck der Verordnung nicht vertragen. Die Einrichtung der Halbgefangenschaft ist bei der grossen Mehrheit der Kantone auf Widerstand gestossen, und vor einer obligatorischen Einführung müssen, wie aus den Erläuterungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 7. November 1973 hervorgeht, vorerst Erfahrungen gesammelt werden, die unter den gegebenen Umständen nur zu erhalten sind, wenn den Kantonen ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird. Dass eine fakultative Ordnung der vorliegenden Art eine unterschiedliche Behandlung der Verurteilten zur Folge hat, ist unvermeidlich und muss in Kauf genommen werden.
§ 1 Abs. 1 der luzernischen Verordnung vom 7. April 1975 über den Vollzug kurzfristiger Freiheitsstrafen ist somit nicht bundesrechtswidrig und demzufolge auch nicht der Entscheid des Regierungsrates, die Halbgefangenschaft für eine länger als einen Monat dauernde Gefängnisstrafe abzulehnen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
63dc8729-57af-4124-a6a4-5ac88facdec9 | Urteilskopf
109 IV 94
26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Oktober 1983 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 111 StGB
; Irrtum über den Kausalverlauf.
Ein vollendetes Tötungsdelikt liegt auch dann vor, wenn der Täter das Opfer mit Tötungsvorsatz angreift, dann an der vermeintlichen Leiche weitere Handlungen ausführt (z.B. um sie zu beseitigen) und objektiv erst dadurch den Tod verursacht. Unerheblich ist, ob diese weiteren Handlungen auf einem von vornherein gefassten Plan beruhen, oder ob sich der Täter erst nach der irrtümlich für wirksam gehaltenen Tötungshandlung dazu entschliesst. | Sachverhalt
ab Seite 94
BGE 109 IV 94 S. 94
A.-
X. schlug am Abend des 19. April 1981 in seiner Wohnung in Rheinfelden im Laufe eines Streites seine Ehefrau mit einem Beilhammer nieder, indem er ihr zunächst zwei, während sie in die Knie zusammensank, einen weitern und, als sie bewusstlos auf dem Boden lag, einen vierten Schlag auf den Hinterkopf versetzte. Er schleppte dann die Frau, die er für tot hielt, ins Badezimmer, trennte darauf mit Fleischmesser und Beilhammer den Kopf ab und verpackte diesen in einen Plastiksack. Anschliessend brachte er dem leblosen Körper Messerstiche bei und schnitt den Bauch auf, so dass die Eingeweide herausquollen. Den derart verstümmelten Leichnam liess er liegen und blieb noch bis zum 23. April 1981 in der ehelichen Wohnung. Darauf reiste er nach Schweden, wo er bereits am 25. April 1981 verhaftet werden konnte.
B.-
Das Bezirksgericht Rheinfelden qualifizierte die Tötungshandlung als Mord und verurteilte X. am 12. Juli 1982 wegen
BGE 109 IV 94 S. 95
Mordes und Veruntreuung (unter Annahme einer Verminderung der Zurechnungsfähigkeit) zu 18 Jahren Zuchthaus.
In teilweiser Gutheissung der Berufung des Verurteilten erklärte ihn das Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 28. April 1983 der vorsätzlichen Tötung im Sinne von
Art. 111 StGB
sowie der Veruntreuung schuldig und setzte die Strafe auf 15 Jahre Zuchthaus fest.
C.-
Gegen das Urteil des Obergerichts führt X.
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Begehren, Schuldspruch und Strafe seien aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen
"- zwecks Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Versuches der vorsätzlichen Tötung gemäss
Art. 111 StGB
in Verbindung mit
Art. 22 Abs. 1 StGB
sowie wegen fahrlässiger Tötung im Sinne von
Art. 117 StGB
in Verbindung mit
Art. 19 Abs. 2 StGB
- sowie zwecks erheblicher Reduktion der ausgefällten Zuchthausstrafe von 15 Jahren unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft."
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
In tatsächlicher Hinsicht ist von folgenden für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz auszugehen:
a) Der Beschwerdeführer versetzte seinem Opfer mit Tötungsvorsatz vier Beilhammerhiebe auf den Hinterkopf. Diese Schläge hatten nach dem ärztlichen Gutachten nicht den Tod zur Folge. Die Frau war aber bewusstlos und wurde vom Beschwerdeführer - nach seinen nicht widerlegbaren Aussagen - für tot gehalten.
b) Eigentliche Todesursache war die Abtrennung des Kopfes. In dieser Phase seiner Tat glaubte der Beschwerdeführer jedoch, die Frau sei bereits tot, er zerschneide eine Leiche.
2.
Gestützt auf diese Feststellungen über den Handlungsablauf wird in der Nichtigkeitsbeschwerde die Auffassung vertreten, es seien bei der rechtlichen Subsumtion zwei gesonderte Tötungshandlungen zu unterscheiden: Die mit Tötungsvorsatz ausgeführten Beilhammerschläge hätten nicht zum beabsichtigten Erfolg geführt, sie seien als vollendeter Tötungsversuch zu erfassen (
Art. 22 Abs. 1 StGB
). Beim anschliessenden Zerschneiden des für tot gehaltenen Körpers habe der Beschwerdeführer ohne Tötungsvorsatz gehandelt, und die effektive Verursachung des Todes (durch die Abtrennung des Kopfes) stelle daher eine fahrlässige
BGE 109 IV 94 S. 96
Tötung dar (
Art. 19 Abs. 2 StGB
in Verbindung mit
Art. 117 StGB
).
Das Obergericht hat eine solche Aufteilung der Tatausführung nach den vom Täter behaupteten Vorstellungen über den Kausalverlauf in Erwägung gezogen, aber schliesslich eine getrennte rechtliche Beurteilung der einzelnen Tatphasen abgelehnt und das von vornherein auf Tötung gerichtete Vorgehen als Einheit unter
Art. 111 StGB
subsumiert.
3.
Diese Beurteilung des gesamten Tatvorgangs ohne Berücksichtigung der irrtümlichen Annahmen des Täters über einzelne Elemente des Kausalverlaufs wird mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten.
a) Die Begründung der Beschwerde stützt sich auf eine in der Doktrin vertretene Lehrmeinung, wonach die Tötung, welche nicht durch die mit Tötungsvorsatz begangene Handlung, sondern erst durch die nachfolgende Beseitigung der "Leiche" herbeigeführt wird, nur dann als vollendete Tötung zu bestrafen ist, wenn der Täter von Anfang an beide Phasen plante (z.B. Würgen und nachher Ins-Wasser-Werfen; Erstechen und dann Eingraben der Leiche); falls sich der Täter aber erst nach Beendigung der ersten Phase (Tötung) zur Beseitigung des für tot gehaltenen Körpers entschliesse und dann effektiv die Todesursache setze, so komme nur Bestrafung wegen (vollendeten) Versuchs der Tötung allenfalls in Verbindung mit nachfolgender fahrlässiger Tötung in Frage (STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, AT I, Bern 1982, S. 156/157; WALDER, ZStrR 96/1979, S. 137/138).
b) Die Vorinstanz beruft sich auf die weitergehende Auffassung, dass in allen diesen Fällen ein vollendetes Tötungsdelikt vorliege, auch wenn sich der Täter darüber irrte, welche seiner einzelnen Handlungen den von ihm gewollten Tod des Opfers zur Folge hatte (JESCHECK, Lehrbuch des Strafrechts, 3. Aufl., S. 252; DREHER-TRÖNDLE, Strafgesetzbuch, 40. Aufl., N. 7 zu § 16 dStGB; BGHStr 14, 193; vgl. auch BGHStr 7, 329 f.).
c) Bei der rechtlichen Qualifikation solcher Fälle ist davon auszugehen, dass der Täter den Tod des Opfers herbeiführen wollte und durch seine Handlungen die Todesursachen gesetzt hat. Mit der Verurteilung wegen eines vollendeten Tötungsdeliktes wird ihm also nicht ein Erfolg zur Last gelegt, der nicht seinem Willen entsprochen hätte. Der dargelegte Meinungsstreit in der Doktrin und die Argumentation in der Nichtigkeitsbeschwerde beziehen sich darauf, ob die Abweichung des wirklichen Kausalverlaufs von der Vorstellung
BGE 109 IV 94 S. 97
des Täters über die Folgen seiner einzelnen Handlungen für die strafrechtliche Subsumtion von Bedeutung sein soll. Nach den Grundsätzen des Schuldstrafrechts kann ein solcher Irrtum über den Kausalverlauf für die Beurteilung nur wesentlich sein, wenn die irrige Vorstellung die Schwere der Tat und das Mass des Verschuldens des Täters in einem andern Lichte erscheinen lässt. Unter diesem Aspekt ist es aber belanglos, d.h. strafrechtlich irrelevant, ob ein Täter den ersten Schuss oder den ersten Schlag bereits für tödlich gehalten hat, während die nachträgliche medizinische Feststellung zeigt, dass erst ein zweiter, gegen den irrtümlich schon für tot oder tödlich verletzt gehaltenen Körper gerichteter Schuss oder Schlag die eigentliche Todesursache bildete. Der Täter wollte die Tötung; dass er sie nicht genau so herbeiführte, wie er sich das vorstellte, sondern erst durch eine zusätzliche, nach seiner Meinung für den Tod nicht kausale Handlung, ist für das Mass der Schuld ohne Bedeutung und dieser Irrtum daher strafrechtlich unwesentlich. Dass die beiden in Frage stehenden Handlungen des Täters - die vorsätzliche Tötungshandlung, die den Tod nicht zur Folge hatte, und eine spätere Handlung mit Tötungswirkung - zeitlich eventuell nicht so nahe aufeinanderfolgen, sondern wie im vorliegenden Fall als deutlich getrennte Phasen eines Handlungsablaufs betrachtet werden können, ändert an der strafrechtlichen Beurteilung nichts. Den Täter, der töten will, und der die zweite, den Tod tatsächlich bewirkende Handlung nur deswegen ohne Tötungsvorsatz ausführt, weil er glaubt, das Opfer sei infolge seines ersten mit Tötungsvorsatz ausgeführten Angriffs bereits tot, trifft wegen dieses Irrtums über den Kausalverlauf nicht ein geringeres Verschulden, er ist in gleichem Masse strafwürdig, wie wenn - gemäss seiner Vorstellung - schon die erste Phase seines Vorgehens zum gewollten Erfolg geführt hätte.
d) Die oben erwähnte, in der Lehre vertretene Auffassung, eine vollendete Tötung könne in solchen Fällen nur dann angenommen werden, wenn die zweite, vermeintlich am Leichnam ausgeführte, aber in Wahrheit tötungswirksame Handlung schon von vornherein (als Akt der Beseitigung der Leiche) geplant gewesen sei (STRATENWERTH, WALDER, a.a.O.), trifft eine vom Schuldprinzip her nicht begründbare Unterscheidung. Ob ein Täter, der die gewollte Tötung nicht, wie er glaubt, durch die ersten Handlungen herbeigeführt hat, nun die effektiv den Tod verursachende Behandlung des für tot gehaltenen Körpers (Vergraben, Zerschneiden, ins Wasser werfen) gestützt auf einen von vornherein gefassten
BGE 109 IV 94 S. 98
Plan ausführt, oder ob er sich erst nach der irrtümlich für wirksam gehaltenen Tötungshandlung zu dem den Tod verursachenden weitern Verhalten entschliesst, vermag keine unterschiedliche strafrechtliche Beurteilung zu begründen: In beiden Fällen will der Täter von Anfang an den Tod des Opfers und er führt in beiden Fällen diesen Tod nicht durch jene Handlungen herbei, die er mit Tötungsvorsatz ausführt, sondern durch nachfolgende Handlungen, die er als Tötungsdelinquent an der vermeintlichen Leiche begeht. Der Irrtum über den Kausalverlauf ist in beiden Fällen unwesentlich: Ein zur Tötung entschlossener Täter verursacht vorsätzlich oder zumindest eventualvorsätzlich den Tod seines Opfers. Dass er im Moment, als er die - gemäss nachträglicher Feststellung - objektiv zum Tode führende Ursache setzte, der Meinung war, der gewollte deliktische Erfolg sei bereits vorher eingetreten, vermag ihn in keiner Weise zu entlasten.
e) In Fällen wie dem hier zu beurteilenden dürfte zudem eine andere Argumentation in der Regel zum gleichen Ergebnis führen. Wollte man die beiden Handlungsphasen bei der Subsumtion strikte trennen, dann wären bezüglich der zweiten Phase folgende Überlegungen anzustellen: Wer einem Opfer, das er töten will und mit Schlägen auf den Kopf reglos gemacht hat, den Kopf abtrennt, ohne zu kontrollieren, ob das Opfer noch lebt oder bereits tot ist, der nimmt zumindest im Sinne des dolus eventualis in Kauf, dass er seine eindeutig todbringende Verstümmelung nicht an einem Leichnam, sondern an einer noch lebenden Person ausführt. Nach seinem von vornherein gefassten Vorsatz ist es für ihn im Grunde genommen auch ohne Bedeutung, ob der Tod bereits eingetreten ist oder eventuell erst durch die nachfolgende Verstümmelung verursacht wird.
f) Der angefochtene Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tötung verletzt daher kein Bundesrecht. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer beim Angriff auf seine Frau mit Tötungsvorsatz gehandelt. Dass er den Tod der Frau nicht schon mit den Beilhammerschlägen verursachte, wie er angeblich glaubte, sondern erst mit dem Abtrennen des Kopfes, ändert aus den dargelegten Gründen am Mass der Schuld und an der rechtlichen Subsumtion nichts.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
63df1d91-49e4-48d8-b069-6c23bd367674 | Urteilskopf
136 II 457
43. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) gegen Schweizerische Bundesbahnen SBB sowie Schweizerische Bundesbahnen SBB gegen Bundesamt für Verkehr (BAV) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_61/2010 / 2C_98/2010 vom 26. August 2010 | Regeste
Art. 71 Abs. 1 VwVG
, Art. 10, 16, 49a und 50 TG,
Art. 8 Abs. 1 BV
; Aufsicht des Bundes im Zusammenhang mit der Erhebung eines Kontrollzuschlages für sog. Graufahren (Fahren mit einem lediglich in der zweiten Klasse gültigen Fahrschein in der ersten Klasse) bei der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsbetriebes.
Rechtsnatur der Aufsichtstätigkeit im Bereich der Personentransporte (E. 2.2 und 3).
Streitgegenstand vor dem Bundesverwaltungsgericht (E. 4).
Rechtsnatur des Kontrollzuschlages und Befugnisse der Aufsichtsbehörde im Zusammenhang mit der Erhebung eines solchen Zuschlages im Einzelfall (E. 6).
Zwar sind gewisse Schematisierungen und Pauschalierungen bei der Erhebung eines Kontrollzuschlages zulässig; die gänzlich undifferenzierte Behandlung von Grau- und Schwarzfahrern (Fahren ohne Fahrschein), soweit keine Hinweise auf absichtliches Verhalten bzw. Missbrauch bestehen, ist aber rechtsungleich und verstösst gegen Bundesrecht (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 458
BGE 136 II 457 S. 458
A.
Am 17. Januar 2009 fuhr X. mit einem Fahrausweis für die zweite Klasse angeblich versehentlich in der ersten Klasse einer doppelstöckigen S-Bahn mit Selbstkontrolle von Zürich nach Schaffhausen. Bei einer Kontrolle stellte das Zugpersonal fest, dass X. keinen gültigen Fahrausweis für die erste Klasse besass und erhob von ihm einen Zuschlag von Fr. 80.- für Strecken mit Selbstkontrolle sowie
BGE 136 II 457 S. 459
einen Zeitzuschlag von Fr. 25.-. Da X. nicht vor Ort bezahlte, stellten ihm die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB; nachfolgend: Bundesbahnen) in der Folge eine entsprechende Rechnung zu. Am 19. Januar 2009 beschwerte sich X. sowohl bei den Bundesbahnen als auch beim Bundesamt für Verkehr (BAV; fortan: Bundesamt).
B.
Das Bundesamt leitete daraufhin ein Aufsichtsverfahren gegenüber den Bundesbahnen ein. Am 13. März 2009 traf es folgende Verfügung:
"Der Entscheid der SBB, von Herrn X. für die Fahrt am 17. Januar 2009 um 00:17 Uhr von Zürich nach Schaffhausen einen Zuschlag zu erheben, wird aufgehoben."
(...)
C.
Gegen die Verfügung des Bundesamtes erhoben die Bundesbahnen am 28. April 2009 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Mit Urteil vom 14. Dezember 2009 traf dieses folgenden Entscheid:
"Die Beschwerde wird insoweit gutgeheissen, als die Verfügung der Vorinstanz vom 13. März 2009 im Sinne der Erwägungen teilweise aufgehoben wird."
(...)
D.
D.a
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 20. Januar 2010 an das Bundesgericht (Verfahren 2C_61/2010) beantragt das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK; nachfolgend: Departement), das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2009 aufzuheben und die Verfügung des Bundesamtes vom 13. März 2009 zu bestätigen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen. (...)
D.b
Die Bundesbahnen ersuchen in der Sache um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt schliesst sich dem Beschwerdeantrag des Departements an. X. sowie das Bundesverwaltungsgericht haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
E.
E.a
Mit Eingabe vom 1. Februar 2010 erheben auch die Bundesbahnen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2009 (Verfahren 2C_98/2010) mit folgendem Antrag in der Sache, wobei mit der Bezeichnung Beschwerdegegnerin Nr. 2 das Bundesamt gemeint ist:
BGE 136 II 457 S. 460
"Der angefochtene Entscheid sei insoweit aufzuheben, als er die Beschwerdeführerin anweist, bei ihren Kontrollen von Personen ohne gültigen Fahrausweis neben dem Zuschlag auch den Fahrpreis zu erheben. Demgemäss sei die Verfügung der Beschwerdegegnerin Nr. 2 vom 13. März 2009 vollumfänglich aufzuheben ..."
(...)
E.b
Das Bundesamt schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit damit die Aufhebung der Verfügung des Bundesamts beantragt wird. Das Departement, X. sowie das Bundesverwaltungsgericht haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht vereinigt die Beschwerden, heisst diese teilweise gut und weist die Bundesbahnen an, auf die Erhebung eines Zuschlages gegenüber X. zurückzukommen.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.2
Nach Art. 50 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1985 über den Transport im öffentlichen Verkehr (Transportgesetz, TG; AS 1986 1974) werden vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen dem Kunden und der Transportunternehmung durch den Zivilrichter beurteilt (Abs. 1). Für die übrigen Streitigkeiten gelten die Vorschriften der Bundesverwaltungsrechtspflege (Abs. 2). Strittig ist vorliegend eine aufsichtsrechtliche Anordnung. Nach
Art. 49a TG
(in der Fassung vom 24. März 1995; AS 1995 5365) untersteht der Transport im öffentlichen Verkehr der Aufsicht des Bundesamtes (für Verkehr). Dieses ist befugt, Beschlüsse und Anordnungen von Organen oder Dienststellen der Unternehmungen aufzuheben oder ihre Durchführung zu verhindern, wenn sie gegen dieses Gesetz, die Konzession oder internationale Vereinbarungen verstossen oder wichtige Landesinteressen verletzen. Aufsichtsentscheide nach dem Transportgesetz zählen - wie behördliche Aufsichtstätigkeiten im Allgemeinen - zum öffentlichen Recht, und zwar unabhängig davon, ob die Erhebung des Zuschlages im Einzelfall dem öffentlichem Recht oder dem Zivilrecht zuzuordnen ist (dazu E. 6.2).
(...)
3.
3.1
Nach
Art. 71 Abs. 1 VwVG
(SR 172.021) kann jedermann jederzeit Tatsachen, die im öffentlichen Interesse ein Einschreiten gegen eine Behörde von Amtes wegen erfordern, der Aufsichtsbehörde anzeigen. Die Aufsicht dient der Verwaltungskontrolle (STEFAN VOGEL,
BGE 136 II 457 S. 461
in: VwVG, Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], 2008, N. 3 zu
Art. 71 VwVG
). Aufsichtsbehörden auferlegen sich jedoch regelmässig Zurückhaltung und greifen in die Tätigkeit der beaufsichtigten Verwaltungseinheit, Anstalt, Körperschaft oder Person nur ein, wenn eine wiederholte oder wiederholbare Verletzung von klarem materiellem Recht oder von Verfahrensrecht vorliegt oder wenn wichtige öffentliche Interessen offensichtlich missachtet werden (RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, 1996, Rz. 1410; RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, 1990, Nr. 145 S. 458; VOGEL, a.a.O., N. 17 zu
Art. 71 VwVG
; OLIVER ZIBUNG, in: Praxiskommentar VwVG, Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], 2009, N. 12 ff. zu
Art. 71 VwVG
). Allerdings ist umstritten, wieweit dies mit dem Gesetzmässigkeitsprinzip nach
Art. 5 Abs. 1 BV
vereinbar ist (vgl. KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. 1998, Rz. 455; VOGEL, a.a.O., N. 17 zu
Art. 71 VwVG
). Geht es nicht um die Aufsichtstätigkeit einer voll weisungsbefugten hierarchisch übergeordneten gegenüber einer untergeordneten Einheit der Zentralverwaltung, sondern wie hier um die Aufsicht gegenüber einer ausgegliederten Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, rechtfertigt sich aber eine Zurückhaltung der Aufsichtsbehörde jedenfalls dort, wo die Körperschaft über eine gewisse Autonomie verfügt. Ebenfalls umstritten ist die so genannte Subsidiarität der Aufsichtsbeschwerde, wonach diese nur zulässig sein soll, wenn kein sonstiges ordentliches oder ausserordentliches Rechtsmittel zur Verfügung steht (vgl. HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2006, Rz. 1846; RHINOW/KOLLER/KISS, a.a.O., Rz. 606; RHINOW/KRÄHENMANN, a.a.O., Nr. 145 S. 460; ZIBUNG, a.a.O., N. 11 zu
Art. 71 VwVG
). Die Subsidiarität ist jedenfalls dann von geringerer Tragweite, wenn der hauptsächliche Rechtsmittelweg an eine gänzlich andere Behörde geht und womöglich anderer Rechtsnatur ist.
3.2
Wie das Bundesverwaltungsgericht in nachvollziehbarer Weise ausführt, wurde die ursprünglich geltende Tarifgenehmigung im Bereich der öffentlichen Transporte zunächst durch eine auf Missbräuche beschränkte Tarifaufsicht (vgl. BBl 1983 II 167, 173 und 182 f.) und später, auf den 1. Januar 1996, durch die allgemeine Aufsicht gemäss
Art. 49a TG
ersetzt (BBl 1995 I 89, 135). Bezweckt wurden damit einerseits der Abbau der Aufsichtsaufgaben des Bundes und andererseits die Erweiterung des unternehmerischen
BGE 136 II 457 S. 462
Handlungsspielraumes der Transportunternehmungen. Die Aufsicht des Bundes auch im Tarifbereich ist damit allerdings nicht ausgeschlossen. Sie unterliegt jedoch den allgemeinen und keinen besonderen Regeln der Aufsichtstätigkeit, und der Handlungsspielraum der Transportunternehmungen ist zu respektieren.
3.3
Nach
Art. 16 TG
muss ausser dem Fahrpreis einen Zuschlag bezahlen, wer keinen gültigen Fahrausweis vorweisen kann. Bezahlt er nicht sofort, so muss er eine entsprechende Sicherheit leisten. Andernfalls kann er von der Weiterfahrt ausgeschlossen werden (Abs. 1). Die Tarife legen die Höhe des Zuschlages fest und regeln die Ausnahmen sowie die Rückerstattung (Abs. 2). Die Höhe des Zuschlags richtet sich insbesondere nach dem Aufwand, den der Reisende der Transportunternehmung verursacht, sowie nach dem mutmasslichen Einnahmenausfall (Abs. 3). Nach
Art. 10 Abs. 1 TG
müssen die Tarife gegenüber jedermann gleich angewendet werden. Der hier gültige "Allgemeine Personentarif" (Ausgabe vom 14. Dezember 2008; vgl. insb. Ziff. 30 und 40 ff. des Tarifs) unterscheidet auf Strecken mit Selbstkontrolle nicht zwischen Reisenden, die überhaupt keinen Fahrausweis erworben haben (so genannte Schwarzfahrer), und solchen, die über einen teilgültigen Fahrausweis verfügen, insbesondere solche, die mit einem Billett zweiter Klasse die erste Klasse benutzen (so genannte Graufahrer). Vorgeschrieben wird gleichermassen ein Zuschlag von Fr. 80.- als Entschädigung für den Kontrollaufwand sowie ein Zeitzuschlag von Fr. 25.-, wenn die Kontrolle länger als 15 Minuten dauert. In der Praxis erheben die Bundesbahnen sodann für Strecken mit Selbstkontrolle im Regionalverkehr aus Praktikabilitätsgründen keinen Fahrpreis, weil sie die nötigen Ermittlungen zur Bestimmung der in der Regel eher kurzen Reisestrecken gemessen am fraglichen Betrag als unverhältnismässig erachten.
4.
4.1
Das Bundesamt wie auch die Bundesbahnen machen beide geltend, das Bundesverwaltungsgericht interpretiere die erstinstanzliche Verfügung des Bundesamtes falsch und definiere damit einen neuen Streitgegenstand.
4.2
Anfechtungsobjekt vor der Vorinstanz war die Verfügung des Bundesamtes. Das Anfechtungsobjekt ist zwar der Ausgangspunkt und bildet den Rahmen der Beschwerde, ist jedoch nicht identisch mit deren Streitgegenstand. Dieser kann nur sein, was bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war oder allenfalls hätte
BGE 136 II 457 S. 463
sein sollen und was gemäss der Dispositionsmaxime zwischen den Parteien noch strittig ist, was sich wiederum aus den Parteibegehren, insbesondere den Beschwerdeanträgen, ergibt. Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens kann sich der Streitgegenstand verengen bzw. um nicht mehr strittige Punkte reduzieren, grundsätzlich jedoch nicht erweitern oder inhaltlich verändern (vgl.
BGE 136 II 165
E. 5 S. 174;
BGE 133 II 35
E. 2 S. 38; CHRISTOPH AUER, in: VwVG, Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], 2008, N. 10 zu
Art. 12 VwVG
; KÖLZ/HÄNER, a.a.O., Rz. 403 ff.; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, 2008, Rz. 2.7 f.; RHINOW/KOLLER/KISS, a.a.O., Rz. 1566).
4.3
Die Bundesbahnen erhoben beim betroffenen Bahnkunden, der mit einem Billett zweiter Klasse in einem Regionalzug mit Selbstkontrolle die erste Klasse benutzte, einen Kontrollzuschlag von Fr. 80.- sowie einen Zeitzuschlag von Fr. 25.-, weil er zunächst die Angabe seiner Personalien verweigerte und damit eine Verzögerung bei der Kontrolle bewirkte. Das Bundesamt, an das sich der Bahnkunde gewandt hatte, entschied aufsichtsrechtlich, die Erhebung eines Kontrollzuschlags von Fr. 80.- verstosse gegen
Art. 16 TG
, da dem Umstand nicht Rechnung getragen werde, dass der Einnahmenausfall bei den Bundesbahnen durch den Erwerb eines zeitlich und örtlich gültigen Billetts zweiter Klasse im Falle einer ausgebliebenen Kontrolle geringer ausgefallen wäre, als wenn gar kein Billett erstanden worden wäre. Verletzt werde überdies
Art. 10 TG
, weil der Verzicht auf die Erhebung des Fahrpreises dazu führe, dass Reisende mit teilweise gültigem Fahrausweis im Ergebnis mehr bezahlen müssten als solche, die gar kein Billett erstehen. Da der Bahnkunde sich mit Recht gegen die Erhebung der Zuschläge gewehrt habe, dürfe von ihm schliesslich auch kein Zeitzuschlag verlangt werden.
4.4
Das Bundesverwaltungsgericht entschied demgegenüber, das Bundesamt habe die Erhebung des Zuschlages schon deshalb nicht aufheben dürfen, weil es sich um eine privatrechtliche Forderung zwischen den Bundesbahnen und dem Reisenden handle, in die aufsichtsrechtlich nicht unmittelbar eingegriffen werden dürfe. Inhaltlich verletze die Erhebung des Kontrollzuschlags sodann insoweit Bundesrecht, als die Bundesbahnen angewiesen würden, bei den Zuschlägen für das Reisen ohne gültigen Fahrausweis nach dem individuellen Einnahmenausfall zu differenzieren. Zu schützen sei hingegen die Anweisung, den Fahrpreis zusätzlich zum Zuschlag unter Anrechnung eines bereits bezahlten Teilbetrages zu erheben. Auf die
BGE 136 II 457 S. 464
Frage des Zeitzuschlags scheint die Vorinstanz nicht vertieft eingegangen zu sein, doch ist dies vor Bundesgericht nicht mehr strittig.
4.5
Das Dispositiv des Bundesamtes regelt einzig die Erhebung eines Zuschlages in einem konkreten Fall. Darauf wird zurückzukommen sein (vgl. E. 6). Das Erkenntnis enthält keine Anweisung an die Bundesbahnen, wie sie ihren Tarif auszugestalten haben, und verweist auch nicht ergänzend auf die Erwägungen. In der Begründung wird zwar ausgeführt, weshalb die Erhebung des Zuschlages nach Auffassung des Bundesamts gegen Bundesrecht verstösst. Es wird den Bundesbahnen aber überlassen, wie sie künftig vorgehen bzw. ihren Tarif gestalten wollen. In Ziff. 19 seiner Begründung hält das Bundesamt wörtlich fest:
"Bei einer allfälligen Neuregelung der Höhe des Zuschlags für das Reisen mit einem gültigen Billett zweiter Klasse in der ersten Klasse in einem Zug mit Selbstkontrolle ist folgendes zu beachten: Die Erhebung eines solchen Zuschlags setzt voraus, dass die Tarife einen Zuschlag in rechtmässiger Höhe festsetzen. Sie müssen den Vorgaben von Artikel 10 und 16 TG entsprechen. Dabei kann die Höhe des Zuschlags nicht losgelöst von der Frage festgesetzt werden, ob der Zuschlag neben dem Fahrpreis oder anstelle des Fahrpreises erhoben werden soll."
Aus dieser Formulierung ergibt sich zweifelsfrei, dass das Bundesamt auch in seiner Begründung nicht unmittelbar in den Tarif der Bundesbahnen eingegriffen hat. Es überliess diesen vielmehr die Ausgestaltung des Tarifs, gab jedoch gewisse Hinweise, worauf dabei zu achten sei, damit der Tarif dem Bundesrecht entspricht. Darin liegt grundsätzlich kein Eingriff in die Tarifautonomie der Bundesbahnen. Dies gilt umso mehr, als die entsprechenden Erwägungen im Dispositiv keinen Niederschlag gefunden haben und damit grundsätzlich auch nicht an der Rechtskraft des Entscheides teilhaben.
4.6
Wenn nun das Bundesverwaltungsgericht davon ausging, das Bundesamt habe verbindlich über die Tarifgestaltung entschieden, so schätzt es die Tragweite der Verfügung des Bundesamtes falsch ein. Das Bundesamt gab gerade keine rechtsverbindliche Anweisung für die Tarifgestaltung. Den Bundesbahnen stehen nach der Verfügung des Bundesamtes verschiedene Lösungen offen, wie sie den Tarif bundesrechtskonform festsetzen wollen. Zwar mag es zutreffen, dass das Bundesamt davon ausging, die als rechtswidrig erachtete Praxis sei nicht mehr fortzuführen. Über die künftige Ausgestaltung des Tarifs hat es aber nicht verbindlich befunden. Das Bundesverwaltungsgericht entschied demgegenüber im Detail, die Verfügung des
BGE 136 II 457 S. 465
Bundesamts sei bundesrechtswidrig, weil die Bundesbahnen damit angewiesen würden, die Kontrollzuschläge nach dem individuellen bzw. typisierten Einnahmenausfall zu differenzieren und den Fahrpreis auch von Reisenden ohne gültigen Fahrausweis und unter Anrechnung eines bereits bezahlten Teilbetrages zu erheben. Die entsprechenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts finden sich nicht nur in der Urteilsbegründung, sondern die Vorinstanz verweist darauf ausdrücklich in ihrem Dispositiv und erhebt sie damit zum Erkenntnis. Dadurch erweiterte das Bundesverwaltungsgericht aber in unzulässiger Weise den Streitgegenstand, weshalb der angefochtene Entscheid insoweit aufzuheben ist.
(...)
6.
6.1
Die Vorinstanz ging davon aus, dass das Bundesamt die Erhebung eines Zuschlages aufsichtsrechtlich aufhob, und beurteilte dies als bundesrechtswidrig.
6.2
Wie bereits dargelegt (E. 2.2), werden vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen dem Kunden und der Transportunternehmung nach
Art. 50 Abs. 1 TG
durch den Zivilrichter beurteilt. Die herrschende Lehre leitet daraus ab, dass die Transportverträge selbst dem Privatrecht unterstehen (URS ACHERMANN, Privatisierung im öffentlichen Verkehr, 2008, S. 115; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 285 f.; UHLMANN/HINDERLING, Transportrecht, in: Verkehrsrecht, SBVR Bd. IV, Georg Müller [Hrsg.], 2008, Rz. 38 und 49). Jedenfalls handelt es sich bei Streitigkeiten über den Fahrpreis um vermögensrechtliche Auseinandersetzungen, die zum Zivilrecht zu zählen sind. Zwar beruhen die Fahrpreise auf einem im Transportgesetz vorgeschriebenen Tarif (vgl.
Art. 9-11 TG
), der über eine möglicherweise öffentlich-rechtliche oder gemischt-rechtliche Natur verfügt (vgl.
BGE 102 Ib 314
E. 3a S. 317). Auch die Zuschläge sind von Gesetzes wegen im Tarif zu regeln (
Art. 16 Abs. 2 TG
). Sie haben aber keinen Bussen- oder Strafcharakter, sondern entgelten einzig den Kontrollaufwand auf Seiten der Transportunternehmung (vgl.
Art. 16 Abs. 5 TG
; BBl 1983 II 186; Urteil des Bundesgerichts 2A.602/2004 vom 21. Oktober 2004 E. 2.1). Die Zuschläge sind zwar Gebühren oder anderen vergleichbaren Kausalabgaben ähnlich, stellen aber - nicht anders als der Fahrpreis - keine solchen, sondern Forderungen aus dem privatrechtlichen Transportverhältnis dar. Bei der Leistung des Zuschlags handelt es sich daher um die Erfüllung einer im Tarif kodifizierten zivilrechtlichen Nebenpflicht des Transportvertrages (vgl.
BGE 136 II 457 S. 466
dazu schon das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil A-420/2007 vom 3. September 2007 E. 1.4 sowie
BGE 102 Ib 314
E. 3a S. 317).
Daran ändert nichts, dass die Zuschläge im Transportgesetz über eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage verfügen (
Art. 16 TG
), deren Rechtsnatur erneut gemischt-rechtlich sein dürfte; vielmehr beruht dies letztlich darauf, dass den Bundesbahnen eine staatliche Aufgabe übertragen ist, weshalb sie auch im privatrechtlichen Tätigkeitsbereich an die Grundrechte gebunden sind (vgl.
Art. 35 Abs. 2 und
Art. 36 Abs. 1 BV
; GEORG MÜLLER, Schutzwirkung der Grundrechte, in: Handbuch der Grundrechte [...], Bd. VII/2: Grundrechte in der Schweiz und in Liechtenstein, Merten/Papier [Hrsg.], 2007, Rz. 14 ff.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, a.a.O., Rz. 295 f.; TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, § 42 Nr. 6) bzw. die aus dem allgemeinen Legalitätsprinzip nach
Art. 5 Abs. 1 BV
abgeleiteten Anforderungen zu wahren haben (vgl. etwa ACHERMANN, a.a.O., S. 106 ff.; PETER UEBERSAX, Privatisierung der Verwaltung, in: ZBl 102/2001 S. 409).
6.3
Ist der Zuschlag privatrechtlicher Natur, über den im Streitfall auf dem Weg der Zivilgerichtsbarkeit zu entscheiden ist, so stellt seine Erhebung keine öffentlich-rechtliche Verfügung dar, die mit Beschwerde anfechtbar wäre (vgl.
Art. 5 und 44 VwVG
). Da einzig der Zivilrichter zuständig ist, im Streitfall darüber zu befinden, kann ein vom Transportunternehmen eingeforderter Zuschlag wegen der Subsidiarität des Aufsichtsverfahrens auch nicht auf dem Weg der öffentlich-rechtlichen Aufsicht unmittelbar aufgehoben werden. Ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung im Gesetz, an der es hier fehlt, ist der Aufsichtsbehörde ein unmittelbarer Eingriff in ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis verwehrt (vgl. zum Verhältnis von Aufsichts- und Zivilrecht das Urteil des Bundesgerichts 2A.230/1999 vom 2. Februar 2000 E. 9, in: AJP 2000 S. 749). Das schliesst freilich aufsichtsrechtliche Anordnungen, die sich auf den konkreten Einzelfall erstrecken, nicht völlig aus. Inhaltlich kann die Aufsichtsinstanz indessen lediglich, auf der Grundlage des öffentlichen Rechts, die beaufsichtigte Transportunternehmung anweisen, wie sie sich in ihrer Vertragsbeziehung zu verhalten hat. Die Anweisung kann insbesondere dahin lauten, keinen Zuschlag zu erheben oder diesen zu modifizieren. Damit verpflichtet die Aufsichtsbehörde die Beaufsichtigte aus öffentlichem Recht, die Forderung aus dem Transportvertrag nicht bzw. nur in bestimmter Weise durchzusetzen. Nicht ausgeschlossen
BGE 136 II 457 S. 467
wäre unter Umständen sogar, die beaufsichtigte Unternehmung zu einer Vertragsänderung anzuhalten oder allenfalls eine solche durch entsprechende Ersatzvornahme unmittelbar einzuleiten. Mit Blick auf die Privatautonomie der beteiligten Vertragsparteien sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit ist jedoch im Einzelfall nicht weiter zu gehen als dies zur Durchsetzung des öffentlichen Rechts erforderlich ist. Immerhin kann bei Bedarf eine Handlungsanweisung auch mit der Androhung weiterer aufsichtsrechtlicher Massnahmen für den Unterlassungsfall verbunden werden.
6.4
Ist es in diesem Sinne der Aufsichtsbehörde nicht verwehrt, die Transportunternehmung aufsichtsrechtlich anzuhalten, auf eine bundesrechtswidrige Einforderung tarifarisch geregelter transportrechtlicher Zuschläge zurückzukommen, durfte das Bundesamt im vorliegenden Fall die Bundesbahnen anweisen, die Erhebung eines Zuschlages förmlich zurückzunehmen bzw. diesen in einer dem Bundesrecht entsprechenden Weise in Rechnung zu stellen. Die ursprüngliche aufsichtsrechtliche Verfügung des Bundesamtes ist allerdings terminologisch unglücklich abgefasst, selbst wenn sie in der Sache allenfalls zutreffend sein und sich an die hier umschriebenen rechtlichen Vorgaben halten sollte. Der Wortlaut "der Entscheid (...) einen Zuschlag zu erheben, wird aufgehoben" verleitet zur Annahme, eine Verfügung der Bundesbahnen werde aufgehoben. Da es eine solche nicht gab, sondern die Bundesbahnen lediglich eine Forderung geltend machten, kann das aber nicht gemeint gewesen sein. Der aufsichtsrechtliche Entscheid des Bundesamtes ist vielmehr in dem Sinne zu verstehen, dass er die Anweisung enthält, keinen Zuschlag zu erheben bzw. ihn nur modifiziert geltend zu machen und nötigenfalls in angepasster Form zivilprozessual durchzusetzen.
6.5
Das Bundesverwaltungsgericht hatte als Rechtsmittelinstanz zu beurteilen, ob die so verstandene Verfügung des Bundesamtes dem Bundesrecht inhaltlich entspricht. Seine Prüfungsbefugnis beschränkte sich aber auch hierauf. Das bedeutet, dass die Vorinstanz hätte prüfen müssen, ob der Entscheid des Bundesamts vor dem Bundesrecht standhält, wenn er als Anweisung im Einzelfall verstanden wird, die Erhebung des Zuschlages zurückzunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht ging, wie dargelegt, darüber hinaus und verstand die Verfügung des Bundesamts fälschlicherweise als konkrete Anweisung zur Tarifänderung (vgl. E. 4). Insofern könnte die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen werden zu neuem Entscheid im hier dargelegten Sinne. Da sich die Rechtslage aber als liquid erweist, würde das
BGE 136 II 457 S. 468
nur zu einem unnötigen zusätzlichen Verfahrensaufwand führen. Stattdessen rechtfertigt es sich, darüber direkt abschliessend zu befinden (vgl.
Art. 107 Abs. 2 BGG
).
7.
7.1
Die Bundesbahnen erheben auf Strecken mit Selbstkontrolle von Graufahrern (Reisende in der ersten Klasse mit einem zeitlich und örtlich gültigen Fahrausweis, der nur für die zweite Klasse gilt) den gleichen Kontrollzuschlag wie für Schwarzfahrer (Kunden, die überhaupt kein Billett gelöst haben). Gleichzeitig ziehen sie keinen Fahrpreis ein, angeblich weil es zu aufwendig wäre, die Reisestrecke festzustellen. Dadurch haben Graufahrer im Ergebnis eine grössere Zahlung zu leisten als Schwarzfahrer, wenn sie in eine Kontrolle geraten. Dafür mögen allenfalls Gründe der Einfachheit und Praktikabilität sprechen. Überdies sind insofern - analog zu den Gebühren oder anderen vergleichbaren Kausalabgaben - gewisse Schematisierungen und Pauschalisierungen verfassungsrechtlich durchaus zulässig (vgl.
BGE 135 II 224
E. 3.3 S. 235 ff.;
BGE 135 IV 162
E. 3.5 S. 168). Im Ergebnis ist die gänzlich undifferenzierte Behandlung von Grau- und Schwarzfahrern, soweit keine Hinweise auf absichtliches Verhalten bzw. Missbrauch bestehen, dennoch rechtsungleich und verstösst in mehrfacher Hinsicht gegen das Bundesrecht. So sieht
Art. 10 Abs. 1 TG
vor, dass die Tarife gegenüber jedermann gleich angewendet werden müssen, was umgekehrt auch den Ausgleich massgeblicher Unterschiede bedingt. Dasselbe ergibt sich aus
Art. 8 Abs. 1 BV
. Gemäss
Art. 16 Abs. 3 TG
richtet sich die Höhe des Zuschlags nicht nur nach dem Aufwand, den der Reisende der Unternehmung durch die erforderliche Kontrolle verursacht, sondern unter anderem auch nach dem mutmasslichen Einnahmenausfall. Dieser mag zwar auf Strecken mit Selbstkontrolle in der Regel eher gering sein, bildet aber doch ein gesetzliches Kriterium für die Bemessung des Zuschlags. Schliesslich besagt
Art. 16 Abs. 1 TG
, dass der Zuschlag ausser dem Fahrpreis, d.h. zusätzlich dazu, zu zahlen ist. Die Praxis, welche die Graufahrer den Schwarzfahrern gleichstellt bzw. im Vergleich dazu sogar benachteiligt, missachtet alle diese Grundsätze und erweist sich daher als klar bundesrechtswidrig.
7.2
Damit verstösst die im vorliegenden Fall strittige Erhebung eines undifferenzierten Zuschlages gegen Bundesrecht, zumal es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der hier fragliche Reisende mit Bedacht gehandelt hätte. Aufgrund der klaren Rechtsverletzung sowie des Umstands, dass sich diese in vergleichbaren Fällen zu
BGE 136 II 457 S. 469
wiederholen droht, rechtfertigt sich ein aufsichtsrechtliches Eingreifen. Dazu ist ergänzend in Betracht zu ziehen, dass sich die analogen neuen Gesetzesbestimmungen, die auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar sind, von denjenigen des Transportgesetzes nicht wesentlich unterscheiden (vgl. insb.
Art. 15 Abs. 2 und
Art. 17 PBG
[SR 745.1; 1.1.10]).
7.3
Wie dargelegt, befand das Bundesamt nicht darüber, wie die Bundesbahnen künftig vorzugehen haben. Es ist hier daher nicht wesentlich, ob in Zukunft ein abgestufter Zuschlag Anwendung finden, der Zuschlag einzig zusätzlich zum Fahrpreis zu erheben sein oder eine kombinierte Massnahme ergriffen werden soll. Insofern hat sich auch das Bundesgericht nicht zu äussern und sind die entsprechenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts obsolet, auf die in dessen Dispositiv verwiesen wird und die ohnehin aufzuheben sind (vgl. E. 4). Es ist aber davon auszugehen, das Bundesamt habe wenigstens die Bundesbahnen anhalten wollen, ihre bundesrechtswidrige Anordnung im fraglichen Einzelfall zu berichtigen. In diesem Sinne sind die Bundesbahnen in Anpassung bzw. Klarstellung der Verfügung des Bundesamtes aufsichtsrechtlich anzuweisen, auf die von ihnen geltend gemachte und als bundesrechtswidrig erkannte Forderung zurückzukommen, wobei es ihnen freisteht, diese durch eine solche zu ersetzen, die dem höherrangigen Recht entspricht. Eine Abänderung des privatrechtlichen Vertrags ist hingegen nicht nötig.
7.4
Da davon auszugehen ist, dass die Bundesbahnen diese Anweisung befolgen werden, rechtfertigt es sich zurzeit nicht, weitere aufsichtsrechtliche Massnahmen für den Unterlassungsfall anzudrohen. Es bliebe dem Bundesamt als Aufsichtsbehörde sowieso unbenommen, dies bei Bedarf nachzuholen. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
63e99523-34ee-4228-b6f5-f728686ed06c | Urteilskopf
94 II 348
51. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. November 1968 i.S. Meier gegen Leimbacher. | Regeste
Besitzesschutz. Berufung an das Bundesgericht.
1. Besitz des Dienstbarkeitsberechtigten am belasteten Grundstück (
Art. 919 ZGB
; Erw.1).
2. Befugnis der Kantone zum Erlass von Vorschriften, die dem Besitzer gestatten, zum Schutze des Besitzes gegen Störungen im Sinne von
Art. 928 ZGB
ein mit einer Strafandrohung verbundenes Verbot zu erwirken. Ist die Berufung gegen einen in Anwendung solcher Vorschriften gefällten Entscheid unzulässig, weil das kantonale Recht den angeblich verletzten Vorschriften des Bundesrechts nicht Rechnung tragen musste? (Frage offen gelassen). (Erw. 2).
3. Letztinstanzliche kantonale Entscheide, die nur den Besitzesschutz betreffen, sind keine Endentscheide im Sinne von
Art. 48 OG
und unterliegen daher nicht der Berufung an das Bundesgericht (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 349
BGE 94 II 348 S. 349
A.-
Adolf Leimbacher und Dr. Robert Meier wohnen am hintern Teil des St. Annawegs in Baden, einer von der Schartenstrasse abzweigenden Sackgasse, die in einen Kehrplatz auf der dem Otto Halter gehörenden Parzelle Nr. 1389 (GB Nr. 2012) mündet.
Leimbacher hatte sein Grundstück Parzelle Nr. 3450 (GB Nr. 2015) gemäss Vertrag vom 8. Juni 1956 von Halter gekauft. Durch einen Dienstbarkeitsvertrag vom gleichen Tage hatte Halter ihm als dem Eigentümer des Grundstücks GB Nr. 2172, eines als Dienstbarkeit zulasten von Parzelle Nr. 3571 (GB Nr. 2140, Liegenschaft Steinegger) begründeten selbständigen und dauernden Baurechts für die Errichtung einer Garage, das Recht eingeräumt, den erwähnten Kehrplatz "insbesondere als Ein- und Ausfahrt für seine vorgesehene Garage zu benützen und von seinen Gästen etc. benützen zu lassen". Die beiden Verträge wurden am 11. Juni 1956 zur Eintragung ins Grundbuch angemeldet.
Durch einen Dienstbarkeitsvertrag vom 10. April 1957 räumte Halter als Eigentümer der Parzelle Nr. 1389 (GB Nr. 2012) dem jeweiligen Eigentümer der Parzelle Nr. 3451 (GB Nr. 2016), die heute Dr. Meier gehört, das Recht ein, "den vor der Garage [d.h. vor der Garage auf Parzelle Nr. 3451] liegenden Kehrplatz für die Ein- und Ausfahrt in seine Garage zu benützen". Die Grundbuchanmeldung erfolgte am 28. Mai 1957.
BGE 94 II 348 S. 350
B.-
Am 16. November 1965 erliess der Präsident des Bezirksgerichtes Baden folgendes Verbot:
"Auf das Gesuch des Dienstbarkeitsberechtigten Dr. R. Meier-Pfister ... wird allen Unberechtigten unter Androhung von Haft oder Busse bis Fr. 100.-- im Widerhandlungsfalle (
§ 261 ZPO
) untersagt:
Das Parkieren oder Stationieren von Fahrzeugen jeder Art sowie die Ablagerung sonstiger Gegenstände auf diesem Kehrplatz am Ende des St. Annaweges.
(Ostabschnitt von GB Baden 2012 Parz. 1389)".
Mit Entscheid vom 5. Oktober 1967 wies der Bezirksgerichtspräsident den "Rechtsvorschlag" Leimbachers gegen dieses Verbot ab.
Das Obergericht des Kantons Aargau, vor dem Leimbacher die Aufhebung des Verbots beantragte, stellte mit Urteil vom 1. März 1968 fest, das angefochtene Verbot gelte für Leimbacher und seine Gäste nur, "soweit durch das Parkieren und Stationieren die Ein- und Ausfahrt zur Garage des Verbotsnehmers und das Wenden dessen Fahrzeuges auf dem Kehrplatz erschwert wird". Soweit Leimbacher mit seiner Beschwerde an das Obergericht mehr verlangt hatte, wurde sie abgewiesen.
C.-
Gegen das Urteil des Obergerichts hat Dr. Meier ausser einer staatsrechtlichen Beschwerde die vorliegende Berufung eingereicht mit dem Begehren, der Rechtsvorschlag Leimbachers sei gänzlich abzuweisen und das streitige Verbot sei ohne Vorbehalte zu bestätigen.
Das Bundesgericht tritt auf die Berufung nicht ein.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Nach § 257 der aargauischen ZPO kann jemand, der behauptet, "im Besitz oder Gebrauch seines unbeweglichen Eigentums oder seiner Dienstbarkeit an einer unbeweglichen Sache oder in der rechtlichen Innehabung einer solchen widerrechtlich gestört zu werden", die Störung durch ein Verbot untersagen lassen. Das Verbotsverfahren nach
§ 257 ff. ZPO
will also dem Besitzesschutze dienen. Es handelt sich um ein besonderes Prozessverfahren (vgl. die Überschrift des die §§ 245- 318 umfassenden VI. Abschnitts der ZPO), welches das aargauische Recht unter bestimmten Voraussetzungen neben anderen Verfahren, insbesondere neben dem in § 135 des EG/ZGB für Besitzesklagen vorgesehenen beschleunigten Verfahren und
BGE 94 II 348 S. 351
neben dem in
§ 245 ff. ZPO
geregelten Befehlsverfahren, für den Besitzesschutz zur Verfügung stellt.
Den Besitzesschutz im Sinne von
Art. 926 ff. ZGB
kann, wie in
§ 257 ZPO
vorausgesetzt, auch in Anspruch nehmen, wer in der Ausübung einer Dienstbarkeit gestört wird, wie das der Berufungskläger von sich behauptet. Die Grunddienstbarkeit, auf die der Berufungskläger sich beruft, verleiht ihm das Recht, das belastete Grundstück "für die Ein- und Ausfahrt in seine Garage zu benützen", d.h. es in bestimmter Weise zu gebrauchen. Die Ausübung einer solchen Dienstbarkeit verschafft dem Berechtigten tatsächliche Gewalt über das belastete Grundstück und damit Sachbesitz im Sinne von
Art. 919 Abs. 1 ZGB
(HOMBERGER, N. 21 zu Art. 919; LIVER, Einleitung zu
Art. 730 ff. ZGB
, N. 71 S. 30). Ob ihm daneben auch sog. Rechtsbesitz zukomme oder ob
Art. 919 Abs. 2 ZGB
, wonach dem Sachbesitz bei Grunddienstbarkeiten und Grundlasten die tatsächliche Ausübung des Rechts gleichgestellt wird, nur für die negativen, den Eigentümer des belasteten Grundstücks zu einer Unterlassung verpflichtenden Dienstbarkeiten gelte (so LIVER, ZBJV 95/1959, S. 34 unten, und N. 131 zu
Art. 737 ZGB
), kann dahingestellt bleiben; denn in Fällen wie dem vorliegenden geniesst der Berechtigte den Besitzesschutz auf jeden Fall als Sachbesitzer (LIVER, N. 71 der Einleitung und N. 127 zu
Art. 737 ZGB
). Da die vom Berufungskläger angerufene Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist, spielt im vorliegenden Falle auch keine Rolle, ob der Besitzesschutz wegen Beeinträchtigung der Ausübung einer Dienstbarkeit nur beansprucht werden kann, wenn die Dienstbarkeit eingetragen ist (so
BGE 83 II 146
), oder ob der Grundbucheintrag keine unerlässliche Voraussetzung dieses Schutzes ist (in diesem Sinne LIVER, ZBJV 95/1959 S. 35 und N. 139 ff. zu
Art. 737 ZGB
).
2.
Das Verfahren für Klagen aus Besitzesentziehung (
Art. 927 ZGB
) und aus Besitzesstörung (
Art. 928 ZGB
) zu regeln, ist den Kantonen überlassen; diese können für solche Klagen das ordentliche oder ein besonderes (insbesondere ein summarisches oder beschleunigtes) Verfahren vorsehen (vgl.
BGE 83 II 143
/144; HOMBERGER, N. 17 zu Art. 927, N. 16 zu
Art. 928 ZGB
; STARK, N. 106 der Vorbemerkungen Besitzesschutz; E. HABLÜTZEL, Verhältnis der Besitzesschutzklagen zum Rechtsschutz in ausserordentlichen prozessualen Verfahren, Zürcher Diss. 1947 S. 102 ff., mit Hinweisen auf die kantonale Gesetzgebung).
BGE 94 II 348 S. 352
Die Kantone sind auch befugt, einen zum rein zivilrechtlichen hinzutretenden administrativen und polizeilichen Schutz des Besitzes vorzusehen und insbesondere den Besitzern ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das ihnen gestattet, ein mit einer Strafandrohung verbundenes Verbot von Besitzesstörungen zu erwirken (
BGE 83 II 144
/145; HOMBERGER, N. 18 zu
Art. 927 ZGB
; STARK a.a.O. N. 115). Das Verbotsverfahren des aargauischen Rechts ist ein solches Verfahren. Nach
§ 261 ZPO
bedroht der Gerichtspräsident die Übertretung eines von ihm nach
§
§ 257 ff. ZPO
erlassenen Verbots mit einer Geldbusse von Fr. 5.- bis 100.-- oder (für den Fall der Zahlungsunfähigkeit) mit Haft bis zu 20 Tagen. Im vorliegenden Falle ist auf Begehren des Berufungsklägers ein mit einer solchen Strafandrohung verbundenes Verbot erlassen worden.
Die kantonalen Vorschriften, die den Erlass von Verboten zum Schutz gegen Besitzesstörungen vorsehen, dürfen diesen zusätzlichen Schutz nur gewähren, wenn die bundesrechtlichen Voraussetzungen des Besitzesschutzes erfüllt sind, d.h. wenn jemand im Sinne von
Art. 919 ZGB
Besitzer ist und in seinem Besitz durch verbotene Eigenmacht im Sinne von
Art. 928 ZGB
gestört wird (vgl.
BGE 83 II 146
unten, sowie STAUFFER, ZBJV 79/1943 S. 558, und EICHENBERGER, Beiträge zum Aargauischen Zivilprozessrecht, 1949, S. 231 f. unter II und III 1; Aarg. Gerichts- und Verwaltungsentscheide = AGVE 1958 N. 11 S. 54). Innerhalb dieser bundesrechtlichen Schranken kann jedoch das kantonale Recht die Voraussetzungen, unter denen ein Verbot zu erlassen oder aufzuheben ist, selbständig ordnen (EICHENBERGER a.a.O. S. 232; vgl. HOMBERGER, N. 18 zu
Art. 927 ZGB
).
Nach aargauischem Recht setzt der Erlass eines Verbots u.a. voraus, dass der Antragsteller ("Bewerber") durch Urkunden das seinem Besitz zugrunde liegende Recht nachweist (
§ 259 ZPO
; AGVE 1948 Nr. 6 S. 27; EICHENBERGER a.a.O. S. 232; zum urkundlichen Nachweis des Rechts vgl.
§ 260 ZPO
). Gegen ein Verbot kann binnen 10 Tagen von der Zustellung oder Bekanntmachung an "Rechtsvorschlag" erhoben werden, "wenn durch glaubwürdige Bescheinigung nachgewiesen wird, dass das durch das Verbot geschützte Recht erloschen ist oder nicht in dem beanspruchten Umfange besteht oder dass die Voraussetzungen der §§ 259 und 260 nicht vorhanden sind" (
§ 266 ZPO
). Dass der Erlass und die Aufhebung eines Verbots von solchen Nachweisen betreffend den Bestand und Inhalt des dem Besitz zugrunde
BGE 94 II 348 S. 353
liegenden Rechts abhängig gemacht werden, ist durch
Art. 928 ZGB
, der den Besitz als tatsächliches Gewaltverhältnis ohne Rücksicht auf die Rechtslage gegen Störungen schützt und sich mit dem Verbotsverfahren nicht befasst, nicht vorgeschrieben. Daher kann sich fragen, ob die vorliegende Berufung schon deshalb unzulässig sei, weil die Vorschriften des Bundesrechts, welche die Vorinstanz nach der Auffassung des Berufungsklägers bei ihrer (summarischen) Prüfung der materiellen Rechtslage verletzt hat, höchstens für die Anwendung kantonaler Vorschriften, die ihnen nicht Rechnung tragen mussten, von Bedeutung waren (vgl.
BGE 80 II 183
,
BGE 84 II 133
,
BGE 85 II 364
). Diese Frage braucht jedoch nicht abschliessend geprüft zu werden, weil die Berufung auf jeden Fall aus einem andern Grunde unzulässig ist.
3.
Nimmt man an, die Vorinstanz habe nicht bloss über ein auf das kantonale Recht gestütztes und allein nach diesem Rechte zu beurteilendes Gesuch um Erlass bzw. Aufhebung eines Verbots, sondern über einen bundesrechtlichen Anspruch entschieden, so kann es sich dabei nur um den Anspruch auf Schutz des Besitzes gegen Störungen im Sinne von
Art. 928 ZGB
handeln.
Entscheidungen der oberen kantonalen Gerichte über Besitzesschutzklagen gelten nach der neuern Rechtsprechung des Bundesgerichtes nicht als in einer Zivilrechtsstreitigkeit ergangene Endentscheide dieser Gerichte im Sinne von
Art. 48 OG
(
BGE 78 II 88
,
BGE 85 II 279
f.). Die Besitzesschutzklagen bezwecken grundsätzlich nur die Wiederherstellung und Erhaltung eines früheren tatsächlichen Zustandes. Sie führen (unter Vorbehalt von
Art. 927 Abs. 2 ZGB
, der hier nicht in Frage steht) nicht zu einem Entscheid über die Rechtmässigkeit dieses Zustandes, auch wenn sich die Besitzesfrage nicht immer ganz von der Rechtsfrage trennen lässt, sondern gewähren dem Kläger nur einen provisorischen Schutz (HOMBERGER N. 13 zu
Art. 927 ZGB
). Daran ändert nichts, dass über die Wiederherstellung des frühern Zustands als solche endgültig entschieden wird; denn ein Prozess über die materielle Rechtslage kann die Wirkungen des im Besitzesschutzverfahren erstrittenen Urteils beseitigen (VOYAME, ZSR 1961 II 169, WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme ..., Diss. Lausanne 1964, S. 195 N. 265). Das Urteil über eine blosse Besitzesschutzklage unterliegt daher grundsätzlich nicht der Berufung an das Bundesgericht,
BGE 94 II 348 S. 354
und zwar gilt das unabhängig davon, ob das Verfahren, in dem das Urteil ergangen ist, selbständiger Natur war oder nur ein "Vorverfahren zum petitorischen Prozess" (STARK, N.111 der Vorbem. Besitzesschutz) darstellte. Das Urteil der I. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 9. November 1943 i.S. Keller, dem STAUFFER in ZBJV 79/1943 S. 556 ff. zustimmte und auf das STARK (a.a.O.) seine Auffassung stützt, dass die in einem selbständigen Verfahren gefällten Besitzesschutzentscheide der Berufung unterliegen, betraf einen Fall, wo es sich in Wirklichkeit überhaupt nicht um Besitzesschutz, sondern um die vom kantonalen Recht beherrschte Vollstreckung des Anspruchs des Vermieters auf Räumung der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses handelte. Die in diesem Urteil enthaltene Bemerkung, der angefochtene Entscheid wäre als endgültiges Urteil in einer Zivilrechtsstreitigkeit "berufungsfähig", wenn er einen Besitzesschutzanspruch zugesprochen hätte, ist durch die seitherige Rechtsprechung überholt. Gegen Entscheide, welche die Wiederherstellung eines früheren Zustandes anordnen, ist die Berufung nur zulässig, wenn sie zugleich einen endgültigen Entscheid über die materielle Rechtslage in sich schliessen (vgl. z.B. das Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. September 1968 i.S. Gull).
Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz in ihrem Entscheide nicht endgültig über die Rechte der Parteien mit Bezug auf die Benützung des streitigen Kehrplatzes entschieden. Sie erklärte vielmehr ausdrücklich, es könne "in diesem summarischen Verfahren nicht überprüft werden, ob die Dienstbarkeitsberechtigung [gemeint: die dem Verbot entgegengehaltene Dienstbarkeit zugunsten Leimbachers] inhalts- und umfangmässig beschränkt sei, vor allem, ob sie ein Parkierungs- und Stationierungsverbot enthalte". Ein Verbot im Sinne von
§ 257 ZPO
kann, wie aus
§ 269 Abs. 1 ZPO
klar hervorgeht, durch ein gerichtliches Urteil aufgehoben werden. Weder die Aufhebung eines Verbots noch die Abweisung des Rechtsvorschlags gegen ein solches greifen dem Entscheid in einem ordentlichen Prozesse vor (vgl. KELLER/PFISTERER, Die ZPO für den Kanton Aargau, 1947, N. 2 und 4 zu § 267). Der angefochtene Entscheid ist also kein Endentscheid im Sinne von
Art. 48 OG
und kann daher nicht durch Berufung an das Bundesgericht weitergezogen werden (vgl.
BGE 77 II 281
f. mit Hinweisen,
BGE 80 II 93
,
BGE 81 II 85
,
BGE 86 II 141
f.,
BGE 88 II 59
Erw. 2, wonach die Berufung gegen bloss
BGE 94 II 348 S. 355
provisorisch wirkende Entscheide allgemein ausgeschlossen ist). 4. - Kann aus diesem Grunde auf die Berufung nicht eingetreten werden, so braucht nicht geprüft zu werden, ob der Streitwert die Berufungssumme von Fr. 8000.-- (
Art. 46 OG
) erreiche. | public_law | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
63ec43b5-a83d-4673-8e34-84f683918200 | Urteilskopf
114 II 106
17. Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Mai 1988 i.S. Deutsche Messe- und Ausstellungs AG gegen Cebit AG (Berufung) | Regeste
Unlauterer Wettbewerb durch Nachahmung eines Handelsnamens.
1.
Art. 8 und 10bis PVÜ
. Anspruch einer ausländischen Gesellschaft auf Namensschutz im schweizerischen Wettbewerb; Voraussetzungen (E. 2).
2. Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d aUWG. Zwei Unternehmen stehen auch dann miteinander im Wettbewerb, wenn die Tätigkeit des einen in der Organisation und Veranstaltung einer Handelsmesse für bestimmte Waren besteht und das andere solche Waren vertreibt. Täuschung durch Nachahmung des Handelsnamens (E. 3).
3.
Art. 2 Abs. 2 ZGB
. Umstände, unter denen eine Verwirkung des Klagerechts durch Zuwarten zu verneinen ist (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 106
BGE 114 II 106 S. 106
A.-
Die Deutsche Messe- und Ausstellungs AG, Hannover (BRD), veranstaltet jährlich insbesondere die sogenannte Hannover-Messe, in deren Rahmen sie jeweils unter der Bezeichnung "CeBIT" auch eine Sondermesse für Büro- und Informationstechnik abhalten lässt. Die Bezeichnung "CeBIT" steht als Abkürzung für "Centrum der Büro- und Informationstechnik"; sie wird von der Sondermesse, für die auch in der Schweiz geworben wird, seit 1969 als Handelsname verwendet.
Die Cebit AG, Cham, handelt unter anderem mit "Produkten der Büroorganisation und Informationstechnik". Sie führt ihre
BGE 114 II 106 S. 107
Firma seit Dezember 1980. In ihrer Werbung und im geschäftlichen Verkehr verwendet sie neben der Firma auch den Zusatz "Centrum für Büro- und Informationstechnik".
B.-
Die Deutsche Messe- und Ausstellungs AG erblickte in der Verwendung dieser Bezeichnungen unlauteren Wettbewerb und eine Verletzung des Namensrechts. Im Oktober 1983 klagte sie gegen die Cebit AG mit den Begehren: 1. festzustellen, dass die Beklagte durch die Verwendung der Firma "Cebit" in Alleinstellung oder mit dem erwähnten Zusatz widerrechtlich handle und der Klägerin gegenüber unlauteren Wettbewerb begehe; 2. der Beklagten diese Verwendung bei Strafe zu verbieten; 3. sie zu verurteilen, ihre Firma innert 30 Tagen nach Rechtskraft des Urteils zu ändern; 4. die Klägerin zur Veröffentlichung des Urteils zu ermächtigen. Die Beklagte widersetzte sich diesen Begehren.
Das Kantonsgericht und auf Appellation hin am 17. März 1987 auch das Obergericht des Kantons Zug wiesen die Klage ab, weil zwischen dem Dienstleistungsangebot der Klägerin und dem Warenangebot der Beklagten kein Wettbewerbsverhältnis anzunehmen und eine Beeinträchtigung des Namensrechts zu verneinen sei.
C.-
Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingelegt, mit der sie an ihren Rechtsbegehren festhält.
Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Die Berufung wird vom Bundesgericht dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Obergericht geht zusammen mit den Parteien zu Recht davon aus, dass die Klägerin sich auf die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) in der Stockholmer Fassung von 1967 berufen kann (SR 0.232.04), die von der Bundesrepublik Deutschland und von der Schweiz 1970 ratifiziert worden ist. Als Angehörige eines Verbandslandes ist die Klägerin in der Schweiz wie eine inländische Gesellschaft zu behandeln (
Art. 2 Abs. 1 PVÜ
); dies gilt insbesondere für ihren Handelsnamen, unbekümmert darum, dass er in der Schweiz weder eingetragen noch als Warenzeichen hinterlegt ist (
Art. 8 PVÜ
).
BGE 114 II 106 S. 108
Sie hat ferner Anspruch auf einen wirksamen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb (
Art. 10bis PVÜ
).
Der Name "CeBIT" dient der Klägerin als Kurzbezeichnung einer Fachmesse, die von ihr jeweils im Frühjahr als Teil der Hannover-Messe veranstaltet wird und einen bestimmten Wirtschaftszweig betrifft. Die Eigenart der Sondermesse erhellt aus der vollständigen Bezeichnung "CeBIT-Welt-Centrum der Büro- und Informationstechnik", die nach den Akten vor allem in der Werbung verwendet wird. Das Kürzel "CeBIT", das auch in der Schreibweise "CEBIT" und "Cebit" vorkommt, hat daher sowohl für sich allein wie zusammen mit dem Zusatz den Charakter eines Handelsnamens im Sinne von
Art. 8 PVÜ
; beide sind folglich auf dem Gebiet der Schweiz nach Namens- und Wettbewerbsrecht wie inländische Geschäftsbezeichnungen geschützt, wenn und soweit die Beklagte durch die Übernahme der Bezeichnung die Voraussetzungen des unlauteren Wettbewerbes erfüllt oder die Klägerin in ihrem Namensrecht verletzt hat (
BGE 98 II 59
/60 mit Hinweisen). Mangels Eintragung der Bezeichnung in einem schweizerischen Register kann die Klägerin sich dabei gegenüber der Beklagten auf einen prioritätsbegründenden Gebrauch berufen, der nach ihrer Werbung auch für das Gebiet der Schweiz zu bejahen ist. Dagegen versucht sie daraus, dass sie den Namen "Cebit" in der Bundesrepublik als Dienstleistungsmarke hinterlegen liess, zu Recht nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, da dies nicht auf eine Gleichbehandlung, sondern auf eine Besserstellung hinausliefe.
3.
Nach dem angefochtenen Urteil besteht zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von
Art. 1 aUWG
, das am 1. März 1988 durch die Novelle vom 19. Dezember 1986 abgelöst worden (AS 1988 S. 223 ff.), vorliegend aber noch anwendbar ist. Das Obergericht ist der Auffassung, dass das Dienstleistungsangebot der Klägerin, bestehend in der Organisation und Veranstaltung einer Messe für Büro- und Informationstechnik, und der Handel der Beklagten mit Erzeugnissen der Bürobranche nicht unmittelbar dem gleichen Bedürfnis dienten. Dass die Klägerin Messebesuchern die Möglichkeit zu Käufen und Geschäftsabschlüssen verschaffe, sei lediglich eine Reflexwirkung ihrer Haupttätigkeit. Ebensowenig lasse sich sagen, dass die Beklagte ihr Warenangebot fördere, indem sie gleichzeitig das Angebot der Klägerin beeinträchtige. Die Klägerin erblickt darin eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d aUWG, insbesondere weil das Obergericht den Begriff des Wettbewerbsverhältnisses verkenne.
BGE 114 II 106 S. 109
a) Zwei Unternehmen stehen nur dann miteinander im Wettbewerb, wenn sie mit gleichartigen Waren oder Leistungen gleiche oder ähnliche Bedürfnisse befriedigen und sich wenigstens teilweise an den gleichen Abnehmerkreis wenden (
BGE 108 II 329
,
BGE 98 II 60
mit Hinweisen). Das heisst nicht, dass für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses entweder nur Angebote von Waren oder nur Angebote von Leistungen in Frage kommen, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint. Das leuchtet namentlich dann nicht ein, wenn die Angebote sich im einen wie im andern Fall auf den gleichen Warenbereich beziehen. Diesfalls ein Wettbewerbsverhältnis von der Art des Angebotes abhängig machen wollen, geht um so weniger an, als
Art. 1 Abs. 2 lit. d aUWG
irreführende Angaben nicht nur über eigene Waren oder Leistungen, sondern auch über andere Geschäftsverhältnisse genügen lässt, was in der neuen Bestimmung noch deutlicher zum Ausdruck kommt als in der alten. Zu bedenken ist ferner, dass die Anbieter nicht der gleichen Wirtschaftsstufe angehören müssen, es also auch bloss mittelbaren unlauteren Wettbewerb geben kann; der Wettbewerbsbegriff ist deshalb dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechend, das den lauteren Wettbewerb gewährleisten will, eher weit auszulegen. Wesentlich ist, dass die Angebote das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Kunden beeinflussen können (
BGE 90 II 323
; VON BÜREN, Kommentar zum UWG, S. 19 N. 45 ff.; TROLLER, Immaterialgüterrecht II, 3. Aufl. S. 915 ff.).
Was das Verhältnis zwischen einem Handelsunternehmen und dem Veranstalter einer Fachmesse des gleichen Wirtschaftszweiges insbesondere angeht, ist zu beachten, dass auf solchen Messen vor allem Waren des gehobenen Verbrauchs oder Investitionsgüter und Neuheiten angeboten und verkauft werden; es sind Schauveranstaltungen mit Marktcharakter und besonders grosser Werbewirkung und Attraktivität, weil Interessenten sich mit verhältnismässig geringem Aufwand einen umfassenden Überblick über das gesamte Angebot auf einem Markt verschaffen können. Fachmessen wollen zudem nicht nur bestehende Bedürfnisse decken und Neuheiten zeigen, sondern darüber hinaus neue Bedürfnisse wecken und helfen, neue Absatzgebiete zu gewinnen; sie sind Werbung schlechthin, für die Aussteller wie für den Veranstalter. Das gilt insbesondere für berühmte Messen, die mit internationaler Beteiligung, wie die Hannover-Messe, auf den Export ausgerichtet sind (vgl. dazu Der Grosse Brockhaus und Meyers Enzyklopädisches
BGE 114 II 106 S. 110
Lexikon, je unter dem Stichwort Messe in der Bedeutung von Handels- oder Fachmesse).
b) Angesichts dieser vielfältigen wirtschaftlichen Bedeutung von Fachmessen und deren Werbewirkung, welche die Klägerin nach den bei den Akten liegenden Druckschriften und Presseberichten auch für die "CeBIT" beanspruchen kann, lässt sich vorliegend entgegen der Annahme des Obergerichts nicht sagen, das Verhalten der Beklagten sei mangels einer besondern Beziehung zwischen den Angeboten der Parteien wettbewerbsrechtlich unerheblich. Nach dem angefochtenen Urteil bietet die Klägerin den Herstellern und Händlern von Produkten der Büro- und Informationstechnik vor allem die Möglichkeit, ihre Produkte auszustellen und sie dadurch potentiellen Kunden im direkten Vergleich mit Erzeugnissen und Leistungen anderer Aussteller bekannt zu machen, um sie letztlich auch abzusetzen. Ihr Dienstleistungsangebot erschöpft sich somit nicht darin, dass sie den Ausstellern die dazu notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellt; sie verschafft ihnen durch ihren Ruf als Fachmesse, ihre Anziehungskraft und umfangreiche Organisation auch eine aussergewöhnliche Reklame, weshalb sie in deren Werbung um neue Kunden und Märkte als Mitbeteiligte anzusehen ist.
Die Vorinstanz räumt denn auch ein, die Klägerin habe selber "ein handfestes Interesse" daran, dass aufgrund der Fachmesse viel verkauft wird, potentielle Käufer sich bei ihr über das Marktangebot informieren und gestützt darauf mit Ausstellern ins Geschäft kommen. Wie sehr die "CeBIT" durch die Reklame und Werbung der Klägerin hier bekannt geworden ist, erhellt aus den vom Kantonsgericht übernommenen Zahlen, wonach die grössten ausländischen Aussteller- und Besucheranteile seit Jahren aus der Schweiz stammen. Damit ist die vom Obergericht vermisste Beziehung zwischen den Angeboten der Parteien einerseits und einem zumindest teilweise gemeinsamen Kundenkreis für das Gebiet der Schweiz anderseits erstellt.
Daran ändert nichts, dass die Klägerin die ausgestellten Erzeugnisse der Büro- und Informationstechnik nicht selber vertreibt und hier keine Sondermessen veranstaltet. Festzuhalten ist vielmehr, dass die Beklagte Ende 1980, als sie ihren Zweck und ihre Firma ändern liess, nicht nur die Kurzbezeichnung der deutschen Fachmesse, sondern in ihrer Werbung und im geschäftlichen Verkehr auch deren Zusatz fast wörtlich übernommen hat. Das braucht sich die Klägerin auch nach schweizerischem Recht nicht gefallen
BGE 114 II 106 S. 111
zu lassen; es handelt sich jedenfalls um irreführende Angaben im Sinne von
Art. 1 Abs. 2 lit. d aUWG
. Die Vorinstanz verkennt den Begriff des unlauteren Wettbewerbs, wenn sie unbekümmert darum, dass die Beklagte für die gleichen Produkte wirbt wie die Klägerin mit ihrer Sondermesse, und dass sie sich dabei deren Bezeichnung fast vollständig und unverkennbar anmasst, die Möglichkeit einer wettbewerbswidrigen Beeinflussung verneint. Dies gilt um so mehr, als es der Beklagten mit der Annahme der neuen Firma offensichtlich auch darum ging, vom Ruf und der Werbung einer berühmten Fachmesse zu profitieren.
Art. 1 Abs. 2 lit. d aUWG
setzt nicht voraus, dass tatsächlich Täuschungen oder Verwechslungen vorgekommen und nachgewiesen seien; der irreführende Eindruck einer engen Verbindung zwischen den beiden Gesellschaften genügt (
BGE 109 II 489
E. 5 mit Hinweisen). Es hilft der Beklagten daher auch nicht, dass die Klägerin sich mit der Werbung für ihre Sondermesse vor allem an ein Fachpublikum wendet, wie die Vorinstanz annimmt. Selbst für Fachleute ist der Schluss auf eine Verbindung der beiden Unternehmen nicht von der Hand zu weisen; er liegt jedenfalls näher als die Annahme einer bloss irreführenden und damit unzulässigen Nachmachung oder Nachahmung des Handelsnamens. Die Klägerin wirft der Beklagten daher mit Recht ein wettbewerbswidriges Verhalten vor; sie hat Anspruch darauf, dass die Beklagte von täuschenden Angaben in der Firma und im Geschäftsverkehr absieht.
c) Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob das Verhalten der Beklagten auch nach Namensrecht zu beanstanden wäre. Zu bemerken ist immerhin, dass die Bezeichnung "CeBIT", insbesondere in Verbindung mit dem ebenfalls streitigen Zusatz, wegen der jährlichen Werbung, wie deren Wirkungen zeigen, auch in der Schweiz zu einem Individualzeichen für die gleichnamige Sondermesse der Klägerin geworden ist (
BGE 98 II 67
und
BGE 97 II 159
E. 3).
4.
Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe ihr Klagerecht jedenfalls verwirkt, wenn ein Anspruch begründet sein sollte. Eine Verwirkung des Klagerechts wegen verspäteter Rechtsausübung ist nach ständiger Rechtsprechung nicht leichthin anzunehmen; sie setzt insbesondere voraus, dass der Berechtigte die Verletzung seines Rechts während längerer Zeit widerspruchslos hinnimmt (
BGE 109 II 340
mit Hinweisen). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Klägerin ist bereits 1981, als sie von der streitigen Schweizer Firma Kenntnis erhielt, in Deutschland gegen
BGE 114 II 106 S. 112
die Beklagte gerichtlich vorgegangen; sie war somit von Anfang an nicht gewillt, sich mit der Nachmachung abzufinden. Nach dem Entscheid zu ihren Gunsten in Deutschland bemühte sie sich im Frühjahr 1983 vergeblich, die Beklagte zu einer freiwilligen Änderung ihrer Firma zu bewegen, deren Verwendung sie auch in der Schweiz für wettbewerbswidrig hielt. Im Herbst 1983 sodann reichte sie deswegen beim Kantonsgericht Zug Klage ein. Von einem Dulden oder gar einer Verwirkung durch Zeitablauf kann daher keine Rede sein.
Bleibt es aber dabei, dass die Klägerin rechtzeitig geklagt hat, so ist das angefochtene Urteil aus den vorstehenden Erwägungen zum Feststellungsbegehren der Klägerin aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese sich zu den weitern Klagebegehren ebenfalls äussert. Das Obergericht hat dabei davon auszugehen, dass der Unterlassungsanspruch der Klägerin aus unlauterem Wettbewerb begründet ist. | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
63eff5fd-8e9d-4dd1-a544-1ca081e1350a | Urteilskopf
97 I 209
32. Arrêt du 24 mars 1971 dans la cause Leyvraz contre Jean Pasquier et fils et autres consorts. | Regeste
Art. 87 OG
. Willkür.
Sicherheitsleistung anstelle der vorläufigen Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts; Urteil, mit dem die Leistung neuer Sicherheiten bis zum Entscheid in der Hauptsache angeordnet wird.
1. Dieses Urteil ist ein Endentscheid im Sinne des
Art. 87 OG
(Erw. 1 b).
2. Die Verlängerung einer für eine bestimmte Dauer angeordneten provisorischen Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts muss vor dem Ablauf der festgesetzten Frist im Grundbuch eingetragen werden (
Art. 839 Abs. 2 ZGB
). Im Hinblick auf diese Vorschriftist es willkürlich, nach Wegfall der ursprünglichen Sicherheiten die Leistung neuer Sicherheiten anzuordnen, selbst wenn das dahingehende Gesuch rechtzeitig gestellt worden ist (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 210
BGE 97 I 209 S. 210
A.-
Par contrat du 3 juillet 1968, Emile Leyvraz, à Vevey, a chargé la société coopérative Ermarco, à Fribourg (en abrégé: Ermarco), de construire un immeuble locatif à Vevey pour le prix forfaitaire de 335.000 fr. Cette société a confié les travaux de construction du bâtiment à divers sous-traitants, notamment à la société en nom collectif Jean Pasquier et fils, à Albin Baeriswyl SA, à Lamelcolor SA, à Serge Müller SA, à Schnetzler SA, à Solesa SA et à Arnold Stadelmann, tous membres coopérateurs d'Ermarco. Leyvraz s'est acquitté de ses obligations contractuelles envers celle-ci.
Les sous-traitants précités n'ont pas été payés intégralement par Ermarco. Ils ont requis du Président du Tribunal civil du district de Vevey, en temps utile, soit au cours des mois de mai, juillet et août 1969, l'inscription provisoire d'hypothèques légales des artisans et entrepreneurs pour le montant impayé de leurs créances. Pour éviter ces inscriptions, Emile Leyvraz a constitué en faveur de la société en nom collectif Jean Pasquier et fils, en juin 1969, une garantie bancaire de 75.000 fr., valable jusqu'au 1er décembre 1969 et fournie par la Banque cantonale vaudoise dont l'engagement était garanti par la délivrance d'une cédule hypothécaire et le cautionnement d'un tiers; en juillet et août 1969, il a constitué en faveur des autres sous-traitants, pour un montant global de 58.549 fr., plusieurs garanties bancaires valables jusqu'au 15 janvier 1970 et délivrées par l'Union de banques suisses, elle-même garantie par le dépôt d'une somme d'argent en compte bloqué, effectué par Leyvraz.
BGE 97 I 209 S. 211
Par suite de la constitution de ces sûretés, le Président du Tribunal civil du district de Vevey a rejeté la requête de Serge Müller SA qui tendait à l'inscription provisoire d'une hypothèque légale, et ordonné la radiation de l'inscription provisoire qui avait été opérée en faveur d'Arnold Stadelmann. N'étant pas encore au bénéfice d'une telle inscription, les autres soustraitants ont retiré leurs requêtes.
Le 10 septembre 1969, Ermarco a été déclarée en faillite. Les sous-traitants ont produit leurs créances dans cette faillite.
B.-
Le 1er décembre 1969, la société en nom collectif Jean Pasquier et fils et, le 15 janvier 1970, les autres sous-traitants ont ouvert action contre Emile Leyvraz. Ils concluaient au paiement de leurs créances respectives pour les travaux exécutés dans l'immeuble du défendeur et à la prolongation jusqu'à droit connu sur le procès au fond des garanties bancaires fournies à chacun d'eux. Les deux actions ont été jointes.
Le 7 avril 1970, les demandeurs ont saisi le Président de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois d'une requête de mesures provisionnelles. La société en nom collectif Jean Pasquier et fils concluait notamment à ce que le défendeur fût condamné à reconstituer en sa faveur une garantie bancaire de 75.000 fr. valable jusqu'à droit connu sur le procès au fond. Les autres demandeurs requéraient la prolongation jusqu'à droit connu sur ce procès de la validité des garanties qui leur avaient été fournies. Par ordonnance du 24 juin 1970, le Président de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté la requête de mesures provisionnelles. Saisie d'un recours interjeté par les demandeurs, qui reprenaient leurs conclusions précitées, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois s'est déclarée incompétente par arrêt du 28 octobre 1970 et a transmis le dossier à la Chambre des recours. Elle a considéré que la requête du 7 avril 1970 tendait "à modifier les sûretés accordées pour tenir lieu d'inscription provisoire d'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs" et que, dès lors, le recours formé contre l'ordonnance présidentielle du 24 juin 1970 devait être tranché par la Chambre des recours.
Par arrêt du 28 octobre 1970, la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois, composée des mêmes juges que la Cour civile, a condamné le défendeur à constituer immédiatement au bénéfice des demandeurs "jusqu'à droit connu sur le procès au fond qui divise les parties des garanties équivalentes
BGE 97 I 209 S. 212
à celles qu'il leur a fournies pour tenir lieu d'inscription provisoire d'hypothèques légales des artisans et entrepreneurs". Ses motifs sont en bref les suivants: L'entrepreneur peut demander au juge de prolonger la durée de l'inscription provisoire d'une hypothèque légale qui expire avant la fin du procès au fond. On doit dès lors lui reconnaître par analogie la faculté de requérir dans les mêmes conditions la prolongation de sûretés constituées pour un temps déterminé. En l'espèce, les sûretés ont été fournies par des tiers qui ne sont pas impliqués dans la présente procédure et ne peuvent par conséquent être astreints à prolonger leurs engagements. Aussi le défendeur doit-il constituer de nouvelles garanties jusqu'à droit connu sur le procès au fond.
C.-
Leyvraz a recouru en réforme contre cet arrêt au Tribunal fédéral, en lui demandant de prononcer qu'il n'est pas tenu de constituer les garanties ordonnées. Par arrêt du 23 décembre (RO 96 II 424 ss.), la IIe Cour civile du Tribunal fédéral a déclaré le recours en réforme irrecevable, par le motif que le jugement attaqué ne constitue pas une décision finale au sens de l'
art. 48 al. 1 OJ
.
D.-
Agissant en outre par la voie du recours de droit public, Leyvraz requiert le Tribunal fédéral d'annuler les deux arrêts rendus le 28 octobre 1970 par la Cour civile et par la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois. Il invoque la violation de l'
art. 4 Cst.
Ses motifs seront repris ci-dessous, dans la mesure nécessaire.
Les intimés concluent à l'irrecevabilité du recours, sinon à son rejet.
Le Tribunal fédéral a admis le recours formé contre l'arrêt de la Chambre des recours et a annulé cet arrêt. Le recours formé contre l'arrêt de la Cour civile a été rayé du rôle.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les intimés soutiennent que le recours est irrecevable au regard de l'
art. 87 OJ
, par le motif que les arrêts attaqués ne constitueraient que des décisions incidentes, n'exposant pas le recourant à un dommage irréparable.
Une décision est finale, au sens de l'
art. 87 OJ
, lorsqu'elle termine définitivement la procédure devant l'autorité qui en est saisie; elle est incidente lorsqu'elle est rendue en cours de
BGE 97 I 209 S. 213
procès, notamment lorsqu'elle statue sur un point de procédure ou prescrit des mesures provisoires (RO 94 I 368 consid. 3 et les références citées; FAVRE, Droit constitutionnel suisse, p. 480; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, no 1704 p. 611 s.; BONNARD, RDS 1962 II p. 410 s.; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, p. 353 s.)
a) En l'espèce, l'arrêt du 28 octobre 1970 par lequel la Cour civile s'est déclarée incompétente pour statuer sur le recours formé par les intimés contre l'ordonnance de son président ne mettait pas fin à la contestation, puisque le dossier était transmis à la Chambre des recours. Mais il s'agit d'une décision de dernière instance relative à la compétence du tribunal; comme telle, elle échappe à l'
art. 87 OJ
et peut être attaquée par la voie du recours de droit public (RO 94 I 201, 87 I 177 et les références citées). On peut en revanche se demander si le recourant a un intérêt actuel et pratique à l'annulation de l'arrêt de la Cour civile, attendu que la composition de celle-ci était exactement identique à celle de la Chambre des recours, qui a statué sur le pourvoi dirigé contre l'ordonnance du 24 juin 1970.
Quoi qu'il en soit, l'arrêt du 28 octobre 1970 de la Cour civile ne saurait être taxé d'arbitraire. Pour décliner sa compétence, la cour s'est fondée sur l'arrêté du Conseil d'Etat du 2 juin 1916 sur la procédure judiciaire en matière d'inscriptions provisoires au registre foncier. Selon les art. 6 à 8 de cet arrêté, les recours contre un prononcé ordonnant ou refusant d'ordonner une inscription provisoire est de la compétence du Tribunal cantonal, soit de la Chambre des recours. Certes, l'ordonnance attaquée par les intimés ne portait pas sur une inscription provisoire d'hypothèque légale, mais sur les sûretés fournies pour en tenir lieu, dont les bénéficiaires avaient requis la reconstitution ou la prolongation. Compte tenu de la connexité étroite entre les sûretés et l'inscription, il n'était cependant pas arbitraire d'appliquer au recours formé par les intimés les dispositions de l'arrêté de 1916 et non celles du code de procédure civile relatives aux mesures provisionnelles. Une telle interprétation des dispositions de l'arrêté du Conseil d'Etat n'était en tout cas pas insoutenable; elle n'en constituait pas une violation grossière ni ne les détournait de leur but véritable (RO 93 I 6 consid. 3, 86 I 85). Le recours est donc mal fondé, en tant qu'il est dirigé contre l'arrêt du 28 octobre 1970 de la Cour civile.
BGE 97 I 209 S. 214
b) Selon la jurisprudence (RO 93 I 61 ss.), le jugement par lequel l'autorité ordonne l'inscription provisoire d'une hypothèque légale en faveur d'un artisan ou entrepreneur est une décision incidente, qui ne cause pas un dommage irréparable au propriétaire du fonds grevé. En l'espèce, l'arrêt attaqué de la Chambre des recours astreint le recourant à constituer, jusqu'à droit connu sur le procès au fond, "des garanties équivalentes à celles qu'il leur a fournies pour tenir lieu d'inscription provisoire d'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs". Il se distingue du jugement ordonnant une inscription provisoire en ce qu'il met fin à la procédure relative à la question litigieuse des sûretés. Devant le tribunal saisi du procès au fond, les demandeurs concluent à ce que la validité des sûretés fournies par le défendeur soit prolongée jusqu'à droit connu sur ce procès. Ils ont repris ce chef de conclusions dans leur requête de mesures provisionnelles, qui a abouti à l'arrêt de la Chambre des recours. Cet arrêt apporte une solution définitive au litige portant sur les sûretés à fournir jusqu'à droit connu sur le procès au fond, litige sur lequel le tribunal saisi de ce procès n'aura plus à se prononcer. Il s'agit donc d'une décision finale prise en dernière instance cantonale au sens de l'
art. 87 OJ
, de sorte que le recours est recevable, dans la mesure en tout cas où il est dirigé contre l'arrêt du 28 octobre 1970 de la Chambre des recours. L'argument tiré par les intimés du fait que la IIe Cour civile a déclaré le recours en réforme du défendeur irrecevable en déniant à cet arrêt la qualification de décision finale est sans pertinence: cette notion n'a en effet pas la même portée à l'art. 48 al. 1 et à l'
art. 87 OJ
(cf. RO 95 I 99 s. consid. 2, 80 I 308 consid. 2). Le recours serait d'ailleurs recevable même si l'on voulait considérer l'arrêt attaqué comme une décision incidente, car il en résulterait pour le recourant un dommage irréparable au sens de l'
art. 87 OJ
. Selon la jurisprudence (RO 87 I 105 et les arrêts cités), l'existence d'un tel dommage doit toujours être admise s'agissant, comme en l'espèce, d'une mesure ordonnée pour la durée d'un procès, qui devient caduque avec le jugement final et ne peut dès lors plus être attaquée.
2.
La Chambre des recours met en parallèle l'inscription provisoire d'une hypothèque légale des artisans et entrepreneurs et les sûretés qui en tiennent lieu; l'artisan ou entrepreneur peut requérir que la validité des sûretés, comme celle de l'inscription
BGE 97 I 209 S. 215
provisoire, soit prolongée; ce droit doit en tout cas lui être reconnu lorsque les sûretés ne sont pas encore échues; les instants, qui ont déposé leur requête le jour même où leurs sûretés arrivaient à terme, ont procédé en temps utile. Le recourant tient cette argumentation pour arbitraire. Il fait valoir que les garanties bancaires délivrées aux intimés ne sont pas l'équivalent de l'inscription provisoire de l'hypothèque légale, mais celui de l'inscription définitive; que le terme de validité de ces garanties, tel que convenu par les parties, étant échu, les intimés ne peuvent exiger de lui qu'il prolonge ni qu'il reconstitue les sûretés; que le juge n'est pas habilité à imposer à l'une des parties l'obligation de passer un nouveau contrat; que l'interprétation abusive des dispositions sur l'hypothèque légale en arrive pratiquement à restituer aux intimés le délai péremptoire prévu par l'
art. 839 al. 2 CC
.
Aux termes de l'
art. 839 al. 3 CC
, l'inscription de l'hypothèque des artisans et entrepreneurs ne peut être requise, si le propriétaire fournit des sûretés suffisantes au créancier. Pour être suffisantes, les sûretés qui tiennent lieu de l'inscription d'une hypothèque légale doivent garantir pleinement la créance (LEEMANN, ad
art. 839 CC
n. 24 a; SIMOND, L'hypothèque légale de l'entrepreneur, thèse Lausanne 1924, p. 118). Le juge saisi d'une requête d'inscription provisoire d'une hypothèque légale la rejettera s'il estime cette condition remplie. C'est ce qui s'est passé dans le cas de l'intimé Serge Müller SA L'inscription déjà opérée en faveur d'Arnold Stadelmann a été radiée pour le même motif. Les autres intimés ont retiré leurs requêtes par suite de la constitution des garanties en leur faveur; l'accord des parties remplaçait ainsi la décision du juge sur les conditions requises pour que les sûretés puissent être substituées à l'inscription de l'hypothèque légale.
Selon l'
art. 961 al. 3 CC
, le juge détermine exactement la durée et les effets de l'inscription provisoire au registre foncier et il fixe, le cas échéant, un délai dans lequel le requérant fera valoir son droit en justice. Il peut prolonger ce délai et, par là, la durée de validité de l'inscription provisoire (RO 66 II 108). En l'espèce, les sûretés fournies par le recourant pour tenir lieu d'inscription provisoire d'une hypothèque légale étaient valables jusqu'à un terme déterminé. La Chambre des recours a estimé pouvoir se fonder sur une application analogique des règles relatives à l'inscription provisoire pour lui ordonner de constituer
BGE 97 I 209 S. 216
des garanties équivalentes à celles qui avaient été fournies initialement, et cela quand bien même elles n'avaient pour la plupart pas été sanctionnées par le juge, mais par un accord des parties. La question de savoir si ce point de vue doit être taxé d'arbitraire, comme le soutient le recourant, peut demeurer indécise: comme on va le voir, le recours doit être admis en tout état de cause.
3.
En vertu de l'
art. 839 al. 2 CC
, l'inscription au registre foncier de l'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs doit être opérée ("hat zu geschehen", "dev'essere fatta") sous peine de péremption, dans les trois mois qui suivent l'achèvement des travaux (RO 89 II 306, 53 II 218 s., 40 II 200 s. consid. 2; LEEMANN, ad art. 839 n. 8 ss.). La même règle vaut pour la prolongation de l'inscription provisoire ordonnée pour un temps déterminé; cette inscription perd toute valeur si la prolongation n'en est pas inscrite au registre foncier avant l'expiration du terme fixé (RO 53 II 219). Appliquant par analogie aux sûretés constituées en faveur des intimés les dispositions relatives à l'inscription provisoire d'une hypothèque légale, la Chambre des recours devait tenir compte aussi de la règle sanctionnant de manière impérative la péremption des droits des créanciers. Or celle-ci était acquise dès lors que la prolongation ou la reconstitution des sûretés n'était pas intervenue avant le terme de leur validité. Il est sans importance à cet égard que les intimés aient ouvert action le jour même où les garanties expiraient et qu'ils aient notamment conclu à la prolongation de la validité de ces garanties, conclusions qui ont été reprises dans leur requête de mesures provisionnelles du 7 avril 1970. Ce qui est déterminant, c'est que les sûretés constituées par le recourant se sont éteintes sans que leur validité eût été prorogée, respectivement les 2 décembre 1969 et 16 janvier 1970. En ordonnant, nonobstant cette circonstance, la constitution de nouvelles sûretés par le recourant, la Chambre des recours a adopté une solution manifestement incompatible avec le principe consacré par l'
art. 839 al. 2 CC
et reconnu par la jurisprudence et la doctrine. Ce faisant, elle est tombée dans l'arbitraire, et son arrêt doit être annulé. | public_law | nan | fr | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
63f4b8bc-fe1d-47a1-a2c7-68a8632eb0d4 | Urteilskopf
90 IV 83
18. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 12 mai 1964 dans la cause Ministère public du canton de Vaud contre Allaz | Regeste
Art. 7 Abs. 1, 25 Abs. 1 lit. a, 91 Abs. 2 und 106 SVG; Art. 3 BRB vom 15. November 1960 über Motorfahrräder und Kleinmotorräder.
1. Die Motorfahrräder sind nicht den Motorfahrzeugen, sondern den Fahrrädern gleichzustellen (Erw. 1).
2. Wer in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrrad führt, ist nach
Art. 91 Abs. 2 SVG
zu bestrafen (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 84
BGE 90 IV 83 S. 84
A.-
Le 13 janvier 1964, le Tribunal de police du district de Lausanne a condamné Allaz à cinq jours d'emprisonnement et à 300 fr. d'amende pour avoir, en état d'ébriété, conduit un cyclomoteur. Il a fondé cette condamnation sur le premier alinéa de l'art. 91 LCR, qui réprime la conduite, en état d'ébriété, d'un véhicule à moteur.
Le Ministère public du canton de Vaud a recouru devant la Cour de cassation du Tribunal cantonal vaudois. Il estimait que seul le deuxième alinéa de l'art. 91 LCR, qui sanctionne la conduite, en état d'ébriété, d'un véhicule sans moteur, était applicable dans la présente espèce et que, par conséquent, il fallait remplacer, dans la condamnation, les cinq jours d'emprisonnement par cinq jours d'arrêts, l'amende étant maintenue.
Le 17 février 1964, la Cour de cassation cantonale a rejeté le recours.
B.-
Le Ministère public du canton de Vaud s'est pourvu en nullité.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
- L'art. 7 al. 1 LCR répute véhicule automobile tout véhicule pourvu d'un propre dispositif de propulsion lui permettant de circuler sur terre sans devoir suivre une voie ferrée. Il est clair que tout cycle pourvu d'un moteur auxiliaire répond à cette définition. Cependant, selon l'art. 25 al. 1 lit. a, le Conseil fédéral peut soustraire cette espèce de véhicules à l'application des règles du IIe titre de la loi sur la circulation routière, titre qui comprend l'art. 7 précité. Il peut par conséquent exclure les cycles à moteur auxiliaire de la catégorie des véhicules automobiles pour les assimiler à une autre catégorie, par exemple aux cycles.
C'est ce qu'il a fait par son arrêté du 15 novembre 1960 sur les cyclomoteurs et les motocycles légers. Après y avoir défini les cycles à moteur auxiliaire (sous la dénomination de cyclomoteurs, art. 1 et 2), il a prescrit (art. 3) que, sauf dispositions contraires dudit arrêté, cette catégorie de véhicules tombe sous le coup des prescriptions relatives
BGE 90 IV 83 S. 85
aux cycles, sous réserve, toutefois, de celles qui visent à atténuer le bruit causé par les véhicules automobiles. Cela signifie nécessairement, vu la portée tout à fait générale de cette règle, qui ne se limite pas aux dispositions du IIe titre de la loi sur la circulation routière, que les cyclomoteurs ne doivent pas être considérés comme des véhicules automobiles selon l'art. 7 al. 1 LCR, mais sont assimilés aux cycles.
Le Conseil fédéral pouvait, comme on l'a montré, établir une telle règle en se fondant sur l'art. 25 al. 1 lit. a LCR et il lui était loisible de le faire dès avant l'entrée en vigueur de cette loi, vu l'art. 106 LCR. Il se réfère du reste aux deux dispositions précitées dans le préambule de son arrêté. Sans doute, depuis la promulgation de celui-ci, la loi sur la circulation routière et ses ordonnances d'exécution sontelles entrées en vigueur. Mais elles ne contiennent aucune disposition remplaçant ou abrogeant l'art. 3 al. 1 de l'arrêté du 15 novembre 1960 et l'on ne voit point d'autre règle qui puisse en exclure l'application. Aussi bien, dans sa circulaire du 17 décembre 1962 (cf. art. 99 al. 4, dernière phrase OCR), le Département fédéral de justice et police indique (sous le no 34) comme restant en vigueur en général l'arrêté sur les cyclomoteurs; les réserves dont il assortit cette opinion ne concernent pas l'art. 3 al. 1 précité.
2.
- Les cyclomoteurs, par exception, n'étant pas des véhicules automobiles, celui qui, pris de boisson, conduit un de ces engins tombe sous le coup, non pas du premier, mais du deuxième alinéa de l'art. 91 LCR, contrairement à ce qu'a admis l'autorité cantonale. Il n'est donc punissable en plus de l'amende, que des arrêts et non de l'emprisonnement.
L'art. 9 ch. 3 de l'ACF du 15 novembre 1960 impose la même solution. Selon la circulaire précitée, cette disposition en particulier serait encore en vigueur aujourd'hui, comme l'art. 3 al. 1 précité. Vu les motifs exposés ci-dessus et l'entrée en vigueur de l'art. 91 LCR, il n'est pas certain qu'il en soit ainsi, tout au moins pour le cas du conducteur
BGE 90 IV 83 S. 86
pris de boisson. La question, cependant, peut demeurer indécise, puisque le résultat reste le même, en l'espèce, quelle que soit la réponse qu'elle appelle.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Admet le pourvoi, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour que celle-ci se prononce à nouveau. | null | nan | fr | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
63fea5c6-626b-4d4e-a83b-8ecd0bc0a7d5 | Urteilskopf
118 IV 61
13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Januar 1992 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen gegen D. W. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 220, 183 Ziff. 2 StGB
; Entziehen von Unmündigen/Entführung.
1. Aufgrund der Verschiedenheit der durch
Art. 220 und 183 Ziff. 2 StGB
geschützten Rechtsgüter ist für die Annahme echter Gesetzeskonkurrenz entscheidend, ob sich das Verhalten des Täters im konkreten Fall gegen den (Mit-)Inhaber der elterlichen Gewalt oder auch gegen die Freiheit des Kindes richtet (E. 2).
2. Der strafrechtliche Schutz der Freiheit des Kindes bezüglich der Wahl seines Aufenthaltsortes unterliegt den sich aus der elterlichen Gewalt ergebenden Einschränkungen; Entführung im konkreten Fall verneint (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 62
BGE 118 IV 61 S. 62
Die Eheleute L. und D. W. haben zwei Kinder (geb. 1984 und 1987). Im Januar 1989 verliess die Ehefrau mit den Kindern die gemeinsame Wohnung. Kurz danach reichte sie die Scheidungsklage ein; sie verlangte, ihr im Sinne einer vorsorglichen Massregel die Obhut über die Kinder zu übertragen. Am 15. April 1989 holte der Vater die Kinder zu einem vereinbarten Wochenendbesuch ab, reiste dann aber mit ihnen in die Ferien und brachte sie erst nach einer sechswöchigen Reise, die durch Italien, Jugoslawien, die Türkei und Griechenland führte, wieder zur Mutter zurück. Eine am 17. April 1989 versandte Verfügung der Instruktionsrichterin, mit welcher die Mutter zur Obhutsinhaberin erklärt wurde, ging ihm erst bei seiner Rückkehr zu. Alle Beteiligten stimmen darin überein, dass der Vater die Kinder gut behandelt habe; die Mutter fügte allerdings hinzu, sie hätten die lange Ferienreise psychisch verarbeiten müssen.
Das Bezirksgericht Unterrheintal verurteilte D. W. am 12. Januar 1990 wegen fortgesetzter Entführung, fortgesetzten Entziehens und Vorenthaltens von Unmündigen sowie wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten zu sechs Wochen Gefängnis, bedingt aufgeschoben auf eine Probezeit von zwei Jahren.
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin sprach das Kantonsgericht St. Gallen D. W. am 4. September 1990 von der Anklage der Entführung frei. Es erklärte ihn schuldig des Entziehens von Unmündigen
BGE 118 IV 61 S. 63
sowie der fortgesetzten Vernachlässigung von Unterstützungspflichten und verurteilte ihn zu vier Wochen Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen an das Bundesgericht mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
D. W. beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorinstanz habe
Art. 183 Ziff. 2 und 184 StGB
verletzt, indem sie den Beschwerdegegner von der Anklage der Entführung freigesprochen habe; angesichts der Dauer liege eine qualifizierte Entführung vor. Zu prüfen ist somit, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, wenn sie den Beschwerdegegner nur wegen Entziehens von Unmündigen nach
Art. 220 StGB
verurteilte und nicht auch wegen qualifizierter Entführung.
2.
a)
Art. 220 StGB
schützt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (auch nicht alleinige) Inhaber der elterlichen und vormundschaftlichen Gewalt in ihrer Befugnis, über die ihnen unterstellte Person, insbesondere über deren Aufenthaltsort, Erziehung und Lebensgestaltung zu bestimmen (
BGE 95 IV 68
,
BGE 98 IV 35
,
BGE 110 IV 37
E. 1c mit Hinweisen; kritisch dazu SUSANNE HÜPPI, Straf- und zivilrechtliche Aspekte der Kindesentziehung gemäss
Art. 220 StGB
mit Schwergewicht auf den Kindesentführungen durch einen Elternteil, Zürcher Diss. 1988, S. 34 ff., insbesondere S. 42, die als geschützt nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht sieht; in diesem Sinn auch TRECHSEL, Kurzkommentar StGB,
Art. 220 N 1
, und HAUSER/REHBERG, Grundriss Strafrecht IV, Zürich 1989, S. 98). Es handelt sich um ein Vergehen gegen die Familie (Überschrift des sechsten Titels).
b) Demgegenüber handelt es sich bei der Entführung um ein Delikt gegen die Freiheit. Nach
BGE 83 IV 154
besteht das "Entführen" darin, dass das Opfer an einen Ort geführt wird, wo es sich in der Gewalt des Täters befindet; die Entführung besteht damit aus zwei Elementen: dem Verbringen des Opfers an einen anderen Ort und - als Folge davon - eine gewisse Machtposition des Täters
BGE 118 IV 61 S. 64
über das Opfer (STRATENWERTH, Bes. Teil I, 3. Auflage, S. 102; SCHUBARTH, Kommentar StGB,
Art. 183 N 47
). Gemäss
Art. 183 Ziff. 2 StGB
können auch Kinder (und Jugendliche:
Art. 82 und 89 StGB
) unter 16 Jahren entführt werden.
c) Ob die durch
Art. 184 StGB
mögliche Erweiterung des Strafrahmens aufgrund der Dauer des Freiheitsentzuges auch für die Entführung gilt - wie Vorinstanz und Beschwerdegegnerin ohne weiteres annehmen -, erscheint fraglich. Denn bei einer Entführung braucht weder eine Nötigung noch eine Freiheitsberaubung vorzuliegen (TRECHSEL, a.a.O.,
Art. 183 N 13
; STRATENWERTH, a.a.O., S. 102 N 33; NOLL, Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil I, S. 79; SCHUBARTH, a.a.O.,
Art. 183 N 48
und 62); nach dem Wortlaut des Gesetzes "Entzug der Freiheit" ist wohl nur die eigentliche Freiheitsberaubung (
Art. 183 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
) qualifiziert, wenn sie länger als 10 Tage dauert. Auch die Botschaft verwendet bei der Erörterung des Qualifikationsgrundes der Dauer nur den Begriff der Freiheitsberaubung (BBl 1980 I 1260). Ob damit, wenn als eigentliche Tathandlung der Entführung einzig das Verbringen an einen anderen Ort zu betrachten ist, diesbezüglich kein Dauerdelikt vorliegt (so HAFTER, Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil I, S. 104; anderer Auffassung SCHUBARTH, a.a.O.,
Art. 183 N 50
, allerdings ohne nähere Begründung), wie dies bei der Freiheitsberaubung als Aufhebung der körperlichen Bewegungsfreiheit der Fall ist, kann indessen offenbleiben, da der Tatbestand von
Art. 184 StGB
im vorliegenden Fall ohnehin nicht erfüllt ist.
d) Für die Annahme einer echten Gesetzeskonkurrenz zwischen
Art. 183 und 220 StGB
ist wegen der Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter entscheidend, ob sich das Verhalten des Täters im konkreten Fall lediglich gegen den (Mit-)Inhaber der elterlichen Gewalt richtet oder auch gegen die Freiheit des Kindes (vgl. oben E. 2a und b; TRECHSEL, a.a.O.,
Art. 220 N 8
). Diese Frage ist nach den jeweiligen Umständen sowie den Zielen und Absichten des Täters zu beurteilen (vgl. BERTRAND SAUTEREL, L'enlèvement de mineur, thèse de licence, Lausanne 1991, S. 142).
3.
a) Der Tatbestand der Entführung setzt voraus, dass sich als Folge des Verbringens an einen anderen Ort eine Machtposition des Täters über sein Opfer ergibt (vgl. E. 2b). Hat der Täter diese Machtposition bereits aufgrund anderer Umstände inne, oder wird eine bereits bestehende Machtposition nicht erheblich verstärkt (vgl. EGLI, Freiheitsberaubung, Entführung und Geiselnahme, Diss. Zürich, S. 76 f.), kann daher keine Entführung vorliegen.
BGE 118 IV 61 S. 65
b) Der Schutz der Freiheit des Kindes bezüglich der Wahl seines Aufenthaltsortes unterliegt den sich aus der elterlichen Gewalt ergebenden Einschränkungen (vgl. EGLI, a.a.O., S. 113). Gemäss
Art. 297 Abs. 1 ZGB
üben die Eltern die elterliche Gewalt gemeinsam aus; diese Regel gilt, bis ein Ehegatte verstirbt oder die elterliche Gewalt durch den Richter einem Elternteil allein zugeteilt wird.
Die Eheleute W. hatten zwar eine private Vereinbarung abgeschlossen, wonach der Mutter die Obhut eingeräumt werde und der Vater die Kinder jeweils über ein verlängertes Wochenende zu sich nehmen könne. Eine solche Vereinbarung wie auch die Zuteilung der Obhut im Eheschutzverfahren oder als vorsorgliche Massnahme im Scheidungs- oder Abänderungsprozess (vgl. HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechtes, 3. Auflage,
§ 26 N 10
) lässt aber die elterliche Gewalt des anderen Teils in ihrem rechtlichen Bestand vorderhand unberührt (BÜHLER/SPÜHLER, Kommentar,
Art. 145 N 200
). Die Kinder sind deshalb nach wie vor beiden Inhabern der elterlichen Gewalt zu Gehorsam verpflichtet (vgl. HEGNAUER, Kommentar, 3. Auflage, N 8 ff. zu aArt. 275 ZGB).
c) Ist daher wie im vorliegenden Fall die elterliche Gewalt lediglich faktisch durch die Obhut der Obhutsberechtigten eingeschränkt, kann für die betroffenen Kinder das geschützte Rechtsgut ihrer Freiheit nicht wesentlich eingeschränkt sein, weil sie nach wie vor dem (Mit-)Inhaber der elterlichen Gewalt zu Gehorsam verpflichtet sind und es für sie grundsätzlich keine Rolle spielen wird, von welchem der beiden Elternteile ihr Aufenthaltsort bestimmt wird; dies gilt jedenfalls so lange, als dies mit der im Interesse des Kindes ausgeübten elterlichen Gewalt vereinbar und damit zu dessen Wohl ist. Denn es wäre - wie die Vorinstanz zu Recht bemerkt - widersprüchlich, einerseits vom Willen des Kindes abzusehen und andererseits denjenigen wegen eines Deliktes gegen die Freiheit der Willensentschliessung zu bestrafen, der ermächtigt ist, gerade diesen Willen zu bilden. Dass auch das Kind unter 16 Jahren ein Freiheitsbewusstsein hat (so schon HAFTER, a.a.O., S. 107; LOGOZ, Commentaire,
Art. 185 N 1
, S. 284) und ihm mit zunehmendem Alter auch eine gewisse Freiheit in der Wahl seines Aufenthaltsortes zukommt (vgl. EGLI, a.a.O., S. 113), braucht hier nicht berücksichtigt zu werden, handelt es sich doch noch um Kleinkinder.
Die dargelegte Zurückhaltung bei der Annahme einer Entführung durch einen (Mit-)Inhaber der elterlichen Gewalt würde sich auch aufgrund der möglicherweise zur Anwendung gelangenden hohen Mindeststrafe von
Art. 184 StGB
aufdrängen (vgl. Auslegung von
BGE 118 IV 61 S. 66
Straftatbeständen nach der angedrohten Strafe:
BGE 116 IV 315
E. aa).
d) Den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ist zu entnehmen, dass der Beschwerdegegner seine Kinder gut behandelte; die Kinder waren nach ihrer Rückkehr wohlauf; es fehlte den Kindern körperlich nichts; sie hätten nach Angabe der Mutter lediglich "den langen Ferienaufenthalt psychisch verarbeiten müssen"; der getroffenen Obhutsvereinbarung stimmte der Beschwerdegegner angeblich nur zu, um die Kinder überhaupt sehen zu können. Die Ehefrau des Beschwerdegegners hatte die eheliche Wohnung mit den Kindern erst seit kurzer Zeit verlassen, weshalb sich die Kinder noch nicht an den neuen Zustand gewöhnt haben dürften. Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall die Veränderung des Aufenthaltsortes anlässlich eines mit seiner Ehefrau und Mutter der Kinder vereinbarten Wochenendbesuches insbesondere noch keine wesentliche Verstärkung des auch zugunsten des Beschwerdegegners bestehenden Herrschaftsverhältnisses gegenüber seinen beiden Kleinkindern bewirkte. Unter solchen Umständen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner in erster Linie seiner Ehefrau die (Mit-)Ausübung der elterlichen Rechte verunmöglichen wollte, nicht aber seinen Kindern zu deren Nachteil die Freiheit entziehen. Aus diesen Gründen muss es im vorliegenden Fall mit der ausschliesslichen Anwendbarkeit von
Art. 220 StGB
sein Bewenden haben.
e) Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, wenn sie den Beschwerdegegner ausschliesslich nach
Art. 220 StGB
bestrafte. | null | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
640040ca-79e0-44e7-a456-115f0b92add6 | Urteilskopf
119 V 200
29. Auszug aus dem Urteil vom 7. April 1993 i.S. P. gegen ALPINA Versicherungen und Versicherungsgericht des Kantons Zürich | Regeste
Art. 9 Abs. 2 und
Art. 118 Abs. 1 UVG
.
Für die Beurteilung der Frage, ob eine Gesundheitsschädigung ausschliesslich oder stark überwiegend durch berufliche Tätigkeit verursacht worden ist, ist die gesamte, also auch die vor dem 1. Januar 1984 ausgeübte Berufstätigkeit zu berücksichtigen. | Erwägungen
ab Seite 200
BGE 119 V 200 S. 200
Aus den Erwägungen:
2.
a) Gemäss
Art. 9 Abs. 1 UVG
gelten Krankheiten, die bei der beruflichen Tätigkeit ausschliesslich oder vorwiegend durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten verursacht worden sind, als Berufskrankheiten. Der Bundesrat erstellt die Liste dieser Stoffe und Arbeiten sowie der arbeitsbedingten Erkrankungen. Gestützt auf diese Delegationsnorm und
Art. 14 UVV
hat er in Anhang I zur UVV eine Liste der schädigenden Stoffe und der arbeitsbedingten Erkrankungen erstellt.
Nach der Rechtsprechung ist eine "vorwiegende" Verursachung von Krankheiten durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten nur dann gegeben, wenn diese mehr wiegen als alle andern mitbeteiligten Ursachen, mithin im gesamten Ursachenspektrum mehr als
BGE 119 V 200 S. 201
50% ausmachen. "Ausschliessliche" Verursachung hingegen meint praktisch 100% des ursächlichen Anteils der schädigenden Stoffe oder bestimmten Arbeiten an der Berufskrankheit (
BGE 117 V 355
E. 2a mit Hinweis).
b) Gemäss
Art. 9 Abs. 2 UVG
gelten als Berufskrankheiten auch andere Krankheiten, von denen nachgewiesen wird, dass sie ausschliesslich oder stark überwiegend durch berufliche Tätigkeit verursacht worden sind. Diese Generalklausel bezweckt, allfällige Lücken zu schliessen, die dadurch entstehen könnten, dass die bundesrätliche Liste gemäss Anhang I zur UVV entweder einen schädigenden Stoff, der eine Krankheit verursachte, oder eine Krankheit nicht aufführt, die durch die Arbeit verursacht wurde (
BGE 117 V 355
E. 2b mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung ist die Voraussetzung des "ausschliesslichen oder stark überwiegenden" Zusammenhangs gemäss
Art. 9 Abs. 2 UVG
erfüllt, wenn die Berufskrankheit mindestens zu 75% durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden ist (
BGE 117 V 355
E. 2b mit Hinweis).
4.
a) Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer keine Ansprüche aus Berufskrankheit im Sinne von
Art. 9 Abs. 1 UVG
ableiten kann, da weder schädigende Stoffe noch arbeitsbedingte Erkrankungen gemäss Anhang I zur UVV in Frage stehen. Ebensowenig liegt eine unfallmässige Schädigung oder eine unfallähnliche Körperschädigung vor (
Art. 9 Abs. 1 und 2 UVV
).
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob es sich bei den Beschwerden im rechten Schultergelenk um eine Berufskrankheit nach
Art. 9 Abs. 2 UVG
handelt.
b) Die Vorinstanz anerkennt zwar bei Zahnärzten gestützt auf die medizinische Fachliteratur einen tätigkeitsspezifischen Risikofaktor für Gesundheitsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates. Ein weiterer Risikofaktor stelle aber auch das Alter des heute 53jährigen Beschwerdeführers dar, seien doch bei fast zwei Dritteln der Männer über dem 35. Lebensjahr degenerative Veränderungen im Bereiche der Schultergelenke und der unteren HWS nachweisbar. Ob die berufliche Belastung die Krankheit in einem Ausmass von mindestens 75% verursacht habe, liess jedoch das kantonale Gericht dahingestellt. Es wies die Beschwerde mit der Begründung ab, die Entstehung der Krankheit falle nicht ausschliesslich in den Zeitraum, in dem der Beschwerdeführer freiwillig nach Massgabe des ab 1. Januar 1984 geltenden UVG versichert gewesen sei. Vielmehr habe sich die Krankheit kontinuierlich über einen Zeitraum von 24 Jahren entwickelt. Da der Versicherungsschutz höchstens sechs
BGE 119 V 200 S. 202
Jahre gedauert habe, was nur einen Viertel der Berufsausübung insgesamt ausmache, sei schon in zeitlicher Hinsicht der vorausgesetzte Kausalzusammenhang von 75% nicht gegeben.
c) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorab beanstandet, dass aus dem Entscheid nicht hervorgehe, auf welchen Rechtssatz sich die Vorinstanz abstütze. Möglicherweise habe sie sich von
Art. 118 Abs. 1 UVG
leiten lassen, wonach Versicherungsleistungen für Berufskrankheiten, die vor dem Inkrafttreten des UVG ausgebrochen seien, gemäss bisherigem Recht gewährt würden. Die vorinstanzlichen Erwägungen, die den Krankheitsausbruch im wesentlichen auf einen vor Inkrafttreten des UVG festzusetzenden Zeitpunkt festlegten, widersprächen dieser Bestimmung wie auch
Art. 9 Abs. 3 UVG
. Damit führe das Gericht eine willkürliche und grundlose Unterscheidung ein, indem es unzulässigerweise auf einen anderen als den in
Art. 9 Abs. 3 UVG
definierten Begriff des Krankheitsausbruches (Bedarf des erstmaligen Arztbesuches) abstelle.
5.
Im vorliegenden Fall ist zunächst folgender Rechtsfrage nachzugehen: Ist die vor dem 1. Januar 1984 (Inkrafttreten des UVG) ausgeübte berufliche Tätigkeit bei der Beurteilung, ob eine Berufskrankheit ausschliesslich oder stark überwiegend durch diese berufliche Tätigkeit verursacht worden ist (
Art. 9 Abs. 2 UVG
), zu berücksichtigen?
a) Gemäss
Art. 118 Abs. 1 UVG
werden Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ereignet haben, und für Berufskrankheiten, die vor diesem Zeitpunkt ausgebrochen sind, nach bisherigem Recht gewährt. Im weiteren definiert
Art. 9 Abs. 3 UVG
den Ausbruch der Krankheit wie folgt:
"Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind Berufskrankheiten von ihrem Ausbruch an einem Berufsunfall gleichgestellt. Sie gelten als ausgebrochen, sobald der Betroffene erstmals ärztlicher Behandlung bedarf oder arbeitsunfähig ist."
Die Übergangsnorm von
Art. 118 Abs. 1 UVG
in Verbindung mit
Art. 9 Abs. 3 UVG
löst nur die Frage, ob neues oder altes Recht anwendbar ist. Nachdem der Beschwerdeführer wegen seines Schulterleidens unbestrittenermassen erstmals im Jahre 1984 ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste, gilt die Krankheit im Sinne von
Art. 9 Abs. 3 UVG
als nach dem Inkrafttreten des UVG ausgebrochen, so dass hier neues Recht gilt. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, wie das neue Recht anzuwenden ist.
BGE 119 V 200 S. 203
b)
Art. 9 UVG
anerkennt nur jene Krankheiten als Berufskrankheiten, die entweder "bei der beruflichen Tätigkeit" durch schädigende Stoffe oder bestimmte Arbeiten (Abs. 1) oder (generell) durch "berufliche Tätigkeit" (Abs. 2) verursacht worden sind. Was mit beruflicher Tätigkeit gemeint ist, wird im Gesetz ebensowenig definiert wie die Dauer, während welcher diese berufliche Tätigkeit ausgeübt sein muss. Es fragt sich daher, ob bei der Prüfung des Kausalzusammenhanges zwischen beruflicher Tätigkeit und eingetretenem Gesundheitsschaden die vor dem 1. Januar 1984 geleistete Arbeit zu berücksichtigen ist oder nicht. Mit andern Worten: Ist die Voraussetzung des "ausschliesslichen oder stark überwiegenden Zusammenhangs" nur erfüllt, wenn die berufliche Tätigkeit nach dem 1. Januar 1984 allein ausschliesslich oder stark überwiegt, d.h. im Ausmass von mindestens 75% die Krankheit verursacht hat.
Die Vorinstanz vertritt letztere Auffassung, ohne indes eine Begründung zu liefern, was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wie auch von seiten des BSV zu Recht gerügt wird. MAURER stellt sich im Zusammenhang mit
Art. 9 Abs. 1 UVG
ebenfalls auf den Standpunkt, das Erfordernis der vorwiegenden beruflichen Exposition bedeute, dass "diese berufliche Tätigkeit eine versicherte Tätigkeit gewesen sei"; der Erkrankte müsse sie als "Versicherter ausgeübt haben" (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 217 lit. d/aa). Zu
Art. 118 Abs. 1 UVG
führt er folgendes aus: "Gemäss Umkehrschluss aus dieser Übergangsbestimmung müsste der Unfallversicherer die gesetzlichen Leistungen auch dann erbringen, wenn die Berufskrankheit zwar nach dem Inkrafttreten des UVG ausgebrochen ist, der Versicherte aber ausschliesslich vorher den schädigenden Stoffen ausgesetzt war oder die krankmachenden Arbeiten verrichtet hat und dabei noch nicht durch das KUVG obligatorisch gegen Unfall versichert war. Obwohl die Exposition vollständig in die Zeit fällt, da kein Versicherungsschutz bestand, würde der Unfallversicherer leistungspflichtig; dabei hat er für dieses Risiko noch keine Prämien bezogen" (MAURER, a.a.O., S. 218 lit. cc). Es sei fraglich, ob der Gesetzgeber diesen Sachverhalt im Blickfeld hatte. Das Ergebnis, wonach die Unfallversicherer für Berufskrankheiten auch dann leisten müssten, wenn die Exposition vor Inkrafttreten des UVG erfolgte, zu einer Zeit, als kein Versicherungsschutz bestand, erscheine von so erheblicher Tragweite, dass der Gesetzgeber dies kaum gewollt haben könne. Deshalb dürfte die Lösung, die sich aus dem Umkehrschluss ergebe, unrichtig sein (MAURER, a.a.O., S. 218 N. 497).
BGE 119 V 200 S. 204
c) Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zugrunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (
BGE 117 Ia 331
E. 3a,
BGE 117 III 45
E. 1,
BGE 117 V 5
E. 5a und 109 E. 5b, je mit Hinweisen; IMBODEN/RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 21 B IV).
aa) In Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich - durch Umkehrschluss - aus dem klaren Wortlaut von
Art. 118 Abs. 1 UVG
unzweideutig, dass nach dem 1. Januar 1984 ausgebrochene Berufskrankheiten gemäss UVG versichert sind. Ab dem Zeitpunkt des Ausbruchs sind sie, sofern nichts Abweichendes bestimmt wird (
Art. 9 Abs. 3 Satz 1 UVG
), was nicht zutrifft, den Unfällen gleichgestellt und begründen bei gegebenem Kausalzusammenhang Anspruch auf die gesetzlichen Versicherungsleistungen. Für die Annahme der Vorinstanz, bei der Prüfung der Kausalität dürfe nur die Berufstätigkeit nach dem 1. Januar 1984 berücksichtigt werden, lässt sich weder dem UVG noch der dazugehörigen Verordnung eine Bestimmung entnehmen. Hätte der Gesetzgeber ausschliesslich die ab 1. Januar 1984 ausgeübte Berufsarbeit als massgebend erachten wollen, hätte dies im Gesetz zum Ausdruck kommen müssen. Nachdem in zeitlicher Hinsicht keine gesetzliche Beschränkung besteht, ist unter beruflicher Tätigkeit im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 UVG
die gesamte, also auch die vor dem 1. Januar 1984 ausgeübte Berufstätigkeit zu verstehen. Denn stichhaltige Gründe, die ein Abweichen vom Wortlaut der fraglichen Bestimmung rechtfertigten, lassen sich keine ausmachen. Entgegen MAURER vermag eine wirtschaftliche Betrachtungsweise eine gesetzliche Regelung nicht aus den Angeln zu heben. Im Gegenteil, folgende Argumente sprechen dafür, dass die gesamte berufliche Exposition gilt.
bb) Wollte man der gegenteiligen Auffassung der Vorinstanz beipflichten, würde dies darauf hinauslaufen, dass die Versicherung
BGE 119 V 200 S. 205
gegen Berufskrankheiten, die im Rahmen von
Art. 9 Abs. 2 UVG
eine neue Leistungsart darstellt, in den allermeisten Fällen gar nicht zum Tragen käme. Denn der Einfluss der beruflichen Tätigkeit auf die Krankheit im Ausmass von mindestens 75% würde diesfalls eine so grosse Hürde darstellen, dass sie nur selten erreicht werden dürfte. Zudem gäbe sie Anlass zu Mutmassungen - wie es die Vorinstanz denn auch tut -, inwieweit sich die Krankheit teilweise in einer Zeit ausserhalb der Geltung des UVG entwickelt habe. Die Folgen davon lassen sich am vorliegenden Fall aufzeigen: Der Beschwerdeführer müsste, bevor er Leistungen wegen Berufskrankheit nach UVG beanspruchen könnte, sofern sich sein Leiden kontinuierlich entwickelt hat, während 24 Jahren der Versicherung angehört haben, wobei noch nichts über die Voraussetzung des Kausalzusammenhanges von mindestens 75% ausgesagt wäre. Die zeitliche Beschränkung auf die nach dem 1. Januar 1984 ausgeübte Berufstätigkeit wäre aber auch nicht mit Sinn und Zweck von
Art. 9 Abs. 2 UVG
zu vereinbaren. Denn diese Generalklausel will gerade als Auffangbecken für all jene durch die berufliche Tätigkeit verursachten Krankheiten dienen, die nicht in der bundesrätlichen Verordnung gemäss Anhang I zur UVV figurieren (vgl.
BGE 117 V 358
). Dieses Ziel würde aber durch die zeitliche Limitierung im Sinne der vorinstanzlichen Erwägungen weitgehend vereitelt.
cc) Der Umstand, dass jemand versichert ist, bei dem sich infolge der beruflichen Tätigkeit gewisse Gesundheitsschäden ausgebildet, jedoch noch keine Berufskrankheit zum Ausbruch gebracht haben, lässt sich mit der Aufnahme eines Versicherten vergleichen, der eine gewöhnliche Gesundheitsschädigung aufweist, die im Falle eines Unfalles eine Teilursache des Schadens darstellt. Eine solche berechtigt nach
Art. 36 UVG
nicht zur Kürzung von Pflegeleistungen und Kostenvergütungen (Abs. 1); und bei Renten und Integritätsentschädigungen nur dann, wenn sie vor dem Unfall die Erwerbsfähigkeit vermindert hat (Abs. 2). Es besteht kein sachlicher Grund, Gesundheitsschädigungen infolge beruflicher Tätigkeit zu Lasten der Versicherten anders zu behandeln. Ferner gilt es zu beachten, dass auch die Verschlimmerung einer vorbestandenen Krankheit durch die berufliche Tätigkeit Anspruch auf Leistungen nach
Art. 9 Abs. 2 UVG
begründet (
BGE 117 V 354
). Ob nun diese vorbestandene Krankheit durch die berufliche Tätigkeit oder aus anderen Gründen verschlimmert worden ist, spielt an sich keine Rolle. Auch unter diesem Aspekt geht es nicht an, für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs
BGE 119 V 200 S. 206
bloss auf die Berufstätigkeit nach dem Inkrafttreten des UVG abstellen zu wollen.
dd) Die Berücksichtigung der Berufsausübung vor dem 1. Januar 1984 verletzt schliesslich auch nicht den Grundsatz des Rückwirkungsverbots. Nach der Rechtsprechung ist ein Erlass rückwirkend, wenn bei der Anwendung des neuen Rechts an ein Ereignis geknüpft wird, das vor seinem Inkrafttreten abgeschlossen ist. Eine solche Rückwirkung ist ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage nur möglich, wenn sich die Rückwirkung aus dem Gesetzesinhalt als klar gewollt ergibt und wenn sie durch triftige Gründe veranlasst und zeitlich beschränkt ist. Von dieser Rückwirkung im eigentlichen Sinne zu unterscheiden ist die sogenannte unechte Rückwirkung. Hier findet das neue Recht - gestützt auf Sachverhalte, die früher eingetreten sind und noch andauern - lediglich für die Zeit seit Inkrafttreten (ex nunc et pro futuro) Anwendung. Diese Rückwirkung ist grundsätzlich als zulässig zu erachten, sofern ihr nicht wohlerworbene Rechte entgegenstehen (
BGE 110 V 254
E. 3a mit Hinweisen auf die Rechtsprechung und Lehre; vgl. auch
BGE 114 V 151
E. 2a mit Hinweisen). Im einzelnen hat die Praxis z.B. im Steuerrecht eine Rückwirkung nur angenommen, wenn die Rechtsfolge der Steuerpflicht an Tatbestände anknüpft, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liegen, nicht aber auch dann, wenn lediglich der Umfang der Steuerpflicht nach Tatsachen bestimmt wird, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eingetreten sind; keine echte Rückwirkung bedeutet es daher, wenn in der ersten Veranlagungsperiode das Einkommen nach einem Zeitabschnitt bemessen wird, unter dem das alte Gesetz galt (IMBODEN/RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., S. 106 f.).
Geht man im vorliegenden Fall davon aus, die Krankheit habe sich kontinuierlich entwickelt - was jedoch nicht aktenkundig ist -, handelt es sich um einen Sachverhalt, der seinen Ursprung bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts hatte und noch andauert. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, welche die Zeit der Berufsausübung vor dem 1. Januar 1984 ausschliesst, fehlt. Wird somit bei der Beurteilung des Kausalzusammenhanges die berufliche Tätigkeit vor diesem Zeitpunkt mitberücksichtigt, so wird lediglich an Tatsachen angeknüpft, die schon vor dem Inkrafttreten des UVG bestanden haben. Das bedeutet aber bloss eine unechte Rückwirkung, wogegen rechtsprechungsgemäss nichts einzuwenden ist (
BGE 114 V 151
E. 2,
BGE 113 V 299
, je mit Hinweisen).
BGE 119 V 200 S. 207
d) Ist nach dem Gesagten die vor dem 1. Januar 1984 verrichtete berufliche Tätigkeit ebenfalls zu berücksichtigen, so kann entgegen der Meinung der Vorinstanz eine Berufskrankheit nicht mit der Begründung verneint werden, die vorwiegende berufliche Tätigkeit sei vor dem Inkrafttreten des UVG ausgeübt worden. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
64022fb8-cf42-4585-9eda-e92efb41d48a | Urteilskopf
103 Ia 169
32. Extrait de l'arrêt du 9 février 1977 en la cause Petitpierre contre Conseil d'Etat du canton de Genève | Regeste
Bewilligung zum Waffentragen; persönliche Freiheit.
1. Beschränkt das Verbot Waffen auf öffentlichem Grund zu tragen die persönliche Freiheit? Frage offen gelassen (E. 2).
2. Das Konkordat über den Handel mit Waffen und Munition vom 27. März 1969 regelt das Waffentragen auf öffentlichem Grund nicht. Im Kanton Genf ist die gesetzliche Grundlage der Verordnung des Regierungsrates betr. die Bewilligung des Waffentragens im kant. Strafgesetz zu suchen (E. 3).
3. Die diesbezügliche Genfer Regelung entspricht dem öffentlichen Interesse; sie verstösst nicht gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 170
BGE 103 Ia 169 S. 170
Le 14 janvier 1972, le Grand Conseil de la République et canton de Genève a adopté la loi rendant exécutoire dans ce canton le concordat sur le commerce des armes et des munitions du 27 mars 1969, approuvé par le Conseil fédéral le 13 janvier 1970.
Le Conseil d'Etat genevois a édicté le 20 décembre 1972 le règlement d'exécution de ce concordat. Ce règlement fut modifié le 9 juin 1975, par l'adoption d'un chapitre IV A nouveau, entré en vigueur le 19 juin 1975, et réglementant le port d'arme sur la voie publique. Le Conseil d'Etat modifia une nouvelle fois ce règlement, le 19 novembre 1975. Cette modification portait sur l'art. 30 C al. 1, dont la nouvelle teneur est la suivante:
"1. Le port d'arme n'est octroyé qu'après une enquête destinée à vérifier si les conditions de l'article 5 du concordat sont remplies. Le requérant doit en outre justifier d'un risque particulier dans l'accomplissement de son activité professionnelle ou en raison d'une situation de fait dangereuse."
Cette modification a été publiée dans le numéro du 26 novembre 1975 de la Feuille d'avis officielle genevoise.
Les époux Carol et Christiane Petitpierre exploitent à Genève des instituts de physiothérapie. Fermant ces établissements tard le soir, ils affirment devoir se déplacer avec des sommes d'argent relativement importantes. Ils ont obtenu des permis d'achat d'armes et ont sollicité l'octroi de permis de port d'arme. Alléguant la violation de la liberté personnelle et du principe de l'égalité de traitement, ils ont formé un recours de droit public contre l'art. 30 C al. 1 (nouvelle teneur) du règlement d'exécution du concordat sur le commerce des armes et des munitions.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Les recourants soutiennent que la disposition attaquée porte atteinte à la liberté personnelle, reconnue tant par le
BGE 103 Ia 169 S. 171
droit fédéral que par le droit constitutionnel genevois. Ils ne prétendent pas que ce dernier accorderait une garantie plus étendue que le droit fédéral (cf.
ATF 100 Ia 193
consid. 3a). C'est donc uniquement au regard de celui-ci qu'il convient d'examiner le présent recours.
Selon la jurisprudence, la liberté personnelle garantit en premier lieu le droit d'aller et de venir et le droit à l'intégrité corporelle (
ATF 101 Ia 49
/50). Cette liberté protège également les manifestations élémentaires de la personnalité, en tant que leur protection n'est pas déjà assurée par les autres droits constitutionnels fondamentaux (
ATF 102 Ia 282
et la jurisprudence citée).
A l'avis des recourants, la disposition attaquée, qui limite le port d'arme sur la voie publique, porte atteinte à la liberté personnelle. Elle met en effet obstacle à ce que l'individu défende son intégrité corporelle et ses biens en menaçant l'agresseur d'une arme à feu ou en utilisant cette dernière. Il est cependant douteux que la disposition attaquée porte atteinte à la liberté personnelle, telle qu'elle est garantie par le droit constitutionnel non écrit. D'une part, le port d'une arme à feu ne paraît pas pouvoir être considéré comme l'une des manifestations élémentaires de la personnalité. D'autre part, on peut difficilement soutenir que la limitation apportée à la faculté de se déplacer armé sur la voie publique mette directement en cause l'intégrité corporelle de l'individu. En l'espèce, cependant, il n'est point nécessaire de trancher la question. En effet, si l'on admet que la disposition litigieuse porte atteinte à la liberté personnelle, il faut alors constater que cette atteinte est légère, qu'elle repose sur une base légale, répond à un intérêt public et respecte le principe de la proportionnalité.
3.
Le Conseil d'Etat genevois soutient que la disposition litigieuse a pour base légale l'art. 10 du concordat intercantonal sur le commerce des armes et des munitions, du 27 mars 1969. Approuvé par le Conseil fédéral le 13 janvier 1970, ce concordat a été rendu exécutoire dans le canton de Genève, dès le 26 février 1972, par la loi du 14 janvier 1972.
L'opinion de l'autorité exécutive genevoise ne peut pas être suivie. Le concordat précité a pour objet le commerce des armes et des munitions. Il vise à régler la vente des armes et munitions (patente d'armurier) ainsi que l'achat de tels biens (permis d'achat d'armes). Il prévoit en particulier que le
BGE 103 Ia 169 S. 172
permis d'achat d'armes doit être refusé à certaines catégories de personnes (mineurs de moins de 18 ans, aliénés et faibles d'esprit, buveurs d'habitude, etc.), ainsi qu'aux personnes "dont il y a lieu de supposer qu'elles pourraient se servir des armes pour se comporter d'une façon dangereuse à l'égard d'autrui ou d'elles-mêmes" (art. 5 du concordat).
En revanche, le concordat ne règle en aucune façon le port d'arme sur la voie publique. Son art. 10, qui réserve "les dispositions fédérales et les prescriptions plus rigoureuses édictées par les cantons", ne vise que les objets touchés par la réglementation concordataire. Il ne peut donc servir de base légale à des dispositions réglementaires cantonales concernant le port d'arme sur la voie publique.
Cela ne signifie toutefois pas que la disposition litigieuse ait été édictée par le Conseil d'Etat genevois sans que la loi l'y autorise. Le 8 mai 1935, cette autorité a adopté un règlement interdisant de porter des armes au cours de manifestations pouvant nécessiter l'intervention de la force publique. Elle s'est fondée sur les art. 38 et 37 ch. 9 de la loi pénale genevoise, du 20 septembre 1941. L'art. 37 ch. 9 et 18 déclare passibles des arrêts ou de l'amende ou de l'une de ces peines seulement ceux qui ont contrevenu aux lois et règlements sur l'emploi et l'usage du feu et des armes, ainsi que sur la vente, le transport, la manipulation et la détention des poudres et des munitions, de même que sur l'emploi des armes à feu. Aux termes de l'art. 38 de la loi pénale, le Conseil d'Etat est chargé de faire les règlements concernant les matières de police prévues par cette loi. Dans son arrêt R. et consorts contre Conseil d'Etat du canton de Genève, du 8 octobre 1975 (
ATF 101 Ia 478
, consid. 4 b), le Tribunal fédéral a jugé que la disposition précitée contient une délégation de pouvoir en faveur de l'exécutif genevois pour réglementer les actes que le législateur a érigés en contraventions de police. Il a également relevé que l'on pourrait admettre, à la rigueur, que le Conseil d'Etat a ainsi reçu du législateur les pouvoirs nécessaires pour édicter, compléter, modifier ou abroger des règlements de police dans les domaines que visent expressément les divers chiffres de l'art. 37. On peut donc soutenir que les dispositions du règlement d'exécution genevois du concordat sur le commerce des armes et des munitions, qui concernent le port d'arme sur la voie publique, ont été édictées sur la base des
BGE 103 Ia 169 S. 173
art. 37 et 38 de la loi pénale genevoise. Certes, le Conseil d'Etat n'a pas formellement déclaré fonder sa compétence sur cette loi. Il n'a cependant pas expressément écarté cette référence, de telle sorte que le Tribunal fédéral peut la substituer à celle qui a été faite de manière inexacte au concordat sur le commerce des armes et des munitions.
4.
Il reste dès lors à examiner si la disposition litigieuse répond à un intérêt public et, dans l'affirmative, si le principe de la proportionnalité est respecté.
a) C'est à tort que les recourants affirment que la disposition limitant le port d'arme sur la voie publique ne vise pas un but d'intérêt public. Le Conseil d'Etat expose que la réglementation litigieuse tend à assurer la sécurité des personnes et des biens sur la voie publique et qu'elle est également destinée à prévenir la criminalité en permettant le contrôle du port des armes à feu. Il relève à juste titre que la limitation du nombre des personnes autorisées à porter des armes à feu sur la voie publique diminue le risque qu'entraîne en ce lieu l'emploi d'un tel moyen de défense. L'expérience démontre en effet que certaines personnes ont un comportement inattendu et peuvent agir de manière inadéquate ou inconsidérée lorsqu'elles sont brusquement confrontées à des situations extraordinaires. Si elles détiennent et font usage d'armes à feu, il peut en résulter un danger fortement accru pour les autres usagers de la voie publique. Il est vrai que le recours à la force peut se justifier pour se défendre de la violence d'autrui. Mais il n'est nullement certain que cette protection soit mieux assurée si la personne porte et fait usage, le cas échéant, d'une arme à feu.
C'est également à juste titre que l'autorité cantonale relève qu'il lui appartient de prendre toutes mesures utiles pour tenter de prévenir des actes de violence. Cette prévention justifie un contrôle de la détention et du port d'armes sur la voie publique. Il s'agit là incontestablement d'un but à poursuivre, même si l'on admet, avec les recourants, qu'un tel contrôle peut être parfois inopérant et ne pas atteindre les criminels et autres individus dangereux.
b) Les recourants soutiennent que la disposition attaquée ne constitue pas une mesure propre à atteindre les buts visés. Selon l'art. 30 C al. 1, première phrase, le port d'arme n'est octroyé qu'après une enquête destinée à vérifier si les conditions
BGE 103 Ia 169 S. 174
de l'art. 5 du concordat sont remplies. Il s'agit des conditions auxquelles est subordonné l'octroi d'un permis d'achat d'armes. Visant à éviter que des personnes qui ne présentent pas des garanties suffisantes acquièrent des armes à feu, la disposition concordataire précitée poursuit un but d'intérêt public évident. Les recourants l'admettent d'ailleurs, et ne s'opposent pas à ce que les mêmes conditions soient mises à l'octroi d'une autorisation de port d'arme.
Les recourants s'en prennent en effet essentiellement à l'art. 30 C al. 1, deuxième phrase, aux termes duquel "le requérant doit en outre justifier d'un risque particulier dans l'accomplissement de son activité professionnelle ou en raison d'une situation de fait dangereuse". Ils soutiennent que les critères retenus sont choquants, car les risques d'agression concernent tous les citoyens et ne peuvent être rattachés à une ou plusieurs professions particulières. Au surplus, une situation de fait dangereuse est précisément celle dans laquelle il appartient aux autorités de police d'intervenir. Ainsi, la règlementation attaquée ne permettrait pas d'atteindre les buts visés et serait au surplus source d'inégalités de traitement.
L'argumentation développée par les recourants n'établit nullement que la réglementation litigieuse viole le principe de la proportionnalité. Il convient à cet égard de rappeler que, selon le règlement du 8 mai 1935, il n'était interdit de porter des armes que lors de manifestations pouvant nécessiter l'intervention de la force publique. Par modification règlementaire du 9 juin 1975, introduisant dans le règlement d'exécution du concordat sur le commerce des armes et des munitions un chapitre IV A relatif au port d'arme, le Conseil d'Etat a soumis l'octroi de l'autorisation de porter une arme sur la voie publique aux mêmes conditions que celles qui sont mises à la délivrance du permis d'achat d'armes. La disposition attaquée in casu a eu pour but de restreindre encore le nombre des autorisations de port d'arme, dans le but de lutter de manière plus efficace contre la criminalité et de mieux assurer la protection du public et des citoyens. C'est effectivement à la suite d'une recrudescence particulière des actes de violence à Genève, et notamment après les événements au cours desquels un agent de la force publique a été abattu, que l'autorité exécutive cantonale a décidé de soumettre la délivrance du port d'arme à des conditions plus rigoureuses.
BGE 103 Ia 169 S. 175
Contrairement à ce qu'affirment les recourants, les critères retenus par le Conseil d'Etat ne sont pas dénués de pertinence. Dans la mesure où il se justifie de limiter au maximum le nombre des personnes autorisées à porter une arme sur la voie publique dans le but de se défendre, il n'est nullement choquant de mettre comme condition à l'octroi de l'autorisation le risque particulier que courent certains individus en raison de l'accomplissement de leur activité professionnelle ou d'une situation de fait dangereuse.
Il faut au surplus relever que la disposition litigieuse ne vise pas la détention d'armes à feu, mais uniquement leur port et, partant, leur usage sur la voie publique.
Enfin, c'est à tort que les recourants s'en prennent à l'art. 30 C al. 1 deuxième phrase en tant qu'il accorderait un pouvoir discrétionnaire aux autorités chargées de délivrer les autorisations de port d'arme. Ces autorités jouissent certes d'un certain pouvoir d'appréciation, mais elles ne doivent ni en abuser, ni en excéder les limites. Elles sont tenues d'éviter tout arbitraire et toute inégalité de traitement. Les requérants auxquels une autorisation est refusée pourront d'ailleurs attaquer la décision prise par le chef de la police ou par un officier désigné par lui auprès du Tribunal fédéral (cf. art. 30 et 33 du règlement du 20 décembre 1972).
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
640300cc-eb62-4f31-a19a-8d02a8909580 | Urteilskopf
119 V 329
47. Urteil vom 29. Juni 1993 i.S. Schweizerische Kranken- und Unfallkasse Konkordia gegen P. und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Art. 30 Abs. 4 KUVG
,
Art. 97 Abs. 4 AHVG
,
Art. 79 ff. SchKG
.
- Wenn die Fortsetzung der Betreibung gestützt auf einen gemäss
Art. 79 SchKG
erwirkten rechtskräftigen Entscheid einer ausserkantonalen Verwaltungs- oder Rekursbehörde verlangt wird, ist im Hinblick auf die dem Schuldner gemäss
Art. 81 Abs. 2 SchKG
offenstehenden Einwendungen gemäss Kreisschreiben des Bundesgerichts Nr. 26 vom 20. Oktober 1910 zu verfahren (E. 2b, 4, 5a; Präzisierung der Rechtsprechung).
- In casu verliert der Schuldner diese Einwendungen (vgl.
Art. 81 Abs. 1 SchKG
), nachdem das Eidg. Versicherungsgericht den Rechtsvorschlag im Dispositiv seines Urteils selbst beseitigt hat (E. 5b). | Sachverhalt
ab Seite 329
BGE 119 V 329 S. 329
A.-
Dario P., wohnhaft in Lugano, ist seit Mai 1969 Mitglied der Schweizerischen Kranken- und Unfallkasse Konkordia (nachstehend Konkordia). Mit Zahlungsbefehl Nr. 119 206 des Betreibungsamtes Lugano vom 18. Juli 1991 betrieb ihn die Konkordia für ausstehende Prämien der Monate Juli/August 1990 im Betrage von Fr. 420.20 zuzüglich Zins, Verwaltungsspesen und Betreibungskosten. Dario P. erhob Rechtsvorschlag. Hierauf verpflichtete ihn die Konkordia mit Verfügung vom 4. September 1991 - unter gleichzeitiger Beseitigung seines Rechtsvorschlages - zur Bezahlung von Fr. 471.25.
BGE 119 V 329 S. 330
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, soweit es darauf eintrat, mit Entscheid vom 14. April 1992 insofern teilweise gut, als es die am 4. September 1991 verfügte Forderung der Konkordia auf Fr. 459.20 herabsetzte (Ziff. 1) und die mit der angefochtenen Verfügung angeordnete Aufhebung des Rechtsvorschlages beseitigte (Ziff. 2).
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Konkordia, es sei die von ihr am 4. September 1991 verfügte Beseitigung des in der Betreibung Nr. 119 206 des Betreibungsamtes Lugano erhobenen Rechtsvorschlages in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides zu bestätigen.
Dario P. hat sich nicht vernehmen lassen, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig ist einzig, ob die mit Verfügung der Beschwerdeführerin vom 4. September 1991 erkannte Aufhebung des Rechtsvorschlages in der - zwecks Geltendmachung ausstehender Krankenkassenprämien angehobenen - Betreibung Nr. 119 206 des Betreibungsamtes Lugano Rechtens ist.
2.
a) Ein Gläubiger, gegen dessen Betreibung Rechtsvorschlag erhoben ist, hat zur Geltendmachung seines Anspruchs den ordentlichen Prozessweg zu betreten (
Art. 79 Abs. 1 SchKG
). Beruht indes die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil, so kann der Gläubiger beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlages (Rechtsöffnung) verlangen (
Art. 80 Abs. 1 SchKG
). Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Urteil einer Behörde des Bundes oder desjenigen Kantons, in welchem die Betreibung angehoben ist, so wird die Rechtsöffnung gewährt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Urteils getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft. Handelt es sich um ein in einem andern Kanton ergangenes vollstreckbares Urteil, so kann der Betriebene überdies die Kompetenz des Gerichtes, welches das Urteil erlassen hat, bestreiten oder die Einwendung erheben, dass er nicht regelrecht vorgeladen worden oder nicht gesetzlich vertreten gewesen sei (
Art. 81 Abs. 1 und 2 SchKG
).
Den vollstreckbaren Gerichtsurteilen im Sinne von
Art. 80 SchKG
gleichgestellt sind sowohl die auf Geldzahlung gerichteten rechtskräftigen
BGE 119 V 329 S. 331
Verfügungen der Ausgleichskassen und Entscheide der Rekursbehörden (
Art. 97 Abs. 4 AHVG
) als auch die auf Geldzahlung gerichteten rechtskräftigen Verfügungen der Krankenkassen (
Art. 30 Abs. 4 KUVG
).
b) Nach der Rechtsprechung kann ein Gläubiger, der ohne vorgängigen Rechtsöffnungstitel die Betreibung eingeleitet und danach auf Rechtsvorschlag hin nach Massgabe des
Art. 79 SchKG
auf dem Wege des ordentlichen Prozesses einen definitiven Rechtsöffnungstitel erlangt hat, direkt die Fortsetzung der Betreibung verlangen, ohne dass er das Rechtsöffnungsverfahren nach
Art. 80 SchKG
zu durchlaufen hätte; gleiches gilt, wenn ein Entscheid im Sinne von
Art. 79 SchKG
von einer Behörde oder einem Verwaltungsgericht des Bundes bzw. desjenigen Kantons stammt, in welchem die Betreibung angehoben worden ist (
BGE 107 III 62
E. 2a mit Hinweisen). Betrifft die Betreibung eine im öffentlichen Recht begründete Forderung, über die eine Verwaltungsbehörde zu befinden hat, so ist unter dem Betreten des ordentlichen Prozesswegs gemäss
Art. 79 SchKG
die Geltendmachung der Forderung vor dieser Behörde zu verstehen (
BGE 75 III 46
mit Hinweisen). Auf dem Gebiete der Sozialversicherung ist dabei die erstinstanzlich verfügende Verwaltungsbehörde, die kantonale Rekursbehörde bzw. das Eidg. Versicherungsgericht ordentlicher Richter im Sinne von
Art. 79 SchKG
, der zum materiellen Entscheid über die Aufhebung des Rechtsvorschlags zuständig ist (
BGE 109 V 51
,
BGE 107 III 65
f.; ZAK 1989 S. 519).
Aus dem Gesagten ergibt sich für die Ausgleichs- ebenso wie für die Krankenkassen, dass sie für ihre Geldforderungen gemäss allgemeinem betreibungsrechtlichem Grundsatz auch ohne rechtskräftigen Rechtsöffnungstitel die Betreibung einleiten, im Falle des Rechtsvorschlags nachträglich eine formelle Verfügung erlassen und nach Eintritt der Rechtskraft derselben die Betreibung fortsetzen können. Voraussetzung für eine direkte Fortsetzung der Betreibung ohne Durchlaufen des Rechtsöffnungsverfahrens nach
Art. 80 SchKG
ist allerdings, dass das Dispositiv der Verwaltungsverfügung mit Bestimmtheit auf die hängige Betreibung Bezug nimmt und den Rechtsvorschlag ausdrücklich als aufgehoben erklärt, sei es vollumfänglich oder in einer bestimmten Höhe (
BGE 109 V 49
E. 3b, 107 III 64 E. 3; ZAK 1989 S. 519, 1984 S. 191 E. 4b, 1982 S. 357; vgl. ferner RKUV 1984 Nr. K 577 S. 102). Die Verwaltungsbehörde hat demnach in ihrer Verfügung nicht bloss einen sozialversicherungsrechtlichen Sachentscheid über die Verpflichtung des Versicherten zu einer Geldzahlung zu fällen, sondern gleichzeitig auch als
BGE 119 V 329 S. 332
Rechtsöffnungsinstanz über die Aufhebung des Rechtsvorschlags zu befinden (
BGE 107 III 65
; ZAK 1984 S. 191 E. 4b).
3.
Die Vorinstanz hat diese Rechtsprechung im angefochtenen Gerichtsentscheid in grundsätzlicher Hinsicht zutreffend dargelegt. Darauf Bezug nehmend hat sie sodann die Wiederherstellung des Rechtsvorschlages damit begründet, es könne die direkte Fortsetzung der Betreibung ohne Durchführung eines Rechtsöffnungsverfahrens gestützt auf eine nachträglich erlassene rechtskräftige Verfügung nur verlangt werden, wenn die Verfügung oder das Urteil aus demjenigen Kanton stamme, in dem die Betreibung geführt werde. Falls hingegen jener Entscheid - wie hier - in einem anderen Kanton ergangen sei, müsse dem Betriebenen nebst den ihm gemäss
Art. 81 Abs. 1 SchKG
zustehenden Einwänden - im Rahmen eines gesonderten Rechtsöffnungsverfahrens - die Möglichkeit erhalten bleiben, unter anderem die Zuständigkeit der verfügenden Instanz zu bestreiten (
Art. 81 Abs. 2 SchKG
).
Hiegegen wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde - ebenfalls unter Hinweis auf die Rechtsprechung - im wesentlichen eingewendet, die Kompetenz der vom Versicherten berechtigterweise angerufenen Vorinstanz erschöpfe sich keineswegs darin, allein in der streitigen Sache selbst zu entscheiden; vielmehr sei das kantonale Gericht - ebenso wie das Eidg. Versicherungsgericht im Falle einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde - ausserhalb des förmlichen Rechtsöffnungsverfahrens im Rahmen des ordentlichen Prozesses nach
Art. 79 SchKG
auch zur Aufhebung des Rechtsvorschlages befugt.
4.
Dem kantonalen Gericht ist darin beizupflichten, dass dem Schuldner auch nach der in
BGE 107 III 60
begründeten, vom Eidg. Versicherungsgericht in zahlreichen Urteilen (E. 2b) angewendeten Rechtsprechung die Einreden gemäss
Art. 81 Abs. 2 SchKG
erhalten bleiben müssen, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Vollstreckung eines nicht im Kanton der Betreibung ergangenen Entscheides in Frage steht. Entgegen seiner Auffassung hat dies jedoch keineswegs notwendigerweise im Rahmen eines vom Gläubiger zuständigen Ortes eingeleiteten Rechtsöffnungsverfahrens zu geschehen. Vielmehr richtet sich das entsprechende Vorgehen - was sowohl die Vorinstanz als auch die Beschwerdeführerin zu übersehen scheinen - nach dem Kreisschreiben des Bundesgerichtes Nr. 26 vom 20. Oktober 1910, welches wie folgt lautet (vgl. BBl 1911 IV 49; wiedergegeben auch in der von JAEGER/DAENIKER/WALDER herausgegebenen SchKG-Textausgabe, 12. Aufl. Zürich 1990, S. 342 f., sowie
BGE 119 V 329 S. 333
FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 3. Aufl. Zürich 1984, § 18 FN 7):
"Wenn die Fortsetzung der Betreibung gestützt auf ein gemäss
Art. 79 SchKG
erwirktes ausserkantonales Urteil verlangt wird, so hat das Betreibungsamt den Schuldner anlässlich der Pfändungsankündigung bzw. vor der Konkursandrohung darauf aufmerksam zu machen, dass es ihm freistehe, binnen 10 Tagen eine der in
Art. 81 Abs. 2 SchKG
aufgeführten Einreden (gleichsam als nachträglichen Rechtsvorschlag) mündlich oder schriftlich beim Betreibungsamt zu erheben. Geschieht das, so hat das Betreibungsamt davon dem Gläubiger sofort Mitteilung zu machen und die Fortsetzung der Betreibung bleibt so lange eingestellt, bis der Gläubiger beim Rechtsöffnungsrichter des Betreibungsortes ein diese Einreden als unzutreffend zurückweisendes Rechtsöffnungsurteil erwirkt hat. Wird keine dieser Einreden ausdrücklich geltend gemacht, oder werden sie erst nach Ablauf der zehntägigen Frist erhoben, so wird Verzicht darauf angenommen und sofort nach Ablauf der zehntägigen Frist die Pfändung bzw. Konkursandrohung vollzogen."
Die Verfahrensweise gemäss diesem - im Anschluss an
BGE 36 I 454
ergangenen - Kreisschreiben wurde in
BGE 107 III 63
(vgl. bereits
BGE 75 III 46
,
BGE 64 III 78
) ausdrücklich erwähnt und seither erneut bestätigt (so in dem in SJ 1986 S. 359 veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts C. vom 13. Februar 1986; vgl. ferner GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2. Aufl. Lausanne 1988, S. 138 f., sowie AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Aufl. Bern 1993, § 19 Rz. 10). Wie das Ergebnis des angefochtenen Gerichtsentscheides erahnen lässt, ist dieses Vorgehen in der Mehrzahl der Fälle nicht nur einfacher und komplikationsloser, sondern auch rascher und - da regelmässig gar keine Rechtsöffnungskosten entstehen dürften - billiger.
5.
a) Verhält es sich demnach so, dass für die Fortsetzung einer Betreibung, gestützt auf einen den Rechtsvorschlag beseitigenden (rechtskräftigen) Entscheid einer ausserkantonalen Verwaltungs- oder Rekursbehörde im Sinne von
Art. 79 SchKG
, die Durchführung eines Rechtsöffnungsverfahrens nicht in allen Fällen zu erfolgen hat, sondern nur dort, wo der Schuldner im Anschluss an die Pfändungsankündigung oder vor der Konkursandrohung eine der in
Art. 81 Abs. 2 SchKG
vorgesehenen Einreden erhebt, hält der angefochtene Gerichtsentscheid nicht stand. Immerhin mag dem kantonalen Gericht eingeräumt werden, dass die im vorliegenden Fall gebotene Verfahrensweise zumindest aus der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung (
BGE 109 V 46
; ZAK 1989 S. 519) nicht unmittelbar hervorgeht. Offenbar hatte das Eidg.
BGE 119 V 329 S. 334
Versicherungsgericht bislang nie Anlass, auf das besagte Kreisschreiben zurückzugreifen; dies, weil der belangte Schuldner gemäss
Art. 30bis KUVG
beschwerdeweise stets an das Versicherungsgericht seines Wohnsitzkantons - mithin in aller Regel das Gericht des Betreibungskantons (
Art. 46 Abs. 1 SchKG
) - gelangen kann (vgl.
Art. 200 AHVV
), in welchem Fall für die Einwendungen gemäss
Art. 81 Abs. 2 SchKG
von vornherein kein Raum mehr besteht.
b) Nach dem Gesagten ist Dispositiv-Ziff. 2 des angefochtenen Gerichtsentscheides aufzuheben. - Indes kann es hier mit einem kassatorischen Entscheid nicht sein Bewenden haben. Die Beschwerdeführerin hatte in der Verfügung vom 4. September 1991 den Rechtsvorschlag für den Gesamtbetrag von Fr. 471.25 aufgehoben, während ihre Forderung - gemäss ihrem Antrag - vom kantonalen Gericht mit Fr. 459.20 geschützt wurde. In diesem Umfange hätte die Vorinstanz die Aufhebung des Rechtsvorschlages durch die Beschwerdeführerin bestätigen sollen, was vom Eidg. Versicherungsgericht in Beachtung der in
BGE 107 III 60
und E. 2b hievor dargelegten Grundsätze reformatorisch nachzuholen ist.
Damit geht die paradox anmutende Nebenfolge einher, dass sich vorliegendenfalls die Frage des Vorgehens gemäss Kreisschreiben Nr. 26 überhaupt nicht mehr stellen wird. Denn die Forderung der Beschwerdeführerin beruht nunmehr auf einem vollstreckbaren Urteil einer Behörde des Bundes (vgl.
Art. 81 Abs. 1 SchKG
), weshalb dem Betriebenen die Einreden gemäss
Art. 81 Abs. 2 SchKG
nicht (mehr) zustehen. Die Beschwerdeführerin wird in der Lage sein, die Fortsetzung der von ihr angehobenen Betreibung zu verlangen, ohne irgendwelche Einreden des Schuldners im Sinne von
Art. 81 SchKG
gewärtigen zu müssen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird Dispositiv-Ziff. 2 des Entscheides des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 14. April 1992 aufgehoben.
II. Der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 119 206 des Betreibungsamtes Lugano vom 18. Juli 1991 wird im Betrage von Fr. 459.20 aufgehoben. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
6404909c-9776-474f-a055-b341cc5056e3 | Urteilskopf
92 IV 29
9. Urteil des Kassationshofes vom 22. April 1966 i.S. Rhein gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden. | Regeste
Art. 39 SVG
,
Art. 28 VRV
, Zeichengebung.
Die Verkehrsteilnehmer dürfen sich auf das Zeichen, durch das ein Fahrzeugführer eine Richtungsänderung ankündigt, solange verlassen, als nicht nach den Umständen an der Zuverlässigkeit des Zeichens zu zweifeln ist. | Sachverhalt
ab Seite 29
BGE 92 IV 29 S. 29
A.-
Rhein fuhr am Vormittag des 24. März 1965 mit einem Opel-Kombiwagen von Rotzloch kommend auf der Ausserfeldstrasse, die rechtwinklig mit der Kantonsstrasse Stansstad/Stans zusammentrifft und vor der Einmündung durch das Signal Nr. 116 als Nebenstrasse ohne Vortritt gekennzeichnet war. Als sich Rhein der Verzweigung näherte, wo er nach links Richtung Stansstad in die Kantonsstrasse einbiegen wollte, erblickte er auf dieser in rund 100 m Entfernung einen Opel-Kapitän, der mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/Std von Stansstad her kam und das rechte Blinklicht eingeschaltet hatte. Rhein schloss aus dem Blinkzeichen, das herannahende Fahrzeug werde in die Ausserfeldstrasse abbiegen, und fuhr, bevor dieses die Verzweigung erreichte, in die Kantonsstrasse ein. Da Tognola, der Führer des Opel-Kapitän, den Richtungsanzeiger
BGE 92 IV 29 S. 30
aus Versehen nicht zurückgestellt hatte, kam es in der Einmündung zu einem Zusammenstoss mit Sachschaden.
B.-
Die Justizkommission des Kantons Unterwalden nid dem Wald büsste Rhein wegen Missachtung des Vortrittsrechts mit Fr. 40.- und Tognola wegen Nichteinstellens der Zeichengebung (
Art. 28 Abs. 2 VRV
) mit Fr. 30.-.
Gegen die Bussenverfügung rekurrierte Rhein an das Kantonsgericht des Kantons Nidwalden. Dieses erklärte ihn am 3. November 1965 der Übertretung von
Art. 26 Abs. 2 und
Art. 36 Abs. 2 SVG
schuldig und bestätigte die Busse von Fr. 40.-.
C.-
Rhein führt gegen das Urteil des Kantonsgerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 39 Abs. 1 SVG
muss der Fahrzeugführer jede Richtungsänderung, z.B. das Einspuren, Wechseln des Fahrstreifens, Abbiegen, mit dem Richtungsanzeiger oder durch deutliche Handzeichen rechtzeitig bekanntgeben, so auch das Abbiegen nach rechts (
Art. 28 Abs. 1 VRV
) und das Anhalten am Strassenrand (
Art. 39 Abs. 1 lit. c SVG
). Er hat das Zeichen nicht nur frühzeitig (vgl.
BGE 85 IV 51
) zu geben, sondern er ist, wie
Art. 28 Abs. 2 VRV
ausdrücklich bestimmt, auch verpflichtet, den Richtungsanzeiger nach erfolgter Richtungsänderung unverzüglich wieder zurückzustellen. Nach dieser Ordnung dürfen andere Verkehrsteilnehmer ohne gegenteilige Anhaltspunkte darauf vertrauen, dass der Fahrzeugführer, der kein Zeichen gibt, seine Fahrrichtung nicht ändert oder dass er, wenn er ein Zeichen gibt, die angekündigte Richtungsänderung tatsächlich vornehmen wird. Die Bekanntgabe der Absicht, aus einer Hauptstrasse nach rechts in eine Strasse ohne Vortritt abzubiegen, hat daher für den Wartepflichtigen in der Nebenstrasse grundsätzlich die Bedeutung, dass der Abbiegende ihm gegenüber auf sein Vortrittsrecht verzichte.
2.
Aus dem eingeschalteten rechten Blinklicht, mit dem Tognola auf der Hauptstrasse von Stansstad Richtung Stans fuhr, war zu schliessen, er wolle entweder am rechten Strassenrand anhalten oder in der nächsten Verzweigung, der Einmündung der Ausserfeldstrasse, nach rechts abschwenken. Mit der Möglichkeit, dass er erst nach dieser Verzweigung am rechten Strassenrand anhalten könnte, musste dagegen nicht gerechnet werden. Eine solche Absicht hätte nicht schon auf eine Entfernung
BGE 92 IV 29 S. 31
von über 100 m angezeigt werden müssen, und vor allem hätte dann das Zeichen nicht so frühzeitig vor der Verzweigung gegeben werden dürfen, dass es allfällige Wartepflichtige zur Annahme verleiten konnte, der Vortrittsberechtigte wolle in die Nebenstrasse abbiegen und gebe dadurch die Einfahrt in die Hauptstrasse frei. Es frägt sich einzig, ob sich der wartepflichtige Beschwerdeführer auf das Blinkzeichen verlassen durfte oder ob Umstände vorlagen, die es unsicher erscheinen liessen, ob Tognola in der Verzweigung nach rechts abbiegen werde.
Ein solcher Umstand lag jedenfalls nicht darin, dass Richtungsanzeiger hin und wieder versehentlich gestellt oder nach einer Richtungsänderung nicht sofort zurückgestellt werden. Diese Erfahrungstatsache darf nicht zu einer Einschränkung des Grundsatzes führen, dass der Fahrzeugführer nicht ohne weiteres auf ein pflichtwidriges Verhalten anderer Fahrzeugführer gefasst zu sein braucht, sondern ist nur ein Grund zu vermehrter Vorsicht und Aufmerksamkeit. Auch die örtlichen Verhältnisse gaben zu keinem Zweifel Anlass, wie es an Stellen zutrifft, wo zwei oder mehrere Strassen nahe beieinander in die Hauptstrasse einmünden; nach den Akten war die Ausserfeldstrasse die einzige Querstrasse, in die ein Abbiegen nach rechts in Frage kam.
Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer namentlich vor, er hätte als Ortskundiger aus der Geschwindigkeit von 50 km/Std, mit der Tognola, ohne sie herabzusetzen, zugefahren sei, erkennen können, dass mit dieser Geschwindigkeit die Biegung in die rechtwinklig einmündende Nebenstrasse nicht hätte befahren werden können und dass deswegen der Richtungsanzeiger irrtümlich gestellt worden sein müsse. Als der Beschwerdeführer das vortrittsberechtigte Fahrzeug erstmals sah, war es aber noch rund 100 m entfernt, und innerhalb dieser Strecke hätte Tognola die Geschwindigkeit ohne weiteres im erforderlichen Masse verlangsamen können, um anstandslos in die Nebenstrasse zu gelangen. Der Beschwerdeführer musste also an der Zuverlässigkeit des Blinklichtes nicht zum vornherein zweifeln, sondern erst, als Tognola der Einmündung so nahe gekommen war, dass es unsicher wurde, ob er die Geschwindigkeit zum gefahrlosen Abbiegen noch genügend herabsetzen könne. Zur Beantwortung der Fragen, wie lange sich der Beschwerdeführer auf das Blinkzeichen verlassen durfte und ob
BGE 92 IV 29 S. 32
er das Vortrittsrecht verletzt habe, müsste somit bekannt sein, in welcher Entfernung von der Einmündung Tognola seine Geschwindigkeit zum Abbiegen hätte vermindern müssen und ob der Beschwerdeführer vor oder erst nach diesem Zeitpunkt in die Hauptstrasse hinausgefahren ist. Hierüber fehlen im angefochtenen Urteil und in den Akten nähere Angaben, und schlüssige Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus der Tatsache des Zusammenstosses. Dieser beweist nur, dass der Beschwerdeführer zum Einbiegen nicht genügend Zeit hatte, wenn Tognola mit unverminderter Geschwindigkeit geradeaus fuhr. Insbesondere kann dann, wenn der Beschwerdeführer, wie er behauptet, wegen eines mitgeführten Möbelstückes langsam in die Hauptstrasse hinausgefahren ist, nicht ausgeschlossen werden, dass er im Zeitpunkt der Einfahrt das Blinkzeichen noch als Verzicht auf das Vortrittsrecht auslegen durfte, und in diesem Falle kann ihm auch die langsame Fahrweise nicht als Fehler angerechnet werden.
Das angefochtene Urteil ist daher gemäss
Art. 277 BStP
aufzuheben und die Sache zur Feststellung der für die Beurteilung notwendigen Tatsachen zurückzuweisen. Die Stelle, wo Tognola mit dem Abbremsen hätte beginnen müssen, kann naturgemäss nicht genau ermittelt, sondern nur annähernd geschätzt werden. Dabei darf nicht knapp gerechnet werden. Das durfte auch der Beschwerdeführer nicht, da er als Wartepflichtiger im Augenblick der Einfahrt in die Hauptstrasse sicher sein musste, dass Tognola noch genügend Zeit habe, um seine Geschwindigkeit zum Abbiegen ausreichend herabzusetzen.
3.
Für den Fall, dass dem Beschwerdeführer eine Verletzung des Vortrittsrechts gemäss
Art. 36 Abs. 2 SVG
in Verbindung mit
Art. 14 Abs. 1 VRV
zur Last fällt, ist er daneben nicht auch wegen Übertretung von
Art. 26 SVG
zu bestrafen. Diese allgemeine Grundregel hat neben den besondern Verkehrsregeln nur subsidiäre Bedeutung und ist daher nur anwendbar, wenn das pflichtwidrige Verhalten durch eine andere Bestimmung des SVG oder eine Vollziehungsvorschrift des Bundesrates nicht oder nicht voll erfasst wird (
BGE 92 IV 20
; Botschaft des Bundesrates in BBl 1955 II 30).
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Kantonsgerichts von Nidwalden vom 3. November
BGE 92 IV 29 S. 33
1965 aufgehoben und die Sache zur Ergänzung der Tatbestandsfeststellung und zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird. | null | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6409aa39-6b07-47a6-adbd-a813ab2e3d1d | Urteilskopf
124 II 293
33. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. Juni 1998 i.S. Politische Gemeinde Glattfelden und weitere Beschwerdeführer gegen Kanton Zürich und Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerden) | Regeste
Rahmenkonzession für den Ausbau des Flughafens Zürich.
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 2). Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Privaten (E. 3a), der schweizerischen Gemeinden (E. 3b) und der deutschen Gemeinwesen im Lärmeinflussbereich des Flughafens Zürich (E. 3c) sowie der Vereinigungen (E. 3d).
Kognition des Bundesgerichts, zulässige Rügen (E. 4a). Rüge der Völkerrechtsverletzung, Voraussetzung der Bestimmtheit und unmittelbaren Anwendbarkeit der angerufenen völkerrechtlichen Bestimmungen (E. 4b). Unzulässigkeit der Anrufung ausländischen Rechts (E. 4c).
DIE LUFTFAHRTRECHTLICHEN KONZESSIONSVERFAHREN FÜR DEN BAU UND BETRIEB VON FLUGHÄFEN
Bau-, Betriebs- und Rahmenkonzessionsverfahren, Entwicklung der Regelung auf Gesetzes- und Verordnungsstufe, Praxis (E. 9). Mängel der gesetzlichen Ordnung, Verhältnis von Bau- und Betriebskonzession (E. 10).
UMWELTVERTRÄGLICHKEITSPRÜFUNG UND UMWELTVERTRÄGLICHKEITSBERICHT
Mehrstufige Umweltverträglichkeitsprüfung für den Bau und Betrieb von Flughäfen (E. 11). Anfechtbarkeit des Umweltverträglichkeitsberichts, Folgen der Unrichtigkeit einer Prognose im mehrstufigen Verfahren (E. 12). Erhebliche Unrichtigkeit der angestellten Luftverkehrsprognose, Notwendigkeit der Verbesserung (E. 13-15). Zeitlich praktisch zusammenfallenden Konzessionsverfahren müssen die gleichen Annahmen über die Betriebsentwicklung zugrunde gelegt werden (E. 14 und 16b).
FLUGLÄRM
Beim umstrittenen Ausbau des Flughafens handelt es sich um eine wesentliche Änderung im Sinne von
Art. 18 USG
bzw.
Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV
(E. 16). Möglichkeit von Erleichterungen über den Alarmwert hinaus; Erfordernis von passiven Schallschutzmassnahmen (E. 17).
Überwiegendes öffentliches Interesse am Flughafen Zürich und an dessen weiteren Ausbau bejaht (E. 18a). Anwendbarkeit der von der Eidgenössischen Kommission für die Beurteilung von Lärm-Immissionsgrenzwerten vorgeschlagenen Immissionsgrenzwerte (E. 18b). Pflicht zur Erfassung der grenzüberschreitenden Lärmbelastung (E. 18c).
Verfahren zur Gewährung von Erleichterungen und Anordnung von Schutzmassnahmen an den betroffenen Gebäuden, zeitliche Einordnung in das Rahmen- und Baukonzessionsverfahren, Möglichkeit von "nachlaufenden" Verfahren (E. 19).
Begrenzungen der Flugbewegungen oder andere flugbetriebliche Einschränkungen sind nicht in der Rahmenkonzession anzuordnen; erweisen sich aus Umweltschutzgründen betriebliche Einschränkungen als erforderlich, so muss die Betriebskonzession entsprechend geändert werden (E. 20).
Der Betreiber einer öffentlichen Anlage, deren Lärm die Immissionsgrenzwerte übersteigt, kann in der Regel nicht vor Ablauf der Sanierungsfrist zur Zahlung einer Enteignungsentschädigung verpflichtet werden (E. 21a). Da die Lärmzonen durch den Lärmbelastungskataster ersetzt werden sollen, erübrigt sich eine Überarbeitung (E. 21b).
LUFTREINHALTUNG
Flugplatzbauten und -anlagen gelten gesamthaft als Verkehrsanlage im Sinne von
Art. 2 Abs. 3 LRV
. Für sie gilt hinsichtlich der Luftreinhaltung die Rechtsprechung, die das Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Nationalstrassenbau aufgestellt hat (E. 23).
Es besteht zur Zeit kein Anlass, die im kantonalen Massnahmenplan für den Flughafen Zürich vorgesehenen Massnahmen zur Luftreinhaltung zu "verschärfen" (E. 24).
Bedürfnis nach Parkplätzen, etappenweise Erweiterung der Parkhäuser. Die Aufteilung eines Ausbauvorhabens in verschiedene Teilschritte und Bewilligungsverfahren darf nicht dazu führen, dass die Gesamtauswirkungen des Ausbaus ungeprüft bleiben (E. 26).
Die im kantonalen Massnahmenplan vorgesehenen Massnahmen zur Erhöhung des Anteils an öffentlichem Verkehr (Modal-Split) sind im luftfahrtrechtlichen Rahmenkonzessionsverfahren weder finanziell noch rechtlich "abzusichern" (E. 27). Ebensowenig sind in diesem Verfahren Massnahmen zu ergreifen, um ein Ausweichen des motorisierten Verkehrs auf die Quartierstrassen zu verhindern (E. 28).
Verlagerung des sog. Luftfrachtersatzverkehrs auf die Schiene (E. 29)? Inwieweit während der Bauphase die Materialtransporte per Bahn zu erfolgen haben, ist nicht im Rahmenkonzessionsverfahren zu entscheiden (E. 30).
Die Abstimmung der raumwirksamen Tätigkeiten von Bund, Kantonen und Gemeinden erfolgt im Rahmen der Richtplanung (E. 31a). Auch von den Gemeinden wird erwartet, dass sie auf eine bestehende lärmige Anlage bei der Ortsplanung Rücksicht nehmen (E. 31b).
GEWÄSSERSCHUTZ
EINZELFRAGEN
Sicherheitsrisiko im Warteraum (E. 33a). Verletzung der deutschen Lufthoheit (E. 33b)? Das Rahmenkonzessionsverfahren dient nicht dazu, allgemeine luftfahrtpolitische Fragen zu behandeln (E. 34). | Sachverhalt
ab Seite 300
BGE 124 II 293 S. 300
A.-
Mit Bundesbeschluss über den Ausbau der Zivilflugplätze vom 22. Juni 1945 sprachen sich die eidgenössischen Räte für die Erweiterung des Flughafens Zürich zum interkontinentalen Flughafen der Schweiz aus, am 5. Mai 1946 stimmte das Zürcher Volk dem Bau eines neuen Flughafens in der Ebene von Kloten-Oberglatt zu und am 17. November 1948 übersiedelte der Zivilluftverkehr von Dübendorf-Wangen auf die neu eröffneten Anlagen in Kloten, die damals in der 1'900 m langen Westpiste (10/28) und der 2'600 m langen "Blindlandepiste" (16/34), einer Werft sowie einem provisorischen Barackendorf zur Abfertigung des Flugverkehrs bestanden. Am 20. Oktober 1951 wurde dem Kanton Zürich eine befristete, am 31. Mai 2001 auslaufende Konzession zum gewerbsmässigen Betrieb des interkontinentalen Flughafens Zürich verliehen. Der Flughafen befindet sich seither in ständigem Ausbau:
Nur drei Jahre nach Inbetriebnahme des "Flughofes" (heute Terminal A) im Jahre 1953 legte der Regierungsrat ein Projekt für die zweite Bauetappe vor, welche von den Zürcher Stimmbürgern 1957 zunächst abgelehnt, in reduzierter Form jedoch im Juli 1958 genehmigt wurde. Diese Ausbauetappe umfasste die - für den Verkehr mit Strahlflugzeugen notwendige - Verlängerung der Pisten (Westpiste auf 2'500 m, Blindlandepiste auf 3'700 m) sowie die Erstellung der Werft II, eines Bürotraktes und eines Flugsicherungs- und Frachtgebäudes. Nachträglich wurde mit Zustimmung des Bundesrates auch noch die Erweiterung des Passagier-Terminals in Angriff genommen.
Noch vor dem vollständigen Abschluss der zweiten Etappe billigten die Zürcher Stimmbürger im Jahre 1970 die dritte Ausbauetappe. Entsprechend der Baukonzession vom 1. Juni 1972 wurden in den folgenden Jahren insbesondere das Terminal B mit Fingerdock und Parkhaus B, die Parkhäuser E und F (Fracht) sowie die Werft III erstellt. Am 1. April 1976 wurde die neue 3'300 m lange V-Piste (14/32) für den Verkehr freigegeben. Im Rahmen der Erarbeitung des kantonalen Gesamtplanes, Teilrichtplan Verkehr, entschied jedoch der Zürcher Kantonsrat am 3. Juli 1978, die vom Regierungsrat befürwortete Verlängerung der Blindlandepiste 16/34 um rund 2 km nach Norden nicht in den Gesamtplan aufzunehmen. Eine zusätzliche Verlängerung der Westpiste 10/28 wurde ebenfalls abgelehnt. Als Ergänzung zur dritten Bauetappe konnten dagegen am 1. Juni 1980 der unterirdische SBB-Bahnhof und die Flughafenlinie in Betrieb genommen werden.
BGE 124 II 293 S. 301
Auch auf die dritte Bauetappe folgte - immer noch gestützt auf die Baukonzession von 1972 - unmittelbar eine vierte, die im Bau zusätzlicher Flugzeugabstellplätze und der Errichtung eines weiteren Fingerdocks, diesmal zum Terminal A, sowie des Parkhauses A bestand. Diese weitere Ausbauetappe konnte Ende 1985 praktisch abgeschlossen werden. In der Folge lehnte das Zürcher Stimmvolk am 6. September 1987 eine Kreditvorlage für die Verlegung und den Anschluss der Frachtanlagen an das Bahn- und Autobahnnetz ab. Als Ersatz hiefür wurde ein langfristiger Ausbau der bestehenden Anlagen in zwei Schritten beschlossen.
Das anhaltende Wachstum zwischen 1986 und 1992 machte laufend weitere, auch bauliche Verbesserungen der Flughafen-Infrastruktur erforderlich. Es bewegte die Flughafenpartner (Kanton Zürich bzw. Direktion der Volkswirtschaft, Flughafen-Immobilien-Gesellschaft FIG und SWISSAIR) im Jahre 1992 dazu, ihre grundsätzlichen Vorstellungen über die künftige Entwicklung des Flughafens in einem sogenannten Masterplan festzuhalten. Dieser zeigt im Sinne eines raumplanerischen Leitbildes mögliche bauliche und betriebliche Massnahmen auf, dank derer der gemäss Prognose bis ins Jahr 2010 weiter zunehmende Verkehr bewältigt werden könnte. Der "Masterplan 92" wurde vom Regierungsrat am 3. Juni 1992 genehmigt und anschliessend dem Kantonsrat zur Kenntnis gebracht.
Am 25. Juni 1995 bewilligte das Zürcher Volk den Kredit für eine fünfte Bauetappe des Flughafens Zürich. Im Beschluss wurde festgehalten, dass das geplante Fingerdock "Mitte" erst in Betrieb genommen werden dürfe, wenn der Autobahnzusammenschluss Kloten ebenfalls dem Verkehr übergeben sei und wenn die Lärmgrenzwerte für Landesflughäfen festgesetzt und emissionsabhängige Landegebühren rechtskräftig beschlossen seien.
B.-
Mit Eingabe vom 28. Juli 1995 ersuchte die Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement um Erteilung einer Rahmenkonzession für die fünfte Bauetappe des Flughafens Zürich und um die hiefür erforderlichen speziellen bundesrechtlichen Bewilligungen (Rodung, Erstellung von Eisenbahnanlagen, Bauten ausserhalb der Bauzone).
Im Gesuch wurde ausgeführt, dass seit Abschluss der vierten Bauetappe Mitte der achtziger Jahre keine Vorhaben mehr realisiert worden seien, durch welche die Kapazität der Flughafenanlage wesentlich gesteigert worden wäre. Seither sei jedoch das Verkehrsaufkommen
BGE 124 II 293 S. 302
in Zürich erheblich angewachsen, nämlich um rund 60% bei den Flugbewegungen und um etwa 55% im Passagier- und im Frachtbereich. Während der Verkehrsspitzenzeiten sei der Flughafen dem Ansturm der Passagiere nicht mehr gewachsen. Folge davon seien erhebliche Störungen der Betriebsabläufe, vor allem Verspätungen, die negative Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit und auf die Umwelt hätten. Der Flughafen Zürich könne daher die Abwicklung eines ordnungsgemässen Betriebes, zu der er nach der Konzession verpflichtet sei, schon heute nur noch beschränkt garantieren. Gemäss Prognose der Flughafenpartner werde aber das Luftverkehrsaufkommen künftig weiter anwachsen und mit den bestehenden Anlagen nicht mehr zu bewältigen sein. Mit dem vorgesehenen Flughafenausbau müssten daher die Kapazitätsengpässe behoben und solle der Flughafen in die Lage versetzt werden, auch den zukünftigen Verkehr ordnungsgemäss abzuwickeln.
Gegenstand des Rahmenkonzessionsgesuches bilden verschiedene Bauten und Anlagen für die Flugzeug-, Passagier- und Frachtabfertigung sowie für den sogenannten landseitigen Verkehr. Neu erstellt werden sollen insbesondere ein zusätzliches Fingerdock "Mitte" (Dock Midfield), neue Doppelrollwege, Überhol- und Bereitstellungsflächen, ein Bahnhofterminal mit Check-in-Schaltern, ein Airside-Center, ein Bushof, ein weiteres Parkhaus und eine zusätzliche Frachthalle.
C.-
Nach Durchführung eines Anhörungs- und Einigungsverfahrens erteilte das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED, heute: Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation) dem Kanton Zürich am 5. Februar 1997 die Rahmenkonzession für den Ausbau des Flughafens Zürich-Kloten (5. Ausbauetappe).
In der Rahmenkonzession wird festgehalten, dass damit dem Kanton Zürich das Recht verliehen werde, unter Einhaltung der aufgeführten Auflagen die Erweiterung des Flughafens zu realisieren (Ziff. 1.1). Belange, über welche in der Rahmenkonzession endgültig entschieden werde, seien für Behörden und Dritte verbindlich und in den folgenden Baukonzessionsverfahren nicht mehr zu prüfen (Ziff. 1.2).
Im weiteren werden der Flughafenperimeter sowie die Flughafenbereiche gemäss den eingereichten Plänen festgesetzt und letztere näher umschrieben (Ziff. 2.1 und 2.2). Gemäss Ziffer 2.3 umfasst die Rahmenkonzession alle im Gesuch genannten Bauvorhaben mit Ausnahme der Wurzelraum-Entsorgungsanlagen (Schilfteiche) und
BGE 124 II 293 S. 303
der Strassenzufahrt West. In Ziffer 3 der Konzession werden zahlreiche Auflagen formuliert.
Das Departement befristete die Rahmenkonzession auf 15 Jahre, wobei die Frist ab Rechtskraft der Konzession zu laufen beginnt und in begründeten Fällen verlängert werden kann.
D.-
Die dem Kanton Zürich erteilte Rahmenkonzession ist von zahlreichen - teils in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden - Privaten, von schweizerischen und deutschen Gemeinden, vom Landkreis Waldshut sowie vom Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich (SBFZ) und vom Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) mit eidgenössischer Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten worden. Das Bundesgericht hat nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung über die elf Beschwerden in einem einzigen Urteil befunden.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
PROZESSUALES
2.
Angefochten ist eine Rahmenkonzession, die gestützt auf die am 18. Juni 1993 revidierten bzw. neu eingeführten Artikel 37 und 37a des Bundesgesetzes über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948 (Luftfahrtgesetz, LFG; SR 748.0) sowie Art. 8, 9, 10, 14 und 15 der Verordnung über die Infrastruktur der Luftfahrt (VIL; SR 748.131.1) erteilt worden ist. Konzessionen und Bewilligungen für Flugplatzbauten und andere Luftfahrtanlagen unterliegen gemäss Art. 99 Abs. 1 lit. e und Abs. 2 lit. c OG der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die eingereichten Verwaltungsgerichtsbeschwerden sind daher zulässig.
3.
a) Die in der Umgebung des Flughafens Zürich wohnhaften Personen werden von den sich aus dem Flugbetrieb ergebenden Einwirkungen beeinträchtigt, sind daher durch den Rahmenkonzessionsentscheid, der den Ausbau des Flughafens und eine gewisse Erweiterung des Betriebes grundsätzlich erlaubt, betroffen und haben ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung. Sie sind somit zur Beschwerdeführung befugt (
Art. 103 lit. a OG
; vgl. etwa
BGE 120 Ib 379
E. 4b und c, mit Hinweisen). Allerdings bezweifeln das EVED und der Kanton Zürich, dass der in Kindhausen (AG) wohnhafte Marcel Bichsel beschwerdeberechtigt sei, da sein Wohnort vom Fluglärm nicht überdurchschnittlich beeinträchtigt werde. Das an die Zürcher Gemeinde Dietikon
BGE 124 II 293 S. 304
angrenzende Kindhausen liegt jedoch gemäss den Lärmkurven im Umweltverträglichkeitsbericht noch knapp im Lärmeinflussbereich des Flughafens Zürich. Marcel Bichsel ist daher ebenfalls zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde zuzulassen (vgl.
BGE 120 Ib 379
E. 4c S. 387, mit Hinweisen).
Das gleiche gilt für die in der deutschen Gemeinde Hohentengen wohnenden Anton Steppeler und Ilse Boller. Das Gebiet der Gemeinde Hohentengen am Hochrhein liegt in der Anflugschneise des Flughafens Zürich und wird vom Fluglärm beeinträchtigt. Die Einwohner dieser deutschen Gemeinde sind daher gleichfalls beschwerdelegitimiert, lässt doch
Art. 103 lit. a OG
jedermann zur Beschwerde zu, der den dort umschriebenen Anforderungen entspricht, ohne Rücksicht auf Nationalität oder Wohnsitz (vgl. VPB 44/1980 Nr. 22 S. 89 f. zu
Art. 48 lit. a VwVG
, s.a.
Art. 29 Abs. 4 und
Art. 150 Abs. 2 OG
; HANS RUDOLF TRÜEB, Rechtsschutz gegen Luftverunreinigung und Lärm, Diss. Zürich 1990 S. 202 f., GERHARD SCHMID, Grenzüberschreitende Verfahrensbeteiligung im Umweltschutzrecht, Mélanges André Grisel, Neuchâtel 1983, S. 770 ff.).
b) Entgegen der Meinung des Kantons Zürich steht auch die Beschwerdelegitimation der im Umkreis des Flughafens liegenden Gemeinden ausser Frage. Zwar ist die Beschwerdebefugnis nach
Art. 103 lit. a OG
in erster Linie auf Private zugeschnitten. Nach der Rechtsprechung kann jedoch auch ein Gemeinwesen zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert sein, und zwar nicht nur, wenn es gleich oder ähnlich wie ein Privater betroffen ist, sondern auch, wenn es durch die fragliche Verfügung in seinen hoheitlichen Befugnissen und Aufgaben berührt wird. Die Gemeinden sind mithin zur Anfechtung der Bewilligung für ein mit Immissionen verbundenes Werk befugt, wenn sie als Grundeigentümerinnen gleich wie Private immissionsbelastet sind oder wenn sie als Gebietskorporationen öffentliche Anliegen wie den Lärmschutz der Einwohner zu vertreten haben und insofern durch die Lärmeinwirkungen in hoheitlichen Befugnissen betroffen werden (vgl.
BGE 123 II 371
E. 2c, mit zahlreichen Hinweisen, nicht publ. Entscheid vom 25. September 1997 i.S. Vereinigung gegen Fluglärm und Mitbeteiligte gegen Alpar Flug- und Flugplatzgesellschaft AG, Flughafen Belp-Bern, E. 2c mit Hinweisen auf VPB 39/1975 Nr. 35 und 54/1990 Nr. 44). Zudem verleiht Art. 57 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz, USG; SR 814.01) den Gemeinden in Verbindung mit
Art. 103 lit. c OG
das Recht, insoweit kantonale oder eidgenössische Rechtsmittel gegen Verfügungen
BGE 124 II 293 S. 305
von Bundesbehörden zu ergreifen, als diese in Anwendung des Umweltschutzgesetzes ergangen sind (
BGE 119 Ib 389
E. 2e). Auch diese Bestimmung setzt jedoch eine Betroffenheit der einzelnen Gemeinde voraus, welche hier im Hinblick auf die Lärm- und teilweise auf die Schadstoffbelastung zu bejahen ist. Ob diese Belastung infolge des Ausbaus grösser werde, gleich bleibe oder sich vermindere, ist eine Frage der materiellen Beurteilung und nicht im Rahmen der Beschwerdelegitimation zu prüfen.
c) Der Kanton Zürich zieht insbesondere die Beschwerdelegitimation der ausländischen Gemeinwesen in Zweifel. Seiner Meinung nach widerspricht die Zulassung ausländischer Gemeinden dem im öffentlichen Recht geltenden Territorialitätsprinzip; der Geltungsbereich der schweizerischen Rechtsnormen erstrecke sich ausschliesslich über schweizerisches Hoheitsgebiet und könne nicht über die Grenze hinweg ausgeweitet werden. Mit dieser Argumentation, die übrigens auch zum Ausschluss der im Ausland wohnenden Privatpersonen führen müsste, ist jedoch nichts gewonnen. Die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde hängt nicht davon ab, ob jemand in seiner Rechtsstellung betroffen sei, sondern setzt nur voraus, dass jemand durch die angefochtene Verfügung in seinen tatsächlichen Interessen berührt wird. Der Beschwerdeführer muss zudem in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zum Streitobjekt stehen, welche - wenn ein Bauprojekt im Streite liegt - auch in räumlicher Hinsicht gegeben sein muss (vgl.
BGE 120 Ib 59
E. 1c, mit Hinweisen). Die Situation der deutschen Gemeinden im Einwirkungsbereich des Zürcher Flughafens ist aber mit jener der beschwerdeführenden schweizerischen Gemeinden durchaus vergleichbar. Insbesondere wird Hohentengen von der Schweizer Gemeinde Kaiserstuhl nur durch den Rhein getrennt und ist in ähnlicher Weise wie diese dem Fluglärm ausgesetzt. Inwieweit auch die Gemeinden Klettgau, Küssaberg und Lauchringen vom Fluglärm betroffen sind, ist mangels entsprechender Aufzeichnungen im Umweltverträglichkeitsbericht nicht völlig klar, kann indes offenbleiben, weil die deutschen Gemeinden eine gemeinsame Rechtschrift eingereicht haben. Den deutschen Gemeinden steht im weiteren nach Art. 28 Abs. 2 des deutschen Grundgesetzes das Recht zu, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Sie sind daher auch für eine zweckmässige Planung und für die Sicherstellung wohnhygienischer Verhältnisse auf ihrem Gebiet verantwortlich (vgl. etwa EBERHARD SCHMIDT-ASSMANN, Kommunalrecht,
BGE 124 II 293 S. 306
N. 23 und 104, in: Besonderes Verwaltungsrecht, hrsg. von E. SCHMIDT-ASSMANN, 10. A., Berlin-New York). Unter diesem Gesichtswinkel wäre die Legitimation der deutschen Gemeinden als Gebietskörperschaften zu bejahen. In der schweizerischen Lehre wird denn auch die Auffassung vertreten, dass die ausländischen Gemeinden ebenfalls zum Rechtsmittelverfahren zugelassen werden müssten, wenn sie in ihren schutzwürdigen kommunalen Interessen, vor allem auf dem Gebiet des Umweltschutzes, betroffen seien (ATTILIO R. GADOLA, Die Behördenbeschwerde in der Verwaltungsrechtspflege des Bundes - ein abstraktes Beschwerderecht? AJP 1993 S. 1464; THIERRY TANQUEREL/ROBERT ZIMMERMANN, Les recours, in: Charles-Albert Morand (Hrsg.), Droit de l'environnement: mise en oeuvre et coordination, Basel/Frankfurt a.M., 1992, S. 138; FELIX MATTER, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, N. 8 zu Art. 57; HANSJÖRG PETER, Umweltschutz am Hochrhein/Rechtsfragen grenzüberschreitender Umweltbelastungen zwischen Deutschland und der Schweiz, Diss. Lausanne 1987, S. 57 ff.). Die gleiche Meinung ist von der baselstädtischen Baurekurskommission vertreten worden (Entscheid vom 19. Oktober 1990, URP 1991 S. 23 ff. E. 3b).
Die Frage der Beschwerdebefugnis der deutschen Gemeinden als Gebietskörperschaften braucht jedoch hier nicht endgültig beantwortet zu werden, da diese auch Eigentümerinnen von Grundstücken sind und als solche gleich oder ähnlich wie Private durch den Fluglärm in ihrem Interesse an der ungestörten Nutzung des Eigentums gehindert werden. In ihrer Eigenschaft als betroffene Grundeigentümerinnen kann den deutschen Gemeinden die Beschwerdebefugnis nach dem bereits Gesagten nicht abgesprochen werden (so auch das Schaffhauser Obergericht im Entscheid vom 17. Dezember 1985, ZBl 88/1987 S. 84 f.). Das gleiche gilt für den Landkreis Waldshut-Tiengen. Dieser ist als (rechtsfähige) Körperschaft des öffentlichen Rechts mit öffentlichen Aufgaben (§ 1 Abs. 2 der Landkreisordnung Baden-Württemberg in der Fassung vom 19. Juni 1987) gleichzeitig auch Eigentümer mehrerer überbauter Grundstücke in dem vom Fluglärm belasteten Gebiet. Er ist daher ebenfalls wie ein Privater betroffen und schon aus diesem Grunde zur Beschwerde legitimiert.
d) Was schliesslich die beschwerdeführenden Vereine anbelangt, so zählt der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) zu den gesamtschweizerischen Organisationen, die im Sinne von
Art. 55 USG
beschwerdeberechtigt sind (vgl. Anhang Ziffer 20 der Verordnung über die
BGE 124 II 293 S. 307
Bezeichnung der beschwerdeberechtigten Umweltschutzorganisationen vom 27. Juni 1990 [SR 814.01]). Der VCS ist aufgrund dieser Bestimmung in Verbindung mit
Art. 103 lit. c OG
befugt, die der Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegenden luftfahrtrechtlichen Rahmenkonzessionen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten (vgl. Ziff. 14 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 [UVPV; SR 814.011]). Allerdings ermächtigt
Art. 55 USG
den VCS nur zur Verfechtung von Umweltschutzanliegen und wird im Rahmen der materiellrechtlichen Erwägungen zu prüfen sein, inwieweit auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen eingetreten werden könne. Nicht zu den beschwerdeberechtigten Umweltschutzorganisationen gehört der "Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich (SBFZ)". Er behauptet auch nicht, gleich wie eine Privatperson in seinen Rechten oder Interessen betroffen zu sein. Dem Verband steht das Beschwerderecht daher nur zu, wenn er seinen Statuten gemäss die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten hat und die Mehrheit oder doch eine Grosszahl der Mitglieder selbst zur Einreichung einer Beschwerde legitimiert wäre (
BGE 121 II 39
E. 2d/aa S. 46;
BGE 120 Ib 59
E. 1a S. 61). Diese Voraussetzungen sind - wie das Bundesgericht schon verschiedentlich festgestellt hat - für den SBFZ erfüllt, besteht dieser doch im wesentlichen aus Anliegergemeinden, die sich zu einem Verein mit dem statutarischen Zweck zusammengeschlossen haben, die Interessen der Gemeinden und ihrer Einwohner an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und an der Abwehr übermässiger Immissionen aus dem Flughafenbetrieb zu wahren (vgl.
BGE 118 Ib 530
nicht publ. E. 1b und Hinweis in E. 5c).
4.
a) Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht werden (
Art. 104 lit. a OG
). Den Sachverhalt überprüft das Bundesgericht hier frei, da als Vorinstanz keine richterliche Behörde, sondern ein eidgenössisches Departement entschieden hat (
Art. 105 Abs. 2 OG
). Dagegen hat es über die Angemessenheit des angefochtenen Konzessionsentscheides nicht zu befinden (
Art. 104 lit. c OG
).
b) Zum Bundesrecht, dessen Verletzung nach
Art. 104 lit. a OG
geltend gemacht werden kann, zählt auch das Staatsvertragsrecht. Normen des Völkerrechts sind, sobald sie für die Schweiz rechtskräftig geworden sind, fester Bestandteil der Rechtsordnung und sind von allen Staatsorganen einzuhalten und anzuwenden. Staatsverträge
BGE 124 II 293 S. 308
sind selbst dann für den Richter verbindlich, wenn sie unter Verletzung der innerstaatlichen Zuständigkeitsregeln zustandegekommen sind, sofern die Verletzung nicht offenkundig ist und eine innerstaatliche Rechtsnorm von grundlegender Bedeutung betrifft (vgl. Art. 46 der Wiener Konvention vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge, in Kraft getreten für die Schweiz am 6. Juni 1990 [SR 0.111];
BGE 120 Ib 360
ff.). Nicht zu den Staatsverträgen zählen dagegen alle Akte, denen nach dem Willen der Parteien keine völkerrechtliche Verbindlichkeit zukommt. Dazu gehören Resolutionen internationaler Organisationen und Konferenzen, Gentlemen's Agreements, internationale Verhaltenskodizes, Memorandums of Understanding und Absichtserklärungen (vgl. DIETRICH SCHINDLER, Kommentar zur Bundesverfassung, N. 38 zu Art. 85 Ziff. 5, VPB 51/1987 Nr. 58).
Die Privaten können sich vor Gericht auf völkerrechtliche Bestimmungen berufen, wenn diese unmittelbar anwendbar ("self-executing") sind, das heisst, wenn sie inhaltlich bestimmt und hinreichend klar sind, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu bilden. Die erforderliche Bestimmtheit geht vor allem blossen Programmartikeln ab. Sie fehlt auch Bestimmungen, die eine Materie nur in Umrissen regeln, dem Vertragsstaat beträchtlichen Ermessens- oder Entscheidungsspielraum lassen oder blosse Leitgedanken enthalten, sich also nicht an die Verwaltungs- oder Justizbehörden, sondern an den Gesetzgeber richten (
BGE 106 Ib 182
E. 3;
BGE 112 Ib 184
,
BGE 111 V 201
E. 2b;
BGE 122 II 234
E. 4a).
aa) Die deutschen Gemeinden und der Landkreis Waldshut berufen sich auf die Regelung zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland für An- und Abflüge zum/vom Flughafen Zürich über deutsches Hoheitsgebiet, die am 17. September 1984 vom deutschen Bundesminister für Verkehr und dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) abgeschlossen und am 22. November 1984 in Kraft getreten ist. In dieser Regelung werden lärmmindernde Flugsicherungsverfahren (Abschnitt I), Nachtflugbeschränkungen (Abschnitt II) und "sonstige" Regelungen über den An- und Abflug (Abschnitt III) vorgesehen. In Ziffer 2 lit. a des ersten Abschnitts wird erklärt:
"Der Flugsicherungsdienst Zürich, unterstützt von der Direktion des Flughafens Zürich und vom Bundesamt für Zivilluftfahrt, wird sich weiterhin bemühen, eine ausgewogenere Benutzung der beiden Landebahnen 14 und 16 zu verwirklichen. In den Fällen, in denen die Verkehrslage einen Anflug auf die Landebahn 16 zulässt, wird das Anflugverfahren für diese Landebahn
BGE 124 II 293 S. 309
benutzt."
Nach den Darlegungen der Beschwerdeführer ist diese Bestimmung nie eingehalten und immer nur ein kleiner Teil der Landungen über die Piste 16 abgewickelt worden. Da der Flughafenausbau aber zu einer noch stärkeren Benutzung der Piste 16 als Startbahn führen werde, was zwingend noch mehr Landungen auf der Piste 14 zur Folge habe, werde das mit der Vereinbarung angestrebte Ziel vollends in Frage gestellt.
bb) Im unveröffentlichten Bundesgerichtsentscheid vom 7. März 1988 i.S. Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich hat das Bundesgericht die Regelung zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland als Verwaltungsabkommen bezeichnet, das keine Rechtssätze, das heisst keine Anordnungen generell-abstrakter Natur, enthalte. Sie falle demzufolge nicht unter den Begriff des Bundesrechts, und ihre Verletzung könne nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden. Ob an dieser Aussage so festgehalten werden kann, ist höchst fraglich. Dass die Regelung schweizerischerseits durch ein Bundesamt abgeschlossen worden ist, bedeutet jedenfalls für die Rechtsnatur des Abkommens nichts, da einerseits in
Art. 3b LFG
eine gesetzliche Grundlage für die Subdelegation der Vertragsschlusskompetenz besteht und andererseits, wie dargelegt, die Nichteinhaltung innerstaatlicher Zuständigkeitsbestimmungen der völkerrechtlichen Geltung eines Vertrages keinen Abbruch täte. Auch die Entstehungsgeschichte der Regelung spricht für das Vorliegen eines völkerrechtlich verbindlichen Abkommens. Anlass zur Wiederaufnahme der 1979 unterbrochenen Verhandlungen zwischen Deutschland und der Eidgenossenschaft über die An- und Abflüge zum und vom Flughafen Zürich bildete neben den Forderungen der vom Fluglärm betroffenen Einwohner und Gemeinden ein zivilrechtliches Urteil des Landgerichts WaldshutTiengen vom 11. Februar 1982, das den Kanton Zürich auf Klage von zwei Einwohnern aus der Gemeinde Hohentengen zur Einhaltung lärmmindernder Flugsicherungsverfahren sowie einer grundsätzlichen Nachtflugbeschränkung verpflichtete. Im Hinblick auf die Regelung vom 17. September 1984, welche die vom Gericht angeordneten Auflagen übernimmt, fanden sich die Kläger zu einem Vergleich bereit. Es ist daher kaum anzunehmen, dass die Vertragsparteien eine völkerrechtliche Verbindlichkeit haben ausschliessen wollen.
Wie dem sei, kann jedoch letztlich offen bleiben, da die von den Beschwerdeführern angerufene Ziffer I 2 a der Regelung das Erfordernis der Bestimmtheit und unmittelbaren Anwendbarkeit nicht
BGE 124 II 293 S. 310
erfüllt. In dieser Ziffer sichern die Schweizer Stellen zu, dass sie sich weiterhin "bemühen" werden, eine ausgewogenere Benutzung der beiden Landebahnen 14 und 16 zu verwirklichen. Die Erklärung, sich bemühen zu wollen, ist offensichtlich keine durchsetzbare Norm. Allerdings wird auch festgelegt, dass in den Fällen, in denen die Verkehrslage einen Anflug auf die Landebahn 16 zulasse, diese zu benützen sei. Dieser Satz enthält zwar eine konkrete Verpflichtung, doch wird mit der Formulierung "wenn es die Verkehrslage zulässt", der schweizerischen Seite ein derart grosser Entscheidungsspielraum eingeräumt, dass es auch diesbezüglich an der erforderlichen Bestimmtheit mangelt. Soweit sich die deutschen Beschwerdeführer daher auf Ziffer I 2a der zwischenstaatlichen Regelung berufen, kann auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden.
c) Da mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur die Verletzung von (schweizerischem) Bundesrecht gerügt werden kann, ist im übrigen auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der deutschen Gemeinden insofern nicht einzutreten, als eine Auflage für die Rahmenkonzession verlangt wird, wonach die mit dem Betrieb des Flughafens Zürich verbundenen Immissionen die Lärmbegrenzungen und Schadstoffbestimmungen des deutschen Rechts nicht verletzen dürften. Das gleiche gilt für die Forderung, dass eine Überschreitung von Grenzwerten in Deutschland nicht durch nationale schweizerische Interessen gerechtfertigt werden dürften. Sieht das schweizerische Recht eine Interessenabwägung vor, anhand derer über Erleichterungen für gewisse Bauten zu entscheiden ist, so ist diese Abwägung unter Einbezug aller auf dem Spiele stehender Anliegen, insbesondere auch der nationalen Interessen, vorzunehmen.
MATERIELLES
Die Luftfahrtrechtlichen Konzessionsverfahren
8.
Das im Luftfahrtrecht vorgesehene mehrstufige Konzessionssystem und die entsprechend unterteilte Umweltverträglichkeitsprüfung haben schon im Einwendungsverfahren Anlass zu grundsätzlichen Diskussionen gegeben. Das EVED hat sich daher eingangs seines Konzessionsentscheides mit der Frage auseinandergesetzt, in welcher Beziehung die verschiedenen Konzessionen zueinander stünden und welche Belange in den einzelnen Verfahren zu prüfen seien.
a) Zum Verhältnis von Rahmenkonzession zu Baukonzession erläutert das Departement, dass die Rahmenkonzession als baurechtlicher
BGE 124 II 293 S. 311
Vorentscheid die Vorstufe zur Baukonzession bilde. Sie ermächtige daher den Konzessionär noch nicht zur Ausführung der geplanten Bauten, sondern stelle fest, ob und inwiefern das Bauvorhaben in seinen zentralen Bestandteilen gesetzeskonform realisierbar sei. Mit der Rahmenkonzession werde insbesondere über das Erschliessungskonzept, die raumplanerische Einordnung sowie die grundsätzlichen, für die Gesamtheit aller Bauvorhaben geltenden relevanten Auflagen befunden. Die betrieblichen Rahmenbedingungen seien dagegen in der Betriebskonzession und im Betriebsreglement umschrieben und stünden mit der Rahmenkonzession in keinem Zusammenhang. Wenn die vorgesehenen Ausbauvorhaben, wie im Einwendungsverfahren behauptet, tatsächlich die Änderung substantieller betrieblicher Regelung bedingen bzw. die geltenden Bestimmungen der Betriebskonzession und des Betriebsreglementes tangieren würden, so müsste das eingereichte Gesuch abgewiesen werden. Es treffe indessen nicht zu, dass die zu erstellenden Anlagen nur dann sinnvoll genutzt werden könnten, wenn gleichzeitig auch betriebliche Anpassungen gemacht würden. Die Bauvorhaben wirkten sich weder auf die Nachtflugeinschränkungen noch auf die geltende Prioritätenordnung und auch nicht auf die Vorschriften über die Pistenbenützung aus. Der Gesuchsteller führe selbst an, dass die gegebenen betrieblichen Rahmenbedingungen für einen Betrieb von deutlich mehr als 240'000 Bewegungen des Linien- und Charterverkehrs nicht geeignet wären. Er sei also bereit, die Bauten zu erstellen, ohne an den heutigen betrieblichen Rahmenbedingungen etwas zu ändern. Natürlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Konzessionär in Zukunft einmal die Änderung der Betriebskonzession oder des Betriebsreglementes beantragen werde. Es sei jedoch klar festzuhalten, dass der Gesuchsteller weder aufgrund der Rahmenkonzession noch eines Flughafenausbaus im Hinblick auf die Erneuerung der Betriebskonzession im Jahre 2001 oder auf ein anderweitiges Gesuch um Änderung des Betriebsreglementes irgendwelche Rechte werde ableiten können.
Dementsprechend müsse sich, so führt das Departement weiter aus, die Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen- und Baukonzessionsverfahren ausschliesslich auf bauliche Gesichtspunkte beschränken, während Fragen des Flugbetriebes im Betriebskonzessionsverfahren zu behandeln seien. Es sei jeweils eine unabhängige, in sich abgeschlossene und auf die besonderen Aspekte des einzelnen Verfahrens ausgerichtete Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen. Betriebliche Auswirkungen seien bei der Erteilung
BGE 124 II 293 S. 312
einer Rahmenkonzession nur insoweit zu untersuchen, als sie sich aus der Erweiterung der Flughafenanlage selbst und nicht aus einer Änderung der Betriebskonzession oder des Betriebsreglementes ergäben. Zur Umweltverträglichkeitsprüfung erster Stufe im Verhältnis zur zweiten Stufe legt schliesslich das EVED dar, allgemeine Gesichtspunkte, wie das Bedürfnis für den Ausbau, die Raumplanung, die Erschliessung der Anlage, der Lärm, die Luftreinhaltung und der Landschaftsschutz, welche das Projekt als Ganzes beträfen, seien im Rahmenkonzessionsverfahren möglichst abschliessend zu beurteilen. In den Baukonzessionsverfahren sei diesbezüglich lediglich noch über die Einhaltung verfügter Auflagen bzw. vom Gesuchsteller selbst eingegangener Verpflichtungen zu entscheiden. Für andere Belange, wie Biosphäre, Boden, Gewässerschutz, Altlasten, Energie usw., sei dagegen eine Beurteilung erst bei Vorliegen einer detaillierten Planung, also in den Baukonzessionsverfahren, möglich. Für diese Bereiche stehe die Umweltverträglichkeitsprüfung zweiter Stufe im Vordergrund.
b) Gegen diese Erwägungen wird in der Beschwerde der Gemeinde Glattfelden und Mitbeteiligte (1A.66/1997) eingewendet, es sei unzulässig, ein Rahmenkonzessionsverfahren von den übrigen Konzessionsverfahren abzutrennen und die Umweltverträglichkeitsprüfung in mehrere Stufen zu unterteilen. Für die Anlage und den Betrieb eines Flugplatzes bedürfe es nach Luftfahrtgesetz einer einzigen, umfassenden Konzession, in deren Rahmen alle Belange gesamthaft zu prüfen seien. Die auf der Verordnungsebene vorgenommene Verfahrensaufteilung finde weder in der Verfassung noch im Gesetz einen Rückhalt; insbesondere sehe
Art. 37a LFG
keine Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen vor. Jedenfalls könne es nicht Sache des die Luftfahrt prinzipiell fördernden EVED sein, über die Aufteilung der Konzessionsverfahren zu entscheiden. Die Abtrennung einer Rahmenkonzession und die Verschiebung der definitiven Prüfung der Lärmfrage in das Betriebskonzessionsverfahren, also in die dritte Stufe der Umweltverträglichkeitsprüfung, verletzten im übrigen das Koordinationsgebot. Die Auswirkungen des Lärms und die Luftverunreinigung gehörten wie das Unfallrisiko zu den zentralen Belangen bei der Planung eines Flughafens und seien daher vorweg umfassend zu prüfen. Es könne denn auch nicht bestritten werden, dass das vorliegende Rahmenkonzessionsverfahren, das aufwendige Planungsarbeiten in Gang gesetzt und finanzielle Investitionen zur Folge habe, ein späteres Betriebskonzessionsverfahren faktisch präjudiziere. Die wesentlichen Umweltauswirkungen
BGE 124 II 293 S. 313
müssten daher schon heute abschliessend untersucht und verbindliche Kapazitätsgrenzen gesetzt werden. Der Umweltverträglichkeitsbericht sei in diesem Sinne mangelhaft und zu ergänzen.
Auch weitere Beschwerdeführer verlangen, dass die Lärmschutzproblematik bereits im Rahmenkonzessionsverfahren eingehend geprüft werde und in diesem Verfahren betriebliche Einschränkungen festgelegt würden. Die in der Betriebskonzession enthaltenen Vorschriften seien ohnehin nicht geeignet, den Umweltschutz, insbesondere den Lärmschutz, zu gewährleisten. Die Änderung der Betriebskonzession sei andererseits auch nicht Voraussetzung für ein weiteres Wachstum über die Zahl von 240'000 Bewegungen des Linien- und Charterverkehrs hinaus. Es rechtfertige sich daher nicht, entsprechende Fragen in ein späteres Betriebskonzessionsverfahren zu verweisen, denn die Mehrkapazitäten würden mit der vorliegenden Rahmenkonzession geschaffen.
c) Diese Vorbringen erfordern vorweg eine nähere Betrachtung der luftfahrtrechtlichen Ordnung und der diesbezüglichen Bestimmungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung.
9.
Die Entstehungsgeschichte der von den Beschwerdeführern kritisierten Aufteilung der Konzessionsverfahren und die Praxis hiezu können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Das Luftfahrtgesetz von 1948 sah im damaligen und auch heute noch geltenden Art. 37 Abs. 1 vor, dass es für die Anlage und den Betrieb von Flugplätzen, die dem öffentlichen Verkehr dienen, einer Konzession bedarf und diese durch das (Eidgenössische Post- und Eisenbahn-) Departement erteilt wird (vgl. AS 1950 I 471). Das ursprüngliche Gesetz enthielt keine weiteren Bestimmungen über die Konzession. In der bundesrätlichen Botschaft wurde zum Gesetzesentwurf ausgeführt, dass das Luftfahrtgesetz angesichts der sich laufend ändernden Technik unmöglich eine abschliessende Regelung der Materie anstreben könne. Der Entwurf verfolge daher ganz allgemein die Absicht, nur Rechtsgrundsätze aufzustellen. Die Einzelheiten müssten der Verordnungsgewalt des Bundesrates übertragen werden. Das gelte auch für das Ausfüllen von Lücken, bis eine gesetzliche Regelung möglich werde (vgl. BBl 1945 I 348).
Entsprechend diesem gesetzgeberischen Willen wiesen die weiteren Vorschriften über die Konzession nur Verordnungsrang auf. Art. 50 der Vollziehungsverordnung zum Luftfahrtgesetz vom 5. Juni 1950 (LVV; AS 1950 I 496) umschrieb generell den notwendigen Inhalt des Konzessionsgesuches, und
Art. 51 LVV
zählte die
BGE 124 II 293 S. 314
Verweigerungsgründe auf. In den folgenden Artikeln wurde zwischen Baukonzession und Betriebskonzession unterschieden und sinngemäss vorgeschrieben, dass die beiden gestaffelt zu erteilen seien.
Art. 52 Abs. 1 LVV
wies das Departement an, bei der Erteilung der Konzession für den Bau des Flughafens die Fristen festzusetzen, innerhalb welcher die Bauarbeiten zu beginnen und zu vollenden seien. Nach
Art. 54 Abs. 1 LVV
war die Betriebskonzession erst nach Erstellung des Flughafens zu erteilen.
Art. 54 Abs. 5 LVV
sah schliesslich vor, dass das Departement die Bedingungen der Betriebskonzession ergänzen oder abändern könne, wenn die Sicherheit der Luftfahrt oder technische Neuerungen dies erforderten. Dagegen wurde nicht geregelt, wie bei Betriebsänderungen oder bei Ablauf der Betriebskonzession und bei Erweiterung oder Änderungen der Flugplatzanlagen vorzugehen sei.
b) Bei der Revision des Luftfahrtgesetzes vom 17. Dezember 1971 ging es vorab um die Einführung von Massnahmen gegen den Fluglärm und die Bekämpfung verbrecherischer Anschläge gegen die Luftfahrt.
Art. 37 LFG
blieb unverändert. In der bundesrätlichen Botschaft zur Gesetzesänderung wurde erneut betont, dass das Luftfahrtgesetz ein Rahmengesetz sei, das nur Grundsätze enthalte und bewusst darauf verzichte, Einzelheiten auf Gesetzesstufe zu ordnen. An diesem Grundgedanken, der sich bewährt habe, solle auch weiterhin festgehalten werden (vgl. Botschaft über die Änderung des Luftfahrtgesetzes vom 10. Februar 1971, BBl 1971 I 266 f.).
Im Nachgang zur Gesetzesänderung wurde auch das Verordnungsrecht einer Revision unterzogen und die bisherige Vollziehungsverordnung durch die Verordnung über die Luftfahrt vom 14. November 1973 (LFV, SR 748.0) ersetzt. Unter den Titeln "Bodenorganisation"/"Flughäfen" hielt nun
Art. 37 LFV
zur Konzessionspflicht allgemein fest, dass für die Anlage und den Betrieb der Flughäfen eine Konzession des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements erforderlich sei (Abs. 1). Erstmals wurden auch nachträgliche bauliche und betriebliche Änderungen einer Regelung unterworfen.
Art. 36 Abs. 2 LFV
sah vor, dass nachträgliche Änderungen einer Konzession bedürften, wenn sie das Flughafengelände wesentlich vergrösserten oder einen wesentlichen Einfluss auf die Sicherheits- und Lärmzonen hätten. Andere Änderungen der Anlagen und des Betriebes wurden der Bewilligungspflicht unterstellt. Nach
Art. 36 Abs. 3 LFV
konnten die Baukonzession und die Betriebskonzession getrennt erteilt werden. Die Regelungen der früheren
Art. 52 und 54 LVV
wurden in
BGE 124 II 293 S. 315
Art. 39 LFV
mit der Marginalie "Inhalt der Konzession" zusammengefasst. Neu wurde in diesem Artikel vorgeschrieben, dass zu den Bestimmungen über den Betrieb auch die Auflagen zum Schutze der Umwelt gehören. Ausserdem wurde vorgesehen, dass das Departement die Konzession unter anderem dann ändern oder ergänzen kann, wenn die Anforderungen des Umweltschutzes dies erfordern (
Art. 39 Abs. 6 LFV
).
c) Mit dem Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes am 1. Januar 1985 entstand auch im Bereiche der Luftfahrt die Pflicht, bei der Planung, Errichtung oder Änderung von Flugplatzanlagen, welche die Umwelt erheblich belasten könnten, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen (
Art. 9 USG
). Anhang Ziffer 14 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 (UVPV, SR 814.011) bezeichnete das Konzessionsverfahren gemäss
Art. 37 Abs. 1 LFG
als das für die Prüfung massgebliche Verfahren. Da sich die Bestimmung von
Art. 37 Abs. 1 LFG
wie dargelegt sowohl auf die Bau- als auch auf die Betriebskonzession bezieht, bleibt die Bedeutung dieser ursprünglichen Ziffer 14 des UVPV-Anhangs, die keine mehrstufige Prüfung vorsah, unklar.
d) Auch bei der jüngsten Revision des Luftfahrtgesetzes im Jahre 1993 ist, wie schon erwähnt,
Art. 37 Abs. 1 LFG
bestehen geblieben. Hinzugefügt worden ist in
Art. 37a LFG
einzig, dass im Rahmen des Konzessionsverfahrens über alle Belange entschieden wird und keine weiteren bundesrechtlichen Bewilligungen erforderlich sind. Sodann wurden einige Verfahrensregeln festgelegt und ist klargestellt worden, dass auch die bloss "überwiegend" dem Flugplatzbetrieb zuzurechnenden Anlagen allein dem Luftfahrtrecht und damit der Konzessionspflicht unterstehen. Die näheren Bestimmungen über die Konzessionen sind dagegen getreu den bisherigen Grundsätzen dem Verordnungsgeber überlassen worden. Dieser hat in der neuen Verordnung über die Infrastruktur der Luftfahrt vom 23. November 1994 (VIL; SR 748.131.1) den Konzessionen und Bewilligungen für Flugplätze ein ganzes Kapitel gewidmet, in welchem neben der Bau- und der Betriebskonzession erstmals eine Rahmenkonzession vorgesehen wird. Eine Rahmenkonzession kann gemäss
Art. 14 Abs. 1 VIL
im Sinne eines baurechtlichen Vorentscheides für grössere Bauprogramme auf Flughäfen erteilt werden, wobei die Verfahrensbestimmungen über die Baukonzession sinngemäss anzuwenden sind (
Art. 15 VIL
). Ins neue Verordnungsrecht nicht mehr aufgenommen wurde die frühere Bestimmung von
Art. 36 Abs. 2 LFV
, welche die baulichen und betrieblichen Änderungen
BGE 124 II 293 S. 316
weitgehend in ein Bewilligungsverfahren verwies. Bauliche Änderungen werden, abgesehen von der soeben genannten Bestimmung über die Rahmenkonzession, in der Verordnung nicht mehr separat behandelt. Zwar wird in
Art. 27 VIL
ein vereinfachtes Verfahren für "Bauvorhaben und betriebliche Änderungen untergeordneter Bedeutung" umschrieben, die Konzessionspflicht für diese indessen nicht eingeschränkt. Die Änderungen des Flugbetriebes sind, soweit sie mit einer Änderung des Betriebsreglementes verbunden sind, nach einem Anhörungsverfahren vom BAZL zu genehmigen (Art. 11 Abs. 4 bis 6 VIL). Im übrigen kann das EVED nach
Art. 20 Abs. 1 VIL
die Betriebskonzession ergänzen oder ändern, wenn die Flugsicherheit, technische oder wirtschaftliche Neuerungen sowie wesentliche Anforderungen des Umweltschutzes es erfordern.
Im vorliegenden Zusammenhang interessiert ferner, dass im Rahmen dieser letzten luftfahrtrechtlichen Revision auch die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung angepasst worden ist. Anhang Nr. 14 zur UVPV sieht nun allgemein für Flughäfen eine mehrstufige Umweltverträglichkeitsprüfung vor, die in erster Linie im Rahmenkonzessionsverfahren und hernach im Bau- sowie im Betriebskonzessionsverfahren durchzuführen ist. Erfolgen Bau- und Betriebskonzessionsverfahren allerdings gemeinsam oder wird nur eines der beiden Verfahren durchgeführt, so gilt dies auch für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Entsprechend den umweltschutzrechtlichen Vorschriften dürfen luftfahrtrechtliche Bau- und Betriebskonzessionen nur erteilt werden, wenn unter anderem die Anforderungen des Umwelt-, Natur- und Heimatschutzes erfüllt sind (
Art. 8 Abs. 1 lit. a VIL
). Die betreffenden Rahmenbedingungen sind in die Bau-, und somit auch die Rahmenkonzession, sowie in die Betriebskonzession aufzunehmen (
Art. 17 lit. a und
Art. 19 Abs. 1 lit. d VIL
). Die konkrete Ausgestaltung der in der Betriebskonzession vorgegebenen Rahmenbedingungen, so auch hinsichtlich der Raumplanung und des Umwelt-, Natur- und Heimatschutzes, erfolgt im Betriebsreglement, das erstmals im Betriebskonzessionsverfahren, bei nachträglichen Änderungen aber nur vom BAZL zu genehmigen ist (Art. 11 Abs. 1 lit. c, Abs. 3 und 4 VIL).
e) Die Praxis bei der Gewährung von Baukonzessionen ist vom BAZL selbst als eher uneinheitlich geschildert worden (vgl. ULRICH ZIMMERLI/STEPHAN SCHEIDEGGER, Verbesserung der Koordination der Entscheidverfahren für bodenbezogene Grossprojekte: Machbarkeitsstudie,
BGE 124 II 293 S. 317
Bern 1992, S. 170 N. 96, S. 273 und Anhang I S. 10 ff.; siehe nun auch Botschaft des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die Koordination und Vereinfachung der Plangenehmigungsverfahren in BBl 1998 III 2591). Der Flughafen Zürich wurde diesbezüglich recht grosszügig behandelt. Allein gestützt auf die am 1. Juni 1972 erteilte Baukonzession (BBl 1972 II 261) konnte ein umfassendes Bauprogramm in mehreren Etappen während rund zwanzig Jahren verwirklicht werden. Dabei wurden offenbar auch Bauten erstellt, die im Konzessionsprojekt nicht vorgesehen waren (vgl. die das Parkhaus A betreffende Bemerkung des Bundesrates in seiner Botschaft über einen Bundesbeitrag an den Teilausbau des Flughafens Zürich vom 14. November 1979, BBl 1979 III 1122).
Die Betriebskonzession für den Flughafen Zürich, die am 20. Oktober 1951 für eine Dauer von fünfzig Jahren erteilt wurde, ist trotz der eingetretenen Entwicklungen auf den Gebieten der Luftfahrt einerseits und des Umweltschutzes andererseits nur zweimal angepasst worden. Durch Änderung vom 19. Mai 1967 wurde der Flugplatzhalter vorerst ermächtigt, besondere Bestimmungen zur Bekämpfung des Fluglärms in die Verkehrsvorschriften aufzunehmen (VAS 1967 S. 218). Am 1. November 1972 wurde durch eine weitere Novelle die Nachtflugsperre eingeführt (BBl 1972 I 1131). Demgegenüber ist das Betriebsreglement für den Flughafen Zürich, das am 19. August 1992 vollständig überarbeitet wurde, mehreren Änderungen unterzogen worden, in letzter Zeit vor allem hinsichtlich der An- und Abflugverfahren (vgl. etwa BBl 1992 III 528, 1995 III 1241).
10.
Aus dieser kurzen Übersicht über die luftfahrtrechtliche Ordnung und deren Entstehungsgeschichte ergibt sich vorab, dass die Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen über den Bau und Betrieb von Flugplätzen nicht gerade als Musterbeispiel für klare und stufengerechte Normsetzung gelten können. Die zunächst vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte und später wohl eher in Kauf genommene Lückenhaftigkeit der gesetzlichen Regelung ist auch zur Zeit noch nicht behoben. Den Behörden ist es nicht gelungen, durch eine einheitliche, auf die allgemeinen Verfahrensgrundsätze ausgerichtete Praxis die gesetzgeberischen Mängel auszubessern. Auf sich warten lässt gleichfalls die abschliessende planerische und normative Einbindung der Landesflughäfen in das System der Raumplanung und des Umweltschutzrechtes: Noch heute steht der "Sachplan Infrastruktur Luftfahrt" aus und fehlt es an den schon vor Jahren in Aussicht
BGE 124 II 293 S. 318
gestellten Lärm-Belastungsgrenzwerten. Offensichtlich haben weder die Gesetzgebung noch die Planung auf dem Gebiet der Luftfahrt mit der rasanten Entwicklung im Flugwesen Schritt gehalten. Auf diese unbefriedigende luftfahrtrechtliche Situation ist ein grosser Teil der in den vorliegenden Fällen erhobenen Rügen zurückzuführen.
Immerhin kann aufgrund der aufgezeigten Regelung zu den erwähnten Einwänden wie folgt Stellung genommen werden:
a) Ohne weiteres als unberechtigt erweist sich die Kritik am Auftreten des EVED als Konzessionsbehörde. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführer wird die Zuständigkeit dieses Departementes nicht allein durch das Verordnungsrecht, sondern in erster Linie durch das Gesetzesrecht begründet (vgl.
Art. 3 LFG
). Ob die vom Gesetzgeber getroffene Lösung opportun sei oder nicht, hat das Bundesgericht, für welches die von der Bundesversammlung erlassenen Gesetze verbindlich sind (
Art. 113 Abs. 3 BV
), nicht zu überprüfen (vgl.
BGE 111 Ib 227
E. 2a).
b) Nicht durchzudringen vermag sodann die Rüge, das Institut der "Rahmenkonzession" hätte nur vom Gesetzgeber geschaffen werden dürfen. Zwar ist einzuräumen, dass die Verfahrensgestaltung in ihren Grundsätzen eigentlich auf Gesetzesstufe vorgenommen werden müsste. Wie dargelegt hat indessen der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet, mehr als nur einige Leitsätze ins Gesetz aufzunehmen. Freilich sind in dem 1993 neu eingeführten
Art. 37a LFG
erstmals auch gewisse Verfahrensvorschriften aufgestellt worden, doch ist bei dieser jüngsten Gesetzesrevision die Umschreibung der Konzessionen - ihres notwendigen Inhaltes und der Voraussetzungen zu ihrer Erteilung - weiterhin dem Verordnungsgeber überlassen geblieben. Im übrigen ist mit der Schaffung der Rahmenkonzession die frühere Praxis, eine einzige Konzession für ein umfassendes Ausbauprogramm zu erteilen, in eine neue rechtliche Form gekleidet und gleichzeitig den Betroffenen die Möglichkeit verschafft worden, ihre Interessen bereits in einem frühen Planungsstadium zu wahren. Die Rechtsstellung der Betroffenen wird dadurch nicht verschlechtert.
c) Soweit vorgebracht worden ist, Bau- und Betriebskonzession müssten nach dem Sinne des Gesetzes "uno actu" erteilt und dürften nicht voneinander losgelöst werden, so ergibt sich aus dem Gesagten klar, dass der Gesetz- und der Verordnungsgeber stets der Auffassung waren, dass in der Regel zunächst eine Baukonzession und erst nach Abschluss der Bauarbeiten eine Betriebskonzession zu erteilen sei; die Möglichkeit einer gestaffelten Konzessionierung
BGE 124 II 293 S. 319
ist ausdrücklich vorgesehen worden. Die Vorschriften über die Konzessionserteilung für die Bodenorganisation waren und sind noch heute in erster Linie auf die Neuerstellung von Flugplätzen und deren erste Inbetriebnahme ausgerichtet. Wie bei nachträglichen baulichen oder betrieblichen Änderungen vorzugehen sei, ist - soweit überhaupt - nur lückenhaft geregelt.
d) Über das Verhältnis von Bau- zu Betriebskonzession bzw. von Rahmen- zu Betriebskonzession, mit anderen Worten über die Frage, welche baulichen Veränderungen eine Anpassung der Betriebskonzession erforderlich machten, sagt das Gesetz nichts und die Verordnung wenig aus. Wie erwähnt sieht
Art. 20 Abs. 1 VIL
einzig vor, dass das Departement die Betriebskonzession ergänzen oder ändern könne, wenn die Flugsicherheit, technische oder wirtschaftliche Neuerungen sowie wesentliche Anforderungen des Umweltschutzes es erforderten.
Das EVED geht im angefochtenen Konzessionsentscheid davon aus, dass sich die Betriebskonzession auf den reinen Flugbetrieb beziehe und nur abzuändern wäre, wenn sich ein Ausbauvorhaben auf wesentliche flugbetriebliche Regelungen, wie etwa die Vorschriften über die Pistenbenützung oder über die Nachtflugeinschränkungen, auswirken würde. Tatsächlich beziehen sich die Bestimmungen von
Art. 19 und 20 VIL
über den Inhalt, die Änderung und den Entzug der Betriebskonzession, wie in
BGE 124 II 75
E. 5a S. 80 bemerkt, in erster Linie auf den eigentlichen Flugbetrieb. Indessen ist in Ergänzung zum genannten Entscheid - wo die Frage des Gegenstands der Betriebskonzession nur gestreift worden ist - einzuräumen, dass der Wortlaut von
Art. 19 Abs. 1 lit. a und c VIL
auch eine weitergehende Interpretation zuliesse. Nach
Art. 19 Abs. 1 lit. a VIL
wird mit der Betriebskonzession generell das Recht zum gewerbsmässigen Betrieb des Flughafens verliehen und durch Art. 19 Abs. 1 lit. c der Konzessionär unter anderem verpflichtet, die Voraussetzungen für eine geordnete Benützung sicherzustellen sowie den Flughafen nach den gesetzlichen Bestimmungen zu betreiben. Demnach könnte die Betriebskonzession nicht nur den eigentlichen Flugbetrieb, sondern den Gesamtbetrieb des Flughafens, das heisst unter anderem auch den sog. landseitigen Verkehr erfassen. In der Betriebskonzession für den Kanton Zürich vom 20. Oktober 1951 wird denn auch auf das "Ausmass und die Einrichtungen des Flughafens" gemäss den genehmigten Plänen verwiesen (Art. 1 Abs. 2) und der Konzessionär verpflichtet, für den Bau und Unterhalt der für den Betrieb des Flughafens notwendigen Gebäude zu sorgen
BGE 124 II 293 S. 320
(Art. 4 Abs. 3 lit. c). Dementsprechend hat sich der Kanton Zürich stets für sämtliche Bauvorhaben - also auch für Projekte, die, wie Parkhäuser und Zufahrtsstrassen, für den Landverkehr auf dem Flughafenareal bestimmt sind - auf seine ihm durch die Betriebskonzession auferlegte Verpflichtung berufen. Insofern lässt sich eine Wechselbeziehung zwischen Betriebskonzession und den Konzessionsverfahren für bauliche Änderungen nicht bestreiten. [Allerdings ist die Betriebskonzession aus dem Jahre 1951 derart allgemein abgefasst, dass sie selbst bei flugbetrieblichen Änderungen nicht angepasst werden musste und wie dargelegt praktisch unverändert geblieben ist, obschon die Gesamtzahl der Flugbewegungen von rund 35'000 im Jahre 1955 auf rund 276'000 im Jahre 1997 angestiegen ist.]
Fest steht jedenfalls, dass zumindest seit der Schaffung der Umweltschutzgesetzgebung ein enger Zusammenhang zwischen Rahmen-, Bau- und Betriebskonzession besteht bzw. bestehen muss. In jedem dieser Konzessionsverfahren sind die Belange des Umweltschutzes zu untersuchen, ist ihnen Rechnung zu tragen und sind entsprechende Auflagen aufeinander abzustimmen. Rahmen- und Baukonzession wie auch die Betriebskonzession müssen daher auf denselben Annahmen über den Umfang des Verkehrsaufkommens beruhen; andernfalls lassen sich die umweltschutzrechtlichen Rahmenbedingungen nicht abstecken.
Dagegen kann die heikle Frage, was im Lichte der heutigen Gesetzgebung Gegenstand der Betriebskonzession sein müsse und welche bauliche Erweiterung eines Flughafens eine Anpassung der Betriebskonzession bedinge, hier ebenfalls noch offen bleiben: Am 31. Mai 2001 läuft die Betriebskonzession für den Flughafen Zürich ohnehin ab und muss in allernächster Zeit ein neues Konzessionsverfahren eingeleitet werden. Im weiteren wird von den Beschwerdeführern und vom BUWAL vorgebracht, dass die gesamte Lärmschutzproblematik unter Berücksichtigung der eingetretenen Entwicklungen und unter Einbezug möglicher betrieblicher Änderungen behandelt werden müsse und der Umweltverträglichkeitsbericht insofern ungenügend sei. Diesem Einwand kommt - wie sich im folgenden zeigt - besonderes Gewicht zu. umweltverträglichtkeitsprüfung und Umweltverträglichkeit
11.
Wie dargelegt unterstehen Flughäfen generell der in
Art. 9 USG
umschriebenen Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung und
BGE 124 II 293 S. 321
ist diese nach Nr. 14 des Anhangs zur UVPV mehrstufig im Rahmenkonzessions- und Baukonzessions- sowie/oder im Betriebskonzessionsverfahren vorzunehmen. Indessen sieht
Art. 9 Abs. 1 USG
die Umweltverträglichkeitsprüfung nur für die Planung, Errichtung oder Änderung und nicht auch für die Inbetriebnahme einer bestehenden Anlage vor. Ob daher die erstmalige Erteilung einer Betriebskonzession nach der Errichtung eines Flughafens bzw. die Konzessionserneuerung nach Ablauf der Konzessionsdauer in ausdehnender Auslegung von
Art. 9 USG
als prüfungspflichtig gelten können, ist nicht ohne weiteres klar (vgl. HERIBERT RAUSCH, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, N. 42 zu
Art. 9 USG
), muss aber wohl mit Blick auf das geschilderte luftfahrtrechtliche Konzessionssystem und den Sinn von
Art. 9 Abs. 1 USG
bejaht werden. Für wesentliche Betriebsänderungen schreibt
Art. 2 Abs. 1 UVPV
die Prüfungspflicht ausdrücklich vor, sofern über jene im Verfahren entschieden wird, das bei neuen Anlagen für die Prüfung massgeblich ist. Dies trifft für Änderungen der Betriebskonzession zu, nicht dagegen für nachträgliche Änderungen des Betriebsreglementes (
Art. 11 Abs. 4 VIL
; s. oben E. 9d).
Ist eine mehrstufige Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben, so wird die Prüfung bei jedem Verfahrensschritt so weit durchgeführt, als die Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt für den jeweiligen Entscheid bekannt sein müssen (
Art. 6 UVPV
). Obschon auf die abgeschlossenen Stufen grundsätzlich nicht mehr zurückgekommen werden soll (
BGE 119 Ib 254
E. 9c S. 277;
BGE 117 Ib 285
E. 7d S. 301), darf doch die Aufteilung der Prüfung auf mehrere Schritte eine Gesamtbeurteilung des Vorhabens gestützt auf die zur Zeit des endgültigen Entscheides gegebene Lage nicht verhindern. Treten daher nach der Umweltverträglichkeitsprüfung erster Stufe rechtliche Änderungen ein oder entwickelt sich die tatsächliche Situation in unvorhergesehener Weise, so muss dem bei der nachfolgenden Prüfung Rechnung getragen werden und sind die bereits behandelten Belange im Lichte der eingetretenen Entwicklung erneut zu untersuchen. Das gleiche gilt, wenn sich der erste Bericht aufgrund neuer Erkenntnisse als lückenhaft erweist (vgl.
BGE 123 II 337
E. 2d; s.a. HERIBERT RAUSCH, a.a.O., N. 59 zu
Art. 9 USG
).
12.
Im Umweltverträglichkeitsbericht, der als Grundlage zur Umweltverträglichkeitsprüfung dient, sind unter anderem der Ausgangszustand sowie die voraussichtlich nach Verwirklichung des Vorhabens verbleibende Umweltbelastung zu schildern (
Art. 9 Abs. 2 lit. a und c USG
). Es ist somit eine Prognose darüber anzustellen,
BGE 124 II 293 S. 322
wie sich die Umweltverhältnisse ohne das fragliche Vorhaben weiterentwickeln werden und sich die Situation nach Ausführung des Projektes darstellen wird.
Zur Anfechtbarkeit des Umweltverträglichkeitsberichts und insbesondere der Prognose hat das Bundesgericht dargelegt, diese bildeten nur Entscheidungselemente im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. des Bewilligungsverfahrens. Sie könnten daher nur insoweit Gegenstand der Anfechtung sein, als sie in den Einsprache- und Genehmigungsentscheid eingeflossen seien und zu unrichtigen oder unvollständigen Sachverhaltsfeststellungen sowie zu falschen rechtlichen Schlüssen geführt hätten (
BGE 117 Ib 425
E. 7 S. 436;
BGE 119 Ib 458
E. 8d). Weiter ist auf die den Prognosen allgemein und den Verkehrsprognosen im besonderen anhaftenden Unsicherheiten hingewiesen und ausgeführt worden, Unzulänglichkeiten seien hinzunehmen, solange sich die getroffenen Annahmen nicht als völlig unbrauchbar erwiesen und es daher unter dem Gesichtswinkel von
Art. 9 Abs. 2 lit. c USG
in Verbindung mit
Art. 104 lit. b OG
an einer vollständigen Sachverhaltsabklärung fehle (
BGE 122 II 165
, nicht publ. E. 11 und E. 15b S. 173 f.).
Stellt sich allerdings im Laufe eines mehrstufigen Umweltverträglichkeitsprüfungs- und Bewilligungsverfahrens eine erhebliche Unrichtigkeit der Prognose heraus, noch bevor die Ausführung des Projekts bewilligt worden ist, so ist dieser Mangel wie dargelegt im nächsten Verfahrensschritt zu beheben. Dies bedingt jedoch eine Wiederholung der Prüfung in all jenen Bereichen, die auf der Prognose basieren.
13.
a) Im Vorfeld der Planungen für den Ausbau des Flughafens Zürich erstellte im Januar 1990 eine aus Vertretern der Flughafenpartner (Flughafendirektion, Flughafen-Immobilien-Gesellschaft FIG, SWISSAIR und "swisscontrol") und des BAZL gebildete Arbeitsgruppe eine Luftverkehrsprognose für den Flughafen Zürich für die Jahre 1990 bis 2010. Die Prognose beschränkte sich auf den reinen Linien- und Charterverkehr und ging vom bestehenden Pistenbenützungskonzept aus, das in der Stunde maximal 32 Landungen und 35 Starts bzw. maximal 60 Bewegungen zulasse. Die Arbeitsgruppe ermittelte die Jahresverkehrswerte (Passagiere, Fracht, Flugbewegungen) für 1990, 1995, 2000, 2005 und 2010.
Die Luftverkehrsprognose von 1990 wurde dem im Juli 1995 fertiggestellten Umweltverträglichkeitsbericht zugrundegelegt, wobei als Beurteilungszeitpunkt für den Betriebszustand (nach
BGE 124 II 293 S. 323
dem Ausbau des Flughafens) das Jahr 2005 gewählt wurde. Der Umweltverträglichkeitsbericht geht davon aus, dass die Zahl der Flugbewegungen von 204'000 im Jahre 1994 auf 240'000 im Jahre 2005 ansteigen werde. Ohne den Ausbau wären nach dem Bericht 210'000 Flugbewegungen des Linien- und Charterverkehrs zu erwarten. Daraus ergibt sich eine ausbaubedingte Kapazitätssteigerung von 13 bis 14%. Im weiteren wird festgehalten, dass das erwartete Verkehrsaufkommen mit den bestehenden Anlagen nicht mehr bewältigt werden könne, jedoch keine Änderung des bisherigen Pistenbenützungssystems erfordere. Immerhin ergäben sich wegen der Zunahme der Grossraumflugzeuge, die auf der Piste 16 starten müssten, kleinere betriebliche Anpassungen (vgl. Synthese Umweltverträglichkeitsbericht S. 1, 7, 15, 28 und 55; Bericht Verkehrsdaten Z1 (2005) S. 3, Erläuterungen zum Rahmenkonzessionsgesuch S. 36).
b) Das EVED hat im angefochtenen Konzessionsentscheid die im Anhörungsverfahren an der Prognose geübte Kritik zurückgewiesen. Die dem Umweltverträglichkeitsbericht zugrunde gelegte Annahme von jährlich 240'000 Flugbewegungen erscheine als angemessen. Auch wenn sich erweisen sollte, dass das prognostizierte Verkehrsaufkommen - so etwa im Zusammenhang mit der von der SWISSAIR beschlossenen Einführung einer sog. vierten Welle - früher erreicht sein werde, könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, der Flughafen beabsichtige mit diesem Ausbau, künftig ein weit höheres Volumen abzuwickeln. Denn für die Bestimmung dessen, was betrieblich zulässig sei, blieben nach wie vor die geltende Betriebskonzession und das Betriebsreglement massgebend. Nach Angaben des Gesuchstellers wären aber die gegebenen betrieblichen Rahmenbedingungen für einen Betrieb von deutlich mehr als 240'000 Bewegungen des Linien- und Charterverkehrs nicht geeignet. Weitergehende Auswirkungen des Flughafens auf die Umwelt abschätzen zu wollen, wäre daher unrealistisch. Im übrigen hätten sich die Prognosen der Zivilluftfahrt in der Vergangenheit als recht zuverlässig erwiesen und allfällige Abweichungen der tatsächlichen Entwicklungen sich mittel- bis langfristig stets ausgeglichen. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Flugbetrieb längerfristig 240'000 Bewegungen überschreiten könnte. Vernünftig abschätzen liessen sich eine solche Entwicklung und die entsprechenden Umweltauswirkungen aber nicht. Eine Überarbeitung der Prognosen als Grundlage für die Umweltverträglichkeitsprüfung sei somit nicht erforderlich.
BGE 124 II 293 S. 324
In seiner Beschwerdeantwort weist das EVED erneut darauf hin, dass mit dem umstrittenen Ausbau des Flughafens keine Erhöhung der Bewegungszahlen, sondern nur eine störungsfreie, zuverlässige und komfortable Abfertigung des prognostizierten Verkehrs bezweckt werde. Das heutige Pistenbenützungskonzept, das maximal - das heisst in Spitzenzeiten - 60 bis 66 Bewegungen pro Stunde ermögliche, lasse nur noch eine geringe Steigerung der Bewegungen zu. Rein theoretisch könne zwar eine Kapazität von täglich über 1000 Flugbewegungen in Zürich (66 x 16 Stunden) ermittelt werden, was einen Jahreswert von 365'000 bis gegen 400'000 Bewegungen ergäbe. Der Spitzenbetrieb falle jedoch in Wellen an und könne - auch von den Marktverhältnissen her gesehen - nicht über 16 Stunden aufrechterhalten werden. Jedenfalls wäre eine Weiterentwicklung der Spitzenzeiten nicht ausbaubedingt. Vollständigkeitshalber sei anzufügen, dass die Spitzenkapazität des Flughafens allenfalls über eine Änderung des Pistenbenützungskonzepts und der An- und Abflugverfahren erhöht werden könnte. Da in verhältnismässig kurzer Zeit ohnehin die Erneuerung der Betriebskonzession erfolgen werde, könnte dem Kanton Zürich unterstellt werden, er beabsichtige mit dem Ausbau in Tat und Wahrheit eine wesentliche Erhöhung der Flugbewegungen. Es bestehe jedoch kein Anlass für eine solche Annahme, ganz abgesehen davon, dass nicht sicher sei, ob die Änderungen der Betriebsbedingungen überhaupt eine Kapazitätssteigerung ermöglichten und ob eine solche durchsetzbar wäre.
Der Kanton Zürich betont in seiner Beschwerdeantwort ebenfalls, dass die fünfte Ausbauetappe lediglich darauf angelegt sei, die prognostizierte Anzahl Flugbewegungen von 240'000 ordnungsgemäss zu bewältigen. Wenn auch grundsätzlich zutreffe, dass diese Zahl nicht die oberste Kapazitätsgrenze des Flughafens Zürich darstelle, sei doch ein "deutlicher" Anstieg der Bewegungszahlen über 240'000 mit den bestehenden An- und Abflugverfahren und dem heute geltenden Flugplatzkonzept wohl nicht mehr zu bewältigen. Im übrigen müsse ja ohnehin ein neues Betriebskonzessionsverfahren eingeleitet werden und seien daher die betrieblichen Belange - unabhängig von der Frage, ob deutlich mehr als 240'000 Bewegungen mit dem bestehenden An- und Abflugverfahren bewältigt werden könnten - schon bald, vermutlich noch vor Abschluss des Ausbaus, Gegenstand eines weiteren Verfahrens.
14.
Die Verkehrsstatistik des Flughafens Zürich für das Jahr 1997 weist für den Linien-, Charter- und Sonderverkehr (ohne "general aviation") 241'465 Flugbewegungen aus.
BGE 124 II 293 S. 325
Damit ist das im Umweltverträglichkeitsbericht von 1995 für das Jahr 2005 prognostizierte Verkehrsvolumen bereits nach zwei, statt nach zehn Jahren erreicht worden. Das Verkehrsaufkommen wird demzufolge sowohl im Ausgangszustand (2005 ohne Flughafenausbau) als auch im Betriebszustand (2005 mit Ausbau) erheblich grösser sein und entsprechend mehr Beeinträchtigungen mit sich bringen als vorausgesagt. Die Prognose muss daher als eindeutig und in erheblichem Ausmass unzutreffend bezeichnet werden. Soweit sich die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung auf diese stützt, beruht der angefochtene Entscheid auf einem unrichtigen Sachverhalt. Dieser Mangel muss und kann nach dem Gesagten auf der nachfolgenden Stufe der Baukonzession behoben werden (vgl. E. 12 in fine). Das bedeutet, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung in den nachfolgenden Verfahren in all jenen Bereichen, in denen sie direkt oder indirekt auf der Flugverkehrs-Prognose beruht, zu wiederholen bzw. zu ergänzen ist und allenfalls neue Bedingungen und Auflagen für den geplanten Ausbau zu formulieren sind.
Hiegegen kann nicht eingewendet werden, dass mit dem Ansteigen der Flugbewegungen in den letzten Jahren lediglich die künftige Entwicklung vorweggenommen worden und das Potential für Erhöhungen der Flugbewegungszahlen ausgeschöpft sei. Die Verlegung von Flügen von Genf nach Zürich und die Einführung der sog. vierten Welle, die offenbar wesentlich zum Anwachsen des Verkehrsvolumens beigetragen haben, stellen Sonderereignisse dar, die an der künftigen Verkehrsentwicklung kaum etwas ändern werden. Es spricht daher nichts dagegen, für die folgenden Jahre - günstige Weltwirtschaftsentwicklung vorausgesetzt - weiterhin von einer steigenden Tendenz auszugehen. Der Flughafenhalter wird schliesslich auch die durch den Ausbau entstehende Mehrkapazität (13 bis 14%) nutzen wollen. Damit soll dem Kanton Zürich nicht ein - in der Rahmenkonzession verneintes - Wachstumsstreben "unterstellt" werden, sondern wird nur dem auf schweizerischen Flughäfen geltenden Zulassungszwang Rechnung getragen (vgl.
BGE 117 Ib 387
E. 5, mit Hinweisen; s.a. Regula Dettling-Ott, Zulassungszwang auf schweizerischen Flughäfen, in: Bulletin 2/1992 der Schweiz. Vereinigung für Luft- und Raumrecht).
Gegen die Wiederholung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf Stufe Baukonzession spricht auch nicht, dass in Kürze, wie der Kanton Zürich betont, ohnehin ein neues Betriebskonzessionsverfahren durchzuführen ist, in welchem die Fragen der langfristigen
BGE 124 II 293 S. 326
Entwicklung der Flugbewegungen und der betrieblichen Bedingungen zu behandeln sein werden. Wie aufgezeigt worden ist (E. 10d), sind den Baukonzessionen und der Betriebskonzession die gleichen Annahmen über den künftigen Verkehr und den Betrieb der Anlage zugrunde zu legen, um so in einer Gesamtbetrachtung die nötigen Umweltschutzmassnahmen festlegen und aufeinander abstimmen zu können. Es liesse sich denn auch mit dem Gebot der materiellen und formellen Verfahrenskoordination nicht vereinbaren, im Verfahren zur baulichen Erweiterung der Anlage von der Annahme auszugehen, die betrieblichen Bedingungen blieben bestehen, während die Änderung dieser Bedingungen in einem anderen Verfahren vielleicht bereits vorbereitet wird. Gerade die Tatsache, dass sich das Flugverkehrsvolumen bereits heute der Kapazitätsgrenze des Flughafens nähert, wird Anlass dazu geben, möglichst rasch nach neuen betrieblichen Lösungen zu suchen. Zeigen sich solche, so sind sie auch im Zusammenhang mit dem Ausbau in Betracht zu ziehen. Es wäre wie gesagt unzulässig, in zwei Konzessionsverfahren, die den gleichen Flughafen betreffen und zeitlich praktisch zusammenfallen, von unterschiedlichen Annahmen über die Verkehrsentwicklung und damit von unterschiedlichen Sachverhalten auszugehen.
15.
Es ist nicht Sache des Bundesgerichts zu untersuchen, auf welchen Gebieten im einzelnen die Umweltverträglichkeitsprüfung zu wiederholen ist. Wohl trifft dies in erster Linie für die Belange Lärmbekämpfung und Luftreinhaltung zu, doch werden auch andere Bereiche vom Verkehrsvolumen beeinflusst. Jedenfalls wird der Kanton Zürich in seinen Baukonzessionsgesuchen und das EVED in den entsprechenden Entscheiden darzulegen haben, inwieweit eine Nachbesserung erfolgt sei oder sich erübrige. Das Bundesgericht kann sich demnach darauf beschränken, Ziffer 1.2 des Dispositivs der angefochtenen Rahmenkonzession aufzuheben, welche bestimmt, dass Belange, über welche bereits in der Rahmenkonzession endgültig entschieden wird, für Behörden und Dritte verbindlich und in den folgenden Baukonzessionsverfahren nicht mehr zu prüfen seien. Da diese Belange im Konzessionsentscheid nicht bezeichnet werden, ist die Tragweite dieser Ziffer ohnehin unklar.
Durch die Anordnung einer erneuten Umweltverträglichkeitsprüfung auf der Stufe der Baukonzessionen werden etliche Vorbringen gegenstandslos, so beispielsweise die Frage, von welcher Schwelle an Fluglärm allein oder im Zusammenhang mit anderen Lärmarten zu Gesundheitsschädigungen führe und in die verfassungsmässigen sowie durch
Art. 8 EMRK
garantierten Persönlichkeitsrechte
BGE 124 II 293 S. 327
eingreife. Dies entbindet jedoch das Bundesgericht nicht davon, die in anderem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe der Beschwerdeführer zu untersuchen. Ausserdem sollen auch aus prozessökonomischen Gründen bereits heute Probleme behandelt werden, die sich in den nachfolgenden Verfahren wiederum stellen werden oder stellen könnten.
FLUGLÄRM
16.
Das BUWAL vertritt in seinem Bericht vom 10. September 1997 übereinstimmend mit etlichen Beschwerdeführern die Auffassung, die Rahmenkonzession sei ein erster Schritt hin zu einer neuen Betriebskonzession und damit zu einer Neukonzessionierung des Flughafens. Für die lärmrechtliche Beurteilung sei daher in funktionaler Betrachtung, die sich in erster Linie an den Auswirkungen auf die Umwelt orientiere und nicht am physischen Bestand einer Anlage, von einer neuen lärmigen Anlage im Sinne von
Art. 25 USG
auszugehen. Demgegenüber werde im Konzessionsentscheid festgestellt, dass es sich beim Projekt um eine wesentliche Änderung einer lärmigen Anlage im Sinne von
Art. 8 LSV
handle.
a) Vorweg ist festzuhalten, dass das Ausbauvorhaben in keinem kausalen Zusammenhang mit der nächstens vorzunehmenden Erneuerung der Betriebskonzession steht. Würde die geltende Betriebskonzession noch etliche Jahre dauern, so stellte sich allenfalls die Frage, ob sie aufgrund des Ausbaus des Flughafens abgeändert werden müsste - eine Frage, die hier ausdrücklich offengelassen werden soll. Die Neukonzessionierung ist dagegen allein auf den Ablauf der bestehenden Betriebskonzession zurückzuführen. In diesem Sinne kann die Rahmenkonzession für den Ausbau des Flughafens auch nicht als "erster Schritt hin zu einer neuen Betriebskonzession" betrachtet werden. Das ändert allerdings nichts daran, dass sowohl die Baukonzessionsverfahren wie auch das Betriebskonzessionsverfahren wegen ihres zeitlichen Zusammenfallens auf die gleichen Grundlagen gestellt werden müssen und die im einen wie im anderen Verfahren zu behandelnden Umweltschutzbelange in ihrem Zusammenhang zu sehen sind.
b) Das BUWAL weist zu Recht darauf hin, dass bei der Beurteilung der Frage, ob in der Erweiterung einer Anlage nur eine Änderung oder geradezu eine Erneuerung liege, nicht nur auf die Substanz, sondern auch auf die Funktion der Anlage abzustellen ist. Dabei fällt hier in Betracht, dass das Erweiterungsprojekt im wesentlichen in der Erstellung eines zusätzlichen Docks für 18 bis 27 Flugzeuge,
BGE 124 II 293 S. 328
dem Ausbau des Flughafenbahnhofs und des Baus eines zusätzlichen Parkhauses besteht. Der Ausbau dient nach Angaben des Gesuchstellers in erster Linie dazu, den bisher anfallenden Betrieb störungsfreier und für die Passagiere komfortabler zu bewältigen. Nach vorläufiger Schätzung wird er ausserdem die Kapazität des Flughafens um 13 bis 14% erhöhen, wobei unklar ist, ob diese Mehrkapazität mit dem heutigen Betriebssystem ausgenutzt werden kann. Auch bei entsprechender Erhöhung des Verkehrsvolumens würde jedoch der Flughafen Zürich seinen Charakter und seine Funktion als interkontinentaler Landesflughafen beibehalten. Die neuen Anlagen ändern an der Art der Benützung nichts. Bei der hier umstrittenen Erweiterung handelt es sich demnach um den weiteren Ausbau einer auf grosse Verkehrsmengen ausgerichteten, bereits stark belasteten Verkehrsanlage und damit um eine wesentliche Änderung im Sinne von
Art. 18 USG
bzw.
Art. 8 Abs. 2 und 3 LSV
(vgl. ANDRÉ SCHRADE, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, N. 13 zu
Art. 18 USG
, und PETER ETTLER, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, N. 17 zu
Art. 25 USG
).
17.
Wird eine bestehende ortsfeste Anlage geändert, so müssen nach
Art. 8 Abs. 1 LSV
die Lärmimmissionen der geänderten Anlage so weit begrenzt werden, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist (so auch
Art. 11 Abs. 2 USG
). Wird die Anlage wesentlich geändert, so müssen die Lärmimmissionen der gesamten Anlage mindestens so weit begrenzt werden, dass die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden (
Art. 8 Abs. 2 LSV
). Kann diese Anforderung bei der wesentlichen Änderung einer Anlage nicht eingehalten werden und wäre eine vollständige Sanierung unverhältnismässig, so können gestützt auf Art. 18 in Verbindung mit
Art. 17 USG
Erleichterungen gewährt werden, wobei der Alarmwert grundsätzlich nicht überschritten werden darf (
Art. 17 Abs. 2 USG
; für die Errichtung neuer Anlagen vgl.
Art. 25 Abs. 2 USG
). Bei bestehenden öffentlichen oder konzessionierten, in überwiegendem öffentlichen Interesse liegenden Anlagen, wie Strassen, Flughäfen und Eisenbahnanlagen, können indessen Erleichterungen über den Alarmwert hinaus gewährt werden (vgl.
Art. 20 Abs. 1 USG
in Verbindung mit
Art. 14 Abs. 2 LSV
e contrario;
BGE 122 II 33
E. 5a). Das muss auch gelten, wenn solche Anlagen wesentlich geändert werden, da diese sonst insofern gegenüber neuen Verkehrsanlagen, für die die Regelung von
Art. 25 Abs. 3 USG
gilt, benachteiligt wären. In jedem Fall müssen aber die vom Lärm betroffenen Gebäude auf Kosten des Eigentümers der
BGE 124 II 293 S. 329
Anlage durch Schallschutzfenster oder ähnliche bauliche Massnahmen geschützt werden (
Art. 20 Abs. 2 USG
in Verbindung mit
Art. 10, 11 und 16 Abs. 2 LSV
sowie für neue Anlagen
Art. 25 Abs. 3 USG
; HEINZ AEMISEGGER, Aktuelle Fragen des Lärmschutzrechts in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, URP 1994 S. 441 ff., insbes. 452 ff., ALEXANDER ZÜRCHER, Die vorsorgliche Emissionsbegrenzung nach dem Umweltschutzgesetz, Diss. Basel 1995, S. 157; s.a.
BGE 114 Ib 456
E. 5b, wo die Frage der gesetzlichen Grundlage von
Art. 8 Abs. 2 LSV
offengelassen worden ist).
18.
a) Es steht ausser Frage, dass die schweizerische Zivilluftfahrt und die ihr dienenden Zivilflugplätze, insbesondere die interkontinentalen Landesflughäfen, im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen. Parlament und Bundesrat haben dies im Zusammenhang mit ihren Bau- und Subventionsbeschlüssen stets betont. Schon 1945 hielt der Bundesrat in seiner Botschaft über den Ausbau der Zivilflugplätze fest, wenn es für die Schweiz von vitaler Bedeutung sei, sich am Luftverkehr der Zukunft angemessen zu beteiligen, dann sei auch die Bereitstellung der notwendigen und geeigneten Flugplätze eine Sache von gesamtschweizerischem Interesse, welche die finanzielle Beihilfe des Bundes erfordere. Weiter wurde mit Blick auf
Art. 23 Abs. 1 BV
ausgeführt, es sei im Einzelfall vor dem Bau eines Flugplatzes abzuklären, ob der Flugplatz den Interessen der Eidgenossenschaft oder den Interessen eines grossen Teils derselben diene. Diese Voraussetzung treffe zweifellos für den interkontinentalen Flughafen (Zürich) zu, sei wohl auch bei Flughäfen für den kontinentalen Verkehr erfüllt und könne in einzelnen Fällen auch für die regionalen Flughäfen bejaht werden (BBl 1945 I 181, 183). Dementsprechend ist im Luftfahrtgesetz von Anfang an die zuständige eidgenössische Behörde zur Ausübung oder Übertragung des Enteignungsrechts für die Anlage und den Betrieb von Flugplätzen ermächtigt worden (vgl. Art. 50 des LFG vom 21. Dezember 1948; s.a.
BGE 117 Ib 399
E. 1c/cc S. 404). Übrigens ist das "Landesinteresse am weiteren Ausbau" der drei Landesflughäfen bei der jüngsten Neuregelung der Bundeshilfe im Rahmen der Gesetzesrevision von 1993 wiederum unterstrichen worden (BBl 1992 I 607, 639).
b) Im angefochtenen Entscheid wird zu den anwendbaren Immissionsgrenzwerten ausgeführt, diese seien für Landesflughäfen im Verordnungsrecht noch nicht festgelegt; deshalb müssten die für die Erleichterungen bzw. Sanierungen massgebenden Werte im vorliegenden Fall im Sinne von
Art. 40 Abs. 3 LSV
gesondert festgesetzt
BGE 124 II 293 S. 330
werden. Dabei könne für den Tagesverkehr von den im Gesuch herangezogenen Immissionsgrenzwerten für Fluglärm bei Militärflugplätzen (65 dB[A] in Zonen der Empfindlichkeitsstufen II und III und 70 dB[A] in Zonen der Empfindlichkeitsstufen IV) ausgegangen werden. Es seien jedoch zusätzlich auch Nachtwerte festzulegen, die gemäss üblicher Praxis um 10 dB(A) tiefer anzusetzen seien als die Tageswerte. Diese Werte lägen im Bereich der von der Eidgenössischen Kommission für die Beurteilung von Lärm-Immissionsgrenzwerten in Betracht gezogenen Grenzwerte, entsprächen aber eher höheren Grenzwertszenarien. Falls der Bundesrat tiefere Werte festlegen sollte, wäre die Situation anschliessend neu zu beurteilen.
Diese Überlegungen sind grundsätzlich nicht zu beanstanden, auch wenn das Bundesgericht bei der Beurteilung von Entschädigungsansprüchen für Lärmeinwirkungen des Landesflughafens Genf im Jahre 1995 einen um 5 dB(A) niedrigeren Immissionsgrenzwert für die Empfindlichkeitsstufe II angenommen hat (vgl.
BGE 121 II 317
E. 8c/cc S. 342). Inzwischen hat jedoch die Eidgenössische Kommission für die Beurteilung von Lärm-Immissionsgrenzwerten ihren Bericht über die Belastungsgrenzwerte für den Lärm der Landesflughäfen abgeschlossen und dem Bundesrat vorgelegt. In diesem Bericht wird vorgeschlagen, für den Tag die auch vom Bundesgericht im zitierten Entscheid berücksichtigten Immissionsgrenzwerte anzuwenden, während für die Nacht ein abgestuftes Grenzwertschema für drei verschiedene Zeitabschnitte gelten soll.
Das Bundesgericht hat vor der Schaffung der Umweltgesetzgebung und der Festlegung der Belastungsgrenzwerte im Verordnungsrecht bei der Beurteilung der von öffentlichen Anlagen ausgehenden Lärmeinwirkungen stets auf die Berichte und Vorarbeiten der eidgenössischen Expertenkommissionen abgestellt (vgl. etwa
BGE 110 Ib 346
ff. mit Hinweisen;
BGE 114 Ib 34
E. 3;
BGE 119 Ib 348
E. 5b/aa S. 356). Es besteht kein Grund, heute hinsichtlich der Landesflughäfen, für die noch keine Lärmgrenzwerte bestehen, anders vorzugehen. Bei der Wiederholung der Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen der Baukonzessionsverfahren wird daher auch der Kommissions-Bericht über die Belastungsgrenzwerte für den Lärm der Landesflughäfen zu beachten und aufzuzeigen sein, inwieweit die Immissionsgrenzwerte - unter Zugrundelegung der neu vorgeschlagenen Werte und der neu zu prognostizierenden Flugbewegungszahl - eingehalten werden können und inwieweit sie überschritten werden.
BGE 124 II 293 S. 331
c) Die deutschen Beschwerdeführer bemängeln, dass die Lärmbelastung in ihrem Gebiet nicht ermittelt und im Umweltverträglichkeitsbericht nicht dargestellt worden sei; demzufolge habe das EVED auch keine vollständige Sachverhaltsabklärung und Interessenabwägung vornehmen können. Diese Rüge ist berechtigt.
Wohl ist das internationale Übereinkommen vom 25. Februar 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen, das schweizerischerseits am 16. September 1996 ratifiziert worden und am 10. September 1997 in Kraft getreten ist, von der Bundesrepublik Deutschland noch nicht ratifiziert und findet schon deshalb hier keine Anwendung (in der AS noch nicht publiziert, vgl. den Text in der bundesrätlichen Botschaft vom 5. September 1995, BBl 1995 IV 397, 407 ff.). Indes gehen auch das Umweltschutzgesetz und die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung davon aus, dass im Umweltverträglichkeitsbericht alle mit dem Vorhaben verbundenen Auswirkungen zu erfassen sind (vgl. Art. 8 und
Art. 9 Abs. 2 lit. a und c USG
,
Art. 7 und
Art. 9 UVPV
). Das heisst, dass der örtliche Rahmen der Untersuchungen grundsätzlich durch die Reichweite der Immissionen bestimmt wird. Der Gesuchsteller wird daher die grenzüberschreitenden Umweltbelastungen jedenfalls insoweit aufzuzeigen haben, als sie zur Beurteilung des Vorhabens nach schweizerischem Recht von Bedeutung sind. Allerdings wird der Kanton Zürich aufgrund des Landesrechts nicht verpflichtet werden können, Abklärungen auf fremdem Hoheitsgebiet vorzunehmen, durch welche die Souveränität des Nachbarstaats verletzt werden könnte oder die unverhältnismässig aufwendig wären.
Die Pflicht zur Erfassung der grenzüberschreitenden Umweltbelastungen ergibt sich übrigens indirekt auch aus den Prinzipien des Völkerrechts. Im völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht hat sich der Grundsatz durchgesetzt, dass kein Staat auf seinem Territorium Aktivitäten vornehmen, fördern oder dulden darf, die auf dem Gebiet des Nachbarstaats erhebliche Umweltbeeinträchtigungen verursachen (vgl. GEORG DAHM/JOST DELBRÜCK/RÜDIGER WOLFRUM, Völkerrecht, Band I/1, 2. A., Berlin/New York 1989 S. 441 ff., HANSPETER NEUHOLD/WALDEMAR HUMMER/CHRISTOPH SCHREUER, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Band 1, Wien 1991, N. 2114, ULRICH BEYERLIN, Grenzüberschreitender Umweltschutz und allgemeines Völkerrecht, in: Staat und Völkerrechtsordnung, Festschrift für Karl Doehring, Berlin/Heidelberg/New York 1989, S. 37 ff. mit Hinweisen zu Literatur, Rechtsprechung und Staatenpraxis,
BGE 124 II 293 S. 332
ALEXANDRE KISS, Droit international de l'environnement, Paris 1989, S. 80 ff., PIERRE-MAIRE DUPUY, Où en est le droit international de l'environnement à la fin du siècle? Revue Générale de Droit International Public 1997, S. 880 ff., HANSJÖRG PETER, a.a.O. S. 185 ff.). Nach diesem Grundsatz sind die schweizerischen Behörden gehalten, erhebliche grenzüberschreitende Einwirkungen zu verhindern. Dementsprechend müssen die Auswirkungen eines Vorhabens auf das Gebiet jenseits der Schweizer Grenze ebenfalls ermittelt und im Genehmigungsentscheid mitberücksichtigt werden.
Der Kanton Zürich wird demnach dafür zu sorgen haben, dass im überarbeiteten Umweltverträglichkeitsbericht auch die Fluglärm-Belastung des süddeutschen Raumes aufgezeigt wird. Zwar fällt eine Anordnung baulicher Schallschutz-Massnahmen im Sinne von
Art. 20 und 25 USG
ausserhalb des schweizerischen Hoheitsgebiets nicht in Betracht und sind daher keine exakten Angaben erforderlich, doch müssen die Resultate dem EVED erlauben, die Interessen der lärmbetroffenen Bewohner auf deutschem Gebiet in die allgemeine Interessenabwägung miteinzubeziehen.
19.
Das EVED hat die gesetzlich umschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung von Erleichterungen, obschon noch keine konkreten Anträge gestellt worden sind, generell bejaht. Es hat den Gesuchsteller in der Rahmenkonzession verpflichtet, spätestens mit Einreichung des Baukonzessionsgesuches für das Dock Midfield Erleichterungsanträge unter Nennung der vorgesehenen Ersatzmassnahmen zu stellen. Die Anträge müssten einzeln für betroffene Liegenschaften oder für Quartiere mit gleichartiger Einwirkung des Lärms erfolgen, wobei für die einzelnen betroffenen Grundeigentümer ersichtlich sein müsse, welche Auswirkungen die Ersatzmassnahmen mit sich brächten (Auflage Ziffer 3.6.). Auf Erläuterungsgesuch des Konzessionärs hin hat das EVED in einem Schreiben vom 6. Mai 1997 erklärt, der Antrag um Erleichterungen habe mit einem umfassenden Bericht zu erfolgen, in welchem die betroffenen Gebäude mit lärmempfindlichen Räumen, die entsprechenden Empfindlichkeitsstufen, die Schwere der Lärmbelastung, die vorgesehenen Schallschutzmassnahmen sowie deren Auswirkungen und Kosten darzustellen seien. Die Anordnung der einzelnen konkreten Massnahmen müsse im Vollzug anfechtbar bleiben. Weiter sei ein Zeitplan notwendig, welcher Auskunft darüber gebe, wann die Projektierung und die konkrete Umsetzung der Schallschutzmassnahmen bei den einzelnen Gebäuden erfolgen werde. Nach Eingang des Baugesuches mit den Erleichterungsanträgen und dem Bericht werde das EVED
BGE 124 II 293 S. 333
die öffentliche Auflage veranlassen. Parallel zu dieser Anhörung der Betroffenen würden auch das BUWAL und weitere Fachstellen zur Stellungnahme aufgefordert. Das Verfahren werde erstinstanzlich mit einem Entscheid des EVED abgeschlossen.
Gegen die Zusicherung von Erleichterungen im Konzessionsentscheid wenden die Beschwerdeführer einerseits ein, das Departement habe nicht geprüft oder jedenfalls nicht dargelegt, ob nicht doch weitere Emissionsbegrenzungen angeordnet werden könnten, die nicht mit einer unverhältnismässigen Belastung für das Projekt verbunden wären. Andererseits wird vorgebracht, die Gewährung von Erleichterungen und die Anordnung der Ersatzmassnahmen dürften nicht aufgespalten werden. Auch das BUWAL macht geltend, dass die für die Gewährung von Erleichterungen vorzunehmende Interessenabwägung umfassend sein müsse und erst vorgenommen werden könne, wenn klar sei, wie viele Personen von übermässigem Fluglärm betroffen seien. Schliesslich wird geltend gemacht, dass die Inbetriebnahme des Dockes Midfield nicht erfolgen dürfe, bevor die aufgrund der Erleichterungen angeordneten Ersatzmassnahmen getroffen seien. Den Beschwerdeführern ist jedoch in dieser Hinsicht nicht beizupflichten.
a) Der Vorwurf, das EVED habe nur in ungenügender Weise untersucht, ob die Voraussetzungen zu Erleichterungen gegeben seien, ist unbegründet. Im angefochtenen Entscheid wird unter dem Titel "Lärmbegrenzung" dargelegt, dass der vorsorglichen Lärmbegrenzung in der Zivilluftfahrt generell grosse Beachtung geschenkt werde. Was technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich vertretbar sei, werde permanent umgesetzt. Für weitere Emissionsbegrenzungen bleibe deshalb im Rahmen einer Überprüfung, wie sie bei der Erteilung einer Rahmenkonzession zu erfolgen habe, kaum mehr Raum. Das gelte auch für die Situation auf dem Flughafen Zürich. Die Emissionen der Flugzeuge, welche Zürich benützten, seien soweit als möglich reduziert, der Betrieb der lärmigen Kapitel-2-Flugzeuge sei stark eingeschränkt und die SWISSAIR als Hauptbenützerin des Flughafens verbessere ihre Flotte bezüglich des Lärmverhaltens mit grössten Anstrengungen. Auch seien lärmabhängige Landegebühren eingeführt. Weiter könnten die Flugwege im Rahmen des bestehenden Pistenbenützungskonzeptes heute als optimiert gelten. Eine neue Studie über die Abflugverfahren habe dies erst kürzlich bestätigt. Im Betriebsreglement seien zudem zahlreiche teils sehr einschneidende Massnahmen enthalten. Die Regelung über die Betriebszeiten seien im europaweiten Vergleich
BGE 124 II 293 S. 334
äusserst restriktiv. Bei den An- und Abflugverfahren werde permanent nach Verbesserungen gesucht (z.B. Anflugkonfiguration der Flugzeuge, steile Anflüge, Steiggradient nach dem Start). Im Bodenbetrieb werde ebenfalls alles mögliche unternommen (Einschränkung der Triebwerkslaufzeiten vor dem Start, rollende Starts, Bewegen der Flugzeuge mit minimalen Triebwerkszahlen, Vorschriften betreffend Standläufe und Benützung der Schalldämpferanlage usw.). Es bestehe daher - mindestens zur Zeit - kein Spielraum für zusätzliche Lärmbegrenzungsmassnahmen. In übereinstimmung mit dem Konzessionsgesuch gelange die Konzessionsbehörde deshalb zum Schluss, dass eine weitere Lärmbegrenzung nur über eine Senkung der Bewegungszahlen zu realisieren wäre. Eine solche Senkung könne für den Interkontinentalflughafen Zürich aufgrund der heutigen Betriebskonzession und des heutigen Betriebsreglementes jedoch nicht zur Diskussion stehen. Der Flughafen habe gemäss bestehender Betriebskonzession den Bedürfnissen des öffentlichen Luftverkehrs zu genügen. Auf die Forderung nach Einschränkung der Bewegungszahlen sei daher ebensowenig einzugehen wie auf das Begehren, es müsse geprüft werden, ob nicht durch andere Pistenbenützungskonzepte oder An- und Abflugverfahren eine Lärmverminderung erreicht werden könne. Die geltende betriebliche Ordnung sei nicht Gegenstand des Rahmenkonzessionsverfahrens, sondern des Betriebskonzessionsverfahrens, das im Hinblick auf die Erneuerung der Betriebskonzession im Jahre 2001 durchzuführen sein werde.
Damit hat die Konzessionsbehörde in hinlänglicher Weise begründet, weshalb im gesetzlich umschriebenen Sinn bei der Quelle keine weiteren Massnahmen getroffen werden könnten. Ob die Prüfung einer möglichen Begrenzung der Flugbewegungen oder anderer flugbetrieblichen Einschränkungen zu Recht ins Betriebskonzessionsverfahren verwiesen worden ist, ist eine andere Frage, auf die später einzugehen sein wird (vgl. unten E. 20).
b) Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung zu Lärmschutzmassnahmen beim Nationalstrassen- und Eisenbahnbau ausgeführt, die Lärmschutz-Verordnung sehe für die Projektierung und Genehmigung von Lärmschutzvorkehren bei neuen oder geänderten Anlagen sowie für Schallschutzmassnahmen an bestehenden Gebäuden kein besonderes Verfahren vor. Aus der Ordnung von
Art. 25 USG
und Art. 7 bis 12 LSV ergebe sich jedoch dem Sinne nach, dass über die Vorkehren zur Bekämpfung des werkbedingten Lärms grundsätzlich im Bewilligungs- oder Genehmigungsverfahren
BGE 124 II 293 S. 335
für die Anlage selbst zu entscheiden sei. Diese Lösung dränge sich auch aufgrund des Koordinationsgebotes auf. Andererseits dürften Ersatz- und Schutzvorkehren zugunsten der Öffentlichkeit und der Nachbarn in ein nachlaufendes Bewilligungsverfahren verwiesen werden, wenn sachliche Gründe hiefür sprächen. Solche sachlichen Gründe könnten etwa darin liegen, dass vorab noch raumplanerische Verfahren durchgeführt werden müssten oder sich die Notwendigkeit von Schallschutzmassnahmen erst nachträglich zeige. Nachlaufende Bewilligungsverfahren im Sinne von Ergänzungs- oder Detailprojektierungsverfahren seien auch dann zulässig, wenn sie das anwendbare Verfahrensrecht nicht ausdrücklich vorsehe. Allerdings seien in ihnen die Parteirechte umfassend zu gewähren und müsse die Vereinbarkeit des Projekts mit dem Umweltschutz- bzw. Lärmschutzrecht bereits feststehen (
BGE 122 II 165
E. 14 und E. 16c;
BGE 121 II 378
E. 6a, b und c;
BGE 124 II 146
E. 5 b/cc S. 159).
c) Für das luftfahrtrechtliche Verfahren ergibt sich hieraus, dass über Erleichterungen im Sinne von
Art. 18 USG
in Verbindung mit Art. 17 bzw.
Art. 25 USG
und die Pflicht zur Ergreifung von Schallschutzmassnahmen grundsätzlich auf Stufe Baukonzession (oder im Betriebskonzessionsverfahren) zu befinden ist, wo dem Gesuchsteller die Bewilligung zum Bau (oder Betrieb) des Flugplatzes erteilt wird. Beim Vorliegen triftiger Gründe darf der Entscheid über die zu treffenden Schallschutzmassnahmen auch in ein den Baukonzessionsverfahren nachlaufendes gesondertes Bewilligungsverfahren verwiesen werden. Solche Gründe dürfen etwa darin gesehen werden, dass - wie hier - Lärmschutzvorkehren für zahlreiche Bauten getroffen werden müssen und das hiefür erforderliche Auflage- und Anhörungsverfahren den Rahmen der luftfahrtrechtlichen Konzessionserteilung sprengt.
Das EVED ist mithin zu Unrecht davon ausgegangen, dass bereits im Rahmenkonzessionsverfahren spezifizierte Erleichterungsanträge gestellt werden müssten. In diesem Vorverfahren kann vom Gesuchsteller nur verlangt werden, dass er das Vorliegen der Voraussetzungen zur Gewährung von Erleichterungen nachweise und das Ausmass der erforderlichen Schallschutzmassnahmen der Grössenordnung nach aufzeige, damit einerseits eine genügend substantiierte Interessenabwägung vorgenommen und andererseits geprüft werden kann, ob der Flugplatzhalter den ihm obliegenden finanziellen Verpflichtungen aller Voraussicht nach überhaupt nachkommen könne. Diese Anforderungen hat der Kanton Zürich erfüllt
BGE 124 II 293 S. 336
(vgl. insbesondere Fachbericht Fluglärm zum Umweltverträglichkeitsbericht, Technischer Anhang, A4 und A5).
Im Resultat hat sich allerdings die Konzessionsbehörde nach den dargelegten Grundsätzen verhalten und den Gesuchsteller aufgefordert, die konkreten Erleichterungsanträge auf Stufe Baukonzession zu stellen. Weiter ist für die Festlegung der Schallschutzmassnahmen ein nachlaufendes Verfahren in Aussicht genommen worden, in welchem die Mitwirkung der Grundeigentümer gewährleistet werden kann. In jenem wird auch, wie im Schreiben vom 6. Mai 1997 festgehalten, im Einvernehmen mit den Grundeigentümern über den Zeitpunkt der Umbauten zu bestimmen sein. Gegen dieses Vorgehen ist aus der Sicht des Bundesrechts nichts einzuwenden. Allerdings werden sich die auf Stufe Baukonzession anzubringenden konkreten Erleichterungsanträge nach dem früher Gesagten nicht auf die der Rahmenkonzession zugrunde gelegte Zahl von 240'000 Flugbewegungen und die im Umweltverträglichkeitsbericht verwendeten Immissionsgrenzwerte stützen dürfen, sondern müssen auf den neu prognostizierten Bewegungszahlen und den Immissionsgrenzwerten beruhen, die von der Eidgenössischen Kommission für die Beurteilung von Lärmimmissionsgrenzwerten vorgeschlagen worden sind oder bis dahin vom Bundesrat festgelegt sein werden. Die Auflage Ziffer 3.6. der Rahmenkonzession ist in diesem und nicht im Sinne der Erwägung 4.5.5 des angefochtenen Entscheides zu verstehen.
20.
In mehreren Beschwerden wird das Begehren gestellt, zur Eindämmung des Lärms sei die Zahl der Flugbewegungen in der Rahmenkonzession auf jährlich höchstens 240'000 festzusetzen. Weiter sei anzuordnen, dass die An- und Abflugverfahren hinsichtlich der Lärmbelastung verbessert werden müssten und die Nachtruhe strikte einzuhalten sei. Solche Anträge sind nach Auffassung des EVED im Rahmenkonzessionsverfahren unzulässig, da sie den Flugbetrieb betreffen, welcher abschliessend in der Betriebskonzession und im Betriebsreglement geregelt werde.
Wie schon dargelegt (E. 9d und E. 10d) wird in der Betriebskonzession unter anderem die Verpflichtung des Konzessionärs statuiert, die Voraussetzungen für eine geordnete Benützung des Flughafens sicherzustellen und diesen nach den gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen der Konzession zu betreiben (
Art. 19 Abs. 1 lit. a und c VIL
). Die Organisation des Flughafens im einzelnen sowie die An- und Abflugverfahren und die besonderen Vorschriften über die Benützung sind im Betriebsreglement umschrieben, welches die
BGE 124 II 293 S. 337
Betriebskonzession ergänzt (Art. 11 Abs. 1 lit. a und b, Abs. 3 und 4 VIL). In die Betriebskonzession sind jedoch auch die Rahmenbedingungen hinsichtlich der wesentlichen Anforderungen des Umweltschutzrechtes aufzunehmen (
Art. 19 Abs. 1 lit. c VIL
), die im Betriebsreglement ihre konkrete Ausgestaltung erfahren (
Art. 11 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 VIL
). Dementsprechend muss die Betriebskonzession ergänzt oder geändert werden, wenn das Umweltschutzrecht dies erfordert (
Art. 20 Abs. 1 VIL
).
Damit wird, wie hier nochmals wiederholt werden darf, über die umweltschutzrechtlichen Anforderungen eine enge Beziehung hergestellt zwischen Ausbauprojekt und den hiefür erforderlichen Baukonzessionen auf der einen Seite und der Betriebskonzession zusammen mit dem Betriebsreglement auf der anderen Seite. Das bedeutet, dass die Konzessionsbehörde bei einer wesentlichen baulichen Erweiterung eines Flughafens nicht nur zu prüfen hat, ob die Erweiterung zu betrieblichen Änderungen führe, die notwendigerweise eine Anpassung des Betriebsreglementes bedingten. Sie hat auch zu beurteilen, ob der Flugbetrieb infolge des Ausbaus derart zunehmen könnte, dass er mit den Vorschriften des Umweltschutzrechts nicht mehr vereinbar sei und Neuregelungen in der Betriebskonzession oder dem Betriebsreglement erfordere. Ist dies zu bejahen, so muss sie gemäss
Art. 20 Abs. 1 VIL
die Änderung der Betriebskonzession in die Wege leiten. Die Beschwerdeführer verlangen demnach zu Unrecht, dass in der Rahmenkonzession selbst solche Neuregelungen getroffen würden. Dagegen ist ihnen insoweit zuzustimmen, als die Prüfung betrieblicher Einschränkungen aus Umweltschutzgründen im Rahmen- oder Baukonzessionsverfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann. Die Konzessionsbehörde wird daher bei der im Baukonzessionsverfahren für das Dock Midfield zu wiederholenden Umweltverträglichkeitsprüfung mit Blick auf die bevorstehende Neuerteilung der Betriebskonzession auch zu untersuchen haben, ob und unter welchen flugbetrieblichen Bedingungen sich ein weiteres Wachstum des Flugverkehrs, das durch den Ausbau des Flughafens mitermöglicht wird, mit den Anforderungen des Umweltschutzrechts vereinbaren lässt.
21.
a) Die Politische Gemeinde Oetwil an der Limmat verlangt zusammen mit den Mitbeteiligten, dass ein formelles Enteignungsverfahren durchgeführt werde, in welchem die gemäss Prognose voraussehbare Unterdrückung der nachbarrechtlichen Abwehransprüche gegenüber den übermässigen Lärmeinwirkungen abzugelten sei.
BGE 124 II 293 S. 338
Nach neuestem bundesgerichtlichen Entscheid kann jedoch der Betreiber einer öffentlichen Anlage, deren Lärm die Immissionsgrenzwerte übersteigt, in der Regel nicht vor Ablauf der Sanierungsfrist zur Zahlung einer Enteignungsentschädigung verpflichtet werden (
BGE 123 II 560
). Dies muss grundsätzlich auch beim Ausbau einer Anlage gelten, die bereits sanierungspflichtig ist oder durch die Erweiterung sanierungspflichtig wird (vgl. in diesem Zusammenhang die Privilegierung in
Art. 20 Abs. 1 USG
). Nun beginnt die Sanierungsfrist, die sich über höchstens fünfzehn Jahre erstreckt (
Art. 17 Abs. 2 LSV
), für die Landesflughäfen erst mit dem Inkrafttreten der entsprechenden Belastungsgrenzwerte zu laufen (
Art. 48 lit. a LSV
). Diese stehen wie erwähnt noch aus. Die Anmeldung eines Entschädigungsanspruchs aus formeller Enteignung für die mit dem Ausbau des Flughafens Zürich verbundenen Lärmimmissionen erscheint daher zur Zeit jedenfalls als verfrüht. Es könnte sich einzig fragen, ob ein solcher Anspruch nicht insoweit sofort entstehe, als beim Ausbau Erleichterungen gemäss Art. 18 in Verbindung mit
Art. 17 USG
gewährt werden. Diese Frage braucht jedoch im vorliegenden Verfahren - vor dem Entscheid über die Erleichterungen - nicht näher geprüft zu werden.
b) Verschiedene Beschwerdeführer meinen, im Rahmenkonzessionsverfahren seien auch die - heute bereits überholten - Lärmzonenpläne zu revidieren. Absicht des eidgenössischen Gesetzgebers ist indes, die bestehenden Lärmzonenpläne für Landesflughäfen durch den in der Lärmschutz-Verordnung vorgesehenen Lärmbelastungskataster (
Art. 37 LSV
) zu ersetzen (vgl. Botschaft des Bundesrates über eine Änderung des Luftfahrtgesetzes vom 20. November 1991, BBl 1992 I 607, 630 zu Art. 42). Dieser Kataster ist bis spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten der Lärmbelastungsgrenzwerte zu erstellen (Art. 37 Abs. 3 in Verbindung mit
Art. 48 lit. c LSV
). Die Festlegung der Grenzwerte für Landesflughäfen sollte nun, da der Vorschlag der Eidgenössischen Kommission auf dem Tische liegt, in absehbarer Zeit erfolgen. Unter diesen Umständen wäre es unabhängig von der Frage der Revisionsbedürftigkeit der Pläne unverhältnismässig, im heutigen Zeitpunkt von den Flughafenhaltern noch eine Überarbeitung und allfällige Neuauflage der Lärmzonenpläne zu verlangen.
LUFTREINHALTUNG
22.
Der VCS, der Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich und die südlichen Nachbargemeinden des Flughafens
BGE 124 II 293 S. 339
weisen darauf hin, dass sich die zu erweiternde Anlage in einem lufthygienischen Sanierungsgebiet befinde, in dem der Immissionsgrenzwert für NO2 selbst im Jahre 2010 noch nicht eingehalten werden könne. Die prognostizierten Grenzwertüberschreitungen seien massiv und würden aller Wahrscheinlichkeit nach in Wirklichkeit noch übertroffen. Daher müssten beim Grossemittenten Flughafen Zürich flugseitig direkt gestützt auf
Art. 11 Abs. 3 und
Art. 12 USG
weitergehende Massnahmen angeordnet werden und sei der Kanton Zürich anzuhalten, den Teilplan Flughafen des Luft-Programmes zu "verschärfen". Vor Anordnung dieser weiteren Emissionsbegrenzungen könne das Ausbauprojekt nicht bewilligt werden. Ausserdem müsse schon die Rahmenkonzession mit der Auflage verbunden werden, dass eine Emissionsabgabe (Lenkungsabgabe) für Flugzeuge eingeführt werde. Eine rechtliche Sonderbehandlung hinsichtlich der Einhaltung des Luftreinhaltegebots, wie sie beim Nationalstrassenbau aufgrund des verfassungsrechtlichen Auftrags von
Art. 36bis BV
zugelassen worden sei, liesse sich für Flughäfen im allgemeinen und den Flughafen Zürich im speziellen nicht rechtfertigen. Was schliesslich die Anlagen für den landseitigen Verkehr betreffe, so habe die Vorinstanz übersehen, dass Parkhäuser nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung stationäre Anlagen im Sinne von
Art. 2 Abs. 1 LRV
und nicht Verkehrsanlagen seien.
23.
Die Konzessionsbehörde geht in ihrem Entscheid davon aus, dass die Flughafenbauten und -anlagen insgesamt - einschliesslich der Anlagen für den landseitigen Verkehr, wie Parkhäuser, Zufahrtsstrassen usw. - als Verkehrsanlage im Sinne von Art. 2 Abs. 3 der Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 (LRV; SR 814.318.142.1) zu gelten habe. Zu Recht. Wie das Bundesgericht unlängst in seinen Entscheiden betreffend zwei Parkhäuser auf dem Areal des Flughafens Zürich festgestellt hat, sind auch Anlagen, die nur "überwiegend" dem Flugbetrieb dienen, nach
Art. 37a Abs. 1 und 5 LFG
Bestandteil des Flugplatzes. Demnach gelten nicht nur die dem eigentlichen Flugverkehr dienenden Bauten, sondern ebenso die im Zusammenhang mit dem Flugbetrieb stehenden Anlagen des landseitigen Verkehrs zu den "Flugplatzanlagen" gemäss
Art. 2 VIL
. Sie unterstehen daher den luftfahrtrechtlichen Bestimmungen, soweit keine andere Spezialgesetzgebung zum Zuge kommt. Als luftfahrtrechtlich einheitliches Gebilde sind Flugplatzanlagen auch im Sinne der Vorschriften über die Luftreinhaltung gesamthaft als Verkehrsanlage zu behandeln.
BGE 124 II 293 S. 340
Indessen darf und soll der Tatsache, dass Flugplätze, insbesondere die Landesflughäfen, verschiedene Verkehrsarten umfassende, "gemischte" Verkehrsanlagen darstellen, bei der Umweltverträglichkeitsprüfung in dem Sinne Rechnung getragen werden, dass die Auswirkungen dieser Anlage nicht nur in ihrer Gesamtheit, sondern gleichfalls nach Verkehrsart gesondert zu beurteilen sind (vgl. im einzelnen
BGE 124 II 75
E. 4, 7a und b; so auch nicht publ. Entscheid vom 19. Februar 1998 i.S. Flughafen-Immobilien-Gesellschaft FIG, E. 4 und 5).
Sind somit die Flughafenbauten insgesamt den Verkehrsanlagen zuzurechnen, bestimmt sich deren Umweltverträglichkeit hinsichtlich der Luftreinhaltung nach den Anforderungen von Art. 18 f. und 31 ff. LRV und kann die von den Beschwerdeführern angerufene bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den stationären Anlagen keine Geltung haben. Vielmehr sind hier - entgegen der Meinung der Beschwerdeführer - ähnliche Überlegungen am Platze, wie sie das Bundesgericht im Zusammenhang mit dem Nationalstrassenbau angestellt hat (s.
BGE 122 II 97
und die in
BGE 122 II 165
E. 12 genannten Urteile). Es ist in der Tat nicht einzusehen, weshalb den Flugplätzen und insbesondere den Landesflughäfen, welche - wie bereits eingehend dargelegt (E. 18a) - im gesamtschweizerischen Interesse liegen, als Verkehrsanlage eine wesentlich andere Bedeutung beigemessen werden sollte als den Nationalstrassen. Eine solch unterschiedliche Bedeutung lässt sich auch nicht aus dem Wortlaut von
Art. 37ter BV
im Vergleich zu
Art. 36bis BV
ableiten. Zwar wird in
Art. 37ter BV
, der seinerzeit den Artikeln über die Schiffahrt (
Art. 24ter BV
) und die Eisenbahnen (
Art. 26 BV
) nachgebildet worden ist (vgl. MARTIN LENDI, Kommentar zur Bundesverfassung, N. 2 zu Art. 37ter), lediglich bestimmt, dass die Gesetzgebung über die Luftschiffahrt Bundessache sei, während
Art. 36bis BV
den Bund zur Sicherstellung des Nationalstrassenbaus verpflichtet. Es trifft wohl auch zu, dass sich der Bund im Jahre 1921 bei der Aufnahme von Art. 37ter in die Bundesverfassung über den künftigen Stellenwert des Luftverkehrs und der entsprechenden Infrastruktur noch nicht im klaren war. Das ändert jedoch nichts daran, dass das eidgenössische Parlament seinen Willen zum Bau und zur Erweiterung des Flughafens Zürich in den Bundesbeschlüssen über den Ausbau der Zivilflugplätze vom 22. Juni 1945 und über den Bau des interkontinentalen Flughafens Zürich-Kloten vom 13. Juni 1946 (BS 7 S. 738, 740) deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Seither ist dieser Wille zur Erhaltung eines leistungsfähigen
BGE 124 II 293 S. 341
Landesflughafens Zürich durch stete Gewährung finanzieller Unterstützung bei den verschiedenen Ausbauetappen bekräftigt worden (s. etwa BBl 1958 II 929, 1959 I 564; 1971 I1 140, 1971 II 954;
1979 III 1116
, 1980 II 657). Selbst nach Erlass des Umweltschutzgesetzes und der Luftreinhalte-Verordnung hat der Gesetzgeber das eminente Interesse am weiteren Ausbau der Landesflughäfen erneut betont (vgl. oben E. 18a, mit Hinweis). Auch an dieser Wertung der Bundesversammlung kann gleich dem, was in
BGE 122 II 165
E. 12 S. 169 für den Nationalstrassenbau ausgeführt worden ist, nicht vorbeigesehen werden. Übrigens zeichnen das Umweltschutzgesetz und die Luftreinhalte-Verordnung selbst die Privilegierung von Verkehrsanlagen vor, die ausdrücklich auch die Flugplätze mitumfasst (
Art. 20 Abs. 1 und
Art. 25 Abs. 3 USG
, Art. 19 in Verbindung mit
Art. 2 Abs. 3 LRV
).
24.
Im Sinne der zitierten Rechtsprechung zum Nationalstrassenbau ist auch im vorliegenden Fall festzustellen, dass die gesetzlichen Bestimmungen die Rechtmässigkeit des Flughafen-Erweiterungsprojekts trotz der Überschreitung der in der Luftreinhalte-Verordnung festgesetzten Immissionsgrenzwerte nicht ausschliessen (vgl. zur Tragweite von
Art. 18 USG
insbesondere
BGE 117 Ib 425
E. 5d). Bei der Bewilligung der Erweiterung sind indessen alle technisch und betrieblich möglichen und wirtschaftlich tragbaren Massnahmen anzuordnen, mit denen die verkehrsbedingten Emissionen begrenzt werden können (vgl.
Art. 11 Abs. 2 USG
und
Art. 18 LRV
). Reichen die vorsorglichen Emissionsbegrenzungen bei den Flug- und Fahrzeugen und den Verkehrsanlagen nicht aus, um die durch den Verkehr allein oder zusammen mit anderen Anlagen verursachten übermässigen Immissionen zu verhindern oder zu beseitigen, so hat die Behörde nach
Art. 19 LRV
dafür zu sorgen, dass die Flughafenanlage in eine Massnahmenplanung einbezogen wird, wie sie in
Art. 44a USG
bzw. in
Art. 31 ff. LRV
umschrieben wird. In dieser sind die - auch projektbezogenen (
BGE 122 II 165
E. 15a) - zusätzlich erforderlichen baulichen, betrieblichen, verkehrslenkenden oder -beschränkenden Massnahmen anzuordnen, wobei sich die Zuständigkeit und das Verfahren nach den einschlägigen eidgenössischen und kantonalen Vorschriften richten (
Art. 33 Abs. 1 und 2 LRV
in der Fassung vom 16. Dezember 1985).
Im Lichte dieser Vorschriften erscheinen die vom Kanton Zürich teils ergriffenen, teils noch vorgesehenen Massnahmen als genügend.
a) Im Zusammenhang mit der Erarbeitung des "Masterplans" wurde 1991 für den Flughafen Zürich eine allgemeine Umweltbilanz
BGE 124 II 293 S. 342
erstellt, die aufzuzeigen hatte, ob ein weiterer Ausbau des Flughafens Zürich mit der geltenden Umweltschutzgesetzgebung vereinbart werden könne. Diese Bilanz bildete die Ausgangsbasis zu intensivierten Bemühungen auf den verschiedenen Umweltschutz-Teilbereichen. Sie führte unter anderem zur Erstellung eines Teilplans Flughafen als Ergänzung zum kantonalen Luftprogramm 1990, der vom Zürcher Regierungsrat im Juni 1992 zusammen mit dem "Masterplan" genehmigt wurde. Zur Kontrolle der im Teilplan vorgesehenen Massnahmen betreffend den Flugverkehr wurde in der Folge im Bereich der Piste 28 eine Immissionsmessanlage eingerichtet. Ab 1993 galt für alle Flugzeuge an den Fingerdocks das Verbot, die flugzeugeigenen Hilfsaggregate einzusetzen. Im Juli 1993 ersuchte der Zürcher Regierungsrat den Bund, die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung einer Lenkungsabgabe auf Flugzeugemissionen zu schaffen (vgl. Geschäftsberichte des Zürcher Regierungsrates für das Jahr 1992 S. 242 und für das Jahr 1993 S. 252). Noch im gleichen Jahr wurde den kantonalen Behörden der Auftrag erteilt, das Luft-Programm 1990 samt den Teilplänen zu überprüfen und zu aktualisieren. Am 10. Juni 1996 stimmte der Regierungsrat dem neuen "Luft-Programm für den Kanton Zürich, Massnahmenplan Lufthygiene" zu. In diesem wird einleitend festgehalten, dass Massnahmen, welche auf der Grundlage des Luft-Programms 1990 angeordnet, aber noch nicht abschliessend realisiert worden sind, auf der Basis des bisherigen Rechts ausgeführt werden müssen, auch wenn die Vorkehren nicht mehr im Luft-Programm 1996 enthalten sind.
Mit Beschluss vom 20. August 1997 änderte der Zürcher Regierungsrat die Gebührenordnung für den Flughafen Zürich und führte auf den 1. September 1997 emissionsabhängige Zuschläge auf den Landegebühren ein.
Im "Luft-Programm 1996" wird zum Teilplan Flughafen dargelegt, dieser gehe davon aus, dass der Bund die bereits beantragte Lenkungsabgabe zur Bevorzugung emissionsarmer Triebwerke einführe und dass die Flughafenpartner im Rahmen der fünften Ausbauetappe die Erschliessung mit öffentlichem Verkehr so weit verbesserten, dass die Modal-Split-Ziele von 50% für Passagiere und 40% für Angestellte erreicht würden. Hauptpfeiler des Massnahmenpakets zur Reduktion der Emissionen seien somit beim Flugbetrieb die Einführung einer Emissionsabgabe, die über die im Luftfahrtgesetz bereits vorgesehenen emissionsabhängigen Landetaxen hinausgehe. Beim landseitigen Verkehr stehe der Ausbau
BGE 124 II 293 S. 343
des Flughafenbahnhofs, der Anschluss an den geplanten Mittelverteiler Glattal und das regionale Güterverteilzentrum im Vordergrund, ergänzt durch die Erhöhung der Parkgebühren bzw. durch die Möglichkeit, Zufahrtsgebühren zu erheben.
b) Nach dem Gesagten ist der Kanton Zürich der in
Art. 44a USG
bzw. in
Art. 31 ff. LRV
aufgestellten Anforderung einer projektbezogenen Massnahmenplanung nachgekommen und hat die nötigen Schritte zu deren Realisierung unternommen. Das Begehren der Beschwerdeführer, das Ausbauprojekt sei erst zu bewilligen, wenn weitere Emissionsbegrenzungen für den Flugbetrieb angeordnet seien und der Teilplan Flughafen des Luftprogramms "verschärft" sei, lässt sich mit der gesetzlichen Ordnung und der zitierten Rechtsprechung nicht vereinbaren. Danach kann im Baubewilligungs-, Plangenehmigungs- oder Konzessionsverfahren für die Erstellung oder Erweiterung einer Verkehrsanlage nur gefordert werden, dass die dem Gebot von
Art. 18 LRV
entsprechenden baulichen und sich auf die bauliche Ausgestaltung auswirkenden technischen und betrieblichen Massnahmen an der Anlage selbst ergriffen werden. Zudem muss gewährleistet bleiben, dass mögliche weitere bauliche Vorkehren, die allenfalls im Massnahmenplan vorbehalten werden, noch getroffen werden können. Dagegen verlangen die gesetzlichen Bestimmungen nicht, dass schon im Rahmen der Genehmigung des Projektes angeordnet werde, welche zusätzlichen, die Fahrzeuge und den Verkehr betreffenden - insbesondere verkehrslenkenden und -beschränkenden - Massnahmen zu erlassen seien, um übermässige Immissionen zu verhindern oder zu beseitigen (
BGE 122 I 97
E. 6a S. 100, mit zahlreichen Hinweisen). Zur Forderung nach "Verschärfung" des Luftprogramms ist im übrigen zu bemerken, dass die Massnahmenpläne - wie nun auch in
Art. 33 Abs. 3 LRV
in der Fassung vom 15. Dezember 1997 ausdrücklich vorgesehen wird - ohnehin regelmässig anzupassen sind, wenn sich die vorgesehenen Massnahmen als zu wenig wirksam erweisen (vgl.
BGE 117 Ib 425
E. 5e S. 433).
Offensichtlich fehl geht schliesslich die Meinung der Beschwerdeführer, die Rahmenkonzession hätte nicht ohne die Auflage erteilt werden dürfen, dass eine Emissionsabgabe (Lenkungsabgabe) für Flugzeuge eingeführt werde. Konzessionen sollen grundsätzlich nur mit Auflagen verbunden werden, denen der Konzessionär selbst entsprechen kann (vgl. sinngemäss
BGE 124 II 75
E. 5). Die Festsetzung von Lenkungsabgaben auf Triebwerksemissionen fällt jedoch in den Zuständigkeitsbereich des Bundes; dem Kanton steht nur ein
BGE 124 II 293 S. 344
Antragsrecht gemäss
Art. 44a Abs. 3 USG
bzw.
Art. 34 Abs. 1 LRV
zu. Es wäre daher nicht zu rechtfertigen, eine Rahmenkonzession zwar zu erteilen, sie aber von der Schaffung einer solchen Lenkungsabgabe abhängig zu machen. Sowenig in einem Bewilligungsverfahren für Verkehrsanlagen von der Bewilligungsbehörde verkehrslenkende Massnahmen angeordnet werden können, die in den Kompetenzbereich einer anderen Behörde fallen (vgl.
BGE 122 II 97
E. 6c), sowenig kann der Erlass solcher Massnahmen durch die zuständige Drittbehörde zur Auflage im Bewilligungsentscheid gemacht werden (s.a.
BGE 120 II 337
E. 7a S. 353;
BGE 119 Ib 480
E. 7b S. 490). Daran ändert auch nichts, dass die ausdrückliche Vorschrift von
Art. 33 Abs. 2 LRV
in der ursprünglichen Fassung vom 16. Dezember 1985 bei der Neufassung der Bestimmungen von Art. 31 bis 33 LRV am 15. Dezember 1997 fallengelassen worden ist.
SONDERFRAGEN DES LANDVERKEHRS
25.
Im Zusammenhang mit dem Luftreinhaltungsgebot machen die Beschwerdeführer im weiteren geltend, das Bedürfnis nach zusätzlichen Parkplätzen, das durch den Bau eines Parkhauses C gedeckt werden soll, sei in keiner Weise ausgewiesen. Die im Umweltverträglichkeitsbericht enthaltenen Angaben über den Ist- und den Ausgangszustand seien unvollständig und widersprüchlich. Zudem sei unverständlich, weshalb im angefochtenen Entscheid ein Parkplatzbewirtschaftungskonzept erst im Hinblick auf die Baukonzession des Parkhauses C verlangt werde, sei doch ein solches bereits 1992 im Teilplan Flughafen des Luftprogramms in Aussicht gestellt worden. Da für den Betriebszustand eine Zunahme des motorisierten Individualverkehrs von 30% prognostiziert werde, seien zusätzliche kompensatorische Massnahmen zur Reduktion der Schadstoffimmissionen erforderlich. Der angestrebte Modal-Split (Öffentlicher-Verkehrs-Anteil von 42%) sei deshalb ungenügend und müsse erhöht werden, ganz abgesehen davon, dass es an einer rechtlichen und finanziellen Sicherung der Massnahmen zur Förderung des öffentlichen Verkehrs fehle. Da es infolge des Mehrangebots an Parkplätzen auch zu Mehrverkehr auf den schon heute überbelasteten Zufahrtsstrassen kommen werde, müssten zusätzliche verkehrslenkende Massnahmen ergriffen werden, um eine Verlagerung des Verkehrs auf das untergeordnete Strassennetz zu verhindern. Diese Massnahmen müssten bei Realisierung des Projekts bereits wirksam sein.
BGE 124 II 293 S. 345
Schliesslich verlangen die Beschwerdeführer, dass die landseitige Bahnerschliessung der zu erweiternden Frachtanlagen verbindlich zu regeln sei und für die Bauphase vorgeschrieben werde, Materialtransporte müssten generell per Bahn abgewickelt werden.
26.
Die Kritik der Beschwerdeführer an der Darstellung der Parkplatzsituation im Umweltverträglichkeitsbericht entbehrt nicht einer gewissen Berechtigung. In der Tat fehlen in den Gesuchsunterlagen Angaben über die heutige Gesamtzahl der vorhandenen Parkplätze und über deren Nutzung. Als noch bedenklicher erscheint aber, dass neben den ins Rahmenkonzessionsverfahren einbezogenen Parkhaus-Bauvorhaben weitere Projekte für Parkplätze in besonderen Bewilligungsverfahren behandelt worden sind und bis anhin keine Umweltverträglichkeitsprüfung angestellt worden ist, in welcher eine Gesamtbeurteilung vorgenommen worden wäre.
a) Die Ermittlungen im Rahmen des "Masterplanes" haben bereits im Jahre 1992 ergeben, dass trotz der angestrebten Verlagerung des Individualverkehrs auf den öffentlichen Verkehr im Flughafenkopf 14'000 Parkplätze zur Verfügung gestellt werden müssten. Es würden daher - wie im "Masterplan 92" dargelegt wird - insgesamt 6'000 zusätzliche Parkplätze benötigt, wobei 3'500 Plätze neu zu schaffen und 2'500 Plätze wegen der Bautätigkeit zu ersetzen seien. Diese Parkfelder könnten durch Aufstockung der bestehenden Parkhäuser A, B und F, durch Neubau eines Parkhauses C mit 2'500 Plätzen sowie durch Erstellung einer Parkierungsanlage Borddienst mit 1'000 Plätzen und eines Dienstleistungszentrums "Butzenbühl" mit Parkplätzen realisiert werden.
In der Folge wurde zunächst ein kantonalrechtliches Verfahren für die Aufstockung des Parkhauses A eingeleitet und vom Stadtrat Kloten am 3. November 1992 bewilligt. Diese Bewilligung ist nach Durchführung eines kantonalen Rechtsmittelverfahrens rechtskräftig geworden. Am 28. Mai 1993 unterbreitete die Flughafen-Immobilien-Gesellschaft FIG dem Stadtrat Kloten ein Gesuch um Aufstockung des Parkhauses B, wobei nachträglich ein Umweltverträglichkeitsbericht für die Parkhäuser A und B eingereicht wurde. Die Baubewilligung des Stadtrats Kloten vom 8. November 1994 wurde im kantonalen Rechtsmittelverfahren am 3. Juli 1997 letztinstanzlich vom Verwaltungsgericht des Kantons Zürich aufgehoben; dessen Entscheid ist auf Beschwerde der FIG hin vom Bundesgericht am 19. Februar 1998 (1A.266/1997) bestätigt worden. Wie hier geschildert, ersuchte der Kanton Zürich das EVED am 28. Juli 1995 um eine Rahmenkonzession unter anderem für den Bau
BGE 124 II 293 S. 346
des Parkhauses C und die Aufstockung des Parkhauses F. Im Umweltverträglichkeitsbericht zum Rahmenkonzessionsgesuch wird erklärt, dass die in separaten Verfahren behandelten Ausbauvorhaben zwar nicht Gegenstand der Untersuchungen seien, aber bei der Beurteilung des Ausgangs- und Betriebszustandes miteinbezogen werden müssten (Synthese Umweltverträglichkeitsbericht S. 40). Inwiefern ein solcher Einbezug erfolgt ist, geht aus den Fachberichten jedoch nicht oder jedenfalls nicht klar hervor (vgl. insbesondere Fachbericht "Luft" Anhang 3, Tabelle A 10 Berechnungsgrundlage Parkhausemissionen). Am 4. Oktober 1996 reichte die FIG ein weiteres Baukonzessionsgesuch für die Erstellung einer Parkdeckanlage auf der Parkfläche P 40 als Ersatz für die aufzuhebende Parkfläche P 16 ein. Der hiezu eingereichte Umweltverträglichkeitsbericht hat allein die Parkdeckanlage zum Gegenstand. Die vom EVED am 2. April 1997 erteilte Baukonzession ist auf Beschwerde des VCS hin vom Bundesgericht am 19. Februar 1998 aufgehoben worden, weil die FIG nicht Konzessionärin sein kann (
BGE 124 II 75
). Im übrigen hat das EVED am 23. Januar 1997 der SWISSAIR eine Baukonzession für ein Borddienstgebäude verliehen, das ebenfalls grössere Parkflächen umfasst. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von
Art. 9 USG
ist nicht durchgeführt worden, da offenbar die Koordinationsstelle für Umweltschutz des Kantons Zürich im Einvernehmen mit dem BUWAL festgestellt hat, dass das Projekt aufgrund seiner Funktion und seines Umfangs nicht der Pflicht zur Erstellung eines Umweltverträglichkeitsberichts unterliege (BBl 1997 I 871, 874).
b) Angesichts dieser Vorgänge hat das Bundesgericht in
BGE 124 II 75
E. 7a S. 82 im Sinne eines "obiter dictum" ausgeführt, wenn die Parkhäuser Teil der Flughafenanlage Zürich bildeten und die Errichtung neuer Parkflächen als Änderung der Gesamtanlage gelten könne, so habe dies auch zur Folge, dass gleichzeitig geplante Änderungen der Anlage - seien sie in Teilprojekte gegliedert oder zusammengefasst - in gesamtheitlicher Betrachtung vorbereitet und geprüft werden müssten. Stehe fest, dass ein Änderungsprojekt, wie etwa die Vergrösserung der Parkplatzzahl im Flughafenkopf, in relativ rasch aufeinanderfolgenden Etappen verwirklicht werden soll, oder lägen den Behörden Konzessionsgesuche für verschiedene Teil-Umbauten vor, die sich gemeinsam auf die Umwelt auswirken könnten, so sei die Umweltverträglichkeit des einzelnen Vorhabens unter Einbezug der anderen Teile zu prüfen und erscheine die auf ein Einzelprojekt beschränkte Behandlung unzulässig.
BGE 124 II 293 S. 347
An diesen Erwägungen ist festzuhalten. Das heisst indessen nicht, dass ein besonders dringliches Teil-Projekt nicht aus einem Baupaket herausgelöst und in einem vorgezogenen Bewilligungsverfahren behandelt werden dürfte. Es soll auch nicht sagen, dass bei der Umweltverträglichkeitsprüfung für konkret vorgesehene Bauprojekte in jedem Fall noch rein hypothetische zukünftige Ausbauschritte in Betracht gezogen werden müssten (nicht publ. Entscheid vom 19. Februar 1998 i.S. FIG, E. 6b mit Hinweis). Es bedeutet jedoch, dass die Aufteilung eines Ausbauvorhabens in verschiedene Teilschritte und Bewilligungsverfahren nicht zum Resultat führen darf, dass die Gesamtauswirkungen des Ausbaus ungeprüft bleiben.
Im Rahmen der Baukonzessionsverfahren wird daher bei der Ergänzung des Fachberichtes "Luft" bzw. der diesem zugrundeliegenden Untersuchungen die Parkplatzsituation nochmals sorgfältig zu erfassen sein und eine Gesamtbeurteilung unter Einbezug sämtlicher Projekte erfolgen müssen.
c) Im bereits zitierten
BGE 124 II 75
hat das Bundesgericht auch bemerkt, es sei nicht einzusehen, weshalb in den vorweggenommenen Verfahren für Parkhaus-Projekte, die nicht zur fünften Ausbauetappe gezählt werden, nicht bereits betriebliche Massnahmen angeordnet worden seien, wie sie nun in der Rahmenkonzession vorgesehen sind (E. 7d S. 84). Angesichts der Grosszahl der bereits heute auf dem Flughafenareal vorhandenen Parkplätze - gemäss Beschwerdeantwort des Flughafenhalters 13'075 - bestehe offensichtlich ein Bedürfnis nach einem möglichst rasch, unabhängig vom Projekt für das Parkhaus C, zu erarbeitenden Parkplatzbewirtschaftungskonzept. Diese Feststellung ist hier ebenfalls zu bestätigen. Dementsprechend erweist sich das Begehren des VCS, das vom Flughafenhalter zu erarbeitende Parkplatzbewirtschaftungskonzept müsse spätestens im Zeitpunkt des Baukonzessionsgesuches für das Dock Midfield - und nicht erst mit dem Konzessionsgesuch für das Parkhaus C - vorgelegt werden, als berechtigt. Ziffer 3.5.2. der Rahmenkonzession ist in diesem Sinne zu ändern.
27.
Im kantonalen "Luft-Programm 1996" wird vorgeschrieben, dass zur Sicherstellung des für die fünfte Ausbauetappe formulierten Ziels (Öffentlicher-Verkehrs-Anteil von 50% für Passagiere und von 40% für Angestellte) flankierende Massnahmen zur Förderung des Umsteigens auf den öffentlichen Verkehr ergriffen werden müssten. Einerseits soll eine spezifische Marketingstrategie entwickelt werden, um das Umsteigen von Flughafenangestellten,
BGE 124 II 293 S. 348
Passagieren und Besuchern vom privaten auf den öffentlichen Verkehr zu fördern. Andererseits sollen mit einer Erhöhung der Parkgebühren auf allen Flughafenparkplätzen die Kosten einer Fahrt zum Flughafen mit dem Privatauto für alle Zielgruppen erhöht werden (Teilplan Flughafen L 2 lit. a und b).
Im Rahmenkonzessionsentscheid wird der angestrebte Modal-Split (Aufteilung auf den öffentlichen Verkehr bzw. auf den Individualverkehr) als ehrgeizig bezeichnet und näher untersucht, wie dessen Erreichung anlageseitig gewährleistet werden könnte. Hiefür sei - wie im einzelnen ausgeführt wird - in erster Linie der öffentliche Verkehr auszubauen und zu verbessern (Ausbau des Bahnhofterminals, Bau eines Busterminals und - später - des Mittelverteilers Glattal, Verdichtung der Fahrpläne usw.), doch müsse auch in beschränktem Ausmass das Parkplatzangebot erhöht werden, um den sonst aufkommenden Bring- und Holverkehr ("kiss and ride") zu verhindern. Zur Sicherstellung des angestrebten Anteils an öffentlichem Verkehr wird schliesslich dem Flughafenhalter die Erarbeitung des bereits erwähnten Parkplatzbenützungskonzepts sowie des im "Luft-Programm 96" vorgesehenen Marketingkonzepts zur Auflage gemacht. Zusätzlich wird der Kanton Zürich aufgefordert, in einem Plan festzulegen, welche konkreten weiteren Massnahmen angeordnet würden, wenn das bereits Vorgesehene zur Erreichung des Modal-Split nicht genüge. In diesem zusätzlichen "Massnahmenplan", der mit dem Baukonzessionsgesuch für das Dock Midfield vorzulegen ist, ist auch aufzuzeigen, wann welche zusätzlichen Vorkehren ergriffen werden.
Trotz des gemäss den Fachberichten hochgesteckten Ziels verlangt der VCS zusammen mit dem BUWAL, dass der angestrebte Modal-Split bzw. der Anteil an öffentlichem Verkehr angesichts des riesigen Sanierungsbedarfs noch erhöht werde. Die Umweltverträglichkeit des Projekts sei erst einigermassen gewährleistet, wenn dieses keinen zusätzlichen Individualverkehr auslöse. Weiter fordert der VCS zusammen mit anderen Beschwerdeführern, dass die zur Erreichung des Modal-Splits nötigen Massnahmen in der Rahmenkonzession selbst "rechtlich und finanziell" abgesichert würden.
Diese Begehren sprengen den Rahmen dessen, was vernünftigerweise im vorliegenden Verfahren verlangt werden kann. Wie dargelegt, wird der im Flughafen Zürich zu erreichende Anteil an öffentlichem Verkehr im kantonalen Massnahmenplan bestimmt und werden auch die hiefür zu ergreifenden Vorkehren festgelegt.
BGE 124 II 293 S. 349
Massnahmenpläne sind aber für die kantonalen Behörden verbindlich (vgl.
Art. 44a Abs. 2 USG
) und regelmässig auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen (
Art. 33 Abs. 3 LRV
in der Fassung vom 15. Dezember 1997). Dass der Zürcher Massnahmenplan schon heute klar unzureichend wäre (vgl.
BGE 119 Ib 480
E. 7a S. 490), behauptet auch das BUWAL nicht. Ausserdem wird hier der Flughafenhalter im Konzessionsentscheid zu zusätzlichen Abklärungen und Massnahmen hinsichtlich des Modal-Splits verpflichtet. Damit ist das zur Zeit rechtlich Mögliche unternommen worden, um die Erhöhung des Anteils an öffentlichem Verkehr zu gewährleisten. Wie die Beschwerdeführer selbst erwähnen, fallen gewisse Entscheide über den Ausbau und die Finanzierung der öffentlichen Verkehrsmittel in die Zuständigkeit des Parlamentes oder setzen die Zustimmung der Stimmbürger voraus. Solche Beschlüsse können nicht durch Auflagen im luftfahrtrechtlichen Konzessionsverfahren vorweggenommen werden. An der bestehenden Kompetenzordnung kann - wie bereits dargelegt (E. 24b) - weder im Rahmenkonzessionsverfahren noch bei der Massnahmenplanung gemäss
Art. 31 ff. LRV
gerüttelt werden.
28.
Ähnliches gilt für das Begehren des VCS, es müssten bereits heute, im Rahmenkonzessionsverfahren, oder allenfalls in den Baukonzessionsverfahren verkehrslenkende oder -beschränkende Anordnungen getroffen oder geplant werden, um ein Ausweichen des landseitigen Verkehrs auf das untergeordnete Strassennetz zu verhindern. Weitere Beschwerdeführer stellen den Antrag, ein entsprechendes Konzept sei auf den Zeitpunkt des Baukonzessionsgesuchs für das Dock Midfield vorzulegen.
Das Rahmenkonzessionsgesuch sieht für die Strassenzufahrten zum Flughafenkopf eine neue Linienführung in Form eines grossräumig angelegten Kreisels um den "Butzenbühl" vor, der eine Entflechtung der verschiedenen Verkehrsarten ermöglichen wird. Obschon dadurch die Rückstau-Gefahr beim Flughafen selbst verkleinert werden kann, ist in der Region mittleres Glattal auch infolge des voraussehbaren Siedlungswachstums weiterhin mit einer Überlastung des Strassennetzes zu rechnen. Nach den Ausführungen im angefochtenen Entscheid kann diese Verkehrsüberlastung jedoch nicht als flughafenspezifisches und schon gar nicht als durch den Ausbau bedingtes Problem betrachtet werden. Die ungelösten Verkehrsfragen in der Region seien Gegenstand einer übergeordneten Planung und würden vom kantonalen Tiefbauamt im Rahmen der Strassensanierung behandelt. - Gegen ein solches Vorgehen ist
BGE 124 II 293 S. 350
von Bundesrechts wegen nichts einzuwenden. Demnach werden auch in jenem Strassensanierungsverfahren Bestrebungen zu unternehmen sein, um ein Ausweichen des Verkehrs auf die Quartierstrassen zu verhindern. Im übrigen sieht das kantonale "Luft-Programm 1996" bereits entsprechende Massnahmen zur Bewirtschaftung des Strassennetzes und zur Anordnung flankierender Massnahmen zu Strassenbauprojekten vor (PV 1 und PV 6; s.a.
BGE 123 II 337
E. 7a).
29.
Als Ergänzung zu den bestehenden Anlagen für die Frachtabfertigung soll südlich der Bauten "Fracht Ost I" ein neues, 250 m langes Gebäude erstellt werden, das eine zwei- bis dreigeschossige Frachthalle, ein Importzentrum sowie einen Frachtplatz mit Umschlagseinrichtungen auf der Landseite für Lastwagen aufnehmen soll. Nach den Erläuterungen zum Rahmenkonzessionsgesuch wird in das neue Importzentrum ein Lastwagenterminal für den sogenannten Luftfrachtersatzverkehr integriert. Darunter sei der europaweite Zu- und Wegtransport von zwar als Luftfracht deklarierter, jedoch in Camions auf der Strasse transportierter Güter zu verstehen. Die SWISSAIR lasse bereits heute einen Teil des Luftfrachtersatzverkehrs per Bahn transportieren, um die aus dem Strassentransport resultierenden Emissionen zu begrenzen. Später sollten mit dem Bau eines Güterumschlagszentrums westlich des Flughafens, an der Bahnlinie Zürich-Schaffhausen, für diese kombinierte Transportart noch bessere Voraussetzungen geschaffen werden. Der Flughafen werde sich an diesem Zentrum beteiligen, sobald die hiefür notwendige Trägerschaft gebildet sei. Der Standort für diese Anlage sei im kantonalen Richtplan verankert (Erläuterungen S. 22).
Im Synthesebericht zum Rahmenkonzessionsgesuch wird hinsichtlich des Lastwagenverkehrs von und zu den neuen Frachtanlagen angeregt, es seien die organisatorischen und rechtlichen Möglichkeiten zur Erhebung einer Fracht-Maut zu untersuchen, durch welche eine Erhöhung der Zuladung und Verringerung der Leerfahrten erreicht werden könne (Synthese Umweltverträglichkeitsbericht S. 64, s. auch Fachbericht "Landseitiger Verkehr" S. 9 und 51). Das EVED bezeichnet diese Anordnungen für geeignet und verlangt in seinem Entscheid entsprechende Abklärungen (Auflage Ziffer 3.5.4.). Das Departement weist zudem darauf hin, dass letztlich die Verlagerung des Luftfrachtersatzverkehrs auf die Bahn anzustreben sei. Dieses Ziel könne durch ein neues Güterumschlagszentrum in Rümlang erreicht werden, doch könne dessen Bau von der
BGE 124 II 293 S. 351
Konzessionsbehörde nicht beeinflusst werden. Indessen habe der Kanton Zürich durch Bewilligung eines Kredites bereits einen wichtigen Beitrag geleistet (Rahmenkonzessionsentscheid S. 49).
Hiegegen wenden die Beschwerdeführer - insbesondere der VCS - ein, gemäss Umweltverträglichkeitsbericht werde der Lastwagenverkehr in etwa gleicher Weise zunehmen wie der Personenverkehr. Es sei daher nicht einzusehen, weshalb für den Güterverkehr keine emissionsmindernden Massnahmen getroffen werden sollten. Die im kantonalen Luftprogramm vorgesehenen Massnahmen G 4 und G 5 müssten hier zwingend umgesetzt werden. Unzulässigerweise seien aber die notwendigen Abklärungen bezüglich konkreter Massnahmen auf später vertagt worden, was entweder zur Rückweisung der Sache an die Vorinstanz oder zur Anordnung führen müsse, dass der landseitige Güterverkehr zu mindestens 50% auf die Schiene zu verlagern sei.
Im kantonalen "Luft-Programm 1996" wird im Teilplan Personen- und Güterverkehr als Emissionsauflage für Grossbaustellen und Dauerlieferungen (GV 4) unter anderem vorgesehen, dass für den Transport von Aushub, Baumaterial, Abfällen und anderen Massengütern die Erstellung oder Benutzung von Bahnanschlussgeleisen verlangt werden könne (lit. b). Unter dem Titel "Förderung des Güterverkehrs mit der Bahn" (GV 5) wird weiter festgehalten, dass der Kanton Beiträge für Güteranschlussgeleise und -umschlaganlagen leiste (lit. a) und dass insbesondere ein Konzept für die Verlagerung von Luftfrachtersatzverkehr auf die Schiene vorbereitet werde (lit. b). Diesen Verpflichtungen ist der Kanton Zürich offensichtlich ausserhalb des Rahmenkonzessionsverfahren nachgekommen; der Bau eines Güterumschlagzentrums in Rümlang-Eich, das nicht nur für die Luftfracht bestimmt sein soll, sprengt denn auch den luftfahrtrechtlichen Rahmen (vgl. Synthese Umweltverträglichkeitsbericht S. 41 sowie Kantonaler Richtplan S. 103 f.). Wird aber ein solches Zentrum für die Umladung der Güter auf die Bahn erstellt werden, so liesse sich nicht rechtfertigen, im Sinne der Massnahme GV 5 des Luftprogramms den Bau eines Bahnanschlussgeleises zu den Frachtabfertigungsanlagen am heutigen Standort zu verlangen. Weshalb es übrigens unzulässig sei, im Rahmenkonzessionsverfahren Abklärungen über die Erhebung einer Maut und über weitere Massnahmen zur Reduktion von Leerfahrten zu verlangen, um anschliessend auf Stufe Baukonzession konkrete Anordnungen treffen zu können, legen die Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.
BGE 124 II 293 S. 352
30.
Auch für die Bauphase fordern die Beschwerdeführer, es sei bereits im Rahmenkonzessionsverfahren vorzuschreiben, dass der Transport von Massengütern, einschliesslich des Aushubs, grundsätzlich mit der Bahn zu erfolgen habe. Das Baulogistikkonzept ist jedoch noch nicht erstellt. Es ist gemäss Rahmenkonzession mit dem ersten Baukonzessionsgesuch für Hoch- und Tiefbauten einzureichen. Im angefochtenen Entscheid wird zudem angeordnet, dass Materialtransporte, sofern wirtschaftlich tragbar, per Bahn zu erfolgen hätten (Ziffer 3.10.2.). Mehr kann im heutigen Verfahrensstadium entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nicht verlangt werden. Darüber, inwieweit wirtschaftliche Gesichtspunkte den Entscheid über die Transportart beeinflussen dürfen, wird ebenfalls in den Baukonzessionsverfahren zu befinden sein. Dass dabei finanzielle Aspekte nicht von vornherein auszuschliessen sind, ergibt sich schon aus dem kantonalen Massnahmenplan, wonach für Aushub- und Baumaterial-Transporte die Erstellung von Bahnanschlussgeleisen verlangt werden "kann", und nicht (wo immer technisch möglich) verlangt werden "muss".
RAUMPLANUNG
31.
a) Einige Beschwerdeführer stellen den Antrag, die Erteilung der Rahmenkonzession sei solange auszusetzen, bis die Planungen von Bund, Kanton und Gemeinde aufeinander abgestimmt und die Auswirkungen des Flughafens Zürich in diese Planungen einbezogen seien. Der VCS rügt, dass die Sachplanung des Bundes noch ausstehe, in welcher die Verhältnisse innerhalb des Flughafenareals zu regeln seien, und es daher materiell und formell an einer der Voraussetzungen für die nachfolgenden Planungsstufen fehle. Ausserdem seien die Behörden dem Auftrag zur Abstimmung der raumwirksamen Tätigkeiten, wie er in
Art. 2 der Verordnung über die Raumplanung vom 2. Oktober 1989 (RPV, SR 700.1)
umschrieben werde, nicht nachgekommen.
Ob der VCS zu diesen Vorbringen raumplanerischer Natur befugt sei, ist höchst fraglich (vgl.
BGE 115 Ib 472
E. 1d/bb;
BGE 118 Ib 206
E. 8c S. 216;
BGE 122 II 165
nicht publ. E. 18), kann aber offenbleiben, da die Rügen offensichtlich unbegründet sind. Abgesehen davon, dass im angefochtenen Entscheid die Leitthesen des in Ausarbeitung stehenden Sachplanes wiedergegeben werden und deren Vereinbarkeit mit dem Ausbauprojekt bestätigt wird, ist hier für die Frage der raumplanerischen Koordination ausschlaggebend, dass der Flughafen Zürich in die kantonale Richtplanung einbezogen worden ist.
BGE 124 II 293 S. 353
Nach
Art. 8 lit. a des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700)
hat der kantonale Richtplan aufzuzeigen, wie die raumwirksamen Tätigkeiten im Hinblick auf die anzustrebende Entwicklung aufeinander abgestimmt werden. Er ist somit das Instrument zur behördenverbindlichen Abstimmung und Koordination der raumwirksamen Tätigkeit aller mit Planungsaufgaben beauftragten Hoheitsträger, insbesondere des Bundes, der Kantone und der Gemeinden (vgl. Alfred Kuttler, Bundessachplanung und kantonale Richtplanung, Rechtsgutachten zum Verhältnis dieser Planungsinstrumente, erörtert am Beispiel des Sachplans AlpTransit und des Richtplans des Kantons Uri, hrsg. im Januar 1998 vom Bundesamt für Raumplanung). Die Sachpläne und Konzepte des Bundes sind bei der kantonalen Richtplanung zu berücksichtigen (
Art. 6 Abs. 4 RPG
). Dies ist hier - auch ohne Vorlage eines eigentlichen Sachplans - durch den Einbezug des Flughafens Zürich in die am 15. Mai 1996 durch den Kantonsrat beschlossene kantonale Verkehrs-Richtplanung geschehen. Daran ändert nichts, dass gemäss bundesrätlichem Genehmigungsbeschluss vom 15. Mai 1996 nach der Ausarbeitung des Sachplanes "Infrastruktur Luftfahrt" und des noch fertigzustellenden kantonalen Gesamtverkehrskonzepts eine erneute Plan-Abstimmung vorzunehmen sein wird (vgl. BBl 1996 II 1306; s.a. Prüfungsbericht zum Richtplan zuhanden des Bundesrates S. 19 und 27). Die Eignung des Zürcher Richtplans als Instrument der Planungskoordination wird von den Beschwerdeführern nicht in Zweifel gezogen. Nicht kritisiert worden ist übrigens auch die mit der Rahmenkonzession genehmigte Aufteilung des Flughafenareals in verschiedene Nutzungsbereiche, bei der ebenfalls auf die Planungen der angrenzenden Gemeinden sowie auf Bundesinteressen Rücksicht genommen worden ist.
b) Soweit sich die Stadt Opfikon darüber beklagt, dass bei vermehrten Starts auf Piste 16 unlängst ausgeschiedene Nutzungszonen unter die für die Lärmzone B geltenden Nutzungsbeschränkungen fallen könnten und dies gravierende Folgen für die Raumordnung der Stadt und die ihr zustehende Planungshoheit hätte, ist einzuräumen, dass die Mehrbenützung dieser Piste und die damit verbundene Mehrbelastung von Stadtgebieten ein äusserst heikles Problem ist, das allerdings nicht hier, sondern im Betriebskonzessionsverfahren zu lösen sein wird. Andererseits darf darauf hingewiesen werden, dass der Flughafen Zürich seit fünfzig Jahren besteht, der Flugverkehr in all diesen Jahren immer stärker angewachsen ist und
BGE 124 II 293 S. 354
mit ihm auch die Beeinträchtigungen in der Flughafenregion zugenommen haben. Angesichts der sich schon anfangs der sechziger Jahre abzeichnenden Entwicklung und der damals einsetzenden Bemühungen zur Bekämpfung des Fluglärms hat das Bundesgericht festgestellt, dass bereits zu jener Zeit jedermann - und nicht bloss die Flughafen-Anwohner - über die hohe Fluglärmbelastung rund um die Landesflughäfen wissen musste. Es hat daher bei der Beurteilung von Entschädigungsansprüchen für übermässige Einwirkungen die Schwelle für die Vorher- bzw. Unvorhersehbarkeit der Fluglärmimmissionen im Raume der Flughäfen Genf und Zürich auf den 1. Januar 1961 gelegt (vgl.
BGE 121 II 317
E. 6b/aa S. 334;
BGE 123 II 481
E. 7b S. 491). Darf aber von einem Privaten, der ein Grundstück in Nähe einer Verkehrsanlage erwerben will, angenommen werden, er könne die Weiterentwicklung der Beeinträchtigungen voraussehen und sich entsprechend verhalten, so darf auch von den Behörden erwartet werden, dass sie bei Planungen für immissionsbelastete Gebiete in Nähe eines Verkehrsknotenpunkts einer voraussehbaren möglichen Verschlechterung der Lage Rechnung tragen.
GEWÄSSERSCHUTZ
32.
Im Konzessionsentscheid wird vom Flughafenhalter verlangt, dass er für die Entwässerung des Flughafens einen generellen Entwässerungsplan (GEP) ausarbeite und die umweltgerechte Entsorgung der Enteisungsabwässer sicherstelle (Ziff. 3.7.3. und 3.7.4.). Die Inbetriebnahme des Dock Midfield dürfe erst erfolgen, wenn die umweltgerechte Behandlung der Winterdienstabwässer des Vorfeldes, der neuerstellten Rollwege und der Enteiserplätze sichergestellt sei (Ziff. 3.7.4.). Von seiten der Beschwerdeführer werden diese Anordnungen als widersprüchlich bezeichnet, da nicht klar sei, ob nur das Abwasser aus der Enteisung auf den neu zu erstellenden Pisten und Plätzen umweltgerecht zu entsorgen sei, oder ob auch die übrigen Enteisungsabwässer, die auf den bestehenden Flächen anfielen, gereinigt werden müssten. Eine solche Gesamtsanierung sei aber aufgrund von Art. 6 f. des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer vom 24. Januar 1991 (Gewässerschutzgesetz, GSchG; SR 814.20) absolut erforderlich.
Der Kanton Zürich hatte im Rahmenkonzessionsgesuch vorgeschlagen, zur Reinigung des Enteisungsabwassers sog. Wurzelraum-Entsorgungsanlagen zu erstellen. Die bei der Flugzeug-, Pisten- und Vorfeldenteisung anfallenden Abwässer hätten in grosse Schilfteiche
BGE 124 II 293 S. 355
geleitet werden sollen, wo die im Wurzelbereich vorhandenen Mikroorganismen die Schadstoffe auf natürliche Weise abgebaut hätten. Danach wäre das so gereinigte Abwasser entweder einem Fliessgewässer oder der Kläranlage zugeführt worden (vgl. Erläuterungen zum Rahmenkonzessionsgesuch S. 18 f.). Das EVED hat diesen grossflächigen Anlagen die Bewilligung verweigert, da deren Funktionsfähigkeit zur Zeit noch nicht feststehe, der Flughafenperimeter ihretwegen erweitert werden müsste und einem der vorgesehenen Standorte aus Sicherheitsgründen nicht zugestimmt werden könne. Die Konzessionsbehörde hat deshalb nach grundsätzlichen Abklärungen über andere Reinigungsmöglichkeiten den Flughafenhalter verpflichtet, auf andere Weise für die umweltgerechte Entsorgung dieser Abwässer zu sorgen. Das Problem der Reinigung der Enteisungsabwässer wird daher im Rahmen des generellen Entwässerungsprojektes, das seit 1995 vorbereitet wird und das ganze Gebiet des Flughafens umfasst, gelöst werden müssen (vgl. Erwägungen Ziff. III 4.2.7. des Konzessionsentscheides). Es besteht somit jedenfalls zur Zeit kein Anlass zu weiteren Anordnungen.
EINZELFRAGEN
33.
Der Landkreis Waldshut befürchtet, dass als Folge der fünften Bauetappe die Zahl der Flugbewegungen im Warteraum "EKRON" erheblich ansteigen werde. In diesem Gebiet befänden sich in Grenznähe zahlreiche kerntechnische Anlagen. Dadurch werde das Sicherheitsrisiko auch für den süddeutschen Raum erheblich erhöht. Es müsse daher bereits im Verfahren zur Erteilung der Rahmenkonzession das Anflugkonzept neu überprüft werden. Weiter werde die deutsche Lufthoheit dadurch verletzt, dass die An- und Abflüge über deutsches Gebiet führten und hiefür auch die Luftverkehrskontrolle im deutschen Hoheitsgebiet ausgeübt werde. Solche Aktivitäten würden weder durch Art. 5 des Übereinkommens über die Zivilluftfahrt (Chicago-Übereinkommen) vom 7. Dezember 1944 (AS 1947 S. 1377) noch durch Art. 1 der gleichzeitig in Chicago abgeschlossenen Vereinbarung über den Transit internationaler Luftverkehrslinien (AS 1947 S. 1408), noch durch Art. 2 des Abkommens vom 2. Mai 1956 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über den Luftverkehr (AS 1957 S. 427 und 1991 S. 2100) gedeckt. Auch die "Letters of Agreement" zwischen der Schweizer Flugsicherungsstelle Zürich und der Bundesanstalt für Flugsicherung stellten nach
BGE 124 II 293 S. 356
einem Rechtsgutachten aus dem Jahre 1983 keinen völkerrechtlichen Titel für An- und Abflüge über deutsches Territorium dar.
Die beschwerdeführenden deutschen Gemeinden werfen ebenfalls die Frage auf, ob durch den Start- und Landebetrieb nicht in deutsche Hoheitsrechte eingegriffen werde.
a) Zur Frage des Sicherheitsrisikos wird im angefochtenen Entscheid ausgeführt, der Umweltverträglichkeitsbericht gelange zum Schluss, dass die Erhöhung des Risikos durch den ausbaubedingten Mehrverkehr tragbar sei und keine zusätzlichen Massnahmen nach Störfallverordnung bedinge. Das gelte auch für den Verkehr in den Warteräumen, namentlich über deutschem Gebiet und im Bereich von Atomkraftwerken. In der Stellungnahme des BUWAL zum Rahmenkonzessionsgesuch werden für die Belange der Sicherheit des Flugbetriebs ebenfalls keine weiteren Abklärungen und keine zusätzlichen Auflagen verlangt. Das Bundesgericht hat keinen Anlass, in einer Frage, die vom technischen Ermessens abhängt, von der Auffassung der Fachbehörde abzuweichen. Selbstverständlich werden die flugbetrieblichen Sicherheitsprobleme im Rahmen des Betriebskonzessionsverfahrens eingehend untersucht werden müssen.
b) Der Kanton Zürich bezweifelt, dass die Beschwerdeführer berechtigt seien, die Verletzung der deutschen Lufthoheit geltend zu machen, da sie selbst nicht Träger dieses Hoheitsrechts seien. Er bestreitet jedoch nicht, dass das Völkerrecht Teil der schweizerischen Rechtsordnung bildet; er stellt auch nicht in Abrede, dass die Lufthoheit als Ausfluss des Territorialitätsprinzips zu den allgemeinen völkerrechtlichen Regeln zählt und Art. 1 des Chicago-Übereinkommens die Anerkennung der Lufthoheit ausdrücklich vorschreibt. Für die Rüge der Bundesrechtsverletzung im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird aber, wie bereits dargelegt (E. 3c), nicht vorausgesetzt, dass der Beschwerdeführer selbst Träger des als verletzt bezeichneten Rechtes sei.
Wie es sich mit der Zulässigkeit der Beschwerdevorbringen auch verhalten mag, jedenfalls erweisen sie sich als unberechtigt, da mindestens seit der Regelung von 1984 eine Vereinbarung zwischen Deutschland und der Schweiz besteht, die den An- und Abflug zum und vom Flughafen Zürich über deutsches Gebiet ausdrücklich regelt und ihn - unter Einhaltung gewisser lärmmindernden Verfahren und zeitlichen Beschränkungen - gestattet. Besteht somit eine völkerrechtliche Grundlage für den Überflug deutschen Hoheitsgebietes, liegt keine Verletzung der deutschen Lufthoheit vor.
BGE 124 II 293 S. 357
Im übrigen sind offenbar Verhandlungen zwischen der Schweiz und Deutschland zur Anpassung der bestehenden Regelung im Gange und ist zu hoffen, dass diese Verhandlungen im Zusammenhang mit der Erneuerung der Betriebskonzession vorangetrieben und abgeschlossen werden können.
34.
Schliesslich wird von einzelnen Beschwerdeführern bemängelt, dass bei der Konzessionserteilung keine Abklärungen darüber getroffen worden seien, wie die Zukunft des Militärflugplatzes Dübendorf aussehe und welche Optionen sich bei dessen Einstellung für den Flughafen Zürich ergäben. Hiezu ist mit dem EVED festzuhalten, dass das luftfahrtrechtliche Konzessionsverfahren für eine bauliche Erweiterung eines Flughafens nicht der Ort zur Weiterentwicklung der schweizerischen Luftfahrtpolitik und des militärischen und zivilen Flugplatzkonzepts sein kann. Die Rolle der Konzessionsbehörde besteht allein darin, zu beurteilen, ob sich das Projekt mit dem Bundesrecht vereinbaren lässt. Es war deshalb auch nicht Sache des Departementes, im vorliegenden Rahmenkonzessionsverfahren die Konzepte und Planungen des Flughafens Zürich mit jenen der Flughäfen Genf und Basel zu koordinieren.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen, soweit auf sie einzutreten ist, und die angefochtene Rahmenkonzession für den Ausbau des Flughafens Zürich vom 5. Februar 1997 wird wie folgt geändert:
a) Dispositiv Ziffer 1.2. wird aufgehoben.
b) Das in Dispositiv Ziffer 3.5.2. umschriebene Parkplatzbewirtschaftungssystem ist vom Flughafenhalter bereits bei Einreichung des Baukonzessionsgesuches für das Dock Midfield vorzulegen.
c) Dispositiv Ziffer 3.6. ist im Sinne der Erwägung 19c des bundesgerichtlichen Entscheides so zu verstehen, dass sich die Erleichterungsanträge des Kantons Zürich auf die neu zu prognostizierende Flugbewegungszahl sowie die Immissionsgrenzwerte stützen müssen, welche von der Eidgenössischen Kommission für die Beurteilung von Lärmimmissionsgrenzwerten vorgeschlagen worden sind oder vom Bundesrat festgelegt sein werden.
1.2 Im übrigen werden die Verwaltungsgerichtsbeschwerden abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
640b5990-c79e-4cbe-89cd-ac4a66a68c55 | Urteilskopf
137 IV 122
18. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Regionale Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland (Beschwerde in Strafsachen)
1B_141/2011 vom 16. Mai 2011 | Regeste
Haftgrund der Ausführungsgefahr (
Art. 221 Abs. 2 StPO
); Ersatzmassnahme der Aufenthaltsbeschränkung (
Art. 237 Abs. 2 lit. c StPO
).
Der dringende Tatverdacht (E. 3) und der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr (E. 4) sind zu bejahen. Hingegen liegt keine Ausführungsgefahr gemäss
Art. 221 Abs. 2 StPO
vor; denn die Möglichkeit der Anordnung von Präventivhaft entfällt, wenn sich die Drohung "lediglich" auf die Ausführung eines Vergehens im Sinne von
Art. 10 Abs. 3 StGB
bezieht (E. 5.2 und 5.3). Die Aufenthaltsbeschränkung gemäss
Art. 237 Abs. 2 lit. c StPO
besteht entweder in der Verpflichtung, ein bestimmtes Gebiet nicht zu verlassen (Eingrenzung), oder in jener, eine bestimmte Gegend nicht zu betreten (Ausgrenzung; E. 6.2). Eine Eingrenzung auf ein bestimmtes Gebiet kommt primär bei Fluchtgefahr in Betracht. Geht es demgegenüber darum einer Kollusionsgefahr in Form der möglichen Beeinflussung des mutmasslichen Opfers zu begegnen, genügt in aller Regel eine Ausgrenzung als mildere Massnahme (E. 6.4). | Sachverhalt
ab Seite 123
BGE 137 IV 122 S. 123
A.
X. wird beschuldigt, in den Jahren 2001-2005 mehrere Personen mit HIV infiziert und dadurch die Straftatbestände der schweren Körperverletzung und des Verbreitens menschlicher Krankheiten verwirklicht zu haben.
Am 4. Februar 2010 reichte die Ehefrau A. von X. Strafanzeige ein, worauf die Strafverfolgung am 5. Februar 2010 auf die Vorwürfe der Drohung, der versuchten Nötigung und der wiederholten Tätlichkeiten ausgedehnt wurde. Aufgrund dieser Anzeige wurde X. verhaftet und mit Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 11. Februar 2010 in Untersuchungshaft versetzt. Das Haftgericht III Bern-Mittelland hiess ein Haftentlassungsgesuch von X. mit Entscheid vom 15. März 2010 teilweise gut und entliess ihn unter Anordnung der folgenden Ersatzmassnahmen und Weisungen aus der Untersuchungshaft:
a) X. darf das Gebiet des Kantons Bern nicht verlassen.
b) X. hat sich täglich zwischen 10.00 und 13.00 Uhr persönlich wie folgt bei der Kantonspolizei Bern zu melden: Montag bis Freitag auf der Polizeihauptwache West, Bernstrasse 100, 3018 Bern-Bümpliz; Samstag und Sonntag auf der Polizeihauptwache Waisenhausplatz, Bern.
c) X. darf mit folgenden Personen weder direkt (mündlich, schriftlich, telefonisch, per E-Mail, SMS etc.) noch indirekt (über Drittpersonen, ausgenommen über die verfahrensbeteiligten Anwälte auf dem Dienstweg) Kontakt aufnehmen: A. und B. (unter Vorbehalt der vom zuständigen Gericht im Rahmen des Eheschutzverfahrens gemäss Art. 176 ff ZGB noch zu erlassenden Regelung des persönlichen Verkehrs i.S. von
Art. 273 ZGB
); C., D. und E.
BGE 137 IV 122 S. 124
d) (...)
e) (...)
Am 9. Juni 2010 stellte X. den Antrag auf Aufhebung der Ersatzmassnahme gemäss lit. b des Entscheids vom 15. März 2010. Das Haftgericht III Bern-Mittelland hiess diesen Antrag mit Entscheid vom 11. Juni 2010 teilweise gut und ordnete an, dass sich X. täglich zwischen 10.00 und 13.00 Uhr entweder persönlich oder telefonisch von seinem Festanschluss in seiner Wohnung in Bern aus bei der Kantonspolizei zu melden habe.
Am 31. August 2010 wies das Haftgericht den von X. am 1. Juli 2010 gestellten Antrag auf Aufhebung der Ersatzmassnahmen gemäss lit. a und b des Entscheids vom 15. März 2010 ab.
Mit Gesuch vom 27. Dezember 2010 stellte X. den Antrag, die angeordneten Ersatzmassnahmen seien aufzuheben. Mit Entscheid vom 12. Januar 2011 verfügte das Kantonale Zwangsmassnahmengericht was folgt:
1. Das Gesuch vom 27.12.2010 wird teilweise gutgeheissen.
2. Die mit Entscheid vom 15.03.2010 verfügten Ersatzmassnahmen werden in Bezug auf Rayonverbot, Meldepflicht und Kontaktverbot dahingehend modifiziert, dass der Gesuchsteller sein Besuchsrecht gemäss Vereinbarung vom 27.10./11.11.2010 in Lausanne ausüben kann.
(...)
B.
X. reichte am 24. Januar 2011 Beschwerde ans Obergericht des Kantons Bern ein mit dem Antrag auf Aufhebung des Entscheids des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts vom 12. Januar 2011 und der mit Entscheid vom 15. März 2010 verfügten Ersatzmassnahmen. Das Obergericht beschloss mit Entscheid vom 21. Februar 2011:
1. Es wird festgestellt, dass das Gesuch von X. vom 27. Dezember 2010 insofern gutgeheissen wurde, als die mit Entscheid vom 15. März 2010 verfügten Ersatzmassnahmen in Bezug auf Rayonverbot, Meldepflicht und Kontaktverbot dahingehend modifiziert werden, dass der Gesuchsteller sein Besuchsrecht gemäss Vereinbarung vom 27.10/11.11.2010 in Lausanne ausüben kann.
(...)
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 28. März 2011 beantragt X., den Beschluss des Obergerichts vom 21. Februar 2011 und die mit Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 15. März 2010 verfügten Ersatzmassnahmen aufzuheben. Des Weiteren sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.
BGE 137 IV 122 S. 125
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Ersatzmassnahmen in Form einer Aufenthaltsbeschränkung, einer Meldepflicht und einem Kontaktverbot gemäss lit. a-c des Entscheids des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 15. März 2010 schränken die persönliche Freiheit des Beschwerdeführers ein (Art. 10 Abs. 2 i.V.m.
Art. 31 BV
,
Art. 5 EMRK
). Eine Einschränkung dieses Grundrechts ist zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist; zudem darf sie den Kerngehalt des Grundrechts nicht beeinträchtigen (
Art. 36 BV
).
Nach
Art. 221 StPO
(SR 312) ist Untersuchungshaft nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht (Abs. 1 lit. a); Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (Abs. 1 lit. b); oder durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat (Abs. 1 lit. c). Haft ist auch zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen (Abs. 2). Das zuständige Gericht ordnet gemäss
Art. 237 Abs. 1 StPO
an Stelle der Untersuchungshaft eine oder mehrere mildere Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen. Die Verhängung von Ersatzmassnahmen setzt damit ebenso wie die Anordnung von Untersuchungshaft voraus, dass ein dringender Tatverdacht besteht und ein Haftgrund vorliegt.
Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit wegen der Anordnung von Untersuchungshaft oder von Ersatzmassnahmen erhoben werden, prüfte das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs bisher die Auslegung und Anwendung des kantonalen Strafprozessrechts frei. Auch die Bestimmungen der Schweizerischen Strafprozessordnung über die Untersuchungshaft und die Ersatzmassnahmen unterliegen der freien bundesgerichtlichen Prüfung (
Art. 95 lit. a BGG
). Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen
BGE 137 IV 122 S. 126
Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG
beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m.
Art. 105 Abs. 2 BGG
).
3.
Die kantonalen Instanzen bejahen den dringenden Tatverdacht und das Weiterbestehen von besonderen Haftgründen in Form von Kollusions- und Ausführungsgefahr in Bezug auf die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tatbestände der Drohung, der versuchten Nötigung und der Tätlichkeiten. Betreffend die auf die Jahre 2001-2005 zurückgehenden Vorwürfe der mehrfachen schweren Körperverletzung und des Verbreitens menschlicher Krankheiten wurde das Vorliegen von Kollusions- und Ausführungsgefahr hingegen verneint.
3.1
Der Beschwerdeführer bestreitet vorab den dringenden Tatverdacht. Er führt unter Bezugnahme auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung aus, bei Beginn der Strafuntersuchung seien die Anforderungen an den dringenden Tatverdacht noch geringer. Im Laufe des Strafverfahrens sei ein immer strengerer Massstab an die Erheblichkeit und Konkretheit des Tatverdachts zu stellen. Nach Durchführung der in Betracht kommenden Untersuchungshandlungen müsse eine Verurteilung als wahrscheinlich erscheinen. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt. Seit der letzten Einvernahme seiner Ehefrau Anfang März 2010 seien keine weiteren Beweismassnahmen durchgeführt worden, und die Untersuchung könne als abgeschlossen gelten. Im Ergebnis stünden seine Aussagen jenen seiner Ehefrau gegenüber, sodass eine Verurteilung vor dem Hintergrund des Grundsatzes "in dubio pro reo" nicht sehr wahrscheinlich sei.
3.2
Das Bundesgericht hat bei der Überprüfung des dringenden Tatverdachts keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Zu prüfen ist vielmehr, ob genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers daran vorliegen, die Untersuchungsbehörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (vgl.
BGE 116 Ia 143
E. 3c S. 146). Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen lässt keinen Raum für ausgedehnte Beweismassnahmen. Zur Frage des dringenden Tatverdachts hat das Haftgericht weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen noch dem erkennenden Strafgericht
BGE 137 IV 122 S. 127
vorzugreifen. Vorbehalten bleibt allenfalls die Abnahme eines liquiden Alibibeweises (vgl.
BGE 124 I 208
E. 3 S. 210 mit Hinweisen; Urteil 1B_330/2009 vom 2. Dezember 2009 E. 3).
3.3
Der Beschwerdeführer hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung korrekt wiedergegeben, wonach nach Durchführung der in Betracht kommenden Untersuchungshandlungen eine Verurteilung als wahrscheinlich erscheinen muss (vgl. Urteil 1B_100/2009 vom 20. März 2009 E. 3.2.2). Der Beschwerdeführer verkennt jedoch, dass "Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen", in welchen sich als massgebliche Beweise belastende Aussagen des mutmasslichen Opfers und bestreitende Aussagen der beschuldigten Person gegenüberstehen, keineswegs zwingend oder auch nur höchstwahrscheinlich gestützt auf den Grundsatz "in dubio pro reo" zu einem Freispruch führen müssen. Die einlässliche Würdigung der Aussagen der Beteiligten wird Sache des urteilenden Gerichts sein. Dass die Vorinstanz gestützt auf eine summarische Beweiswürdigung die Aussagen des mutmasslichen Opfers als glaubhafter als jene des Beschwerdeführers eingestuft und gestützt darauf gefolgert hat, eine Verurteilung erscheine wahrscheinlich, verletzt kein Bundesrecht.
4.
4.1
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen von Kollusionsgefahr. Zwar sei die richterliche Sachaufklärung im Hinblick auf die beschränkte Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme anlässlich der Hauptverhandlung vor unzulässigen Einflussnahmen zu bewahren. Die blosse Wahrscheinlichkeit einer Einvernahme des mutmasslichen Opfers durch das Gericht genüge jedoch zur Begründung von Kollusionsgefahr nicht.
4.2
Gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. b i.V.m.
Art. 237 Abs. 1 StPO
ist Untersuchungshaft respektive die Anordnung von Ersatzmassnahmen zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, die beschuldigte Person könnte Personen beeinflussen oder auf Beweismittel einwirken, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen.
Die strafprozessuale Haft wegen Kollusionsgefahr soll verhindern, dass die beschuldigte Person die Freiheit dazu missbrauchen würde, die wahrheitsgetreue Abklärung des Sachverhalts zu vereiteln oder zu gefährden. Konkrete Anhaltspunkte für Kollusionsgefahr können sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des Beschuldigten im Strafprozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner
BGE 137 IV 122 S. 128
Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhaltes sowie aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen. Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen. Nach Abschluss der Strafuntersuchung bedarf der Haftgrund der Kollusionsgefahr einer besonders sorgfältigen Prüfung (
BGE 132 I 21
E. 3.2 S. 23).
4.3
Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Delikte der Drohung, der versuchten Nötigung und der wiederholten Tätlichkeiten richten sich gegen seine Ehefrau, und der Tatvorwurf stützt sich weitgehend auf ihre Aussagen. Es besteht damit ein gewichtiges Interesse, Einflussnahmen auf die Ehefrau zu verhindern, da ihre Aussagen für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sind. Sie hat bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft ausgesagt. Es erscheint jedoch wahrscheinlich, dass sie in der Hauptverhandlung erneut einvernommen wird, denn gemäss
Art. 343 Abs. 3 StPO
erhebt das Gericht im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals, sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint.
Vorliegend bestehen konkrete Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer bei einer Aufhebung sämtlicher Ersatzmassnahmen seine Ehefrau beeinflussen würde, um sie zu einem Widerruf oder zur Abschwächung ihrer belastenden Aussagen zu veranlassen (vgl. hierzu auch Urteil 1B_415/2010 vom 23. Dezember 2010 E. 3.5). So wurde im forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 13. Dezember 2010, auf welches die Vorinstanz in ihrer Begründung Bezug genommen hat, namentlich ausgeführt: "Die Wahrscheinlichkeit, dass X. seine Beziehungen auch in Zukunft in dieser, das Gegenüber tendenziell ausbeutenden Art und Weise konstelliert, ist hoch." Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer könnte versucht sein, auf seine Ehefrau Einfluss zu nehmen, nicht zu beanstanden, zumal der Beschwerdeführer gemäss den Feststellungen im angefochtenen Beschluss, sich wiederholt über die angeordnete Kontaktsperre hinweggesetzt und seine Ehefrau kontaktiert bzw. zu kontaktieren versucht hat. An dieser Bewertung ändert entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nichts
BGE 137 IV 122 S. 129
Entscheidendes, dass er keine Vorstrafen aufweist und seine Ehefrau in der Zwischenzeit nach Lausanne gezogen ist.
5.
Wie dargelegt (E. 4 hiervor), ist der Haftgrund der Kollusionsgefahr im Sinne von
Art. 221 Abs. 1 lit. b StPO
zu bejahen. Damit sind die Voraussetzungen für die Anordnung von Ersatzmassnahmen erfüllt. Die Frage, ob zusätzlich der Haftgrund der Ausführungsgefahr gemäss
Art. 221 Abs. 2 StPO
gegeben ist, wird dennoch behandelt. Läge nämlich auch dieser zweite Haftgrund vor - was im Folgenden verneint wird -, so hätte dies Auswirkungen auf die Beurteilung der Verhältnismässigkeit von Ersatzmassnahmen.
5.1
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe den Haftgrund der Ausführungsgefahr zu Unrecht bejaht. Er habe keine konkreten Anstalten getroffen, welche eine aktuelle Ausführungsgefahr begründen könnten. Vielmehr akzeptiere er die von seiner Ehefrau gewünschte Distanz und halte diese auch ein. Dass ihn seine Ehefrau subjektiv als Gefahr wahrnehme, bedeute nicht automatisch, dass auch objektiv eine Ausführungsgefahr bestehe. Ebenso wenig liessen die Feststellungen im forensisch-psychiatrischen Gutachten vom 13. Dezember 2010 einen solchen Schluss zu.
5.2
Ausführungsgefahr im Sinne von
Art. 221 Abs. 2 StPO
besteht, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen.
Die Notwendigkeit, Personen an der Begehung strafbarer Handlungen zu hindern, wird in
Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK
ausdrücklich als Haftgrund anerkannt (
BGE 133 I 270
E. 2.1 S. 275). Die rein hypothetische Möglichkeit der Verübung von Delikten sowie die Wahrscheinlichkeit, dass nur geringfügige Straftaten verübt werden, reichen allerdings nicht aus, um eine Präventivhaft zu begründen (
BGE 125 I 60
E. 3a S. 62 mit Hinweis). Bei der Annahme, dass die beschuldigte Person eine schwere Straftat begehen könnte, ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Zurückhaltung geboten. Erforderlich ist eine sehr ungünstige Rückfallprognose. Nicht Voraussetzung ist hingegen, dass die verdächtige Person bereits konkrete Anstalten getroffen hat, um die befürchtete Tat zu vollenden. Vielmehr genügt es, wenn die Wahrscheinlichkeit einer Ausführung aufgrund einer Gesamtbewertung der persönlichen Verhältnisse sowie der Umstände als sehr hoch erscheint (
BGE 125 I 361
E. 5 S. 366 f.). Besonders bei drohenden schweren Gewaltverbrechen ist dabei auch dem psychischen Zustand der verdächtigen Person bzw. ihrer
BGE 137 IV 122 S. 130
Unberechenbarkeit oder Aggressivität Rechnung zu tragen (vgl.
BGE 123 I 268
E. 2e S. 271 f.).
An dieser bisherigen Rechtsprechung ist grundsätzlich auch nach Inkrafttreten der StPO festzuhalten, wobei nunmehr
Art. 221 Abs. 2 StPO
ausdrücklich verlangt, dass die Verwirklichung eines "schweren Verbrechens" drohen muss.
Art. 10 Abs. 2 StGB
enthält allerdings kein klares Abgrenzungskriterium für "schwere" und "minder schwere" Verbrechen (vgl. zum Ganzen MARC FORSTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 18 zu
Art. 221 StPO
). Jedenfalls aber entfällt die Möglichkeit der Anordnung von Präventivhaft, wenn sich die Drohung auf die Ausführung eines Vergehens im Sinne von
Art. 10 Abs. 3 StGB
bezieht.
5.3
Die Vorinstanz hat zur Begründung auf das forensisch-psychiatrische Gutachten vom 13. Dezember 2010 verwiesen, wo unter dem Titel "Risikoeinschätzung" Folgendes festgehalten wurde (vgl. auch E. 4.3 hiervor): "Das Risiko, dass es in solchen Beziehungen auch zu strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen kommt (z.B. Drohung, Nötigung, finanzielle Schädigung oder andere Taten wie die, die aktuell zur Last gelegt werden), die letztlich dem Ziel dienen, das Gegenüber zu beherrschen, ist ebenfalls erhöht." Die Frage "Welche Straftaten sind mit welcher Wahrscheinlichkeit zu erwarten" beantwortete die Gutachterin wie folgt: "Ausgehend von der Persönlichkeit des Exploranden sind mit erhöhter Wahrscheinlichkeit Straftaten denkbar, die darauf abzielen, über andere Menschen Macht und Kontrolle zu erlangen." Die Vorinstanz hat gefolgert, zum jetzigen Zeitpunkt dürfe und müsse sich die Abschätzung der Ausführungsgefahr an diesem psychiatrischen Gutachten orientieren und gestützt darauf sei die Ausführungsgefahr im Sinne von
Art. 221 Abs. 2 StPO
zu bejahen.
Diese Argumentation ist nicht stichhaltig. Nach der Einschätzung der Gutachterin, welche die Vorinstanz in ihrer Begründung übernommen hat, besteht ein erhöhtes Risiko, dass der Beschwerdeführer die Tatbestände der Drohung (
Art. 180 StGB
) und der Nötigung (
Art. 181 StGB
) ausführen könnte. Diese beiden Tatbestände sind mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht und stellen damit blosse Vergehen dar. Konkrete Hinweise auf drohende (Gewalt-)Verbrechen finden sich demgegenüber im Gutachten nicht, und auch die Begründung der Vorinstanz enthält keine Erwägungen hierzu. Dementsprechend ist die Bejahung des Haftgrunds der Ausführungsgefahr nicht haltbar.
BGE 137 IV 122 S. 131
6.
6.1
Der Beschwerdeführer erachtet die angeordneten Ersatzmassnahmen als unverhältnismässig. Die seit dem Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 15. März 2010 andauernden Auflagen, den Kanton Bern nicht zu verlassen und sich täglich bei der Kantonspolizei zu melden, bedeuteten erhebliche Eingriffe in seine persönliche Freiheit. Diese Eingriffe gingen in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht über das Notwendige hinaus. Ziel der Ersatzmassnahmen sei, ihn von seiner Ehefrau fernzuhalten, damit er diese nicht beeinflussen oder bedrängen könne. Weshalb dafür neben einer Kontaktsperre zusätzlich eine sehr rigide Aufenthaltsbeschränkung und eine tägliche Meldepflicht erforderlich seien, sei nicht ersichtlich und werde von der Vorinstanz in Verletzung der Begründungspflicht und damit in Missachtung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör auch nicht dargelegt.
6.2
Nach
Art. 237 Abs. 1 StPO
ordnet das zuständige Gericht an Stelle der Untersuchungs- oder der Sicherheitshaft eine oder mehrere mildere Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen. Als Ersatzmassnahmen kommen gemäss
Art. 237 Abs. 2 StPO
namentlich in Frage: a. die Sicherheitsleistung; b. die Ausweis- und Schriftensperre; c. die Auflage, sich nur oder sich nicht an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Haus aufzuhalten; d. die Auflage, sich regelmässig bei einer Amtsstelle zu melden; e. die Auflage, einer geregelten Arbeit nachzugehen; f. die Auflage, sich einer ärztlichen Behandlung oder einer Kontrolle zu unterziehen; g. das Verbot, mit bestimmten Personen Kontakte zu pflegen. Die Strafprozessordnung sieht damit die vorliegend ausgesprochenen Ersatzmassnahmen der Aufenthaltsbeschränkung (
Art. 237 Abs. 2 lit. c StPO
), der Meldepflicht (
Art. 237 Abs. 2 lit. d StPO
) und des Kontaktverbots (
Art. 237 Abs. 2 lit. g StPO
) ausdrücklich vor.
Die Aufenthaltsbeschränkung gemäss
Art. 237 Abs. 2 lit. c StPO
besteht entweder in der Verpflichtung, ein bestimmtes Gebiet nicht zu verlassen (Eingrenzung), oder in jener, eine bestimmte Gegend nicht zu betreten (Ausgrenzung). Die Weisung kann mithin ein Aufenthaltsgebot oder ein Aufenthaltsverbot zum Gegenstand haben. Letzterem kommt insbesondere bei häuslicher Gewalt Bedeutung zu. So kann etwa ein Ehemann, der seine Ehefrau massiv bedroht und schlägt, aus der ehelichen Wohnung gewiesen und ihm verboten werden, diese zu betreten bzw. sich ihr auch nur zu nähern (MATTHIAS HÄRRI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 11 zu
Art. 237 StPO
). Eine Ausgrenzung kann zur
BGE 137 IV 122 S. 132
Herabsetzung von Kollusionsgefahr verhängt werden, namentlich um zu vereiteln, dass der Ehemann die ihn belastende Ehefrau zu beeinflussen versucht. Eingrenzungen fallen demgegenüber vor allem zur Bannung von Fluchtgefahr in Betracht. Gleiches gilt für die Auferlegung einer Meldepflicht nach
Art. 237 Abs. 2 lit. d StPO
, da hierdurch eine allfällige Flucht zumindest relativ rasch entdeckt würde (SYLVA FISNAR, Ersatzanordnungen für Untersuchungshaft und Sicherheitshaft im zürcherischen Strafprozess, 1997, S. 69). Ein Kontaktverbot gemäss
Art. 237 Abs. 2 lit. g StPO
schliesslich stellt ebenfalls eine bei Vorliegen von Kollusionsgefahr denkbare Massnahme dar.
6.3
Die Vorinstanz hat ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass das Kantonale Zwangsmassnahmengericht die Aufenthaltsbeschränkung, die Meldepflicht und das Kontaktverbot dahingehend gelockert habe, dass der Beschwerdeführer sein Besuchsrecht gemäss der Vereinbarung vom 27. Oktober/11. November 2010 in Lausanne ausüben könne. Darüber hinaus seien die im Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 15. März 2010 angeordneten Ersatzmassnahmen gemäss lit. d und e - Wiederaufnahme einer engmaschigen medizinisch-psychotherapeutischen Betreuung und die Verpflichtung, den Weisungen und Anordnungen der Spezialisten Folge zu leisten - seit dem Vorliegen des psychiatrischen Gutachtens nicht mehr sinnvoll und daher aufzuheben.
Die Vorinstanz hat nicht begründet, weshalb eine weiter gehende Lockerung oder Aufhebung der Aufenthaltsbeschränkung und der Meldepflicht nicht in Frage kommt. Der Beschwerdeführer hat daher die Rüge der Verletzung der Begründungspflicht zu Recht erhoben. Zu prüfen bleibt, ob seine Einwände auch inhaltlich stichhaltig sind. Es fragt sich mithin, ob die Aufenthaltsbeschränkung in Form der Eingrenzung auf das Gebiet des Kantons Bern und die Verpflichtung, sich täglich bei der Kantonspolizei Bern zu melden, geeignet, erforderlich und verhältnismässig im engeren Sinn sind, um der bestehenden Kollusionsgefahr (Gefahr der Beeinflussung der Ehefrau) zu begegnen. Vom Beschwerdeführer nicht beanstandet wird das angeordnete Kontaktverbot.
6.4
Eine Eingrenzung auf ein bestimmtes Gebiet kommt, wie dargelegt (vgl. E. 6.2 hiervor), primär bei Fluchtgefahr in Betracht. Geht es demgegenüber darum, einer Kollusionsgefahr in Form der möglichen Beeinflussung des mutmasslichen Opfers zu begegnen, dürfte in aller Regel eine Ausgrenzung als mildere Massnahme genügen. Dies ist auch vorliegend der Fall. Die Verpflichtung, den
BGE 137 IV 122 S. 133
Kanton Bern nicht zu verlassen, schränkt den Beschwerdeführer in seiner persönlichen Freiheit stark ein. Das Ziel, zu verhindern, dass er seine Ehefrau aufsucht oder sich auch nur in deren Nähe begibt, kann ebenso durch die weniger einschneidende Massnahme der Ausgrenzung in Form der Auflage, den Wohnkanton seiner Ehefrau ausserhalb der festgelegten Besuchszeiten für seine Tochter nicht zu betreten, erreicht werden. Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass die Eingrenzung des Beschwerdeführers auf das Gebiet des Kantons Bern nicht verhältnismässig ist. Als Massnahme gegen mögliche Kollusionshandlungen ist eine Ausgrenzung, das heisst ein Verbot, den Kanton Waadt zu betreten, ausreichend.
Die Ersatzmassnahme der Meldepflicht wird ebenfalls vor allem zur Herabsetzung von Fluchtgefahr angeordnet. Bei Kollusionsgefahr erscheint es hingegen fraglich, ob eine Meldepflicht überhaupt eine taugliche Massnahme darstellt. Die nunmehr seit über einem Jahr andauernde tägliche Meldepflicht ist aber jedenfalls als unverhältnismässig einzustufen. Mit der Pflicht, sich täglich zwischen 10.00 und 13.00 Uhr persönlich oder telefonisch von seinem Festanschluss in der Wohnung in Bern aus bei der Kantonspolizei zu melden, wird der Beschwerdeführer in seiner Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt, ohne dass hierdurch Kollusionshandlungen wirkungsvoll verhindert werden könnten.
6.5
Zusammenfassend sind somit die Eingrenzung auf den Kanton Bern und die tägliche Meldepflicht aufzuheben, da das verhängte Kontaktverbot und die Ausgrenzung vom Kanton Waadt als mildere Massnahmen zur Herabsetzung der Kollusionsgefahr ausreichen. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
641390d2-9887-4aa5-a736-322790cd7b1e | Urteilskopf
106 Ia 179
34. Urteil des Kassationshofes vom 5. Dezember 1980 i.S. F. gegen Generalprokurator und Obergericht des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 41 Ziff. 3 lit. c bern.
StrV;
Art. 4 BV
.
Notwendige Verteidigung im Hinblick auf die Anordnung einer Verwahrung nach
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
. | Sachverhalt
ab Seite 180
BGE 106 Ia 179 S. 180
A.-
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte Frau F. am 19. Juni 1980 wegen wiederholten Diebstahls, Raubes, Urkundenfälschung, Widerhandlung gegen Betäubungsmittelgesetz und Führens eines Motorfahrrades in angetrunkenem Zustand zu 15 Monaten Gefängnis; in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, das Frau F. gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
verwahrte, schob das Obergericht den Strafvollzug auf und wies die Verurteilte gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
in eine Heil- und Pflegeanstalt ein.
Frau F. war für das Strafverfahren bereits vom Untersuchungsrichter gemäss Art. 41 Ziff. 1 und Ziff. 3b bern. StrV ein amtlicher Verteidiger beigegeben worden (notwendige Verteidigung), der ihr auch vor Obergericht beistand und die Änderung des erstinstanzlichen Entscheides erwirkte.
B.-
Nachdem Frau F. in der geschlossenen Suchtstation der psychiatrischen Universitätsklinik Bern beträchtliche Fortschritte gemacht hatte, weshalb Anfang Juli 1980 ihre Versetzung in eine offene Rehabilitationsabteilung, eventuell die Unterbringung in einer therapeutischen Wohngemeinschaft in Aussicht genommen wurde, wurde sie wegen Drogenkonsums in schwerwiegender Weise rückfällig. Sie hatte deshalb das strukturierte Programm der Drogenabteilung wieder aufzunehmen. Sie verweigerte dies und hielt sich nach ihrer Verlegung in eine halboffene Abteilung auch nicht an die dortige Ordnung noch an die mit ihr getroffenen Abmachungen nach dem neuen Therapiekonzept. Überdies legte sie eine stark "negativistische Einstellung" an den Tag und beeinflusste in diesem Sinne einen anderen Drogenpatienten. Die Universitätsklinik betrachtete deshalb die Massnahme als gescheitert und ersuchte die Polizeidirektion des Kantons Bern mit Bericht vom 19. August 1980 um Rückversetzung der Verurteilten in den Strafvollzug. Am 22. August 1980 ersuchte die Vollzugsbehörde das Obergericht um eine rechtliche Vorkehr im Sinne des
Art. 43 Ziff. 3 StGB
.
In Anwendung von Art. 27 bern. EGzStGB wurde der Verurteilten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit dieser verlangte sie die Versetzung in eine offene Station der Heil- und
BGE 106 Ia 179 S. 181
Pflegeanstalt Münsingen in der Überlegung, nach einer ersten Stufe intern zu leistender Arbeit einer externen Beschäftigung nachgehen zu können.
Am 12. September 1980 beschloss das Obergericht, es werde die am 19. Juni 1980 ausgefällte Gefängnisstrafe nicht vollzogen und die Verurteilte im Sinne von
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
verwahrt. In diesem Verfahrensstadium war Frau F. durch keinen Anwalt verbeiständet.
C.-
Frau F. führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
. Sie rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und Willkür. Gleichzeitig ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Obergericht habe seinen letzten Entscheid getroffen, ohne ihr einen amtlichen Verteidiger beigegeben zu haben. Wenn es der Meinung sei, für das Verfahren gemäss
Art. 43 Ziff. 3 StGB
sei die Bestimmung des Art. 41 bern. StrV über die notwendige Verteidigung nicht anwendbar, so liege darin eine willkürliche Auslegung des Gesetzes. Die Beschwerdeführerin sei nach dem psychiatrischen Gutachten in mittlerem bis schwerem Masse in ihrer Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigt. Es liege schon aus diesem Grunde ein Fall notwendiger Verteidigung gemäss Art. 41 Ziff. 3 lit. b bern. StrV vor. Auch habe sie sich seit Monaten in Unfreiheit befunden, sodass auch Art. 41 Ziff. 3 lit. a bern. StrV hätte angewandt werden müssen. Schliesslich sei die Verwahrung ein derart schwerwiegender Eingriff in die Freiheit, dass auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 41 Ziff. 3c bern. StrV ein Fall notwendiger Verteidigung bestanden habe. In der ordentlichen Hauptverhandlung vom 19. Juni 1980 sei die Vorinstanz dem Antrag des Verteidigers gefolgt und habe auf Verwahrung verzichtet. Drei Monate später habe sie diese Massnahme auf einem anderen Weg in einem völlig formlosen Verfahren angeordnet. Damit habe sie die rechtsstaatlichen Kautelen des Art. 41 bern. StrV ausgeschaltet. Es könne nicht der Sinn dieser Bestimmung sein, den Angeschuldigten nur bei sofortiger, nicht aber bei nachträglicher Verwahrung zu schützen.
BGE 106 Ia 179 S. 182
2.
Nach Art. 41 Ziff. 3 lit. c und Ziff. 4 bern. StrV ist die Verteidigung auch in der Hauptverhandlung des Rechtsmittelverfahrens notwendig,
"wenn ein Verbrechen oder Vergehen Gegenstand des Verfahrens
bildet und wenn besondere Umstände ... es rechtfertigen, insbesondere wenn
freiheitsentziehende Massnahmen in Aussicht stehen", und gemäss Art. 42 Abs. 1 bern. StrV hat der Richter oder der Präsident des Gerichtes, bei dem die Sache hängig ist, von sich aus oder auf Gesuch des Angeschuldigten diesem einen amtlichen Verteidiger zu bestellen, wenn der Angeschuldigte in einem der in Art. 41 angeführten Fälle keinen Verteidiger bestellt oder der Bestellte ablehnt.
a) Die erstgenannte Bestimmung betrifft ihrem Wortlaut nach primär das Sachverfahren, in welchem Schuldpunkt und Strafpunkt zur Entscheidung stehen. Darauf weist die erste der beiden kumulativen Voraussetzungen hin, wonach eine Verteidigung eine notwendige ist, wenn ein Verbrechen oder Vergehen Gegenstand des Verfahrens bildet. Indessen kommt diesem Element nur insoweit Bedeutung zu, als damit die Notwendigkeit einer Verteidigung in Übertretungssachen ausgeschlossen werden soll, bei denen ja auch die Sanktion keine derart schwerwiegende sein kann, dass der Angeschuldigte notwendig eines Rechtsbeistandes bedürfte. Damit aber ist bereits darauf hingewiesen, dass das Schwergewicht der angeführten Bestimmung in der zu gewärtigenden Sanktion liegt (s.
BGE 102 Ia 90
unten). Entsprechend bestimmt denn auch Art. 41 Ziff. 4 bern. StrV, dass die Verteidigung in den Fällen der Ziffern 2 und 3 auch im Rechtsmittelverfahren notwendig ist, obschon in diesem Verfahren nicht selten nur noch die Sanktion zur Entscheidung steht. Es würde dem Sinn dieser Bestimmung klarerweise widersprechen, wollte man in einem Rechtsmittelverfahren, in welchem es um eine an ein in erster Instanz rechtskräftig beurteiltes Verbrechen oder Vergehen anschliessende freiheitsentziehende Massnahme geht, die Anwendbarkeit des Art. 41 bern. StrV verneinen. Das Rechtsmittelverfahren ist die Fortsetzung des unterinstanzlichen Sachverfahrens und hängt mit diesem unmittelbar zusammen. Nicht wesentlich anders verhält es sich im Falle des
Art. 43 Ziff. 3 StGB
, wo der Richter bei Versagen einer im Haupturteil angeordneten Behandlung über die Vollstreckung der Strafe oder die Anordnung einer anderen
BGE 106 Ia 179 S. 183
Massnahme zu befinden hat. Auch dieses Verfahren ist eine Fortsetzung, bzw. Ergänzung des Hauptverfahrens, und der vom Richter zu fällende Entscheid über die Sanktion hängt unmittelbar mit dem Verbrechen oder Vergehen zusammen, das Gegenstand des Hauptverfahrens gebildet hat. Wo in diesen Fällen eine freiheitsentziehende Massnahme in Aussicht steht, muss offensichtlich Art. 41 Ziff. 3 lit. c bern. StrV gleich Platz greifen wie im Hauptverfahren, in welchem eine solche Massnahme in Frage kommt. Ein anderer Sinn ist Art. 41 bern. StrV vernünftigerweise nicht zu entnehmen (entsprechend das Urteil der staatsrechtlichen Kammer vom 11. Juli 1978 i. S. G. c. Zürich).
b) Im vorliegenden Fall stand Verwahrung nach
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
in Aussicht, eine Massnahme, die einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt (
BGE 101 IV 127
E. 3) und an Verbrechen und Vergehen der Beschwerdeführerin anschloss. Da diese gemäss Art. 27 Abs. 3 bern. EGzStGB Anspruch auf Anhörung besass, hätte ihr das Obergericht zu diesem Zwecke einen Verteidiger bestellen müssen, was sich umso mehr aufdrängte, als sie rechtsunkundig dem Generalprokurator mit seinem Antrag gegenüberstand. Indem es dies unterliess, hat es sich willkürlich über Art. 41 Ziff. 3 lit. c bern. StrV hinweggesetzt und damit gegen
Art. 4 BV
verstossen.
3.
Ist der angefochtene Entscheid schon aus diesem Grunde aufzuheben, kann dahingestellt bleiben, ob dem Obergericht auch bezüglich der Anwendung von Art. 41 Ziff. 3 lit. a und b bern. StrV Willkür zur Last fällt. Auch brauchen die Rügen der Verweigerung des rechtlichen Gehörs und der willkürlichen Beweiswürdigung nicht geprüft zu werden, da das Verfahren nach
Art. 43 Ziff. 3 StGB
vom Obergericht unter Mitwirkung des Verteidigers nochmals ganz durchgeführt werden muss.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 12. September 1980 aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
641a2dea-9ce5-4a6c-b036-486582c6ab86 | Urteilskopf
134 III 80
14. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. AG contre B. SA et consorts (recours en matière civile)
4A_272/2007 du 21 novembre 2007 | Regeste
Internationales Privatrecht; unerlaubte Handlungen, örtliche Zuständigkeit, Gerichtsstand der Konnexität (
Art. 129 Abs. 3 IPRG
).
Voraussetzungen für die Anwendung von
Art. 129 Abs. 3 IPRG
(E. 7.1). Diese Bestimmung erfasst auch die Produktehaftpflicht (E. 7.2).
Im vorliegenden Fall sind die Genfer Gerichte örtlich zuständig mit Bezug auf vier Beklagte, die unerlaubte Handlungen im weiten Sinn begangen haben sollen, wobei drei von ihnen, mit Sitz im Ausland, zugunsten der Genfer Gerichte eine Gerichtsstandsvereinbarung mit der Klägerin geschlossen haben und die vierte ihren Sitz in einem anderen Schweizer Kanton hat (E. 7.2). | Sachverhalt
ab Seite 81
BGE 134 III 80 S. 81
A.
Par contrat du 24 mai 2005, V. SA (ci-après: V.), dont le siège est à Cannes (France), a vendu un yacht à W., domicilié à Libreville (Gabon), pour le prix de 6'900'000 euros. Selon ce contrat, les risques ne devaient passer à l'acheteur qu'au moment de la livraison à Libreville. La venderesse a assuré le yacht auprès de B. SA (ci-après: B.), société de droit français avec siège à Paris.
En juin 2005, V. et X. ont conclu un contrat ayant pour objet le transport du yacht de Barcelone (Espagne) à Libreville. Pour organiser ce transport, X. s'est adressée à E. mbH & Co., société avec siège à Hambourg (Allemagne), propriétaire inscrit du navire Y., D. Limited, avec siège sur l'Ile de Man, armateur du navire, et C. GmbH, avec siège à Hambourg, opérateur du navire (ces trois sociétés seront désignées collectivement ci-après par le terme de "transporteurs").
Les opérations de chargement du yacht à bord du navire Y. se sont déroulées le 20 juillet 2005 dans le port de Barcelone. Alors que le yacht se trouvait suspendu à un mètre au-dessus du pont du navire, l'élingue de poupe, dont le fabricant est la société de droit suisse A. AG, avec siège à Zoug, s'est rompue, provoquant la chute du yacht sur le pont, puis dans l'eau et, partant, un dommage total.
Le conseil de la société Z. Ltd (ci-après: Z.), assureur des transporteurs, et celui de B., de W. et de V. (ci-après: B. et consorts) ont négocié la conclusion d'une convention de prorogation de for et se sont accordés sur la compétence des tribunaux suisses pour connaître du litige relatif au sinistre subi par le yacht. Ils ont également choisi le droit suisse comme droit applicable au fond.
Cet accord a été confirmé par une
Letter of Undertaking
(ci-après: LOU) du 20 mars 2006, faisant suite à une précédente LOU du 3 août 2005, que Z. a fait parvenir au conseil de B. et consorts, en demandant à ce dernier de lui restituer la précédente LOU. Dans ce document, l'assureur, agissant pour le compte des transporteurs, déclarait proroger le for en faveur des tribunaux genevois, faire élection du droit suisse et vouloir payer à B. et consorts toute somme, jusqu'à concurrence d'un maximum de 7'800'000 US$, au paiement de laquelle ses assurés seraient condamnés par un jugement exécutoire des tribunaux genevois rendu en application du droit suisse.
B. a indemnisé V. à hauteur de 6'800'000 euros.
B.
Le 19 juillet 2006, B. a ouvert action, à Genève, contre les transporteurs et contre A. AG en concluant à ce que les quatre
BGE 134 III 80 S. 82
défenderesses soient condamnées solidairement à lui payer les sommes de 6'900'000 et 242'455 euros, avec intérêts à 5 % dès le 19 juillet 2006. Soutenant être subrogée aux droits de V. à l'égard des responsables du dommage consécutif à la destruction du yacht, la demanderesse reproche aux transporteurs d'avoir violé leurs obligations contractuelles et d'avoir commis des actes illicites. Quant à A. AG, elle est recherchée au titre de la responsabilité du fait du produit pour avoir livré une élingue prétendument défectueuse.
A l'audience d'introduction du 14 septembre 2006, A. AG a soulevé l'exception d'incompétence à raison du lieu.
Le 10 octobre 2006, les transporteurs ont déposé une demande d'appel en cause dirigée contre X.
Par jugement sur incident du 21 décembre 2006, le Tribunal de première instance du canton de Genève a rejeté l'exception d'incompétence
ratione loci
et s'est déclaré compétent pour connaître de la demande formée par B. à l'encontre de A. AG.
Saisie d'un appel de cette partie, la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève, statuant par arrêt du 8 juin 2007, a confirmé le jugement de première instance. A son avis, l'
art. 129 al. 3 LDIP
, relatif au for des codéfendeurs en matière d'actes illicites, est applicable en l'espèce, étant donné, d'une part, que toutes les défenderesses peuvent être recherchées en Suisse - l'une (A. AG), parce qu'elle a son siège dans ce pays, les autres (les transporteurs), du fait qu'elles ont conclu une convention de prorogation de for expresse, voire tacite - et, d'autre part, qu'il existe un lien de connexité suffisant entre les différentes prétentions litigieuses.
C.
Agissant par la voie du recours en matière civile, A. AG demande au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt cantonal et de constater l'incompétence
ratione loci
des tribunaux genevois pour connaître de l'action en paiement que B. a introduite à son encontre.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
7.
Dans un dernier moyen, la recourante fait valoir, "à titre superfétatoire", que les conditions d'application de l'
art. 129 al. 3 LDIP
ne sont pas réalisées
in casu
, en l'absence d'un lien de connexité entre les différentes prétentions exercées contre elle et contre ses consorts.
BGE 134 III 80 S. 83
7.1
Aux termes de l'
art. 129 al. 3 LDIP
, si plusieurs défendeurs peuvent être recherchés en Suisse et si les prétentions sont essentiellement fondées sur les mêmes faits et les mêmes motifs juridiques, l'action peut être intentée contre tous devant le même juge compétent; le juge saisi en premier lieu a la compétence exclusive.
Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, la compétence du juge saisi, qui peut résulter d'une prorogation de for (
ATF 117 II 204
consid. 2c, auquel se réfère l'
ATF 129 III 80
consid. 2.3.3), suppose que l'action soit de nature délictuelle, vu la systématique de la loi (la disposition citée figure dans la section 3 intitulée "Actes illicites"), sans qu'il importe, sous cet angle, que le demandeur reproche au défendeur, en sus d'un acte illicite, une violation de ses devoirs contractuels (arrêt 4C.477/1993 du 13 juin 1994, reproduit partiellement in SJ 1995 p. 57 ss, consid. 3;
ATF 117 II 204
consid. 2a). En d'autres termes, ce qui est déterminant pour l'application de l'
art. 129 al. 3 LDIP
, c'est le fait que l'action dirigée contre chacun des défendeurs recherchés soit aussi, sinon exclusivement, de nature délictuelle et que chacun de ces défendeurs puisse être actionné en Suisse, fût-ce sur la base d'une convention d'élection de for (DANIELLE GAUTHEY LADNER, Solidarité et consorité en matière délictuelle en droit suisse et américain, en particulier new-yorkais, thèse Lausanne 2001, p. 148).
L'application de l'
art. 129 al. 3 LDIP
suppose, en outre, que les prétentions soient "essentiellement fondées sur les mêmes faits et les mêmes motifs juridiques" ("stützen sich die Ansprüche im wesentlichen auf die gleichen Tatsachen und Rechtsgründe"; "se le pretese si fondano essenzialmente sugli stessi fatti et sugli stessi titoli giuridici"). La recourante soutient, pour sa part, que les prétentions devraient se fonder sur les mêmes "
normes
juridiques". Cependant, les auteurs qu'elle cite à l'appui de sa thèse ne lui sont d'aucun secours, car ils se bornent à reprendre les expressions de "
motifs
juridiques" ou de "Rechts
gründe
" utilisées dans le texte légal (ROBERT P. UMBRICHT/NICOLE ZELLER, Commentaire bâlois, Internationales Privatrecht, 2
e
éd., n. 30 ad
art. 129 LDIP
; PAUL VOLKEN, Commentaire zurichois, 2
e
éd., n. 116 ad
art. 129 LDIP
; BERNARD DUTOIT, Droit international privé suisse, 4
e
éd., n. 9 ad
art. 129 LDIP
). Seuls deux auteurs emploient le terme de "Rechts
normen
", mais en précisant immédiatement que l'existence d'un lien de connexité entre les différentes prétentions exercées est suffisante (PAOLO MICHELE PATOCCHI/ELLIOTT GEISINGER, Internationales Privatrecht, p. 429, ch. 4.1). Il est vrai que, dans l'arrêt 4C.477/1993 précité, le Tribunal fédéral
BGE 134 III 80 S. 84
lui-même a utilisé l'expression de "
normes
juridiques" (consid. 5). Toutefois, rien ne donne à penser qu'il l'ait fait à dessein et pour opposer cette expression à celle de "
motifs
juridiques". En réalité et selon toute vraisemblance, l'expression de "
normes
juridiques" aura été reprise du résumé français de l'
ATF 117 II 204
publié dans la SJ 1992 p. 74 ss, où l'expression de "Rechts
gründe
", employée dans le texte original (consid. 1 p. 206), a été traduite par celle de "
normes
juridiques" (p. 75, 1
er
§). Quoi qu'il en soit, cette dernière expression ne saurait correspondre à ce qu'a voulu dire le Tribunal fédéral. Preuve en est, notamment, la remarque faite au dernier paragraphe de l'
ATF 117 II 204
où il est précisé, avec référence à l'
art. 140 LDIP
, qu'il importe peu, pour régler la question de la compétence locale, que le droit applicable - autrement dit les
normes
juridiques - ne soit pas nécessairement le même lorsque plusieurs personnes ont participé à un acte illicite.
Il n'est guère possible de définir de manière abstraite et une fois pour toutes ce qu'il faut entendre par "prétentions essentiellement fondées sur les mêmes faits et sur les mêmes motifs juridiques" (sur cette question, cf., parmi d'autres, GAUTHEY LADNER, op. cit., p. 148 ss et les références). Selon la doctrine, il est nécessaire et suffisant qu'il y ait un rapport de connexité entre les différentes prétentions (UMBRICHT/ZELLER, ibid.; DUTOIT, ibid.; PATOCCHI/GEISINGER, ibid.; ANDREAS BUCHER/ANDREA BONOMI, Droit international privé, 2
e
éd., n. 1060; SIMON OTHENIN-GIRARD, Droit international privé, Les actes illicites [
art. 129-142 LDIP
], Fiches juridiques suisses [FJS] n° 710 p. 6). Cependant, la connexité est une notion juridique indéterminée qui recouvre différentes hypothèses et qui fait appel au pouvoir d'appréciation du juge. La jurisprudence fédérale a tenté de cerner ladite notion en s'inspirant de la définition qu'en donne l'
art. 22 al. 3 CL
(RS 0.275.11;
ATF 132 III 178
consid. 3.1, relatif à l'
art. 36 LFors
[RS 272];
ATF 129 III 80
consid. 2.2, relatif à l'
art. 7 LFors
). Cette disposition tient pour connexes les demandes liées entre elles par un rapport si étroit qu'il y a intérêt à les instruire et à les juger en même temps afin d'éviter des solutions qui pourraient être inconciliables si les causes étaient jugées séparément. Ce motif pratique - éviter des jugements contradictoires - est aussi celui qui a guidé le législateur fédéral lorsqu'il a adopté l'
art. 129 al. 3 LDIP
(cf.
ATF 117 II 204
consid. 2c p. 108 in limine). La notion conventionnelle de la connexité, ainsi définie, paraît toutefois trop large pour être appliquée telle quelle à cette disposition légale. En effet, contrairement à
BGE 134 III 80 S. 85
celle-ci, elle ne semble pas exiger que les demandes reposent essentiellement sur les mêmes motifs juridiques (cf. REINHOLD GEIMER/ ROLF A. SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2
e
éd., n. 11 ad art. 28 du Règlement n° 44/2001 dit "Bruxelles I", du 22 décembre 2000, concernant la compétence judiciaire, la reconnaissance et l'exécution des décisions en matière civile et commerciale). Quoi qu'il en soit, les conditions d'application de l'
art. 129 al. 3 LDIP
offrent déjà, à elles seules, des garanties suffisantes au défendeur susceptible d'être attrait devant une autre juridiction suisse que celle de son domicile contre une interprétation extensive de la notion de connexité. Elles supposent, en effet, que les prétentions émises à l'encontre des divers défendeurs pouvant être recherchés en Suisse reposent toutes sur un acte illicite et que celui-ci résulte essentiellement des mêmes faits. En revanche, comme l'utilisation de ce dernier adverbe le fait ressortir, la loi ne subordonne pas l'application du for de la connexité (ou de la consorité) à l'existence d'une identité factuelle complète. L'identité requise sera ainsi réalisée à l'égard de prétentions relevant de la matière délictuelle et découlant, par exemple, du même accident de la circulation, du même acte de concurrence déloyale ou de la même immission (VOLKEN, op. cit., n. 119 ad
art. 129 LDIP
; DUTOIT, ibid.). Dans la mesure où la systématique de la loi limite déjà l'application de l'
art. 129 al. 3 LDIP
au domaine de la responsabilité fondée sur un acte illicite, on peut se demander si l'expression "les mêmes motifs juridiques", utilisée par le législateur, n'est pas redondante. Aussi bien, de deux choses l'une: soit les faits imputés au défendeur assigné au for de la connexité sont essentiellement les mêmes que ceux qui sont reprochés à ses codéfendeurs comme constituant des actes illicites, et l'
art. 129 al. 3 LDIP
est applicable; soit ils diffèrent de ceux-ci et excluent l'application de cette disposition, même s'ils relèvent eux aussi de la responsabilité délictuelle. Il est donc difficile d'envisager l'hypothèse dans laquelle des prétentions découlant de ce type de responsabilité et reposant, pour l'essentiel, sur les mêmes faits, ne seraient pas fondées essentiellement sur les "mêmes motifs juridiques", pour reprendre les termes de la disposition citée. En définitive, ce sont moins des considérations dogmatiques que les circonstances du cas concret qui s'avéreront décisives pour déterminer si les conditions d'application de l'
art. 129 al. 3 LDIP
sont réalisées ou non dans la cause soumise au juge du for des codéfendeurs.
BGE 134 III 80 S. 86
7.2
La cour cantonale a estimé que ces conditions étaient réalisées en l'espèce. Il convient de lui donner raison, quoi qu'en dise la recourante.
Soutenant être subrogée aux droits de son assurée - V., propriétaire du yacht vendu et détruit avant sa livraison à l'acheteur -, la demanderesse agit à l'encontre des intimées, les transporteurs, afin d'obtenir réparation du dommage qu'elle leur reproche d'avoir causé par des actes illicites, outre la violation de leurs obligations contractuelles, en provoquant la destruction involontaire du yacht et en portant ainsi atteinte à la propriété de son assurée. Quant à la recourante, elle est recherchée au titre de la responsabilité du fait du produit, motif pris de la livraison d'une élingue prétendument défectueuse utilisée pour soulever le yacht. Ce type de responsabilité, que la loi fédérale sur le droit international privé classe dans la section des "actes illicites" s'agissant du droit applicable (cf.
art. 135 LDIP
), entre dans le champ d'application de l'
art. 129 LDIP
et relève donc, lui aussi, de la responsabilité délictuelle au sens de cette disposition (GERHARD WALTER, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 4
e
éd., p. 160; VOLKEN, op. cit., n. 29 ad
art. 129 LDIP
; UMBRICHT/ZELLER, op. cit., n. 5 ad
art. 129 LDIP
), comme c'est du reste également le cas sous l'angle de l'
art. 5 ch. 3 CL
(BERNARD DUTOIT, La Convention de Lugano du 16 septembre 1988 concernant la compétence judiciaire et l'exécution des décisions en matière civile et commerciale, II, FJS n° 157, ch. 68 in fine). Ainsi, toutes les prétentions élevées contre les défendeurs sont fondées essentiellement sur les mêmes motifs juridiques, à savoir une responsabilité pour actes illicites
lato sensu
. Elles reposent également toutes, pour l'essentiel, sur les mêmes faits, en l'occurrence le sinistre survenu le 20 juillet 2005 à Barcelone lors du chargement du yacht sur le pont du navire qui devait le transporter au Gabon. Peu importe, à cet égard, que ce fait-là, à l'origine de l'ensemble des prétentions de la demanderesse, soit la conséquence d'autres faits qui ne sont pas les mêmes pour toutes les défenderesses recherchées, c'est-à-dire la prétendue violation des règles et usages en matière maritime pour ce qui est des intimées et la livraison d'un produit apparemment défectueux en ce qui concerne la recourante. La présente espèce fournit un bon exemple de l'intérêt qu'il peut y avoir à instruire et à juger en même temps les prétentions dirigées contre chacune des codéfenderesses. L'attraction de la compétence
ratione loci
permettra d'éviter, par exemple, que les tribunaux genevois libèrent les intimées, au motif que la recourante serait
BGE 134 III 80 S. 87
l'unique responsable du dommage subi par la demanderesse, et que, de leur côté, les tribunaux zougois libèrent la recourante pour la raison que la responsabilité de cette dernière ne serait pas engagée selon eux. Elle offrira, en outre, à la recourante la possibilité de faire valoir son point de vue en pleine connaissance de celui des autres parties et de requérir ainsi l'administration de preuves de manière plus ciblée. L'obligation de renoncer aux tribunaux de son domicile et de plaider devant une juridiction de la Suisse francophone est une contrepartie nécessaire et peu contraignante à de tels avantages, faut-il le souligner, quand bien même pareille circonstance ne joue aucun rôle pour décider de l'applicabilité de l'
art. 129 al. 3 LDIP
. Cette disposition est donc applicable
in casu
, étant rappelé ici que toutes les défenderesses peuvent être recherchées en Suisse, la recourante parce qu'elle y est domiciliée (
art. 2 al. 1 CL
), les intimées parce qu'elles y ont élu un for (
art. 17 ch. 1 CL
).
Par conséquent, les juridictions genevoises ont admis à juste titre leur compétence
ratione loci
à l'égard de toutes les défenderesses, la recourante incluse. Le recours soumis à l'examen du Tribunal fédéral sera, dès lors, rejeté. | null | nan | fr | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
641ba067-a923-4dff-b291-a20534dee955 | Urteilskopf
118 Ib 510
62. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. November 1992 i.S. Einwohnergemeinde Bolken und Mitbet. gegen Schweizerische Bundesbahnen und Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 15 EntG
; Aussteckungen als vorbereitende Handlungen für das eisenbahnrechtliche Plangenehmigungs- und das Landerwerbsverfahren.
Verwaltungsgerichtsbeschwerde als zulässiges Rechtsmittel zur Anfechtung der Bewilligung zur Vornahme vorbereitender Handlungen gemäss
Art. 15 EntG
(E. 1).
Aussteckungen sind unumgänglich notwendige Vorbereitungshandlungen sowohl für die Eröffnung eines kombinierten eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungs- und Enteignungsverfahrens als auch für die Durchführung eines ordentlichen eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungsverfahrens, dem eine Landumlegung nebenhergeht (E. 2).
Mit der Bewilligung der Aussteckung wird weder ein Vorentscheid über die Vereinbarkeit des Projektes mit dem Bundesrecht gefällt, noch ein Variantenentscheid getroffen oder präjudiziert (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 511
BGE 118 Ib 510 S. 511
Am 25. April 1991 unterbreiteten die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) dem Bundesamt für Verkehr die Pläne für die Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist und ersuchten das Amt um Einleitung des eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungsverfahrens. Weitere Planunterlagen mit Variantenvorschlägen wurden Ende Juli 1991 nachgereicht.
Nach Inkrafttreten des dringlichen Bundesbeschlusses über das Plangenehmigungsverfahren für Eisenbahn-Grossprojekte vom 21. Juni 1991 (SR 742.100.1; im folgenden: BB PVEB oder Bundesbeschluss) eröffnete das Bundesamt für Verkehr das verwaltungsinterne Vorprüfungsverfahren im Sinne von Art. 3 ff. des Bundesbeschlusses. Dieses konnte im Frühjahr 1992 abgeschlossen werden,
BGE 118 Ib 510 S. 512
worauf das Bundesamt seinen Bericht gemäss Art. 9 BB PVEB verfasste.
Mit Schreiben vom 29. Mai 1992 teilten die SBB allen Eigentümern der von der Neubaustrecke betroffenen Grundstücke mit, sie beabsichtigten, im Oktober/November 1992 das beanspruchte Trassee auszustecken und die geplanten Geländeveränderungen mit Profilen zu markieren. Die Pflöcke und Profile blieben bis zum Abschluss der Planauflage im Frühjahr 1993 an Ort. Ohne Gegenbericht innert dreissig Tagen werde davon ausgegangen, dass gegen die Aussteckung keine Einwendungen erhoben würden. - Diese Mitteilung wurde ebenfalls in den Amtsblättern der Kantone Aargau, Solothurn und Bern publiziert.
Innert der gesetzten Frist gaben insgesamt 31 Grundeigentümer bekannt, dass sie sich der angekündigten Aussteckung widersetzten. Die Kreisdirektion II der SBB ersuchte hierauf das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED), ihr die Vornahme der Aussteckungen als vorbereitende Handlungen gemäss
Art. 15 des Bundesgesetzes über die Enteignung vom 20. Juni 1930 (SR 711; EntG)
zu bewilligen. In ihrem Gesuch hielten die SBB fest, dass die Aussteckung auch den von den alternativen Linienführungen (Muniberg-Tunnel und Oesch-Oenz-Tunnel) betroffenen Grundeigentümern angezeigt worden sei, da zur Zeit noch nicht feststehe, welche Linienführung Gegenstand des Planauflageverfahrens bilden werde. Aus diesem Grunde solle sich die Bewilligung des EVED auf sämtliche Grundstücke erstrecken.
Mit Verfügung vom 28. September 1992 gab das EVED dem Gesuch der SBB statt und ermächtigte diese, auf den in den Gesuchsunterlagen genannten Grundstücken vorbereitende Handlungen im Sinne von
Art. 15 EntG
vorzunehmen. Die Verfahrenskosten wurden den Gesuchstellerinnen auferlegt.
Gegen die Verfügung des EVED haben 11 Eigentümer von Grundstücken in den solothurnischen Gemeinden Bolken, Etziken, Aeschi und Hersiwil mit einer gemeinsamen Eingabe Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie verlangen, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und das Gesuch der SBB um Bewilligung vorbereitender Handlungen abgewiesen werde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
BGE 118 Ib 510 S. 513
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Das EVED hat in der Rechtsmittelbelehrung zu seiner Verfügung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als zulässiges Rechtsmittel bezeichnet und die dreissigtägige Beschwerdefrist für gegeben erklärt. Zu Recht. Wie bereits in
BGE 115 Ib 419
f. E. 1a dargelegt worden ist, geht die sich auf Bundesverwaltungsrecht stützende Ermächtigung zu vorbereitenden Handlungen von einem Departement aus und stellt keine Zwischen-, sondern eine Endverfügung dar. Sie kann auch kaum als eine Verfügung über Pläne gelten, doch wäre sie als solche zu betrachten, müsste sie ihrer Natur nach den enteignungsrechtlichen Einspracheentscheiden gleichgestellt werden, welche gemäss
Art. 99 lit. c OG
nicht von der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgenommen sind. Auf die Beschwerden, die alle von Grundeigentümern erhoben worden sind, die die Aussteckung auf ihrem Boden dulden sollen, kann daher eingetreten werden.
2.
Nach
Art. 15 Abs. 1 EntG
müssen Handlungen, die zur Vorbereitung eines Unternehmens, für das die Enteignung beansprucht werden kann, unumgänglich notwendig sind, wie Begehungen, Planaufnahmen, Aussteckungen und Vermessungen, schriftlich angezeigt werden und dürfen wider den Willen des Eigentümers nur mit Bewilligung des in der Sache zuständigen Departementes erfolgen. Voraussetzung für die Erteilung der Bewilligung ist somit einerseits, dass dem Gesuchsteller für das geplante Werk das Enteignungsrecht bereits zusteht oder noch verliehen werden kann, und andererseits, dass die in Aussicht genommenen Handlungen zur Vorbereitung des Unternehmens unbedingt erforderlich sind. Weitere Bedingungen für diesen vorübergehenden Eingriff in fremdes Grundeigentum hat der Gesetzgeber - abgesehen von der vorgängigen Anzeige - nicht aufgestellt.
Die Beschwerdeführer ziehen bloss andeutungsweise in Zweifel, ob die genannten Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung nach
Art. 15 EntG
tatsächlich erfüllt seien. Diese Rechtsfrage ist jedoch im Verwaltungsgerichtsverfahren ohnehin von Amtes wegen zu prüfen.
a) Nach Art. 3 Abs. 1 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (SR 742.101; EBG) steht den Schweizerischen Bundesbahnen und den konzessionierten Bahnunternehmungen das Enteignungsrecht gemäss der Bundesgesetzgebung zu. Aufgrund dieser generellen Ermächtigung sind die SBB befugt, für ihre Projekte die notwendigen vorbereitenden Massnahmen im Sinne von
Art. 15 EntG
BGE 118 Ib 510 S. 514
zu ergreifen. Daran ändert nichts, dass nach
Art. 3 Abs. 2 EBG
in der Fassung vom 8. Oktober 1982 das Enteignungsverfahren erst zur Anwendung kommt, wenn die Bemühungen für einen freihändigen Erwerb der erforderlichen Rechte oder für eine Landumlegung nicht zum Ziele führen.
Art. 15 EntG
verlangt lediglich, dass die Enteignung für das fragliche Unternehmen "beansprucht werden kann"; ob der Gesuchsteller schliesslich zur Enteignung schreite oder nicht - etwa weil auf das Werk am vorgesehenen Ort verzichtet wird oder die notwendigen Rechte auf anderem Weg erworben werden können -, ist für die Zulässigkeit der vorbereitenden Handlungen nicht massgebend und steht auch meist im Zeitpunkt ihrer Vornahme noch nicht endgültig fest (vgl.
BGE 115 Ib 421
f. E. 3c).
b) Das EVED hat in der angefochtenen Verfügung generell bejaht, dass Aussteckungen zu den unumgänglich notwendigen Vorbereitungshandlungen gehörten, da sie der Veranschaulichung und Verdeutlichung des Projektes dienten. Dagegen hat sich das Departement zur Frage, welches der möglichen Plangenehmigungs- bzw. Landerwerbsverfahren für die Neubaustrecke durchgeführt werden soll, nicht geäussert und ist daher zu untersuchen, ob die Aussteckungen ungeachtet der Art des anzuhebenden Verfahrens als unbedingt erforderlich erscheinen.
aa) Die SBB reichten ihr Gesuch um Eröffnung des eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungsverfahrens am 25. April 1991, also noch vor der Annahme des Bundesbeschlusses über das Plangenehmigungsverfahren für Eisenbahn-Grossprojekte ein. Dem Bundesamt für Verkehr oblag es damals nach Art. 19 der am 26. November 1984 revidierten Verordnung über die Planvorlagen für Eisenbahnbauten vom 23. Dezember 1932 (SR 742.142.1; PVV-EB), die eingereichten Unterlagen zu prüfen und festzulegen, welches der drei in Art. 20 PVV-EB umschriebenen Verfahren durchzuführen sei. Ein solcher Entscheid ist jedoch offenbar nicht ergangen. Vielmehr ist nach Inkrafttreten des Bundesbeschlusses direkt das verwaltungsinterne Vorprüfungsverfahren gemäss Art. 3 ff. BB PVEB eröffnet und damit die Plangenehmigung nach den neuen spezialgesetzlichen Bestimmungen eingeleitet worden, so dass sich hier - da unter früherem Recht kein Verfahren angehoben wurde - die Frage der Anwendung des Übergangsrechts, insbesondere von Art. 24 Abs. 3 BB PVEB, nicht stellt.
bb) Muss für Eisenbahn-Grossprojekte enteignet werden, so ist nach Art. 10 Abs. 2 des Bundesbeschlusses das eisenbahnrechtliche Plangenehmigungsverfahren mit dem Enteignungsverfahren zu
BGE 118 Ib 510 S. 515
verbinden, d.h. das sogenannte kombinierte Verfahren im Sinne von Art. 20 lit. c und Art. 23 ff. PVV-EB durchzuführen, wobei die Sonderregeln von Art. 13 bis Art. 18 BB PVEB zu beachten sind. Die beiden Verfahren sind in jedem Falle zusammenzulegen; eine Möglichkeit, das Enteignungsverfahren erst nach Abschluss des eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungsverfahrens zu eröffnen (vgl. Art. 20 lit. b PVV-EB), besteht nach dem Bundesbeschluss nicht.
Wird dagegen der für den Eisenbahnbau benötigte Boden auf dem Wege der Landumlegung erworben, so findet die Plangenehmigung ausserhalb des Umlegungsverfahrens statt (Art. 10 Abs. 1 BB PVEB). Auch in diesem Fall verbleibt für das durchzuführende eisenbahnrechtliche Verfahren keine Wahl, bietet sich doch allein das sogenannte ordentliche Verfahren im Sinne von Art. 20 lit. b und Art. 22 ff. PVV-EB an. Für solche Verfahren sieht der Bundesbeschluss einzig vor, dass das EVED an die Stelle des Bundesamtes für Verkehr als Plangenehmigungsbehörde trete (Art. 12 BB PVEB). Der Ablauf des Landumlegungsverfahrens richtet sich nach kantonalem Recht, soweit nicht die Grundsätze von
Art. 18k EBG
gelten (Art. 19 Abs. 3 BB PVEB). Allerdings erfolgt die (hoheitliche) Anordnung des Umlegungsverfahrens durch die kantonale Regierung - gleich wie die Bewilligung zur vorzeitigen Inbesitznahme - direkt gestützt auf Art. 19 BB PVEB, also in unmittelbarer Anwendung von Bundesrecht.
Die Frage, wann in neurechtlichen Verfahren spätestens entschieden werden muss, ob der für den Bahnbau beanspruchte Boden durch Landumlegung oder Enteignung erworben werde, wird im Bundesbeschluss nicht ausdrücklich geregelt. Indessen sollte wohl bei Planauflage über die Art des Landerwerbes Klarheit herrschen, damit die Grundeigentümer ihre allfälligen Einwendungen gegen das Werk in Kenntnis darüber erheben können, inwieweit in ihre Rechte eingegriffen werden soll. Wird eine Landumlegung angeordnet, muss für die Eigentümer allerdings genügen, dass der Grundsatz-Entscheid der Regierung ergangen und der Landumlegungs-Perimeter bestimmt oder zumindest festgelegt worden ist, welcher Boden im Landumlegungsverfahren für den Bahnbau ausgeschieden werden muss.
cc) Soweit der für die Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist beanspruchte Boden enteignet werden soll, richten sich gemäss Art. 14 Abs. 1 BB PVEB die öffentliche Planauflage, das Einspracheverfahren und die Forderungsanmeldung grundsätzlich nach den
BGE 118 Ib 510 S. 516
Bestimmungen des Enteignungsgesetzes. Für die Aussteckung kommt daher auch im kombinierten Plangenehmigungs- und Enteignungsverfahren für Eisenbahn-Grossprojekte die Vorschrift von
Art. 28 EntG
zum Zuge. Danach sind vor der öffentlichen Auflage der Pläne die durch das Werk bedingten Veränderungen im Gelände durch Aussteckungen und, falls notwendig, auch durch Aufstellung von Profilen offenkundig zu machen. Diese Aussteckungen müssen, wie das Bundesgericht in
BGE 109 Ib 138
f. E. 5 unterstrichen hat, in jedem Falle vorgenommen werden, und zwar vor der Planauflage und damit vor Beginn der Einsprachefrist. Die Aussteckungen sind demnach zu Recht als unumgänglich notwendige Handlungen bezeichnet worden, soweit sie der Vorbereitung eines kombinierten Verfahrens dienen.
dd) Werden in Nachachtung von
Art. 3 Abs. 2 EBG
- welcher der Landumlegung den Vorrang einräumt und die Kantone insofern zur Mitwirkung am Verfahren verpflichtet - für die Neubaustrecke Mattstetten-Rothrist Landumlegungen angeordnet, so ist für die fraglichen Streckenabschnitte, wie erwähnt, das ordentliche Plangenehmigungsverfahren (Art. 20 lit. b PVV-EB) zu eröffnen. Für dieses Verfahren sieht die Verordnung über die Planvorlagen für Eisenbahnbauten in der geänderten Fassung vom 26. November 1984 keine Aussteckungen vor, während im ursprünglichen Verordnungstext - wenn auch im Zusammenhang mit der Eröffnung des Enteignungsverfahrens - die Aussteckung und andere Vorkehren zur Kenntlichmachung in allen Einzelheiten geregelt waren (Art. 21-23 aPVV-EB). Diese Lücke in der heute geltenden Verordnung ist jedoch - wie sich aus dem Gedankenaustausch zwischen den Bundesstellen und dem Bundesgericht über verschiedene Revisionspunkte ergibt (vgl.
BGE 115 Ib 438
E. 6a) - eher auf ein Versehen als auf den ausdrücklichen Willen des Verordnungsgebers zurückzuführen. Es wäre auch nicht einzusehen, weshalb nur die von einer Enteignung betroffenen, nicht aber die in ein Landumlegungsverfahren einbezogenen Grundeigentümer Anspruch darauf haben sollten, sich anhand von Plan und Aussteckung zusammen ein Bild über das Werk und seine Auswirkungen machen und ihre eigenen Rechte in voller Kenntnis der Sachlage verteidigen zu können (vgl.
BGE 109 Ib 137
E. 4b). Das gleiche gilt ebenfalls für die Privaten, die durch das Projekt zwar nicht in ihren Rechten, aber doch in schutzwürdigen Interessen betroffen werden, sowie für die einsprache- und beschwerdeberechtigten Organisationen. Erst durch eine Aussteckung wird denn auch im Gelände klar erkennbar, welcher Boden im Rahmen des
BGE 118 Ib 510 S. 517
Landumlegungsverfahrens für das Werk ausgeschieden und der Bahn im Neuzuteilungsverfahren zugewiesen werden muss (vgl. sinngemäss
BGE 105 Ib 335
E. 1b). Die Aussteckungen müssen daher auch dann als unumgänglich notwendige Handlungen betrachtet werden, wenn sie einem ordentlichen eisenbahnrechtlichen Plangenehmigungsverfahren vorausgehen und die für den Bahnbau benötigten Grundstücke durch Landumlegung erworben werden.
3.
Die Beschwerdeführer machen im bundesgerichtlichen Verfahren gleich wie vor dem Departement geltend, mit der Aussteckung werde dem Projekt der SBB der Vorrang gegeben und die Variantenwahl zum Nachteil der von den Kantonen und der Bevölkerung unterstützten Tunnel-Lösung präjudiziert. Diese Argumentation geht jedoch, wie schon das EVED festgestellt hat, an der Sache vorbei. Mit der Bewilligung der Aussteckung wird weder ein Vorentscheid über die Vereinbarkeit des Projektes mit dem Bundesrecht gefällt, noch ein Variantenentscheid getroffen oder präjudiziert. Die Bewilligung zur Vornahme von Aussteckungen als vorbereitende Handlungen ist nichts anderes als die behördliche Feststellung, dass die Voraussetzungen für den Eingriff in Dritteigentum erfüllt sind, und hat zur Folge, dass die ihrer Abwehrrechte beraubten Grundeigentümer in einem besonderen Verfahren Entschädigung für den allenfalls verursachten Schaden verlangen können (vgl. Urteil vom 3. Juni 1983 i.S. A.B. und Mitbeteiligte gegen Schweiz. Eidgenossenschaft, teilweise publiziert in ZBl 86/1985 S. 157 f.). Eine andere Bedeutung kommt der Bewilligung nach
Art. 15 EntG
nicht zu. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
641c923e-2726-432d-9d9c-3e7da0c772f5 | Urteilskopf
110 IV 1
1. Urteil des Kassationshofes vom 18. September 1984 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
.
Entfällt der Ausschlussgrund der verbüssten Vorstrafe infolge Ablaufs einer längeren Zeitspanne zwischen Tat und Urteil? Vorliegen einer Gesetzeslücke verneint. | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 110 IV 1 S. 1
A.-
M. wurde am 30. November 1983 vom Bezirksgericht Zürich wegen wiederholten Diebstahls und Diebstahlsversuchs zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt als Zusatzstrafe zum Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 24. November 1972. Bezirksgericht gewährte ihm für diese Freiheitsstrafe den bedingten Strafvollzug.
In Gutheissung der Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Obergericht am 6. März 1984 Schuldspruch und Strafmass bestätigt, aber den bedingten Strafvollzug nicht gewährt, weil die zu beurteilenden neuen Delikte in der Zeit von Januar bis Juni 1972 begangen wurden und M. sich innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat (bis 25. Januar 1971) in der Verwahrung gemäss
Art. 42 StGB
befand, so dass gemäss
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
die Gewährung des bedingten Strafvollzuges ausgeschlossen ist.
B.-
Gegen dieses Urteil führt M. Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das vorinstanzliche Urteil sei bezüglich der Verweigerung des
BGE 110 IV 1 S. 2
bedingten Strafvollzuges aufzuheben, das Obergericht sei anzuweisen, die objektiven Voraussetzungen zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges als gegeben anzunehmen, und die Sache sei zur Prüfung der subjektiven Voraussetzungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
In der Beschwerdeschrift wird anerkannt, dass nach dem Wortlaut von
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
die Gewährung des bedingten Strafvollzuges im vorliegenden Fall wegen der vorangehenden Verwahrung objektiv ausgeschlossen ist (vgl. ZStR 89/1973 S. 57).
Der Beschwerdeführer vertritt jedoch die Auffassung, die gesetzliche Regelung enthalte insofern eine Lücke, als die Verweigerung des bedingten Strafvollzuges wegen vorangehender Strafverbüssung oder vorangehender Verwahrung nicht mehr ohne weiteres, d.h. aus objektiven Gründen erfolgen sollte, wenn zwischen der Tat und dem Urteil - wie im vorliegenden Fall - zehn Jahre verstrichen sind. In sinngemässer Lückenfüllung sei in Analogie zu
Art. 45 Ziff. 6 StGB
(Frage des Vollzugs der Verwahrung zehn Jahre nach dem Urteil) die Regel aufzustellen, dass zehn Jahre nach der Tat der objektive Ausschlussgrund des Rückfalls (genauer: der vorangehenden Strafverbüssung bzw. des Massnahmenvollzugs) nicht mehr gelte und die subjektiven Voraussetzungen von
Art. 41 Ziff. 1 StGB
zu prüfen seien.
2.
Gerügt wird in der Beschwerde eine Verletzung von
Art. 1 StGB
in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 2 und 3 ZGB
.
Art. 1 StGB
ist durch das angefochtene Urteil sicher nicht verletzt worden. Die vom Beschwerdeführer zur Entscheidung gestellte Frage einer Lückenfüllung zu Gunsten des Verurteilten bezieht sich nicht auf die gesetzliche Umschreibung des strafbaren Verhaltens oder auf die Gesetzmässigkeit der verhängten Sanktion. Ob im konkreten Fall eine Gesetzeslücke vorliegt, die in der vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Weise zu füllen ist, stellt keine Frage der Auslegung von
Art. 1 StGB
dar (GERMANN, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, erste Lieferung, Zürich 1953, Vb zu
Art. 1 N 3
und N 18 zu Art. 1).
3.
Es bleibt zu prüfen, ob in bezug auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage wirklich eine Gesetzeslücke besteht, die gemäss den Grundsätzen von
Art. 1 Abs. 2 und 3 ZGB
vom
BGE 110 IV 1 S. 3
Richter auszufüllen wäre (vgl. GERMANN, a.a.O., N 14 ff. zu
Art. 1 StGB
).
a) Die Frage einer Wirkung des Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil auf die objektive Zulässigkeit des bedingten Strafvollzugs ist im Strafgesetzbuch nicht geregelt. Das heisst jedoch nicht ohne weiteres, dass eine entsprechende Regel auf dem Wege der freien Rechtsfindung zu entwickeln sei; das Schweigen des Gesetzes zu dieser Frage kann auch bedeuten, dass eine solche Wirkung des Zeitablaufs zu verneinen ist (vgl. zum methodischen Problem A. MEIER-HAYOZ, Kommentar zu
Art. 1 ZGB
, S. 145 ff.).
b) Inwiefern die Tatsache des Zeitablaufs die Strafverfolgung und den Vollzug von Strafen und Massnahmen beeinflussen soll, ist im Strafgesetzbuch ausdrücklich geregelt. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang in erster Linie die Vorschriften über die Verjährung (
Art. 70-75 StGB
), dann aber auch die Bestimmungen über den Rückfall (
Art. 67 StGB
), über den Einfluss des Zeitablaufs auf die Strafzumessung (Strafmilderung gemäss
Art. 64 Abs. 9 StGB
), über den Verzicht auf den Vollzug einer aufgeschobenen Strafe wegen der inzwischen verstrichenen Zeit (Art. 41 Ziff. 3 letzter Abs. StGB), über den Verzicht auf Massnahmenvollzug (
Art. 45 Ziff. 6 StGB
) und auch die im vorliegenden Fall zur Anwendung kommende Norm von
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
über den Ausschluss des bedingten Strafvollzuges wegen Rückfalls. Aus diesen verschiedenen Vorschriften lassen sich nicht allgemein gültige Prinzipien ableiten, wonach der Ablauf einer längern Zeitspanne auf Beurteilung bzw. Strafvollzug stets Auswirkungen haben müsste. Der Umkehrschluss, eine solche Wirkung des Zeitablaufs bestehe nur, wenn und soweit dies vom Gesetz vorgesehen sei, liegt näher.
c) Die Regelung des Ausschlussgrundes des Rückfalls in
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
stellt - wie die starre Festsetzung einer obern Grenze der Strafdauer (18 Monate) - eine vom Gesetzgeber gewollte objektive Schranke der Möglichkeit des bedingten Strafvollzuges dar. Kriminalpolitisch lässt sich die Auffassung vertreten, die ausschliessende Wirkung des Rückfalls könnte zeitlich limitiert werden. Das Fehlen einer solchen zeitlichen Begrenzung stellt jedoch keine Lücke dar, die vom Richter auszufüllen wäre. Die gleiche Interessenlage wie im vorliegenden Fall bestände übrigens auch, wenn der Beschwerdeführer kurz nach der Tat rechtskräftig (zu einer unbedingten Gefängnisstrafe) verurteilt worden wäre, sich aber dem Strafvollzug durch Flucht ins Ausland
BGE 110 IV 1 S. 4
während über zehn Jahren entzogen hätte. Dass dieser Zeitablauf zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich der Frage des bedingten Strafvollzuges führen und zu einer neuen Beurteilung unter Nichtbeachtung des objektiven Ausschlussgrundes des Rückfalls führen sollte, lässt sich wohl kaum ernstlich postulieren. Dieser Hinweis auf einen rechtsgleich zu behandelnden Parallelfall zeigt deutlich, in welche Problematik der Weg einer richterlichen Lückenfüllung in diesem Bereich führen müsste.
Auch rein praktische Überlegungen sprechen gegen die Annahme einer Gesetzeslücke. Wenn zwischen Tat und Beurteilung zehn Jahre verstrichen sind, dann ist dies wohl häufig auf eine Flucht ins Ausland zurückzuführen; die Feststellung des deliktfreien Verhaltens während der verflossenen Jahre bietet in solchen Fällen oft Schwierigkeiten und bleibt unsicher. Wenn aber der Täter sich tatsächlich während einer längern Zeit nachgewiesenermassen sozial integriert hat, so dass der Vollzug der seinerzeit verwirkten Strafe als unzweckmässig und hart erscheint, so bleibt für solche Ausnahmefälle immer noch der Weg der Begnadigung. Diese Lösung ist einer fragwürdigen Lückenfüllung vorzuziehen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
64204b21-355e-4b84-bc2e-177859964a88 | Urteilskopf
107 IV 88
26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. November 1981 in Sachen S. gegen Regierung des Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 38 Ziff. 3 StGB
.
Auch Weisungen im wirtschaftlichen Bereich sind zulässig; überschuldete oder wirtschaftlich gefährdete Verurteilte haben einschneidende Beschränkungen ihrer Handlungsfähigkeit hinzunehmen, die den Anordnungen eines Vormundes ähnlich sein können. | Erwägungen
ab Seite 89
BGE 107 IV 88 S. 89
Aus den Erwägungen:
3.
a) Die zuständige Behörde kann einem bedingt Entlassenen neben der Anordnung der Schutzaufsicht Weisungen über sein Verhalten während der Probezeit erteilen, namentlich auch Weisungen bezüglich der Berufsausübung (
Art. 38 Ziff. 3 StGB
). Derartige Weisungen dürfen indessen nicht vorwiegend oder ausschliesslich den Zweck verfolgen, dem Verurteilten Nachteile zuzufügen (
BGE 94 IV 12
,
BGE 77 IV 76
E. 4). Sie dienen, wie die Schutzaufsicht, dazu, die Gefahr der Begehung neuer Verbrechen oder Vergehen zu verhindern und/oder auf den Verurteilten erzieherisch einzuwirken (
BGE 71 IV 178
) und sollen mithelfen, die Bewährungschancen zu verbessern. Die Art einer bestimmten Weisung ist nach fürsorgerischen, kriminalpädagogischen oder medizinischtherapeutischen Bedürfnissen zu wählen. Die Weisung selbst darf nicht willkürlich und nicht so sein, dass ihre Auswirkung einer Nebenstrafe oder sichernden Massnahme gleichkommt. Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit darf eine vom Zweck her an sich erlaubte Weisung im konkreten Fall nicht über Gebühr einschneidend sein und nur angeordnet werden, wenn der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Täters aufgewogen wird durch die Art und die Schwere der zu sühnenden Tat oder der Delikte, die der Täter in Zukunft allenfalls begehen könnte, oder durch die Grösse der Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten (MARKUS ZINGG, Der Ausbau der Schutzaufsicht für Straffällige zum Sozialdienst der Justizdirektion des Kantons Diss. Zürich, 1977 S. 31-34).
Weisungen im wirtschaftlichen Bereich sind zulässig. Oft genügt es nicht, eine blosse Auskunftspflicht über Vermögensvorgänge aufzustellen. Überschuldete oder wirtschaftlich gefährdete Verurteilte haben oft einschneidende Beschränkungen bei der Ausübung ihrer Handlungsfähigkeit hinzunehmen, die den Anordnungen eines Vormundes ähnlich sein können. In Frage kommen in diesem Zusammenhang etwa die Anordnung einer Lohnverwaltung oder die Weisung, während der Probezeit als Unselbständigerwerbender zu arbeiten (ZINGG a.a.O. S. 42).
BGE 107 IV 88 S. 90
b) Im vorliegenden Fall erteilte die Regierung dem Beschwerdeführer die Weisung, während der Probezeit der Schutzaufsicht auf Verlangen Einsicht in seine Geschäftskorrespondenz zu gewähren. Diese Weisung geht weniger weit als z.B. eine Lohnverwaltung oder die Anweisung, nur als Unselbständigerwerbender tätig zu sein. Sie ist grundsätzlich erlaubt, was der Beschwerdeführer denn auch nicht bestreitet.
Der der letzten Verurteilung zugrunde liegende Betrug geschah im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers. Dieser ist heute wiederum selbständig tätig und hat für eine ausländische Firma die Vertretung von Sandstrahl-Geräten übernommen. Die erteilte Weisung ist geeignet, dazu beizutragen, dass diese Geschäftstätigkeit kontrolliert und dadurch der Gefahr der Begehung neuer Verfehlungen entgegen gewirkt werden kann. Auch wenn der ausländische Hersteller mit klaren Vertrags- und Lieferbedingungen arbeitet, kann es möglicherweise nach einiger Zeit doch zu Spannungen oder Differenzen zwischen ihm und dem Beschwerdeführer kommen. Wenn das Schutzaufsichtsorgan dies durch die Einsichtnahme in die Korrespondenz rechtzeitig feststellen kann, ist es in der Lage, rechtzeitig erzieherisch auf den Verurteilten einzuwirken und dadurch seine Bewährungschancen zu verbessern.
Übermässig einschneidend und unverhältnismässig ist die Weisung nicht. Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, wenn das Schutzaufsichtsamt Einsicht in die Geschäfte der ausländischen Firma nehmen könne, sei zu befürchten, dass der Hersteller dies als Einmischung einer staatlichen Behörde in seinen Geschäftsbereich betrachte und das Arbeitsverhältnis mit ihm deswegen kündige. Die Gefahr, dass sich diese Befürchtung bewahrheitet, ist indessen gering, weil ein Aussenstehender von der fraglichen Weisung kaum Kenntnis erhalten und der Beschwerdeführer selbst keinen Anlass haben wird, die Weisung bekannt zu machen. Bei dieser Sachlage kann der Regierung nicht zur Last gelegt werden, sie habe durch die Anordnung dieser Weisung das Bundesrecht verletzt oder ihr Ermessen überschritten. Die Beschwerde ist deshalb als unbegründet abzuweisen. | null | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
64263681-d05d-4efe-a5c0-738bd966d162 | Urteilskopf
141 IV 465
59. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau und Mitb. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_877/2014 vom 5. November 2015 | Regeste
Art. 422, 423 Abs. 1, Art. 424 und 426 Abs. 1 und 3 lit. a StPO; Begriff der Verfahrenskosten; gesetzliche Regelung der Gebühren; interne Weisungen; Beleg von Auslagen.
Begriff der Verfahrenskosten; Abgrenzung zwischen Gebühren und Auslagen (E. 9.5.1).
Die Kosten der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft sind keine Auslagen im Sinne von
Art. 422 StPO
. Sie dürfen der verurteilten Person nicht gestützt auf
Art. 426 Abs. 1 StPO
auferlegt werden. Kosten für die Bewachung zu Sicherungszwecken während eines Spitalaufenthalts sind den Kosten der Untersuchungshaft gleichzustellen (E. 9.5.2).
Begriff der Kosten im Sinne von
Art. 422 Abs. 2 lit. d StPO
. Für Leistungen der Polizei, welche diese aufgrund ihrer Stellung als Strafbehörde in einem konkreten Strafverfahren zu erbringen hat, dürfen der verurteilten Person - abgesehen von allfälligen Auslagen für Material u.Ä. - keine Auslagen verrechnet werden (E. 9.5.3).
Umgang mit Kosten für die medizinische bzw. ärztliche Behandlung der verurteilten Person (E. 9.5.4) sowie mit Kosten für die Reinigung des Tatorts (E. 9.5.5).
Art und Bemessungsgrundlagen der Gebühren müssen gesetzlich geregelt sein. Soweit für die Begründung des pflichtgemässen Ermessens bei der Festsetzung der Gebühren auf interne Weisungen verwiesen wird, müssen diese der betroffenen Person zugänglich gemacht werden (E. 9.5.6). Pflicht der Staatsanwaltschaft, Auslagen zu belegen (E. 9.7). | Sachverhalt
ab Seite 467
BGE 141 IV 465 S. 467
A.
Das Bezirksgericht Kreuzlingen verurteilte X. am 11. Juli 2013 wegen vorsätzlicher Tötung und versuchter vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Es auferlegte ihm die Verfahrenskosten, bestehend aus den Untersuchungskosten von Fr. 134'756.55, den Zuführungskosten der Polizei von Fr. 360.-, der Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.- sowie den Kosten der amtlichen Verteidigung der Privatkläger von Fr. 12'000.-. Zudem wies es die Staatsanwaltschaft an, zu prüfen, ob von der Krankenversicherung/Unfallversicherung von X. und C.H. Leistungen an die in den Untersuchungskosten enthaltenen Spital- und Arztkosten erhältlich zu machen sind; allfällige Versicherungsleistungen seien an die Untersuchungskosten anzurechnen.
B.
Das Obergericht des Kantons Thurgau sprach X. am 12. Mai 2014 in teilweiser Gutheissung der Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft des Mordes sowie der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren. Im Übrigen bestätigte es das erstinstanzliche Urteil und auferlegte X. die zweitinstanzliche Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-. Die Berufung von X. wies es ab.
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 14. Oktober 2010 um ca. 20 Uhr kam es zwischen X. und G.H., die den bald sechs Monate alten gemeinsamen Sohn C.H. auf dem Arm trug, in der Küche ihrer Wohnung zu einem verbalen Streit. Dieser nahm an Intensität zu, wobei sich beide Partner eines Messers behändigten. X. stach mit dem Messer kraftvoll auf G.H. ein, welche ihm zuvor leichte Verletzungen an der Hand zugefügt hatte. Als G.H. mit dem Kind auf dem Arm über das Wohnzimmer ins Freie flüchtete, liess X. das verbogene Messer auf den Küchenboden fallen, nahm ein zweites Messer, verfolgte die fliehende und um Hilfe rufende G.H., holte sie ein und stach, auch als diese bereits am Boden lag, weiter kraftvoll zu, bis sie tot war. Danach fügte er sich Verletzungen am Hals sowie - mit grösster Wahrscheinlichkeit - auch in der Bauchgegend zu und legte sich neben G.H. auf den
BGE 141 IV 465 S. 468
Boden. C.H. wurde im Verlaufe des Vorfalls mehrmals vom Messer von X. getroffen, da dieser keine Rücksicht auf das Kind nahm, als er wahllos auf G.H. einstach. Als diese vor dem Haus aufgrund der schweren Verletzungen zusammenbrach, liess sie C.H. auf den Boden fallen. X. wies im Zeitpunkt der Blutentnahme um 21.45 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 1,59 bis 1,75 Gewichtspromille auf.
C.
X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 12. Mai 2014 vollumfänglich aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei er des Totschlags (
Art. 113 StGB
) zum Nachteil von G.H. schuldig zu sprechen und mit einer angemessenen Freiheitsstrafe von maximal acht Jahren zu bestrafen. Bezüglich der weiteren Anklagepunkte sei er freizusprechen. Es seien ihm die Verfahrensgebühren des Untersuchungs- und des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die tatsächlichen Strafuntersuchungsauslagen aufzuerlegen.
D.
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft beantragen die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdegegner 2-5 liessen sich nicht vernehmen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
9.
9.1
Der Beschwerdeführer beanstandet, die ihm auferlegten Untersuchungskosten seien übersetzt. Die Vorinstanz habe sich mit seiner Rüge in Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht befasst. Die Kostenauflage basiere auf einer unsubstanziierten Kostenauflistung der Staatsanwaltschaft, aus welcher nicht hervorgehe, wie sich die auferlegten Gebühren bestimmten und für was die sehr hohen angeblichen Strafuntersuchungsauslagen entstanden seien. Aus der Kostenauflistung ergebe sich immerhin, dass ein wesentlicher Teil der geltend gemachten Auslagen ("Bewachung", "Verlegung", "Bewachungspersonal", "Aufnahmepauschale Regionalgefängnis" etc.) als Strafvollzugskosten anzusehen und keine Auslagen im Sinne von
Art. 422 Abs. 2 StPO
seien. Weiter habe ihm die Vorinstanz Polizeikosten ("Untersuchungskosten Datensicherung", "Ausrücktaxe", "Kriminaltechnik") in der Höhe von Fr. 4'000.- auferlegt. Dabei handle es sich wohl nicht um tatsächlich entstandene Auslagen, sondern um Gebühren der Polizei, welche ohne gesetzliche Grundlage erhoben würden und ohne dass die Höhe dieser Gebühren überprüfbar sei. Zudem seien ihm Auslagen für die Reinigung des Tatorts in der Höhe von Fr. 774.70 überbunden worden.
BGE 141 IV 465 S. 469
Nicht ersichtlich sei, inwiefern die Staatsanwaltschaft verpflichtet gewesen sei, das von ihm und seiner Lebenspartnerin bewohnte Haus durch ein Reinigungsinstitut reinigen zu lassen. Es handle sich daher um unnötige Verfahrenskosten, die auf die Staatskasse zu nehmen seien. Ihm seien überdies diverse Auslagen für seine medizinische Behandlung auferlegt worden. Unterlagen dazu habe er von der Staatsanwaltschaft nie erhalten. Ihm sei dadurch verunmöglicht worden, die doch erheblichen Behandlungskosten im Umfang von offenbar mehreren Zehntausend Franken bei seiner Krankenversicherung oder anderen (Sozial-)Versicherungsträgern geltend zu machen. Nicht bekannt sei schliesslich, wie sich die geltend gemachten Gebühren für das Untersuchungsverfahren von Fr. 4'857.- zusammensetzen würden, nachdem die genannte Weisung nicht öffentlich einsehbar sei.
9.2
Die Staatsanwaltschaft reichte vor Bezirksgericht am 18. April 2013 eine Kostenauflistung zu den Akten. Danach betreffen die Untersuchungskosten von Fr. 134'756.55 u.a. Kosten für "Reinigung Tatort", "Bewachung" im Spital Münsterlingen und im Inselspital Bern, "medizinische Behandlung", "Medikamente und ärztliche Behandlung", "Verlegung während Untersuchungshaft", "Spesen (Verpflegung Bewachungspersonal Intensivstation)", "Regionalgefängnis Bern: Tagespauschale Aufnahme", "Entschädigung 1. und 2. Zwischenabrechnung RA Leu", "Gebühr Strafuntersuchung inkl. Anklagevertr.: Pauschale Grundtaxe gem. Weisung GSTA", "Untersuchungskostentarif Datensicherung Polizei: Untersuchungskosten Datensicherung PC und ext. Datenträger", "Ausrücktaxe Polizei Tatort", "Fotodokumentation Kantonspolizei Kriminaltechnik", "Spurensicherung: Kostenrechnung Kantonspolizei Kriminaltechnik", "Kosten Aktenführung: Gem. Weisung GSTA". Belege zu den einzelnen Auslagen wurden soweit ersichtlich keine zu den Akten gereicht.
Die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft äusserten sich vor Bundesgericht nicht zur Rüge des Beschwerdeführers betreffend die Untersuchungskosten.
9.3
Die Vorinstanz auferlegt dem Beschwerdeführer ohne nähere Begründung die gesamten von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten Untersuchungskosten in der Höhe von Fr. 134'756.55, dies obschon der Beschwerdeführer in seiner Berufungserklärung vom 2. Dezember 2013 ausdrücklich auch die ihm belasteten Untersuchungskosten anfocht, wobei er für die Begründung auf seine
BGE 141 IV 465 S. 470
Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren verwies. Die Vorinstanz hätte sich mit der Kostenauflistung der Staatsanwaltschaft daher näher auseinandersetzen müssen. Dies drängte sich auch aufgrund der Höhe der verrechneten Untersuchungskosten und der besonderen Art einzelner Auslagen auf, deren Qualifikation als Verfahrenskosten im Sinne von
Art. 422 StPO
zumindest nicht offensichtlich ist. Der angefochtene Entscheid genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht und verletzt den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör. Eine Heilung der Gehörsverletzung im bundesgerichtlichen Verfahren (vgl.
BGE 137 I 195
E. 2.3.2 mit Hinweisen) kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die kantonalen Behörden bei der Festsetzung der Verfahrenskosten über ein Ermessen verfügen.
9.4
Die beschuldigte Person trägt gemäss
Art. 426 Abs. 1 StPO
die Verfahrenskosten, wenn sie verurteilt wird. Die Verfahrenskosten setzen sich zusammen aus den Gebühren zur Deckung des Aufwands und den Auslagen im konkreten Straffall (
Art. 422 Abs. 1 StPO
). Auslagen sind nach
Art. 422 Abs. 2 StPO
namentlich Kosten für die amtliche Verteidigung und unentgeltliche Verbeiständung (lit. a), Kosten für Übersetzungen (lit. b), Kosten für Gutachten (lit. c), Kosten für die Mitwirkung anderer Behörden (lit. d) und Post-, Telefon- und ähnliche Spesen (lit. e). Bund und Kantone regeln die Berechnung der Verfahrenskosten und legen die Gebühren fest (
Art. 424 Abs. 1 StPO
). Sie können für einfache Fälle Pauschalgebühren festlegen, die auch die Auslagen abgelten (
Art. 424 Abs. 2 StPO
).
9.5
9.5.1
Art. 422 Abs. 1 StPO
unterscheidet zwischen Gebühren und Auslagen, die zusammen die Verfahrenskosten bilden. Die
Gebühren
werden vom Staat für die Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung erhoben. Sie stellen eine öffentlich-rechtliche Gegenleistung für das Tätigwerden der Behörden dar (vgl.
BGE 124 I 241
E. 4a;
BGE 107 Ia 117
E. 2c; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, N. 1683; YVONA GRIESSER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/ Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 4 zu
Art. 422 StPO
; THOMAS DOMEISEN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 11 vor
Art. 416-436 StPO
). Die Gebühren im Sinne von
Art. 422 Abs. 1 StPO
decken den allgemeinen Aufwand des Staates (Besoldung, Räumlichkeiten etc.) für die Bereitstellung der Strafbehörden (NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts [nachfolgend: Handbuch], 2. Aufl.
BGE 141 IV 465 S. 471
2013, N. 1775; DOMEISEN, a.a.O., N. 1 f. zu
Art. 422 StPO
). Diese allgemeinen Kosten gehen grundsätzlich zu Lasten des Gemeinwesens, welches das Verfahren führt (vgl.
Art. 423 Abs. 1 StPO
). Die Parteien partizipieren daran, indem ihnen nach
Art. 422 Abs. 1 StPO
Gebühren auferlegt werden dürfen (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1325 zu Art. 429 Abs. 1; SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1775; DOMEISEN, a.a.O., N. 2 zu
Art. 422 StPO
; HANSPETER KÜNG, in: Kommentierte Textausgabe zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Goldschmid/Maurer/Sollberger [Hrsg.], 2008, S. 418 f.). Gebühren bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die den Gegenstand, die Bemessungsgrundlagen und die Abgabepflichtigen festlegt (vgl.
BGE 132 I 117
E. 4.2; GRIESSER, a.a.O., N. 5 zu
Art. 422 StPO
; DOMEISEN, a.a.O., N. 12 vor
Art. 416-436 StPO
). Sie müssen die Grundsätze der Kostendeckung und der Äquivalenz beachten und dürfen daher nicht höher sein als die Kosten, die der Staat zur Erbringung der entsprechenden Leistung aufgewendet hat. Die Gebühren müssen mit dem objektiven Wert der Leistung vereinbar sein und sich in einem vernünftigen Rahmen halten (BBl 2006 1325 zu Art. 429 Abs. 1; siehe auch
BGE 132 I 117
E. 4.2 mit Hinweisen).
Art. 424 StPO
verpflichtet Bund und Kantone, für ihren Bereich die erforderlichen Vorschriften für die Festlegung und Bemessung der Gebühren zu erlassen. Die StPO selber enthält keine Vorschriften, wie die Gebühren (Art und Höhe) festzusetzen sind (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1780;
ders
., Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar [nachfolgend: Praxiskommentar], 2. Aufl. 2013, N. 1 zu
Art. 424 StPO
; DOMEISEN, a.a.O., N. 2 zu
Art. 424 StPO
).
Die
Auslagen
erfassen demgegenüber die im konkreten Strafverfahren entstandenen notwendigen finanziellen Aufwendungen des Staates (GRIESSER, a.a.O., N. 6 zu
Art. 422 StPO
; SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 2 zu
Art. 422 StPO
). Zwar ist die Möglichkeit der Kostenauflage im Strafverfahren in der StPO abschliessend geregelt (vgl.
Art. 423 Abs. 1 StPO
; DOMEISEN, a.a.O., N. 8 vor
Art. 416-436 StPO
; JEANNERET/KUHN, Précis de procédure pénale, 2013, N. 5048). Die Auflistung der Auslagen in
Art. 422 Abs. 2 StPO
ist dennoch nur beispielhaft ("namentlich") zu verstehen (SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu
Art. 422 StPO
; GRIESSER, a.a.O., N. 7 zu
Art. 422 StPO
; DOMEISEN, a.a.O., N. 6 zu
Art. 422 StPO
; KÜNG, a.a.O., S. 419; JEANNERET/KUHN, a.a.O., N. 5053). Zu den Auslagen im konkreten Straffall nach
Art. 422 Abs. 1 StPO
gehören etwa auch Zeugenentschädigungen oder Auslagen im Zusammenhang mit
BGE 141 IV 465 S. 472
einem Augenschein (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1776;
ders
., Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu
Art. 422 StPO
;GRIESSER, a.a.O., N. 15 zu
Art. 422 StPO
;DOMEISEN,a.a.O., N. 17 zu
Art. 422 StPO
).
Vom Staat verursachte unnötige Kosten zählen nicht zu den von der beschuldigten Person zu tragenden Auslagen (vgl.
Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO
; GRIESSER, a.a.O., N. 6 zu
Art. 422 StPO
). Auch Aufwendungen, die der beschuldigten Person, der Privatklägerschaft oder Dritten in einem Strafverfahren entstanden sind, stellen keine Verfahrenskosten im Sinne von
Art. 422 StPO
dar (DOMEISEN, a.a.O., N. 2 zu
Art. 422 StPO
).
9.5.2
Art. 493 Abs. 2 lit. b des Vorentwurfs vom Juni 2001 zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung (VE-StPO) zählte die Kosten der Untersuchungs- und Sicherheitshaft noch ausdrücklich zu den Auslagen. Art. 494 Abs. 3 VE-StPO sah jedoch vor, dass diese Kosten nur den Beschuldigten auferlegt werden, die sich in günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befinden oder entsprechende Anwartschaften besitzen. Im Vernehmlassungsverfahren wurde ein gänzlicher Ausschluss der Möglichkeit der Überwälzung der Kosten der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft auf die verurteilte Person gefordert (vgl. Bundesamt für Justiz, Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über die Vorentwürfe zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung und zu einem Bundesgesetz über das Schweizerische Jugendstrafverfahren, Februar 2003, S. 87). In der vom Parlament diskussionslos übernommenen Bestimmung von
Art. 422 Abs. 2 StPO
sind die Kosten der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft nicht mehr aufgelistet. Auch
Art. 426 Abs. 1 StPO
sieht - anders als noch Art. 494 Abs. 3 VE-StPO - den Vorbehalt der "günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse" nur noch für die Kosten der amtlichen Verteidigung vor. Die herrschende Lehre geht daher zutreffend davon aus, dass die Kosten der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft keine von der verurteilten Person gestützt auf Art. 422 i.V.m.
Art. 426 Abs. 1 StPO
zu tragenden Auslagen sind (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1776 Fn. 39 und N. 1784;
ders
., Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu
Art. 426 StPO
; OBERHOLZER, a.a.O., N. 1684; GRIESSER, a.a.O., N. 19 zu
Art. 422 StPO
; DOMEISEN, a.a.O., N. 19 zu
Art. 422 StPO
; RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, Strafprozessrecht, 2011, N. 1096 Fn. 686; DANIEL JOSITSCH, Grundriss des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, N. 740; MARK PIETH, Schweizerisches Strafprozessrecht, 2. Aufl. 2012, S. 242 Fn. 11; KÜNG, a.a.O., S. 419 f.; anderer Meinung JO PITTELOUD, Code de procédure pénale suisse [CPP], 2012, N. 1299, wonach es dem
BGE 141 IV 465 S. 473
kantonalen Gesetzgeber freisteht, die Kosten der Untersuchungshaft den Auslagen gleichzusetzen; anders auch JOËLLE CHAPPUIS, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 7 f. zu
Art. 422 StPO
). Damit wird eine Ungleichbehandlung von Personen verhindert, die eine längere anrechenbare Untersuchungshaft verbüsst haben, im Vergleich zu Personen, die nicht in Untersuchungshaft versetzt wurden oder die in den Genuss eines vorzeitigen Strafvollzugs (vgl.
Art. 236 StPO
) kamen (vgl. KÜNG, a.a.O., S. 419 f.; DOMEISEN, a.a.O., N. 19 zu
Art. 422 StPO
). Dies entsprach beispielsweise im Kanton Zürich schon früher der Rechtslage (GRIESSER, a.a.O., N. 18 zu
Art. 422 StPO
). Anders verhielt es sich unter Art. 1 Abs. 3 der früheren Verordnung vom 22. Oktober 2003 über die Kosten der Bundesstrafrechtspflege, wonach die Auslagen ausdrücklich die Kosten der Untersuchungshaft umfassten (dazu
BGE 133 IV 187
E. 6; Urteil 6S.99/2007 vom 28. Juni 2007 E. 7). Auch in gewissen Kantonen wie St. Gallen, Thurgau (vgl. NIKLAUS OBERHOLZER, Gerichts- und Parteikosten im Strafprozess, in: Gerichtskosten, Parteikosten, Prozesskaution, unentgeltliche Prozessführung, 2001, S. 34; GRIESSER, a.a.O., N. 18 zu
Art. 422 StPO
) und Waadt (vgl.
BGE 124 I 170
; PITTELOUD, a.a.O., N. 1299) durften die Kosten der Untersuchungshaft mit den Verfahrenskosten auf die verurteilte Person überwälzt werden, was nach Auffassung des Bundesgerichts weder gegen die persönliche Freiheit noch gegen das Gleichbehandlungsgebot oder das Willkürverbot verstiess (
BGE 124 I 170
E. 2; siehe auch
BGE 133 IV 187
E. 6; Urteil 6S.99/2007 vom 28. Juni 2007 E. 7). Es wies aber darauf hin, dass auch eine andere Lösung denkbar wäre (
BGE 124 I 170
E. 2g). Aufgrund der Materialien muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Kosten der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft nicht nach Art. 422 i.V.m.
Art. 426 Abs. 1 StPO
der verurteilten Person auferlegen wollte. Zumindest die Kosten der auf eine unbedingte Freiheitsstrafe anzurechnenden Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind jedoch gleich zu behandeln wie Strafvollzugskosten. Die verurteilte Person muss sich daran nach Massgabe von
Art. 380 Abs. 2 StGB
beteiligen (vgl. SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1784;
ders
., Praxiskommentar, a.a.O., N. 3 zu
Art. 426 StPO
; JOSITSCH, a.a.O., N. 740).
Die Kosten für die Bewachung zu Sicherungszwecken (Verhinderung einer Flucht-, Kollusions- oder Wiederholungsgefahr, vgl.
Art. 221 Abs. 1 StPO
) während eines Spitalaufenthalts sind den Kosten der Untersuchungshaft gleichzustellen, da nicht entscheidend sein kann, an welcher Örtlichkeit die beschuldigte Person für die
BGE 141 IV 465 S. 474
Zwecke des laufenden Strafverfahrens festgehalten wird. Der Einwand des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe ihm zu Unrecht Bewachungskosten auferlegt, erscheint a priori daher begründet.
9.5.3
Zu den Kosten für die Mitwirkung anderer Behörden im Sinne von
Art. 422 Abs. 2 lit. d StPO
zählen etwa solche für Leistungen der polizeilichen Sonder- bzw. Fachdienste wie den wissenschaftlichen Diensten der Polizei oder von rechtsmedizinischen Instituten (BBl 2006 1326 zu Art. 429 Abs. 2; DOMEISEN, a.a.O., N. 11 f. zu
Art. 422 StPO
; SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1776 Fn. 39;
ders
., Praxiskommentar, a.a.O., N. 9 f. zu
Art. 422 StPO
; GRIESSER, a.a.O., N. 13 zu
Art. 422 StPO
; KÜNG, a.a.O., S. 419). Allgemeine Aufwendungen der Polizei, welche diese aufgrund ihrer Stellung als Strafbehörde in einem konkreten Strafverfahren zu erbringen hat, wie beispielsweise Fahndungs- und Festnahmekosten, Ermittlungskosten, Kosten der Beweissicherung oder Kosten der polizeilichen Foto- und Erkennungsdienste, fallen - abgesehen von allfälligen Auslagen für Material u.Ä. - nicht darunter (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 1776 Fn. 39;
ders
., Praxiskommentar, a.a.O., N. 9 f. zu
Art. 422 StPO
; GRIESSER, a.a.O., N. 13 zu
Art. 422 StPO
; DOMEISEN, a.a.O., N. 11 zu
Art. 422 StPO
). Für solche Leistungen dürfen der beschuldigten Person keine Auslagen verrechnet werden. Zulässig ist es demgegenüber, diese allgemeinen polizeilichen Leistungen bei der Festsetzung der Gebühren zu berücksichtigen (vgl. SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 9 zu
Art. 422 StPO
), wenn hierfür eine ausreichende gesetzliche Grundlage besteht (oben E. 9.5.1).
Unklar ist, ob die Vorinstanz diesen Grundsätzen Rechnung trägt, da aus der Kostenauflistung der Staatsanwaltschaft zum Teil nicht hervorgeht, ob es sich bei den polizeilichen Kosten um Auslagen oder Gebühren handelt. Für den Fall, dass dem Beschwerdeführer Gebühren für die polizeiliche Tätigkeit auferlegt wurden, macht dieser zu Recht geltend, die Vorinstanz gebe keine gesetzliche Grundlage an.
9.5.4
Der Beschwerdeführer trägt gemäss dem angefochtenen Entscheid zudem Kosten für Medikamente und seine medizinische bzw. ärztliche Behandlung. Nicht ersichtlich ist, inwiefern darin Kosten des Strafverfahrens im Sinne von
Art. 422 StPO
erblickt werden können, da diese grundsätzlich unabhängig von einem Strafverfahren anfallen und mit der Strafuntersuchung in keinem Zusammenhang stehen. Solche Kosten sind mit der betroffenen Person daher gleich abzurechnen, wie wenn nie ein Strafverfahren eröffnet worden wäre. Verfügt diese nicht über die erforderlichen Mittel, muss
BGE 141 IV 465 S. 475
(nach einer Kostengutsprache) unter Umständen die Sozialhilfe für einen allfälligen Selbstbehalt nach Abrechnung mit der Kranken- oder Unfallversicherung aufkommen, was bei Verfahrenskosten von vornherein ausgeschlossen scheint.
Soweit die medizinischen Kosten die von den Strafanstalten sicherzustellende (im Kostgeld der Vollzugseinrichtungen inbegriffene) medizinische oder psychiatrische Grundversorgung während der Untersuchungshaft betreffen, könnten diese allenfalls als Kosten der Untersuchungshaft qualifiziert werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sie nicht in Anwendung von Art. 422 i.V.m.
Art. 426 Abs. 1 StPO
der verurteilten Person auferlegt werden dürfen (oben E. 9.5.2).
Als Strafuntersuchungskosten nach
Art. 422 StPO
gelten Auslagen für medizinische Untersuchungen im Zusammenhang mit der Strafuntersuchung (z.B. bei Verdacht auf intrakorporalen Drogenschmuggel, sog. Bodypacking). Solche stehen hier jedoch nicht zur Diskussion.
9.5.5
Der Beschwerdeführer ficht zu Recht auch die Kosten für die Reinigung des Tatorts ("Reinigung Tatort") an. Unklar ist, was dieser Kostenpunkt beinhaltet und weshalb die Staatsanwaltschaft für diese Kosten aufkam bzw. weshalb diese im Zusammenhang mit dem "Strafverfahren" angefallen sein könnten. Naheliegender ist, dass es sich dabei um Kosten der "Straftat" handelt, die zwar einen Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Beschwerdeführer begründen (
Art. 41 Abs. 1 OR
, allenfalls aus Vertrag), diesem aber nicht gestützt auf Art. 422 i.V.m.
Art. 426 Abs. 1 StPO
überbunden werden können.
9.5.6
Begründet ist auch der Einwand, die Staatsanwaltschaft bzw. die Vorinstanz berufe sich auf eine nicht öffentlich einsehbare Weisung der Generalstaatsanwaltschaft (GSTA). Art und Bemessungsgrundlagen der Gebühren müssen gesetzlich geregelt sein (vgl.
Art. 424 Abs. 1 StPO
; oben E. 9.5.1). Blosse Weisungen genügen nicht. Im Rahmen der Ausführungserlasse des Bundes bzw. des Kantons und der in der StPO enthaltenen Grundsätze kann die zuständige Behörde die Gebühren nach ihrem Ermessen festsetzen (DOMEISEN, a.a.O., N. 2 zu
Art. 424 StPO
). Soweit für die Begründung des pflichtgemässen Ermessens auf interne Weisungen verwiesen wird, müssen diese der betroffenen Person zumindest zugänglich gemacht werden (vgl. Urteil 1B_17/2015 vom 18. März 2015 E. 2.2).
BGE 141 IV 465 S. 476
9.6
Die Vorinstanz wird sich zu sämtlichen Kostenpunkten in der Kostenauflistung nochmals äussern müssen. Fraglich ist namentlich auch, weshalb dem Beschwerdeführer die dort enthaltenen Entschädigungen an Rechtsanwalt Leu von Fr. 10'523.25 und Fr. 5'227.- belastet wurden. Die Kosten für die amtliche Verteidigung trägt die verurteilte beschuldigte Person nur, wenn es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben (vgl. Art. 426 Abs. 1 Satz 2 i.V.m.
Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO
). Dafür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Die Kosten der Offizialverteidigung vor dem Bezirksgericht und im Berufungsverfahren auferlegte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer ausdrücklich nur unter Vorbehalt von
Art. 135 Abs. 4 StPO
.
9.7
Der Beschwerdeführer beanstandet schliesslich zu Recht, dass Belege für die verschiedenen Auslagen nicht zu den Verfahrensakten gereicht wurden. Gemäss dem Begleitschreiben der Staatsanwaltschaft vom 18. April 2013 hätte der Beschwerdeführer bzw. sein Rechtsanwalt die Originalrechnungen mitsamt Zahlungsbelegen nach entsprechender Terminvereinbarung in der Buchhaltung der Staatsanwaltschaft einsehen können. Auch hätte die Staatsanwaltschaft dem Rechtsvertreter gegen Gebühr entsprechende Kopien zukommen lassen können. Damit wird verkannt, dass Auslagen zu belegen sind. Die Staatsanwaltschaft hätte die Belege bzw. Kopien davon (auf Verlangen) daher zu den Verfahrensakten reichen müssen. Die Vorinstanz wird die Belege und gegebenenfalls auch zusätzliche Informationen zu den einzelnen Auslagen soweit erforderlich im Zusammenhang mit der Neubeurteilung nachfordern müssen.
9.8
Die Beschwerde ist im Kostenpunkt gutzuheissen. | null | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
642e6c8b-4577-48ac-8427-eeb0160c2922 | Urteilskopf
109 III 87
24. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 17. Juni 1983 i.S. Y. und Mitbeteiligte (Rekurs) | Regeste
Konkurs; Beschluss der Gläubigerversammlung, die Konkursverwaltung zu ersetzen.
1. Beschlüsse der zweiten und jeder weiteren Gläubigerversammlung können nur wegen Gesetzesverletzung, nicht auch wegen Unangemessenheit, angefochten werden (E. 2).
2. Eine Auswechslung der Konkursverwaltung widerspricht grundsätzlich dem Ziel des Gesetzes, wenn das Konkursverfahren praktisch vor dem Abschluss steht und in Anbetracht des Verwertungsergebnisses die Zweitklasse-Gläubiger zum grossen Teil und die Dritt- sowie die Fünftklasse-Gläubiger gänzlich zu Verlust kommen (E. 2); vorbehalten bleibt freilich der Fall, dass der amtierende Konkursverwalter aus irgendeinem Grund nicht imstande sein sollte, das Verfahren zu seinem Abschluss zu führen (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 88
BGE 109 III 87 S. 88
Nachdem im Konkurs des X. die Konkursmasse, soweit ins Inventar aufgenommen, verwertet worden war und die Gläubigeransprüche erwahrt und im Rahmen des Möglichen befriedigt worden waren (wobei die Zweitklasse-Gläubiger zum grossen Teil und die Dritt- sowie die Fünftklasse-Gläubiger gänzlich leer ausgehen sollten), stellte der Gemeinschuldner das Gesuch um Durchführung eines Nachlassverfahrens im Konkurs gemäss
Art. 317 SchKG
. In der vom Konkursverwalter hierauf einberufenen Gläubigerversammlung wurde unter anderem beschlossen, den bisherigen Konkursverwalter zu entlassen und durch eine neue Konkursverwaltung zu ersetzen.
Mit Entscheid vom 29. März 1983 hob die kantonale Aufsichtsbehörde diesen Beschluss auf und setzte den bisherigen Konkursverwalter wieder in sein Amt ein.
Hiegegen wurde von verschiedener Seite an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Es trifft zu, dass mit Bezug auf Beschlüsse der zweiten und auch jeder weiteren Gläubigerversammlung die Kognition der vollstreckungsrechtlichen Aufsichtsbehörden insofern beschränkt ist, als Beschlüsse der erwähnten Art nur wegen Gesetzesverletzung, nicht auch wegen Unangemessenheit, angefochten werden können (
BGE 101 III 54
;
BGE 87 III 113
;
BGE 86 III 103
). Soweit die Vorinstanz unter Hinweis auf
BGE 101 III 44
- welches Urteil sich mit einem Beschluss der ersten Gläubigerversammlung befasst - davon ausgeht, die vollstreckungsrechtlichen Aufsichtsbehörden dürften auch bei Unangemessenheit einschreiten, ist ihr nach dem Gesagten nicht beizupflichten.
Eine Gesetzwidrigkeit liegt vor, wenn die zweite Gläubigerversammlung bestimmte Verfahrensregeln oder Individualrechte der einzelnen Gläubiger missachtet oder wenn sie eine mit dem Zweck des Konkurses offenkundig unverträgliche Massnahme getroffen und damit die ihr durch
Art. 253 Abs. 2 SchKG
eingeräumten
BGE 109 III 87 S. 89
Befugnisse missbraucht hat (
BGE 87 III 113
mit Hinweisen; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. A., II. Bd., S. 157-159).
Nach den für die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid steht das Konkursverfahren ... praktisch vor dem Abschluss. Die Konkursmasse ist, soweit ins Inventar aufgenommen, verwertet. Die Gläubigeransprüche sind erwahrt und im Rahmen des Möglichen befriedigt worden. Dass der Konkurs noch nicht abgeschlossen werden konnte, hat seinen Grund im wesentlichen darin, dass der Gemeinschuldner einen Nachlassvertrag in Aussicht gestellt hat. Zwar hat dieser ... in der Gläubigerversammlung vom 18. Februar 1983 vorbringen lassen, es seien noch Vermögenswerte vorhanden, die vom Konkursbeschlag noch nicht erfasst worden seien. Indessen hat die Vorinstanz mit Recht festgehalten, dass mit der Erhebung und Verwertung dieser angeblichen Konkursaktiven ohne weiteres der bisherige Konkursverwalter betraut werden könne. In der Tat müsste sich eine neue Konkursverwaltung zunächst in das Verfahren einarbeiten und über die im Zusammenhang mit der Feststellung der Masse und der Verwertung der Aktiven getroffenen Entscheidungen ins Bild setzen. Eine Auswechslung der Konkursverwaltung beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens hätte eine Verzögerung des Abschlusses zur Folge. Eine solche durch nichts gerechtfertigte Verzögerung widerspricht aber dem Ziel des Gesetzes, das Konkursverfahren so rasch als möglich durchzuführen und abzuschliessen (vgl.
Art. 270 SchKG
).
Sodann weist die Vorinstanz zu Recht darauf hin, dass es nicht zu verantworten wäre, eine neue Konkursverwaltung zu Lasten der für die Zweitklasse-Gläubiger noch verbleibenden 4000 bis 4500 Franken zu entschädigen. Anzustreben ist im Konkursverfahren, dass vom Verwertungserlös möglichst viel den Gläubigern zukommt und entsprechend möglichst wenig zur Deckung von Kosten aufgewendet werden muss. Dieser Gedanke liegt beispielsweise auch
Art. 231 SchKG
(summarisches Konkursverfahren) zugrunde. Der Beschluss der Gläubigerversammlung vom 18. Februar 1983, die Konkursverwaltung zu ersetzen, verstösst auch aus dieser Sicht gegen das Gesetz.
Die Wiedereinsetzung von A. als Konkursverwalter durch die Vorinstanz ist deshalb nicht zu beanstanden.
3.
... b) Dass die Einsetzung einer neuen Konkursverwaltung kurz vor Abschluss des Konkursverfahrens nach dem Gesagten
BGE 109 III 87 S. 90
grundsätzlich gegen das Gesetz verstösst, schliesst selbstverständlich eine Auswechslung nicht aus, wenn die amtierende Konkursverwaltung aus irgendeinem Grund nicht imstande sein sollte, das Verfahren zu seinem Abschluss zu führen. Dass letzteres bei A. der Fall wäre, machen die Rekurrenten jedoch nicht geltend. Der Rekurrent Nr. 1 bringt vor, A. gefährde das Zustandekommen des erwünschten Nachlassvertrages. Dieses Vorbringen findet im angefochtenen Entscheid indessen keine Stütze. Den Ausführungen der kantonalen Aufsichtsbehörde lässt sich vielmehr entnehmen, dass A. dem Gemeinschuldner sehr entgegengekommen ist, indem er ihm zwei Entwürfe eines Nachlassvertrages unterbreitete und ihn mehrmals einlud, die für die Nachlassdividende erforderlichen Mittel zu hinterlegen. Des weitern berief der Konkursverwalter sogleich die in
Art. 317 SchKG
vorgesehene Gläubigerversammlung ein, als der Gemeinschuldner einen festen Vorschlag eingereicht hatte. Dass in der Gläubigerversammlung vom 18. Februar 1983 ein Entscheid betreffend den in Aussicht gestellten Nachlassvertrag nicht gefällt wurde, hat nicht der Konkursverwalter A. zu vertreten. Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, dass Z. an der erwähnten Versammlung eine Liste von angeblich neuen Aktiven einreichte. Nichts lässt den Schluss zu, dass A. nicht bereit gewesen wäre, im Sinne von
Art. 317 Abs. 2 SchKG
die einem Sachwalter zufallenden Aufgaben zu übernehmen, falls die Gläubigerversammlung nicht selbst die Vertagung des Traktandums Nachlassvertrag beschlossen hätte. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
643c0394-9162-4ddf-a12a-04bab31d1c00 | Urteilskopf
93 II 260
37. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. November 1967 i.S. Esthetic SA gegen Parfa Parfümerie & Kosmetik AG | Regeste
Gemeingut einer Marke im Sinne von
Art. 3 Abs. 2 Satz 2 und
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
. Voraussetzungen (Erw. 1).
Verwechslungsgefahr (
Art. 6 und 24 lit. a MSchG
). Sie beurteilt sich nach dem Eindruck, den die sich gegenüberstehenden Marken als Ganzes hinterlassen (Erw. 2). Einfluss eines schwachen früheren Zeichens auf die Verwechslungsgefahr (Erw. 3).
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 VVO zum MSchG und
Art. 34 MSchG
. Befugnis des Richters, eine Marke ungültig zu erklären und die Löschung anzuordnen. In der Ungültigerklärung ist der Anspruch auf Löschung einer Marke inbegriffen (Erw. 4).
Unlauterer Wettbewerb bei Verstössen gegen das Markenschutzgesetz. Voraussetzungen (Erw. 6). Widerrechtlichkeit nach
Art. 2 Abs. 1 lit. a UWG
. Rechtliches Interesse (Erw. 7).
Veröffentlichung des Urteils nach
Art. 6 UWG
. Voraussetzungen und Zweck dieser Massnahme (Erw. 8). | Sachverhalt
ab Seite 261
BGE 93 II 260 S. 261
A.-
Die Parfa Parfümerie und Kosmetik AG in Zürich ist Inhaberin der im schweizerischen Register unter Nr. 147'397 eingetragenen und auch im internationalen Register stehenden Wortmarke BRISEMARINE, die für Parfümerien und kosmetische Erzeugnisse bestimmt ist. Sie wurde in der Schweiz in Erneuerung einer gleich lautenden älteren Marke letztmals am 29. Juli 1953 hinterlegt. Der Parfa steht ausserdem zum Gebrauch für Parfümerien, Kosmetika, Badezusätze und Seife die am 29. März 1949 beim eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum hinterlegte Marke Nr. 130'410 zu, die im wesentlichen aus einer in einem Schaumbad stehenden Frau und dem Ausdruck Blue Pearls besteht, ferner die am 4. Mai 1962 hinterlegte und unter Nr. 191'722 eingetragene Wortmarke Blue Pearls, die sie für Mittel und Gegenstände zur Körperpflege, insbesondere Parfümerien, Kosmetika, Badezusätze, Seifen und Bürstenwaren eintragen liess.
Am 12. Oktober 1965 hinterlegte die Esthetic SA in Zug beim eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum die für einen "kosmetischen Badezusatz (Schlankheitszusatz)" bestimmte Marke Nr. 213'640. Sie besteht aus vier wellenförmigen Flächen verschiedener Helligkeit und den darauf geschriebenen Wörtern Blue Marine.
B.-
Am 22. September 1966 reichte die Parfa gegen die Esthetic SA beim Kantonsgericht Zug eine Klage ein. Diese zielte auf Ungültigerklärung der Marke der Beklagten ab, ferner auf Feststellung der Verletzung des Rechts der Klägerin an ihrer Marke BRISEMARINE, auf Feststellung unlauteren Wettbewerbs, auf Untersagung der Fortsetzung der unerlaubten Handlungen, auf Verurteilung zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes, auf Zahlung von mindestens Fr. 10'000.-- Schadenersatz und auf Veröffentlichung des Urteils in zwei Fachzeitschriften auf Kosten der Beklagten.
Das Kantonsgericht Zug erkannte am 11. August 1967:
BGE 93 II 260 S. 262
"1. Die Eintragung der Marke Nr. 213'646 'Blue Marine' der Beklagten wird wegen mangelnder Unterscheidungskraft im Register der Fabrik- und Handelsmarken beim eidg. Amt für geistiges Eigentum gelöscht.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte durch die Verwendung des Zeichens 'Blue Marine' auf ihren Erzeugnissen und deren Verpackung sowie in der Werbung das Recht der Klägerin aus der Marke 'BRISEMARINE' (national registriert unter der Nr. 147'397, international registriert unter der Nr. 247'204) verletzt.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte durch die Verwendung des Zeichens 'Blue Marine' auf ihren Erzeugnissen und deren Verpackung sowie in der Werbung gegenüber der Klägerin unlauteren Wettbewerb im Sinne von
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
begeht.
4. Der Beklagten wird jede weitere Verwendung des Zeichens 'Blue Marine' untersagt, und es wird ihr für den Fall der Übertretung dieses Verbotes Überweisung an den Strafrichter wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen im Sinne von
Art. 292 StGB
angedroht.
5. Das Begehren der Klägerin um Zusprechung einer Schadenersatzsumme wird abgewiesen.
6. Die Klägerin wird ermächtigt, das Urteilsdispositiv innert Monatsfrist nach Eintritt der Rechtskraft je einmal in zwei Fachzeitschriften ihrer Wahl in der Grösse einer Achtelseite auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen."
C.-
Die Beklagte hat die Berufung erklärt. Sie hält an ihrem schon im kantonalen Verfahren gestellten Antrag auf vollständige Abweisung der Klage fest.
Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beklagte macht geltend, zahlreiche für Kosmetika und insbesondere Parfümerien hinterlegte Marken, die auf Luft, Meeresluft oder Nebel hinwiesen, machten die Marke BRISEMARINE zum Freizeichen, weil sie die Vorstellung eines gelinden Seewindes erwecke und sich damit einer typischen Gedankenverbindung (Hinweis auf den Duft und die erfrischende Wirkung der Ware) bediene. Die Beklagte nennt als andere Marken, die sich angeblich dieser Gedankenverbindung bedienen, die Zeichen Air Marin, L'Air du Temps, Sun Air, Blue Grass Perfume Mist und Blue Daisy Mist.
Diese Anbringen genügen nicht, um die Marke der Klägerin als Gemeingut im Sinne der
Art. 3 Abs. 2 Satz 2 und
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
zu stempeln und ihr damit den Schutz des Gesetzes abzusprechen. Der Ausdruck Brisemarine stände nur dann im Gemeingebrauch, wenn er eine für kosmetische
BGE 93 II 260 S. 263
Erzeugnisse oder deren Eigenschaften oder Herkunft allgemein übliche Bezeichnung wäre. Dass das zutreffe, behauptet die Beklagte nicht. Der Umstand allein, dass er eine ähnliche Vorstellung erweckt wie die von der Beklagten angeführten anderen Marken, von denen die Beklagte übrigens nicht sagt, seit wann sie gebraucht werden, macht ihn nicht zum Gemeingut.
2.
Gegenstand der Berufung ist sodann die Frage, ob die Beklagte durch ihre aus Wort und Bild bestehende Marke Blue Marine die ältere Marke BRISEMARINE der Klägerin in einer Weise nachgeahmt hat, dass das Publikum irregeführt werden kann (
Art. 24 lit. a MSchG
), oder ob sich die Marke der Beklagten durch wesentliche Merkmale von jener der Klägerin unterscheidet (
Art. 6 MSchG
). Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, das letztere treffe zu, denn das in beiden Marken vorkommende Wort Marine sei Gemeingut und das Wort Blue unterscheide sich vom Bestandteil BRISE der Marke der Klägerin genügend, um Verwechslungen auszuschliessen.
a) Als Gemeingut erachtet die Beklagte den Bestandteil Marine in erster Linie deshalb, weil er die Beschaffenheit oder Herkunft aller Erzeugnisse bezeichne, die ganz oder teilweise aus dem Meer stammten, wie es für den kosmetischen Badezusatz Blue Marine der Beklagten zutreffe.
Einen unmittelbaren Hinweis auf die Beschaffenheit oder die Herkunft des Erzeugnisses der Beklagten enthält das Wort Marine nicht. Es deutet die Herkunft höchstens durch eine Anspielung an. Eine solche macht aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes ein Zeichen jedenfalls dann nicht zum Gemeingut, wenn es nur entfernt, mit Hilfe besonderer Phantasie, als Hinweis auf die Beschaffenheit oder Herkunft der Ware verstanden werden kann (
BGE 54 II 406
,
BGE 56 II 410
,
BGE 59 II 80
,
BGE 63 II 428
,
BGE 70 II 243
,
BGE 79 II 102
,
BGE 83 II 218
,
BGE 84 II 224
,
BGE 90 II 263
). Das trifft im vorliegenden Falle auf das Wort Marine zu. Die Marke der Beklagten weist es in Verbindung mit dem Worte Blue auf. Der Ausdruck Blue Marine kann entweder als blaue Marine (blaue Seeflotte) oder als Meeresblau verstanden werden. Letztere Bedeutung liegt näher, zumal das Wellenmotiv, auf dem die beiden Wörter stehen, für sie spricht. Der Begriff Meeresblau wird daher vom Leser in erster Linie auf die Farbe bezogen, die dem Bade durch den von der Beklagten verkauften kosmetischen Zusatz allenfalls verliehen wird. Vielleicht stellt sich der Leser auch vor, die Eigenschaften des
BGE 93 II 260 S. 264
Bades liessen sich mit denen des Meeres vergleichen. Wie dem auch sei, bedarf es jedenfalls einer besonderen Phantasie, um zu schliessen, der kosmetische Badezusatz werde aus Rohstoffen hergestellt, die aus dem Meer gewonnen würden. Das träfe in vermehrtem Masse auch zu, wenn man Blue Marine als "blaue Marine" verstände. Unter keinen Umständen kann davon die Rede sein, dass die Marke der Beklagten unmittelbar auf die Herkunft oder Beschaffenheit der Rohstoffe hinweise, aus denen das Erzeugnis bestehen mag, so dass die Beklagte berechtigt wäre, den Ausdruck Blue Marine als Sachbezeichnung frei zu gebrauchen.
b) Die Beklagte sieht im Worte Marine auch deshalb ein Freizeichen, weil es als Bestandteil der Marken Aquamarine, Aqua-Marina, Air Marin, Perlmarin, Algemarin vorkomme, die für kosmetische Erzeugnisse bestimmt seien.
Ein schutzfähiger Markenbestandteil wird indessen nicht schon dadurch Gemeingut, dass er in Marken Dritter, die für gleichartige oder ähnliche Waren gebraucht werden, ebenfalls vorkommt. Selbst ein häufiger Gebrauch durch Dritte hat diese Wirkung nicht notwendigerweise. Sie tritt nur selten ein, nämlich dann, wenn der Gebrauch des betreffenden Zeichens so allgemein geworden ist, dass es über die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betriebe nichts mehr auszusagen vermag, weil alle am Verkehr der Ware beteiligten Kreise, namentlich auch die Fabrikanten, es für eine Sachbezeichnung halten und die Rückentwicklung in ein Individualzeichen sich trotz darauf gerichteter Bestrebungen als unmöglich erweist (
BGE 42 II 171
,
BGE 57 II 606
f.,
BGE 60 II 254
,
BGE 62 II 325
,
BGE 83 II 219
,
BGE 90 II 263
). Dass der Begriff Marine eine solche Entwicklung durchgemacht habe und von allen beteiligten Kreisen unwiderruflich für eine Sachbezeichnung für kosmetische Erzeugnisse gehalten werde, bringt die Beklagte nicht vor. Sie hat das auch im kantonalen Verfahren nicht behauptet, sondern nur geltend gemacht, die Silben Marine bzw. Marin würden in den erwähnten fünf Zusammensetzungen von den verschiedensten Produzenten für ähnliche Erzeugnisse verwendet.
c) Ist somit davon auszugehen, dass der Ausdruck Marine weder von Anfang an Gemeingut war noch sich nachträglich zu einem solchen entwickelt hat, so muss er beim Entscheide darüber, ob die Marke der Beklagten das Publikum über die Herkunft der Ware irreführen könne, mitberücksichtigt werden.
BGE 93 II 260 S. 265
Denn die Verwechslungsgefahr beurteilt sich nach dem Eindruck, den die sich gegenüberstehenden Marken als Ganzes hinterlassen (
Art. 6 Abs. 2 MSchG
;
BGE 47 II 234
,
BGE 58 II 455
Erw. 2,
BGE 78 II 380
,
BGE 82 II 233
f.,
BGE 83 II 220
,
BGE 84 II 446
Erw. 3,
BGE 87 II 36
,
BGE 88 II 376
, 378,
BGE 90 II 264
). Auf die Ausführungen, mit denen die Beklagte darzutun versucht, dass "Brise" und "Blue", für sich allein betrachtet, voneinander völlig verschieden seien, ist somit nicht einzutreten.
3.
Die Beklagte macht geltend, ihre Marke könne mit jener der Klägerin selbst dann nicht verwechselt werden, wenn "Marine" nicht Gemeingut sei.
a) Zwei Marken sind nicht schon dann genügend unterscheidbar, wenn der Richter, der sie beide gleichzeitig vor sich sieht, sie voneinander zu unterscheiden vermag. Massgebend ist vielmehr, ob der Käufer der Ware durch die jüngere Marke zur Auffassung gelangen könnte, das Erzeugnis stamme aus dem Betrieb des Inhabers der älteren Marke. Der Käufer hat die beiden Zeichen nicht immer gleichzeitig vor sich. Oft kennt er sie oder wenigstens das eine überhaupt nur vom Hörensagen. Hat er das ältere Zeichen schon gesehen, so kann es in seiner Erinnerung teilweise verblasst sein. Er hat es sich vielleicht überhaupt nicht scharf eingeprägt und bekommt möglicherweise auch das jüngere Zeichen nur flüchtig zu Gesicht. Bei der Beurteilung der Unterscheidbarkeit ist daher auf das Erinnerungsvermögen des Durchschnittkäufers und überhaupt auf die gesamten Umstände, unter denen sich der Handel mit Waren der in Frage stehenden G attung abzuwickeln pflegt, Rücksicht zu nehmen (s. z.B.
BGE 58 II 455
Erw. 2,
BGE 78 II 381
f.,
BGE 87 II 37
).
b) Beide hier zu vergleichenden Marken setzen sich offensichtlich aus zwei Bestandteilen zusammen, von denen der zweite, das Wort Marine, für beide identisch ist. Der erste Bestandteil sodann beginnt in beiden Marken mit dem Buchstaben B und endet mit dem Buchstaben E. Er ist in beiden Marken fast gleich lang. Es ist leicht möglich, dass der Käufer mehr den Wortteil Marine als die Silbe Brise beachtet und dass er daher, wenn ihm später Waren mit der Marke Blue Marine angeboten werden, ein Erzeugnis der Klägerin vor sich zu haben glaubt. Diese Gefahr ist umso grösser, als das Wort "Blue" aus der Marke "Blue Pearls" der Klägerin entlehnt ist. Dass Brisemarine ein einziges Wort ist, Blue Marine dagegen deren zwei aufweist, ändert nichts, ebenso wenig der Umstand,
BGE 93 II 260 S. 266
dass die beiden Wörter der Marke der Beklagten auf zwei Zeilen verteilt und gegeneinander etwas verschoben sind und dass nur ihr erster Buchstabe gross geschrieben ist, während das Wort BRISEMARINE durchwegs aus gleich grossen Kapitalbuchstaben besteht. Diese Unterschiede sind zu schwach, als dass sie in der Erinnerung notwendigerweise haften blieben. Zudem betrachtet der Käufer kosmetischer Erzeugnisse die Marke nicht immer selber. Die Ware wird ihm vom Verkäufer im Laden oder am Telephon oft nur mündlich als "Brisemarine" oder "Blue Marine" angeboten. Wenn dies zutrifft, kommt dem Käufer die verschiedene Schreibweise überhaupt nicht zum Bewusstsein. In solchen Fällen tragen auch die stilisierten Wellen auf der Marke der Beklagten zur Unterscheidbarkeit nichts bei, denn der Verkäufer erwähnt sie nicht, wenn er von "Blue Marine" spricht. Dieser Ausdruck ist übrigens im Vergleich zum Wellenbild der charakteristische Bestandteil, der selbst dann den Ausschlag gibt, wenn der Käufer die Marke der Beklagten zu Gesicht bekommt. Der Käufer kann der Meinung sein, die stilisierten Wellen seien nur eine dekorative Beigabe, die überhaupt nicht zur Marke gehöre. Erkennt er sie als einen Markenbestandteil, so weiss er vielleicht nicht oder erinnert er sich jedenfalls nicht notwendigerweise daran, dass die Marke der Klägerin diesen Bestandteil nicht aufweist. Das Wellenbild auf der Marke der Beklagten trägt umso weniger zur Unterscheidung der beiden Marken bei, als auch der Begriff Brisemarine durch Gedankenverbindung die Vorstellung von einer leicht gewellten Meeresoberfläche hervorrufen kann.
c) Die Beklagte verneint die Verwechselbarkeit der beiden Marken, weil jene der Klägerin nur sehr geringe Kennzeichnungskraft habe, denn ihr Wortsinn "gelinder Seewind" weise auf eine wesentliche Eigenschaft der Erzeugnisse hin, nämlich auf deren Duft und erfrischende Wirkung, und zudem beständen für kosmetische Erzeugnisse schon ähnliche Marken, z.B. Air Marin, L'Air du Temps, Sun Air, Blue Grass Perfume Mist und Blue Daisy Mist.
Der Umstand allein, dass der Begriff des gelinden Seewindes die Gedanken allenfalls auf den Duft oder die erfrischende Wirkung kosmetischer Erzeugnisse zu lenken vermag, setzt indessen die Kennzeichnungskraft der Marke der Klägerin nicht herab. Der Sinn des Wortes Brisemarine würde diese Marke nur dann zu einem schwachen Zeichen machen, wenn
BGE 93 II 260 S. 267
die Anspielung auf gelinde Seewinde in Marken für kosmetische Erzeugnisse allgemein üblich wäre. Die Beklagte behauptet aber nicht, das treffe zu. Eine solche Behauptung kann aus der Anführung einiger Marken, die den Gedanken an Wind, Luft oder Nebel erwecken und von denen die Beklagte nicht einmal sagt, wem sie gehören und seit wann sie bestehen, nicht herausgelesen werden.
Zudem vermöchte die Beklagte aus der angeblichen Schwäche des Zeichens der Klägerin nichts für sich abzuleiten. Wer seine Marke schwächt, indem er sehr lange ähnliche andere Zeichen duldet, kann höchstens das Recht verlieren, sich gegenüber den Inhabern dieser anderen Marken nachträglich auf die Verwechslungsgefahr zu berufen. Dagegen begibt er sich damit nicht des Rechtes, den Gebrauch neuer Marken, die sich auf unerlaubte Weise ebenfalls an sein Zeichen heranschleichen, untersagen zu lassen (
BGE 73 II 61
, 189,
BGE 82 II 543
Erw. 4,
BGE 83 II 219
). Die Schwäche des älteren Zeichens setzt auch nicht die Verwechslungsgefahr herab, so dass an die Unterscheidungskraft neuer Marken geringere Anforderungen zu stellen wären. Der Umstand, dass die Marke der Klägerin die Vorstellung eines leichten Meerwindes erweckt und die Beklagte mit ihrer Marke die Gedanken der Käufer ebenfalls auf eine dem Meere eigene Naturerscheinung zu lenken versucht, erhöht die Verwechslungsgefahr geradezu und ist daher ein weiteres Argument für die Rechtswidrigkeit der Marke der Beklagten (vgl.
BGE 73 II 186
f.).
d) Die Verwechselbarkeit der beiden Marken wird auch nicht dadurch behoben, dass die Beklagte für ihr Erzeugnis umfassend geworben haben will. Die Marke der Beklagten wurde erst im Oktober 1965 eingetragen. Es ist nicht zu ersehen, durch welches Wunder sie in den elf Monaten bis zur Einreichung der Klage sich beim Publikum so hätte einleben können, dass es sie mit Sicherheit von der Marke BRISE-MARINE der Klägerin zu unterscheiden wüsste und sich ohne weiteres bewusst wäre, dass ihm unter der Bezeichnung Blue Marine ein Erzeugnis der Beklagten, nicht ein solches der Klägerin angeboten werde. Es fehlen nicht nur diesbezügliche Feststellungen der Vorinstanz, sondern auch entsprechende Behauptungen und Beweisangebote der Beklagten; diese beruft sich einfach darauf, dass die Klägerin vorgetragen habe, die Beklagte habe "eine umfassend grosse Werbung betrieben".
BGE 93 II 260 S. 268
4.
Die Beklagte macht geltend, das Kantonsgericht hätte die Löschung ihrer Marke nicht anordnen dürfen; der Zivilrichter dürfe die Marke nur nichtig erklären, wogegen die Löschung nur dem Amt für geistiges Eigentum, dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement oder dem Bundesgericht als Verwaltungsgericht zustehe. Sie verweist auf
Art. 16bis und 34 MSchG
sowie auf Art. 24 der Vollziehungsverordnung zum MSchG.
Art. 16bis MSchG
regelt die Löschung von Amtes wegen, wenn eine Marke entgegen Art. 13bis oder 14 Abs. 1 Ziff. 2 oder Abs. 2 MSchG eingetragen wurde. Mit dieser vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement oder vom Bundesgericht als Verwaltungsgericht anzuordnenden Löschung befasst sich Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 Vollziehungsverordnung zum MSchG. Daneben gibt es eine Löschung, die vom Amt für geistiges Eigentum vorzunehmen ist, wenn die Eintragung durch ein rechtskräftiges Urteil ungültig erklärt wurde (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 Vollziehungsverordnung zum MSchG). Das heisst nicht, der Richter dürfe die Marke nur "ungültig erklären", nicht die "Löschung" anordnen. Auch
Art. 34 MSchG
, wonach das Amt gegen Vorweisung des in Rechtskraft erwachsenen Urteils die Löschung der widerrechtlich eingetragenen oder ungültig gewordenen Marke vornimmt, hat nicht diesen Sinn. Die Ungültigerklärung kommt einem Befehl zur Löschung gleich, und ein Befehl zur Löschung bedeutet Ungültigerklärung der Marke. Diesen Sinn hat Spruch 1 des angefochtenen Urteils; das Kantonsgericht nimmt damit die Löschung nicht selber vor, sondern ordnet nur an, das Amt für geistiges Eigentum habe sie vorzunehmen. Auf diese Massnahme gibt das Urteil dem obsiegenden Kläger selbst dann Anspruch, wenn es nur auf "Ungültigerklärung" lautet (
BGE 40 II 288
). Sagt es statt dessen, die Marke sei zu "löschen", so ist die Gegenpartei in ihren Rechten nicht verletzt.
5.
Die Beklagte beanstandet sodann Spruch 2 des angefochtenen Urteils, wo das Kantonsgericht feststellt, "dass die Beklagte durch die Verwendung des Zeichens 'Blue Marine' auf ihren Erzeugnissen und deren Verpackung sowie in der Werbung das Recht der Klägerin aus der Marke 'BRISE-MARINE'... verletzt". Sie macht geltend, nur der markenmässige Gebrauch der Marke, also nur deren Verwendung auf den Erzeugnissen und deren Verpackung, nicht auch die Werbung falle unter das Markenschutzgesetz.
BGE 93 II 260 S. 269
Das ist an sich richtig (
BGE 86 II 281
,
BGE 87 II 42
,
BGE 88 II 34
,
BGE 92 II 261
). Spruch 2 des angefochtenen Urteils sagt aber nicht, die Verwendung des Zeichens in der Werbung falle unter das Markenschutzgesetz, sondern nur, sie verletze das Recht der Klägerin aus der Marke BRISEMARINE. Das heisst lediglich, im Hinblick auf das Recht der Klägerin an dieser Marke sei auch die Werbung mit dem Ausdruck Blue Marine unerlaubt. Das trifft in der Tat zu, wenn die Beklagte, wie das Kantonsgericht dann in Spruch 3 noch ausdrücklich feststellt, unter anderem auch durch diese Werbung unlauteren Wettbewerb im Sinne von
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
begeht. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, fehlt der Beklagten ein rechtlich geschütztes Interesse an der Anfechtung der Fassung von Spruch 2, denn die Worte "sowie in der Werbung" nehmen überflüssigerweise nur voraus, was in Spruch 3 nochmals festgestellt wird. Die beanstandete Wendung erweist sich nur als redaktioneller Schönheitsfehler.
6.
Die Feststellung, die Beklagte begehe durch die Verwendung des Zeichens Blue Marine auf ihren Erzeugnissen und deren Verpackung sowie in der Werbung gegenüber der Klägerin unlauteren Wettbewerb im Sinne von
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
(Spruch 3), ist begründet. Auf Verstösse gegen das Markenschutzgesetz kann kumulativ auch das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb angewendet werden (
BGE 73 II 117
f., 134 f.,
BGE 76 II 94
,
BGE 79 II 221
Erw. 1,
BGE 87 II 39
Erw. 3,
BGE 92 II 264
Erw. III 1), und umso mehr greift dieses auch ein, wenn eine unlautere Wettbewerbshandlung nicht schon vom Markenschutzgesetz erfasst wird. Die Beklagte bestreitet das übrigens nicht.
Dagegen macht sie geltend, wenn die markenrechtliche Verwechselbarkeit der Warenzeichen der Parteien bejaht werden sollte, fiele die Art der Verpackung und der Ausstattung der in Frage stehenden Erzeugnisse ins Gewicht; diesbezüglich bestünden wesentliche Unterschiede; insbesondere sei der Badezusatz "Blue Marine" an auffallender Stelle und mit grosser Schrift mit der Firma "Esthetic SA" bezeichnet.
Damit will die Beklagte vermutlich sagen, Verpackung und Ausstattung ihres Erzeugnisses sowie der Geschäftsname schlössen Verwechslungen im Sinne von
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
aus. Dem ist nicht beizupflichten. Beim Einkauf sind nicht notwendigerweise alle Käufer darüber im Bilde, wie einerseits die Klägerin und anderseits die Beklagte ihre Erzeugnisse ausstatten und verpacken. Sie wissen auch nicht unter
BGE 93 II 260 S. 270
allen Umständen, wie die Fabrikantin von BRISEMARINE heisst. Kennen sie die Namen der beiden Firmen, so können sie sich doch vorstellen, die von der Beklagten vertriebene Ware stamme aus dem Unternehmen der Klägerin. Diese braucht sich solche Irreführung der Käufer nicht gefallen zu lassen. Das Vorgehen der Beklagten ist unlauter.
Wenn die Beklagte sodann noch geltend macht, soweit sich die Wörter Blue und Marine zur Charakterisierung ihrer Erzeugnisse eigneten, müsse ihr deren Verwendung auf alle Fälle gestattet bleiben, verkennt sie, dass das Bundesgericht sich heute nicht darüber auszusprechen hat, ob sie diese Wörter jedes für sich allein oder in einer von "Blue Marine" abweichenden Wendung gebrauchen darf.
7.
Der in
Art. 2 Abs. 1 lit. a UWG
vorgesehene Anspruch auf Feststellung der Widerrechtlichkeit setzt voraus, dass der Verletzte an der Feststellung rechtlich interessiert sei. Das Bundesgericht hat ein solches Interesse unter anderem dann bejaht, wenn der Richter die Veröffentlichung des Urteils anordnet (
BGE 77 II 185
f.,
BGE 82 II 359
,
BGE 90 II 58
Erw. 8). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Die Beklagte sagt nicht, aus welchen Gründen davon abzuweichen wäre. Sie bringt nur vor, das Kantonsgericht gehe zu Unrecht davon aus, die Feststellung sei zulässig, wenn die Veröffentlichung des Urteils geboten erscheine.
Im vorliegenden Falle wurde das Begehren um Veröffentlichung des Urteils geschützt. Wenn es standhält, ist deshalb auch der Anspruch auf Feststellung der Widerrechtlichkeit begründet.
8.
Die Veröffentlichung des Urteils, die von der Beklagten ebenfalls beanstandet wird, liegt gemäss
Art. 6 UWG
im Ermessen des Richters. Das Kantonsgericht hat es nicht überschritten. Die Beklagte irrt sich, wenn sie geltend macht, die Veröffentlichung setze ein mehr als nur kleines Verschulden des Täters voraus. Durch die Bekanntgabe des Urteils soll in erster Linie weiteren Verletzungen vorgebeugt und das Publikum aufgeklärt werden. Sie dient der Beseitigung der eingetretenen Störung, der Erhaltung der Kundschaft des Verletzten (
BGE 92 II 269
Erw. 9 und dort erwähnte Urteile). Sie kann deshalb auch am Platze sein, wenn den Störer kein Verschulden trifft (
BGE 79 II 329
). Auch setzt sie nicht voraus, dass die Marke des Verletzten "diskreditiert" worden sei, d.h. einen üblen Ruf erlangt habe. Es genügt, dass die beteiligten Kreise wahrscheinlich
BGE 93 II 260 S. 271
irregeführt wurden und deshalb der Aufklärung bedürfen. Die Beklagte nennt keine Tatsachen, aus denen sich ergäbe, dass diese Voraussetzung, die dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, im vorliegenden Falle nicht erfüllt sei. Die Vorinstanz stellt gegenteils fest, die Aussage des Dr. Dreiding, die Klägerin sei verschiedentlich angefragt worden, ob man das Erzeugnis "Blue Marine" bei ihr beziehen könne, weise darauf hin, dass die Verwechselbarkeit der beiden Zeichen einen Teil der Kundschaft dazu veranlasste, "Blue Marine" für ein Produkt der Klägerin zu halten. Nur einen Schaden hält das Kantonsgericht nicht für bewiesen. Unsicherheit und Verwirrung bei den Abnehmern und Vermögensschaden beim Verletzten sind indessen nicht dasselbe.
Die Beklagte beanstandet auch zu Unrecht, dass zwei Fachzeitschriften als Mittel zur Veröffentlichung dienen sollen. Ihre Auffassung, nur die letzten Abnehmer der Erzeugnisse bedürften allenfalls der Aufklärung, hält nicht stand. Auch Leute, welche die Erzeugnisse zum Wiederverkauf erwerben, können durch die Nachahmung der Marke der Klägerin irregeführt worden sein. Wenn sie auch in der Regel wissen, welche Firma sie beliefert, ist ihnen doch nicht notwendigerweise bewusst, woher der Lieferant die Ware bezieht und dass er mit dem Inhaber einer ähnlichen Marke geschäftlich in keiner Weise verbunden ist. Die Veröffentlichung des Urteils in Fachzeitschriften kann die Wiederverkäufer aufklären. Übrigens ist nicht von vornherein unwahrscheinlich, dass auch gewisse letzte Abnehmer Fachzeitschriften lesen. Dass nicht auch noch die Veröffentlichung in der Tagespresse verlangt und angeordnet wurde, benachteiligt die Beklagte nicht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes Zug vom 11. August 1967 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
643ce73f-06a0-4462-9b0b-d9562ba5eda0 | Urteilskopf
140 I 2
1. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Kantonsrat des Kantons Luzern, Grosser Rat des Kantons Aargau sowie Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_176/2013 / 1C_684/2013 vom 7. Januar 2014 | Regeste
Art. 82 lit. b BGG
; Änderung des Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen, abstrakte Normenkontrolle, Art. 10 Abs. 2, Art. 13 Abs. 2, Art. 35 Abs. 2,
Art. 36, 57 und 123 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
.
Polizeirechtliche Natur des Konkordats und Hinweise auf weitere Bestimmungen zur Verhinderung von Gewalt bei Sportveranstaltungen (E. 5).
Das Konkordat regelt das polizeiliche Verwaltungshandeln im Hinblick auf Gewalttaten bei Sportanlässen. Die vorgesehenen Massnahmen sind auf das zukünftige Verhalten ausgerichtet und gelangen unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung bereits verübter Gewalttaten zur Anwendung (E. 6).
Örtlicher und zeitlicher Geltungsbereich des Konkordats: Die Massnahmen nach dem Konkordat (Rayonverbot, Meldeauflage, polizeilicher Gewahrsam) sind beschränkt auf gewalttätiges Verhalten, das in einem konkreten Zusammenhang mit der Sportveranstaltung und der Anhängerschaft bei einer der Mannschaften steht (E. 7.2).
Die Anordnung von konkreten Massnahmen hängt von der Art und Schwere des gewalttätigen Verhaltens ab und muss insbesondere verhältnismässig sein (E. 8).
Die Bewilligungspflicht ermöglicht die Anordnung von Auflagen zur Durchführung bestimmter Spiele (E. 9). Verhältnismässigkeit von sog. Kombitickets für die An- und Abreise sowie den Besuch eines Spiels im Gästesektor (E. 9.2). Zulässigkeit einer Pflicht zur Ausweiskontrolle und zum Abgleich mit dem Informationssystem HOOGAN (E. 9.3).
Durchsuchung der Besucher von Sportveranstaltungen am Eingang der Stadien und beim Besteigen von Fantransporten (E. 10.1). Übertragung von Durchsuchungsbefugnissen an private Sicherheitsdienste im halböffentlichen Raum vor dem Hintergrund des staatlichen Gewaltmonopols und der Grundrechtsbindung (E. 10.2). Bestimmtheitsgebot in Bezug auf verbotene Gegenstände und Pflicht zur Bekanntmachung bestehender Verbote (E. 10.3). Eignung, Notwendigkeit, Zumutbarkeit und Modalitäten der körperlichen Durchsuchung zur Verhinderung von Gewalttaten (E. 10.4-10.6).
Die vorgeschriebene Dauer eines Rayonverbots von mindestens einem Jahr ist mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht vereinbar (E. 11.2.2). Anforderungen an den Inhalt und die Eröffnung der Verfügung eines Rayonverbots (E. 11.3).
Gesetzliche Grundlage für die Anordnung einer Meldeauflage (E. 12.2). Die Bestimmung, die zwingend eine Verdoppelung der Dauer einer Meldeauflage vorsieht, wenn die Massnahme ohne entschuldbare Gründe verletzt wird, hält vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht stand (E. 12.3). | Sachverhalt
ab Seite 5
BGE 140 I 2 S. 5
A.
Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) verabschiedete am 15. November 2007 das Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen. Beschwerden gegen das Konkordat wies das Bundesgericht mit den Urteilen
BGE 137 I 31
und 1C_278/2009 vom 16. November 2010 ab, soweit darauf einzutreten war. Das Konkordat vom 15. November 2007 ist seit dem 1. September 2010 in allen 26 Kantonen der Schweiz in Kraft.
B.
In der Folge beriet die KKJPD nach verschiedenen Ausschreitungen bei Sportveranstaltungen über eine Änderung von zahlreichen Bestimmungen des Konkordats. Die Beratungen führten am 2. Februar 2012 zur Änderung des Konkordats, mit welcher unter anderem die Massnahmen gegen gewalttätige Personen verschärft werden: Neu sollen auch Tätlichkeiten und die Hinderung einer Amtshandlung als gewalttätiges Verhalten gelten (Art. 2 des geänderten Konkordats); Rayonverbote, für die bisher eine Maximaldauer von einem Jahr galt, sollen künftig für eine Dauer von 1-3 Jahren erlassen werden, und die Verfügungen können Rayons in der ganzen Schweiz umfassen (Art. 4 Abs. 2 des geänderten Konkordats); bei Gewalt gegen Personen (Ausnahme: Tätlichkeiten), bei schweren Sachbeschädigungen und bei Wiederholungstäterinnen und -tätern soll direkt eine Meldeauflage angeordnet werden können, ohne dass zuvor die Verletzung eines Rayonverbots nachgewiesen wird (Art. 6 Abs. 1 des geänderten Konkordats). Weiter wird mit dem revidierten Konkordat für Fussball- und Eishockeyspiele
BGE 140 I 2 S. 6
der obersten Ligen eine Bewilligungspflicht eingeführt, welche die Möglichkeit von Auflagen an die privaten Veranstalter von Sportanlässen miteinschliesst (Art. 3a des geänderten Konkordats). Diese können bauliche und technische Massnahmen in den Stadien, die Zahl der einzusetzenden privaten Sicherheitskräfte, die Stadionordnung, den Verkauf alkoholischer Getränke, die Abwicklung der Zutrittskontrollen, die An- und Rückreise der Gästefans und andere sicherheitsrelevante Bereiche betreffen, auf welche die Behörden nach dem bisherigen Konkordat keinen Einfluss nehmen konnten. Zusätzlich sollen Matchbesucherinnen und -besucher beim Besteigen von Fanzügen und -bussen sowie an den Stadioneingängen über und unter den Kleidern am ganzen Körper untersucht und auf ihre Identität und allfällige gültige Stadionverbote, Rayonverbote oder Meldeauflagen überprüft werden können (Art. 3b und 3a Abs. 3 des geänderten Konkordats).
C.
Das geänderte Konkordat hat folgenden Wortlaut (Ergänzungen unterstrichen, Streichungen durchgestrichen):
Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen
vom 15. November 2007;
Änderung vom 2. Februar 2012
Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren verabschiedet folgenden Konkordatstext:
1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 Zweck
Die Kantone treffen in Zusammenarbeit mit dem Bund zur Verhinderung gewalttätigen Verhaltens vorbeugende polizeiliche Massnahmen nach diesem Konkordat, um frühzeitig Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen zu erkennen und zu bekämpfen.
Art. 2 Definition gewalttätigen Verhaltens
1
Gewalttätiges Verhalten und Gewalttätigkeiten liegen namentlich vor, wenn eine Person
im Vorfeld einer Sportveranstaltung, während der Veranstaltung oder im Nachgang dazu
folgende Straftaten begangen oder dazu angestiftet hat:
a. Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben nach den Artikeln 111-113, 117, 122, 123, 125 Absatz 2,
126 Abs. 1,
129, 133, 134 des Strafgesetzbuches (StGB; SR 311.0);
b. Sachbeschädigungen nach Artikel 144 StGB;
c. Nötigung nach Artikel 181 StGB;
BGE 140 I 2 S. 7
d. Brandstiftung nach Artikel 221 StGB;
e. Verursachung einer Explosion nach Artikel 223 StGB;
f.
Öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit nach
Art. 259 StGB
;
Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht nach Artikel 224 StGB;
g.
Öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit nach
Art. 259 StGB
;
h.
Landfriedensbruch nach Artikel 260 StGB;
h
i.
Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte nach Artikel 285 StGB
;
j. Hinderung einer Amtshandlung nach Artikel 286 StGB
.
2
Als gewalttätiges Verhalten gilt ferner die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch das Mitführen oder Verwenden von Waffen, Sprengmitteln, Schiesspulver oder pyrotechnischen Gegenständen an Sportstätten, in deren Umgebung sowie auf dem An- und Rückreiseweg.
Art. 3 Nachweis gewalttätigen Verhaltens
1
Als Nachweis für gewalttätiges Verhalten nach Artikel 2 gelten:
a. entsprechende Gerichtsurteile oder polizeiliche Anzeigen;
b. glaubwürdige Aussagen oder Bildaufnahmen der Polizei, der Zollverwaltung, des Sicherheitspersonals oder der Sportverbände und -vereine;
c. Stadionverbote der Sportverbände oder -vereine;
d. Meldungen einer zuständigen ausländischen Behörde.
2
Aussagen nach Absatz 1 Buchstabe b sind schriftlich festzuhalten und zu unterzeichnen.
2. Kapitel:
Polizeiliche Massnahmen
Bewilligungspflicht und Auflagen
Art. 3a Bewilligungspflicht
1
Fussball- und Eishockeyspiele mit Beteiligung der Klubs der jeweils obersten Spielklasse der Männer sind bewilligungspflichtig. Spiele der Klubs unterer Ligen oder anderer Sportarten können als bewilligungspflichtig erklärt werden, wenn im Umfeld der Spiele eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu befürchten ist.
2
Zur Verhinderung gewalttätigen Verhaltens im Sinn von Artikel 2 kann die zuständige Behörde eine Bewilligung mit Auflagen verbinden. Diese können insbesondere bauliche und technische Massnahmen, den Einsatz bestimmter personeller oder anderer Mittel durch den Veranstalter, die Regeln für den Verkauf der Eintrittskarten, den Verkauf alkoholischer Getränke oder die Abwicklung der Zutrittskontrollen umfassen. Die Behörde kann insbesondere bestimmen, wie die Anreise und Rückreise der Anhänger der Gastmannschaft abzuwickeln ist und unter welchen Voraussetzungen ihnen Zutritt zu den Sportstätten gewährt werden darf.
BGE 140 I 2 S. 8
3
Die Behörde kann anordnen, dass Besucherinnen und Besucher beim Besteigen von Fantransporten oder beim Zutritt zu Sportstätten Identitätsausweise vorweisen müssen und dass mittels Abgleich mit dem Informationssystem HOOGAN sichergestellt wird, dass keine Personen eingelassen werden, die mit einem gültigen Stadionverbot oder Massnahmen nach diesem Konkordat belegt sind.
4
Werden Auflagen verletzt, können adäquate Massnahmen getroffen werden. Unter anderem kann eine Bewilligung entzogen werden, für künftige Spiele verweigert werden, oder eine künftige Bewilligung kann mit zusätzlichen Auflagen versehen werden. Vom Bewilligungsnehmer kann Kostenersatz für Schäden verlangt werden, die auf eine Verletzung von Auflagen zurückzuführen sind.
3. Kapitel: Polizeiliche Massnahmen
Art. 3b Durchsuchungen
1
Die Polizei kann Besucherinnen und Besucher im Rahmen von Zutrittskontrollen zu Sportveranstaltungen oder beim Besteigen von Fantransporten bei einem konkreten Verdacht durch Personen gleichen Geschlechts auch unter den Kleidern am ganzen Körper nach verbotenen Gegenständen durchsuchen. Die Durchsuchungen müssen in nicht einsehbaren Räumen erfolgen. Eigentliche Untersuchungen des Intimbereichs erfolgen unter Beizug von medizinischem Personal.
2
Die Behörden können private Sicherheitsunternehmen, die vom Veranstalter mit den Zutrittskontrollen zu den Sportstätten und zu den Fantransporten beauftragt sind, ermächtigen, Personen unabhängig von einem konkreten Verdacht über den Kleidern durch Personen gleichen Geschlechts am ganzen Körper nach verbotenen Gegenständen abzutasten.
3
Der Veranstalter informiert die Besucherinnen und Besucher seiner Sportveranstaltung über die Möglichkeit von Durchsuchungen.
Art. 4 Rayonverbot
1
Einer Person, die sich anlässlich von Sportveranstaltungen nachweislich an Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligt hat, kann der Aufenthalt in einem genau umschriebenen Gebiet im Umfeld von Sportveranstaltungen (Rayon) zu bestimmten Zeiten verboten werden. Die zuständige
kantonale
Behörde bestimmt
den Umfang der einzelnen
,
für welche
Rayons
das Verbot gilt
.
2
Das Rayonverbot
kann längstens
wird
für
die
eine
Dauer
eines Jahres
von einem bis zu drei Jahren
verfügt
werden
.
Es kann Rayons in der ganzen Schweiz umfassen
.
3
Das Verbot kann von den
folgenden
Behörden
des Kantons
verfügt werden
:
a. von der zuständigen Behörde im Kanton, in dem die Gewalttätigkeit erfolgte;
BGE 140 I 2 S. 9
b. von der zuständigen Behörde im Kanton, i
n dem die betroffene Person wohnt
oder in dem sie an
;
c. von
der
Gewalttätigkeit beteiligt war. Die
zuständigen
Behörde
des Kantons
im Kanton
, in dem
der Klub seinen Sitz hat, zu dem
die
Gewalttätigkeit geschah, hat dabei
betroffene Person in Beziehung steht.
Der
Vorrang
bei sich konkurrenzierenden Zuständigkeiten folgt der Reihenfolge der Aufzählung in diesem Absatz.
4
Die Schweizerische Zentralstelle
für
Hooliganismus (Zentralstelle) kann
und das Bundesamt für Polizei fedpol können
den Erlass von Rayonverboten beantragen.
Art. 5 Verfügung über ein Rayonverbot
1
In der Verfügung über ein Rayonverbot sind die Geltungsdauer und der
räumliche
Geltungsbereich
des Rayonverbots
festzulegen. Der Verfügung
ist ein Plan beizulegen,
sind Angaben beizufügen, die es
der
betroffenen Person erlauben, genaue Kenntnis über
die vom Verbot erfassten
Orte und die zugehörigen
Rayons
genau bezeichnet
zu erhalten
.
2
Wird das Verbot von der Behörde des Kantons verfügt, in dem die Gewalttätigkeit geschah, ist die zuständige Behörde des Wohnsitzkantons der betroffenen Person umgehend zu informieren.
2
Die verfügende Behörde informiert umgehend die übrigen in Art. 4 Abs. 3 und 4 erwähnten Behörden.
3
Für den Nachweis der Beteiligung an Gewalttätigkeiten gilt Artikel 3.
Art. 6 Meldeauflage
1
Eine Person kann verpflichtet werden, sich
für eine Dauer von bis zu drei Jahren
zu bestimmten Zeiten bei einer
Polizeistelle
von der zuständigen Behörde bezeichneten Amtsstelle
zu melden, wenn:
a. sie sich anlässlich von Sportveranstaltungen nachweislich an Gewalttätigkeiten gegen Personen im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und c-j beteiligt hat. Ausgenommen sind Tätlichkeiten nach
Art. 126 Abs. 1 StGB
;
b. sie Sachbeschädigungen im Sinne von
Art. 144 Abs. 2 und 3 StGB
begangen hat;
c. sie Waffen, Sprengstoff, Schiesspulver oder pyrotechnische Gegenstände in der Absicht verwendet hat, Dritte zu gefährden oder zu schädigen oder wenn sie dies in Kauf genommen hat;
d. gegen
sie in den letzten zwei Jahren
gegen ein Rayonverbot
bereits eine Massnahme
nach
Artikel 4
diesem Konkordat
oder
gegen
eine Ausreisebeschränkung nach Artikel 24c BWIS (SR 120)
verfügt wurde und sie erneut gegen Artikel 2 dieses Konkordats
verstossen hat;
e.
b.
aufgrund konkreter und aktueller Tatsachen anzunehmen ist, dass sie sich durch andere Massnahmen nicht von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen abhalten lässt; oder
BGE 140 I 2 S. 10
f.
c.
die Meldeauflage im Verhältnis zu anderen Massnahmen im Einzelfall als milder erscheint.
2
Die betroffene Person hat sich bei der in der Verfügung genannten
Polizeistelle
Amtsstelle
zu den bezeichneten Zeiten zu melden.
Grundsätzlich
Nach Möglichkeit
ist dies eine
Polizeistelle
Amtsstelle
am Wohnort
der betroffenen Person
. Die verfügende Behörde berücksichtigt bei der Bestimmung von Meldeort und Meldezeiten die persönlichen Umstände der betroffenen Person.
3
Die
für den Wohnort der betroffenen Person zuständige
Behörde
des Kantons, in dem die betroffene Person wohnt,
verfügt die Meldeauflage. Die Zentralstelle
kann
und fedpol können
den Erlass von Meldeauflagen beantragen.
Art. 7 Handhabung der Meldeauflage
1
Dass eine Person sich durch andere Massnahmen als eine Meldeauflage nicht von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen abhalten lässt (Art. 6 Abs. 1 Bst.
b
e
), ist namentlich anzunehmen, wenn:
a. aufgrund von aktuellen Aussagen oder Handlungen der betreffenden Person behördlich bekannt ist, dass sie mildere Massnahmen umgehen würde; oder
b. die betreffende Person aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse, wie Wohnlage oder Arbeitsplatz in unmittelbarer Umgebung eines Stadions, durch mildere Massnahmen nicht von künftigen Gewalttaten abgehalten werden kann.
2
Kann sich die meldepflichtige Person aus wichtigen und belegbaren Gründen nicht nach Artikel 6 Absatz 2 bei der zuständigen Stelle (Meldestelle) melden, so hat sie die Meldestelle unverzüglich und unter Bekanntgabe des Aufenthaltsortes zu informieren. Die zuständige Polizeibehörde überprüft den Aufenthaltsort und die Angaben der betreffenden Person.
3
Die Meldestelle informiert die Behörde, die die Meldeauflage verfügt hat, unverzüglich über erfolgte oder ausgebliebene Meldungen.
4
Wird eine Meldeauflage ohne entschuldbare Gründe nach Abs. 2 verletzt, wird ihre Dauer verdoppelt.
Art. 8 Polizeigewahrsam
1
Gegen eine Person kann der Polizeigewahrsam verfügt werden, wenn:
a. konkrete und aktuelle Hinweise dafür vorliegen, dass sie sich anlässlich einer nationalen oder internationalen Sportveranstaltung an schwerwiegenden Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligen wird; und
b. dies die einzige Möglichkeit ist, sie an solchen Gewalttätigkeiten zu hindern.
BGE 140 I 2 S. 11
2
Der Polizeigewahrsam ist zu beenden, wenn seine Voraussetzungen weggefallen sind, in jedem Fall nach 24 Stunden.
3
Die betroffene Person hat sich zum bezeichneten Zeitpunkt bei der Polizeistelle ihres Wohnortes oder bei einer anderen in der Verfügung genannten Polizeistelle einzufinden und hat für die Dauer des Gewahrsams dort zu bleiben.
4
Erscheint die betreffende Person nicht bei der bezeichneten Polizeistelle, so kann sie polizeilich zugeführt werden.
5
Die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzuges ist auf Antrag der betroffenen Person richterlich zu überprüfen.
6
Der Polizeigewahrsam kann von den Behörden des Kantons verfügt werden, in dem die betroffene Person wohnt, oder von den Behörden des Kantons, in dem die Gewalttätigkeit befürchtet wird. Die Behörde des Kantons, in dem die Gewalttätigkeit befürchtet wird, hat dabei Vorrang.
Art. 9 Handhabung des Polizeigewahrsams
1
Nationale Sportveranstaltungen nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a sind Veranstaltungen, die von den nationalen Sportverbänden oder den nationalen Ligen organisiert werden, oder an denen Vereine dieser Organisationen beteiligt sind.
2
Schwerwiegende Gewalttätigkeiten im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a sind namentlich strafbare Handlungen nach den Artikeln 111-113, 122, 123 Ziffer 2, 129, 144 Absatz 3, 221, 223 oder nach Artikel 224 StGB.
3
Die zuständige Behörde am Wohnort der betreffenden Person bezeichnet die Polizeistelle, bei der sich die betreffende Person einzufinden hat und bestimmt den Beginn und die Dauer des Gewahrsams.
4
Die Kantone bezeichnen die richterliche Instanz, die für die Überprüfung der Rechtmässigkeit des Polizeigewahrsams zuständig ist.
5
In der Verfügung ist die betreffende Person auf ihr Recht, den Freiheitsentzug richterlich überprüfen zu lassen, hinzuweisen (Art. 8 Abs. 5).
6
Die für den Vollzug des Gewahrsams bezeichnete Polizeistelle benachrichtigt die verfügende Behörde über die Durchführung des Gewahrsams. Bei Fernbleiben der betroffenen Person erfolgt die Benachrichtigung umgehend.
Art. 10 Empfehlung Stadionverbot
Die zuständige Behörde für die Massnahmen nach den Artikeln 4-9
und
,
die Zentralstelle
und fedpol
können den Organisatoren von Sportveranstaltungen empfehlen, gegen Personen Stadionverbote auszusprechen, welche in Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung
innerhalb oder
ausserhalb des Stadions gewalttätig wurden. Die Empfehlung erfolgt unter Angabe der notwendigen Daten gemäss
Art. 24a Abs. 3 BWIS
.
BGE 140 I 2 S. 12
Art. 11 Untere Altersgrenze
Massnahmen nach den Artikeln 4-7 können nur gegen Personen verfügt werden, die das 12. Altersjahr vollendet haben. Der Polizeigewahrsam nach den Artikeln 8-9 kann nur gegen Personen verfügt werden, die das 15. Altersjahr vollendet haben.
3
4
. Kapitel: Verfahrensbestimmungen
Art. 12 Aufschiebende Wirkung
1
Beschwerden gegen Verfügungen der Behörden, die in Anwendung von Artikel 3a ergehen, haben keine aufschiebende Wirkung. Die Beschwerdeinstanz kann die aufschiebende Wirkung auf Antrag der Beschwerdeführer gewähren.
2
Einer Beschwerde gegen eine Verfügung über Massnahmen nach den Artikeln 4-9 kommt aufschiebende Wirkung zu, wenn dadurch der Zweck der Massnahme nicht gefährdet wird und wenn die Beschwerdeinstanz oder das Gericht diese in einem Zwischenentscheid ausdrücklich gewährt.
Art. 13 Zuständigkeit und Verfahren
1
Die Kantone bezeichnen die
zuständige Behörde
zuständigen Behörden
für die
Bewilligungen nach Artikel 3a Abs. 1 und die
Massnahmen nach den Artikeln
3a Abs. 2-4, 3b und
4-9.
2
Die zuständige Behörde weist zum Zwecke der Vollstreckung der Massnahmen nach Kapitel
2
3
auf die Strafdrohung von Artikel 292 StGB hin.
3
Die
Kantone
zuständigen Behörden
melden dem Bundesamt für Polizei (fedpol) gestützt auf
Art. 24a Abs. 4 BWIS
:
a. Verfügungen und Aufhebungen von Massnahmen nach den Artikeln 4-9 und 12;
b. Verstösse gegen Massnahmen nach den Artikeln 4-9 sowie die entsprechenden Strafentscheide;
c. die von ihnen festgelegten Rayons
unter Beilage der entsprechenden Pläne
.
5
. Kapitel: Schlussbestimmungen
Art. 14 Information des Bundes
Das Generalsekretariat der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) informiert die Bundeskanzlei über das vorliegende Konkordat. Das Verfahren richtet sich nach Artikel 27o RVOV (SR 172.010.1).
Art. 15 Inkrafttreten
1
Dieses Konkordat tritt in Kraft, sobald ihm mindestens zwei Kantone beigetreten sind, frühestens jedoch auf den 1. Januar 2010.
BGE 140 I 2 S. 13
2
Die Änderungen vom 2. Februar 2012 treten für Kantone, die ihnen zustimmen, an jenem Datum in Kraft, an dem ihr Beitrittsbeschluss rechtskräftig wird.
Art. 16 Kündigung
Ein Mitgliedkanton kann das Konkordat mittels einjähriger Vorankündigung auf Ende eines Jahres kündigen. Die anderen Kantone entscheiden, ob das Konkordat in Kraft zu lassen ist.
Art. 17 Benachrichtigung Generalsekretariat KKJPD
Die Kantone informieren das Generalsekretariat KKJPD über ihren Beitritt, die zuständigen Behörden nach Artikel 13 Absatz 1 und ihre Kündigung. Das Generalsekretariat KKJPD führt eine Liste über den Geltungsstand des Konkordats.
D.
Mit einer Botschaft vom 24. April 2012 unterbreitete der Regierungsrat des Kantons Luzern dem Kantonsrat den Entwurf eines Dekrets über den Beitritt zur Änderung des Konkordats. Am 5. November 2012 beschloss der Kantonsrat den Beitritt des Kantons Luzern zur Änderung vom 2. Februar 2012 des Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vom 15. November 2007. Das Dekret unterlag dem fakultativen Referendum. Die Referendumsfrist gegen das Beitrittsdekret ist am 9. Januar 2013 unbenützt abgelaufen. Die Änderung des Konkordats trat im Kanton Luzern am 10. Januar 2013 in Anwendung von Art. 15 Abs. 2 des geänderten Konkordats in Kraft (Publikation im Kantonsblatt Luzern vom 12. Januar 2013; SRL 353).
E.
Am 20. November 2012 genehmigte der Grosse Rat des Kantons Aargau die Änderung des Konkordats auf Antrag des Regierungsrats des Kantons Aargau. Die Referendumsfrist ist am 11. April 2013 unbenützt abgelaufen. Das geänderte Konkordat trat im Kanton Aargau am 1. Juli 2013 zusammen mit dem revidierten kantonalen Polizeigesetz und einer neuen kantonalen Verordnung zum Vollzug der Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen in Kraft (Publikation in der chronologischen Aargauer Gesetzessammlung am 20. Juni 2013; AGS 2013/3-1).
F.
Gegen den Beitritt der Kantone Luzern und Aargau zum geänderten Konkordat wurden beim Bundesgericht zwei separate, inhaltlich aber weitgehend identische Beschwerden eingereicht. Die Beschwerdeführer beantragen im Wesentlichen, die revidierten Bestimmungen des Konkordats in der Fassung vom 2. Februar 2012 seien aufzuheben.
BGE 140 I 2 S. 14
Sie berufen sich auf den Anspruch auf rechtsgleiche und willkürfreie Behandlung (
Art. 8 und 9 BV
) und rügen insbesondere Verletzungen der persönlichen Freiheit und des Schutzes der Privatsphäre (
Art. 10 Abs. 2 BV
und
Art. 5 Ziff. 1 und
Art. 8 Ziff. 1 EMRK
) sowie der Versammlungsfreiheit (
Art. 22 BV
und
Art. 11 EMRK
).
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Erlasses im Rahmen der abstrakten Normkontrolle massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn zugemessen werden kann, der mit den angerufenen Verfassungs- oder EMRK-Garantien vereinbar ist. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Norm nur auf, sofern sie sich jeglicher verfassungs- und konventionskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich bleibt. Es ist grundsätzlich vom Wortlaut der Gesetzesbestimmung auszugehen und der Sinn nach den überkommenen Auslegungsmethoden zu bestimmen. Eine verfassungs- und konventionskonforme Auslegung ist namentlich zulässig, wenn der Normtext lückenhaft, zweideutig oder unklar ist. Der klare und eindeutige Wortsinn darf indes nicht durch eine verfassungskonforme Interpretation beiseitegeschoben werden. Im Einzelnen wird auf die Tragweite des Grundrechtseingriffs, die Möglichkeit eines hinreichenden verfassungsrechtlichen Schutzes bei einer späteren Normkontrolle, die konkreten Umstände der Anwendung und die Auswirkungen auf die Rechtssicherheit abgestellt. Der blosse Umstand, dass die angefochtene Norm in einzelnen Fällen in verfassungswidriger Weise angewendet werden könnte, führt für sich allein noch nicht zu deren Aufhebung (vgl.
BGE 137 I 31
E. 2 S. 39 f.; Urteil des Bundesgerichts 1C_225/2012 vom 10. Juli 2013 E. 2.1).
5.
5.1
Das Konkordat stellt spezifisches Polizeirecht dar. Es ist auf die besondere Erscheinung der Gewalt an Sportveranstaltungen ausgerichtet. Es bezweckt, mit speziellen Massnahmen wie Rayonverboten, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam solche Gewalttaten zu verhindern und auf diese Weise eine friedliche Durchführung von grossen Sportanlässen zu ermöglichen. Da dieses Ziel mit den
BGE 140 I 2 S. 15
Massnahmen der ersten Fassung des Konkordats vom 15. November 2007 nicht in jeder Hinsicht erreicht werden konnte, sah sich die KKJPD veranlasst, einen Teil der Konkordatsbestimmungen zu ändern und mit neuen Massnahmen wie Vorschriften über die Personendurchsuchung und die Bewilligungspflicht für bestimmte Sportveranstaltungen zu ergänzen. Ausserdem werden die früheren Bestimmungen über das Rayonverbot und die Meldeauflage verschärft.
5.2
Zusätzlich zum Konkordat besteht in den
Art. 24a und 24c des Bundesgesetzes vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS; SR 120)
eine gesetzliche Grundlage für weitere Massnahmen gegen Gewalttaten bei Sportveranstaltungen (elektronisches Informationssystem HOOGAN, Ausreisebeschränkungen [Urteil des Bundesgerichts 1C_370/2013 vom 14. Oktober 2013]). Ergänzend schlägt der Bundesrat dem Bundesgesetzgeber vor, mit einer Änderung des Personenbeförderungsgesetzes vom 20. März 2009 (PBG; SR 745.1) weitere neue gesetzliche Grundlagen zu schaffen, damit die Sicherheit im öffentlichen Verkehr bei Fantransporten gewährleistet und Schäden verhindert werden können (Botschaft vom 28. August 2013 zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes [Fan-Transporte], BBl 2013 6993).
5.3
Als besonderes Polizeirecht steht das Konkordat neben dem allgemeinen Polizeirecht, das unabhängig vom Konkordat zur Anwendung gelangt. Es ist für den Kanton Luzern insbesondere im Gesetz vom 27. Januar 1998 über die Luzerner Polizei umschrieben (PolG/LU; SRL 350). Dieses sieht in allgemeiner Weise polizeilichen Zwang und polizeiliche Massnahmen vor und nennt als besondere Vorkehren u.a. die Anhaltung und Identitätsfeststellung (§ 9 PolG/LU), die Durchsuchung von Personen und Sachen (§§ 14 f. PolG/LU), den polizeilichen Gewahrsam (§ 16 PolG/LU) sowie die Wegweisung und Fernhaltung (§ 19 PolG/LU). Im Kanton Aargau enthält das Gesetz vom 6. Dezember 2005 über die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit (Polizeigesetz, PolG/AG; SAR 531.200) die Grundsätze des polizeilichen Handelns und des staatlichen Gewaltmonopols (§ 25 ff. PolG/AG) sowie Bestimmungen über die Personenkontrolle und polizeiliche Anhaltung (§ 29 PolG/AG), den Polizeigewahrsam (§ 31 PolG/AG), die Wegweisung und Fernhaltung (§ 34 PolG/AG) sowie die Durchsuchung von Personen und Sachen (§§ 38 f. PolG/AG). Ferner treten strafprozessuale Massnahmen des Bundesrechts wie die vorläufige Festnahme nach
Art. 217 StPO
(SR 312.0) hinzu.
BGE 140 I 2 S. 16
5.4
Die im vorliegenden Verfahren umstrittene Konkordatsänderung ist vor diesem weiteren Hintergrund zu betrachten und im Rahmen der abstrakten Normkontrolle auf ihre Verfassungs- und Konventionskonformität zu prüfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Bundesgericht das Konkordat in seiner ursprünglichen Fassung vom 15. November 2007 in den Urteilen
BGE 137 I 31
und 1C_278/2009 vom 16. November 2010 im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle detailliert geprüft und die dagegen erhobenen Beschwerden abgewiesen hat. Zur Diskussion stehen hier im Wesentlichen die Neuerungen, die mit der Übernahme der Änderungen des Konkordats vom 2. Februar 2012 eingeführt wurden.
6.
6.1
Das Bundesgericht hat in
BGE 137 I 31
E. 4.4 S. 42 dargelegt, dass die Massnahmen des Rayonverbots, der Meldeauflage und des Polizeigewahrsams keinen strafrechtlichen Charakter aufweisen und damit nicht mit der Gesetzgebungskompetenz des Bundes (
Art. 123 BV
) in Konflikt stehen können. Auch bei den neuen Massnahmen nach dem geänderten Konkordat, wie den Vorschriften über die Personendurchsuchung und den Bestimmungen über die Bewilligungspflicht für bestimmte Veranstaltungen, handelt es sich um verwaltungsrechtliche Normen. Das geänderte Konkordat bezweckt, Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Im Vordergrund steht die Prävention, die Verhinderung von Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen. Die Massnahmen sind auf Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit durch Gewalttaten unterschiedlichster Art ausgerichtet. Zwar wird für die Definition des gewalttätigen Verhaltens, das Massnahmen nach dem Konkordat nach sich ziehen kann, an Straftatbestände angeknüpft (Art. 2 des Konkordats) und für den Nachweis der Gefahr von Gewalttaten unter anderem auf entsprechende Gerichtsurteile und Anzeigen abgestellt (Art. 3 des Konkordats). Das führt indessen nicht dazu, dass die Massnahmen des Konkordats insgesamt dem Strafrecht zuzuordnen wären. Sie weisen grundsätzlich keinen pönalen Charakter auf, werden nicht als Bestrafung wegen der Erfüllung von Straftatbeständen ausgesprochen und bezwecken nicht die Besserung der betroffenen Person (vgl.
BGE 137 I 31
E. 4.3 S. 42).
6.2
Die bundesgerichtliche Qualifikation der im Konkordat vorgesehenen Massnahmen wurde insbesondere unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung (
Art. 32 Abs. 1 BV
;
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
) und den Begriff der strafrechtlichen Anklage (
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
)
BGE 140 I 2 S. 17
kritisch gewürdigt (JOËL O. MÜLLER, Das revidierte Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vom 2. Februar 2012 ["Hooligan-Konkordat"], recht 2013 S. 109 ff., 112; GREGORI WERDER, Rechtsnatur und Charakter der Massnahmen des Hooligan-Konkordats, Sicherheit & Recht 2012 S. 249 ff.). Der Kritik liegt die Tatsache zugrunde, dass nach den Angaben des Bundesamts für Polizei (fedpol) die bei Sportveranstaltungen am häufigsten begangenen Straftatbestände Verstösse gegen das Sprengstoffgesetz (297 aktive Massnahmen), Landfriedensbruch (274 aktive Massnahmen), Gewalt und Drohung gegen Beamte (180 aktive Massnahmen) sowie Sachbeschädigungen (101 aktive Massnahmen) und Tätlichkeiten (57 aktive Massnahmen) sind (vgl. Medienmitteilung fedpol vom 31. Juli 2013,
http://www.fedpol.admin.ch/content/fedpol/de/home/dokumentation/medieninformationen/2013/2013-07-31.html
, besucht am 7. Januar 2014). Kritisiert wird insbesondere, dass die verwaltungsrechtliche Natur der Konkordatsmassnahmen einen allfälligen Strafcharakter einzelner Konkordatsmassnahmen nicht generell auszuschliessen vermag. Das Bundesgericht habe es in
BGE 137 I 31
unterlassen, die verschiedenen polizeilichen Konkordatsmassnahmen einzeln auf ihren etwaigen Strafcharakter zu prüfen (WERDER, a.a.O., S. 252; zum Ganzen: MÜLLER, a.a.O., S. 109 ff.). Die Beschwerdeführer berufen sich zudem auf einen Teil der Lehre, wonach Rayonverbote für Hooligans zu den pönalen verwaltungsrechtlichen Sanktionen zählen sollen, die analog zum Strafrecht nur aufgrund einer Prüfung des Verschuldens in einem korrekten Verfahren verfügt werden dürfen (TOBIAS JAAG, Verwaltungsrechtliche Sanktionen: Einführung, in: Verwaltungsstrafrecht und sanktionierendes Verwaltungsrecht, Häner/Waldmann [Hrsg.], S. 11, 16).
6.3
Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine strafrechtliche Anklage im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
vor, wenn alternativ entweder das nationale Recht eine staatliche Massnahme dem Strafrecht zuordnet oder wenn die Natur des Vergehens oder wenn die Art und Schwere des Vergehens und/oder der Sanktionen für den strafrechtlichen Charakter spricht (
BGE 139 I 72
E. 2.2.2 S. 78 f.;
BGE 135 I 313
E. 2.2.1 S. 317; je mit Hinweisen; zu den Kriterien der Abgrenzung von der strafrechtlichen Anklage vgl.
BGE 121 II 22
E. 2 S. 24 f.; GRABENWARTER/PABEL, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl. 2012, S. 392 ff.; HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, S. 397). Schutzmassnahmen wie Rayon- und Kontaktverbote, die zur Vermeidung häuslicher Gewalt
BGE 140 I 2 S. 18
ergriffen werden, fallen nach der Rechtsprechung nicht unter den Begriff der strafrechtlichen Anklage (
BGE 134 I 140
E. 4.3 S. 145 f.).
Der Umstand, dass strafrechtlich relevantes Verhalten als Anknüpfungspunkt für die Definition des gewalttätigen Verhaltens und die Ergreifung von Massnahmen nach dem Konkordat dient, steht der Qualifikation des Konkordats als verwaltungsrechtlicher Erlass nicht entgegen. Entscheidend ist, dass das Konkordat einzig auf die Vorbeugung vor Gewalt ausgerichtet ist und die vorgesehenen konkreten Massnahmen nach Art und Schwere nicht als Bestrafung für erfolgtes gewalttätiges Verhalten erscheinen, sondern als notwendige Massnahmen zur Verhinderung künftiger Gewalttaten. In dieser Hinsicht ist die vorliegende Angelegenheit zu unterscheiden von einer im Urteil des Bundesgerichts 1C_225/2012 (vom 10. Juli 2013 E. 6) beurteilten Regelung im Demonstrationsrecht des Kantons Genf. Nach der damals zur Diskussion stehenden Bestimmung sollte einem Gesuchsteller eine Demonstrationsbewilligung während einer Sperrfrist von ein bis fünf Jahren verweigert werden können, wenn er die Bedingungen und Auflagen einer früheren Demonstrationsbewilligung nicht erfüllt hatte oder wenn bei der Demonstration, selbst ohne Verschulden des Organisators, Personen oder Sachen schwer beeinträchtigt wurden. Diese Vorschrift ergänzte eine andere Bestimmung im gleichen Gesetz, nach welcher eine Demonstrationsbewilligung ohne Rücksicht auf früheres Fehlverhalten des Organisators verweigert werden konnte, wenn eine bestimmte Veranstaltung objektiv mit zu grossen Risiken für die öffentliche Ordnung und Sicherheit behaftet war. Das Bundesgericht bejahte einen gewissen repressiven Charakter der Sperrfrist und verneinte vor dem Hintergrund der allgemeinen Möglichkeit einer Bewilligungsverweigerung die Notwendigkeit und Zumutbarkeit der Sperrfrist (a.a.O., E. 6.4). Die in der hier umstrittenen Konkordatsänderung vorgesehenen Massnahmen dürfen, um als verwaltungsrechtliche Massnahmen ohne strafrechtlichen Charakter zu gelten, grundsätzlich nicht als strafrechtliche Sanktionen für früheres gewalttätiges Verhalten ausgestaltet sein, ansonsten die grundrechtlichen Anforderungen an eine strafrechtliche Anklage im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
erfüllt sein müssten.
Weiter ist zur Frage nach dem Vorliegen einer strafrechtlichen Anklage im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
von Bedeutung, dass das Konkordat spezifisch das polizeiliche Verwaltungshandeln im Hinblick auf befürchtete Gewalttaten bei Sportanlässen regeln soll (vgl.
BGE 140 I 2 S. 19
BGE 137 I 31
E. 5.2 S. 43). Die vorgesehenen Massnahmen sind auf das zukünftige Verhalten ausgerichtet und gelangen unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung bereits verübter Gewalttaten zur Anwendung. Die strafrechtlichen Mittel bezwecken die nachträgliche Ahndung von Verstössen. Die Notwendigkeit von gezielten auf Vermeidung von zukünftigen Gewalttaten ausgerichteten Verwaltungsmassnahmen gemäss dem Konkordat liegt darin begründet, dass das Strafrecht nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre kein hinreichendes Mittel zur vorbeugenden Bekämpfung von Gewalttaten an Sportveranstaltungen darstellt, da das Strafrecht grundsätzlich erst greift, wenn die Rechtsverstösse bereits erfolgt sind. Für eine Qualifikation der Massnahmen nach dem Konkordat als strafrechtliche Sanktionen kann nicht genügen, wenn aus Sicht des betroffenen Fussball- oder Eishockeyfans ein Rayon- und Stadionverbot subjektiv als pönal empfunden wird (vgl. BEAT HENSLER, Strafe ohne Strafrecht, Sicherheit & Recht 2011 S. 37, 41). Im Rahmen der weiteren Behandlung der Beschwerde ist der Abgrenzung zum Strafrecht Rechnung zu tragen.
7.
7.1
Die Beschwerdeführer beanstanden die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Konkordats durch die in Art. 2 vorgenommenen Ergänzungen. Während nach dem bisherigen Konkordat lediglich die Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen frühzeitig erkannt und bekämpft werden sollte (unveränderter Art. 1 des Konkordats), gehört nach Art. 2 Abs. 1 des geänderten Konkordats auch das Verhalten im Vorfeld und im Nachgang einer Sportveranstaltung zu den Verhaltensweisen, die Massnahmen im Sinne des Konkordats nach sich ziehen können.
Im Bericht der KKJPD zum geänderten Konkordat (S. 17; abrufbar unter
www.kkjpd.ch
, konsultiert am 7. Januar 2014) wird dargelegt, dass die zeitliche und thematische Nähe zur Sportveranstaltung auch dann noch als gegeben erachtet werden soll, wenn Fangruppen beispielsweise nach der Rückreise von einem Spiel Personen angreifen oder Sachbeschädigungen begehen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sei im Urteil VB.2011.00465 vom 8. September 2011 aufgrund der Formulierung des bisherigen Konkordats zum gegenteiligen Schluss gekommen. Dies sei insofern problematisch, als viele Gewalttaten nicht anlässlich der Spiele oder auf den Reisewegen, sondern nach einer frühen Anreise in den Innenstädten der Spielorte oder nach der Rückkehr von den Spielen begangen würden.
BGE 140 I 2 S. 20
7.2
Auch mit der neuen Formulierung von Art. 2 Abs. 1 des Konkordats kommt in Verbindung mit dem unverändert geltenden Art. 1 des Konkordats klar zum Ausdruck, dass der Bezug zu einer Sportveranstaltung dann als gegeben erachtet werden soll, wenn eine zeitliche und thematische Nähe zur Veranstaltung besteht und die Tat einen Zusammenhang mit der Anhängerschaft zu einer der beteiligten Mannschaften aufweist. Es steht ausser Frage, dass ein gewisser Zeitraum von einigen Stunden vor und nach den Spielen abgedeckt werden muss, um das Ziel der Gewaltprävention zu erreichen. Zudem darf der räumliche Anwendungsbereich nicht zu eng gefasst werden, da sich die der Sportveranstaltung bzw. deren Besuchern zuzurechnenden Gewalttaten oft nicht nur im Stadion oder in dessen unmittelbarer Umgebung ereignen, sondern in einem weiteren Umkreis wie z.B. in den Innenstädten oder auf den Reisewegen (vgl. Botschaft vom 17. August 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit, BBl 2005 5617; Botschaft vom 28. August 2013 zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes [Fan-Transporte], BBl 2013 6995). Eine präzisere allgemeine Umschreibung des örtlichen und zeitlichen Anwendungsbereichs des Konkordats in Bezug auf das relevante gewalttätige Verhalten erscheint kaum möglich, da die konkreten Ereignisse sehr unterschiedliche Formen annehmen können. Hingegen ist bei der Auslegung des ergänzten Einleitungssatzes von Art. 2 Abs. 1 des Konkordats auch zu beachten, dass Art. 2 Abs. 2 des Konkordats, der nicht geändert wurde, den Anwendungsbereich bei bestimmten Arten der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nach wie vor auf die Sportstätten, deren Umgebung sowie den An- und Rückreiseweg beschränkt. Diese Beschränkung muss auch bei der Anwendung von Art. 2 Abs. 1 des geänderten Konkordats in örtlicher und zeitlicher Hinsicht berücksichtigt werden. Im Rahmen der Anwendung des Konkordats wird darauf zu achten sein, dass nur solches gewalttätiges Verhalten zu Massnahmen führt, das einen konkreten Zusammenhang mit der Sportveranstaltung und der Anhängerschaft bei einer der Mannschaften aufweist. Der Hinweis der Parteien auf das erwähnte Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts zeigt auf, dass ein Bedürfnis für eine gewisse Ausweitung des zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereichs bestehen kann. Die zuständigen Behörden und Gerichte sind bei der Anwendung des Konkordats in der Lage, die von den Beschwerdeführern befürchtete unerwünschte Ausdehnung auf Handlungen, die nicht mehr
BGE 140 I 2 S. 21
der Sportveranstaltung und den daran interessierten Anhängern zugeordnet werden können, zu vermeiden. Die Bestimmung kann nach diesen Ausführungen ohne Weiteres verfassungskonform ausgelegt und angewendet werden (vgl. E. 4 hiervor).
8.
Die Beschwerdeführer bringen weiter vor, mit den neu in die Aufzählung von Art. 2 Abs. 1 lit. a-j des Konkordats aufgenommenen Straftaten werde der Begriff des gewalttätigen Verhaltens auf Handlungen mit Bagatellcharakter ausgedehnt. So sei etwa eine Tätlichkeit nach
Art. 126 Abs. 1 StGB
bereits gegeben, wenn jemand mit Wasser oder Sirup übergossen oder eine "kunstvolle Frisur" zerstört werde. Derartige Bagatellen würden keine Massnahme nach dem Konkordat rechtfertigen.
Art. 2 Abs. 1 des Konkordats enthält in der alten wie in der neuen Fassung keinen abschliessenden Katalog von Delikten, die gewalttätiges Verhalten oder Gewalttätigkeiten darstellen. Dass nun im geänderten Konkordat auch Übertretungen wie Tätlichkeiten und die Hinderung einer Amtshandlung ausdrücklich genannt werden, führt nicht dazu, dass schon bei einer geringfügigen Übertretung eine der im Konkordat vorgesehenen Massnahmen ergriffen werden müsste. Die Anordnung von konkreten Massnahmen hängt weiterhin von der Art und Schwere des gewalttätigen Verhaltens ab und muss insbesondere verhältnismässig sein (
BGE 137 I 31
E. 6.5 S. 47 f.; E. 9.2.2 hiernach). Unabhängig davon, ob in gewissen Fällen auch Übertretungstatbestände einbezogen werden, dürfen die rechtsanwendenden Behörden nur Massnahmen verfügen, die sich bezogen auf das jeweilige Verhalten und das Ziel der Gewaltprävention als verhältnismässig erweisen. Bei nur geringfügigen Tätlichkeiten oder anderen geringfügigen Widerhandlungen ist sowohl nach dem geltenden als auch nach dem neuen Konkordat auf eine Massnahme zu verzichten, weil sie nicht verhältnismässig wäre. Eine verfassungskonforme Auslegung und Handhabung der Norm erscheint entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ohne Weiteres möglich.
Dasselbe trifft auf die nach Meinung der Beschwerdeführer zu tiefe Hürde für den Nachweis des gewalttätigen Verhaltens nach Art. 3 des Konkordats zu. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer führen die in Art. 3 Abs. 1 des Konkordats genannten Nachweise nicht automatisch zu einer der im Konkordat vorgesehenen Massnahmen. Solche sind nur dann zu ergreifen, wenn sie sich gestützt auf eine Beurteilung der Nachweise durch die zuständigen
BGE 140 I 2 S. 22
Polizeiorgane als verfassungskonform erweisen. Soweit die Beschwerdeführer davon ausgehen, eine Massnahme nach dem Konkordat werde allein gestützt auf ein vom Veranstalter ausgesprochenes privatrechtliches Stadionverbot oder nach einem glaubwürdigen Bericht eines Sicherheitsdienstes über eine Tätlichkeit ausgesprochen, so kann ihnen nicht gefolgt werden. Solche Unterlagen sind im Einzelfall bei der Beurteilung, ob eine Massnahme nach dem Konkordat angezeigt ist, zu prüfen. Dabei sind auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen wie der Anspruch auf rechtliches Gehör und weitere Verfahrensgrundrechte (
Art. 29 BV
) zu beachten.
9.
In Art. 3a des geänderten Konkordats wird eine Bewilligungspflicht für bestimmte Sportveranstaltungen eingeführt, welche die Beschwerdeführer nicht grundsätzlich in Frage stellen. Sie beanstanden indessen die Möglichkeit, dass die Bewilligung mit Auflagen betreffend die An- und Rückreise der Anhänger der Gastmannschaft (Art. 3a Abs. 2 des geänderten Konkordats) sowie mit einer Ausweispflicht und Pflicht zur Identitätskontrolle verbunden werden kann (Art. 3a Abs. 2 und 3 des geänderten Konkordats). Sie rügen in diesem Zusammenhang eine unzulässige Beschränkung der Bewegungsfreiheit als Teil der persönlichen Freiheit (
Art. 10 Abs. 2 BV
). Soweit eine Ausweispflicht und Identitätskontrolle mit Abgleich mit dem Informationssystem HOOGAN erfolgen soll, rügen die Beschwerdeführer auch eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (
Art. 10 Abs. 2 BV
i.V.m.
Art. 13 Abs. 2 BV
).
9.1
Die Bewegungsfreiheit ist als Teil der persönlichen Freiheit im Sinne von
Art. 10 Abs. 2 BV
garantiert. Sie kann wie andere Grundrechte nach den Kriterien von
Art. 36 BV
eingeschränkt werden. Einschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein und haben sich schliesslich als verhältnismässig zu erweisen. Die Kerngehaltsgarantie ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang (vgl.
BGE 137 I 31
E. 6.2 S. 45). Denselben Voraussetzungen unterliegt die Einschränkung des grundrechtlichen Anspruchs auf informationelle Selbstbestimmung (
Art. 10 Abs. 2 BV
i.V.m.
Art. 13 Abs. 2 BV
). Der Anspruch impliziert, dass jede Person gegenüber fremder, staatlicher oder privater Bearbeitung und Speicherung von sie betreffenden Informationen bestimmen können muss, ob und zu welchem Zwecke diese Informationen über sie bearbeitet und gespeichert werden ( RAINER J. SCHWEIZER,
BGE 140 I 2 S. 23
in: Die Schweizerische Bundesverfassung, 2. Aufl. 2008, N. 39 und 42 zu
Art. 13 BV
).
9.2
Nach dem letzten Satz von Art. 3a Abs. 2 des geänderten Konkordats kann die Bewilligungsbehörde insbesondere bestimmen, wie die Anreise und Rückreise der Anhänger der Gastmannschaft abzuwickeln ist und unter welchen Voraussetzungen ihnen Zutritt zu den Sportstätten gewährt werden darf. Nach den Ausführungen im Bericht der KKJPD zur Änderung des Konkordats (s. vorne E. 7.1) können Sicherheitsfragen über die Regeln für den Verkauf von Eintrittskarten gut beeinflusst werden. So soll mit solchen Auflagen verhindert werden, dass Fangruppen im Stadion aufeinandertreffen oder dass die den Gästefans zugeteilten Sektoren von den Zugangswegen her unter Sicherheitsaspekten ungünstig gelegen sind. Zudem sei die Einflussnahme auf den Ticketverkauf Voraussetzung für die Einführung des so genannten Kombitickets (vgl. dazu die Botschaft Fan-Transporte, BBl 2013 6993 Ziff. 1.1.2, 1.2.4 und 2; Bericht der KKJPD vom 2. Februar 2012 zur Änderung des Konkordats, S. 21 f. [s. vorne E. 7.1]).
9.2.1
Nach den Ausführungen im erwähnten Bericht der KKJPD S. 22 soll die zuständige Behörde in Zukunft mittels Auflagen festlegen können, dass bei Risikospielen ein Kombiticket eingesetzt wird. Je nach Situation seien für den Einsatz des Kombitickets Charterzüge oder Busse vorzusehen. Idealerweise gestalte sich der Ablauf eines Spiels mit Kombiticket so, dass die Gästefans beim Besteigen des Transports von Angehörigen ihres eigenen Klubs auf ihre Identität und allfällige HOOGAN-Massnahmen überprüft würden. Gleichzeitig werde mit einer Durchsuchung der Effekten und mit Abtasten sichergestellt, dass keine alkoholischen Getränke, Waffen oder pyrotechnischen Gegenstände in die Busse oder Züge gelangten. Während der Zugs- oder Busfahrt seien Sicherheitsbegleiter des eigenen Klubs anwesend. Nach der Ankunft des Transports im abgesperrten Bereich vor dem Stadion gelangten die Fans unter Überwachung durch die Sicherheitsbegleiter auf ihre Plätze. Nach dem Spiel werde der ganze Transport in umgekehrter Reihenfolge wieder abgewickelt. Mit dieser Massnahme liessen sich jedes Wochenende Hunderte von Polizeikräften einsparen, die heute damit beschäftigt seien, Fangruppen zu trennen. In Zukunft solle sich die Polizei bei Risikospielen auf die Kontrolle der Heimfans und auf die Überwachung des Besteigens und Aussteigens der Gästefans aus den Charterzügen oder -bussen beschränken können. Der
BGE 140 I 2 S. 24
beispielhaft geschilderte Ablauf könne von der zuständigen Behörde dabei situativ abweichend geregelt werden. Sie könne insbesondere festlegen, dass für Gästefans, die nicht in der Nähe des Abfahrtsorts der Charterzüge oder Busse wohnten, weitere Zusteigeorte angeboten werden.
9.2.2
Die Beschwerdeführer halten die Auflage von Kombitickets als kaum durchführbare und untaugliche Massnahme zur Verhinderung von Gewalt an Sportanlässen. Die Beschränkung der Bewegungsfreiheit als Teil der persönlichen Freiheit (
Art. 10 Abs. 2 BV
) sei deshalb nicht mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip vereinbar und somit unzulässig (
Art. 36 Abs. 3 BV
).
Im Polizeirecht kommt dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit besonderes Gewicht zu. Dieser Grundsatz verlangt, dass eine Massnahme für das Erreichen des im öffentlichen oder privaten Interesse liegenden Zieles geeignet und erforderlich ist und sich für die Betroffenen in Anbetracht der Schwere der Grundrechtseinschränkung als zumutbar erweist. Es muss eine vernünftige Zweck-Mittel-Relation vorliegen. Eine Massnahme ist unverhältnismässig, wenn das angestrebte Ziel mit einem weniger schweren Grundrechtseingriff erreicht werden kann (
BGE 137 I 31
E. 7.5.2 S. 53;
BGE 136 I 87
E. 3.2 S. 91;
BGE 133 I 77
E. 4.1 S. 81).
9.2.3
Die Beschwerdeführer bestreiten lediglich die Eignung der mit Art. 3a Abs. 2 letzter Satz des geänderten Konkordats möglichen Auflage, wonach für Anhänger der Gästemannschaft der Verkauf von Kombitickets verlangt werden kann. Solange privat anreisende Anhänger der Gästemannschaft sich in anderen Sektoren als dem Gästesektor zusammenfinden könnten, führe dies eher zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage. Erfahrungen mit dieser Massnahme im Ausland hätten denn auch gezeigt, dass sie nur dann zur Steigerung der Sicherheit beitragen könnten, wenn die Tickets der übrigen Sektoren ausverkauft seien.
9.2.4
Diesen Darlegungen der Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden. Die KKJPD empfiehlt den Kantonen zur Vermeidung einer Umgehung des Kombitickets, den Veranstaltern Auflagen für den Ticketverkauf zu machen, welche verhindern, dass sich Fangruppen in andern Stadionsektoren sammeln könnten (Bericht der KKJPD vom 2. Februar 2012, S. 22). Der Heimklub kann dabei verpflichtet werden, die Tickets für andere Sektoren als den Gästesektor so an auswärtige Personen abzugeben, dass ausserhalb des Gästesektors
BGE 140 I 2 S. 25
keine grösseren Gruppenbildungen entstehen. Die KKJPD verweist auf Erfahrungen aus den Niederlanden und Belgien, wonach die Fangruppen das Kombiticket zu Beginn mit dem Ausweichen auf andere Sektoren zu umgehen versucht hätten, letztlich dann aber doch lieber gemeinsam mit einem Extrazug anreisten, um das Spiel gemeinsam im Gästesektor des Stadions zu verfolgen. In der Anfangsphase werde dafür zu sorgen sein, dass die Sicherheit im Stadion durch allfällige Umgehungsversuche von Fangruppen nicht gefährdet werde.
9.2.5
Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die verfassungskonforme Umsetzung von Kombitickets in der Schweiz im Unterschied zu den Niederlanden und Belgien nicht möglich sein soll. Die Auflagen, die den Vereinen und Stadionbetreibern nach Art. 3a des geänderten Konkordats gemacht werden können, sind als Kann-Bestimmungen ausgestaltet, deren Anwendung im Einzelfall der jeweiligen Sicherheitslage anzupassen ist. Die KKJPD verweist auf einen Besuch einer Delegation der KKJPD und des Bundesamts für Polizei in Antwerpen anlässlich eines nicht ausverkauften Hochrisikospiels, bei dem Kombitickets mit Erfolg angewendet wurden. Anfänglichen Ausweichbewegungen bestimmter auswärtiger Fangruppen auf andere Sektoren als den Gästesektor sei mit einem entsprechenden Polizeiaufgebot und Massnahmen beim Ticketverkauf begegnet worden, bis sich das System nach und nach eingespielt habe. Aufgrund dieser von den Beschwerdeführern nicht substanziiert bestrittenen Erfahrungen kann den kritisierten Massnahmen im Bereich der Auflagen für die An- und Rückreise der Gästefans die Eignung zur Erhöhung der Sicherheit an den betroffenen Sportveranstaltungen nicht abgesprochen werden. Im Übrigen wird die Verhältnismässigkeit der Massnahme des Kombitickets auch dadurch gewahrt, dass Anhänger der Gästemannschaft, die individuell anreisen möchten, vom Besuch eines Spiels nicht ausgeschlossen werden, sondern lediglich keinen Zutritt zum Gästesektor erhalten. Dies kann ihnen zugemutet werden, zumal die Empfehlungen der KKJPD vom 20. November 2012 zur Umsetzung der Bewilligung vorsehen, dass Kombitickets als Mittel zur Fantrennung nur bei Hochrisikospielen zur Anwendung gelangen sollen, bei denen eine hohe Gefahr besteht, dass Fangruppen der Heim- und der Auswärtsmannschaft aufein andertreffen. Unter diesen Umständen erweist sich die Massnahme des Kombitickets als verhältnismässig.
BGE 140 I 2 S. 26
9.3
9.3.1
Nach Art. 3a Abs. 3 des geänderten Konkordats kann die Behörde anordnen, dass Besucherinnen und Besucher beim Besteigen von Fantransporten oder beim Zutritt zu Sportstätten Identitätsausweise vorweisen müssen und dass mittels Abgleich mit dem Informationssystem HOOGAN sichergestellt wird, dass keine Personen eingelassen werden, die mit einem gültigen Stadionverbot oder Massnahmen nach diesem Konkordat belegt sind. Die Beschwerdeführer erkennen auch in dieser Bestimmung eine Verletzung der Bewegungsfreiheit und überdies eine Missachtung des grundrechtlichen Anspruchs auf informationelle Selbstbestimmung (
Art. 10 Abs. 2 BV
i.V.m.
Art. 13 Abs. 2 BV
; s. E. 9.1 hiervor). Sie machen geltend, in der Schweiz bestehe bisher keine generelle Ausweispflicht. Eine Pflicht, Ausweispapiere vorzulegen, bestehe nur bei polizeilicher Anhaltung im Sinne von
Art. 215 StPO
, die einen minimalen Anfangsverdacht, d.h. einen sachbezogenen Zusammenhang zwischen der anzuhaltenden Person mit einem Delikt voraussetze (ALBERTINI/ARMBRUSTER, in: Basler Kommentar, Strafprozessordnung, 2011, N. 7 zu
Art. 215 StPO
). Abweichend davon sehe das geänderte Konkordat die Möglichkeit vor, für bestimmte Besucherkategorien, z.B. Angehörige bestimmter Fanclubs, abstrakt eine lückenlose Ausweispflicht anzuordnen, ohne dass das Vorliegen eines konkreten Anfangsverdachts erforderlich wäre. Es sei zumindest fraglich, ob solche Kontrollen einzelner Besuchergruppen überhaupt geeignet und erforderlich seien, um den Schutz der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten. So sei nicht auszuschliessen, dass sich gewaltbereite Personen Zugang zu einem anderen Publikumssektor verschafften, der keiner entsprechenden Personenkontrolle unterzogen werde. Als mildere Massnahme erscheine sodann eine stichprobenweise Identitätskontrolle oder eine solche auf konkreten Verdacht hin. Andernfalls würden die Angehörigen bestimmter Besucherkategorien wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit faktisch einem Generalverdacht ausgesetzt. Mit der notorischen Gewaltbereitschaft bestimmter Fangruppierungen werde die Überprüfung eines ganzen Segments von Besuchern gerechtfertigt. Fraglich sei daher auch, ob die auf bestimmte Besuchergruppen beschränkte Identitätskontrolle vor dem Rechtsgleichheitsgebot (
Art. 8 BV
) standhalte bzw. ob eine von der Gruppenzugehörigkeit abhängige Identitätskontrolle auf sachlichen Unterscheidungskriterien beruhe. Aus diesen Gründen sei es nicht gerechtfertigt, statt einer verdachtsbezogenen eine anlassbezogene Ausweispflicht einzuführen.
BGE 140 I 2 S. 27
9.3.2
Art. 3a Abs. 3 des geänderten Konkordats lässt es zu, dass die Besucher bestimmter Spiele verpflichtet werden, sich auszuweisen und einen Abgleich mit dem Informationssystem HOOGAN zu dulden. Die Empfehlungen der KKJPD zur Umsetzung des geänderten Konkordats sehen vor, dass bei Spielen mit geringem Risiko nur für Besucherinnen und Besucher des Heim- und des Gästesektors ein lückenloser Abgleich von Identitätsausweisen mit der Datenbank HOOGAN stattfindet. Bei Spielen mit mittlerem Risiko sowie bei Hochrisikospielen sollen auch in anderen Sektoren lückenlose oder stichprobenweise Kontrollen erfolgen. Bei den Zutrittskontrollen soll die Identität von Besucherinnen und Besuchern von Sportveranstaltungen nicht gespeichert werden, sondern es geht darum, Personen, die mit einer Massnahme gemäss dem Konkordat oder einem Stadionverbot belegt sind, zu identifizieren und von bestimmten Sportveranstaltungen fernzuhalten. Das Fernhalten von gewaltbereiten Personen stellt das zentrale Element bei der Bekämpfung der Gewalt im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen dar. Die Identitätskontrolle und der Abgleich mit dem Informationssystem HOOGAN dient insbesondere der Durchsetzung der im Interesse der Gewaltprävention erlassenen, vom Bundesgericht in
BGE 137 I 31
als grundsätzlich zulässig beurteilten Massnahme des Rayonverbots. Das geänderte Konkordat stellt die gesetzliche Grundlage für eine zugehörige Kontrollmassnahme dar. Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in den Sportstadien und deren Umfeld sowie der Anspruch der übrigen Matchbesucherinnen und Matchbesucher auf Schutz der körperlichen Unversehrtheit sind unbestritten und bedürfen keiner weiteren Erörterungen.
9.3.3
Die Einschränkung der von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang angerufenen Grundrechte auf Bewegungsfreiheit und auf informationelle Selbstbestimmung erweist sich angesichts des Gewaltphänomens anlässlich bestimmter Sportveranstaltungen als verhältnismässig. Die Eingriffsintensität in den Grundrechtsgehalt erscheint im Verhältnis zum angestrebten Zweck und den zu schützenden Rechtsgütern gering, indem lediglich ein elektronischer Abgleich zwischen einem ldentitätsausweis und der Datenbank HOOGAN erfolgt, bei dem keine Daten gespeichert werden. Die verwendeten stationären oder mobilen Geräte zeigen nach den Ausführungen der KKJPD lediglich an, ob eine Person im Informationssystem HOOGAN verzeichnet ist oder nicht. Die Weitergabe der in HOOGAN enthaltenen Daten an Organisatoren von
BGE 140 I 2 S. 28
Sportveranstaltungen in der Schweiz beruht auf einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage (
Art. 24a Abs. 8 BWIS
), welche insbesondere durch
Art. 10 der Verordnung vom 4. Dezember 2009 über verwaltungspolizeiliche Massnahmen des Bundesamtes für Polizei und über das Informationssystem HOOGAN (VVMH; SR 120.52)
ergänzt wird. Diese Rechtsgrundlagen werden von den Beschwerdeführern nicht beanstandet.
Der Einlassprozess der Zuschauerinnen und Zuschauer wird durch den Abgleich mit dem Informationssystem HOOGAN nur geringfügig verzögert, weil der Abgleich innert weniger Sekunden vorgenommen werden kann. Somit ist das Mittel auch geeignet, im Informationssystem HOOGAN verzeichnete Personen vom Stadionbesuch und gewalttätigem Verhalten abzuhalten. Sollte es zu übermässigen Ausweichbewegungen in andere Besuchersektoren kommen, können diese Kontrollen mit den mobilen Geräten dorthin ausgedehnt werden. Die spezifische Kontrolle von Besucherinnen und Besuchern, die sich auf die Extrazüge oder in die Fanzonen begeben möchten, ist dadurch gerechtfertigt, dass sowohl pyrotechnische Gegenstände als auch Ausschreitungen häufig auf den Reisewegen von Fangruppen und in den Fanzonen festgestellt wurden. Die Behörden werden die bei einem bestimmten Spiel anzuordnenden Auflagen in jedem einzelnen Fall an die bestehende Risikosituation anzupassen und dabei die Grundrechtseingriffe so gering wie möglich zu halten haben. Art. 3a des geänderten Konkordats gewährleistet die notwendige Flexibilität bei der Anordnung der verschiedenen Auflagen, wobei sich die Handhabung der Auflagen zur Gewährleistung der Rechtsgleichheit an sachlichen Kriterien, wie sie den Empfehlungen der KKJPD zur Umsetzung des geänderten Konkordats entnommen werden können, zu orientieren hat. Die beanstandeten möglichen Auflagen der Identitätskontrollen und des Abgleichs mit dem Informationssystem HOOGAN im Sinne von Art. 3a Abs. 3 des geänderten Konkordats sind deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
10.
10.1
Art. 3b des geänderten Konkordats enthält unter dem Titel "Polizeiliche Massnahmen" für verschiedene Arten von Durchsuchungen eine spezifische gesetzliche Grundlage. Mit der Bestimmung wird insbesondere die Durchsuchung der Besucherinnen und Besucher von Sportveranstaltungen am Eingang des Stadions oder beim Besteigen von Fantransporten erlaubt. Dabei gelten je nach Schwere
BGE 140 I 2 S. 29
des Eingriffs unterschiedliche Voraussetzungen für die Durchsuchung von Personen durch die Polizei und für die Wahrnehmung dieser Aufgabe durch Angehörige privater Sicherheitsunternehmen. Aus dem Bericht der KKJPD vom 2. Februar 2012 zu den Konkordatsänderungen ergibt sich, dass die Zugangskontrollen wie bereits heute weiterhin durch privates Sicherheitspersonal vorgenommen werden sollen. Dieses soll überdies Matchbesucherinnen und -besucher unabhängig von einem konkreten Verdacht über den Kleidern durch Personen gleichen Geschlechts am ganzen Körper nach verbotenen Gegenständen abtasten können (Art. 3b Abs. 2 des geänderten Konkordats). Dieses Abtasten über den Kleidern bezieht sich auch auf den Intimbereich, weil unzulässige Objekte nach den Angaben der KKJPD "häufig" im Intimbereich versteckt werden (vgl. BURGER/BURGER-MITTNER, Zulässigkeit von sicherheitsbezogenen Zutrittskontrollen in Sportstadien, Sicherheit & Recht 2010 S. 82; Urteil des Bundesgerichts 6B_612/2011 vom 14. Dezember 2011 Sachverhalt lit. A ).
Weitergehende Durchsuchungen sollen nach Art. 3b Abs. 1 des geänderten Konkordats erfolgen, wenn sich aus dem Verhalten von Matchbesucherinnen und -besuchern oder aus dem Abtasten durch private Sicherheitsleute ein konkreter Verdacht ergibt. In solchen Fällen sind die Durchsuchungen den Angehörigen der Polizei vorbehalten. Sie können auch unter den Kleidern erfolgen und den Intimbereich umfassen. Solche Durchsuchungen müssen in nicht einsehbaren Räumen durchgeführt werden. Für eigentliche Durchsuchungen des Intimbereichs, d.h. die nähere Untersuchung von Körperöffnungen, muss medizinisches Personal beigezogen werden.
10.2
Umstritten ist zunächst die Zulässigkeit der Übertragung von Durchsuchungsbefugnissen an private Sicherheitsdienste nach Art. 3b Abs. 2 des geänderten Konkordats.
10.2.1
An Orten, die der Allgemeinheit offenstehen, ist es grundsätzlich Aufgabe der Polizei, für die Sicherheit zu sorgen (
Art. 57 BV
; Urteil des Bundesgerichts 1C_225/2012 vom 10. Juli 2013 E. 3.7). Die Stadien und die Transportmittel sind (anders als die Bahnhöfe) nicht uneingeschränkt öffentlich zugängliche Räume. Sie werden als halb-öffentliche Räume bezeichnet und zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Eigentum oder Besitz eines Privaten (Stadionbetreibers, Transportunternehmens) stehen und der Zutritt der Besucher über einen zivilrechtlichen Vertragsschluss (Kauf eines
BGE 140 I 2 S. 30
Tickets) gewährt wird. Innert gewisser Grenzen sind die privaten Organisatoren für den ordnungsgemässen Ablauf ihrer Veranstaltungen verantwortlich (vgl. MARKUS MOHLER, Grundzüge des Polizeirechts in der Schweiz, S. 442; Bericht des Bundesrats vom 2. Dezember 2005 zu den privaten Sicherheits- und Militärfirmen, BBl 2006 648).
10.2.2
Die in einem halböffentlichen Raum notwendigen Massnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit können im Allgemeinen weder auf Selbsthilferechte (Notwehr oder Notstand nach
Art. 15 ff. StGB
, vorläufige Festnahme nach
Art. 218 StPO
) noch auf das Hausrecht allein gestützt werden. Eine begrenzte zusätzliche Rechtsgrundlage für Eingriffe in Rechte Dritter bildet gemäss
Art. 28 Abs. 2 ZGB
die vertragliche Einwilligung in Form von Vertragsbedingungen gestützt auf die erworbene Zutritts- oder Transportberechtigung. Solche Bedingungen (wie etwa ein Alkoholverbot, ein Verbot, bestimmte Gegenstände mitzuführen, oder eine Pflicht, die Personalien bekannt zu geben) werden zum Vertragsinhalt, wenn der Betroffene darüber in zumutbarer Weise vor dem Vertragsschluss informiert wird. Die Vertragsbedingungen können indessen keinen Verzicht auf grundlegende Grundrechtspositionen zum Inhalt haben. So kann nicht vertraglich festgelegt werden, dass den Sicherheitsorganen des Veranstalters das Recht zu schwerwiegenden Grundrechtseinschränkungen (z.B. integrale körperliche Durchsuchung von Besuchern) übertragen wird. Die Kompetenzen der vom Stadionverantwortlichen beauftragten privaten Sicherheitskräfte sind insbesondere durch das staatliche Gewaltmonopol stark begrenzt. Zudem gilt für die privaten Sicherheitsdienste ebenfalls die Grundrechtsbindung gemäss
Art. 35 Abs. 2 BV
(zum Ganzen: MOHLER, a.a.O., S. 415 ff., 443 f.;
derselbe
, Sicherheitsbezogene Zutrittskontrollen zu Stadien, Möglichkeiten und Grenzen, auch des Einsatzes privater Sicherheitsdienste [nachfolgend: Zutrittskontrollen], Sicherheit & Recht 2010 S. 75 f. mit weiteren Hinweisen).
10.3
Die Beschwerdeführer berufen sich auf die persönliche Freiheit (Bewegungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit,
Art. 10 Abs. 2 BV
), die nur unter den Voraussetzungen von
Art. 36 BV
eingeschränkt werden darf (s. vorne E. 9.1 und 9.2.2). Unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Grundlage kritisieren sie, das Konkordat sei nicht hinreichend bestimmt, weil nicht definiert werde, welche Sachen als verbotene Gegenstände gelten.
BGE 140 I 2 S. 31
Diese Kritik der Beschwerdeführer ist nicht berechtigt. Zunächst werden in Art. 2 Abs. 2 des Konkordats als Gegenstände, deren Mitführen oder Verwendung als gewalttätiges Verhalten gilt, insbesondere Waffen, Sprengmittel, Schiesspulver und pyrotechnische Gegenstände genannt. Diese Umschreibung ist vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots hinreichend präzis, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch andere Gegenstände, die aus Sicherheitsgründen (z.B. wegen eines Alkoholverbots) nicht toleriert werden können, im Stadion oder auf den Reisewegen nicht mitgeführt werden dürfen. Solche Verbote können sich allgemein aus der Rechtsordnung oder spezifisch aus der Hausordnung des Stadions, den Beförderungsbedingungen des Transportunternehmens oder in Bezug auf die konkreten Sicherheitsanliegen aus den mit der Bewilligung nach Art. 3a des geänderten Konkordats verbundenen Auflagen ergeben. Dass im Konkordat nicht sämtliche Gegenstände aufgezählt werden, die verboten sind oder bei einem bestimmten Spiel nicht mitgeführt werden dürfen (z.B. Alkohol), verletzt das Bestimmtheitsgebot nicht. Vielmehr ist je nach Risikolage festzulegen, ob zusätzlich zu den in Art. 2 Abs. 2 des Konkordats genannten Gegenständen weitere Verbote ausgesprochen werden müssen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_225/2012 vom 10. Juli 2013 E. 3.8). Im Hinblick auf ein bestimmtes Spiel ist hingegen sicherzustellen, dass die Besucher hinreichend über die bestehenden Verbote informiert werden. Dies hat in geeigneter Weise, etwa durch Aufdrucke auf den Eintrittskarten, allgemeine Information der Besucher über die üblichen Informationskanäle sowie durch Hinweise im Eingangsbereich der Veranstaltungsorte und der öffentlichen Verkehrsmittel zu erfolgen. Die Behörden haben die Veranstalter in den Auflagen der Bewilligung auch dazu zu verpflichten, die Besucher über zusätzliche Verbote auf geeignete Weise hinzuweisen.
10.4
Weiter stellen die Beschwerdeführer die Eignung der körperlichen Durchsuchung zur Verhinderung von Gewalttaten infrage. Sie machen geltend, es sei denkbar, dass problematische Gegenstände von Besuchern, die am Eingang nicht durchsucht werden, eingeschleust werden und im Stadion an Personen, die sich in einem anderen Sektor befinden, hinübergereicht oder -geworfen werden (s. MOHLER, Zutrittskontrollen, a.a.O., Sicherheit & Recht 2010 S. 78; BURGER/BURGER-MITTNER, a.a.O., S. 86). So könne das Ziel von Durchsuchungen relativ leicht vereitelt werden, was die Eignung der Massnahme grundsätzlich infrage stelle. Bei der Durchsuchung werde
BGE 140 I 2 S. 32
insbesondere nach Waffen und bengalischen Fackeln gesucht, die sich kaum auf eine Weise unter den Kleidern oder gar im Intimbereich verstecken liessen, dass sie nicht bereits bei einer Durchsuchung über den Kleidern entdeckt würden. Diese mildere Massnahme reiche unter dem Gesichtspunkt der Eignung zum Schutz der öffentlichen Ordnung aus, während die Untersuchung im Intimbereich im Einzelfall kaum je verhältnismässig sein könne. Da es sich zudem um einen gravierenden Eingriff in die Intimsphäre der betroffenen Person handle, müsse im Sinne einer klaren gesetzlichen Grundlage zumindest generell-abstrakt festgelegt werden, nach welchen Gegenständen gesucht werden dürfe. Dies sei nicht nur zum Schutz der Betroffenen nötig, sondern auch, um die Bestimmung für die zuständigen Behörden handhabbar zu machen. Weiter bestreiten die Beschwerdeführer die Zulässigkeit einer Durchsuchung über den Kleidern ohne Vorliegen eines konkreten Anfangsverdachts. Der Umstand, dass private Sicherheitsunternehmen mit der Untersuchung über den Kleidern betraut werden könnten, erhöht nach Ansicht der Beschwerdeführer die Gefahr einer willkürlichen und rechtsungleichen, allenfalls gar diskriminierenden Anwendung, was mit
Art. 8 und 9 BV
nicht vereinbar sei. Zudem schreiben sie der Durchsuchung nach Art. 3b des geänderten Konkordats einen sogenannten "chilling effect" zu, der darin bestehen soll, dass die körperliche Untersuchung, insbesondere des Intimbereichs, geeignet sei, an der Sportveranstaltung Interessierte von einem Besuch abzuhalten. Eine solche Abschreckung von der Teilnahme an einer Veranstaltung verhindere die Ausübung der verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte (zum "chilling effect" s. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 375 ff.; STEFAN LEUTERT, Polizeikostentragung bei Grossveranstaltungen, 2005, S. 119 ff.).
10.5
10.5.1
Mit der nach Art. 3b des geänderten Konkordats zulässigen Durchsuchung sind erhebliche Einschränkungen der persönlichen Freiheit (
Art. 10 Abs. 2 BV
) verbunden. Ausserdem wird die nach
Art. 13 Abs. 1 BV
geschützte Privatsphäre und je nach Art der Durchsuchung die Menschenwürde (
Art. 7 BV
) tangiert. Art. 3b des geänderten Konkordats, dem in den Kantonen Aargau und Luzern aufgrund der Referendumspflicht der angefochtenen Beschlüsse der Rang eines formellen Gesetzes zukommt, enthält für die verschiedenen Formen der Durchsuchung eine gesetzliche Grundlage im Sinne von
Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BV
. Diese regelt entgegen der
BGE 140 I 2 S. 33
Auffassung der Beschwerdeführer mit hinreichender Bestimmtheit und der erforderlichen normativen Dichte Voraussetzungen, Zweck, Zielpersonen, Durchführende sowie Art und Weise der Durchführung der Durchsuchung. Für die Besucher einer Sportveranstaltung ist aufgrund des geänderten Konkordats klar erkennbar, welche Durchsuchungen zulässig sind, und es ist ihnen möglich, ihr Verhalten danach zu richten. Es ist somit bei der gegebenen gesetzlichen Grundlage nicht im Einzelnen zu prüfen, inwiefern einzelne Durchsuchungsformen als schwerwiegende Einschränkungen zu bewerten sind (s. dazu Bundesamt für Justiz, Gutachten vom 3. Februar 2011 zu Zutrittskontrollen in Stadien: Durchsuchungen im Intimbereich, S. 11 f.,
https://www.bj.admin.ch//bj/de/home/dokumentation.html
Stichwort Hooliganismus, besucht am 7. Januar 2014).
10.5.2
Das nach
Art. 36 Abs. 2 BV
für die Zulässigkeit einer Grundrechtseinschränkung erforderliche öffentliche Interesse ergibt sich aus dem polizeilichen Interesse auf Schutz der öffentlichen Ordnung und der Sicherheit (
Art. 57 BV
). Auch der Schutz von Grundrechten Dritter wie der körperlichen Integrität aller Besucher eines Spiels kann eine Grundrechtseinschränkung rechtfertigen (
Art. 36 Abs. 2 BV
). Die Durchsuchung hat das Ziel, gefährliche Gegenstände, insbesondere Waffen und pyrotechnische Gegenstände aufzufinden und sicherzustellen. In den vergangenen Jahren wurden in Schweizer Stadien immer wieder pyrotechnische Gegenstände gezündet. Solche Feuerwerkskörper entwickeln eine Hitze von über 1000 Grad und können höchst gefährlich sein, wenn sie in einer grossen und kompakten Menschenmenge abgebrannt werden. Der Schutz vor Verletzungen und die Gewährleistung der Sicherheit im Stadion stellen gewichtige öffentliche Interessen im Sinne von
Art. 36 Abs. 2 BV
dar, welche die körperliche Durchsuchung der Stadionbesucher rechtfertigen. Zudem besteht ein gewisses öffentliches Interesse an der Übertragung von Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Durchsuchung der Besucher an die Veranstalter bzw. von diesen beauftragte Sicherheitsdienste. Sie erfolgt im Interesse der Gefahrenabwehr und der Sicherheit, deren Gewährleistung - zumindest bei Grossveranstaltungen wie bei Fussballspielen mit grossem Publikumsinteresse - den Beizug privater Sicherheitsdienste erfordert.
10.6
Unter dem Titel der Verhältnismässigkeit (
Art. 36 Abs. 3 BV
) ist die Erforderlichkeit, die Geeignetheit und die Zumutbarkeit der Durchsuchungen zu prüfen (E. 9.2.2 hiervor).
BGE 140 I 2 S. 34
10.6.1
Angesichts der Gefahr von schweren Verletzungen Dritter durch die Verwendung von Waffen oder das unsachgemässe Abfeuern von Feuerwerkskörpern in Sportstadien erweisen sich grundrechtsbeschränkende Sicherheitsmassnahmen wie körperliche Durchsuchungen als notwendig. Auch darf nicht übersehen werden, dass es durch die unsachgemässe Verwendung von pyrotechnischem Material oder von Rauchbomben zu Panikreaktionen in der Masse kommen kann, deren Folgen unabsehbar sind. Die Erforderlichkeit von Durchsuchungen ist somit gegeben (MOHLER, Zutrittskontrollen, a.a.O., Sicherheit & Recht 2010 S. 78).
10.6.2
Bei der Beurteilung der Geeignetheit der Durchsuchungsmassnahmen nach Art. 3b des geänderten Konkordats ist zu beachten, dass Feuerwerkskörper nicht nur durch Angehörige von Problemgruppen, die sie später auch zünden wollen, sondern auch auf andern Wegen (mitunter auch lange vor dem Spieltag) ins Stadion verbracht werden können. Selbst mit einer lückenlosen Kontrolle aller Matchbesucherinnen und -besucher kann der angestrebte Erfolg nicht immer gewährleistet werden. Zudem erscheint es bei gut besuchten Spielen mit mehreren 10'000 Besuchern kaum möglich, sämtliche Zuschauerinnen und Zuschauer einer intensiven Kleiderdurchsuchung zu unterziehen (dazu im Einzelnen MOHLER, Zutrittskontrollen, a.a.O., Sicherheit & Recht 2010 S. 79). In der Literatur wird denn auch die Auffassung vertreten, dass die Geeignetheit von Kleiderdurchsuchungen bis auf die Unterwäsche bei einer grossen, weit über die Verdächtigen hinausgehenden Anzahl von Personen nicht gegeben sei. Eine korrekte Auswahl der zu Kontrollierenden stelle sehr hohe Anforderungen, um nicht das Gleichheitsgebot oder das Willkürverbot zu verletzen. Auch die Besucherinnen und Besucher der spezifischen Fansektoren hätten Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung: nur die Durchsuchung aufgrund konkreter Verdachtsmomente genüge hier den verfassungsrechtlichen Anforderungen (MOHLER, Zutrittskontrollen, a.a.O., Sicherheit & Recht 2010 S. 79).
10.6.2.1
Die KKJPD legt in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde dar, der Vernehmlassungsentwurf zur Konkordatsänderung habe verdachtsunabhängige Kontrollen im Intimbereich vorgesehen. Nachdem sich das Bundesamt für Justiz im Rahmen der Vernehmlassung wie auch Fanorganisationen und mehrere Kantone kritisch zum Entwurf geäussert hätten, sei
Art. 3b so
überarbeitet worden, dass Kontrollen im lntimbereich unter den Kleidern nur bei einem konkreten Verdacht erfolgen dürften. Zudem würden die einzelnen
BGE 140 I 2 S. 35
Kontrollstufen im erläuternden Bericht vom 2. Februar 2012 in einem sechsstufigen Schema detailliert umschrieben. Unter dem Aspekt der Verfassungsmässigkeit sei wesentlich, dass eigentliche Durchsuchungen des Intimbereichs nur bei einem konkreten Verdacht erfolgen dürften. Ein nicht gezieltes Abtasten über den Kleidern (sog. Frisking), wie es auch an Flughäfen üblich sei, dürften auch private Sicherheitsunternehmen vornehmen. Ein gezieltes Abtasten über den Kleidern ohne konkreten Verdacht dürften solche Unternehmen vornehmen, sofern ihnen die Aufgabe durch die Behörden delegiert werde (Art. 3b Abs. 2 des geänderten Konkordats). Bei der Aufgabendelegation wie auch bei der Wahrnehmung der Aufgabe durch eigenes Polizeipersonal hätten die Behörden dafür zu sorgen, dass die Aufgabe verhältnismässig wahrgenommen werde. Dies impliziere, dass die ausführenden Mitarbeitenden entsprechend geschult seien. Zur Schulung gehöre, dass eine höhere Eingriffsintensität nur zulässig sei, wenn es darum gehe, das Einschmuggeln verbotener Gegenstände im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Konkordats zu verhindern. Die Durchsuchungen würden dabei anders als in der Beschwerdeschrift dargestellt nicht auf einzelne Stadionsektoren beschränkt, sondern könnten überall erfolgen.
Soweit Zweifel an der Geeignetheit der Durchsuchungen geäussert werden, weil trotz der Kontrollen regelmässig pyrotechnische Gegenstände in die Stadien gelangten, verweist die KKJPD darauf, dass solche Kontrollen internationaler Standard seien und nach dem heutigen Kenntnisstand in keinem europäischen Land unterlassen würden. Umgekehrt seien auch keine besseren Methoden bekannt, um pyrotechnische Gegenstände in den Stadien zu verhindern. Dass die Kontrollen im Übrigen durchaus effektiv seien, bewiesen die vielen Berichte der Polizeibehörden über Beschlagnahmungen von pyrotechnischen Gegenständen.
10.6.2.2
Mit der hier zu beurteilenden Fassung von Art. 3b des geänderten Konkordats wurde den Einwänden, die im Vernehmlassungsverfahren gegen die verdachtsunabhängige Durchsuchung vorgebracht wurden, weitgehend Rechnung getragen. Einzig Durchsuchungen über den Kleidern dürfen ohne Verdacht durchgeführt werden. Soweit diese Durchsuchung an Sicherheitspersonal des Veranstalters delegiert wird, ist auch dieses zur Einhaltung der verfassungsmässigen Rechte und Grundsätze, namentlich des Verhältnismässigkeitsprinzips, verpflichtet, was eine spezifische Schulung für diese Aufgabe voraussetzt (
Art. 35 Abs. 2 BV
). Solche Durchsuchungen erscheinen
BGE 140 I 2 S. 36
zur Gewährleistung der Sicherheit im Stadion grundsätzlich geeignet.
Weitergehende Durchsuchungen unter den Kleidern dürfen nach dem geänderten Konkordat nur bei einem konkreten Verdacht durch die Polizei vorgenommen werden und bei Durchsuchungen im Intimbereich muss medizinisches Personal beigezogen werden. Damit ist grundsätzlich sichergestellt, dass der Eingriff in die persönliche Freiheit, die Privat- und Intimsphäre, nicht ohne einen konkreten Verdacht erfolgt und nur durch entsprechend ausgebildete Personen der Polizei vorgenommen wird. Die Wahrung der öffentlichen Sicherheit ist die zentrale Aufgabe der Polizei, und die Kontrolle der Besucherinnen und Besucher von Grossveranstaltungen auf gefährliche Gegenstände wird in der Literatur explizit als Beispiel für eine Polizeiaufgabe angeführt (HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 2010, Rz. 2478). Auch wenn nicht auszuschliessen ist, dass bei der Durchsuchung der Besucher nicht alle gefährlichen und verbotenen Gegenstände gefunden werden, kann dieser Massnahme im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle die Geeignetheit zur Gewährleistung der Sicherheit nicht abgesprochen werden. Zunächst dient sie dazu, im Stadion unzulässige Gegenstände sicherzustellen und insoweit der Gewaltausübung vorzubeugen. Ausserdem ist sie geeignet, die Besucher allgemein davon abzuhalten, unerlaubte Gegenstände mitzuführen. Damit kann die Sicherheitslage im Stadion zumindest erheblich verbessert werden. Dass mit diesen Massnahmen nicht absolut jede Beeinträchtigung der Sicherheit garantiert werden kann, spricht jedenfalls nicht gegen die Geeignetheit der Durchsuchungen zur Gewährleistung der Sicherheit. Aufgrund der Akten und der erwähnten Ausführungen in der Literatur erscheint auch die Ermächtigung der Polizei zur Durchsuchung des Intimbereichs unter Beizug von medizinischem Personal geeignet und erforderlich, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Nur so können bei entsprechendem Verdacht dort verborgene pyrotechnische Gegenstände aufgefunden werden.
10.6.3
Angesichts der Gefährdung einer erheblichen Anzahl von Matchbesuchern durch die unsachgemässe Verwendung von Brandkörpern, die nach dem Sprengstoffgesetz verboten sind, erscheint der Grundrechtseingriff, der wie erwähnt durch geschulte Polizeikräfte erfolgt, auch als zumutbar. Die Durchsuchung unter den Kleidern und die Durchsuchung des Intimbereichs unter Beizug von medizinischem Personal als schwere Freiheitseinschränkungen sind nur
BGE 140 I 2 S. 37
zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verdacht auf das Mitführen gefährlicher Gegenstände am oder im Körper vorliegen. Mit dieser Voraussetzung kann vermieden werden, dass die grosse Mehrheit nicht gewaltbereiter Besucher eines Spiels einer intensiven körperlichen Durchsuchung unterzogen wird. Gleichzeitig werden dadurch die Befürchtungen der Beschwerdeführer entkräftet, eine Vielzahl interessierter Personen würde durch die mögliche Durchsuchung unter den Kleidern und gar im Intimbereich vom Besuch eines Spiels abgehalten (sog. "chilling effect"). Zudem ist die Durchführung von Kontrollen beim Verkauf der Eintrittskarten in der gebotenen Detaillierung anzukündigen (Art. 3b Abs. 3 des geänderten Konkordats). Schliesslich kann sich nach den Ausführungen der KKJPD im vorliegenden Verfahren jede Person, die wegen eines entstandenen Verdachts zu einer Durchsuchung unter den Kleidern und gar im Intimbereich in einen nicht einsehbaren Raum geführt werden soll - auch noch unmittelbar vor einer Kontrolle -, dazu entschliessen, die Durchsuchung oder Leibesvisitation abzulehnen und auf den Spielbesuch zu verzichten. Damit kann eine verfassungskonforme Anwendung von Art. 3b des geänderten Konkordats gewährleistet werden.
Die Auffassung der Beschwerdeführer, mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des Verzichts auf den Spielbesuch erbringe die KKJPD den Beweis für die unzulässige Abschreckungswirkung der Durchsuchungen, ist unzutreffend. Sie lassen ausser Acht, dass die Durchsuchung unter den Kleidern und gar im Intimbereich einen konkreten Verdacht voraussetzt, so dass die Massnahme nicht geeignet ist, nicht gewaltbereite Sportinteressierte von einem Stadionbesuch abzuhalten. Ein sogenannter "chilling effect" in Bezug auf eine rechtmässige Grundrechtsausübung liegt somit nicht vor.
10.7
Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Bestimmung über die Durchsuchungen (Art. 3b des geänderten Konkordats) im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle nicht zu beanstanden ist.
11.
Das Bundesgericht hat in
BGE 137 I 31
die Verfassungsmässigkeit der im Konkordat vorgesehenen Massnahmen des Rayonverbots, der Meldepflicht und des Polizeigewahrsams grundsätzlich bejaht. Im Unterschied zur damals beurteilten Regelung, die ein maximal auf ein Jahr befristetes Rayonverbot ohne Minimaldauer vorsah, legt Art. 4 Abs. 2 des geänderten Konkordats eine Mindestdauer von einem Jahr und eine Maximaldauer von drei Jahren fest.
BGE 140 I 2 S. 38
Zudem kann die in einem Kanton zuständige Behörde neu Rayonverbote in der ganzen Schweiz erlassen (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 des geänderten Konkordats).
11.1
Rayonverbote bewirken eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit (
Art. 10 Abs. 2 BV
), indem sie den Betroffenen daran hindern, sich während bestimmter Zeiten an bestimmten Orten aufzuhalten. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass eine Person Gebiete nicht betreten darf, die sie ohne Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung für andere Aktivitäten wie Antritt einer Reise, Einkäufe, Teilnahme an einer kulturellen oder politischen Veranstaltung oder den Besuch einer Schule aufsuchen möchte. Damit können neben der persönlichen Freiheit auch andere Grundrechte betroffen sein (
BGE 137 I 31
E. 6.1 S. 44 f.; AXEL TSCHENTSCHER, Grundrechte des Persönlichkeitsschutzes, ZBJV 147/2011 S. 774 ff. und 786 f.). Solchen auf den Einzelfall bezogenen Beeinträchtigungen kann und muss im Rahmen der Anordnung und des Vollzugs eines konkreten Rayonverbots Rechnung getragen werden (
BGE 137 I 31
E. 6.6 S. 48 f.).
11.2
Die in Art. 4 Abs. 2 des geänderten Konkordats vorgesehenen Verschärfungen der Rayonverbote betreffen den zeitlichen und den örtlichen Geltungsbereich: Neu sollen die Rayonverbote auf eine Mindestdauer von einem Jahr und eine Maximaldauer von drei Jahren ausgesprochen werden können. Zudem kann die in einem Kanton zuständige Behörde neu Rayonverbote in der ganzen Schweiz festlegen. Diese Neuerungen sind insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit (E. 9.2.2 hiervor) näher zu untersuchen.
11.2.1
Die KKJPD begründet die neue Minimaldauer des Rayonverbots von einem Jahr damit, dass die Dauer des Rayonverbots jenem der Stadionverbote angeglichen werden solle und neu für eine Dauer von einem bis zu drei Jahren verfügt werden könne. Damit werde eine höhere präventive Wirkung erzielt und dem Kaskadensystem der Massnahmen Rechnung getragen. Es sei stossend, dass das mildeste Mittel des Stadionverbots, das durch die Klubs und Verbände angeordnet werde, für ein bis drei Jahre verhängt werden könne, während die nächstschwerere Sanktion des Rayonverbots heute eine Höchstdauer von einem Jahr aufweise.
11.2.2
Das Ziel des Rayonverbots ist wie erwähnt die Vorbeugung gegen gewalttätiges Verhalten im Sinne von Art. 2 des geänderten
BGE 140 I 2 S. 39
Konkordats (E. 5 und 6 hiervor). Dazu gehören im Anwendungsbereich des Konkordats nicht nur schwere Formen von Gewalt, sondern auch weniger schwerwiegende Übertretungen wie zum Beispiel Tätlichkeiten, die neu in den nicht abschliessenden Katalog von Art. 2 des Konkordats aufgenommen wurden. Nach Art. 4 Abs. 1 des Konkordats kann gegenüber einer Person, die sich anlässlich von Sportveranstaltungen nachweislich an Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligt hat, ein Rayonverbot ausgesprochen werden. Grundsätzlich ist es somit nicht ausgeschlossen, ein Rayonverbot zur Verhinderung von Übertretungen zu verfügen, welche als gewalttätiges Verhalten im Sinne von Art. 2 des Konkordats zu qualifizieren sind. Es ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, dass in jedem Fall der mit dem Rayonverbot angestrebten Gewaltprävention eine Mindestdauer von einem Jahr erforderlich sein soll und dies die mildeste Massnahme im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit darstellen soll. Die Einführung einer Mindestdauer von einem Jahr verunmöglicht den rechtsanwendenden Behörden, ein grundsätzlich angezeigtes Rayonverbot in denjenigen Fällen anzuordnen, in welchen nur ein kürzeres Rayonverbot mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip vereinbar wäre. Dies bestätigt die KKJPD indirekt, indem sie ausführt, dass die Rayonverbote als Kann-Bestimmungen ausgestaltet seien und nur dann ausgesprochen werden dürften, wenn es um ein Verhalten gehe, das der einjährigen Mindestdauer des Rayonverbots angemessen sei.
Eine solche Regelung hält vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht stand, da die Minimaldauer von einem Jahr verhindert, dass die Massnahme an das in jedem Einzelfall Notwendige und Zumutbare angepasst werden kann. Auf die Minimaldauer des Rayonverbots von einem Jahr ist somit zu verzichten. Zu keinem anderen Ergebnis führt der Hinweis der KKJPD, die Klubs und Verbände würden das mildere Mittel des Stadionverbots für ein bis drei Jahre verhängen. Beim Stadionverbot handelt es sich um eine privatrechtliche Massnahme des Stadionbetreibers gegenüber einem Besucher im Rahmen der Vertragsfreiheit. Auch wenn damit die Verhinderung von gewalttätigem Verhalten im Stadion und damit teilweise dasselbe Ziel wie mit dem verwaltungsrechtlichen Rayonverbot angestrebt wird, muss das Rayonverbot nicht zwingend für dieselbe Dauer wie ein Stadionverbot gelten. Das Rayonverbot ist eine eigenständige staatliche Massnahme, deren Dauer von den zuständigen staatlichen Behörden in pflichtgemässer Wahrnehmung ihrer Kompetenzen festzulegen
BGE 140 I 2 S. 40
ist. An eine nach privatrechtlichen Gesichtspunkten festgelegte Mindestdauer eines Stadionverbots sind die staatlichen Behörden bei der Handhabung des Verhältnismässigkeitsprinzips keineswegs gebunden.
Dasselbe gilt für die Maximaldauer, die für das Rayonverbot auf drei Jahre festgelegt wurde. Eine solche Dauer erscheint namentlich vor dem Hintergrund, dass Rayonverbote neu Rayons in der ganzen Schweiz umfassen können, als sehr lang. Es dürfte jedoch nicht geradezu ausgeschlossen sein, dass ein dreijähriges Rayonverbot bei einschlägig bekannten Personen notwendig und verhältnismässig sein kann, um der Gewalt bei Sportveranstaltungen wirksam vorzubeugen. Es ist Sache der zuständigen kantonalen Behörden, bei denen es sich entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer nicht um Laien, sondern um geschulte staatliche Behörden handelt, die neue Regelung in Bezug auf die Dauer des Rayonverbots verfassungskonform anzuwenden. Diese Behörden werden auch zu berücksichtigen haben, dass Rayonverbote neu Rayons in der ganzen Schweiz umfassen können (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 des geänderten Konkordats), wobei sich diese neue Regelung wegen der kantonalen Polizeihoheit nur auf diejenigen Kantone beziehen kann, die dem geänderten Konkordat beigetreten sind. Die Ausdehnung auf Rayons in der ganzen Schweiz verstärkt grundsätzlich die präventive Wirkung gegen Gewalttaten an Sportveranstaltungen und zugleich die Intensität des Eingriffs in die Bewegungsfreiheit der Betroffenen. Dies kann je nach den konkreten Umständen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit die zulässige Dauer der Massnahme beeinflussen. Jedenfalls sind die zuständigen staatlichen Behörden bei der Anordnung eines konkreten Rayonverbots in zeitlicher und in räumlicher Hinsicht zur Wahrung des Verhältnismässigkeitsprinzips verpflichtet.
11.2.3
In Bezug auf die in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 des geänderten Konkordats geregelte Dauer des Rayonverbots ergibt sich, dass die darin festgelegte Mindestdauer von einem Jahr aufzuheben ist. Die Wörter "von einem" sind zu streichen. Damit lautet Art. 4 Abs. 2 Satz 1 des geänderten Konkordats neu: "Das Rayonverbot wird für eine Dauer bis zu drei Jahren verfügt." Auf diese Weise wird auf die Festlegung einer Minimaldauer des Rayonverbots verzichtet, was bei der Rechtsanwendung in jedem Fall die Anordnung einer mit dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz vereinbaren Dauer dieser Massnahme erlaubt.
BGE 140 I 2 S. 41
11.3
11.3.1
Die Beschwerdeführer kritisieren weiter die Regelung von Art. 5 Abs. 1 des geänderten Konkordats, wonach der Anordnung eines Rayonverbots Angaben beizufügen sind, die es der betroffenen Person erlauben, genaue Kenntnis über die vom Verbot erfassten Rayons zu erhalten. Damit bringe die Bestimmung zum Ausdruck, dass eine auf sie gestützte Verfügung selbst keine Angaben erhalten müsse, an denen der Betroffene den zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich aller für ihn angeordneten Rayonverbote ablesen könne. Der Bericht der KKJPD halte dazu fest, es sei "nicht praktikabel, einer Person mit Rayonverbot zusammen mit der Verfügung Pläne für alle Rayons in der Schweiz auszuhändigen" (Bericht KKJPD, S. 25). Aus diesem Grund werde "für die ganze Schweiz eine Internetseite eingerichtet, auf der sich die Betroffenen über den Umfang des jeweils untersagten Rayons informieren könnten. Die Homepage sei in der Verfügung anzugeben und den Betroffenen bei einer bezeichneten Behörde Gelegenheit zu geben, die Einträge einzusehen" (Bericht KKJPD, S. 25 f.). Den Lösungsansatz der KKJPD bezeichnen die Beschwerdeführer als weltfremd. Würden einem Betroffenen Rayonverbote etwa für mehrere Spielorte von Klubs der Super und der Challenge League auferlegt, bedeute dies, dass er sich zu verschiedensten Spielzeiten an zahlreichen Orten in der Schweiz nicht aufhalten dürfe. Dass er sich auf einer Website ständig informiere, wo er sich zu einem konkreten Zeitpunkt nicht aufhalten dürfe, könne von ihm nicht verlangt werden. Die Verfügung müsse sämtliche Informationen enthalten, damit er sein Verhalten entsprechend einrichten könne. Die geänderte Bestimmung schränke die Bewegungsfreiheit (
Art. 10 Abs. 2 BV
) der Betroffenen nicht nur in einer chaotischen und damit unzumutbaren Weise ein (
Art. 36 Abs. 3 BV
), sondern widerspreche auch den Anforderungen des allgemeinen Verwaltungsrechts an den zwingenden Inhalt einer Verfügung (vgl. TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rz. 16).
11.3.2
Die KKJPD hält den Beschwerdeführern entgegen, dass Fussballfans regelmässig wüssten, wo und wann ihre Mannschaft spiele. Es sei zudem ein Leichtes, sich einen Spielplan zu beschaffen und bei Zweifeln über den genauen Geltungsbereich des Rayons die Webseite von fedpol zu konsultieren und den Rayon am Spielort sowie (bei Auswärtsspielen) zusätzlich am Abfahrtsort der Gästefans zu eruieren. Wer keinen Zugang zum Internet habe, könne die
BGE 140 I 2 S. 42
Rayons bei der verfügenden Behörde einsehen, die bei Unklarheiten auch den Umfang des Rayons an einem bestimmten Tag zu erläutern habe. Die KKJPD werde in Zusammenarbeit mit den Kantonen ein konformes Verfahren definieren und sicherstellen, dass die Verfahrensrechte der Betroffenen gewährleistet seien. Sollte im Einzelfall keine ordnungsgemässe Eröffnung eines Rayonverbots erfolgen, wäre die entsprechende Verfügung anzufechten, nicht die Bestimmung im Konkordat. Der Geltungsbereich der Massnahme erweise sich damit als grundrechtskonform.
11.3.3
Mit den Präzisierungen der KKJPD kann den Einwänden der Beschwerdeführer Rechnung getragen werden. Es ist Sache der rechtsanwendenden Behörden, dem Betroffenen das Rayonverbot so zu eröffnen, dass er über die zum Verständnis der Verfügung notwendigen Informationen verfügt. Dabei ist das Dispositiv einer Verfügung so zu deuten, wie es vom Adressaten in guten Treuen verstanden werden konnte und musste (TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, a.a.O., § 29 Rz. 16 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des geänderten Konkordats stellt sicher, dass der Verfügung die Angaben beigefügt werden, "die es der betroffenen Person erlauben, genaue Kenntnis über die vom Verbot erfassten Rayons zu erhalten". Diese Bestimmung ist hinreichend klar und detailliert. Sie kann jedenfalls verfassungskonform angewendet werden, weshalb auf die Kritik der Beschwerdeführer im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle nicht weiter einzugehen ist.
12.
12.1
Die Meldeauflage nach Art. 6 des geänderten Konkordats stellt grundsätzlich einen stärkeren Eingriff in die Grundrechte, namentlich die Bewegungsfreiheit, dar als das Rayonverbot (
BGE 137 I 31
E. 7.5.2 S. 53). Mit der Meldepflicht soll sichergestellt werden, dass die betroffenen Personen sich vor, während und nach bestimmten Sportveranstaltungen nicht am Austragungsort aufhalten. Die Beschwerdeführer machen geltend, an Tagen mit Meldepflicht werde der Tagesablauf durch die Pflicht zum persönlichen Erscheinen vor der zuständigen Behörde wesentlich mitbestimmt. Über allfällige Ortsabwesenheiten im Zeitpunkt einer Meldepflicht sei die betreffende Behörde zu informieren (Art. 7 Abs. 2 des geänderten Konkordats). Im Ergebnis bewirke dies eine weitgehende Kontrolle der Behörden über den jeweiligen Aufenthaltsort der betreffenden Person, d.h. auch über Ferien- oder berufliche Abwesenheiten, Anstalts- oder Spitalaufenthalte etc. Damit einher gehe auch ein - mitunter
BGE 140 I 2 S. 43
massiver - Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung (
Art. 10 Abs. 2 und
Art. 13 BV
). Die Massnahme isoliere zudem den Betroffenen von der ihm besonders wichtigen Fangemeinschaft. Weiter sei die Bestimmung zu wenig klar, weil sie nicht spezifiziere, zu welchen Zeiten sich die Betroffenen bei der zuständigen Behörde zu melden hätten. Der Wortlaut der Bestimmung liesse es sogar zu, einen Betroffenen täglich zu einer bestimmten Tageszeit bei einer bestimmten Amtsstelle erscheinen zu lassen. Damit eine verfassungs- und konventionskonforme Handhabung in der Praxis sichergestellt werden könne, seien einschränkende Vorgaben zur Auslegung der Bestimmung unverzichtbar. Die Geltung der Bestimmung sei etwa auf die 46 Tage mit Spielaustragungen abschliessend zu enumerierender Klubs zu beschränken und die Tageszeiten und Meldeorte seien so festzulegen, dass der Betroffene möglichst ungehindert seinen beruflichen und privaten Tätigkeiten nachgehen könne.
12.2
Die Meldeauflage verpflichtet die betroffene Person, sich bei der zuständigen Amtsstelle zu der Zeit persönlich zu melden, in der ein Spiel der Mannschaft stattfindet, der sie sich verbunden fühlt. Das Bundesgericht hat diese bereits im bisherigen Konkordat enthaltene Massnahme unter dem Aspekt der Verfassungskonformität geprüft und im Rahmen des kaskadenartigen Konzepts des Konkordats als verfassungskonform eingestuft (
BGE 137 I 31
E. 6 S. 44 ff.). Mit dem hier umstrittenen revidierten Konkordat wurden die Voraussetzungen für das Verfügen einer Meldeauflage geändert. Neu soll die Meldeauflage bei Gewalt gegen Personen, schwerer Sachbeschädigung und beim Einsetzen von pyrotechnischen Gegenständen zur Gefährdung oder Schädigung Dritter auch direkt angeordnet werden können (Art. 6 Abs. 1 lit. c des geänderten Konkordats). Damit lassen sich gewalttätige Personen deutlich wirksamer vom Umfeld der Spiele fernhalten als mit Rayonverboten. Das Bundesamt für Justiz hat gegenüber der KKJPD in einem Kurzgutachten vom 12. August 2011 zu den Voraussetzungen für das Verfügen einer Meldeauflage nach den Art. 6 und 7 des Konkordats Stellung genommen. Es kommt darin zum Schluss, eine Senkung der Voraussetzungen zur Auferlegung einer Meldeauflage sei möglich, wenn dafür eine neue gesetzliche Grundlage im formellen Sinn geschaffen werde, die Massnahme geeignet, notwendig und verhältnismässig sei, und das Kaskadensystem des Konkordats beibehalten werde.
BGE 140 I 2 S. 44
12.2.1
Die erforderliche gesetzliche Grundlage im formellen Sinn wird mit der vorliegenden Konkordatsänderung geschaffen. Die Anordnung einer Meldeauflage unterliegt in jedem Fall dem Verhältnismässigkeitsprinzip. Dafür ist im Rahmen der Rechtsanwendung im Einzelfall zu sorgen. Eine dem Verhältnismässigkeitsprinzip entsprechende Handhabung der Meldeauflage erscheint gestützt auf die Bestimmungen des geänderten Konkordats grundsätzlich möglich. Das Kaskadensystem wird dadurch beibehalten, dass für weniger schwerwiegende Gewaltakte bei einer Person, die zum ersten Mal durch gewalttätiges Verhalten auffällt, nach wie vor ein Rayonverbot als mildeste Massnahme ausgesprochen wird. Bei schwerwiegenden Gewalttaten darf aber in Zukunft im Interesse einer wirksamen Gewaltprävention wegen der erkennbaren Gewaltbereitschaft der betroffenen Person direkt eine Meldeauflage angeordnet werden.
12.2.2
Nach dem Bericht vom 2. Februar 2012 der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren zur Änderung des Konkordats wird bei Sachbeschädigungen nach
Art. 144 Abs. 1 StGB
, die ein Antragsdelikt darstellen, und beim Mitführen oder Verwenden von Waffen, Sprengmitteln, Schiesspulver oder pyrotechnischen Gegenständen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Konkordats, die bei einer sorgfältigen Verwendung nicht mit einer erhöhten Gefährdung oder einer Schädigung von Personen verbunden sind (zum Beispiel das blosse Abbrennen einer Handlichtfackel), ein Rayonverbot als für die Gewaltprävention ausreichend erachtet. Dasselbe soll bei Tätlichkeiten im Sinne von
Art. 126 Abs. 1 StGB
gelten. Gewalttätigkeiten gegen Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. a und c-i des geänderten Konkordats (mit Ausnahme von Tätlichkeiten) oder das Verwenden von Waffen, Sprengstoff, Schiesspulver oder pyrotechnischen Gegenständen mit der Absicht oder unter Inkaufnahme einer Gefährdung Dritter (zum Beispiel das Werfen pyrotechnischer Gegenstände) sollen hingegen zur wirksamen Gewaltprävention eine Meldeauflage erfordern. Dasselbe soll neu auch für Personen gelten, die wiederholt mit Gewalttaten auffallen (Art. 6 Abs. 1 lit. d des geänderten Konkordats) sowie bei einer qualifizierten Sachbeschädigung nach
Art. 144 Abs. 2 und 3 StGB
, die im Rahmen einer öffentlichen Zusammenrottung begangen wird und/oder einen grossen Schaden zur Folge hat. Inwiefern eine solche differenzierte Anwendung der beanstandeten Konkordatsbestimmungen mit den verfassungsmässigen Rechten der Beschwerdeführer nicht vereinbar sein soll, ist nicht ersichtlich.
BGE 140 I 2 S. 45
12.3
Schliesslich beanstanden die Beschwerdeführer, dass nach Art. 7 Abs. 4 des geänderten Konkordats die Dauer der Meldeauflage verdoppelt werden soll, wenn der Betroffene seine Pflichten gemäss Art. 7 Abs. 2 des Konkordats ohne entschuldbare Gründe verletzt. Art. 7 Abs. 2 des Konkordats verpflichtet die meldepflichtige Person, die Meldestelle unverzüglich und unter Bekanntgabe des Aufenthaltsortes zu informieren, wenn sie sich aus wichtigen und belegbaren Gründen nicht nach Art. 6 Abs. 2 des geänderten Konkordats bei der zuständigen Stelle (Meldestelle) melden kann. Nach Auffassung der Beschwerdeführer wird der Interpretationsspielraum des Rechtsanwenders mit der generalklauselartigen Formulierung "wichtige Gründe" äusserst weit gefasst, was die Berechenbarkeit der Folgen für den Normadressaten reduziere und eine rechtsgleiche und willkürfreie Rechtsanwendung erschwere. Dies in einem Bereich, in dem der Betroffene starke Beeinträchtigungen seiner Freiheit zu gewärtigen habe. Unklar sei auch, welche Gründe als wichtige Gründe akzeptiert würden. Verhaltensweisen, die man missbilligen möge, die den Zweck der Gewaltprävention aber in keiner Weise tangierten (wie z.B. Verschlafen, Ausnüchterung eines Rausches etc.), würden kaum als wichtige Entschuldigungsgründe akzeptiert. Da bei Fehlen entschuldbarer Gründe die Meldeauflage zwingend zu verdoppeln sei, wirke sich die Massnahme in solchen Situationen faktisch als Instrument zur Disziplinierung und mehrjährigen Überwachung des Bürgers aus und nicht als Mittel der Gewaltprävention.
12.3.1
Nach dem Kaskadensystem des Konkordats steht die Massnahme der Meldeauflage in Bezug auf die Eingriffsintensität in die Grundrechte zwischen dem milderen Rayonverbot und dem als "ultima ratio" konzipierten Polizeigewahrsam im Sinne von Art. 8 f. des Konkordats (
BGE 137 I 31
E. 7.5.2 E. 53). Die Androhung der Verdoppelung der Dauer der Meldeauflage nach Art. 7 Abs. 4 des geänderten Konkordats stellt im Vergleich zur Massnahme des Polizeigewahrsams ein milderes Mittel zur Durchsetzung der Meldeauflage im Interesse der Gewaltprävention dar. Indessen wird damit je nach den Umständen faktisch auch ein allenfalls bestehendes Rayonverbot verlängert, was bei der Prüfung der Verlängerung der Meldeauflage mitzuberücksichtigen ist.
12.3.2
Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit ist zweifelhaft, ob eine Verdoppelung der Dauer der Meldeauflage im jeweiligen Einzelfall die mildeste zielführende Massnahme ist. Art. 7 Abs. 4 des geänderten Konkordats lässt den rechtsanwendenden
BGE 140 I 2 S. 46
Behörden in Bezug auf die Dauer der Verlängerung der Meldeauflage keinen Spielraum. Damit ist die zuständige Behörde verpflichtet, die Dauer der Meldeauflage zu verdoppeln, wenn diese Auflage ohne entschuldbare Gründe verletzt wird. Mit einer derart starren Regelung kann im Einzelfall den konkreten Umständen nicht in der nach dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz erforderlichen Weise Rechnung getragen werden. Der zuständigen Behörde wird verunmöglicht, bei der Prüfung der Folgen einer ohne entschuldbare Gründe erfolgten Verletzung der Meldeauflage die mildeste zielführende Massnahme zu ergreifen.
Diesem Mangel kann nicht dadurch begegnet werden, dass die Behörden nach den Ausführungen der KKJPD geneigt sind, auch Gründe wie ein Verschlafen als entschuldbar zu bewerten. Der KKJPD ist zwar darin zuzustimmen, dass eine schwere Verletzung der Meldeauflage, die zur Verdoppelung der Dauer führen kann, nach dem Sinn und Zweck der Massnahme dann anzunehmen sein wird, wenn sich die betreffende Person der Meldeauflage willentlich entzieht, um sich ins Umfeld der Sportveranstaltung zu begeben. Das ändert aber nichts daran, dass nach dem klaren Wortlaut von Art. 7 Abs. 4 des geänderten Konkordats die Verdoppelung der Dauer der Meldeauflage zwingend ist, wenn keine entschuldbaren Gründe nach Art. 7 Abs. 2 des Konkordats vorliegen. Dieser Automatismus lässt keinen Raum für die Anordnung einer Massnahme, die den jeweiligen Einzelfall angemessen berücksichtigt und das Verhältnismässigkeitsprinzip zur Geltung bringt. Art. 7 Abs. 4 des geänderten Konkordats ist deshalb aufzuheben.
Das bedeutet indessen nicht, dass die Behörde im Interesse der Gewaltprävention keine verschärften Massnahmen gegen Personen ergreifen kann, die eine Meldeauflage ohne entschuldbare Gründe verletzen. So können bei einem Verstoss gegen eine Meldeauflage nach dem kaskadenartigen Konzept des Konkordats die Voraussetzungen für einen Polizeigewahrsam nach Art. 8 f. des Konkordats erfüllt sein (vgl.
BGE 137 I 31
E. 7.5 S. 52 ff.). Denkbar ist aber auch, dass angesichts der Nichtbeachtung einer Meldeauflage Umstände vorliegen, die im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 des geänderten Konkordats im Interesse der Gewaltprävention den Erlass einer neuen Verfügung mit einer längeren Dauer der Meldeauflage rechtfertigen. Die Behörden haben die Anordnung solcher Verschärfungen im jeweiligen Einzelfall nach Massgabe des Verhältnismässigkeitsprinzips zu prüfen.
BGE 140 I 2 S. 47
13.
Weitere Bundesrechtsverletzungen durch das angefochtene Konkordat sind mangels hinreichend substanziierter Rügen der Beschwerdeführer nicht ersichtlich (vgl. nicht publ. E. 2.4). Die Beschwerde erweist sich zusammenfassend in zwei Punkten als begründet und im Übrigen als unbegründet. Mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht vereinbar sind die Einführung einer Mindestdauer von einem Jahr für das Rayonverbot in Art. 4 Abs. 2 des geänderten Konkordats (E. 11.2.3 hiervor) sowie die zwingende Verdoppelung der Dauer der Meldeauflage bei deren Verletzung ohne entschuldbare Gründe (Art. 7 Abs. 4 des geänderten Konkordats; E. 12.3.2 hiervor). Die genannten Bestimmungen des geänderten Konkordats sind insoweit in teilweiser Gutheissung der Beschwerden aufzuheben (E. 2.2 hiervor). In diesem Umfang sind auch das Beitrittsdekret des Kantons Luzern vom 5. November 2012 und der Beschluss des Grossen Rats des Kantons Aargau vom 20. November 2012 aufzuheben. Im Übrigen sind die Beschwerden abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
643e4677-cfe0-4d81-b59d-32020f5c72e6 | Urteilskopf
90 II 69
9. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 29 avril 1964 dans la cause C. c. M. | Regeste
Ehescheidung. Entschädigung. Unterhaltsrente.
1. Bedeutung einer vom klagenden Ehegatten begangenen Schuld für die Anwendung der
Art. 151 und 152 ZGB
(Darlegung der Rechtsprechung; Erw. 2).
2. Der Umstand, dass die Ehegatten lange voneinander getrennt gelebt haben, bewirkt nicht den Hinfall des Anspruchs der Ehefrau auf eine Entschädigung für den Verlust des Unterhaltes, den ihr der Ehemann zu gewähren hatte (Erw. 4).
3. Wie verhält sich die Entschädigung nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB
zur Unterhaltsrente nach
Art. 152 ZGB
(Erw. 5)? | Sachverhalt
ab Seite 69
BGE 90 II 69 S. 69
A.-
A. M., né en 1900, de nationalité italienne, et A. C. née en 1898, se sont mariés à Genève le 14 octobre 1930. Ils ont eu une fille, E. H., née le 2 janvier 1931. En août 1949, l'épouse quitta la demeure conjugale, sans que le mari s'y opposât. Les parties sont restées séparées depuis lors.
BGE 90 II 69 S. 70
A. M. vit en concubinage avec une dame B. depuis l'année 1952. Il travaille comme colleur de papiers-peints au service de la maison X., à Genève.
Dame M. a subvenu seule à ses besoins jusqu'au 30 novembre 1961. Elle a perdu alors, pour raison de santé, son emploi de lingère dans un restaurant. Elle habite actuellement chez sa fille et n'a plus d'occupation rémunérée.
B.-
Par exploit du 19 juin 1961, dame M., qui a été réintégrée dans son droit de cité suisse, a introduit une action en divorce et réclamé 400 fr. par mois à titre d'indemnité et de pension alimentaire.
Le mari a conclu reconventionnellement au divorce.
Statuant le 5 mars 1963, le Tribunal de première instance de Genève a prononcé le divorce pour cause d'adultère du mari, en application de l'art. 137 CC, et condamné le défendeur à payer à la demanderesse une pension alimentaire de 200 fr. par mois fondée sur les art. 151 et 152 CC.
C.-
Les deux parties ont appelé de ce jugement. Le mari a repris ses conclusions en divorce. L'épouse a conclu à la réforme en ce sens que la pension alimentaire qui lui avait été allouée fût portée à 450 fr. par mois. A titre subsidiaire, elle a offert de prouver que son conjoint avait des revenus supérieurs au montant admis par le tribunal.
Par arrêt du 17 janvier 1964, la Première Chambre de la Cour de justice du canton de Genève a confirmé le jugement de première instance, en précisant toutefois que la pension alimentaire de 200 fr. par mois n'est allouée à l'épouse qu'en application de l'art. 152 CC, à l'exclusion de l'art. 151 CC.
D.-
Dame M. recourt en réforme au Tribunal fédéral. Elle requiert l'allocation d'une pension alimentaire de 450 fr. par mois, fondée sur les art. 151 et 152 CC. Subsidiairement, elle demande le renvoi de la cause à la Cour cantonale pour qu'elle fasse administrer les preuves
BGE 90 II 69 S. 71
offertes dans la procédure d'appel. Elle se plaint d'une violation des art. 8, 151 et 152 CC.
L'intimé conclut au rejet du recours. Il conteste à sa partie adverse la qualité d'épouse innocente au sens de la loi et de la jurisprudence.
Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours, annulé l'arrêt attaqué et renvoyé la cause à l'autorité cantonale, en application de l'art. 64 al. 1 OJ, pour qu'elle se détermine sur les offres de preuve de la recourante, puis statue à nouveau sur la nature et le montant des prestations allouées à l'épouse.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Pour obtenir soit une indemnité selon l'art. 151 CC, soit une pension alimentaire fondée sur l'art. 152 CC, la recourante doit avoir la qualité d'épouse innocente au sens des deux dispositions légales. La jurisprudence distingue à cet égard la portée des fautes commises par l'époux demandeur, selon qu'elles sont ou non en relation de causalité avec la rupture du lien conjugal et le divorce. S'il admet le rapport de cause à effet, le juge refusera toute prestation au conjoint fautif, à moins que le manquement n'ait joué qu'un rôle tout à fait secondaire dans la désunion ou ne soit que la réaction à de graves provocations; le juge accordera alors l'indemnité réclamée, mais en réduira le montant, s'il l'estime opportun. Au contraire, l'auteur d'une faute qui n'est pas en rapport de cause à effet avec la rupture du lien conjugal sera considéré comme l'époux innocent, à moins que son infraction aux devoirs découlant du mariage ne soit grave (RO 88 II 140/1 et références citées). Dans ce cas, l'indemnité selon l'art. 151 CC sera refusée ou réduite. En revanche, la pension alimentaire allouée en vertu de l'art. 152 CC ne saurait être diminuée en raison d'une faute sans relation de causalité avec le divorce. La prétention dérive en effet non pas de la faute commise par l'autre conjoint, mais de la détresse qui menace le bénéficiaire, à laquelle le législateur a voulu
BGE 90 II 69 S. 72
parer en s'inspirant de considérations d'ordre social (RO 89 II 66/7). Il n'est pas nécessaire de se déterminer aujourd'hui sur les critiques formulées contre cette solution par HINDERLING (Die Bedeutung des Verschuldens für die Ansprüche nach
Art. 151 und 152 ZGB
, BJM 1964 p. 1 ss.). De toute manière, la recourante apparaît comme l'épouse innocente, car elle n'a pas commis de faute.
Assurément, dame M. a quitté le domicile conjugal en août 1949. Mais la Cour de justice constate, de manière à lier le Tribunal fédéral (art. 63 al. 2 OJ), que les parties vivaient alors en mauvaise harmonie. Elles se sont séparées en définitive d'un commun accord, ou du moins sans que le mari s'y opposât. D'ailleurs, celui-ci n'a pas tardé à se créer un nouveau foyer. En effet, il a vécu dès l'année 1952 en concubinage avec une dame B. Sur le vu de ces constatations, le départ de l'épouse ne saurait être qualifié de faute. Pour le surplus, il ne résulte pas des faits exposés par la juridiction cantonale que dame M. ait violé d'une manière quelconque les obligations que lui imposait le mariage.
3.
De son côté, l'intimé a provoqué le divorce par son adultère. Il est donc l'époux coupable au sens de l'art. 151 CC (RO 57 II 245, 79 II 134/5).
4.
La recourante réclame une indemnité selon l'art. 151 al. 1 CC pour compenser l'entretien que lui devait son mari et dont elle est privée par le divorce. Elle n'allègue pas d'atteinte à un autre intérêt pécuniaire. Elle ne prétend pas non plus que son conjoint lui doive la réparation d'un tort moral (art. 151 al. 2 CC).
Doctrine et jurisprudence rangent parmi les intérêts pécuniaires compromis par le divorce le droit de la femme à l'entretien par son mari (art. 160 al. 2 CC). La perte de ce droit est indemnisée en application de l'art. 151 al. 1 CC, généralement sous la forme d'une rente (RO 60 II 392, 71 II 11, 84 II 416, 87 IV 86; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 2e éd., p. 102; PFYFFER, Vom Unterhaltsbeitrag an die geschiedene
BGE 90 II 69 S. 73
Frau, RSJ 54 (1958) p. 33 ss. et 49 ss., notamment 36). L'indemnité n'est pas abandonnée à la libre appréciation du juge. Lorsque les conditions requises par la loi sont réalisées, elle doit être accordée à l'épouse innocente qui la réclame et qui établit les faits justifiant sa prétention, conformément aux règles posées dans l'arrêt publié au RO 78 II 105/6 (cf. dans le même sens HINDERLING, op.cit., p. 111).
En l'espèce, la Cour de justice a refusé à la recourante une indemnité au sens de l'art. 151 al. 1 CC par le motif que les parties se sont séparées à l'amiable et n'ont plus entretenu de relations depuis près de quatorze ans. Cette argumentation est erronée. L'obligation imposée au mari par l'art. 160 al. 2 CC subsiste en effet tant que dure le mariage. Peu importe à cet égard que les conjoints cessent la vie commune. Il est indifférent aussi que l'épouse qui vit séparée en fait de son mari s'abstienne de lui réclamer son entretien aussi longtemps qu'elle est capable de subvenir elle-même à ses besoins par le produit de son travail ou par d'autres ressources. Le droit que lui confère l'art. 160 al. 2 CC ne se périme pas pour autant.
5.
Que l'épouse innocente soit exposée au dénuement, et partant fondée à recevoir une pension alimentaire selon l'art. 152 CC, cela ne dispense pas le juge d'examiner s'il doit allouer une indemnité au sens de l'art. 151 al. 1 CC pour compenser la perte du droit à l'entretien. Il est vrai que le champ d'application de chacune de ces dispositions légales n'est pas encore bien délimité. La loi ne règle pas la question. La jurisprudence a évolué.
Selon un arrêt ancien, l'art. 151 al. 1 CC est seul applicable à l'endroit du mari coupable, qui devra payer une rente à son épouse divorcée, même si elle n'est pas exposée au dénuement. L'art. 152 CC n'est qu'une disposition spéciale à laquelle le juge recourra pour préserver du besoin la femme innocente dont l'époux n'est pas non plus coupable (RO 60 II 392).
Plus tard, le Tribunal fédéral a jugé que les prestations
BGE 90 II 69 S. 74
fondées sur les art. 151 al. 1 et 152 CC ne peuvent être cumulées. Si la rente due en vertu de la première disposition légale ne suffit pas à tirer le bénéficiaire du besoin où il se trouve, le juge allouera uniquement une pension alimentaire en vertu de la seconde disposition, mais il en augmentera équitablement le montant pour tenir compte de la prétention concurrente issue de l'art. 151 CC (RO 68 II 4).
Un arrêt ultérieur distingue les droits conférés par les art. 151 al. 1 et 152 CC, tant par les conditions qui président à leur naissance que par leurs effets; il envisage une application combinée des deux dispositions légales (RO 78 II 105/6).
La doctrine a critiqué la solution donnée par les arrêts récents. BARDE préconise le retour à l'ancienne jurisprudence, qui avait le mérite de la clarté (Le procès en divorce, RDS 74 (1955) II p. 524 a). Se référant à un arrêt de la Cour d'appel de Bâle-Ville (AGE VIII, 1941/5 p. 37/8), HINDERLING (op. cit., p. 111) a montré les graves inconvénients pratiques de la solution nouvelle: s'il est admis par la jurisprudence récente que la rente allouée en vertu de l'art 151 al. 1 CC pour compenser la perte du droit à l'entretien peut être réduite, en appliquant par analogie l'art. 153 al. 2 CC, au cas où la situation économique du débiteur se détériore (RO 71 II 12/3, 78 II 106, 80 II 188), elle subsiste intégralement lorsque la situation du bénéficiaire s'améliore; en revanche, la pension alimentaire de l'art. 152 CC peut être diminuée dans les deux éventualités; le créancier est donc traité de manière moins favorable s'il reçoit seulement une pension alimentaire, alors qu'il aurait droit à une indemnité. PFYFFER s'est exprimé dans le même sens (op. cit., RSJ 54 (1958) p. 38 ch. 4).
Ces critiques ne sont pas dénuées de pertinence. Il n'est cependant pas nécessaire d'examiner en l'espèce de manière approfondie si la jurisprudence instaurée par l'arrêt publié au RO 68 II 4 devrait être abandonnée. Il suffit
BGE 90 II 69 S. 75
de relever que l'allocation d'une pension alimentaire selon l'art. 152 CC qui engloberait l'indemnité fondée sur l'art. 151 CC est en tout cas exclue lorsqu'il s'agit de compenser la perte d'un entretien dont la valeur était supérieure au montant nécessaire pour préserver l'épouse du dénuement. L'indemnité doit en effet permettre au bénéficiaire de conserver un train de vie conforme à son état (cf. RO 71 II 11). Or l'expérience enseigne que le mari consacre ordinairement à sa femme un bon tiers au plus de son gain mensuel (RO 84 II 417). Si l'époux coupable qui doit la prestation gagne bien sa vie, n'a pas d'autres charges de famille et que l'épouse innocente créancière ne peut, une fois divorcée, se procurer un gain parce que sa santé déficiente l'empêche de travailler, l'indemnité due en vertu de l'art. 151 al. 1 CC sera normalement fixée à un chiffre plus élevé que la pension alimentaire destinée selon l'art. 152 CC à tirer le bénéficiaire du besoin où il se trouve (cf. BARDE, op.cit., p. 526 a, n. 45 a).
On ne saurait dès lors refuser à la recourante une indemnité au sens de l'art. 151 al. 1 CC en se référant à la jurisprudence rappelée plus haut. | public_law | nan | fr | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
6441285c-4ee2-44a4-9734-abf3cf31073c | Urteilskopf
89 IV 151
30. Urteil des Kassationshofes vom 13. September 1963 i.S. Hoppler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
1.
Art. 96 Ziff. 2 SVG
. Nach dieser Bestimmung ist nur strafbar, wer ein Motorfahrzeug führt, für das überhaupt keine Versicherung besteht, nicht auch, wer bloss ohne Bewilligung gemäss
Art. 67 Abs. 4 SVG
ein Ersatzfahrzeug verwendet (Erw. 1).
2.
Art. 67 Abs. 3 und 4 SVG
,
Art. 9 und 10 VVV
. Zum Begriff des Ersatzfahrzeuges (Erw. 2).
3.
Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG
. Missbrauch von Kontrollschildern (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 151
BGE 89 IV 151 S. 151
A.-
Hoppler suchte für Hirzels Personenwagen "Mercury", der keine Kontrollschilder trug und für den kein Fahrzeugausweis bestand, einen Käufer. Er verwahrte das Fahrzeug zu diesem Zwecke bei der Tankstelle Badenerstrasse 871 in Zürich-Altstetten, wo er arbeitete.
Am gleichen Orte befand sich am 28. September 1962 ein "Volkswagen" mit den Kontrollschildern ZH 46811, dessen Fahrzeugausweis auf Dr. Frank als Halter lautete. Hoppler behauptet, er habe Dr. Frank versprochen, dieses Fahrzeug laufend zu unterhalten, wogegen Dr. Frank ihm erlaubt habe, es in der Zeit, da dieser es nicht selbst benötigte, zu gebrauchen. Am erwähnten Tage habe Dr. Frank es etwa um 22.30 Uhr wegen eines Mangels an der Kupplung zur Tankstelle schleppen lassen und Hoppler
BGE 89 IV 151 S. 152
gebeten, den Mangel bis am Nachmittag des folgenden Tages zu beheben.
Am gleichen Abend erschien ein unbekannter Kaufinteressent für den "Mercury"-Wagen. Um ihm diesen vorzuführen, nahm Hoppler die Kontrollschilder ZH 46811 vom "Volkswagen" und befestigte sie am "Mercury". Er fuhr mit diesem Fahrzeug in Begleitung des Unbekannten und dreier weiterer Personen über Schlieren bis nach Schönenwerd bei Dietikon und zurück. In Schlieren wurde er um 00.30 Uhr des 29. September von der Polizei angehalten.
B.-
Hoppler wurde angeklagt, er habe am 29. September 1962 ein Motorfahrzeug geführt, von dem er wusste, dass die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung nicht bestand (
Art. 96 Ziff. 2 SVG
), und er habe Kontrollschilder für ein Fahrzeug missbraucht, für das sie nicht bestimmt waren (
Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG
).
Das Bezirksgericht Zürich und auf Berufung hin am 2. Mai 1963 auch das Obergericht des Kantons Zürich sprachen ihn dieser Vergehen schuldig und verurteilten ihn zu vierzehn Tagen Gefängnis und zu Fr. 500.-- Busse. Das Obergericht lehnte den bedingten Aufschub der Freiheitsstrafe ab.
C.-
Hoppler führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben, die Sache zur Abklärung der Frage, ob der "Volkswagen" während der Fahrt des "Mercury" gebrauchsunfähig war, zurückzuweisen und die Vorinstanz zu verhalten, den Beschwerdeführer nur wegen Nichteinholens einer Bewilligung gemäss
Art. 60 Ziff. 1 VVV
zu bestrafen.
Er macht geltend, er habe über den "Volkswagen" und den "Mercury" verfügen dürfen, und da jener gemäss angebotenen, aber noch nicht abgenommenen Beweisen zur Zeit der Tat gebrauchsunfähig gewesen sei, habe der "Mercury" als Ersatzfahrzeug für ihn zu gelten. Die für den "Volkswagen" abgeschlossene Haftpflichtversicherung habe daher gemäss
Art. 67 Abs. 3 SVG
während der in der
BGE 89 IV 151 S. 153
Anklageerwähnten Fahrt ausschliesslich für den "Mercury" gegolten. Dem Beschwerdeführer könne nur vorgeworfen werden, die Bewilligung für die Verwendung des Ersatzfahrzeuges nicht eingeholt zu haben.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Kein Motorfahrzeug darf in den öffentlichen Verkehr gebracht werden, bevor eine Haftpflichtversicherung nach den Bestimmungen der
Art. 63 ff. SVG
abgeschlossen ist (
Art. 63 Abs. 1 SVG
). Die Versicherung deckt die Haftpflicht für Schäden, die durch ein bestimmtes Fahrzeug verursacht werden.
Art. 67 Abs. 3 SVG
weicht von diesem Grundsatz ab durch die Bestimmung: "Verwendet der Halter an Stelle des versicherten Fahrzeuges und mit dessen Kontrollschildern ein Ersatzfahrzeug der gleichen Kategorie, so gilt die Versicherung ausschliesslich für dieses". Anschliessend daran sagt jedoch Art. 67 Abs. 4 Satz 1, ein Ersatzfahrzeug dürfe nur mit Bewilligung der zuständigen Behörde verwendet werden.
Die Bewilligungspflicht hat den Sinn, dass die nicht bewilligte Handlung als rechtswidrig zu gelten hat. Daraus könnte gefolgert werden, dem Führer eines Motorfahrzeuges, dessen Verwendung als Ersatzfahrzeug nicht bewilligt wurde, komme
Art. 67 Abs. 3 SVG
nicht zugute, weshalb er ohne weiteres
Art. 96 Ziff. 2 SVG
unterstehe, wonach das Führen eines Motorfahrzeuges, für das die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung nicht besteht, mit Gefängnis und Busse bestraft wird. Das trifft jedoch nicht zu.
Art. 67 Abs. 4 Satz 3 SVG
bestimmt nämlich, der Versicherer habe den Rückgriff, wenn die behördliche Bewilligung für die Verwendung des Ersatzfahrzeuges nicht eingeholt wurde. Daraus ergibt sich, dass das Fehlen der Bewilligung die Haftung des Versicherers für den durch das Ersatzfahrzeug verursachten Schaden gegenüber dem Geschädigten nicht ausschliesst. Dass der zahlende Versicherer ein Rückgriffsrecht erlangt hat, ist unter dem Gesichtspunkt des
Art. 96 Ziff. 2 SVG
nicht erheblich
BGE 89 IV 151 S. 154
(
BGE 87 IV 132
). Der deutsche und der italienische Wortlaut dieser Bestimmung sprechen zwar von der "vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung". Das bedeutet aber nicht, dass schon zu strafen sei, wenn die Leistungspflicht des Versicherers nicht auf dem vorgeschriebenen Wege, im Falle des
Art. 67 Abs. 3 SVG
also nicht durch ordnungsgemässe Einholung der behördlichen Bewilligung, begründet wurde. Aus dem französischen Wortlaut ergibt sich, dass nur das Führen eines Fahrzeuges, für das überhaupt keine Haftpflichtversicherung bestand ("... n'était pas couvert par une assurance-responsabilité civile..."), die Strafe von
Art. 96 Ziff. 2 SVG
nach sich zieht (
BGE 87 IV 133
). Hievon geht auch die Verordnung über Haftpflicht und Versicherungen im Strassenverkehr (VVV) aus, welche die Bewilligungspflicht für die Übertragung der Kontrollschilder auf ein Ersatzfahrzeug in Art. 9 erwähnt und in Art. 60 Ziff. 1 bestimmt, wer eine durch diese Verordnung vorgeschriebene Bewilligung nicht einhole, werde mit Haft oder mit Busse bestraft. Diese Strafbestimmung würde mit
Art. 96 Ziff. 2 SVG
zusammentreffen und vor ihr nicht standhalten, wenn durch das Nichteinholen der Bewilligung für die Verwendung eines Ersatzfahrzeuges in Verbindung mit dem Führen desselben notwendigerweise der Tatbestand von Art. 96 Ziff. 2 erfüllt würde. Dass der Halter durch eigenmächtige Übertragung der Kontrollschilder auf ein Ersatzfahrzeug die Haftung des Versicherers für die aus dessen Betrieb entstehenden Schäden soll herbeiführen können, ohne sich der Vergehensstrafe nach
Art. 96 Ziff. 2 SVG
auszusetzen, fällt freilich auf. Diese Bestimmung will indessen nicht die Interessen des Versicherers schützen, sondern die Interessen des Bundes und der Kantone, die unter den Voraussetzungen von Art. 76 Abs. 2 bzw. 77 Abs. 1 SVG Schäden aus dem Betriebe nicht versicherter Motorfahrzeuge zu decken haben.
Die Strafe, die das Obergericht gemäss
Art. 96 Ziff. 2 SVG
ausgefällt hat, hält somit nicht schon deshalb stand,
BGE 89 IV 151 S. 155
weil der Beschwerdeführer die Bewilligung, den "Mercury" als Ersatzfahrzeug für den "Volkswagen" zu verwenden, nicht besass. Das Obergericht nimmt das denn auch nicht an, sondern übergeht die Frage, weil es der Auffassung ist, der "Mercury" sei nicht als Ersatzfahrzeug für den "Volkswagen" verwendet worden.
2.
Der Begriff des Ersatzfahrzeuges ist in
Art. 67 Abs. 3 und 4 SVG
nicht umschrieben, ergibt sich jedoch aus den Voraussetzungen, unter denen gemäss
Art. 9 und 10 VVV
die Bewilligung zur Übertragung der Kontrollschilder auf ein solches Fahrzeug erwirkt werden kann.
Die Bewilligung wird erteilt, wenn das Fahrzeug, dem die Kontrollschilder zugeteilt sind, wegen Beschädigung, Reparatur, Revision, Umbau und dergleichen nicht gebrauchsfähig und das Ersatzfahrzeug betriebssicher ist (
Art. 9 Abs. 2 VVV
). Der Fahrzeugausweis für jenes muss bei der Behörde hinterlegt werden (
Art. 10 Abs. 1 VVV
). Das setzt normalerweise voraus, dass der Halter in die Hinterlegung einwillige. Von seinem Willen hängt ab, ob an Stelle des Fahrzeuges, dem die Kontrollschilder zugeteilt sind, ein Ersatzfahrzeug zu verwenden sei.
Art. 67 Abs. 3 SVG
spricht denn auch nur vom Fall, wo "der Halter" an Stelle des versicherten Fahrzeuges und mit dessen Kontrollschildern ein Ersatzfahrzeug verwendet. Daraus ergibt sich, dass nicht irgend jemand ohne Wissen und Willen des Halters von einem gebrauchsunfähigen Fahrzeug die Kontrollschilder auf ein anderes soll übertragen können, mit der Wirkung, dass das andere dadurch "Ersatzfahrzeug" werde. Es liegt zudem schon im Begriff des "Ersatzes", dass der Entschluss zur Substitution des einen Fahrzeuges durch das andere vom Halter ausgehen oder von ihm genehmigt werden muss. Der Halter ist es denn auch, der daran wegen der Haftpflicht interessiert ist. Es kann ihm normalerweise nicht gleichgültig sein, ob die Versicherung auf ein anderes Fahrzeug übergehe.
Daher kann schon im Hinblick auf die Person, die im vorliegenden Falle die Kontrollschilder des "Volkswagens"
BGE 89 IV 151 S. 156
auf den "Mercury" übertrug, nicht davon die Rede sein, dass dieser dadurch zum "Ersatzfahrzeug" geworden sei.
Es braucht jedoch zu dieser Frage nicht abschliessend Stellung genommen zu werden. Denn selbst wenn der Beschwerdeführer vom Halter Dr. Frank stillschweigend ermächtigt worden sein sollte, so zu handeln, wäre der "Mercury" nicht Ersatzfahrzeug geworden. Er wurde nicht wegen der angeblichen Beschädigung des "Volkswagens" verwendet, wie
Art. 9 Abs. 2 VVV
voraussetzt, sondern er diente einem Zwecke, der überhaupt nur mit dem "Mercury" erreicht werden konnte: der Vorführung im Hinblick auf den beabsichtigten Verkauf dieses Fahrzeuges. Für diesen Zweck hätte die Behörde die Verwendung des "Mercury" als "Ersatzfahrzeug" nicht bewilligen können. Höchstens wäre die Abgabe eines Wechselschilderpaars in Frage gekommen, was jedoch zwei gesonderte und besonders gekennzeichnete Versicherungsausweise erfordert hätte (
Art. 13-15 VVV
). Würde anders entschieden, so wäre missbräuchlicher Übertragung von Kontrollschildern auf Fahrzeuge, für die sie nicht bestimmt sind, der Weg geebnet.
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf je ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich (BIZüR 60 Nr. 28) und des Strafgerichtes des Kantons Basel-Land (SJZ 59 24 Nr. 2 = RStrS 1963 Nr. 50) ist müssig, denn diese Entscheide betrafen andere Sachverhalte.
3.
Da die Verwendung der Kontrollschilder ZH 46811 für den "Mercury"-Wagen nicht zulässig war, ist auch der Tatbestand des
Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG
erfüllt. Der Beschwerdeführer bringt gegen die Anwendung dieser Bestimmung nichts Besonderes vor.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6443ef99-7ce7-46c7-ae9b-a9d36f725862 | Urteilskopf
137 I 107
10. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Einwohnergemeinde Strengelbach (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_275/2009 vom 26. Oktober 2010 | Regeste
Art. 100 Abs. 1 und
Art. 101 BGG
; Frist zur abstrakten Normenkontrolle im Kanton vor Einleitung eines ebensolchen Verfahrens beim Bundesgericht.
Anschliessend an ein kantonales Normenkontrollverfahren kann eine selbständige Nachprüfung der Norm durch das Bundesgericht nur stattfinden, wenn das kantonale Verfahren innert der in der kantonalen Gesetzgebung vorgesehenen Frist oder, wo keine solche vorgeschrieben ist, innert üblicher Rechtsmittelfrist angehoben worden ist. Diese unter dem früheren Bundesrechtspflegegesetz (OG) begründete Praxis (
BGE 106 Ia 310
) gilt unter dem Bundesgerichtsgesetz weiter. Die erwähnte übliche Rechtsmittelfrist beträgt 30 Tage und läuft erst mit dem Inkrafttreten der beanstandeten Norm (E. 1.3 und 1.4). | Sachverhalt
ab Seite 108
BGE 137 I 107 S. 108
Die Einwohnergemeindeversammlung von Strengelbach beschloss am 23. November 2007 eine Revision ihrer Regelung über die Benützungsgebühren für die Abwasseranlage (§ 46 ihres Reglements vom 30. November 2001 über die Finanzierung von Erschliessungsanlagen).
Die neue Bestimmung ist am 1. Oktober 2008 in Kraft getreten. Sie findet einzig auf die X. AG Anwendung, die als A.-Betrieb grosse Wassermengen benötigt. Um die durch die Reglementsänderung bewirkte Gebührenerhöhung zu mildern, gilt während dreier Jahre ab Inkrafttreten eine Übergangsregelung mit zusätzlichen Ermässigungen.
Die X. AG focht die neue Regelung am 14. Juli 2008 mit einem Begehren um prinzipale Normenkontrolle beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau an. Dieses wies das Normkontrollbegehren am 13. März 2009 ab.
Die X. AG gelangte mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 1. Mai 2009 an das Bundesgericht. Es fand ein zweiter Schriftenwechsel statt.
Die Praxis des Bundesgerichts ist bezüglich der Frist zur Einleitung eines kantonalen Normenkontrollverfahrens im Sinne der nachstehenden Erwägungen (E. 1.4) zu präzisieren. Insoweit hat die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts gemäss
Art. 23 BGG
die Zustimmung sämtlicher Abteilungen des Bundesgerichts eingeholt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
BGE 137 I 107 S. 109
Aus den Erwägungen:
1.
1.3
Die Beschwerde gegen einen Erlass ist gemäss
Art. 101 BGG
innert 30 Tagen nach der nach dem kantonalen Recht massgebenden Veröffentlichung des Erlasses beim Bundesgericht einzureichen. Bei Änderung eines Regelwerks läuft die Beschwerdefrist nicht erneut für den gesamten Erlass, sondern grundsätzlich nur bezüglich der neuen oder geänderten Bestimmungen, so dass auch nur diese anfechtbar sind (vgl.
BGE 122 I 222
E. 1b/aa S. 224 f. mit Hinweisen; zum BGG: Urteil 2C_462/2007 vom 11. September 2007 E. 2.2.2, in: StE 2008 A 21.2 Nr. 4).
1.4
1.4.1
Kennt das kantonale Recht - wie hier - ein Verfahren der abstrakten Normenkontrolle, ist zunächst dieses zu durchlaufen (vgl. Art. 87 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG
). Das ist vorliegend geschehen. Die 30-tägige Frist (
Art. 100 Abs. 1 BGG
) zur Beschwerde an das Bundesgericht beginnt alsdann erst mit der Eröffnung des letztinstanzlichen kantonalen Normenkontrollentscheids (
BGE 128 I 158
E. 1.1 S. 158). Die Beschwerdeführerin hat diese Frist eingehalten, da ihr der angefochtene Entscheid am 1. April 2009 zugestellt wurde.
1.4.2
Allerdings muss das kantonale Normenkontrollverfahren ebenfalls innert der von der kantonalen Gesetzgebung bestimmten Frist angehoben worden sein. Ist die Anfechtung eines Erlasses - wie im Kanton Aargau - "jederzeit" zulässig (§ 68 des hier noch massgeblichen Aargauer Gesetzes vom 9. Juli 1968 über die Verwaltungsrechtspflege bzw. § 70 der neuen Fassung vom 4. Dezember 2007 [SAR 271.100 und 271.200]), so ist diese nach der unter dem Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943 (OG; BS 3 531) entwickelten Praxis innert einer "üblichen" Rechtsmittelfrist einzuleiten. Andernfalls kann beim Bundesgericht keine abstrakte, sondern nur noch eine inzidente bzw. akzessorische Normenkontrolle verlangt werden (vgl.
BGE 106 Ia 310
E. 5 S. 318 ff.;
BGE 110 Ia 211
E. 3 S. 214 f.;
BGE 111 Ia 270
E. 2 S. 271 f.;
BGE 128 I 155
E. 1.1 S. 158 f.). Es besteht kein Anlass, davon unter dem Regime des Bundesgerichtsgesetzes abzuweichen, zumal insoweit keine vom Bundesrechtspflegegesetz abweichende Regelung getroffen wurde (ebenso: AEMISEGGER/SCHERRER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 3 zu
Art. 101 BGG
).
BGE 137 I 107 S. 110
1.4.3
Das Bundesgericht hat bisher aber nicht klargestellt, was unter einer "üblichen" Rechtsmittelfrist zu verstehen ist bzw. ab welchem Zeitpunkt diese läuft. Teils führte es aus, die abstrakte Normenkontrolle durch das Bundesgericht solle nicht mehr stattfinden, wenn das kantonale Normenkontrollverfahren "erst Monate oder Jahre nach der Publikation des angefochtenen Erlasses" bzw. "viele Monate oder gar Jahre nach Inkrafttreten des Erlasses" eingeleitet worden ist (
BGE 106 Ia 310
E. 5c und e S. 319 f.: Anfechtung zwei Jahre nach Genehmigung eines Zonenplans;
BGE 111 Ia 270
E. 2 S. 272: Anfechtung rund zwanzig Jahre nach Inkrafttreten). Teils erklärte es zwar, der Betreffende müsse die Anfechtung auf kantonaler Ebene innert 30 Tagen einleiten, sofern er sich die Möglichkeit einer abstrakten Normenkontrolle durch das Bundesgericht vorbehalten wolle. Ab wann genau diese 30-tägige Frist zu laufen beginnen soll, präzisierte es jedoch nicht (
BGE 110 Ia 211
E. 3 S. 215). In einem späteren Entscheid hielt es fest, das kantonale Normenkontrollverfahren müsse "unmittelbar im Anschluss an den Erlass" der beanstandeten Bestimmung eingeleitet worden sein. Ein rund zweimonatiges Zuwarten schade nicht, wenn die Bestimmung noch der Genehmigung durch eine andere Behörde bedürfe. Wie es sich mit der "üblichen" Rechtsmittelfrist letztlich verhält, liess es aber ausdrücklich offen. Solange es an der konstitutiven Genehmigung fehle, sei die kantonale Anfechtung auf jeden Fall als rechtzeitig erfolgt zu betrachten (
BGE 128 I 155
E. 1.1 S. 159).
1.4.4
Die bisherige bundesgerichtliche Praxis lehnte eine zeitlich unbefristete abstrakte Normenkontrolle auf Bundesebene vor allem deshalb ab, weil ein Erlass beim Bundesgericht nur innert einer begrenzten Zeit direkt angefochten werden kann (vgl.
Art. 89 OG
und
Art. 101 BGG
). Auch das Rechtsschutzbedürfnis des Bürgers verlangt nicht eine derartig weite Anfechtungsmöglichkeit, da sich dieser nach dem Inkrafttreten eines kantonalen Erlasses immer noch gegen einen konkreten Anwendungsakt zur Wehr setzen kann (vgl.
BGE 106 Ia 310
E. 5a-c S. 318 ff.). Ausserdem verfolgt die abstrakte Normenkontrolle den Zweck, die Geltung unzulässiger Vorschriften zu verhindern. Dieser Zweck tritt zurück, wenn die beanstandeten Regelungen schon seit längerer Zeit angewendet werden.
Solange ein Erlass nicht in Kraft getreten ist, entfaltet er hingegen noch keine Rechtswirkungen für die Bürger. Die erwähnten Gründe, die gegen eine zeitlich unbegrenzte Zulassung der abstrakten
BGE 137 I 107 S. 111
Überprüfung von Erlassen durch das Bundesgericht sprechen, entfallen daher. Auch besteht vor dem Inkrafttreten des Erlasses noch keine Möglichkeit, einen Anwendungsakt anzufechten und dadurch eine inzidente Normenkontrolle zu erreichen.
Demzufolge rechtfertigt sich, die "übliche" Rechtsmittelfrist von 30 Tagen erst mit dem Inkrafttreten der beanstandeten Bestimmungen laufen zu lassen, wenn ein Kanton auf seiner Ebene keine anderen Fristen für die abstrakte Normenkontrolle vorsieht. Diese 30-tägige Frist soll die Betreffenden jedoch nicht daran hindern, das Verfahren beim kantonalen Gericht schon vor dem Inkrafttreten des Erlasses einzuleiten, soweit das im Kanton zulässig ist (vgl.
BGE 128 I 155
E. 1.1 S. 159;
BGE 110 Ia 211
E. 3 S. 214 f.).
1.4.5
Die angefochtene Reglementsbestimmung wurde am 23. November 2007 von der Einwohnergemeindeversammlung beschlossen. Die nach kantonalem Recht ab Veröffentlichung laufende Frist, um eine Urnenabstimmung zu verlangen (fakultatives Referendum) lief in der Folge unbenützt ab. Daher wurde der Beschluss der Gemeindeversammlung gemäss §§ 31 f. des Aargauer Gesetzes vom 19. Dezember 1978 über die Einwohnergemeinden (SAR 171.100) rechtsgültig. Letztgenannter Umstand wurde am 3. bzw. 5. Januar 2008 amtlich mitgeteilt. Die interessierende Änderung des Reglements trat am 1. Oktober 2008 in Kraft, während die Beschwerdeführerin das kantonale Rechtsmittel am 14. Juli 2008 erhob.
1.4.6
Nach dem Dargelegten hat die Beschwerdeführerin das kantonale Normenkontrollverfahren rechtzeitig eingeleitet, da sie noch vor dem Inkrafttreten der angefochtenen Reglementsänderung an die Vorinstanz gelangt ist. Dass zwischen der Rechtsgültigkeit des Beschlusses der Gemeindeversammlung und der Anfechtung ungefähr ein halbes Jahr lag, schadet nicht. Solange die geänderten Bestimmungen nicht in Kraft getreten waren, bestand mangels abweichender kantonaler Fristenregelung keine Veranlassung, sie innert einer bestimmten Zeit anzufechten. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
6446b05d-2bc2-4091-a5ba-6019b6b99728 | Urteilskopf
96 III 100
17. Entscheid vom 28. August 1970 i.S. Aeschimann | Regeste
Die Beschwerde (
Art. 17 SchKG
) einer Organisation, die als einfache Gesellschaft nicht partei- und prozessfähig ist, ist unwirksam (Erw. 1).
Beschlüsse der I. Gläubigerversammlung (
Art. 238 SchKG
) im Konkurs einer Aktiengesellschaft, die der einzige Verwaltungsrat und Alleinaktionär der Gemeinschuldnerin mit Hilfe von durch irreführende Angaben erlangten Vertretungsvollmachten zahlreicher Gläubiger durchgesetzt hat, sind als nichtig von Amtes wegen aufzuheben, es wäre denn, dass die beschlossenen Anordnungen nicht mehr rückgängig gemacht oder berichtigt werden können (
Art. 13 und 21 SchKG
). | Sachverhalt
ab Seite 101
BGE 96 III 100 S. 101
A.-
Im Konkurs der Tuchfabrik Escholzmatt AG richtete Paul Äschimann, der einziges Mitglied der Verwaltung und nach seiner eigenen Darstellung "praktisch" Alleinaktionär der Gemeinschuldnerin ist und selbst eine grössere Forderung angemeldet hatte, am 21. April 1970 an die Konkursgläubiger ein Rundschreiben, worin er Angaben über die Lage der Gemeinschuldnerin machte und den Gläubigern mitteilte, er werde an der gemäss Ausschreibung vom 18. April 1970 am 27. April 1970 stattfindenden ersten Gläubigerversammlung 1. die Wahl einer andern (ausseramtlichen) Konkursverwaltung, 2. die Ermächtigung zur Fortsetzung des Geschäftsbetriebs der Gemeinschuldnerin und 3. die Kenntnisnahme vom vorläufigen Antrag der Gemeinschuldnerin auf Abschluss eines Nachlassvertrags vorschlagen. Zu Ziffer 1 bemerkte er u.a., die bisherige Konkursverwaltung sei ungeeignet und "von der Doppelfunktion Konkursverwalter/Gerichtsschreiber her untragbar und unzumutbar". Der vorletzte Absatz des Rundschreibens lautet:
"Damit an der so kurzfristig einberufenen 1. Gläubigerversammlung das nach
Art. 235 Abs. 3 SchKG
erforderliche Quorum erreicht wird, bitten wir Sie, auch in Ihrem eigenen Interesse, an dieser 1. Gläubigerversammlung ... unbedingt teilzunehmen. Falls Ihnen dies wider Erwarten nicht möglich ist, Sie den obigen 3 Anträgen aber zustimmen, bitten wir Sie, Ihre Vertretung umgehend gemäss beiliegender Vertretungs-Erklärung an uns zu delegieren."
Dem Rundschreiben lag eine "Vertretungs-Erklärung" folgenden Inhalts bei:
"Gemäss
Art. 235 Abs. 3 SchKG
erklärt der untenstehende Gläubiger der Gemeinschuldnerin Tuchfabrik Escholzmatt AG, dass er sich mit einer Forderungssumme von Fr. an der
BGE 96 III 100 S. 102
1. Gläubigerversammlung vom Montag, den 27. April 1970 in Escholzmatt LU durch Herrn Paul Aeschimann, Feldmoos, 6182 Escholzmatt vertreten lässt und seinen ihm bekannten Anträgen zustimmt.
Ort und Datum Stempel und Unterschrift
38 Gläubiger unterzeichneten diese Erklärung.
B.-
An der Gläubigerversammlung vom 27. April 1970 waren von 175 bekannten Gläubigern 73 anwesend oder vertreten, wovon 38 durch Äschimann, so dass dieser zusammen mit seiner eigenen Stimme über 39 Stimmen verfügte (wozu übrigens noch die Stimmen seiner Ehefrau und seiner Tochter kamen). Verschiedene Teilnehmer an der Verhandlung, u.a. der Vertreter der "Schweizerischen Inlandwollzentrale", beanstandeten die an Äschimann erteilten Vollmachten. Der Vorsitzende erklärte, man werde "unter Vorbehalt der Gültigkeit der Vollmachtstimmen" Äschimanns abstimmen. Die Versammlung beschloss darauf mit Mehrheiten, die hauptsächlich durch Äschimann und die von ihm vertretenen Glaübiger gebildet wurden, eine ausseramtliche Konkursverwaltung einzusetzen, Sachwalter Alfred Bachmann zum Konkursverwalter zu wählen, einen Gläubigerausschuss einzusetzen, diesem die Befugnis zur vorzeitigen Verwertung zu verweigern und den Betrieb der Gemeinschuldnerin "teilweise" fortzusetzen.
C.-
Die Schweizerische Inlandwollzentrale und der Gläubiger Jules Äberli fochten diese Beschlüsse durch Beschwerden an. Die untere Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerden am 13. Mai 1970 gut und hob die angefochtenen Beschlüsse auf. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde, an die Äschimann rekurrierte, erkannte am 25. Juni 1970, auf die Beschwerde Äberlis werde nicht eingetreten; im übrigen werde der Rekurs abgewiesen. In ihren Erwägungen führte sie im wesentlichen aus, Äberli sei zur Beschwerdeführung nicht befugt, weil er an der Gläubigerversammlung nichts unternommen habe, um die angefochtenen Beschlüsse womöglich zu verhindern; die Schweizerische Inlandwollzentrale sei bloss die Geschäftsstelle einer aus dem Schweizerischen Schafzuchtverband und dem Verein Schweizerischer Wollindustrieller bestehenden einfachen Gesellschaft; daher sei sie nicht parteifähig; es stehe aber ausser Frage, dass die beiden erwähnten Gesellschafter Gläubiger seien; die Parteibezeichnung sei daher in dem Sinne zu berichtigen, "dass als Beschwerdeführer bzw. Rekursgegner der
BGE 96 III 100 S. 103
Schweizerische Schafzuchtverband und der Verein Schweizerischer Wollindustrieller, bildend die einfache Gesellschaft 'Schweizerische Inlandwollzentrale', anzuschreiben sind"; es könne sich fragen, ob die an Äschimann erteilten Vollmachten wegen unzulässiger Doppelvertretung oder wegen Erschleichung (weil das Zirkular vom 21. April 1970 den Sachverhalt entstelle) unwirksam seien; diese Frage könne jedoch offen bleiben; ein "Stimmenkauf", der die Bevollmächtigung ungültig mache, liege nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts schon dann vor, wenn die Bevollmächtigung zur Vertretung im Konkursverfahren durch die Zusicherung "besonderer Vorteile" erwirkt werde (
BGE 86 III 100
E. 5 mit Hinweisen); ein solcher Vorteil sei hier darin zu erblicken, dass Äschimann die Vertretung unentgeltlich übernommen habe und dass die vertretenen Gläubiger sich den erheblichen Zeitaufwand und die beträchtlichen Auslagen ersparen konnten, die mit der persönlichen Teilnahme an der Versammlung in Escholzmatt verbunden gewesen wären.
D.-
Den Entscheid der obern kantonalen Aufsichtsbehörde hat Äschimann an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventuell sei sie abzuweisen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Als einfache Gesellschaft oder Geschäftsstelle einer solchen besitzt die Schweizerische Inlandwollzentrale keine Rechtspersönlichkeit und ist sie nicht partei- und prozessfähig. Der Mangel, welcher ihrer Beschwerde deshalb anhaftet, lässt sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht dadurch heilen, dass an ihrer Stelle kurzerhand die beiden in ihr zusammengeschlossenen Verbände als Beschwerdeführer bezeichnet werden. Es ist nicht dargetan, dass diese Verbände selbst Beschwerde führen wollten und den Auftrag hiezu erteilten. Die Beschwerde der Schweizerischen Inlandwollzentrale ist daher unwirksam. Die Vorinstanzen hätten darauf nicht eintreten sollen.
Ob die Vorinstanz dem Beschwerdeführer Äberli die Beschwerdelegitimation zu Recht abgesprochen habe oder ob Äberli von der ihm einzig möglichen Vorkehr, die Gültigkeit
BGE 96 III 100 S. 104
der Äschimann erteilten Vollmachten auch seinerseits zu bestreiten, absehen durfte, nachdem der Vorsitzende erklärt hatte, die Abstimmungen würden "unter Vorbehalt der Gültigkeit der Vollmachtstimmen" durchgeführt, ist nicht zu prüfen. Der Entscheid der Vorinstanz, auf die Beschwerde Äberlis werde nicht eingetreten, ist nämlich rechtskräftig geworden, da Äberli ihn nicht weitergezogen hat.
Unter diesen Umständen lässt sich der Entscheid der Vorinstanz, soweit dadurch der Rekurs Äschimanns abgewiesen und die von der untern Aufsichtsbehörde ausgesprochene Aufhebung der Beschlüsse der ersten Gläubigerversammlung bestätigt wurde, nur aufrechterhalten, wenn diese Beschlüsse sich als schlechthin nichtig erweisen und daher von Amtes wegen aufzuheben waren.
2.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Anordnung der Vollstreckungsorgane nichtig, wenn sie gegen eine Vorschrift verstösst, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse eines unbestimmten Kreises Dritter aufgestellt und daher zwingend ist (
BGE 93 III 87
mit Hinweisen).
a) Es kann bezweifelt werden, ob Äschimann den von ihm vertretenen Gläubigern damit, dass er ihre Vertretung in der ersten Gläubigerversammlung (nicht im ganzen Konkursverfahren) unentgeltlich übernahm und ihnen den Zeitaufwand und die Auslagen für eine persönliche Teilnahme an der Gläubigerversammlung ersparte, einen "besondern Vorteil" im Sinne der Rechtsprechung (
BGE 86 III 100
E. 5 mit Hinweisen) zusicherte und sich damit des "Stimmenkaufs" schuldig machte, und es ist erst recht zweifelhaft, ob die Gläubigerbeschlüsse, die Äschimann dank den ihm erteilten Vollmachten durchsetzen konnte, wegen des angeführten Sachverhalts nicht bloss durch Beschwerde anfechtbar, sondern geradezu nichtig seien. Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da diese Beschlüsse aus einem andern Grunde nichtig sind.
b) Es ist eine Grundtendenz des Konkursrechts, die Interessen der Gläubiger einerseits und jene des Gemeinschuldners anderseits klar auseinanderzuhalten und die verschiedenen Beteiligten in den Stand zu setzen, ihre oft gegensätzlichen Interessen auf Grund einer objektiven Orientierung über die für ihre Entschlussbildung massgebenden Tatsachen wahrnehmen zu können. Hiefür zu sorgen, ist nicht nur mit Rücksicht auf die am Konkursverfahren beteiligten Personen geboten, was nach der
BGE 96 III 100 S. 105
Rechtsprechung des Bundesgerichts für sich allein nicht genügen würde, um das Gebot als zwingend erscheinen zu lassen (
BGE 93 III 87
,
BGE 88 III 80
,
BGE 86 III 23
/24,
BGE 79 III 9
, 12). Vielmehr ist an einer saubern Durchführung des Konkursverfahrens auch die Öffentlichkeit interessiert. Die durch unlautere Machenschaften herbeigeführten Verfügungen und Beschlüsse von Konkursorganen sind also jedenfalls dann, wenn es sich um einen schweren Verstoss gegen das erwähnte Gebot handelt, als schlechthin nichtig zu betrachten und von den Aufsichtsbehörden ohne Rücksicht darauf, ob sie von einer hiezu befugten Person durch rechtzeitige Beschwerde angefochten wurden oder nicht, von Amtes wegen aufzuheben, es wäre denn, die in Frage stehende Anordnung könne nicht mehr rückgängig gemacht oder berichtigt werden (vgl. zum letzten Punkte
BGE 94 III 71
Mitte).
Obschon Äschimann im Konkurs der Tuchfabrik Escholzmatt AG auch selbst eine Forderung angemeldet hat, kommt ihm in diesem Konkurs in seiner Eigenschaft als einziges Mitglied der Verwaltung und als praktisch alleiniger Aktionär doch in erster Linie die Rolle eines Vertreters der Gemeinschuldnerin zu. Seine Bevollmächtigung zur Vertretung von Gläubigern an der ersten Gläubigerversammlung bedeutete also in Wirklichkeit, dass die Gemeinschuldnerin mit der Vertretung von Gläubigern betraut wurde. Äschimann und mit ihm die Gemeinschuldnerin erhielten durch die Erteilung von 38 Vollmachten in der Gläubigerversammlung eine beherrschende Stellung. Dadurch wurde eine schwere Interessenkollision geschaffen. Die Übernahme dieser Doppelfunktion durch Äschimann begründete die Gefahr einer einseitigen Beeinflussung des Verfahrensganges und stellte eine saubere Durchführung des Konkurses in Frage. Diese Gefahren wurden dadurch, dass die Vollmachtgeber den Hauptanträgen Äschimanns zum voraus zustimmten, nicht beseitigt. Sie waren um so grösser, als Äschimann die Vollmachten nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz durch irreführende Angaben erlangt hatte. Was Äschimann gegen diese Feststellungen einwendet, ist im wesentlichen eine Kritik an der Beweiswürdigung der Vorinstanz, die im Rekursverfahren vor Bundesgericht nicht zu hören ist. Auf Grund ihrer tatsächlichen Feststellungen hat die Vorinstanz überzeugend dargelegt, dass die Angaben Äschimanns im Zirkular vom 21. April 1970 den
BGE 96 III 100 S. 106
wahren Sachverhalt in wesentlichen Punkten entstellten. Die mit Hilfe der Vollmachtstimmen Äschimanns herbeigeführten Beschlüsse der ersten Gläubigerversammlung verdienen daher, als nichtig erklärt zu werden. Durch diese Beschlüsse wurde nicht etwa eine Lage geschaffen, an der nichts mehr geändert werden könnte. | null | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
644bbce9-d27a-4b2a-97a0-b3f945e33a0c | Urteilskopf
95 II 298
40. Arrêt de la IIe Cour civile du 2 octobre 1969 dans la cause Fontana contre Berne, Conseil-exécutif. | Regeste
Beistandschaft für aussereheliche Kinder.
Art. 311 ZGB
.
1. Der letztinstanzliche kantonale Entscheid über die Ernennung eines Beistandes für ein aussereheliches Kind kann nicht durch Berufung, sondern - beim Zutreffen der besondern Voraussetzungen dieses Rechtsmittels - durch Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von
Art. 68 OG
an das Bundesgericht weitergezogen werden (Erw. 1).
2. Die Mutter ist zur Beschwerde legitimiert (Erw. 2).
3. Die Vormundschaftsbehörde des schweizerischen Wohnsitzes der Mutter zur Zeit der Geburt ist zur Ernennung des Beistandes zuständig, selbst wenn die Mutter Ausländerin ist (Erw. 3 und 4).
4. Wie verhält es sich, wenn die Mutter nachher einen neuen Wohnsitz im Ausland begründet und das Kind dorthin mitnimmt? Die Frage betrifft nicht die örtliche Zuständigkeit der Behörden, sondern die Anwendung des materiellen Rechts; sie kann daher nicht im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde nach
Art. 68 OG
entschieden werden (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 299
BGE 95 II 298 S. 299
A.-
Dlle Eliane Louise Fontana, de nationalité française, née le 25 septembre 1941, a mis au monde, à Belfond, commune de Goumois (canton de Berne), le 5 mars 1967, une enfant illégitime, à laquelle elle a donné les prénoms de Florence Andrée. Lors de la naissance de son enfant, elle était domiciliée à Porrentruy. Elle a reconnu l'enfant, conformément à la loi française, le 27 mars 1967. Elle a désigné comme père de sa fillette un ressortissant français domicilié en France.
Par décision du 9 mars 1967, fondée sur l'
art. 311 al. 1 CC
, l'Autorité tutélaire de Porrentruy a désigné un curateur à l'enfant Florence Andrée Fontana en la personne de Jean Miserez, préposé aux oeuvres sociales et tuteur officiel, à Porrentruy.
Contre cette décision, dlle Fontana a recouru auprès du
BGE 95 II 298 S. 300
Préfet du district de Porrentruy, autorité de surveillance de première instance. Elle prétendait que l'autorité tutélaire n'était pas compétente pour désigner un curateur à l'enfant Florence Andrée. Elle a fait valoir notamment qu'en vertu du droit français, applicable en l'espèce, elle détenait la puissance paternelle sur sa fille et qu'elle était seule habile à intenter l'action en recherche de paternité au nom de son enfant (art. 340 CCF). Elle a invoqué d'autre part l'art. 10 de la Convention entre la Suisse et la France sur la compétence judiciaire et l'exécution des jugements en matière civile, du 15 juin 1869 (RS 12 p. 315) et allégué que, selon cette disposition, les autorités françaises étaient seules compétentes pour intervenir.
Le Préfet du district de Porrentruy a rejeté le recours, par décision du 13 octobre 1967.
B.-
Dlle Fontana a recouru au Conseil-exécutif du canton de Berne, autorité supérieure de surveillance. En plus des arguments déjà invoqués en première instance, elle a allégué qu'elle avait quitté Porrentruy le 27 octobre 1967 et s'était établie à Mulhouse, qu'elle était allée chercher son enfant à Goumois le 29 octobre 1967 et qu'elle l'avait depuis lors auprès d'elle.
Par arrêté du 20 août 1968, le Conseil-exécutif du canton de Berne a rejeté le recours de dlle Fontana. Cette décision est motivée en substance comme il suit: L'autorité tutélaire du domicile de la mère au temps de la naissance est compétente pour nommer un curateur à l'enfant illégitime, quand bien même il s'agit d'une étrangère possédant la puissance paternelle selon sa loi nationale. La convention franco-suisse sur la compétence judiciaire et l'exécution des jugements, du 15 juin 1869, n'est pas applicable aux curatelles, en particulier à celle que prévoit l'
art. 311 CC
. En l'espèce, il est constant que dlle Fontana était domici11ée à Porrentruy au moment de la naissance de sa fille. Partant, l'Autorité tutélaire de Porrentruy était compétente pour nommer un curateur à l'enfant. Depuis lors, la situation s'est, il est vrai, modifiée, puisque dlle Fontana et sa fille se sont constitué un nouveau domicile à Mulhouse. Or une décision administrative prise conformément au droit peut devenir illégale par la suite en raison de la disparition des conditions de fait qui la justifiaient; c'est le cas notamment lorsque la décision produit des effets durables qui sont inconciliables avec la nouvelle situation. La curatelle de l'
art. 311 CC
BGE 95 II 298 S. 301
a toutefois un effet limité dans le temps. En l'espèce, elle prendra fin par le jugement sur l'action en recherche de la paternité qui a été intentée par le curateur. Il faut maintenir la curatelle tant que ce procès n'est pas terminé, d'autant que la mère ne pourvoit pas à la sauvegarde des intérêts de l'enfant. Certes, l'Autorité tutélaire de Porrentruy ne serait plus compétente pour nommer un curateur selon l'
art. 311 CC
, dès lors que la mère et l'enfant ont actuellement leur domicile en France. La curatelle instituée primitivement avec raison doit cependant être maintenue, eu égard à l'action en recherche de la paternité pendante devant le Tribunal civil de Porrentruy.
C.-
Contre cette décision, dlle Fontana a interjeté un recours en nullité et conclu à ce qu'il plaise au Tribunal fédéral:
"1) Mettre à néant la décision attaquée;
2) dire et prononcer que les autorités de Porrentruy ne sont pas en droit de désigner un curateur, au sens de l'
art. 311 CC
, à son enfant Florence-Andrée et, partant, que la nomination en cette qualité de Monsieur Jean Miserez est annulée."
La recourante invoque en particulier l'art. 68 al. 1 litt. b OJ et la Convention de La Haye sur la loi applicable aux obligations alimentaires envers les enfants, du 24 octobre 1956.
Le Conseil-exécutif du canton de Berne propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
- Selon l'
art. 68 al. 1 lettre b OJ
, le recours en nullité pour violation des règles du droit fédéral sur la compétence des autorités est recevable dans les affaires civiles qui ne peuvent pas être l'objet d'un recours en réforme. S'agissant d'affaires non pécuniaires, le recours en réforme est recevable dans les contestations civiles, ainsi que dans les affaires civiles énumérées à l'art. 44, lettres a, b et c OJ.
La nomination d'un curateur chargé de veiller aux intérêts d'un enfant naturel en vertu de l'
art. 311 al. 1 CC
n'est pas une décision qui tranche une contestation civile, c'est-à-dire qui met fin à un litige portant sur des rapports de droit civil (cf. RO 94 II 57, consid. 2, 93 II 437, consid. 1, 92 II 130, consid. 1, 91 II 139, consid. 1 et 396, consid. l'ainsi que les références citées), mais une décision qui ressortit à la juridiction gracieuse (HEGNAUER, n. 5 ad
art. 311 CC
) et institue une mesure tutélaire
BGE 95 II 298 S. 302
qui prend fin lorsque le procès en recherche de paternité est terminé ou que le délai pour intenter action est expiré (
art. 311 al. 2 CC
).
En revanche, la décision qui nomme un curateur à l'enfant illégitime concerne une affaire civile, car elle a pour objet des rapports juridiques qui relèvent du droit civil (RO 85 II 288, consid. 1 lettre b, 83 II 185, lettre b, 72 II 309, consid. 2 et les arrêts cités). Elle n'entre pas dans les cas limitativement énumérés à l'art. 44 lettres a, b et c OJ, où le recours en réforme est recevable bien qu'il s'agisse non de contestations, mais d'affaires civiles. En particulier, l'art. 44 lettre c OJ n'ouvre le recours en réforme contre la décision qui institue une curatelle que si elle est fondée sur les art. 392 à 395 CC. La jurisprudence a déclaré le recours en réforme irrecevable dans les autres cas, par exemple lorsque la curatelle a été instituée en vertu de l'
art. 297 al. 2 CC
(RO 51 II 361, consid. 1; sic: BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, n. 11 ad
art. 44 OJ
, p. 136 s.; contra: WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme..., thèse Lausanne 1964, no 74, p. 50 et les auteurs cités à la n. 199).
En l'état actuel de la jurisprudence, la décision nommant un curateur à l'enfant illégitime en vertu de l'
art. 311 al. 1 CC
ne peut dès lors pas être déférée au Tribunal fédéral par la voie du recours en réforme. Il en résulte que le recours en nullité prévu à l'
art. 68 OJ
est recevable (cf. arrêt de la Chambre de droit public du 20 décembre 1950 dans la cause Regierungsrat des Kantons Solothurn c. Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich, consid. 1, non publié au RO, mais paru dans la Revue du droit de tutelle 1951 no 30 p. 100 s., ainsi que les arrêts cités: RO 56 II 2, 57 II 133, 72 II 333; cf. aussi HEGNAUER, n. 42 ad
art. 311 CC
).
La décision du Conseil-exécutif du canton de Berne a été prise par l'autorité cantonale de dernière instance en matière de surveillance des tutelles.
La recourante se plaint d'une violation de règles posées par le droit fédéral, soit un traité conclu par la Confédération, sur la compétence des autorités à raison du lieu.
Le recours est donc recevable en vertu de l'
art. 68 al. 1 lettre b OJ
.
2.
- La mère a qualité pour former contre la décision de l'autorité tutélaire qui nomme un curateur à son enfant illégitime un recours à l'autorité de surveillance (
art. 420 al. 2 CC
),
BGE 95 II 298 S. 303
puis un recours en nullité au Tribunal fédéral (HEGNAUER, n. 42 ad
art. 311 CC
).
3.
- En droit suisse interne, l'autorité tutélaire compétente pour nommer un curateur à l'enfant illégitime, conformément à l'
art. 311 al. 1 CC
, est celle du domicile de la mère au temps de la naissance (RO 94 II 220 ss.). Il est constant que la recourante était domiciliée à Porrentruy lorsqu'elle a mis au monde son enfant Florence Andrée, le 5 mars 1967. Elle a accouché à Belfond près de Goumois, où elle a laissé sa fille jusqu'au 29 octobre selon ses allégations ou jusqu'au 4 novembre 1967 selon l'attestation de la directrice du Foyer St-Joseph, à Belfond, qu'elle a produite à l'appui de son recours au Conseil-exécutif. Elle a alors emmené sa fille à Mulhouse où elle avait elle-même pris domicile le 27 octobre 1967.
La recourante ne conteste pas qu'au regard du droit suisse, l'Autorité tutélaire de Porrentruy était compétente pour nommer un curateur à sa fille lorsqu'elle a pris sa décision, soit le 9 mars 1967. Elle ne prétend pas qu'il aurait appartenu à l'autorité tutélaire du lieu de résidence de l'enfant, savoir celle de la commune de Goumois, de procéder à cette nomination. Il n'est dès lors pas nécessaire d'examiner cette question.
4.
- Selon les règles du droit international privé suisse, l'autorité tutélaire du domicile de l'enfant en Suisse est compétente pour instituer la curatelle de l'
art. 311 CC
, même si l'enfant est né d'une mère de nationalité étrangère (RO 61 II 145, 94 II 220 ss.; E. ALEXANDER, Die Vormundschaft für Ausländer in der Schweiz und für Auslandschweizer, Berne 1934, p. 51; HEGNAUER, n. 32 ad
art. 311 CC
). Cette compétence existe même si, en vertu de sa loi nationale, la mère détient de plein droit la puissance paternelle sur l'enfant; mais la tâche du curateur se limite alors au règlement de la recherche en paternité (HEGNAUER, n. 34 ad
art. 311 CC
).
Dans les relations entre la Suisse et la France, aucun traité international ne fait obstacle à l'application de ces règles de compétence. La Convention pour régler la tutelle des mineurs conclue à La Haye le 12 juin 1902 ne régit plus les relations entre les deux pays depuis le 1er juin 1914, vu sa dénonciation par la France (RS 11 p. 751). Elle est d'ailleurs remplacée par la Convention concernant la compétence des autorités et la loi applicable en matière de protection des mineurs conclue à La Haye le 5 octobre 1961 (cf. art. 18 al. 1 de cette convention
BGE 95 II 298 S. 304
et Message du Conseil fédéral du 4 mars 1966, FF 1966 I 357), qui est entrée en vigueur pour la Suisse le 4 février 1969 (ROLF 1969 p. 191). Mais cette convention, outre qu'elle n'est pas encore en vigueur pour la France, ne s'applique qu'aux mesures prises après son entrée en vigueur (art. 17 al. 1). Or la décision attaquée est antérieure au 4 février 1969.
Quant à la Convention entre la Suisse et la France sur la compétence judiciaire et l'exécution des jugements en matière civile, du 15 juin 1869 (RS 12 p. 315), elle dispose à son art. 10 que la tutelle des mineurs et interdits français résidant en Suisse sera réglée par la loi française. Mais la curatelle de l'
art. 311 CC
est une mesure de caractère provisoire visant à sauvegarder les intérêts de l'enfant illégitime, spécialement en vue de la recherche de paternité; elle prend fin lorsque le procès est terminé ou que le délai pour intenter l'action est expiré (
art. 311 al. 2 CC
), ou encore lorsqu'une convention alimentaire est conclue avec le père de l'enfant et ratifiée par l'autorité tutélaire. Vu la nature de la curatelle instituée en vertu de l'
art. 311 CC
, la doctrine et la pratique des autorités suisses admettent à bon droit que l'art. 10 de la convention précitée ne lui est pas applicable (E. ALEXANDER, Bescheide der Justizabteilung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements über internationales Privatrecht, Annuaire suisse de droit international, Volume VI, 1949, p. 250 s., no 24; HEGNAUER, n. 32 ad
art. 311 CC
; J. CASTELLA, La curatelle des enfants illégitimes de père ou mère étrangers en Suisse, Revue du droit de tutelle, 1963, p. 42). Du reste, la recourante ne soutient pas une opinion contraire.
5.
- A l'appui de son recours, d11e Fontana prétend que l'autorité cantonale de surveillance ne pouvait pas maintenir la curatelle instituée, régulièrement à l'époque, par l'Autorité tutélaire de Porrentruy, du moment qu'elle-même et son enfant ont quitté la Suisse et se sont constitué un nouveau domicile à Mulhouse dès le 27 octobre 1967.
Avec raison, la recourante n'invoque pas la Convention concernant la reconnaissance et l'exécution des décisions en matière d'obligations alimentaires envers les enfants, conclue à La Haye le 15 avril 1958, en vigueur dans les relations entre la Suisse et la France depuis le 25 juillet 1966 (ROLF 1964 p. 1290 et 1966 p. 1410). En effet, cette convention n'institue pas des règles de compétence juridictionnelle communes aux Etats contractants, qui primeraient leurs dispositions internes
BGE 95 II 298 S. 305
sur le for; elle ne traite de la compétence que dans la mesure où celle-ci est une condition de la reconnaissance et de l'exécution, par les Etats contractants, d'une décision rendue par une autorité de l'un d'entre eux (RO 92 II 86;
94 II 223
, consid. 2). Au demeurant, cette convention n'a pas pour objet la désignation d'un représentant légal à l'enfant illégitime en vue de la réclamation d'aliments.
Mais la recourante estime que la décision attaquée viole la Convention sur la loi applicable aux obligations alimentaires envers les enfants conclue à La Haye le 24 octobre 1956, entrée en vigueur pour la Suisse le 17 janvier 1965 et déjà ratifiée auparavant par la France (ROLF 1964 p. 1287 ss.). Selon son préambule, cette convention se borne à établir des dispositions communes concernant la loi applicable aux obligations alimentaires envers les enfants. Elle concerne aussi les enfants illégitimes. L'art. 1er dispose que la loi de la résidence habituelle de l'enfant détermine si, dans quelle mesure et à qui l'enfant peut réclamer des aliments. En cas de changement de la résidence habituelle de l'enfant, la loi applicable est celle de la nouvelle résidence habituelle, dès le moment où le changement s'est effectué. Ladite loi détermine aussi la qualité pour agir et les délais dans lesquels l'action doit être intentée. D'autres dispositions prévoient des dérogations à ces règles. Mais aucune d'elles ne traite de la compétence juridictionnelle des autorités des Etats contractants (RO 92 II 86;
94 II 223
, consid. 2)., ni non plus de la compétence pour nommer un curateur à l'enfant illégitime en vue de la réclamation d'aliments.
En réalité, la recourante ne se plaint pas de la violation d'une règle du droit fédéral ou d'un traité international quant à la compétence des autorités à raison du lieu. Elle estime qu'à la suite du changement de la résidence habituelle de sa fille Florence Andrée, qui vit avec elle à Mulhouse depuis la fin d'octobre ou le début de novembre 1967, et vu l'art. 340 du Code civil français, qui s'applique désormais, à son avis, en vertu de la convention précitée et qui confère à la mère seule, pendant la minorité de l'enfant, la qualité pour intenter une action en reconnaissance de paternité, la curatelle instituée par l'Autorité tutélaire de Porrentruy ne se justifie plus. Ainsi, les moyens invoqués par la recourante ne portent pas sur une question de compétence à raison du lieu, mais sur le bien-fondé du maintien de la curatelle, nonobstant le changement du domicile de la
BGE 95 II 298 S. 306
mère et de la résidence habituelle de l'enfant (cf. sur ce point HEGNAUER, n. 28 ad
art. 311 CC
). Or cette question n'a pas à être tranchée par le Tribunal fédéral, saisi d'un recours en nullité selon l'
art. 68 al. 1 lettre b OJ
.
Point n'est besoin de rechercher, en l'état de la cause, quelle est la loi applicable à l'action en recherche de paternité que le curateur a ouverte au nom de l'enfant devant le Tribunal civil du district de Porrentruy. Il appartiendra à ce tribunal de résoudre la question (cf. à propos du changement de la résidence habituelle de l'enfant en cours d'instance: JACQUES FOYER, Filiation illégitime et changement de la loi applicable, Bibliothèque de droit international privé, volume I, Paris 1964, p. 181 ss.).
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
644c68f9-a3db-420a-8898-1192dbd83a7c | Urteilskopf
105 IV 76
20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Februar 1979 i. S. A. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
BG über Jagd und Vogelschutz.
Das widerrechtliche Erlegen eines Tieres nach Art. 40 Abs. 1 und die widerrechtliche Aneignung eines Tieres nach Art. 48 Abs. 1 sind selbständige Tatbestände. | Sachverhalt
ab Seite 76
BGE 105 IV 76 S. 76
A.-
Am 9. November 1977 jagte A. mit seinen Kollegen B., C. und D. auf dem Buchberg in der Gemeinde Laufen. Es war der zweitletzte Jagdtag der Saison. Etwa um 14.45 Uhr war A. im Anstand, während B. mit den Hunden Wild aufstöberte. Plötzlich rannten zwei Rehe, von den Hunden gejagt, kurz hintereinander aus dem Tannen- und Fichtenjungwuchs auf die Lichtung heraus. A. schoss aus ca. 30 m mit 4 mm-Schrot auf das erste Tier. Dieses rannte weiter. A., der nur noch eine Rehmarke besass, gab einen weiteren Schuss ab, diesmal mit 4 1/2 mm-Schrot, worauf das zweite Reh sofort tot zusammenbrach. Aber auch das erste Reh stürzte tödlich getroffen zu Boden. A. packte dieses Tier und schleifte oder warf es ins Jungholz, markierte das andere Reh mit seiner letzten Marke und weidete es aus. Nach einer halben Stunde trug er das zuerst beschossene Tier weiter in das Jungholz hinein, wo er es ebenfalls auszuweiden begann. Da kam der Wildhüter hinzu, der die beiden Schüsse gehört hatte.
B.-
Das Obergericht des Kantons Bern erklärte A. am 11. August 1978 der Widerhandlung gegen die Jagdvorschriften schuldig und büsste ihn mit Fr. 400.-.
C.-
A. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz
BGE 105 IV 76 S. 77
zurückzuweisen zur Freisprechung von der Anklage der Widerhandlung gegen
Art. 48 Abs. 1 JVG
und zur Schuldigerklärung wegen fahrlässiger Widerhandlung gegen
Art. 40 Abs. 1 JVG
.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beschwerde macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 40 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 48 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz (JVG) falsch ausgelegt. Wer widerrechtlich ein Tier erlege, könne nicht auch wegen widerrechtlicher Aneignung desselben verurteilt werden.
Die Vorinstanz hat sich mit diesem Einwand ausführlich und durchaus zutreffend auseinandergesetzt.
Art. 40 Abs. 1 JVG
bedroht mit Strafe, wer widerrechtlich jagdbares Hirsch-, Reh- oder Gemswild jagt, erlegt, einfängt oder gefangenhält. Aneignung des Wildes wird dabei nicht vorausgesetzt. Auch wer im unzugänglichen Hochgebirge Wild schiesst, das er gar nicht bergen kann, fällt unter die Bestimmung. Ebenso der, der nur um der Jagd willen schiesst, das tote Wild aber gar nicht für sich haben will, sondern z.B. von vorneherein einem Kameraden verspricht. Umgekehrt fällt unter Art. 48 jeder, der sich gefreveltes Wild widerrechtlich aneignet, im letzten Beispiel der selbst nichtjagende Kamerad, allgemein auch der nach Art. 40 strafbare Jäger, der sich nicht damit begnügt, das Wild zu erlegen, sondern es sich aneignet, verheimlicht etc.
Der vorliegende Fall ist geradezu ein Musterbeispiel für die Selbständigkeit beider Straftatbestände. Hätte der Beschwerdeführer gemäss seiner Darstellung das zweite Reh nur fahrlässig erlegt, so wäre er nicht nach Art. 40 zu bestrafen, wohl aber gemäss Art. 48 wegen Verheimlichung und Aneignung. Hätte er nach seinem ersten Fehler diesen offen zugegeben, beide Rehe auf dem Platz aufgebrochen und das nicht markierte der Polizei abgeliefert, so wäre er nur nach Art. 40 strafbar. Tatsächlich hat er aber zuerst eventualvorsätzlich widerrechtlich ein zweites Reh geschossen und sich dieses dann mit direktem Vorsatz angeeignet. Diesen Vorsatz betätigte er mit Konsequenz, indem er das Tier zuerst ins Gebüsch warf und so versteckte und eine halbe Stunde später, als kaum mehr mit dem Auftauchen des Wildhüters zu rechnen war, tiefer ins Dickicht trug und dort aufbrach. | null | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
6454dc6b-1cae-4c49-aa4e-3f64ec84e378 | Urteilskopf
109 Ia 134
26. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. April 1983 i.S. Bieler und Mitbeteiligte und Maissen und Mitbeteiligte gegen Grosser Rat des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 85 lit. a OG
; Initiative in der Form der allgemeinen Anregung; Ungültigerklärung.
1. Zielkonflikt zwischen Bundesrecht und kantonalem Recht.
Die Schaffung, gemäss Initiative, eines durch die Wasserkraftwerke zu finanzierenden Energiefonds, der Ausgleichsbeiträge an die Gemeinden leistet, welche Wassernutzungskonzessionen verweigern, würde es der Kantonsregierung erschweren, wenn nicht faktisch verunmöglichen, nach
Art. 11 WRG
statt der Gemeinden Wassernutzungsrechte zu verleihen. Macht diese Erschwerung der Anwendung von Bundesrecht die Initiative ungültig? Frage offen gelassen (E. 4).
2. Eine gesetzliche Pflicht der Wasserkraftwerke, dem Kanton zur Speisung des Energiefonds einen Anteil der produzierten Energie gratis abzuliefern oder ihm den Wert in Geld zu erstatten, hat den Charakter einer Sondersteuer. Sie ist bundesrechtswidrig, wenn die Belastungsgrenze nach
Art. 49 WRG
durch die bestehenden Abgaben (Wasserzins und Kraftwerksteuer) bereits erreicht ist (E. 5a-c).
3. Interpretation der Initiative. Das Begehren auf Einführung einer Gratisenergie-Lieferpflicht kann nicht zur Vermeidung seiner Ungültigkeit dahin umgedeutet bzw. ergänzt werden, dass die bisherigen Abgaben der Kraftwerke (Wasserzins und Kraftwerksteuer) herabzusetzen seien (E. 5d). | Sachverhalt
ab Seite 135
BGE 109 Ia 134 S. 135
A.-
a) Die von der Bündner Regierung am 9. Juli 1979 als zustandegekommen erklärte Volksinitiative für einen Energiefonds (Energie-Initiative) lautet wie folgt:
"Die unterzeichneten Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stellen gestützt auf Art. 3 der Kantonsverfassung im Sinne einer allgemeinen Anregung das Begehren, das kantonale Wasserrechtsgesetz vom 18. März 1906 sei im Rahmen des Bundesrechts wie folgt abzuändern und zu ergänzen:
1. Ziele der Initiative
Die Initiative hat zum Zweck, die gesetzlichen Grundlagen zur Erreichung folgender Ziele zu schaffen:
1.1. Sicherung eines angemessenen Bezugsrechts für
BGE 109 Ia 134 S. 136
Gratisenergie zugunsten des Kantons aus der Stromproduktion der Kraft- und Pumpspeicherwerke, die bündnerische Wasserkräfte nutzen.
Mit der gesetzlichen Verankerung dieses kantonalen Bezugsrechts für Gratisenergie soll die Elektrizitätsversorgung der Bündner Volkswirtschaft auch bei einer künftigen Verknappung der gesamtschweizerischen Stromproduktion gesichert werden.
1.2. Die Verwertung der nach Ziff. 1.1. anfallenden Gratisenergie obliegt dem Kanton.
1.3. Die Erträge aus dem Energieverkauf und der finanzielle Gegenwert der vom Kanton zur Eigenversorgung beanspruchten Elektrizität sind einem neu zu schaffenden Energiefonds zuzuweisen, der die Mittel ausschliesslich für folgende Aufgaben zur Verfügung stellt:
1.3.1. Ausgleichsbeiträge an Bündner Gemeinden, die zum Schutze der Landschaft und zur Erhaltung des natürlichen ökologischen Gleichgewichtes auf die Verleihung von Konzessionen zur Nutzung noch erschliessbarer Wasserkräfte verzichten.
Die Ausgleichsbeiträge sollen den Erträgen entsprechen, die bei Gewährung der Nutzungsrechte üblicherweise erzielt werden.
1.3.2. Nach Möglichkeit darüber hinaus für:
- Beiträge an besondere bauliche und technische Massnahmen zur Einsparung oder Rückgewinnung von Energie;
- Beiträge zur Nutzung des im Kanton anfallenden Brennholzes;
- Beiträge an kleintechnische Anlagen zur Gewinnung von Biogas, zur Nutzung von Sonnenenergie und anderer erneuerbarer Energieformen. Besonders zu fördern sind Anlagen der bäuerlichen und genossenschaftlichen Selbstversorgung in entlegenen Gebieten;
- Beiträge zur Senkung der Energiepreise in wirtschaftlich benachteiligten Gemeinden des Kantons.
1.4. Als Zeichen, dass der Kanton auch in Zukunft über den Bereich der Wasserwirtschaft hinaus im Energiesektor gesetzgeberisch tätig werden soll, hat das zu revidierende kantonale Wasserrechtsgesetz eine umfassendere Bezeichnung zu erhalten.
Es ist in Energiegesetz für für den Kanton Graubünden umzubenennen.
2. Anspruch des Kantons auf Gratisenergie
Der Anspruch des Kantons auf Gratisenergie ist wie folgt zu regeln:
2.1. Eigentümer bestehender Kraft- und Pumpspeicherwerke, die bündnerische Wasserkräfte in Anlagen mit einer installierten Gesamtleistung von 150 und mehr PS nutzen, sind im Rahmen von Art. 48 des Bundesgesetzes über die Nutzbarmachung von Wasserkräften zur Gratisabgabe von mindestens 1% ihrer jährlichen Produktion an elektrischer Energie (1 von 100 kWh) zu verpflichten.
2.2. Demgegenüber sind Eigentümer von Werken, deren Baubeginn erst nach dem 29. November 1978 erfolgt, zu einer Gratisabgabe von mindestens 4% zu verpflichten.
2.3. Der Grosse Rat ist zu ermächtigen, den unter Ziff. 2.1. und
2.2. umschriebenen Mindestanspruch im Rahmen des Bundesrechts nach Bedarf zu erhöhen.
2.4 Ist der Kanton nicht in der Lage, die ihm zustehende Gratisenergie technisch zu nutzen oder beansprucht er die ihm zustehende Gratisenergie nicht oder nur teilweise, so haben die unter Ziff. 2.1. und 2.2. genannten Werke dem Kanton den entsprechenden Gegenwert zu bezahlen.
BGE 109 Ia 134 S. 137
2.5. Die bestehenden Verträge zwischen Elektrizitätsgesellschaften einerseits, Gemeinden, Korporationen oder anderen Berechtigten anderseits über die Lieferung von Vorzugsenergie (insbesondere Gratis-, Beteiligungs-, Beteiligungsersatz-, Jahreskosten- und Konzessionsenergie, etc.) bleiben unverändert in Kraft.
3. Weitere Erträge aus dem Energieverkauf
Bei allfälligen Wasserzinserhöhungen gemäss Art. 49 des Bundesgesetzes über die Nutzbarmachung von Wasserkräften verpflichtet sich der Kanton Graubünden, einen angemessenen Anteil der jeweiligen Erhöhung dem erwähnten Energiefonds zuzuweisen."
b) In ihrer Botschaft an den Grossen Rat vom 25. Februar 1980 erklärte die Bündner Regierung, für den Entscheid über die Zulässigkeit der Initiative sei unter den möglichen Auslegungen die für die Initianten günstigste zu wählen. Die Initiative erfülle das Erfordernis der Einheit der Materie. Dem Verbot der Irreführung könne durch einen Hinweis auf die Täuschungsgefahr in einigen Nebenpunkten entsprochen werden. Die Initiative sei trotz Realisierungsschwierigkeiten nicht geradezu undurchführbar. Die vorgesehenen Einnahmen würden, auch wenn ihnen nicht wohlerworbene Rechte entgegenstehen, allerdings nur knapp ausreichen zur Finanzierung des Hauptzweckes, d.h. zur Bezahlung von Ausgleichsbeiträgen an Gemeinden, welche auf die Verleihung von Wasserrechtskonzessionen verzichten; für die Nebenzwecke fehle das Geld. Dank den in der Initiative angeführten Vorbehalten zu Gunsten des Bundesrechts werde die Eigentumsgarantie gewahrt. Die Handels- und Gewerbefreiheit komme nicht ins Spiel, weil sie die Sondernutzung der Wasserkraft nicht erfasse. Die Rechtsgleichheit dulde die Befreiung der kleinen Werke von der Abgabepflicht und die relativ stärkere Belastung der in Zukunft entstehenden Werke; dagegen sei die Abgrenzung zwischen bestehenden und künftigen Werken nach dem Baubeginn vor oder nach der Initiative-Anmeldung unhaltbar, was aber nicht die Ungültigkeit der übrigen Punkte der Initiative zur Folge habe. Die Schaffung und Verwendung des vorgeschlagenen Energiefonds weckten keine rechtlichen Bedenken; seine Subventionen verletzten weder die Rechtsgleichheit noch das Willkürverbot. Sie würden eine umfassende Nutzung der Wasserkräfte verhindern, was aber hinzunehmen sei, seitdem Landschafts- und Umweltschutz als wichtige Gründe für Konzessionsverweigerung anerkannt seien.
Die Regierung befürwortet einige Ziele der Initianten, so eine gewisse Pflicht der Kraftwerke zur Gratisenergie-Lieferung an den Kanton, ebenso den Landschafts- und Umweltschutz, das
BGE 109 Ia 134 S. 138
Energiesparen und die Förderung von Alternativenergien; sie hat jedoch Bedenken, das vorgesehene Geld zur Verhinderung bzw. Reduzierung des weitern Wasserkraftwerk-Ausbaus einzusetzen. Die Energieversorgung würde durch Ausnutzung des ausbaufähigen kantonalen Wasserpotentials weit besser gesichert als durch die Gratisenergie-Abgabe. Die Regierung schätzt, dass die Beitragsberechtigung der auf Verleihungen verzichtenden Gemeinden die Nutzung eines ausbaufähigen Wasserkraftpotentials von 2225 Mio. kWh vereiteln, den Energiefonds jährlich rund 15 Mio. Franken kosten und einen Gratisenergie-Abgabesatz von ca. 4% erfordern würde. Dieser Nicht-Ausbau verhindere zudem Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.
c) Die vorberatende Kommission des Grossen Rates attestierte der Regierung, dass ihr Gegenvorschlag die anerkennenswerten Ziele der Initiative wahrt und deren Hauptnachteilen die Spitze bricht durch eine Relativierung des Beitragsrechts der Gemeinden, die keine Wasserkraftnutzung mehr verleihen, d.h. durch die Beschränkung dieses Beitragsanspruchs auf Fälle wichtiger Umweltrücksichten und hoher Finanzbedürftigkeit. Die Kommission sah aber das Hauptproblem in der Frage, ob nicht der Vorbehalt der wohlerworbenen Rechte die bestehenden Werke bis zum Ablauf ihrer gegenwärtigen Konzessionen, d.h. bis ins Jahr 2030, von der Gratisenergie-Abgabe befreie, so dass die erforderlichen Gelder für die Beiträge an Gemeinden erst in etwa 50 Jahren zur Verfügung ständen und die Initiative bis dahin nicht realisierbar wäre.
d) In seinem der vorberatenden Kommission erteilten Gutachten erklärte alt Bundesrichter Dubach, dass die wohlerworbenen Rechte durch die vorgesehene Gratisenergie-Abgabepflicht nicht in ihrer Substanz getroffen würden. Der formelle Vorbehalt des Bundesrechts könne jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Hauptzweck der Initiative, die Hemmung des weitern Kraftwerkbaus, dem Zweck von
Art. 24bis BV
und des Bundesgesetzes über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte (WRG) diametral zuwiderlaufe. Sie verletze ferner die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgleichheit und das Willkürverbot, indem sie einigen wenigen Steuerpflichtigen, nämlich den Kraftwerk-Betreibern eine Sondersteuer auferlege und sie zur Bezahlung von Nutzungs-Verweigerungen heranziehe, obwohl der Kanton den Spielraum nach
Art. 49 Abs. 3 WRG
für die finanzielle Belastung der Wasserkraftwerke schon ausgeschöpft habe. Die Energieabgabepflicht sei ein Eingriff in das Vermögen der Werke von offensichtlich enteignendem
BGE 109 Ia 134 S. 139
Charakter und erfordere daher angesichts der Eigentumsgarantie (
Art. 22ter BV
) eine klare gesetzliche Grundlage, ein nachgewiesenes öffentliches Interesse und volle Entschädigung.
e) In Kenntnis dieses Gutachtens beantragte die vorberatende Kommission dem Grossen Rat, die Initiative für ungültig zu erklären. Für die Kommissionsmehrheit, der sich auch die Regierung anschloss, war entscheidend, dass die Gelder zur Bildung des Energiefonds erst weit im nächsten Jahrhundert zu fliessen beginnen würden und die Initiative bis dahin nicht realisierbar wäre. Daraufhin beschloss der Grosse Rat die Energie-Initiative ungültig zu erklären und auf den Gegenvorschlag der Regierung nicht einzutreten.
B.-
Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragen Bieler und elf weitere rückzugsberechtigte Mitglieder des Initiativkomitees die Aufhebung dieses Grossratsbeschlusses, weil er das Stimm- bzw. Initiativrecht verletze.
Zur Begründung wird ausgeführt, die in Form einer allgemeinen Anregung eingereichte Energie-Initiative lasse dem Gesetzgeber einen grossen Spielraum. Sie könne so interpretiert werden, dass ihre Durchführbarkeit und Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht gewahrt blieben. Die Initiative werde den Ausbau der restlichen verwertbaren Wasserkräfte zwar erschweren, aber nicht verhindern; sie verletze weder
Art. 24bis BV
noch das WRG, weil diese Bestimmungen nicht den Totalausbau aller Wasserkräfte anstrebten, sondern auf Natur, Heimatschutz und Fischerei Rücksicht nähmen. Die Pflicht der Werke, dem Kanton Gratisenergie zu liefern, sei keine Sondersteuer, sondern eine Vorzugslast in Form einer Naturalleistung; sie sei gerechtfertigt, weil der Sondervorteil der Kraftwerke durch ihre Gegenleistungen heute nicht mehr voll abgegolten werde. Die Werke zahlten auch in Zukunft nicht für eine verweigerte Wassernutzung, sondern für ihre Vorteile; es sei natürlich, deren Zahlungen für die Erhaltung eines Teils der nicht genutzten Wasserläufe zu verwenden. Der Eingriff ins Vermögen der Werke sei bei klarer Gesetzesgrundlage, genügendem öffentlichen Interesse und nötigenfalls voller Entschädigung zulässig. Die vorgesehene Mehrbelastung sei jedoch gering und könne zudem auf die Konsumenten überwälzt werden, so dass die Werke faktisch keine Vermögenseinbusse erleiden würden. Es handle sich nur um eine persönliche Leistungspflicht der Unternehmen und nicht um einen konfiskatorischen Eingriff in die Substanz ihres Eigentums; die zumutbare Gesamtbelastung nach
Art. 49 Abs. 3
BGE 109 Ia 134 S. 140
WRG
werde nicht überschritten. Die Initiative bewirke auch nach dem Gutachten Dubach keine Verletzung wohlerworbener Rechte; in den meisten bestehenden Konzessionen sei überdies die künftige Gesetzgebung vorbehalten, weshalb die Konzessionäre weitergehende Eigentumsbeschränkungen zu ertragen hätten. Die Initiative sei durchführbar; es werde genug Geld zur Verfügung stehen sowohl für Ausgleichszahlungen, als auch für die Förderung des Energiesparens und für die Entwicklung von Alternativenergien.
C.-
Der Grosse Rat erklärt in seiner Vernehmlassung, die Initiative sei in dem für ihre Gültigkeit günstigsten Sinn auszulegen. Doch es bestehe praktisch kein Auslegungsspielraum; die Initiative sei nur formell eine allgemeine Anregung, materiell dagegen ein detaillierter Entwurf. Die Pflicht der Kraftwerke zur Gratisenergielieferung sei keine Vorzugslast, weil die Leistung an den Kanton fliessen würde und nicht an die Gemeinden als Inhaber der Gewässerhoheit. Soweit sie die Energieversorgung des Kantons sichern wolle, sei sie ein unzulässiger Eingriff ins Eigentum der Werke und verletze
Art. 22ter BV
; soweit sie den Energiefonds speisen solle, stelle sie eine Sondersteuer dar, treffe willkürlich einige wenige Pflichtige und verletze
Art. 49 Abs. 3 WRG
. Sie stehe zudem in einem Zielkonflikt mit der optimalen Wassernutzung nach
Art. 24bis BV
, denn in Graubünden seien heute nicht, wie die Initianten behaupten, 90%, sondern nur 2/3 der möglichen Gewässer ausgenützt. Zudem sei es willkürlich, bezüglich dem Umfang der Gratisenergie-Lieferpflicht die Werke darnach zu unterscheiden, ob ihr Bau vor oder nach dem Zeitpunkt der Initiative-Anmeldung begann. Wenn die Lieferpflicht nicht als Sondersteuer qualifiziert werde, so greife sie in wohlerworbene Rechte ein und könne nicht vor Ablauf und Erneuerung der laufenden Wasserrechtskonzessionen wirksam werden. Sogar wenn die Lieferpflicht sofort einträte, würde ihr Ertrag nicht einmal für die Abgeltung der Gemeinden, die Wassernutzungskonzessionen verweigern, geschweige denn zur Finanzierung der übrigen Fonds-Zwecke genügen. Die Initiative sei undurchführbar und irreführend.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
...
4.
a) Ein genereller Zielkonflikt mit dem Bundesrecht genügt noch nicht, um eine Initiative ungültig zu machen; denn die Kantone
BGE 109 Ia 134 S. 141
sind nicht schlechthin gehindert, andere Ziele zu verfolgen als der Bund.
Der behauptete Zielkonflikt lässt sich übrigens schon innerhalb des Bundesrechts feststellen; denn dieses fördert nicht nur die Nutzung der Wasserkräfte als nationalen Rohstoff, sondern auch den Natur- und Landschaftschutz und die Erhaltung des Lebensraums der Bevölkerung. Die Zwecke, welche die Initianten verfolgen, sind also auch solche des Bundesrechts.
Nur wenn konkrete Begehren der Initiative bestimmten Normen des Bundesrechts widersprechen, lassen sie sich, weil bundesrechtswidrig, nicht verwirklichen. In diesem Zusammenhang ist beachtlich, dass das Bundesrecht die Verfügung über die Wasserkräfte grundsätzlich den Kantonen überlässt. Der Bund kann die Nutzung nur für seine Verkehrsbetriebe (gegen Entschädigung) beanspruchen und hat gewisse Entscheidungsbefugnisse betreffend die Nutzung von interkantonalen und internationalen Wasserläufen (
Art. 24bis Abs. 2 lit. c und Abs. 4 BV
). Hiervon abgesehen sind es einzig die Kantone bzw. die nach kantonalem Recht Berechtigten (Bezirke, Gemeinden, Korporationen usw.), welche über die Wassernutzung entscheiden (
Art. 24bis Abs. 3 BV
). Demnach scheint sich die Energie-Initiative völlig im Bereich des kantonalen Rechts zu bewegen.
Das Bundesrecht ermächtigt freilich in
Art. 11 WRG
die Kantonsregierungen, das Nutzungsrecht zu erteilen, wenn die Verfügungsberechtigten trotz angemessener Angebote während längerer Zeit ohne wichtigen Grund ein Gewässer weder selber nutzen noch durch andere benutzbar machen lassen. Der Ausbau hat aber zu unterbleiben, wo das allgemeine Interesse an der Erhaltung von Naturschönheiten überwiegt (
Art. 22 Abs. 1 WRG
).
Die Energie-Initiative würde es jeder Gemeinde ermöglichen, nicht nur bei überwiegendem Interesse an der Erhaltung von Naturschönheiten, sondern aus jedem beliebigen Naturschutzgrund und unter Bezug von Ausgleichsbeiträgen, die Wassernutzung zu verwehren. Sie würde es der Regierung damit ausserordentlich erschweren, wenn nicht verunmöglichen, im Sinne von
Art. 11 WRG
das Nutzungsrecht stellvertretend zu erteilen.
Ob diese praktische Ausschaltung von Art. 11 des eidgenössischen WRG die Initiative bundesrechtswidrig und ungültig macht, obgleich die Verfügung über die Gewässer Sache der Kantone ist, kann jedoch dahingestellt bleiben.
b) Die Initiative berührt sich mit dem Bundesrecht auch insofern,
BGE 109 Ia 134 S. 142
als sie die Energieversorgung der Bündner Volkswirtschaft bei einer künftigen Stromknappheit sichern will. Denn bei einer Energie-Mangellage sorgt der Bund für die Stromversorgung aller Landesteile (vgl. BB vom 19.6. 1981 über die Elektrizitätsversorgung). Dies ist ohne Einfluss auf die Gültigkeit der Initiative, besagt aber, dass die mit der Initiative angestrebte Versorgungssicherung entbehrlich bzw. gegenstandslos ist.
5.
Die in der Initiative vorgesehene Pflicht der Bündner Kraftwerke zur Abgabe von Gratisenergie an den Kanton dient im wesentlichen nicht der Sicherung der kantonalen Stromversorgung. Sie soll vielmehr den vorgesehenen Energiefonds äufnen. Der Kanton kann nämlich gemäss Initiative die Gratisenergie selber verbrauchen oder verkaufen, muss aber sowohl den Verkaufserlös als auch den Gegenwert des Eigenverbrauchs dem Energiefonds zuwenden. Dem Kanton wird ferner gegenüber den lieferpflichtigen Werken eine bedeutende Wahlmöglichkeit eingeräumt. Wenn er die Gratisenergie nicht selber brauchen kann oder nicht beansprucht, so haben ihm diese Werke den Gegenwert in Geld zu bezahlen. Der Grosse Rat hält diese Leistungspflicht mindestens bei den schon bestehenden Werken für bundesrechtswidrig und zwar aus verschiedenen Gründen, je nachdem wie man diese Verpflichtung der Kraftwerke rechtlich qualifiziert.
a) Ob es sich bei der vorgesehenen Gratisenergie-Lieferpflicht um eine Geld- oder um eine Naturalleistung handelt, kann dahingestellt bleiben. Für die Qualifikation dieser Leistung im vorliegenden Fall spielt es keine wesentliche Rolle, ob sie in natura oder in Geld zu erbringen ist. Das Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte bestimmt bezüglich der Leistungen der Beliehenen nur wenig über die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Abgabeformen. Es nennt vor allem den Wasserzins und die Gebühren, spricht zwar nicht von allgemeinen Steuern, aber von Sondersteuern und erwähnt zudem die Abgabe von Wasser und Kraft an den Verleiher, neben dessen Gewinnbeteiligung (
Art. 48, 49, 54 lit. d WRG
). Es verwendet diese Bezeichnungen im Zusammenhang mit seinem Bestreben, die fiskalische Belastung der Kraftwerke zu begrenzen, damit die Ausnützung der Wasserkräfte nicht verhindert oder übermässig erschwert wird. Der Gesetzgeber hatte freilich keinen Anlass, Limiten zu setzen für die allgemeinen Steuern der Kraftwerke, da diese den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit unterliegen, und auch nicht für die Gebühren, da diese dem Kostendeckungs- und dem Äquivalenzprinzip
BGE 109 Ia 134 S. 143
unterstehen. Den Wasserzins dagegen begrenzt das Gesetz zahlenmässig (
Art. 49 Abs. 1 WRG
) und Sondersteuern (Kraftwerksteuer) lässt es nur soweit zu, als die Spanne beim Wasserzins nicht ausgeschöpft wird (
Art. 49 Abs. 3 WRG
). Für die übrigen denkbaren Verpflichtungen des Beliehenen (Wasser- und Energie-Gratislieferung, Gewinnanteils-Ablieferung und dergleichen) zieht das Gesetz nicht selber eine Schranke, sondern gestattet dem Konzessionsbewerber den Bundesrat anzurufen und ermächtigt diesen, nach Anhörung des betreffenden Kantons die Leistungen zu bestimmen, die dem Bewerber über den Wasserzins und die Gebühren hinaus höchstens auferlegt werden dürfen (
Art. 48 Abs. 3 WRG
). Auf den ersten Blick scheint die Energielieferung eine Leistung besonderer Art neben Wasserzins und Sondersteuer zu sein. Doch der Unterschied zwischen Geld- und Naturalleistung ist für die Rechtsnatur einer Abgabe auch im Bereich der
Art. 48 und 49 WRG
nicht wesentlich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine gesetzlich vorgeschriebene Energielieferung unter den WRG-Begriff der Sondersteuer oder eventuell des Wasserzinses fällt.
b) Der Grosse Rat des Kantons Graubünden hat gestützt auf das Gutachten Dubach erkannt, dass die Gratisenergie-Lieferpflicht eine Sondersteuer ist, für die kein Raum besteht, weil im Kanton Graubünden Wasserzinsen und Wasserwerksteuer den von
Art. 49 WRG
gewährten Spielraum voll ausschöpfen. Nach Dubach kann keinesfalls von einer Vorzugslast gesprochen werden. Nach Ansicht der Beschwerdeführer hingegen handelt es sich um eine Naturalleistungspflicht, eine für den Fonds zweckgebundene, nicht ins Verwaltungsvermögen fliessende Abgabe, eine Vorzugslast, d.h. ein Entgelt für den Sondervorteil der Wasserkraftnutzung. Diese Gratisenergie-Lieferpflicht sei umso berechtigter, als der Wasserzins diesen Sondervorteil längst nicht mehr vollwertig abgelte. Da die Gratisenergie bzw. ihr Geldwert nicht an die Gemeinde als Inhaberin der Gewässerhoheit, sondern an den Kanton bzw. in den kantonalen Energiefonds fliessen würde, sei sie nicht Nutzungsentgelt, sondern eine voraussetzungslose hoheitliche Abgabe.
c) Der Kanton Graubünden erhebt eine Wasserwerksteuer in der hälftigen Höhe des jeweiligen bundesrechtlichen Wasserzinsmaximums; die von den Gemeinden festgesetzten Wasserzinsen dürfen für abgabepflichtige Werke die andere Hälfte des bundesrechtlichen Maximums nicht übersteigen (Art. 97 und 100 des
BGE 109 Ia 134 S. 144
Bündner Steuergesetzes vom 21. Juni 1964). Da der Kanton Graubünden mit der Wasserwerksteuer seine Quote voll ausnützt, ist das bundesrechtlich zulässige Maximum ausgeschöpft. Die hälftige Aufteilung zwischen Kanton und Gemeinden entspricht der Auffassung, dass letztere als Inhaberinnen der Gewässerhoheit den Wasserzins beziehen, der Kanton dagegen die Sondersteuer kraft Gebietshoheit erhebt. Da die Gratisenergie dem Kanton zugunsten des Energiefonds geliefert werden müsste, ist auch sie eine Sondersteuer. Dies würde auch dann gelten, wenn die Lieferpflicht eine echte Naturalleistung wäre und nicht bloss der Geldbeschaffung dienen würde.
Die
Art. 48 und 49 WRG
bezwecken eine Leistungsbegrenzung der Beliehenen. Der bundesrätlichen Einzelfallbeurteilung bzw. Begrenzung sind nur Leistungen unterworfen, die wegen der individuellen Ausgestaltung in der Konzession nicht generell durch das Gesetz erfasst werden, wie dies z.B. bei Stromlieferung für die Zwecke der Gemeinde in der Regel der Fall ist. Naturalleistungen dagegen, die vom Gesetz generell angeordnet und bemessen werden, müssen auch der allgemeinen bundesgesetzlichen Beschränkung unterliegen, d.h. als Erscheinungsform des Wasserzinses oder der Sondersteuer behandelt werden, andernfalls der Durchlöcherung der bundesgesetzlichen Leistungsbegrenzung Tür und Tor geöffnet würde.
d) Als Sondersteuer widerspricht die Gratisenergie-Lieferpflicht an sich nicht dem Bundesrecht; dieses lässt solche Steuern zu, soweit innerhalb des bundesrechtlichen Maximums neben dem Wasserzins dafür Raum bleibt. In Graubünden lassen die bestehenden Gesetze betreffend Wasserzins und Kraftwerksteuer jedoch keinen Freiraum. Die Beschwerdeführer wenden ein, dass der Widerspruch mit dem kantonalen Gesetz die Initiative nicht ungültig mache; nach ihrer Annahme habe der kantonale Gesetzgeber die entgegenstehenden kantonalen Vorschriften entsprechend zu ändern, d.h. er müsste die Sondersteuer des Kantons und die Wasserzinsen der Gemeinden herabsetzen, um Platz für eine Belastung in Form der Gratisenergie-Lieferung zu machen. Diese Ausführungen sind als solche zutreffend, übergehen aber das Problem der Interpretation der Initiative und die Gefahr einer Irreführung der Stimmbürger.
Die Initiative will offensichtlich neue Einnahmequellen für den zu schaffenden Energiefonds erschliessen und nicht die Einnahmen aus den Abgaben der Kraftwerke umverteilen. Sie nennt als
BGE 109 Ia 134 S. 145
Fonds-Einnahmen nur den Ertrag der Gratisenergie-Lieferung und einen Anteil an künftigen Wasserzins-Erhöhungen, deutet aber nicht an, dass bisherige Einnahmen der öffentlichen Hand in den Fonds abgezweigt werden sollen. Die Initianten erstreben offensichtlich Mehrleistungen der Kraftwerke, weil nach ihrer Auffassung der Wasserzins kein genügendes Entgelt mehr darstellt. Die Initiative kann nicht dahin verstanden werden, dass der Gesetzgeber, um für die Gratisenergie-Lieferpflicht Raum zu schaffen, dem Kanton die Wasserwerksteuer und den Gemeinden den Wasserzins mehr oder weniger entziehen soll; von Gratisenergie könnte nicht mehr die Rede sein. Der Anreiz zum Konzessionierungsverzicht würde mehr oder weniger wegfallen, denn Kanton und Gemeinden müssten durch jeden Konzessionsverzicht einer Gemeinde einen Teil ihrer Einnahmen verlieren; sie würden anderseits umsomehr Kraftwerkabgaben erhalten, je mehr Konzessionen erteilt werden.
Die nachträgliche Umdeutung durch die Initianten läuft dem ursprünglichen Textverständnis und der durch die Initiative geweckten Erwartung auf Mehreinnahmen so sehr zuwider, dass sie abgelehnt werden muss. Wie wäre in einer Abstimmungsbotschaft den Stimmbürgern verständlich zu machen, dass sie über eine Initiative abstimmen sollen, die dem Kanton und den Gemeinden Kraftwerks-Einnahmen entzieht, obwohl sie Mehrleistungen in Form von Gratisenergie der Kraftwerke in Aussicht stellt? Indem er eine solche Umdeutung ablehnte und die Initiative für unzulässig erklärte, hat der Grosse Rat die Regeln der Initiativen-Auslegung richtig angewandt und das Stimmrecht der Bürger nicht verletzt.
... | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
6457949b-df72-4765-abcd-766b8deb802d | Urteilskopf
98 Ib 484
71. Urteil vom 27. Oktober 1972 i.S. FBB Frischbeton- und Baustoff AG, Hinwil gegen Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit. | Regeste
Arbeitsgesetz: Unterstellung unter die Vorschriften für industrielle Betriebe.
Begriff des automatisierten Verfahrens im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
. Erweiterung der in
Art. 13 ArV
I getroffenen Umschreibung. | Sachverhalt
ab Seite 485
BGE 98 Ib 484 S. 485
Sachverhalt:
A.-
Art. 5 Abs. 2 lit. b Arbeitsgesetz (ArG) unterstellt Betriebe mit fester Anlage von dauerndem Charakter für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern den Vorschriften über die industriellen Betriebe, "sofern die Arbeitsweise oder die Arbeitsorganisation wesentlich durch automatisierte Verfahren bestimmt werden". Nach Art. 13 der allgemeinen Verordnung zum Arbeitsgesetz (ArV I) gilt ein Verfahren als automatisiert im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
, "wenn technische Einrichtungen die Bedienung, Steuerung und Überwachung von Anlagen selbsttätig besorgen und planmässig ablaufen lassen, so dass normalerweise während des ganzen Verfahrens kein menschliches Eingreifen erforderlich ist."
B.-
Die FBB Frischbeton- und Baustoff AG, Hinwil, befasst sich mit der Aufbereitung von Frischbeton und Schwarzdeckenbelägen. Ihr Betrieb umfasst auf einem Areal von rund 20'000 m2 eine Betonmischanlage, zwei Belagsfabriken bzw. Mischgutaufbereitungsanlagen und eine Kiesverladestelle. Die Betonmischanlage produziert bei einer theoretischen Kapazität von 3000 t pro Tag effektiv 1750-2000 t pro Tag. Die beiden Belagsfabriken zusammen bereiten bei einer theoretischen Tageskapazität von 6000 t pro Tag effektiv rund 4500 t Mischgut auf.
Auf Antrag des Eidg. Arbeitsinspektorats des III. Kreises hat das BIGA am 2. November 1971 die der Aufbereitung von Frischbeton und Schwarzdeckenbelägen dienenden Teile des Betriebs gestützt auf Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b ArG den besonderen Vorschriften dieses Gesetzes für industrielle Betriebe unterstellt.
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die FBB Frischbeton- und Baustoff AG, die Unterstellungsverfügung unter Kosten- und Entschädigungsfolgen aufzuheben. Zur Begründung führt sie im Rahmen eines doppelten Schriftenwechsels aus, die in Frage stehenden Betriebsteile seien nicht automatisiert im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
und
Art. 13 ArV
I. Sie unterschieden sich eindeutig von einer vollautomatisierten Zementfabrik mit Prozessrechnern,
BGE 98 Ib 484 S. 486
Messwerterfassungsgeräten, Röntgenspektrometern, Abtastgeräten, etc., die einer automatischen Kontrolle dienten.
Es fehle aber auch jeder sachliche Grund, den Betrieb der Beschwerdeführerin den "industriellen Betrieben" zuzurechnen. Da der Betrieb seit Jahren bestehe, komme der Unterstellung unter das Plangenehmigungsverfahren keine Bedeutung zu. Wichtig - und für die Beschwerdeführerin nachteilig - sei aber die Unterstellung unter die Arbeitszeit für die industriellen Betriebe. Die Beschwerdeführerin müsse sich dem Arbeitsrhythmus der Baustellen anpassen können.
Wenn unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes die Unterstellung notwendig wäre, hätte die Verwaltung gleichzeitig alle derartigen Betriebe unterstellen müssen. Dies sei aber nicht geschehen. Weitere 50 Belagsfabriken und über 50 Transportbetonfabriken seien nicht unterstellt worden, obwohl sie die gleichen Herstellungsverfahren wie die Beschwerdeführerin anwendeten. Vor allem aber sei auch stossend, dass jahrelang bestehende Grossbaustellen nicht als industrielle Betriebe betrachtet würden, während der Teilbetrieb der Beschwerdeführerin nun unterstellt werden solle.
D.-
Das BIGA beantragt Abweisung der Beschwerde.
Es gibt zu, dass der Betrieb der Beschwerdeführerin als erster seiner Art unterstellt wurde, macht jedoch geltend, die Unterstellung der (weniger grossen) Konkurrenzbetriebe sei vorgesehen.
E.-
Eine Abordnung des Bundesgerichts hat am 5. Juli 1972 im Betrieb der Beschwerdeführerin einen Augenschein vorgenommen.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Sowohl die Betonmischanlage als auch die beiden Belagsfabriken sind unbestrittenermassen feste Anlagen von dauerndem Charakter für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung von Gütern im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 ArG
. Durch ihren dauernden Charakter unterscheiden sie sich von Betonmischanlagen und Belagaufbereitungsanlagen auf grossen Baustellen, die zwar manchmal auch jahrelang in Betrieb stehen, aber doch zum vorneherein nur für eine bestimmte Aufgabe errichtet werden. Die Anlagen der Beschwerdeführerin arbeiten nicht nur für zum voraus bestimmte Baustellen, sondern nehmen Aufträge von einer unbestimmten Vielzahl
BGE 98 Ib 484 S. 487
von Baustellen entgegen. Sie unterstehen deshalb auch nicht den für Baustellen geltenden baupolizeilichen Vorschriften und der entsprechenden Kontrolle der baupolizeilichen Organe (vgl. Verordnung über die Verhütung von Unfällen bei Bauarbeiten vom 8. August 1967).
Umstritten ist hier einzig, ob Arbeitsweise und Arbeitsorganisation der zu unterstellenden Betriebsteile der Beschwerdeführerin "wesentlich durch automatisierte Verfahren bestimmt werden" (
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
).
Art. 13 ArV
I geht bei der Umschreibung des automatisierten Verfahrens im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
von einem streng technischen Begriff der Automation aus. Automatisiert ist nach seinem Wortlaut ein Verfahren nur, wenn sowohl die Bedienung und die Steuerung als auch die Überwachung der in Frage stehenden Anlagen selbsttätig besorgt werden und deshalb normalerweise während des ganzen Ablaufs des Verfahrens kein menschliches Eingreifen erforderlich ist. Diese Umschreibung erweist sich jedoch vor
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
als zu eng.
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
verfolgt einen ähnlichen Zweck wie einst Art. 1 Abs. 1 lit. d der Vollziehungsverordnung zum Fabrikgesetz, wonach "industrielle Anstalten" ungeachtet der Zahl der darin beschäftigten Arbeitnehmer als Fabriken betrachtet wurden, wenn sie in ihrer Arbeitsweise unverkennbar Fabrikcharakter aufwiesen (vgl. Botschaft zum ArG BBl 1960 II 955; Komm. Hug
Art. 5 ArG
N. 20). Dank der Entwicklung der Technik ist es heute in verschiedenen Branchen möglich, verhältnismässig grosse Anlagen ausgesprochen industriellen Charakters mit weniger als sechs Arbeitnehmern zu betreiben. Gerade solche Grossanlagen will
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
offenbar erfassen. Dabei kann nicht entscheidend sein, ob im Einzelfall die den Arbeitsprozess wesentlich bestimmenden Verfahren im streng technischen Sinne automatisiert sind. Vielmehr ist anzunehmen, dass eine grosse Anlage mit bedeutendem Maschinenpark auch dann unter
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
fällt, wenn der gesamte Arbeitsvorgang der Maschinen für jedes gewünschte Endprodukt von Arbeitnehmern besonders eingestellt und ausgelöst werden muss, von seiner Auslösung an bis zur Ablieferung des Endproduktes aber ohne weiteres Zutun abläuft, der menschliche Eingriff in das Verfahren sich somit auf Wahl und Auslösung des Arbeitsvorgangs und Kontrolle des Ablaufs beschränkt. Dabei ist ohne Belang, ob der Arbeitsvorgang
BGE 98 Ib 484 S. 488
durch Lochkarten oder von Hand eingestellt wird oder ob sich die Kontrolle auf die Überprüfung von Zeigerbewegungen beschränkt oder auch einen Blick auf das Endprodukt einschliesst. Es kommt nur darauf an, dass zwischen dem Auslösen des Arbeitsvorganges und der Ablieferung des Endproduktes normalerweise kein menschlicher Eingriff mehr nötig wird.
2.
Die von der Beschwerdeführerin bei der Aufbereitung von Frischbeton und Schwarzdeckenbelägen angewendeten Verfahren entsprechen dieser Voraussetzung. Sie bestimmen wesentlich den Arbeitsprozess im betreffenden Betriebsteil. Ist der einzelne Produktionsgang einmal eingestellt, so läuft er grundsätzlich ohne weiteres Zutun der Arbeitnehmer ab, bis das Endprodukt verladebereit ist. Der Umwandlungsprozess von den verwendeten Rohprodukten zum Endprodukt ist hier allerdings verhältnismässig einfach. Automation im technischen Sinne mit Rückmeldung, Selbstüberwachung und vielleicht sogar Selbstkorrektur scheint deshalb nicht erforderlich. Jedoch werden durch Betätigung der Schaltanlage sehr grosse Mengen Materials bewegt, gemischt und schliesslich auf Lastwagen verladen. Der Betrieb der Beschwerdeführerin lässt sich in dieser Beziehung nicht mit einem gewerblichen Kleinbetrieb vergleichen, der gegebenenfalls ähnlich einfache Produktionsverfahren anwendet. Er fällt unter
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
und wurde mithin zu Recht den Sondervorschriften des Arbeitsgesetzes für industrielle Betriebe unterstellt.
Dass Errichtung und Umgestaltung eines Betriebes in der Grösse desjenigen der Beschwerdeführerin dem Plangenehmigungsverfahren nach
Art. 8 ArG
unterliegen, ist sachlich gerechtfertigt. Der Betrieb der Beschwerdeführerin ist auch durchaus in der Lage, sich den Bestimmungen über die Höchstarbeitszeit in industriellen Betrieben anzupassen, zumal er mit andern Betrieben wenn auch anderer Branchen eng zusammenarbeitet, was einen gewissen Personalausgleich ermöglicht. Den besonderen Bedürfnissen des Baugewerbes bei der Belieferung mit Frischbeton oder Frischbelag kann durch Ausnahmebewilligungen Rechnung getragen werden. Schliesslich ist auch vernünftig, dass der fragliche Teil des Betriebs der Beschwerdeführerin durch die Unterstellung unter die Sondervorschriften für industrielle Betriebe hinsichtlich der Verschiebung der Grenzen der Tagesarbeit der Aufsicht des
BGE 98 Ib 484 S. 489
BIGA und hinsichtlich der Einhaltung der Verordnung III zum Arbeitsgesetz (Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung in industriellen Betrieben) der Aufsicht des zuständigen eidg. Arbeitsinspektorats unterworfen wird. Betriebe oder Betriebsteile dieser Art sollen sich diesen Kontrollen nicht dadurch entziehen können, dass sie die Zahl ihrer Beschäftigten dauernd unter sechs halten.
Was die Beschwerdeführerin an Gegenargumenten vorbringt, dringt nicht durch. Alles, was sie hinsichtlich des menschlichen Eingreifens in den Produktionsprozess darlegt, bezieht sich auf Einstellungs- und Kontrollarbeiten. Dass dort der Mensch nach wie vor nötig ist, ja, dass diese Einstellungs- und Kontrollarbeiten einen hohen Grad von Aufmerksamkeit und Verantwortlichkeit verlangen, trifft zu, ist aber für die Frage der Unterstellung unter die Sondervorschriften für industrielle Betriebe nicht entscheidend, wie die Auslegung von
Art. 5 Abs. 2 lit. b ArG
ergeben hat. Schliesslich versteht sich von selbst, dass die Verwaltung verpflichtet ist, nicht nur den in Frage stehenden Betriebsteil der Beschwerdeführerin, sondern alle Betriebe und Betriebsteile in der Schweiz, die die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, den Sondervorschriften des Arbeitsgesetzes für industrielle Betriebe zu unterstellen.
Der angefochtene Entscheid hält somit der Überprüfung durch das Bundesgericht stand. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
6458182a-8c31-43c3-911d-abfabaa046dc | Urteilskopf
126 V 48
10. Urteil vom 21. Januar 2000 i. S. Staatssekretariat für Wirtschaft gegen H. und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 47 Abs. 1 AHVG
;
Art. 79 Abs. 1bis, 1ter und 1quater AHVV
;
Art. 95 Abs. 2 AVIG
: Erlassvoraussetzung der grossen Härte. Ab 1. Januar 1997 sind bei der Prüfung der für den Erlass von Rückforderungen der Arbeitslosenversicherung vorausgesetzten grossen Härte der Rückerstattung die
Art. 79 Abs. 1bis und 1ter AHVV
analog anzuwenden. Nicht anwendbar ist hingegen
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
, der gesetz- und verfassungswidrig ist.
Art. 8 Abs. 1 BV
;
Art. 4 aBV
: Überprüfung unselbstständiger Verordnungen nach Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung. Die neue Bundesverfassung ist im Rahmen der Überprüfung unselbstständigen Verordnungsrechts auf anhängige Verfahren selbst dann anzuwenden, wenn der angefochtene Entscheid vor dem 1. Januar 2000 ergangen ist. Die unter der Herrschaft der bis Ende 1999 in Kraft gestandenen Bundesverfassung ergangene Rechtsprechung zur vorfrageweisen Prüfung unselbstständigen Verordnungsrechts gilt auch unter der neuen Bundesverfassung. | Sachverhalt
ab Seite 49
BGE 126 V 48 S. 49
A.-
Am 8. August 1996 gewährte die Arbeitslosenkasse des Kantons Bern der 1950 geborenen H., die seit 1. Juni 1996 arbeitslos war, einen Vorschuss von Fr. 1'000.- an die zu erwartende Arbeitslosenentschädigung. Nachdem feststand, dass sie bis zur Aufnahme einer Stelle im November 1996 insgesamt Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung in der Höhe von Fr. 80.- hatte, forderte die Arbeitslosenkasse am 27. Juni 1997 verfügungsweise von H. den Restbetrag des Vorschusses von Fr. 920.- zurück. Die Versicherte focht diese Verfügung nicht an, ersuchte jedoch um Erlass der Rückerstattung, was die Arbeitslosenkasse mit Verfügung vom 25. Februar 1998 mangels guten Glaubens ablehnte.
B.-
In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde bejahte das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 27. Juli 1998 zunächst den guten Glauben von H., sah von der Prüfung der zweiten Erlassvoraussetzung der grossen Härte ab und bewilligte ihr Gesuch um Erlass der Rückforderung von Fr. 920.-.
C.-
Gegen diesen Entscheid führt das Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit (seit 1. Juli 1999: Staatssekretariat für Wirtschaft [seco]) Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Abklärung, ob die Rückerstattung für H. eine grosse Härte bedeuten würde, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sei festzustellen, dass die für einen Erlass kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen des guten Glaubens und der grossen Härte im Bereich der Arbeitslosenversicherung weiterhin erfüllt sein müssten.
Das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Bern (KIGA) widersetzt sich diesem Begehren und beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. H. lässt sich nicht vernehmen.
D.-
Da die Zulässigkeit der Anwendung von
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
im Bereich der Arbeitslosenversicherung strittig ist und die Gesetzmässigkeit besagter Bestimmung in Frage steht, hat
BGE 126 V 48 S. 50
die Instruktionsrichterin das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) zur Vernehmlassung eingeladen. Dieses hat am 24. Dezember 1998 Stellung genommen und Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Nach
Art. 95 AVIG
hat die Kasse Leistungen der Versicherung, auf die der Empfänger keinen Anspruch hatte, zurückzufordern (Abs. 1 Satz 1). War der Leistungsempfänger beim Bezug gutgläubig und würde die Rückerstattung eine grosse Härte bedeuten, so wird sie auf Gesuch hin ganz oder teilweise erlassen (Abs. 2 Satz 1).
b) Bereits unter der Herrschaft des Bundesgesetzes über die Arbeitslosenversicherung vom 22. Juni 1951 hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass im Gebiet der Arbeitslosenversicherung die Regeln über den Erlass unrechtmässig bezogener Renten und Hilflosenentschädigungen, welche durch die Praxis in der Alters- und Hinterlassenenversicherung entwickelt worden sind, sinngemäss angewandt werden müssen (ARV 1978 Nr. 20 S. 73 Erw. 1). Daran hat sich mit Inkrafttreten des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vom 25. Juni 1982 auf den 1. Januar 1984 nichts geändert, ist doch die zu
Art. 47 Abs. 1 AHVG
ergangene Rechtsprechung auch im arbeitslosenversicherungsrechtlichen Erlassverfahren nach
Art. 95 AVIG
anwendbar (
BGE 116 V 292
f. Erw. 2b).
Vor dem 1. Januar 1997 enthielten weder die AHV-Gesetzgebung noch die anderen Sozialversicherungsgesetze Ausführungsbestimmungen zum unbestimmtem Gesetzesbegriff "grosse Härte". Das Eidg. Versicherungsgericht hat daher diesen Begriff in Weiterführung der im Wesentlichen auf das Urteil N. vom 16. März 1972 (ZAK 1973 S. 198) zurückgehenden und nach grundsätzlicher Überprüfung in
BGE 107 V 79
nur mehr hinsichtlich des prozentualen Zuschlags modifizierten Rechtsprechung für alle Sozialversicherungszweige gleich bestimmt und erkannt, dass eine grosse Härte im Sinne von
Art. 47 Abs. 1 AHVG
vorliegt, wenn zwei Drittel des anrechenbaren Einkommens (und der allenfalls hinzuzurechnende Vermögensteil) die nach
Art. 42 Abs. 1 AHVG
(in der bis 31. Dezember 1996 in Kraft gewesenen Fassung) anwendbare und um 50 % erhöhte Einkommensgrenze nicht erreichen (
BGE 122 V 225
Erw. 5a mit Hinweisen).
BGE 126 V 48 S. 51
Mit der auf 31. Dezember 1996 im Rahmen der 10. AHV-Revision erfolgten Streichung der einkommensabhängigen ausserordentlichen Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung aus dem Gesetz sind die Einkommensgrenzen nach
Art. 42 AHVG
als Bezugspunkte für die Verdeutlichung des unbestimmten Rechtsbegriffes der grossen Härte weggefallen. Der Bundesrat hat mit Wirkung ab 1. Januar 1997 den Begriff der grossen Härte auf Verordnungsstufe geregelt. Da mit der Aufhebung der ausserordentlichen Renten mit Einkommensgrenzen die bisher für die Prüfung der grossen Härte massgebende Einkommensgrenze als Vergleichsgrösse wegfiel, führte er dafür den ergänzungsleistungs-rechtlichen Grenzbetrag (bundesrechtlicher Höchstansatz) und das nach den Bestimmungen über die Ergänzungsleistungen ermittelte Jahreseinkommen ein (AHI 1996 S. 43 f.). Nach
Art. 79 Abs. 1bis AHVV
(in der am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen und vorliegend anwendbaren Fassung) liegt eine grosse Härte im Sinne von
Art. 47 Abs. 1 AHVG
vor, wenn die vom Bundesgesetz vom 19. März 1965 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) anerkannten Ausgaben die nach ELG anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Laut Abs. 1ter dieses Artikels gelten jeweils die bundesrechtlichen Höchstansätze. Nach
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
ist bei Vorliegen der Gutgläubigkeit die Rückerstattung unabhängig davon, ob eine grosse Härte vorliegt, zu erlassen, wenn die Rückerstattungsschuld den Betrag der halben jährlichen Minimalrente (im Zeitpunkt der Verfügung vom 25. Februar 1998 Fr. 5'970.-) nicht übersteigt.
2.
Die Rückforderungsverfügung der Arbeitslosenkasse vom 27. Juni 1997 ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Streitig ist einzig, ob der Beschwerdegegnerin die Rückerstattung zu erlassen ist. Nachdem ihr der gute Glaube beim Bezug des Vorschusses von Fr. 1'000.- unbestrittenermassen zugebilligt werden kann, bleibt einzig die zweite Erlassvoraussetzung der grossen Härte zu prüfen. Dabei stellt sich die Frage, ob die vom Bundesrat erlassene neue Regelung, insbesondere
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
, auch im Bereich der Arbeitslosenversicherung anwendbar und bejahendenfalls, ob sie gesetz- und verfassungskonform sei.
a) Das kantonale Gericht hat ohne weiteres
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
angewendet und - da der zurückgeforderte Betrag die Grenze nach
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
nicht überstieg - von einer Prüfung der grossen Härte abgesehen und somit die Rückforderung erlassen.
BGE 126 V 48 S. 52
Das seco führt im Wesentlichen aus, ob
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
für den Bereich der Alters- und Hinterlassenenversicherung rechtsgültig erlassen worden sei, liege nicht an ihm zu prüfen. Hingegen lasse sich diese Bestimmung im Bereich der Arbeitslosenversicherung, in Zurückdrängung von
Art. 95 Abs. 2 AVIG
, nicht anwenden.
Sowohl das KIGA als auch das BSV erachten die Bestimmung von
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
als gesetzeskonform. Letzteres Amt beruft sich auf verwaltungsökonomische Überlegungen, die zum Erlass der neuen Bestimmung geführt haben.
b) Auszugehen ist davon, dass trotz Wegfall der ausserordentlichen Renten mit Einkommensgrenzen der Begriff "grosse Härte", der bisher durch die Rechtsprechung einheitlich definiert worden war, im Sinne der weiterzuführenden harmonisierten Rechtsprechung für alle Sozialversicherungsbereiche der gleiche bleiben soll (AHI 1996 S. 44). Dies wird dadurch erreicht, dass
Art. 79 AHVV
auch in den Sozialversicherungszweigen, in welchen keine Norm direkt auf
Art. 47 AHVG
verweist (beispielsweise
Art. 52 UVG
,
Art. 95 AVIG
), analog anzuwenden ist.
3.
a) Zu prüfen ist somit, ob der hier analog anzuwendende
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
gesetzmässig ist.
b) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbstständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen.
Nach ständiger Rechtsprechung unter der Herrschaft der bis Ende 1999 in Kraft gestandenen Bundesverfassung (aBV) verstiess eine vom Bundesrat verordnete Regelung allerdings dann gegen deren Art. 4, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen liess, wenn sie sinn- oder zwecklos war oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen
BGE 126 V 48 S. 53
traf, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden liess. Gleiches galt, wenn die Verordnung es unterliess, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (
BGE 125 V 30
Erw. 6a,
BGE 124 II 245
Erw. 3, 583 Erw. 2a,
BGE 124 V 15
Erw. 2a, 194 Erw. 5a, je mit Hinweisen).
Auf den 1. Januar 2000 ist die neue Bundesverfassung vom 18. April 1999 in Kraft getreten (Art. 1 des Bundesbeschlusses vom 28. September 1999 über das Inkraftreten der neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999; AS 1999 S. 2555). Das bei bundesrätlichen Verordnungen zu beachtende allgemeine Rechtsgleichheitsgebot leitet sich nunmehr aus
Art. 8 Abs. 1 BV
ab, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Mit Blick auf die Rechtsnatur der Überprüfung unselbstständigen Verordnungsrechts als Form der verfassungsrechtlichen Normenkontrolle rechtfertigt es sich, die neue Bundesverfassung im Rahmen anhängiger Verfahren selbst dann anzuwenden, wenn - wie im vorliegenden Fall - der angefochtene Entscheid vor dem 1. Januar 2000 ergangen ist. Da indessen das Rechtsgleichheitsgebot des
Art. 8 Abs. 1 BV
gegenüber der bisherigen Regelung, mit Ausnahme der Angleichung des Textes an die Verfassungswirklichkeit (alle Menschen statt bisher nur Schweizer), keine materielle Änderung erfahren hat (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, Separatdruck, S. 142) und die diesbezügliche Nachführung in den Räten denn auch unbestritten war (Amtl. Bull. BV 1998 [Separatdruck] N 152 ff. und S 33 ff.), gilt die bisherige Rechtsprechung zur vorfrageweisen Prüfung unselbstständigen Verordnungsrechts auch unter der neuen Bundesverfassung.
c) Der Bundesrat ist gestützt auf die Delegationsnorm von
Art. 47 Abs. 3 AHVG
nur befugt, das Rückerstattungs- und Erlassverfahren zu ordnen. Ob es sich bei den Absätzen 1bis und 1ter von
Art. 79 AHVV
um solche Bestimmungen des Verfahrens handelt, kann offen bleiben. Jedenfalls klar nicht mehr verfahrensrechtlicher Natur ist Abs. 1quater von
Art. 79 AHVV
. Weil bis zu einem Grenzbetrag nicht geprüft werden muss, ob eine grosse Härte vorliegt, wird das formell-gesetzliche Erfordernis der kumulativen Voraussetzung des guten Glaubens und der grossen Härte gemäss
Art. 47 Abs. 1 AHVG
verletzt, sodass sich
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
als gesetzwidrig erweist. Eine gegenüber
Art. 47 Abs. 3 AHVG
weitergehende Kompetenz räumt dem Bundesrat auch die allgemeine Delegationsnorm des
Art. 154 Abs. 2 AHVG
, wonach
BGE 126 V 48 S. 54
er mit dem Vollzug beauftragt ist und hiezu die erforderlichen Verordnungen erlässt, nicht ein.
d) Der verordnete Schematismus, bis zu einem bestimmten Grenzbetrag von der Prüfung der grossen Härte abzusehen, führt auch zu einem Verstoss gegen
Art. 8 Abs. 1 BV
. Nach allgemeiner Lebenserfahrung fällt die Begleichung einer Schuld umso schwerer, je höher der Betrag ist. Eine Rückzahlungspflicht unterhalb der Limite des
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
dürfte einen Versicherten daher weit seltener in eine finanzielle Notlage bringen, als die Begleichung eines über diesem Grenzwert liegenden Ausstandes, was insbesondere auch in der Möglichkeit des Teilerlasses (vgl. dazu
BGE 116 V 12
) zum Ausdruck kommt. Die Bestimmung entbindet die Verwaltung somit von der Prüfung einer Erlassvoraussetzung sinnwidrigerweise gerade in Fällen, in denen das Vorliegen der grossen Härte zumindest fraglich (und daher prüfenswert) erscheint. Es ist zudem schlechterdings nicht einsehbar, weshalb einem Versicherten - ohne Rücksicht auf seine allenfalls guten finanziellen Verhältnisse - die unterhalb des verordneten Grenzbetrages liegende Rückerstattung zu erlassen wäre, während ein Pflichtiger eine bereits nur einen Franken darüber liegende Schuld vollumfänglich zurückzuzahlen hätte, sobald seine finanziellen Verhältnisse die Annahme einer grossen Härte auch nur knapp ausschliessen. Ein - wie hoch auch immer angesetzter - absoluter Grenzbetrag, bis zu dem eine Prüfung der grossen Härte entfällt, trifft damit eine Unterscheidung, für die sich kein vernünftiger Grund finden lässt. Es haben denn auch einzig verwaltungsökonomische Überlegungen zum Erlass der fraglichen Vorschrift geführt, wie das BSV in seiner Stellungnahme selbst einräumt (siehe auch AHI 1996 S. 44). Dazu ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass der Verwaltung bereits bei der Prüfung der Rückerstattungspflicht an sich ein verwaltungsökonomische Überlegungen ausreichend berücksichtigendes Korrektiv zur Seite steht, ist doch eine nach den Regeln der Wiedererwägung vorzunehmende Rückerstattung (vgl. dazu ARV 1996/97 Nr. 43 S. 237 Erw. 3b; siehe auch
BGE 122 V 368
Erw. 3) nur anzuordnen, wenn die Berichtigung der ursprünglichen Verfügung unter anderem von erheblicher Bedeutung ist (vgl.
BGE 122 V 21
Erw. 3a, 173 Erw. 4a, 271 Erw. 2, 368 Erw. 3,
BGE 121 V 4
Erw. 6, je mit Hinweisen). So hat das Eidg. Versicherungsgericht im nicht veröffentlichten Urteil W. vom 2. Februar 1989 die Erheblichkeit einer Rückforderung von fünf Taggeldern der Arbeitslosenversicherung unabhängig vom konkret in Frage stehenden Betrag verneint.
BGE 126 V 48 S. 55
e) Steht die Verfassungs- und Gesetzwidrigkeit des
Art. 79 Abs. 1quater AHVV
nach dem Gesagten fest, ist der diese Bestimmung anwendende vorinstanzliche Entscheid bundesrechtswidrig und demzufolge insoweit aufzuheben, als er von der Prüfung der grossen Härte absieht.
4.
(Gerichtskosten) | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
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