decision_id
stringlengths 36
36
| header
stringlengths 59
550
| regeste
stringlengths 7
5.41k
| text
stringlengths 350
179k
| law_area
stringclasses 1
value | law_sub_area
stringclasses 1
value | language
stringclasses 3
values | year
int32 1.95k
2.02k
| court
stringclasses 1
value | chamber
stringclasses 7
values | canton
stringclasses 1
value | region
stringclasses 1
value |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
4900e11a-f5f0-40f6-99de-359463abdb64 | Urteilskopf
113 II 493
86. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. November 1987 i.S. Koller und Manser gegen Manser und Mitbeteiligte (Berufung) | Regeste
Bäuerliches Erbrecht; Integralzuweisung (
Art. 620 ZGB
).
Die Integralzuweisung eines bäuerlichen Heimwesens ist ausgeschlossen, wenn sich dieses in verschiedenen Erbmassen befindet (Bestätigung der Rechtsprechung). Kann eine Ausnahme zugelassen werden, wenn die Erben identisch sind? Frage offengelassen, da die Integralzuweisung im vorliegenden Fall schon deswegen ausgeschlossen ist, weil in einem der beiden Erbfälle noch die Liquidation einer einfachen Gesellschaft ansteht, die nicht nach den Grundsätzen des bäuerlichen Erbrechts abgewickelt werden kann (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 494
BGE 113 II 493 S. 494
A.-
Das landwirtschaftliche Heimwesen "Koster-Karlonis", Bezirk Appenzell, im Halte von 6 ha 30 a und 47 m2 stand ursprünglich im Gesamteigentum der Brüder Franz Josef und Emil Manser. Nach dem Tode von Emil Manser im Jahre 1965 konnten sich die Erben über die Zuteilung des in die Erbmasse gefallenen Gesamteigentumsanteils nicht einigen. Das Begehren des überlebenden Bruders Franz Josef Manser um ungeteilte Zuweisung im Sinne von
Art. 620 ff. ZGB
lehnte die Standeskommission von Appenzell Innerrhoden mit Entscheid vom 14. Oktober 1968 mit der Begründung ab, die Bestimmungen des OR über die Auseinandersetzung bei Auflösung einer einfachen Gesellschaft würden denjenigen des bäuerlichen Erbrechts vorgehen. In der Folge erklärten sich die Erben jedoch damit einverstanden, den Gesamteigentumsanteil des verstorbenen Emil Manser von der Erbteilung auszunehmen. Gemäss dem Erbteilungsvertrag vom 24. Februar 1969 sollte die Versteigerung der Liegenschaft unterbleiben, damit sie vom überlebenden Franz Josef Manser bis zu seinem Tode bewirtschaftet und im Sinne von
Art. 745 ff. ZGB
genutzt werden könne.
BGE 113 II 493 S. 495
Am 4. Oktober 1984 verstarb auch Franz Josef Manser. Seine Erben sind mit denjenigen von Emil Manser identisch.
B.-
Am 6. März 1985 stellte Marie Koller-Dörig, eine Nichte von Franz Josef Manser, bei der Standeskommission von Appenzell Innerrhoden das Gesuch, die Liegenschaft "Koster-Karlonis" sei ihr gemäss
Art. 620 ff. ZGB
ungeteilt zum Ertragswert zuzuweisen. Am 8. März 1985 reichte Albert Silvester Manser, der jüngste Bruder von Franz Josef Manser, ein gleichlautendes Begehren ein. Die Miterben erhoben gegen die Zuweisungsbegehren Einsprache.
Die Vermittlungsversuche scheiterten. Die Parteien einigten sich schliesslich darauf, aus prozessökonomischen Gründen vor der Standeskommission zunächst die Frage abklären zu lassen, ob das bäuerliche Erbrecht im vorliegenden Fall überhaupt angewendet werden könne.
Mit Entscheid vom 10. März 1987 verneinte die Standeskommission die Anwendbarkeit des bäuerlichen Erbrechts und wies dementsprechend die Begehren von Marie Koller-Dörig und Albert Silvester Manser um ungeteilte Zuweisung der Liegenschaft zum Ertragswert ab.
C.-
Gegen diesen Entscheid haben die Ansprecher in getrennten Rechtsschriften je Berufung an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, den angefochtenen Entscheid aufzuheben sowie das bäuerliche Erbrecht und damit die Integralzuweisung für die Liegenschaft "Koster-Karlonis" für anwendbar zu erklären. Albert Silvester Manser verlangt zudem die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, welche ihm die Liegenschaft ungeteilt zum Ertragswert zuweisen solle. Marie Koller-Dörig beantragt die Zuweisung der Liegenschaft an sich, eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, welche ihr die Liegenschaft zuweisen solle.
Die übrigen Erben haben sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die Liegenschaft Koster-Karlonis stand ursprünglich im Gesamteigentum der Brüder Franz Josef und Emil Manser. Die Vorinstanz hat hierzu festgehalten, die Brüder hätten eine einfache Gesellschaft gebildet. Diese Feststellung stützt sich auf den öffentlich beurkundeten Kaufvertrag vom 6. November 1937, wonach die Käufer "zu diesem Zwecke gemäss dem 23. Titel (Art. 530/551) des OR eine einfache Gesellschaft bilden". Im angefochtenen Urteil findet sich keine Feststellung darüber, dass der wirkliche
BGE 113 II 493 S. 496
Wille der Käufer hievon abgewichen wäre. Angesichts des klaren Wortlautes der Abrede ist daher die Auffassung der Vorinstanz in keiner Weise zu beanstanden (vgl.
BGE 96 II 334
ff.).
b) Beim Tode von Emil Manser im Jahre 1965 änderte sich die Rechtszuständigkeit an der Liegenschaft. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz bestand keine Abrede, die Gesellschaft nach dem Tode eines Gesellschafters weiterzuführen. Ebensowenig sei zwischen dem überlebenden Gesellschafter und den übrigen Erben die Fortführung beschlossen oder stillschweigend in diesem Sinne gehandelt worden. Es ist daher davon auszugehen, dass die einfache Gesellschaft mit dem Tode von Emil Manser im Jahre 1965 gemäss
Art. 545 Ziff. 2 OR
aufgelöst worden ist.
Eine Liquidation des Gesellschaftsvermögens unterblieb in der Folge indessen ebenso wie eine diesbezügliche Erbteilung. Nachdem die Vorinstanz mit rechtskräftigem Urteil vom 14. Oktober 1968 die Integralzuweisung der Liegenschaft zum Ertragswert an Franz Josef Manser abgelehnt hatte, erklärten sich die Erben im Erbteilungsvertrag vom 24. Februar 1969 vielmehr damit einverstanden, dass die Versteigerung der Liegenschaft Koster-Karlonis unterbleibe und Franz Josef Manser die Liegenschaft bis zu seinem Ableben bewirtschaften und nutzen könne. Rechtlich zerfiel die Liegenschaft somit in den Gesamteigentumsanteil von Franz Josef Manser und denjenigen der Erbengemeinschaft, an dem Franz Josef Manser wiederum als Erbe beteiligt war. Die Annahme, die beiden Gesamteigentumsanteile seien zu einer rechtlichen Einheit verschmolzen, entbehrt angesichts der unterschiedlichen Rechtszuständigkeit an den beiden Gesamteigentumsanteilen jeder Grundlage.
3.
Zu prüfen bleibt, ob ein Erbe aufgrund des bäuerlichen Erbrechts die ungeteilte Zuweisung der Liegenschaft zum Ertragswert verlangen kann, wenn ein landwirtschaftliches Heimwesen wie hier zwei verschiedenen Erbmassen angehört.
a) Bisher ist vom Bundesgericht die Anwendung des bäuerlichen Erbrechts grundsätzlich abgelehnt worden, wenn sich das streitige Heimwesen nicht im Alleineigentum des Erblassers befunden hat (
BGE 96 II 328
f.;
BGE 83 II 515
f.,
BGE 76 II 23
f.). Zur Begründung ist angeführt worden, das ZGB kenne keinen gemeinschaftlichen Erbgang und keine gemeinsame Erbteilung beim Tode mehrerer Personen, sondern nur eine Nachfolge in bezug auf Einzelpersonen. Es könne daher kein Erbe dazu gezwungen werden, in eine Teilung einzuwilligen, bei der die von verschiedenen Erbschaften
BGE 113 II 493 S. 497
herrührenden Güter nicht als verschiedene Erbmassen behandelt würden.
Art. 620 ZGB
könne nicht dazu dienen, eine rechtliche Einheit zu bewirken, die vor dem Erbgang nicht bestanden habe. In einem solchen Fall sei schon vor dem Erbgang eine Mehrheit von Berechtigten vorhanden, die eine Aufhebung der bisherigen Bewirtschaftungseinheit erwirken könnten. Die Rechte des Erblassers reichten also vor seinem Tode nicht aus, die Einheit des Betriebes zu gewährleisten. Demzufolge liege die Gefahr der Zerstückelung nicht in der Teilung der Erbschaft als solcher begründet, weshalb die ratio des
Art. 620 Abs. 1 ZGB
entfalle.
b) Die überwiegende Lehre hält diese Rechtsprechung für das geltende Recht dem Grundsatz nach für zutreffend (ohne Einschränkung: TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, N 8 f. und 15 zu
Art. 620 ZGB
). ESCHER (Zürcher Kommentar, N 25 zu
Art. 620 ZGB
) weist darauf hin, dass die Situation in jedem Fall unbefriedigend sei, wie auch vorgegangen werde. Verweigere man die ungeteilte Übernahme eines Heimwesens mangels rechtlicher Einheit, so werde eine bisher bestehende wirtschaftliche Einheit vielleicht für immer zerstört. Gestatte man sie, so verstosse man gegen die unausgesprochene, aber selbstverständliche gesetzliche Voraussetzung, wonach das Gewerbe für einen ungeteilten Übergang aus dem in Frage stehenden Nachlass stammen müsse. Obwohl eine ungeteilte Zuweisung in solchen Fällen theoretisch nur schwer zu begründen sei (ESCHER, a.a.O.), fordern verschiedene Autoren wenigstens für bestimmte Fälle eine Ausnahme. Sterbe einer von zwei gemeinschaftlichen Eigentümern und befinde sich der andere unter seinen Erben, so sei dieser sonst schlechter gestellt, als wenn das Gewerbe im Alleineigentum des Erblassers gestanden hätte und er demzufolge nur Erbe und nicht zusätzlich Eigentümer wäre; denn als blosser Erbe könnte er ohne weiteres das Zuweisungsbegehren stellen. Diese Situation könne vor allem unter Geschwistern oder Ehegatten eintreten, denen das fragliche Gewerbe gemeinsam gehört habe (ESCHER, a.a.O., N 25 f.; NEUKOMM/CZETTLER, Das bäuerliche Erbrecht, 5. Aufl., S. 95-100; PIOTET, Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/II, S. 1034-1036; STEIGER, Zur Frage des Anwendungsbereiches und der Geltungskraft des bäuerlichen Erbrechts sowie der allgemeinen Voraussetzungen der Integralzuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes, Diss. Bern 1966, S. 21 ff., insbesondere 27 f.; STUDER, Die Integralzuweisung landwirtschaftlicher Gewerbe nach der Revision des bäuerlichen Zivilrechts von 1972, 2. Aufl., S. 124 f.). In diesen Fällen
BGE 113 II 493 S. 498
entspreche die ungeteilte Zuweisung dem Sinn und Geist des bäuerlichen Erbrechts besser.
Das Bundesgericht hat freilich in
BGE 45 II 632
E. 2 auch in einem solchen Fall die ungeteilte Zuweisung abgelehnt und darauf hingewiesen, dass sich der angestrebte Erfolg nur erreichen lasse, wenn der Eigentumsanteil des Erblassers dem überlebenden Gesamteigentümer und Miterben zugewiesen werde. Die Zuweisung an einen der übrigen Miterben sei hierzu ungeeignet, da diese den überlebenden Gesamteigentümer nicht zwingen könnten, seinen Anteil abzutreten. Es bestehe daher die Gefahr, dass diesem ein Vorrecht gegenüber den anderen Miterben gegeben werden müsse. Ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten sei, ist hier indessen nicht zu entscheiden, da gar kein Fall eines überlebenden Gesamt- oder Miteigentümers zu beurteilen ist, der zugleich Erbe ist. Im vorliegenden Fall sind vielmehr beide Gesamteigentümer verstorben. Die beiden Ansprecher sind blosse Miterben, wenn auch mit Bezug auf beide Nachlässe der ursprünglichen Gesamteigentümer.
c) In
BGE 75 II 199
ff. E. 2 liess das Bundesgericht die Anwendung des bäuerlichen Erbrechts zu, obwohl sich das landwirtschaftliche Heimwesen an sich in zwei Erbmassen befunden hatte. In jenem Fall wurde die Erbengemeinschaft nach dem Tode des ersten Ehegatten nicht aufgelöst, und nach dem Tode des zweiten erachtete es das Bundesgericht als zulässig, dass das bisher in der Erbengemeinschaft verbliebene Gewerbe einem Erben des erstverstorbenen oder einem Erben des zweitverstorbenen Ehegatten zugewiesen werde. Jener Fall gleicht dem vorliegenden somit insofern, als eine erste Erbengemeinschaft vorerst nicht aufgelöst worden ist und über die Integralzuweisung erst nach dem Tode eines Erben zu befinden ist. Daraus kann jedoch nichts für den vorliegenden Fall abgeleitet werden. Im Unterschied zu hier befand sich das landwirtschaftliche Heimwesen nämlich im Alleineigentum des Erstversterbenden, weshalb das Heimwesen als solches in den ersten Nachlass fiel. Die Besonderheit jenes Falles liegt somit einzig darin, dass das bäuerliche Erbrecht nach dem Tode eines Miterben weiterhin und auch in bezug auf Erbeserben für anwendbar erklärt worden ist, die nach dem Tode eines Miterben dessen Platz in einer fortgesetzten Erbengemeinschaft einnehmen. Im vorliegenden Fall besassen der Erst- und der Zweitversterbende zu Lebzeiten hingegen je einen Gesamteigentumsanteil am betreffenden Heimwesen, so dass beim Tode des ersten nicht das ganze Heimwesen in seinen Nachlass fiel, sondern nur der betreffende
BGE 113 II 493 S. 499
Gesamteigentumsanteil. Nach dem Tode des zweiten Gesamteigentümers ist es daher nicht möglich, in bezug auf das Heimwesen durch den Eintritt von Erbeserben in die Erbengemeinschaft die Rechtszuständigkeit einer einzigen Erbengemeinschaft zu begründen. Das Eigentum am Heimwesen ist und bleibt vielmehr auf zwei Nachlässe verteilt. Dass die Erben in beiden Fällen - nach dem Vorversterben anderer - zufälligerweise identisch sind, vermag daran nichts zu ändern.
d) NEUKOMM/CZETTLER (a.a.O., S. 99 f.) treten nun allerdings auch in einem solchen Fall dafür ein, das bäuerliche Erbrecht anzuwenden. Die erwähnte strenge Auslegung könne dem Willen des Gesetzgebers nicht entsprechen. Im Sinne der höheren Zielsetzung von
Art. 620 ZGB
sei die Betriebseinheit aufrechtzuerhalten. Durch die Revision des
Art. 620 Abs. 2 ZGB
im Jahre 1972 sei zudem eine neue Lage entstanden.
Der revidierte
Art. 620 Abs. 2 ZGB
bestimmt in der Tat, dass zur Beurteilung, ob eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz gegeben sei, Anteile an Liegenschaften und für längere Dauer mitbewirtschaftete Liegenschaften berücksichtigt werden können. Diese Gesetzesvorschrift erlaubt somit, bei der Beurteilung der ausreichenden landwirtschaftlichen Existenz als einer der objektiven Voraussetzungen der Integralzuweisung auch Anteile an Liegenschaften mitzuberücksichtigen, die vom Erblasser oder vom Übernehmer (
BGE 104 II 257
;
BGE 107 II 321
) während längerer Zeit mitbewirtschaftet worden sind. Dies hilft den Ansprechern im vorliegenden Fall jedoch nicht weiter, da die Frage, ob das Gewerbe eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz gewährleiste, überhaupt nicht bestritten ist.
Vorliegend geht es einzig um das Problem, dass die Integralzuweisung nach bisheriger Rechtsprechung zum vornherein ausgeschlossen ist, wenn sich in der Erbmasse nicht ein landwirtschaftliches Gewerbe als solches befindet, sondern nur ein Eigentumsanteil. Dieser Umstand war der vorberatenden Kommission für die Revision des bäuerlichen Erbrechts bekannt, die denn auch eine entsprechende Änderung von
Art. 620 Abs. 1 ZGB
vorschlug. Auf Vorschlag des EJPD sollte diese Problematik indessen nicht durch einen besonderen Satz in Absatz 1, sondern in Absatz 2 geregelt werden. Dieser Wille kommt nun aber in der jetzigen Fassung von
Art. 620 Abs. 2 ZGB
in keiner Weise zum Ausdruck. Das Problem der rechtlichen Einheit des Heimwesens wird hier, wie bereits erwähnt, nur am Rande im Zusammenhang mit der ausreichenden
BGE 113 II 493 S. 500
landwirtschaftlichen Existenz berührt (vgl. hierzu STUDER, a.a.O., S. 120-125). Angesichts der mangelnden gesetzlichen Grundlage fehlt es aber an der Handhabe, dem bäuerlichen Erbrecht entsprechend seinem agrarpolitischen Zweck gegenüber dem allgemeinen Erbrecht, das allen Erben einen Anspruch auf Gleichbehandlung gibt, den Vorrang zu geben.
e) Ob eine gesetzliche Lücke anzunehmen ist, die durch die Rechtsprechung im Sinne einer Erweiterung des Anwendungsbereichs des bäuerlichen Erbrechts gefüllt werden kann, wie es von LIVER ins Auge gefasst worden ist (Rechtsgutachten vom 5./8. April 1974, zitiert bei STUDER (a.a.O., S. 121-123), ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden (verneinend: STUDER, a.a.O., S. 125). Denn selbst wenn eine solche Lücke angenommen würde, könnte das bäuerliche Erbrecht hier nicht angewendet werden. Im ersten der beiden Erbfälle steht nämlich noch die Liquidation der einfachen Gesellschaft an. Eine solche Liquidation schliesst eine sachenrechtliche Liquidation aus (
BGE 93 II 391
f.) und kann auch bei einer erbrechtlichen Auseinandersetzung nicht ausser acht gelassen werden. Es würde hier somit nicht genügen, zuzulassen, dass mit Hilfe des bäuerlichen Erbrechts die wirtschaftliche Einheit eines Heimwesens in eine rechtliche Einheit übergeführt werden kann, wenn sich Eigentumsanteile des fraglichen Heimwesens in verschiedenen Erbmassen mit identischen Erben befinden. Eine Integralzuweisung wäre vielmehr nur dann möglich, wenn auch die Liquidation der einfachen Gesellschaft nach den Grundsätzen des bäuerlichen Erbrechts erfolgen könnte. Dies ist indessen ausgeschlossen. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
490182c0-60c5-40d4-b8a6-58bf353c2eef | Urteilskopf
123 IV 190
29. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 30 octobre 1997 dans la cause M. contre banque B. et Procureur général du canton de Genève (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 270 Abs. 1 BStP
; Legitimation des Geschädigten zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde.
Ein Einstellungsbeschluss kann sich nur dann negativ auf die Beurteilung einer Zivilforderung auswirken, wenn eine solche Forderung besteht. Wer keinen Schaden erlitten hat, hat keine Schadenersatzforderung (E. 1).
Der Geschädigte muss in der Nichtigkeitsbeschwerde in rechtsgenüglicher Weise darlegen, welche Zivilforderung er im Strafverfahren geltend machen wollte (E. 1). | Sachverhalt
ab Seite 190
BGE 123 IV 190 S. 190
En février 1993, L. a ouvert un compte auprès de la banque B. Elle a confié une procuration générale à son mari, M., qui s'est occupé seul de la gestion de ce compte, sur lequel de nombreuses opérations ont été réalisées de 1993 à 1996.
Par demande du 26 mars 1996, L. a réclamé des dommages-intérêts à la banque, soutenant que celle-ci s'était livrée à des opérations spéculatives sans autorisation entre décembre 1994 et décembre 1995. La banque s'est opposée à la demande, en soutenant que les opérations litigieuses avaient été effectuées sur les instructions expresses de M., qui en avait été dûment informé; pour rendre vraisemblable sa thèse, elle a fourni, dans le cadre de cette procédure civile, divers renseignements au sujet de M.
Estimant que les renseignements ainsi donnés violaient le secret bancaire, M. a déposé plainte pénale.
Par décision du 23 avril 1997, le Procureur général a classé la procédure pénale. Le recours formé par M. contre cette décision a été
BGE 123 IV 190 S. 191
rejeté par ordonnance de la Chambre d'accusation de la Cour de justice genevoise du 3 juillet 1997.
M. se pourvoit en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral contre cette ordonnance, concluant à son annulation.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recourant, qui n'invoque que le secret de ses affaires et ses intérêts patrimoniaux, n'est pas une victime au sens de l'
art. 2 LAVI
(RS 312.5). Sa qualité pour se pourvoir en nullité ne peut donc pas se fonder sur l'
art. 8 al. 1 let
. c LAVI, mais exclusivement sur l'
art. 270 al. 1 PPF
(cf.
ATF 120 IV 44
consid. 2a et b p. 49).
Selon cette disposition, le lésé peut se pourvoir en nullité, entre autres conditions, dans la mesure où la sentence attaquée peut avoir un effet négatif sur le jugement de ses prétentions civiles (cf.
ATF 120 IV 38
consid. 2c p. 41;
ATF 119 IV 339
consid. 1d/cc p. 343).
Certes, on ne saurait reprocher au recourant de ne pas avoir pris de conclusions civiles sur le fond, puisque la procédure n'a pas été menée jusqu'à un stade qui aurait permis de le faire (
ATF 122 IV 139
consid. 1 p. 141;
ATF 120 IV 44
consid. 4a p. 52, 90 consid. 1a/aa p. 92, 94 consid. 1a/aa p. 95, 154 consid. 3a/aa p. 157). Il lui incombait cependant, en pareil cas, d'indiquer dans son mémoire quelle prétention civile il entendait faire valoir et en quoi la décision attaquée pouvait avoir une influence négative sur le jugement de celle-ci (
ATF 122 IV 139
consid. 1 p. 141;
ATF 120 IV 44
consid. 8 p. 57;
ATF 119 IV 339
consid. 1d/cc p. 344).
En l'espèce, le recourant parle d'une action en dommages-intérêts. On ne voit cependant pas en quoi les révélations dont il se plaint lui auraient causé un préjudice patrimonial. Il ne l'explique en tout cas d'aucune façon. En l'absence de dommages, il ne peut avoir aucune prétention en dommages-intérêts, de sorte que la décision attaquée ne peut pas avoir d'influence négative sur une prétention qui n'existe pas (cf.
ATF 121 IV 317
consid. 3a p. 323 s.).
Le recourant parle aussi d'une action en cessation du trouble, mais on ne parvient pas à discerner de quoi il s'agit. Aucune action en justice ne peut faire en sorte que les personnes qui ont eu connaissance des renseignements les oublient. Quant au risque d'une propagation des renseignements, le recourant ne l'évoque même pas et ne l'explique en aucune manière. Il faut d'ailleurs rappeler que les juges et les greffiers sont tenus au secret de fonction (
art. 320 CP
), tandis que les avocats des parties sont tenus au secret professionnel
BGE 123 IV 190 S. 192
(
art. 321 CP
). On ne voit pas quelle action civile pourrait utilement renforcer le devoir de se taire qui est déjà garanti par des dispositions pénales. Il reste le risque - non évoqué par le recourant - que d'autres juges ou greffiers puissent prendre connaissance des informations si l'affaire est portée ensuite devant une juridiction supérieure. Il ne s'agit cependant que d'un risque futur et hypothétique. Le recourant n'expose en tout cas pas de manière suffisante quelle conclusion civile il pourrait actuellement prendre dans le cadre de l'action pénale, de sorte que l'on ne voit pas en quoi la décision attaquée pourrait avoir une influence négative sur le jugement d'une prétention civile.
Une des conditions de la qualité pour recourir faisant défaut, le pourvoi doit être déclaré irrecevable.
2.
(Suite de frais). | null | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
490cbc15-6a93-481d-a139-2e59b8cdd2d3 | Urteilskopf
97 I 389
54. Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Juni 1971 i.S. Dal-Bosco und Walther gegen Bern, Regierungsrat. | Regeste
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde in Zivilstandssachen. Zulässigkeit dieses Rechtsmittels (
Art. 97, 98 lit. g OG
; Erw. 1).
Beschwerdelegitimation. Prüfungsbefugnis der Aufsichtsbehörde und des Bundesgerichts (Erw. 2).
Zivilstandsregister. Eintragung ins Familienregister der im Ausland (Dänemark) erfolgten Eheschliessung zwischen einer Schweizerin und einem in der Schweiz geschiedenen Italiener (
Art. 137 Abs. 1 ZStV
;
Art. 7c Abs. 1 NAG
; Änderung der Rechtsprechung; Erw. 3-12). Stellung der Kinder aus einer solchen Ehe (
Art. 8 NAG
; Erw. 12 a.E.). Bewilligung der Eheschliessung eines geschiedenen Italieners in der Schweiz? (
Art. 168 ZStV
; Art. 1 ff. des Haager Abkommens zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschliessung vom 12. Juni 1902; Erw. 13). | Sachverhalt
ab Seite 390
BGE 97 I 389 S. 390
A.-
Am 15. März 1963 schied das Amtsgericht von Bern auf Klage der Ehefrau die Ehe zwischen dem italienischen Staatsangehörigen Bruno Lorenzo Dal Bosco und der gebürtigen Schweizerin Sylvia geb. Gerber, die bei der Heirat das Schweizerbürgerrecht beibehalten hatte. In der Folge lebte Dal Bosco in Bern mit der seit dem 28. April 1961 von Paul Miserez geschiedenen, in Lajoux (Kt. Bern) heimatberechtigten Rosmarie Ruth Walther zusammen. In den gemeinsamen Haushalt wurden auch die drei aus den geschiedenen Ehen hervorgegangenen Kinder aufgenommen. Am 17. April 1969 liess sich das Paar in Tondern (Dänemark) trauen. Rosmarie Ruth Walther hatte weder einem Zivilstandsbeamten in der Schweiz (wo ein Verkündverfahren im Sinne von
Art. 148 ff. und 171 ZStV
nicht durchgeführt worden war) noch einem diplomatischen oder konsularischen Vertreter der Schweiz im Ausland die Erklärung abgegeben, sie wolle das Schweizerbürgerrecht beibehalten. Sie nahm nach ihrer Darstellung an, die Ehe werde in Italien nicht anerkannt, so dass sie durch die Heirat die italienische Staatsangehörigkeit nicht erwerbe, sondern auch ohne Beibehaltungserklärung Schweizerin bleibe.
B.-
Am 22. April 1969 übermittelte Rosmarie Ruth Walther die dänische Heiratsurkunde dem Amt für den Zivilstandsdienst bei der Polizeidirektion des Kantons Bern und ersuchte um die Bewilligung zur Eintragung der neuen Ehe ins Familienregister der Gemeinde Lajoux. Das Amt wies dieses Gesuch am 20. Mai 1970 unter Hinweis auf den Entscheid des Bundesgerichts vom 11. November 1954 i.S. Caliaro (
BGE 80 I 427
ff.) ab. Der Regierungsrat des Kantons Bern, bei dem Frau Walther Beschwerde führte, entschied am 11. August 1970 im gleichen Sinne,
BGE 97 I 389 S. 391
nachdem das Italienische Konsulat in Bern bestätigt hatte, dass die neue Ehe Dal Boscos von den italienischen Behörden nicht anerkannt werden könne.
C.-
Gegen den Entscheid des Regierungsrates haben Dal Bosco und Frau Walther beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, ihre in Tondern geschlossene Ehe sei anzuerkennen und es sei deren Eintragung in das Familienregister von Lajoux anzuordnen.
Der Regierungsrat hat auf Bemerkungen zu dieser Beschwerde verzichtet. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement enthält sich in seiner Vernehmlassung vom 20. November 1970 eines förmlichen Antrags, drückt aber die Hoffnung aus, dass eine neue Rechtsprechung des Bundesgerichts die Kantone zu einer Vereinheitlichung ihrer (gegenwärtig zersplitterten) Praxis bewegen möge.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörde in Zivilstandssachen können nach
Art. 97 und 98 lit. g OG
in der Fassung gemäss Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 (AS 1969 767) an das Bundesgericht weitergezogen werden. Das eben erwähnte Bundesgesetz hat diese Beschwerdemöglichkeit, welche
Art. 99 I lit. c OG
in der Fassung vom 16. Dezember 1943 (BS 3 531) in Übereinstimmung mit
Art. 43 Abs. 2 ZGB
und
Art. 20 ZStV
ausdrücklich vorgesehen hatte, nicht beseitigen wollen (nicht veröffentlichte Entscheide vom 12. November 1970 i.S. Colla gegen Colla und Conseil d'Etat du canton de Vaud und vom 19. April 1971 i.S. Biro gegen Département de justice du canton de Genève; vgl. auch den Entscheid
BGE 97 I 268
ff., der eine Grundbuchsache betrifft).
2.
Die Beschwerdeführer verlangen die Anerkennung ihrer in Dänemark geschlossenen Ehe und deren Eintragung in das Familienregister der Gemeinde Lajoux. Im vorliegenden Verfahren ist jedoch nur über das Eintragungsbegehren zu entscheiden. Die Frage der Anerkennung der Ehe ist eine Vorfrage, die nicht im Urteilsspruch zu beantworten ist.
Durch den angefochtenen Entscheid, der das Eintragungsgesuch von Frau Walther ablehnt, wird nur diese selbst, nicht auch Dal Bosco, im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
"berührt" bzw. beschwert. Dal Bosco hat an der Eintragung der Ehe ins Familienregister der Heimatgemeinde von Frau Walther auf jeden
BGE 97 I 389 S. 392
Fall kein eigenes und unmittelbares Interesse, wie es für die Berechtigung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde erforderlich ist (
BGE 92 I 147
E. 2c; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 1969, S. 107). Auf die Beschwerde ist daher nur insoweit einzutreten, als sie von Frau Walther erhoben wurde.
Die Frage, ob die in Dänemark geschlossene Ehe ins Familienregister von Lajoux einzutragen oder ob dieser Ehe die Anerkennung in der Schweiz zu versagen und die von Frau Walther verlangte Eintragung aus diesem Grunde abzulehnen sei, ist im vorliegenden Verfahren umfassend zu prüfen. Die Beteiligten können in einem solchen Falle nicht darauf verwiesen werden, die sich stellenden Fragen des internationalen Privatrechts vorerst durch den Zivilrichter entscheiden zu lassen (vgl.
BGE 80 I 430
E. 2 am Ende; vgl. auch
BGE 94 I 235
ff., wo die Frage der Anerkennung und Eintragung eines in Schweden ergangenen Scheidungsurteils auf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin umfassend geprüft wurde).
3.
Nach
Art. 137 Abs. 1 ZStV
dürfen ausländische Urkunden (bzw. die durch sie bezeugten Zivilstandstatsachen) nur mit Bewilligung der kantonalen Aufsichtsbehörde eingetragen werden. Das gilt namentlich auch für die Eintragungen ins Familienregister (
Art. 118 Abs. 1 Satz 2 ZStV
). Die Eintragung einer durch eine ausländische Urkunde bezeugten Eheschliessung darf grundsätzlich nur bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen der Anerkennung dieser Eheschliessung in der Schweiz gegeben sind.
Es ist unbestritten, dass die Eheschliessung, auf welche sich die vorliegende dänische Heiratsurkunde bezieht, vor einer nach dänischem Recht zuständigen Behörde und in der vom dänischen Recht vorgeschriebenen Form stattgefunden hat und dass sie nach dänischem Recht, wie in der Urkunde bescheinigt wird ("mit voller bürgerlicher Gültigkeit die Ehe miteinander geschlossen"), auch materiell gültig ist.
Für die Anerkennung dieser Eheschliessung in der Schweiz ist entgegen der Auffassung, die Frau Walther in ihrer Beschwerde an den Regierungsrat vertreten hat, nicht von Bedeutung, dass der Bürgermeister von Tondern das Ehevorhaben der Beschwerdeführer zwei Monate vor der Trauung durch eine Bekanntmachung in einer bernischen Tageszeitung ("Der Bund" vom 16. Februar 1969) "zur allgemeinen Kenntnis" brachte mit dem
BGE 97 I 389 S. 393
Beifügen, eventuelle Einwendungen gegen die geplante Heirat seien ihm binnen vierzehn Tagen anzuzeigen, und dass die bernischen Zivilstandsbehörden, welche die Bekanntmachung lasen, eine solche Einsprache unterliessen. Die bernischen Behörden konnten sich von einer Einsprache mit dem Hinweis darauf, dass der Heimatstaat Dal Boscos dessen Scheidung nicht anerkenne, nichts versprechen, weil die dänischen Behörden (denen das Scheidungsurteil vorlag) dies ohne Zweifel bereits wussten, aber nach dänischem Recht darauf nicht Rücksicht zu nehmen hatten. Hievon abgesehen kann die Tatsache, dass die schweizerischen Behörden auf eine in einer Tageszeitung erschienene Bekanntmachung eines Ehevorhabens durch eine ausländische Zivilstandsbehörde nicht reagieren, den Entscheid über die Anerkennung der Eheschliessung in der Schweiz nicht beeinflussen. Wenn die schweizerischen Behörden in einem solchen Falle untätig bleiben, so bedeutet das keineswegs, dass sie die angekündigte Eheschliessung zum voraus anerkennen.
4.
Dänemark gehört nicht zu den Vertragsstaaten des Haager Abkommens zur Regelung des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete der Eheschliessung vom 12. Juni 1902 (BS 11 795), dem die Schweiz und Italien beigetreten sind. Dieses Abkommen ist also nach seinem Artikel 8 im vorliegenden Falle nicht anwendbar. Es besteht auch kein anderer Staatsvertrag, der die Frage beantworten würde, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen eine im Ausland erfolgte Eheschliessung wie die vorliegende in der Schweiz anzuerkennen sei. Daher sind die einschlägigen Vorschriften des schweizerischen Landesrechts anzuwenden (vgl.
BGE 80 I 430
E. 3).
5.
a) Im Falle Caliaro (
BGE 80 I 427
ff.), wo es sich um die Eintragung der in England geschlossenen Ehe zwischen einem in der Schweiz von einer Schweizerin geschiedenen Italiener und einer ledigen Schweizerin handelte, nahm das Bundesgericht an, die Vorschrift von
Art. 7 c Abs. 1 NAG
, wonach sich die Gültigkeit einer Eheschliessung bei ausländischer Staatsangehörigkeit des Bräutigams, der Braut oder beider "in bezug auf jedes von ihnen nach dem heimatlichen Rechte beurteilt", gelte entsprechend ihrem allgemeinen Wortlaut und dem von ihr verfolgten Zweck, Konflikte mit dem Heimatrecht nach Möglichkeit zu vermeiden, nicht bloss für die Eheschliessung in der Schweiz, sondern auch für die Beurteilung der Gültigkeit von im Ausland geschlossenen Ehen.
BGE 97 I 389 S. 394
Art. 7 f Abs. 1 NAG
gelte nur für Schweizer. Das italienische Recht, das demnach als Heimatrecht Caliaros zu berücksichtigen sei, lasse die italienischen Vorschriften über die Voraussetzungen der Eheschliessung auch dann zur Geltung kommen, wenn ein Italiener im Ausland heirate. Nach diesen Vorschriften habe Caliaro die streitige Ehe nicht eingehen können, weil Italien die Scheidung seiner ersten Ehe nicht anerkenne, sondern diese als noch bestehend betrachte, so dass die Voraussetzung des ledigen Standes (Art. 86 des Codice civile) nicht gegeben sei. Die gleichwohl geschlossene Ehe sei nach italienischem Recht ungültig, d.h. sie könne gemäss Art. 117 des Codice civile mit der Nichtigkeitsklage angefochten werden. Sie werde in Italien nicht anerkannt. Eine im Heimatland nicht anerkannte Ehe könne nach
Art. 7 c Abs. 1 NAG
auch in der Schweiz nicht anerkannt werden. Die Ehe der Beschwerdeführer sei deshalb in der Schweiz nicht einzutragen. Die Anwendung des ausländischen Rechts, die zu diesem Ergebnis führe, könne nicht unter Berufung auf den schweizerischen ordre public abgelehnt werden.
b) Diese Entscheidung hat VAUCHER (ZSR 1967 II 548 ff.) gebilligt. Andere Autoren haben sie dagegen aus mannigfachen Gründen und zum Teil mit scharfen Worten abgelehnt (LALIVE: Schweiz. Jahrbuch für internationales Recht = SJb 1956 S. 243 f.; "Le mariage des étrangers en droit international privé suisse", Zeitschrift für Zivilstandswesen = ZZw 1961 S. 391 ff., 392; LACHENAL: "Le droit applicable aux mariages mixtes célébrés à l'étranger", SJb 1957 S. 33 ff.; "De quelques jurisprudences récentes en droit international privé", Mémoires publiés par la faculté de droit de Genève, no. 15, 1962, Première Journée juridique - 27 mai 1961, S. 93 ff., 103 ff.; LOUIS-LUCAS: "Qualification et répartition", Revue critique de droit international privé = Revue critique 1957 S. 153 ff., 172 f.; VISCHER: "Mariage mixte und Ehescheidung im internationalen Privatrecht der Schweiz", Jus et Lex, Festgabe Max Gutzwiller 1959, S. 413 ff.; SJb 1968 S. 126; "Der ordre public im Familienrecht", ZZw 1969 S. 324 ff., 328 f. und - in französicher Übersetzung - ZZw 1970 S. 33 ff., 37 f.; "Internationales Privatrecht", Schweiz. Privatrecht I, 1969, S. 598 f.; VON OVERBECK: ZSR 1967 II 724; "Die Wiederverheiratung des nach schweizerischem Rechte geschiedenen Angehörigen eines Staates, der keine Ehescheidung anerkennt", ZZw 1967 S.
BGE 97 I 389 S. 395
346 ff., 350 ff.; "Le remariage du conjoint divorcé selon le projet de convention de La Haye sur la reconnaissance des divorces et selon les droits allemand et suisse", Revue critique 1970 S. 45 ff., 53 ff.; P. M. GUTZWILLER, "Grundsätzliche Überlegungen zur Wiederverheiratung des in der Schweiz geschiedenen Angehörigen eines Staates, der keine Ehescheidung kennt", ZZw 1969 S. 181 ff.; KNOEPFLER: Revue critique 1969 S. 313 ff.; STAUFFER: "Die Ehefähigkeit des geschiedenen Italieners in der Schweiz", SJZ 1971 S. 117 ff.).
LALIVE bezeichnet die Lösung des Bundesgerichts als unbefriedigend und findet, sie schaffe ebensoviele Konflikte, wie sie solche verhindern wolle. LACHENAL neigt zu der von STAUFFER (N. 1 und 5 zu Art. 7 c, N. 10 zu
Art. 7 f NAG
) und BECK (N. 1, 2 zu Art. 7 c, N. 8 ff. und 59 zu
Art. 7 f NAG
) vertretenen, in
BGE 80 I 431
E. 5 abgelehnten Auffassung,
Art. 7 c NAG
gelte nur für die Eheschliessung in der Schweiz, während
Art. 7 f Abs. 1 NAG
, wonach eine im Ausland nach dem dort geltenden Recht geschlossene Ehe in der Schweiz grundsätzlich anerkannt wird, nicht nur auf Ehen zwischen Schweizern, sondern auch auf solche zwischen Ausländern oder doch auf solche zwischen einem schweizerischen und einem ausländischen Partner anzuwenden sei. Er betrachtet zudem als widersprüchlich, dass die schweizerischen Behörden bei der Scheidung national gemischter Ehen im Interesse der schweizerischen Ehefrau über das Heimatrecht des ausländischen Ehemannes hinwegschreiten, bei der Eheschliessung dagegen auf dieses Recht Rücksicht nehmen, selbst wenn die zweite Frau wiederum eine Schweizerin ist. LOUIS-LUCAS hält dafür, der Scheidungsstaat müsse auf Grund des rechtskräftigen Scheidungsurteils, das die Ehe hinsichtlich dieses Staates für beide Teile vollständig aufhebe, notwendigerweise beiden Teilen die Wiederverheiratung erlauben. VISCHER behauptet vor allem, das Bundesgericht habe verkannt, "dass die Ehe eine soziale Tatsache von objektiver Existenz ist, welche, wenigstens vom Gesichtspunkt eines einzigen Rechtes aus, mit Bezug auf die beiden Gatten nur bestehen kann oder nicht"; die von einem inländischen Gericht ausgesprochene Scheidung müsse für beide Gatten die gleichen Wirkungen haben. Er wirft dem Bundesgericht in ZZw 1969 S. 328 und ZZw 1970 S. 38 geradezu "Zynismus" vor, weil es in
BGE 80 I 436
erklärte, es verstosse nicht gegen den schweizerischen ordre public, dass Italien die in der Schweiz geschiedene
BGE 97 I 389 S. 396
Ehe des Italieners Caliaro als noch bestehend betrachtet und sich daher seiner Wiederverheiratung widersetzt. VON OVERBECK ist der Auffassung, die Nichtanerkennung ausländischer Scheidungen durch Italien beruhe nicht auf einem Ehehindernis des internen italienischen Rechts, sondern auf einer gewohnheitsrechtlichen Regel des internationalen Zivilprozessrechts, deren Berücksichtigung
Art. 7 c NAG
nicht verlange; aus der Rechtskraft des schweizerischen Scheidungsurteils ergebe sich, dass es seine wesentlichen Wirkungen für beide Teile entfalten müsse; die Beachtung der italienischen Betrachtungsweise habe im übrigen Wirkungen, die gegen den schweizerischen ordre public verstiessen (Verurteilung einer in der Schweiz wohnhaften Person zu dauerndem Zölibat, während der andere Gatte eine neue Familie gründen kann; Veranlassung wilder Ehen; Verletzung der Rechtsgleichheit und des Rechts zur Ehe). GUTZWILLER erblickt darin, dass der schweizerischen Ehefrau die Scheidung von einem italienischen Ehemann ermöglicht, diesem dann aber die Wiederverheiratung verwehrt wird, eine "wahre Schizophrenie". Er lehnt diese Lösung ab, weil sie "die materielle Harmonie, die interne Konsequenz unserer Rechtsordnung verhindert", und vertritt die Meinung, auf Grund des Scheidungsurteils sei die Wiederverheiratung zu bewilligen, doch sei als Voraussetzung hiefür immerhin eine gewisse Binnenbeziehung zu fordern. KNOEPFLER glaubt, der Geist des Urteils i.S. Cardo (
BGE 94 II 65
) sollte zu einer Änderung der im Entscheide Caliaro vertretenen Auffassung führen; die dort angestrebte Verwirklichung der internationalen Harmonie gehe oft auf Kosten der innern Harmonie; diese verdiene den Vorzug, auch gegenüber der Regel des
Art. 7 c NAG
. STAUFFER findet,
Art. 7 c NAG
müsse vor dem schweizerischen Scheidungsurteil, das auch den ausländischen Teil frei sein lasse, zurücktreten; Art. 7 c sei in diesem Sinne einschränkend auszulegen. Er ist aber im Gegensatz zu andern Autoren (namentlich VON OVERBECK) der Meinung, das Eheschliessungsabkommen von 1902 verbiete es, die Wiederverheiratung geschiedener Italiener in der Schweiz zuzulassen.
Unter den das Bundesgericht kritisierenden Lehrmeinungen zitiert VON OVERBECK wiederholt (ZZw 1967 S. 349 FN 2, Revue critique 1970 S. 54 FN 2) die Bemerkung von FRANCESCAKIS: "C'est là une particularité du droit suisse qui heurte passablement les idées reçues dans les autres pays du continent
BGE 97 I 389 S. 397
européen en la matière" (La théorie du renvoi, 1958, S. 217, FN 5 zu Ziff. 230). Diese Bemerkung bezieht sich jedoch nicht auf die schweizerische Rechtsprechung zur Frage der Wiederverheiratung eines geschiedenen Italieners, sondern auf die schweizerische Gesetzgebung, die den kantonalen Behörden in gewissen Fällen (Art. 256 Abs. 2, 262 Abs. 1, 306, 312 Abs. 2 ZGB) erlaubt, die Abstammung eines Kindes von einem Kantonsbürger zu bestreiten. FRANCESCAKIS vermutet, im Falle Caliaro habe die kantonale Aufsichtsbehörde die Emtragung der Eheschliessung verweigert, um zu verhindern, dass das vor der Heirat geborene Kind durch Legitimation das Kantonsbürgerrecht und damit einen Unterstützungsanspruch gegen den Kanton erwerbe (!). Er übersieht dabei, dass das Kind bereits mit seiner Geburt das Kantonsbürgerrecht seiner Mutter erworben hatte (
Art. 324 Abs. 1 ZGB
). Die Legitimation, die im Heimatstaat des Vaters nicht anerkannt worden wäre, hätte nur den Familienstand des Kindes in der Schweiz, nicht auch sein Bürgerrecht geändert.
c) Die Praxis der kantonalen Aufsichtsbehörden ist, wie schon angedeutet, nicht einheitlich. Die Vernehmlassung des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements erwähnt, dass nach den bisherigen Feststellungen des Eidg. Amtes für das Zivilstandswesen die Aufsichtsbehörden von sieben Kantonen die Eintragung von im Ausland erfolgten Eheschliessungen in der Schweiz geschiedener Italiener bereits bewilligt haben und dass nach dem Ergebnis einer vom genannten Amt im November 1970 durchgeführten telephonischen Umfrage die Aufsichtsbehörden fast aller Kantone bereit oder doch geneigt sind, eine solche Eheschliessung einzutragen. Bei der gleichen Umfrage ergab sich überdies, dass die Aufsichtsbehörden von neun Kantonen der Regierung ihres Kantons wahrscheinlich empfehlen werden, auf Grund von
Art. 168 ZStV
die Wiederverheiratung solcher Italiener in der Schweiz zu erlauben (vgl. hiezu auch den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1969, S. 90 Ziff. 4, wonach immer mehr Kantonsregierungen solche Bewilligungen erteilen, und den Bericht von GÖTZ in ZZw 1969 S. 180 f., wonach die Aufsichtsbehörde des Kantons Basel-Stadt am 14. März 1968 im Falle Grigolo eine solche Bewilligung erteilt hat).
d) In der deutschen Rechtsprechung und Lehre bestehen
BGE 97 I 389 S. 398
über die Frage, ob eine im Inland geschiedene Person wieder heiraten kann, wenn ihr Heimatrecht (oder das Heimatrecht ihres Verlobten) die Scheidung nicht anerkennt, ebenfalls Meinungsverschiedenheiten (vgl. die Hinweise im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 1964, Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen = BGHZ 41 S. 137 ff., bes. 143 ff., sowie bei MAKAROv, "Le remariage du conjoint divorcé en droit international privé", Revue critique 1967 S. 643 ff., 648 f., 652 ff., 656 ff., bei DORENBERG, "Hinkende Rechtsverhältnisse im internationalen Familienrecht", 1968, S. 150 f., und bei VON OVERBECK, Revue critique 1970 S. 50 ff.). Ausgangspunkt für die Beurteilung dieser Frage ist in Deutschland, soweit das Eheschliessungsabkommen von 1902 nicht eingreift, Art. 13 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum BGB = EG, wonach die Eingehung einer Ehe, sofern auch nur einer der Verlobten ein Deutscher ist, in Ansehung eines jeden der Verlobten nach den Gesetzen des Staates beurteilt wird, dem er angehört. Aus dieser Vorschrift wird in Deutschland der allgemeine Grundsatz abgeleitet, dass sich die materiellen Voraussetzungen der beabsichtigten oder vollzogenen Eheschliessung, erfolge sie im In- oder Ausland, für jeden Teil nach seinem Heimatrecht beurteilen (RAAPE, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 1961, S. 236 ff.; KEGEL in SOERGEL/SIEBERT, BGB, 10. Aufl., Band 7, 1970, N. 1 zu Art. 13 EG; PALANDT, BGB, 30. Aufl. 1971, N. 1 und 2 zu Art. 13 EG). Der Bundesgerichtshof hat in Anwendung dieses Grundsatzes in Fällen, wo ein katholischer Spanier eine in Deutschland geschiedene Deutsche oder eine katholische Spanierin einen dort geschiedenen Deutschen heiraten wollte, die Befreiung des spanischen Partners von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses gemäss § 10 Abs. 2 des deutschen Ehegesetzes bei Lebzeiten des frühern Ehegatten des deutschen Partners als unzulässig erklärt, weil die beabsichtigte Eheschliessung nach dem gemäss Art. 13 EG massgeblichen spanischen Recht wegen Doppelehe nichtig wäre und die Anwendung des spanischen Rechts nicht nach Art. 30 EG (Vorbehalt des ordre public) ausgeschlossen sei (BGHZ 41 S. 136 ff., 46 S. 88 ff.). Entsprechend hat am 9. Dezember 1968 das Kammergericht Berlin auf Grund von Art. 1 des Eheschliessungsabkommens von 1902 (das zwischen Deutschland und Italien gilt) im Falle eines in Deutschland geschiedenen Italieners entschieden (Zeitschrift für das gesamte Familienrecht = FamRZ 1969 S. 87 ff.).
BGE 97 I 389 S. 399
Die Gegner dieser Auffassung machen namentlich geltend, das deutsche Verfahrensrecht, nach welchem eine rechtskräftig geschiedene Ehe für beide Teile als aufgelöst zu gelten habe, gehe dem materiellen Recht einschliesslich der Regeln des internationalen Privatrechts vor (KEGEL/A. LÜDERITZ, "Hindernis des Bandes für Ausländer trotz Scheidung in Deutschland?", FamRZ 1964 S. 57 ff.; R. LÜDERITZ, "Ehen mit Gastarbeitern aus Mittelmeerstaaten", FamRZ 1966 S. 285 ff., 287; KEGEL, N. 19 zu Art. 13 EG); bei materiellrechtlicher Betrachtung sei die Vorfrage der Auflösung der ersten Ehe durch die erfolgte Scheidung im Interesse des "innern Entscheidungseinklanges" selbständig anzuknüpfen, d.h. nicht nach dem für die neue Eheschliessung, sondern nach dem für die Scheidung massgebenden Rechte zu beurteilen (KEGEL/A. LÜDERITZ a.a.O. S. 59; R. LÜDERITZ a.a.O. und FamRZ 1967 S. 198/99; KEGEL N. 18 zu Art. 13 EG); Art. 13 Abs. 1 EG verweise nur auf die abstrakten Regeln des Heimatrechts über Ehefähigkeit und Eheverbote; wie zu verfahren sei, wenn schon der Ausgangssachverhalt (z.B. also die Frage des Bestandes der als Ehehindernis in Frage kommenden frühern Ehe) im Forum und im Heimatstaat unterschiedlich beurteilt werde, sage das EG nicht; das Gesetz enthalte in diesem Punkte eine Lücke, die "unter Beachtung der eigenartigen Zwischenstellung der Beteiligten zwischen den gegenläufigen Entscheidungen mehrerer Staaten so auszufüllen" sei, "wie es die Bedürfnisse der Rechtssicherheit auf der einen und der Fallgerechtigkeit auf der anderen Seite verlangen" (DORENBERG S. 146). Der Entscheid BGHZ 41 S. 136 (vom 12. Februar 1964) veranlasste den Petitionsausschuss des IV. Bundestags zum Initiativantrag, Art. 13 Abs. 1 EG entsprechend einem vom Deutschen Rat für Internationales Privatrecht schon 1962 gemachten Vorschlage (vgl. KEGEL/A. LÜDERITZ, FamRZ 1964 S. 58) durch eine Bestimmung des Inhalts zu ergänzen, dass eine durch ein deutsches Gericht rechtskräftig geschiedene frühere Ehe eines der Verlobten der neuen Eheschliessung auch dann nicht entgegensteht, wenn das Scheidungsurteil in einem ausländischen Staate nicht anerkannt wird (vgl. R. LÜDERITZ, FamRZ 1966 S. 288; DORENBERG a.a.O. S. 154/55).
Mit Bezug auf in Dänemark geschlossene Ehen, denen nach dem Heimatrecht des einen Partners das Hindernis der Doppelehe entgegensteht, haben in den letzten Jahren einzelne deutsche Gerichte entschieden, solche Ehen seien in Deutschland als
BGE 97 I 389 S. 400
gültig zu behandeln, solange sie nicht im Heimatstaat als ungültig erklärt worden seien (Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Frankfurt/Main vom 26. Mai 1967, FamRZ 1967 S. 476, 477/78, des Amtsgerichtes Hamburg vom 30. Januar 1968, Fundheft für Zivilrecht XIV/1968 Nr. 3561, vgl. auch VON OVRBECK, Revue critique 1970 S. 54, und des Landgerichtes Bochum vom 8. Januar 1969, FamRZ 1969 S. 333/34).
e) Für das österreichische Recht vertritt HOYER ("Zur Frage der Wiederverehelichung im Inland geschiedener Ausländer", Österreichische Juristenzeitung 1965 S. 617 ff.) die Auffassung, die Versuche seien misslungen, den Gesetzesbefehl des § 6 Abs. 1 der Vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz (der inhaltlich mit Art. 13 Abs. 1 des deutschen EG übereinstimmt) für den Fall der inländischen Scheidung eines Ausländers im Sinne der Wirkung des Scheidungsurteils einzuschränken, d.h. das inländische Scheidungsurteil als stärker anzusehen als die Verweisungsnorm des § 6 Abs. 1 der erwähnten Verordnung.
f) In Frankreich (wo das Eheschliessungsabkommen von 1902 seit dem 1. Juni 1914 nicht mehr gilt; vgl. BS 11 799) wird seit dem Urteil des Tribunal de la Seine vom 17. März 1948 i.S. Sciachi (Revue critique 1948 S. 112 ff., mit Besprechung von NIBOYET) angenommen, dass ein in Frankreich geschiedener Ausländer wieder heiraten kann, selbst wenn sein Heimatstaat die Scheidung nicht anerkennt (J. ET J. FOYER in Répertoire Dalloz de droit international, Band I 1968, Artikel Divorce, N. 172; BATIFFOL/LAGARDE, Droit international privé, 5. Aufl., Band II 1971, N. 453 S. 80 f. mit Fussnote 86). Im erwähnten Urteil wird diese Lösung vor allem damit begründet, dass das rechtskräftige französische Scheidungsurteil das Eheband für das französische Recht "de façon nécessairement indivisible" hinsichtlich beider Ehegatten beseitige. BATIFFOL/LAGARDE nehmen (S. 80) an, diese Lösung werde durch den ordre public geboten.
g) In England, wo seinerzeit die Ehe Caliaro-Wydler geschlossen worden war, wird heute die Wiederverheiratung eines in der Schweiz geschiedenen Italieners, der wie seine Verlobte in der Schweiz Wohnsitz hat und sich nur zum Zwecke der Eheschliessung vorübergehend nach England begeben hat, nicht mehr zugelassen, weil die Eheschliessung in der Schweiz als Wohnsitzstaat nicht zulässig sei und weil dort die in England
BGE 97 I 389 S. 401
erfolgte Eheschliessung voraussichtlich auch nicht anerkannt würde (Entscheid der Queen's Bench Division der englischen High Court vom 23. August 1968 i.S. Regina v. Brentwood Superintendent Registrar of Marriages, Revue critique 1969 S. 491 ff.; vgl. VON OVERBECK, Revue critique 1970 S. 51).
h) Der Entwurf eines Haager Abkommens über die Anerkennung von Scheidungen und Trennungen vom Oktober 1968, das die (von der Schweiz schon 1928 gekündigte) Haager Scheidungskonvention von 1902 ersetzen soll, sieht in Art. 11 vor:
"Un Etat, tenu de reconnaître un divorce par application de la présente Convention, ne peut pas interdire le remariage à l'un ou l'autre époux au motif que la loi d'un autre Etat ne reconnaît pas ce divorce".
(Vgl. hiezu VISCHER, SJb 1968 S. 126, und VON OVERBECK, Revue critique 1970 S. 48 ff., der darauf hinweist, dass diese Bestimmung die Wiederverheiratung im Scheidungsstaate nicht erfasst, dass aber die Ratifikation des Abkommens von einer entsprechenden Änderung des inländischen Rechts begleitet sein sollte.)
6.
Die dargestellte Kritik der Lehre am Entscheide Caliaro und an ähnlichen deutschen Entscheiden sowie die aufgezeigten Entwicklungstendenzen der Praxis der kantonalen Aufsichtsbehörden und der ausländischen Praxis wie auch des Staatsvertragsrechts rechtfertigen eine neue Prüfung der im Falle Caliaro beurteilten Frage, ob die im Ausland erfolgte Eheschliessung eines in der Schweiz geschiedenen Italieners in der Schweiz anzuerkennen und ins Zivilstandsregister einzutragen sei. Diese Frage ist nicht etwa dadurch gegenstandslos geworden, dass Italien durch Gesetz vom 1. Dezember 1970 (Gazzetta Ufficiale della Repubblica Italiana 1970 S. 8046 ff.) die Ehescheidung eingeführt hat. Abgesehen davon, dass dieses Gesetz noch der Gefahr der Aufhebung durch ein Referendum ausgesetzt ist (vgl. PADIRAC, "Les aspects constitutionnels du problème de l'introduction du divorce en Italie", Revue du droit public et de la science politique en France et à l'étranger 1971 S. 387 ff., 443 ff.), weiss man nicht, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen Italien nunmehr eine in der Schweiz ausgesprochene Scheidung eines italienischen Staatsangehörigen anerkennt. Es ist daher nicht sicher, dass der im italienischen Recht liegende Grund, der im Falle Caliaro zur Nichtanerkennung
BGE 97 I 389 S. 402
der neuen Ehe führte, weggefallen ist. Es lässt sich aber auch nicht sagen, an einer neuen Prüfung der erwähnten Frage bestehe deshalb kein Interesse mehr, weil Art. 3 Ziff. 2 lit. e des Gesetzes vom 1. Dezember 1970 vorsieht, ein Ehegatte könne die Scheidung verlangen, wenn der andere Ehegatte Ausländer ist und im Ausland die Nichtigerklärung oder die Scheidung der Ehe erwirkt oder im Ausland eine neue Ehe geschlossen hat. Man weiss nämlich nicht, ob ein ausserhalb Italiens geschiedener Italiener auch dann, wenn weder er noch sein früherer Ehegatte in Italien wohnt, in Italien auf Scheidung klagen kann (vgl. die Gerichtsstandsvorschrift von Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Dezember 1970, die den Fall, dass beide Parteien ausserhalb Italiens wohnen, anscheinend nicht berücksichtigt), und im übrigen wäre ein solches Verfahren vor den italienischen Gerichten mit einem erheblichen Zeitverlust und mit Kosten verbunden. 7. - VON OVERBECK vertritt in Revue critique 1970 S. 54/55 im Sinne eines Eventualstandpunktes die Auffassung, selbst wenn es gerechtfertigt wäre, einem geschiedenen Italiener die Wiederverheiratung in der Schweiz zu verbieten, hätte das Bundesgericht doch - wie in der neuern deutschen Rechtsprechung geschehen (vgl. den Schluss von Er. 5d hievor) - beachten sollen, dass die im Ausland geschlossene Ehe eines geschiedenen Italieners nach italienischem wie nach schweizerischem Recht bestehe und ihre Wirkungen entfalte, bis sie gerichtlich für nichtig erklärt wird (Art. 117 des Codice civile; vgl.
BGE 80 I 435
). Dieses Argument wirkt zunächst bestechend. Eine im Ausland geschlossene Ehe eines geschiedenen Italieners und einer Schweizerin mit dieser Begründung einstweilen anzuerkennen und einzutragen, vermag aber deshalb nicht voll zu befriedigen, weil sich dann sofort die Frage erheben würde, ob die zuständige Behörde des Kantons (
Art. 121 Abs. 1 ZGB
) am Wohnsitz des Ehemannes (GÖTZ N. 2 und 4 zu
Art. 136 ZGB
) von Amtes wegen auf Nichtigerklärung der Ehe nach
Art. 120 Ziff. 1 ZGB
zu klagen habe (was allerdings nach VON OVERBECK, Revue critique 1970 S. 55, in einem solchen Falle noch nie geschehen sein soll). Es darf daher nicht bei dieser Lösung bleiben, wenn sich die Annahme rechtfertigen lässt, dass Ehen wie die in Frage stehende in der Schweiz vorbehaltlos anzuerkennen sind.
8.
Der Anregung von LACHENAL, bei der Beurteilung der materiellen Gültigkeit einer im Ausland erfolgten Eheschliessung
BGE 97 I 389 S. 403
zwischen einem Ausländer und einer Schweizerin das anwendbare Recht nicht nach Art. 7 c Abs. 1, sondern nach
Art. 7 f Abs. 1 NAG
zu bestimmen (Erw. 5 b hievor), ist aus den in
BGE 80 I 431
ff. E. 5 dargelegten Gründen nicht zu folgen. Es trifft zwar zu, dass der dort angerufene Zweck des Gesetzes, Konflikte mit dem Heimatrecht der Ehegatten nach Möglichkeit zu vermeiden, von der schweizerischen Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht konsequent verfolgt wird, sondern dass z.B. bei der Scheidung einer Ehe zwischen einer Schweizerin und einem Ausländer Konflikte mit dem Heimatrecht des ausländischen Ehegatten in Kauf gekommen werden (
BGE 58 II 93
: Beurteilung einer Scheidungsklage einer schweizerisch-italienischen Doppelbürgerin gegen einen Italiener ausschliesslich nach schweizerischem Recht). Das rechtfertigt jedoch für sich allein noch nicht, den Zweck der Vermeidung von Konflikten mit dem Heimatrecht, auf den die Regeln über das auf die Eheschliessung anzuwendende Recht unverkennbar ausgerichtet sind, bei der Bestimmung des Verhältnisses zwischen
Art. 7 c und 7 f NAG
ausser acht zu lassen und den Fall der Eheschliessung im Ausland allgemein von der Grundregel des Art. 7 c auszunehmen und dem Art. 7 f zu unterstellen. Ausser LACHENAL ziehen denn auch die Kritiker des Entscheides im Falle Caliaro nicht in Zweifel, dass sich das auf die materiellen Voraussetzungen der Eheschliessung anwendbare Recht in der Schweiz auch in solchen Fällen grundsätzlich nach
Art. 7 c NAG
bestimmt. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Bedeutung, die in Deutschland der Vorschrift von Art. 13 Abs. 1 EG beigemessen wird, mit dem sich
Art. 7 c Abs. 1 NAG
im wesentlichen deckt (vgl. Erw. 5 d hievor). - Die von LACHENAL angeregte Anwendung von
Art. 7 f NAG
auf Fälle wie den vorliegenden würde im übrigen zur Lösung der Frage der Wiederverheiratung eines geschiedenen Angehörigen eines scheidungsfeindlichen Staates in der Schweiz, welche die Kritiker des Bundesgerichts vor allem beschäftigt, nichts beitragen.
9.
Zu Unrecht glaubt VON OVERBECK,
Art. 7 c NAG
lasse sich mit der Begründung ausschalten, die Nichtanerkennung ausländischer Scheidungsurteile betreffend Italiener durch Italien beruhe nicht auf einem Ehehindernis des internen italienischen Rechts, sondern aufeiner Regel des internationalen Zivilprozessrechts, die nach
Art. 7 c NAG
nicht zu berücksichtigen sei (Erw. 5b hievor). Das italienische Eherecht fordert
BGE 97 I 389 S. 404
als Voraussetzung der Eheschliessung den ledigen Stand (Art. 86 Cc) und enthielt bis zum Gesetz vom 1. Dezember 1970 den Grundsatz, die Ehe werde nur durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst (Art. 149 Abs. 1 Cc). Darnach verbot das italienische Recht bis zum Gesetz vom 1. Dezember 1970 implicite die Wiederverheiratung eines geschiedenen Ehegatten bei Lebzeiten des andern. Selbst wenn man aber annehmen will, die Nichtanerkennung ausländischer Scheidungen durch Italien beruhe nicht auf einem Ehehindernis des internen italienischen Rechts, sondern bloss auf einer Regel des in Italien geltenden internationalen Verfahrensrechts, so folgt daraus nicht, dass in der Schweiz darauf nicht Rücksicht zu nehmen sei. Wie GUTZWILLER (ZZw 1969 S. 182) mit Zustimmung von STAUFFER (SJZ 1971 S. 118) zutreffend ausführt, will
Art. 7 c NAG
grundsätzlich "eine Kollision mit der heimatlichen Jurisdiktion, mit dem heimatlichen Recht im weitesten Sinn" vermeiden. Das bedeutet, dass
Art. 7 c NAG
die Beachtung einer im Heimatstaat geltenden Norm, welche die Anerkennung der Scheidung von Staatsangehörigen und damit deren Wiederverheiratung zu Lebzeiten beider Parteien verbietet, seinem Zwecke nach auch dann verlangt, wenn man diese Norm nicht zum Zivilrecht, sondern zum Verfahrensrecht zählt.
Der eben genannte Zweck von
Art. 7 c NAG
steht nicht nur der eben besprochenen Auffassung VON OVERBECKS, sondern auch der Auffassung entgegen, diese Bestimmung verweise nur auf die abstrakten Regeln des Heimatrechts über Ehefähigkeit und Eheverbote und sage nicht, nach welchem Recht der "Ausgangssachverhalt", z.B. also das Bestehen einer die Heirat hindernden Ehe zu beurteilen sei, wie das DORENBERG mit Bezug auf Art. 13 Abs. 1 des deutschen EG annimmt (Erw. 5 d hievor).
Dem Zwecke von
Art. 7 c NAG
widerspricht es auch, die Frage, ob die frühere Ehe noch bestehe, nicht nach dem gemäss
Art. 7 c NAG
für die Schliessung der neuen Ehe massgebenden Rechte zu beurteilen, sondern diese Frage "selbständig anzuknüpfen", d.h. nach dem gemäss den schweizerischen Konfliktsregeln für die Scheidung der frühern Ehe massgebenden Rechte zu entscheiden, wie es VON OVERBECK in ZZw 1967 S. 350 für den Fall der von ihm abgelehnten "kollisionsrechtlichen Betrachtungsweise" (d.h. für den Fall der grundsätzlichen Anwendung von
Art. 7 c NAG
) ins Auge fasst
BGE 97 I 389 S. 405
(ähnlich für das deutsche Recht die in Erw. 5 d hievor wiedergegebenen Auffassungen von KEGEL, A. LÜDERITZ und R. LÜDERITZ). Im übrigen ist die Lehre von der selbständigen Anknüpfung der Vorfragen, wie VON OVERBECK in Revue critique 1970 S. 57 dem Sinne nach einräumt, zu wenig gesichert, als dass im vorliegenden Falle entscheidend darauf abgestellt werden könnte (vgl. zur Theorie der Vorfrage oder question préalable z.B. RAAPE, Internat. Privatrecht. 5. Aufl., S. 116 ff. mit Hinweisen; SCHNITZER, Handbuch des internat. Privatrechts, 4. Aufl., Band I S. 112 ff.; FRANCESCAKIS, Répertoire Dalloz de droit international, Band I 1968, Artikel "Conflits de lois (principes généraux)", N. 353 ff.; DORENBERG a.a.O. S. 182 ff.; zum Widerstreit der Meinungen über die Anwendung dieser Theorie auf die Wiederverheiratung einer geschiedenen Person im Falle, dass das Heimatrecht eines der Verlobten die Scheidung nicht anerkennt, vgl. die Hinweise VON OVERBECKS in ZZw 1967 S. 350 Fussnote 20 und Revue critique 1970 S. 57 Fussnote 1, sowie KEGEL/A. LÜDERITZ, FamRZ 1964 S. 59 mit Hinweisen).
Der Zweck, den
Art. 7 c Abs. 1 NAG
klarerweise verfolgt, muss für die Auslegung dieser Bestimmung massgebend bleiben, solange nicht ein in der Sache liegender Grund eine andere Auslegung verlangt (vgl. Erw. 12 hienach).
lo. - Das Argument, das VON OVERBECK aus der materiellen Rechtskraft des schweizerischen Scheidungsurteils zu gewinnen sucht (ZZw 1967 S. 352 und Revue critique 1970 S. 59/60: Massgeblichkeit des für beide Parteien wirkenden schweizerischen Scheidungsurteils für jede schweizerische Behörde; vgl. auch KEGEL/A. LÜDERITZ und R. LÜDERITZ, FamRZ 1964 S. 59 und 1966 S. 287), schlägt nicht durch; denn die materielle Rechtskraft von Zivilurteilen, die gemäss
BGE 95 II 643
eine Einrichtung des Zivilrechts ist, reicht nicht weiter als das materielle Recht, das in der Sache zur Anwendung kommt (in diesem Sinne zutreffend WENGLER, Juristenzeitung 1964 S. 622; NEUMAYER, "Ehescheidung und Wiedererlangung der Ehefähigkeit", Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht = RabelsZ 1955 S. 66 ff., 73; DORENBERG a.a.O. S. 147 f.; GUTZWILLER a.a.O. S. 183).
11.
Das Bundesgericht hat im Falle Caliaro entgegen der Auffassung von VISCHER (vgl. Erw. 5 b hievor) nicht verkannt, dass die Ehe als objektive soziale Tatsache vom Gesichtspunkt
BGE 97 I 389 S. 406
eines einzigen Rechts aus mit Bezug auf beide Ehegatten nur entweder bestehen oder nicht bestehen kann. Es bezeichnete die frühere Ehe Caliaros nicht vom Gesichtspunkt eines und desselben Rechts aus für den einen Gatten als geschieden, für den andern als weiterhin bestehend, sondern nahm an, das schweizerische Scheidungsurteil habe jene Ehe hinsichtlich beider Ehegatten zwar nach dem internen schweizerischen Recht, nicht dagegen nach dem gemäss
Art. 7 c NAG
bei der Wiederverheiratung Caliaros zu beachtenden italienischen Recht aufgelöst. Dass das Kollisionsrecht zu solchen Ergebnissen führt, ist an sich nichts Ungewöhnliches (vgl. NEUMAYER a.a.O. S. 66) und berechtigt nicht, von juristischer "Schizophrenie" zu sprechen, wie das neben GUTZWILLER (ZZw 1969 S. 181) nach dem Vorbilde von W. GOLDSCHMIDT auch KEGEL tut (Internat. Privatrecht, 2. Aufl. 1964, S. 117; vgl. auch FamRZ 1964 S. 60 oben). Auch lässt sich in solchen Fällen nicht ohne weiteres von einer Verletzung der Rechtsgleichheit sprechen. Es fragt sichjedoch, ob die im Falle Caliaro gefundene Lösung heute angesichts ihrer Folgen sachlich noch tragbar sei und wie sie sich, wenn man das verneint, auf dem Boden des geltenden Rechts vermeiden lasse.
12.
Wenn im Entscheide Caliaro (
BGE 80 I 437
) ausgeführt wird, beim Eheabschluss sei die Nichtanerkennung durch den Heimatstaat folgenschwerer als bei der Scheidung, so sind damit die Nachteile gemeint, die für die Beteiligten entstehen können, wenn die Wiederverheiratung eines geschiedenen Angehörigen eines scheidungsfeindlichen Staates zugelassen wird. Diese Nachteile, mit denen sich die meisten Kritiker des Entscheides Caliaro nicht auseinandersetzen, dürfen nicht unterschätzt werden. Der betreffende Ausländer kann sich (worauf z.B. der deutsche Bundesgerichtshof in BGHZ 41 S. 145 hinweist) von seiner zweiten Ehe und den damit verbundenen Pflichten jederzeit lösen, indem er in seinen Heimatstaat zurückkehrt und sich dort auf die Ungültigkeit dieser Ehe beruft. Der andere Ehegatte findet dort keinen Schutz. Anderseits setzt sich der in Missachtung des Heimatrechts wiederverheiratete Ausländer, wenn er sich auch nur vorübergehend in seine Heimat begibt, der Gefahr der Bestrafung wegen Bigamie aus (Ein Beispiel aus Italien erwähnt DORENBERG a.a.O. S. 141 unter Hinweis auf FERID, FamRZ 1961 S. 401). Unsicher ist ferner die familienrechtliche Stellung der Kinder aus einer
BGE 97 I 389 S. 407
solchen Verbindung. Sie werden im Heimatstaat des ausländischen Ehegatten kaum als ehelich anerkannt und können dort ihre Unterhaltsansprüche kaum durchsetzen. Ausserdem kann nicht erwartet werden, dass das Recht dieses Staates dem andern Ehegatten und den Kindern ein gesetzliches Erbrecht zugesteht. Im Falle der Wiederverheiratung eines in der Schweiz geschiedenen Italieners mit Wohnsitz in der Schweiz fällt dieser Umstand um so mehr ins Gewicht, als nach Lehre und Rechtsprechung zu Art. 17 des Niederlassungs- und Konsularvertrags zwischen der Schweiz und Italien vom 22. Juli 1868 (BS 11 671) ein in der Schweiz gestorbener Italiener hinsichtlich seines ganzen Nachlasses nach italienischem Recht beerbt wird (vgl.
BGE 91 II 460
E. 1 mit Hinweisen, sowie FERID/FIRSCHING, Internat. Erbrecht, Band I, Schweiz, Grundzüge C III 6a E S. 18 mit weitern Hinweisen).
Diese Nachteile können indes wenigstens zum Teil auch dann eintreten, wenn z.B. ein geschiedener schweizerisch-italienischer Doppelbürger wieder heiratet, und werden in diesem Falle ohne weiteres in Kauf genommen. Den erwähnten Nachteilen sind aber vor allem die Nachteile gegenüberzustellen, die für die Beteiligten entstehen, wenn die Wiederverheiratung einer geschiedenen Person nicht zugelassen oder nicht anerkannt wird, weil einer der Verlobten Ausländer ist und dessen Heimatrecht die Scheidung nicht anerkennt. Der Geschiedene und sein neuer Partner haben diesfalls nur die Wahl, sich zu trennen oder in wilder Ehe zusammenzuleben. Sich trennen zu müssen, nur weil ein ausländisches Recht die im Inland regulär erfolgte Scheidung nicht anerkennt, wird von den Verlobten meist als unerträgliche Härte empfunden. Die wilde Ehe, zu der sich die Verlobten daher meist entschliessen, setzt sie selbst und die Kinder schweren Unzukömmlichkeiten aus. Das Verhältnis zwischen den Partnern einer solchen Beziehung wird vom Gesetz nicht geregelt und geniesst keinen rechtlichen Schutz, so dass jeder Teil den andern kurzerhand (auch ohne Wegzug ins Ausland) im Stich lassen kann, wenn ihm die Fortsetzung der Beziehung nicht mehr passt. Dienstleistungen des einen Teils gegenüber dem andern begründen nach der geltenden Praxis (
BGE 87 II 164
ff.) keinen Lohnanspruch, der das Fehlen anderer Ansprüche wenigstens zum Teil kompensieren könnte. In einzelnen Kantonen der Schweiz haben die Partner einer solchen Beziehung Bestrafung wegen Konkubinats (vgl. BGE
BGE 97 I 389 S. 408
BGE 71 IV 46
) oder wegen Nichtbefolgung eines behördlichen Trennungsbefehls (vgl. § 123 des zürcherischen EG zum ZGB) zu erwarten. Auf jeden Fall ist ihre gesellschaftliche Stellung ungünstig (namentlich jene der Frau). Besonders unerfreulich ist aber die Lage der Kinder aus einer solchen Verbindung. Sie gelten nicht nur im ausländischen Staat, der die Scheidung des einen Elternteils und damit die Ehe der Eltern nicht anerkennt, sondern auch im Inland als unehelich (vgl.
BGE 80 I 437
E. 8), und haben alle Nachteile zu tragen, die rechtlich und gesellschaftlich mit diesem Stande verbunden sind.
Die Nachteile, die sich aus der Nichtzulassung bzw. Nichtanerkennung einer Ehe wie der streitigen ergeben, überwiegen die Nachteile der entgegengesetzten Lösung erheblich (in diesem Sinne zutreffend DORENBERG a.a.O. S. 144 auf Grund eines sorgfältigen Vergleichs der Folgen der beiden Lösungen). Der Kritik am Entscheide Caliaro muss daher vom menschlichen und sozialen Gesichtspunkt aus recht gegeben werden. Den überwiegend nachteiligen Folgen der vom Bundesgericht in jenem Entscheide gewählten Lösung kommt heute praktisch um so mehr Bedeutung zu, als im Zusammenhang mit dem überaus starken Ansteigen der Zahl der Ausländer in der Schweiz die Zahl der Heiraten zwischen Schweizern und Ausländern, insbesondere die Zahl der Heiraten zwischen Schweizerinnen und Italienern und damit wahrscheinlich auch die Zahl der Scheidungen solcher Ehen seit der Zeit, da jener Entscheid erging, stark zugenommen hat (Heiraten von Schweizerinnen mit Italienern im Durchschnitt der Jahre 1951/55: 497; im Jahre 1968: 1343; im Jahre 1969: 1306; vgl. Statistisches Jahrbuch der Schweiz 1969 S. 41, 1970 S. 41). Schweizerinnen, die einen Ausländer heiraten, geben heute in aller Regel auf Grund von Art. 9 des Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizerbürgerrechts vom 29. September 1952 (AS 1952 1087) die Erklärung ab, das Schweizerbürgerrecht beibehalten zu wollen, und können daher nach der schweizerischen Gerichtspraxis (vgl. den schon in Erw. 8 hievor zitierten EntscheidBGE 58 II 93) in der Schweiz die Scheidung erreichen, auch wenn das Heimatrecht des Ehemannes sie nicht zulässt. Die neueste Rechtsprechung (
BGE 94 II 65
ff., Urteil vom 11. Juli 1968 i.S. Cardo) erleichtert im übrigen auch die Scheidung in der Schweiz von Nichtschweizern verschiedener Nationalität, indem sie dem klagenden Ehegatten den von der frühern Praxis
BGE 97 I 389 S. 409
zu
Art. 7 h NAG
geforderten Nachweis erlässt, dass ausser dem eigenen Heimatrecht auch dasjenige des beklagten Ehegatten den geltend gemachten Scheidungsgrund zulässt und den schweizerischen Gerichtsstand anerkennt, und indem sie sich für den Fall, dass der klagende Ehegatte zwei ausländische Staatsangehörigkeiten besitzt, damit begnügt, dass dieser Ehegatte den Nachweis der Zulassung des angerufenen Scheidungsgrunds und der Anerkennung des schweizerischen Gerichtsstandes für eines seiner Heimatrechte leistet, und zwar für dasjenige, das den Anschauungen des schweizerischen Rechts am nächsten steht. Aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen ist also mit einer erheblichen Vermehrung der Zahl von in der Schweiz geschiedenen Italienern zu rechnen, für die sich die Frage der Wiederverheiratung stellen kann, wogegen bis zum Ende des Jahres 1928 Schweizerinnen, die Italiener geheiratet und damit das Schweizerbürgerrecht verloren hatten, in der Schweiz nach dem bis zum erwähnten Zeitpunkt für die Schweiz geltenden Haager Ehescheidungsabkommen vom 12. Juni 1902 auch dann nicht geschieden werden durften, wenn sie die Trennung der Ehe erwirkt hatten und hierauf nach dem Bürgerrechtsgesetz vom 25. Juni 1903 (BS 1 101) wiedereingebürgert worden waren (vgl. BECK, Schlusstitel, Vorbem. zur Scheidung, S. 321 N. 4).
Die Beseitigung des Ehehindernisses der bestehenden Ehe ist in Ländern, welche die Scheidung zulassen, eine Hauptwirkung der Scheidung, die sich unmittelbar aus dem Begriff der Scheidung als vollständiger Auflösung des Ehebandes ergibt. Es wird heute, wie die Hinweise in Erwägung 5 hievor zeigen, immer weniger verstanden, dass eine von einem inländischen Gericht ausgesprochene oder im Inland anzuerkennende Scheidung diese Wirkung im Inland nur für den einen der beiden geschiedenen Ehegatten erzeugt, wogegen dem andern mit Rücksicht auf sein die Scheidung nicht anerkennendes Heimatrecht nach wie vor das erwähnte Ehehindernis entgegengehalten wird. Eine verbreitete Meinung erblickt darin einen unerträglichen Widerspruch, einen Verstoss gegen die innere Folgerichtigkeit der inländischen Rechtsordnung, und betrachtet die erwähnte Konzession an das Heimatrecht eines der Ehegatten als eine unzumutbare Selbstaufgabe des inländischen Rechtsstandpunktes. Als stossend wird auch betrachtet, dass zwar im Interesse des inländischen Ehegatten eine Ehe mit einem Ausländer
BGE 97 I 389 S. 410
auch dann geschieden wird, wenn das Heimatrecht des ausländischen Gatten die Scheidung nicht zulässt, dass dann aber bei der Eheschliessung die Tatsache, dass das Heimatrecht des ausländischen Verlobten die Scheidung nicht anerkennt, als Ehehindernis berücksichtigt wird, selbst wenn der andere Verlobte Inländer ist. Vom Standpunkt eines die Scheidung zulassenden Staates aus ist es in der Tat höchst unbefriedigend, wenn eine im Inland ausgesprochene oder anzuerkennende Scheidung hier in einem Hauptpunkte nicht für beide Teile gleich wirkt, sondern wenn für den einen Teil (und für den Dritten, der sich mit ihm verlobt) infolge Anwendung seines die Scheidung nicht anerkennenden Heimatrechts das Ehehindernis der bestehenden Ehe weitergilt.
Berücksichtigt man im Sinne von
BGE 94 II 71
E. 4 (Entscheid Cardo) die Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse und den Wandel der Ansichten, die seit dem Entscheide Caliaro und erst recht seit dem Erlass der
Art. 7 a ff. NAG
durch Art. 59 des Schlusstitels des ZGB vom 10. Dezember 1907 eingetreten sind, so lässt sich mit gutem Grunde die Auffassung vertreten, es sei auf dem Boden des schweizerischen Landesrechts nicht mehr zu rechtfertigen, bei Beurteilung der Frage, ob ein für die Schweiz gültig geschiedener Ausländer hier wieder heiraten könne oder ob eine im Ausland erfolgte Eheschliessung eines solchen Ausländers anzuerkennen sei, auf die Nichtanerkennung der Scheidung durch das Heimatrecht des Ausländers Rücksicht zu nehmen; im Interesse der innern Harmonie der schweizerischen Rechtsordnung müsse der aus dem Begriff der Scheidung folgende elementare Grundsatz, dass die Scheidung die Ehe für beide Teile vollständig auflöst, vor der Verweisungsnorm des
Art. 7 c Abs. 1 NAG
den Vorrang haben, soweit diese zwecks Vermeidung von Konflikten mit dem Heimatrecht die Berücksichtigung der Tatsache verlangt, dass das Heimatrecht eines Verlobten die Scheidung nicht anerkennt;
Art. 7 c Abs. 1 NAG
sei heute zur Verhütung innerer Widersprüche des schweizerischen Rechts in diesem Sinne einschränkend auszulegen. Wollte man aber diese neue Auslegung des
Art. 7 c NAG
nicht gelten lassen, so müsste den Kritikern des Entscheides Caliaro auf jeden Fall darin recht gegeben werden, dass die auf
Art. 7 c Abs. 1 NAG
gestützte Anwendung eines die erfolgte Scheidung nicht anerkennenden und damit die neue Eheschliessung verbietenden ausländischen Rechts durch
BGE 97 I 389 S. 411
schweizerische Behörden Wirkungen erzeugt, die mit der schweizerischen Rechtsordnung nach heutiger Auffassung schlechthin unvereinbar sind, so dass die betreffenden Normen des ausländischen Rechts unter Vorbehalt staatsvertraglicher Bindungen wegen Verletzung des schweizerischen ordre public in der Schweiz nicht anzuwenden sind. Ein genügender Anlass, in diesem Punkte die eigenen Grundanschauungen durchzusetzen, ist für die Schweiz auf jeden Fall dann gegeben, wenn die Partner der beabsichtigten oder geschlossenen neuen Ehe in der Schweiz wohnen, wie es für die Beschwerdeführer zutrifft.
Aus diesen Gründen ist die in Dänemark geschlossene und daher (vgl. Erw. 4 hievor) von der Eheschliessungskonvention vom 12. Juni 1902 nicht erfasste Ehe der Beschwerdeführer in der Schweiz anzuerkennen und ins Familienregister der Heimatgemeinde der Ehefrau einzutragen, auch wenn man mit der Möglichkeit rechnet, dass sie in Italien trotz der Einführung der Scheidung durch das Gesetz vom 1. Dezember 1970 mangels Anerkennung der in der Schweiz erfolgten Scheidung der ersten Ehe Dal Boscos nicht gültig sein könnte (vgl. Erw. 6 hievor).
Aus entsprechenden Gründen sind die Kinder aus einer solchen Ehe in der Schweiz als ehelich zu betrachten, obwohl gemäss
Art. 8 NAG
die Frage der ehelichen oder unehelichen Geburt nach dem Heimatrecht des als ehelicher Vater in Anspruch genommenen Mannes zu beurteilen ist und man nicht sicher weiss, ob in Italien (wo die Familienbeziehungen gemäss Art. 17 der den Codice civile einleitenden "Disposizioni sulla legge in generale" ebenfalls dem Heimatrecht unterstehen) die Kinder aus einer solchen Ehe heute als ehelich anerkannt werden.
13.
In Deutschland und in der Schweiz ist darzutun versucht worden, dass ein geschiedener Angehöriger eines Staates, der die erfolgte Scheidung nicht anerkennt, auch in einem Vertragsstaate der Eheschliessungskonvention vom 12. Juni 1902 wieder heiraten könne (R. LÜDERITZ, FamRZ 1966 S. 288 und 1967 S. 198 f. im Gegensatz zu JAYME, Neue Juristische Wochenschrift 1965 S. 18 f. und FamRZ 1967 S. 197 f.; VON OVERBECK, Revue critique 1970 S. 61 ff.; vgl. auch schon LALIVE, ZZw 1961 S. 396). Die Befürworter dieser Auffassung räumen jedoch mit Recht ein, dass die Konvention bei Vertragsabschluss dahin verstanden bzw. bisher allermeist dahin ausgelegt wurde, dass sie die Eheschliessung eines geschiedenen Italieners in einem
BGE 97 I 389 S. 412
Vertragsstaate verbiete (FamRZ 1967 S. 198, Revue critique 1970 S. 62). Nach den Regeln, die in der Schweiz für die Auslegung von Staatsverträgen gelten (
BGE 94 I 673
E. 4 mit Hinweisen), kann der Umstand, dass sich in einem Vertragsstaate mit den äussern Verhältnissen auch die Anschauungen über die Angemessenheit der in Frage stehenden Lösung geändert haben, eine vom erkennbaren Vertragswillen abweichende Auslegung der Konvention nicht rechtfertigen. Die Berufung auf den ordre public wird durch Art. 2 und 3 der Konvention auf Fälle beschränkt, von denen hier keiner gegeben ist. Insbesondere fällt das aus der Nichtanerkennung einer Scheidung sich ergebende Ehehindernis nach der Vertragsmeinung nicht unter die ausschliesslich auf Gründen religiöser Natur beruhenden Verbote, die das Gesetz des Ortes der Eheschliessung nach Art. 3 Abs. 1 der Konvention nicht hindern, die Eheschliessung zu gestatten (vgl. VON OVERBECK, ZZw 1967 S. 354/55). Die Bewilligung der Eheschliessung geschiedener Italiener in der Schweiz verletzt daher die erwähnte Konvention, solange nicht feststeht, dass Italien eine im Ausland ausgesprochene Scheidung eines Staatsangehörigen anerkennt. Dabei bleibt es auch, wenn die Bewilligung der Eheschliessung von den nach GÖTZ (ZZw 1969 S. 181) von den baselstädtischen Behörden erarbeiteten Voraussetzungen oder gemäss dem Vorschlage GUTZWILLERS (ZZw 1969 S. 185) von einer weniger weitgehenden Binnenbeziehung abhängig gemacht wird.
Dass zwar die im Ausland erfolgte Eheschliessung eines geschiedenen Italieners in der Schweiz anerkannt, die Eheschliessung in der Schweiz selbst aber nicht zugelassen wird, ist freilich unbefriedigend. Dieser Zustand ist aber die unvermeidliche Folge davon, dass die Konvention zwar nicht für eine ausserhalb der Vertragsstaaten, wohl aber für eine in einem Vertragsstaat geschlossene oder zu schliessende Ehe gilt und dass die Schweiz in der Auslegung des eigenen Rechts, das im ersten Falle ausschliesslich gilt, freier ist als in der Auslegung der internationalen Konvention. Will man den erwähnten unbefriedigenden Zustand unabhängig von der Entwicklung des italienischen Rechts und der italienischen Praxis beenden, was sehr wünschbar ist, so bleibt nichts anderes übrig, als die Eheschliessungskonvention zu kündigen, wie das mehrere Autoren befürworten (VON OVERBECK, ZZw 1967 S. 356; GÖTZ, ZZw 1969 S. 180; VISCHER, ZZw 1969 S. 328; mit einlässlicher, überzeugender Begründung namentlich STAUFFER, SJZ 1971 S. 119 f.).
BGE 97 I 389 S. 413
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit auf sie einzutreten ist, der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Bern vom 11. August 1970 wird aufgehoben und das Zivilstandsamt für die Gemeinde Lajoux wird angewiesen, die Ehe der Beschwerdeführerin Rosmarie Ruth Walther mit Bruno Lorenzo Dal Bosco ins Familienregister einzutragen. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
490d0a0c-bf7d-4829-b4ff-001f8dad7ce6 | Urteilskopf
111 V 205
40. Auszug aus dem Urteil vom 23. April 1985 i.S. Wenger gegen Ausgleichskasse des Kantons Aargau und Obergericht des Kantons Aargau | Regeste
Art. 20 Abs. 1 IVG
: Pflegebeitrag, Beginn der Wartezeit.
Die bei langdauernder Hilflosigkeit Minderjähriger vor Entstehen des Anspruchs auf den Pflegebeitrag praxisgemäss zu beachtende Wartezeit von 360 Tagen kann schon vor dem vollendeten 2. Altersjahr eröffnet sein; sie beginnt mit dem Eintritt der massgebenden Hilflosigkeit und nicht mit der Erkrankung. | Sachverhalt
ab Seite 206
BGE 111 V 205 S. 206
A.-
Die am 22. August 1980 geborene Versicherte leidet u.a. an Translokationstrisomie 21, weshalb ihre Mutter bei der Invalidenversicherung am 13. Juni 1983 das Gesuch um Hilflosenentschädigung stellte. Nach verschiedenen Abklärungen sprach die Ausgleichskasse des Kantons Aargau der Versicherten nach
Art. 20 Abs. 1 IVG
ab 11. August 1983 einen Pflegebeitrag wegen dauernder Hilflosigkeit leichten Grades von Fr. 4.-- im Tag zu (Verfügung vom 9. August 1983).
B.-
Beschwerdeweise liess die Versicherte beantragen, der Pflegebeitrag sei ab 1. September 1982 zu gewähren. Das Obergericht des Kantons Aargau hat die angefochtene Kassenverfügung grundsätzlich bestätigt mit der einzigen Änderung, dass der Anspruchsbeginn auf den Anfang des Monats, d.h. auf den 1. August 1983 festgesetzt wurde (Entscheid vom 20. Februar 1984).
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird die Ausrichtung des Pflegebeitrages ab 1. August 1982 beantragt. Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Nach
Art. 20 Abs. 1 IVG
wird hilflosen Minderjährigen, die das 2. Altersjahr zurückgelegt haben und sich nicht zur Durchführung von Massnahmen gemäss den Art. 12, 13, 16, 19 oder 21 in einer Anstalt aufhalten, ein Pflegebeitrag gewährt. Dabei ist der Begriff der Hilflosigkeit bei Minderjährigen im Sinne von
Art. 20 Abs. 1 IVG
grundsätzlich der gleiche wie bei Erwachsenen gemäss
Art. 42 Abs. 2 IVG
(EVGE 1969 S. 160 f.), wonach als hilflos gilt, wer wegen der Invalidität für die alltäglichen Lebensverrichtungen "dauernd" der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf.
b) Das Gesetz schreibt für den Anspruch auf Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung weder bei Erwachsenen nach
Art. 42 Abs. 1 IVG
noch bei Minderjährigen nach
Art. 20 Abs. 1 IVG
eine Wartezeit vor. Da jedoch nach
Art. 42 Abs. 2 IVG
nur als hilflos gilt, wer "dauernd" der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedarf, ist dieses Erfordernis nach ständiger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis erfüllt, wenn der die
BGE 111 V 205 S. 207
Hilflosigkeit begründende Zustand weitgehend stabilisiert und im wesentlichen irreversibel ist, d.h. wenn analoge Verhältnisse wie bei der Variante 1 von
Art. 29 Abs. 1 IVG
gegeben sind. Ferner ist das Erfordernis der Dauer als erfüllt zu betrachten, wenn die Hilflosigkeit während 360 Tagen ohne wesentlichen Unterbruch gedauert hat. Diese Wartezeit kann dabei schon vor dem vollendeten 2. Altersjahr beginnen - vergleichbar mit der hinsichtlich des Beginns des Rentenanspruchs zu beachtenden Wartezeit im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Variante 2 IVG, welche durch entsprechende Arbeitsunfähigkeit schon vor dem 1. Tag des der Vollendung des 18. Altersjahres folgenden Monats, dem frühesten Beginn rentenbegründender Erwerbsunfähigkeit (
Art. 29 Abs. 2 IVG
; ZAK 1984 S. 445), ausgelöst werden kann. Die vor der Entstehung des Anspruchs hilfloser Minderjähriger auf den Pflegebeitrag zurückzulegende Wartezeit beginnt mit dem Eintritt der massgebenden Hilflosigkeit und nicht mit der "Erkrankung", wie dies in der - für den Richter allerdings nicht verbindlichen (
BGE 107 V 155
; ZAK 1984 S. 489) - Rz. 347 der ab 1. Januar 1979 gültigen Wegleitung des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit bestimmt wird (vgl. auch Rz. 347 der ab 1. Januar 1985 gültigen Wegleitung über Invalidität und Hilflosigkeit, welche inhaltlich keine Änderung erfahren hat). Denn entscheidend für den Beginn der Wartezeit ist nicht die Erkrankung als solche, sondern erst die dadurch bewirkte Hilflosigkeit. Insofern erweist sich Rz. 347 der erwähnten Wegleitung als gesetzwidrig.
c) (Vgl. nachstehendes Urteil Grünenfelder vom 26. August 1985 [
BGE 111 V 226
])
2.
a) ...
b) Invalidenversicherungs-Kommission, Vorinstanz und BSV nehmen an, dass die invalidenversicherungsrechtlich relevante Hilflosigkeit der Beschwerdeführerin erst nach dem 2. Altersjahr eingetreten sei und die Wartezeit demzufolge erst ab August 1982 zu laufen begonnen habe, weil erst vom 3. Altersjahr an eine gegenüber gleichartigen gesunden Kindern deutlich grössere Hilfsbedürftigkeit bestehe. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird demgegenüber geltend gemacht, die Hilflosigkeit leichten Grades sei bereits im August 1981 eingetreten, weshalb die Wartezeit nach dem in Erw. 1b Gesagten schon mit diesem Monat zu laufen begonnen habe.
c) Laut dem neu aufgelegten Bericht des Heilpädagogischen Dienstes X vom 22. März 1984 verläuft die Entwicklung von
BGE 111 V 205 S. 208
Kindern, die an Trisomie 21 leiden, im 1. Altersjahr im allgemeinen relativ parallel zur Normalentwicklung; hingegen tritt danach ein deutlicher Abstand ein. Da die Beschwerdeführerin oft das Essen verweigert, sehr wenig gegessen, kaum Variationen im Nahrungsangebot akzeptiert und eine schlaffe Mundmotorik aufgewiesen habe, sei mit ihr ab Mai 1981 eine Esstherapie durchgeführt worden. Wegen der verzögerten motorischen Entwicklung, welche das An- und Auskleiden sowie die Körperpflege aufwendiger gemacht habe, und wegen Hypotonie sei die Beschwerdeführerin alsdann seit Januar 1981 physiotherapeutisch behandelt worden. Im Sinne einer Unterstützung der Therapie habe die Mutter ferner bei der Fortbewegung stets auf eine richtige Hilfestellung achten müssen, was für sie ebenfalls einen Mehraufwand bedeutet habe. Sodann habe sich die persönliche Überwachung dadurch schwieriger gestaltet, dass das Sprachverständnis der Beschwerdeführerin im Vergleich zu nicht invaliden Kindern gleichen Alters noch sehr beschränkt bzw. kaum vorhanden gewesen sei, weshalb sie vor gefährlichen Situationen nur durch direktes Eingreifen habe geschützt werden können. Dies habe auch häufiger geschehen müssen als bei Kindern ohne geistige Behinderung, weil sich die Beschwerdeführerin Zusammenhänge nur viel langsamer einprägen könne. Die durch die erwähnten Umstände bedingte erhöhte Erziehungsbedürftigkeit der Beschwerdeführerin habe einen insgesamt deutlich intensiveren Erziehungsaufwand seitens der Eltern erfordert.
d) Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass die Beschwerdeführerin schon ab Januar bzw. Mai 1981 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in mindestens zwei alltäglichen Lebensverrichtungen (An- und Auskleiden sowie Essen) einen im Vergleich zu einem gleichaltrigen gesunden Kind erheblichen Mehraufwand an Hilfeleistung benötigte. Auch kann gestützt auf den neu aufgelegten Bericht davon ausgegangen werden, dass die persönliche Überwachung ab dem 2. Altersjahr wegen der bestehenden Behinderung der Beschwerdeführerin intensiver war als bei einem Kleinkind dieses Alters ohne Behinderung. Der Auffassung von Invalidenversicherungs-Kommission, Vorinstanz und BSV, wonach sich bei der Beschwerdeführerin erst im 3. Altersjahr eine gegenüber gesunden Kindern erhöhte Hilfs- und Überwachungsbedürftigkeit besonders ausgewirkt habe, kann nach dem Gesagten nicht beigepflichtet werden. Vielmehr steht aufgrund des erwähnten Berichtes fest, dass eine Hilflosigkeit in leistungsbegründendem Ausmass
BGE 111 V 205 S. 209
schon vor der Vollendung des 2. Altersjahres während mindestens 360 Tagen gedauert hat. Der Beschwerdeführerin steht daher ab dem Monat, in welchem sie das 2. Altersjahr vollendete (
Art. 20 Abs. 1 IVG
in Verbindung mit
Art. 35 Abs. 1 IVV
), d.h. ab 1. August 1982 ein Pflegebeitrag wegen Hilflosigkeit leichten Grades zu. | null | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
490d7424-cc7e-48ab-926f-8ee5390212f2 | Urteilskopf
109 III 53
15. Arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 17 octobre 1983 dans la cause Banque X. (recours LP) | Regeste
Nichtige Pfändung.
Eine Lohnpfändung, die für eine Forderung angeordnet wurde, welche noch nicht in Betreibung gesetzt ist und daher auf keinem vollstreckbaren Zahlungsbefehl beruht, verstösst gegen die elementaren Grundsätze der Schuldbetreibung und ist deshalb nichtig. | Sachverhalt
ab Seite 53
BGE 109 III 53 S. 53
A.-
L. fait l'objet de diverses poursuites, dont les trois suivantes qui forment ensemble une série:
- no 2'625'409 exercée par la Banque X. en paiement de 9'854 fr. 05 en capital;
- no 2'624'549 exercée par S.I. Z. en paiement de 3'240 francs en capital;
- no 2'626'778 exercée par l'Etat de Genève, Service cantonal d'avances et de recouvrement des pensions alimentaires (Scarpa),
BGE 109 III 53 S. 54
cessionnaire des droits des enfants L., en paiement d'une somme de 2'570 francs en capital, représentant un solde de pension pour la période du 1er novembre 1981 au 31 mars 1982.
Dans cette dernière poursuite, le poursuivant a réclamé un "privilège pour pension alimentaire à Fr. 1'000.-- par mois". Il est constant que la créance en poursuite se fonde sur une ordonnance de mesures provisoires rendue entre les époux L. par le Tribunal de première instance de Genève le 29 septembre 1981 fixant à 1'000 francs par mois la pension due par le père pour ses deux filles nées respectivement en 1968 et 1973, et que la mère a cédé ces prétentions alimentaires au Scarpa contre des avances partielles.
Les commandements de payer dans les trois poursuites susmentionnées n'ont pas été frappés d'opposition. Le 30 septembre 1982, l'Office des poursuites a procédé à la saisie contre le poursuivi dans ces trois poursuites, et il a fait porter la saisie sur divers meubles et objets précédemment saisis pour un montant de 7'650 francs. Le 13 octobre 1982, il a en outre ordonné la saisie du salaire du poursuivi à concurrence de 1'910 francs par mois, en prévoyant la répartition de la retenue suivante:
- 1'000 francs en faveur de la créance privilégiée, pension alimentaire pour les deux enfants mineures;
- 810 francs en faveur du loyer qui fait l'objet de la poursuite 2'624'549;
- 100 francs de retenue de base en faveur de l'ensemble des créanciers ordinaires.
Le calcul du minimum vital permettant la saisie à concurrence de ce montant de 1'910 francs ne figure pas dans le procès-verbal de saisie et n'a pas été indiqué avec précision par l'Office des poursuites, contrairement à ce que prescrit la jurisprudence (
ATF 100 III 15
).
B.-
Le 26 octobre 1982, la Banque X. a porté plainte auprès de l'Autorité de surveillance contre la décision de l'Office des poursuites concernant la répartition de la retenue de salaire, en concluant à ce que soit ordonnée une retenue de salaire de 1'910 francs en faveur des créanciers. En cours d'instruction, l'Office a admis de modifier la répartition de la retenue de salaire de 1'910 francs de la façon suivante:
- 1'000 francs en faveur de la créance d'aliments,
- 910 francs en faveur de l'ensemble des créanciers de la série.
L'Office a lui-même précisé, au sujet de la créance d'aliments
BGE 109 III 53 S. 55
précitée, qu'il s'agissait de la pension alimentaire courante dont le débiteur ne s'acquitte pas, et non de l'arriéré en poursuite.
Banque X. a exprimé son désaccord avec le point de vue de l'Office concernant le privilège accordé à la créance alimentaire, dans une lettre du 10 novembre 1982 à l'Autorité de surveillance. Elle y faisait valoir que l'Office, tout en ne tenant pas compte de la pension courante dans le calcul du minimum vital du fait que le débiteur ne la paie pas, l'avait néanmoins prise en considération dans la répartition de la retenue de salaire, ce qui revenait au même que s'il en avait été tenu compte dans le calcul du minimum vital. Elle déclarait par ailleurs retirer sa plainte dans la mesure où elle critiquait la répartition privilégiée à la S.I. bailleresse.
Par décision du 24 août 1983, l'Autorité de surveillance du canton de Genève a rejeté la plainte.
C.-
En temps utile, Banque X. recourt à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral en déclarant reprendre ses conclusions du 26 octobre 1982.
L'Office des poursuites conclut au rejet du recours.
L'Etat de Genève indique que sa créance lui a été payée.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
a) L'acte de l'Office du 13 octobre 1982, que critique la recourante, se présente comme une saisie de salaire à concurrence de 1'910 francs par mois. Il comporte en outre une "répartition" qui, si on la considère comme liée à un état de collocation au sens de l'
art. 146 LP
, aurait éventuellement pu faire l'objet d'une action en contestation au sens de l'
art. 148 LP
. Mais, en réalité, il résulte des explications de l'Office au cours de l'instruction que la somme de 1'000 francs prélevée sur le montant saisi n'est pas destinée à couvrir la créance de l'Etat de Genève qui fait l'objet de la poursuite no 2'626'778; elle concerne uniquement la pension courante qui, elle, ne fait l'objet d'aucune poursuite. Dans ces conditions, la question de la contestation d'un éventuel état de collocation provisoire ne se pose pas, l'Etat de Genève n'occupant pas, dans la répartition pratiquée par l'Office, un rang préférable à celui de la recourante.
b) En prétendant répartir, sur le montant de la saisie mensuelle, une somme de 1'000 francs destinée à couvrir la pension courante, l'Office fait participer à la saisie et à la distribution des deniers, une créance des enfants L., sans doute établie par l'ordonnance de
BGE 109 III 53 S. 56
mesures provisoires rendue entre leurs père et mère, mais qui n'est pas encore déduite en poursuite. Une saisie et une distribution de deniers qui ne se fondent pas sur un commandement de payer exécutoire heurtent les principes fondamentaux de la poursuite pour dettes. Elles ne sauraient, partant, être maintenues, même en l'absence de recevabilité du recours.
c) La saisie de salaire à concurrence de 1'910 francs par mois pratiquée le 13 octobre 1982 n'est en revanche pas critiquable. Il est établi, au sujet de la pension alimentaire courante, que L. ne la paie pas. Dans de telles circonstances, le montant de la dette alimentaire du poursuivi n'entre pas dans le calcul du minimum vital (
ATF 84 III 31
). Il ne pourra y être inclus, le cas échéant par revision de la saisie de salaire ordonnée, que si le débiteur d'aliments verse effectivement la pension due, ou si la dette courante fait l'objet d'une poursuite régulière. C'est donc à bon droit que l'Office n'a pas tenu compte de cet élément pour déterminer le minimum vital du débiteur.
d) Ainsi qu'il ressort des art. 146 al. 2 et 219, première classe lettre b LP, les sommes saisies mensuellement devront en premier lieu servir à désintéresser le créancier d'aliments poursuivant, en l'espèce l'Etat de Genève dans la poursuite no 2'626'778, puisque sa créance porte sur un solde d'aliments échus, dans l'année précédant l'introduction de la poursuite. L'Etat de Genève affirme à ce propos que la créance est actuellement éteinte. Dans ces conditions, le produit de la saisie pourra dorénavant être affecté à désintéresser les deux autres créanciers de la série, dans la mesure du moins où le poursuivi L. persistera à ne pas payer la pension courante ou ne fera pas l'objet d'une nouvelle poursuite des créanciers d'aliments. | null | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
490de233-7d8e-4c61-a3ac-733efc8f16f7 | Urteilskopf
99 Ia 389
44. Auszug aus dem Urteil vom 10. Oktober 1973 i.S. Bienz gegen Kanton Basel-Stadt. | Regeste
Taxihalterbewilligung; Voraussetzungen.
1. Die Kompetenz zum Erlass gewerbepolizeilicher Vorschriften über das Taxiwesen steht grundsätzlich den Kantonen zu (Erw. 2).
2. Auch die Führung eines Taxibetriebes ohne besondere Beanspruchung öffentlichen Bodens darf der Bewilligungspflicht unterstellt werden (Erw. 3 a).
3. Zulässigkeit einer gesetzlichen Tarifordnung (Erw. 3 b).
4. Die Vorschrift, wonach der Taxihalter über ausreichende Abstellmöglichkeiten auf privatem Grund verfügen muss, verstösst nicht gegen das Gebot der Rechtsgleichheit (Erw. 3 e). | Sachverhalt
ab Seite 389
BGE 99 Ia 389 S. 389
A.-
Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt beschloss am 30. Juni 1972 ein "Gesetz betreffend den Betrieb von Taxis und Gesellschaftswagen im Kanton Basel-Stadt" (im folgenden:
BGE 99 Ia 389 S. 390
Taxi-Gesetz). Durch Referendum wurde die Volksabstimmung verlangt. Mit 37 898 Ja gegen 36 023 Nein haben die Stimmberechtigten das Gesetz in der Volksabstimmung vom 1. bis 3. Dezember 1972 angenommen.
B.-
Das Taxi-Gesetz des Kantons Basel-Stadt unterstellt die Taxi-Betriebe der Bewilligungspflicht (§ 3) und der Aufsicht des Polizeidepartementes. Es wird unterschieden zwischen Taxihalterbewilligungen A für den Betrieb von Taxis mit Inanspruchnahme öffentlicher Standplätze und Taxihalterbewilligungen B für den Betrieb von Taxis ohne Inanspruch nahme öffentlicher Standplätze.
In § 5 werden die allgemeinen Bewilligungsvoraussetzungen umschrieben:
"§ 5. Taxihalterbewilligungen werden erteilt, sofern ein Bewerber
1. das Schweizerbürgerrecht oder die Niederlassung in der Schweiz besitzt;
2. handlungsfähig ist und einen guten Leumund besitzt;
3. hauptberuflich im Autotransportgewerbe tätig ist;
4. den Geschäftssitz oder eine Zweigniederlassung im Kanton BaselStadt hat;
5. über technisch einwandfreie und vorschriftsgemäss ausgerüstete Fahrzeuge verfügt;
6. Gewähr bietet, die einschlägigen Vorschriften, insbesondere die in § 9 genannte Tarifordnung einzuhalten;
7. ausreichende Abstellmöglichkeiten auf privatem Boden nachweist;
8. als A-Taxihalter selbständig oder auf Grund eines gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlusses Gewähr für einen 24-stündigen Bestell- und Fahrdienst während des ganzen Jahres bietet.
..."
C.-
Der Taxihalter Erich Bienz richtete an den Bundesrat und an das Bundesgericht eine Eingabe, die als Beschwerde gemäss SVG Art. 3 und als staatsrechtliche Beschwerde be zeichnet ist.
Er stellt folgende Rechtsbegehren:
"a) Der Bundesrat wird ersucht, die Gesetzgebungskompetenz des Kantons hinsichtlich des Gesetzes über den Betrieb von Taxis und Gesellschaftswagen im Kanton Basel-Stadt abzuklären und den Kanton anzuweisen, diese Bestimmungen wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben.
b) Dieser Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zuzuerkennen...
c) Es sei festzustellen, dass dieses Gesetz gegen Art. 4, 31, 37bis und 45 der Bundesverfassung sowie gegen
Art. 3 und 106 Abs. 3 SVG
verstösst.
d) Dem Kanton Basel-Stadt sei eine Rüge wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger und wegen Kompetenzanmassung zu erteilen."
BGE 99 Ia 389 S. 391
D.-
Das Bundesgericht teilte am 16. Januar 1973 dem Bundesrat mit, dass es die Eingabe gesamthaft als staatsrechtliche Beschwerde zu behandeln gedenke, da darin die Verletzung von Verfassungsvorschriften (Art. 4, 31, 37bis und 45 BV) und durch die Berufung auf
Art. 3 und 106 SVG
sinngemäss die Missachtung bundesrechtlicher Zuständigkeitsvorschriften im Sinne von Art. 2 UeB. BV gerügt werde. Dieses Schreiben wurde vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement in zustimmendem Sinne beantwortet unter Übermittlung der vom Beschwerdeführer dem Bundesrat eingereichten Akten.
E.-
Namens des Regierungsrates erstattete das Polizeidepartement des Kantons Basel-Stadt eine Vernehmlassung. Es beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, u.a. aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
(Prozessuales).
2.
Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in erster Linie beantragt, das Taxi-Gesetz sei aufzuheben, weil dem Kanton die Kompetenz zum Erlass eines solchen Gesetzes nicht zukomme. Er glaubt, eine ausschliessliche, auch die Regelung des Taxigewerbes umfassende Zuständigkeit des Bundes für alle den Strassenverkehr betreffenden Vorschriften aus
Art. 37bis BV
und
Art. 3 und 106 SVG
ableiten zu können.
a)
Art. 37bis BV
gibt dem Bund das Recht, Vorschriften über Automobile und Fahrräder aufzustellen. Diese Bestimmung bezweckte seinerzeit in erster Linie die Vereinheitlichung der verkehrspolizeilichen Regeln (BURCKHARDT, Kommentar zur BV, 3. Aufl. S. 318/319). Auch Vorschriften über die Versicherungspflicht, die technischen Anforderungen in bezug auf die Ausstattung der Fahrzeuge sowie die Arbeitszeit im gewerbsmässigen Automobilverkehr lassen sich auf diese Kompetenznorm stützen. Hingegen bekam der Bund damit nicht die Befugnis zum Erlass gewerbepolizeilicher Vorschriften über das Autotransportgewerbe (BURCKHARDT, a.a.O. S. 319). Das Fehlen bundesrechtlicher Bestimmungen über Taxi-Unternehmungen entspricht dieser verfassungsmässigen Kompetenzverteilung und stellt keinesfalls ein - gewerbepolizeiliche Anordnungen der Kantone verbietendes - qualifiziertes Schweigen des Bundesgesetzgebers dar. Es ist auch Sache der Kantone und
BGE 99 Ia 389 S. 392
allenfalls der Gemeinden, die gewerbliche Benützung (gesteigerter Gemeingebrauch) von Strassen und Plätzen durch wartende Taxis zu ordnen.
Art. 37bis BV
tangiert diese Befugnisse nicht.
b) Auch aus
Art. 3 und
Art. 106 SVG
lässt sich nicht ableiten, vorgehendes Bundesrecht stehe einer kantonalen oder kommunalen Ordnung des Taxigewerbes entgegen. In
Art. 3 Abs. 1 SVG
wird die kantonale Strassenhoheit ausdrücklich vorbehalten.
Art. 106 SVG
bezieht sich auf die Ausführung dieses Gesetzes. Dass die Kantone weder in Art. 3 noch in
Art. 106 SVG
zur Regelung des Taxigewerbes ermächtigt werden, ist selbstverständlich; denn
Art. 37bis BV
gibt dem Bund keine Kompetenz zu gewerbepolizeilichen Vorschriften; diese Zuständigkeit ist den Kantonen verblieben; sie kann und braucht ihnen deshalb im SVG nicht delegiert zu werden.
3.
Steht den Kantonen (bzw. Gemeinden) grundsätzlich die Kompetenz zu, Vorschriften über das Taxigewerbe zu erlassen, so bleibt zu prüfen, ob die im Basler Taxi-Gesetz getroffene Ordnung inhaltlich gegen Verfassungsbestimmungen verstösst.
Soweit sich in dieser Beziehung der Beschwerdeschrift konkrete Rügen entnehmen lassen, sind sie im folgenden zu prüfen: a) Der Beschwerdeführer behauptet, es verstosse gegen
Art. 31 BV
, wenn für sogenannte B-Taxis, die keine öffentlichen Taxi-Standplätze benützen dürfen, eine Bewilligungspflicht bestehe.
Hinter dieser Rüge steht die unzutreffende Überlegung, die Bewilligungspflicht lasse sich nur aus dem gesteigerten Gemeingebrauch (Benützung von öffentlichen Standplätzen) ableiten. Vorweg sei festgestellt, dass auch den B-Taxis nach der heute im Kanton Basel-Stadt geltenden Ordnung eine Form gesteigerten Gemeingebrauchs erlaubt ist, indem sie ihre Fahrzeuge ausserhalb einer bestimmten Kernzone auf den (nicht für Taxis reservierten) öffentlichen Parkflächen zur Kundenwerbung aufstellen dürfen (Verordnung des Regierungsrats vom 9. April 1973, § 1). Schon diese in der B-Bewilligung enthaltene Erlaubnis gesteigerten Gemeingebrauchs vermag an sich die Bewilligungspflicht zu rechtfertigen (97 I 655
;
81 I 18
/19 mit weiteren Hinweisen). Aber auch ein Taxibetrieb ohne jede besondere Beanspruchung des öffentlichen Bodens darf der Bewilligungspflicht unterstellt werden. Der Taxi-Service einer
BGE 99 Ia 389 S. 393
Stadt steht in seiner Funktion und seiner Bedeutung einem öffentlichen Dienst sehr nahe. Der Kunde, vor allem der auswärtige Besucher oder derjenige, der sich notfallmässig in ein Spital oder zu einem Arzt führen lässt, ist auf einen zuverlässigen, prompten, das Entgelt korrekt berechnenden Vertragspartner angewiesen, da er in der Regel keine Prüfungs- oder Wahlmöglichkeit hat. Diese besondere Situation des Taxikunden könnte (seitens der Taxihalter) zu Missbräuchen verleiten. Unabhängig davon, ob öffentlicher Grund zu gewerblichen Zwecken benützt wird, drängt sich daher eine gewerbepolizeiliche Kontrolle des Taxigewerbes auf (vgl.
BGE 79 I 339
/40). Die Bewilligungspflicht ist ein angemessenes Mittel, um eine wirksame gewerbepolizeiliche Aufsicht durchführen zu können. Sie verstösst nicht gegen
Art. 31 BV
, sondern ist eine im öffentlichen Interesse notwendige Massnahme (vgl. zur Bewilligungspflicht BURCKHARDT, Kommentar zur BV, 3. Aufl. S. 244 f).
b) § 2 des Taxi-Gesetzes sieht eine Tarifordnung vor. Gemäss § 9 werden in der Tarifordnung die zulässigen Höchstfahrpreise und die Maxima der Taxen für Wartezeit und besondere Dienstleistungen festgesetzt. Der Beschwerdeführer sieht in einer allgemeinverbindlichen Tarifordnung einen Verstoss gegen die Handels- und Gewerbefreiheit.
Die besondere Stellung des Taxigewerbes und die damit verbundene Gefahr von Überforderungen macht eine behördliche Kontrolle der Taxberechnung notwendig und rechtfertigt die verbindliche Festlegung von Maximalansätzen (
BGE 79 I 340
). Ohne eine solche Ordnung wäre eine wirksame Überwachung der Berechnung der Taxen kaum denkbar. Die im Taxigesetz enthaltene Ermächtigung zur Schaffung einer Tarifordnung ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Preisvorschriften BURCKHARDT, Bundesrecht Bd. II Nr. 438; MARTI, Handels- und Gewerbefreiheit, S. 136).
c) ...
d) ...
e) Gegen die Vorschrift, dass ausreichende Abstellmöglichkeiten auf privatem Grund vorhanden sein müssen (§ 5 Abs. 1 Ziff. 7), erhebt der Beschwerdeführer sinngemäss den Einwand, da andere Fahrzeugbesitzer keine Abstellfläche nachzuweisen
BGE 99 Ia 389 S. 394
hätten, verletze es die Rechtsgleichheit, die Taxi-Bewilligung vom Vorhandensein privater Abstellmöglichkeiten abhängig zu machen.
Wie sich aus der Vernehmlassung des Polizeidepartementes klar ergibt, sind mit den "Abstellplätzen" nicht Standplätze für die Kundenwerbung gemeint, sondern Parkierungsmöglichkeiten für die nicht im Betrieb befindlichen Fahrzeuge, wobei auch Abstellflächen ausserhalb des Kantons in Frage kommen. Es verstösst nicht gegen die Rechtsgleichheit, vom Taxihalter, der meistens eine Mehrzahl von Autos gewerbsmässig einsetzt und für seine gewerbliche Tätigkeit öffentlichen Grund und Boden beansprucht, zu verlangen, dass er in einem vernünftigen Ausmass private Abstellflächen beschafft, damit wenigstens die ausser Betrieb befindlichen Taxi-Fahrzeuge die knappen Parkierungsmöglichkeiten auf Strassen und Plätzen nicht beanspruchen müssen. Zwischen dem Taxihalter und andern Fahrzeughaltern bestehen gerade in bezug auf Ausmass und Intensität der Beanspruchung von Strassen und Plätzen rechtlich relevante Unterschiede, so dass eine spezielle Verpflichtung zum Nachweis ausreichender Abstellmöglichkeiten nicht gegen
Art. 4 BV
verstösst. Sollten gestützt auf § 5 Abs. 1 Ziff. 7 im Einzelfall unangemessene, gewerbepolitisch motivierte Anforderungen gestellt werden, so steht dem Betroffenen die staatsrechtliche Beschwerde offen. | public_law | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
490f0301-9464-47eb-8ca4-783b877eb550 | Urteilskopf
110 III 69
19. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 7. September 1984 i.S. X. und Y. AG (Rekurs) | Regeste
Schätzung im Pfandverwertungsverfahren (Art. 99 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 9 Abs. 2 VZG
).
Eine Neuschätzung durch Sachverständige im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 VZG
kann auch mit Bezug auf einen Grundpfandtitel verlangt werden (Bestätigung der Rechtsprechung). Stellen der Eigentümer des Pfandtitels und der Betreibungsschuldner mit rechtzeitiger Beschwerde das Begehren, es sei eine neue Schätzung vorzunehmen, dürfen sich die vollstreckungsrechtlichen Aufsichtsbehörden demnach nicht darauf beschränken, die betreibungsamtliche Schätzung zu überprüfen. | Sachverhalt
ab Seite 69
BGE 110 III 69 S. 69
Auf dem Grundstück Kat. Nr. 6228 in A. lastet im zweiten Rang ein Inhaberschuldbrief über nominal Fr. 270'000.--.
BGE 110 III 69 S. 70
Eigentümer des Grundpfandtitels ist X. Zur Sicherung einer Schuld der Y. AG wurde der Schuldbrief als Faustpfand der Bank Z. übergeben.
Nachdem die Bank in der von ihr gegen die Y. AG eingeleiteten Betreibung auf Pfandverwertung am 8. März 1983 das Verwertungsbegehren eingereicht hatte, stellte das Betreibungsamt am 15. April 1983 die Schätzungsurkunde aus. Es legte darin den Wert des Schuldbriefs auf Fr. 50'000.-- fest.
In der Folge reichten X. und die Y. AG bei der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde ein mit den Anträgen:
"1. Der Wert des geschätzten Pfandtitels sei auf Fr. 270'000.-- festzusetzen.
2. Eventuell sei das Betreibungsamt anzuweisen, eine neue, den Realitäten entsprechende Schätzung des belasteten Grundstückes vorzunehmen."
Mit Beschluss vom 1. Juni 1983 wies die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab. Einen von X. und der Y. AG hiergegen erhobenen Rekurs wies die obere kantonale Aufsichtsbehörde am 13. Juli 1984 ebenfalls ab. Sie schloss sich der erstinstanzlichen Empfehlung an, das Betreibungsamt solle in der Schätzungsurkunde vermerken und anlässlich der Steigerung mündlich bekanntgeben, dass es sich beim fraglichen Grundstück gemäss dem in der Gemeinde A. zur Diskussion stehenden Gesamtplan um sogenanntes Bauentwicklungs- bzw. Bauerwartungsgebiet handle.
X. und die Y. AG haben den zweitinstanzlichen Entscheid mit Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 99 Abs. 2 VZG
hat das Betreibungsamt das Ergebnis der von ihm angeordneten Schätzung des Grundstückwertes dem Gläubiger, der die Pfandverwertung verlangt, sowie dem Schuldner und dem allfälligen Dritteigentümer mitzuteilen, verbunden mit der Anzeige, dass sie innerhalb der Beschwerdefrist bei der Aufsichtsbehörde eine neue Schätzung durch Sachverständige im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 VZG
verlangen können. Die erwähnten Bestimmungen beziehen sich auf die Schätzung von Grundstücken. Sie gelten jedoch sinngemäss auch bei der Schätzung von Fahrnis, jedenfalls soweit anerkannte
BGE 110 III 69 S. 71
Schätzungskriterien bestehen (vgl.
BGE 101 III 34
f. E. b; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. A., § 22 N. 38, S. 165). Bei einem Grundpfandtitel liegt eine Besonderheit darin, dass sein Wert in erster Linie vom Wert des belasteten Grundstücks abhängt und demnach vorerst dieses selbst zu schätzen ist. Das Bundesgericht hat denn auch bereits in
BGE 61 III 66
Nr. 20 entschieden, dass bei Schuldbriefen eine Neuschätzung durch Sachverständige verlangt werden könne.
2.
Art. 9 Abs. 2 letzter Satz VZG bestimmt, dass Streitigkeiten über die Höhe der Schätzung endgültig durch die kantonale Aufsichtsbehörde beurteilt werden. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts kann im Zusammenhang mit einer solchen Schätzung einzig prüfen, ob das hierfür massgebende Verfahren eingehalten worden sei und ob die kantonale Aufsichtsbehörde allenfalls das ihr zustehende Ermessen überschritten oder missbraucht habe (vgl.
BGE 60 III 191
Nr. 48 und
BGE 86 III 92
f.). Auf den Antrag der Rekurrenten, der Wert des strittigen Schuldbriefs sei auf Fr. 270'000.-- festzusetzen, ist demnach von vornherein nicht einzutreten. Immerhin sei hier festgehalten, dass die vorinstanzliche Auffassung, bei der Schätzung eines Grundpfandtitels könne die Frage der Zahlungsfähigkeit des persönlich haftenden Schuldners der pfandgesicherten Forderung ausser acht bleiben, nicht in jedem Fall richtig sein dürfte.
Ob eine Nichtberücksichtigung dieser Frage unter gewissen Umständen nicht sogar als Ermessensmissbrauch oder -überschreitung und damit als Verletzung von Bundesrecht zu werten wäre, braucht im gegenwärtigen Stand des Verfahrens jedoch nicht erörtert zu werden.
3.
Nach dem Gesagten hatten die Rekurrenten die Wahl, die betreibungsamtliche Schätzung zu akzeptieren oder innerhalb der Beschwerdefrist eine neue Schätzung durch Sachverständige zu verlangen.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz haben sie von der zweiten Möglichkeit Gebrauch gemacht. In ihrer rechtzeitig erhobenen Beschwerde an die untere Aufsichtsbehörde haben sie hilfsweise beantragt, es sei eine "neue, den Realitäten entsprechende Schätzung" des belasteten Grundstückes vorzunehmen. Unter den gegebenen Umständen konnte damit nur eine Neuschätzung durch Sachverständige im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 VZG
gemeint sein. Dass sich die Rekurrenten nicht ausdrücklich auf diese Bestimmung beriefen, ist ohne Belang, zumal die vollstreckungsrechtlichen Aufsichtsbehörden das Recht von Amtes wegen anzuwenden haben (vgl.
BGE 73 III 55
). Auf eine Überprüfung der
BGE 110 III 69 S. 72
betreibungsamtlichen Schätzung hätten sich die kantonalen Instanzen übrigens selbst dann nicht beschränken dürfen, wenn das Betreibungsamt selbst bereits einen Sachverständigen beigezogen gehabt hätte (vgl.
BGE 60 III 190
).
Haben die Rekurrenten mithin rechtzeitig eine Neuschätzung im Sinne von
Art. 9 Abs. 2 VZG
verlangt, ist nun der von ihnen zu leistende Kostenvorschuss festzulegen und die entsprechende Frist anzusetzen. Um die Möglichkeit eines allfälligen Weiterzugs an die obere kantonale Aufsichtsbehörde zu gewährleisten, ist die Sache zu diesem Zweck an die untere Aufsichtsbehörde ... zu überweisen. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
491099d7-9ed7-4a05-b813-bcd985fa2683 | Urteilskopf
124 V 372
63. Urteil vom 27. November 1998 i.S. M. gegen Helsana Versicherungen AG und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich | Regeste
Art. 68 Abs. 1,
Art. 105 Abs. 1 UVG
;
Art. 22a VwVG
. Frage offengelassen, ob der in
Art. 22a VwVG
geregelte Fristenstillstand auf die Frist zur Einsprache gegen Verfügungen, die von einem nach
Art. 68 Abs. 1 UVG
zugelassenen Versicherer stammen, anwendbar ist.
Art. 4 BV
. Nimmt ein Versicherer einen Briefumschlag in Verletzung der Aktenführungspflicht gemäss
Art. 4 BV
nicht zu den Akten, so hat eine allfällige Beweislosigkeit der Rechtzeitigkeit nicht der Einsprecher zu tragen. | Sachverhalt
ab Seite 372
BGE 124 V 372 S. 372
A.-
Mit Verfügung vom 29. Juli 1996 schloss die Helsana Versicherungen AG (nachfolgend: Helsana) einen von M. am 28. Mai 1994 erlittenen Unfall per 30. Juni 1996 ab und hielt fest, über dieses Datum hinaus würden keine weiteren Leistungen mehr ausgerichtet. Mit Eingabe vom 30. August 1996
BGE 124 V 372 S. 373
liess M. Einsprache erheben, auf welche die Helsana wegen Verspätung mit Einspracheentscheid vom 20. Januar 1997 nicht eintrat.
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 25. November 1997 ab.
C.-
M. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Beschwerdegegnerin anzuweisen, auf die Einsprache vom 30. August 1996 einzutreten. (...).
Helsana und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Eingeschränkte Kognition; vgl.
BGE 124 V 286
Erw. 1b).
2.
a) Die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 29. Juli 1996 ist dem Beschwerdeführer am 31. Juli 1996 zugestellt worden. Die Einsprachefrist von 30 Tagen gemäss
Art. 105 Abs. 1 UVG
lief am Freitag, 30. August 1996 ab. Fände der in
Art. 22a VwVG
geregelte Fristenstillstand auf Verfügungen eines gestützt auf
Art. 68 Abs. 1 UVG
zugelassenen Versicherers Anwendung, wäre die am 2. September 1996 bei der Beschwerdegegnerin eingegangene (vom 30. August 1996 datierte) Einsprache ohne weiteres als rechtzeitig zu betrachten.
b) Indessen hat die Vorinstanz die Anwendung von
Art. 22a VwVG
auf Einspracheverfahren von nach
Art. 68 Abs. 1 UVG
zugelassenen Versicherern verneint. Dieser Schluss ergibt sich aus der - im Gegensatz zur Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) - nicht erfolgten Unterstellung der übrigen registrierten Versicherer unter das VwVG (
Art. 96 UVG
in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 2 lit. e und
Art. 3 lit. a VwVG
;
BGE 115 V 299
Erw. 2b; vgl. auch RKUV 1994 Nr. U 194 S. 209). Diese Nichtanwendbarkeit von
Art. 22a VwVG
entspricht der in verschiedenen Sozialversicherungszweigen herrschenden Rechtslage, wo es eidgenössische, kantonale oder private Durchführungsstellen gibt, auf welche das VwVG, kantonales Verwaltungsverfahrensrecht oder lediglich die allgemeinen Verfahrensgrundsätze gemäss
Art. 4 Abs. 1 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
anwendbar sind (MEYER-BLASER, Die Rechtspflege in der Sozialversicherung, in: BJM 1989 S. 21 f.). Was den Bereich der Unfallversicherung anbelangt,
BGE 124 V 372 S. 374
hat der Gesetzgeber in
Art. 96 UVG
die Verfahrensbestimmungen des UVG auch für diejenigen Versicherer anwendbar erklärt, die nicht dem VwVG unterstehen. In den folgenden Artikeln (Art. 97 ff.) hat der Gesetzgeber einen Mindeststandard aufgestellt, z.B. in
Art. 97 Abs. 1 UVG
(Fristwahrung),
Art. 97 Abs. 2 UVG
(Fristwiederherstellung),
Art. 99 UVG
(Verfügung) und
Art. 105 Abs. 1 UVG
(30tägige Einsprachefrist), welche für alle Versicherer - SUVA und übrige registrierte Unfallversicherer - gelten. Gerade keinen solchen Mindeststandard hat der Gesetzgeber jedoch für den Fristenstillstand aufgestellt, was im übrigen mit der Rechtslage hinsichtlich des kantonalen Beschwerdeverfahrens übereinstimmt: Hier ist die Regelung des Fristenstillstandes den Kantonen überlassen, was zur Folge hat, dass eine Partei im kantonalen Gerichtsverfahren, je nach örtlichem Gerichtsstand, vom Fristenstillstand profitieren kann oder nicht. Dementsprechend hat das Eidg. Versicherungsgericht
Art. 22a VwVG
auf die kantonalen Beschwerdeverfahren als nicht anwendbar erklärt (
BGE 116 V 265
; RKUV 1994 Nr. U 194 S. 208; für den Bereich der Krankenversicherung [
Art. 86 Abs. 1 KVG
] Urteil C. vom 9. April 1998).
Diese Rechtslage ist unter dem Gesichtswinkel der verfassungsmässigen Rechtsgleichheit (
Art. 4 Abs. 1 BV
) als äusserst unbefriedigend zu bezeichnen. Es liesse sich eine harmonisierende Anwendung von
Art. 22a VwVG
in Erwägung ziehen, wie dies die Rechtsprechung z.B. bei der analogen Anwendung von
Art. 97 Abs. 2 AHVG
im Bereich der Krankenversicherung (RSKV 1981 Nr. 445 S. 80 f. Erw. 2) und der Arbeitslosenversicherung (
BGE 124 V 86
Erw. 3b) getan hat. Zu denken ist auch an
Art. 1 Abs. 3 VwVG
, dessen Wortlaut das Gericht nicht gehindert hat, den Kreis der für die kantonalen Beschwerdebehörden massgeblichen Verfahrensregeln des Bundesrechts auf die
Art. 5, 33 und 45 VwVG
auszudehnen, obwohl diese Bestimmungen in
Art. 1 Abs. 3 VwVG
nicht enthalten sind (
BGE 96 V 142
Erw. 1; vgl. auch betreffend
Art. 35 OG
und
Art. 24 VwVG
ARV 1991 Nr. 17 S. 124 Erw. 2a mit Hinweisen). Das Bedürfnis nach einer harmonisierenden Gesetzesauslegung ist im vorliegenden Regelungszusammenhang insofern von besonderer Bedeutung, als die Anwendbarkeit des Fristenstillstandes nach
Art. 22a VwVG
ausschliesslich vom Umstand abhängig gemacht wird, welcher Unfallversicherer die mit Einsprache anfechtbare Verfügung erlassen hat. Dies erscheint um so bedenklicher, als der Gesetzgeber sonst mit dem Erlass der Verfahrensvorschriften nach
Art. 96 ff. UVG
die Gleichbehandlung der
BGE 124 V 372 S. 375
Versicherten erreichen wollte (Botschaft des Bundesrates vom 18. August 1976, BBl 1976 III 222; im gleichen Sinne GHÉLEW/RAMELET/RITTER, Commentaire de la loi sur l'assurance-accidents [LAA], S. 264). Eine unterschiedliche Anwendung der Fristenstillstandsregelung nach
Art. 22a VwVG
je nachdem, gegen welchen Unfallversicherer sich die Einsprache richtet, verträgt sich nicht mit dem Gebot rechtsgleicher Behandlung, weil eine sachliche Begründung für die getroffene Unterscheidung nicht ersichtlich ist (
BGE 124 I 172
f. Erw. 2e mit Hinweisen).
Die Frage der Anwendbarkeit von
Art. 22a VwVG
kann jedoch im vorliegenden Fall offenbleiben, weil sich die Rechtzeitigkeit der vom Beschwerdegegner erhobenen Einsprache aus den nachfolgenden Gründen ergibt.
3.
a) Die Einsprache trägt das Datum des 30. August 1996 und ist nach den Angaben des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers am gleichen Tag uneingeschrieben der Post übergeben worden. Am darauffolgenden Montag, dem 2. September 1996, ist die Einsprache bei der Beschwerdegegnerin eingegangen, da darauf der Eingangsstempel vom 2. September 1996 angebracht ist. Der zur Einsprache gehörige Briefumschlag ist nicht in den Akten und nicht mehr auffindbar. Beschwerdegegnerin und Vorinstanz vertreten nun die Auffassung, angesichts des Grundsatzes, wonach die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels mit Gewissheit feststehen müsse (
BGE 119 V 7
), könne der Beschwerdeführer nicht beweisen, dass er die Einsprache am letzten Tag der Frist, Freitag, den 30. August 1996, der Post übergeben habe.
b) Der Standpunkt der Beschwerdegegnerin und der Vorinstanz geht fehl. Gemäss
Art. 4 BV
hat der Betroffene das Recht, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (statt vieler
BGE 124 I 51
Erw. 3a,
BGE 123 I 66
Erw. 2a,
BGE 123 II 183
f. Erw. 6c,
BGE 122 V 158
Erw. 1a,
BGE 121 V 152
Erw. 4a, je mit Hinweisen). In diesem Sinne hat der Rechtsuchende u.a. Anspruch darauf, die aus dem Poststempel folgende Vermutung verspäteter Postaufgabe mit allen tauglichen Beweismitteln zu widerlegen, insbesondere auch durch Zeugen (
BGE 115 Ia 12
oben mit Hinweis). Gegenstück dieses aus
Art. 4 BV
fliessenden Akteneinsichts- und Beweisführungsrechts ist die Aktenführungspflicht von
BGE 124 V 372 S. 376
Verwaltung und Behörden. Danach hat eine Behörde alles in den Akten festzuhalten, was zur Sache gehört (
BGE 115 Ia 99
Erw. 4c). Dazu zählen in einem Einsprache- oder Beschwerdeverfahren aber auch die vollständigen Briefumschläge, die rechtserhebliche Aktenstücke enthalten haben (nicht veröffentlichtes Urteil M. vom 10. November 1993). Einem Briefumschlag kann unter Umständen eine entscheidende Bedeutung zukommen, nicht nur hinsichtlich der Rechtzeitigkeit, sondern etwa auch, wenn eine Beschwerdeschrift nicht unterzeichnet, der Briefumschlag jedoch mit der Unterschrift des Beschwerdeführers versehen ist (vgl.
BGE 108 Ia 291
Erw. 2,
BGE 106 IV 67
Erw. 1 und ZAK 1985 S. 529). Wird bei rechtserheblichen Aktenstücken der Briefumschlag nicht oder nur zum Teil zu den Akten genommen, können möglicherweise wichtige Tatsachen nachträglich nicht mehr bewiesen werden. Dies zeigt gerade der vorliegende Fall, in welchem der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers geltend macht, er habe die am 30. August 1996 datierte Eingabe noch gleichentags der Post übergeben. Es geht nun nicht an, in Verletzung der aufgrund von
Art. 4 BV
bestehenden Aktenführungspflicht den Briefumschlag nicht zu den Akten zu nehmen und hernach dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, er könne den Beweis für die Rechtzeitigkeit der Postaufgabe nicht erbringen. Dieses Verhalten, welches das Beweisführungsrecht nach
Art. 4 BV
verunmöglicht, widerspricht auch dem Grundsatz von Treu und Glauben im Prozess. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer die Nachteile der von ihm nicht verschuldeten Beweislosigkeit nicht zu tragen und die Einsprache vom 30. August 1996 als rechtzeitig zu gelten hat.
4.
(Kosten und Parteientschädigung) | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
49129265-55aa-4474-8ef6-5f4d718718b2 | Urteilskopf
89 II 30
8. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Januar 1963 i.S. Kuster & Co. gegen Intreko K. G. | Regeste
Alleinvertretungsvertrag; Auflösung durch einseitige Erklärung.
Anwendung der einschlägigen Vorschriften über den Agenturvertrag (Art. 418 q und r).
Rücktritt gemäss
Art. 107 Abs. 2 und
Art. 109 OR
oder fristlose Kündigung aus wichtigen Gründen im Sinne von Art. 418 r und
Art. 352 OR
? Zwingender Charakter der Vorschriften über die fristlose Kündigung.
Bedeutung von Vertragsbestimmungen, wonach bestimmte Tatbestände nur eine Kündigung auf Termin, nicht die fristlose Kündigung rechtfertigen.
Fall, dass der Lieferant dem Alleinvertreterkeine Zusicherungen hinsichtlich weiterer Lieferungen zu geben vermag. | Sachverhalt
ab Seite 31
BGE 89 II 30 S. 31
Aus dem Tatbestand:
A.-
Die Firma A. Kuster & Co. in Zürich, die mit Werkzeugmaschinen handelt und u.a. eine Maschine zum Zerschneiden von Metall und andern Materialien, den sogenannten Kuster-Trenner, vertreibt, schloss am 22./27. Oktober 1960 mit der Firma Intreko K. G. in Konstanz einen "Generalvertretungs-Vertrag über Kuster-Trenner für die Bundesrepublik Deutschland". Nach diesem Vertrag erhielt die Firma Intreko das ausschliessliche Recht zur Lieferung von Kuster-Trennern an die Händler- und Verbraucherkundschaft im Vertragsgebiet. Sie hatte die Maschinen bei der Firma Kuster zu kaufen und auf eigene Rechnung weiterzuverkaufen. Als Entschädigung sollte sie einzig den dabei erzielten Mehrpreis erhalten. Sie verpflichtete sich u.a., im Vertragsgebiet eine Verkaufsorganisation aufzubauen und einen Reparaturdienst einzurichten und monatlich mindestens 300 Maschinen zu beziehen. In Art. 7 des Vertrages steht, für die Lieferung seien die Lieferbedingungen des Schweiz. Verbandes der Maschinenfabrikanten (VSM) massgebend, "soweit nicht in diesem Vertrag Änderungen
BGE 89 II 30 S. 32
oder Abweichungen vorgesehen sind". Art. 8 bestimmt über die Vertragsdauer:
"Dieser Vertrag hat Gültigkeit von einem Jahr und wird automatisch von Jahr zu Jahr erneuert, sofern der Generalvertreter die vereinbarte Mindestabnahme von monatlich 300 Stuck Maschinen ab Januar 61 eingehalten hat. Bei Nichteinhaltung des Vertrages und Abnahmeverpflichtung kann der Vertrag von einer der beiden Parteien mittels eingeschriebenem Brief auf das Ende eines Kalendermonats unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist gekündet werden. Die Parteien machen vom Kündigungsrecht auch dann Gebrauch, wenn grobe Verletzungen einer oder mehrerer Bestimmungen dieses Vertrages hierzu vorkommen oder wenn trotz wiederholter Mahnung Mängel nicht abgestellt werden."
In Art. 10 einigten sich die Parteien auf die Anwendung des schweizerischen Rechts und auf den Gerichtsstand Zürich.
Zusammen mit dem Generalvertretungsvertrag schlossen die beiden Firmen einen Kaufvertrag über 3900 Kuster-Trenner. Sie vereinbarten darin, 200 Maschinen seien sofort zu liefern, 100 im Dezember 1960, die restlichen 3600 vom Januar bis zum Dezember 1961 in monatlichen Posten von 300 Stück. Die Firma Kuster bezog die Maschinen zur Hauptsache von einer Lizenznehmerin in Wien. Insgesamt lieferte sie der Firma Intreko bis zum Mai 1961 517 Maschinen.
B.-
Mit Schreiben vom 10. Mai 1961 warf die Firma Intreko der Firma Kuster vor, sie habe Bestellungen nicht ausgeführt, und setzte ihr für die Lieferung eine Nachfrist bis zum 25. Mai 1961 mit dem Bemerken, dass sie sich bei Nichteinhaltung dieser Frist an den Vertrag nicht mehr gebunden fühlen und Ersatz des bereits entstandenen und des weiterhin entstehenden Schadens verlangen werde. Am 26. Mai 1961 schrieb sie der Firma Kuster, sie habe von den ausstehenden 500 Maschinen inzwischen 100 erhalten, die restlichen 400, die teils am 15. April, teils am 1. und 15. Mai 1961 hätten geliefert werden sollen, dagegen nicht. Sie setzte ihr für diese Lieferung eine letzte Nachfrist bis zum 31. Mai 1961. Die Firma Kuster wies diese Fristansetzung mit Schreiben vom 29. Mai 1961 zurück.
BGE 89 II 30 S. 33
Eine weitere Lieferung erfolgte bis zum 31. Mai 1961 nicht. Bei einer Aussprache mit der Firma Kuster ergab sich, dass diese nicht anzugeben vermochte, wann eine Lieferung möglich wäre, ja nicht einmal, ob überhaupt noch geliefert werden könne. Daraufhin erklärte die Firma Intreko mit Schreiben vom 2. Juni 1961 den Rücktritt von dem mit der Firma Kuster im Oktober 1960 geschlossenen Vertrage.
C.-
Am 27. Oktober 1961 reichte die Firma Kuster beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Firma Intreko Klage ein, mit der sie u.a. das (heute allein noch streitige) Begehren stellte, die Beklagte sei zu verurteilen, ihr als Ersatz entgangenen Gewinns DM 139'000.-- oder Fr. 150'000.-- nebst Zins zu bezahlen. Am 28. August 1962 hat das Handelsgericht dieses Klagebegehren abgewiesen. Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Für den Entscheid über die streitige Schadenersatzforderung ist in erster Linie massgebend, ob und auf welchen Zeitpunkt das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch die Schreiben der Beklagten vom 10. und 26. Mai und 2. Juni 1961 aufgelöst worden ist. Bei diesem Vertragsverhältnis handelt es sich um einen Alleinvertretungsvertrag (
BGE 78 II 33
). Für die Beendigung eines solchen Vertrags durch einseitige Erklärung gelten nach der Rechtsprechung die gleichen Vorschriften wie für den Agenturvertrag (
BGE 60 II 336
,
BGE 78 II 37
,
BGE 88 II 170
/171).
Für den Agenturvertrag regelt das OR in Art. 418 q nach dem Randtitel die Kündigung im allgemeinen. Damit ist nach dem Inhalt dieser Vorschrift die im Belieben der Parteien stehende, aber an eine Frist gebundene Kündigung eines nicht auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrags gemeint. Der vorliegende Vertrag wurde nicht auf unbestimmte Zeit, sondern zunächst auf ein Jahr abgeschlossen, so dass Art. 418 q darauf nicht unmittelbar zur Anwendung kommt. Die Parteien behielten sich jedoch in
BGE 89 II 30 S. 34
Art. 8 für bestimmte Fälle eine vorzeitige Kündigung auf das Ende des dritten der Kündigungserklärung folgenden Monats vor, was ihnen freistand.
Art. 418 r OR, der gemäss Randtitel von der Kündigung aus wichtigen Gründen handelt, bestimmt in Abs. 1, aus wichtigen Gründen könne sowohl der Auftraggeber als auch der Agent jederzeit den Vertrag sofort auflösen, und fügt in Abs. 2 bei, die Bestimmungen über den Dienstvertrag (
Art. 352 OR
) seien entsprechend anwendbar. Beim vorliegenden Vertrag kommt daher neben der Kündigung auf Termin gemäss Art. 8 des Vertrags die fristlose Kündigung aus wichtigen Gründen gemäss Art. 418 r und
Art. 352 OR
in Frage. Der Rücktritt im Sinne von
Art. 107 Abs. 2 und
Art. 109 OR
, der im Gegensatz zur Kündigung aus wichtigen Gründen ex tunc wirkt, fällt dagegen beim Alleinvertretungsvertrag als einem Dauerschuldverhältnis praktisch ausser Betracht (vgl.
BGE 78 II 36
/37).
3.
Die Vorinstanz hat die Frage, ob die Beklagte zur sofortigen Auflösung des Vertrags berechtigt gewesen sei, nicht entschieden, weil sie fand, dass die Beklagte auf jeden Fall das Recht gehabt habe, den Vertrag gemäss seinem Art. 8 zu kündigen, und dass der Vertrag angesichts der Schreiben vom 10. Mai und 2. Juni 1961 als auf Ende August 1961 gekündigt zu gelten habe. Fasst man die betreffenden Erwägungen der Vorinstanz so auf, wie sie formuliert sind, so erwecken sie Bedenken. Wäre die sofortige Auflösung des Vertrages, die von der Beklagten unzweifelhaft beabsichtigt wurde, wirksam erfolgt - welche Möglichkeit die Vorinstanz offen lässt -, so könnte von einer Auflösung des Vertrages durch Kündigung auf einen spätern Termin nicht mehr die Rede sein. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, der Vertrag habe als auf Ende August 1961 gekündigt zu gelten, dürfte denn auch trotz ihrer vorbehaltlosen Fassung nur den Sinn haben, der Vertrag sei infolge der Erklärungen der Beklagten vom 10. Mai und 2. Juni 1961, wenn nicht mit sofortiger Wirkung (2. Juni 1961), so doch spätestens mit Wirkung auf
BGE 89 II 30 S. 35
Ende August 1961 zu Ende gegangen. Wie dem aber auch sei, so erscheint es bei den gegebenen Verhältnissen auf jeden Fall als richtig, in erster Linie die Frage der sofortigen Vertragsauflösung zu prüfen.
4.
Aus der Art, wie die Beklagte vorgegangen ist (Berufung auf einen Lieferungsverzug der Klägerin, Ansetzung einer Frist zur nachträglichen Erfüllung, Rücktrittserklärung), sowie aus den Rechtserörterungen in der Klageantwort ist zu schliessen, dass die Beklagte von den Rechtsbehelfen der
Art. 107 ff. OR
Gebrauch machen wollte. Auf Art. 418 r oder
Art. 352 OR
hat weder sie noch die Klägerin jemals Bezug genommen. Auch die Vorinstanz hat diese Bestimmungen nicht erwähnt. Dies hindert jedoch das Bundesgericht nicht, die Rechtsfrage zu prüfen, ob die Rücktrittserklärung der Beklagten als fristlose Kündigung aus wichtigen Gründen wirksam sei. Die blosse Tatsache, dass die Beklagte nicht daran dachte, sich auf Art. 418 r und
Art. 352 OR
zu berufen, sondern nach
Art. 107 ff. OR
vorgehen wollte, verbietet nicht etwa schon von vornherein die Annahme, dass eine gültige Kündigung aus wichtigen Gründen vorliege.
5.
Die Klägerin ist der Ansicht, eine sofortige Auflösung des Vertrags aus den von der Beklagten geltend gemachten Gründen sei ausgeschlossen, weil Art. 8 des Vertrages bei Nichteinhaltung der vertraglichen Pflichten (insbesondere der Abnahme- und der Lieferpflicht) nur eine Kündigung auf Termin zulasse und weil Ziff. 3 der Lieferbedingungen des VSM für den Fall einer unverschuldeten Verzögerung der Lieferung eine Erstreckung der Lieferfrist vorsehe und zudem bestimme, dass eine Überschreitung der vereinbarten Lieferzeit dem Besteller nicht erlaube, "vom Geschäft zurückzutreten oder den Auftrag zu widerrufen". Dabei übersieht die Klägerin jedoch entscheidende Umstände.
a) Die Vorschriften über die fristlose Kündigung aus wichtigen Gründen sind zwingender Natur (BECKER N. 47, OSER/SCHÖNENBERGER N. 38/39 zu
Art. 352 OR
; vgl.
BGE 89 II 30 S. 36
§ 89 a des deutschen Handelsgesetzbuchs in der Fassung gemäss Gesetz vom 6. August 1953, wo mit Bezug auf das Recht zur Kündigung des Handelsvertretervertrags aus wichtigem Grunde ausdrücklich bestimmt wird: "Dieses Recht kann nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden"). Die Befugnis zur fristlosen Kündigung aus wichtigen Gründen konnte daher von den Parteien nicht wegbedungen werden. Vereinbarungen, die vorsehen, dass nur bestimmte Tatbestände die fristlose Kündigung des Vertrags rechtfertigen, andere dagegen nicht, können rechtlich nur insofern von Bedeutung sein, als sich daraus unter Umständen ergeben kann, dass der Partei, welche den Vertrag unter Berufung auf eine darnach nicht als wichtiger Grund geltende Tatsache sofort auflösen will, im Sinne von
Art. 352 Abs. 2 OR
die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ablauf der vereinbarten Dauer oder der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist zuzumuten ist (vgl. OSER/SCHÖNENBERGER N. 39 zu
Art. 352 OR
, wonach solche Vereinbarungen das Mass des nach Art. 352 Abs. 2 Zuzumutenden erhöhen). Derartigen Vereinbarungen eine weitergehende Tragweite beizumessen oder die Klauseln, die eine Einschränkung des unentziehbaren Rechts zur Kündigung aus wichtigen Gründen bezwecken, ausdehnend auszulegen, ist dagegen unstatthaft.
b) Der "Rücktritt" der Beklagten stützt sich nicht bloss auf Tatsachen, die unter die von der Klägerin genannten Vertragsbestimmungen fallen. Für den Entschluss der Beklagten gab nach dem Schreiben vom 2. Juni 1961 den Ausschlag, dass die Klägerin bei der telephonischen Besprechung, die nach dem unbenützten Ablauf der zweiten Nachfrist für die ausstehenden Lieferungen stattfand, nicht nur ausserstande war, ihr anzugeben, wann eine Lieferung möglich sei, sondern nicht einmal sagen konnte, ob sie überhaupt noch werde liefern können. Es handelte sich also nicht bloss darum, dass die Lieferungen der Klägerin hinter der vereinbarten Menge zurückblieben und sich über die vertraglich festgesetzte Zeit hinaus verzögerten, was nach
BGE 89 II 30 S. 37
der Auffassung der Klägerin gemäss Art. 8 Satz 2 des Vertrags höchstens ein Grund zur Kündigung auf das Ende des drittfolgenden Monats hätte sein können. (Dass der in Art. 8 des Vertrags genannten Abnahmepflicht der Beklagten eine entsprechende Lieferpflicht der Klägerin gegenüberstand und dass deren Nichteinhaltung gemäss Vertrag wenigstens im Falle eines Verschuldens grundsätzlich die gleichen Folgen haben sollte wie die Nichterfüllung der Abnahmepflicht, ist unbestritten.) Auch hatte man es anfangs Juni 1961 nicht bloss mit einer Verletzung anderer Vertragsbestimmungen oder mit der Nichtbehebung von Mängeln im Sinne des 3. Satzes von Art. 8 des Vertrags zu tun. Vielmehr wurde durch den Bescheid, den die Beklagte bei der erwähnten telephonischen Besprechung erhielt, die Weiterführung der Geschäftsbeziehungen der Parteien überhaupt in Frage gestellt. Der Klägerin hilft es also nichts, wenn man gemäss lit. a hievor annimmt, im Hinblick auf Art. 8 des Vertrages und Ziff. 3 der Lieferbedingungen des VSM sei nach einem strengen Massstab zu prüfen, ob mengenmässig ungenügende und verspätete Lieferungen oder andere unter diese Bestimmungen fallende Unregelmässigkeiten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses als unzumutbar erscheinen lassen und somit einen wichtigen Grund zur sofortigen Vertragsauflösung bilden. Der entscheidende Sachverhalt wird von diesen Bestimmungen nicht erfasst. Daher ist lediglich anhand des Gesetzes zu prüfen, ob die Beklagte zur sofortigen Beendigung des Vertrags berechtigt gewesen sei oder nicht. | public_law | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49144237-f3e4-432f-b204-a4fe966eaeae | Urteilskopf
98 Ia 311
49. Auszug aus dem Urteil vom 8. März 1972 i.S. Helm gegen Trans-Chemie AG und Justizkommission des Kantons Zug. | Regeste
Deutsch-schweizerisches Vollstreckungsabkommen vom 2. November 1929.
Art. 2 Ziff. 3: Begriff der "vorbehaltlosen" Einlassung auf den Rechtsstreit. | Sachverhalt
ab Seite 311
BGE 98 Ia 311 S. 311
Aus dem Sachverhalt:
A.-
Die in Hamburg domizilierte Firma Karl O. Helm reichte gegen die in Zug ansässige Trans-Chemie AG vor dem Landgericht Hamburg wegen Nichterfüllung eines Kaufvertrages eine Schadenersatzklage ein; sie stützte sich dabei auf eine entsprechende Gerichtsstandsklausel, die sie mit der Beklagten vereinbart haben wollte. Die Trans-Chemie AG erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, wobei sie sich darauf berief, dass die (in einer Auftragsbestätigung enthaltene) Gerichtsstandsklausel der Gültigkeit entbehre, da zwischen den Parteien gar kein Vertrag zustandegekommen sei. Das Landgericht Hamburg verwarf die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit durch ein Zwischenurteil vom 26. März 1968. Die Trans-Chemie AG erhob gegen dieses ZwischenurteilBerufung, welche das Hanseatische Oberlandesgericht am 14. März 1969 abwies. Eine hiegegen eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 15. April 1970 verworfen.
BGE 98 Ia 311 S. 312
In der Folge verurteilte das Landgericht Hamburg die Trans-Chemie am 26. August 1970 zur Zahlung von DM 101'820.26 nebst Zinsen. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte beim Hanseatischen Oberlandesgericht Berufung ein, zog sie indessen später wieder zurück, so dass das Urteil des Landgerichtes Hamburg vom 26. August 1970 in Rechtskraft erwuchs.
B.-
Gestüzt auf das Urteil des Landgerichtes Hamburg leitete die Firma Karl O. Helm für den zugesprochenen Betrag gegen die Trans-Chemie AG in Zug eine Betreibung ein. Auf erhobenen Rechtsvorschlag hin verlangte die Gläubigerin definitive Rechtsöffnung, welche vom Rechtsöffnungsrichter des Kantons Zug mit Entscheid vom 6. Februar 1971 verweigert wurde. Eine hiegegen von der Firma Karl O. Helm erhobene Beschwerde wies die Justizkommission des Kantons Zug am 7. Januar 1971 ab.
C.-
Gegen den Entscheid der Justizkommission führt die Gläubigerin staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des deutsch-schweizerischen Staatsvertrages über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen vom 2. November 1929.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens, wonach, in Verbindung mit Art. 6, das Urteil des einen Staates im andern Staat zu vollstrecken ist, "wenn der Beklagte sich vorbehaltlos auf den Rechtsstreit eingelassen hatte". Auch diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Da die Trans-Chemie schon zu Beginn des Prozesses formell die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit erhoben und das diese Einrede verwerfende Zwischenurteil mit allen zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln (erfolglos) angefochten hatte, kann von einer vorbehaltlosen Einlassung offensichtlich keine Rede sein; dass die Beklagte vorsichtshalber auch materiell zum Klagebegehren Stellung nahm, ändert daran nichts.
Die von der Beschwerdeführerin hiegegen erhobenen Einwände sind unbehelflich. Entgegen ihrer Auffassung war es nicht notwendig, dass die Trans-Chemie neben der Einrede der
BGE 98 Ia 311 S. 313
örtlichen Unzuständigkeit auch noch einen die Vollstreckung des Urteils betreffenden Vorbehalt anbrachte. Ein solcher Vorbehalt wäre nur erforderlich gewesen, wenn die Beklagte auf eine formelle Unzuständigkeitseinrede verzichtet oder die Einrede später zurückgezogen hätte, was nicht zutrifft (
BGE 60 I 132
f.,
BGE 63 I 17
ff.). Auch aus dem von der Beschwerdeführerin erwähnten
BGE 96 I 596
, der eine entsprechende Klausel des italienisch-schweizerischen Vollstreckungsabkommens betrifft, ergibt sich nichts anderes. Dass die formelle Einrede der Unzuständigkeit in jedem Falle genügt, geht im übrigen klar aus dem Sitzungsprotokoll zu Art. 2 Ziff. 3 des deutsch-schweizerischen Abkommens hervor, wo festgestellt wird: "Ein,Vorbehalt'des Beklagten im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht nur dann vor, wenn er die formelle Einrede der Unzuständigkeit erhoben hat. Es genügt vielmehr, wenn er in den Fällen, in denen nach dem Rechte des Urteilsstaates die Zuständigkeit des Prozessgerichts begründet ist, vor der Einlassung zu erkennen gibt, dass er sich dem Verfahren nur für den Urteilsstaat unterwerfe und einer Durchführung des Urteils in dem andern Staate widerspreche" (BBl, 1929, III, S. 535).
Dass die Beklagte einen im Laufe des Verfahrens ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes Hamburg vom 14. April 1969 nicht angefochten und die ihr darin auferlegten Prozesskosten am 14. Mai 1969 bezahlt hat, kann, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, nicht als vorbehaltlose Einlassung bzw. als Verzicht auf die Unzuständigkeitseinrede angesehen werden. Schliesslich war es auch nicht notwendig, dass die Trans-Chemie beim Rückzug der gegen das Haupturteil des Landgerichtes Hamburg eingelegten Berufung nochmals einen die Zuständigkeit oder die Vollstreckbarkeit betreffenden Vorbehalt anbrachte, nachdem sie zu Beginn des Prozesses die Zuständigkeit formell bestritten und diese Einrede nie zurückgezogen hatte. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4918ee2e-7e07-437d-ac92-07241f65c6f7 | Urteilskopf
119 IV 238
45. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 26 août 1993 dans la cause C. c. Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 292 StGB
; Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung; Vorsatz.
Gegen diese Bestimmung verstösst nur, wer vorsätzlich handelt, d.h. die Tat im Wissen um die amtliche Anordnung und die strafrechtlichen Folgen begeht. Die blosse rechtsgenügliche Eröffnung der Verfügung genügt nicht, wenn der Betroffene deren Inhalt nicht kannte (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 239
BGE 119 IV 238 S. 239
A.-
Par lettre recommandée du 17 juin 1991, l'Office des poursuites de Lausanne-Est a sommé l'avocat C. de présenter sa comptabilité pour le début de l'année 1991, sous la menace des peines prévues par l'
art. 292 CP
. Cette injonction est demeurée vaine.
B.-
Traduit en jugement sous l'accusation d'insoumission à une décision de l'autorité (
art. 292 CP
), C. affirma qu'il n'avait pas pris connaissance de l'avis recommandé en raison de ses voyages professionnels.
Observant qu'il s'était engagé, le 29 avril 1991 déjà, à fournir les pièces demandées et considérant qu'il ne pouvait ignorer, vu sa profession, les conséquences de sa carence, le Tribunal de police du district de Lausanne, par jugement du 11 février 1993, l'a reconnu coupable d'insoumission à une décision de l'autorité et l'a condamné à la peine de quatre jours d'arrêts avec sursis pendant un an, mettant à sa charge les frais de la procédure.
Par arrêt du 3 mars 1993, la Cour de cassation cantonale a rejeté, avec suite de frais, le recours formé par le condamné. Sur l'affirmation de celui-ci selon laquelle il n'avait pas pris connaissance de l'avis comminatoire, la cour cantonale a émis le considérant suivant: "peu importe que le recourant n'ait pas pris ou voulu prendre connaissance de son courrier. (...) En toute hypothèse, un administré ne saurait faire échec à l'application de l'
art. 292 CP
en s'abstenant volontairement de prendre connaissance des décisions qui lui sont adressées valablement".
C.-
Contre cet arrêt, C. s'est pourvu en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral. Soutenant qu'il ne pouvait être condamné en application de l'
art. 292 CP
dès lors qu'il n'avait pas eu connaissance de l'injonction comminatoire, il conclut, avec suite de dépens, à l'annulation de l'arrêt attaqué et sollicite par ailleurs l'assistance judiciaire.
D.-
La cour cantonale a renoncé à formuler des observations.
Se référant aux considérants de l'arrêt attaqué, le Ministère public a conclu au rejet du recours.
BGE 119 IV 238 S. 240
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Selon l'
art. 292 CP
, "celui qui ne se sera pas conformé à une décision à lui signifiée, sous la menace de la peine prévue au présent article, par une autorité ou un fonctionnaire compétents sera puni des arrêts ou de l'amende".
Pour que l'infraction soit réalisée, il faut que l'insoumission soit intentionnelle (
ATF 78 IV 239
; STRATENWERTH, Bes. Teil II, 3e éd., p. 291 no 10; TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, art. 292 no 9; HAUSER/REHBERG, Strafrecht IV p. 282). L'intention suppose la connaissance de l'injonction, de sa validité et des conséquences pénales de l'insoumission (HAUSER/REHBERG, op.cit., p. 282). Le dol éventuel suffit (STRATENWERTH, op.cit., p. 291 s. no 10).
b) En l'espèce, la cour cantonale n'a nullement exclu que le recourant ait omis de prendre connaissance de l'injonction comminatoire et qu'il ait ignoré encourir les peines de l'
art. 292 CP
s'il ne remettait pas sa comptabilité. Elle a considéré que ces points de fait étaient sans pertinence et qu'il appartenait au recourant de prendre connaissance du courrier reçu à l'adresse qu'il avait lui-même indiquée.
A l'appui de sa conception juridique, la cour cantonale s'est référée à HAUSER/REHBERG et à TRECHSEL.
En ce qui concerne HAUSER/REHBERG, il est vrai que ces auteurs affirment, dans un passage qui semble plutôt viser la validité de l'injonction du point de vue du droit administratif, qu'elle doit être reçue, mais qu'il n'est pas nécessaire que le destinataire en prenne connaissance (HAUSER/REHBERG, op.cit., p. 281). Ils se réfèrent cependant, à l'appui de cette affirmation, d'une part à IMBODEN/RHINOW et d'autre part à un arrêt cantonal. L'arrêt cantonal se rapporte à l'
art. 291 CP
(rupture de ban), qui ne contient pas la formule "à lui signifiée" et qui n'est donc guère transposable ici; de toute manière, il ressort de cet arrêt que l'intéressé avait connaissance de la décision prise à son encontre (SJZ 55 (1959) 312). Quant à IMBODEN/RHINOW, ces auteurs affirment, au contraire de la cour cantonale, que celui qui ne va pas chercher le pli à la poste n'est pas punissable, l'intention délictueuse supposant la conscience et la volonté de transgresser l'injonction comminatoire (IMBODEN/ RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5e éd., I no 51 p. 306).
On ne saurait d'ailleurs admettre que HAUSER/REHBERG soutiennent la thèse de la cour cantonale. En effet, ces auteurs, lorsqu'ils traitent de l'intention requise par l'
art. 292 CP
, indiquent très clairement
BGE 119 IV 238 S. 241
qu'elle suppose la connaissance de l'injonction et de la punissabilité de l'insoumission (HAUSER/REHBERG, op.cit., p. 282).
Pour ce qui est de TRECHSEL, également cité par la cour cantonale, il traite de la question à la note 9 et considère, en ce qui concerne l'intention, que l'auteur n'est pas punissable s'il n'a pas eu connaissance de l'injonction comminatoire, même s'il a refusé de recevoir le pli et s'il est réputé l'avoir reçu selon les règles de procédure (TRECHSEL, op.cit., art. 292 no 9).
Les auteurs cités par la cour cantonale à l'appui de sa thèse ne se prononcent donc pas dans le même sens qu'elle.
c) L'
art. 292 CP
réprime pénalement l'insoumission à une décision d'une autorité. Il résulte clairement des mots "une décision à lui signifiée, sous la menace de la peine prévue au présent article" que le législateur a attaché une importance décisive au fait que l'intéressé soit avisé des conséquences pénales d'un refus d'obtempérer. La jurisprudence a insisté sur la précision que doit avoir la menace (
ATF 105 IV 249
s.). L'infraction, qui est intentionnelle, consiste à passer outre à une telle injonction comminatoire; elle suppose donc que l'auteur ait été prévenu des conséquences pénales d'une insubordination. Celui qui, pour quelque motif que ce soit, n'a pas connaissance de l'injonction ou des conséquences pénales d'une insubordination ne peut pas réaliser l'intention délictueuse requise par l'
art. 292 CP
, la question du dol éventuel étant réservée.
La doctrine et la jurisprudence cantonale publiée se sont d'ailleurs également prononcées dans ce sens (TRECHSEL, op.cit., art. 292 no 9; HAUSER/REHBERG, op.cit., p. 282; IMBODEN/RHINOW, op.cit., p. 306; SJZ 64 (1968) 226).
d) En l'espèce, la cour cantonale n'a pas constaté en fait que le recourant savait, à partir d'un certain moment, qu'il encourait les peines de l'
art. 292 CP
en cas d'insubordination, ou qu'il ait accepté cette éventualité. L'état de fait retenu ne permet donc pas de constater une infraction à l'
art. 292 CP
. En suivant strictement la théorie procédurale de la réception, la cour cantonale est partie d'une fausse conception de l'intention délictueuse requise par l'
art. 292 CP
, et son arrêt, violant le droit fédéral, doit donc être annulé. | null | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
491f8bbf-68f7-474e-8c68-d1e215859fb4 | Urteilskopf
141 III 145
21. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.A. contre B.A. (recours en matière civile)
5A_278/2014 du 29 janvier 2015 | Regeste
Art. 206 Abs. 1 und
Art. 209 Abs. 3 ZGB
; Schicksal des konjunkturellen Mehrwerts einer Liegenschaft, der auf einen Vorbezug von Freizügigkeitsguthaben entfällt; Auflösung des Güterstandes vor Eintritt eines Vorsorgefalls.
Bis zum Eintritt eines Vorsorgefalls ist ein Vorbezug wie ein von der Vorsorgeeinrichtung gewährtes Darlehen zu behandeln; bei der Auflösung des Güterstandes ist der auf den Vorbezug entfallende Mehrwert gleich zu behandeln wie der Mehrwert, der auf ein ausstehendes Hypothekardarlehen entfällt (E. 3 und 4). | Sachverhalt
ab Seite 146
BGE 141 III 145 S. 146
A.
A.A., né en 1954, et B.A. née en 1964, se sont mariés à Cologny (Genève) le 7 août 1998.
Les époux sont soumis au régime matrimonial de la participation aux acquêts.
Le 22 mars 2002, les époux ont acquis un appartement en triplex de 300 m
2
habitables, avec un jardin de 180 m
2
, ainsi que deux places de parc intérieures, sis dans une copropriété de la commune de X. (Genève), pour un prix de 1'100'000 fr. Il résulte de l'acte notarié et de la facture du notaire que ce prix de vente ne comprend pas les plus-values convenues entre les parties, soit des travaux supplémentaires de 61'000 fr., le rachat d'une cédule hypothécaire de 850'000 fr. moyennant le remboursement des frais de constitution de 10'200 fr., ainsi que les frais et honoraires du notaire de 50'243 fr. 80.
Les époux sont inscrits au Registre foncier en tant que copropriétaires du bien immobilier à raison de la moitié chacun.
Cette acquisition a été financée par un emprunt hypothécaire de 910'000 fr., dont les époux sont codébiteurs solidaires, lequel a été porté par la suite à 1'010'000 fr., sans toutefois que l'affectation du crédit supplémentaire ait été établie, et par un versement anticipé de 310'950 fr. de l'institution de prévoyance professionnelle de l'époux. Il est admis que, sur ce montant, seuls 69'589 fr. 80 ont été accumulés après le mariage, de sorte qu'un montant de 241'360 fr. correspond à des avoirs constitués avant le mariage.
Les parties ont convenu que la valeur actuelle de cet appartement est de 2'600'000 fr.
B.
Par jugement du 30 janvier 2013, le Tribunal de première instance du canton de Genève a notamment dissous par le divorce le mariage contracté par A.A. et B.A., attribué à l'époux la propriété exclusive de l'appartement sis à X., ordonné la modification des inscriptions du Registre foncier en conséquence, et condamné le mari à verser à l'épouse, à titre de liquidation du régime matrimonial, la somme de 696'939 fr.
Statuant sur appel de l'époux par arrêt du 13 février 2014, la Cour de justice a réformé le jugement entrepris en ce sens que A.A. est condamné à verser à B.A. la somme de 680'926 fr. à titre de liquidation du régime matrimonial.
C.
Saisi d'un recours en matière civile de A.A., le Tribunal fédéral a statué sur la cause en séance publique le 29 janvier 2015.
(résumé)
BGE 141 III 145 S. 147
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Le recourant invoque la violation des art. 206 al. 1 et 209 al. 3 CC en lien avec le sort de la plus-value conjoncturelle engendrée par l'immeuble des époux.
3.1
La cour cantonale a tout d'abord constaté que les parties s'accordaient sur la valeur vénale actuelle de l'immeuble de 2'600'000 fr. et que cet immeuble avait été financé à hauteur de 1'010'000 fr. par un emprunt hypothécaire et de 310'950 fr. par un versement anticipé de l'institution de prévoyance professionnelle de l'époux; la plus-value engendrée par l'immeuble était donc de 1'279'050 fr. ([2'600'000 fr. - 1'010'000 fr. - 310'950 fr.]). Elle a ensuite jugé que cette somme devait être partagée par moitié entre les époux, compte tenu de leur qualité de copropriétaires pour moitié chacun et de la jurisprudence (
ATF 138 III 150
); l'époux devait ainsi à l'intimée la somme de 639'525 fr.
La cour a ensuite intégré l'immeuble, attribué en pleine propriété à l'époux, à la masse des acquêts de ce dernier à la valeur de 2'600'000 fr., dès lors qu'il avait été acquis à titre onéreux pendant le régime (
art. 197 al. 1 et
art. 200 al. 3 CC
). L'emprunt hypothécaire de même que le versement anticipé des avoirs de prévoyance professionnelle de l'époux, qu'elle a considéré comme un prêt, grevaient en conséquence la masse des acquêts.
Elle a enfin estimé que, dans la mesure où les biens propres de l'époux n'avaient fait aucune contribution effective, il n'y avait pas lieu à récompense variable. Dès lors, l'indemnité de 639'525 fr. revenant à l'épouse dans la liquidation de la copropriété de l'immeuble devait grever les acquêts de l'époux, auxquels était attribué l'immeuble. Elle devait ainsi être attribuée à la masse des acquêts de l'épouse (
art. 200 al. 3 CC
).
3.2
Le recourant fait valoir que la plus-value afférente à la part du versement anticipé de ses avoirs de prévoyance professionnelle constitués au moyen de ses revenus accumulés avant le mariage doit profiter à ses biens propres et non pas, comme l'a retenu la Cour de justice, à ses acquêts et à ceux de son ex-épouse. Ses biens propres aurait ainsi une créance - ascendant à 280'623 fr. 60 [21,94 % de la plus-value de 1'279'050 fr.] - contre ses acquêts et ceux de son épouse. Il y aurait lieu de retrancher cette créance du montant alloué à l'épouse par la Cour de justice au titre de la liquidation du régime matrimonial.
BGE 141 III 145 S. 148
4.
La question qui se pose porte sur le sort de la plus-value conjoncturelle d'un immeuble afférente à un versement anticipé de la prestation de libre passage lors de la dissolution du régime avant la survenance d'un cas de prévoyance.
Le Tribunal fédéral n'a jamais été amené à se prononcer sur cette question.
4.1
Pour déterminer le bénéfice de chaque époux (cf.
art. 210 CC
), les patrimoines des époux sont dissociés (art. 205 s. CC), et les acquêts (
art. 197 CC
) et les biens propres (
art. 198 CC
) de chaque époux disjoints (
art. 207 al. 1 CC
). Tous les biens qui constituent la fortune des époux doivent être attribués à l'une ou à l'autre masse. Chaque bien d'un époux est rattaché exclusivement à une seule masse (
ATF 132 III 145
consid. 2.2.1; cf. également
ATF 141 III 53
consid. 5.4 p. 59).
Les
art. 206 et 209 al. 3 CC
instaurent le partage entre les époux, d'une part, et entre les masses d'un époux, d'autre part, des plus-values conjoncturelles, soit celles qui résultent des forces du marché sans apport du propriétaire du bien (
ATF 132 III 145
consid. 2.3;
ATF 131 III 252
consid. 3;
ATF 141 III 53
précité consid. 5.4 p. 59; arrêts 5A_279/2013 du 10 juillet 2013 consid. 3.1 et 3.2, résumé in FamPra.ch 2013 p. 1022; 5C.81/2001 du 14 janvier 2002 consid. 5b, in Pra 2002 n° 69 p. 392 et RNRF 84/2003 p. 250). Seule la plus-value tombant dans les acquêts d'un époux est partagée avec l'autre.
4.2
En vertu des art. 30c s. LPP (pour le deuxième pilier A) et 331e CO (pour le deuxième pilier B), l'assuré peut faire valoir auprès de son institution de prévoyance le droit au versement d'un montant pour la propriété d'un logement pour ses propres besoins. Lorsqu'il est marié, il doit obtenir le consentement écrit de son conjoint. En cas de vente du logement, il doit rembourser le produit réalisé.
4.2.1
Au sujet de l'encouragement à l'accession à la propriété du logement au moyen de la prévoyance professionnelle, le Message du Conseil fédéral mentionne uniquement que, du point de vue des régimes matrimoniaux, le logement doit être traité comme s'il avait été acquis au moyen d'un prêt. Lorsqu'un cas de prévoyance est déjà survenu avant le divorce pour le preneur d'assurance, l'argent n'est plus bloqué et les fonds investis dans le logement doivent être traités dans le cadre de la liquidation du régime matrimonial, comme en cas de versement en espèces (Message du 15 novembre 1995 concernant la révision du Code civil suisse, FF 1996 I 1 ss, 113 ch. 233.45).
BGE 141 III 145 S. 149
4.2.2
Dans sa majorité, la doctrine s'accorde aussi à considérer que, jusqu'à la survenance d'un cas de prévoyance, le versement anticipé doit être considéré comme un prêt de l'institution de prévoyance. Elle avance comme argument principal que le versement anticipé se rapporte à une expectative, que l'assuré n'est pas sûr de pouvoir conserver, de sorte qu'il ne doit pas être comptabilisé dans le régime, ce contrairement aux prestations effectives faites à un époux suite à un cas de prévoyance, qui, elles, entrent dans les acquêts, quelle que soit la masse qui a payé les cotisations et même si celles-ci ont été payées avant le régime (
art. 197 al. 2 ch. 2 CC
); la réglementation des effets du divorce confirme indirectement que le droit à des rentes futures n'est pas pris en compte lors de la liquidation du régime puisque, dans ce cas, un partage des prestations de sortie acquises pendant le mariage est spécialement réglé par les
art. 122 ss CC
. (cf.
art. 197 ss CC
; cf. surtout, BADDELEY, La plus-value du logement acquis par des époux: répartition en cas d'utilisation des avoirs de la prévoyance professionnelle, Jusletter 8 décembre 2008 n. 27 et 32; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung und Scheidung [ci-après: Wohneigentumsförderung], 2008, n. 50 s., 91 ss, 111 et les références; GEISER, Le nouveau droit du divorce et les droits en matière de prévoyance professionnelle, in De l'ancien au nouveau droit du divorce, Pfister-Liechti [éd.], 1999, p. 53 ss, 73; STEINAUER, Le statut dans la participation aux acquêts d'un immeuble acquis au moyen d'un versement anticipé du deuxième pilier [ci-après: Participation], in Soziale Sicherheit - Soziale Unsicherheit, 2010, p. 857 ss, 859 ss et les références; d'autres auteurs préconisent l'attribution du bien en fonction des avoirs accumulés avant et après le mariage: cf. SANDOZ, Prévoyance professionnelle et divorce [ci-après: Prévoyance], in Le droit du divorce: Questions actuelles et besoin de réforme, Pichonnaz/Rumo-Jungo [éd.], 2008, p. 35 ss, 54 s.; SCHAI, Vorbezüge aus der zweiten Säule für Wohneigentum im Scheidungsfall, BJM 2006 p. 57 ss, 87 ss; SUTTER-SOMM/KOBEL, Ist das schweizerische Ehegüterrecht revisionsbedürftig?, FamPra.ch 2004 p. 776 ss, 788 ss).
4.2.3
En revanche, la doctrine est plus divisée sur la question du sort de la plus-value conjoncturelle afférente au versement anticipé. On peut distinguer principalement quatre courants (pour une présentation complète, cf. not. BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op.cit., n. 153 ss;
la même
, Vorbezüge für Wohneigentum in der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei Scheidung [ci-après: Vorbezüge], FamPra.ch 2009 p. 807 ss, 815 ss;STEINAUER, Participation, op. cit., p. 867 ss).
BGE 141 III 145 S. 150
Un premier courant majoritaire, insistant sur le fait qu'il s'agit de fonds prêtés par un tiers pour lesquels la masse débitrice sur le plan interne n'a pas eu la charge d'intérêts, propose que le traitement de la plus-value afférente au versement anticipé soit le même que celui appliqué à la plus-value afférente à un emprunt hypothécaire non remboursé; il s'agirait ainsi de répartir la plus-value afférente au versement anticipé entre les biens propres et les acquêts de l'époux assuré proportionnellement aux contributions effectives que chacune de ces masses a faites pour financer l'acquisition du logement (sur cette méthode lors d'un emprunt hypothécaire:
ATF 132 III 145
consid. 2.3;
ATF 123 III 152
consid. 6b/bb; STEINAUER, Deuxième pilier, versement anticipé et régimes matrimoniaux [ci-après: Deuxième pilier], in Deuxième pilier et épargne privée en droit du divorce, Pichonnaz/Rumo-Jungo [éd.], 2010, p. 1 ss, 38 s.;
le même
, Participation, op. cit., p. 870 s.; DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, Les effets du mariage, 2
e
éd. 2009, n. 1294c p. 593 s.; cf. aussi, AEBI-MÜLLER, Vorbezüge für Wohneigentum bei Scheidung: Wer trägt den Zinsverlust?, RJB 137/2001 p. 132 ss, 134;
la même
, Die optimale Begünstigung des überlebenden Ehegatten, 2
e
éd. 2007, n. 03.40; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 154 ss et 180;
la même
, Vorbezüge, op. cit., p. 818 ss et 825 ss; GEISER, Vorsorgeausgleich: Aufteilung bei Vorbezug für Wohneigentumserwerb und nach Eintreten eines Vorsorgefalls, FamPra.ch 2002 p. 83 ss, 93; HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 5
e
éd. 2014, n° 30a ad
art. 209 CC
; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1996, n° 16 ad
art. 237 CC
; KOLLER, Familien- und Erbrecht und Vorsorge, recht Studienheft 4, 1997 p. 10; WOLF, Grundstücke in der güter- und erbrechtlichen Auseinandersetzung, RJB 136/2000 p. 241 ss, 254 s.).
Un deuxième courant important est d'avis qu'il convient, soit pour des raisons d'équité, soit au motif que le prêt de l'institution de prévoyance se distingue d'un prêt ordinaire en tant que l'époux propriétaire utilise des droits qu'il a accumulés et s'apparente à un apport en fonds propres, de tenir compte de l'origine des fonds prêtés par l'institution de prévoyance. Il propose de répartir la plus-value liée au versement anticipé entre les propres et les acquêts de l'époux assuré selon que les avoirs de prévoyance ont été accumulés avant ou après le mariage. Ainsi, seule la part du versement anticipé correspondant à des avoirs de prévoyance accumulés pendant le régime doit être considérée comme un acquêt (BÜCHLER/VETTERLI, Ehe, Partnerschaft, Kinder, Eine Einführung in das Familienrecht der Schweiz,
BGE 141 III 145 S. 151
2
e
éd. 2011, p. 71; KOBEL, Immobilien in der güterrechtlichen Auseinandersetzung, 2007, p. 131 s.; PICHONNAZ/RUMO-JUNGO, Prévoyance et droit patrimonial de la famille, in Droit patrimonial de la famille, 2004, p. 1 ss, 14; SANDOZ, Prévoyance, op. cit., p. 48 ss et 54 s.;
la même
, Prévoyance professionnelle et acquisition du logement par des personnes mariées, in Privatrecht im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichem Wandel und ethischer Verantwortung, 2002, p. 315 ss, 322 et 327 ss; SCHAI, op. cit., p. 87 ss]). Ces auteursestiment par conséquent que la plus-value doit être considérée comme un acquêt pour la part du versement correspondant à des avoirs de libre passage accumulés pendant le régime de la participation aux acquêts et comme un propre dans l'hypothèse où ces fonds proviennent d'avoirs accumulés avant le mariage.
Un auteur propose une solution mixte, conjuguant ces deux principaux courants. Il est d'avis que la part du versement anticipé provenant d'avoirs de prévoyance accumulés avant le mariage doit être assimilée à des biens propres et ajoutée aux biens propres investis dans l'immeuble, celle provenant des avoirs accumulés après le mariage augmentant les acquêts investis dans l'immeuble. Chaque masse bénéficie ensuite de la plus-value en proportion de son "investissement" dans l'immeuble (BADDELEY, op. cit., n. 67 ss; cf. DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, op. cit., n. 1294b p. 593).
Enfin, un quatrième et dernier courant, minoritaire, considère que la plus-value afférente au versement anticipé doit profiter aux acquêts par application analogique de l'
art. 197 al. 2 ch. 2 CC
, au motif que les fonds prêtés sont liés à la prévoyance (MOSER, Zum Leistungs- und Koordinationsrecht aus Sicht der beruflichen Vorsorge - Betrachtungen anhand eines praktischen Anwendungsbeispiels [unter Einbezug möglicher scheidungsrechtlicher Aspekte], RSAS 1997 p. 362 ss, 392; REUSSER, Die Vorsorge für die geschiedene Ehefrau unter besonderer Berücksichtigung von Art. 22 des neuen Freizügigkeitsgesetzes, PJA 1994 p. 1510 ss, 1517; TRIGO TRINDADE, Prévoyance professionnelle, divorce et succession, SJ 2000 II p. 467 ss, 486).
4.3
La doctrine majoritaire doit être suivie tant en ce qui concerne le statut matrimonial de l'immeuble financé par un versement anticipé (infra consid. 4.3.1) qu'en ce qui concerne le sort de la plus-value conjoncturelle de l'immeuble afférente à ce versement (infra consid. 4.3.2).
4.3.1
Ainsi, jusqu'à la survenance d'un cas de prévoyance, le versement anticipé, qui se rapporte à une expectative (consid. 4.3.2.1
BGE 141 III 145 S. 152
infra), doit être considéré comme un prêt de l'institution de prévoyance (supra consid. 4.2.1 et 4.2.2). Il n'exerce donc pas d'influence sur le rattachement de l'immeuble à l'actif d'une des masses de l'acquéreur; ce rattachement obéit aux règles ordinaires (
art. 197 ss CC
). L'immeuble est intégré à la masse de l'époux propriétaire qui, lors de l'acquisition, a apporté la contribution au comptant la plus importante ou, en cas d'égalité, aux acquêts (
art. 200 al. 3 CC
); l'immeuble acquis entièrement à crédit pendant le mariage entre dans les acquêts (arrêt 5A_111/2007 du 8 janvier 2008 consid. 4.2.3, in FamPra.ch 2008 p. 380). Le versement anticipé grève à titre de dette la masse à laquelle l'immeuble est rattaché (
art. 209 al. 2 CC
;
ATF 132 III 145
consid. 2.3.2).
4.3.2
Lorsque le régime matrimonial est dissous avant la survenance d'un cas de prévoyance, les règles valant pour les dettes hypothécaires (
ATF 132 III 145
) s'appliquent, la plus-value afférente au versement anticipé étant ainsi répartie selon la contribution effective de chacune des masses de l'acquéreur au financement de l'immeuble.
4.3.2.1
Cette conclusion se justifie principalement du fait qu'aussi longtemps qu'un cas de prévoyance n'est pas survenu, le versement anticipé se rapporte à une expectative et, dès lors qu'il n'est pas certain que celle-ci s'actualisera un jour, il n'est pas sûr que ce versement puisse être conservé. Dans ces conditions, une application analogique de l'
art. 197 al. 2 ch. 2 CC
et l'attribution de la plus-value exclusivement aux acquêts (quatrième courant doctrinal) ou selon l'origine des fonds qui ont permis de constituer le versement anticipé (deuxième et troisième courants doctrinaux) ne peut être approuvée. Une telle solution reviendrait en effet à considérer la survenance d'un cas de prévoyance comme acquise alors que ce point est encore indécis au moment où se pose la question de la répartition (STEINAUER, Participation, op. cit., p. 870; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 170).
4.3.2.2
Il faut également opposer aux propositions doctrinales qui prennent en considération l'origine des fonds prêtés que le principe de la subrogation patrimoniale, que l'on retrouve en matière de régimes matrimoniaux, ne s'applique pas dans le cadre de la prévoyance professionnelle: le versement anticipé se substitue en effet à l'expectative dont dispose l'assuré contre l'institution de prévoyance, mais non aux versements effectués par l'intéressé en faveur de dite institution (BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 179). Prendre en considération l'origine des fonds constituant le versement
BGE 141 III 145 S. 153
anticipé serait au demeurant paradoxal dans la mesure où, même lorsqu'un cas de prévoyance se produit, l'
art. 197 al. 2 ch. 2 CC
ignore cette origine, le versement de l'institution de prévoyance entrant entièrement dans les acquêts (STEINAUER, Participation, op. cit., p. 871;
le même
, Deuxième pilier, op. cit., p. 39).
Il est vrai que, suite à un divorce, l'origine des fonds est prise en compte par les
art. 122 ss CC
lorsqu'il s'agit de partager la prestation de sortie; de même, dans son Message du 29 mai 2013 concernant la révision du code civil suisse (Partage de la prévoyance professionnelle en cas de divorce), le Conseil fédéral estime qu'en cas de versement anticipé, la perte d'intérêts ainsi que la diminution de capital liée à une vente à perte ou sans bénéfice de l'immeuble doivent être répartis proportionnellement entre l'avoir de prévoyance acquis avant le mariage et l'avoir constitué durant le mariage (FF 2013 4341 ss [ch. 2.6 ad art. 22a de la loi sur le libre passage, p. 4393 s.]; contra, mais seulement pour la diminution de capital:
ATF 132 V 332
consid. 4.3.2 et 4.3.3; laissent la question ouverte s'agissant du traitement de la perte d'intérêts:
ATF 132 V 332
consid. 4.4;
ATF 135 V 436
consid. 4.4). Il ne faut cependant pas perdre de vue que le partage de la prestation de sortie est ordonné en dehors de toute considération liée au régime matrimonial (notamment:
ATF 128 V 41
consid. 2d; WALSER, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 5
e
éd. 2014, n° 2 ad
art. 122 CC
; STEINAUER, Participation, op. cit., p. 871; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 179) dans la seule perspective du divorce, afin de compenser les pertes de prévoyance encourues en raison de la répartition des tâches durant le mariage et d'assurer l'indépendance économique des époux (
ATF 129 III 577
consid. 4.2.1;
ATF 128 V 41
consid. 2d). Or la question de la répartition de la plus-value afférente au versement anticipé doit être reliée aux régimes matrimoniaux et se pose ainsi non seulement en cas de divorce, mais pour tous les cas de dissolution du régime. Les règles ordinaires doivent en conséquence l'emporter sur celles fondées sur le correctif introduit par l'
art. 122 CC
(STEINAUER, Participation, op. cit., p. 871;
le même
, Deuxième pilier, op. cit., p. 39; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 179; cf. dans cette ligne également:
ATF 135 V 436
consid. 3.3 qui retient qu'en cas de versement anticipé, l'impossibilité de réintégration des avoirs de prévoyance suite à une vente à perte de l'immeuble ainsi financé [
art. 30d al. 5 LPP
] doit être prise en considération dans la liquidation du régime matrimonial).
BGE 141 III 145 S. 154
4.4
En l'espèce, l'arrêt cantonal ne viole donc pas le droit fédéral sur le point objet du grief soulevé par le recourant: le régime matrimonial du couple est celui de la participation aux acquêts, l'immeuble en cause a été acquis entièrement à crédit durant l'union conjugale en copropriété au moyen d'un emprunt bancaire contracté par les époux de manière solidaire ainsi que d'un versement anticipé du fonds de prévoyance du recourant, et la liquidation du régime matrimonial intervient avant qu'un cas de prévoyance ne soit survenu. Attribué au recourant, l'immeuble entre dans ses acquêts et la plus-value conjoncturelle intègre également cette masse de biens, sans qu'il y ait lieu à récompense en faveur de ses propres. La question d'une éventuelle créance variable envers l'épouse au sens de l'
art. 206 CC
n'a pas d'objet vu ces circonstances: les fonds de tiers investis dans l'immeuble sont totalement remboursés et toute valeur de l'immeuble constitue un acquêt, de sorte que la réalisation d'un bénéfice pour l'un des époux plutôt que par l'autre est sans importance sur le montant final revenant à chacun (cf. DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, op. cit., n. 1347 p. 616 s.). C'est ainsi à raison que l'autorité cantonale a considéré que chaque époux devait, en fin de compte, bénéficier de la moitié de la plus-value conjoncturelle afférente au versement anticipé.
Le grief de la violation des art. 206 al. 1 et 209 al. 3 CC doit donc être rejeté. | null | nan | fr | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
49228022-aee0-4098-ae68-71bba2e97fcc | Urteilskopf
88 III 20
4. Auszug aus dem Entscheid vom 29. März 1962 i.S. Vogel. | Regeste
1. Vor der Konkurseröffnung angehobene Betreibungen auf Pfandverwertung können nach Einstellung und Schliessung des Konkurses mangels Aktiven (
Art. 230 SchKG
) weitergeführt werden (
Art. 206 SchKG
).
2. Der Aufschub der Verwertung (
Art. 123 SchKG
) fällt bei nicht pünktlicher Leistung einer Abschlagszahlung (vom Falle des Rechtsstillstandes abgesehen) ohne weiteres dahin, gleichgültig ob der Schuldner die Zahlung aus Nachlässigkeit oder mangels der nötigen Mittel oder infolge Konkurseröffnung unterlassen hat. Ein neuer Aufschub darf in derselben Betreibung nicht bewilligt werden. | Sachverhalt
ab Seite 20
BGE 88 III 20 S. 20
Der auf Verwertung von Faustpfändern betriebene Eugen Vogel fiel am 4. Oktober 1961 in Konkurs, doch wurde das Verfahren am 30. November 1961 mangels genügender freier Aktiven eingestellt und auf den 31. Dezember 1961 als geschlossen erklärt. Das Betreibungsamt Waldenburg ordnete hierauf in den Faustpfandbetreibungen die Steigerung an, erteilte dem Schuldner aber am 7. Februar 1962 eine Aufschubsbewilligung im Sinne von
Art. 123 SchKG
. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat diese Bewilligung auf Beschwerde der Gläubigerin hin aufgehoben. Das Bundesgericht weist den Rekurs des Schuldners ab.
BGE 88 III 20 S. 21
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Schuldner hat sich im Anschluss an die Steigerungsanzeigen nicht darüber beschwert, dass die streitigen Betreibungen nach der mangels genügender Aktiven erfolgten Einstellung und Schliessung des Konkurses weitergeführt wurden. Er macht auch heute nicht geltend, dass diese Betreibungen infolge der Konkurseröffnung vom 4. Oktober 1961 endgültig dahingefallen und daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz nach der Einstellung und Schliessung des Konkurses nicht wieder aufgelebt seien. Selbst wenn das Bundesgericht zum Schlusse käme, die Auffassung der Vorinstanz sei unrichtig, könnte es also die streitigen Betreibungen nur dann gänzlich aufheben, wenn anzunehmen wäre, dass die Fortsetzung einer gemäss
Art. 206 SchKG
dahingefallenen Betreibung wie die Fortsetzung einer wegen Zeitablaufs erloschenen Betreibung (vgl.
BGE 62 III 153
,
BGE 77 III 58
,
BGE 84 III 102
oben) nicht bloss innert der Beschwerdefrist anfechtbar, sondern schlechthin nichtig sei. Wie es sich damit verhalte, kann jedoch dahingestellt bleiben, da der Vorinstanz darin beizustimmen ist, dass die streitigen Betreibungen nach der Einstellung und Schliessung des Konkurses mangels Aktiven wieder in Kraft getreten sind.
ImBGE 75 III 70ff. wurde freilich in Bestätigung vonBGE 40 III 344undBGE 42 III 14entschieden, dass die vor der Konkurseröffnung angehobenen Betreibungen nach Einstellung und Schliessung des Konkurses mangels Aktiven grundsätzlich nicht fortgesetzt werden können. Ob die früher anerkannten Ausnahmen (für Betreibungen auf Pfandverwertung:
BGE 27 I 373
undBGE 32 I 369= Sep. ausg. 4 S. 137 und 9 S. 139; für die Pfändung eines zufolge Anfechtungsklage zurückgewährten Vermögenswertes:
BGE 51 III 217
; für Lohnpfändungen:
BGE 35 I 215
= Sep. ausg. 12 S. 15) weiterhin gelten sollten, wurde damals offen gelassen (
BGE 75 III 63
oben). Seither hat jedoch das Bundesgericht wiederholt angenommen, dass diese
BGE 88 III 20 S. 22
Frage zu bejahen sei (
BGE 79 III 168
/169,
BGE 87 III 75
Erw. 2). Es hat gestützt hierauf eine weitere Ausnahme von dem eingangs erwähnten Grundsatze für den Fall zugelassen, dass in der Betreibung gegen eine Erbschaft vor Eröffnung der konkursamtlichen Liquidation eine Pfändung vollzogen worden war (vgl. die zuletzt angeführten Präjudizien). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Sie lässt sich damit rechtfertigen, dass in allen diesen Ausnahmefällen die Fortsetzung der Betreibung nach der Einstellung und Schliessung des Konkurses nicht gegen die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger verstösst, die der erwähnte Grundsatz schützen will, und dass dessen Anwendung in diesen Fällen ausgesprochen unbillige Folgen hätte (vgl.
BGE 79 III 168
/169,
BGE 87 III 75
/76). Die streitigen Faustpfandbetreibungen konnten also nach der am 31. Dezember 1961 mangels Leistung des Kostenvorschusses erfolgten Schliessung des Konkurses über den Rekurrenten weitergeführt werden.
3.
Folgt man der tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz, dass das Betreibungsamt dem Rekurrenten schon vor der Konkurseröffnung einen Aufschub der Verwertung im Sinne von
Art. 123 SchKG
bewilligt habe und dass gemäss dieser Bewilligung am 6. Oktober 1961 in beiden Betreibungen die zweite Abschlagszahlung hätte geleistet werden sollen, so ist der Vorinstanz darin beizustimmen, dass das Ausbleiben dieser Zahlung den Aufschub dahinfallen liess und dass dem Rekurrenten nach der Einstellung und Schliessung des Konkurses nicht nochmals ein Aufschub bewilligt werden durfte. Von dem in Art. 123 Abs. 2 behandelten Falle des Rechtsstillstandes abgesehen, fällt die Aufschubsbewilligung nach
Art. 123 Abs. 5 SchKG
ohne weiteres dahin, wenn eine Abschlagszahlung nicht pünktlich geleistet wird. Ob die pünktliche Zahlung (vgl. zu diesem ErfordernisBGE 52 III 139Erw. 3,
BGE 62 III 13
,
BGE 73 III 94
) wegen Nachlässigkeit des Schuldners oder wegen Fehlens der nötigen Mittel oder deswegen unterbleibt, weil der Schuldner in Konkurs fällt und deshalb über sein
BGE 88 III 20 S. 23
Vermögen nicht mehr verfügen darf (
Art. 204 SchKG
), ist unter dem Gesichtspunkte von Art. 123 Abs. 5 unerheblich. Ist der Aufschub dahingefallen, so ist nach dem Sinne dieser Bestimmung sogleich nach dem Verfalltermin der nicht geleisteten Abschlagszahlung (vgl.
BGE 53 III 140
unten) bzw. (im Falle der Nichtleistung wegen Konkurseröffnung) sogleich nach der Schliessung des Konkurses mangels Aktiven zur Verwertung zu schreiten. Ein neuer Aufschub kommt nicht in Frage, weil, wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat, die Verwertung im Laufe einer und derselben Betreibung nur einmal aufgeschoben werden darf (
BGE 67 III 82
). Von dieser Regel darf im Falle, dass eine Abschlagszahlung wegen Konkurseröffnung ausbleibt, um so weniger abgewichen werden, als sonst dem Missbrauch der Aufschubsmöglichkeit die Türe geöffnet wäre. Ein Schuldner könnte mehrmals den Konkurs und dessen Einstellung mangels Aktiven eintreten lassen und dann jeweils in bereits hängigen Betreibungen von neuem einen Aufschub verlangen. Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz muss der vorliegende Rekurs somit abgewiesen werden. | null | nan | de | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4922f074-da16-4b1f-9dbf-e8863bcfd1bf | Urteilskopf
85 II 597
82. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Dezember 1959 i. S. Wwe Vogelsang und Zürcher Kantonalbank gegen Vogelsang. | Regeste
1. Die Klage eines Enterbten, der die Enterbung (mangels Grundangabe oder wegen Unrichtigkeit der Grundangabe) nicht als gerechtfertigt gelten lässt und der auf seinem Pflichtteil beharrt (
Art. 479 Abs. 3 ZGB
), ist eine Abart der Herabsetzungsklage (
Art. 522 ff. ZGB
).
2. Grundsätzlich sind Herabsetzungsstreitigkeiten unter den materiell Beteiligten ohne Mitwirkung eines allfälligen Willensvollstreckers auszufechten. Art. 517/18 und 522 ff. ZGB. | Sachverhalt
ab Seite 597
BGE 85 II 597 S. 597
A.-
Der am 20. Dezember 1955 verstorbene August Vogelsang-Altenburger hinterliess als gesetzliche Erben die Witwe Olga Vogelsang-Altenburger und einen Sohn aus seiner frühern, geschiedenen Ehe, Arthur Gustav Vogelsang. In seinem Testament vom 27. März 1955 hatte er den Sohn enterbt und die zweite Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. In einem Testamentsnachtrag vom 10. September
BGE 85 II 597 S. 598
1955 hatte er die Zürcher Kantonalbank als Willensvollstreckerin bezeichnet.
B.-
Das Testament wurde am 2. Februar 1956 eröffnet. Am 5. Dezember 1956 leitete der enterbte Sohn des Erblassers, Arthur Vogelsang, gegen dessen Witwe beim zuständigen Friedensrichteramt Klage ein mit den Begehren:
1. die Enterbung des Klägers sei als ungültig zu erklären;
2. der Nachlass sei festzustellen;
3. die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger den Pflichtteil auszuzahlen.
Die Beklagte erhob den Einwand, die Klage müsste ausserdem gegen die Willensvollstreckerin gerichtet werden. Daher leitete Arthur Vogelsang am 24. Mai 1957 eine gleichlautende Klage gegen die Zürcher Kantonalbank als Willensvollstreckerin ein.
Die beiden Klagen wurden vereinigt und das Verfahren in Bezug auf die Klagebegehren 2 und 3 eingestellt bis zur rechtskräftigen Erledigung des Klagebegehrens 1.
C.-
Diesem Begehren gegenüber beriefen sich die Beklagten in erster Linie auf Verjährung: Der Kläger habe von der Verletzung seiner Rechte am 2. Februar 1956, bei der Eröffnung des seine Enterbung verfügenden Testamentes, Kenntnis erhalten. Nun habe er zwar gegen die Beklagte 1 vor Ablauf der Verjährungsfrist des
Art. 533 ZGB
, gegen die Beklagte 2 dagegen erst nach Ablauf dieser Frist geklagt. Infolge der Verjährung dieser letztern Klage sei nun aber auch die erste unwirksam, da der Willensvollstrecker notwendig am Verfahren teilnehmen müsse, also zwischen ihm und dem zum Nachteil des Klägers begünstigten Erben eine notwendige Streitgenossenschaft bestehe. Die Klage gegen die Beklagte 1 allein sei nicht zulässig. Im übrigen wurden die im Testament angegebenen Enterbungsgründe als zutreffend bezeichnet.
D.-
Das Bezirksgericht Zürich hat mit Urteil vom
BGE 85 II 597 S. 599
20. Januar 1959 "die Herabsetzungsklage" (Begehren 1) gegen die Beklagte 2 mangels Passivlegitimation abgewiesen, gegen die Beklagte 1 dagegen gutgeheissen und die Enterbung des Klägers als ungültig erklärt.
E.-
Gegen dieses Urteil erklärten die Beklagten Berufung an das Obergericht mit dem Antrag, die Klage sei gegen die Beklagte 1 mit Bezug auf das Begehren 1 abzuweisen und demgemäss die im Testament ausgesprochene Enterbung des Klägers als gültig zu erklären. Der Kläger schloss sich der Berufung an mit dem Antrag, die Herabsetzungsklage sei auch gegen die Beklagte 2 gutzuheissen. Das Obergericht befand jedoch mit Urteil vom 23. Juni 1959 sowohl die Berufung "der Beklagten 1" wie auch die Anschlussberufung des Klägers als unbegründet und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.
F.-
Mit vorliegender Berufung an das Bundesgericht halten die Beklagten am Antrag auf Abweisung beider Klagen fest. In der Begründung wird gerügt, das obergerichtliche Urteil verletze die Art. 518 und 533, sowie die
Art. 477, 478 und 479 ZGB
.
Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Streitwert.)
2.
Die Beklagte 2, der gegenüber das Obergericht die Klage abgewiesen hat, ist durch das Urteil nicht beschwert. Auf ihre Berufung ist daher nicht einzutreten. Der Kläger seinerseits beharrt in der bundesgerichtlichen Instanz nur mehr auf der Gutheissung der Klage gegenüber der Beklagten 1, gemäss dem obergerichtlichen Urteil. Dennoch bleibt die Rechtsstellung der Beklagten 2 zu prüfen mit Rücksicht auf den von der Beklagten 1 in erster Linie erhobenen Einwand, die Klage hätte sich auch gegen die Beklagte 2, als notwendige Streitgenossin neben ihr selbst, richten müssen und sei nun wegen Verjährung der erst
BGE 85 II 597 S. 600
nachträglich gegen die Beklagte 2 erhobenen Klage auch ihr selbst gegenüber als unwirksam zu erachten.
3.
Das Obergericht verneint die Passivlegitimation des Willensvollstreckers in Bezug auf die Herabsetzungsklage (
Art. 522 ZGB
), so dass sich eine solche Klage weder gegen ihn allein noch gegen ihn und zugleich gegen den durch die Verfügung des Erblassers Begünstigten als notwendige passive Streitgenossen zu richten habe. Freilich könne ein Willensvollstrecker, der die Herausgabe der Erbschaft unter Berufung auf ein pflichtwidriges Testament verweigere, gerichtlich zur Herausgabe angehalten werden, "aber nicht durch Erbschaftsklage". Seine Rechte und Pflichten seien andere als diejenigen eines mit Herabsetzungsklage belangten Erben (wie hier der Beklagten 1); somit bestehe keine notwendige Streitgenossenschaft.
Dem hält der Vertreter der Beklagten vor allem entgegen, man habe es bei dem vorderhand einzig zu beurteilenden Klagebegehren 1 nicht mit einer Herabsetzungs-, sondern mit einer Ungültigkeitsklage zu tun. Zu Unrecht. Gewiss lautet das Begehren 1 dahin, die vom Erblasser ausgesprochene Enterbung des Klägers sei als "ungültig" zu erklären. Der Kläger beruft sich jedoch auf keinen Ungültigkeitsgrund im Sinne von
Art. 519 und 520 ZGB
. Er ficht die Enterbung lediglich wegen Unrichtigkeit der im Testament angegebenen Enterbungsgründe an und verlangt demgemäss, wie es
Art. 479 Abs. 3 ZGB
(mit einem hier nicht zutreffenden Vorbehalt) vorsieht, nur die Auszahlung seines Pflichtteils (laut dem zur Erläuterung des Begehrens 1 heranzuziehenden Begehren 3). Diese Klage ist keine Ungültigkeitsklage im Sinne der
Art. 519 ff. ZGB
, sondern eine besondere Art der Herabsetzungsklage im Sinne der
Art. 522 ff. ZGB
. Der Grund der Klage liegt darin, dass der Kläger die ihm gegenüber erfolgte Enterbung, d.h. eben den Entzug des ihm zukommenden Pflichtteils (
Art. 477 Abs. 1 ZGB
), nicht als gerechtfertigt gelten lässt. Eine solche Klage auf Schutz des Pflichtteils gegenüber einer mangels Grundangabe oder wegen Unrichtigkeit
BGE 85 II 597 S. 601
der Grundangabe nicht gerechtfertigten Enterbung wird denn auch allgemein als Herabsetzungsklage betrachtet (Erläuterungen zum Vorentwurf des ZGB, S. 391 der 2. Ausgabe; TUOR, 2. Auflage, N. 3 und 6, und ESCHER, 3. Auflage, N. 2 und 3 zu
Art. 479 ZGB
).
In Bezug auf die Herabsetzungsklage kommt nun dem Willensvollstrecker grundsätzlich weder die Aktiv- noch die Passivlegitimation zu, wie die Vorinstanz im Einklang mit der herrschenden Lehre zutreffend entschieden hat (vgl. TUOR, 2. Auflage, N. 34, und ESCHER, 3. Auflage, N. 30 zu
Art. 518 ZGB
, mit weitern Literaturangaben; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 5. Juni 1956: BlZR 56 Nr. 89). Wohl kommt der Willensvollstrecker in den Fall, für die Erbschaft als solche Prozesse zu führen, sei es als Kläger zur Geltendmachung von Erbschaftsaktiven, sei es als Beklagter gegenüber einer gegen die Erbschaft erhobenen Forderungsansprache (vgl.
BGE 53 II 208
,
BGE 54 II 200
,
BGE 59 II 119
). Dabei handelt er im gemeinsamen Interesse aller Erben. In Bezug auf eine Testamentsungültigkeitsklage lässt sich seine Passivlegitimation bejahen, wenn sie gerade die Anordnung der Willensvollstreckung anficht (vgl.
BGE 44 II 107
ff.; ESCHER, a.a.O. N. 28). Unter Umständen hat der Willensvollstrecker Veranlassung und Befugnis, gegen einen gesetzlichen Erben auf Herausgabe von Erbschaftssachen zu klagen, um die ihm obliegenden Verrichtungen besorgen zu können (
BGE 77 II 125
/26), wie anderseits ein Erbe, um sein Erbbetreffnis zu erhalten, auf eine Klage gegen den Willensvollstrecker angewiesen sein kann (
BGE 51 II 49
; Urteil vom 17. Februar 1955 i.S. Aubry gegen Schuler, Erw. 3; solches Vorgehen kommt auch in Frage zur Erlangung von Auskunft und Urkundeneinsicht:
BGE 82 II 566
/67). Herabsetzungsprozesse sind dagegen in aller Regel unter den materiell Beteiligten selbst auszufechten. Wenn in
BGE 51 II 49
ff. der Willensvollstrecker als passiv legitimiert erachtet wurde auch gegenüber einer (in eventuellem Sinn erhobenen) Herabsetzungsklage, so deshalb,
BGE 85 II 597 S. 602
weil ihm der Erblasser über die eigentliche Willensvollstreckung hinaus die Vermögensverwaltung auf Lebenszeit einer Pflichtteilserbin zugewiesen hatte und er ihr mit Berufung hierauf das Erbschaftsgut vorenthielt. Im vorliegenden Falle hat man es aber mit einer schlichten Willensvollstreckung zu tun, die als solche unbestritten ist. Der Streit geht nur um die Erbberechtigung des Klägers, die ihm der Erblasser durch Enterbung entzogen hat. Darüber hat sich der Kläger, der die Enterbung nicht gelten lässt und daher auf seinem Pflichtteil beharrt, mit der Witwe des Erblassers auseinanderzusetzen, die gemäss dem Testament als Alleinerbin anerkannt sein will und ihm infolge seiner Enterbung den Pflichtteil streitig macht. Zu diesem die Erbberechtigungen betreffenden Streit Partei zu ergreifen, steht der Willensvollstreckerin nicht zu. Der Kläger war somit nicht gehalten, sie als Streitgenossin neben der Witwe des Erblassers ins Recht zu fassen.
4.
Um ihre abweichende Ansicht zu begründen, führen die Beklagten ein Beispiel an, das zeigen soll, dass die Auseinandersetzung über eine Enterbung nicht füglich den materiell Beteiligten überlassen werden dürfe, wenn der Erblasser gerade im Hinblick auf die von ihm ausgesprochene Enterbung einen Willensvollstrecker eingesetzt hat:
"Ein Testator enterbt einen gesetzlichen Erben. Dieser Erbe verwirkt die Anfechtungsfrist. Die nachträgliche verspätete Anfechtung wird von den übrigen Erben anerkannt, aber vom Willensvollstrecker, der vom Erblasser ausdrücklich zu diesem Zweck ernannt wurde, bestritten, weil es gegen den Willen des Testators wäre, wenn der Enterbte doch auf Grund einer Einigung mit den übrigen Erben Erbe würde."
Dieses Beispiel erscheint nicht als schlüssig. Wollte man dem Willensvollstrecker die Befugnis einräumen, eine nicht binnen der Frist des
Art. 533 ZGB
angefochtene Enterbung gegenüber der Gesamtheit der Erben durchzusetzen, so würde hiefür die Zuerkennung eines auf diesen Fall beschränkten Feststellungs- und Interventionsrechtes genügen.
BGE 85 II 597 S. 603
Daraus wäre nicht abzuleiten, dem Willensvollstrecker komme allgemein in Bezug auf die Herabsetzungsklage die Passivlegitimation zu. Übrigens besteht auch kein genügender Grund, ihm ein Feststellungs- und Interventionsrecht im erwähnten Sinne zuzuerkennen. Den nach Ablauf jener Frist belangten Erben steht frei, von der Erhebung der Verjährungseinrede abzusehen (
Art. 142 OR
; dass man es entsprechend dem Wortlaut von
Art. 533 ZGB
mit Verjährung und nicht mit Verwirkung zu tun habe, wird entgegen abweichenden Ansichten neuerdings von ESCHER, 3. Auflage, N. 1 am Ende zu Art. 533 in Verbindung mit N. 1 zu
Art. 521 ZGB
, dargelegt und entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichts; vgl.
BGE 75 II 193
Erw. 3 betreffend die Herabsetzungsklage und
BGE 83 II 509
/10 betreffend die Ungültigkeitsklage). Im übrigen können sich die Erben über eine angefochtene Enterbung gütlich verständigen und so die jedem zustehende Erbberechtigung in einer auch vom Willensvollstrecker zu beachtenden Weise festlegen.
5.
(Zu den Enterbungsgründen.)
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Soweit auf die Berufung eingetreten werden kann, wird sie abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23. Juni 1959 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4923eed2-2bb5-4aae-ab83-ddb37233a33a | Urteilskopf
99 V 165
52. Arrêt du 16 novembre 1973 dans la cause Caisse cantonale neuchâteloise de compensation contre Reymond et Commission cantonale neuchâteloise de recours pour l'AVS | Regeste
Art. 46 IVG
.
Zur Geltendmachung des Anspruchs auf Invalidenrente sind nach dem Tode des Versicherten dessen Erben berechtigt sowie jede andere Person, die daran ein schutzwürdiges Interesse hat. | Sachverhalt
ab Seite 166
BGE 99 V 165 S. 166
A.-
Lorette Reymond, née en 1927, mère de quatre enfants, est décédée le 26 décembre 1971. Aucune demande de prestations ne fut déposée de son vivant. Le 31 janvier 1972 toutefois, Jacques Reymond, son époux, requit le versement d'une rente. La Commission cantonale vaudoise de l'assurance-invalidité statua négativement. Son prononcé du 10 mai 1972 fut notifié à la succession de la prénommée le 18 août 1972 par les soins de la Caisse cantonale neuchâteloise de compensation.
B.-
Jacques Reymond recourut. Par jugement du 9 avril 1973, la Commission cantonale neuchâteloise de recours pour l'AVS/AI annula la décision attaquée et renvoya le dossier à l'administration pour examen des conditions de fond du droit à la rente.
C.-
La caisse susmentionnée interjette recours de droit administratif. Considérant d'une part les difficultés accrues de la détermination de l'invalidité après le décès et, d'autre part, le caractère personnel du droit aux prestations, la caisse conclut au rétablissement de sa décision.
L'intimé n'a pas fait usage de son droit de répondre au recours, dont l'Office fédéral des assurances sociales propose le rejet, au regard de la plus récente jurisprudence du Tribunal fédéral des assurances sur le sujet.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon l'art. 46 LAI, l'assuré doit, pour faire valoir son droit aux prestations, présenter d'abord une demande. La qualité pour agir est définie à l'art. 66 RAI. Aux termes de cette disposition, l'exercice du droit aux prestations appartient à l'assuré invalide ou à son représentant légal, ainsi que, pourlui, à son conjoint, à ses parents en ligne directe ascendante ou descendante, à ses frères et soeurs et aux autorités ou autres personnes qui l'assistent régulièrement ou prennent soin de lui d'une manière permanente. N'ont ainsi un droit propre à présenter une demande que l'assuré ou son représentant légal; les autres personnes ayant qualité pour agir, au sens de cet article du RAI, ne l'ont que pour l'assuré et ne peuvent donc le faire qu'à sa place. Aussi le Tribunal fédéral des assurances a-t-il commencé par juger que le mari, en tant que représentant de l'épouse, ne pouvait exercer les droits matériels de celle-ci et agir en justice à leur propos que dans la mesure où elle-même n'en avait pas déjà
BGE 99 V 165 S. 167
disposé (RCC 1962 p. 485; cf. aussi ATFA 1956 p. 192 et RCC 1964 p. 122). La cour plénière, à laquelle cette question a été soumise ultérieurement, a toutefois estimé que cette interprétation ne pouvait plus être maintenue sans restrictions. En effet, selon l'art. 103 lit. a OJ, en corrélation avec l'art. 132 OJ, la qualité pour interjeter un recours de droit administratif appartient notamment à celui qui est touché par la décision attaquée et qui a un intérêt digne d'être protégé à son annulation ou à sa modification. Or, celui qui, en vertu d'un droit originaire, peut interjeter un tel recours doit en bonne logique avoir eu qualité pour agir en invoquant ce même droit également en procédure cantonale de recours, et l'avoir eue déjà au stade de la présentation de la demande initiale. En ce qui concerne la procédure de demande, cela signifie que les personnes ou autorités qui sont touchées par le refus de prestations d'assurances sociales et ont un intérêt digne d'être protégé à l'octroi de ces prestations ont nécessairement un droit originaire à la présentation d'une demande. C'est le cas des personnes et autorités qui remplissent une obligation d'entretien concrète ou la rempliront dans un proche avenir (RO 98 V 54). Il résulte de cette jurisprudence que Jacques Reymond aurait eu qualité pour déposer une demande de prestations du vivant de son épouse.
2.
Mais qu'en est-ildu droit aux prestations lorsque l'assuré est décédé sans l'avoir fait valoir? Vu son importance, cette question a aussi été soumise à la Cour plénière, qui l'a résolue comme il suit:
a) Le droit à la rente d'invalidité n'est pas strictement personnel; il est donc transmissible par succession (cf. ATFA 1958 p. 35, qui a laissé le débat ouvert sur ce point). Suivant l'art. 560 al. 2 CC en effet, les héritiers sont saisis des créances et actions, des droits de propriété et autres droits réels, ainsi que des biens qui se trouvaient en la possession du défunt, et ils sont personnellement tenus de ses dettes; le tout sous réserve des exceptions prévues par la loi. Or, parmi les droits intransmissibles par succession (cf. ESCHER, Das Erbrecht, vol. III 1, 1959, pp. 6 ss; vol. III 2, 1960, pp. 118 ss; TUOR/PICENONI, Das Erbrecht, 1. Abt., 1952, pp. 3 ss; 2. Abt., 1964, pp. 594 ss), on n'en voit aucun que l'on puisse comparer à celui qui se trouve au centre de la discussion, soit au droit à une rente d'invalidité de l'assuranceinvalidité. Au contraire, le Tribunal fédéral a même jugé - dans le domaine des assurances privées - que le droit aux prestations
BGE 99 V 165 S. 168
d'assurance fait partie du patrimoine du défunt et tombe dans la masse successorale - sauf s'il existe un droit indépendant du droit successoral en faveur d'un tiers (RO 50 II 216; ESCHER, op.cit., III 1, p. 7, ch. 5a; pp. 203 ss, plus spécialement p. 206, ch. 6 ss; TUOR/PICENONI, op.cit., 1. Abt., p. 3, ch. 5; pp. 164 ss, plus spécialement p. 167, ch. 9 ss) - aussi lorsque lesdites prestations ne sont pas exigibles avant la mort de l'assuré (RO 43 II 257; ESCHER, op.cit., III 1, pp. 203 ss, plus spécialement p. 206, ch. 6 ss; III 2, p. 119, ch. 2 in fine; TUOR/PICENONI, op.cit., 2. Abt., p. 595, ch. II/2). Il en va donc de même lorsque ce droit est exercé ou pourrait être exercé avant le décès. Du reste, en matière de prestations complémentaires, il est admis que le droit au remboursement de frais de guérison tombe dans la masse et peut être invoqué après la mort de l'assuré (art. 3 OMPC; RO 99 V 58).
Comme on ne saurait admettre que l'intimé - qui remplit manifestement les conditions de l'art. 103 lit. a OJ - jouissait d'un droit propre, indépendant du droit successoral, à une rente du fait de l'invalidité de son épouse, le droit litigieux est bien tombé dans la masse. Peut rester indécise en revanche la question de savoir ce qui se passe, dans l'assurance sociale, lorsqu'un tiers (héritier ou non, personne physique ou autorité d'assistance par ex.) aurait eu un droit propre aux prestations à côté du défunt. Quant au règlement des dettes successorales - notamment de celles résultant de prestations faites à l'assuré de son vivant -, c'est en principe dans le cadre de la liquidation de la succession qu'il interviendra, sous réserve des cas où le créancier jouirait d'un droit direct contre l'assurance.
b) Reste à examiner dès lors qui avait qualité pour demander le versement de la rente, après le décès de Lorette Reymond. Dans un récent arrêt (RO 99 V 58), la Cour de céans a jugé que les membres d'une hoirie ont qualité pour interjeter individuellement recours de droit administratif dans l'intérêt de la communauté héréditaire, pour autant qu'ils remplissent les conditions de l'art. 103 lit. a OJ. Rapprochée de l'arrêt RO 98 V 54 déjà cité, cette jurisprudence signifie qu'un héritier fondé à interjeter recours de droit administratifa également qualité pour présenter une demande de prestations, mais dans l'intérêt de la communauté héréditaire seulement, et qu'il n'aura pas besoin de procuration pour ce faire. Ce droit compète même à toute autre personne visée à l'art. 103 lit. a OJ. Reste réservé, comme
BGE 99 V 165 S. 169
mentionné ci-dessus, le cas des personnes jouissant d'un droit propre aux prestations d'assurance en cause.
Vu ce qui précède, Jacques Reymond était autorisé à déposer une demande de prestations tendant à l'octroi d'une rente du fait de l'invalidité de son épouse défunte. Les difficultés d'instruction que semble craindre la caisse de compensation ne sauraient conduire à une autre solution. Rapport soit sur ce point aux arguments développés par l'Office fédéral des assurances sociales, qui relève notamment que des problèmes semblables se posent lorsqu'un requérant décède après le dépôt de la demande mais avant que l'administration ait rendu sa décision.
Il y avait par conséquent bien lieu de susciter une instruction portant sur les conditions de fond du droit à la rente, comme en ont décidé les premiers juges.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: Le recours est rejeté. | null | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
492564c3-5e48-4a2e-b506-892194b5dc67 | Urteilskopf
80 III 149
34. Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. September 1954 i. S. Französischer Staat gegen Legerlotz. | Regeste
1. Zuständigkeitsfragen des eidgenössischen Rechts (Erw. 1 und 2). Voraussetzungen der Berufung an das Bundesgericht gegen einen die Zuständigkeit bejahenden Vorentscheid eines untern Gerichtes:
a) nach
Art. 49 OG
;
b) nach
Art. 48 Abs. 3 OG
.
Wann ist Nichtigkeitsbeschwerde nach
Art. 68 Abs. 1 lit. b OG
zulässig?
2. Gerichtsstandsvertrag vom 15. Juni 1869 zwischen der Schweiz und Frankreich (Erw. 3 und 4). Tragweite des Art. 11 für die Anwendung von Art. 1. Weder die Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 noch (entgegen
BGE 79 III 39
ff.) die Verordnung des Bundesgerichts vom 29. Juni 1936 haben die Garantie des Wohnsitzrichters über Art. 1 des Staatsvertrages hinaus erweitert. Für die nicht von dieser Vorschrift betroffenen Fälle gilt
Art. 278 SchKG
und damit auch der Gerichtsstand des Arrestortes nach kantonalem oder eidgenössischem Recht.
3. Räumliche Begrenzung der Ausübung staatlicher Hoheit (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 150
BGE 80 III 149 S. 150
A.-
Der in New York wohnende Deutsche oder Staatenlose Legerlotz fordert vom französischen Staat Fr. 23'472.75 Kapital- und Zinszahlungen als Gläubiger zweier Staatsanleihen, sowie Schadenersatz wegen Verweigerung der Auszahlung von Zins- und Amortisationsbeträgen einer Anleihe der Stadt Paris. Er liess für die erwähnte Gesamtforderung im Januar 1951 "Guthaben und Forderungen" des französischen Staates bei drei Banken in Zürich arrestieren und leitete dort Betreibung ein. Auf den Rechtsvorschlag des Schuldners folgte eine Klage beim Bezirksgericht Zürich auf Zusprechung der in Betreibung gesetzten Forderung.
B.-
Der Schuldner erhob in erster Linie die Einrede
BGE 80 III 149 S. 151
der Unzuständigkeit,
a) weil er als Staat keiner fremden Gerichtsbarkeit unterstehe,
b) weil eine Forderungsklage gegen einen in Frankreich domizilierten Franzosen nach Art. 1 der bundesgerichtlichen Verordnung vom 29. Juni 1936 zur Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 zum Gerichtsstandsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869 nur in Frankreich erhoben werden dürfe.
C.-
Ferner stellte der Schuldner beim Betreibungsamte das Gesuch um Aufhebung des Arrestes, da die Klage nicht am zuständigen Ort angehoben und der Arrest daher hinfällig geworden sei. Sowohl das Amt wie auch die auf dem Beschwerde- und Rekursweg nach
Art. 17 ff. SchKG
angerufenen Aufsichtsbehörden wiesen dieses Begehren ab. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichtes erklärte in ihrem Entscheid vom 18. September 1951, es sei Sache der mit der Forderungsklage befassten Gerichte, nicht der Betreibungsbehörden, darüber zu entscheiden, ob die Klage zuständigen Ortes angebracht und der Arrest damit in rechtswirksamer Weise prosequiert worden sei (
BGE 77 III 140
).
D.-
Auf Begehren beider Parteien traf das Bezirksgericht am 12. März 1952 einen rekursfähigen Vorentscheid über die Zuständigkeitsfrage. Danach trat es im Teilbetrag von Fr. 21, 912.75 auf die Klage ein, wies diese dagegen für den Restbetrag von Fr. 1560.-- (Schadenersatzanspruch) von der Hand. Keine Partei legte gegen den Vorentscheid Rekurs ein. Bei der einlässlichen Beantwortung der nun auf Fr. 21'912.75 beschränkten Klage bemerkte der beklagte Staat indessen, er behalte sich vor, die Unzuständigkeit der zürcherischen Gerichte im Berufungsverfahren neuerdings geltend zu machen.
E.-
Gegen das Urteil des Bezirksgerichts vom 29. April 1953, das dem Kläger einen Betrag von Fr. 14'431.20 zuzüglich Arrest- und Betreibungskosten zusprach und die Mehrforderung abwies, legten beide Parteien Berufung an das Obergericht ein. Der Kläger beharrte auf der ganzen Forderung von Fr. 21'912.75, der beklagte Staat auf der
BGE 80 III 149 S. 152
gänzlichen Abweisung der Klage. Vorweg hielt er an der Unzuständigkeitseinrede mit Einschluss des Exemptionsprivilegs der Staaten fest. Das Obergericht trat jedoch auf die Zuständigkeitsfrage nicht ein, da der darüber ergangene Vorentscheid des Bezirksgerichtes vom 12. März 1952 rechtskräftig geworden sei. Im übrigen hiess es mit seinem Urteil vom 17. November 1953 die Berufung des Klägers grösstenteils gut und erhöhte die ihm zustehende Forderung auf Fr. 21'190.--.
F.-
Mit vorliegender Berufung verlangt der beklagte Staat die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und, soweit nötig, auch des Vorentscheides des Bezirksgerichtes vom 12. März 1952, und die Verneinung der Zuständigkeit der zürcherischen unter Verweisung des Klägers an die französischen Gerichte; eventuell die Rückweisung der Sache an das Obergericht zu neuer Beurteilung.
Für den Fall, dass die Berufung als unzulässig befunden würde, will der beklagte Staat seine Rechtsschrift als Nichtigkeitsbeschwerde im Sinne von
Art. 68 ff. OG
betrachtet wissen.
G.-
Er erhob ferner kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die das Kassationsgericht des Kantons Zürich jedoch am 3. Mai 1954 abwies, soweit es darauf eintreten konnte.
H.-
Der Kläger trägt auf uneinlässliche Ablehnung, eventuell auf einlässliche Abweisung der Berufung und der Nichtigkeitsbeschwerde an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
In der mit der Berufung in erster Linie geltend gemachten Zuständigkeitsfrage ist kein obergerichtliches Urteil ergangen. Da der Vorentscheid des Bezirksgerichts nicht weitergezogen worden war, ist er nach der vom Kassationsgericht bestätigten Entscheidung des Obergerichts rechtskräftig geworden, mit der Folge, dass die Zuständigkeitsfrage dann auch nicht mehr zusammen mit der Hauptsache dem Obergericht unterbreitet werden konnte. Diese
BGE 80 III 149 S. 153
auf folgenden § 17 Abs. 2 der zürcherischen Zivilprozessordnung:
"Wird die Einrede der Unzuständigkeit vom Gerichte verworfen und der Entscheid nicht an die zweite Instanz weitergezogen, so gilt die Zuständigkeit des Gerichts als anerkannt."
gestützte Entscheidung ist für das Bundesgericht verbindlich. Denn die Anwendung kantonalen Rechtes ist im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen (
Art. 43 Abs. 1 OG
), ebensowenig bei Nichtigkeitsbeschwerde (
Art. 68 OG
).
2.
Konnte aber das Obergericht sich mit der Zuständigkeitsfrage nicht mehr befassen, so kann auch nicht etwa der darüber ergangene Vorentscheid der untern Instanz mit Berufung (oder, in einer nicht der Berufung unterliegenden Zivilsache, mit Nichtigkeitsbeschwerde) beim Bundesgericht angefochten werden.
a) Eine gesonderte Berufung im Sinne von
Art. 49 OG
kommt schon wegen Fristablaufs gegenüber dem Vorentscheid vom 12. März 1952 nicht mehr in Frage. Im übrigen ging jener Vorentscheid nicht von einer letztinstanzlichen kantonalen Behörde gemäss
Art. 48 Abs. 1 oder 2 OG
aus. Es handelt sich um ein unteres Gericht, das einfach in erster Instanz geurteilt hatte. Somit liegt keiner der Fälle von
Art. 48 Abs. 2 OG
vor. Selbst wenn dagegen kein Rekurs an das Obergericht zulässig gewesen wäre, müsste der Weg der Berufung zur Weiterziehung an das Bundesgericht versagt werden (
BGE 71 II 184
,
BGE 77 II 281
; Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. August 1952 i.S. Achermann gegen Gabriell; GIOVANOLI, Probleme der Berufung, ZbJV 90 S. 56 ff.).
b) Aber auch zusammen mit dem Endentscheid des Obergerichts vom 17. November 1953 kann der Vorentscheid des Bezirksgerichts vom 12. März 1952 nicht Gegenstand der Berufung sein. Gewiss spricht
Art. 48 Abs. 3 OG
von den dem Endentscheide vorausgegangenen Entscheiden, ohne ausdrücklich zu bestimmen, auch diese müssten in letzter kantonaler Instanz gefällt worden sein. Hinsichtlich des entsprechenden Art. 58 Abs. 2 des alten OG
BGE 80 III 149 S. 154
war umstritten, ob dem Haupturteil der obern Instanz vorausgegangene Entscheidungen einer untern Instanz zusammen mit jenem an das Bundesgericht weitergezogen werden könnten. In der Botschaft des Bundesrates vom 5. April 1892 war bemerkt worden: "In Betracht kommen ausser den in der Appellationsinstanz selbst erlassenen Entscheiden nur diejenigen erstinstanzlichen Entscheidungen, an welche das kantonale Appellationsgericht gebunden ist" (Bundesblatt 1892 II 337). Die Frage wurde indessen von der Rechtsprechung dahin abgeklärt, dass Vor- und Teilentscheide einer untern Instanz, die an die letzte kantonale Instanz hätten weitergezogen werden können, ausser Betracht fallen (
BGE 25 II 938
). Daran ist (entgegen WEISS, Berufung, S. 49 ff.) auch für die Anwendung des geltenden
Art. 48 Abs. 3 OG
festzuhalten.
Dies um so mehr, als
Art. 48 Abs. 3 OG
durch
Art. 55 lit. b und c OG
ergänzt wird. Danach sind neue Anträge und ebenso neue Einreden in der bundesgerichtlichen Instanz ausgeschlossen. Als neu haben aber auch solche Anträge und Einreden zu gelten, die in der letzten kantonalen Instanz nicht in prozessual wirksamer Weise geltend gemacht wurden (vgl.
BGE 58 II 438
, BIRCHMEIER S. 201).
c) Geht man von einer nicht der Berufung unterliegenden Zivilsache aus, so käme eine Nichtigkeitsbeschwerde nach
Art. 68 OG
ebenfalls nur gegen eine Entscheidung der letzten kantonalen Instanz in Frage. Da der beklagte Staat die ihm offenstehende Weiterziehung des bezirks gerichtlichen Vorentscheides an das Obergericht unterliess, hat er die kantonalen Instanzen in der Zuständigkeitsfrage nicht erschöpft, womit auch die Voraussetzung für eine Nichtigkeitsbeschwerde nicht erfüllt ist.
3.
Nun beruft er sich aber noch auf staatsvertragliche Bestimmungen, die dem schweizerischen (kantonalen und eidgenössischen) Prozessrechte vorgingen. Seine Unzuständigkeitseinrede stütze sich nämlich auf Art. 1 des französisch-schweizerischen Gerichtsstandsvertrages vom 15. Juni 1869 nebst Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 und
BGE 80 III 149 S. 155
Ausführungsverordnung vom 29. Juni 1936. Nach Art. 11 des Gerichtsstandsvertrages seien nun die staatsvertraglichen Zuständigkeitsnormen von Amtes wegen zu beachten. Das habe somit in jeder Instanz zu geschehen, gleichgültig ob und wie sich bereits eine untere Instanz mit der Frage befasst habe.
Mit diesen Ausführungen rügt der beklagte Staat die Verletzung eines vom Bund abgeschlossenen Staatsvertrages, was als Verletzung von Bundesrecht zu gelten hat (
Art. 43 Abs. 1 und
Art. 68 Abs. 1 lit. b OG
). Auf diese Rüge ist daher einzutreten, und zwar erscheint als das richtige Rechtsmittel die Berufung. Wohl hat das Obergericht die Streitsache nach französischem Rechte beurteilt, es hat jedoch die Anwendung französischer kriegsrechtlicher Erlasse abgelehnt, und gerade dagegen wendet sich der Berufungskläger, indem er geltend macht, das Obergericht habe jene Erlasse zu Unrecht als der öffentlichen Ordnung der Schweiz zuwiderlaufend erachtet. Darin liegt die Rüge einer unrichtigen Anwendung schweizerischen und zwar eidgenössischen Rechtes.
4.
Art. 11 des Gerichtsstandsvertrages von 1869 bestimmt:
"Wird bei einem schweizerischen oder bei einem französischen Gerichte eine Klage anhängig gemacht, die nach Inhalt der vorhergehenden Artikel nicht in seine Kompetenz fällt, so soll es von Amtes wegen, selbst in Abwesenheit des Beklagten, die Parteien an den kompetenten Richter verweisen."
Die Lehrmeinungen über die Tragweite dieser (durch das erläuternde Protokoll ergänzten) Vorschrift sind geteilt. Überwiegend wird ihr indessen mit Recht nicht entnommen, es seien alle vorausgehenden Zuständigkeitsnormen des Staatsvertrages als zwingend zu betrachten. Vielmehr ist zwischen solchen, die um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellt und daher zwingend sind, und solchen, die nur das Interesse einer Partei wahren wollen, zu unterscheiden. Zu den letztern gehört Art. 1, was aus der Zulässigkeit einer Prorogation nach Art. 3 zu folgern ist (vgl.
BGE 80 III 149 S. 156
BROCHER, Commentaire du Traité franco-suisse p. 93 ff.; AUJAY, Etudes sur le Traité franco-suisse N. 361; PILLET, Les conventions internationales relatives à la compétence judiciaire p. 223 ff.; ESCHER, Neuere Probleme aus der Rechtsprechung zum französisch-schweizerischen Gerichtsstandsvertrag S. 140 ff.). Unter Vorbehalt einer gültigen Prorogation oder Einlassung (
BGE 49 I 204
mit Zitaten) ist aber die Ausschliesslichkeit des in Art. 1 des Staatsvertrages vorgesehenen Gerichtsstandes von Amtes wegen zu beachten (vgl. das erläuternde Protokoll und die vom Bundesrat wie auch vom französischen Justizministerium zu Art. 11 des Staatsvertrages erlassenen Kreisschreiben: Bundesblatt 1869 III 133, 1873 II 666 und 671 deutsch, 1869 III 129, 1873 II 625und 629 französisch). Im vorliegenden Falle steht nicht ausser Zweifel, ob sich der beklagte Staat rechtsverbindlich auf die Sache eingelassen hat. Er hatte die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte bestritten und reichte die materielle Klagebeantwortung unter ausdrücklichem Vorbehalt hinsichtlich der Zuständigkeit ein. Dass unter solchen Umständen die Unterlassung, den die Zuständigkeit bejahenden Vorentscheid weiterzuziehen, als Einlassung gedeutet werden könne, wurde in BGE 23 S. 1578 verneint. Sollte an dieser Auslegung des Staatsvertrags festzuhalten sein, so könnte ihr eine vom kantonalen Prozessgesetz aufgestellte Fiktion, wie sie § 17 Abs. 2 der zürcherischen ZPO enthält, nicht wohl entgegenstehen. Zu dieser Frage nimmt
BGE 41 I 526
nicht Stellung. Sie kann auch hier offen bleiben. Denn der beklagte Staat vermag gar keine Zuständigkeitsnorm anzurufen, die unter dem Schutz des Art. 11 des Gerichtsstandsvertrages von 1869 stünde.
a) Art. 1 dieses Staatsvertrages gilt nach seinem eindeutigen Wortlaute nur für Streitigkeiten zwischen Schweizern und Franzosen. Es müssen sich also als Parteien Schweizer auf Kläger- und Franzosen auf Beklagtenseite oder umgekehrt Franzosen als Kläger und Schweizer als Beklagte gegenüberstehen. Dieser Gerichtsstandsschutz
BGE 80 III 149 S. 157
wird demnach einem Schweizer oder Franzosen weder zuteil, wenn er von einem Landsmanne belangt wird, noch wenn der Kläger einem dritten Staat angehört oder staatenlos ist. Diese aus der erwähnten Vorschrift einwandfrei sich ergebende Ordnung ist auch in der Gerichtspraxis anerkannt (BGE 4 S. 261, 40 I 485/6, 56 I 185, 61 I 261, 63 I 242).
Im vorliegenden Fall ist der beklagte Staat freilich als Franzose im Sinne jenes Art. 1 zu betrachten. Denn dieser Vorschrift unterstehen auch juristische Personen (
BGE 41 I 209
,
BGE 48 I 90
), und es besteht kein Grund, die Vertragsstaaten in privatrechtlichen Streitigkeiten davon auszunehmen, sowenig wie bei Anwendung von Art. 17 der Internationalen Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht (wozu
BGE 77 I 48
ff.).
Der Schutz des Art. 1 des Staatsvertrages käme jedoch dem Beklagten, wie dargetan, nur gegenüber der Klage eines Schweizers zu, also nicht gegenüber der vorliegenden Klage eines Deutschen oder Staatenlosen.
b) Die Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 hat die Zuständigkeitsnormen des Gerichtsstandsvertrages von 1869 nicht erweitert, sondern in zwei Punkten gemildert. Nach ihrem Art. 1 können Entschädigungsklagen aus Strassenverkehrsunfällen nach Wahl des Klägers am Wohnorte des Beklagten (gemäss den bisherigen Vorschriften des Art. 1 des Staatsvertrages) oder am Unfallorte angebracht werden (was im vorliegenden Falle keine Rolle spielt). Und nach Art. 2 der Zusatzakte fallen vorläufige und sichernde Massnahmen nicht unter den staatsvertraglichen Gerichtsstandsschutz; sie können ohne Rücksicht auf die für die Entscheidung in der Sache selbst geltenden staatsvertraglichen Zuständigkeitsnormen nach der innern Gesetzgebung jedes der beiden Staaten getroffen werden (was früher streitig war; vgl. KOUTAISSOFF, Des mesures provisionnelles et du séquestre dans les relations franco-suisses, Schweizerische Juristenzeitung 34 S. 56 ff.). Doch darf an solche Massnahmen keine dem Gerichtsstandsvertrag widersprechende
BGE 80 III 149 S. 158
Zuständigkeit für den Hauptprozess geknüpft werden. Soweit die innere Gesetzgebung des Staates, in dem eine solche Massnahme getroffen wird, derartige Folgen vorsieht, dürfen sie im Anwendungsbereich des Gerichtsstandsvertrages nicht eintreten. Dieser Anwendungsbereich soll also (mit Vorbehalt der vorläufigen und sichernden Massnahmen als solcher) gewahrt bleiben. Dagegen ist er nicht erweitert und insbesondere Art. 1 des Staatsvertrages nicht auf andere Streitigkeiten als solche zwischen Schweizern und Franzosen ausgedehnt worden. Diese Rechtslage findet sich bereits in der bundesrätlichen Botschaft zur Zusatzakte dargelegt (Bundesblatt 1936 I 693ff. deutsch, 709 ff. französisch; ebenso
BGE 76 I 36
/7). In dieser Hinsicht ist belanglos, ob man den Vorbehalt der vorläufigen und sichernden Massnahmen als Art. IIbis (wie es in der Schweiz geschieht) oder als Art. 11bis (so laut der Veröffentlichung im Journal officiel de la République française vom 26. Juni 1936) in den Gerichtsstandsvertrag einreiht.
c) Gemäss dem die Zusatzakte genehmigenden Bundesbeschluss vom 25. April 1936, Art. 2 Abs. 1, hatte das Bundesgericht "die zur Ausführung von Art. 2 der Zusatzakte vom 4. Oktober 1935 erforderlichen, von den Bestimmungen des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs abweichenden Vorschriften" zu erlassen. Es handelte sich insbesondere darum, für Forderungen eines Schweizers gegen einen in Frankreich wohnenden Franzosen eine von
Art. 278 SchKG
abweichende, der dem Schuldner nach dem Gerichtsstandsvertrag zukommenden Gerichtsstandsgarantie Rechnung tragende Art der Prosequierung eines Arrestes vorzusehen. Denn in einem solchen Streitfall ist sowohl der nach den meisten kantonalen Prozessordnungen gegebene Gerichtsstand des Arrestortes für die Forderungsklage des Gläubigers wie auch der bei provisorischer Rechtsöffnung vom Bundesrecht vorgesehene Gerichtsstand des (Arrest-)Betreibungsortes für die Aberkennungsklage (
Art. 83 Abs. 2 SchKG
)
BGE 80 III 149 S. 159
unstatthaft. Nur die Arrestlegung selbst, als sichernde Massnahme, kann nach der Zusatzakte ohne Rücksicht auf den für die gerichtliche Entscheidung über die Forderung geltenden staatsvertraglichen Gerichtsstand erfolgen. Demgemäss sieht die Verordnung des Bundesgerichtes vom 29. Juni 1936 in Art. 1 vor, dass, wenn sich der Gerichtsstand nach dem Staatsvertrage in Frankreich befindet, ein in der Schweiz gelegter Arrest eben durch Klage in Frankreich (binnen einer auf 30 Tage nach Zustellung der Arresturkunde bemessenen Frist) zu prosequieren ist. Die Umschreibung des näher zu ordnenden Tatbestandes in Art. 1 der Verordnung:
"Ist ein Arrest gegen einen in Frankreich wohnenden Franzosen für eine Forderung bewilligt und vollzogen worden, wegen der die Klage bei dem natürlichen Richter des Beklagten in Frankreich anhängig zu machen ist ...." stellt keineswegs eine über Art. 1 des Staatsvertrages hinausgehende Zuständigkeitsnorm auf, sondern bezieht sich auf die in der Präambel erwähnte Zusatzakte zum Gerichtsstandsvertrag und damit auch auf diesen selbst. Es handelt sich eben um die Forderungen, wegen deren die Klage nach den Vorschriften des Gerichtsstandsvertrages bei dem natürlichen Richter des Beklagten in Frankreich anzuheben ist. Andere dahingehende Normen standen gar nicht in Betracht, und es konnte nicht Sache der Verordnung sein, über den Staatsvertrag hinaus solche Normen aufzustellen, womit in die innere schweizerische (kantonale und eidgenössische) Zuständigkeitsordnung eingegriffen würde. Eine Befugnis hiezu liesse sich weder aus
Art. 15 Abs. 2 SchKG
herleiten (denn es stünde nicht die Vollziehung, sondern eine Änderung des Gesetzes in Frage), noch enthält der erwähnte Bundesbeschluss vom 25. April 1936 eine dahingehende Delegation. In
BGE 74 III 13
ff. wird denn auch bloss die Art der Prosequierung verdeutlicht, und
BGE 77 III 140
ff. weist die Befugnis zur Entscheidung darüber, ob nach
Art. 278 SchKG
habe vorgegangen werden dürfen oder nach dem Staatsvertrag in
BGE 80 III 149 S. 160
Verbindung mit der in Frage stehenden Verordnung hätte vorgegangen werden sollen, den Gerichten zu. Eine andere Tragweite wird dann allerdings dem Bundesbeschluss vom 25. April 1936 und der darauf beruhenden bundesgerichtlichen Verordnung in der Begründung eines Sonderfalles beigemessen, der einen möglicherweise unter Art. 5 des Staatsvertrages fallenden Streit zwischen Franzosen betraf (
BGE 79 III 39
ff.). Doch kann trotz einer zustimmenden Literaturmeinung (GUY FLATTET im Journal des Tribunaux 1953, Poursuite pour dettes, p. 67 ff.) an den betreffenden Ausführungen auch nach einmütiger Ansicht der am heutigen Urteil vollzählig mitwirkenden Mitglieder der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer nicht festgehalten werden. Der Bundesbeschluss vom 25. April 1936 und die auf ihm beruhende Ausführungsverordnung vom 29. Juni 1936 enthalten keine über den Gerichtsstandsvertrag hinausgehende Garantie des Wohnsitzgerichtsstandes. Übrigens könnte für eine ausserhalb des Staatsvertrages stehende Zuständigkeitsnorm des Bundes- oder des kantonalen Rechts der besondere Schutz des Art. 11 des Staatsvertrages nicht angerufen werden.
5.
In der Sache selbst wendet das Obergericht ausschliesslich französisches Recht an, was der Berufungskläger durchaus gelten lässt. Insoweit kann das angefochtene Urteil vom Bundesgerichte nicht überprüft werden (
Art. 43 OG
). Indessen wendet sich der Berufungskläger dagegen, dass das Obergericht ausschliesslich nach den Grundsätzen des Privatrechts geurteilt und die "politischen und kriegsrechtlichen Einwände" des Beklagten nicht berücksichtigt hat (Erw. 8). Er sieht darin eine ungerechtfertigte Berufung auf die öffentliche Ordnung der Schweiz; nach seiner Ansicht widersprechen die von ihm angerufenen öffentlichrechtlichen Bestimmungen Frankreichs nicht der öffentlichen Ordnung der Schweiz und sind daher auch vom schweizerischen Richter zu beachten, wie in
BGE 68 II 283
ff. ausgesprochen worden sei. Allein das angefochtene Urteil stützt sich gar nicht auf die öffentliche
BGE 80 III 149 S. 161
Ordnung. Es hat offenbar die völkerrechtliche Abgrenzung der staatlichen Hoheitsrechte gemäss den Grenzen des Gebiets jedes Staates im Auge, was denn auch nicht zu beanstanden ist (
BGE 40 I 486
/7,
BGE 79 II 198
/9).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Soweit auf die Berufung eingetreten werden kann, wird sie abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 17. November 1953 bestätigt. | null | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
49256ed7-7ef8-41b8-ba0c-4da3de19c0d1 | Urteilskopf
104 II 55
9. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Januar 1978 i.S. Traber AG gegen Griesser AG | Regeste
Vorsorgliche Massnahmen nach UWG.
Art. 11 Abs. 3 UWG
. Das kantonale Prozessrecht kann den Vorsitzenden des erkennenden Gerichts als zum Erlass von vorsorglichen Massnahmen zuständig erklären. | Sachverhalt
ab Seite 55
BGE 104 II 55 S. 55
A.-
Die Griesser AG in Aadorf stellt Rolläden und Storen her. Auf Gesuch vom 3. Juli 1974 wurde ihr am 15. Mai 1976 das Patent Nr. 577104 für einen Faltrolladen erteilt. Die Traber AG in Goldach betätigt sich auf dem gleichen Gebiete wie die Griesser AG; am 1. April 1975 reichte sie ebenfalls ein Patentgesuch ein, das einen Faltrolladen betrifft.
Am 1. November 1976 erhob die Griesser AG beim Obergericht des Kantons Thurgau als einziger kantonaler Instanz Klage wegen Verletzung ihres Patentes durch die Traber AG. Diese beantragte Abweisung der Klage und machte widerklageweise Nichtigkeit des klägerischen Patentes geltend. Zugleich verlangte sie die gerichtliche Feststellung, dass die Griesser AG unlauteren Wettbewerb begangen habe und begehe, "indem sie durch ihre Mitarbeiter in schriftlicher und mündlicher Form die Geschäftspartner und potentiellen Geschäftspartner der Beklagten und Widerklägerin mit Nachteilen,
BGE 104 II 55 S. 56
Folgen und/oder Haftung wegen angeblicher Patentverletzung" bedrohe.
B.-
Mit ihrer Widerklage wegen unlauteren Wettbewerbs verband die Traber AG das Gesuch, es sei der Griesser AG im Sinne einer vorsorglichen Massnahme nach
Art. 9 ff. UWG
das beanstandete Vorgehen während der Dauer des Prozesses zu verbieten. Der Präsident des Obergerichts des Kantons Thurgau wies am 9. August 1977 das Begehren ab.
C.-
Gegen die Verfügung des Obergerichtspräsidenten hat die Traber AG Nichtigkeitsbeschwerde erhoben. Sie verlangt Aufhebung der angefochtenen Verfügung und Rückweisung der Sache an die zuständige kantonale Instanz zum Erlass der anbegehrten vorsorglichen Massnahmen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Vorsorgliche Massnahmen im Sinne der
Art. 9 ff. UWG
können, sofern ein Nichtigkeitsgrund des
Art. 68 Abs. 1 OG
geltend gemacht wird, nur mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden (
BGE 103 II 71
E. 2). Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die Nichtigkeitsgründe von Art. 68 Abs. 1 lit. a und lit. b. Auf die Beschwerde ist somit einzutreten.
4.
Sobald der Hauptprozess hängig ist, ist nach
Art. 11 Abs. 3 UWG
ausschliesslich dessen Richter dafür zuständig, vorsorgliche Massnahmen zu erlassen oder aufzuheben. Die Beschwerdeführerin sieht im Umstand, dass nicht das für den Hauptprozess zuständige Obergericht, sondern dessen Präsident ihr vorsorgliches Massnahmebegehren behandelte, sowohl eine Anwendung von kantonalem Recht statt des massgebenden eidgenössischen Rechts im Sinne von
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG
als auch eine Verletzung von Vorschriften des eidgenössischen Rechts über die Zuständigkeit der Behörden im Sinne von
Art. 68 Abs. 1 lit. b OG
.
Der Obergerichtspräsident beruft sich auf eine thurgauische Praxis, wonach in Fällen, wie dem vorliegenden, nicht "das Obergericht als Plenum, sondern das Obergerichtspräsidium" für den Erlass vorsorglicher Massnahmen zuständig sei. Zu prüfen ist im folgenden nur, ob diese Praxis vor
Art. 11 Abs. 3 UWG
standhält. Da diese Bestimmung nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Hauptprozesses dessen Richter für
BGE 104 II 55 S. 57
den Erlass vorsorglicher Massnahmen als zuständig erklärt, wäre es jedenfalls nicht zulässig, über ein diesbezügliches Begehren losgelöst vom Hauptprozess in einem besonderen Verfahren zu befinden. Das trifft im vorliegenden Fall indes nicht zu; vielmehr handelte der Obergerichtspräsident offenkundig als Vorsitzender des erkennenden Gerichts. Auf die Frage, ob
Art. 11 Abs. 3 UWG
eine solche interne Delegation zulasse, geben weder Literatur noch Rechtsprechung eine Antwort; ebenso verhält es sich auch hinsichtlich des gleichlautenden
Art. 78 Abs. 1 PatG
. Hingegen erklärte der Bundesrat in seiner Botschaft vom 3. November 1942 zu Art. 12 Abs. 3 des Entwurfes, der dem
Art. 11 Abs. 3 UWG
entspricht, dass es sich nach dem kantonalen Prozessrecht bestimme, "ob der Entscheid im Einzelfall vom betreffenden Gesamtgericht, von dessen Präsidenten oder von einem allfälligen Instruktionsrichter auszugehen habe" (BBl 1942 S. 708). Eine solche Auslegung entspricht durchaus dem Sinn und Zweck des Gesetzes und rechtfertigt sich insbesondere auch deshalb, weil es praktische Gründe waren, die zur Vorschrift von
Art. 11 Abs. 3 UWG
führten (vgl. BBl 1942 S. 708). Je nach Organisation und Zusammensetzung des erkennenden Gerichtes lässt sich eine solche Delegation nämlich nicht umgehen. Der Obergerichtspräsident beruft sich denn auch auf einen Entscheid des Obergerichtspräsidiums vom 21. Juli 1965, der auf einem Beschluss des Gesamtobergerichts beruht. Dort wird ausgeführt, dass das thurgauische Obergericht nicht jederzeit zusammentreten könne, um einstweilige Verfügungen mit der nötigen Raschheit zu treffen, da sich im Thurgau nur die drei erstgewählten Oberrichter ständig am Amtssitz aufhielten, die andern aber nur zu den Sitzungen erschienen. Im übrigen war im kantonalen Verfahren selbst die Beschwerdeführerin noch der Auffassung, dass gegebenenfalls der Obergerichtspräsident für den Erlass vorsorglicher Massnahmen zuständig wäre, führte sie doch in ihrer Eingabe an das Obergericht vom 26. April 1977 im Zusammenhang mit der Begründung ihres vorsorglichen Massnahmebegehrens wörtlich aus: "Gemäss
Art. 11 Abs. 3 UWG
ist das Obergericht bzw. dessen Präsident zur Anordnung vorsorglicher Massnahmen nach Einleitung des Hauptprozesses zuständig." Weshalb sie sich nun auf den gegenteiligen Rechtsstandpunkt stellt, legt sie in ihrer Eingabe an das Bundesgericht nicht dar.
BGE 104 II 55 S. 58
Nach dem Gesagten ist es ohne weiteres mit
Art. 11 Abs. 3 UWG
vereinbar, wenn das kantonale Prozessrecht den Vorsitzenden des erkennenden Gerichtes für den Erlass vorsorglicher Massnahmen im Sinne dieser Bestimmung als zuständig erklärt. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass der Obergerichtspräsident statt des massgebenden eidgenössischen Rechts kantonales Recht angewendet (
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG
) oder eine Vorschrift des eidgenössischen Rechts über die Zuständigkeit von Behörden verletzt hätte (
Art. 68 Abs. 1 lit. b OG
). | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
492c0c09-dc56-4def-af34-e2db53a72642 | Urteilskopf
101 Ib 129
23. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. März 1975 in Sachen C.H. Boehringer gegen Eidgenössisches Amt für geistiges Eigentum | Regeste
Patentrecht.
Art. 2 Ziff. 2 PatG
. Begriff des Arzneimittels (Erw. 1). Eine Erfindung, die den Träger einer formgebundenen, aber nach Zusammensetzung und Wirkung nicht bezeichneten Substanz betrifft, fällt nicht unter das Patentierungsverbot (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 129
BGE 101 Ib 129 S. 129
A.-
Die Firma C. H. Boehringer Sohn liess am 20. Dezember 1971 beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum das auf zwei Ansprüche lautende Patentgesuch Nr. 18593 betreffend "Depotdragees mit exponentieller Wirkstofffreisetzung" einreichen. Das Amt teilte der Gesuchstellerin in einer ersten Beanstandung mit, beide Patentansprüche beträfen ein Arzneimittel im Sinne von
Art. 2 Ziff. 2 PatG
, also einen Gegenstand, der nicht geschützt werden könne, weshalb die Zurückziehung des Gesuches erwartet werde.
Die Gesuchstellerin widersprach und legte neu gefasste, materiell aber unveränderte Ansprüche vor, nämlich einen Patentanspruch und einen Unteranspruch, wobei jener lautet...
"Depotdragee mit exponentiell verlaufender Wirkstofffreigabe, dadurch gekennzeichnet, dass der Wirkstoffkern Kugelform besitzt oder
BGE 101 Ib 129 S. 130
aus mehreren Kugeln zusammengesetzt ist und dass er von einer unlöslichen und unverdaulichen Hülle überzogen ist, die an mindestens einer Stelle eine Aussparung aufweist, welche sich von aussen bis mindestens an die äussere Begrenzung des Wirkstoffkerns heran erstreckt".
Daraufhin wies das Amt gestützt auf
Art. 59 Abs. 1 PatG
in Verbindung mit
Art. 2 Ziff. 2 PatG
und
Art. 13 Abs. 1 PatV
I das Patentgesuch am 24. Oktober 1974 zurück.
B.-
Die Gesuchstellerin ficht diese Verfügung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Sie beantragt, das Amt anzuweisen, die Prüfung des Patentgesuches gemäss Art. 59 Abs. 2 bis 4 PatG und
Art. 13 Abs. 2 und 3 PatV
I, eventuell mit materieller Berücksichtigung der Ausführungen der Gesuchstellerin nach Art. 59 Abs. 1 bis 4 PatG und
Art. 13 Abs. 1 und 3 PatV
I, fortzusetzen.
Das Amt schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Art. 2 Ziff. 2 PatG
schliesst unter anderem "Erfindungen von Arzneimitteln" von der Patentierung aus. Diese Regelung ist sozial-ethisch begründet. Sie will die Verteuerung unentbehrlicher Arzneien durch Monopole verhindern (
BGE 99 Ib 252
Erw. 1,
BGE 91 I 220
/21 Erw. 2 und dort erwähnte Gesetzesmaterialien).
Das Gesetz umschreibt den Begriff des Arzneimittels nicht. Auch die Rechtsprechung hat ihn noch nicht abschliessend festgelegt, weder in
BGE 82 I 205
, wo eine Zahnpasta wegen der angegebenen "Schutzwirkung" des Fluorgehaltes als Arzneimittel betrachtet wird, noch in dem von der Beschwerdeführerin angerufenen
BGE 99 Ib 250
, der ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels wegen der Einbeziehung einer nichtchemischen Stufe als schutzunfähig erklärt. Die Botschaft zum Gesetzesentwurf macht klar, dass es um Stoffe und Gemische von solchen geht (BBl 1950 I 1004), und auch das Schrifttum, das anhand der Gesetzesmaterialien, der Pharmacopea Helvetica und der ausländischen, besonders der deutschen Literatur den Begriff des Arzneimittels zu umschreiben versucht, versteht darunter Substanzen und Substanzgemische (BLUM/PEDRAZZINI, Das schweizerische Patentrecht I S. 207 ff., Anm. 9 zu Art. 2; TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Auflage, I 244 f.). Verdeutlicht wird, dass unter Arzneimitteln
BGE 101 Ib 129 S. 131
selbstverständlich auch "die verschiedenen Arzneiformen, wie Pillen, Injektionslösungen, Suppositorien usw. verstanden sind" (Botschaft a.a.O.; TROLLER, a.a.O. 245 Anm. 220).
Der deutsche Bundespatentgerichtshof legte die alte, seit 1. Januar 1968 aufgehobene Fassung des
§ 1 Abs. 2 Ziff. 2 PatG
, wonach Erfindungen von Arzneimitteln nicht patentiert werden konnten, dahin aus, dieses Verbot gelte nur für die stoffliche Zusammensetzung, nicht auch für die äussere Gestaltung des Arzneimittels und erfasse daher die abstrakte Offenbarung einer neuen Pillen- Tabletten- oder Zäpfchenform nicht (BPatGE 77 ff.).
2.
Das Amt für geistiges Eigentum muss die objektive Tragweite des Patentanspruches erforschen und das Patentgesuch zurückweisen, wenn es auf eine Umgehung des
Art. 2 PatG
hinausläuft (
BGE 97 I 568
). Im vorliegenden Falle hat es das Gesuch zurückgewiesen, weil das erfindungsgemässe Depotdragee zu den von der Botschaft als nicht patentierbar erachteten Formen der Arzneimittel gehöre.
Wohl trifft zu, dass das umschriebene Dragee als Ganzes arzneilichen Zwecken dient. Das genügt jedoch nicht, es als Ganzes schutzunfähig zu machen. Der Patentanspruch hat nicht eine Substanz oder ein Substanzgemisch zum Gegenstand. Er enthält den Vorschlag, einen kugelförmigen oder aus mehreren Kugeln zusammengesetzten Wirkstoffkern mit einer unlöslichen und unverdaulichen Hülle zu überziehen und diese mit mindestens einer Aussparung zu versehen, die von aussen bis wenigstens an die äussere Begrenzung des Wirkstoffkerns heranreicht. Der behauptete erfinderische Gedanke liegt in der Verwendung einer Hülle zur exponentiell verlaufenden Freigabe einer formgebundenen, aber nach Zusammensetzung und Wirkung nicht bezeichneten Substanz. Er betrifft also den Träger des (beliebigen) Arzneistoffes. Dass gemäss Patentanspruch der Wirkstoff eine bestimmte Form aufzuweisen hat, die auch die Gestalt der Hülle beeinflussen mag, ist mit
Art. 2 Ziff. 2 PatG
nicht unvereinbar. Nicht patentierbar sind nur die Wirkstoffe in deren verschiedenen Anwendungsformen (Pillen, Tabletten, Zäpfchen usw.), nicht auch Gegenstände, die zu ihnen hinzutreten (Kapseln, Oblaten und dgl.) (BLUM/PEDRAZZINI, a.a.O. Art. 2 Anm. 10 Ziff. 11). Das verlangte Patent berührt den Begriffsinhalt und Zweck des
Art. 2 Ziff. 2 PatG
daher nicht. Es läuft entgegen der Ansicht des
BGE 101 Ib 129 S. 132
Amtes nicht auf eine Lockerung des Stoffschutzverbotes hinaus.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die angefochtene Verfügung aufgehoben und das Eidg. Amt für geistiges Eigentum angewiesen, das Patentgesuch 18593/71 weiter zu behandeln. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
4935a64f-861e-4d23-86e3-acc175d0822a | Urteilskopf
133 IV 134
20. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Bundesamt für Justiz sowie Bundesstrafgericht (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_107/2007 vom 21. Mai 2007 | Regeste
Art. 84 BGG
,
Art. 80p Abs. 4 IRSG
; Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen; Auslieferung unter annahmebedürftigen Auflagen.
Gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichtes darüber, ob die Antwort des ersuchenden Staates den verlangten Auflagen genügt, ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig (E. 1). | Sachverhalt
ab Seite 135
BGE 133 IV 134 S. 135
Am 29. August 2006 bewilligte das Bundesamt für Justiz die Auslieferung von X. an die Türkei zur Verfolgung eines Tötungsdelikts.
Mit Urteil vom 23. Januar 2007 wies das Bundesgericht die von X. dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowie die Einrede des politischen Delikts ab (
BGE 133 IV 76
). Es ergänzte den Entscheid des Bundesamtes wie folgt:
Der Vollzug der Auslieferung wird von der zusätzlichen Bedingung abhängig gemacht, dass die ersuchende Behörde folgende förmliche Garantieerklärung abgibt:
Der schweizerischen Botschaft in Ankara wird das Recht zugesichert, Vertreter zu bezeichnen, die den Verfolgten nach dessen Auslieferung ohne Überwachungsmassnahmen jederzeit besuchen können. Ebenso dürfen diese Vertreter sich jederzeit über den Verfahrensstand erkundigen sowie an sämtlichen Gerichtsverhandlungen teilnehmen. Der Verfolgte hat jederzeit das Recht, sich an diese Vertreter zu wenden."
Mit Verfügung vom 15. März 2007 stellte das Bundesamt für Justiz fest, dass die von der türkischen Botschaft in Bern mit Note vom 2. März 2007 übermittelte zusätzliche Zusicherung vollständig sei und mit dem Wortlaut der vom Bundesgericht verlangten Garantie übereinstimme.
Die von X. hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesstrafgericht am 2. Mai 2007 teilweise gut. Es verfügte, das Bundesamt habe dem ersuchenden Staat nach Erhalt des bundesstrafgerichtlichen Entscheids umgehend eine letztmalige und nicht erstreckbare Frist von maximal 14 Tagen für den Nachweis anzusetzen, dass die förmliche Garantieerklärung gemäss dem Urteil des Bundesgerichtes vom 23. Januar 2007 von der zuständigen Behörde abgegeben wurde. Im Übrigen wies das Bundesstrafgericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
X. führt mit Eingabe vom 14. Mai 2007 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, diese sei im Sinne von
Art. 84 BGG
zuzulassen und das Urteil des Bundesstrafgerichts aufzuheben.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 84 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110)
ist die Beschwerde gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen nur zulässig, wenn er unter anderem eine
BGE 133 IV 134 S. 136
Auslieferung betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2).
Der Beschwerdeführer beruft sich auf diese Bestimmung. Er macht geltend, es gehe um eine Auslieferung und es liege ein besonders bedeutender Fall vor. Wie es sich mit Letzterem verhält, kann aus den folgenden Erwägungen offenbleiben.
Gemäss
Art. 80p des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1)
- der auch im Bereich der Auslieferung anwendbar ist (
BGE 123 II 511
E. 4a S. 515) - kann unter anderem die Rechtsmittelinstanz die Gewährung der Rechtshilfe an Auflagen knüpfen (Abs. 1). Das Bundesamt prüft, ob die Antwort des ersuchenden Staates den verlangten Auflagen genügt (Abs. 3). Die Verfügung des Bundesamtes kann innert zehn Tagen ab der schriftlichen Mitteilung mit Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes angefochten werden. Der Entscheid der Beschwerdekammer ist endgültig (Abs. 4).
Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt in Anwendung von
Art. 80p Abs. 3 IRSG
geprüft, ob die Antwort des ersuchenden Staates ausreicht. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts ist damit nach der ausdrücklichen Sonderbestimmung von
Art. 80p Abs. 4 Satz 2 IRSG
unzulässig (vgl. HEINZ AEMISEGGER, Der Beschwerdegang in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in: Ehrenzeller/Schweizer [Hrsg.], Die Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, St. Gallen 2006, S. 185; RUDOLF WYSS, Strafrechtshilfe - wie weiter?, in: Aus der Werkstatt des Rechts, Festschrift für Heinrich Koller, Basel 2006, S. 298). Diese Bestimmung - die der Beschwerdeführer übergeht, obwohl das Bundesstrafgericht in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich darauf hingewiesen hat - ist am gleichen Tag erlassen worden wie das Bundesgerichtsgesetz und gleichzeitig mit diesem, am 1. Januar 2007, in Kraft gesetzt worden. Sie geht als Sonderbestimmung
Art. 84 BGG
vor und ist somit auch dann anwendbar, wenn es um eine Auslieferung geht und ein besonders bedeutender Fall vorliegen sollte.
Auf die Beschwerde kann danach nicht eingetreten werden. | null | nan | de | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4938739b-8f18-4707-8c71-284fc1b13bf9 | Urteilskopf
138 IV 157
23. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (Beschwerde in Strafsachen)
6B_816/2011 vom 1. März 2012 | Regeste
Art. 399 StPO
; Anmeldung der Berufung und Berufungserklärung.
Wird ein erstinstanzliches Urteil weder mündlich noch schriftlich im Dispositiv eröffnet, sondern den Parteien direkt in begründeter Form zugestellt, ist eine Anmeldung der Berufung nicht nötig. Es genügt, dem Berufungsgericht eine Berufungserklärung einzureichen. Dem Berufungskläger stehen hierfür 20 Tage zur Verfügung (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 157
BGE 138 IV 157 S. 157
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug erhob am 12. Januar 2010 Anklage gegen X. wegen strafbarer Handlungen gegen das Vermögen (gewerbsmässiger Betrug, eventualiter mehrfache qualifizierte Veruntreuung; Unterlassung der Buchführung), Urkundenfälschung und gewerbsmässiger Geldwäscherei.
Das Strafgericht des Kantons Zug verurteilte X. am 16. August 2011 wegen gewerbsmässigen Betrugs, Unterlassung der Buchführung und Urkundenfälschung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12
BGE 138 IV 157 S. 158
Monaten als Zusatzstrafe zum Urteil des Landgerichts Dortmund vom 8. September 2010. Vom Vorwurf der gewerbsmässigen Geldwäscherei sprach es ihn frei. Dieses Urteil wurde X. am 7. September 2011 direkt in begründeter Form eröffnet.
X. reichte am 27. September 2011 Berufung ein, auf welche das Obergerichtspräsidium des Kantons Zug am 11. November 2011 mangels Fristwahrung betreffend Einreichung der Berufungserklärung nicht eintrat.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X., es sei die Präsidialverfügung vom 11. November 2011 aufzuheben und das Obergericht des Kantons Zug anzuweisen, auf die Berufung einzutreten. Eventualiter sei festzustellen, dass er mit der Berufung vom 27. September 2011 die Berufungsfrist eingehalten und die Berufung fristgerecht eingereicht habe.
C.
Das Obergericht des Kantons Zug beantragt unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Die StPO (SR 312.0) sieht für die Einlegung der Berufung ein zweistufiges Verfahren vor. Nach
Art. 399 Abs. 1 StPO
ist die Berufung dem erstinstanzlichen Gericht innert 10 Tagen seit Eröffnung des Urteils schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzumelden. Nach Ausfertigung des begründeten Urteils übermittelt das erstinstanzliche Gericht die Anmeldung zusammen mit den Akten dem Berufungsgericht (
Art. 399 Abs. 2 StPO
). Die Partei, die Berufung angemeldet hat, reicht dem Berufungsgericht gemäss
Art. 399 Abs. 3 StPO
innert 20 Tagen seit der Zustellung des begründeten Urteils eine schriftliche Berufungserklärung ein. Die am Prozess beteiligten Parteien, welche mit dem erstinstanzlichen Urteil nicht einverstanden sind, müssen mithin in der Regel zweimal ihren Willen kundtun, das Urteil nicht zu akzeptieren, nämlich einmal im Rahmen der Anmeldung der Berufung bei der ersten Instanz nach Eröffnung des Dispositivs (siehe
Art. 84 StPO
zur Eröffnung sowie
Art. 81 Abs. 4 StPO
zum Inhalt des Dispositivs) und ein zweites Mal nach Eingang des begründeten Urteils durch eine Berufungserklärung beim Berufungsgericht.
BGE 138 IV 157 S. 159
2.2
Wird das Urteil weder mündlich noch schriftlich im Dispositiv eröffnet, sondern direkt in begründeter Form zugestellt, ist eine Anmeldung der Berufung nicht nötig. Es genügt, eine Berufungserklärung einzureichen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und entgegen einer in der Lehre vertretenen Auffassung (vgl. MARKUS HUG, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2010, N. 11 zu
Art. 399 StPO
) gilt dabei nicht die für die Anmeldung der Berufung massgebliche Frist von 10 Tagen, sondern stehen dem Berufungskläger im Sinne von Art. 399 Abs. 3 StPO 20 Tage zur Verfügung. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Frist für die Einreichung der Berufungserklärung von 20 auf 10 Tage reduziert werden sollte (Urteil des Bundesgerichts 6B_444/2011 vom 20. Oktober 2011 E. 2.5).
2.3
Das erstinstanzliche Urteil vom 16. August 2011 wurde dem Beschwerdeführer unstreitig weder mündlich noch schriftlich im Dispositiv eröffnet, sondern am 7. September 2011 direkt in begründeter Form zugestellt. Der Beschwerdeführer brauchte deshalb die Berufung nicht anzumelden, sondern konnte sich auf die Einreichung der Berufungserklärung beschränken. Davon geht auch die Vorinstanz aus. Entgegen ihrer Ansicht standen ihm hierfür allerdings nicht nur 10 Tage, also die für die Anmeldung nach
Art. 399 Abs. 1 StPO
massgebliche Frist, zur Verfügung, sondern 20 Tage seit der Zustellung des begründeten Urteils. Dafür spricht auch die Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Urteils vom 16. August 2011, wonach innert 10 Tagen seit Eröffnung des Urteils Berufung anzumelden und innert 20 Tagen seit Zustellung des begründeten Urteils eine Berufungserklärung einzureichen war. Der Beschwerdeführer reichte die Berufungserklärung fristgerecht am 27. September 2011 ein. Die Vorinstanz trat in Verletzung von Bundesrecht darauf nicht ein. Die Sache ist daher an sie zur neuen Beurteilung zurückzuweisen.
Die Frage, ob die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug Anschlussberufung wird erheben können, bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und braucht daher nicht geklärt zu werden.
2.4
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (
Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG
). Der Kanton Zug hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (
Art. 68 Abs. 2 BGG
). Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos geworden. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
493d9d3a-c862-465e-9202-2a7e5cfd6bc3 | Urteilskopf
107 II 499
78. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Oktober 1981 i.S. G. gegen Regierungsrat des Kantons Bern (Berufung) | Regeste
Art. 57 Abs. 5 OG
. Ausnahme von der Regel (E. 1).
Art. 274 Abs. 2 ZGB
und
Art. 44 OG
.
Wird dem Vater oder der Mutter das Recht auf persönlichen Verkehr mit ihrem unmündigen Kind von der Vormundschaftsbehörde gestützt auf Art. 274 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 275 Abs. 1 ZGB
entzogen, so können sie dagegen nicht Berufung beim Bundesgericht einlegen, weil keine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von
Art. 44 OG
vorliegt (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 499
BGE 107 II 499 S. 499
Am 1. Januar 1978 gebar M. R. den Knaben T. Der spanische Staatsangehörige G. anerkannte den Knaben als sein Kind. Mit Vereinbarung vom 19. April 1978 verpflichtete er sich, für seinen Sohn monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 300.-- zu bezahlen. Am 9. Mai 1978 ordnete die zuständige Vormundschaftsbehörde im Einverständnis mit der Mutter über den Knaben eine Beistandschaft im Sinne von
Art. 308 ZGB
an. Die Kindsmutter heiratete am 28. September 1979. T. lebt bei der Mutter und dem Stiefvater zusammen mit einem inzwischen geborenen Stiefbruder.
Mit Schreiben vom 20. August 1979 ersuchte G. die
BGE 107 II 499 S. 500
Vormundschaftsbehörde, ihm behilflich zu sein, das ihm seit acht Monaten verweigerte Besuchsrecht gegenüber seinem Kind T. durchzusetzen. Die Vormundschaftsbehörde beschloss am 27. November 1979, G. das Recht auf persönlichen Verkehr mit seinem Sohn zu entziehen.
G. erhob gegen diesen Beschluss beim Regierungsstatthalter Beschwerde, die am 8. Mai 1980 abgewiesen wurde.
Diesen Entscheid zog G. an den Regierungsrat des Kantons Bern weiter, welcher die Beschwerde mit Entscheid vom 8. Oktober 1980 abwies.
G. führt Berufung an das Bundesgericht mit den Anträgen, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben und das Besuchsrecht gegenüber seinem Sohn T. sei ihm wieder einzuräumen.
Der Berufungskläger hat den Entscheid des Regierungsrates gleichzeitig mit einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
angefochten.
Das Bundesgericht tritt auf die Berufung nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Ist ein kantonaler Entscheid beim Bundesgericht sowohl mit einer Berufung als auch mit einer staatsrechtlichen Beschwerde angefochten worden, so ist in der Regel die Entscheidung über die Berufung bis zur Erledigung der staatsrechtlichen Beschwerde auszusetzen (
Art. 57 Abs. 5 OG
). Nach
Art. 84 Abs. 2 OG
hat die staatsrechtliche Beschwerde indessen subsidiären Charakter, indem sie nur zulässig ist, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht gerügt werden kann.
Im vorliegenden Fall beschwert sich der Berufungskläger darüber, dass ihm sein Besuchsrecht gegenüber seinem Sohn T. entzogen worden ist. Mit der Berufung behauptet er die Verletzung von
Art. 273 und 274 ZGB
, und mit der staatsrechtlichen Beschwerde rügt er die willkürliche Anwendung dieser Bestimmungen. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht gegeben, sofern die Berufung zulässig ist. Es ist demnach - in Abweichung von der Regel - zunächst zu prüfen, ob auf die Berufung überhaupt eingetreten werden kann.
2.
a) Nach
Art. 273 ZGB
haben die Eltern Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr mit dem unmündigen Kind, das nicht unter ihrer Gewalt oder Obhut steht. Rechtliche Grundlage
BGE 107 II 499 S. 501
dieses Anspruchs, der in der Regel als Besuchsrecht ausgeübt wird, ist das Kindesverhältnis (Botschaft des Bundesrates zur Revision des Kindesrechts vom 4. Juni 1974, BBl 1974 II 52; HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, S. 105). Das Recht auf persönlichen Verkehr kommt den Eltern zu, denen die elterliche Gewalt bzw. die Obhut vom Richter (Art. 170, 145, 156 und 133 ZGB) oder von der Vormundschaftsbehörde (
Art. 310-312 ZGB
) entzogen worden ist oder denen sie von Gesetzes wegen nicht zusteht (Art. 296 Abs. 2 und 298 Abs. 1 ZGB). Der Vater, der mit der Mutter nie verheiratet war, hat das Recht auf persönlichen Verkehr mit dem Kind, wenn das Kindesverhältnis durch Anerkennung oder durch den Richter festgestellt worden ist (
Art. 252 Abs. 2 ZGB
). Dieses Recht steht den Eltern um ihrer Persönlichkeit willen zu (
BGE 100 II 81
und
BGE 98 IV 37
).
b) Anordnungen über den persönlichen Verkehr im Sinne von
Art. 273 ZGB
hat die Vormundschaftsbehörde am Wohnsitz des Kindes zu treffen (
Art. 275 Abs. 1 ZGB
). Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob diese Anordnungen der Vormundschaftsbehörde letztinstanzlich an das Bundesgericht weitergezogen werden können. Der Anspruch der Eltern auf persönliche Beziehungen mit ihrem Kind ist offensichtlich nicht vermögensrechtlicher Natur. In nicht vermögensrechtlichen Zivilsachen kann nach
Art. 44 OG
beim Bundesgericht nur Berufung erhoben werden, wenn eine Zivilrechtsstreitigkeit oder einer der in lit. a-f abschliessend aufgezählten Fälle vorliegt.
Ein Zivilrechtsstreit im Sinne dieser Bestimmung besteht nach ständiger Rechtsprechung in einem kontradiktorischen Verfahren zwischen zwei oder mehreren natürlichen oder juristischen Personen als Trägerinnen privater Rechte oder zwischen solchen Personen und einer nach Bundesrecht die Stellung einer Partei besitzenden Behörde, das sich vor dem Richter oder einer andern Spruchbehörde abspielt und auf die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse durch behördlichen Entscheid abzielt (
BGE 104 II 164
/65 E. 3b, 103 II 317 E. 2c, 101 II 359 und 368/69 E. 2a, je mit Hinweisen).
Werden diese Kriterien auf den vorliegenden Fall angewendet, so zeigt sich, dass die Vormundschaftsbehörde gestützt auf
Art. 275 ZGB
nicht über zivilrechtliche Beziehungen zwischen einer Person, welche die Anerkennung ihres Besuchsrechts verlangt (Eltern des Kindes oder Drittperson im Sinne von
Art. 274a ZGB
), und einer andern sich diesem Begehren widersetzenden
BGE 107 II 499 S. 502
Person (anderer Elternteil, Vormund, Pflegeeltern, etc.) entscheidet. Gegenstand des Verfahrens bildet vielmehr das Recht einer Person auf angemessenen persönlichen Verkehr mit ihrem Kind. Stehen sich aber von Bundesrechts wegen nicht zwei Personen als Kläger und Beklagter gegenüber, kann es auch nicht darauf ankommen, ob vor der kantonalen Behörde ein kontradiktorisches Verfahren stattgefunden habe oder nicht. Die Anerkennung oder Verweigerung des Besuchsrechts gehört vielmehr zur freiwilligen Gerichtsbarkeit und stellt keine Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von
Art. 44 OG
dar.
Zwar hat das Besuchsrecht auch Auswirkungen auf die Stellung derjenigen Person, welche die elterliche Gewalt oder die Obhut über das Kind besitzt. Diese muss das Besuchsrecht des andern Elternteils oder der Drittperson respektieren und darf dessen Ausübung nicht behindern (
Art. 274 Abs. 1 ZGB
). Anderseits hat sie auch der Vormundschaftsbehörde Anzeige zu erstatten, wenn das Wohl des Kindes durch den Verkehr mit dem andern Elternteil oder der Drittperson beeinträchtigt wird (
Art. 274 Abs. 2 ZGB
). Aber die elterliche Gewalt oder die Obhut wird durch das Besuchsrecht nicht eingeschränkt. Es kann daher auch kein Rechtsstreit entstehen zwischen den Inhabern dieser beiden Rechte. Auch daraus folgt, dass kein Zivilrechtsstreit vorliegt.
Dazu kommt, dass das Recht auf angemessenen persönlichen Verkehr mit dem Kind den Eltern zwar um ihrer Persönlichkeit willen zusteht. Doch handelt es sich dabei nicht um ein reines subjektives Recht (vgl. HEGNAUER, a.a.O. S. 129). Nicht das Interesse der Eltern steht im Vordergrund, sondern es geht in erster Linie um das Wohl des Kindes. Wenn das Wohl des Kindes es verlangt, muss das Recht auf persönlichen Verkehr verweigert oder entzogen werden (
Art. 274 Abs. 2 ZGB
). Entscheidend ist somit das Interesse des Kindes und nicht dasjenige der Eltern. Die Vormundschaftsbehörde hat über das Wohl des Kindes zu wachen und seine Interessen wahrzunehmen ohne Rücksicht auf die Stellungnahme der Eltern (Art. 275 Abs. 1 und 274 Abs. 2 ZGB). Diese Aufgaben der Vormundschaftsbehörde gehören aber ihrem Wesen nach zur freiwilligen Gerichtsbarkeit (zum Wesen der freiwilligen Gerichtsbarkeit vgl.: HABSCHEID, Droit judiciaire privé suisse, 2. Aufl., S. 84 ff.; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 42 ff.; GULDENER, Grundzüge der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Schweiz, S. 9 ff.). Es ist gerade ein Zeichen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, dass eine Gegenpartei fehlt. Die
BGE 107 II 499 S. 503
Stellung der Vormundschaftsbehörde, welche über den persönlichen Verkehr der Eltern mit dem unmündigen Kind zu entscheiden hat, ist durchaus vergleichbar mit derjenigen der Behörden, welche die in
Art. 44 lit. d und e OG
aufgeführten Massnahmen zu treffen haben. Bei Entzug oder Wiederherstellung der elterlichen Gewalt (
Art. 44 lit. d OG
) und bei Entmündigung oder Anordnung einer Beistandschaft sowie bei Aufhebung dieser Massnahmen (
Art. 44 lit. e OG
) wird ebenfalls in der Regel die Vormundschaftsbehörde bzw. die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde tätig. Dabei handelt es sich aber um Massnahmen, die der freiwilligen Gerichtsbarkeit angehören. Der Bundesgesetzgeber hat sie denn auch wie die in
Art. 44 lit. a-c und f OG
aufgezählten Fälle ausdrücklich der Berufung an das Bundesgericht unterstellt, weil er sie nicht als Zivilrechtsstreitigkeiten betrachtet hat. Auch in diesen Fällen kann ein Streit zwischen zwei oder mehreren Personen entstehen. Trotzdem wickelt sich das Verfahren im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit ab, und es liegt keine Zivilrechtsstreitigkeit vor. Die Berufung ist in diesen Fällen nur gegeben, weil der Gesetzgeber sie ausdrücklich als zulässig erklärt hat. Daraus folgt aber, dass die Berufung gegen die Entscheidungen der letztinstanzlichen kantonalen Behörden, die sich mit der Ausgestaltung oder den Schranken des persönlichen Verkehrs der Eltern mit ihrem unmündigen Kind (
Art. 273 und 274 ZGB
) befassen, mangels einer ausdrücklichen Regelung in
Art. 44 OG
nicht zulässig ist.
An diesem Ergebnis vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die Regelung des Besuchsrechts im Zusammenhang mit der Scheidung, Trennung oder Ungültigerklärung der Ehe (
Art. 156 und 133 ZGB
) bzw. die Abänderung dieser Regelung (
Art. 157 ZGB
) mit der Berufung beim Bundesgericht angefochten werden kann. Der Scheidungsrichter hat das Besuchsrecht desjenigen Elternteils, dem die Kinder nicht zugesprochen werden, festzulegen, weil dieses Recht unmittelbar mit der Auflösung oder der Trennung der Ehe zusammenhängt. Es erscheint daher als eine Nebenfolge eines nicht vermögensrechtlichen Zivilrechtsstreites vor einer richterlichen Behörde, weshalb die Berufung zulässig sein muss. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4959f63e-1f6d-4e3b-80aa-242cf7af8747 | Urteilskopf
107 V 170
36. Urteil vom 4. Juni 1981 i.S. Freiwillige Kranken- und Unfallkasse gegen Boppart und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen | Regeste
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 3 KUVG
.
Eine Badekur liegt dann vor, wenn der Versicherte die verordneten Therapien in einer ärztlich geleiteten Badekuranstalt zu absolvieren hat und hierfür ausserhalb seiner Wohnung Unterkunft nehmen muss.
Nicht ausserhalb seiner Wohnung bezieht Unterkunft, wer die Bäderbehandlungen und anderweitigen Heilanwendungen vom eigenen oder ganzjährig (allenfalls saisonweise) gemieteten Ferienhaus (bzw. Ferienwohnung) am Badekurort aus absolviert. | Sachverhalt
ab Seite 171
BGE 107 V 170 S. 171
A.-
Rudolf Boppart und seine Ehefrau, wohnhaft in Goldach, sind Mitglieder der Freiwilligen Kranken- und Unfallkasse (St. Gallen). Am 19. Juni 1979 verschrieb Dr. med. M. Frau Heidi Boppart zehn Moorbäder und Massage im Kurhaus St. Moritz; das Attest verband er mit dem Vermerk "amb. Behandlung". Mit Zeugnis vom 27. Juni 1979 empfahl Chiropraktor Dr. B. Rudolf Boppart ebenfalls zehn Moorbäder; die am 12. Juli 1979 für den Versicherten ausgestellte Therapieverordnung des leitenden Arztes des Heilbades St. Moritz lautete auf zehn Moorbäder mit Kohlensäuremineralbädern und zehn Massagen zu 25 Minuten. Die verordneten Heilanwendungen gelangten in den Monaten Juni/Juli 1979 im Heilbadzentrum St. Moritz zur Durchführung. Rudolf Boppart und seine Ehefrau absolvierten die Therapien von ihrem Ferienhaus in Sils aus.
Die Kasse vergütete die durchgeführten Therapien als ambulante Behandlung nach dem Tarif gemäss Vertrag zwischen dem Schweizerischen Physiotherapeutenverband und dem Konkordat der schweizerischen Krankenkassen. Die Privatpatientenrechnung für die ärztliche Behandlung übernahm sie zur Hälfte. Die Versicherten verlangten in der Folge jedoch die Ausrichtung der reglementarischen Beiträge für Badekuren. Die Kasse beharrte indes auf dem Standpunkt, dass ärztlicherseits nicht eine Badekur, sondern ambulante physiotherapeutische und balneologische Therapien verordnet worden seien.
B.-
Gegen den ablehnenden Bescheid der Kasse erhoben die beiden Versicherten Beschwerde mit dem Begehren, es seien ihnen zu Lasten der Kasse Badekurbeiträge zuzusprechen. Am 8. Februar 1980 hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Beschwerde gut.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Kasse, es sei in Aufhebung des kantonalen Entscheides bei beiden Versicherten auf ambulante Behandlung und nicht auf Badekur zu erkennen. Die Abrechnung der Kasse sei somit als richtig zu bestätigen.
Rudolf Boppart und seine Ehefrau schliessen sich sinngemäss dem Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen an. Das Bundesamt für Sozialversicherung beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
BGE 107 V 170 S. 172
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 3 KUVG
haben die Krankenkassen bei ärztlich verordneten Badekuren einen täglichen Kurbeitrag zu leisten. Dieser muss gemäss Art. 25 Vo III KUVG mindestens Fr. 10.-- betragen.
Der Badekurbeitrag dient zur Deckung der mit einer Badekur verbundenen Kosten für ärztliche Behandlung, Arzneimittel und andere Heilanwendungen. Darin enthalten ist auch eine Entschädigung für speziell kurbedingte Auslagen wie Fahrt- und Aufenthaltskosten. Fallen besondere Kurkosten dieser Art nicht an, weil etwa der Versicherte am Badekurort wohnt oder dort ganzjährig oder saisonweise eine Ferienunterkunft hat, so kann nicht von einer Badekur gemäss
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 3 KUVG
gesprochen werden. Diesfalls handelt es sich bei der Durchführung balneologischer oder physiotherapeutischer Therapien in der Badekuranstalt um ambulante Behandlung im Sinne von
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 KUVG
, so dass kein Anspruch auf einen Badekurbeitrag besteht. Demnach liegt - wie das Gesamtgericht entschieden hat - eine Badekur nach
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 3 KUVG
vor, wenn der Versicherte die ärztlich verordneten Therapien in einer ärztlich geleiteten Badekuranstalt zu absolvieren hat und hiefür ausserhalb seiner Wohnung Unterkunft nehmen muss. Nicht ausserhalb seiner Wohnung bezieht Unterkunft, wer die Heilanwendungen in der Badekuranstalt vom eigenen bzw. (ganzjährig oder saisonweise) gemieteten Ferienhaus (bzw. Ferienwohnung) am Badekurort aus absolviert.
Nach Art. 30 Abs. 1 des Kassenreglements über die Versicherungsleistungen wird der reglementarische oder gesetzliche Kurbeitrag ausgerichtet, wenn sich der Versicherte für die Kurbehandlung ausserhalb seines Wohnsitzes aufhalten muss. Trotz des Wortlautes ist indes anzunehmen, dass damit der Unterkunftsbezug ausserhalb der Wohnung und nicht ausserhalb des Wohnsitzes im Sinne von
Art. 23 ff. OR
gemeint ist. Das Abstellen auf den Rechtsbegriff des Wohnsitzes müsste in gewissen Fällen zu unhaltbaren Ergebnissen führen. Wohnt beispielsweise eine von ihrem Mann faktisch getrennt lebende Ehefrau oder ein Bevormundeter am Badekurort und fällt der Wohnsitz des Ehemannes oder der Vormundschaftsbehörde nicht mit diesem Ort zusammen, so hätten sie im Falle einer Bäderbehandlung in der dortigen Badekuranstalt Anspruch auf Kurbeiträge, obwohl es sich offensichtlich um eine ambulante Behandlung im Sinne von
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 KUVG
BGE 107 V 170 S. 173
handeln würde. Anderseits hätte ein Versicherter mit Wohnsitz am Badekurort oder dessen näherer Umgebung keinen Anspruch auf Badekurbeiträge, auch wenn er effektiv ausserhalb dieser Region wohnt. Es ist daher davon auszugehen, dass die Kasse in Art. 30 Abs. 1 des Reglements über Versicherungsleistungen nicht den rechtstechnischen Begriff des Wohnsitzes gewählt hat und die fragliche Wendung vom Versicherten nach Treu und Glauben auch nicht so verstanden werden konnte.
2.
Die Beschwerdegegner haben die fraglichen Behandlungen von ihrem Ferienhaus in Sils aus absolviert. Demzufolge kann nicht von einer Badekur im Sinne des KUVG gesprochen werden. Sie haben daher weder Anspruch auf den gesetzlichen noch den reglementarischen Badekurbeitrag, sondern lediglich auf die bei ambulanter Behandlung gemäss
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 KUVG
vorgesehenen Leistungen. Offenbleiben kann damit die Frage, ob ärztlicherseits tatsächlich nur ambulante Behandlung im Sinne des KUVG verordnet worden ist.
Haben die Beschwerdegegner keine Badekur absolviert, so stehen ihnen auch keine Ansprüche auf die hiefür vorgesehenen Leistungen aus der Spitalzusatzversicherung der Kasse zu (Art. 52 Abs. 1 lit. c des Reglements über die Versicherungsleistungen).
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 8. Februar 1980 aufgehoben. | null | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
495ae8cc-a1ee-4c43-83e0-d87f26c1770b | Urteilskopf
108 II 107
21. Arrêt de la Ire Cour civile du 23 février 1982 dans la cause Wallinger contre Etimpex (recours en réforme) | Regeste
Art. 181 OR
.
1. Auf die Übernahme eines Geschäftes mit Aktiven und Passiven, das in der Schweiz betrieben wird, findet
Art. 181 OR
Anwendung (E. 1).
2.
Art. 181 Abs. 2 OR
setzt eine Verwirkungsfrist fest (E. 3).
3. Handlungen, die geeignet sind, den Eintritt der Verwirkung zu verhindern (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 108
BGE 108 II 107 S. 108
A.-
Depuis 1971, Michel Wallinger exploitait à Neuchâtel un commerce de bières et autres boissons. Le 4 février 1975, il passa avec l'établissement liechtensteinois Etimpex un acte intitulé "convention de rachat de stock". Wallinger y vendait à Etimpex son stock de marchandises pour le prix de 16'537 fr. 63. L'établissement acheteur s'engageait simultanément à revendre lesdites marchandises à Wallinger au fur et à mesure de ses besoins, contre paiement comptant. Etimpex versa le prix convenu.
Le stock vendu à Etimpex se trouvait à Neuchâtel et y demeura, dans les entrepôts de Wallinger. Au 10 décembre 1975, il comprenait 29'494 fr. 15 de marchandises, selon inventaire signé par Wallinger.
Le 30 juin 1976, Wallinger remit son commerce avec actifs et passifs à Léon Robert, à Neuchâtel. La reprise fut portée à la connaissance de l'établissement Etimpex.
Le 27 février 1978, Etimpex, qui n'avait pu obtenir ni le paiement de ses marchandises ni leur restitution, fit notifier à Wallinger un commandement de payer pour une créance de 29'371 fr. 65. Le débiteur fit opposition à la poursuite.
B.-
Le 22 décembre 1978, l'établissement Etimpex a intenté à Michel Wallinger une action en paiement de 29'494 fr. 15, avec intérêt à 5% l'an à compter du 27 février 1978.
Par jugement du 2 novembre 1981, le Tribunal cantonal de la République et canton de Neuchâtel a admis l'action et condamné le défendeur au paiement des frais et dépens. Il a qualifié de contrat de consignation la convention conclue entre les parties le 4 février 1975. Le défendeur, consignataire, avait la faculté soit de rendre les marchandises que l'établissement demandeur avait mises à sa disposition, soit d'en payer le prix. N'ayant pu restituer, il était redevable du prix selon inventaire au 10 décembre 1975, savoir de 29'494 fr. 15. Bien qu'ayant remis son commerce le 30 juin 1976, il restait tenu solidairement durant deux ans, conformément à l'
art. 181 al. 2 CO
. Et ce délai avait été sauvegardé par le commandement de payer notifié le 27 février 1978.
C.-
Le défendeur Michel Wallinger a déposé un recours
BGE 108 II 107 S. 109
en réforme au Tribunal fédéral. Il conclut au rejet de l'action.
L'établissement demandeur, Etimpex, propose le rejet du recours, avec suite de frais et dépens.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le défendeur, en instance de réforme, motive ses conclusions libératoires en invoquant exclusivement l'incidence de la remise de son commerce sur ses obligations envers le demandeur. Ce point relève du droit suisse. Car l'existence et les effets d'une reprise de dette que la loi attache directement au transfert d'une universalité de biens sont soumis au droit régissant ce transfert et non à celui qui s'applique à chacune des obligations en cause (SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 4e éd., p. 662). Or, l'
art. 181 CO
s'applique à l'acquisition, avec actif et passif, de toute entreprise qui est exploitée en Suisse, et ses effets s'étendent également aux dettes commerciales qui seraient soumises à une loi étrangère (BRINER, Die Schuldübernahme im schweizerischen Internationalprivatrecht, p. 77). Point n'est donc besoin de déterminer si le contrat liant les parties doit être qualifié de vente internationale au sens de l'art. 1er de la Convention de La Haye du 15 juin 1955 ou s'il est soumis aux règles de conflits nationales qui régissent les contrats de consignation. La détermination de la loi applicable au contrat serait en effet sans incidence sur le seul point qui reste litigieux en l'espèce, et qui relève du droit suisse.
2.
Celui qui reprend une entreprise avec actif et passif devient responsable des dettes envers les créanciers dès qu'il les a avisés du transfert (
art. 181 al. 1 CO
). Toutefois, l'ancien débiteur reste solidairement obligé durant deux ans avec le nouveau, à compter du jour de l'avis ou de la date ultérieure de l'exigibilité (
art. 181 al. 2 CO
). Le défendeur soutient que la loi a institué par là un délai de péremption qui ne peut être sauvegardé que par le dépôt d'une demande en justice et non par l'ouverture d'une poursuite. La remise de commerce ayant eu lieu en l'espèce le 30 juin 1976, le demandeur serait déchu de tous ses droits, pour n'avoir ouvert action que le 22 décembre 1978. Le commandement de payer notifié le 27 février 1978 était impropre à prévenir la forclusion.
3.
L'
art. 181 al. 2 CO
ne précise pas s'il institue une péremption ou une prescription. La nature juridique d'un délai ne dépend d'ailleurs pas nécessairement des termes parfois imprécis
BGE 108 II 107 S. 110
que le législateur utilise en la matière (
ATF 86 I 60
ss). L'
art. 592 al. 2 CO
, dans son texte français et italien, renvoie certes, dans une hypothèse déterminée, à la "prescription de deux ans" prévue par les dispositions sur la reprise de dettes. La version allemande du texte légal ne se réfère toutefois qu'à la durée du délai de l'art. 181 et ne contient aucune indication sur sa nature. L'
art. 592 al. 2 CO
ne fournit donc pas d'élément d'interprétation décisif et ne peut servir à préciser la nature du délai biennal dans le système général de l'art. 181.
Aux termes de la loi, l'ancien débiteur reste obligé avec le nouveau durant deux ans. On peut en déduire qu'il cesse de l'être à l'expiration de ce délai. La reprise de dette, d'abord cumulative, devient privative après deux ans, ce qui entraîne la libération de l'ancien débiteur (
ATF 63 II 15
). L'écoulement du temps prévu par la loi provoque donc l'extinction pure et simple des droits du créancier contre l'ancien débiteur et ne fait pas que donner à ce dernier la faculté de se défendre au moyen d'une exception. Cette perte du droit au fond permet de qualifier de péremption l'effet du délai prévu à l'
art. 181 al. 2 CO
. Il n'y a donc pas lieu de modifier la jurisprudence établie en la matière (
ATF 63 II 15
,
ATF 61 II 154
; arrêt non publié du 23 janvier 1979 en la cause Miliangos c. Félix).
Le délai de déchéance de l'
art. 181 al. 2 CO
est distinct du délai de prescription auquel l'obligation est et reste soumise, et dont la durée dépend de la nature de la dette. Cette prescription peut, dans les relations internationales, être régie par une loi étrangère et donc différente de celle applicable à la déchéance. Elle peut être acquise et invoquée par l'ancien débiteur avant même l'écoulement du délai de déchéance.
4.
Le défendeur soutient à tort que la péremption d'un droit ne peut, d'une manière générale, être prévenue que par l'ouverture d'une action en justice. Il en va certes ainsi lorsque la loi le prévoit ou lorsque le droit en cause ne peut s'exercer qu'au moyen d'une action formatrice. Il existe toutefois de nombreux délais de déchéance qui peuvent ou doivent être sauvegardés par une forme d'exercice du droit qui ne se confond pas avec l'ouverture d'une action en justice (cf.
art. 832 al. 2 CC
, art. 1050 et 1128 s. CO). Le caractère péremptoire d'un délai n'emporte donc à lui seul aucune restriction sur la nature des actes qui permettent, jusqu'à l'expiration, de prévenir la perte du droit.
L'
art. 181 al. 2 CO
ne précise pas les démarches que les créanciers doivent entreprendre à l'encontre de l'ancien débiteur
BGE 108 II 107 S. 111
pour éviter qu'il ne soit libéré à l'expiration du délai de deux ans. Il appartient dès lors au juge de statuer sur ce point, selon les règles qu'il établirait s'il avait à faire acte de législateur.
La reprise de dette se fait en général par contrat entre le reprenant et le créancier (
art 176 al. 1 CO
). La substitution de débiteurs peut en effet affecter considérablement la valeur de la créance et suppose donc l'accord de l'ayant droit. L'
art. 181 CO
a pour but de faciliter les transferts d'entreprises et de clarifier les effets qu'ils déploient, en simplifiant notamment les conditions de la reprise des dettes. Cette disposition n'a pas pour objet d'imposer au créancier, contre son gré, une substitution de débiteurs qui peut lui être gravement préjudiciable. Le créancier doit dès lors pouvoir conserver ses droits contre son ancien débiteur en lui signifiant, d'une manière qualifiée, qu'il s'oppose à l'effet libératoire de la reprise. Les démarches qu'il doit entreprendre à cet effet sont celles qui tendent à obtenir l'aide de la puissance publique pour la sauvegarde ou le recouvrement de sa créance. Elles peuvent consister en une action en justice, mais aussi en une exception soulevée devant un tribunal ou des arbitres, en une citation en conciliation, ou dans l'ouverture d'une poursuite ou l'intervention dans une faillite. Il n'y a aucun motif d'interdire au créancier le recours direct aux voies d'exécution, puisque le droit suisse admet d'une manière générale l'ouverture et, à certaines conditions, la continuation d'une poursuite pour des créances qui ne sont pas constatées dans des titres exécutoires. Cela contraindrait souvent le créancier qui entend se prémunir contre la perte de ses droits à lier une instance pour faire constater judiciairement une obligation dont ni le principe, ni le montant, ni l'exigibilité ne sont contestés. En faisant notifier donc un commandement de payer avant l'expiration du délai de deux ans, le demandeur a conservé sa créance et échappé aux effets de la déchéance prévue à l'
art. 181 al. 2 CO
.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme le jugement attaqué. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
495b7ab4-d2d6-4a3d-9e7e-5378a3d55b33 | Urteilskopf
109 II 231
52. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 31 mai 1983 dans la cause Bocherens contre International Transport Les J 3 (recours en réforme) | Regeste
Art. 440 Abs. 2, 404 OR
; Widerruf des Frachtvertrages.
Der Frachtführer hat Anspruch auf einen Frachtlohn für die Leistungen, die er bis zum Widerruf des Vertrages erbracht hat.
Widerruf zur Unzeit durch den Frachtführer: Frachtlohn für den nicht zu Ende geführten Transport; Schädigung der Gegenpartei? Beweislast. | Sachverhalt
ab Seite 232
BGE 109 II 231 S. 232
En sa qualité d'entreprise de transport, la société International Transports Les J 3 a sous-traité différents transports à Philippe Bocherens. Les parties étant entrées en procès, Bocherens, défendeur, a réclamé à International Transports Les J 3, demanderesse, le paiement de 22'000 francs français représentant le coût d'un transport interrompu, effectué de Medina del Campo (Espagne) à Genève, alors qu'il était destiné au Qatar.
Par jugement du 22 novembre 1982, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté cette prétention du fait que le défendeur avait interrompu le transport sans motif valable.
Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours en réforme du défendeur contre ce jugement.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
a) Le défendeur ne conteste pas avoir interrompu sans motif valable, à Genève, le transport qu'il devait effectuer d'Espagne au Qatar. Il prétend cependant qu'ayant déjà effectué une partie du transport, soit de Medina del Campo à Genève, il aurait droit à une rémunération partielle, estimée par l'expert à 4'590 francs. Compte tenu du montant déjà reconnu de 2'600 francs, sa créance globale devrait s'élever à 7'190 francs.
b) La cour cantonale constate à ce sujet que le trajet entre l'Espagne et le Qatar peut emprunter la direction de Genève et que l'expert a estimé à 4'590 francs suisses le coût du transport jusqu'à cette ville. Elle considère cependant qu'on ne voit pas sur quelle base le défendeur aurait droit au paiement d'une partie du transport, et qu'en l'absence de toute allégation sur l'utilité du transport
BGE 109 II 231 S. 233
partiel, le défendeur n'a droit à aucune indemnité de ce chef; quant au dommage de 30'000 francs français allégué par la demanderesse du fait de la résiliation injustifiée du contrat par le défendeur, la preuve n'en a pas été rapportée.
c) Le juge cantonal tout comme le Tribunal fédéral appliquent d'office le droit suisse (
ATF 107 II 122
s., 418 en haut et les arrêts cités).
aa) L'
art. 440 al. 2 CO
déclarant les règles du mandat applicables au contrat de transport, ce contrat est en principe révocable en tout temps (
art. 404 CO
;
ATF 55 II 183
; OSER/SCHÖNENBERGER, n. 24 ad art. 440; GAUTSCHI, n. 10d ad art. 440). Pour l'activité déployée jusqu'à la révocation du contrat, le transporteur, comme le mandataire dans le mandat à titre onéreux, peut prétendre un salaire correspondant à cette activité, le salaire étant un élément inhérent au contrat de transport (
art. 440 al. 1 CO
; cf. OSER/SCHÖNENBERGER, n. 24 ad art. 440 et n. 5 ad art. 404; GAUTSCHI, n. 10c et d ad art. 440). Cependant, en cas de révocation en temps inopportun, l'auteur de la révocation doit indemniser l'autre partie du dommage qu'il lui cause (
art. 404 al. 2 CO
).
Selon l'
art. 8 CC
, il appartient au transporteur qui a révoqué le contrat d'établir les éléments de sa prétention en paiement d'un salaire, alors qu'il appartient le cas échéant à son cocontractant d'établir le dommage que lui a causé une résiliation en temps inopportun.
bb) En l'espèce, par son attitude, le défendeur a exprimé la volonté de révoquer le contrat de transport. Il peut donc prétendre en principe un salaire pour le transport effectué d'Espagne à Genève. La cour cantonale admet que le trajet par Genève était une des voies possibles pour joindre l'Espagne au Qatar et, implicitement, qu'il n'en est pas résulté un supplément injustifié de dépense; le transporteur a donc droit au coût du transport jusqu'à Genève, estimé à 4'590 francs.
Mais la révocation du contrat de transport a eu lieu en temps inopportun ou, à tout le moins, pour une cause dont le défendeur doit seul répondre (cf.
ATF 55 II 183
). En effet, selon le jugement attaqué, le défendeur ne pouvait faire valoir aucun motif valable et il n'a interrompu le transport que pour exercer une pression injustifiée sur la demanderesse, en vue de l'amener à lui concéder un avantage. Il ne pouvait lui échapper que ce comportement était propre à nuire à la société demanderesse. Il appartient cependant à celle-ci de fournir la preuve du dommage qui en résulte.
BGE 109 II 231 S. 234
La cour cantonale se borne à affirmer à cet égard qu'"en l'absence de toute allégation sur l'utilité du transport partiel, le défendeur n'a droit à aucune indemnité". Si elle entendait dire par là que le défendeur aurait dû alléguer et prouver que, pour la demanderesse, après déduction du dommage causé par la résiliation intempestive, la valeur du transport partiel apportait malgré tout un avantage, elle aurait violé les principes régissant la répartition du fardeau de la preuve. Si, au contraire, la cour cantonale a voulu dire que, pour obtenir gain de cause, le défendeur aurait dû formuler un allégué selon lequel "le transport partiel d'Espagne à Genève était utile à la demanderesse", cette considération serait erronée. En effet, le droit fédéral détermine seul quels sont les allégués pertinents et si la formulation de l'allégué est suffisante (
ATF 105 II 144
s.,
ATF 98 II 117
). Or l'allégué en cause serait dénué de pertinence, car le salaire du voiturier a pour contre-prestation la fourniture d'un transport et non pas d'un avantage (
art. 440 al. 1 CO
) et, en l'occurrence, cette prestation a été fournie en partie. Au demeurant, l'exigence serait excessive, car l'
art. 8 CC
ne permet pas d'exiger l'allégation et la preuve d'un fait évident, relevant des connaissances générales et de l'expérience de la vie humaine (KUMMER, n. 44 ss, 98, 143 ad
art. 8 CC
); or il est évident que, par rapport à un transport prévu d'Espagne jusqu'au Qatar, le transport partiel effectué d'Espagne à Genève représente une part non négligeable du transport convenu.
Comme la cour cantonale constate que la valeur du transport partiel s'élève à 4'590 francs et que la demanderesse n'a pas prouvé l'existence d'un dommage consécutif à la révocation intempestive du contrat - hormis un montant de 2'756 francs 36 français pour frais de déchargement dont le défendeur a déjà été débité -, une somme supplémentaire de 4'590 francs doit être allouée au défendeur. | public_law | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4963658e-8925-4fe2-8936-eb146366b9bd | Urteilskopf
112 II 300
50. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. September 1986 i.S. S. gegen W. und Mitbeteiligte (Berufung) | Regeste
Anteil der Miterben am Gewinn (
Art. 619 ZGB
).
Über den Anteil am Gewinn im Sinne von
Art. 619 ZGB
kann der gewinnberechtigte Miterbe innerhalb der allgemeinen erbrechtlichen Schranken der Verfügungsfreiheit letztwillig verfügen. Insbesondere kann der Gewinnanteil durch Erbeinsetzung auch auf familienfremde Dritte übertragen werden (E. 3).
Vererblich ist auch die Anwartschaft auf den gesetzlichen Gewinnanteil nach
Art. 619 ZGB
und nicht nur der bereits realisierte Gewinn (E. 4). | Erwägungen
ab Seite 300
BGE 112 II 300 S. 300
Aus den Erwägungen:
3.
Die Beklagten sehen
Art. 619 ZGB
dadurch verletzt, dass die Vorinstanz annahm, der persönliche Anspruch der A. W. von 3/28 am Gewinn, der aus den vom verstorbenen M. W. in den Jahren 1969 und 1977 getätigten Grundstückgeschäften möglicherweise resultierte, sei auf den Kläger S. als Universalerbe der A. W. übergegangen. Sie teilen die Auffassung des Amtsgerichts,
BGE 112 II 300 S. 301
dass der Kreis der möglichen Ansprecher unter Ausschluss familienfremder Dritter auf die Miterben des Übernehmers und deren Nachkommen beschränkt sei.
a) Unbestrittenermassen geht es bei diesem Anspruch um den Anteil am Gewinn im Sinne von
Art. 619 ZGB
- um eine Forderung also, die A. W. zu Lebzeiten erworben hatte, sofern aus den Tauschgeschäften des M. W. überhaupt ein Gewinn entstanden war. Letzteres sowie die Frage der Gültigkeit des Testaments der A. W. wird das Amtsgericht aufgrund des Rückweisungsentscheides zu prüfen haben, wenn der Übertragung einer solchen Forderung keine gesetzlichen Schranken entgegenstehen.
Noch zu Lebzeiten erworbene Forderungen gehören zum Vermögen des Berechtigten (
BGE 105 II 175
E. 2b e contrario) und können demzufolge durch letztwillige Verfügungen in den gesetzlichen Schranken und Formen übertragen werden (
Art. 467 und 481 ZGB
). Die Verfügungsmacht des Erblassers ist durch eine Reihe von Bestimmungen des Erbrechts, des übrigen Privatrechts und des öffentlichen Rechts, aber auch durch bereits bestehende erbvertragliche Bindungen beschränkt (vgl. die Beispiele bei Kommentar TUOR, N. 11 zu
Art. 467 ZGB
). Der gesamten Rechtsordnung lässt sich indessen keine Bestimmung entnehmen, die eine testamentarische Übertragung einer solchen Forderung auf einen ausserhalb der Familie stehenden Dritten ausdrücklich verbieten würde. Nach der Auffassung der Beklagten soll sich der Ausschluss von Dritten von der Gewinnbeteiligung nach bäuerlichem Erbrecht durch Auslegung von
Art. 619 ZGB
ergeben, weil das Sonderrecht den Bestimmungen des allgemeinen Erbrechts derogiere.
b) Das bäuerliche Erbrecht ist insofern ein Sonderrecht, als es aus zwingenden agrarpolitischen Gründen, die hier nicht im einzelnen zu erörtern sind (vgl.
BGE 110 II 331
E. 3c,
BGE 97 II 313
E. 3b), vom allgemeinen Erbrecht abweicht und um dieser Ziele willen die ungeteilte Zuweisung statuiert (
Art. 620 Abs. 1 ZGB
) und damit notwendigerweise den Grundsatz der Gleichberechtigung gleichrangiger Erben bei der Teilung (Art. 607 Abs. 1 und 610 Abs. 1 ZGB) preisgibt. Die mit der Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes zum Ertragswert verbundene Privilegierung des Übernehmers und Hintansetzung seiner Miterben hat so lange ihre Berechtigung, als der Übernehmer das Gewerbe landwirtschaftlich nutzt, ohne daraus einen nicht aus der Landwirtschaft resultierenden Gewinn zu ziehen. Die Rechtfertigung für die Hintansetzung der Miterben entfällt, wenn der Übernehmer die in der Differenz
BGE 112 II 300 S. 302
zwischen dem Ertragswert und dem Realisierungswert des Grundstücks liegende Gewinnmöglichkeit wahrnimmt, indem er durch dessen Veräusserung oder auf andere Weise als durch landwirtschaftliche Nutzung daraus einen geldwerten Vorteil erzielt. Solchen nicht aus der Landwirtschaft erschaffenen Gewinn muss der Übernehmer nach Massgabe von
Art. 619 ZGB
mit seinen Miterben teilen, sofern der Gewinn innerhalb 25 Jahren seit der Zuteilung des landwirtschaftlichen Grundstücks angefallen ist. Dadurch soll der den Miterben bei der Erbteilung entstandene Nachteil im Rahmen der weiteren gesetzlichen Vorschriften (
Art. 619bis ff. ZGB
) ausgeglichen werden.
Diese nachträgliche Korrektur bezweckt somit die Wiederherstellung der Gleichberechtigung unter sämtlichen Erben gleichen Ranges. Dabei beschränkt sich das Gesetz nicht auf eine blosse Verteilung des errechneten Gewinnes (
Art. 619bis Abs. 1 ZGB
), sondern nimmt eine neue und verfeinerte Interessenabwägung vor, die einerseits dem Zeitablauf Rechnung trägt (
Art. 619bis Abs. 2 ZGB
) und anderseits berechtigte Anliegen des Übernehmers, die mit der agrarpolitischen Zielsetzung im Einklang stehen, berücksichtigt (
Art. 619ter und 619quater ZGB
). Das mag im einzelnen Fall zu einer Fortdauer der Privilegierung des Übernehmers führen, weil er unter bestimmten Voraussetzungen - Erwerb eines Ersatzgrundstückes bzw. Ausbesserung von Gebäuden - einen kleineren oder grösseren Teil des erzielten Gewinnes nicht mit den Miterben zu teilen braucht. Doch lassen diese besonderen Fälle nicht den Schluss zu, der Gesetzgeber habe ganz allgemein eine weitere Privilegierung des Übernehmers beabsichtigt. In Abs. 2 sowohl von Art. 619ter als auch von
Art. 619quater ZGB
greift denn auch eine Korrektur wiederum zugunsten der nicht übernehmenden Miterben Platz. Durch
Art. 619bis Abs. 2 ZGB
schliesslich, wonach für jedes Jahr, während dessen das Grundstück im Eigentum des Übernehmers stand, zwei Hundertstel des Gewinnes von der Anteilsberechtigung der Miterben abzuziehen sind, wird der Geldentwertung Rechnung getragen und der Übernehmer vor übersetzten Gewinnansprüchen der Miterben geschützt. Das gesetzliche Gewinnbeteiligungsrecht führt also eine Gewinnverteilung unter grundsätzlich gleichberechtigten Erben im Rahmen der agrarpolitischen Zielsetzung herbei. Insofern folgt das bäuerliche Erbrecht denselben Grundsätzen wie das allgemeine Erbrecht. Zutreffend hat deshalb das Obergericht festgestellt, wenn mit einem gewinnbringenden Rechtsgeschäft auch im weiteren Sinne kein
BGE 112 II 300 S. 303
dem landwirtschaftlichen Betrieb dienender Zweck verfolgt werde, habe die vermögensrechtliche Bevorzugung des Übernehmers zu weichen und müsse der das materielle Erbrecht beherrschende Grundsatz der Gleichstellung aller Erben zum Durchbruch kommen. Was die Beklagten hiegegen vorbringen, hält nicht Stich.
Mit den Bestimmungen zum bäuerlichen Erbrecht, vorab mit
Art. 620 ZGB
, hat der Gesetzgeber die Grundsätze des allgemeinen Erbrechts verlassen.
Art. 619 ZGB
demgegenüber führt vom Sonderrecht zurück zum allgemeinen Erbrecht, indem er die nicht übernehmenden Erben wieder in den Stand einsetzt, den sie gehabt hätten, wenn nicht die ungeteilte Zuweisung nach bäuerlichem Erbrecht stattgefunden hätte, sondern es zur Realteilung oder Verwertung des Erbes gekommen wäre. Die Miterben gewinnen nun aber ihre im allgemeinen Erbrecht begründete Gleichberechtigung erst wieder zurück, wenn sie über den ihnen nach
Art. 619 ZGB
zustehenden Gewinnanteil so verfügen können, wie wenn das bäuerliche Erbrecht gar nicht zum Zuge gekommen wäre. Das kann im Ergebnis nichts anderes bedeuten, als dass die Miterben über den Gewinnanteil frei müssen verfügen können. Durch das bäuerliche Erbrecht werden demnach nur der grundsätzliche Anspruch auf den Anteil am Gewinn, der durch die Veräusserung eines ungeteilt zugewiesenen landwirtschaftlichen Gewerbes erzielt worden ist, und die Berechnung dieses Gewinnanteils geregelt; inwiefern der am Gewinn berechtigte Miterbe darüber verfügen kann, bestimmt sich alsdann nach der übrigen Privatrechtsordnung.
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Gesetz keineswegs lückenhaft. Bäuerliches und allgemeines Erbrecht greifen lückenlos ineinander über, und dem Gesetz lässt sich der wahre Sinn entnehmen, ohne dass es unter Beiziehung anderer, nicht erbrechtlicher Rechtsquellen des Landwirtschaftsrechts (EGG) ausgelegt zu werden braucht.
Fehl geht auch die Meinung der Beklagten, das bäuerliche Erbrecht bezwecke vornehmlich den Schutz familiärer Bindungen. Gewiss liegt die Korrektur der Folgen der ungeteilten Zuweisung durch das Gewinnanteilsrecht nicht nur im persönlichen Interesse der Miterben, sondern auch in dem der gesamten Familie; denn es mag mitunter viel Hader ausgeräumt werden, wenn die benachteiligten Miterben nach Jahren, wenn der Grund zur Privilegierung des Übernehmers weggefallen ist, ihren Gewinnanteil ausbezahlt bekommen. Auch ist die Überlegung durchaus richtig, dass eine solche Konsolidierung der familiären Beziehungen gefährdet
BGE 112 II 300 S. 304
werden mag, wenn ein ausserhalb der Familie stehender Ansprecher hinzutritt. Indessen lässt sich daraus kein genügender Grund dafür ableiten, um dem zur Familie gehörenden Miterben das Recht zu versagen, seinen Gewinnanteil an einen Dritten zu übertragen. Dieser Miterbe mag aus durchaus achtenswerten Gründen - so gerade zur Wahrung des Familienfriedens - davon absehen wollen, selber sein Gewinnanteilsrecht gegenüber dem Übernehmer oder dessen Rechtsnachfolgern durchzusetzen; doch hat er sich damit nicht des Rechts begeben, seinen Anspruch zu veräussern. Hätte der Gesetzgeber eine Verfügungsbeschränkung im Sinne des Standpunktes der Beklagten gewollt, so hätte er sie im Gesetz ausdrücklich verankert. Indessen ergeben sich - soweit aus den Materialien ersichtlich - keinerlei Hinweise dafür, dass eine solche Schranke der Verfügungsmacht auch nur ins Auge gefasst worden wäre.
d) Daraus folgt, dass A. W. innerhalb der Schranken der
Art. 467 und 481 ZGB
durch letztwillige Verfügung frei über den ihr aufgrund von
Art. 619 ZGB
zugefallenen Gewinnanteil verfügen und somit an den Kläger als von ihr eingesetzten Erben übertragen konnte. Die Berufung der Beklagten erweist sich demnach als unbegründet.
4.
Der Kläger forderte vor den kantonalen Gerichten eine Gewinnbeteiligung von 3/28, die auf den Anteil zurückgeht, den das Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 24. März 1965 V. W. persönlich zuerkannt hatte, den sie durch Erbeinsetzung auf ihre Schwester A. W. übertragen habe und der schliesslich durch deren letztwillige Verfügung auf den Kläger übergegangen sei. Die beiden kantonalen Instanzen haben entschieden, das Gewinnbeteiligungsrecht der V. W. sei mit ihrem Tod untergegangen, weil nicht realisierte Ansprüche auf Gewinnbeteiligung als blosse Anwartschaften weder vererbbar noch sonstwie frei übertragbar seien. Dem Kläger könne daher keine Forderung zustehen, die auf den Gewinnanteil der V. W. zurückgehe. Gegen diese Auffassung richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher der Vorinstanz eine Verletzung von
Art. 619 ZGB
vorgeworfen wird, weil sie die Vererblichkeit des Anspruchs auf Gewinnbeteiligung verneine und damit dem Kläger dessen Geltendmachung verwehre.
a) Die kantonalen Gerichte stützen ihre Auffassung, dass der Anspruch auf Gewinnbeteiligung erst vererbt und übertragen werden könne, nachdem der Gewinn durch den Übernehmer erzielt worden ist und damit der Anspruch der Miterben die Gestalt einer
BGE 112 II 300 S. 305
konkreten Forderung angenommen hat, auf
BGE 105 II 172
ff., dem sie eine entscheidende präjudizielle Bedeutung zumessen. In jenem Fall war - vertraglich - ein Gewinnbeteiligungsrecht in der Weise vereinbart worden, dass die Käuferin zweier nicht landwirtschaftlicher Grundstücke dem Verkäufer (ihrem Vater) und nach dessen Ableben ihren drei Geschwistern bei teilweiser oder gesamthafter Weiterveräusserung der Kaufobjekte eine Gewinnbeteiligung zusicherte. Die aufgrund jenes Vertrages gezogene Schlussfolgerung des Bundesgerichts, der Anspruch auf Gewinnbeteiligung entstehe nur und erst, wenn der Gewinn realisiert sei (und werde erst damit vererbbar), kann nun aber nicht in so allgemeiner Weise gelten, dass sie ohne weiteres auch für das - gesetzliche - Gewinnanteilsrecht nach
Art. 619 ZGB
wegleitend wäre. Vielmehr ruft die Frage einer besonderen Prüfung.
b) Die Erben - gesetzliche wie eingesetzte - erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tod des Erblassers kraft Gesetzes. Unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben (
Art. 560 Abs. 1 und 2 ZGB
).
Gegenstand der Erbfolge ist der Nachlass als der Inbegriff der nicht an die Person des Erblassers gebundenen Rechtsverhältnisse (Kommentar ESCHER, N. 5 zur Einleitung). Die Aufzählung der Aktivbestandteile im Gesetz (
Art. 560 Abs. 2 ZGB
) ist unvollständig (Kommentar TUOR/PICENONI, N. 4 zu
Art. 560 ZGB
). Als grundsätzlich vererblich werden deshalb in der Literatur ausser den Rechtsverhältnissen des Obligationenrechts die Immaterialgüterrechte, gewisse vermögens- und nichtvermögensrechtliche Verhältnisse aus Familien- und Erbrecht, ferner Anwartschaften, Wahlrechte und sog. Rechtslagen bezeichnet (Kommentar ESCHER, N. 5b zur Einleitung; Kommentar TUOR/PICENONI, N. 4 zu
Art. 560 ZGB
). Insbesondere bilden auch bedingte und befristete Ansprüche aktiv und passiv Gegenstand des Nachlasses (Kommentar ESCHER, N. 5b zur Einleitung; Kommentar TUOR/PICENONI, N. 3 zu
Art. 560 ZGB
).
Dass das Gewinnanteilsrecht gemäss
Art. 619 ZGB
vermögensrechtlicher Natur ist, steht ausser Frage. Es handelt sich um eine Forderung, die insofern suspensiv bedingt ist, als sie erst mit der Veräusserung oder Enteignung des nach bäuerlichem Erbrecht übernommenen Grundstücks entsteht, und die insofern auch
BGE 112 II 300 S. 306
resolutiv bedingt ist, als der Anspruch nach 25 Jahren von Gesetzes wegen dahinfällt. Weshalb dieser bedingte, von Gesetzes wegen bestehende Anspruch nicht vererbbar sein sollte, ist nicht einzusehen. ESCHER (Ergänzungslieferung zum landwirtschaftlichen Erbrecht, N. 12 zu
Art. 619 ZGB
) nimmt denn auch die Vererblichkeit des auf
Art. 619 ZGB
gestützten Gewinnanspruchs in der Weise an, dass an die Stelle der inzwischen verstorbenen Erben ihre Erben zu jenem Anteil treten, der ihnen zugefallen wäre, wenn ihr Vorgänger schon im Zeitpunkt des Erbfalles vorverstorben gewesen wäre. Ebenso bejahen die anderen, vom Kläger angerufenen Autoren (LIVER, Zum Gewinnanteilsrecht der Miterben, ZBGR 54/1973, S. 5 f.; PIOTET, L'annotation au registre foncier d'une créance pécuniaire et la nature des restrictions au droit d'aliéner, ZBGR 61/1980, S. 273 f.; HANS PETER BECK, Das gesetzliche Gewinnanteilsrecht der Miterben, Zürcher Diss. 1967, S. 34; PIERRE GASSER, Le droit des cohéritiers à une part de gain, Diss. Lausanne 1967, S. 80 f.) ausdrücklich oder sinngemäss die Vererblichkeit des Gewinnanteilsrechts. Keiner dieser Autoren vertritt auch nur andeutungsweise die Auffassung, die Vererblichkeit sei auf die bereits entstandenen Forderungen beschränkt.
c) Zu demselben Ergebnis gelangt man im Zusammenhang mit dem vergleichbaren Gewinnanteilsrecht des
Art. 218quinquies OR
(sog. Kindskauf). Bei dieser 1973 in Kraft getretenen Bestimmung geht es darum, dem Vater, der bei Lebzeiten ein landwirtschaftliches Grundstück unter dem Verkehrswert an einen Nachkommen veräussert hat, den Gewinn in dem Fall zukommen zu lassen, wo der Nachkomme die Liegenschaft weiterveräussert oder wo sie enteignet wird (BBl 1970 I, S. 821 f.). Gegenüber der zunächst vorgeschlagenen Regelung, wonach der Gewinn den Erben zustehen sollte, wenn der Vater auf seinen Anspruch verzichte, ihn binnen Jahresfrist nicht geltend mache oder sterbe, erhoben sich Bedenken. Sie wurde daher in der Ergänzungsbotschaft (BBl 1971, S. 755 f.) als unnötig bezeichnet mit der Begründung, aus den allgemeinen Grundsätzen des Erbrechts gehe schon hervor, dass im Falle des Todes der Gewinn auf die Erben übergehe; der Fall des Verzichts auf den Gewinnanspruch anderseits sei sehr fragwürdig.
Aus dem Zusammenhang und dem Hinweis auf
Art. 560 Abs. 2 ZGB
in der Ergänzungsbotschaft erhellt, dass keinesfalls die Meinung bestand, nur der bereits erzielte Gewinn sei vererblich. Mit der Gesetzesrevision sollte nämlich der Veräusserer, der bis dahin
BGE 112 II 300 S. 307
keinen Gewinnanspruch hatte, bessergestellt und sollten nicht etwa seine Erben benachteiligt werden. Genau diese Folge aber würde eintreten, wenn mangels Vererblichkeit der Anwartschaft auf den Gewinn nur der bereits erzielte, jedoch vom Veräusserer zu Lebzeiten noch nicht geforderte Gewinn in seinen Nachlass fiele. Bei allen gewinnbringenden Grundstückgeschäften, die erst nach dem Tod des Vaters getätigt werden, würden dessen übrige Erben leer ausgehen. Das war nicht das mit der Gesetzesrevision angestrebte Ziel; vielmehr sollten die bisherigen Rechte der Erben gewahrt bleiben. Wenn dies in der geltenden Fassung von
Art. 218quinquies OR
nicht ausdrücklich festgehalten wurde, so deshalb, weil von der Vererblichkeit des Gewinnanspruchs ausgegangen wurde - und zwar unbesehen darum, ob es sich um einen zu Lebzeiten des Verkäufers erzielten Gewinn oder nur um eine Anwartschaft darauf handelt. Verzichtet der Verkäufer auf den ihm zustehenden Gewinn, kommen im Erbfall die Bestimmungen über die Herabsetzung und die Ausgleichungspflicht der Erben (Art. 527 bzw. 626 ff. ZGB) zum Zug, wodurch von Miterben allenfalls erlittene Benachteiligungen beseitigt werden.
Die Lehre geht einhellig von der Vererblichkeit des Gewinnanspruchs gemäss
Art. 218quinquies OR
im dargelegten Sinn aus (ESCHER, Ergänzungslieferung zum landwirtschaftlichen Erbrecht, N. 7 der Einleitung zum Gewinnanteilsrecht der Miterben, S. 14 f.; PIOTET, Schweizerisches Privatrecht IV/2, S. 982; REINHOLD HOTZ, Bäuerliches Grundeigentum, ZSR 98/1979 II, S. 170 f.), und auch zu dieser Bestimmung wurde - soweit ersichtlich - nie die Auffassung geäussert, nur der bereits erzielte Gewinn sei auf die Erben übertragbar.
d) Ist die Anwartschaft auf den Gewinnanteil gemäss
Art. 619 ZGB
vererblich und steht damit fest, dass der Anteil der V. W. gemäss
Art. 560 Abs. 2 ZGB
auf ihre als Alleinerbin eingesetzte Schwester A. W. und von dieser auf den Kläger als deren Universalerbe übergehen konnte, so ist die Berufung begründet. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern ist somit insofern aufzuheben, als entschieden wurde, der Anspruch auf Gewinnbeteiligung von 3/28 der V. W. sei mit deren Tod untergegangen und habe nicht auf ihre Schwester A. W. und von dieser auf den Kläger vererbt werden können. Die kantonalen Instanzen werden zu prüfen haben, ob der Anspruch in den Schranken der Verfügungsfreiheit der Erblasserinnen und nach Massgabe der gesetzlichen Formvorschriften tatsächlich vererbt wurde. | public_law | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4967da6d-cfba-476c-a541-b942100511e1 | Urteilskopf
113 IV 68
21. Urteil des Kassationshofes vom 29. Juli 1987 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
1.
Art. 254 StGB
; Unterdrückung von Urkunden.
Wer es pflichtwidrig unterlässt, eine Urkunde unverzüglich an die betriebsintern vorgesehene Stelle weiterzuleiten, begeht noch keine Urkundenunterdrückung (Erw. I/2b).
2.
Art. 140 und 25 StGB
; Gehilfenschaft zu Veruntreuung durch Unterlassen.
a) Aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht gemäss
Art. 321a Abs. 1 OR
allein lässt sich eine Garantenpflicht des Arbeitnehmers noch nicht herleiten (Erw. II/6a).
b) Wer in seiner Arbeitgeberfirma eine verantwortliche Position innehat, besitzt nur in seinem Zuständigkeitsbereich eine Garantenstellung für das Vermögen seiner Arbeitgeberfirma und muss deshalb nur in diesem Bereich gegen Machenschaften von ihm Unterstellten, die sich gegen dieses Vermögen richten, einschreiten (Erw. II/7). | Sachverhalt
ab Seite 68
BGE 113 IV 68 S. 68
A.-
A. trat am 15. Februar 1977 bei der Z. Finanz AG/Zürich als Leiter der Börsenabteilung und Stellvertreter des Devisenhändlers ein, wo er per 1. Januar 1978 zum Handlungsbevollmächtigten, per 1. Januar 1981 zum Prokuristen und per 1. Januar 1983 zum Vizedirektor avancierte. In seiner Stellung war er mit dem
BGE 113 IV 68 S. 69
Börsenhandel, der Aufnahme und Plazierung von Termingeldern, der Abwicklung von Treuhandgeschäften, der Festsetzung des Zinssatzes, der Auswahl der Vertragsbanken, dem Handel in Devisen und Edelmetallen sowie der Betreuung gewisser Privatkunden betraut.
Am 1. April 1978 trat X. bei der gleichen Firma als Devisenhändler ein, wo er nach entsprechender Beförderung vom 1. Juli 1979 bis 31. Dezember 1980 als Handlungsbevollmächtigter tätig war. In dieser Stellung war er mit der Aufnahme und Plazierung von Termingeldern, der Abwicklung von Treuhandgeschäften, der Festsetzung der Zinssätze, der Auswahl der Vertragsbanken, dem Handel in Devisen und Edelmetallen sowie der Positionskontrolle betraut. Überdies versah er im Börsenbereich die Stellvertretung von A.
Ab Ende 1978 tätigten A. und X. private Spekulationsgeschäfte über ein Brokerhaus in Genf. Mangels genügender Eigenmittel überwälzten sie dabei von einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt an das Margenrisiko vollumfänglich auf ihre Arbeitgeberin. Aufgrund dieser Geschäfte, deren Positionen im Juli 1979 liquidiert werden mussten, erlitten X. und A. Verluste in Höhe von rund Fr. 35'000.-- bzw. Fr. 117'000.--. In der Absicht, diese auszugleichen, nahm A. zwecks Finanzierung neuer Spekulationen namens und auf Rechnung der Z. Finanz AG bei Drittbanken Festgelder auf, die er auf Konti der von ihm beherrschten B. Stiftung mit Sitz in Vaduz oder auf speziell für diesen Zweck eröffnete, ihren Inhabern unbekannte "Kundenkonti" transferierte.
X. wird vorgeworfen, er habe, ohne seiner Arbeitgeberin pflichtgemäss Meldung zu erstatten, geduldet, dass A. unter Führung einer gesonderten Fälligkeitskontrolle im Jahre 1980 vier Festgeldaufnahmen über Beträge von insgesamt US$ 2,9 Mio. tätigte. Überdies wird ihm zur Last gelegt, eine Bestätigung der Bank C. SA Luxembourg, die eine dieser Festgeldaufnahmen betraf, bei sich zuhanden von A. während dessen Ferienabwesenheit verwahrt zu haben, statt sie pflicht- und ordnungsgemäss an die Buchhaltungsabteilung der Z. Finanz AG weiterzuleiten.
B.-
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte mit Urteil vom 22. Oktober 1986 A. wegen wiederholter und fortgesetzter Veruntreuung und weiterer Delikte zu 2 Jahren und 3 Monaten Gefängnis und X. wegen fortgesetzter Gehilfenschaft zur Veruntreuung im Deliktsbetrag von Fr. 4'550'500.-- sowie wegen Unterdrückung
BGE 113 IV 68 S. 70
von Urkunden zu 1 Jahr Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat am 18. Mai 1987 eine von X. gegen dieses Urteil eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen.
C.-
X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: I. Unterdrückung von Urkunden
1.
Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, im November 1980 während der Ferienabwesenheit von A. eine die Festgeldaufnahme über US$ 500'000.-- betreffende Bestätigung der Bank C. SA Luxembourg nicht pflicht- und ordnungsgemäss an die Buchhaltungsabteilung weitergeleitet und sich daher der Urkundenunterdrückung schuldig gemacht zu haben. Das Obergericht nimmt an, X. habe die Festgeldbestätigung bis zur Rückkehr des A. aus den Ferien, d.h. ungefähr zwei Wochen lang, aufbewahrt. Als Ferienstellvertreter habe er die Pflicht gehabt, die Festgeldbestätigung unverzüglich an die Buchhaltung weiterzuleiten. Dadurch, dass er dies nicht getan habe, habe er den Tatbestand der Urkundenunterdrückung erfüllt.
Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, indem X. die Bestätigung in die Pendenzenmappe von A. legte, habe er sie nicht an einem Ort verwahrt, wo sie dem Zugriff der Berechtigten nicht mehr zugänglich gewesen sei.
2.
a) Den objektiven Tatbestand von
Art. 254 StGB
erfüllt, wer eine Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet. Beiseitegeschafft ist eine Urkunde, wenn der Berechtigte ausserstande ist, sie als Beweismittel zu benützen, weil sie ihm unzugänglich gemacht wurde, oder wenn durch Verstecken oder ähnliche Vorkehren verhindert wird, dass die Schrift in ihrer Existenz und Beweiskraft zur Geltung kommt (
BGE 100 IV 26
). Unterdrückt ist eine Urkunde erst, wenn der Berechtigte ausserstande ist, von ihr als Beweismittel Gebrauch zu machen, sei es, dass die Schrift ganz oder teilweise zerstört, sei es, dass sie dem Berechtigten unzugänglich gemacht wurde (
BGE 90 IV 136
).
BGE 113 IV 68 S. 71
b) Aus den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil ergibt sich nicht, dass der Beschwerdeführer die in Frage stehende Festgeldbestätigung seiner Arbeitgeberin unzugänglich gemacht hätte. Zwar behaftete das Gericht ihn bei seiner Zugabe, wonach er "den Beleg möglicherweise in die Pendenzenmappe von A. gelegt habe", und hielt überdies fest, dass er die Urkunde "bis zur Rückkehr des A. aus den Ferien, d.h. also ungefähr zwei Wochen lang aufbewahrte". In der Folge prüfte es jedoch die Behauptung des Beschwerdeführers nicht, wonach er die Bestätigung nicht an einen Ort verbracht habe, "wo sie dem Zugriff des Berechtigten (d.h. der Geschäftsleitung seiner Arbeitgeberin) nicht mehr zugänglich gewesen sei". Dieses Vorbringen erachtete die Vorinstanz als unerheblich, da "X. als Ferienstellvertreter handelnd, die Pflicht ... gehabt hätte, die Festgeldbestätigung unverzüglich an die Buchhaltung weiterzuleiten". Mit dieser Sachverhaltsdarstellung und Beweiswürdigung lässt sich der Schuldspruch wegen Urkundenunterdrückung nicht aufrechterhalten. Dieses Delikt begeht noch nicht, wer es - wenn auch pflichtwidrig - unterlässt, einen Beleg unverzüglich an die betriebsintern zuständige Stelle weiterzuleiten. Die Erfüllung des Tatbestands setzt vielmehr, wie die in Erw. 2a zitierte Rechtsprechung zeigt, voraus, dass der Täter dem Berechtigten den Zugriff auf die Urkunde verunmöglicht oder zumindest in einem erheblichen Ausmass erschwert. Dass dies in casu der Fall gewesen wäre, stellt die Vorinstanz nirgends fest. Am Rande mag darauf hingewiesen werden, dass der Beschwerdeführer (wie schon vor dem Obergericht) auch heute geltend macht, die aufliegende Pendenzenmappe habe sich im Zugriffsbereich der Kontrollbehörden befunden. Die Verurteilung wegen Urkundenunterdrückung ist deshalb aufzuheben.
c) Es fragt sich allerdings, ob sich der Beschwerdeführer der Gehilfenschaft zu Urkundenunterdrückung schuldig gemacht hat. Eine solche könnte z.B. darin liegen, dass er die Bestätigung dem A. zugehalten hat im Wissen darum, dass dieser sie später beseitigen werde. Damit hätte der Beschwerdeführer die Haupttat erst ermöglicht, somit also gefördert. Wie gesagt, lässt sich dem angefochtenen Entscheid dazu allerdings nichts genaues entnehmen. Sollte nach kantonalem Prozessrecht eine entsprechende Ergänzung möglich sein, so hätte die Vorinstanz zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer eine von A. am Bestätigungsschreiben begangene Urkundenunterdrückung bewusst gefördert hat und deshalb wegen Gehilfenschaft zu diesem Delikt zu verurteilen ist.
BGE 113 IV 68 S. 72
3.
Die Vorinstanz hat weiter angenommen, im Verhalten des Beschwerdeführers liege eine Förderung der von A. begangenen Veruntreuung. Diesbezüglich kann zunächst auf das oben in Erw. 2b und c Gesagte verwiesen werden. Die Vorinstanz hat nur festgestellt, der Beschwerdeführer habe die Festgeldbestätigung pflichtwidrig nicht unverzüglich an die Buchhaltung weitergeleitet. Sie erklärt jedoch nicht, wie er dadurch bewirkt haben soll, "dass die Handlungsweise des A. weiterhin unentdeckt blieb". Bei der summarischen Begründung der Vorinstanz ist ein Kausalzusammenhang zwischen der Verhaltensweise des Beschwerdeführers und der Tatsache, dass die Machenschaften des A. verborgen blieben, nicht erkennbar, weshalb die Sache auch insoweit zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. II. Gehilfenschaft zur Veruntreuung durch Unterlassen
4.
Die Vorinstanz hat - das soeben erörterte Zurückhalten der Bestätigung ausgenommen - festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Veruntreuungen des A. nicht aktiv gefördert hat. Sie nimmt jedoch an, dass er als Garant verpflichtet gewesen wäre, gegen die Machenschaften des A. durch Anzeige bei ihrer Arbeitgeberin einzuschreiten. Indem er diese Pflicht verletzt habe, habe er sich der Gehilfenschaft zur Veruntreuung durch Unterlassen strafbar gemacht.
Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, die Vorinstanz habe zu Unrecht aus einer angeblichen zivilrechtlichen Pflicht auf eine Garantenstellung geschlossen. Eine solche dürfe nur angenommen werden, wenn dem Verpflichteten eine Autoritäts- oder Vertrauensstellung mit besonderer Kontrollpflicht zukomme. X. habe die Stellung eines einfachen Sachbearbeiters gehabt, weshalb eine Garantenpflicht zu verneinen sei.
5.
a) Ein unechtes Unterlassungsdelikt ist gegeben, wenn wenigstens die Herbeiführung des Erfolges durch Tun ausdrücklich mit Strafe bedroht wird, der Beschuldigte durch sein Tun den Erfolg tatsächlich hätte abwenden können und infolge seiner besonderen Rechtsstellung dazu auch so sehr verpflichtet war, dass die Unterlassung der Erfolgsherbeiführung durch aktives Handeln gleichwertig erscheint (
BGE 106 IV 277
f. mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 108 IV 5
E. 1b). Eine derartige Garantenstellung besteht insbesondere für den Täter, der kraft seiner besonderen Rechtsstellung das Gut vor der diesem drohenden Gefahr hätte schützen müssen. Mit
BGE 113 IV 68 S. 73
der zitierten Rechtsprechung wird deutlich gemacht, dass nicht jede Rechtspflicht für die Begründung einer Garantenpflicht genügt, sondern nur eine qualifizierte (dazu auch STRATENWERTH, Recht 1984, S. 93 ff.).
b) Nach allgemeiner Ansicht lassen sich zwei Grundtypen von Garantenstellungen unterscheiden, nämlich einmal Obhutspflichten, d.h. Garantenstellungen zur Verteidigung bestimmter Rechtsgüter gegenüber unbestimmt vielen Gefahren, und zum anderen Überwachungspflichten, d.h. Garantenstellungen zur Überwachung bestimmter Gefahrenquellen zum Schutze unbestimmt vieler Rechtsgüter (STRATENWERTH, Strafrecht AT I, S. 375 f.; NOLL/TRECHSEL, Schweiz. Strafrecht AT I, S. 206; SCHUBARTH, Kommentar 1. Band Systematische Einleitung N. 131). Vorliegend geht es darum, ob und inwieweit den Beschwerdeführer eine Obhutspflicht in bezug auf das Vermögen seiner Arbeitgeberin traf und welche konkreten Handlungspflichten sich gegebenenfalls daraus ergaben. Auch die Vorinstanz leitet aus der Stellung des Beschwerdeführers und seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen seine Pflicht her, für das Vermögen seiner Arbeitgeberin zu sorgen und deshalb gegen die Veruntreuungen des A. gegebenenfalls durch Anzeige bei der Direktion einzuschreiten. Sie nimmt also nicht eine Überwachungspflicht im Sinne der genannten Unterscheidung an, geht also nicht davon aus, der Beschwerdeführer sei verpflichtet gewesen, seinen Arbeitskollegen A. zu überwachen und aus diesem Grunde gegen dessen Veruntreuungen einzuschreiten.
6.
a) Genügt nur eine qualifizierte Rechtspflicht für die Begründung einer strafrechtlichen Garantenpflicht, dann kann eine solche aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht gemäss
Art. 321a Abs. 1 OR
allein nicht hergeleitet werden. Denn die Treuepflicht, die ihre Wurzel im in
Art. 2 ZGB
statuierten Grundsatz von Treu und Glauben hat, ist ein Sammelbegriff für verschiedene dem Arbeitnehmer obliegende Nebenpflichten, die gesetzlich nur teilweise konkretisiert sind (
Art. 321b und c OR
) und in der Regel ihrer Konkretisierung im Einzelfall bedürfen (STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 6 ff. zu
Art. 321a OR
; vgl. auch REHBINDER, Berner Kommentar, N. 2 ff. zu
Art. 321a OR
und THOMAS GEISER, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre Schranken, Bern 1983). Zu konkretisieren ist also zunächst der jeweilige Umfang der Treuepflicht, dann aber auch ihre Bedeutung und damit auch das Gewicht der einzelnen Pflicht. Nur wenn diese
BGE 113 IV 68 S. 74
Konkretisierung eine besondere Rechtsstellung des Arbeitnehmers zum Schutze des Vermögens des Arbeitgebers ergibt, kommt eine Garantenpflicht in Frage.
b) In der zivilrechtlichen Literatur wird angenommen, der Arbeitnehmer habe von einem anderen Mitarbeiter zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Verfehlungen dann anzuzeigen, wenn ihm dessen Beaufsichtigung obliegt oder wenn die Interessen des Arbeitgebers erheblich gefährdet oder verletzt werden (STAEHELIN, a.a.O., N. 13). Nach einer anderen Auffassung sollen Arbeitnehmer in untergeordneter Stellung Kollegen nur dann anzuzeigen haben, wenn der eingetretene oder drohende Schaden unverhältnismässig hoch ist, während leitende Angestellte stets zur Meldung des Betreffenden verpflichtet seien (REHBINDER, a.a.O., N. 9). An anderer Stelle wird betont, dass bei Vorgängen, die nur andere Arbeitnehmer betreffen, eine Informationspflicht nur bestehe, soweit die Überwachung zum Aufgabenbereich des Arbeitnehmers gehöre. Ohne spezielle Vereinbarung lasse sich aus der Treuepflicht über den konkreten Arbeitsbereich des Arbeitnehmers hinaus keine Pflicht zur Information des Arbeitgebers über betriebliche Vorgänge herleiten, welche den Arbeitnehmer nicht selbst betreffen (GEISER, a.a.O., S. 177 f.). In der Praxis hat das Gewerbegericht Zürich angenommen, eine fristlose Entlassung rechtfertige sich, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über Veruntreuungen eines Arbeitskollegen nicht orientiert und sich überdies aus dem veruntreuten Geld habe freihalten lassen (ZR 1968 Nr. 33 S. 133). Ob in den erörterten Konstellationen auch eine strafrechtliche Garantenstellung anzunehmen sei, wird nicht erörtert. Auch in der strafrechtlichen Literatur finden sich kaum konkrete Aussagen dazu.
c) Die von der Vorinstanz angenommene Förderung der Veruntreuung durch Unterlassen führt in die Nähe einer ungetreuen Geschäftsführung nach
Art. 159 StGB
(vgl. LUKAS SCHAUB, Die unrechtmässige Verwendung anvertrauten Gutes, Basel 1979, S. 139 ff.). Man wird sich ohnehin fragen müssen, ob die Strafbarkeit des Beschwerdeführers nicht eher unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen ist.
Zum (weitergehenden, dennoch insoweit vergleichbaren) Untreuetatbestand des deutschen Rechtes (
§ 266 StGB
) wird angenommen, das Arbeitsverhältnis als solches begründe keine Treuepflichten im Sinne jenes Tatbestandes (SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, StGB-Kommentar, 22. A. § 266 N. 26). Soweit eine
BGE 113 IV 68 S. 75
gesteigerte Treuepflicht im Sinne jenes Tatbestandes bejaht wird, werde sie verletzt, wenn Vermögenswerte nicht vor Schäden geschützt werden, und zwar auch dann, wenn der Schaden durch das Handeln anderer droht. Allerdings bestehe die Handlungspflicht nur innerhalb der sachlichen und zeitlichen Grenzen des jeweiligen Aufgabenbereichs (a.a.O., N. 35; vgl. auch HÜBNER, Leipziger Kommentar, 10. A. § 266 N. 81).
d) Ähnliche Überlegungen finden sich im Rahmen der Diskussion betreffend Straftaten in Unternehmen. Danach kann die Organisationsstruktur des Unternehmens zum Anknüpfungspunkt für eine Zurechnung von Verbandsdelikten genommen werden (BERND SCHÜNEMANN, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, Köln, etc. 1979, S. 107). Entsprechend gibt es sektorale Garantenstellungen (a.a.O., S. 96). Eine derartige Anknüpfung drängt sich auch auf, wenn es wie hier um Straftaten innerhalb des Unternehmens gegen dieses geht.
e) Hinzuweisen ist schliesslich darauf, dass gemäss
Art. 6 Abs. 2 VStrR
im Rahmen des Geltungsbereiches dieser Bestimmung nur die Pflicht besteht, Gesetzesverletzungen von Untergebenen, Beauftragten oder Vertretern abzuwenden, nicht aber solche von gleich- oder übergeordneten Personen. Auch wenn diese Bestimmung vorliegendenfalls nicht anwendbar ist, kann aus ihr hergeleitet werden, dass der Gesetzgeber prinzipiell eine Pflicht, gegen gleich- oder höhergestellte Mitarbeiter vorzugehen, verneint. Davon darf nur abgewichen werden, wenn sich aus anderen Gründen klar die Voraussetzungen einer Garantenstellung ergeben. Ein Indiz in gleicher Richtung bildet die Tatsache, dass das Schweizerische Recht keinen allgemeinen Tatbestand der unterlassenen Verbrechensanzeige kennt und die Einführung eines solchen Tatbestandes anlässlich der letzten Revision des StGB abgelehnt wurde (SCHULTZ, ZBJV 1979, 455).
7.
Im Lichte dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob und inwieweit der Beschwerdeführer eine Garantenstellung innehatte. Nach den Feststellungen der Vorinstanz umfasste sein Aufgabenbereich die Aufnahme und Plazierung von Termingeldern und das Abwickeln von Treuhandgeschäften, damit verbunden das Fixieren des Zinssatzes und die Auswahl der Banken, der Handel in Devisen und Edelmetallen sowie die Kontrolle der Positionen. Ferner oblag ihm auch die Stellvertretung des Mitangeklagten A., welcher hauptsächlich für den Börsenbereich und die Vermögensverwaltung zuständig war. Aufgrund des damals gültigen Organigrammes
BGE 113 IV 68 S. 76
waren A. und X. einander in der Hierarchie gleichgestellt und bekleideten beide die Position eines Handlungsbevollmächtigten, wenn auch A. in Anbetracht seiner längeren Erfahrung ein gewisses Übergewicht zugekommen sein dürfte. Die Festgeldaufnahmen fielen grundsätzlich in den Kompetenzbereich des Beschwerdeführers, wobei aber A. auch kraft seiner eigenen Stellung in diesen Aufgabenbereich eingreifen konnte.
Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in seiner Arbeitgeberfirma eine verantwortungsvolle Position innehatte, zu welcher jedenfalls der Bereich der Festgeldaufnahmen gehörte. Er hatte deshalb in diesem Bereich eine Garantenstellung für das Vermögen seiner Arbeitgeberfirma und hätte deshalb in diesem Bereich gegen Machenschaften von ihm Untergebenen, die sich gegen dieses Vermögen richteten, einschreiten müssen.
Umgekehrt ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, dass A. kraft seiner eigenen Stellung in den Bereich der Festgeldaufnahme eingreifen konnte. Das kann nichts anderes heissen, als dass der Kompetenzbereich des Beschwerdeführers beschränkt war, soweit A. in seinen Aufgabenbereich eingegriffen hat. Ist aber der Bereich einer Garantenstellung zu beschränken auf den Sektor der eigenen Zuständigkeit, dann ist sie vorliegendenfalls in bezug auf die von A. hinter dem Rücken der Arbeitgeberfirma vorgenommenen Festgeldaufnahmen und damit auch auf die von A. begangenen Veruntreuungen zu verneinen. Andernfalls würde die arbeitsrechtlich bestehende allgemeine Treuepflicht strafrechtlich überdehnt. Soweit also der Beschwerdeführer gegen die Tätigkeit des A. nicht eingeschritten ist, ohne ihn dabei aktiv zu fördern, ist er deshalb freizusprechen.
Wollte man anders entscheiden und wollte man insbesondere aus der allgemeinen arbeitsrechtlichen Treuepflicht stets auf eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Vermögensschädigungen schliessen, käme man zu einer uferlosen Strafbarkeit. Wer in einem Grossbetrieb etwa erfährt, dass in einer anderen Abteilung durch unsachgemässes Vorgehen Gegenstände zerstört werden, würde sich der Sachbeschädigung durch Unterlassung strafbar machen. Im übrigen zeigt auch das Zögern der Zivilrechtsliteratur, eine generelle Anzeigepflicht zu bejahen, dass nur mit grosser Zurückhaltung und nur in einem sehr engen Bereich eine Garantenpflicht angenommen werden darf. Abzustellen ist vielmehr auf die Kompetenzzuweisung. Eine Garantenstellung ist deshalb nur möglich im Bereiche der eigenen Kompetenz.
BGE 113 IV 68 S. 77
8.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Nichtigkeitsbeschwerde gutzuheissen ist. Die Vorinstanz wird die Strafbarkeit des Beschwerdeführers in bezug auf das Zurückhalten des Bestätigungsschreibens im Sinne der Erwägungen neu zu überprüfen, ihn im übrigen aber freizusprechen haben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. Oktober 1986, soweit es den X. betrifft, aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
496b79dc-74e9-4ee9-b9e9-5fdde693d768 | Urteilskopf
119 II 64
14. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. Februar 1993 i.S. X. gegen X. (Berufung) | Regeste
Ehescheidung; Gerichtsstand bei internationaler Verflechtung (
Art. 59 IPRG
).
Begriff des Wohnsitzes nach
Art. 59 lit. b IPRG
. | Erwägungen
ab Seite 64
BGE 119 II 64 S. 64
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beklagte hält die von der Klägerin angerufenen Gerichte nach wie vor für unzuständig.
a) Im Falle internationaler Verflechtung beurteilt sich die örtliche Zuständigkeit für die Ehescheidung nach
Art. 59 IPRG
. Der Entscheid der Vorinstanz beruht auf der Bestimmung von
Art. 59 lit. b IPRG
, wonach die schweizerischen Gerichte am Wohnsitz des Klägers zuständig sind, wenn dieser sich seit einem Jahr in der Schweiz aufhält oder wenn er Schweizer Bürger ist. Mit den angeführten Einschränkungen (Mindestdauer des Wohnsitzes in der Schweiz bzw. Schweizer Bürgerrecht) soll einer missbräuchlichen Verlegung des Wohnsitzes im Hinblick auf die Begründung eines Gerichtsstandes in der Schweiz begegnet werden (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 10. November 1982 zum IPRG, BBl 1983 I S. 357).
b) Strittig ist einzig, ob die Klägerin, die Schweizer Bürgerin ist, im Zeitpunkt der Klageerhebung ihren Wohnsitz in A., d.h. in der Schweiz, gehabt habe.
BGE 119 II 64 S. 65
aa) Im Sinne des IPRG hat eine natürliche Person ihren Wohnsitz in dem Staat, in dem sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (
Art. 20 Abs. 1 lit. a IPRG
). Wie die Vorinstanz zutreffend bemerkt, deckt sich dieser Begriff wörtlich mit der Umschreibung des Wohnsitzes in
Art. 23 ZGB
. Gemäss Art. 20 Abs. 2 letzter Satz IPRG sind die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über Wohnsitz und Aufenthalt freilich nicht anwendbar; unbeachtlich sind im Geltungsbereich des IPRG somit namentlich die
Art. 24 ff. ZGB
, die verschiedene Fälle fiktiven Wohnsitzes vorsehen. Im internationalen Privatrecht dient der Wohnsitz als Anknüpfungsbegriff zur Ermittlung der Rechtsordnung bzw. des Gerichtsortes, mit denen eine Person und deren Rechtsverhältnisse den engsten Zusammenhang haben (vgl. Sten. Bull. 1985 StR, S. 134; Sten.Bull. 1986 NR, S. 1295). Dieser Umstand schliesst nicht aus, dass bei der Auslegung von
Art. 20 Abs. 1 IPRG
auf die Praxis zu
Art. 23 ZGB
zurückgegriffen wird (vgl. Botschaft, BBl 1983 I S. 316 f.; KNOEPFLER/SCHWEIZER, Précis de droit international privé suisse, S. 147 Rz. 437 ff.). Auch der Beklagte selbst beruft sich übrigens auf Entscheide (
BGE 97 II 1
ff. und
BGE 115 II 120
ff.), die zu
Art. 23 ZGB
ergangen sind.
bb) Wie der Beklagte mit Recht hervorhebt, beurteilt sich die Frage, wo eine Person ihren Wohnsitz habe, nach den objektiven Umständen. Entscheidend ist mit andern Worten, ob die Person den Ort, an dem sie weilt, in einer für Dritte erkennbaren Weise zum Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen gemacht hat oder zu machen beabsichtigt (
BGE 97 II 3
f.). Dieser Mittelpunkt ist regelmässig dort zu suchen, wo die familiären Interessen und Bindungen am stärksten lokalisiert sind (Botschaft, BBl 1983 I S. 317). Verlässt - wie hier die Klägerin - ein Gatte den ehelichen Wohnsitz, darf nicht leichthin angenommen werden, er habe am neuen Aufenthaltsort einen neuen, eigenen Wohnsitz begründet; es muss sich ein entsprechender Wille deutlich manifestiert haben (vgl.
BGE 115 II 121
E. a). Besonders im internationalen Verhältnis gilt es zu verhindern, dass einer missbräuchlichen Wohnsitzverlegung - beispielsweise in den Heimatstaat - zur Begründung eines günstigen Gerichtsstandes Vorschub geleistet wird.
... | public_law | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49704b72-be05-4df2-b2df-27a3e8c45db4 | Urteilskopf
101 Ib 132
24. Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. April 1975 i.S. Chemiewerkstoff-Technik GmhH gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum | Regeste
Art. 17 Abs. 1 PatG
und
Art. 4 PVÜ
.
Wer eine angebliche Erfindung in der Bundesrepublik Deutschland bloss als Geschmacksmuster hinterlegt hat, darf von der schweizerischen Registerbehörde nicht verlangen, dass sie ihm ein Prioritätsrecht für ein Erfindungspatent vormerke. | Sachverhalt
ab Seite 132
BGE 101 Ib 132 S. 132
A.-
Die Chemiewerkstoff-Technik GmbH in Wernau (BRD) ersuchte am 22. Juli 1974 das Eidg. Amt für geistiges Eigentum, ihr ein Patent für einen Schleppliftbügel zu erteilen. Sie begründete das Gesuch sinngemäss damit, sie habe am 28. Januar 1974 in der Bundesrepublik Deutschland ein Geschmacksmuster hinterlegt, das sich auf den gleichen Bügel beziehe, weshalb sie ab diesem Datum in der Schweiz ein Prioritätsrecht beanspruchen dürfe.
Das Amt antwortete ihr, dass ihr die Hinterlegung eines Geschmacksmusters in Deutschland nicht Anspruch auf Vormerkung eines Prioritätsrechtes für ein schweizerisches Erfindungspatent gebe. Da die Gesuchstellerin auf ihrem Standpunkt
BGE 101 Ib 132 S. 133
beharrte, wies das Amt ihr Begehren um Vormerkung eines Prioritätsrechtes durch Verfügung vom 29. November 1974 ab.
B.-
Die Gesuchstellerin führt gegen diese Verfügung Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das Amt anzuweisen, die von ihr beanspruchte Priorität im Register einzutragen.
Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 17 Abs. 1 PatG
geniessen die Angehörigen von Ländern des Internationalen Verbandes zum Schutze des gewerblichen Eigentums, welche ihre Erfindungen in einem andern Verbandsland regelrecht zum Schutz durch Erfindungspatent oder Gebrauchsmuster hinterlegt haben, in der Schweiz während zwölf Monaten seit der ersten Anmeldung ein Prioritätsrecht, wenn sie die gleichen Erfindungen hier zur Patentierung anmelden.
Gemäss
Art. 4 lit. A PVÜ
sodann hat derjenige, der in einem der Verbandsländer die Anmeldung für ein Gebrauchsmuster, ein gewerbliches Muster oder Modell, eine Farbigerer Handelsmarke vorschriftsgemäss hinterlegt hat, für die Hinterlegung in den andern Ländern während bestimmter Fristen ein Prioritätsrecht (Abs. 1). Als prioritätsbegründend wird jede Hinterlegung anerkannt, der nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften jedes Verbandslandes oder nach den zwischen Verbandsländern abgeschlossenen zwei- oder mehrseitigen Verträgen die Bedeutung einer vorschriftsgemässen Hinterlegung zukommt (Abs. 2). Unter vorschriftsgemässer nationaler Hinterlegung ist jede Hinterlegung zu verstehen, die zur Festlegung des Zeitpunktes, an dem sie angemeldet worden ist, ausreicht (Abs. 3). Diese Vorschriften gelten für die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz, da beide Länder die hier massgebende Fassung der PVÜ von Stockholm (1967) ratifiziert haben (AS 1973 S. 1711/12).
Die Beschwerdeführerin vertritt gestützt auf
Art. 4 PVÜ
und
Art. 17 PatG
die Auffassung, sie könne aus der Hinterlegung des Geschmacksmusters in Deutschland ein Prioritätsrecht für eine schweizerische Patentanmeldung ableiten, was vom Amt dagegen verneint wird.
BGE 101 Ib 132 S. 134
2.
Die PVÜ geht über das schweizerische PatG hinaus. Sie stellt Regeln zum Schutze des gewerblichen Eigentums im weitesten Sinne auf (vgl. Art. 1 Abs. 2 und 3), während das PatG nur den Erfindungsschutz ordnet. Dass
Art. 4 PVÜ
in seinen allgemeinen Vorschriften über das Prioritätsrecht (lit. A) auch Gegenstände des gewerblichen Eigentums nennt, von denen in
Art. 17 PatG
nicht die Rede ist, ergibt daher noch nichts für die hier streitige Frage. Das steht der Gewährung eines Prioritätsrechtes nicht entgegen, schliesst die Verweigerung eines solchen aber auch nicht aus. Entscheidend für die Streitfrage ist vielmehr, was zum Sinn und Zweck des Prioritätsrechtes in den weiteren Bestimmungen des
Art. 4 PVÜ
, namentlich unter lit. C, E und I ausgeführt wird.
a) Dabei ist schon nach allgemeiner Betrachtungsweise unverkennbar, dass nicht jede Erstanmeldung in einem Verbandsland, die sich auf einen Schutzgegenstand gemäss PVÜ bezieht, eine auch für die übrigen Gegenstände des gewerblichen Eigentums wirksame Priorität zu begründen vermag.
Dies erhellt vor allem aus dem Erfordernis, dass das Schutzrecht den gleichen Gegenstand betreffen muss (lit. C Abs. 4).
Art. 17 PatG
stimmt damit überein, da er das Prioritätsrecht von der "Anmeldung der gleichen Erfindungen" abhängig macht. Die beschränkte Bedeutung der Erstanmeldung für den Erwerb eines Prioritätsrechtes in einem andern Verbandsland ergibt sich ferner daraus, dass
Art. 4 PVÜ
für Muster und Modelle, Gebrauchsmuster, Patente und Erfinderscheine (lit. E und I) sowie für Fälle, in denen mehrere oder von einander abweichende oder bloss Teile von Patentanmeldungen vorliegen (lit. F, G und H), besondere Vorschriften enthält.
Diese Unterschiede werden von BODENHAUSEN (Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums) bereits in den Erläuterungen zu Art. 4 lit. A Abs. 1 hervorgehoben. Er führt dort insbesondere aus, dass die spätere Hinterlegung denselben Gegenstand betreffen muss wie die erste. Das trifft zu, wenn die Hinterlegung sich bei Patenten, Gebrauchsmustern und Erfinderscheinen auf dieselbe Erfindung oder Neuerung, im Falle eines Musters oder Modells auf das gleiche Muster und im Falle einer Fabrik- oder Handelsmarke auf das gleiche Zeichen für dieselben Waren bezieht. Unter Hinweis auf lit. E und I fügt er freilich bei, bei einigen Schutzgegenständen
BGE 101 Ib 132 S. 135
könnten Prioritätsrechte untereinander begründet, diese in bestimmten Fällen, wenn Identität des Gegenstandes gegeben und ein Antrag vorliegt, also auch in einer anderen Schutzart beansprucht werden (Anm. e und i zu Art. 4 lit. A Abs. 1). Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin schliesst er damit übergreifende Prioritäten in weiteren Fällen selber aus. Andernfalls wäre insbesondere nicht zu verstehen, dass Art. 4 lit. C für Erfindungspatente und Gebrauchsmuster Prioritätsfristen von zwölf Monaten, für gewerbliche Muster und Modelle sowie für Fabrik- oder Handelsmarken dagegen bloss solche von sechs Monaten vorsieht.
b) Gegen die Auffassung der Beschwerdeführerin spricht ferner der Wortlaut von
Art. 4 lit. E PVÜ
. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung ist die für gewerbliche Muster oder Modelle bestimmte Prioritätsfrist massgebend, wenn in einem Verbandsland ein solches Muster oder Modell unter Berufung auf die Anmeldung eines Gebrauchsmusters in einem andern Land hinterlegt wird. Gemäss Abs. 2 sodann darf ein Gebrauchsmuster in einem Land unter Inanspruchnahme eines Prioritätsrechtes, das durch die Hinterlegung einer Patentanmeldung in einem andern begründet worden ist, hinterlegt werden und umgekehrt.
Abs. 1 unterscheidet somit zwischen gewerblichen Mustern und Modellen einerseits und Gebrauchsmustern anderseits. Bei den ersteren geht es um den Schutz ihrer ästhetischen Form, bei den letzteren, die auch kleine Erfindungen genannt und in einigen Ländern als solche zugelassen werden, dagegen um den Schutz einer technischen Idee. Gewerbliche Muster und Modelle sind nur als Geschmacksmuster schützbar und zwar nicht bloss nach schweizerischem Recht (
BGE 69 II 427
Erw. II,
BGE 95 II 473
mit Zitaten), sondern auch nach jenem ausländischer Staaten, die den Muster- und Modellschutz anerkennen (TROLLER, Kurzlehrbuch des Immaterialgüterrechts, S. 83/84). Falls die Priorität für ein gewerbliches Muster oder Modell beansprucht, aber aus der Hinterlegung eines Gebrauchsmusters abgeleitet wird, bestimmt nun lit. E Abs. 1, dass die Frist von sechs Monaten massgebend ist; darin liegt eine Einschränkung, da die Prioritätsfrist für Gebrauchsmuster zwölf Monate beträgt (lit. C Abs. 1). Die Bestimmung sagt dagegen nicht, die Regelung gelte auch für den umgekehrten Fall. Davon ist bloss in Abs. 2 die Rede, wonach bei
BGE 101 Ib 132 S. 136
Erfindungspatenten und Gebrauchsmustern Prioritäten untereinander begründet werden dürfen. Für diese Gegenstände sieht lit. C Abs. 1 denn auch eine einheitliche Prioritätsfrist vor.
Wollte man Abs. 1 entgegen seinem Wortlaut auf den umgekehrten Fall ausdehnen, so würde die Bestimmung analog auf das gewerbliche Muster und Modell oder, wie die Beschwerdeführerin sich ausdrückt, auf das Geschmacksmuster angewendet. Eine analoge Anwendung läge auch vor, wenn man mit der Beschwerdeführerin ein Geschmacksmuster für die Begründung eines Prioritätsrechtes gemäss Abs. 2 genügen liesse, da die gewerblichen Muster und Modelle dort nicht erwähnt werden. Eine solche Auslegung widerspräche schon der Entstehung der PVÜ, deren Bestimmungen an den Revisionskonferenzen nur schrittweise erkämpft worden sind. Sie vertrüge sich insbesondere nicht mit der in Art. 4 lit. I enthaltenen Bestimmung, die erst 1967 an der Stockholmer Konferenz in die Übereinkunft aufgenommen worden ist. Danach vermag die Anmeldung eines Erfinderscheines nur dann wie die Patentanmeldung ein Prioritätsrecht zu begründen, wenn der Inhaber im Lande der Erstanmeldung nach seiner Wahl entweder ein Patent oder einen Erfinderschein verlangen durfte (vgl. BODENHAUSEN, a.a.O., Anm. a, c und e zu Art. 4 lit. I). Diese Einschränkung wäre ebenfalls nicht zu verstehen, wenn die Anmeldung eines Geschmacksmusters für die Begründung eines Prioritätsanspruches zum Schutze einer Erfindung ausreichen würde. Sie zeigt im Gegenteil, dass der gleiche Schutz schon in einem andern Land verlangt worden sein muss.
c) Eine analoge Anwendung der für Erfindungen vorgesehenen Regelung auf Geschmacksmuster wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Patentanmeldung muss die Erfindung als technische Lehre in einer Beschreibung so offenbaren, dass der Fachmann sie ausführen kann (
Art. 50 PatG
). Gleich verhält es sich nach § 26 Abs. 1 des deutschen Patentgesetzes.
Art. 4 lit. H PVÜ
stimmt damit in dem Sinne überein, dass "die Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen" die Merkmale der Erfindung deutlich offenbaren muss. Das Geschmacksmuster schliesst eine Erfindung jedoch aus, da damit bloss eine ästhetische Formgebung geschützt werden kann. Seine Unterlagen taugen daher selbst bei offener Hinterlegung nicht, die
BGE 101 Ib 132 S. 137
Merkmale einer Erfindung darzutun. Das Amt hält der Beschwerdeführerin denn auch entgegen, dass die von ihr eingereichten Belege über wesentliche Merkmale der beanspruchten Erfindung keine Auskunft geben.
Eine Gleichstellung von Geschmacksmuster und Gebrauchsmuster liefe zudem darauf hinaus, einem Ausländer auf dem Umwege über die PVÜ Vorteile einzuräumen, die einem Inländer nicht zuständen, da der Gebrauchsmusterschutz in der Schweiz nicht gesetzlich ausgestaltet ist. Das widerspräche dem Sinn und Zweck der Übereinkunft, welche die Verbandsländer in Art. 2 bloss verpflichtet, Angehörige anderer Verbandsländer gleich zu behandeln wie die eigenen Staatsangehörigen.
3.
Aus diesen Gründen durfte das Amt das Begehren der Beschwerdeführerin um Vormerkung eines Prioritätsrechtes abweisen, ohne
Art. 4 PVÜ
oder
Art. 17 PatG
zu verletzen.
Die Frage, ob der Beschwerdeführerin das von ihr beanspruchte Prioritätsrecht zustehe, wird durch die angefochtene Verfügung jedoch nicht präjudiziert. Darüber hat im Streitfall vielmehr der Richter zu entscheiden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
49783030-1f3a-44da-8c28-66dc21a38989 | Urteilskopf
92 I 503
83. Urteil vom 11. Mai 1966 i.S. Hell gegen Gemeinderat Reinach sowie Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft | Regeste
Art. 4 BV
, Eigentumsgarantie; Kanalisationsanschluss.
1. Ist die Rechtsmittelinstanz, welche die Sache zur Neubeurteilung zurückgewiesen hat, bei Anfechtung des neuen Urteils der Unterbehörde an ihren eigenen Rückweisungsentscheid gebunden? (Frage für das basellandschaftliche Verwaltungsverfahren offen gelassen.)
2.
a) Die Eigentumsgarantie hat die Bedeutung einer Instituts- und einer Bestandesgarantie. Sie gibt keinen Anspruch auf Leistungen des Staates, insbesondere nicht auf Anschluss eines Grundstücks an eine öffentliche Kanalisation.
b) Bedeutung des
Art. 4 BV
für die Beziehungen zwischen einer öffentlichen Anstalt und deren Benutzern. Mit Rücksicht auf die begrenzte Leistungsfähigkeit eines Kanalisationsnetzes kann der Anschluss von ausserhalb des Kanalisationsperimeters gelegenen Grundstücken an dasselbe verweigert werden.
c) Voraussetzungen für den Anschluss an das Kanalisationsnetz nach basellandschaftlichem Recht.
3. Ausnahmen von der Anschlusspflicht. Diese setzen voraus, dass der Grundeigentümer selber in der Lage ist, die Abwasser soweit unschädlich zu machen, als der Gewässerschutz erfordert.
4. Lösung der Abwasserfrage als Voraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung. | Sachverhalt
ab Seite 504
BGE 92 I 503 S. 504
A.-
Das basellandschaftliche Gesetz über die Abwasseran lagen (AbwG) vom 30. Oktober 1952 bestimmt in: § 1. - Alle Abwasser sind kanalisiert abzuleiten, damit sie den erstellten oder zu erstellenden Abwasserreinigungsanlagen zugeleitet werden können.
Ausnahmen von der Anschlusspflicht, insbesondere für Gärtnereien und Landwirtschaftsbetriebe, können von der Baudirektion
BGE 92 I 503 S. 505
nach Anhören des Gemeinderates der betreffenden Gemeinde bewilligt werden. Diese kann im Einzelfall an die Bewilligung Bedingungen knüpfen. Die Entscheide der Baudirektion können innert dreissig Tagen an den Regierungsrat weitergezogen werden.
§ 3. - Die Gemeinden haben die Aufgabe, die zur Abnahme der Abwasser erforderlichen Kanalisationen auf ihre Kosten so rasch als möglich zu erstellen, damit die Abwasser gesammelt durch die kantonalen Zuleitungskanäle den Abwasserreinigungsanlagen (Kläranlagen) zugeführt werden können; sie haben die Kanalisationsanlagen zu betreiben und zu unterhalten.
Das Bau- und Zonenreglement der Gemeinde Reinach schreibt in § 14 Abs. 3 unter anderem vor:
Im generellen Zonenplan sind die Baugebiete auszuscheiden. Im Falle von Baubegehren über Wohnbauten ausserhalb der Baugebiete entscheiden Gemeinderat und Gemeindekommission auf Antrag des Gemeinderates über den Anschluss an das Werkleitungsnetz, insbesondere an das Kanalisationsnetz der Gemeinde. Die Kosten für die Verbesserung oder Neuanlage von Strassen, Kanalisationen oder Wasserleitungen, die wegen eines solchen Neubaues entstehen, sind vom Gesuchsteller zu tragen.
B.-
Oskar Hell verkaufte den von ihm bewirtschafteten Schlatthofin der Gemeinde Reinach der Christoph Merian'schen Stiftung. Er behielt dabei die 4293 m2 umfassende Parzelle 3293 für sich, um darauf ein Einfamilienhaus mit Gärtnerei zu erstellen. Ein Baugesuch für das Haus wurde von der Baudirektion und auf Weiterziehung hin vom Regierungsrat mit der Begründung abgewiesen, das Baugrundstück liege ausserhalb des Perimeters der Gemeindekanalisation und könne nicht an diese angeschlossen werden.
Das Verwaltungsgericht hiess am 20. März 1963 eine dagegen erhobene Beschwerde insoweit gut, als es die Streitsache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an den Regierungsrat zurückwies. In den Erwägungen führte es sinngemäss aus, es gebe keine kantonale Vorschrift, die es untersage, Gebäude, welche ausserhalb des Kanalisationsperimeters liegen, an die Gemeindekanalisation anzuschliessen; das Bauen ausserhalb des Kanalisationsperimeters sei deshalb und mit Rücksicht auf § 1 Abs. 2 AbwG nicht schlechthin verboten. Das kantonale Recht lasse demnach zwei Möglichkeiten des Bauens ausserhalb des Kanalisationsperimeters offen: Eine erste ergebe sich aus § 1 Abs. 2 AbwG, wonach die Baudirektion "insbesondere für Gärtnereien und Landwirtschaftsbetriebe" eine Ausnahmebewilligung
BGE 92 I 503 S. 506
erteilen kann, welche den Inhaber von der Anschlusspflicht befreit; eine zweite Möglichkeit folge aus der Befugnis der Gemeinden, dem Eigentümer eines Grundstückes ausserhalb des Kanalisationsperimeters in einer Sonderbewilligung zu erlauben, das Abwasser seiner Liegenschaft (mittels einer auf seine Kosten zu erstellenden Zuleitung) der Gemeindekanalisation zuzuführen. Über die Erteilung einer Ausnahmebewilligung im Sinne von § 1 Abs. 2 entscheide die Baudirektion bzw. auf Beschwerde hin der Regierungsrat nach freiem Ermessen. Wenn der Regierungsrat im vorliegenden Falle die Ausnahmebewilligung verweigert habe, so bewege er sich damit "an der Grenze des freien Ermessens", überschreite diese Schranke aber nicht. Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Sonderbewilligung zur Einleitung der Abwasser der Liegenschaft des Hell in die Gemeindekanalisation von Reinach oder von Aesch gegeben seien, sei noch nicht genügend abgeklärt; die Frage sei daher von Hell und vom Regierungsrat neu zu prüfen.
C.-
Der Regierungsrat hatte sich nach der Rückweisung über zwei Begehren des Hell auszusprechen: den Hauptantrag, die Gemeinde Reinach sei anzuweisen, ihm den Anschluss des projektierten Hauses an die Gemeindekanalisation zu bewilligen, und das hilfsweise gestellte Begehren, es sei ihm eine Ausnahmebewilligung im Sinne von § 1 Abs. 2 AbwG zu erteilen und ihm demgemäss die Anschlusspflicht zu erlassen. Der Regierungsrat lehnte, nachdem die Gemeinde Reinach sich inzwischen nochmals mit der Angelegenheitbefasst hatte,beide Begehren ab.
Hell erhob hierauf ein zweites Mal Beschwerde an das Verwaltungsgericht, wobei er die vor dem Regierungsrat gestellten Begehren erneuerte. Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerde am 14. Mai 1965 abgewiesen. Es hat dabei erkannt, der Regierungsrat habe damit, dass er dem Beschwerdeführer den Anschluss an die Gemeindekanalisation verweigert und ihn nicht von der Anschlusspflicht befreit habe, das ihm in diesem Bereich zustehende Ermessen nicht missbraucht oder überschritten. Das bedeute allerdings nicht, dass dem Beschwerdeführer das Bauen deswegen schlechthin untersagt sei. Es bleibe vielmehr mangels erschöpfender Abklärung noch offen, ob die Baubewilligung auch dann verweigert werden dürfe, wenn der Bauherr selber in der Lage sei, die auf seiner Liegenschaft anfallenden Abwasser so aufzubereiten und in den natürlichen Wasserkreislauf
BGE 92 I 503 S. 507
zurückzugeben, wie es die Öffentlichkeit in ihren Kläranlagen tue.
D.-
Hell führt hiergegen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Eigentumsgarantie und des
Art. 4 BV
. Er beantragt, es sei der Regierungsrat anzuweisen, die Gemeinde Reinach zu verpflichten, die nachgesuchte Bewilligung des Anschlusses der Neubaute an die Gemeindekanalisation zu erteilen; allenfalls sei der Regierungsrat anzuweisen, dem Beschwerdeführer eine Ausnahmebewilligung im Sinne von § 1 Abs. 2 AbwG zu erteilen; der Regierungsrat sei ferner zur Erteilung der nachgesuchten Baubewilligung zu verhalten.
E.-
Der Gemeinderat von Reinach und der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
F.-
Eine Instruktionskommission des Bundesgerichts hat einen Augenschein vorgenommen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer beanstandet in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass das zweite Urteil des Verwaltungsgerichts dem ersten widerspreche. Im ersten Urteil habe das Verwaltungsgericht festgestellt, dass keine Vorschrift des kantonalen Rechts die Erstellung von Bauten ausserhalb des Kanalisationsperimeters untersage; es habe damit die Abweisung eines Anschlussgesuches unter planerischen Gesichtspunkten ausgeschlossen. Mit der Rückweisung habe das Verwaltungsgericht den Regierungsrat angewiesen, die Frage des Anschlusses unter gewissen, bisher nicht genügend abgeklärten technischen Gesichtspunkten neu zu prüfen. Der Regierungsrat habe sich über diese Weisung hinweggesetzt und das Gesuch nicht aus technischen Gründen, sondern aus planerischen Erwägungen abgelehnt. Das Verwaltungsgericht habe sich diese Stellungnahme zu eigen gemacht und sei insofern von seinem ersten Urteil abgewichen. Es habe damit § 22 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechtpflege (VRG) in willkürlicher Weise verletzt.
§ 22 Abs. 2 VRG verpflichtet die Verwaltungsbehörde, an welche die Sache zurückgewiesen wird, ihrer Verfügung die im Urteil ausgesprochene Rechtsanschauung zugrunde zu legen. Aus dieser Vorschrift folgt nicht ohne weiteres, dass auch das Verwaltungsgericht selber an die Rückweisungsentscheidung
BGE 92 I 503 S. 508
gebunden sei und dass es, wenn gegen die neue Verfügung der Verwaltung eine Beschwerde eingelegt wird, den selben Standpunkt einnehmen müsse wie im ersten Entscheid. Wohl erachtet sich das Bundesgericht, und zwar auch als Verwaltungsgericht, an sein eigenes früheres Urteil in der nämlichen Sache gebunden (
BGE 38 I 574
Erw. 2,
BGE 85 IV 211
; nicht veröffentlichtes Urteil vom 23. Juni 1944 i.S. Herzog, Erw. 1; BIRCHMEIER, Handbuch, S. 243 und 570; KIRCHHOFER, Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht, S. 69; SCHULZ, ZBJV 97 S. 224). Das heisst aber nicht, dass die Kantone im Bereiche ihres Prozessrechts den gleichen Weg zu beschreiten hätten. Eine Reihe von Kantonen erlaubt denn auch der Rechtsmittelinstanz, in ihrem zweiten Entscheid aufihre frühere Auffassung zurückzukommen (für das Zivilprozessrecht vgl. GULDENER, Schw. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 502 Ziff. 5 und II. Supplement, S. 95/96; HAUSER, Zürcher Gerichtsverfassungsgesetz, 3. Aufl., S. 421). Welcher Lösung sich das basellandschaftliche Verwaltungsprozessrecht angeschlossen habe, kann hier indessen dahingestellt bleiben, da sich das Verwaltungsgericht, richtig verstanden, im zweiten Urteil - zumindest in dem vom Beschwerdeführer genannten Punkte - nicht von der im ersten geäusserten Rechtsauffassung abgewandt hat.
Das Verwaltungsgericht bezeichnete es in seinem ersten Urteil als nicht genügend abgeklärt, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Sonderbewilligung zur Einleitung der Abwasser der Liegenschaft des Beschwerdeführers in die Gemeindekanalisation von Reinach oder von Aesch erfüllt seien; die Frage sei daher vom Beschwerdeführer und vom Regierungsrat erneut zu prüfen. Nach welchen Gesichtspunkten diese Prüfung zu erfolgen habe, sagt das Verwaltungsgericht in seinem ersten Urteil nicht. Wohl weist es darauf hin, dass keine kantonale Vorschrift es untersage, Gebäude, die ausserhalb des Kanalisationsperimeters liegen, an eine Gemeindekanalisation anzuschliessen. Daraus folgt aber lediglich, dass die Gemeinden die Befugnis haben, Sonderbewilligungen für den Anschluss solcher Gebäude zu erteilen; unter welchen Voraussetzungen eine solche Bewilligung gewährt werden könne oder gar gewährt werden müsse, wird damit nicht festgelegt. Der Regierungsrat war daher nach dem ersten Urteil des Verwaltungsgerichts frei, nicht nur zu untersuchen, ob es vom technischen Standpunkt aus möglich sei, die Liegenschaft des Beschwerdeführers an
BGE 92 I 503 S. 509
eine Gemeindekanalisation anzuschliessen, sondern die Frage der Erteilung einer Sonderbewilligung auch unter weiteren Gesichtspunkten zu prüfen. Er hat von dieser Befugnis Gebrauch gemacht. Das Verwaltungsgericht ist ihm hierin in seinem zweiten Urteil gefolgt, indem es in Betracht zog, welche Auswirkungen die Erteilung einer einzelnen Sonderbewilligung im Hinblick auf die von der Verwaltung zu wahrende Rechtsgleichheit nach sich ziehen könnte, und ferner dem Gedanken Rechnung trug, dass die Gemeindekanalisation als öffentliche Anstalt einem Zweck gewidmet ist, den es zu erhalten gilt. Richtig ist, dass der Eigentümer eines Grundstücks ausserhalb des Kanalisationsperimeters nach den Erwägungen des zweiten Urteils kaum je einen Anspruch auf Anschluss seiner Liegenschaft an die Gemeindekanalisation haben dürfte. Es ist jedoch etwas anderes, ob das Bestehen eines Anschlussverbotes verneint wird, wie das im ersten Urteil geschehen ist, oder ob dem Grundeigentümer ein Anschlussrecht aberkannt wird, wie das im zweiten Urteil erfolgt ist. Weder im einen noch im andern Falle kann zwar die Verwaltung zur Erteilung der Anschlussbewilligung verpflichtet werden; während sie im ersten Falle aber keine derartige Bewilligung gewähren darf und eine trotzdem erteilte Erlaubnis von der Oberbehörde als rechtswidrig aufgehoben werden müsste, bleibt die Verwaltung im zweiten Falle im Rahmen ihres Ermessens frei, ausnahmsweise doch eine Anschlussbewilligung zu erteilen. Das Verwaltungsgericht hat mithin in seinem zweiten Urteil dem ersten insoweit nicht widersprochen.
2.
Der Beschwerdeführer wendet in materieller Hinsicht in erster Linie ein, die Verweigerung des Anschlusses seines Grundstückes an die Gemeindekanalisation verletze die Eigentumsgarantie und
Art. 4 BV
.
a) Die Eigentumsgarantie gewährleistet als Institutsgarantie die Aufrechterhaltung des Instituts des Privateigentums und schützt es vor der Aufhebung wie auch vor der Einführung von Beschränkungen, die es in seinem Wesensgehalt beeinträchtigen würden (vgl.
BGE 91 I 420
; ZBl 1960 S. 281 ff.); sie schützt daneben als Bestandesgarantie den einzelnen Bürger vor Eingriffen in die ihm zustehenden Eigentumsrechte und in eine Reihe weiterer, dem Eigentum gleichgestellter vermögenswerter Rechte (vgl.
BGE 91 I 419
). Im vorliegenden Fall wird die Eigentumsgarantie allein in ihrer zweiten Bedeutung angerufen.
BGE 92 I 503 S. 510
Als Bestandesgarantie ist die Eigentumsgarantie ein Freiheitsrecht, das den Bürger vor Eingriffen des Staates in seine Rechtssphäre schützt; sie gibt dem Bürger nicht umgekehrt Anspruch auf Leistungen des Staates (vgl.
BGE 61 I 231
mit Verweisungen,
BGE 83 I 149
Erw. 4 a). Die Eigentumsgarantie gewährt demgemäss dem Eigentümer kein anderes Recht auf Benutzung der an sein Grundstück grenzenden, im Gemeingebrauch stehenden öffentlichen Strassen, als es jedem andern Rechtsgenossen zukommt (
BGE 91 I 408
Erw. 2); auch verleiht sie ihm keinen Anspruch auf die Dienste einer öffentlichen Anstalt, wie der Wasser-, Gas- und Elektrizitätsversorgung, der Abwasserkanalisation usw. (vgl.
BGE 79 I 232
; HINTERMANN, Die Freihaltezone im Rahmen der Bauzonenplanung, S. 117, 135; JAGMETTI, Rechtsfragen der Stadtbegrenzung, in: Festschrift für Ernst Egli, S. 138; JOST, Landesplanung und Eigentumsgarantie, ZBl 1950 S. 12; MÜLLER, Die Eigentumsgarantie und die Enteignung, S. 38; REICHLIN, Rechtsfragen der Landesplanung, ZSR 66 S. 300 a). Wohl ist nicht zu verkennen, dass die Möglichkeit der Nutzung und damit auch der dadurch bestimmte wirtschaftliche Wert des Grundeigentums heute weitgehend von den Erschliessungsmassnahmen der öffentlichen Hand abhangen. Die Eigentümer sind darum in wirtschaftlicher Hinsicht nicht nur daran interessiert, dass der Staat sich eines Eingriffs in ihr Eigentum enthält, sondern auch daran, dass er gewisse Leistungen erbringt, an denen ihr Grundeigentum teilhat. Das gibt aber keinen Anlass, die Tragweite der Eigentumsgarantie im Sinne der Zuerkennung positiver Ansprüche an den Staat zu erweitern. Es hat vielmehr in diesem Bereich bei dem Schutz sein Bewenden, den die Verfassung den Eigentümern durch den Gleichheitssatz des
Art. 4 BV
und die daraus abgeleiteten Grundsätze, namentlich das Prinzip der Gesetzmässigkeit der Verwaltung und der Verhältnismässigkeit, zuteil werden lässt.
b) Auf Grund des
Art. 4 BV
ist das Gemeinwesen in der Ausgestaltung der Beziehungen zwischen seinen Anstalten und deren Benutzern nicht frei; es hat sich vielmehr hierin an gewisse unmittelbar aus der Verfassung fliessende Mindestanforderungen zu halten. Dazu gehört vor allem der Grundsatz, dass die Zulassungs- und Benutzungsbedingungen unter gleichen tatsächlichen Verhältnissen für alle Bürger gleich sein müssen (vgl. HINTERMANN, S. 117; SCHAUMANN, Die Landesplanung, S. 67). Im
BGE 92 I 503 S. 511
Schrifttum wird weiter der Auffassung Ausdruck gegeben, dass dem vom Gemeinwesen eingeführten Benutzungszwang notwendigerweise ein Recht des Bürgers auf Benutzung der Anstalt entspreche (FLEINER, Institutionen, 8. Aufl., S. 335 A. 52). Ob sich unmittelbar aus der Verfassung eine solche Verpflichtung der Anstalt ergebe, kann hier dahingestellt bleiben, da eine solche Verpflichtung jedenfalls dort ihre Grenzen findet, wo das Leistungsvermögen der Anstalt aufhört (FORSTHOFF, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Bd., 9. Aufl., S. 386/87). Die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Anstalt sind dann erreicht, wenn sie nicht mehr in der Lage ist, den ihr gesetzten Zweck zu erfüllen. Da die Anstalt in der Regel ihren Dienst auf die Dauer zu versehen hat, können bei der Bestimmung der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit neben den gegenwärtigen auch die künftigen Verhältnisse berücksichtigt werden, soweit diese sich mit einiger Sicherheit voraussehen lassen.
Die Ableitung und Aufbereitung der Abwasser ist mit ausserordentlichen Aufwendungen verbunden. Die öffentlichen Mittel, die zu diesem Zwecke verfügbar gemachtwerden können, sind demgegenüber begrenzt.Nicht nur aus fiskalischen Gründen, sondern ebenso sehr um des Gewässerschutzes willen müssen diese Mittel daher so eingesetzt werden, dass sich eine möglichst grosse Nutzleistung ergibt. Das setzt voraus, dass das Kanalisationsnetz auf die Lage der bestehenden Wohnstätten und der geplanten Siedelungen abgestimmt wird. Beim Ausbau der Abwasseranlagen müssen demgemäss planerische Überlegungen miteinbezogen werden, wobei die planerischen und die polizeilichen Gesichtspunkte sich weitgehend decken und ergänzen (vgl.
BGE 79 I 240
Erw. 7).
Der Ausbau des Kanalisationsnetzes eines Gemeinwesens richtet sich, insbesondere was die Rohrweiten anbelangt, nach dem zu erwartenden Abwasseranfall. Dieser bestimmt sich nach dem geschätzten Wasserverbrauch des angeschlossenen Gebietes in Industrie, Gewerbe und Haushaltungen einerseits, nach dem Flächenmass des Gebietes und den Niederschlagsmengen andererseits, wobei zu beachten ist, dass der Anteil des Meteorwassers am Abwasser regelmässig grösser ist als der des Brauchwassers. Richtig berechnet, muss das Kanalisationsnetz so gross - aber nicht grösser - dimensioniert sein, als erforderlich ist, um das im voll ausgebauten Perimetergebiet anfallende Abwasser aufzunehmen und der Kläranlage zuführen zu können.
BGE 92 I 503 S. 512
Werden neue Flächen von einigem Umfang an das Kanalisationsnetz angeschlossen, so hat das deshalb zur Folge, dass das Röhrensystem vorzeitig erweitert werden muss oder dass abwassertechnisch gleichartige Flächen aus dem Perimeter entlassen werden müssen. Im einen wie im andern Fall stellt ein solcher Neuanschluss die Erfüllung des der Anstalt gesetzten Zweckes, die Abwasser eines örtlich bestimmt umgrenzten Gebietes auf eine bestimmte Zeit hinaus aufzunehmen, in Frage. Darin liegt eine Überschreitung der Leistungsfähigkeit der Anstalt, die diese zu einer Verweigerung des Anschlusses berechtigt.
Im vorliegenden Fall geht es allerdings nur um den Anschluss einer einzelnen Liegenschaft, welche der Gemeindekanalisation lediglich kleine Abwassermengen abgeben würde. Würde dieser Anschluss erlaubt, so könnte die Anschlussbewilligung indessen nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung auch andern Eigentümern von Grundstücken ausserhalb des Kanalisationsperimeters nicht verweigert werden. Wie das Verwaltungsgericht aufgezeigt hat, würde es dabei nicht bei vereinzelten Bewilligungsgesuchen bleiben. Zwar kann ein Anschluss, der auf Kosten des Eigentümers gebaut wird, diesen teuer zu stehen kommen. Schliessen sich mehrere Grundeigentümer zur gemeinsamen Erstellung einer solchen Zuleitung zusammen, so vermindern sich jedoch die Auslagen für jeden Beteiligten erheblich. Die verbleibenden Mehraufwendungen werden zudem in manchen Fällen durch den niedrigeren Preis des ausserhalb des Kanalisationsperimeters gelegenen Landes nahezu oder ganz aufgewogen. Es ist daher in der Regel damit zu rechnen, dass der Anschluss einer Liegenschaft ausserhalb des Kanalisationsperimeters den Anschluss anderer Grundstücke in gleicher Lage nach sich zieht. Im Hinblick auf diese Folgen kann sich die Gefahr einer Überlastung des Kanalisationsnetzes bereits beim ersten derartigen Anschlussgesuch abzeichnen. Es ist dem Gemeinwesen deshalb nach den unmittelbar aus
Art. 4 BV
fliessenden Grundsätzen einer rechtsstaatlichen Verwaltung nicht verwehrt, schon dieses erste Gesuch mit Rücksicht auf die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Kanalisationsnetzes abzuweisen (HINTERMANN, a.a.O., S. 137; vgl. auch MEIER, Das Recht der Gemeindekanalisationen und die Einleitung der Abwasser in die öffentlichen Gewässer nach aargauischem Recht. S. 53).
c) Dem kantonalen und dem gemei ndlichen Gesetzgeber ist es freilich unbenommen, den Anschluss von Grundstücken
BGE 92 I 503 S. 513
ausserhalb des Perimeters weniger stark einzuschränken. Die Beschwerde beruft sich in diesem Zusammenhang sinngemäss auf § 1 Abs. 1 und § 3 AbwG sowie auf § 14 Abs. 3 des Bau- und Zonenreglements der Gemeinde Reinach. Das Bundesgericht kann die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (und der in diesem Punkte nicht geltend gemachten rechtsungleichen Behandlung) überprüfen. Die kantonalen Instanzen konnten aber ohne Willkür zum Schluss gelangen, dass keine dieser Bestimmungen dem Beschwerdeführer einen Anspruch auf Anschluss seiner Liegenschaft an das Kanalisationsnetz der Gemeinde Reinach gewähre. § 1 Abs. 1 AbwG handelt von der Pflicht des Grundeigentümers, die Abwasser kanalisiert abzuleiten, ohne dieser Pflicht ein Recht auf Abnahme des Abwassers gegenüberzustellen. § 3 AbwG verhält die Gemeinden, "die zur Abnahme der Abwasser erforderlichen Kanalisationen auf ihre Kosten so rasch als möglich zu erstellen". Die Gemeinden können diesen Auftrag, der mit ausserordentlichen Aufwendungen verbunden ist, nur erfüllen, wenn sie Ordnung in das Kanalisationswesen bringen und ihre Kräfte nicht zersplittern. Aus § 3 AbwG folgt daher keine Pflicht der Gemeinden, auch die Abwasser aus neu erstellten Liegenschaften ausserhalb des Kanalisationsperimeters in das Kanalisationsnetz aufzunehmen. § 14 Abs. 3 des Bau- und Zonenreglements der Gemeinde Reinach sieht zwar die Möglichkeit vor, ausserhalb des "Baugebietes" gelegene Grundstücke an das Kanalisationsnetz der Gemeinde anzuschliessen; er stellt die Erteilung einer dahin gehenden Bewilligung jedoch in das freie Ermessen der entscheidenden Behörden, des Gemeinderates und der Gemeindekommission. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, dass diese Gemeindebehörden mit der Verweigerung der von ihm verlangten Anschlussbewilligung das ihnen in § 14 Abs. 3 des Reglementes eingeräumte Ermessen missbraucht oder überschritten hätten.
3.
Der Beschwerdeführer beanstandet ferner, dass die kantonalen Instanzen sein hilfsweise gestelltes Gesuch um Gewährung einer Ausnahme von der Anschlusspflicht im Sinne von § 1 Abs. 2 AbwG abgelehnt haben. Auf Grund dieser Bestimmung kann die kantonale Baudirektion nach Anhören des Gemeinderates der betreffenden Gemeinde "Ausnahmen von der Anschlusspflicht, insbesondere für Gärtnereien und Landwirtschaftsbetriebe" bewilligen. Die Erteilung einer solchen
BGE 92 I 503 S. 514
Ausnahmebewilligung rechtfertigt sich, wenn der Gesuchsteller selber in der Lage ist, die Abwasser soweit unschädlich zu machen, als vom Standpunkt des Gewässerschutzes aus erforderlich ist. Das Verwaltungsgericht befasst sich mit zwei Möglichkeiten einer solchen Unschädlichmachung: Das Abwasser kann "verrieselt" oder in Kleinkläranlagen aufbereitet werden.
a) Bei der "Verrieselung", die hauptsächlich für die in § 1 Abs. 2 AbwG namentlich erwähnten "Gärtnereien und Landwirtschaftsbetriebe" in Betracht kommt, wird das Abwasser als Jauche dem Boden zugeführt, wo es auf biologischem Wege abgebaut wird. Nach den fachtechnischen Erfahrungen kann auf einer gegebenen Fläche nicht mehr als eine bestimmte Abwassermenge "verrieselt"werden, ohne dass das Grundwasser gefährdet wird. Wird diese Menge überschritten, so tritt eine Überdüngung ein: Die Schmutzstoffe des Abwassers werden im Boden nur noch teilweise abgebaut, während der Rest in das Grundwasser gelangt oder an der Oberfläche abgeschwemmt wird. Gemäss den Richtlinien des Verbandes Schweizerischer Abwasserfachleute ist für die "Verrieselung" der in der projektierten Liegenschaft des Beschwerdeführers anfallenden Abwasser eine Fläche von 13 ha erforderlich; nach dem weniger strengen Masstab, der im Kanton Basel-Landschaft auf Landwirtschaftsbetriebe angewendet wird, müsste diese Fläche etwas über 1 ha messen. Die Parzelle des Beschwerdeführers umfasst demgegenüber bloss rund 0,43 ha. Eine unschädliche "Verrieselung" des Abwassers ist demnach auf dem eigenen Land des Beschwerdeführers nicht gewährleistet. Die Verhältnisse gestalten sich in dieser Beziehung anders als im Falle des zum Vergleich angerufenen Bruderholzhofes, wo die vorhandene Bodenfläche ausreicht, um neben dem Abwasser der Landwirtschaft auch das des zugehörigen Herrschaftshauses zur "Verrieselung" aufzunehmen. Den Behörden, die eine Ausnahmebewilligung im Sinne von § 1 Abs. 2 AbwG für den Bruderholzhof erteilt, für die Liegenschaft des Beschwerdeführers dagegen verweigert haben, kann angesichts dieses für die Beurteilung wesentlichen Unterschiedes tatsächlicher Art keine rechtsungleiche Entscheidung vorgeworfen werden.
Wohl bestünde technisch die Möglichkeit, die Abwasser der Liegenschaft des Beschwerdeführers auf dem Land des angrenzenden Schlatthofes "verrieseln" zu lassen. Vom Standpunkt des § 1 Abs. 2 AbwG aus könnte diese Lösung jedoch von vornherein
BGE 92 I 503 S. 515
nur in Erwägung gezogen werden, wenn volle Gewähr dafür bestünde, dass die jeweiligen Eigentümer des Schlatthofes auf alle Zeiten hinaus das Abwasser der Nachbarliegenschaft zu diesem Behufe übernehmen werden und übernehmen können. Das würde in erster Linie die Begründung einer entsprechenden Dienstbarkeit voraussetzen. Eine solche besteht jedoch nicht, und es wurde im kantonalen Verfahren nicht dargetan, dass die derzeitige Eigentümerin des Schlatthofes bereit sei, sich in diesem Sinne zu verpflichten. Die kantonalen Instanzen hatten daher keinen Anlass, das Gesuch um Erteilung einer Ausnahmebewilligung unter diesem Gesichtswinkel zu prüfen.
b) Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid ausdrücklich offen gelassen, ob eine Ausnahmebewilligung auch verweigert werden dürfe, wenn der Bauherr beim Fehlen einer Abwassergrube oder eines Kanalisationsanschlusses das Abwasser seiner Liegenschaft selber so aufbereite und in den natürlichen Wasserkreislauf zurückgebe, wie es die Öffentlichkeit in ihren Kläranlagen tue. Im bundesgerichtlichen Verfahren hat der Vertreter des kantonalen Wasserwirtschaftsamtes die Möglichkeit der Zulassung einer Kleinkläranlage unter den gegebenen Voraussetzungen aus technischen und rechtlichen Erwägungen verneint. Es liegt in dieser Hinsicht indessen noch keine autoritative Stellungnahme der letzten kantonalen Instanz vor, die Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde bilden könnte. Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsgericht zudem mit Recht nicht vor, es habe ihm in formeller Beziehung das Recht verweigert, indem es in diesem Punkt keine Entscheidung traf. Als richterliche Behörde hat das Verwaltungsgericht Recht zu sprechen und nicht selber als Verwaltung zu handeln; es hat auf Beschwerde hin die Verfügungen der Verwaltung auf ihre formelle und materielle Rechtmässigkeit und auf das Vorliegen unrichtiger tatsächlicher Feststellungen hin zu überprüfen (§ 11 VRG); es hat nicht von sich aus zu untersuchen, ob ein gegebenes Problem technisch auch anders gelöst werden könnte. Der Regierungsrat hatte sich in seinem Entscheid nicht darüber ausgesprochen, ob es technisch möglich und rechtlich zulässig wäre, das Abwasser der projektierten Liegenschaft in einer privaten Kleinkläranlage aufzubereiten. Das Verwaltungsgericht sah sich deshalb seinerseits nicht vor diese Frage gestellt, wie es auch nicht zu prüfen hatte, ob allenfalls noch weitere, bis dahin nicht untersuchte Möglichkeiten einer Beseitigung der anfallenden Abwasser bestehen.
BGE 92 I 503 S. 516
4.
Wie sich aus § 1 AbwG in Verbindung mit den Bestim mungen des kantonalen Baugesetzes (vgl. § 96 Abs. 2 Ziff. 5, § 99 Abs. 3 und §§ 114 f.) ergibt, kann eine Baubewilligung erst erteilt werden, wenn die Beseitigung der Abwasser des Neubaues in einer den bestehenden Vorschriften entsprechenden Weise gesichert ist. Das trifft hier noch nicht zu. Das Verwaltungs gericht hat daher mit Fug erkannt, die Frage der sofortigen Erteilung der Baubewilligung stelle sich (noch) nicht. Da das Verwaltungsgericht hierüber keinen Entscheid zu treffen hatte, kann auf den in der staatsrechtlichen Beschwerde gestellten Antrag auf Rückweisung der Sache zur Erteilung der Baubewilligung nicht eingetreten werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
49783bf2-1219-4e2e-8097-c442cd606756 | Urteilskopf
118 V 200
26. Urteil vom 27. Oktober 1992 in Sachen X gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Art. 21 Abs. 1 und 21bis Abs. 2 IVG;
Art. 14 lit. a IVV
,
Art. 2 Abs. 2 und
Art. 9 Abs. 1 lit. a sowie Abs. 2 HVI
, Ziff. 10 Ingress und Ziff. 10.04* HVI-Anhang.
Soziallohnkomponenten schliessen die Annahme einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit im Sinne von Ziffer 10 Ingress HVI-Anhang in Verbindung mit
Art. 9 Abs. 1 lit. a HVI
nicht aus. | Sachverhalt
ab Seite 200
BGE 118 V 200 S. 200
A.-
X (geboren 1966), wohnhaft in Opfikon, welcher in der Firma S. die kaufmännische Lehre absolviert und sich am 11. Oktober 1986 eine Tetraplegie zugezogen hatte, kam auf Anmeldung vom 21./31. Oktober 1986 bei der Invalidenversicherung u.a. in den Genuss von beruflichen Massnahmen in Form einer betriebsinternen Aufbau- und Einarbeitungszeit im Bereich Finanzwesen/Anlageberatung bei der Niederlassung Glattbrugg der Firma S. in der Zeit vom 1. Juli 1988 bis 31. Juli 1990. Diese Massnahme war u.a. mit der Übernahme der Fahrstuhltaxi-Kosten für die täglichen Hin- und Rückfahrten vom Wohnort in Opfikon verbunden. Obwohl die
BGE 118 V 200 S. 201
Eingliederungsbemühungen gemäss dem Bericht der Regionalstelle in Zürich vom 15. Dezember 1989 nicht vollumfänglich zum angestrebten Erfolg führten, fand sich die Arbeitgeberin bereit, X weiterhin auf einer Salärbasis bis Ende 1990 von Fr. 45'000.-- zu beschäftigen (Schreiben vom 5. Oktober 1989), was sich bei dem vom Versicherten geleisteten zeitlichen Einsatz in einem Lohn von zunächst Fr. 883.-- monatlich niederschlug (Regionalstellenbericht vom 15. Dezember 1989). Durch Verfügung vom 22. Juni 1990 sprach die zuständige Ausgleichskasse X auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 75% eine ganze einfache Invalidenrente ab 1. Juli 1990 zu.
Am 9. Juni 1990 ersuchte X die Verwaltung um weitere Vergütung der Taxikosten (wie bisher im Rahmen der Eingliederung), obwohl sein monatliches Einkommen ab Juli 1990 voraussichtlich nur etwa Fr. 800.-- bis Fr. 1'000.-- betragen werde. Am 28. Juni 1990 teilte die Verwaltung ihm mit, solange er kein Erwerbseinkommen von mindestens Fr. 1'200.-- monatlich erziele, seien ab 1. Juli 1990 keine Leistungen seitens der Invalidenversicherung im Zusammenhang mit dem Arbeitsweg mehr möglich, weshalb die Ausgleichskasse des Kantons Zürich, nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens, die Übernahme der Reisekosten zur Überwindung des Arbeitsweges mit Verfügung vom 3. Januar 1991 ablehnte.
B.-
Hiegegen legte X Beschwerde an die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich ein. Er machte unter Einreichung des Lohnausweises für 1989/90 geltend, im zweiten Halbjahr 1990 Fr. 7'300.-- bei der Niederlassung Glattbrugg verdient zu haben, was einem monatlichen Einkommen von Fr. 1'216.65 entspreche; zufolge Übernahme zusätzlicher Aufgaben im Betrieb (Ausbildung von Lehrlingen) werde sein monatliches Einkommen 1991 auf Fr. 1'373.40 ansteigen, wodurch er die anspruchserhebliche Limite erfülle.
In der Vernehmlassung bezog sich die Verwaltung zur Begründung ihres Antrages, die Beschwerde sei abzuweisen, u.a. auf einen im Rentenrevisionsverfahren (welches keine anspruchsbeeinflussende Änderung ergab) eingeholten Bericht der Niederlassung Glattbrugg vom 11. Februar 1991, worin die Arbeitgeberin "ca. 50% von Fr. 21.80 per Stunde" als der Arbeitsleistung entsprechend bezeichnete und zur Begründung angab: "Aus Solidarität, da Herr X ein langjähriger Mitarbeiter ist." Da von dem seit August 1990 bis Februar 1991 monatlich bezogenen Durchschnitt von Fr. 1'270.-- nur
BGE 118 V 200 S. 202
rund 50% Leistungslohn seien, erziele der Versicherte, so die Verwaltung, kein existenzsicherndes Erwerbseinkommen, weshalb er nach wie vor keinen Anspruch auf Übernahme von Transportkosten habe.
In einer zusätzlichen Eingabe vom 25. Mai 1991 versuchte X, unter Berufung auf den Direktor der Niederlassung, darzutun, dass "die 50% Leistung meinerseits der Vergangenheit angehören (1988 bis Mitte 1990)", wogegen er nunmehr seit einigen Monaten qualifizierte Arbeiten mit Hilfe des PC zur vollsten Zufriedenheit seines Arbeitgebers erledige, so dass er ein "Leistungssalär" und "keine soziale Leistung" beziehe. Im entsprechenden Schreiben vom 26. Mai 1991 bezeichnete die Firma die von ihr im Arbeitgeberbericht angegebenen 50% als "Durchschnittswert bis heute"; hinsichtlich des Einsatzes direkt am PC attestierte die Arbeitgeberin X ein Leistungsvermögen von bis zu 90%, wobei er immer noch für die Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten auf die Hilfe Dritter angewiesen sei.
Die Rekurskommission nahm an, dass, selbst wenn auf die letzten Darlegungen der Arbeitgeberin abgestellt werde, für die Zeit ab Juli 1990 bis Ende 1990 kein monatlicher Leistungslohn von mindestens Fr. 1'200.-- aus der Tätigkeit in der Firma S., Niederlassung Glattbrugg, nachgewiesen sei; ob nach den Ausführungen der Firma über die in den letzten Monaten eingetretene Leistungssteigerung die Verhältnisse seither geändert hätten, könne dahingestellt bleiben, da dies nicht den massgeblichen Prüfungszeitraum beschlage. Aus diesen Erwägungen heraus wies die Rekurskommission die Beschwerde bezüglich des Anspruchs auf Vergütung der Taxikosten für die Zeit von Juli bis Dezember 1990 ab, und sie überwies die Akten an die Verwaltung zur Prüfung der Frage, ob 1991 ein Anspruch auf Beiträge an die Überwindung des Arbeitsweges entstanden sei (Entscheid vom 4. Juni 1992).
C.-
X lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag auf Aufhebung des kantonalen Entscheides und der angefochtenen Ablehnungsverfügung; sinngemäss beantragt er die Vergütung der Taxifahrten zur Überwindung des Arbeitsweges.
Während die Ausgleichskasse auf eine ablehnende Stellungnahme der Invalidenversicherungs-Kommission verweist, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Auf die Rechtsschriften der Parteien und des BSV wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
BGE 118 V 200 S. 203
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Kognition)
2.
a) Gestützt auf
Art. 21 Abs. 1 IVG
und
Art. 14 lit. a IVV
besteht nach Ziffer 10 HVI-Anhang Anspruch auf Abgabe von Motorfahrzeugen und Invalidenfahrzeugen für Versicherte, die voraussichtlich dauernd eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit ausüben und die zur Überwindung des Arbeitsweges auf ein persönliches Motorfahrzeug angewiesen sind und dieses gefahrlos bedienen können. Dazu zählen namentlich Automobile (Rz. 10.04* HVI-Anhang). Für die Abgabeform massgeblich ist
Art. 3 HVI
(leihweise oder zu Eigentum) und gegebenenfalls - gestützt auf
Art. 21bis Abs. 1 IVG
-
Art. 8 HVI
, welcher eine Kostenvergütung vorsieht, falls sich der Versicherte das Hilfsmittel selber anschafft.
b) Gemäss
Art. 21bis Abs. 2 IVG
in Verbindung mit
Art. 14 lit. c IVV
hat der Versicherte nach
Art. 9 Abs. 1 HVI
anderseits Anspruch auf Vergütung der ausgewiesenen invaliditätsbedingten Kosten für besondere Dienstleistungen, die von Dritten erbracht werden und anstelle eines Hilfsmittels u.a. notwendig sind, um den Arbeitsweg zu überwinden (
Art. 9 Abs. 1 lit. a HVI
). Dabei darf die monatliche Vergütung weder den Betrag des monatlichen Erwerbseinkommens des Versicherten noch den anderthalbfachen Mindestbetrag der ordentlichen einfachen Altersrente übersteigen (
Art. 9 Abs. 2 HVI
).
c) Ziffer 10 Ingress HVI-Anhang knüpft die gemäss Rz. 10.01* bis 10.05* abzugebenden Hilfsmittel an die Anspruchsvoraussetzung der voraussichtlich dauernden Ausübung einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit. Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Versicherte in der Lage ist, ein Einkommen in der Höhe des Mittelbetrages zwischen Minimum und Maximum der ordentlichen einfachen Altersrente monatlich zu erzielen (
BGE 110 V 269
Erw. 1c,
BGE 105 V 65
Erw. 2c).
Die Vorinstanz ist ohne weiteres davon ausgegangen, dass das Erfordernis einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit gemäss Ziffer 10 Ingress HVI-Anhang auch für den Anspruch auf Vergütung der Kosten aus Dienstleistungen Dritter gelte. Diese Betrachtungsweise trifft zu. Denn der Anspruch auf Vergütung der Kosten aus Dienstleistungen Dritter setzt voraus, dass der Versicherte sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für das in Frage stehende Hilfsmittel erfüllt, dieses jedoch aus Gründen, die in seiner Person liegen, nicht benützen kann (
BGE 112 V 11
), was Art. 9 Abs. 1 Ingress HVI übrigens mit der Wendung "und anstelle eines Hilfsmittels notwendig
BGE 118 V 200 S. 204
sind" zum Ausdruck bringt. Nur diese Auffassung wird dem subsidiären Charakter des Dienstleistungs-Vergütungsanspruches im Verhältnis zu den Hilfsmitteln gerecht: Nach der gesetzlichen Regelung ist der Anspruch auf Kostenvergütung für Dienstleistungen Dritter ausschliesslich substitutiver Natur (unveröffentlichtes Urteil C. vom 30. Januar 1991).
3.
a) Aufgrund der Akten darf davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im hier massgeblichen Prüfungszeitraum von Juli 1990 bis anfangs Januar 1991 durchschnittliche Arbeitseinkünfte in Höhe von Fr. 1'200.-- (dem bis Ende 1991 gültig gewesenen Mittelwert von Minimum und Maximum der vollen einfachen Altersrente) erzielt hat, und zwar bei der Niederlassung Glattbrugg, wohin der Arbeitsweg führt; der im Fragebogen für die Rentenrevision erwähnte Lohn von Fr. 500.-- betrifft einen Zusatzerwerb, was die Vorinstanz übersah. Dass die Einkünfte diese Grenze in einzelnen Monaten, namentlich bei Arbeitsbeginn, geringfügig unterschritten, tut keinen Abbruch, weil eine voraussichtlich dauernde existenzsichernde Erwerbstätigkeit auch dann anzunehmen ist, wenn die massgebende Einkommensgrenze invaliditätsbedingt vorübergehend (oder zunächst) unterschritten wird, aber damit gerechnet werden kann, dass sie innert verhältnismässig kurzer Zeit wieder erreicht wird (ZAK 1989 S. 562). Insbesondere die nach Verfügungserlass eingetretene positive Entwicklung des Arbeitsverhältnisses unterstreicht die Richtigkeit dieser Prognose im Zeitpunkt des Verfügungserlasses (
BGE 110 V 102
oben, mit Hinweis), weswegen sie berücksichtigt werden darf (
BGE 99 V 102
mit Hinweisen).
b) Anderseits steht nach der Aktenlage fest und kann, entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, nicht mit Erfolg bestritten werden, dass in den von der Firma S. ausbezahlten Entgelten, zumindest im Prüfungszeitraum des zweiten Halbjahres 1990, Soziallohnkomponenten enthalten sind, über deren Höhe die Auffassungen auseinandergehen. Wie es sich damit verhält, kann offenbleiben, weil der massgebliche Grenzwert jedenfalls nur dann eingehalten ist, wenn die gesamten Entgelte der Arbeitgeberin berücksichtigt werden können.
c) Es stellt sich damit die Frage, ob für die Annahme einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit nur jene Lohnbestandteile in Anschlag gebracht werden können, welche als adäquate Entschädigung der vom invaliden Versicherten erbrachten Leistung zu betrachten sind (Leistungslohn), wovon Vorinstanz und Durchführungsstelle, im Unterschied zum BSV, ausgehen.
BGE 118 V 200 S. 205
Zu prüfen ist zunächst der Wortlaut von Ziffer 10 Ingress HVI-Anhang, welcher, wie dargetan (Erw. 2c), in bezug auf das Erfordernis einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit auch für die Vergütung der Kosten von Dienstleistungen Dritter massgeblich ist. Die Erwerbstätigkeit muss existenzsichernd sein, d.h. sie muss ein Einkommen einbringen, welches dem Versicherten erlaubt, damit seinen Lebensunterhalt zu fristen. Diese Existenzsicherung wird dann bejaht, wenn die Tätigkeit dem Versicherten ein Einkommen in der Höhe des Mittelwertes zwischen Minimum und Maximum der einfachen Altersrente einbringt. Dagegen ist die Existenzsicherung nicht auf die Erwerbsfähigkeit bezogen, d.h. es wird nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht verlangt, dass der Versicherte imstande sein müsse, durch Leistungen, also durch Erbringung eines seiner (Rest-)Erwerbsfähigkeit entsprechenden Einsatzes, zumindest Fr. 1'200.-- zu verdienen.
Art. 9 Abs. 2 HVI
(Erw. 2b in fine) spricht nicht gegen diese Interpretation, weil es sich hiebei um eine Bemessungsvorschrift handelt und nicht um eine Normierung der Anspruchsvoraussetzung der existenzsichernden Tätigkeit. Es spielt ferner keine Rolle, ob der Versicherte ausschliesslich aus eigener Leistung oder aus eigener Leistung in Verbindung mit einem sozialen Entgegenkommen des Arbeitgebers in der Lage ist, sich seine Existenz zu sichern. Oder wie das BSV zutreffend sagt: "Das Erfordernis der existenzsichernden Erwerbstätigkeit hat zum Ziel, die Verhältnismässigkeit zwischen Mitteleinsatz der Invalidenversicherung und wirtschaftlichem Ergebnis sicherzustellen. Der Umstand, dass das Erwerbseinkommen eine Sozialkomponente enthält, ist dabei unerheblich." Sofern und soweit sich ein Arbeitgeber findet, der bereit ist, einen Versicherten in Höhe des geforderten Mittelwertes, aus welchen Gründen auch immer, zu entschädigen, gilt dessen Existenz im Sinne der Rechtsprechung als gesichert. Dass ein Arbeitgeber auf seine zuvorkommende Haltung zurückkommen kann, spricht nicht gegen diese Schlussfolgerung, weil jedes Arbeitsverhältnis, auch dasjenige, in welchem einem Behinderten nur Leistungslohn ausgerichtet wird, durch voraussetzungslose Kündigung seitens des Arbeitgebers aufgelöst werden kann.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich vom
BGE 118 V 200 S. 206
4. Juni 1992 und die angefochtene Verfügung aufgehoben, und es wird die Sache an die Ausgleichskasse des Kantons Zürich zurückgewiesen, damit sie über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Vergütung der Taxifahrkosten für die Überwindung des Arbeitsweges mit Wirkung ab Juli 1990 in masslicher Hinsicht verfüge. | null | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
497b94de-d944-475c-8760-1a9203bb4444 | Urteilskopf
84 II 265
37. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 3 juillet 1958 dans la cause Etat du Valais contre Rey. | Regeste
Art. 58 OR
.
Unterhaltsmangel einer Strasse, deren Fahrbahn zum Teil durch einen nachts nicht beleuchteten Kieshaufen in Anspruch genommen wird. | Erwägungen
ab Seite 265
BGE 84 II 265 S. 265
La route cantonale qui conduit de Sierre à Noës décrit, à la sortie de la première localité, un large tournant à gauche. Elle est, à cet endroit, bordée de murs de vignes et a une largeur de près de 8 m. Du côté extérieur de la courbe, elle comprend cependant une bande de 90 cm. de large qui n'est pas destinée à la circulation.
En automne 1953, le canton du Valais a fait déposer,
BGE 84 II 265 S. 266
à cet endroit, un long tas de gravier, qui avait environ 1 m. de largeur du côté de Noës et 1 m 40 en direction de Sierre. A cette dernière extrémité il empiétait donc sur la chaussée d'environ 50 cm. Cet obstacle n'était point signalé; en particulier, il n'était pas éclairé de nuit.
Appelé à juger si la route était affectée d'un défaut d'entretien selon l'art. 58 CO, le Tribunal fédéral a résolu cette question affirmativement, en se fondant sur les motifs suivants:
Il est de jurisprudence constante qu'une route est un ouvrage et que, si elle appartient à un canton, celui-ci répond, en vertu de l'art. 58 CO, des vices de construction et des défauts d'entretien dont elle est entachée (RO 72 II 201, 76 II 216, 78 II 152).
Un ouvrage présente un défaut lorsqu'il n'est pas entretenu d'une manière conforme à sa destination (RO 38 II 74, 58 II 360, 59 II 395, 72 II 201). Or une route cantonale, telle que celle qui conduit de Sierre à Noës, doit permettre une circulation aisée et relativement rapide. Elle ne saurait donc être encombrée d'obstacles. S'il n'est pas possible de les éviter, ils doivent en tout cas être dûment signalés. Ces conditions n'étaient pas remplies en l'espèce. A supposer que l'Etat du Valais ne disposât pas d'autre endroit pour entreposer son gravier, le dépôt aurait dû être aménagé de façon à ne pas empiéter sur la partie carrossable de la route, ou, à tout le moins, il eût fallu le signaler et l'éclairer de nuit. Cet obstacle était d'autant plus dangereux qu'il se trouvait dans une courbe. Dès lors, la route était, à l'endroit de l'accident, entachée d'un défaut d'entretien selon l'art. 58 CO. | public_law | nan | fr | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
497dcd4a-d6c7-43cd-813b-6a618b761bab | Urteilskopf
125 II 624
62. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 29 octobre 1999 dans la cause Société suisse de radiodiffusion et télévision (SSR) contre Autorité indépendante d'examen des plaintes en matière de radio-télévision et Franz Weber (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 58 Abs. 2 RTVG
und
Art. 60 Abs. 1 RTVG
; Zugang zum Medium Fernsehen: "Recht auf Antenne"; Zuständigkeit der Unabhängigen Beschwerdeinstanz; Nichtausstrahlung einer Information (Zustandekommen einer kantonalen Initiative).
Unzuständigkeit der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Streitigkeiten betreffend den - von bereits ausgestrahlten Sendungen zu unterscheidenden - Problemkreis des Zugangs Einzelner zu den Medien an sich (sog. Recht auf Antenne). Überweisung der Sache an das zuständige Departement (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 625
BGE 125 II 624 S. 625
Franz Weber, président de l'association Helvetia Nostra, a organisé, le 11 mars 1998, une conférence de presse, au cours de laquelle il a annoncé le résultat de la récolte des signatures pour l'initiative populaire cantonale "Sauver le pied du Jura", qui avait abouti. Le journaliste de la Télévision suisse romande (TSR), présent à la conférence de presse, a interviewé Franz Weber. Mais la TSR n'a diffusé ni cette interview ni n'a relaté la nouvelle de l'aboutissement de cette initiative dans son émission d'actualités régionales "Vaud-Région" du 11 mars 1998.
Le 12 mars 1998, l'association Helvetia Nostra a diffusé un communiqué de presse intitulé "L'initiative `Sauver le pied du Jura': 19'650 signatures!". Mais la TSR n'a fait aucune mention de cette information.
Le 3 juillet 1998, Franz Weber a porté plainte contre la TSR auprès de l'Autorité indépendante d'examen des plaintes en matière de radio-télévision (ci-après: l'Autorité de plainte), avec l'appui de vingt-sept cosignataires. Il se plaignait de ce qu'un événement important de la vie politique vaudoise ait été passé sous silence par la TSR, sans toutefois contester une émission en particulier. Le 7 juillet 1998, il a déposé une écriture complémentaire.
Par décision du 22 octobre 1998, l'Autorité de plainte a admis la plainte dans la mesure où elle était recevable et constaté que l'émission "Vaud-Région" diffusée le 11 mars 1998 par la TSR avait violé l'art. 4 al. 1 de la loi fédérale du 21 juin 1991 sur la radio et la télévision (LRTV; RS 784.40) en omettant de relater la nouvelle de l'aboutissement de l'initiative en question.
BGE 125 II 624 S. 626
Agissant par la voie du recours de droit administratif, la Société suisse de radiodiffusion et télévision (SSR) demande au Tribunal fédéral d'annuler la décision de l'Autorité de plainte du 22 octobre 1998.
Le Tribunal fédéral a admis le recours et transmis la cause au Département fédéral de l'environnement, des transports, de l'énergie et de la communication.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
La recourante soutient que l'Autorité de plainte n'aurait pas dû entrer en matière sur la plainte déposée par Franz Weber, dans la mesure où celle-ci n'était pas dirigée contre une émission diffusée.
a) L'Autorité de plainte est habilitée à statuer sur les plaintes relatives à des émissions qui ont été diffusées (art. 58 al. 2 et 60 al. 1 LRTV; cf. aussi Message du Conseil fédéral du 28 septembre 1987 relatif à la LRTV, FF 1987 III 688). Conformément aux principes de l'indépendance et de l'autonomie de la radio et de la télévision consacrés par les
art. 55bis al. 3 Cst.
, 5 al. 1 et 56 al. 1er LRTV, les diffuseurs conçoivent librement les programmes. Nul ne peut se prévaloir de la loi sur la radio et la télévision pour exiger du diffuseur la diffusion d'une production ou d'une information déterminée (
art. 5 al. 3 LRTV
). D'une manière générale, il n'existe donc en principe pas de droit à l'antenne (
ATF 119 Ib 241
ss, 250 ss; cf. récemment
ATF 123 II 402
consid. 2b/cc et 3b). Il en découle que la surveillance de l'Autorité de plainte ne peut pas s'exercer à titre préventif. L'autorité en question n'a aucun droit de regard au stade de la préparation des programmes. Le contrôle intervient uniquement a posteriori. Autrement dit, il ne porte que sur des émissions déjà diffusées à l'antenne (DENIS BARRELET, Droit de la communication, Berne 1998, n. 723, p. 206). En limitant le contrôle de l'Autorité de plainte aux seules émissions déjà diffusées, le législateur fédéral a voulu exclure toute censure préalable de la part d'un organe étatique (Message du Conseil fédéral du 8 juillet 1981 sur la création d'une autorité indépendante d'examen des plaintes en matière de radio-télévision, FF 1981 III 110. Voir aussi, MARTIN DUMERMUTH, Die Programmaufsicht bei Radio und Fernsehen in der Schweiz, Bâle et Francfort-sur-le-Main 1992, n. 5.8.3, p. 181 s.; MARTIN DUMERMUTH, Rundfunkrecht, in: Koller/Müller/Rhinow/Zimmerli [éd.], Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bâle 1996, n. 443 à 449, p. 184 ss).
BGE 125 II 624 S. 627
Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, l'Autorité de plainte est ainsi incompétente pour trancher les litiges où le droit d'accès aux médias est en cause en dehors de toute émission déjà diffusée. En pareils cas, c'est la Société suisse de radiodiffusion et télévision (SSR) qui est compétente pour rendre des décisions sur le "droit à l'antenne" susceptibles de recours au département concerné, puis au Tribunal fédéral, indépendamment des doutes que l'on pourrait avoir au sujet d'un tel droit (
ATF 119 Ib 241
consid. 2 et 3 et les références citées. Voir aussi BERNARD CORBOZ, Le contrôle populaire des émissions de la radio et de la télévision, Mélanges Patry, Lausanne 1988, p. 283; DUMERMUTH, op.cit., Rundfunkrecht, n. 123, p. 52).
b) En l'occurrence, le litige porte sur le refus de la TSR de diffuser la nouvelle de l'aboutissement de l'initiative populaire cantonale "Sauver le pied du Jura". Il s'agit là d'une contestation où le droit d'accès aux médias est en cause en dehors de toute émission diffusée. La plainte du 3 juillet 1998 déposée par Franz Weber devant l'Autorité de plainte n'était d'ailleurs pas dirigée contre une émission diffusée. Elle ne visait pas, en particulier, l'émission d'actualités "Vaud-Région" diffusée le 11 mars 1998 par la TSR. Le plaignant ne critiquait pas le contenu d'une émission déterminée, mais reprochait à la TSR d'avoir refusé "d'informer le public sur un événement politique important tel que l'aboutissement d'une initiative populaire. Par ce refus, elle boycotte les moyens de la démocratie directe [...]". Dans une écriture complémentaire datée du 7 juillet 1998, le plaignant a en outre expressément indiqué, par l'intermédiaire de son conseil, que la "plainte ne porte pas sur une émission, mais sur le refus d'informer sur un fait important touchant à la démocratie directe". C'est donc à tort que l'Autorité de plainte a considéré que la plainte en question avait trait à l'émission d'actualités "Vaud-Région" diffusée le 11 mars 1998 - non contestée par le plaignant - et qu'elle a reconnu sa compétence pour connaître de cette affaire. En d'autres termes, elle n'aurait pas dû se saisir de ladite plainte, mais transmettre le cas échéant la cause au Département fédéral de l'environnement, des transports, de l'énergie et de la communication.
c) Même si Franz Weber avait formellement contesté l'émission d'actualités "Vaud-Région" diffusée le 11 mars 1998 par la TSR, l'Autorité de plainte n'aurait pas non plus été forcément compétente pour examiner si l'omission de relater l'aboutissement de l'initiative en question était conforme au droit des programmes. En effet, l'Autorité de plainte n'est pas compétente pour se prononcer sur les
BGE 125 II 624 S. 628
différends relatifs au droit à l'antenne (cf. consid. 3a ci-dessus). La non-diffusion d'une information ne peut être contestée devant l'Autorité de plainte que pour autant que cette omission soit de nature à affecter le contenu proprement dit de l'émission diffusée (ce qui a été dit et montré à l'antenne). Tel serait notamment le cas si, dans une émission d'information, un événement était présenté de manière partiale ou incomplète. Or de tels reproches n'ont pas été adressés à l'encontre de l'émission du 11 mars 1998. De plus, à supposer qu'elle ait été formellement désignée par Franz Weber, cette émission n'a pas été visionnée par l'Autorité de plainte; cela montre que le litige en cause n'avait rien à voir avec le contenu de cette émission diffusée, qualifiée d'illégale par l'Autorité de plainte. | public_law | nan | fr | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
497f8e8a-ef7b-4e9c-b524-62f6fdd4c685 | Urteilskopf
110 II 476
90. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Oktober 1984 i.S. W. X. AG gegen Eidgenössische Versicherungs-Aktiengesellschaft und "Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (Berufung) | Regeste
Art. 418u Abs. 1 OR
, Verweigerung des Anspruchs auf Kundschaftsentschädigung wegen Unbilligkeit.
Gestützt auf die Billigkeitsklausel von
Art. 418u Abs. 1 OR
kann der Richter die Kundschaftsentschädigung nicht nur herabsetzen, sondern verweigern, wenn sie durch Altersvorsorgeleistungen des Auftraggebers zugunsten des Agenten abgegolten worden ist. | Sachverhalt
ab Seite 477
BGE 110 II 476 S. 477
Die W. X. & Co. wurde 1970 als Rechtsnachfolgerin der von W. X. als Einzelfirma betriebenen Versicherungsagentur gegründet. Die Kollektivgesellschaft betätigte sich als Generalagentin für die Eidgenössische Versicherungs-Aktiengesellschaft und die "Winterthur" Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft AG. Gesellschafter waren W. X. sowie zwei seiner Söhne. Im Hinblick auf das altersbedingte Ausscheiden von W. X. und die Weiterführung der Agentur durch die Söhne führte die Kollektivgesellschaft mit der Regionaldirektion der "Winterthur" seit 1977 Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Agenturvertrages. Nachdem diese gescheitert waren, kündigte die Kollektivgesellschaft die Agenturverträge mit den beiden Versicherungsgesellschaften auf 31. Juli bzw. 30. Juni 1979. Die Vertragsverhältnisse wurden dann aber in gegenseitigem Einverständnis per 7. Mai 1979 aufgehoben. Am 4. Juli 1979 wurde die Kollektivgesellschaft aufgelöst; deren Aktiven und Passiven übernahm die neu gegründete W. X. AG. Seit Juli 1979 ist die W. X. AG als Agentin für die Zürich-Versicherungsgesellschaft tätig.
Im April 1980 erhob die W. X. AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die Eidgenössische Versicherungs-Aktiengesellschaft (Beklagte 1) und die "Winterthur" (Beklagte 2) mit der Begründung, Anspruch auf Kundschaftsentschädigungen und auf Nachzahlung bestimmter Provisionen zu haben. Von der Beklagten 2 verlangte sie insbesondere eine Kundschaftsentschädigung von Fr. 244'646.45.
BGE 110 II 476 S. 478
Mit Urteil vom 14. November 1983 wies das Handelsgericht beide Klagen ab.
Dieses Urteil focht die Klägerin mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde an, auf die das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 13. April 1984 mit der Begründung nicht eintrat, alle damit erhobenen Rügen könnten mit der Berufung beim Bundesgericht geltend gemacht werden.
Die Klägerin legte gegen das Urteil des Handelsgerichts Berufung ein, die aus Gründen, die im veröffentlichten Teil des Entscheides nicht wiedergegeben werden, teilweise gutgeheissen wurde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 418u Abs. 1 OR
hat der Agent, soweit es nicht unbillig ist, Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, wenn durch seine Tätigkeit der Kundenkreis des Auftraggebers wesentlich erweitert worden ist und diesem aus der Geschäftsverbindung mit der geworbenen Kundschaft auch nach Auflösung des Agenturverhältnisses erhebliche Vorteile erwachsen. Der Anspruch besteht nicht, wenn der Agenturvertrag aus einem vom Agenten zu vertretenden Grund aufgelöst worden ist (
Art. 418u Abs. 3 OR
).
Das Handelsgericht verweigert den gegenüber der Beklagten 2 geltend gemachten Anspruch auf eine Kundschaftsentschädigung von Fr. 244'646.45 mit der Begründung, die Klägerin habe die Kündigung des Agenturvertrags mit der Beklagten 2 selbst zu vertreten; es führt überdies in einer Eventualerwägung aus, der Zuspruch der Entschädigung sei unbillig, weil sie durch Altersvorsorgeleistungen der Beklagten 2 zugunsten von W. X. abgegolten worden sei. Mit der Berufung werden beide Begründungen angefochten. Da sich zeigen wird, dass die Eventualerwägung Bundesrecht nicht verletzt, braucht auf die Hauptbegründung nicht eingegangen zu werden.
3.
Das Handelsgericht hält fest, es sei unbestritten, dass der Kundenkreis der Beklagten 2 durch die Tätigkeit der Kollektivgesellschaft wesentlich erweitert worden sei und ihr aus der Geschäftsverbindung mit der angeworbenen Kundschaft auch nach Auflösung des Agenturverhältnisses erhebliche Vorteile erwüchsen. Deren Wert bemisst es auf Fr. 500'000.--. Im angefochtenen Urteil wird weiter ausgeführt, der am 10. Oktober 1982 verstorbene W. X. habe von der Pensionskasse für Agenten der Beklagten 2
BGE 110 II 476 S. 479
seit 1. März 1978 eine Rente von jährlich Fr. 51'000.-- bezogen. Zur Zeit der Auflösung des Agenturvertrags habe der Barwert der Rente nach der Berechnung der Beklagten 2 Fr. 732'107.-- betragen; davon seien die persönlichen Beiträge des W. X. von Fr. 33'771.60 abzuziehen. Bei der Aufrechnung mit dem Wert der angeworbenen Kundschaft stellt das Handelsgericht dann aber auf die Behauptung der Klägerin ab, dass der Barwert der Rente, welcher den Leistungen der Beklagten 2 entspreche, nur rund Fr. 600'000.-- betrage.
Mit der Berufung werden diese Annahmen betragsmässig nicht in Frage gestellt. Die Klägerin macht lediglich darauf aufmerksam, dass sie von der Beklagten 2 unter dem Titel der Kundschaftsentschädigung nur Fr. 244'646.45 verlange, also bedeutend weniger als ihr grundsätzlich zustehen würde.
a) Die Klägerin wirft dem Handelsgericht die Verletzung von
Art. 418u Abs. 1 OR
sowie
Art. 2 und 4 ZGB
vor. Sie vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen für die Verweigerung der Kundschaftsentschädigung wegen Unbilligkeit seien im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, auf die sich das Handelsgericht beruft, kann bei der Beurteilung, ob der Zuspruch einer Kundschaftsentschädigung unbillig ist, berücksichtigt werden, dass der Agent besonders hohe Vergütungen erhalten hat, dass das Vertragsverhältnis lange gedauert hat oder der Auftraggeber besonders günstige Fürsorgeleistungen erbracht hat (
BGE 103 II 286
;
BGE 84 II 533
, 541). Die Vorinstanz stellt ausschliesslich auf die Leistungen für die Altersvorsorge von W. X. ab und lässt offen, ob andere Umstände wie insbesondere die nach Behauptung der Beklagten 2 ungewöhnlich hohen Provisionssätze den Zuspruch einer Kundschaftsentschädigung ebenfalls als unbillig erscheinen liessen. In der Literatur ist die Ansicht vorherrschend, dass Vorsorgeleistungen des Auftraggebers an den Agenten unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu berücksichtigen sind (J.-C. BURNAND, Le contrat d'agence et le droit de l'agent d'assurances à une indemnité de clientèle, Diss. Lausanne 1977, S. 118 f.; KURT BRUNNER, Das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Vermittlungsagent und seine Drittwirkungen, Diss. Zürich 1981, S. 240; GERHARD HORST LEISS, Der Anspruch des Agenten auf Entschädigung für die Kundschaft in rechtsvergleichender Darstellung, Diss. Bern 1965, S. 134; MEIER/MEYER-MARSILIUS, Der Agenturvertrag, 2. Auflage, S. 78; JEAN-MARIE HANGARTNER, in
BGE 110 II 476 S. 480
Schweiz. Versicherungs-Zeitschrift 1958/59, S. 281, mit Hinweisen auf die ältere Literatur). Die gleiche Meinung wurde bei den parlamentarischen Beratungen vertreten (Sten.Bull. 1948 N 770). Rechtsvergleichend ist von Interesse, dass die Praxis des Deutschen Bundesgerichtshofes zu § 89b Abs. 1 HGB, der inhaltlich
Art. 418u Abs. 1 OR
entspricht, damit übereinstimmt. Danach können Leistungen des Unternehmers zum Zweck der Altersversorgung des Handelsvertreters ganz oder teilweise auf den Ausgleichsanspruch angerechnet werden (Urteile des BGHZ vom 23. Juni 1966, 19. November 1970 und 18. Februar 1982, in Entscheide des BGHZ Bd. 45 S. 268 ff., Bd. 55 S. 45 ff. und in NJW 1982 S. 1814). Im übrigen wird die Anrechenbarkeit derartiger Vorsorgeleistungen mit der Berufung dem Grundsatz nach gar nicht bestritten. Es erübrigen sich daher Ausführungen zur Frage, welche anderen Umstände im vorliegenden Fall von Bedeutung sein könnten und ob sie auch in ihrer Gesamtheit betrachtet die Verweigerung der Kundschaftsentschädigung wegen Unbilligkeit rechtfertigen würden.
b) Die Klägerin hält die Anrechnung der Vorsorgeleistungen für unzulässig, weil Ansprecherin der Kundschaftsentschädigung die Kollektivgesellschaft bzw. sie selbst als deren Rechtsnachfolgerin und nicht W. X. persönlich sei. Seine Söhne hätten als Mitgesellschafter seit 1970 erheblich zur Erweiterung des Kundenkreises beigetragen. Jeder sei in der Bearbeitung der Kundschaft selbständig gewesen und habe seinen eigenen Kundenkreis besessen, den er auch selbst erarbeitet habe. Aus der Produktionsstatistik für das Jahr 1978 ergebe sich zum Beispiel, dass 72,9% der neu vermittelten Geschäfte auf die Söhne entfallen seien. Die Vorsorgeleistungen an W. X. könnten deshalb, wenn überhaupt, nur zum Teil berücksichtigt werden. Der Barwert der Rente für W. X. betrage Fr. 600'000.--, während sich die Leistungen für die Altersvorsorge der Söhne lediglich auf Fr. 4'135.-- bzw. Fr. 4'564.-- beliefen, demnach unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit nicht ins Gewicht fielen.
Obschon die Vorsorgeansprüche nicht der Kollektivgesellschaft, sondern den einzelnen Gesellschaftern zustanden und die Aufwendungen für die Söhne gering waren, ist es in Anbetracht der besonderen Umstände des vorliegenden Falles gerechtfertigt, die Vorsorgeleistungen der Beklagten 2 für W. X. gesamthaft dem von der Kollektivgesellschaft für die Beklagte 2 erwirtschafteten Vorteil gegenüberzustellen. Denn mit der Gewährleistung einer reichlich
BGE 110 II 476 S. 481
bemessenen Pension für W. X. hat die Beklagte 2 unmittelbar auch der Kollektivgesellschaft bzw. der Klägerin einen Vorteil erbracht, ist doch anzunehmen, dass ein derartiger Familienbetrieb andernfalls selbst für die Alterssicherung seines Seniorchefs erhebliche Auslagen gehabt hätte. Aus diesem Grunde braucht nicht untersucht zu werden, ob der Beitrag der Söhne an die Erweiterung des Kundenstammes durch die Vorsorgeleistungen der Beklagten 2 an die Söhne selbst hinreichend abgegolten worden ist. Für diese Betrachtungsweise spricht auch der im Urteil des Deutschen Bundesgerichtshofes vom 18. Februar 1982 hervorgehobene unmittelbare Zusammenhang zwischen der Versorgungszusage des Auftraggebers an einen einzelnen Gesellschafter und dem Agenturvertrag mit der Gesellschaft (NJW 1982 S. 1814).
c) Die Klägerin bringt im weitern vor, entgegen der Auffassung des Handelsgerichts sei nicht auf den Barwert der Rente abzustellen, weil der am 10. Oktober 1982 verstorbene W. X. die Altersrente nur kurze Zeit bezogen habe. Der Vorinstanz ist indes beizustimmen, dass der Barwert der Rente im Zeitpunkt der Pensionierung abzüglich der persönlichen Beiträge von W. X. massgebend sein muss, denn damit kann der Wert der Leistungen, welche die Beklagte 2 im Hinblick auf die Alterssicherung von Vater X. erbracht hat, am besten erfasst werden. Dass der Barwert nicht nach den üblichen Grundsätzen hätte berechnet werden dürfen, wird mit der Berufung nicht behauptet. Im übrigen hat das Handelsgericht dem Standpunkt der Klägerin insoweit Rechnung getragen, als es zu ihren Gunsten am Wert der Rente, wie er von der Beklagten 2 berechnet worden ist, einen Abzug von rund Fr. 100'000.-- vorgenommen hat.
d) Die Klägerin macht sodann geltend, was ehemals als "besonders günstige Fürsorgeleistung" gegolten habe, sei heute mit dem Ausbau der Pensionskassen üblich geworden; bei der Beurteilung der Billigkeit von Kundschaftsentschädigungen seien die Massstäbe daher anders als früher anzulegen.
Wie es sich damit verhält, braucht im vorliegenden Fall nicht allgemein entschieden zu werden. Wie bereits erwähnt, bestreitet die Klägerin nicht, dass die Beiträge von W. X. an die Pensionskasse lediglich Fr. 33'771.60 betragen haben. Dies und der Umstand, dass die Kollektivgesellschaft während mehreren Jahren auch nach Auffassung der Klägerin angemessene Provisionen beziehen konnte, rechtfertigt es jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen, die Vorsorgeleistungen uneingeschränkt zu berücksichtigen.
BGE 110 II 476 S. 482
e) Die Klägerin wendet schliesslich ein, das Handelsgericht hätte die Kundschaftsentschädigung gestützt auf die Billigkeitsklausel nicht verweigern, sondern nur herabsetzen dürfen. Zur Begründung ihres Einwandes beruft sie sich auf die ratio legis von
Art. 418u Abs. 1 OR
und die Meinung von GAUTSCHI (N. 4 zu
Art. 418u Abs. 1 OR
).
Die Stellungnahme GAUTSCHIS kann jedoch von vornherein nicht massgebend sein, denn er hält die Billigkeitsklausel für überflüssig, widersprüchlich und absurd (N. 4b und c zu
Art. 418u Abs. 1 OR
). Seine grundlegende Kritik hilft nicht weiter, wenn es darum geht, den Sinn dieser Klausel zu bestimmen und die Frage zu beantworten, ob der Gesetzgeber damit dem Richter die Möglichkeit geben wollte, die Kundschaftsentschädigung nicht nur herabzusetzen, sondern ganz zu verweigern. Andere Autoren halten die Verweigerung der Entschädigung für zulässig. So MEIER/MEYER-MARSILIUS, die in Anlehnung an die bereits erwähnte Rechtsprechung des Deutschen Bundesgerichtshofes davon ausgehen, dass der Anspruch dahinfallen kann, wenn der Kapitalwert der Altersrente dessen Höhe übersteigt (a.a.O., S. 78 N. 18). LEISS führt aus, gegen die Billigkeit sprechende Umstände rechtfertigten in der Regel nur eine Herabsetzung, könnten aber in Ausnahmefällen zum Wegfall des Anspruchs führen (a.a.O., S. 134). Die Stellungnahme von BURNAND ist unklar; er schreibt zunächst, eine Kundschaftsentschädigung sei nicht gerechtfertigt, wenn der Agent in irgendeiner Form für seine Leistung hinreichend entschädigt worden sei, spricht dann aber nur noch von einer Herabsetzung (a.a.O., S. 118). BRUNNER scheint lediglich eine Reduktion für zulässig zu halten (a.a.O., S. 239 ff.). Eine einheitliche Lehrmeinung besteht somit nicht.
Der Wortlaut von
Art. 418u Abs. 1 OR
lässt die Auslegung des Handelsgerichts ohne weiteres zu. Auch die Äusserungen in den parlamentarischen Beratungen sprechen nicht dagegen. Die Billigkeitsklausel, die im Entwurf des Bundesrates nicht enthalten war, geht auf einen Vorschlag der Kommission des Nationalrates zurück. Péclard, Berichterstatter der Kommission, bezeichnete die Billigkeitsklausel als Sicherheitsventil, das den Gerichten ermöglichen solle, sich den Forderungen von Agenten zu widersetzen, die den Anspruch auf Kundschaftsentschädigung zu missbrauchen versuchten (Sten.Bull. 1948 N 9). Der Ständerat hatte zunächst über die Bestimmung in der Fassung des bundesrätlichen Entwurfs beraten, sie dann aber nach Rückweisung an die Kommission in
BGE 110 II 476 S. 483
der vom Nationalrat geänderten Fassung angenommen, wobei lediglich die Formulierung "soweit die Billigkeit es verlangt" durch "soweit es nicht unbillig ist" ersetzt wurde. Stüssi, Berichterstatter im Ständerat, hatte vor der Rückweisung darauf hingewiesen, dass in bestimmten Fällen der Zuspruch einer Kundschaftsentschädigung stossend sei (Sten.Bull. 1948 S 64). Bei der abschliessenden zweiten Beratung hatte er dann erläutert, unbillig könne es sein, einen Anspruch zu stellen, wenn zum Beispiel besondere Verhältnisse beim Auftraggeber oder beim Agenten vorlägen, welche eine Abfindung sinn- oder zweckwidrig machten, oder wenn dem Agenten anderweitige Vergünstigungen oder Vorteile durch den Auftraggeber zukämen (Sten.Bull. 1948 S 250). Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass Stüssi - ähnlich wie Péclard - der Meinung war, die Billigkeitsklausel ermögliche es dem Richter, die Kundschaftsentschädigung nicht nur herabzusetzen, sondern zu verweigern, wenn zwar die übrigen Voraussetzungen von
Art. 418u Abs. 1 OR
gegeben sind, der Agent aber aus anderen Gründen für die dem Auftraggeber erbrachte Leistung genügend entschädigt worden ist.
Die parlamentarischen Beratungen zeigen eindeutig, dass der Richter gestützt auf die Billigkeitsklausel die in
Art. 418u Abs. 1 OR
aufgezählten Anspruchsvoraussetzungen erweitern kann; der Einwand der Klägerin, die Klausel berühre nur das Anspruchsquantitativ, trifft daher nicht zu. Auch der Sinn dieser Klausel verbietet nicht, die Kundschaftsentschädigung mit der Begründung, sie sei durch Vorsorgeleistungen des Auftraggebers abgegolten worden, ganz zu verweigern. Dass diese Zuwendungen nach Rechtsprechung und herrschender Lehre zu berücksichtigen sind, ist bereits dargelegt worden. Wie die Äusserungen im Parlament belegen, sollte mit der Billigkeitsklausel insbesondere verhindert werden, dass eine Kundschaftsentschädigung in Fällen ausgezahlt werden muss, wo die Vorteile des Auftraggebers aus der Erweiterung des Kundenkreises durch seine Leistungen an den Agenten aufgewogen werden, also bereits ein Gleichgewicht zwischen den gegenseitigen Leistungen der Vertragspartner besteht. Das Handelsgericht hat somit den Sinn und Zweck von
Art. 418u Abs. 1 OR
nicht verkannt. | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49823342-b9b6-4ed7-a9a3-18a39853f521 | Urteilskopf
118 IV 359
62. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Oktober 1992 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Betrug (
Art. 148 StGB
). Arglist; Vorspiegelung des Erfüllungswillens.
Die Vortäuschung des Erfüllungswillens ist nicht in jedem Fall arglistig. Dieser lässt sich unter Umständen indirekt durch Nachforschungen über die Erfüllungsfähigkeit überprüfen. Auf mangelnden Erfüllungswillen lässt sich gegebenenfalls auch schliessen, wenn der Täuschende schon früher Verpflichtungen nicht nachgekommen ist (Präzisierung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 360
BGE 118 IV 359 S. 360
A.-
M. schloss am 10. Juni 1987 mit der Firma S., handelnd durch B., einen als "Beratungs- und Vermittlungsauftrag" bezeichneten Vertrag ab. Darin verpflichtete er sich, in bezug auf eine Kreditbeschaffung für die S. in der Höhe von 30 Mio. Franken tätig zu werden. Die S. zahlte M. in Erfüllung des Vertrages am 11. Juni 1987 den Betrag von Fr. 20'000.-- und am 24. Juli 1987, nachdem M. zugesichert hatte, die Auszahlung des Kredits stehe unmittelbar bevor, den Betrag von Fr. 12'500.--. M. erfüllte den Vertrag nicht. Er machte in der Folge geltend, er habe den Kredit deshalb nicht erhältlich machen können, weil die S. keine Bankgarantie beigebracht habe.
B.-
Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich verurteilte M. am 9. Oktober 1991 wegen mehrfachen Betrugs zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von 12 Monaten.
C.-
Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 148 Abs. 1 StGB
macht sich des Betruges schuldig, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder den Irrtum eines andern arglistig benutzt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist Arglist gegeben, wenn der Täter zur Täuschung eines andern ein ganzes Lügengebäude errichtet oder besondere Kniffe (manoeuvres frauduleuses) anwendet, aber auch dann, wenn er bloss falsche Angaben macht, deren Überprüfung nicht oder nur mit besonderer Mühe möglich oder nicht
BGE 118 IV 359 S. 361
zumutbar ist, sowie dann, wenn er den Getäuschten von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass jener die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde (
BGE 110 IV 23
E. 4,
BGE 107 IV 170
E. 2 mit Hinweisen).
Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof verbindlich fest, dass der Beschwerdeführer von Anbeginn nicht gewillt war, seinerseits den Vertrag zu erfüllen.
Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Vorspiegelung des Leistungswillens arglistig im Sinne von
Art. 148 StGB
, weil sie eine innere Tatsache betrifft, die vom Vertragspartner ihrem Wesen nach nicht überprüft werden kann (
BGE 73 IV 226
,
BGE 93 IV 15
,
BGE 101 Ia 613
; nicht publizierte Urteile des Kassationshofes vom 30. September 1988 i.S. I., vom 26. April 1988 i.S. D. usw., vom 16. Juni 1987 i.S. B.; ARDINAY, Der Betrug nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch, ZStrR 86/1970 S. 236, 281).
Die Vortäuschung des Erfüllungswillens ist allerdings nicht in jedem Fall, eo ipso, arglistig. Vielmehr sind Ausnahmen möglich. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung bedarf insoweit einer Präzisierung. Das Argument, der Erfüllungswille sei als innere Tatsache wesensgemäss nicht überprüfbar und die Vortäuschung des Erfüllungswillens sei daher arglistig, erscheint als zu schematisch. Die Behauptung des Erfüllungswillens kann nämlich unter Umständen indirekt, mittels Nachforschungen über die Erfüllungsfähigkeit, überprüfbar sein. Wer zur Erfüllung ganz offensichtlich nicht fähig ist, kann auch keinen ernsthaften Erfüllungswillen haben. Die Unmöglichkeit einer direkten Überprüfung des Erfüllungswillens kann nicht zur Bejahung der Arglist führen, wenn sich aus der möglichen und zumutbaren Überprüfung der Erfüllungsfähigkeit ergeben hätte, dass der andere nicht erfüllungsfähig war (vgl. SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht,
Art. 148 N 46
). Auf das Fehlen des Erfüllungswillens des andern kann sodann unter Umständen auch dann geschlossen werden, wenn dieser in der Vergangenheit schon wiederholt die von ihm eingegangenen Pflichten nicht erfüllt hat, z.B. bei derselben Unternehmung mehrmals Waren bestellt hat, ohne je zu zahlen (TRECHSEL, Kurzkommentar,
Art. 148 StGB
N 9 mit Hinweis auf ein Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 18. September 1984, wiedergegeben in LGVE 1984 I Nr. 41).
Den Vertretern der S. war es indessen auch nicht möglich bzw. nicht zumutbar, Nachforschungen darüber anzustellen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich über die von ihm behaupteten engen
BGE 118 IV 359 S. 362
Kontakte zu finanzkräftigen, investitionswilligen arabischen Kreisen verfügte. Die Vertreter der S. musste es auch keineswegs stutzig machen, dass der Beschwerdeführer seine angeblichen Verbindungen geheimhielt, ist es nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil doch bei solchen Kreditgeschäften durchaus üblich, dass der Vermittler seine Beziehungen nicht offen darlegt, da er sonst befürchten muss, dass der Kreditsuchende direkten Kontakt mit dem Geldgeber aufnimmt. Das Verhalten der Vertreter der S. war entgegen den Einwänden in der Nichtigkeitsbeschwerde auch keineswegs derart leichtsinnig, dass von Arglist auf seiten des Beschwerdeführers nicht mehr gesprochen werden könnte. Die Besonderheit der Leistung, die der Beschwerdeführer zusicherte und sich durch Vorleistungen von seiten der S. vergüten liess, sollte ja gerade darin bestehen, dass er dank seiner angeblich ausgezeichneten Beziehungen zu finanzkräftigen, an Investitionen in Europa interessierten arabischen Kreisen der wenige Monate zuvor gegründeten S. auch ohne Vorlage einer Bankgarantie, allenfalls gegen Abtretung von (künftigen) Leasing- und Darlehensverträgen, einen Kredit über 30 Mio. Franken vermittle. Wohl hätten, wie in der Nichtigkeitsbeschwerde im weiteren eingewendet wird, die Vertreter der S. durch relativ einfache Nachforschungen allenfalls in Erfahrung bringen können, dass der Beschwerdeführer überschuldet war. Ob solche Nachforschungen Schlüsse in bezug auf den Willen und die Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Erfüllung des mit der S. abgeschlossenen Vertrages zugelassen bzw. aufgedrängt hätten, kann hier dahingestellt bleiben. Die Leistung, die der Beschwerdeführer zusicherte, war nicht derart aussergewöhnlich, dass sich Nachforschungen über dessen Seriosität geradezu aufgedrängt hätten.
Die Arglist im Sinne von
Art. 148 StGB
, die der Beschwerdeführer in seiner Nichtigkeitsbeschwerde einzig mit hinreichend substantiierter Begründung bestreitet, ist somit nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz gegeben. | null | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4984e951-44b9-447d-be42-87302c07ee83 | Urteilskopf
93 IV 99
25. Urteil des Kassationshofes vom 20. Oktober 1967 i.S. Gassmann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn. | Regeste
1.
Art. 270 Abs. 3 BStP
. Der Privatstrafkläger ist nicht befugt, gegen ein Urteil des solothurnischen Obergerichtes Nichtigkeitsbeschwerde zu führen, wenn der öffentliche Ankläger vor Obergericht hätte auftreten können (Erw. 1).
2.
Art. 13 Abs. 2 Satz 2 VRV
. Dieser Satz findet keine Anwendung auf Strassen, die in der Mitte mit einer Leitlinie versehen sind.
3.
Art. 36 Abs. 1 und 3 SVG
,
Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VRV
. Wer gegen die Strassenmitte einspurt, um nach links abzubiegen, darf die Leitlinie erst überfahren, wenn er die Gewissheit hat, ohne Beeinträchtigung des vortrittsberechtigten Gegenverkehrs abschwenken zu können (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 100
BGE 93 IV 99 S. 100
A.-
Gassmann führte am 26. März 1966, um 11 Uhr, einen Plymouth-Personenwagen auf der Baslerstrasse in Trimbach Richtung Olten. Er fuhr mit 40-45 km/Std und beabsichtigte, beim Gasthof "Rössli" nach links in die Milchgasse abzubiegen.
Die Baslerstrasse verläuft auf jener Strecke gerade, weist eine Breite von 10,55 m auf und ist in der Mitte mit einer Leitlinie versehen.
Gassmann betätigte schon 300 m vor der Abzweigung den Blinker und spurte nach links gegen die Strassenmitte ein. Als er der Verzweigung nahe war, überfuhr er die Leitlinie seitlich um etwa 20 cm und streifte dabei einen entgegenkommenden Saab-Personenwagen, der, von Lämmli gesteuert, soeben mit 60 km/Std zwei Radfahrer überholt hatte. Beide Wagen wurden erheblich beschädigt.
B.-
Der Gerichtspräsident von Olten-Gösgen büsste am 20. September 1966 Gassmann wegen Übertretung von
Art. 34 Abs. 1 SVG
sowie
Art. 13 Abs. 2 VRV
mit Fr. 30.-, Lämmli wegen Verletzung von
Art. 26 Abs. 2 SVG
mit Fr. 15.-.
BGE 93 IV 99 S. 101
Die Verurteilten erhoben Kassationsbeschwerde, die das Obergericht des Kantons Solothurn am 14. Dezember 1966 abwies. Das Obergericht nahm im Gegensatz zur ersten Instanz an, Gassmann habe nicht Art. 34 Abs. 1, dafür aber
Art. 36 Abs. 1 SVG
übertreten.
C.-
Gassmann führt gegen das Urteil des Obergerichtes Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht sinngemäss geltend, seine Verurteilung könne bei richtiger Auslegung von
Art. 13 Abs. 2 VRV
nicht aufrechterhalten werden. Lämmli habe übrigens ausser der Grundregel insbesondere noch
Art. 35 Abs. 2 SVG
übertreten. Zu prüfen sei ferner, ob die Mitfahrerin Lämmlis dadurch, dass sie die Unfallstelle vor Eintreffen der Polizei verliess, nicht gegen die Vorschriften über das Verhalten bei Unfällen verstossen habe.
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde auf eine schärfere Verurteilung Lämmlis und auf eine Bestrafung seiner Mitfahrerin abzielt, ist darauf nicht einzutreten. Widerhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften werden von Amtes wegen verfolgt. Der Beschwerdeführer ist daher nicht Antragsteller im Sinne von
Art. 270 Abs. 1 BStP
. Als Privatstrafkläger stände ihm aber nach Abs. 3 dieser Bestimmung die Nichtigkeitsbeschwerde nur zu, wenn er nach den Vorschriften des kantonalen Prozessrechtes die Anklage allein, ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers, geführt hätte. Das war offensichtlich nicht der Fall, beschränkte der Beschwerdeführer sich im kantonalen Kassationsverfahren doch darauf, seine eigene Verurteilung anzufechten.
Dass der öffentliche Ankläger im Verfahren nicht aufgetreten ist, ändert nichts; nach der Rechtsprechung genügt, dass er hätte Parteirechte ausüben können (
BGE 77 IV 126
,
BGE 84 IV 135
,
BGE 85 IV 110
). Das traf hier zu. Freilich steht dem Staatsanwalt gegen das Urteil eines Amtsgerichtspräsidenten die kantonale Kassationsbeschwerde nur zu, wenn der Angeklagte freigesprochen wird (
§ 421 StPO
, Fassung vom 18. Dezember 1961). Nach § 68 Abs. 3 des solothurnischen Gesetzes über die Gerichtsorganisation vom 5. März 1961 kann er die Anklage vor Obergericht jedoch auch in Fällen zu vertreten haben, in denen
BGE 93 IV 99 S. 102
er den erstinstanzlichen Entscheid nicht angefochten hat oder der Angeklagte nicht freigesprochen, sondern verurteilt wurde (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 28. Juni 1963 i.S. Lehmann). Das Urteil in
BGE 73 IV 187
Erw. 1, das vor der Revision der angeführten kantonalen Bestimmungen gefällt wurde, ist in dieser Hinsicht überholt und ergibt daher nichts mehr zugunsten des Beschwerdeführers.
2.
In
Art. 13 VRV
wird zu den Verkehrsregeln über das Einspuren und Abbiegen insbesondere ausgeführt, dass der Fahrer frühzeitig einspuren muss (Abs. 1 Satz 1), den für den Gegenverkehr bestimmten Raum aber nicht beanspruchen darf, wenn er nach links einspurt; dagegen darf er auf dreispurigen Strassen mit oder ohne Markierung mit der gebotenen Vorsicht die mittlere Spur benützen (Abs. 2).
a) Was unter einer dreispurigen Strasse im Sinne dieser Bestimmung verstanden werden soll, ist namentlich wegen der Wendung "mit oder ohne Markierung" ("marquées ou non", "demarcate o no") unklar. Nach dem deutschen Text könnte eine Strasse ungeachtet dessen, dass sie in der Mitte mit einer Leitlinie versehen ist, als dreispurig gelten, sofern sie breit genug und nach den gegebenen Umständen in drei Bahnen befahrbar ist. Eine solche Annahme widerspräche indes schon den romanischen Texten, in denen die unklare Wendung sich bloss auf die drei Spuren und nicht, wie im deutschen, auf die Strasse überhaupt bezieht. Sie wäre auch unvereinbar mit wichtigen Verkehrsregeln. Nach
Art. 36 Abs. 1 SVG
hat der Fahrer, der nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten. Er darf also dann, wenn die Strassenmitte durch eine Leitlinie gekennzeichnet ist (
Art. 52 Abs. 3 Satz 1 SSV
), diese nicht schon beim Einspuren überfahren. Wenn sich deshalb der Abstand beim Kreuzen als ungenügend erweisen sollte, so darf er sich auch keineswegs der Linie so stark nähern, dass er entgegenkommende Fahrzeuge gefährden könnte (vgl.
BGE 81 IV 172
f. und 299). Nach
Art. 27 Abs. 1 SVG
sodann sind nicht nur Signale, sondern auch Markierungen auf der Fahrbahn zu befolgen; sie gehen den allgemeinen Regeln sogar vor. Wollte man aber in Fällen, wie hier, eine dreispurige Strasse annehmen, so müsste der Fahrer, der "die mittlere Spur" benützt, sich über die Leitlinie hinwegsetzen, ja sie ignorieren.
Ein solches Verhalten verstösst nicht nur gegen das Verkehrsgefühl, sondern ist auch in hohem Masse geeignet, andere zu
BGE 93 IV 99 S. 103
täuschen und zu falschen Vorkehren zu veranlassen. Schwenkt der Fahrer, der nach links abbiegen will und seine Absicht mit Blinklicht anzeigt, vorzeitig auf die linke Strassenhälfte ein, so kann dies insbesondere bei einem entgegenkommenden, der sich auf die Leitlinie verlässt, leicht den Eindruck erwecken, jener wolle ihm den Vortritt (
Art. 36 Abs. 3 SVG
) streitig machen; jedenfalls hat er dann keine Gewähr mehr dafür, dass jener ihn noch durchlassen werde. Diese Ungewissheit besteht sogar dann, wenn die Strasse keine Markierungen aufweist, das einspurende Fahrzeug die Strassenmitte aber offensichtlich überfährt. Die Strassenmitte markierende Leitlinien wollen denn auch den Raum, der für den Verkehr in jede der beiden Richtungen bestimmt ist, genau abgrenzen und damit Streifkollisionen oder gar frontalen Zusammenstössen vorbeugen. Gegen solche Gefahren ist in Fällen, wie hier, nur mit der einfachen und klaren Ordnung aufzukommen, dass der Fahrer, der nach links abbiegen will, entsprechend den Vorschriften des
Art. 36 Abs. 1 und 3 SVG
gegen die Strassenmitte einspurt, die sie kennzeichnende Leitlinie aber erst überfährt, wenn er die Gewissheit hat, ohne Beeinträchtigung des vortrittsberechtigten Gegenverkehrs abbiegen zu können (vgl.
BGE 79 II 217
,
BGE 85 IV 90
). Das schliesst aus, dass der zweite Satz von
Art. 13 Abs. 2 VRV
auf Strassen, die in der Mitte mit einer Leitlinie versehen sind, Anwendung findet.
b) Nach dem angefochtenen Urteil hat der Beschwerdeführer die Leitlinie schon überfahren, bevor er die Verzweigung, auf der er nach links abbiegen wollte, erreichte. Dass dies aus zwingenden Gründen geschehen sei, macht Gassmann nicht geltend; aus den Feststellungen der Vorinstanz erhellt vielmehr, dass er keinerlei Anlass hatte, über die Strassenmitte hinaus einzuspuren. Das Obergericht wirft ihm daher mit Recht vor,
Art. 36 Abs. 1 SVG
und
Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VRV
übertreten zu haben.
Ob er dadurch, dass er bereits 300 m vor der Abzweigung den rechten Strassenrand verliess und nach links einspurte, gegen
Art. 34 Abs. 1 SVG
verstossen habe, kann dahingestellt bleiben; denn die Vorinstanz macht ihm deswegen keinen Vorwurf. Immerhin ist zu bemerken, dass die Vorschrift des
Art. 13 Abs. 1 Satz 1 VRV
, wonach frühzeitig einzuspuren ist, nicht heissen kann, der Fahrer müsse damit schon mehrere hundert Meter vor dem Abzweigen beginnen; das darf jedenfalls dann
BGE 93 IV 99 S. 104
nicht angenommen werden, wenn er nach links abbiegen will und, wie der Beschwerdeführer, eher langsam fährt. Das Einspuren nach links stellt für den Längsverkehr stets eine erhöhte Gefahr dar, ist folglich schon deswegen auf eine angemessene Strecke zu beschränken.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | null | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
498b91fc-0fdf-4707-bccc-0479e6a514e7 | Urteilskopf
107 Ib 395
70. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Juni 1981 i.S. Haas gegen Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Gegen die Verfügung einer letzten kantonalen Instanz über die Nichterteilung der aufschiebenden Wirkung für die Beschwerde gegen einen Führerausweisentzug ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig, wenn behauptet werden kann, die sich aus dem Bundesrecht ergebenden Grundsätze seien missachtet und es sei damit im Ergebnis Bundesrecht vereitelt worden (E. 1a). In der eindeutigen Aussichtslosigkeit einer Beschwerde kann ohne Verletzung von Bundesrecht ein Umstand gesehen werden, der die Nichterteilung der aufschiebenden Wirkung bei einem Warnungsentzug rechtfertigt (E. 2c). | Sachverhalt
ab Seite 395
BGE 107 Ib 395 S. 395
In der Nacht vom 6. zum 7. Februar 1981 beschädigte Werner
BGE 107 Ib 395 S. 396
Haas mit seinem Personenwagen bei der Wegfahrt vom Parkplatz des Gasthofes Kreuz in Kriegstetten/SO ein anderes Fahrzeug. Die Blutprobe, welche ihm am folgenden Morgen um 11 Uhr entnommen wurde, ergab für den Zeitpunkt der Blutentnahme einen Blutalkoholwert von 0,47-0,57 Gewichtspromillen. Aufgrund der Aussage von Haas, er habe inzwischen keinen Alkohol konsumiert, wurde für die Zeit der nächtlichen Heimfahrt eine Blutalkoholkonzentration von 1,46%o errechnet.
Mit Verfügung vom 3. April 1981 entzog das Polizeidepartement des Kantons Solothurn Haas den Führerausweis wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand für die Dauer von 15 Monaten. Da ihm der Führerausweis bereits in den Jahren 1955, 1960 und 1977 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand hatte entzogen werden müssen, behielt sich die Entzugsbehörde ausserdem vor, die Dauer zu verlängern oder die Rückgabe des Führerausweises mit Auflagen zu verbinden. Haas wurde im übrigen zum Verkehrsunterricht für rückfällige Alkoholdelinquenten aufgeboten.
Gegen diese Verfügung beschwerte sich Haas beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und stellte gleichzeitig den Antrag, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Am 28. April 1981 beschloss das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, der Beschwerde werde die aufschiebende Wirkung nicht erteilt. Das Gericht erwog im wesentlichen, die Einwände des Beschwerdeführers gegen den Beweis der Angetrunkenheit im Zeitpunkt der Heimfahrt seien vorläufig nicht glaubhaft. Ausserdem habe der vom Polizeidepartement verfügte Führerausweisentzug Sicherheitscharakter, was nicht nur aus der langen Dauer des Entzugs, sondern insbesondere auch aus dem Vorbehalt der Verlängerung der Entzugsdauer hervorgehe.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 11. Mai 1981 verlangte Werner Haas, die Verfügung des Verwaltungsgerichtes des Kantons Solothurn vom 28. April 1981 sei aufzuheben und seiner bei diesem Gericht hängigen Beschwerde gegen den Entzug des Führerausweises sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
a) Nach
Art. 97 OG
beurteilt das Bundesgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im
BGE 107 Ib 395 S. 397
Sinne von
Art. 5 VwVG
. Nach
Art. 5 VwVG
gelten als Verfügungen "Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen". Dazu zählen auch solche Verfügungen, die sich richtigerweise auf öffentliches Recht des Bundes hätten stützen müssen (
BGE 105 Ib 107
E. 1a mit Hinweisen). Selbständig durch Beschwerde anfechtbar sind auch Zwischenverfügungen im Sinne von
Art. 45 VwVG
, die einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können, z.B. solche über die aufschiebende Wirkung (Art. 45 Abs. 2 lit. g in Verbindung mit
Art. 55 VwVG
). Die angefochtene Zwischenverfügung, mit welcher das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn der Beschwerde gegen den Führerausweisentzug vom 3. April 1981 die aufschiebende Wirkung nicht erteilte, ist somit selbständig durch Beschwerde anfechtbar. Sie stützt sich indessen formell nicht auf Bundesrecht, sondern ist in Anwendung kantonalen Verfahrensrechtes ergangen (§ 70 des solothurnischen Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 15. November 1970). Verfügungen, die sich auf kantonales Recht stützen, unterliegen grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht nicht (
BGE 102 Ib 225
f/227 E. 3, wo allerdings die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Zwischenverfügungen über die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung zu weitgehend ausgeschlossen wurde). Die angefochtene Zwischenverfügung der letzten kantonalen Instanz (
Art. 98 lit. g OG
) ist immerhin in einem Verfahren über eine bundesrechtliche Massnahme, d.h. in Zusammenhang mit der Anwendung von Bundesverwaltungsrecht getroffen worden. Ob dieser Zusammenhang für die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bereits genügt (vgl.
BGE 105 Ia 107
), d.h. ob die Zwischenverfügung allein schon deswegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt, weil diese gegen die Endverfügung gegeben ist (vgl.
Art. 101 lit. a OG
), kann offen bleiben. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist jedenfalls zulässig gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung für eine kantonale Beschwerde, die sich gegen einen Führerausweis-Warnungs-Entzug richtet; denn aus der in Art. 30 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (VZV) gemachten Unterscheidung zwischen Sicherungs- und Warnungsentzug ergibt sich, dass der kantonalen Beschwerde gegen einen Warnungsentzug in der Regel aufschiebende Wirkung zukommen muss, soll der Sachentscheid nicht in unzulässiger Weise präjudiziert und damit im Ergebnis
BGE 107 Ib 395 S. 398
Bundesrecht vereitelt werden (
BGE 106 Ib 116
, vgl. auch KÖLZ/KOTTUSCH, Bundesrecht und kantonales Verfahrensrecht in ZBl 1978/Bd. 79 S. 448 f). Auf die vorliegende, fristgerecht eingereichte Beschwerde (
Art. 106 OG
) kann somit eingetreten werden.
b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann der Beschwerdeführer eine Verletzung von Bundesrecht rügen (
Art. 104 lit. a OG
). Dagegen kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eine Verletzung kantonalen Rechts nicht geltend gemacht werden. Die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechtes ist somit nur auf eine Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Bundesverfassungsrecht überprüfbar (
BGE 103 Ib 314
E. b). Dabei ist praktisch nur zu prüfen, ob im angefochtenen Entscheid der bundesrechtliche Grundsatz über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung gänzlich unbeachtet gelassen oder das kantonale Verfahrensrecht willkürlich ausgelegt bzw. angewendet wurde. In diesem Sinne ist
BGE 106 Ib 116
zu präzisieren.
2.
a)
Art. 30 VZV
unterscheidet zwischen sog. Sicherungs- und Warnungsentzügen. Während der Sicherungsentzug unabhängig von einer Verkehrsregelverletzung bei körperlicher, geistiger oder charakterlicher Unfähigkeit eines Fahrzeuglenkers verfügt wird, und damit unmittelbar der Sicherheit im Strassenverkehr dient, knüpft der Warnungsentzug an eine Verkehrsregelverletzung oder an die Verwendung von Motorfahrzeugen zu deliktischen Zwecken an; er ist befristet und soll den Betroffenen ermahnen und zur Besserung anhalten (
BGE 104 Ib 47
E. 3 mit Hinweisen). Daraus ergibt sich der Grundsatz, dass Sicherungsentzüge im Interesse der Verkehrssicherheit in der Regel sofort zu vollstrecken sind, während Warnungsentzüge regelmässig erst vollstreckt werden sollen, wenn über den Ausweisentzug definitiv entschieden ist, denn der erzieherische Zweck der Massnahme wird grundsätzlich durch den Aufschub des Vollzugs nicht berührt (
BGE 106 Ib 116
f).
b) Nach
Art. 33 VZV
wird der Sicherungsentzug auf unbestimmte Zeit verfügt; der Warnungsentzug wird dagegen befristet. Die Entzugsbehörde hat im vorliegenden Fall die Dauer der Massnahme auf 15 Monate befristet. Das Rechtsmittel, das der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn eingereicht hat, richtet sich somit gegen einen Warnungsentzug. Daran ändert nichts, dass die Entzugsbehörde in ihrer Verfügung eine Sicherungsmassnahme für den Fall vorbehalten hat, dass weitere Abklärungen die fehlende Eignung des Beschwerdeführers
BGE 107 Ib 395 S. 399
zum Führen eines Motorfahrzeuges ergeben sollten. Da die Entzugsbehörde keine Sicherungsmassnahme angeordnet hat, ist anzunehmen, dass für eine fehlende Eignung im gegenwärtigen Zeitpunkt keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen.
c) Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn hat für die Frage, ob der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen sei, die Aussichten auf den Verfahrensausgang gewürdigt und ist zum Schluss gekommen, die Beschwerde sei eindeutig aussichtslos. In der eindeutigen Aussichtslosigkeit einer Beschwerde kann aber ohne Verletzung von Bundesrecht ein Umstand gesehen werden, der die Nichterteilung der aufschiebenden Wirkung auch bei einem Warnungsentzug rechtfertigt (vgl.
BGE 99 Ib 221
E. 5 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer rügt im übrigen zu Unrecht eine willkürliche Würdigung des Verfahrensausganges durch die Vorinstanz. Solange der Beschwerdeführer keinen Zeugen zu nennen vermag, der seine Behauptung bestätigen könnte, wonach er entgegen früheren Aussagen in der Zeit zwischen Heimfahrt und Blutentnahme eben doch Alkohol konsumiert habe, kann angenommen werden, die Beschwerde sei aussichtslos. Jedenfalls ist diese Annahme nicht willkürlich. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
498fb262-3981-424f-ba6a-9c583e8df930 | Urteilskopf
113 IV 91
26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Juli 1987 i.S. W. c. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG
. Anstalten zum Erwerb von Betäubungsmitteln.
Fall eines Angeschuldigten, der in der Absicht, in Amsterdam Heroin zu erwerben, in der Schweiz mehrere tausend Franken in holländische Gulden umtauschte und in der Schweiz einen Zug nach Amsterdam bestieg. | Erwägungen
ab Seite 92
BGE 113 IV 91 S. 92
Aus den Erwägungen:
1.
a) Nach den Ausführungen des Obergerichts traf der Beschwerdeführer in der Schweiz dadurch Anstalten zum Kauf und zur Einfuhr von Betäubungsmitteln, dass er in der Schweiz mehrere tausend Schweizer Franken in holländische Gulden umtauschte. Zur Begründung berief sich die Vorinstanz im wesentlichen auf
BGE 112 IV 47
, worin die Aufnahme eines Darlehens zwecks Abwicklung eines Drogengeschäfts als Anstaltentreffen im Sinne von
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG
qualifiziert wurde, unter anderem mit dem Argument, dass die Darlehensaufnahme nicht weniger strafwürdig sei als die Finanzierung des Betäubungsmittelverkehrs und deren Vermittlung, die gemäss
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 7 BetmG
strafbar sind. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der Umtausch einer grösseren Summe Schweizer Franken in holländische Gulden zum Zweck des Betäubungsmittelerwerbs in Amsterdam für sich allein entsprechend der Aufnahme eines Darlehens zwecks Abwicklung eines Drogengeschäfts als Anstaltentreffen im Sinne von
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG
qualifiziert werden könne. Der Beschwerdeführer traf jedenfalls dadurch in der Schweiz Anstalten gemäss
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG
, dass er in der Absicht, in Amsterdam Drogen zu kaufen, mehrere tausend Franken in holländische Gulden umtauschte und in der Schweiz einen Zug nach Amsterdam bestieg.
Wohl unternahm der Beschwerdeführer im Unterschied zum Angeschuldigten in dem in
BGE 106 IV 74
beurteilten Fall nicht eine Vielzahl von Handlungen, die auf die Verwirklichung der Absicht des Drogenerwerbs gerichtet waren. Eine umfassende Vorbereitung war indessen bei dem vom Beschwerdeführer ins Auge gefassten, vergleichsweise einfachen Drogengeschäft (Erwerb von einigen Dutzend Gramm Heroin gegen Barzahlung in Amsterdam) gar nicht erforderlich. Auch bei einem solchen relativ einfachen Geschäft kann aber zwischen dem noch straflosen Planen
BGE 113 IV 91 S. 93
und dem strafbaren Versuch die Phase des gemäss
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG
strafbaren Anstaltentreffens liegen. Darunter können entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift auch "an und für sich sozial unauffällige" Verhaltensweisen fallen (z.B. Vorkehrungen eines im Hintergrund wirkenden Täters). Massgebend sind, wie beim Versuch, der Wille und die Absicht des Handelnden. Indem der Beschwerdeführer in der Absicht, in Amsterdam Heroin zu erwerben, in der Schweiz mehrere tausend Schweizer Franken in holländische Gulden umtauschte und in der Schweiz den Zug nach Amsterdam bestieg, unternahm er eine klar erkennbar auf Drogenerwerb gerichtete Vorbereitungshandlung (siehe
BGE 112 IV 47
) und traf er damit Anstalten im Sinne von
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG
. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
499004db-c2f4-4336-8475-002cd5acfc6e | Urteilskopf
114 Ia 348
59. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 6 septembre 1988 dans la cause M. c. X. et Z. (recours de droit public) | Regeste
Art. 58 BV
; Garantie des verfassungsmässigen Richters.
Wer in Kenntnis der Zusammensetzung des Gerichts dessen prozessleitende Verfügungen nicht angefochten hat, kann sich nicht kurz vor der Hauptverhandlung auf dieses Grundrecht berufen. | Erwägungen
ab Seite 348
BGE 114 Ia 348 S. 348
Extrait des considérants:
c) Selon l'état de fait, le recourant connaissait depuis le 29 mars 1987 la composition exacte et complète de la Cour pénale chargée de statuer sur le mérite de son appel et il n'a formulé une demande visant à faire constater l'incapacité et à obtenir la récusation du juge X. et du greffier Z. qu'en date du 13 janvier 1988, soit quelques jours avant l'ouverture des débats dont il était de surcroît informé depuis le 8 décembre 1987.
BGE 114 Ia 348 S. 349
De plus, les motifs d'incapacité et de récusation étaient fondés sur des faits survenus notamment de 1984 à 1986, soit en dernier lieu le 5 novembre 1986 en ce qui concerne les deux intimés.
Ces motifs étaient parfaitement connus du recourant parce que notoires et résultant de décisions prises à son sujet, notamment sur le plan administratif et à lui dûment communiquées avec l'indication de la composition de la juridiction saisie. Au regard des faits de la cause, il a de surcroît attendu et laissé procéder la Cour pénale à des actes d'instruction sans formuler la moindre réserve quant à la composition de cette juridiction et il s'en est pris à la personne de son président et de son greffier plus de neuf mois après avoir connu l'identité exacte des magistrats et greffiers composant la Cour pénale saisie de sa cause, alors que l'affaire avait été convoquée pour le 19 janvier 1988 par citation du 2 décembre 1987.
d) En présence de telles circonstances, la manière de procéder du recourant est contraire aux règles de la bonne foi, lesquelles sont en particulier valables tant en matière de droit public (
ATF 111 Ia 150
,
ATF 102 Ia 579
consid. 6) que de procédure pénale (
ATF 104 IV 94
consid. 3a).
Prétendre aussi tardivement à l'incapacité et à la récusation d'un juge et d'un greffier constitue un abus de droit, du fait de l'écart manifeste existant entre le droit ainsi exercé et l'intérêt qu'il était censé protéger (cf.
ATF 107 Ia 211
).
En effet, l'incapacité et la récusation ressortissent à deux institutions juridiques qui ont pour raison d'être d'assurer la loyauté du débat en conférant à un justiciable le droit d'être jugé de manière impartiale (PIQUEREZ, Traité de procédure bernoise et jurassienne, Neuchâtel 1983, t. I, No 216). Il est manifeste qu'elles n'ont pas pour but de permettre à un prévenu de faire obstruction au cours de la justice, ce que le Tribunal fédéral avait déjà relevé le 8 janvier 1986 à propos d'un des recours de droit public formé par le recourant; on ne doit pas arriver, par des procédures purement dilatoires, à la prescription de l'action pénale, laquelle, dans le cas particulier, aurait pu être acquise à la fin du mois d'avril ou au début du mois de mai 1988.
Ce caractère dilatoire de la façon d'agir du recourant apparaît d'ailleurs d'autant plus clairement au regard de cette circonstance que, tout au long de la procédure, il n'a pas hésité à prétendre immédiatement à l'incapacité ou à la récusation de magistrats et de greffiers lorsqu'il s'y estimait fondé.
BGE 114 Ia 348 S. 350
Au demeurant, d'après la jurisprudence relative à l'
art. 58 Cst.
, le justiciable qui laisse procéder une juridiction, alors qu'il connaissait relativement à l'un de ses membres une cause d'incapacité ou de récusation est déchu de la protection que lui confère la garantie du juge constitutionnel (
ATF 112 Ia 340
consid. 1c).
e) En conséquence, sans qu'il y ait lieu d'aborder le fond, le présent recours doit être déclaré irrecevable en raison de son caractère abusif constitué par un comportement contraire à la bonne foi (
ATF 111 Ia 150
; voir
ATF 92 I 30
consid. 3). | public_law | nan | fr | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4991c0b4-8216-40d6-a53e-cc9ec6876535 | Urteilskopf
99 IV 190
43. Sentenza 28 dicembre 1973 della Corte di cassazione penale nella causa Sostituto procuratore pubblico sopracenerino contro X. | Regeste
Bei Prüfung der Frage, ob einem Fahrzeugführer, der in angetrunkenem Zustand einen Unfall verursacht hat, der bedingte Strafaufschub gewährt werden könne, sind die Tatumstände sowie die persönlichen Verhältnisse des Täters zu würdigen.
Ein Gewohnheitstrinker bietet wenig Gewähr für dauerndes Wohlverhalten und verdient deshalb nicht, in den Genuss des bedingten Strafaufschubes zu gelangen. | Sachverhalt
ab Seite 190
BGE 99 IV 190 S. 190
A.-
Il 29 giugno 1972, X. si recò in Vallemaggia, con un amico, per esercitare la pesca. Sulla via del ritorno sostò una prima volta, dalle 13.00 alle 15.30, a Ponte Brolla ove prese il pasto consumando, assieme all'amico, una bottiglia di vino rosso e un caffè con la grappa. Si fermò poi a Osogna ove, secondo le sue dichiarazioni, bevve un bicchiere di vino e un caffè. Si recò infine presso il Grotto Sacchi a Lodrino dove mangiò del salato misto e bevve, assieme al compagno, mezzo litro di vino. Lasciò il grotto verso le ore 20.00 mettendosi alla guida della sua VW con a fianco l'amico. Sulla strada cantonale fu visto circolare a zigzag e, ad una curva a sinistra, uscire di strada; il veicolo si rovesciò nel prato sottostante e il compagno venne sbalzato fuori. Quest'ultimo morì istantaneamente. Dal prelievo del sangue, che la polizia ha effettuato subito dopo sulla persona di X., risultò un grado di alcoolemia del 2,65-2,63-2,62 per mille.
Il Presidente delle Assise correzionali riconobbe X. colpevole di circolazione in stato di ebbrietà nonchè di omicidio colposo, e
BGE 99 IV 190 S. 191
lo condannò alla pena di 5 mesi di detenzione, condizionalmente sospesa.
B.-
Su ricorso del Sostituto procuratore pubblico della giurisdizione sopracenerina, la Corte cantonale di cassazione e di revisione penale ha confermato la sentenza di prima istanza.
C.-
Il Sostituto procuratore pubblico ha interposto al Tribunale federale un ricorso per cassazione, mediante il quale chiede che a X. sia negato il beneficio della sospensione condizionale della pena.
D.-
X. propone di respingere il ricorso.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Secondo il ricorrente, la regola di rifiutare la sospensione della pena al conducente in stato di ebbrietà consentirebbe una sola eccezione: quella dello autore che si è determinato a prendere il volante dopo aver già subito l'influsso dell'alcool. Questa opinione è erronea. Anche prima che fosse attenuata, la giurisprudenza del Tribunale federale non è mai stata così rigida: ravvisava nel caso indicato dal ricorrente solo una delle circostanze speciali dalle quali si può dedurre che la circolazione in stato di ebbrietà è stata causata da una situazione particolare e da cui si può conseguire che l'autore si asterrà da ulteriori infrazioni (RU 80 IV 13).
Secondo la più recente giurisprudenza, deve essere tenuto conto non solo delle circostanze inerenti alla trasgressione di cui si tratta, ma pure dei precedenti del prevenuto, che consentano di determinarne la personalità e di formulare una prognosi globale (RU 95 IV 52 e 57).
2.
In concreto, le circostanze del reato non sono favorevoli al condannato. L'assorbimento di bevande alcooliche è avvenuto in tre volte, ad ogni sosta, conseguendo un'alcoolemia del 2,62‰ ed ha causato la morte di una persona.
Invece, senza essere irreprensibili, i precedenti del prevenuto non sono in genere spregevoli. Le iscrizioni risultanti nel registro basilese (1949, multa di fr. 20.- per circolazione in bicicletta in stato di ebbrietà; 1955, ammonizione per abuso di bevande alcooliche; 1957, multa per parcheggio vietato; 1959, multa per perturbamento colposo della circolazione) sono remote. D'altronde, risulta che X. gode di una buona reputazione. Ad ogni modo, questi dati avrebbero nondimeno permesso ai giudici
BGE 99 IV 190 S. 192
cantonali di stabilire la prognosi globale favorevole senza violare l'art. 41 num. 1 CP.
Tuttavia, il tribunale cantonale non poteva disattendere che X. - secondo la sua stessa ammissione - beveva giornalmente una quantità di bevande alcooliche corrispondente a quella assorbita il giorno dell'infortunio. L'ebbrietà che ha causato la morte dell'amico non costituisce pertanto un fatto unico, dovuto ad accidentale inconsideratezza, ma un'abitudine che non consente una prognosi favorevole. Disattendendo questa circostanza determinante, i giudici cantonali hanno oltrepassato il loro potere di apprezzamento.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è accolto, la sentenza impugnata è annullata e gli atti sono rimandati all'autorità cantonale per nuovo giudizio che neghi la sospensione condizionale della pena. | null | nan | it | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
49966bd7-c9b8-4bd4-85e4-3dbdd2361d62 | Urteilskopf
96 I 292
48. Urteil vom 24. Juni 1970 i.S. Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Senn und Eidg. Schätzungskommission des IV. Kreises. | Regeste
Beizug besonderer Sachverständiger durch die Schätzungskommission (
Art. 72 EntG
, 22. lit. b und 97 OG, 5 VwG).
Der Entscheid, durch den die Schätzungskommission eine Expertise anordnet, kann nicht durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden (Erw. 1).
Unter welchen Voraussetzungen hat die Schätzungskommission "besondere Sachverständige" (Art. 47 Abs. 2 der VO für die Schätzungskommissionen) beizuziehen? (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 293
BGE 96 I 292 S. 293
A.-
Vor der Schätzungskommission des IV. Kreises (ESchK) ist ein Schätzungsverfahren hängig, das die Enteignung einer Liegenschaft in Liestal zugunsten der PTT-Betriebe zum Gegenstand hat. Es handelt sich um ein 1524 m2 haltendes, Fräulein S. Senn gehörendes Grundstück mit einem Wohn- und Geschäftshaus. Der Präsident der ESchK beabsichtigte, den Architekten W. Zimmer, Ersatzmann der ESchK, als Experten mit der Schätzung zu beauftragen und ihn in der ESchK durch ein anderes Mitglied zu ersetzen, doch widersetzte sich die Enteignete diesem Vorgehen und verlangte den Beizug von Drittexperten. Der Präsident der ESchK gab den Parteien hievon mit Schreiben vom 26. Dezember 1969 Kenntnis und setzte ihnen eine Frist, um einen Expertenvorschlag und Expertenfragen einzureichen. Die Enteignete schlug hierauf zwei Architekten wahlweise oder gemeinsam als Experten vor und reichte die ihnen zu stellenden Fragen ein. Die PTT-Betriebe dagegen erachteten, nachdem bereits die Nachbarliegenschaft durch besondere Experten geschätzt worden war, den Beizug solcher für überflüssig und verlangten, dass Architekt Zimmer die Schätzung vornehme und sich nicht in Ausstand begebe.
Die ESchK beschloss am 6. Februar 1970, einen oder zwei ihr nicht angehörende Experten mit der Expertise der Liegenschaft
BGE 96 I 292 S. 294
zu betrauen. Zur Begründung führte sie aus: Der gemäss
Art. 62 EntG
auf die Mitglieder der Schätzungskommissionen anwendbare
Art. 22 lit. b OG
schliesse es aus, dass Architekt Zimmer zuerst als Sachverständiger eine Expertise erstatte und nachher als Ersatzmann der ESchK in der gleichen Sache tätig sei; er müsste, wenn er den Expertenauftrag ausführte, als Mitglied der ESchK in Ausstand treten. Das liege aber nicht im Interesse der Sache, da die ESchK, besonders in Baufragen, neben den eigentlichen Experten auch über sachverständige Mitglieder verfügen sollte.
Dieser Entscheid der ESchK wurde den Parteien am 13. März 1970 eröffnet mit dem Hinweis, dass gegen ihn innert 10 Tagen beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden könne (Art. 106 rev. OG).
B.-
Am 23. März 1970 reichten die PTT-Betriebe eine solche Beschwerde ein mit dem Antrag, den Entscheid der ESchK vom 6. Februar 1970 aufzuheben und die ESchK anzuweisen, unverzüglich und ohne Beizug von Experten die Schätzungsverhandlung durchzuführen. Sie machen geltend, im Beizug besonderer Experten liege ein Ermessensmissbrauch im Sinne des Art. 104 lit. a rev. OG.
Fräulein Senn beantragt Abweisung der Beschwerde. Den gleichen Antrag stellt dem Sinne nach auch die ESchK.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die ESchK verweist in der dem angefochtenen Entscheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung auf Art. 106 rev. OG. Sie übersieht, dass diese Vorschrift nur die Beschwerdefrist, nicht dagegen die Zulässigkeit der Beschwerde regelt. Aus Art. 106 kann nur geschlossen werden, dass sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch gegen Zwischenverfügungen richten kann, nicht aber gegen welche. Dies ergibt sich aus
Art. 97 OG
, der auf Art. 5 des BG vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwG) verweist.
Nach Art. 5 Abs. 1 VwG gelten als (anfechtbare) Verfügungen Anordnungen im Einzelfall über die dort unter lit. a) - c) aufgezählten Gegenstände. Eine Beweisverfügung, durch die eine Expertise angeordnet wird, fällt nicht unter diese Bestimmung. Art. 5 Abs. 2 VwG erwähnt zwar bei den ebenfalls als Verfügungen geltenden Entscheiden auch "Zwischenverfügungen (Art. 45)". Doch sind solche Zwischenverfügungen nur dann
BGE 96 I 292 S. 295
mit Beschwerde anfechtbar, wenn sie die Voraussetzungen des vorangehenden Abs. 1 erfüllen, d.h. wenn sie die Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten usw. zum Gegenstand haben, was bei der vorliegenden Beweisverfügung nicht zutrifft. Nach Abs. 1 des in Art. 5 Abs. 2 VwG erwähnten Art. 45 VwG sind übrigens verfahrensleitende und andere Zwischenverfügungen in einem der Endverfügung vorangehenden Verfahren nur dann selbständig durch Beschwerde anfechtbar, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Das ist beim angefochtenen Entscheid, der einzig die Anordnung einer Expertise zum Gegenstand hat, offensichtlich nicht der Fall (vgl.
BGE 93 I 607
/8). Die Kosten der angeordneten Expertise stellen keinen solchen Nachteil dar. Dass gegen die Bestellung von Experten durch eine ESchK kein Rekursrecht besteht, hat das Bundesgericht übrigens schon unter der Herrschaft des EntG von 1850 entschieden (BGE 18 S. 62 E. 1). Die vorliegende, gegen die Anordnung einer Expertise gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich daher als unzulässig, und es ist auf sie nicht einzutreten.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach Art. 45 Abs. 2 lit. b VwG als selbständig anfechtbare Zwischenverfügungen auch solche "über den Ausstand" gelten. Der angefochtene Entscheid begründet zwar die angeordnete Expertise durch nicht der ESchK angehörende Experten damit, dass das Mitglied der ESchK, das die Begutachtung vornehmen könnte, gemäss
Art. 22 lit. b OG
in Ausstand zu treten hätte. Das Dispositiv des Entscheids enthält indes keine Anordnung über den Ausstand, und gegen die nicht rechtskraftfähigen Motive ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht gegeben (GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund S. 113).
2.
Obwohl auf die Beschwerde nicht einzutreten ist, erscheint die dem Bundesgericht durch sie zur Kenntnis gelangte Begründung des angefochtenen Entscheids als so abwegig, dass es angezeigt ist, aufgrund der dem Bundesgericht nach
Art. 63 EntG
zustehenden Aufsichtsgewalt dazu Stellung zu nehmen und der ESchK eine nochmalige Überprüfung ihres Entscheides zu empfehlen.
Die Mitglieder und Ersatzmänner der Schätzungskommissionen sind Sachverständige, die in der Regel die erforderliche Schätzung selber vorzunehmen vermögen. Nur soweit dies
BGE 96 I 292 S. 296
ausnahmsweise nicht zutrifft, sind besondere Sachverständige beizuziehen (Art. 47 Abs. 2 VO für die eidg. Schätzungskommissionen). Die Beachtung dieses Grundsatzes ist vor allem deshalb wichtig, weil der Beizug von aussenstehenden Sachverständigen regelmässig zu einer Verzögerung des Verfahrens führt, die eben dadurch vermieden werden kann und soll, dass aus den zur Auswahl stehenden Mitgliedern und Ersatzmänner der Schätzungskommissionen die geeignetsten beigezogen werden. Die Tätigkeit der sachverständigen Mitglieder der Schätzungskommissionen stellt einen Beitrag zur Urteilsfindung dar, und zwar auch insoweit, als diese Mitglieder mit der Vorprüfung von Fragen betraut werden und den Schätzungskommissionen hierüber schriftlich Bericht erstatten. Die ESchK hat daher Sinn und Zweck der gesetzlichen Ordnung verkannt, wenn sie den von ihr offenbar zu Recht als sachverständig betrachteten Ersatzmann W. Zimmer gerade deshalb nicht beauftragte, inbezug auf die Liegenschaft Senn die erforderlichen Feststellungen zu treffen und der ESchK Vorschläge für die Schätzung zu unterbreiten, weil er nachher in Ausstand zu treten hätte. Von einer solchen Ausstandspflicht kann keine Rede sein. Wer als Mitglied einer Behörde dieser Bericht erstattet, hat nicht im Sinne von
Art. 22 lit. b OG
"in anderer Stellung als Sachverständiger gehandelt". W. Zimmer hätte daher, wie zunächst in Aussicht genommen wurde, mit der Berichterstattung betraut werden sollen, denn die Voraussetzungen für den Beizug weiterer Sachverständiger sind solange nicht gegeben, als nicht Fragen zu prüfen sind, für welche allen Mitgliedern der ESchK die nötigen Kenntnisse abgehen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten. | public_law | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
49970a9b-9291-47f4-b5e9-61e693af8726 | Urteilskopf
113 III 144
33. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 3. November 1987 i.S. Z.I. AG (Rekurs) | Regeste
Arrest; Einlieferung eines verpfändeten Eigentümerschuldbriefes (
Art. 98 Abs. 4 SchKG
und
Art. 13 VZG
).
Wird das Grundstück selbst arrestiert und ist ein auf dem Grundstück lastender Eigentümerpfandtitel bereits zu seinem vollen Nennwert verpfändet worden, so kann der Zweck einer amtlichen Verwahrung des Titels nicht mehr erreicht werden; eine allfällige Weiterbegebung des Titels vermindert das Arrestsubstrat nicht. Der Drittgewahrsamsinhaber hat den betreffenden Titel daher nicht einzuliefern. | Sachverhalt
ab Seite 145
BGE 113 III 144 S. 145
A.-
Auf Begehren von Z. wies der Einzelrichter im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Zürich am 1. September 1986 das Betreibungsamt Zürich 2 an, die Miteigentumsanteile von L. an der Liegenschaft X. sowie den 50prozentigen Eigentumsanteil von L. am Inhaberschuldbrief lautend über Fr. 2'150'000.--, zur Zeit in Gewahrsam der Z.I. AG, mit Arrest zu belegen.
Mit Verfügung vom 5. September 1986 forderte das Betreibungsamt Zürich 2 den Verwaltungsrat der Z.I. AG auf, den Inhaberschuldbrief unter gleichzeitiger Angabe der Rechte der Z.I. AG umgehend zur amtlichen Verwahrung einzuliefern, es sei denn, die Z.I. AG behaupte Eigentum an diesem Titel, was ebenfalls sofort mitzuteilen sei.
B.-
Gegen diese Verfügung erhob u.a. die Z.I. AG Beschwerde. Mit Beschluss vom 30. Januar 1987 wies das Bezirksgericht Zürich als untere kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab.
Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde mit Beschluss vom 29. Juli 1987 ab.
C.-
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Z.I. AG mit Rekurs gemäss
Art. 19 SchKG
an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Mit Verfügung vom 5. September 1986 hat das Betreibungsamt den Inhaberschuldbrief von der Drittgewahrsamsinhaberin zur amtlichen Verwahrung einverlangt, sofern daran nicht Eigentum geltend gemacht werde. Umstritten ist, ob diese Verfügung zur Einlieferung des Inhaberschuldbriefes rechtmässig ist.
a) Die Rekurrentin macht am fraglichen Inhaberschuldbrief, der dem Arrestschuldner als Eigentümerschuldbrief gehört, ein Faustpfandrecht geltend.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat festgestellt, das Faustpfandrecht der Rekurrentin sei nicht umstritten. Vor der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde hat der Arrestgläubiger das Faustpfandrecht der Rekurrentin in der Tat nicht bestritten. Vor der kantonalen Aufsichtsbehörde hat er hingegen ausdrücklich geltend
BGE 113 III 144 S. 146
gemacht, die Rekurrentin habe den Inhaberschuldbrief bösgläubig zu Pfand genommen. Damit hat er klarerweise den Bestand des Faustpfandrechts in Frage gestellt. Ob die kantonale Aufsichtsbehörde diese neuen Gesichtspunkte berücksichtigen musste, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts. Dessen Anwendung kann vom Bundesgericht nur im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde auf Willkür hin überprüft werden.
Ein offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 81 OG
liegt unter diesen Umständen nicht vor. Im folgenden ist daher entgegen den Ausführungen des Rekursgegners davon auszugehen, dass das Faustpfandrecht der Rekurrentin im vorliegenden Verfahren nicht bestritten ist.
b) Der Arrest vollzieht sich nach den Vorschriften von Art. 91 bis 109 SchKG (
Art. 275 SchKG
). Gemäss
Art. 98 Abs. 1 SchKG
werden Inhaberpapiere vom Betreibungsamt in Verwahrung genommen.
Art. 98 Abs. 4 SchKG
erlaubt dem Betreibungsamt die Verwahrung auch dann, wenn sich die Gegenstände infolge eines Pfandrechtes im Besitze eines Dritten befinden. Eine solche Verwahrung setzt indessen voraus, dass die betreffenden Gegenstände gepfändet, bzw. arrestiert sind. Dies trifft hier nicht zu.
Ausnahmsweise ist die Verwahrung der im Besitze des Schuldners befindlichen, nicht gepfändeten oder arrestierten Eigentümertitel in analoger Anwendung von
Art. 98 Abs. 1 SchKG
gleichwohl gerechtfertigt, sofern die Pfändung des Inhaberschuldbriefes ausgeschlossen ist, weil das belastete Grundstück selbst gepfändet ist (
BGE 91 III 76
f.). Daraus folgt jedoch nicht ohne weiteres, dass die nicht gepfändeten oder arrestierten Eigentümerpfandtitel in analoger Anwendung von
Art. 98 Abs. 4 SchKG
auch zur Verwahrung einverlangt werden können, wenn sich diese im Gewahrsam eines Dritten befinden.
Eine mit
Art. 98 SchKG
verwandte Vorschrift findet sich in der Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken. Gemäss
Art. 13 VZG
sind Eigentümerpfandtitel, die sich im Besitze des Schuldners befinden und nicht gepfändet werden, vom Betreibungsamt für die Dauer der Pfändung des Grundstücks in Verwahrung zu nehmen. Ob gestützt auf diese Bestimmung auch ein nicht gepfändetes (bzw. nicht arrestiertes) Inhaberpapier, das sich bei einem Dritten befindet und von diesem zu Eigentum beansprucht wird, einverlangt werden könne, hat das Bundesgericht in
BGE 104 III 18
f. in einer nicht entscheiderheblichen Erwägung offengelassen. Aufgrund einer Interessenabwägung ist die amtliche
BGE 113 III 144 S. 147
Verwahrung für den Dritten aber als nicht zumutbar erachtet worden. Im Unterschied zu jenem Fall besitzt die Drittgewahrsamsinhaberin den Inhaberschuldbrief vorliegend nicht zu Eigentum, sondern als Faustpfand.
c) Auszugehen ist vom Zweck der Sicherungsvorkehr. Die amtliche Verwahrung der in der Hand des Schuldners befindlichen Eigentümerpfandtitel gemäss
Art. 98 Abs. 1 SchKG
und
Art. 13 VZG
soll verhindern, dass eine bisher nur virtuelle Belastung des Grundstücks durch eine Begebung des Titels, sei es zu Eigentum oder zu Faustpfand, wirksam und der Pfändungsgläubiger dadurch geschädigt wird (
BGE 104 III 18
;
BGE 91 III 76
).
Dieser Zweck kann hier nicht mehr erreicht werden. Die Begründung von Drittmannsrechten am Eigentümertitel, die verhindert werden sollte, ist mit der Errichtung des Faustpfandes bereits erfolgt. Eine allfällige Weiterbegebung des Titels vermindert das Arrestsubstrat nicht. Der Inhaberschuldbrief ist bereits zu seinem vollen Nennwert verpfändet, so dass eine Weiterverpfändung des Titels die Haftung des Grundstücks für die durch den Titel beurkundete Schuld nicht erhöht. Das gleiche gilt für eine (seitens der Pfandgläubigerin unberechtigte) Weitergabe zu Eigentum. Die ursprünglich nur formelle Existenz der durch den Eigentümertitel verurkundeten Forderung ist bereits durch die Verpfändung des Titels zu einem wirklichen Rechtsanspruch geworden (
BGE 93 II 86
;
BGE 68 II 87
;
63 II 230
; JÄGGI, Zürcher Kommentar, N 1 und 19 zu
Art. 967 OR
; ZOBL, Die Rechtsstellung des Fahrnispfandgläubigers an einem Eigentümer-Wertpapier, insbesondere im Konkurs des Verpfänders, in: ZBGR 61/1980, S. 131, 134 f., mit weiteren Hinweisen). An der Forderung und der dadurch bewirkten Belastung des Grundstücks würde sich daher durch eine Weiterbegebung des Titels zu Eigentum materiellrechtlich nichts mehr ändern. Im Falle der Verwertung des Grundpfandes, die sich im Anschluss an das angehobene Arrestverfahren auf Betreibung des Arrestgläubigers ergeben könnte, wäre der Faustpfandgläubiger zudem ohnehin berechtigt, die im Schuldbrief verurkundeten Rechte bis zur Höhe der Faustpfandforderung wie ein Grundpfandgläubiger geltend zu machen (ZOBL, Probleme bei der Verpfändung von Eigentümerschuldbriefen, in: ZBGR 59/1978, S. 214). Nachdem die Faustpfandforderung im vorliegenden Fall gleich hoch ist wie die durch den Inhaberschuldbrief verurkundete Forderung, würde sich also bezüglich des Arrestsubstrats nichts ändern, wenn bei der Verwertung statt eines Faustpfandgläubigers
BGE 113 III 144 S. 148
ein Grundpfandgläubiger zu berücksichtigen ist, der den Inhaberschuldbrief allenfalls gutgläubig zu Eigentum erworben hat.
Aus diesen Gründen zielen die Ausführungen des Arrestgläubigers über das angeblich dringende Verwahrungsbedürfnis ins Leere.
d) Es ergibt sich somit, dass die Aufforderung an die Drittgewahrsamsinhaberin zur Einlieferung des ihr verpfändeten Inhaberschuldbriefes nicht zulässig ist. Die angefochtene Verfügung des Betreibungsamtes Zürich und der sie schützende Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde sind daher antragsgemäss aufzuheben. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4998ae58-249b-4e3c-acbf-de75a2664734 | Urteilskopf
88 II 28
5. Arrêt de la Ie Cour clvile du 13 février 1962 dans la cause Junod et Au Bûcheron SA contre Graber. | Regeste
1. Firmabezeichnung. Schutzumfang. Verwechslungsgefahr (Erw. II 1 und III 1).
2. Enseignes. Schutzumfang (Erw. II 1).
3. Fabrik- und Handelsmarken.
a) Die Vermutung des
Art. 5 MSchG
wirkt nicht zugunsten dessen, der sich gestützt auf
Art. 1 Ziff. 2 und
Art. 2 MSchG
auf seine Geschäftsfirma als Marke beruft (Erw. II 3 a).
b) Tragweite des
Art. 3 Abs. 1 MSchG
. Die Bestimmung schliesst die Anwendbarkeit der in
Art. 4-11 MSchG
aufgestellten Grundregeln auf die in einer Geschäftsfirma bestehenden Marken nicht aus (Erw. II 3 a).
c) Der Schutz des MSchG kann nur gegenüber dem markenmässigen Gebrauch eines Zeichens angerufen werden (Erw. II 3 b).
4. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts.
a) Der innere Wille der Vertragsparteien ist Tatfrage (Erw. II 4).
b) Das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zwischen zwei Geschäftsfirmen ist Rechtsfrage (Erw. III 1a). | Sachverhalt
ab Seite 29
BGE 88 II 28 S. 29
A.-
Depuis 1940, Edmond Junod exploite un commerce de meubles à Lausanne; il est inscrit au registre du commerce sous la raison individuelle "Ed. Junod". Il utilise, pour son magasin, l'enseigne "Au Bûcheron". Junod avait fondé à La Chaux-de-Fonds deux succursales de ce commerce, pour lesquelles il employait également l'enseigne "Au Bûcheron".
Enfin, il a créé à Yverdon, en 1948, une société anonyme dont le but est le commerce de meubles. Cette société, dont il est le seul administrateur, a pour raison sociale "Au Bûcheron SA".
Après avoir fait radier l'inscription concernant ses succursales de La Chaux-de-Fonds, Junod a vendu ces fonds de commerce à André Graber par contrat du 17 janvier 1955. Cette convention contenait notamment, sous article I chiffre 4, la clause suivante:
"Edmond Junod accorde à André Graber le droit d'utiliser, dans le Canton de Neuchâtel et dans le Jura Bernois, l'enseigne "Au Bûcheron", et cela pour une durée de trois ans; une fois ce délai écoulé, Edmond Junod redeviendra sans autre formalité seul titulaire de dite enseigne, à moins qu'un nouvel accord ne soit intervenu entre les parties avant le 1er janvier 1958. André Graber prend l'engagement de ne pas utiliser à des fins publicitaires l'enseigne "Au Bûcheron" dans les Cantons de Vaud, Valais et Genève; en contrepartie, Edmond Junod s'engage à ne faire aucune publicité dans le Canton de Neuchâtel et dans le Jura bernois pour le commerce dont il est propriétaire à Lausanne."
Par la suite, Graber exploita ces entreprises, ainsi qu'une succursale ouverte au Locle, sous la raison individuelle "Meubles Graber, Au Bûcheron", qui a été publiée dans la Feuille officielle suisse du commerce du 6 février 1957. Il utilise notamment cette raison dans ses papiers d'affaires. Il y met cependant les termes "Meubles Graber" en évidence
BGE 88 II 28 S. 30
par des caractères plus grands et une écriture spéciale, tandis que les mots "Au Bûcheron", écrits en lettres latines, apparaissent comme un élément secondaire.
A l'expiration du délai de trois ans prévu par l'article I chiffre 4 de la convention du 17 janvier 1955, Junod invita en vain Graber à cesser d'utiliser les mots "Au Bûcheron" comme enseigne et dans sa raison de commerce.
Le 5 avril 1958, Junod fit enregistrer une nouvelle marque consistant dans les mots "Au Bûcheron" écrits en caractères gothiques.
Junod et Au Bûcheron SA ayant déposé une plainte pénale contre Graber, le juge d'instruction impartit à celui-ci un délai pour faire valoir en justice son prétendu droit d'utiliser les mots "Au Bûcheron" comme enseigne et dans sa raison de commerce.
B.-
Graber a actionné Junod et Au Bûcheron SA devant le Tribunal cantonal neuchâtelois, en concluant, en bref, à ce que cette juridiction prononçât la nullité de l'article I chiffre 4 de la convention du 17 janvier 1955, dans la mesure où il stipulait que Junod serait, après trois ans, titulaire exclusif de l'enseigne "Au Bûcheron" pour le canton de Neuchâtel et le Jura bernois.
Les défenderesses ont proposé le rejet de la demande et ont pris des conclusions reconventionnelles tendantes, en substance, à ce que le Tribunal cantonal interdît à Graber d'utiliser la dénomination "Au Bûcheron" dans sa raison de commerce ou à titre d'enseigne.
Par jugement du 2 octobre 1961, le Tribunal cantonal neuchâtelois a déclaré que l'article I chiffre 4 de la convention du 17 janvier 1955 était nul, notamment dans la mesure où Junod s'était réservé le droit de redevenir titulaire de l'enseigne "Au Bûcheron" dans le canton de Neuchâtel et le Jura bernois. Il a prononcé en outre que Graber avait le droit d'utiliser la raison "Meubles Graber, Au Bûcheron" inscrite à La Chaux-de-Fonds et, pour sa succursale, au Locle et qu'en usant de cette raison, il n'avait commis à l'égard des défendeurs ni acte illicite ni acte de
BGE 88 II 28 S. 31
concurrence déloyale. Pour le reste, la juridiction cantonale a débouté les parties de leurs conclusions.
C.-
Junod et Au Bûcheron SA recourent en réforme au Tribunal fédéral, en reprenant les conclusions qu'ils ont formulées dans l'instance cantonale.
L'intimé propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
I.
(Procédure.)
II.1.
Sur le recours de Junod:
Junod se prévaut de l'enseigne "Au Bûcheron" de son magasin de Lausanne; il voit une atteinte à son nom commercial dans le fait qu'à partir de janvier 1958, Graber a utilisé sans autorisation cette dénomination dans sa raison de commerce et comme enseigne.
Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral (RO 40 II 605, 52 II 398, 64 II 251, 76 II 91/92), celui qui choisit une nouvelle raison de commerce ou une enseigne doit s'abstenir de créer un risque de confusion avec les maisons existantes. Il ne peut donc, par exemple, adopter une raison ou une enseigne propres à faire naître de telles confusions. S'il omet cette précaution, la personne qui subit de ce fait une atteinte illicite dans ses intérêts personnels est fondée à demander au juge de la faire cesser en vertu des art. 28 et 29 CC. Cependant, à la différence du droit à la marque et à la raison de commerce, le droit au nomenseigne est limité dans l'espace par la sphère commerciale du titulaire. Comme il naît du fait de l'usage, sa portée ne peut s'étendre au-delà du champ où il est effectivement exercé.
En l'espèce, le Tribunal cantonal a constaté que les parties avaient leurs commerces en des lieux différents, qu'elles vendaient les mêmes articles à des prix sensiblement égaux, que, dès lors, les acheteurs de la région de La Chaux-de-Fonds n'avaient aucune raison de se servir chez Junod et qu'inversement ceux de Lausanne n'étaient
BGE 88 II 28 S. 32
pas clients de Graber, de sorte que les sphères commerciales des parties étaient nettement séparées. Ce sont là des constatations de fait définitives, qui lient le Tribunal fédéral en vertu de l'art. 63 al. 2 OJ. Junod les critique donc en vain.
On doit en conclure qu'en utilisant l'expression "Au Bûcheron" dans sa raison de commerce et comme enseigne, l'intimé n'a pas atteint illicitement Junod dans ses intérêts personnels protégés par les art. 28 et 29 CC.
II.2.
Junod invoque également la loi sur la concurrence déloyale. La seule disposition qui puisse entrer en ligne de compte en l'espèce est l'art. 1er al. 2 litt. d LCD, aux termes duquel une mesure de nature à faire naître une confusion avec l'entreprise d'autrui constitue un acte de concurrence déloyale. Pour que ces conditions fussent remplies, il faudrait notamment que Junod eût établi l'existence d'un risque de confusion entre son entreprise et celle de Graber. Or la Cour cantonale ne constate pas qu'il ait apporté cette preuve. Du reste, le fait que les sphères d'activité de ces deux entreprises sont bien séparées constitue un indice en sens contraire.
II.3.
En outre, Junod se fonde sur le droit des marques de fabrique et de commerce et invoque sa marque verbale "Au Bûcheron" déposée le 5 février 1958.
Selon la Cour cantonale, il ne peut, faute d'antériorité, opposer cette marque à la raison de commerce de Graber, laquelle vaut marque en vertu de l'art. 1er ch. 1 LMF; en outre, il n'est pas établi que Junod utilise l'expression "Au Bûcheron" comme marque.
a) Aux termes de l'art. 5 LMF, il y a présomption, jusqu'à preuve du contraire, que le premier déposant d'une marque en est aussi le véritable ayant droit. Cette présomption vise certainement le dépôt de la marque en vue de son enregistrement, conformément aux art. 12 et suiv. LMF, mais on discute en doctrine si elle profite également à celui qui invoque comme marque sa raison inscrite au registre du commerce, selon l'art. 1er ch. 2 et l'art. 2 LMF
BGE 88 II 28 S. 33
(cf., pour l'affirmative, DAVID, Kommentar zum Schweizerischen Markenschutzgesetz, 2e éd., ad art. 2 rem. 8, et, pour la négative, MATTER, Kommentar zum Bundesgesetz betreffend den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken, p. 93).
Selon l'art. 3 al. 1 LMF, les marques définies à l'art. 1er ch. 2 (c'est-à-dire celles qui ne sont pas constituées par une raison de commerce) sont soumises aux dispositions des
art. 4 à 11
LMF. Mais on n'en saurait déduire a contrario que lesdites dispositions ne soient pas applicables aux raisons de commerce, lesquelles sont visées par l'art. 1er ch. 1 LMF. En réalité, le législateur a simplement voulu, par l'art. 3 al. 1 LMF, exclure l'application aux marques constituées par une raison de commerce ("Firmenmarken") des prescriptions de forme sur l'enregistrement; il n'a nullement entendu soustraire cette catégorie de marques aux règles de fond figurant aux
art. 4 à 11
LMF (arrêt du Tribunal fédéral du 3 février 1948, dans la cause Indeco c. Equipement industriel SA).
On doit considérer en revanche que la marque et la raison de commerce ont deux buts différents. La première vise la marchandise, alors que la raison de commerce désigne ceux qui produisent cette marchandise ou la mettent en circulation. Aussi l'art. 2 LMF n'assimile-t-il les raisons de commerce aux marques enregistrées qu'autant qu'elles sont "employées comme marques". C'est par là seulement qu'une raison de commerce suisse devient une marque et qu'elle est protégée comme telle, indépendamment de l'inscription au registre des marques. Dès lors, la présomption du droit à la marque ne résulte pas de la seule inscription au registre du commerce selon l'art. 2 LMF (arrêt Indeco, cité ci-dessus; cf. également RO 44 II 85).
En l'espèce, Graber ne peut donc se prévaloir du fait que sa raison "Meubles Graber, Au Bûcheron" a été inscrite au registre du commerce avant que Junod déposât sa marque "Au Bûcheron".
BGE 88 II 28 S. 34
b) Cependant, pour que Junod puisse invoquer contre Graber la protection de la loi fédérale sur les marques de fabrique et de commerce, il faut, selon la jurisprudence constante du Tribunal fédéral, que Graber ait utilisé l'expression "Au Bûcheron" à titre de marque, c'est-à-dire comme signe appliqué sur les marchandises ou leur emballage à l'effet de les distinguer ou d'en constater la provenance (RO 50 II 201, 51 I 340, 55 II 345, 58 II 170, 60 II 255, 63 II 287, 76 II 93, 86 II 281, 87 II 42 et 111). Or le jugement déféré ne constate nulle part que Graber utilise sa raison de commerce ou une partie de cette raison comme marque.
La prétention de Junod doit donc être rejetée en tant qu'elle est fondée sur le droit des marques.
II.4.
Ainsi, Junod ne saurait invoquer un droit absolu fondé sur les dispositions qui protègent le nom, les raisons de commerce et les marques ou sur la loi relative à la concurrence déloyale. En revanche, il peut avoir acquis par convention la prétention qu'il fait valoir contre Graber. Il allègue que c'est effectivement le cas et il invoque à cet égard l'article I chiffre 4 du contrat du 17 janvier 1955.
Par cette clause, Junod accordait à Graber le droit d'utiliser l'enseigne "Au Bûcheron" pendant trois ans. Il était stipulé en outre que, ce délai écoulé, Junod redeviendrait sans autre formalité seul titulaire de cette enseigne. D'après la juridiction cantonale, Graber n'entendait pas renoncer à un droit par cette dernière clause; les deux parties croyaient que, même après la cession de son commerce de La Chaux-de-Fonds, Junod conservait un droit exclusif à l'enseigne "Au Bûcheron" pour le canton de Neuchâtel et que Graber ne pouvait donc utiliser cette dénomination que s'il y était autorisé par Junod. Ces constatations, qui ont pour objet la volonté dite interne des parties, relèvent du fait et lient le Tribunal fédéral en vertu de l'art. 63 al. 2 OJ (RO 72 II 79, 73 II 175, 76 II 144, 81 II 52, 84 II 245).
Or, contrairement à ce que croyaient les parties, Junod
BGE 88 II 28 S. 35
n'avait plus de droit exclusif sur la dénomination "Au Bûcheron" et Graber était libre - à l'égard de Junod - de l'utiliser dans le canton de Neuchâtel (voir ci-dessus consid. II 1 à 3). Pour que Graber perdît ce droit, il eût fallu qu'il y renonçât. Il ne l'a pas fait. Aussi bien les contractants entendaient-ils simplement confirmer la situation juridique qui résultait de la loi, sous réserve de l'autorisation accordée par Junod pour une période de trois ans.
Ainsi, Junod ne peut, en se fondant sur la convention du 17 janvier 1955, interdire à Graber d'utiliser la raison de commerce "Meubles Graber, Au Bûcheron". Son recours n'est donc fondé sur aucun de ses points et doit être rejeté.
III.1.
Sur le recours de la société Au Bûcheron SA:
Quant à la société Au Bûcheron SA, elle fonde d'abord ses conclusions sur son droit à sa raison.
a) En vertu de l'art. 951 al. 2 CO, la société anonyme a, dans toute la Suisse, un droit exclusif à sa raison de commerce (RO 63 II 25, 74 II 237; HIS, ad art. 951, rem. 13 et suiv.). Si un tiers fait, sur le territoire de la Confédération, un usage indu d'une telle raison, la société titulaire peut demander au juge d'y mettre fin et, s'il y a faute, réclamer des dommages-intérêts (art. 956 al. 2 CO). Le fait pour le titulaire d'une raison individuelle d'ajouter à son nom de famille l'élément principal de la raison d'une société anonyme ne constitue pas nécessairement un usage indu selon l'art. 956 al. 2 CO. Ce n'est le cas que si cette adjonction risque de tromper le public et de provoquer des confusions entre les deux raisons. Pour qu'un tel danger existe, il n'est pas nécessaire que des erreurs se soient effectivement produites. Il suffit qu'elles soient vraisemblables étant données la composition des raisons en présence et les circonstances particulières du cas. Il s'agit là d'une question de droit que le Tribunal fédéral revoit librement (RO 74 II 236, 80 II 145, 82 II 154).
La protection attachée à la raison d'une société anonyme est en principe indépendante du siège, du but et de l'activité
BGE 88 II 28 S. 36
effective de cette société et de ceux du tiers recherché. Elle s'étend en effet à toute la Suisse et n'est pas limitée aux entreprises concurrentes. Toutefois, comme le risque de confusion doit être apprécié d'après les circonstances particulières du cas, il faut prendre en considération, à ce titre, l'éloignement de leurs sièges, le cercle de leurs clientèles et le genre de leur activité (RO 63 II 25, 76 II 87).
Enfin, pour juger du danger de confusion, il faut se fonder sur l'impression laissée par la raison sociale dans la mémoire de celui qui la lit avec l'attention usuelle en affaires. On ne doit donc pas comparer seulement les raisons en présence considérées dans leur ensemble: des éléments particulièrement frappants, identiques dans les deux raisons, peuvent faire passer à l'arrière-plan, dans l'attention de la clientèle, les divergences d'éléments accessoires, au point que celles-ci ne restent pas dans le souvenir (RO 72 II 185, 73 II 112, 74 II 237, 77 II 324, 82 II 154/155).
b) En l'espèce, il est évident, pour le lecteur averti, que les deux raisons désignent des entreprises différentes, l'une étant celle d'une société anonyme et l'autre une raison individuelle dont le titulaire est nommément indiqué conformément à l'art. 945 al. 1 CO. Mais, ce qui est décisif, c'est l'attention avec laquelle ces raisons sont lues par l'ensemble des clients éventuels, c'est-à-dire, s'agissant de commerces de meubles, le grand public. Or on sait qu'il ne prête pas une attention particulière à la différenciation des raisons de commerce.
Le seul élément caractéristique de la raison de la recourante est la dénomination "Au Bûcheron". Quant à la raison de Graber, elle comprend plusieurs éléments. Le premier, le mot "meubles", est une désignation générique qui n'a rien de frappant et qui, par conséquent, ne se grave pas dans le souvenir. Les éléments qui suivent, savoir "Graber" et "Au Bûcheron", sont plus caractéristiques. Mais, entre les deux, le public prêtera surtout attention au nom de Graber. En effet, comme le Tribunal fédéral l'a
BGE 88 II 28 S. 37
exposé à propos de la raison individuelle "Meyer-Munzinger, Wollenhof" (RO 74 II 239), le public a tendance, lorsqu'il lit une raison de commerce de ce genre, à fixer son attention sur le nom de famille, surtout s'il est mis à la première place; un tel nom lui permet de se représenter une personne, alors qu'un terme générique ou une dénomination de fantaisie relègue dans l'anonymat les propriétaires ou les organes de l'entreprise. Ces considérations ont une valeur particulière lorsque, comme c'est le cas en l'espèce, le nom de famille que comprend la raison est bien connu dans la région. Aussi est-ce se fondant sur l'arrêt Wollenhof que le Tribunal cantonal a déclaré mal fondées les prétentions de la société Au Bûcheron SA
Toutefois, les deux cas ne sont pas identiques. Sans être une pure désignation générique, "Wollenhof" s'en rapproche et donne une indication générale sur le genre d'activité de l'entreprise. Cela a pour effet d'affaiblir la portée de cet élément dans une raison de commerce où il figure avec un nom de famille. En revanche, "Au Bûcheron" est une dénomination de fantaisie, qui frappe davantage et qui peut atténuer dans une certaine mesure l'impression laissée par le nom de famille. Aussi les considérants de l'arrêt Wollenhof ne sont-ils pas entièrement concluants en l'espèce.
Cependant, un autre élément est décisif. Comme on l'a vu (ci-dessus, consid. II 1), le Tribunal cantonal a constaté que Junod et Graber avaient leurs entreprises en des lieux différents et que leurs sphères commerciales étaient nettement séparées. Ces considérations s'appliquent également à la recourante Au Bûcheron SA Aussi bien, les meubles ne sont généralement vendus qu'en magasin. C'est pourquoi le cercle normal de la clientèle est limité à une région relativement peu étendue, ce que corrobore le fait que Junod avait ouvert des succursales à La Chaux-de-Fonds et que Graber en a créé une au Locle. Cet élément permet de nier tout risque de confusion entre la raison de commerce "Au Bûcheron SA" et celle de l'intimé.
BGE 88 II 28 S. 38
Sans doute pourrait-on songer à l'hypothèse que la société Au Bûcheron SA ouvre une succursale dans le rayon d'activité de Graber. Mais, pour apprécier le risque de confusion, il faut se fonder sur les circonstances existant effectivement et non sur des éventualités, d'autant moins plausibles en l'espèce que Junod a précisément renoncé à son établissement de La Chaux-de-Fonds.
Ainsi, les prétentions d'Au Bûcheron SA ne sont pas fondées en tant que cette société invoque le droit des raisons de commerce.
III.2.
Les conclusions prises par Au Bûcheron SA pourraient être admises en vertu de la loi sur la concurrence déloyale si Graber faisait ressortir, dans son enseigne, sa publicité ou ses papiers d'affaires, l'élément commun aux deux raisons de commerce. Mais ce n'est pas le cas, puisque, au contraire, il met les termes "Meubles Graber" en évidence par des caractères plus grands et une écriture spéciale, au point que la dénomination "Au Bûcheron" apparaît comme un élément secondaire.
Le recours de la société Au Bûcheron SA doit donc également être rejeté. | public_law | nan | fr | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
499c10aa-438d-4603-b219-b3972e7cb644 | Urteilskopf
99 V 46
16. Auszug aus dem Urteil vom 12. Februar 1973 i.S. Meier gegen AHV-Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Anmeldung bei der Invalidenversicherung (
Art. 46 und 60 IVG
). Damit wahrt der Versicherte alle seine gegenwärtigen Leistungsansprüche, sofern das, was er meldet, wenigstens den Schluss erlaubt, sie könnten ihm zustehen. | Erwägungen
ab Seite 46
BGE 99 V 46 S. 46
Aus den Erwägungen:
3.
a) Nach der Rechtsprechung zu
Art. 46 IVG
wahrt ein Versicherter mit der Anmeldung an die Invalidenversicherungs-Kommission grundsätzlich alle seine zu diesem Zeitpunkt gegenüber der Versicherung bestehenden Leistungsansprüche, auch wenn er diese im Anmeldeformular nicht im einzelnen angibt (EVGE 1964 S. 189, 1962 S. 342). Zu dieser Rechtsprechung hat das Gesamtgericht mit Beschluss vom 13. November 1972 präzisierend ausgeführt, dieser Grundsatz finde jedenfalls keine Anwendung für Leistungen, die in keinem Zusammenhang mit den sich aus den Angaben des Versicherten ausdrücklich oder sinngemäss ergebenden Begehren stünden und für welche auch keinerlei aktenmässige Anhaltspunkte die Annahme erlauben würden, sie könnten ebenfalls in Betracht fallen. Denn die Abklärungspflicht der Invalidenversicherungs-Kommission (vgl.
Art. 60 Abs. 1 IVG
) erstrecke sich trotz des erwähnten Grundsatzes nicht auf alle überhaupt möglichen Leistungsansprüche, sondern nur auf die vernünftigerweise mit dem vorgetragenen Sachverhalt und allfälligen bisherigen oder
BGE 99 V 46 S. 47
neuen Akten in Zusammenhang stehenden Leistungen. Mache der Versicherte später geltend, er habe auf eine weitere Leistung Anspruch als die ihm verfügungsmässig zugesprochenen oder verweigerten und er habe sich hiefür bereits gemeldet, so ist nach den gesamten Umständen des Einzelfalles im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben zu prüfen, ob jene frühere - unpräzise - Anmeldung schon den später substanziierten Anspruch umfasse. Ist dies zu verneinen, so können Leistungen nur im Rahmen der 12 Monate, die der erneuten Anmeldung vorangehen, gemäss
Art. 48 Abs. 2 IVG
rückwirkend zugesprochen werden; erscheint dagegen die frühere Anmeldung als hinreichend substanziiert, so ist die fünfjährige Verwirkungsfrist seit dieser Anmeldung massgebend. In jedem Falle bleibt Satz 2 der genannten Bestimmung vorbehalten (Unkenntnis des anspruchsbegründenden Sachverhaltes).
b) Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanz und das Bundesamt ohne weitere Begründung auf die erste Anmeldung vom 9. Mai 1968 abgestellt in der Annahme, der Rentenanspruch sei schon damals angemeldet worden. Der Beschwerdeführer hat auf dem Einlageblatt zu jener Anmeldung die anbegehrten Leistungen nicht im einzelnen angegeben. Offensichtlich wollte er damit alle ihm damals von Gesetzes wegen zustehenden Ansprüche geltend machen. Mit der neuen Anmeldung vom 23. Februar 1970 verlangte er dagegen ausdrücklich und ausschliesslich die Zusprechung einer Rente. Deshalb erhebt sich die Frage, ob die Invalidenversicherungs-Kommission schon anlässlich der ersten Anmeldung Anlass gehabt hätte, anzunehmen, es würde auf Grund des gemeldeten Sachverhaltes ausser der Abgabe eines Lendenmieders als Hilfsmittel auch ein Rentenanspruch in Betracht fallen. Gottlieb Meier bemerkte zu seiner damaligen Anmeldung, er habe bisher sein Leiden auf sich genommen, jetzt gehe es aber nicht mehr; er habe sich am 8. Mai 1968 in die Klinik Balgrist begeben. In der Anamnese des Arztberichtes vom 4. Juli 1968 wird festgehalten, der Patient habe über Zunahme der Schmerzen geklagt, er könne nur noch drei Stunden stehen und auch nicht mehr lange sitzen. Der Arzt hielt dann allerdings Gottlieb Meier auf Grund der einmaligen Untersuchung nicht für arbeitsunfähig. Dagegen hat die Invalidenversicherungs-Kommission damals keinerlei Erhebungen über die persönlichen und erwerblichen Verhältnisse des Leistungsansprechers vorgenommen. Unter diesen
BGE 99 V 46 S. 48
Umständen kann nicht angenommen werden, ein Rentenanspruch habe damals im vorneherein ausgeschlossen werden können. Ebensowenig kann in der Verfügung, es sei Gottlieb Meier ein Hilfsmittel abzugeben, eine stillschweigende Verweigerung der Rente oder in der Nichtanfechtung jener Verfügung durch den Versicherten ein Verzicht auf die Rente erblickt werden. Somit sind die Vorinstanz und das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen, der Rentenanspruch Gottlieb Meiers sei bereits am 9. Mai 1968 zur Anmeldung gelangt. | null | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
499df8ac-65e0-481a-a84a-8f593df80186 | Urteilskopf
110 III 13
4. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 30. April 1984 i.S. Genossenschafts-Buchdruckerei Aktiengesellschaft (Rekurs) | Regeste
Beseitigung des Rechtsvorschlags (
Art. 79 und 80 SchKG
).
Der Rechtsvorschlag kann nur durch ein vollstreckbares Urteil oder einen gleichwertigen Rechtstitel beseitigt werden. Ob einer Abstandserklärung nach bernischem Zivilprozessrecht dieselbe Wirkung zukommt wie einem Urteil, entscheidet sich nach kantonalem Recht, dessen Anwendung vom Bundesgericht im Rahmen des Rekursverfahrens gemäss
Art. 19 SchKG
nicht überprüft werden kann. | Sachverhalt
ab Seite 14
BGE 110 III 13 S. 14
A.-
Die Genossenschafts-Buchdruckerei Aktiengesellschaft liess der Edition Erpf AG am 5. Juli 1983 einen Zahlungsbefehl Nr. 83 389 des Betreibungsamtes Bern für eine Forderung von Fr. 33'894.80 nebst Zins zu 7% seit 1. Januar 1983 zustellen. Die Schuldnerin erhob Rechtsvorschlag. In der Folge reichte die Gläubigerin beim Handelsgericht des Kantons Bern Klage ein mit den Begehren:
1. Die Schuldnerin sei zu verurteilen, der Gläubigerin den Betrag von Fr. 31'010.20 nebst Zins zu 7% seit 14. Mai 1983 und weiteren Kosten zu bezahlen, und der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. 83 389 des Betreibungsamtes Bern sei aufzuheben;
2. Die Schuldnerin sei zu verurteilen, den Betrag von Fr. 3'367.60 als Verzugszins zu bezahlen.
Am 31. Januar 1984 erklärte die Edition Erpf AG den Abstand von der Klage, indem sie die im Rechtsbegehren Nr. 1 der Gläubigerin verlangten Beträge anerkannte. Vom Rechtsbegehren Nr. 2 anerkannte sie lediglich den Betrag von Fr. 2'439.75 als Verzugszins, alles unter Vorbehalt des Kostenentscheides. Mit Schreiben vom 13. Februar 1984 an das Handelsgericht erklärte die Schuldnerin jedoch den vollumfänglichen Abstand von den klägerischen Begehren. Das Handelsgericht schrieb daraufhin den Prozess mit Beschluss vom 2. März 1984 am Geschäftsverzeichnis ab.
B.-
Am 1. Februar 1984 stellte die Genossenschafts-Buchdruckerei Aktiengesellschaft in der Betreibung Nr. 83 389 für die der Abstandserklärung vom 31. Januar 1984 zugrundeliegenden Beträge das Fortsetzungsbegehren. Das Betreibungsamt erliess daher am 6. Februar 1984 die Konkursandrohung, die es der Edition Erpf AG am 28. Februar 1984 zugehen liess. Die Schuldnerin erhob am 1. März 1984 bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern Beschwerde und beantragte die Aufhebung der Konkursandrohung mit der Begründung, diese sei vor der gültigen Beseitigung des Rechtsvorschlages erlassen worden.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde am 19. März 1984 gut und hob die am 28. Februar 1984 in der Betreibung Nr. 83 389 zugestellte Konkursandrohung auf.
C.-
Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde führt die Genossenschafts-Buchdruckerei Aktiengesellschaft Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Begehren, die Beschwerde der Edition Erpf AG sei abzuweisen.
BGE 110 III 13 S. 15
Die Rekursgegnerin, die Edition Erpf AG, beantragt in ihren Gegenbemerkungen, den Rekurs abzuweisen und den angefochtenen Entscheid zu bestätigen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Im vorliegenden Fall ist umstritten, ob der in der Betreibung Nr. 83 389 erhobene Rechtsvorschlag beseitigt worden war, bevor das Betreibungsamt der Schuldnerin die Konkursandrohung zustellte. War der Rechtsvorschlag noch gültig, so ist die Konkursandrohung nichtig, was von den Parteien grundsätzlich auch nicht in Frage gestellt wird.
Der Rechtsvorschlag bewirkt die Einstellung der Betreibung (
Art. 78 SchKG
). Wird der Rechtsvorschlag nicht widerrufen und beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil oder auf einem gemäss
Art. 80 Abs. 2 SchKG
gleichwertigen Titel, so wird dem Gläubiger die definitive Rechtsöffnung erteilt. Diese berechtigt den Gläubiger, die Fortsetzung der Betreibung zu verlangen, sobald der Rechtsöffnungsentscheid in Rechtskraft erwachsen ist. Kann sich der Gläubiger auf einen Rechtstitel im Sinne von
Art. 82 SchKG
stützen, so wird ihm nur die provisorische Rechtsöffnung gewährt. In diesem Falle hat der Betriebene noch die Möglichkeit, beim ordentlichen Richter Aberkennungsklage zu erheben. Unterlässt er dies oder wird eine solche Klage abgewiesen, so wird die Rechtsöffnung definitiv, und der Gläubiger kann wiederum die Fortsetzung der Betreibung verlangen (
Art. 83 Abs. 2 und 3 SchKG
). Schliesslich kann auch der Gläubiger, gegen dessen Betreibung Recht vorgeschlagen wurde, ohne Anstrengung eines Rechtsöffnungsverfahrens im Sinne von
Art. 80 ff. SchKG
zur Geltendmachung seines Anspruchs den ordentlichen Prozessweg beschreiten (
Art. 79 SchKG
). Das Betreibungsamt darf indessen eine durch gültigen Rechtsvorschlag gehemmte Betreibung nur aufgrund eines rechtskräftigen Entscheids fortsetzen, der den Rechtsvorschlag ausdrücklich aufhebt. Die nach
Art. 79 SchKG
angerufene Behörde ist daher befugt, zugleich mit dem Sachentscheid auch die Rechtsöffnung auszusprechen (
BGE 107 III 64
E. 3).
2.
Im vorliegenden Fall wurde kein Rechtsöffnungsverfahren durchgeführt, sondern die Rekurrentin hat gemäss
Art. 79 SchKG
den ordentlichen Richter angerufen, um ihre Forderung durchzusetzen.
BGE 110 III 13 S. 16
Die Rekursgegnerin hat am 31. Januar 1984 den teilweisen und am 13. Februar 1984 den vollumfänglichen Abstand erklärt. Ob dieser Abstandserklärung im Hinblick auf
Art. 79 SchKG
die gleichen Wirkungen zukommen wie einem rechtskräftigen Urteil, beurteilt sich nach den Vorschriften des kantonalen Prozessrechts. Das Bundesgericht kann jedoch im Rahmen des Rekursverfahrens gemäss
Art. 19 SchKG
und
Art. 78 ff. OG
die Anwendung von kantonalem Recht nicht überprüfen. Die Ausführungen in der Rekursschrift, mit denen die Rekurrentin darzulegen versucht, dass die Abstandserklärung nach bernischem Prozessrecht die gleiche unmittelbare Wirkung entfalte wie ein förmliches Urteil, sind daher nicht zu hören.
3.
Gewiss hätte die Rekursgegnerin ihren Rechtsvorschlag auch noch während der Rechtshängigkeit des ordentlichen Prozesses oder eines Rechtsöffnungsverfahrens zurückziehen können, was die Gegenstandslosigkeit dieser Verfahren zur Folge gehabt hätte. Die Rekurrentin ist nun der Meinung, in der von der Rekursgegnerin vor dem ordentlichen Richter abgegebenen Abstandserklärung sei auch sinngemäss ein Rückzug des Rechtsvorschlags enthalten. Dieser Ansicht kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Die Schuldnerin hat nicht ausdrücklich erklärt, dass sie den Rechtsvorschlag zurückziehe. Sie hat lediglich die von der Rekurrentin im ordentlichen Verfahren gestellten Anträge anerkannt - und zwar zunächst teilweise am 31. Januar 1984 und anschliessend vollumfänglich am 13. Februar 1984. Richtig ist, dass in diesen Begehren der Gläubigerin auch der Antrag auf Aufhebung des Rechtsvorschlags enthalten war. Indem die Schuldnerin dieses Begehren anerkannt hat, hat sie auch gleichzeitig ihren Willen kundgetan, dass die Rechtsöffnung mit dem Urteil oder einem gleichwertigen Rechtstitel (Abschreibungsbeschluss) erteilt werde, und nicht aufgrund einer blossen Willenserklärung von ihrer Seite, die solange widerrufen werden konnte, bis sie zur Kenntnis des Betreibungsamts gelangte (
BGE 62 III 125
). Die kantonale Aufsichtsbehörde hat daher mit Recht in der Abstandserklärung nicht auch einen Rückzug des Rechtsvorschlags erblickt.
4.
Die Rekurrentin wendet vergebens ein, dass die urteilende Behörde weder das im ordentlichen Prozess gefällte Urteil noch den Rechtsöffnungsentscheid dem Betreibungsamt mitteile. Dieser Einwand ist insofern nicht stichhaltig, weil die fraglichen Entscheidungen die Fortsetzung der Betreibung unabhängig vom Willen des Schuldners erlauben. Der Rückzug des Rechtsvorschlags
BGE 110 III 13 S. 17
durch den Schuldner darf einem solchen Urteil nicht gleichgesetzt werden, selbst wenn dieses auf einer Abstandserklärung des Schuldners beruht.
Nachdem im vorliegenden Fall dem Betreibungsamt keine Rückzugserklärung der Rekursgegnerin zugegangen ist, konnte der Rechtsvorschlag nur durch ein Urteil oder einen gleichwertigen Rechtstitel beseitigt werden. Wie bereits dargelegt, kann das Bundesgericht die Frage, ob eine Abstandserklärung bzw. der darauf gestützte Abschreibungsbeschluss nach bernischem Zivilprozessrecht einem Urteil gleichzusetzen sei, nicht überprüfen. Der Rekurs erweist sich damit als unbegründet, soweit überhaupt auf ihn eingetreten werden kann. | null | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
49a26ed3-76bd-484e-b9d8-d4a6cee933a3 | Urteilskopf
119 V 277
39. Arrêt du 16 juillet 1993 dans la cause Caisse de pensions de l'Etat de Vaud contre T. et Tribunal des assurances du canton de Vaud | Regeste
Art. 4 Abs. 2 BV
: Anspruch auf eine Witwerrente; Übergangsrecht.
- Gesetz vom 28. Juni 1984 über die Pensionskasse des Kantons Waadt, in Kraft seit 1. Januar 1985. Ab diesem Datum hat der überlebende Ehepartner eines bei der Pensionskasse des Kantons Waadt versicherten Beamten unabhängig vom Geschlecht unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Hinterlassenenleistungen (Art. 60). Vor diesem Datum konnte der Witwer solche Leistungen nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen geltend machen.
- Gesetzmässigkeit der Übergangsnorm von Art. 132 Abs. 1, wonach der Witwer einer Versicherten, die vor dem 1. Januar 1985 pensioniert wurde, jedoch nach diesem Datum gestorben ist, nur eine Rente unter den nach altem Recht geltenden Voraussetzungen erwerben kann.
-
Art. 4 Abs. 2 BV
ist nicht rückwirkend anwendbar. | Sachverhalt
ab Seite 278
BGE 119 V 277 S. 278
A.-
Pierrette T., née en 1919, mariée, était affiliée à la Caisse de pensions de l'Etat de Vaud (CPEV) en sa qualité de fonctionnaire. A partir du 1er août 1978, elle a bénéficié d'une pension de retraite, jusqu'à son décès survenu le 24 octobre 1991.
Le mari de la défunte, Philippe T., né en 1919, lui-même fonctionnaire retraité de l'Etat de Vaud depuis 1981, a fait valoir auprès de la CPEV son droit à une pension de conjoint survivant en application de l'art. 60 let. b de la loi du 18 juin 1984 sur la Caisse de pensions de l'Etat de Vaud, en vigueur depuis le 1er janvier 1985 (RSV 1.7; en abrégé: LCPV), qui dispose ce qui suit:
"Le conjoint d'un assuré ou d'un pensionné qui décède a droit à une pension jusqu'à sa mort ou son remariage,
(...)
b) s'il a 45 ans révolus; (...)"
La CPEV a refusé de faire droit à cette demande en se fondant sur l'art. 132 al. 1 LCPV d'après lequel:
"Lorsque la retraite, l'invalidité définitive ou la mort est survenue avant l'entrée en vigueur de la présente loi, les pensions et les suppléments temporaires servis par la Caisse, ainsi que les pensions qui en découleront, sont dus sans modification conformément à la législation abrogée."
Or, selon l'art. 50 de la loi du 12 décembre 1951 sur la Caisse de pensions (aLCPV), le veuf d'une assurée ou pensionnée n'avait pas droit à une pension, sauf dans des cas exceptionnels d'invalidité totale ou de ressources notoirement insuffisantes.
B.-
Après être intervenu en vain auprès du conseil d'administration de la CPEV, Philippe T. a ouvert action, le 13 février 1992, devant le Tribunal des assurances du canton de Vaud en concluant, notamment, à l'allocation de la pension litigieuse.
Par jugement du 18 juin 1992, la Cour cantonale a admis la demande, avec suite de dépens, et a invité la caisse défenderesse à statuer
BGE 119 V 277 S. 279
sur la quotité de la rente de veuf à servir au demandeur, ainsi que sur la date à partir de laquelle cette prestation est due.
C.-
La CPEV interjette recours de droit administratif contre ce jugement qu'elle demande, implicitement, d'annuler.
Philippe T. conclut au rejet du recours, avec suite de frais et dépens. Quant à l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS), il en propose également le rejet, au terme d'un préavis circonstancié.
Les moyens des parties et les observations de l'autorité fédérale de surveillance seront exposés dans le corps de l'arrêt pour autant que de besoin.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Recevabilité et pouvoir d'examen).
2.
En procédure cantonale, l'intimé s'était fondé sur un premier moyen qui a toutefois été écarté par les juges cantonaux. Il soutenait qu'aux termes de l'art. 132 al. 1 LCPV, le fait déterminant son droit à une pension de survivant n'était pas la retraite de son épouse, antérieure au 1er janvier 1985, mais la mort de celle-ci survenue, elle, après cette date. Il en résulterait que la règle de droit transitoire ne lui serait pas opposable dans le cas particulier.
C'est avec raison que le tribunal cantonal n'a pas retenu cette interprétation de la disposition légale en cause. En effet, la norme de base, c'est-à-dire l'art. 60 LCPV distingue clairement deux catégories de personnes dont le décès ouvre droit, à des conditions déterminées, à une pension de conjoint survivant: les assurés et les pensionnés. Or, il est constant que depuis le 1er août 1978, feue Pierrette T. faisait partie de la seconde catégorie. C'est donc bien une pension de survivant "découlant" de la pension de retraite servie à son épouse que l'intimé réclame à la recourante. A cet égard et contrairement à ce que celui-ci allègue de manière répétée dans ses mémoires, le fait qu'il est lui-même un ancien fonctionnaire de l'Etat de Vaud ayant cotisé à la caisse de pension pendant près de quarante ans avant de bénéficier d'une pension de retraite est sans incidence sur son droit à une pension de conjoint survivant. Dès lors, s'il est bien exact que le droit éventuel de l'intimé à une pension de survivant résulte du décès de Pierrette T., il n'en demeure pas moins qu'au regard de l'art. 132 al. 1 LCPV, c'est la date à laquelle est né le droit de la défunte à une pension de retraite, c'est-à-dire le jour où elle a troqué
BGE 119 V 277 S. 280
son statut d'assurée contre celui de pensionnée, qui est déterminante. Or, il est constant que cette date est antérieure à l'entrée en vigueur du nouveau droit.
3.
a) Aussi bien, pour accueillir la demande, les juges cantonaux ont-ils suivi un autre raisonnement: se référant aux principes développés par la Cour de céans dans l'arrêt
ATF 116 V 198
, ils ont considéré que l'art. 132 al. 1 LCPV avait pour effet, en ce qui concerne le droit à une pension de conjoint survivant, de prolonger de manière indue une situation inégalitaire contraire au principe constitutionnel de l'égalité entre les sexes (
art. 4 al. 2 Cst.
) puisque sous l'empire de l'aLCPV de 1951 les conditions du droit à une rente de veuf étaient plus restrictives que celles du droit à une rente de veuve, inégalité que la loi de 1984 a précisément supprimée.
Or, dans la mesure où cette disposition légale est postérieure au 14 juin 1981, date à laquelle le constituant a adopté l'
art. 4 al. 2 Cst.
, elle est inconstitutionnelle puisqu'elle consacre une inégalité de traitement entre les sexes dont les effets se prolongeront durant de nombreuses années, ce qui serait inadmissible au regard des principes jurisprudentiels relatifs à la mise en oeuvre, par le législateur cantonal, de cette règle du droit constitutionnel fédéral (
ATF 116 V 198
, 215-216 consid. 3b et les références, ainsi que les commentaires relatifs à cet arrêt: VIRET, RSA 1991 p. 107; MEYER-BLASER, RDS 111/1992 II p. 410; SCHWEIZER, in Mélanges pour le 75e anniversaire du TFA, p. 50; GREBER, in op.cit., p. 262; KÜNG, SPV 1991 pp. 17 ss; ISAAK-DREYFUS, Das Verhältnis des schweizerischen Ehescheidungsrechts zum Sozialversicherungsrecht (1. und 2. Säule) de lege lata und de lege ferenda, thèse Zurich 1992, pp. 140 ss).
b) La recourante conteste ce raisonnement en faisant valoir d'une part un argument général de nature actuarielle: le 1er janvier 1985, date de l'entrée en vigueur du nouveau droit et plus particulièrement de l'art. 60 LCPV, la caisse servait 614 pensions d'invalidité et 2868 pensions de retraite. En admettant que la rente de veuf allouée aux conditions du nouveau droit aux conjoints survivants de pensionnées décédées après cette date soit égale à 60% de la pension de retraite que touchait l'épouse décédée, le montant à financer se serait élevé, en date du 1er janvier 1992, à 2'114'270 francs. Or, par définition, aucune réserve destinée à couvrir cette éventualité n'a été constituée avant le 1er janvier 1985 de sorte qu'en suivant le raisonnement des premiers juges, la caisse recourante serait amenée à servir des prestations qui n'ont jamais été financées, ce qui est intolérable du point de vue actuariel.
BGE 119 V 277 S. 281
La recourante arguë d'autre part du fait que la pension de conjoint survivant "n'a pas d'existence propre, tant en droit que du point de vue de son financement; elle ne fait que découler de la prestation de retraite principale". Dans le cas d'espèce, Pierrette T. a bénéficié d'une pension de retraite non seulement avant l'entrée en vigueur de la nouvelle LCPV mais aussi avant le 14 juin 1981. Or, si, avant cette dernière date, son mari n'aurait pu invoquer le principe d'égalité des sexes pour se faire reconnaître le droit à une pension de conjoint survivant, il ne le peut pas non plus aujourd'hui, sous peine de donner à l'
art. 4 al. 2 Cst.
un effet rétroactif inadmissible.
Il est dès lors faux, selon la recourante, de considérer l'art. 132 al. 1 LCPV comme une disposition légale postérieure à l'entrée en vigueur de l'
art. 4 al. 2 Cst.
au sens de la jurisprudence (
ATF 116 V 213
), comme l'ont fait les premiers juges.
c) Dans sa réponse, l'intimé s'attache surtout à réfuter l'aspect actuariel de l'argumentation développée par la recourante, sans apporter d'élément nouveau en ce qui concerne la question de fond.
Quant à l'OFAS, il est d'avis, en bref, que les motifs de nature actuarielle invoqués par la recourante ne justifient pas le refus de la CPEV de respecter la norme constitutionnelle de l'égalité des sexes dans un cas tel que celui qui se présente ici.
4.
a) Si l'aspect actuariel ne saurait être négligé, le recours doit cependant être admis pour une raison purement juridique, ainsi qu'on va le voir.
En effet, la situation qui se présente en l'espèce diffère fondamentalement de celle qui existait dans l'arrêt
ATF 116 V 198
. Dans ce dernier cas, le gouvernement saint-gallois avait expressément maintenu une inégalité de traitement entre les sexes dans une disposition réglementaire nouvelle promulguée postérieurement au 14 juin 1981, ce qui justifiait une intervention du juge après l'expiration du "délai de grâce" concédé aux cantons pour se conformer à l'
art. 4 al. 2 Cst.
(
ATF 116 V 215
consid. 3b). Au contraire, le législateur vaudois a pleinement respecté cette exigence du droit fédéral en promulguant à partir du 1er janvier 1985 une règle (l'art. 60 LCPV) qui élimine toute inégalité de traitement entre les sexes en ce qui concerne le droit à une pension de conjoint survivant.
Mais bien entendu, il n'a jamais été question d'étendre les effets de la nouvelle norme constitutionnelle à toutes les situations consacrant une inégalité de traitement entre les sexes qui sont nées en vertu de règles de droit antérieures au 14 juin 1981 (
ATF 116 Ia 381
consid. 10d; ZBl 87/1986 p. 485 consid. 2c). Ainsi, dans le cas particulier,
BGE 119 V 277 S. 282
le droit de Pierrette T. à une pension de retraite est né le 1er août 1978, sous l'empire de la loi de 1951, et c'est donc aussi d'après cette loi que le droit de son conjoint à une pension de survivant doit être déterminé. Il est en effet établi, ainsi qu'on l'a vu, que dans le système vaudois, le droit à la pension de conjoint survivant est un accessoire du droit à la pension de retraite. On ne voit dès lors pas pourquoi le nouveau droit devrait s'appliquer à la pension du conjoint survivant alors que le droit à la pension de retraite du conjoint décédé résultait de l'ancien droit. C'est ce que le législateur cantonal a voulu signifier en édictant l'art. 132 LCPV qui ne réserve que certaines exceptions à ce principe, dont aucune n'entre en ligne de compte ici (cf. art. 132 al. 2 LCPV).
b) Au demeurant, la solution contraire aurait des effets pratiques difficilement mesurables car ce n'est pas seulement dans le domaine des pensions de conjoint survivant que l'ancien droit consacrait des inégalités de traitement entre les sexes. C'est dans cette mesure surtout que l'aspect financier de la question intervient puisque si, d'une manière générale, on mettait systématiquement les anciens assurés, aujourd'hui pensionnés, au bénéfice de nouvelles dispositions instaurant l'égalité de traitement entre les sexes, cela engendrerait à n'en pas douter une augmentation des coûts qui pourrait se révéler considérable et qui, en l'absence de réserves constituées à cette fin par les institutions de prévoyance, devrait être financée par les assurés de la génération actuelle. Cela nécessiterait donc, à l'évidence, une décision de l'autorité politique et n'est plus du ressort du juge (
ATF 117 V 327
; MEYER-BLASER, RDS 111/1992 II p. 410; WEBER-DÜRLER, Grenzen des Rechtsschutzes bei der Gleichberechtigung, in L'égalité entre hommes et femmes - un mandat politique pour le législateur, Mélanges Margrith Bigler-Eggenberger [1993], p. 352).
C'est par conséquent à bon droit que le conseil d'administration de la recourante a refusé d'allouer à l'intimé la pension de conjoint survivant qu'il demandait. Il y a lieu, en conséquence, d'admettre le recours et d'annuler le jugement attaqué.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours est admis et le jugement du Tribunal des assurances du canton de Vaud du 18 juin 1992 est annulé. La demande du 13 février 1992 est rejetée. | null | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
49a6465a-cd31-40a8-b2e5-ef40e9cd31a9 | Urteilskopf
93 I 573
72. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. November 1967 i.S. Diamalt Aktiengesellschaft gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum. | Regeste
Markenrecht. Schutzverweigerung gegenüber international hinterlegter Marke wegen Täuschungsgefahr über die Beschaffenheit der Ware. Madrider Abkommen (Fassung von Nizza 1957) Art. 5 Abs. 1; Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon 1958) Art. 6 Abs. 1, 6 quinquies lit. B Ziff. 3 (Erw. 1).
Unzulässigkeit der Marke "DIAMALT" für nicht malzhaltige Produkte.
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
(Erw. 2, 3).
Verwendung der Firma als Marke (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 574
BGE 93 I 573 S. 574
A.-
Die Firma Diamalt Aktiengesellschaft in München ist Inhaberin einer in der deutschen Warenzeichenrolle unter der Nr. 629 830 eingetragenen Wort/Bild-Marke. Am 16. November 1966 liess sie diese gestützt auf das Madrider Abkommen von 1891 betreffend die internationale Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken im internationalen Register unter der Nr.326409 eintragen.
Das Zeichen besteht aus einem grossen D, das beidseitig von Ähren flankiert ist; im Innern des D befinden sich, untereinander angeordnet, die Buchstaben AG; oben steht quer das Wort "DIAMALT", unten "MÜNCHEN"; das Ganze ist von einer breiten Kreislinie umschlossen. Die Marke ist für eine grosse Zahl von verschiedenartigen Arznei- und Nahrungsmitteln sowie von chemischen Hilfsstoffen bestimmt.
B.-
Das Eidgen. Amt für geistiges Eigentum teilte am 16. Juni 1967 dem internationalen Büro mit, der Marke werde in der Schweiz der Schutz für diejenigen Erzeugnisse der Warenliste verweigert, die ihrer Natur nach Malz enthalten können, jedoch kein solches enthalten.
C.-
Gegen diesen Entscheid hat die Markeninhaberin verwaltungsgerichtliche Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, die Verfügung des Amtes vom 16. Juni 1967 sei aufzuheben und die Marke in der Schweiz ohne Einschränkung zu schützen.
Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
BGE 93 I 573 S. 575
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde ist das Madrider Abkommen betreffend die internationale Registrierung der Fabrik- oder Handelsmarken (MMA) in seiner am 15. Juni 1957 in Nizza revidierten Fassung massgebend, die sowohl von der Schweiz als auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert worden ist. Gemäss
Art. 5 Abs. 1 MMA
darf die Schweiz einer international registrierten Marke den Schutz nur unter den Bedingungen verweigern, unter denen sie nach der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVU) eine zur Eintragung in der Schweiz hinterlegte Marke zurückweisen dürfte. Massgebend ist die 1958 in Lissabon revidierte Fassung der PVU, die in Art. 6 Abs. 1 vorsieht, dass die Bedingungen für die Hinterlegung und Eintragung von Fabrik- oder Handelsmarken in jedem Lande durch die Landesgesetzgebung bestimmt werden. Nach Art. 6 quinquies, lit. B Ziff. 3 PVU sodann darf eine Eintragung verweigert werden, wenn die Marke gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstösst, insbesondere wenn sie geeignet ist, das Publikum zu täuschen.
2.
Nach
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
hat das eidgen. Amt für geistiges Eigentum die Eintragung einer gegen die guten Sitten verstossenden Marke zu verweigern. Sittenwidrigkeit im Sinne dieser Bestimmung liegt unter anderm vor, wenn die Marke geeignet ist, den Käufer in irgendeiner Hinsicht irrezuführen, insbesondere ihn über die Beschaffenheit der Ware zu täuschen (
BGE 91 I 52
Erw. 2;
BGE 89 I 51
Erw. 4, 293 Erw. 2, 301 Erw. 2 und dort erwähnte Entscheide). Das schweizerische Recht stimmt also in dieser Hinsicht mit der in Art. 6 quinquies PVU getroffenen Regelung überein. Nach ständiger Rechtsprechung ist Sittenwidrigkeit schon dann zu bejahen, wenn eine objektive Täuschungsgefahr besteht; der Täuschungsabsicht des Markeninhabers bedarf es nicht (
BGE 78 I 280
), und ebenso kommt nichts darauf an, ob tatsächlich schon Täuschungen vorgekommen sind (
BGE 78 II 382
). Der Einwand der Beschwerdeführerin, die streitige Marke habe bis heute keinen Abnehmer über die Natur der Markenware getäuscht, ist daher unbehelflich.
3.
Die streitige Marke enthält als wesentlichen Bestandteil das Wort "DIAMALT", dessen Endsilbe "MALT" die französische Bezeichnung für Malz ist. Namentlich die französischsprechende
BGE 93 I 573 S. 576
Bevölkerung könnte daher in die Meinung versetzt werden, die unter dieser Marke angebotenen Erzeugnisse seien malzhaltig. Wird die Marke für Waren verwendet, die ihrer Natur nach Malz enthalten könnten, aber kein solches enthalten, so ist sie somit auf jeden Fall für die französischsprechende Bevölkerung täuschend. Täuschungsgefahr auch nur für eines der Sprachgebiete der Schweiz genügt aber, um die Marke unzulässig zu machen (
BGE 82 I 51
Erw. 2 und dort erwähnte Entscheide). Abgesehen hievon ist auch der deutschsprechenden Bevölkerung die Silbe "malt" als Hinweis auf die Malzhaltigkeit eines Erzeugnisses aus andern Marken (Ovomaltine, Heliomalt u.a.m.) vertraut.
4.
Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass nicht eine Marke mit dem isolierten Element "Diamalt" zur Diskussion stehe, sondern ein Zeichen, das in seinem Wortteil ihren Firmanamen und Geschäftssitz wiedergebe. Nach Art. 8 PVU müsse die Schweiz den Handelsnamen der Angehörigen von Vertragsstaaten schützen, gleichgültig ob er einen Bestandteil einer Fabrik- oder Handelsmarke bilde oder nicht.
Dieser Einwand geht fehl. Auch die markenmässig gebrauchte Firma muss, um als Marke zulässig zu sein, den Anforderungen des MSchG genügen (
BGE 89 I 303
Erw. 7,
BGE 78 II 460
). Art. 8 PVU verschafft der Beschwerdeführerin nicht Anspruch auf markenrechtlichen Schutz ihrer Firma, sondern nur auf Schutz ihres Handelsnamens als solchen, d.h. auf denjenigen Schutz, der auch dem nichteingetragenen inländischen Handelsnamen zukommt (
BGE 90 II 318
).
5.
Da die streitige Marke, soweit sie für nicht malzhaltige Produkte bestimmt ist, täuschend wirkt, ist die vom Amt ausgesprochene Einschränkung ihres Schutzbereiches berechtigt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
49a7502c-f0ce-4df9-bb31-499bc0d2367e | Urteilskopf
111 II 508
95. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Oktober 1985 i.S. Beyeler AG gegen Grands Magasins Jelmoli S.A. (Berufung) | Regeste
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
. Verwechslungsgefahr.
Keine Gefahr der Verwechslung zwischen zwei Wortbildzeichen mit ähnlichen, nicht besonders originellen Bildbestandteilen (stilisierte Sonnenzeichen), aber unterscheidungskräftigen Wortbestandteilen. | Sachverhalt
ab Seite 508
BGE 111 II 508 S. 508
A.-
Die Grands Magasins Jelmoli S.A. (Jelmoli S.A.), ein allgemein bekanntes Kaufhaus und Versandgeschäft, vertreibt u.a. Ober- und Unterbekleidung für Damen, Herren und Kinder, ferner Schuhe, Heimtextilien, Fusspflegemittel und orthopädische Artikel. Ausserdem bietet sie unter der Kurzbezeichnung "Jelmoli Reisen" die Dienstleistungen eines Reisebüros an und unterhält hiefür zahlreiche Büros und Buchungsstellen in der ganzen Schweiz. Sie stellt ihre Reisebürotätigkeit seit Anfang der Siebzigerjahre unter ein Bildzeichen, welches in stilisierter Form eine halbe Sonnenscheibe mit einem roten Zentrum und darum herum zwei halbkreisförmigen orangen bzw. gelben Streifen darstellt (Zeichen K I). Sie verwendet das Zeichen auf Briefpapier, Aufklebern, Ansteckschildern und Reisetaschen sowie an Schaufenstern, sodann in Reiseprospekten und Versandkatalogen.
Die Beyeler AG vertreibt insbesondere Textilwaren im Grosshandel wie im Einzelverkauf. Sie meldete am 31. Oktober 1978 eine
BGE 111 II 508 S. 509
Marke zur Eintragung an, welche als Bildzeichen ebenfalls eine stilisierte halbe Sonnenscheibe mit rotem Zentrum und darum herum zwei halbkreisförmigen orangen bzw. gelben Streifen aufweist. Darunter sind die Worte "beyeler damart" aufgedruckt. Die Eintragung der Marke erfolgte unter Nr. 298.077 für Ober- und Unterbekleidung für Damen, Herren und Kinder, Schuhe, Heimtextilien, Fusspflegemittel und orthopädische Artikel (Zeichen B). Das Zeichen wird in Prospekten, auf Verpackungen, an Verkaufsläden usw. verwendet. Die Beyeler AG gebrauchte es auch bei Reisewettbewerben, die in Zusammenhang mit dem Verkauf ihrer Artikel stehen.
B.-
Die Jelmoli S.A. erhob am 23. Januar 1981 gegen die Beyeler AG Klage und verlangte unter anderen, es sei gerichtlich festzustellen, dass sich die Beklagte des unlauteren Wettbewerbs schuldig mache, indem sie als Enseigne, Marke und in anderer Form im Zusammenhang mit ihrer Geschäftstätigkeit ein Bildzeichen verwende, das in stilisierter Form eine halbe Sonnenscheibe mit einem roten Zentrum, halbkreisförmig umrahmt zunächst von einem orangen und alsdann von einem gelben Streifen, darstelle, und es sei der Beklagten zu verbieten, dieses Zeichen als Enseigne oder Marke oder in irgendeiner anderen Form im Zusammenhang mit ihrer Geschäftstätigkeit zu verwenden; ausserdem sei die Nichtigkeit der Schweizer Marke Nr. 298.077 (Zeichen B) der Beklagten festzustellen.
Das Handelsgericht des Kantons Aargau schützte am 23. Oktober 1984 diese Klagebegehren, während sie das Bundesgericht auf Berufung der Beklagten abweist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Im vorliegenden Verfahren stehen sich unbestritten nur noch das nicht eingetragene Zeichen K I der Klägerin und das als Marke eingetragene Zeichen B der Beklagten gegenüber. Der Anspruch der Klägerin richtet sich daher nach Wettbewerbsrecht.
Nach
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
begeht unlauteren Wettbewerb, wer Massnahmen trifft, die bestimmt und geeignet sind, Verwechslungen mit Waren, Leistungen oder dem Geschäftsbetrieb eines anderen herbeizuführen.
Ob der Gebrauch des Zeichens K I vor Eintragung der Marke der Beklagten zu einer Verkehrsgeltung geführt hat, wie die Vorinstanz annimmt, kann offenbleiben, wenn entgegen dem angefochtenen
BGE 111 II 508 S. 510
Urteil eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Zeichen auszuschliessen ist. Aus demselben Grund kann auch dahingestellt bleiben, wieweit
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
oder nur die Generalklausel nach Abs. 1 auf ein Zeichen, das sich wie jenes der Klägerin auf eine Dienstleistung bezieht und deshalb nach geltendem Markenschutzgesetz nicht als Marke eingetragen werden kann, anwendbar ist.
2.
Ob sich die beiden Zeichen im Sinn von
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
genügend voneinander unterscheiden, ist wie im Markenrecht (
BGE 101 II 291
f. mit Hinweisen) nach dem Gesamteindruck zu beurteilen, den sie machen.
Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, das Motiv einer stilisierten Sonne dürfe nicht monopolisiert werden; es steht im Gemeingut und kann daher höchstens wegen seiner spezifischen Erscheinungsform - einer charakteristischen Form- oder originellen Farbgebung - kennzeichnungskräftig wirken. Ob das für die graphische Gestaltung des streitigen Sonnenzeichens angenommen werden kann, wie die Vorinstanz meint, ist fraglich, da weder die Farbkombination (Übergang von Dunkelrot über Orange zu Gelb) besonders originell, noch die Verwendung der geometrischen Form (drei konzentrische Halbkreise) besonders charakteristisch erscheint. Das kann aber offenbleiben; entscheidend für die Kennzeichnungskraft sind auf jeden Fall die beigefügten Worte "Jelmoli Reisen" oder "Jelmoli Voyages", mit denen das Zeichen der Klägerin gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (
Art. 63 Abs. 2 OG
) zumeist auftritt, und der Wortbestandteil "beyeler damart" der Marke der Beklagten. Die beigefügten Firmennamen wirken nicht nur stärker als die Sonnenzeichen, sie unterscheiden diese auch genügend voneinander, zumal die Klägerin ihr Zeichen für die Dienstleistungen ihrer Reiseagentur verwendet, während es die Beklagte für den Verkauf von Textilerzeugnissen, insbesondere von Rheumawäsche gebraucht. Dass im übrigen die Zeichen von den Parteien vereinzelt ohne Firmennamen angebracht worden sind, fällt insgesamt nicht ins Gewicht. Es sind zwei ganz verschiedene Geschäftsbereiche betroffen. Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte das Zeichen ebenfalls bei Reisewettbewerben verwendet, die im Zusammenhang mit dem Verkauf ihrer Artikel stehen. Solche Auslosungen kostenloser Reisen können den Durchschnittskunden nicht zur Annahme verleiten, die Geschäftstätigkeit der Beklagten sei darauf gerichtet, der Kundschaft solche Leistungen gegen Bezahlung anzubieten. Hinzu kommt,
BGE 111 II 508 S. 511
dass die Firma der Klägerin der Bevölkerung weit bekannt ist und sie dem Kunden nicht indirekt als Herstellerin, sondern stets in direktem Kontakt entgegentritt. Dass ein Durchschnittskäufer meinen könnte, die mit dem Zeichen der Beklagten gekennzeichneten Waren würden von der Klägerin hergestellt oder es bestehe sonst ein Zusammenhang zwischen den Geschäftsbetrieben der Parteien, lässt sich unter diesen Umständen nicht annehmen; eine Verwechslungsgefahr ist daher aus auszuschliessen. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49a80e06-2e30-4ab5-b282-c0d147ee626d | Urteilskopf
87 II 290
42. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 13 novembre 1961 dans la cause Véronèse contre X. | Regeste
Art. 41 und 49 OR
.
Der Schaden im Sinne des
Art. 41 OR
kann nur in einer Vermögenseinbusse bestehen (Erw. 4 a).
Die Verletzung eines Affektionsinteresses gibt nur beim Vorliegen der Voraussetzungen des
Art. 49 OR
einen Anspruch auf Wiedergutmachung (Erw. 4 b). Dies gilt auch, wenn die Verletzung die Folge der Nichterfüllung eines Auftrags ist, der gerade zum Zweck der Wahrung dieses Affektionsinteresses erteilt worden war (Erw. 4 c). | Sachverhalt
ab Seite 290
BGE 87 II 290 S. 290
Ayant été avisée que les Forces motrices de la Gougra demandaient l'expropriation de terrains dont elle était propriétaire, dame Véronèse chargea l'avocat X de s'opposer
BGE 87 II 290 S. 291
à l'expropriation et à l'envoi en possession anticipé. L'expropriation n'en fut pas moins ordonnée. Estimant que X s'était mal acquitté de son mandat, dame Véronèse l'a actionné en dommages-intérêts. Déboutée par la juridiction cantonale, elle a recouru en réforme au Tribunal fédéral, qui a confirmé le jugement attaqué.
Erwägungen
Extrait des motifs:
4.
En chargeant un avocat de s'opposer à l'expropriation, dame Véronèse entendait conserver sa propriété, pour laquelle elle manifestait un intérêt affectif. Les manquements de l'intimé ont précisément compromis cet intérêt. La recourante en déduit qu'il lui doit une indemnité.
a) L'action est fondée sur l'exécution défectueuse d'un contrat de mandat. Or, si l'exécution correcte du mandat ne peut plus être obtenue, la seule sanction de l'inexécution est, en droit civil, la responsabilité du mandataire pour le dommage causé par son comportement (art. 398 al. 2 et 97 al. 1 CO). Pour l'étendue du devoir de réparation, l'art. 99 al. 3 CO renvoie aux règles relatives à la responsabilité dérivant d'actes illicites. Ce sont ces règles qui doivent être appliquées pour déterminer notamment la notion du dommage.
Or le dommage visé à l'art. 41 CO consiste dans une diminution du patrimoine; c'est la différence entre le patrimoine actuel du lésé et celui qu'il aurait si l'événement dommageable ne s'était pas produit. Il s'agit donc d'un préjudice économique, qui ne laisse aucune place à l'intérêt d'affection - sauf si cet intérêt est partagé par d'autres amateurs et confère à la chose une valeur d'échange plus élevée - (RO 64 II 138; OSER/SCHÖNENBERGER, Das Obligationenrecht, ad art. 41 rem. 74 - cf. cependant ad art. 43 rem. 15 -; BECKER, Obligationenrecht, 2e éd., ad art. 41 rem. 6 et suiv.; VON TUHR/SIEGWART, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, I, p. 76 et suiv. et 109/110; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht,
BGE 87 II 290 S. 292
2e éd., I p. 40 et suiv.; cf. également ENNECCERUS/LEHMANN, Recht der Schuldverhältnisse, 15e éd., p. 93).
Ainsi, on ne saurait allouer à la recourante des dommages-intérêts selon les art. 97 et suiv. CO pour l'atteinte qu'elle dit avoir subie dans ses intérêts affectifs.
b) Cette lésion constitue en réalité une atteinte aux intérêts personnels de dame Véronèse. En vertu de l'art. 28 al. 2 CC, une indemnité satisfactoire ne peut être allouée de ce chef que dans les cas prévus par la loi. La seule règle légale entrant en considération en l'espèce est l'art. 49 CO, qui peut également s'appliquer en cas d'inexécution d'un contrat (RO 54 II 483, 80 II 258, 87 II 145). Mais cette disposition subordonne l'allocation d'une indemnité pour tort moral à la condition que le préjudice subi et la faute soient particulièrement graves. Ce n'est manifestement pas le cas en l'espèce. Du reste, la recourante, qui n'invoque point l'art. 49 CO, ne le prétend pas. On ne peut donc lui allouer une indemnité pour tort moral en vertu de cette disposition légale.
c) La limitation apportée par la loi au devoir de réparer les atteintes aux sentiments affectifs procède du souci de ne pas étendre indéfiniment l'obligation de réparation. Mais on peut se demander si cette limitation, parfaitement justifiée dans son principe, est admissible lorsqu'un mandat a été conféré précisément pour la sauvegarde d'un intérêt d'affection. Il peut paraître choquant que, dans ce cas, le mandataire échappe à toute responsabilité lorsque les conditions de l'art. 49 CO ne sont pas remplies.
Cependant, on ne pourrait alors l'astreindre à une indemnité qu'en complétant par la voie de la jurisprudence la liste des cas dans lesquels la loi ouvre l'action en paiement d'une somme d'argent à titre de réparation morale (cf. art. 28 al. 2 CC). Ce faisant, on pratiquerait une brèche dans le système parfaitement cohérent de la responsabilité civile et on ouvrirait la porte à une casuistique qui permettrait peut-être des solutions plus équitables dans quelques
BGE 87 II 290 S. 293
cas particuliers mais qui créerait l'incertitude et inciterait à des réclamations pour des atteintes minimes. Or c'est précisément ce que le législateur a voulu éviter. En pareil cas, la seule sanction est donc que le mandataire, n'ayant pas exécuté ses obligations, ne peut prétendre à aucune rétribution. | public_law | nan | fr | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49aa52df-7fcf-4739-acef-703957f1ee6f | Urteilskopf
134 II 192
23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_203/2008 vom 29. April 2008 | Regeste
Art. 83 lit. f Ziff. 2 und
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
;
Art. 28 BoeB
; öffentliches Beschaffungswesen des Bundes; Widerruf des Zuschlags und Abbruch des Vergabeverfahrens; aufschiebende Wirkung.
Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen einen Zwischenentscheid, mit welchem die beantragte aufschiebende Wirkung im Beschwerdeverfahren betreffend den Widerruf des Zuschlags und den Abbruch des Vergabeverfahrens verweigert wurde, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1.3) sowie des nicht wiedergutzumachenden rechtlichen Nachteils (E. 1.4).
Die Vergabestelle kann ein bundesrechtliches Vergabeverfahren definitiv oder zwecks Neuauflage eines geänderten Projektes abbrechen und einen allfällig bereits erfolgten Zuschlag widerrufen, wenn sachliche Gründe dieses Vorgehen rechtfertigen und damit nicht die gezielte Diskriminierung von Bewerbern beabsichtigt ist (E. 2.3). Zulässige Verweigerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gestützt auf eine bundesrechtskonforme prima-facie-Prüfung ihrer Begründetheit (E. 2.4). | Sachverhalt
ab Seite 193
BGE 134 II 192 S. 193
Das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL, Vergabestelle) schrieb am 8. April 2005 ein umfangreiches Informatikprojekt der Eidgenössischen Steuerverwaltung im offenen Verfahren öffentlich aus und erteilte am 20. März 2006 der X. AG den Zuschlag. Nachdem längere Vertragsverhandlungen zu keinem Abschluss mit dieser Bewerberin geführt hatten, widerrief das BBL mit Verfügung vom
BGE 134 II 192 S. 194
28. August 2007 den Zuschlag und publizierte einen Tag später, am 29. August 2007, den Abbruch des Vergabeverfahrens.
Gegen beide Anordnungen erhob die X. AG am 14. September 2007 beim Bundesverwaltungsgericht je Beschwerde. Im Verfahren betreffend den Widerruf des Zuschlages stellte sie das Begehren, die Verfügung vom 28. August 2007 aufzuheben und die Rechtswidrigkeit dieser Verfügung, eventuell der Handlungen der Vergabestelle, festzustellen; zudem sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen und die Vergabestelle anzuweisen, alle Vollzugsvorkehrungen mit einem Dritten, namentlich den Vertragsschluss mit einem Dritten sowie die Einleitung eines neuen Vergabeverfahrens und/oder die Zuschlagserteilung an einen Dritten, bezüglich des streitigen Beschaffungsgegenstandes zu unterlassen. Analoge Begehren stellte die Beschwerdeführerin auch in Bezug auf den Abbruchentscheid.
Mit Zwischenverfügung vom 30. Januar 2008 vereinigte das Bundesverwaltungsgericht (Abteilung II in 3er-Besetzung) die beiden Verfahren (Ziff. 1) und wies die (superprovisorisch zunächst bewilligten) Gesuche der Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab (Ziff. 2).
Die X. AG führt hiegegen mit Eingabe vom 3. März 2008 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Begehren, Ziff. 2 der Zwischenverfügung vom 30. Januar 2008 aufzuheben und den vor dem Bundesverwaltungsgericht hängigen Beschwerden die aufschiebende Wirkung zu erteilen, eventuell die Sache mit einer dahingehenden Anweisung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Angefochten ist ein sich auf öffentliches Bundesrecht stützender Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, der nur dann an das Bundesgericht weitergezogen werden kann, wenn die Voraussetzungen für das ordentliche Rechtsmittel der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss
Art. 82 ff. BGG
erfüllt sind; die subsidiäre Verfassungsbeschwerde steht gegen Entscheide von Bundesbehörden nicht zur Verfügung (
Art. 113 BGG
).
1.2
Die zu beurteilende Streitigkeit betrifft das Gebiet der öffentlichen Beschaffungen. Das Rechtsmittel der Beschwerde in
BGE 134 II 192 S. 195
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist daher nur dann zulässig, wenn nicht der Ausschlussgrund gemäss
Art. 83 lit. f BGG
zum Zuge kommt, d.h. wenn sowohl die Voraussetzung gemäss Ziff. 1 als auch jene gemäss Ziff. 2 dieser Bestimmung erfüllt ist. Der Auftragswert muss den in Ziff. 1 erwähnten Schwellenwert erreichen und es muss sich zugleich, gemäss Ziff. 2, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellen (
BGE 133 II 396
E. 2.1 S. 398 mit Hinweisen).
1.3
Der angefochtene Entscheid schliesst das vorinstanzliche Verfahren nicht ab, sondern verweigert den vor dem Bundesverwaltungsgericht erhobenen Beschwerden die aufschiebende Wirkung. Es handelt sich damit um einen Zwischenentscheid. Nach dem Grundsatz der Einheit des Prozesses gilt der in
Art. 83 BGG
für bestimmte Sachgebiete statuierte Ausschluss der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht nur für Endentscheide, sondern auch für die im betreffenden Verfahren ergehenden Zwischenentscheide (
BGE 133 III 645
E. 2.2 S. 647 f.; vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4202 ff., 4408). Das Erfordernis der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bezieht sich nach Sinn und Zweck der Bestimmung von
Art. 83 lit. f Ziff. 2 BGG
auf den Inhalt der vom Bundesgericht zu beurteilenden Streitsache, d.h. es muss sich um eine Rechtsfrage aus dem Gebiet des öffentlichen Beschaffungsrechts handeln. Ob sich im bundesgerichtlichen Verfahren eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, ergibt sich an sich erst nach Vorliegen eines beschaffungsrechtlichen Sachentscheides sowie einer dagegen erhobenen Beschwerde. Der hier zu beurteilende Zwischenentscheid orientiert sich für die Frage der aufschiebenden Wirkung im Sinne einer prima-facie-Würdigung an der materiellen Rechtslage, weshalb die Zulassungsschranke von
Art. 83 lit. f Ziff. 2 BGG
insoweit direkt greifen kann. Im Übrigen ist bei der Anfechtung von Zwischenentscheiden, welche nicht bereits selber eine (beschaffungsrechtliche) Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, für die Handhabung dieser Zulassungsschranke sinnvollerweise auf die Tragweite der im bevorstehenden Endentscheid der Vorinstanz zu beurteilenden Rechtsfragen abzustellen, mit denen sich das Bundesgericht im Falle eines Weiterzuges voraussichtlich ebenfalls zu befassen haben wird.
Die Zulassungsvoraussetzung gemäss
Art. 83 lit. f Ziff. 1 BGG
ist vorliegend offensichtlich erfüllt. Gemäss Feststellung in der angefochtenen Verfügung liegt der zu schätzende Auftragswert zwischen 25,8 und 99,4 Mio. Franken und damit klarerweise über dem
BGE 134 II 192 S. 196
massgebenden Schwellenwert von Fr. 248'950.- (Art. 1 lit. a der Verordnung des EVD vom 26. November 2007 über die Anpassung der Schwellenwerte im öffentlichen Beschaffungswesen für das Jahr 2008 [AS 2007 S. 6627; SR 172.056.12] in Verbindung mit
Art. 6 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen [BoeB; SR 172.056.1]
). Wie es sich mit dem Erfordernis des Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung verhält, wird nachfolgend zu prüfen sein (E. 2.2 und 2.3).
1.4
Zum Zuge kommen zusätzlich die Schranken für die Anfechtung von Zwischenentscheiden. Der vorliegende Entscheid ist nur dann sofort gesondert anfechtbar, wenn der Beschwerdeführerin ein nicht wieder gutzumachender (rechtlicher) Nachteil droht (
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
).
Der zugunsten der Beschwerdeführerin ergangene Zuschlag begründet zwar für die Vergabestelle keine Kontrahierungspflicht; diese wird dadurch lediglich zum Abschluss eines Vertrages mit dem betreffenden Bewerber ermächtigt (vgl. mit Bezug auf kantonales Vergaberecht:
BGE 129 I 410
E. 3.4 S. 416 f.). Solange der Zuschlag besteht, darf die Vergabestelle aber mit keinem andern Partner für das gleiche Vorhaben einen Vertrag abschliessen oder für das gleiche Vorhaben ein neues Vergebungsverfahren einleiten. Durch die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden gegen den Widerruf des Zuschlages und den Abbruch des Vergabeverfahrens wird die Vergabestelle schon vor einem entsprechenden rechtskräftigen Endentscheid in die Lage versetzt, eine Neuausschreibung des Vorhabens einzuleiten und gegebenenfalls den Auftrag einem Dritten zu erteilen. Auch wenn die Aussichten der Beschwerdeführerin auf Abschluss eines Vertrages mit der Vergabestelle wegen der fehlenden Kontrahierungspflicht heute gering sein mögen, droht ihr doch insoweit ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil, als durch den angefochtenen Zwischenentscheid der Weg zu einer anderweitigen Durchführung des Beschaffungsvorhabens geöffnet wird und ihr, anstelle einer realen Auftragserfüllung, voraussichtlich nur noch die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen offensteht. Die Voraussetzung gemäss
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
für die gesonderte Anfechtbarkeit des Zwischenentscheides ist damit erfüllt.
1.5
Gemäss
Art. 98 BGG
kann mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen nur die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Zwischenentscheide über
BGE 134 II 192 S. 197
die aufschiebende Wirkung fallen unter diese Regelung (vgl. Urteil 1C_155/2007 vom 13. September 2007, E. 1.2 mit Hinweisen). Für entsprechende Einwendungen gilt eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (
Art. 106 Abs. 2 BGG
; vgl.
BGE 133 III 393
E. 6 S. 397).
2.
2.1
Gemäss
Art. 28 Abs. 1 BoeB
kommt der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen sich auf dieses Gesetz stützende Entscheide, in Abweichung von der Regelung von
Art. 55 VwVG
(vgl.
Art. 26 Abs. 1 BoeB
), keine aufschiebende Wirkung zu; das Gericht kann die aufschiebende Wirkung auf Gesuch hin erteilen (
Art. 28 Abs. 2 BoeB
).
Das Bundesverwaltungsgericht verweigerte den Beschwerden die aufschiebende Wirkung gestützt auf eine (einlässliche) prima-facie-Prüfung ihrer Begründetheit. Es bejahte, unter Hinweis auf die Doktrin, die Befugnis der Vergabestelle, aus sachlichen Gründen, so etwa wegen einer wesentlichen Projektänderung, ein Vergabeverfahren abzubrechen und gegebenenfalls auch einen bereits erteilten Zuschlag zu widerrufen; aus dem Zuschlag ergebe sich keine Kontrahierungspflicht. Ob seitens der Vergabestelle ein Verschulden vorliege, könne für die Schadenersatzfrage von Bedeutung sein, nicht aber für die Zulässigkeit von Widerruf und Abbruch. Vorliegend hätten die nach dem Zuschlag während längerer Zeit geführten Vertragsverhandlungen zu keinem positiven Ergebnis geführt, u.a. offenbar auch deshalb, weil gewisse Punkte in der Ausschreibung nicht oder ungenügend gewürdigt worden seien. Ein fehlender Wille der Vergabestelle zu seriösen Vertragsverhandlungen sei nicht nachgewiesen. Allfällige Ansprüche aus culpa in contrahendo bildeten nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Ein weiterer zulässiger Grund für den Widerruf des Zuschlages und den Abbruch des Verfahrens könne, wenn nicht in der behaupteten (bestrittenen) Weigerung der Beschwerdeführerin, die Gültigkeit ihrer Offerte zu verlängern, so jedenfalls im Rückzug einer für das Angebot der Beschwerdeführerin zentralen Subunternehmerin erblickt werden. Sodann erscheine nach den Vorbringen der Vergabestelle glaubhaft, dass das ursprünglich ausgeschriebene Projekt überholt sei und aufgrund der raschen Änderungen der technischen und betrieblichen Anforderungen im Informatikbereich sowie infolge der diesbezüglichen organisatorischen Neuausrichtung des Bundes wesentliche Anpassungen des Leistungsgegenstandes sich aufdrängten. Anhaltspunkte für ein
BGE 134 II 192 S. 198
rechtsmissbräuchliches Verhalten der Vergabestelle oder für die beabsichtigte Diskriminierung von Teilnehmern des ursprünglichen Vergabeverfahrens seien nicht ersichtlich. Damit ergebe sich für den Entscheid in der Sache eine negative Prognose, weshalb die anbegehrte aufschiebende Wirkung zu verweigern sei. Auch bei einer Interessenabwägung würde das Bedürfnis nach sofortiger Vollziehbarkeit der angefochtenen Verfügungen bzw. an einer raschen, den geänderten Umständen angepassten Neuausschreibung das gegenläufige private Interesse der Beschwerdeführerin überwiegen, zumal die Vergabestelle die Kosten einer Verzögerung des neuen Vergabeverfahrens auf 150 bis 200 Mio. Franken pro Jahr beziffere.
2.2
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Willkürverbotes sowie des rechtlichen Gehörs. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erblickt sie darin, dass es schon beim Entscheid über die aufschiebende Wirkung darum gehe, ob der Abbruch eines Vergabeverfahrens und der Widerruf eines Zuschlages, unter Ausklammerung des Verschuldens und der Treuwidrigkeit der Vergabestelle, aus jedem "letztlich geringfügigen sachlichen Grund" oder aber nur aus einem wichtigen Grund zulässig sei. Durch die dem angefochtenen Zwischenentscheid zugrunde liegende Rechtsauffassung, welche von der bisherigen Praxis der Rekurskommission abweiche, würden die Abbruchs- und Widerrufsvoraussetzungen massiv erleichtert.
2.3
Ob und wieweit die Vorinstanz bei ihrer vorläufigen materiellrechtlichen Prüfung des Streitfalles von der Rechtsprechung der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen bewusst abweichen wollte, ist unklar. Auch in drei Entscheiden der Rekurskommission, welche jeweils den Abbruch von Vergabeverfahren vor erfolgtem Zuschlag betrafen, wurde ein solches Vorgehen, sofern es nicht "grundlos" erfolgt und im öffentlichen Interesse liegt, als zulässig erachtet; weitergehende "wichtige Gründe" wurden nicht gefordert (VPB 67/2003 Nr. 67; 66/2002 Nr. 39; 65/2001 Nr. 77). Gewisse Schranken leitete die Rekurskommission allerdings aus dem Gebot von Treu und Glauben ab, indem es ein hinreichendes, den Interessen der Submittenten vorangehendes öffentliches Interesse verlangte und in einem Fall, wo das den Abbruch des Vergabeverfahrens rechtfertigende öffentliche Interesse bereits bei Einleitung des Vergabeverfahrens voraussehbar war, im Hinblick auf Schadenersatzforderungen nach
Art. 34 BoeB
die Rechtswidrigkeit des Verfahrensabbruches feststellte (VPB 66/2002 Nr. 39). Auf die
BGE 134 II 192 S. 199
haftungsrechtliche Problematik ist an dieser Stelle nicht weiter einzugehen; sie wird vom Bundesverwaltungsgericht allenfalls im noch zu fällenden Endentscheid zu prüfen sein. Für die Zulässigkeit des Widerrufes des Zuschlages und des Abbruches des Vergebungsverfahrens an sich, auf die es vorliegend für die Beurteilung der Aussichten auf Beseitigung dieser Anordnungen im Zusammenhang mit den Begehren um aufschiebende Wirkung allein ankommt, spielen die schadenersatzrechtlichen Folgen keine Rolle. Die Vergabestelle kann ein bundesrechtliches Vergabeverfahren definitiv oder zwecks Neuauflage eines geänderten Projektes abbrechen und einen allfällig bereits erfolgten Zuschlag widerrufen, wenn sachliche Gründe dieses Vorgehen rechtfertigen und damit nicht die gezielte Diskriminierung von Bewerbern beabsichtigt ist. Eine weitergehende Bedeutung kommt dem Vorbehalt in Art. XIII Abs. 4 lit. b des internationalen Übereinkommens vom 15. April 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA; SR 0.632.231.422), wonach die Vergabebehörde im "öffentlichen Interesse" auf die Vergebung des Auftrags verzichten darf, nicht zu. Es ist vorab Sache der Vergabestelle, darüber zu befinden, ob sachliche Gründe bestehen, das Vergabeverfahren im öffentlichen Interesse abzubrechen. Ob die den Abbruch rechtfertigenden sachlichen Gründe voraussehbar waren und ob die Vergabestelle hiefür eine Verantwortlichkeit trifft, kann für die Schadenersatzpflicht, nicht aber für die Zulässigkeit des Abbruches eine Rolle spielen (so MARTIN BEYELER, Überlegungen zum Abbruch von Vergabeverfahren, in: AJP 2005 S. 784 ff., insbes. S. 790 f.;
ders.
, Öffentliche Beschaffung, Vergaberecht und Schadenersatz, Diss. Freiburg 2004, S. 220 f., 285, 429; MARCO FETZ, Öffentliches Beschaffungsrecht des Bundes, in: Thomas Cottier/Matthias Oesch [Hrsg.], Allgemeines Aussenwirtschafts- und Binnenmarktrecht, 2. Aufl., Basel 2007, S. 549 ff., Rz. 148 ff.; abweichend PETER GALLI/ANDRÉ MOSER/ELISABETH LANG/EVELYNE CLERC, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 2. Aufl., 1. Bd., Zürich 2007, S. 207 ff., Rz. 489-492, welche zwar ihrerseits davon auszugehen scheinen, ein endgültiger Verfahrensabbruch könne nach dem Submissionsrecht des Bundes nicht verhindert und bei voraussehbaren Gründen lediglich durch Schadenersatzfolgen sanktioniert werden, aber bei einem [widerrechtlichen] Abbruch zwecks Neuauflage des Verfahrens die Möglichkeit einer zwangsweisen Fortführung desselben postulieren). Ohne dass hier auf die möglichen verschiedenen Konstellationen bereits näher eingegangen werden müsste, gibt der vorliegende Zwischenentscheid, in dem sich das
BGE 134 II 192 S. 200
Bundesverwaltungsgericht für die Frage der aufschiebenden Wirkung an der materiellen Rechtslage orientierte, doch Anlass, die für den Bereich des Bundes geltenden Voraussetzungen für den Abbruch eines Vergabeverfahrens und den Widerruf eines Zuschlages - als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - im obenerwähnten Sinne klarzustellen. Wieweit der erwähnte Grundsatz auch für die Rechtslage in den Kantonen (vgl. dazu GALLI/MOSER/LANG/CLERC, a.a.O., S. 214 ff., Rz. 501 ff.) Geltung beanspruchen kann, ist hier nicht zu untersuchen.
2.4
Die Vorinstanz hat sich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Beschwerde an bundesrechtskonforme Kriterien gehalten. Sie durfte zulässigerweise davon ausgehen, dass sich die Vergabestelle für den Widerruf des Zuschlages und den Abbruch des Vergabeverfahrens auf hinreichende sachliche Gründe stützen konnte und mit einem diese Anordnungen aufhebenden Endentscheid (klarerweise) nicht zu rechnen war. Sowohl diese Rechtslage wie auch eine Abwägung der Interessen rechtfertigten es alsdann, die Erteilung der aufschiebenden Wirkung zu verweigern. Von einer Verletzung des Willkürverbotes kann nicht die Rede sein; die diesbezüglichen Vorbringen sind weitgehend appellatorisch, weshalb auf sie nicht weiter einzugehen ist (
Art. 106 Abs. 2 BGG
). Die Vorinstanz beging entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (
Art. 29 Abs. 2 BV
), wenn sie die Parteien zu den aufgeworfenen, voraussehbaren Rechtsfragen nicht nochmals speziell anhörte. | public_law | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49ac5186-9f2d-42a8-a590-fea5bbb4b6f4 | Urteilskopf
133 IV 335
49. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public dans la cause A. et Me B. contre Président de la Chambre pénale du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg (recours en matière pénale)
1B_84/2007 du 11 septembre 2007 | Regeste
Zulässigkeit der Beschwerde in Strafsachen (
Art. 78 Abs. 1,
Art. 81 Abs. 1,
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
), Anspruch auf rechtliches Gehör (
Art. 29 Abs. 2 BV
).
Das Rechtsmittel der Beschwerde in Strafsachen steht offen gegen einen Entscheid, welcher einen Wechsel des amtlichen Anwalts in einem Strafverfahren verlangt (E. 2).
Der Entscheid, welcher den Auftrag des amtlichen Anwalts beendet, ohne dass die verbeiständete Partei einen Wechsel des Anwalts verlangt hätte, kann einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinn von
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
bewirken (E. 4).
Der amtliche Anwalt hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des Entscheids, welcher seinen Auftrag beendet, und er ist daher gemäss
Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG
beschwerdelegitimiert (E. 5).
Der amtliche Anwalt und die verbeiständete Partei haben das Recht, angehört zu werden, bevor die zuständige Behörde den Auftrag des Anwalts wegen eines Interessenkonflikts beendet (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 336
BGE 133 IV 335 S. 336
A. a déposé une plainte pénale contre son époux, pour lésions corporelles notamment. Une enquête a été ouverte dans le canton de Fribourg. A la requête de la victime, un défenseur d'office lui a été désigné le 15 février 2007 par le Président de la Chambre pénale du Tribunal cantonal, en la personne de Me B., avocat à Fribourg. Le 23 mars 2007, le Juge d'instruction en charge de l'enquête a écrit au Président de la Chambre pénale. Il a expliqué qu'il y avait "manifestement un conflit d'intérêt dans le cadre de la défense de A. par Me B." Le juge d'instruction se référait à une plainte pénale déposée le 21 février 2007 par le mari de la victime contre cette dernière et son avocat d'office, pour diffamation et calomnie.
Le 26 mars 2007, le Président de la Chambre pénale a rendu un arrêt déchargeant Me B. de son mandat de défenseur d'office (ch. I) et désignant désormais Me C., avocate à Fribourg, en qualité de
BGE 133 IV 335 S. 337
défenseur d'office de A. pour la procédure pénale l'opposant à son époux (ch. II). Les motifs de cette décision retiennent l'existence d'un conflit d'intérêts manifeste.
A. et Me B. ont déposé ensemble un recours constitutionnel (
art. 113 ss LTF
) contre l'arrêt du Président de la Chambre pénale. Ils ont pris des conclusions tendant principalement à ce que le Tribunal fédéral annule la décision du Président de la Chambre pénale et rétablisse Me B. dans sa fonction de défenseur d'office de la lésée.
Le Tribunal fédéral a traité le recours comme un recours en matière pénale (
art. 78 ss LTF
). Il l'a partiellement admis et a annulé le ch. I du dispositif de l'arrêt attaqué, renvoyant l'affaire au Président de la Chambre pénale pour nouvelle décision.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
La décision attaquée a été rendue dans le cadre d'une procédure pénale. Elle est fondée sur les dispositions du code de procédure pénale (CPP/FR) relatives à la désignation d'un défenseur d'office du lésé (art. 35 ss, notamment 40 CPP/FR). La nouvelle loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF; RS 173.110) institue la voie du recours en matière pénale "contre les décisions rendues en matière pénale" (
art. 78 al. 1 LTF
). Selon le message du Conseil fédéral (Message concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, FF 2001 p. 4000 ss), la notion de "décision rendue en matière pénale" comprend toute décision fondée sur le droit pénal matériel ou sur le droit de procédure pénale; en d'autres termes, elle vise toute décision relative à la poursuite ou au jugement d'une infraction, le recours en matière pénale succédant ainsi à la fois au pourvoi en nullité selon les
art. 220 ss et 268 ss PPF
et, dans cette matière, au recours de droit public selon les
art. 88 ss OJ
(FF 2001 p. 4111).
Pour la lésée, partie à la procédure pénale, il est évident que l'arrêt attaqué est une décision rendue en matière pénale. Cette qualification est aussi valable en tant que cette décision a pour destinataire le défenseur d'office. Certes ce dernier, après avoir été désigné en application de l'
art. 40 CPP
/FR, se trouve avec l'Etat dans une relation régie par le droit public cantonal (cf.
ATF 132 I 201
consid. 7.1 p. 205;
ATF 131 I 217
consid. 2.4 p. 220). L'acte par lequel cette mission lui est confiée ou retirée est toutefois une décision fondée, d'après la loi cantonale, sur le droit de procédure pénale, en rapport étroit
BGE 133 IV 335 S. 338
avec l'instruction pénale en cours. Aussi la voie du recours en matière pénale (
art. 78 ss LTF
) est-elle ouverte en l'espèce. Le présent recours, nonobstant son intitulé comme "recours constitutionnel" (
art. 113 ss LTF
), doit être traité comme un recours en matière pénale.
3.
La décision attaquée a été prise en dernière instance cantonale, le recours à la Chambre pénale n'étant pas ouvert contre les décisions de son président (
art. 202 al. 1 CPP
/FR; cf. également art. 26 de la loi cantonale sur l'assistance judiciaire, qui prévoit un recours uniquement contre la décision fixant l'indemnité du défenseur d'office). L'exigence de l'épuisement des instances cantonales, découlant de l'
art. 80 al. 1 LTF
, est donc satisfaite.
4.
Il convient d'examiner séparément et en premier lieu la recevabilité des conclusions prises par la lésée (la première recourante), qui conteste le changement d'avocat d'office.
Pour la partie à la procédure pénale (prévenu ou lésé), la décision ordonnant un changement d'avocat d'office est une décision incidente contre laquelle le recours en matière pénale n'est recevable qu'aux conditions de l'
art. 93 al. 1 LTF
. Il faut donc que cette décision puisse causer un préjudice irréparable à la partie recourante (
art. 93 al. 1 let. a LTF
- la seconde hypothèse de l'
art. 93 al. 1 LTF
n'entre manifestement pas en considération ici). Dans la procédure de recours en matière pénale, la notion de préjudice irréparable correspond à celle de l'ancien
art. 87 al. 2 OJ
, qui soumettait à la même condition la recevabilité du recours de droit public contre de telles décisions incidentes: il doit s'agir d'un dommage de nature juridique, qui ne puisse pas être réparé ultérieurement par un jugement final ou une autre décision favorable au recourant (
ATF 133 IV 139
consid. 4 p. 141; cf. aussi
ATF 133 IV 137
consid. 2.3 p. 139).
D'après la jurisprudence, le refus de l'assistance judiciaire dans une cause pénale, soit le refus de désigner un avocat d'office au prévenu, peut causer un préjudice irréparable car, si ce refus est annulé par l'autorité de recours à la fin de la procédure, on conçoit mal qu'après la reprise de l'instruction le prévenu puisse se trouver dans la même situation que s'il avait été d'emblée assisté, par exemple pour l'audition de témoins ou l'administration d'autres preuves (
ATF 129 I 281
consid. 1.1 p. 283;
ATF 129 I 129
consid. 1.1 p. 131;
ATF 126 I 207
consid. 2a p. 210). En l'occurrence, la décision attaquée ne prive pas la recourante de l'assistance d'un défenseur d'office, puisqu'une nouvelle avocate a été immédiatement désignée.
BGE 133 IV 335 S. 339
Sous l'angle de l'
art. 93 al. 1 LTF
(ou de l'ancien
art. 87 al. 2 OJ
), une décision relative à une demande de changement d'avocat d'office n'est en revanche pas toujours susceptible de causer un préjudice irréparable. Lorsque l'autorité compétente refuse une requête de la partie assistée tendant à ce qu'il soit mis fin à la mission du défenseur d'office (et éventuellement à ce qu'un nouveau défenseur soit désigné), cette partie conserve son avocat. Sauf circonstances spéciales, l'atteinte à la relation de confiance n'empêche pas dans une telle situation une défense efficace; c'est pourquoi la partie ne subit pas un dommage de nature juridique (
ATF 126 I 207
consid. 2b p. 211). La question se pose différemment lorsque le changement d'avocat d'office n'est pas requis par la partie assistée mais qu'il est, comme en l'espèce, ordonné par l'autorité compétente en matière d'assistance judiciaire contre le gré des intéressés, soit la partie et le défenseur d'office, et quand cette décision intervient à la suite d'une démarche de la partie adverse durant la procédure (en l'occurrence une plainte pénale pour atteinte à l'honneur visant la partie et le défenseur d'office, qui aurait pour effet de créer un conflit d'intérêts). Il est nécessaire d'assurer un contrôle judiciaire immédiat de telles décisions imposant un changement d'avocat d'office car on voit mal comment en supprimer les conséquences en cas d'annulation de la décision au terme de la procédure pénale. En outre, une absence de recours immédiat pourrait favoriser les manoeuvres d'une partie cherchant à créer les conditions d'un conflit d'intérêts afin de priver la partie adverse de l'assistance d'un avocat d'office efficace. C'est pourquoi, dans le cas particulier, il faut admettre le risque d'un préjudice irréparable au sens de l'
art. 93 al. 1 let. a LTF
et considérer que le recours contre la décision incidente est recevable. La première recourante a en outre qualité pour recourir au sens de l'art. 81 al. 1 let. b ch. 5 LTF (cf. également à ce propos infra, consid. 5).
5.
Pour le second recourant - l'avocat d'office relevé de sa mission -, la décision attaquée a pour effet de le priver de toute possibilité de participer à la procédure pénale en cours; elle a dans cette mesure un caractère final. Il s'agit néanmoins, au sens du code de procédure pénale, d'une décision incidente (supra, consid. 2) et la personne assistée par l'avocat n'est elle-même pas écartée de la procédure ni privée de ses droits de partie (cf. à ce propos
ATF 131 I 57
consid. 1.1 p. 60). Cela étant, vu les effets de cette décision sur la situation juridique du second recourant, la condition du préjudice irréparable (
art. 93 al. 1 let. a LTF
) est également satisfaite en ce qui le concerne.
BGE 133 IV 335 S. 340
En vertu de l'
art. 81 al. 1 LTF
, a qualité pour former un recours en matière pénale quiconque a pris part à la procédure devant l'autorité précédente ou a été privé de la possibilité de le faire (let. a), et a un intérêt juridique à l'annulation ou à la modification de la décision, soit en particulier l'accusé, le représentant légal de l'accusé, l'accusateur public, l'accusateur privé - si, conformément au droit cantonal, il a soutenu l'accusation sans l'intervention de l'accusateur public -, la victime - si la décision attaquée peut avoir des effets sur le jugement de ses prétentions civiles -, et le plaignant - pour autant que la contestation porte sur le droit de porter plainte - (let. b). Le défenseur d'office de l'accusé ou de la victime n'est pas mentionné dans la liste de l'
art. 81 al. 1 let. b LTF
. Cette liste n'a toutefois pas été conçue comme exhaustive par le législateur (cf. Message précité, FF 2001 p. 4116) et il faut examiner, dans les cas non énumérés, si le recourant peut se prévaloir d'un intérêt juridique à l'annulation ou à la modification de la décision. Dans la procédure de recours de droit public, un intérêt juridiquement protégé (au sens de l'
art. 88 OJ
) pouvait être reconnu au défenseur d'office qui, en personne, contestait une décision de l'autorité cantonale concernant l'exercice du mandat de droit public qui lui avait été confié dans le cadre d'une procédure pénale (cf. arrêt 1P.285/2004 du 1
er
mars 2005, consid. 1 non publié à l'
ATF 131 I 217
;
ATF 108 Ia 11
; arrêt 1P.713/ 2005 du 14 février 2006, consid. 1). Comme le recours en matière pénale a été conçu pour reprendre la fonction du recours de droit public, lorsque la contestation porte sur l'application du droit cantonal de procédure pénale (cf. supra, consid. 2), il faut admettre que le défenseur d'office a qualité pour recourir parce qu'il a un intérêt juridique à l'annulation de la décision attaquée, conformément à l'
art. 81 al. 1 let. b LTF
. Il s'ensuit que, formé par le second recourant, le recours en matière pénale est recevable, en tant que la contestation porte sur la décharge du mandat de défenseur d'office (ch. I du dispositif de la décision attaquée); il y a donc lieu d'entrer en matière dans cette mesure.
6.
Les recourants se plaignent en premier lieu d'une violation du droit d'être entendu garanti par l'
art. 29 al. 2 Cst.
Ils font valoir qu'ils n'ont pas été invités par le Président de la Chambre pénale à s'exprimer au sujet du conflit d'intérêts allégué, et qu'ils n'ont pas eu connaissance du texte de la plainte pénale déposée par le mari de la victime. Ce grief est manifestement fondé. Il ressort en effet du dossier que dès que le juge d'instruction a signalé ce qui lui paraissait
BGE 133 IV 335 S. 341
représenter une situation de conflit d'intérêts, le Président de la Chambre pénale a statué, sans informer le second recourant du fait qu'il envisageait de mettre fin au mandat de droit public et sans lui donner l'occasion, ni à la personne qu'il défendait, de s'exprimer à ce sujet. Cela viole clairement le droit d'être entendu - ce d'autant plus que, pour garantir le caractère effectif de la défense d'office prévue à l'
art. 29 al. 3 Cst.
, un changement de défenseur devrait pouvoir être imposé uniquement dans des circonstances particulières, que les intéressés devraient donc être autorisés à discuter (au sujet de la portée du droit d'être entendu selon l'
art. 29 al. 2 Cst.
, cf. notamment
ATF 133 I 100
consid. 4.3 à 4.6 p. 102;
ATF 129 II 497
consid. 2.2 p. 504 et les arrêts cités).
L'admission de ce grief doit entraîner l'annulation du ch. I du dispositif de la décision attaquée, qui décharge l'avocat recourant de son mandat de défenseur d'office. Il n'appartient pas au Tribunal fédéral de statuer lui-même sur le fond, soit sur la manière dont la défense de la lésée sera assurée dans la procédure pénale pendante; par conséquent, les conclusions de la première recourante tendant au rétablissement du second recourant dans sa fonction d'avocat d'office, et à l'annulation de la désignation d'une nouvelle avocate d'office, doivent être rejetées. L'affaire doit être renvoyée au Président de la Chambre pénale pour nouvelle décision, à l'issue d'une procédure respectant les garanties de l'
art. 29 al. 2 Cst. | null | nan | fr | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
49adb901-3c91-408d-a15f-95045cbdd190 | Urteilskopf
137 V 36
5. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit social dans la cause B. contre Mutuel Assurances (recours en matière de droit public)
9C_110/2010 du 23 février 2011 | Regeste
Art. 25 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 und lit. e,
Art. 49 Abs. 1 KVG
; ambulanter oder stationärer Charakter einer Behandlung.
Beantwortet ein frei praktizierender Arzt telefonisch Fragen des Arztes eines Spitals, in welchem sich sein Patient aufhält, und bespricht er mit ihm die medizinische Situation des Patienten, so gilt diese Leistung als stationäre und nicht als ambulante Behandlung (E. 4.1 und 4.2). | Sachverhalt
ab Seite 37
BGE 137 V 36 S. 37
A.
B., spécialiste FMH en médecine interne, exploite un cabinet médical à N., où E.F. l'a consultée en 2006 et 2007. Le 3 février 2007, le médecin a adressé à Mutuel Assurances, caisse-maladie auprès de laquelle était assuré son patient E.F. pour l'assurance-maladie obligatoire, une facture d'un montant total de 477 fr. 40 pour des prestations ambulatoires fournies du 12 décembre 2006 au 15 janvier 2007, afin que l'assureur-maladie procède au paiement selon le système du tiers-payant. Par courrier du 8 mai 2007, la caisse-maladie a informé le docteur B. qu'elle refusait de prendre en charge un montant de 34 fr. 10 correspondant à la position tarifaire TARMED n° 00.0140, prestation médicale en l'absence du patient [y compris l'étude du dossier, par période de cinq minutes] effectuée le 12 décembre 2006. A cette date-là, l'assuré avait séjourné à l'Hôpital X. - en tout du 5 au 13 décembre 2006 - et ces frais étaient compris dans le forfait journalier.
B.
Après un échange de correspondances, auquel ont également participé le Président de l'association des médecins du canton de Genève et l'association Groupe Mutuel, dont Mutuel Assurances est membre, le docteur B. a saisi le Tribunal arbitral des assurances de la République et canton de Genève (ci-après: tribunal arbitral) d'une demande. Elle a conclu en substance à ce que la caisse-maladie soit condamnée à lui payer la prestation effectuée en l'absence du patient E.F. le 12 décembre 2006 et à ce que soient rendues à l'encontre de Groupe Mutuel et de Mutuel Assurances une décision lui interdisant de refuser de prendre en charge les prestations médicales en l'absence du patient fournies à ses propres patients durant leur hospitalisation à l'Hôpital X., ainsi qu'une décision lui interdisant de faire prendre en charge par l'Hôpital X. les coûts supplémentaires facturés selon la position tarifaire TARMED n° 00.0140. La caisse-maladie a conclu au rejet de la demande.
Le tribunal arbitral a appelé en cause l'Hôpital X. et lui a imparti un délai pour se déterminer sur la demande en paiement du docteur B., avant d'entendre les parties le 6 mars 2009 et d'ordonner la production du rapport d'hospitalisation de E.F. et de la facture relative aux consultations et prestations fournies avant le séjour hospitalier. Par jugement du 11 décembre 2009, le tribunal arbitral a rejeté la demande au sens des considérants, après avoir, au préalable, "rectifié les parties, en ce sens que le GROUPE MUTUEL n'a pas qualité de partie défenderesse dans le cadre de la présente procédure".
BGE 137 V 36 S. 38
C.
Le docteur B. interjette un recours en matière de droit public contre ce jugement, dont elle demande l'annulation. Elle conclut à ce que le Groupe Mutuel soit condamné à lui payer 34 fr. 10 avec intérêts à 5 % à compter du 5 mars 2007. Elle demande également en substance qu'il soit constaté que Mutuel Assurances ne peut "refuser de prendre en charge, ni [...] faire prendre en charge par l'Hôpital X. tout ou partie des prestations effectuées selon la position 00.0140 du tarif Tarmed par Madame B. en l'absence de ses patients alors que ceux-ci séjournent en division commune de l'Hôpital X.", et qu'il soit fait interdiction à Groupe Mutuel et Mutuel Assurances de refuser de prendre en charge et de faire prendre en charge par l'Hôpital X. lesdites prestations.
Mutuel Assurances conclut au rejet du recours, soutenu en cela par le Groupe Mutuel, tandis que l'Hôpital X. se prononce en faveur de son admission. L'Office fédéral de la santé publique a renoncé à se déterminer.
Le recours a été rejeté dans la mesure où il était recevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le litige porte sur le point de savoir si la recourante a droit à la prise en charge par l'intimée, au titre de l'assurance obligatoire des soins, de la prestation qu'elle a fournie au cas du patient E.F. le 12 décembre 2006 et facturée selon la position 00.0140 du tarif TARMED (prestation médicale en l'absence du patient [y compris l'étude du dossier, par période de cinq minutes]). Il doit être examiné selon les règles légales en vigueur au moment des faits déterminants (
ATF 130 V 445
consid. 1.2.1 p. 447), soit les dispositions de la LAMal avant la modification du 21 décembre 2007 (Financement hospitalier) entrée en vigueur au 1
er
janvier 2009.
2.1
Aux termes de l'
art. 24 LAMal
, l'assurance obligatoire des soins prend en charge les coûts des prestations définies aux art. 25 à 31 en tenant compte des conditions des art. 32 à 34. Selon l'
art. 25 LAMal
, l'assurance obligatoire des soins prend en charge les coûts des prestations qui servent à diagnostiquer ou à traiter une maladie et ses séquelles (al. 1). Ces prestations comprennent notamment les examens, traitements et soins dispensés sous forme ambulatoire, en milieu hospitalier ou semi-hospitalier (al. 2 let. a), ainsi que le séjour en division commune d'un hôpital (al. 2 let. e). L'assuré a le libre choix entre les fournisseurs de prestations admis et aptes à traiter sa
BGE 137 V 36 S. 39
maladie (
art. 41 al. 1 LAMal
). En cas de traitement ambulatoire, l'assureur prend en charge les coûts jusqu'à concurrence du tarif applicable au lieu de résidence ou de travail de l'assuré ou dans les environs. En cas de traitement hospitalier ou semi-hospitalier, l'assureur prend en charge les coûts jusqu'à concurrence du tarif applicable dans le canton où réside l'assuré (art. 41 al. 1, 2
e
et 3
e
phrases LAMal).
Selon l'
art. 44 al. 1 LAMal
, les fournisseurs de prestations doivent respecter les tarifs et les prix fixés par convention ou par l'autorité compétente; ils ne peuvent exiger de rémunération plus élevée pour des prestations fournies en application de la présente loi (protection tarifaire).
2.2
L'
art. 49 al. 1, 1
re
phrase, LAMal prévoit que pour rémunérer le traitement hospitalier, y compris le séjour à l'hôpital (art. 39 al. 1), les parties à une convention conviennent de forfaits. Selon l'al. 2 (1
re
phrase) de l'
art. 49 LAMal
, les parties à une convention peuvent prévoir que des prestations diagnostiques ou thérapeutiques spéciales ne soient pas comprises dans le forfait, mais facturées séparément. En cas d'hospitalisation, la rémunération s'effectue conformément au tarif applicable à l'hôpital en vertu des al. 1 et 2, tant que le patient a besoin, selon l'indication médicale, d'un traitement et de soins ou d'une réadaptation médicale en milieu hospitalier. Si cette condition n'est plus remplie, le tarif selon l'art. 50 est applicable (
art. 49 al. 3 LAMal
). La rémunération au sens des al. 1 à 3 épuise toutes les prétentions de l'hôpital pour la division commune (
art. 49 al. 4 LAMal
).
Les conditions relatives à l'hospitalisation au sein de l'Hôpital X. d'un assuré affilié à un assureur membre de santésuisse, l'organisation faîtière des assureurs-maladie, (sous réserve des assurés frontaliers) ont fait l'objet d'une Convention relative à l'hospitalisation en division commune de l'Hôpital X. signée entre l'Hôpital X. et santésuisse, les 2 février et 7 mars 2006, valable à partir du 1
er
janvier 2006 (ci-après: la Convention). Selon l'art. 4 al. 1 de la Convention, le forfait journalier d'hospitalisation fixé dans l'annexe 1 comprend les frais de soins au sens des art. 24 à 31 LAMal ainsi que les frais de pension selon l'
art. 49 al. 1 LAMal
. Conformément à l'
art. 49 al. 2 LAMal
, des suppléments pour cas particuliers sont fixés et figurent dans l'annexe 2 à la Convention (art. 4 al. 2). Toute autre prestation, prise en charge dans le cadre de la LAMal et fournie par des
BGE 137 V 36 S. 40
tiers sur demande de l'Hôpital X., est comprise dans les forfaits journaliers fixés dans l'annexe 1 à la présente Convention. L'Hôpital X. informe le patient que toute prestation externe demandée par lui est à sa charge (art. 4 al. 3).
3.
3.1
La juridiction arbitrale genevoise a nié le droit de la recourante à la prise en charge de la prestation en cause. Elle a considéré que dès le moment où le patient E.F. avait été hospitalisé à l'Hôpital X., on ne pouvait parler d'un cas ambulatoire et il appartenait à l'établissement hospitalier de facturer ses prestations à la caisse-maladie selon le forfait journalier d'hospitalisation convenu en application de l'
art. 49 al. 1 LAMal
. Constatant que l'entretien téléphonique entre la recourante et le médecin de l'Hôpital X. avait porté notamment sur les problèmes rencontrés pendant l'hospitalisation du patient et les modalités de la prise en charge à sa sortie, elle a par ailleurs retenu que l'intervention de la recourante ne paraissait pas avoir été indispensable du point de vue du diagnostic ni du traitement thérapeutique, puisque le patient avait été pris en charge par d'autres médecins dans un premier temps; par ailleurs, la recourante n'avait pas donné d'indications exhaustives sur les raisons des appels réitérés des médecins de l'Hôpital X. durant l'hospitalisation du patient. Une telle prestation ne relevait en outre pas d'une prestation particulière qui aurait pu justifier une facturation supplémentaire au sens de la Convention. En définitive, selon les premiers juges, il aurait été contraire aux préceptes et exigences régissant l'assurance-maladie sociale, dont le principe de la protection tarifaire selon l'
art. 44 al. 1 LAMal
, que des médecins indépendants eussent pu être rémunérés par l'assurance obligatoire des soins pour des traitements ambulatoires fournis durant l'hospitalisation d'un patient en division commune.
3.2
Invoquant une violation de l'
art. 25 al. 2 let. a LAMal
, la recourante soutient que l'hospitalisation d'un patient en division commune n'exclut pas la prise en charge, en parallèle, de prestations ambulatoires effectuées par le médecin traitant, les traitements ambulatoire, stationnaire et semi-stationnaire ouvrant le droit à des prestations légales différentes et indépendantes. Sa prestation devait dès lors être indemnisée en application de la convention TARMED et conformément à la protection tarifaire prévue à l'
art. 44 al. 1 LAMal
. Faisant valoir une constatation arbitraire des faits et une violation des règles sur le fardeau de la preuve, elle reproche
BGE 137 V 36 S. 41
également aux premiers juges d'avoir considéré que son intervention du 12 décembre 2006 ne constituait pas une prestation justifiée d'un point de vue thérapeutique et qu'elle ne relevait pas d'un traitement ambulatoire.
4.
4.1
Selon les constatations de la juridiction de première instance, la prestation dont la recourante exige la prise en charge a constitué à répondre aux questions que le docteur T., médecin interne à l'Hôpital X., a posées par téléphone le 12 décembre 2006, et qui ont concerné le patient E.F., hospitalisé en division commune à l'Hôpital X. A ce sujet, la recourante a donné les indications suivantes aux premiers juges: "Le 12 décembre 2006, j'ai reçu un téléphone du docteure T. pour m'informer des problèmes rencontrés pendant l'hospitalisation et m'avertir de la nécessité du transfert aux urgences psychiatriques. Nous nous sommes également entretenues des diagnostics, des médicaments prescrits et des modalités de la prise en charge à la sortie. Celle-ci était compliquée par le changement d'interne pendant les fêtes de fin d'année. Ce téléphone a été confirmé par le fax du 13.12.06 (pièce jointe)." Dans le téléfax du 13 décembre 2006 produit par la recourante, le docteur T. a informé sa consoeur des rendez-vous du patient pour des consultations subséquentes auprès de différents services de l'Hôpital X., ainsi que du traitement prescrit. Par courrier du 18 mai 2007, la recourante s'était adressée à l'intimée pour justifier le poste 00.0140 sur la facture litigieuse, en expliquant que "les internes des hôpitaux m'ont appelée pendant que j'étais en consultation avec un autre patient pour demander des renseignements et mon avis".
4.2
Quoi qu'en dise la recourante, et indépendamment du point de savoir si la prestation en cause répond aux exigences d'efficacité et du caractère approprié et économique au sens de l'
art. 32 al. 1 LAMal
- ce dont doute la juridiction de première instance -, la prestation du 12 décembre 2006 relève d'un traitement hospitalier et non ambulatoire.
Au moment où la recourante a été contactée par le médecin de l'Hôpital X., son patient se trouvait dans cet établissement en raison de soins nécessaires en milieu hospitalier (la condition du besoin d'hospitalisation est incontestée en l'espèce). Selon les déclarations de la recourante, les questions du docteur T. et la discussion qui s'en est suivie ont porté sur le déroulement de l'hospitalisation, les
BGE 137 V 36 S. 42
diagnostics et les médicaments prescrits, ainsi que les modalités de prise en charge à la sortie du patient. L'activité déployée par la recourante en répondant de manière ponctuelle à des questions du médecin de l'Hôpital X. concernant son patient ou en recevant des renseignements sur différents aspects de l'hospitalisation et le suivi du patient par les services de l'Hôpital X. postérieurement à sa sortie, est en lien direct avec le traitement en milieu hospitalier et fait donc partie de celui-ci. Dès lors que le médecin de l'hôpital s'est adressé à la recourante pour discuter du traitement hospitalier en cours, la prestation que le docteur B. entend faire valoir ne correspond pas à une prestation ambulatoire du seul fait qu'elle a été sollicitée en tant que médecin (traitant) indépendant et à l'extérieur de l'hôpital. Elle est en effet intervenue en raison de l'hospitalisation de son patient pour faciliter le travail du médecin de l'hôpital ou en connaître certains aspects. Elle ne peut donc rien tirer en sa faveur des dispositions de la LAMal sur la prise en charge, par l'assurance obligatoire des soins, d'une prestation ambulatoire (dans ce sens, GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherungsrecht, in Soziale Sicherheit, SBVR vol. XIV, 2
e
éd. 2007, p. 523 n. 379).
4.3
En tant que l'activité effectuée par la recourante le 12 décembre 2006 en faveur de son patient hospitalisé fait partie du traitement hospitalier, la prestation en cause - dût-elle remplir les conditions de l'
art. 32 al. 1 LAMal
- est comprise dans le forfait convenu par l'intimée et l'Hôpital X. pour la rémunération du traitement conformément à l'
art. 49 al. 1 LAMal
. Aussi, l'intimée satisfait-elle à ses obligations découlant de la LAMal en versant un montant équivalent au forfait applicable en division commune de l'Hôpital X. (
art. 25 al. 2 let
. e LAMal en corrélation avec l'
art. 49 al. 2 LAMal
et la Convention).
Autre est la question de savoir si la recourante a droit à une rémunération pour sa prestation du 12 décembre 2006 de la part de l'Hôpital X. Elle ne fait cependant pas l'objet du présent litige, de sorte qu'elle peut rester sans réponse. De même, le point de savoir quelle aurait été la situation si la recourante avait été contactée par l'Hôpital X. avant ou après l'hospitalisation de son patient n'a pas à être résolu en l'occurrence.
4.4
Enfin, l'argumentation de la recourante tirée d'une prétendue violation de son droit d'être entendue, au motif qu'elle n'aurait pas été invitée par la juridiction de première instance à se déterminer sur la
BGE 137 V 36 S. 43
question de savoir si sa prestation faisait partie du traitement ambulatoire ou hospitalier, ni à solliciter l'administration de preuves sur cette question, est mal fondée. La nature ambulatoire ou hospitalière de la prestation en cause a en effet été abordée par les parties en procédure de première instance: la recourante a ainsi prétendu que son intervention relevait d'une prestation ambulatoire et ne pouvait tomber sous le coup du forfait prévu par la Convention (mémoire de recours, p. 6). L'instruction menée par le tribunal arbitral sur les raisons de l'intervention de la recourante, qui a pu s'exprimer par écrit sur ce point, apparaissait par ailleurs suffisante pour trancher le litige. | null | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
49b254fc-b98e-4314-81de-46a1dfa2d7bf | Urteilskopf
103 III 91
18. Sentenza 7 luglio 1977 in re Credito Svizzero | Regeste
Arrestierung von Bankguthaben - Ersuchen um Auskunfterteilung unter Androhung von Strafsanktionen.
Ist der Arrest für eine Forderung bewilligt, die sich nicht auf einen vollstreckbaren Titel stützt, so kann das Betreibungsamt der Bank (bzw. deren Organen), die sich weigert, die verlangten Auskünfte zu erteilen, nicht die in
Art. 292 StGB
vorgesehene Strafe androhen (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 92
BGE 103 III 91 S. 92
Con decreto 26 agosto 1976 il Pretore della giurisdizione di Lugano-distretto, su istanza della Centrofin S.A., Losanna, ha ordinato all'Ufficio di esecuzione e fallimenti di Lugano, Io circondario, di sequestrare presso il Credito svizzero, Succursale di Lugano, i conti bancari, i titoli e i valori della S.A. Industrias Reunidas F. Matarazzo, San Paolo (Brasile). Il sequestro venne eseguito il giorno successivo e il Credito svizzero si è limitato a prenderne atto. Ad una successiva richiesta del 28 ottobre 1976 l'Ufficio di esecuzione diffidava la banca sequestrata a voler comunicare entro dieci giorni se i beni sequestrati esistessero, se fossero sufficienti a garantire il credito e, in caso parziale fino a che importo. Il Credito svizzero comunicava di non esser disposto a fornire informazioni, sia in senso positivo che in senso negativo. Con lettera 12 novembre 1976 l'Ufficio d'esecuzione diffidava nuovamente la banca a fornire le informazioni richieste; a quest'ultima diffida era associata la comminatoria delle pene previste dall'
art. 292 CP
.
Con sentenza 17 maggio 1977 la Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello respingeva un reclamo con cui la banca sequestrata chiedeva lo stralcio della comminatoria delle sanzioni penali.
La banca sequestrata ha interposto ricorso in questa sede, ribadendo le conclusioni formulate in sede cantonale.
La Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale federale ha accolto il ricorso.
Erwägungen
Considerato in diritto:
1.
La consolidata giurisprudenza di questa Camera ha stabilito che, in materia di sequestro, le banche non possono trincerarsi dietro il segreto bancario per rifiutare le informazioni richieste dagli uffici di esecuzione circa l'esistenza e l'entità dei valori di spettanza dei propri clienti e posti sotto sequestro (
DTF 63 III 66
,
DTF 66 III 32
,
DTF 75 III 108
e rinvii,
DTF 100 III 29
,
DTF 101 III 63
consid. 3,
DTF 102 III 8
, 9; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, II ed., vol. 2, pag. 222/223).
Giusta i combinati disposti di cui agli
art. 91 e 275 LEF
alle banche incombe comunque un obbligo di informazione allorquando il decreto di sequestro indica i beni sequestrati nel loro genere (
DTF 66 III 32
,
DTF 75 III 109
). La ricorrente non contesta, perlomeno esplicitamente, tale principio.
BGE 103 III 91 S. 93
2.
Contenzioso è invece se alla richiesta di più precise informazioni circa l'esistenza e l'eventuale entità dei beni sequestrati possa essere associata la comminatoria dell'applicazione delle sanzioni penali previste dall'
art. 292 CP
contro la ricorrente e se, qualora le informazioni richieste vengano ciononostante rifiutate, l'Ufficio d'esecuzione possa dar seguito a tale comminatoria e denunciare la banca, rispettivamente il suo direttore, all'autorità penale per disobbedienza a tale decisione. La Camera di esecuzione e dei fallimenti del Tribunale federale, nonostante alcune critiche (in particolare HEGETSCHWEILER, Über die Auskunftspflicht der Banken im Arrestverfahren, SJZ 1949, pag. 32 segg.; PERRIN, Les banques dans la procédure de séquestre, SJZ 1950, pag. 187 segg.; SCHAEFER, Das Bankgeheimnis, SJZ 1953, pag. 338) ha sempre ammesso che le autorità di esecuzione debbono decidere esse stesse quale uso fare della possibilità di associare alle proprie decisioni la comminatoria delle sanzioni previste dall'
art. 292 CP
. In principio esse sono pertanto libere di rinunciare a tale comminatoria qualora ritengano che la disobbedienza alla loro ingiunzione non meriti sanzione (
DTF 75 III 110
). Secondo la costante prassi di questa Camera è per contro eccessivo, nella procedura del sequestro, associare la comminatoria delle sanzioni penali a una decisione dell'Ufficio di esecuzione che chiede informazioni ad un istituto bancario circa valori patrimoniali posti sotto sequestro ma indicati unicamente nel loro genere. In questo stadio preliminare della procedura d'esecuzione, ove il credito posto in esecuzione deve unicamente essere reso verosimile, la minaccia di sanzioni penali alla banca, rispettivamente ai suoi organi, non è giustificata: ciò tantomeno se si considera che, dal momento in cui le è noto il sequestro, la banca che si spossessasse dei valori depositati incorrerebbe nelle sanzioni comminate dall'
art. 169 CP
e che, in questo stadio della procedura, il pericolo di un "sequestro investigativo" (Sucharrest) o di un caso di spionaggio bancario è oltremodo serio e non deve essere sottovalutato, per cui si impone un atteggiamento quantomeno cauto da parte degli istituti bancari (cfr.
DTF 102 III 8
,
DTF 75 III 110
; SCHAEFER, op.cit. pag. 339; FRITZSCHE, op.cit., pag. 223).
3.
A mente dell'istanza cantonale i mentovati principi giurisprudenziali sarebbero in contrasto con l'obbligo degli uffici di esecuzione di eseguire il sequestro senza esaminare la fondatezza, dal profilo
BGE 103 III 91 S. 94
materiale, del credito dedotto in esecuzione. Se la comminatoria di sanzioni penali potesse essere associata ad una procedura di sequestro unicamente in presenza di un credito materialmente fondato, ciò implicherebbe un esame in tal senso da parte dell'Ufficio di esecuzione. Mal si vedrebbe comunque, sempre a mente dell'istanza cantonale, perché l'autorità d'esecuzione debba nuovamente riesaminare il grado di verosimiglianza di un credito, dopo che sulla stessa già ebbe a pronunciarsi il giudice del sequestro, per determinarsi circa l'inserimento o meno della comminatoria delle sanzioni previste dall'
art. 292 CP
nella sua decisione. Né d'altro canto sarebbe giustificato prevedere un esame della fondatezza materiale di un credito posto in esecuzione unicamente qualora il sequestro debba essere eseguito presso istituti bancari, istituti questi cui la legge non conferirebbe privilegi di sorta. D'altro canto, l'Ufficio d'esecuzione dovrebbe poter indicare al creditore sequestrante l'esito del sequestro, segnatamente se esso debba considerarsi favorevole o negativo, onde metterlo nella condizione di poter compiere i successivi atti esecutivi, rispettivamente giudiziari, a convalida del sequestro (
art. 278 LEF
). Onde poter comunicare al creditore l'esito del sequestro, occorrerebbero però le informazioni della banca e non si vedrebbe perché, sempre a mente dell'istanza cantonale, non possa esser fatto capo alla comminatoria delle sanzioni previste dall'
art. 292 CP
per costringere gli organi dell'istituto bancario a fornire le informazioni esatte dall'esecuzione del sequestro. La banca, d'altro canto, non violerebbe il segreto bancario qualora comunicasse all'Ufficio d'esecuzione l'esistenza di beni del debitore presso di essa e la circostanza che gli stessi sono sufficienti a garantire il credito dedotto in esecuzione, rispettivamente sino a quale importo: solo informazioni di tale indole permetterebbero infatti l'esecuzione del sequestro e, d'altronde, l'interesse legittimo della creditrice esigerebbe che vengano date all'ufficio d'esecuzione almeno le suddette indicazioni, senza che con ciò debba essere portato a conoscenza del creditore sequestrante la totale consistenza o la natura dei beni del debitore.
4.
Le censure che l'autorità ticinese di vigilanza muove alla linea finora seguita dalla giurisprudenza di questa Camera non sono totalmente destituite di fondamento, tanto più se espresse in una fattispecie in cui, come nella presente, la formulazione alquanto generica delle
BGE 103 III 91 S. 95
richieste dell'Ufficio d'esecuzione non implica necessariamente che l'istituto bancario abbia a compromettersi più di quel tanto fornendo le informazioni richieste. Oltracciò va aggiunto che, come sostenuto in dottrina da quegli autori che hanno mosso critiche ai citati principi giurisprudenziali (per tutti PERRIN, op.cit. pag. 187/88) non è agevole accettare che l'autorità abbia, per così dire, a capitolare di fronte alla disobbedienza degli istituti bancari. Tali critiche che, come s'è visto, sono indubbiamente di un certo peso, non appaiono tuttavia tali da indurre questa Camera a mutare il corso della sua giurisprudenza in questa materia: altri e validi motivi militano infatti per il mantenimento della linea tracciata e costantemente ribadita. A tale risultato conduce in primo luogo una ponderata valutazione degli opposti interessi in gioco, segnatamente quello del creditore procedente a conoscere dell'esistenza o meno di attivi sufficienti a garantire il vantato credito, e quello contrastante del debitore sequestrato al mantenimento del segreto bancario di cui gode nella sua qualità di cliente dell'istituto di credito. In tale ponderazione degli interessi deve essere posta mente al fatto che, in questo stadio meramente preliminare della procedura esecutiva, il pericolo di spionaggio bancario, operato mediante i cosiddetti sequestri investigatori (cfr. sopra consid. 2) non è ipotetico, ma serio e tangibile, e al fatto che la banca, dopo aver preso conoscenza di un sequestro, risponde comunque civilmente e penalmente qualora avesse a spossessarsi dei beni colpiti dal sequestro (qui giunti, è d'uopo ricordare di transenna che, d'altro canto, nel mondo bancario ogni operazione suscita l'allestimento di scritture, la cui eventuale soppressione o alterazione da un lato difficilmente potrebbe passare inosservata e, dall'altro, se operata, esporrebbe gli organi della banca a ben più gravi conseguenze sia sul piano civile che su quello penale).
D'altro canto, contrariamente a quanto ritiene l'istanza cantonale, non è vero che l'attuale giurisprudenza del Tribunale federale conduce ad esigere dall'Ufficio d'esecuzione un esame della fondatezza materiale di un credito dopo che il giudice del sequestro già si è pronunciato sulla verosimiglianza dello stesso. L'Ufficio d'esecuzione può e deve infatti limitarsi ad accertare, sulla scorta delle pezze giustificative versate in atti, se la verosimiglianza del credito posto a fondamento del sequestro
BGE 103 III 91 S. 96
risulta da un titolo esecutivo e non da semplici affermazioni, magari contestate, del creditore procedente. In linea di principio tale accertamento non è tale da presentare insormontabili difficoltà per gli uffici d'esecuzione. Ne consegue che l'attuale giurisprudenza di questa Camera deve essere confermata e precisata nel senso che solo la presenza di un titolo esecutivo costituisce presupposto per associare alle decisioni dell'Ufficio d'esecuzione la comminatoria dell'applicazione delle sanzioni previste dall'
art. 292 CP
per disobbedienza a decisioni dell'autorità.
Nella concreta fattispecie tali presupposti non sono manifestamente adempiuti: per quanto può essere evinto dalle tavole processuali, il credito in garanzia del pagamento del quale la creditrice procedente Centrofin S.A. ha chiesto ed ottenuto il sequestro dei beni di spettanza della S.A. Industrias Reunidas F. Matarazzo depositati presso gli uffici della succursale luganese dell'istituto bancario ricorrente è infatti genericamente fondato su di non meglio precisati "riconoscimenti di debito, estratti, lettere, telex e note di debito". Da tali pezze non può manifestamente essere dedotto che la pretesa di credito vantata dalla creditrice sequestrante sia senza dubbio fondata. In tali circostanze non si giustifica, a' sensi di giurisprudenza, di associare alla richiesta d'informazioni indirizzata dall'Ufficio d'esecuzione al Credito svizzero la comminatoria delle sanzioni previste dall'
art. 292 CP
. Ciò non implica per la creditrice procedente la perdita di alcunché, in quanto il sequestro da lei richiesto ed ottenuto ha, nonostante il rifiuto del rilascio di precise informazioni da parte della banca, trovato provvisoria esecuzione. È ben vero che così eseguito il sequestro può causare disagio all'Ufficio d'esecuzione, il quale deve pronunciarsi sulla questione se il sequestro è o meno riuscito (
DTF 101 III 62
). Questa circostanza non giustifica però, da sola, l'abbandono della linea finora tracciata dalla giurisprudenza di questa Camera. | null | nan | it | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
49b2d0f7-f839-4381-bbfd-9e5df912ca7a | Urteilskopf
104 V 126
28. Auszug aus dem Urteil vom 22. November 1978 i.S. Alfa-Laval AG gegen Ausgleichskasse des Grosshandels und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Art. 5 und 9 AHVG
.
Bei einem Versicherten, der gleichzeitig mehrere Tätigkeiten ausübt, ist jedes Erwerbseinkommen dahin zu prüfen, ob es aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit stammt, selbst wenn die Arbeiten für eine und dieselbe Firma vorgenommen werden. | Erwägungen
ab Seite 126
BGE 104 V 126 S. 126
Aus den Erwägungen:
3.
a) Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht Erwerbstätiger richtet sich u.a. danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte Erwerbseinkommen als solches aus selbständiger oder aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist (
Art. 5 und 9 AHVG
sowie
Art. 6 ff. AHVV
). Nach
Art. 5 Abs. 2 AHVG
gilt als massgebender Lohn jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder
BGE 104 V 126 S. 127
unbestimmte Zeit geleistete Arbeit; als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gilt nach
Art. 9 Abs. 1 AHVG
jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt.
Für die Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, sind nicht die zivilrechtlichen Vertragsverhältnisse, sondern die wirtschaftlichen Gegebenheiten massgebend. Als unselbständig ist im allgemeinen zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt (
BGE 101 V 253
mit Hinweisen).
b) Bei einem Versicherten, der mehrere Tätigkeiten gleichzeitig ausübt, ist jedes Erwerbseinkommen dahin zu prüfen, ob es aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit stammt. Es ist durchaus möglich, dass ein Versicherter gleichzeitig für die eine Firma als Arbeitnehmer und für die andere als Selbständigerwerbender tätig ist. Folglich besteht aber auch die Möglichkeit, dass ein Versicherter für die gleiche Firma in der einen Sparte als Unselbständigerwerbender und in einer andern Sparte als Selbständigerwerbender arbeitet. Es kann demnach nicht auf den überwiegenden Charakter der Gesamttätigkeit ankommen. Eine solche Gesamtbeurteilung ist weder gesetzlich vorgesehen noch aus Gründen der Praktikabilität notwendig.
Die verschiedenen Tätigkeiten sind vielmehr einzeln zu prüfen und die betreffenden Beiträge sind entsprechend der Qualifikation dieser Arbeitsbereiche zu erheben. | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
49b2e44e-8a76-4116-86f3-cac078f3b0cb | Urteilskopf
101 II 11
4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. April 1975 i.S. Z. | Regeste
Wegnahme eines Kindes gemäss
Art. 284 ZGB
; örtliche Zuständigkeit.
Örtlich zuständig ist die Behörde am Wohnsitz des Kindes bzw. desjenigen Elternteils, dessen elterliche Gewalt durch die Wegnahme eingeschränkt werden soll; in zeitlicher Hinsicht ist die Einleitung des Administrativverfahrens massgebend. | Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 101 II 11 S. 11
Am 20. November 1973 beschloss der Gemeinderat von X. gestützt auf
Art. 284 ZGB
die Wegnahme des Kindes A.Z. aus Pflege und Erziehung seines verwitweten Vaters und verpflichtete letzteren zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von Fr. 300.--.
Diesen Beschluss zog Z. an das Bezirksamt weiter. Er bestritt vorab die örtliche Zuständigkeit des Gemeinderates X. mit der Begründung, er sei seit 15. November 1973 im Kanton Zürich wohnhaft. Überdies machte er geltend, die Voraussetzungen
BGE 101 II 11 S. 12
für die angeordnete Massnahme seien gar nicht erfüllt. Mit Entscheid vom 6. März 1974 wies das Bezirksamt die Beschwerde ab.
Diesen Entscheid zog Z. vor das Obergericht des Kantons Aargau, das die Beschwerde mit Urteil vom 12. September 1974 abwies.
Mit Eingabe an das Bundesgericht vom 19. Januar 1975 erklärte Z., er erhebe gegen das obergerichtliche Urteil sowohl Nichtigkeits- als auch staatsrechtliche Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Formelles)
2.
a) Zur Wegnahme eines Kindes im Sinne von
Art. 284 Abs. 1 ZGB
enthält das Gesetz keine Bestimmung über die örtliche Zuständigkeit. Die Rechtsprechung hat diese Lücke durch analoge Anwendung von
Art. 376 Abs. 1 ZGB
(Bevormundung) gefüllt (
BGE 89 II 14
). Zuständig ist somit die Behörde am Wohnsitz des Kindes bzw. desjenigen Elternteils, dessen elterliche Gewalt durch die Wegnahme eingeschränkt werden soll. In zeitlicher Hinsicht ist - entsprechend der Praxis zur Entmündigung (
BGE 95 II 515
;
BGE 50 II 98
E. 3) - die Einleitung des Administrativverfahrens massgebend. Auch beim Verfahren nach
Art. 283 ff. ZGB
soll sich der betroffene Elternteil nämlich nicht durch einen Wohnsitzwechsel der Massnahme entziehen können.
b) Im Kanton Aargau ist der Gemeinderat die sachlich zuständige Vormundschaftsbehörde (§ 59 Abs. 1 des aargauischen Einführungsgesetzes zum ZGB). In dieser Eigenschaft hat der Gemeinderat von X. bereits am 15. Oktober 1973 A.Z. in der Person von Amtsvormund Y. einen Beistand bestellt und letzteren ersucht, "sich sofort der Verhältnisse anzunehmen und der Vormundschaftsbehörde Bericht und Antrag über seine Wahrnehmungen bzw. über das weitere Vorgehen zu stellen". Damit hat er jenes Verfahren eingeleitet, das mit dem Entscheid vom 20. November 1973 seinen Abschluss fand. Massgebliches Datum für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit (der aargauischen Behörden) war demnach der 15. Oktober 1973. Daran vermag auch die Tatsache, dass die Ermittlungen dem Beistand übertragen worden waren, nichts zu ändern. Da der Beschwerdeführer nicht behauptet, er habe
BGE 101 II 11 S. 13
schon am 15. Oktober 1973 seinen Wohnsitz nach Zürich verlegt gehabt, ist die Beschwerde in diesem Punkt abzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49b46448-67af-4a6e-87b7-5fa808232d90 | Urteilskopf
136 IV 65
10. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public dans la cause A. contre Procureur général du canton de Genève (recours en matière pénale)
1B_373/2009 du 17 mars 2010 | Regeste
Art. 58 StGB
; vorzeitiger Vollzug einer Massnahme.
Die mit einem Gesuch um vorzeitigen Vollzug befasste Behörde entscheidet aufgrund der in den Akten enthaltenen konkreten Elemente. Sie kann eine Ergänzung der Untersuchung verlangen (vorläufiger Bericht, Kurzgutachten; E. 2.1-2.3), darf aber die Prüfung des Gesuchs nicht ablehnen mit der Begründung, dass der vom Sachrichter eingesetzte psychiatrische Sachverständige seinen Bericht noch nicht erstattet hat (E. 2.4 und 2.5). | Sachverhalt
ab Seite 65
BGE 136 IV 65 S. 65
A.
A. a été renvoyé en jugement devant le Tribunal de police du canton de Genève pour menaces, lésions corporelles, contrainte sexuelle et infraction à la LStup notamment. Le 19 mai 2009, le tribunal a décidé de soumettre l'accusé à une expertise psychiatrique.
Le 20 mai 2009, A. a saisi le Tribunal d'application des peines et mesures (TAPEM) d'une requête d'exécution anticipée d'une mesure thérapeutique au sens de l'
art. 58 al. 1 CP
. Il exposait consommer de l'héroïne et de la cocaïne depuis l'âge de seize ans. (...) Sa toxicodépendance était à l'origine des infractions qui lui étaient reprochées. Hospitalisé depuis le 11 mai 2009 à la Clinique de Belle-Idée, il désirait entreprendre un programme thérapeutique au Centre Argos, association d'aide aux personnes toxicodépendantes, afin de traiter son addiction. Le responsable de ce centre s'était dit prêt à l'accueillir et son médecin s'était prononcé favorablement. Il était probable qu'une telle mesure soit finalement ordonnée par le tribunal. (...)
BGE 136 IV 65 S. 66
Jusqu'alors en détention préventive, A. a été libéré le 12 juin 2009. Il a été pris en charge au Centre (...) Argos.
B.
Par jugement du 18 juin 2009, le TAPEM a rejeté la demande. A défaut de toute expertise psychiatrique, il n'était pas possible de connaître l'état du prévenu et de déterminer la mesure thérapeutique la plus appropriée.
A. a saisi la Chambre pénale de la Cour de justice genevoise, laquelle a confirmé le jugement du TAPEM par arrêt du 16 novembre 2009. (...) Même si l'évolution clinique du recourant était favorable, on ignorait la nature exacte de sa dépendance, les chances de succès du traitement et les possibilités de prévenir ainsi de nouvelles infractions.
C.
A. forme un recours en matière pénale. Il demande au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt de la Chambre pénale et de prononcer l'exécution anticipée de la mesure thérapeutique, dès le 12 juin 2009. (...)
Le Tribunal fédéral a admis le recours et renvoyé la cause à la Chambre pénale.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant se plaint d'une violation de l'
art. 58 CP
, d'une violation du principe de la proportionnalité et d'arbitraire. Il relève que si une mesure thérapeutique au sens des
art. 59 ss CP
ne peut être ordonnée que sur la base d'une expertise (
art. 56 al. 3 CP
), il n'en irait pas forcément de même pour une exécution anticipée au sens de l'
art. 58 CP
, une telle mesure pouvant être ordonnée durant la réalisation de l'expertise. Au stade de l'exécution anticipée, un rapport provisoire serait suffisant. En l'occurrence, le placement dans une institution spécialisée, librement décidé par l'intéressé, aurait déjà donné des résultats. A supposer qu'il faille se fonder sur un avis d'expert, les pièces figurant au dossier étaient suffisantes: le diagnostic de toxicodépendance a été confirmé par plusieurs spécialistes, les chances de succès du traitement seraient avérées ainsi que le risque, faute d'un tel traitement, de commettre de nouvelles infractions. Il serait dès lors suffisamment vraisemblable qu'une mesure au sens de l'
art. 60 CP
sera ordonnée. Il serait arbitraire de refuser l'exécution anticipée d'une telle mesure alors que le recourant se soigne depuis le mois de juin 2009, que la mission d'expertise a été décidée en audience de jugement au mois de mai 2009 et que l'expert n'a toujours pas rendu son rapport.
BGE 136 IV 65 S. 67
2.1
Les
art. 59 et 60 CP
prévoient des mesures thérapeutiques institutionnelles pour les délinquants souffrant de graves troubles mentaux ou (
art. 60 CP
) d'addictions diverses. L'auteur doit avoir commis un crime ou un délit en rapport avec son état et le traitement doit être susceptible de le détourner d'autres infractions en relation avec cet état. En vertu de l'
art. 63 CP
, le juge peut également ordonner un traitement ambulatoire, en particulier lorsque les actes commis ne sont pas des délits ou des crimes (
art. 63 al. 1 let. a CP
). Ces différentes mesures ne peuvent être ordonnées que sur la base d'une expertise qui se détermine sur les chances de succès d'un traitement, sur la vraisemblance que l'auteur commette d'autres infractions et sur la nature de celles-ci, ainsi que sur les possibilités de faire exécuter la mesure (
art. 56 al. 3 let
. c CP). Le juge tient compte de la disponibilité d'un établissement approprié (
art. 56 al. 5 CP
).
Selon l'
art. 57 al. 2 CP
, l'exécution d'une des mesures prévues aux art. 59 à 61 CP prime une peine privative de liberté. La durée de la privation de liberté entraînée par l'exécution de la mesure est imputée sur la durée de la peine (al. 3).
2.2
Selon l'
art. 58 al. 1 CP
, s'il est à prévoir que l'une des mesures prévues aux art. 59 à 61 ou 63 sera ordonnée, l'auteur peut être autorisé à en commencer l'exécution de manière anticipée. Cette possibilité d'exécution anticipée a été introduite au niveau fédéral "afin que la durée de l'instruction puisse être judicieusement mise à profit, que les bonnes dispositions à l'égard de la thérapie ne soient pas annihilées par une longue détention préventive et que l'on dispose, au moment du jugement, d'expériences concrètes avec une thérapie déterminée" (FF 1999 1880). Elle vise particulièrement les cas de dépendance à la drogue (MARIANNE HEER, Das neue Massnahmenrecht im Überblick, in Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches, 2007, p. 101-135, 113). L'exécution anticipée suppose d'une part le consentement de l'intéressé (ROTH/THALMANN, Commentaire romand, Code pénal, vol. I, 2009, n° 3 ad
art. 58 CP
) et d'autre part une probabilité suffisante qu'une mesure déterminée soit ordonnée par le juge du fond (STEFAN TRECHSEL, in Schweizerisches Strafgesetzbuch, 2008, n° 1 ad
art. 59 CP
). Contrairement à ce que soutiennent les instances précédentes, l'exécution anticipée ne doit pas nécessairement être autorisée sur la base d'une expertise répondant aux exigences de l'
art. 56 al. 3 CP
, faute de quoi toute exécution anticipée serait impossible au stade de l'instruction, tant que l'expert ne s'est pas prononcé. L'un des buts de l'exécution anticipée est
BGE 136 IV 65 S. 68
précisément de donner au juge du fond des indications sur le traitement adéquat.
2.3
Saisie d'une demande d'exécution anticipée, l'autorité doit donc se fonder sur des indications concrètes qui peuvent résulter directement du dossier; elle peut aussi recourir à une brève expertise ou demander un rapport provisoire (TRECHSEL, loc. cit.). Selon l'
art. 4 de la loi genevoise du 17 novembre 2006 d'application du code pénal suisse et d'autres lois fédérales en matière pénale (LaCP; RSG E 4 10)
, la procédure devant le TAPEM est régie par les art. 371 à 375l du code de procédure pénale (CPP/GE; RSG E 4 20). L'art. 375A permet notamment l'administration de toutes les mesures probatoires utiles telles que l'audition des parties, de témoins ou d'experts. Pour le surplus, le TAPEM dispose d'un très large pouvoir d'appréciation, comme cela ressort d'ailleurs de la formulation potestative de l'
art. 58 CP
.
2.4
En l'occurrence, il ressort d'un certificat médical du 15 mai 2009 que le recourant est dépendant aux toxiques et en particulier à la cocaïne; il recevait alors un traitement de substitution aux opiacés. Il montrait une motivation pour s'en sortir et s'engager dans un programme spécialisé et présentait un recul par rapport à ses difficultés, ainsi que des réserves psychiques et physiques importantes. Cela a été confirmé par le responsable du Centre Argos, entendu lors de l'audience devant le Tribunal de police du 18 mai 2009. A sa sortie de prison, le recourant a été pris en charge volontairement dans le Centre résidentiel à moyen terme (CRMT) de l'Association Argos, où il a été suivi par un médecin du service d'addictologie des Hôpitaux universitaires de Genève, pour la prise de Subutex. Ce médecin a confirmé par écrit, le 9 juin 2009, que depuis son arrivée, le recourant se montrait très motivé aux soins. Au vu de l'évolution clinique favorable, des projets de soins en cours ainsi que de l'alliance thérapeutique établie, le médecin jugeait souhaitable la poursuite des soins au CRMT. Le 21 septembre 2009, le même médecin a encore confirmé que le sevrage s'était bien déroulé, le Subutex ayant été arrêté le 31 août 2009.
Ces différents témoignages médicaux constituent des indices concrets permettant de statuer a priori sur la réalisation des conditions posées à l'
art. 60 al. 1 let. a et b CP
. L'existence d'une toxicodépendance est attestée par divers avis médicaux. Par ailleurs, sur le vu des feuilles d'envoi du Procureur général, les infractions reprochées au recourant auraient systématiquement été commises en lien avec la
BGE 136 IV 65 S. 69
consommation de stupéfiants. Les pièces au dossier confirment également, prima facie, l'exécutabilité de la mesure ainsi que la disponibilité d'un établissement (
art. 56 al. 3 let
. c et al. 5 CP). Dès lors que le placement a été clairement voulu par le recourant, c'est en vain que la Chambre pénale évoque le principe de proportionnalité (
art. 56 al. 2 CP
), qui impose de choisir la mesure thérapeutique la moins incisive pour l'intéressé et se trouve à la base même de l'exigence d'une expertise psychiatrique.
2.5
Dans ces conditions, le refus d'examiner la demande d'exécution anticipée au seul motif qu'il manquait une expertise psychiatrique, viole l'
art. 58 CP
. Pour le même motif, l'arrêt attaqué ne satisfait pas aux exigences de l'
art. 112 al. 1 LTF
puisque l'autorité cantonale a refusé de statuer sur la base des éléments disponibles du dossier et n'a pas procédé aux actes d'instruction éventuellement nécessaires. Il y a donc lieu de renvoyer la cause à la cour cantonale afin qu'elle statue à nouveau. Si celle-ci s'estime insuffisamment renseignée, il lui appartiendra d'obtenir des renseignements complémentaires sur la poursuite du traitement suivi par le recourant. Compte tenu du temps écoulé depuis l'admission du recourant au CRMT, un pronostic sur l'adéquation du traitement et ses chances de succès apparaît possible. En tant que juge d'appel (
art. 375H CPP
/GE), la Chambre pénale peut procéder elle-même à une telle instruction (
art. 244 CPP
/GE). | null | nan | fr | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
49ba551a-6cb6-4a1f-9246-154a0a92cfb5 | Urteilskopf
111 V 46
12. Extrait de l'arrêt du 14 février 1985 dans la cause Sciboz contre Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents et Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg | Regeste
Art. 108 UVG
: Kantonale Verfahrensregeln.
Art. 108 UVG
ist auf jedes Urteil anwendbar, das im Bereich der obligatorischen Unfallversicherung nach dem 1. Januar 1984 in erster Instanz gefällt worden ist. | Sachverhalt
ab Seite 46
BGE 111 V 46 S. 46
A.-
Par décision du 5 janvier 1983, la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents a considéré Héribert Sciboz comme une personne dépendante, assurée obligatoirement auprès d'elle contre les accidents.
B.-
L'intéressé a recouru contre cette décision. Par jugement du 27 avril 1984, la Chambre des assurances du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg a rejeté le recours; elle a mis à la charge du recourant les dépens de la Caisse nationale, tandis qu'elle a réparti par moitié entre les deux parties les frais judiciaires dus à l'Etat.
C.-
Héribert Sciboz interjette recours de droit administratif contre ce jugement. Il conclut, sous suite de dépens, à son annulation et demande au Tribunal fédéral des assurances de le déclarer "entrepreneur indépendant".
La Caisse nationale conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
En première instance, les frais judiciaires dus à l'Etat ont été répartis par moitié entre les deux parties et le recourant a été
BGE 111 V 46 S. 47
condamné aux dépens de la Caisse nationale (cf. art. 3 de la loi fribourgeoise du 17 novembre 1964 organisant le Tribunal des assurances et les art. 107 ss et 111 ss du Code de procédure civile du 28 avril 1953).
Sous l'empire de la LAMA, l'art. 121 de cette loi imposait aux cantons de pourvoir à ce que la procédure relative aux contestations entre un assuré et la Caisse nationale fût aussi simple et rapide que possible. La question des frais et dépens n'étant pas réglée par la loi, il en découlait qu'elle relevait de la compétence des cantons, sous réserve qu'ils respectent les exigences minimales prévues à l'alinéa premier, deuxième phrase de l'article précité.
En revanche, depuis le 1er janvier 1984, date de l'entrée en vigueur de la LAA, la procédure est, en principe, gratuite pour les parties (
art. 108 al. 1 let. a LAA
). La nouvelle loi ne contient aucune disposition transitoire relative au droit de procédure. A défaut de dispositions sur ce point, les nouvelles règles de procédure doivent être appliquées dès leur entrée en vigueur. Cette application immédiate vaut d'autant plus dans les cas où les nouvelles dispositions de procédure sont plus favorables à l'administré (ATF
ATF 109 Ib 156
consid. 1;
ATF 97 I 924
consid. 2; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2e éd., p. 53). Cela présuppose cependant que la nouvelle loi ne prévoie pas d'exception (art. 2 al. 1 titre final CC;
ATF 107 Ib 194
consid. 3a,
ATF 99 Ib 152
consid. 1) et que, d'autre part, les nouvelles règles de procédure entrent en vigueur en cours de procédure, autrement dit que la contestation soit encore pendante à la date de leur mise en application (
ATF 99 Ib 152
consid. 1; GRISEL, Traité de droit administratif, p. 152 et 155 let. f et les références citées; GYGI, op.cit., p. 52; KNAPP, Précis de droit administratif, 2e éd., p. 83 No 346; sur la notion de contestation pendante, cf.
ATF 110 V 330
).
Tel est le cas en l'espèce. Il s'ensuit que l'
art. 108 al. 1 let. a LAA
s'applique au jugement rendu dans le domaine de l'assurance-accidents obligatoire par la Chambre des assurances du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg après le 1er janvier 1984. Dès lors, les premiers juges ne pouvaient mettre des frais de justice à la charge des parties.
Le même principe s'applique en ce qui concerne les dépens auxquels le recourant a été condamné en première instance. Aux termes de l'
art. 108 al. 1 let
. g LAA, seul le recourant qui obtient gain de cause a droit au remboursement de ses frais et dépens dans
BGE 111 V 46 S. 48
la mesure fixée par le tribunal. Il en résulte que l'autorité cantonale ne pouvait pas mettre à la charge du recourant les dépens alloués à la Caisse nationale. | null | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
49cb7080-76c4-4c05-81a6-6d4e098ec3e0 | Urteilskopf
96 II 383
50. Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. September 1970 i.S. Bächstädt gegen Müllach AG. | Regeste
Bundesgesetz über die Anlagefonds.
Art. 14, 23 und 24 AFG
. Die Treuepflicht der Fondsleitung und der weitern in
Art. 14 AFG
genannten Personen ist vertraglicher Art. Rechtshandlungen, die gegen diese Vorschrift verstossen, sind daher nicht nichtig, sondern geben dem Anleger einen Erfüllungs- oder Schadenersatzanspruch nach
Art. 23 und 24 AFG
(Erw. 2 a/b).
Die Beschlüsse der Fondsleitung verpflichten die zum Vermögen des Anlagefonds gehörenden Immobiliengesellschaften wegen ihrer rechtlichen Selbständigkeit nicht (Erw. 2 c).
Nichtigkeit eines dissimulierten Rechtsgeschäftes wegen Formmangels (Erw. 3 a).
Art. 17 OR
. Kein abstraktes Schuldbekenntnis, wenn die Urkunde die "abgetretene Forderung" schlechthin erwähnt, der Zessionar aber den Rechtsgrund der Forderung im Zeitpunkt der Abtretung kannte (Erw. 4).
Begründung einer neuen Schuld, wenn der Schuldner die abgetretene Forderung "anerkennt" (Erw. 4)? | Sachverhalt
ab Seite 384
BGE 96 II 383 S. 384
A.-
Die Aktien der Müllach AG. gehören seit 1963 zum Fondsvermögen des notleidenden Anlagefonds Hisa-National.
BGE 96 II 383 S. 385
Die Leitung des Fonds lag bei der Hisa-Verwaltungs AG von Anlagefonds Zürich (im folgenden Fondsleitung genannt), deren Verwaltungsratspräsident und Alleinaktionär Alfred Roth war. Die Eidgenössische Bankenkommission hat der Fondsleitung mit Verfügung vom 14. März 1968 die Bewilligung zur Führung der Geschäfte von Anlagefonds entzogen, da sie ihre vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen in fortgesetzter Weise grob verletzt hatte. An ihrer Stelle wurde René Hatt für den Anlagefonds Hisa-National als Sachwalter eingesetzt. In der Folge wurde über das Vermögen der Fondsleitung der Konkurs eröffnet.
Die Bankenkommission beanstandete in ihrer Verfügung unter anderem, dass die Fondsleitung bzw. die Müllach AG. angeblich anerkannt hatte, der Progla Holding AG [im folgenden Progla genannt] Fr. 455'455.85 zu schulden. Damit hatte es folgende Bewandtnis:
Die Müllach AG. kaufte im Jahre 1960 von der Terra-Conta AG Bauland in Adliswil. Bevor sie im Jahre 1963 daran das Eigentum erwarb, gab sie in den Jahren 1960 und 1961 Kaufsinteressenten verschiedene Parzellen zur Überbauung frei. Die Progla trat als Generalunternehmerin auf. Am 23. Oktober 1963 hielt die Fondsleitung in ihrem Sitzungsprotokoll folgendes fest:
"Überbauung Albisstr., Adliswil/ZH. Mit dieser Überbauung wurde im Jahre 1960 begonnen. Sie besteht aus neunzehn 5-Familienhäusern mit vorteilhaften Mietzinsen... Herr Roth ist Eigentümer der Aktien der ,Müllach AG', welche mit der Terra Conta AG Verträge über den Kauf der Baulandparzellen abgeschlossen hat und ist ebenfalls im Besitze der Aktien der Progla-Holding AG, welche die Liegenschaften erstellen liess. Über die meisten Liegenschaften sind vor rund zwei Jahren Verkäufe mit Ausländern beurkundet worden... Die Eigentumsübertragung wurde jedoch den Ausländern nicht bewilligt. Über 5 Liegenschaften bestehen beurkundete Kaufverträge mit Schweizer Käufern, die durch die ,Müllach AG' erfüllt werden müssen. Die Übernahme der Überbauung durch den Hisa-Fonds kann erfolgen durch die Übernahme der Aktien der ,Müllach AG' und durch Eintreten der ,Müllach AG' in die Werkverträge mit der Progla-Holding AG... Die Zahlungen sind sukzessive zu leisten zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlungen durch die ausländischen Käufer, anlässlich der Landübernahme sowie bei der stufenweisen Erfüllung der Werkverträge mit der Progla-Holding AG. Diese Transaktion ist so durchzuführen, dass nach Erfüllung der bestehenden Kaufverträge mit den Schweizer Käufern die restlichen Liegenschaften eine Bruttorendite von 5,60% aufweisen. Herr Roth wird mit der Durchführung der Transaktion
BGE 96 II 383 S. 386
beauftragt... Der Verwaltungsrat beschliesst einstimmig Eintreten, bzw. käufliche Übernahme der Überbauung wie vorgeschlagen".
Die Progla stellte der Müllach AG. am 15. November 1963 für den Bau von vierzehn Mehrfamilienhäusern und mehrerer Garagen Rechnung über Fr. 4'396,000.--, welcher Betrag nachträglich auf Fr. 4'391,000.-- berichtigt wurde. Für siebzehn Parzellen ergab sich auf Ende 1963 ein Buchwert von Fr. 4'986,711.60. Auf Ende 1964 liess die Progla eine "provisorische Rechnung zum Zusatz 2 zum Werkvertrag" folgen, gemäss welcher die nach dem Verkauf von zwei weiteren Parzellen verbleibenden fünfzehn Liegenschaftenkonti der Müllach AG. auf Grund einer Bruttorendite von 5,6% zugunsten der Progla mit weiteren Fr. 1'135,537.50 belastet wurden. Nach Aktivierung einzelner kleinerer Beträge von insgesamt Fr. 25'187.65 belief sich Ende 1964 der Buchwert der fünfzehn Parzellen auf Fr. 6'075,544.15. Dieser Wert lag der "approximativen Abrechnung zwischen Hisa-Fonds und Grunda AG/Progla AG" vom 28. November 1967 zugrunde, in der gestützt auf den angeblichen Ertrag der im Jahre 1965 neu festgesetzten Mietzinse ein zusätzlicher Anspruch der Progla von Fr. 397'313.-- errechnet wurde. Eine weitere Renditenberechnung vom 11. Januar 1968 kam für vierzehn Wohnhäuser, zwanzig Garagen und (neu) drei Autoabstellplätze auf einen Bilanzwert von Fr. 6'531,000.--. Der Unterschied der Buchwerte vom 1. Januar und 1. Oktober 1965 (Fr. 6'531,000.-- ./. Fr. 6'075,544.15 = Fr. 455'455.85) wurde als "Saldo zu Gunsten Progla Holding A.-G." bezeichnet. Der Verwaltungsrat der Fondsleitung, der sich nunmehr noch aus Alfred Roth, dessen Tochter Helene und Erhard Loosli zusammensetzte, befasste sich in der Sitzung vom 17. Januar 1968 mit dieser Abrechnung. Er nahm im Protokoll zunächst Bezug auf die Beschlüsse vom 23. Oktober 1963 und erklärte unter anderem, die Progla "sei berechtigt", den Werklohn auf der Grundlage von 5,6% der Bruttomietzinse per 1. Oktober 1965, der Aufstellung vom 11. Januar 1968 und der dazugehörenden Mietzinsaufstellungen zu berechnen, woraus sich ein Saldo von Fr. 455'455.85 zugunsten der Progla ergebe.
Am 18. Januar 1968 trafen Alfred Roth, die Grunda AG und die Progla, beide Gesellschaften vertreten durch den einzelzeichnungsberechtigten Alfred Roth, mit Bächstädt folgende Vereinbarung:
BGE 96 II 383 S. 387
"I. Die Grunda AG schuldet Herrn Alex Bächstädt die Summe von Fr. 168'996.91 per 18.11.1967.
II. Zur Sicherstellung dieser Schuld und zahlungshalber zediert die Progla Holding AG an Herrn A. Bächstädt aus ihrer anerkannten Forderung von Fr. 455'455.85 gegenüber der Firma Müllach AG, Badenerstrasse 156, Zürich, den Betrag von Fr. 180'000.--. Herr Bächstädt ist berechtigt diese Zession der Firma Müllach AG zu notifizieren".
Ebenfalls am 18. Januar 1968 liess Bächstädt durch seinen Anwalt der Müllach AG. mitteilen, die Progla habe ihm aus ihrer Forderung gegenüber der Müllach AG. von Fr. 455'455.85 Fr. 180'000.--abgetreten. Gleichzeitig ersuchte er die Müllach AG., ihm "durch Unterzeichnung des beiliegenden Doppels zu bestätigen", dass sie die ihm abgetretene Forderung von Fr. 180'000.-- anerkenne. Roth und Loosli unterzeichneten am 19. Januar 1968 namens der Müllach AG. das Schreiben Bächstädts im Original.
Die Müllach AG. wurde in der Folge von der Progla für Fr. 275'455.85 und von Bächstädt für Fr. 180'000.-- betrieben. Auf ihren Rechtsvorschlag hin erwirkten beide Gläubiger provisorische Rechtsöffnung. Die Müllach AG. klagte in beiden Fällen auf Aberkennung der geltend gemachten Forderungen.
B.-
Das Handelsgericht des Kantons Zürich hiess am 20. Oktober 1969 die Aberkennungsklage der Müllach AG. gegen Bächstädt von Fr. 180'000.-- vollumfänglich gut.
C.-
Der Beklagte Bächstädt beantragt mit der Berufung, das Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen, ihm in der Betreibung Nr. 1'667 des Betreibungsamtes Zürich definitive Rechtsöffnung zu erteilen, eventuell die Sache zu neuem Entscheid an das Handelsgericht zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies am 28. April 1970 die vom Beklagten ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Prozessuales)
2.
Das Handelsgericht führt aus, die Progla habe sich ursprünglich verpflichtet, die Häuser für Fr. 4'391,000.-- zu erstellen. Sodann stellt es auf Grund der Akten fest, dass der Forderung der Progla gegen die Klägerin von Fr. 455'455.85
BGE 96 II 383 S. 388
keine Gegenleistung gegenüber gestanden sei; die mit Beschluss der Fondsleitung vom 17. Januar 1968 ausgestellte "Gutschrift" auf den 1. Oktober 1965 sei daher eine unentgeltliche Zuwendung der Klägerin an die Progla und lasse sich nur damit erklären, dass Roth seine beherrschende Stellung innerhalb des Hisa-Grunda-Progla-Komplexes missbraucht habe, um der wirtschaftlich ihm allein gehörenden Progla zum Nachteil der Klägerin und deren Anleger ohne Gegenleistung Vermögenswerte zu verschaffen. Der Beschluss der Fondsleitung vom 17. Januar 1968 verstosse, soweit damit eine Schuld der Klägerin gegenüber der Progla begründet und anerkannt worden sei, gegen
Art. 14 AFG
und sei nach
Art. 19 OR
nichtig.
a) Der Beklagte rügt diese Auffassung als bundesrechtswidrig, da die in
Art. 14 AFG
niedergelegte Treuepflicht der Fondsleitung vertraglicher Art sei, ihre Verletzung somit nicht die Nichtigkeit des Beschlusses vom 17. Januar 1968, sondern bloss die Pflicht zu Schadenersatz nach sich ziehe.
b) Der Anlagefonds ist ein Vermögen, das auf Grund öffentlicher Werbung von den Anlegern zum Zweck gemeinschaftlicher Kapitalanlage aufgebracht und von der Fondsleitung nach dem Grundsatz der Risikoverteilung für Rechnung der Anleger verwaltet wird (
Art. 2 Abs. 1 AFG
).
Art. 8 AFG
bezeichnet den Vertrag zwischen Anleger und Fondsleitung nach seinem Zweck als Kollektivanlagevertrag (Abs. 2) und nach seiner rechtlichen Natur als Unterart des Auftrages (Abs. 3). Nach
Art. 398 OR
verpflichtet sich der Beauftragte, die ihm übertragenen Geschäfte oder Dienste vertragsgemäss zu besorgen. Geschäftsbesorgung für einen andern ist auch die Aufgabe der Fondsleitung. Sie hat die Einzahlung des Anlegers zur Äufnung eines Anlagefonds zu verwenden und diesen nach den Bestimmungen des Fondsreglements, also vertragsgemäss für Rechnung und im Interesse der Anleger zu verwalten (Botschaft, BBl 1965 III 293). Die in
Art. 14 AFG
festgelegte Treuepflicht ist somit vertraglicher Art. Sie führt den schon m
Art. 398 Abs. 2 OR
niedergelegten Grundsatz der Treue in der Erfüllung des Auftrages näher aus (Botschaft, a.a.O., S. 320). Der Anleger kann bei Verletzung der Treuepflicht durch die Fondsleitung unter den in
Art. 23 und 24 AFG
umschriebenen Voraussetzungen auf Erfüllung oder Schadenersatz klagen.
Trotz dieser klaren Regelung sollen nach Auffassung der Vorinstanz treuwidrige Rechtsgeschäfte der Fondsleitung nichtig
BGE 96 II 383 S. 389
sein, weil der Anleger mangels Mitspracherechts nicht in die Geschäftsführung der Fondsleitung eingreifen könne und allfällige Verantwortlichkeitsansprüche gegen Organe der Fondsleitung ihm keinen genügenden Schutz böten; der Gesetzgeber habe daher in
Art. 8 Abs. 4 AFG
die Rechtsbeziehungen zwischen Anleger und Fondsleitung weitgehend zwingend geregelt.
Diese Argumentation ist an sich richtig. Sie spricht aber gegen die Nichtigkeit treuwidriger Handlungen der Fondsleitung, da der Gesetzgeber die Rechtsgefährdung des Anlegers kannte. Wäre er der Auffassung gewesen, die treuwidrigen Rechtsgeschäfte der Fondsleitung seien nichtig, so hätte er die entsprechenden Rechtsfolgen vorgesehen. Ohne gesetzliche Grundlage dürfen aber Rechtsgeschäfte der Fondsleitung, die den Interessen der Anleger zuwiderlaufen, nicht als nichtig erklärt und auf diese Weise schutzwürdige Interessen gutgläubiger Dritter in Frage gestellt werden. Denn es entspricht dem Rechtsempfinden, dass derjenige den Schaden trage, der mit dem Schädiger in engerer Beziehung stand. Das ist der Anleger; er wählte den Fonds und damit die Fondsleitung, der er sein Kapital zur Verwaltung anvertraute.
Wie die Vorinstanz mit Recht einwendet, liegt es nicht nur im Interesse der Anleger, sondern auch der Öffentlichkeit, dass die Fondsleitungen ihre Aufgaben getreulich erfüllen. Da sich die Anlagefonds öffentlich an das Anlegerpublikum wenden, werden sie wie die Banken einer behördlichen Aufsicht unterstellt (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 258). Zweck der Aufsichtsbehörde ist es, die Geschäftstätigkeit der Fondsleitung daraufhin zu überprüfen, ob Gesetz und Fondsreglement eingehalten worden sind (
Art. 42 AFG
), und nötigenfalls gewerbepolizeiliche Massnahmen zu ergreifen (
Art. 43 ff. AFG
). Ist es somit nicht Sache der Aufsichtsbehörde, "bestimmte Rechtsgeschäfte der Fondsleitung rückgängig zu machen oder als unwirksam zu erklären", so steht ein solches Recht nicht notwendigerweise dem Richter zu, wie die Vorinstanz annimmt. Die
Art. 23 und 24 AFG
regeln die Rechtsfolgen vertragswidriger Handlungen der Fondsleitung abschliessend, gestatten somit dem Richter nicht, zusätzlich auf Nichtigkeit zu erkennen. Auch Banken, die sich zur Verwaltung von Kapitalien an die Öffentlichkeit wenden und deren lauteres Geschäftsgebaren daher nicht weniger im öffentlichen Interesse liegt, dürfen vom Richter nicht zusätzlich überwacht werden, indem er Rechtsgeschäfte, die gegen die
BGE 96 II 383 S. 390
auftragsrechtliche Sorgfalts- und Treuepflicht verstossen, als nichtig erklärt.
c) Im übrigen verkennt die Vorinstanz, dass die Fondsleitung durch ihren Beschluss vom 17. Januar 1968 die Klägerin schon deshalb nicht verpflichten konnte, weil ihr die entsprechende Legitimation fehlte (vgl.
BGE 95 II 623
Erw. 2 b; AMONN, Über die Eigentumsverhältnisse bei den schweizerischen Investmenttrusts, S. 44). Die Immobiliengesellschaften sind mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 276 u. 301). Der Beschluss der Fondsleitung bildete daher bloss die rechnerische Grundlage der Vereinbarung über eine zusätzliche Werklohnforderung der Progla gegen die Klägerin.
3.
Wie erwähnt, bildete nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz der Beschluss der Fondsleitung vom 17. Januar 1968 die Grundlage für eine unentgeltliche Zuwendung der Klägerin an die Progla. Die Begründung einer zusätzlichen Werklohnforderung war daher von den Vertragsschliessenden nicht ernst gemeint, sondern bloss zum Schein verabredet. Das verdeckte, mit dem Willen der Vertragspartner übereinstimmende Geschäft war die unentgeltliche Zuwendung der Klägerin an die Progla, d.h. ein Schenkungsversprechen.
a) Das simulierte Rechtsgeschäft ist nichtig, das dissimulierte gültig, wenn dafür die allenfalls vom Gesetz vorgeschriebene Form erfüllt worden ist. Ein schriftliches Schenkungsversprechen im Sinn des
Art. 243 Abs. 1 OR
liegt hier nicht vor, und dessen fehlende Form vermochte die angebliche Schuldanerkennung der Klägerin vom 19. Januar 1968 nicht zu ersetzen (vgl.
BGE 41 II 362
,
BGE 45 II 31
,
BGE 46 II 34
,
BGE 53 II 104
,
BGE 66 II 34
,
BGE 71 II 106
,
BGE 72 II 360
). Die Progla besass somit im Zeitpunkt der Abtretung gegen die Klägerin keine Forderung. Da ein nichtiges Rechtsgeschäft keine Wirkungen erzeugt, ist die Nichtigkeit von Amtes wegen zu beachten (
BGE 80 II 48
lit. b; VON TUHR/SIEGWART, OR II S. 214).
b) Zu prüfen bleibt, ob
Art. 18 Abs. 2 OR
anzuwenden ist, der bestimmt, dass einem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, die Einrede der Simulation nicht entgegengehalten werden darf; der Zessionar erwirbt vermöge seines guten Glaubens eine Forderung, die dem Abtretenden nicht zustand (VON TUHR/SIEGWART, OR I S. 265). Der am 18. Januar 1968 abgeschlossene Abtretungsvertrag enthält unter Ziff. II die Wendung "...zediert die
BGE 96 II 383 S. 391
Progla-Holding an Herrn Bächstädt aus ihrer anerkannten Forderung von Fr. 455'455.85 gegenüber der Firma Müllach AG... den Betrag von Fr. 180'000.--". Die Klägerin war an diesem Rechtsgeschäft nicht beteiligt, weshalb sie durch die angebliche Schuldanerkennung nicht verpflichtet wurde, gleichgültig, ob der Alleinaktionär Roth sie hätte vertreten können.
Ferner fragt sich, ob die von der Klägerin am 19. Januar 1968 auf Verlangen des Beklagten ausgestellte Erklärung als Schuldbekenntnis im Sinne des
Art. 18 Abs. 2 OR
zu verstehen ist. Das Gesetz will nach dieser Bestimmung nur den Abtretungsgläubiger schützen, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat. Diese Voraussetzung trifft hier nicht zu. Der Beklagte behauptet selber, er sei durch nachträgliche Anerkennung der - in Wirklichkeit nicht bestehenden - Forderung Gläubiger geworden. Damit hat er im Zeitpunkt der Abtretung die Gefahr des Nichtbestehens der Schuld auf sich genommen.
Art. 18 Abs. 2 OR
ist daher nicht anwendbar. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die zusätzliche "Werklohnforderung" der Progla auf unzulässiger doppelter Stellvertretung beruht.
4.
Der Beklagte macht schliesslich geltend, ihm könnten allfällige Einreden aus dem Grundverhältnis zwischen der Klägerin und der Progla nicht entgegengehalten werden, weil die Klägerin am 19. Januar 1968 die ihr abgetretene Forderung vorbehaltlos unterschriftlich und ohne Nennung eines Schuldgrundes anerkannt habe; sie habe damit auf Einreden verzichtet und eine neue Schuld begründet.
Diese Auffassung trifft nicht zu. Mit Schreiben vom 18. Januar 1968 teilte der Beklagte der Klägerin durch seinen Anwalt mit, die Progla habe ihm aus ihrer Forderung von Fr. 455'455.85 gegen die Klägerin Fr. 180'000.-- abgetreten; ferner ersuchte er sie, "durch Unterzeichnung des beiliegenden Doppels zu bestätigen", dass sie die ihm "abgetretene Forderung von Fr. 180'000.--" anerkenne. Diese von Roth und Loosli namens der Klägerin am 19. Januar 1968 unterzeichnete Erklärung kann, obwohl sie einen Rechtsgrund nicht ausdrücklich erwähnt, nach den konkreten Umständen nicht als abstraktes Schuldbekenntnis betrachtet werden. Sie erwähnt im Text eine abgetretene Forderung von Fr. 180'000.--, nimmt also auf die in der Abtretungsanzeige erwähnte Forderung der Progla gegen die Klägerin Bezug. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt,
BGE 96 II 383 S. 392
hat der Rechtsvertreter des Beklagten vor der Unterzeichnung der Vereinbarung vom 18. Januar 1968 zwischen dem Beklagten einerseits und Roth, der Grunda AG und der Progla anderseits gewusst, dass die abgetretene Forderung von Fr. 180'000.-- aus dem angeblichen Werklohnguthaben der Progla gegen die Klägerin stammte. Der Auffassung des Handelsgerichts, die Parteien hätten durch die Erklärung vom 19. Januar 1968 keine selbständige, vom Grundgeschäft zwischen der Klägerin und der Progla getrennte Forderung begründen wollen, ist daher zuzustimmen. War aber das Grundgeschäft ungültig, so konnte begrifflich die darauf beruhende Abtretungsforderung durch die Willenserklärung der Klägerin vom 19. Januar 1968 nicht wirksam werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Oktober 1969 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49cfa882-7836-4d49-932e-a67943c466e6 | Urteilskopf
101 III 97
21. Auszug aus dem Entscheid vom 20. November 1975 i.S. Hegner. | Regeste
Rechtsmittelbelehrung im Beschwerdeverfahren.
Die kantonalen Aufsichtsbehörden sind von Bundesrechts wegen nicht verpflichtet, ihre Entscheide mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Eine Rechtsmittelbelehrung ist jedoch zu empfehlen. | Erwägungen
ab Seite 97
BGE 101 III 97 S. 97
Erwägungen:
2.
Der Rekurrent macht nicht geltend, die Aufsichtsbehörde habe dadurch Bundesrecht verletzt, dass sie ihren Entscheid nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen habe. Eine solche Rüge wäre auch nicht begründet. Weder das SchKG noch das OG verpflichten die Aufsichtsbehörden zur Rechtsmittelbelehrung. Eine derartige Pflicht lässt sich auch nicht aus dem ungeschriebenen Bundesrecht ableiten (
BGE 98 Ib 338
f.). Indessen wäre es wünschbar, wenn die Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs-
BGE 101 III 97 S. 98
und Konkurssachen eine Rechtsmittelbelehrung enthielten. Wie das Bundesgericht mehrfach ausgeführt hat, stehen die Vorschriften des Betreibungsrechts über das Verfahren und die Organisation der Betreibungsbehörden dem Verwaltungsrecht nahe (
BGE 101 III 12
,
BGE 100 III 10
,
BGE 96 III 98
). Auf dem Gebiet des Bundesverwaltungsrechts ist aber die Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich vorgeschrieben (
Art. 35 VwVG
). Es ist daher der Vorinstanz zu empfehlen, ihren Entscheiden inskünftig eine Rechtsmittelbelehrung beizufügen. | null | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
49d2e288-0d58-4c21-b7b0-3258b17d970c | Urteilskopf
89 I 242
39. Arrêt du 18 septembre 1963 dans la cause X. contre Genève, cour de justice. | Regeste
Art. 90 OG
. Unzulässigkeit neuer Beweismittel und Vorbringen bei einer staatsrechtlichen Beschwerde, welche die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges voraussetzt.
Art. 4 BV
und 81 SchKG. Der Rechtsöffnungsrichter handelt nicht willkürlich, wenn er beim Entscheid darüber, ob ein von einem ordentlichen Gericht eines andern Kantons gefälltes Urteil rechtskräftig und vollstreckbar sei, auf die Rechtskraftbescheinigung abstellt, die der Schreiber des ausserkantonalen Gerichts in gehöriger Form auf dem Urteil angebracht hat. | Sachverhalt
ab Seite 243
BGE 89 I 242 S. 243
A.-
Le 8 octobre 1956, l'enfant Z. introduisit une action en recherche de paternité contre X., qui était domicilié à Tannay (district de Nyon, cercle de Coppet). Elle le cita en conciliation devant le Juge de paix de Coppet, puis déposa la demande devant le Tribunal du district de Nyon. Par réponse du 28 février 1957, X. conclut au rejet de l'action. Il quitta ensuite son domicile de Tannay, sans indiquer de nouvelle adresse au tribunal. Il fut assigné par voie édictale à comparaître à l'audience de jugement. Il ne s'y présenta pas. Statuant par défaut le 22 décembre 1959, le tribunal le condamna à payer une pension à l'enfant. Ce jugement, communiqué à X. par voie édictale, fut déclaré définitif et exécutoire dès le 20 janvier 1960.
B.-
Le 19 mars 1963, l'Office des mineurs de Homburg-Saar, tuteur de Z., fit notifier à X. un commandement de payer la somme de 5850 fr. plus intérêts dès le 1er août 1958, représentant la pension alimentaire demeurée non payée. X., alors domicilié à Genève, fit opposition totale. Le 4 avril 1963, le Tribunal de première instance de Genève, se fondant sur le jugement du 22 décembre 1959, prononça la mainlevée définitive de cette opposition. Il considéra
BGE 89 I 242 S. 244
que X., qui avait excipé de l'incompétence du Tribunal de Nyon, devait être débouté de cette exception et qu'il ne s'était prévalu d'aucune irrégularité dans la notification du jugement.
X. interjeta appel à la Cour de justice contre le prononcé de mainlevée définitive. Il fit valoir que le jugement du 22 décembre 1959 lui avait été signifié d'une façon irrégulière, qu'il était dépourvu par conséquent de force exécutoire et qu'il faisait du reste l'objet d'un recours en nullité devant le Tribunal cantonal vaudois.
Le 10 mai 1963, la Cour de justice rejeta cet appel par le motif que le recours en nullité formé par X. devant les autorités vaudoises n'avait pas d'effet suspensif et que, partant, l'Office des mineurs restait au bénéfice de la déclaration concernant la force exécutoire du jugement du 22 décembre 1959.
C.-
Agissant par la voie du recours de droit public, X. requiert le Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt de la Cour de justice. Il se plaint de diverses violations de l'art. 4 Cst.
La Cour de justice et l'Office des mineurs concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon une jurisprudence de la juridiction cantonale, que le recourant ne critique d'aucune manière, la Cour de justice, saisie, comme en l'espèce, d'un appel fondé sur l'art. 339 lettre c PC gen., n'examine que les violations de la loi alléguées dans la requête d'appel. La requête d'appel déposée par le recourant critiquait exclusivement la signification irrégulière et le défaut de force exécutoire du jugement rendu le 22 décembre 1959. C'est de ce seul moyen, soulevé dans le recours de droit public, que le Tribunal fédéral peut s'occuper aujourd'hui. Les autres griefs allégués par X. et tirés du fait qu'il n'a pas été assigné régulièrement à l'audience de jugement lors du procès en paternité et qu'un délai aurait dû lui être
BGE 89 I 242 S. 245
accordé pour examiner le jugement du 22 décembre 1959, n'ont pas été invoqués dans la requête d'appel, alors qu'ils auraient pu l'être. Ils sont dès lors nouveaux et, comme tels, irrecevables, puisqu'il s'agit d'un recours supposant l'épuisement des moyens de droit cantonal (RO 87 I 178 consid. 3). Pour la même raison, les pièces produites avec le recours de droit public seulement ne sauraient être prises en considération en vue d'établir le caractère arbitraire de l'arrêt attaqué.
2.
Selon le recourant, la Cour cantonale est tombée dans l'arbitraire en reconnaissant force exécutoire au jugement du 22 décembre 1959, alors que ce dernier n'avait pas été signifié d'une manière régulière. Toutefois, cette question de signification concernait le caractère exécutoire du jugement lui-même. Elle ne se rapportait pas à l'une des exceptions (compétence, assignation, représentation) que l'art. 81 al. 2 LP accorde à l'opposant. Or, il s'agissait d'un jugement rendu par un tribunal ordinaire d'un autre canton. Pour savoir si un tel jugement était définitif et exécutoire, la juridiction genevoise pouvait, sans arbitraire, s'en tenir à la déclaration d'exécuter régulièrement inscrite sur le jugement par le greffier du tribunal qui avait statué, conformément à l'art. 590 PC vaud. Elle n'était pas tenue, en vertu de l'art. 4 Cst., de contrôler la manière dont les autorités vaudoises avaient appliqué leur propre procédure. Le recourant est d'autant moins fondé à se plaindre qu'après avoir participé à la procédure écrite devant le Tribunal de Nyon, il a quitté son domicile sans laisser d'adresse à cette autorité. Il doit dès lors s'en prendre à lui-même si la juridiction vaudoise lui a signifié le jugement par la voie édictale, sans se livrer à des recherches étendues.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
Rejette le recours en tant qu'il est recevable. | public_law | nan | fr | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
49d429e1-1f9e-4732-8965-839993dab5fb | Urteilskopf
120 V 378
52. Auszug aus dem Urteil vom 7. September 1994 i.S. G. gegen Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau und Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung | Regeste
Art. 8 Abs. 1 lit. f,
Art. 15 Abs. 1 AVIG
.
- Bei der Beurteilung der Vermittlungsfähigkeit stellt die Frage nach der Arbeitsberechtigung eines Ausländers eine Vorfrage dar, die mangels eines Entscheids seitens der zuständigen Arbeitsmarktbehörde von den Organen der Arbeitslosenversicherung und vom Sozialversicherungsrichter selbständig beurteilt werden kann.
- Vermittlungsfähigkeit von Flüchtlingen und ihrer Familienangehörigen. | Sachverhalt
ab Seite 378
BGE 120 V 378 S. 378
A.-
Die 1958 geborene türkische Staatsangehörige G. kam Ende 1988 mit ihrer Familie in die Schweiz, wo sie und ihr Ehemann ein Asylgesuch stellten. Die Fremdenpolizei des Kantons Thurgau erteilte ihr am 11. Januar 1991 eine provisorische Bewilligung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, aufgrund der sie ab 12. Januar 1991 teilzeitlich als Annäherin/Nachseherin bei der Stickerei X tätig war. Auf den 30. November 1992 kündigte die Firma das Arbeitsverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen. Am 3. Dezember 1992 meldete sich G. zum Bezug von Arbeitslosenentschädigungen an.
Mit Verfügung vom 11. Januar 1993 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau die Anspruchsberechtigung zufolge fehlender Vermittlungsfähigkeit. Sie stützte sich dabei auf eine Auskunft der kantonalen Fremdenpolizei vom 18. Dezember 1992, wonach G. keine Arbeitsbewilligung erteilt werde, weil bei Asylbewerber-Ehepaaren mit Kindern grundsätzlich nur einem Ehepartner die Bewilligung zur Ausübung
BGE 120 V 378 S. 379
einer Erwerbstätigkeit gewährt werde.
B.-
Die gegen die Verfügung vom 11. Januar 1993 erhobene Beschwerde, mit welcher G. die Zusprechung von Arbeitslosenentschädigungen ab 1. Dezember 1992 beantragte, wurde von der Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Arbeitslosenversicherung mit der Begründung abgewiesen, dass weder die Arbeitslosenkasse noch die Rekurskommission zuständig seien, die Rechtmässigkeit der von der Fremdenpolizei erteilten Auskunft zu überprüfen, und dass es Sache der Beschwerdeführerin selbst sei, "allenfalls eine andere Stellungnahme zu erwirken, um so die Arbeitslosenkasse nachträglich zur Anerkennung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung zu bewegen" (Entscheid vom 2. Juni 1993).
C.-
G. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau zu verpflichten, ab 1. Dezember 1992 Arbeitslosenentschädigungen auszurichten; eventuell sei die Vermittlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin für die Zeit ab 1. Dezember 1992 zu bejahen und die Sache im übrigen an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen; subeventuell sei die Sache an eine der beiden Vorinstanzen zurückzuweisen zwecks Sistierung des Verfahrens bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids der für die Erteilung einer Arbeitsbewilligung zuständigen Behörde.
Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Eine der gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ist die Vermittlungsfähigkeit (
Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG
). Vermittlungsfähig ist der Arbeitslose, wenn er bereit, in der Lage und berechtigt ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen (
Art. 15 Abs. 1 AVIG
). Somit gehört zur Vermittlungsfähigkeit nicht nur die Arbeitsfähigkeit und die Vermittlungsbereitschaft, sondern auch die Arbeitsberechtigung. Wenn und so lange keine Arbeitsberechtigung besteht, fehlt es auch an der Vermittlungsfähigkeit des Versicherten und damit an seiner Anspruchsberechtigung (GERHARDS, Kommentar zum
BGE 120 V 378 S. 380
Arbeitslosenversicherungsgesetz, Bd. I, N. 10 und 55 zu
Art. 15 AVIG
).
b) Der Ausländer bedarf zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sowie zum Stellen- und Berufswechsel einer Bewilligung; ausgenommen von der Bewilligungspflicht ist nur die erwerbliche Betätigung der niedergelassenen Ausländer (Art. 3 Abs. 3 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 [ANAG, SR 142.20]). Nach
Art. 14c Abs. 3 ANAG
bewilligen die kantonalen Behörden dem Ausländer eine unselbständige Erwerbstätigkeit, sofern die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage dies gestattet. Das Bewilligungsverfahren ist so geregelt, dass die kantonale Fremdenpolizeibehörde vor der Erteilung einer Bewilligung in der Regel "die Begutachtung des zuständigen Arbeitsnachweises einzuholen" hat, wenn der Ausländer eine Stelle antreten will (
Art. 16 Abs. 2 ANAG
). Bevor die kantonale Fremdenpolizei dem Ausländer eine Bewilligung erteilt, hat sie deshalb einen Vorentscheid (bei erstmaligen Gesuchen) oder eine Stellungnahme (insbesondere bei Verlängerungsgesuchen und Gesuchen um Bewilligung eines Stellenwechsels) der kantonalen Arbeitsmarktbehörde zur Frage einzuholen, ob die nach Art. 6 ff. der Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer vom 6. Oktober 1986 (BVO, SR 823.21) geltenden Voraussetzungen erfüllt sind und ob die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage die Erteilung einer Arbeitsbewilligung gestattet (Art. 42 Abs. 1 und 43 Abs. 2 BVO). Vorentscheid oder Stellungnahme der Arbeitsmarktbehörde sind für die Fremdenpolizeibehörde verbindlich; die kantonale Fremdenpolizei kann jedoch trotz eines positiven Vorentscheides die Bewilligung aus andern als wirtschaftlichen oder arbeitsmarktlichen Gründen verweigern (
Art. 42 Abs. 4 und
Art. 43 Abs. 4 BVO
).
c) Die für die Arbeitsberechtigung von Ausländern massgebenden formellen und materiellen Vorschriften gelten auch für Asylbewerber, soweit das Asylrecht nichts anderes bestimmt. Nach den Regeln des Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979 (AsylG; SR 142.31) darf sich der Asylgesuchsteller bis zum Abschluss des Verfahrens in der Schweiz aufhalten (
Art. 19 Abs. 1 AsylG
). Laut
Art. 21 AsylG
in der Fassung gemäss Bundesbeschluss über das Asylverfahren vom 22. Juni 1990 (AS 1990 I 938 ff.) dürfen Asylbewerber während der ersten drei Monate nach dem Einreichen eines Asylgesuches keine Erwerbstätigkeit ausüben; ergeht innert dieser Frist erstinstanzlich ein negativer Entscheid, so kann der Kanton das Arbeitsverbot um weitere drei Monate verlängern (Abs. 1). Ergreift der Gesuchsteller im Anschluss an
BGE 120 V 378 S. 381
einen rechtskräftigen negativen Asylentscheid ein ausserordentliches Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf und wird während der Dauer dieses Verfahrens auf den Vollzug der Wegweisung verzichtet, so erlöscht die Bewilligung in der Regel mit Ablauf der nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens festgesetzten Ausreisefrist; die für die Behandlung eines solchen Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs zuständige Behörde entscheidet auf Antrag des Kantons endgültig über Ausnahmen (Abs. 2). Asylbewerber, die nach den fremdenpolizeilichen Bestimmungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sind oder die an gemeinnützigen Beschäftigungsprogrammen teilnehmen, unterliegen dem Arbeitsverbot nicht (Abs. 3).
Arbeitsbewilligungen für Asylbewerber fallen nicht unter die Einschränkungen, welche sich aus den vom Bundesrat gestützt auf
Art. 14 und 15 BVO
festgesetzten Höchstzahlen der zu einer Erwerbstätigkeit berechtigenden Jahresbewilligungen ergeben (
Art. 13 lit. g BVO
). Bewilligungen werden aber nur unter Berücksichtigung des Vorranges der einheimischen Arbeitnehmer und der stellensuchenden, aufenthalts- und arbeitsberechtigten Ausländer (
Art. 7 Abs. 1 und 3 BVO
) sowie der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage (
Art. 42 Abs. 1 und
Art. 43 Abs. 2 BVO
) erteilt. Demgemäss werden nur zeitlich beschränkte und in der Regel nur Bewilligungen für Berufe und Branchen mit Arbeitskräftemangel erteilt (ACHERMANN/HAUSAMMANN, Handbuch des Asylrechts, 2. Aufl., S. 374). Weil Arbeitsbewilligungen grundsätzlich nur für eine bestimmte Arbeitsstelle erteilt werden und bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses erlöschen (
Art. 29 Abs. 1 und 4 BVO
), verfügt der arbeitslos gewordene Asylbewerber in der Regel über keine Arbeitsbewilligung und hat auch keinen Anspruch auf deren Erneuerung (SCHNEIDER, in: Droit des réfugiés, Fribourg 1991, S. 121 Ziff. 6). Nach der Verwaltungspraxis des BIGA gilt der arbeitslos gewordene Asylbewerber indessen als vermittlungsfähig im Sinne von
Art. 15 Abs. 1 AVIG
, wenn er damit rechnen kann, dass ihm grundsätzlich eine Bewilligung erteilt wird, falls er eine zumutbare Arbeit findet (AlV-Praxis 89/1, Blatt 5). Das Eidg. Versicherungsgericht hat sich dieser Praxis angeschlossen und festgestellt, dass ein arbeitsloser Asylbewerber schon dann als vermittlungsfähig zu betrachten ist, wenn er damit rechnen kann, dass ihm eine Arbeitsbewilligung erteilt wird, falls er eine Stelle findet (ARV 1993 Nr. 2 S. 14 f. Erw. 2c; nicht veröffentlichtes Urteil A. vom 27. April 1989).
BGE 120 V 378 S. 382
3.
Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Thurgau hat zwecks Beurteilung der Vermittlungsfähigkeit bei der kantonalen Fremdenpolizei eine Auskunft über die Arbeitsberechtigung der Beschwerdeführerin eingeholt und, als diese negativ lautete, die Anspruchsberechtigung verneint. Die Vorinstanz vertritt sinngemäss die Auffassung, sowohl die Arbeitslosenkasse als auch die Rechtsmittelinstanz seien an die ablehnende Auskunft der kantonalen Fremdenpolizei vom 18. Dezember 1992 gebunden. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.
a) Im Rahmen der Beurteilung der Vermittlungsfähigkeit stellt die Frage nach der Arbeitsberechtigung eines Ausländers eine Vorfrage dar. Nach Lehre und Rechtsprechung sind Verwaltungsbehörden und Gerichte zur selbständigen Entscheidung von Vorfragen aus anderen Rechtsgebieten berechtigt, sofern das Gesetz nichts anderes sagt und die zuständige Behörde über die Vorfrage noch nicht entschieden hat (
BGE 112 IV 119
Erw. 4a,
BGE 108 II 460
Erw. 2,
BGE 105 II 311
Erw. 2,
BGE 102 Ib 369
Erw. 4; RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung/Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 142 B I, S. 448; HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Zürich 1993, S. 13 Rz. 48).
Im vorliegenden Fall hat die zuständige kantonale Arbeitsmarktbehörde weder die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit durch die Beschwerdeführerin für den Fall, dass sie eine Arbeitsstelle finden würde, im Rahmen eines Vorentscheides gemäss
Art. 42 BVO
geprüft, noch hat die kantonale Fremdenpolizei eine entsprechende Bewilligung erteilt oder verweigert. Insbesondere beruhte die von der Kasse eingeholte Auskunft der Fremdenpolizei vom 18. Oktober 1992 nicht auf einem Vorentscheid der zuständigen Arbeitsmarktbehörde über die Arbeitsberechtigung der Beschwerdeführerin. Arbeitslosenkasse und Vorinstanz blieben deshalb zur selbständigen Beurteilung der Arbeitsberechtigung der Beschwerdeführerin für den Fall des Findens einer Stelle berechtigt und - aufgrund des für das Verwaltungs- und das Beschwerdeverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes (
Art. 12 VwVG
und
Art. 103 Abs. 4 AVIG
) - auch verpflichtet.
b) Aufgrund der Akten lässt sich nicht beurteilen, ob die Beschwerdeführerin für den Fall des Findens einer Stelle erneut eine Arbeitsbewilligung erhalten hätte. Mangels einer entsprechenden Stellungnahme der Arbeitsmarktbehörde steht nicht fest, ob und für welche Tätigkeiten die Beschwerdeführerin mit einem positiven Vorentscheid bzw. einer positiven Stellungnahme hätte rechnen können. Unklar bleibt auch, ob
BGE 120 V 378 S. 383
die Arbeitsbewilligung von der Fremdenpolizei allenfalls aus andern als wirtschaftlichen oder arbeitsmarktlichen Gründen verweigert worden wäre. Als solche fallen insbesondere in der Person der Beschwerdeführerin liegende Ausschlussgründe (Vorstrafen, schlechter Leumund) oder eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Betracht (GUTZWILLER, Die Abgrenzung der Behördenkompetenz bei der Bewilligung von Arbeitsbewilligungsgesuchen von Ausländern, ZBl 85[1984] S. 306; vgl. auch KOTTUSCH, Das Ermessen der kantonalen Fremdenpolizei und seine Schranken, ZBl 91[1990] S. 145 ff.). Hingegen ist die von der kantonalen Fremdenpolizei in der Auskunft vom 18. Dezember 1992 angeführte Kinderbetreuung ein sachfremder Bewilligungsverweigerungsgrund und im Rahmen der vorfrageweisen Beurteilung der Arbeitsberechtigung der Beschwerdeführerin unbeachtlich. Denn die Betreuung der beiden minderjährigen Kinder könnte während der Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch durch geeignete Drittpersonen sichergestellt werden, wie dies während der fast zweijährigen Tätigkeit der Beschwerdeführerin bei der Stickerei X der Fall war und von der kantonalen Fremdenpolizei zu Recht toleriert wurde.
c) Nach dem Gesagten besteht kein Grund, das Verfahren im Sinne des Eventualantrags der Beschwerdeführerin zu sistieren bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids der für die Arbeitsbewilligung zuständigen Behörde. Die Sache ist vielmehr an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie durch Rückfrage bei den zuständigen Behörden näher abkläre, ob die Beschwerdeführerin mit einer Arbeitsbewilligung rechnen konnte, falls sie eine neue Stelle finden würde, und ob demzufolge ihre Vermittlungsfähigkeit zu bejahen ist. Vorgängig wird indessen noch folgendes zu beachten sein.
4.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihr Ehemann sei im Zeitpunkt des Eintritts ihrer Arbeitslosigkeit nicht mehr Asylbewerber, sondern anerkannter Flüchtling gewesen.
a) Gemäss
Art. 27 AsylG
werden einem Ausländer, dem die Schweiz Asyl gewährt hat oder den sie als Flüchtling vorläufig aufgenommen hat, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit sowie der Stellen- und Berufswechsel ohne Rücksicht auf die Arbeitsmarktlage bewilligt. Dies bedeutet, dass Flüchtlinge nicht unter die Kontingentsbestimmungen von
Art. 12 ff. BVO
fallen, welche u.a. die jährlichen Aufenthaltsbewilligungen begrenzen (
Art. 14 und 15 BVO
). Zwar benötigt auch der Flüchtling während der ersten fünf Jahre, bis er den Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung erwirbt
BGE 120 V 378 S. 384
(
Art. 28 AsylG
), für jeden Antritt oder Wechsel der Arbeitsstelle eine Bewilligung der kantonalen Fremdenpolizei. Im Rahmen des hiefür notwendigen Vorentscheides oder der Stellungnahme der Arbeitsmarktbehörde gemäss
Art. 42 und 43 BVO
hat diese aber lediglich zu prüfen, ob die orts- und berufsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten sind (
Art. 9 BVO
). Dagegen hat sie weder den Vorrang der einheimischen Arbeitskräfte noch denjenigen der stellenlosen Ausländer, die sich bereits in der Schweiz aufhalten und zur Erwerbstätigkeit berechtigt sind, zu beachten (
Art. 7 Abs. 1 und 3 BVO
). Die Bewilligung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird den Flüchtlingen unbefristet erteilt, und es sind ihnen grundsätzlich alle Berufe zugänglich, die nicht die schweizerische Staatsbürgerschaft voraussetzen (ACHERMANN/HAUSAMMANN, a.a.O., S. 393; SCHNEIDER, a.a.O., S. 123 und 125).
Nach
Art. 3 Abs. 3 AsylG
werden Ehegatten von Flüchtlingen und ihre minderjährigen Kinder ebenfalls als Flüchtlinge anerkannt, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprechen. Solche Umstände liegen etwa vor, wenn ein Ehegatte am Erwerb des Flüchtlingsstatus gar nicht interessiert ist oder seit Jahren vom anderen Ehegatten getrennt lebt und sich um die Familie nicht gekümmert hat (ACHERMANN/HAUSAMMANN, a.a.O., S. 125 f.). Von solchen Ausnahmen abgesehen, ist im Asylrecht der Grundsatz der Familieneinheit verwirklicht. Danach soll den engsten Familienangehörigen der gleiche Rechtsstatus zukommen. Der Ehegatte eines Flüchtlings ist demgemäss auch in aufenthalts- und arbeitsrechtlicher Hinsicht einem Flüchtling gleichgestellt, ohne dass er selbst die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft erfüllen müsste (ACHERMANN/HAUSAMMANN, a.a.O., S. 123 f.; THÜRER, in: Die Rechtsstellung von Ausländern nach staatlichem Recht und Völkerrecht, Berlin 1987, Bd. 2 S. 1434 f., Hrsg. Frowein/Stein).
b) Im vorliegenden Fall sind keine besondern Umstände im Sinne von
Art. 3 Abs. 3 AsylG
ersichtlich, welche einer Asylgewährung entgegenstehen würden. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ebenfalls mit der Erteilung des Asylrechts rechnen könnte, sofern die Flüchtlingseigenschaft ihres Ehemannes tatsächlich anerkannt und ihm effektiv Asyl gewährt worden wäre. Unter dieser Voraussetzung könnte die Beschwerdeführerin mit einer Arbeitsbewilligung der kantonalen Fremdenpolizei rechnen, nachdem sie selbst als Flüchtling anerkannt worden ist und sofern sie einen Arbeitgeber findet, der bereit ist, sie zu den orts- und berufsüblichen Arbeitsbedingungen im Sinne von
Art. 9 BVO
anzustellen.
BGE 120 V 378 S. 385
Für die Beurteilung der Vermittlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin ist somit von ausschlaggebender Bedeutung, ob ihre Behauptung zutrifft, dass ihrem Ehemann bereits vor Eintritt ihrer Arbeitslosigkeit Asyl gewährt worden ist, und ob ihr in der Folge selbst das Recht auf Asyl zuerkannt wurde. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wäre die Vermittlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin unter dem Aspekt der Arbeitsberechtigung zu bejahen. Die Sache ist daher an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen, damit sie den rechtserheblichen Sachverhalt in diesen Punkten ergänzend abkläre, gegebenenfalls die weiteren Anspruchsvoraussetzungen (Art. 8 f. AVIG) prüfe und hierauf über den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung neu befinde.
c) Sollten die ergänzenden Abklärungen ergeben, dass der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung und darüber hinaus weiterhin der Status einer Asylbewerberin zukam, hätte die Kasse nähere Abklärungen im Sinne des in Erw. 3 Gesagten vorzunehmen und alsdann über die Vermittlungsfähigkeit und die Anspruchsberechtigung der Beschwerdeführerin neu zu entscheiden. | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
49d67c1a-58f6-4e11-ac4f-378f2051d3be | Urteilskopf
84 II 304
41. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Mai 1958 i.S. "Zürich" Allgemeine Unfall- und Haftpflicht-Versicherungs A.-G. gegen Ganahl. | Regeste
Haftung zwischen Haltern, Art. 39, 37 MFG.
Bewertung der Betriebsgefahr (Erw. 2).
Frage der Ersatzpflicht bei gleicher Betriebsgefahr, Schuldlosigkeit des Schädigers und leichtem Verschulden des Geschädigten (Erw. 3).
Verschulden; Anforderungen an Sorgfalt bei Passfahrt im Winter (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 304
BGE 84 II 304 S. 304
A.-
Am 25. Dezember 1953, ca. 15.15 Uhr, kam es auf der Julierstrasse zwischen Bivio und Marmorera zu einem Zusammenstoss zwischen den Personenwagen des Kaufmanns Otto Ganahl aus Bologna und des Prof. Placidus Plattner aus Riehen (BS).
Über den Unfallhergang ist den Akten folgendes zu entnehmen: Ganahl fuhr in Begleitung eines Mitfahrers von Bivio gegen Marmorera hinunter. Sein Personenwagen "Lancia-Appia" war weder mit Schneeketten, noch mit Winterpneus ausgerüstet; dagegen hatte er fast neue Sommerpneus. Beim Ausgang der ebenen Strecke von Stalveder, wo die Strasse (in der Fahrtrichtung Ganahls gesehen) eine leichte Linkskurve beschreibt, kam aus der Gegenrichtung Prof. Plattner mit seinem Personenwagen "Oldsmobile", in welchem sich auch die Ehefrau Plattners, seine drei Kinder im Alter von 11-16 Jahren und eine Hausangestellte befanden. Die Strasse, die an der betreffenden
BGE 84 II 304 S. 305
Stelle eine Breite von 5,6 m hat und mit einer 11/2 cm dicken, harten Schneeschicht bedeckt war, ist in einen steilen Hang eingebaut. Links (in der Fahrtrichtung Ganahls gesehen) befindet sich eine Stützmauer, rechts fällt der Hang in das eingeschnittene Tal der Julia ab. Das Querprofil der Strasse weist eine leichte Neigung gegen die Bergseite auf. Ganahl fuhr mit einer Geschwindigkeit von 30-40 km ungefähr in der Strassenmitte. Als er auf eine Entfernung von ca. 50 m den Wagen Plattners aus der Kurve auftauchen sah, bremste er und versuchte, seinen Wagen nach rechts zu steuern. Er kam jedoch ins Rutschen und geriet auf der nach links geneigten Strasse in die Fahrbahn des entgegenkommenden Wagens, der ebenfalls eine Geschwindigkeit von etwa 30-40 km hatte. Als Prof. Plattner sah, dass der andere Wagen gegen ihn zu rutschte, steuerte er seinen Wagen hart an den rechten Strassenrand, konnte aber nicht mehr verhüten, dass die beiden Fahrzeuge vorn links frontal zusammenprallten. Der Wagen Ganahls wurde etwas zurückgeschleudert und quer zur Strasse abgedreht. Der Wagen Plattners fuhr noch einige Meter weiter und kam dann am rechten Strassenrand zum Stehen. Durch den Zusammenstoss erlitt Ganahl einen Bruch des linken Unterschenkels, der einen bleibenden Nachteil zur Folge hatte. Im Wagen Prof. Plattners trugen mehrere der Mitfahrer leichtere Verletzungen davon. Beide Fahrzeuge wurden erheb11ch beschädigt.
B.-
Mit Klage vom 12. April 1955 forderte Ganahl von der "Zürich" Allgemeine Unfall- und Haftpflichtversicherungs-A.-G., bei der Prof. Plattner für seine Halterhaftpflicht versichert ist, Fr. 35'000.-- nebst 5% Zins seit 1. Juli 1954 als Schadenersatz und Genugtuung.
Zur Begründung machte er geltend, das Auto Plattners habe wegen seines bedeutend grösseren Gewichts die wesentliche Unfallursache gesetzt; zudem müsse Prof. Plattner ein Verschulden zur Last gelegt werden. Um alle Einreden der Gegenpartei zum voraus zu entkräften,
BGE 84 II 304 S. 306
mache der Kläger nicht seinen vollen Schaden, der rund Fr. 50'000.-- betrage, geltend, sondern nur Fr. 35'000.--.
Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage, da der Unfall auf das alleinige grobe Verschulden des Klägers zurückzuführen sei, während Prof. Plattner kein Verschulden treffe.
Widerklageweise forderte die Beklagte vom Kläger die Bezahlung von Fr. 4205. 70 nebst 5% Zins seit 4. Juli 1955 als Ersatz des Betrages, den sie nach den Vorschriften über die Deckung der von ausländischen Motorfahrzeugen verursachten Schäden für den Sachschaden am Wagen Prof. Plattners und den Körperschaden seiner verletzten Hausangestellten vergütet habe.
C.-
Das Zivilgericht von Basel-Stadt kam zum Schlusse, Prof. Plattner treffe am Unfall kein Verschulden, während dem Kläger ein zwar nicht sehr leichtes, aber doch nicht grobes Verschulden zur Last gelegt werden müsse. Es entschied daher gestützt auf Art. 39 MFG, dass der Kläger für seinen eigenen Sachschaden keinen Ersatzanspruch habe und der Beklagten den vollen Sachschaden Prof. Plattners ersetzen müsse. Hinsichtlich des Körperschadens rechtfertige es sich in Würdigung aller Umstände (Art. 37 MFG), den Kläger mit 3/4 und die Beklagte mit 1/4 des Schadens zu belasten. Demgemäss billigte das Gericht dem Kläger einen Anspruch auf Ersatz von einem Viertel seines Körperschadens, den es auf insgesamt Fr. 12'000.-- veranschlagte, d.h. auf Fr. 3000.-- zu; auf der andern Seite belastete es den Kläger mit Fr. 400.-- für ca. 3/4 der Entschädigung, welche die Beklagte für den Körperschaden der Hausangestellten Prof. Plattners ausgerichtet hatte, sowie mit dem an Prof. Plattner für seinen Schaden vergüteten Betrag von rund Fr. 3600.--. Auf Grund dieser Abrechnung kam das Gericht mit Urteil vom 21. Dezember 1956 zur Abweisung der Klage und Gutheissung der Widerklage für den Betrag von Fr. 1000.--.
D.-
Auf Berufung beider Parteien hin wies das Appellationsgericht
BGE 84 II 304 S. 307
Basel-Stadt mit Urteil vom 20. August 1957 Klage und Widerklage ab. Es pflichtete der ersten Instanz in der Beurteilung der Verschuldensfrage bei und nahm ebenfalls einen Ersatzanspruch des Klägers für einen Viertel seines Körperschadens an. Dagegen schätzte es diesen auf insgesamt Fr. 16'000.-- ein und kam so zu einem Anspruch des Klägers von Fr. 4000.--, der durch den ungefähr gleich hohen Gegenanspruch der Beklagten aufgewogen werde.
E.-
Gegen das Urteil des Appellationsgerichts erklärte die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht mit dem erneuten Antrag auf Abweisung der Klage und Gutheissung der Widerklage im Betrage von Fr. 4205.70 nebst 5% Zins seit 4. Juli 1955.
Der Kläger beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Kläger fordert Ersatz des Körper- und Sachschadens, der ihm aus dem Zusammenstoss seines Wagens mit dem von Prof. Plattner gesteuerten Auto erwachsen ist. Es liegt somit der Fall vor, den Art. 39 MFG im Auge hat. Nach dieser Vorschrift richtet sich im Verhältnis zwischen Haltern die Ersatzpflicht für Körperschaden nach dem MFG, während für Sachschaden das OR gilt. Die Verweisung auf das MFG ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dahin zu verstehen, dass die durch Art. 37 MFG getroffene Regelung der Haftpflicht Anwendung findet (
BGE 68 II 118
ff.,
BGE 76 II 230
,
BGE 78 II 461
,
BGE 82 II 538
).
2.
a) Danach haftet grundsätzlich - von der Frage des Verschuldens abgesehen - jeder Halter für den körperlichen Schaden, der durch den Betrieb seines Fahrzeuges dem andern Halter zugefügt worden ist. Da aber anderseits jeder Halter die seinem eigenen Fahrzeug innewohnende Betriebsgefahr für sich in Kauf zu nehmen hat, ist die beidseitige Ersatzpflicht nach der Grösse der beteiligten Betriebsgefahren abzustufen. Der Halter, auf dessen Fahrzeug
BGE 84 II 304 S. 308
die grössere Betriebsgefahr entfällt, hat auch einen entsprechend höheren Anteil am Schaden zu übernehmen; bei gleichwertigen Betriebsgefahren ergibt sich die hälftige Teilung des Schadens (
BGE 68 II 121
).
b) Die Vorinstanz hat im vorliegenden Fall angenommen, die beiden am Unfall beteiligten Fahrzeuge hätten eine ungefähr gleich grosse Betriebsgefahr aufgewiesen, auch wenn der Wagen Prof. Plattners etwas stärker und schwerer gewesen sei als derjenige des Klägers.
Der Kläger rügt in der Berufungsantwort diese Gleichsetzung der Betriebsgefahr. Er macht geltend, sein Wagen sei samt Insassen ca. 1000 kg schwer gewesen, derjenige von Prof. Plattner dagegen ca. 2100 kg und habe somit die grössere Betriebsgefahr in sich geschlossen.
c) Verschiedenheit der Betriebsgefahr liegt vor allem bei Fahrzeugen vor, die verschiedenen Kategorien angehören, wie z.B. bei einem schweren Lastwagen einerseits und einem Personenwagen anderseits; hier springt in die Augen, dass der schwere Lastwagen wegen der ihm eigenen Wucht eine ungleich grössere Betriebsgefahr verkörpern kann als der leichtere Personenwagen. Bei Fahrzeugen derselben Kategorie darf dagegen in der Regel von ungefähr gleichbedeutenden Betriebsgefahren ausgegangen werden (
BGE 68 II 121
). Wenn nicht Verhältnisse vorliegen, die es als offensichtlich erscheinen lassen, dass die Gefahren der beteiligten Personenwagen verschieden zu bewerten sind, darf daher ihre ungefähre Gleichwertigkeit angenommen werden. Der vom Kläger geltend gemachte Gewichtsunterschied ist nicht derart, dass er eine offensichtliche Verschiedenheit der Betriebsgefahren darzutun vermöchte, die beim Unfall eine Rolle spielte, und die daher bei der Aufteilung der Ersatzpflicht von vorneherein in Rechnung gestellt werden müsste. Andere Umstände, die für eine solche Verschiedenheit sprechen würden, sind nicht ersichtlich.
Im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der Betriebsgefahren ist somit zunächst davon auszugehen, dass der
BGE 84 II 304 S. 309
Kläger für die Hälfte seines Körperschadens selber aufzukommen hat, sofern im übrigen keinen der beiden beteiligten Halter ein kausales Verschulden am Unfall trifft.
3.
a) Hat neben den Betriebsgefahren noch ein schuldhaftes Verhalten nur des geschädigten Halters bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt, so hat das Bundesgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung (
BGE 68 II 122
) entschieden, dass grobes Verschulden des geschädigten Halters eine Mitberücksichtigung der beteiligten Betriebsgefahren ausschliesse, weil Art. 37 Abs. 2 Satz 1 MFG bei grobem Verschulden des Geschädigten den schuldlosen Schädiger von der Ersatzpflicht befreie. Bei bloss leichtem Verschulden des geschädigten Halters sei (in sinngemässer Anwendung von Art. 37 Abs. 2 Satz 2 MFG auf das Verhältnis zwischen Haltern) der Schaden in der Regel ebenfalls vom geschädigten Halter selber zu tragen, weil neben seinem Verschulden die von ihm zu vertretende Betriebsgefahr in Rechnung gestellt werden müsse. Eine Abweichung ergebe sich nur, wenn die vom schuldlosen Schädiger zu vertretende Betriebsgefahr diejenige des leichtschuldigen Geschädigten offensichtlich überwiege. Bei Verschulden beider Halter sei die Ersatzpflicht gemäss Art. 37 Abs. 3 MFG unter Würdigung aller Umstände zu bestimmen.
b) Nach diesen Grundsätzen hätte die Vorinstanz, da sie Schuldlosigkeit Prof. Plattners und leichtes Verschulden des Klägers angenommen hat, zur Verneinung eines Ersatzanspruches des Klägers kommen müssen.
Die Vorinstanz hat jedoch anders entschieden. Sie ist der Auffassung, eine feste Regel im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lasse sich aus dem Gesetz nicht ableiten; vielmehr müsse bei einseitigem leichtem Verschulden des geschädigten Halters die Ersatzpflicht gemäss Art. 37 Abs. 2 Satz 2 MFG unter Würdigung aller Umstände festgesetzt werden. Ziehe man in Betracht, dass nach der genannten Vorschrift auch ein nicht ganz leichtes Verschulden des geschädigten Nichthalters nur zu einer
BGE 84 II 304 S. 310
Herabsetzung der Ersatzpflicht des Schädigers führe, so könne ein entsprechendes Verschulden des geschädigten Halters, der auf Grund beidseitiger (blosser) Kausalhaftung vom Schädiger hälftigen Ersatz zu fordern hätte, nicht einfach die Berücksichtigung der vom Schädiger gesetzten Betriebsgefahr als adäquate Schadensursache verbieten. Eine völlige Befreiung sei auf jeden Fall nur dann am Platze, wenn das - im Sinne des Gesetzes leichte - Verschulden des Geschädigten immerhin als so erheblich zu bewerten sei, dass daneben die vom Schädiger zu vertretende Betriebsgefahr nicht mehr als adäquate Unfallursache erscheine; bei geringerem Gewicht des Selbstverschuldens werde dagegen stets eine - freilich stark reduzierte - Ersatzpflicht des schuldlosen Schädigers verbleiben.
c) Diese Kritik der Vorinstanz an der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung erweist sich indessen zur Hauptsache als unbegründet. Gewiss wird, rein logisch betrachtet, durch ein leichtes Verschulden des geschädigten Halters die durch das Fahrzeug des Schädigers gesetzte Betriebsgefahr nicht schlechthin ausgeschaltet. Es ist aber in Betracht zu ziehen, dass verantwortungsmässig ein Verschulden immer schwerer wiegt als eine blosse Betriebsgefahr. Einer schuldhaft gesetzten Schadensursache kommt im Gesamtzusammenhang des Kausalverlaufs regelmässig grössere Bedeutung zu als einer Betriebsgefahr; sie erscheint daher gewöhnlich als Hauptursache des Unfalls und steht daher als solche für die Beurteilung der Ersatzpflicht im Vordergrund. Die Erfahrung lehrt, dass trotz der Betriebsgefahr, die dem Fahrzeug des schuldlosen Schädigers innewohnt, ein Unfall ohne das schuldhafte Verhalten des geschädigten Halters, auch wenn dieses nicht geradezu als grobfahrlässig zu bewerten ist, überhaupt nicht eingetreten wäre oder doch mindestens weit weniger schwere Folgen gehabt hätte. Es wäre daher stossend, einen schuldlosen Halter wegen der von ihm gesetzten Betriebsgefahr auch nur teilweise ersatzpflichtig
BGE 84 II 304 S. 311
zu erklären gegenüber einem andern Halter, der eine ungefähr gleichwertige Betriebsgefahr zu vertreten hat wie der Schädiger, und darüber hinaus durch ein schuldhaftes Verhalten zur Entstehung des Schadens beigetragen hat. Am Grundsatz, dass der geschädigte Halter bei auch nur leichtem Verschulden den Schaden allein zu tragen habe, ist daher festzuhalten.
Richtig ist dann allerdings, dass die Voraussetzungen, unter denen sich ein Abweichen von dieser Regel rechtfertigt, in
BGE 68 II 122
zu eng gefasst sind und daher einer Ergänzung bedürfen. Dem geschädigten Halter ist ein herabgesetzter Ersatzanspruch nicht nur bei offensichtlichem Überwiegen der Betriebsgefahr auf Seiten des schuldlosen Schädigers zuzubilligen, sondern ausserdem auch dann, wenn das Verschulden des Geschädigten als ganz geringfügig erscheint und ihm daher im Rahmen des Kausalablaufs nur eine äusserst untergeordnete Bedeutung beigemessen werden kann. In einem solchen Falle wäre es in der Tat unbillig, den geschädigten Halter, der bei völliger Schuldlosigkeit Anspruch auf Ersatz der Hälfte seines Körperschadens erheben könnte, völlig leer ausgehen zu lassen. Von diesen beiden Ausnahmefällen abgesehen hat es aber bei der mit
BGE 68 II 122
begründeten Rechtsprechung zu bleiben.
4.
a) Eine gänzliche Abweisung der Klage fällt nach der Meinung des Klägers schon deswegen ausser Betracht, weil entgegen der Ansicht der Vorinstanzen auch dem Halter und Lenker des am Unfall mitbeteiligten Wagens ein Verschulden am Unfall zur Last gelegt werden müsse.
Diese Rüge ist unbegründet. Prof. Plattner kann weder hinsichtlich seiner Geschwindigkeit noch bezüglich seines sonstigen Verhaltens ein Vorwurf gemacht werden. Er hielt sich nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz auf jeden Fall vom Ansichtigwerden des Klägers an vorschriftsgemäss auf seiner rechten Strassenseite. Seine ohnehin geringe Geschwindigkeit von 30-40 km noch weiter herabzusetzen, hatte er zunächst keinen Anlass, da die
BGE 84 II 304 S. 312
Strassenbreite von 5,6 m ein gefahrrloses Kreuzen zweier Personenwagen an sich ohne weiteres zuliess. Dass der Kläger auf die linke Strassenseite geraten werde, konnte und musste Prof. Plattner nicht voraussehen. Als er sah, dass der Wagen des Klägers ins Rutschen geriet, war es gemäss verbindlicher Feststellung der Vorinstanz zu spät, durch sofortiges Anhalten den Zusammenstoss zu verhüten oder zu mildern. Indem er seinen Wagen hart an den rechten Strassenrand steuerte, hat Prof. Plattner alles getan, was er in der gegebenen Situation zur Vermeidung eines Zusammenstosses noch vorkehren konnte. Ein Verschulden Prof. Plattners ist daher mit den Vorinstanzen zu vernemen.
b) Dass den Kläger ein Verschulden trifft, stellt dieser in der Berufungsantwort mit Recht nicht mehr in Abrede. Da er talwärts und talseits fuhr, war für ihn auf der mit einer harten Schneeschicht bedeckten Strasse besondere Vorsicht geboten, zumal er mit den Schwierigkeiten einer winterlichen Passfahrt offenbar wenig vertraut war. Ob die Tatsache, dass er Ende Dezember ohne Schneeketten oder Winterpneus eine Fahrt unternahm, die ihn auf eine Höhe von gegen 2300 m führte, als Verschulden zu werten sei, wie die Beklagte geltend macht, mag dahingestellt bleiben; denn nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz war dieser Umstand für den Unfall nicht kausal, da die neuwertigen Sommerpneus des klägerischen Wagens genügende Sicherheit boten. Die von der Beklagten gegen diese Feststellung erhobenen Einwendungen sind als unzulässige Kritik an der vorinstanzlichen Tatbestandsermittlung nicht zu hören.
Zum Vorwurf muss dem Kläger dagegen gemacht wer den, dass er sich nicht genügend weit rechts hielt, obwohl er gegen eine Kurve zu fuhr, aus der jederzeit ein entgegenkommendes Fahrzeug auftauchen konnte. Als dieser Fall dann tatsächlich eintrat, reagierte der Kläger darauf in der Weise, dass er brüsk bremste. Das war, wie schon die Vorinstanzen zutreffend erklärt haben, angesichts der nach
BGE 84 II 304 S. 313
der Beschaffenheit der Fahrbahn offenkundigen Rutschgefahr fehlerhaft. Dass im allgemeinen sofortiges Bremsen beim Auftauchen einer Gefahr eine in fast allen Situationen richtige Reaktion des Fahrzeuglenkers darstellt, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Er hatte sich bei der Fahrt auf der schneebedeckten Strasse stets zu vergegenwärtigen, dass die üblicherweise normale und gebotene Reaktion sofortigen Bremsens unter den gegebenen Verhältnissen die Gefährlichkeit der durch das Auftauchen eines Hindernisses geschaffenen Situation nicht zu bannen vermöge, sondern sie gegenteils erhöhe.
c) Ob das Verschulden des Klägers als grob zu bewerten sei, wie die Beklagte behauptet, kann offen gelassen werden. Auf jeden Fall war es erheblich und stellte die Hauptursache des Unfalles dar. Das genügt gemäss den oben dargelegten Grundsätzen, den Kläger den eigenen Schaden allein tragen zu lassen. Seine Klage ist somit abzuweisen.
Damit erübrigt sich eine Prüfung der auch im Berufungsverfahren noch umstrittenen Frage nach der Höhe des vom Kläger erlittenen Schadens.
5.
Mit Rücksicht auf sein ausschliessliches Verschulden haftet der Kläger gemäss den nach Art. 39 MFG anwendbaren Grundsätzen von OR Art. 41 ff. für den vollen Sachschaden, den der Halter des am Unfall mitbeteiligten Wagens erlitten hat. Für eine Herabsetzung der Ersatzpflicht sind keine Gründe ersichtlich. Die Höhe dieses Schadens ist mit Fr. 3663.70 nicht bestritten. Diesen Betrag hat der Kläger der Beklagten, auf welche der Anspruch Prof. Plattners infolge der von ihr geleisteten Zahlung übergegangen ist, zu ersetzen.
Ebenso ist der Kläger gemäss Art. 37 Abs. 1 MFG haftbar für den Körperschaden, den die Hausangestellte Prof. Plattners als Insassin von dessen Auto erlitten hat. Die Beklagte hat daher auch für den hierfür geleisteten, unbestrittenen Betrag von Fr. 538.-- einen Rückgriffsanspruch auf den Kläger. Das führt zum Schutz der Widerklage im vollen Umfang.
BGE 84 II 304 S. 314
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Appellationsgerichts von Basel-Stadt vom 20. August 1957 aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen und der Kläger in Gutheissung der Widerklage verpflichtet, an die Beklagte Fr. 4205.70 nebst 5% Zins seit 4. Juli 1955 zu bezahlen. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49dd2493-b189-4488-b7e3-2e71a5fafd2d | Urteilskopf
110 Ib 166
28. Arrêt de la Ire Cour civile du 2 février 1984 dans la cause Banque hypothécaire du canton de Genève c. Commission fédérale des banques (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 3 Abs. 4 und
Art. 4 BankG
,
Art. 13 Abs. 3 BankV
. Rechtsstellung der Kantonalbanken, für deren Verbindlichkeiten der Kanton nicht haftet.
1. Soweit
Art. 13 Abs. 3 BankV
den Kantonalbanken, für deren Verbindlichkeiten der Kanton nicht haftet, die gleiche Rechtsstellung verleiht wie den übrigen Banken, hält er sich im Rahmen der Delegationsnorm von
Art. 4 Abs. 2 BankG
und verletzt das Prinzip der Rechtsgleichheit und Verhältnismässigkeit nicht (E. 2a-c).
2. Aus
Art. 31quater Abs. 2 BV
oder
Art. 3 Abs. 4 BankG
folgt nicht, dass die Kantonalbanken ungeachtet der Haftung des Kantons für ihre Verbindlichkeiten in jeder Hinsicht die gleiche Rechtsstellung haben müssen. Die unterschiedliche Regelung der Konkursvorrechte der Bankgläubiger (
Art. 15 Abs. 3 BankG
,
Art. 219 SchKG
) sprechen gegen eine solche allgemeine Regel (E. 2d). | Sachverhalt
ab Seite 167
BGE 110 Ib 166 S. 167
La Banque hypothécaire du canton de Genève (ci-après: BCG), instituée par l'
art. 177 Cst.
gen. du 24 mai 1847 (RS 131.234), est un établissement de droit public du droit genevois. Son capital est détenu par les communes genevoises; son conseil d'administration est nommé en partie par le canton et en partie par les communes. Elle ne jouit pas de la garantie de l'Etat.
En vertu de l'
art. 3 al. 4 LB
(RS 952.0), elle est considérée comme une banque dont l'activité n'est pas subordonnée à une autorisation de la Commission fédérale des banques (ci-après: CFB).
L'
art. 4 al. 2 LB
dans sa version adoptée le 11 mars 1971 autorise le Conseil fédéral à édicter des normes sur la proportion entre les fonds propres et les fonds étrangers; le Conseil fédéral a fait usage de cette délégation dans l'Ordonnance d'exécution de la loi fédérale sur les banques et les caisses d'épargne (OB, RS 952.02), dont l'art. 13 al. 3, dans sa teneur adoptée le 1er décembre 1980, prévoit: "Pour les banques cantonales dont les engagements sont garantis par le canton, la somme des fonds propres exigibles est diminuée de 5%."
La BCG a requis une décision de constatation de droit, selon laquelle elle pouvait invoquer en sa faveur ladite disposition.
Par décision du 1er septembre 1983, la CFB a constaté:
"L'article 13 alinéa 3 OB n'est pas applicable à la Banque hypothécaire du Canton de Genève."
La BCG forme un recours de droit administratif contre cette décision; elle conclut à son annulation et demande au Tribunal fédéral de "déclarer anticonstitutionnelles les dispositions de l'article 13 al. 3 OB en tant qu'elles créent une inégalité de traitement entre banques cantonales".
La CFB propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les conclusions du recours peuvent être interprétées raisonnablement en ce sens que la recourante demande au Tribunal fédéral de prononcer la décision en constatation de droit
BGE 110 Ib 166 S. 168
qui lui a été refusée par la CFB, l'inconstitutionnalité partielle de l'
art. 13 al. 3 OB
étant invoquée comme motif à l'appui de cette requête.
2.
L'argumentation de la BCG consiste, en bref, à soutenir que le Conseil fédéral aurait violé les droits de la recourante en introduisant à l'
art. 13 al. 3 OB
une distinction suivant que la banque cantonale jouit ou non d'une garantie de l'Etat. En d'autres termes, dans le texte de l'
art. 13 al. 3 OB
, les mots "dont les engagements sont garantis par le canton" seraient contraires à la constitution ou à la loi, et l'
art. 13 al. 3 OB
devrait s'appliquer sans cette restriction.
a) Figurant au chapitre II intitulé "Autorisation pour la banque d'exercer son activité", l'
art. 3 al. 4 LB
prescrit:
"Le présent article n'est pas applicable aux banques cantonales, c'est-à-dire aux banques créées en vertu d'un acte législatif cantonal et dont les engagements sont garantis par le canton, ni aux banques créées avant 1883 en vertu d'un acte législatif cantonal et qui sont administrées avec le concours des autorités cantonales alors même que leurs engagements ne sont pas garantis par le canton."
L'
art. 4 LB
figure au chapitre III intitulé "Fonds propres, liquidités et autres règles de gestion"; les al. 1 et 2 disposent:
"1. Les banques sont tenues de maintenir une proportion appropriée;
a) Entre le montant de leurs fonds propres et celui de l'ensemble de leurs engagements;
b) Entre leurs disponibilités et leurs actifs facilement mobilisables d'une part et leurs engagements à court terme d'autre part.
2. Le règlement d'exécution fixera les prescriptions à observer en des circonstances normales, en tenant compte du genre d'activité et de la nature des établissements; il définira les termes de "fonds propres", de "disponibilités", d'"actifs facilement réalisables" et d'"engagements à court terme"."
Se fondant sur l'
art. 4 al. 2 LB
, le Conseil fédéral a édicté notamment les art. 11 à 14 OB relatifs aux "Fonds propres"; dans sa version adoptée le 1er décembre 1980, l'
art. 13 al. 3 OB
prévoit:
"Pour les banques cantonales dont les engagements sont garantis par le canton, la somme des fonds propres exigibles est diminuée de cinq pour cent."
b) Le Tribunal fédéral ne peut revoir la constitutionnalité des lois fédérales (art. 113 al. 3 et 114bis al. 3) et des normes de délégation qu'elles contiennent. En procédant au contrôle de la constitutionnalité et de la légalité d'une ordonnance du Conseil
BGE 110 Ib 166 S. 169
fédéral, il ne peut qu'examiner si celui-ci est resté dans le cadre de la délégation légale et contrôle dans cette mesure l'application du principe de la séparation des pouvoirs, d'égalité et de proportionnalité (
ATF 108 Ib 81
, 107 Ib 207,
ATF 104 Ib 412
); lorsque la norme de délégation accorde un large pouvoir d'appréciation au Conseil fédéral, le Tribunal fédéral doit le respecter et se borner à examiner si l'ordonnance litigieuse sort clairement du cadre des compétences que la loi accorde au Conseil fédéral ou si, pour d'autres motifs, elle est contraire à la constitution ou à la loi. Ce faisant, il doit veiller à ne pas substituer sa propre appréciation à celle du Conseil fédéral (
ATF 104 Ib 412
,
ATF 108 V 113
).
c) Avec raison, la recourante ne conteste pas que l'
art. 4 al. 2 LB
soit une base légale suffisante pour les dispositions réglementaires concernant les fonds propres; les règles qui s'y rapportent sont destinées à protéger les créanciers et la voie réglementaire a paru un moyen adéquat pour adapter les exigences concernant les fonds propres aux différents types de banques, compte tenu des risques auxquels elles sont exposées (cf.
ATF 108 Ib 78
ss avec renvois).
Or, il paraît évident que les risques courus par les créanciers d'une banque cantonale ne sont pas les mêmes, suivant que ses engagements sont ou non garantis par l'Etat. En cas d'insolvabilité de la banque, le créancier pourrait compter sur la garantie de l'Etat; en revanche, lorsque le canton n'est point garant, le créancier court les mêmes risques qu'auprès d'une autre banque. C'est aussi la raison pour laquelle le législateur a accordé un privilège dans la faillite aux créanciers des banques cantonales ne jouissant pas d'une garantie du canton (
art. 15 al. 3 LB
, 219 LP, 3e et 4e classes), distinguant à cet égard les deux types de banques cantonales. Aussi, du point de vue déterminant de la protection des créanciers, l'assouplissement accordé aux banques cantonales par l'
art. 13 al. 3 OB
ne se justifie qu'en faveur de celles dont les engagements sont garantis par l'Etat.
Le statut distinct accordé à ces deux types de banques ne viole point le principe d'égalité consacré par l'
art. 4 Cst.
, puisque la différence de réglementation est commandée par la différence de situation (
ATF 106 Ib 188
et arrêts cités). En tant qu'elle soumet les banques cantonales non garanties au même statut que les autres banques, la règle se trouve aussi dans un rapport raisonnable avec le but visé (
ATF 108 Ib 81
;
ATF 108 V 113
,
ATF 104 Ib 412
).
BGE 110 Ib 166 S. 170
A cet égard, l'
art. 13 al. 3 OB
n'excède donc point la norme de délégation et il ne viole ni le principe d'égalité, ni celui de proportionnalité.
d) Il ne pourrait être illégal que si la loi consacrait un principe selon lequel les banques cantonales doivent être en tout point soumises au même statut, que leurs engagements soient ou non garantis par le canton.
C'est ce qu'affirme la recourante en se référant à l'
art. 3 al. 4 LB
. Elle soutient en substance que l'assimilation, prévue par cette disposition, des "banques créées avant 1883 en vertu d'un acte législatif cantonal et qui sont administrées avec le concours des autorités cantonales alors même que leurs engagements ne sont pas garantis par le canton" aux "banques cantonales" proprement dites - définies comme des "banques créées en vertu d'un acte législatif cantonal et dont les engagements sont garantis par le canton" - aurait une portée générale et s'étendrait à tout le champ d'application de la loi sur les banques et les caisses d'épargne. Elle invoque à ce sujet l'
art. 31quater al. 2 Cst.
, accepté en votation populaire le 6 juillet 1947, aux termes duquel la législation sur les banques "devra tenir compte du rôle et de la situation particulière des banques cantonales".
Dans sa réponse au recours, la CFB prétend que l'assimilation prévue à l'
art. 3 al. 4 LB
aurait une portée limitée à cette seule disposition; toutefois, dans la décision attaquée, elle considère au contraire que cette assimilation est aussi valable dans les autres cas où la loi prévoit une dérogation en faveur des banques cantonales (art. 5 al. 2, 18 al. 2 et 38 al. 1 LB), à l'exception de l'
art. 15 al. 3 LB
qui opère une distinction s'agissant du privilège accordé au créancier en cas de faillite de la banque. Toutefois, dès lors que l'
art. 4 LB
relatif aux fonds propres ne prévoit pas de telle dérogation, la CFB estime que le Conseil fédéral avait la faculté de distinguer suivant que les banques créées par la loi cantonale jouissent ou non d'une garantie. La doctrine considère aussi que l'assimilation s'étend également aux autres cas où la loi traite des banques cantonales (BODMER/KLEINER/LUTZ, n. 16 ad art. 1er et n. 43-46, spéc. 44 ad art. 3-3ter; FUCHS, Die Rechtsnatur der Kantonalbanken, p. 7; REIMANN, Kommentar, n. 8 ad art. 3; BRÜHLMANN, Kommentar, n. 6 ad art. 3; NOBEL, Praxis zum öffentlichen und privaten Bankrecht der Schweiz, p. 255; BODMER/KLEINER/LUTZ, n. 15 ad art. 4 ne mettent pas en cause la validité du nouvel
art. 13 al. 2 OB
). On peut en inférer que, dans
BGE 110 Ib 166 S. 171
la pratique également, les art. 5 al. 2, 18 al. 2 et 38 al. 1 LB ont été compris dans ce sens.
On ne saurait cependant en déduire l'existence d'un principe constitutionnel ou légal selon lequel, même en dehors des cas susmentionnés, les banques assimilées aux banques cantonales stricto sensu devraient toujours être régies par les mêmes règles que celles-ci. La réglementation différenciée des privilèges des créanciers en cas de faillite de la banque (
art. 15 al. 3 LB
, 219 LP), qui vise à sauvegarder les intérêts des créanciers, dément l'existence d'une telle règle générale, du moins en tant qu'elle ne serait point susceptible de connaître une exception. L'
art. 31quater Cst.
a été adopté postérieurement à la loi sur les banques et les caisses d'épargne; les solutions consacrées par celle-ci étaient alors connues et ne devaient pas être modifiées par l'adoption de l'
art. 31quater Cst.
(SCHÜRMANN, Der Bankenartikel der Bundesverfassung, WuR 1958 p. 69 ss, spéc. p. 85). Pour les mêmes motifs, la notion de "banques cantonales" selon l'
art. 31quater al. 2 Cst.
devrait s'entendre au sens large (SCHÜRMANN, op.cit., p. 85). De toute manière, on ne saurait en inférer le principe absolu postulé par la recourante; cette disposition constitutionnelle n'accorde point de privilège aux banques cantonales (cf. SCHÜRMANN, eodem loco; NOBEL, op.cit., p. 247). Si elle oblige le législateur à tenir compte de leur "situation particulière", elle ne l'empêche point de distinguer au besoin en fonction des particularités des différents types de banques cantonales. L'interprétation proposée par la recourante apparaît d'autant moins acceptable qu'elle conduirait à imposer une solution allant à l'encontre de l'intérêt des créanciers, lequel - ainsi qu'on l'a vu - conduit à assimiler les banques cantonales non garanties aux banques ordinaires quant à l'exigence de fonds propres; or, la loi sur les banques et les caisses d'épargne et notamment l'
art. 4 LB
relatif aux fonds propres tendent précisément à protéger au premier chef les créanciers (
ATF 108 Ib 81
et les arrêts cités).
Comme le relève l'autorité intimée dans sa décision, l'interprétation a contrario de l'
art. 4 LB
conduit au même résultat; à l'inverse de ce qui y est prévu pour les banquiers privés, la loi n'y prévoit aucune dérogation en faveur des banques cantonales, ce qui autorisait le Conseil fédéral à adopter la solution choisie à l'
art. 13 al. 3 OB
.
Les publications auxquelles la recourante se réfère ne sauraient étayer une opinion contraire. Se prononçant sur l'application de
BGE 110 Ib 166 S. 172
l'
art. 3 LB
et de la définition qui y est donnée des banques cantonales, ni le Conseil fédéral dans son message du 13 mai 1970 (FF 1970 I p. 1181) ni les commentateurs ROSSY ET REIMANN n'évoquent, à propos de l'
art. 3 LB
, un principe d'assimilation applicable dans tous les domaines.
L'
art. 13 al. 3 OB
n'étant pas contraire à la constitution et à la loi, le recours doit être rejeté. | public_law | nan | fr | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
49dfd4f4-357d-4178-8ef8-724801929cda | Urteilskopf
106 V 147
35. Urteil vom 11. September 1980 i.S. Schmid gegen Ausgleichskasse der Aargauischen Industrie- und Handelskammer und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Art. 25 Abs. 2 Satz 2 AHVG
. Anspruch auf Waisenrente während der Ausbildung:
- Voraussetzung einer ausbildungsbedingten Einkommenseinbusse von mehr als 25%: massgebende Vergleichseinkommen (Erw. 2).
- Unerheblich ist, ob die Waise während der Ausbildung ein Einkommen erzielt, mit welchem sie den Lebensunterhalt zu bestreiten vermag (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 148
BGE 106 V 147 S. 148
A.-
Margareta Schmid, Witwe des am 6. Juni 1974 verstorbenen Karl Schmid, bezog ab 1. Juli 1974 eine Witwenrente sowie Waisenrenten für ihre Söhne Daniel und Peter Jürg. Daniel Schmid, geboren 1957, schloss im Oktober 1978 das Wirtschaftsgymnasium der Kantonsschule Zürich mit der Maturität ab, worauf die Ausgleichskasse die Ausrichtung seiner Waisenrente auf den 31. Oktober 1978 einstellte.
Am 20. Dezember 1978 teilte Margareta Schmid der Ausgleichskasse mit, dass ihr Sohn Daniel ab 1. Januar 1979 als "Allround-Praktikant" bei der Schweizerischen Bankgesellschaft angestellt sei. Der Mitteilung legte sie eine Bestätigung der Arbeitgeberin bei, wonach die Ausbildung 18 Monate dauert und das Jahressalär Fr. 22'750.-- beträgt. Auf Anfrage der Ausgleichskasse bezifferte die Bankgesellschaft den Anfangslohn eines gleichwertig ausgebildeten Angestellten auf rund Fr. 27'000.-- im Jahr.
Mit Verfügung vom 10. Januar 1979 lehnte die Ausgleichskasse das Begehren um Weiterausrichtung der Waisenrente ab mit der Begründung, dass das Arbeitsentgelt nicht um mehr als ein Viertel unter den ortsüblichen Anfangslöhnen der entsprechenden Branche liege, weshalb die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt seien.
B.-
Beschwerdeweise machte Daniel Schmid geltend, die Schweizerische Bankgesellschaft habe der Ausgleichskasse versehentlich das Einkommen angegeben, das er erzielen würde, wenn er heute ohne bankfachliche Ausbildung zu arbeiten begänne. Gleichzeitig reichte er ein Schreiben der Bankgesellschaft ein, worin bestätigt wird, dass er im Anschluss an seine Ausbildung mit einem Jahresgehalt von Fr. 31'000.-- bis Fr. 32'000.-- rechnen kann.
Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich wies die Beschwerde im wesentlichen mit der Begründung ab, dass beim Einkommensvergleich vom üblichen Anfangslohn und nicht von dem im Anschluss an die Ausbildung zu erwartenden Lohn ausgegangen werden müsse. Demzufolge mache die Lohndifferenz
BGE 106 V 147 S. 149
weniger als ein Viertel aus, weshalb praxisgemäss kein Anspruch auf Waisenrente bestehe (Entscheid vom 11. Mai 1979).
C.-
Daniel Schmid lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit dem Antrag, die Ausgleichskasse sei zu verpflichten, ihm vom 1. November 1978 bis zum 30. Juni 1980 eine Waisenrente auszurichten. Das von der Bankgesellschaft zunächst genannte Salär entspreche der Entlöhnung eines schulentlassenen, beruflich nicht ausgebildeten Maturanden. ohne Zusicherung einer weiteren, von der Arbeitgeberin zu gewährenden Berufsausbildung. Massgebend für die Beurteilung des Anspruchs auf die Waisenrente sei indessen der ortsübliche Anfangslohn eines voll ausgebildeten Erwerbstätigen, somit der von der Arbeitgeberin für die Zeit nach Abschluss des Praktikums in Aussicht gestellte Lohn von Fr. 31'000.-- bis Fr. 32'000.-- im Jahr.
Während sich die Ausgleichskasse eines Antrages enthält, schliesst das Bundesamt für Sozialversicherung auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Es vertritt die Auffassung, dass der Rentenansprecher im Rahmen der Ausnahmebestimmung, wonach Waisenrenten über das 18. Altersjahr hinaus ausgerichtet werden könnten, nur dann als in Ausbildung begriffen erachtet werden könne, wenn er nicht in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selber zu bestreiten...
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Anspruch auf Waisenrente erlischt mit Ablauf des Monats, in welchem der Anspruchsberechtigte das 18. Altersjahr vollendet. Ist die Waise noch in Ausbildung begriffen, so dauert der Anspruch bis zum Abschluss der Ausbildung, längstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr (
Art. 25 Abs. 2 AHVG
).
Als in Ausbildung begriffen gelten Waisen, die während einer bestimmten Zeit Schulen oder Kurse besuchen oder der beruflichen Ausbildung obliegen. Unter beruflicher Ausbildung ist jede Tätigkeit zu verstehen, welche die systematische Vorbereitung auf eine künftige Erwerbstätigkeit zum Ziel hat und während welcher die Waise mit Rücksicht auf den vorherrschenden Ausbildungscharakter ein wesentlich geringeres Erwerbseinkommen erzielt, als ein Erwerbstätiger mit abgeschlossener Berufsbildung
BGE 106 V 147 S. 150
orts- und branchenüblich erzielen würde. Das Arbeitsentgelt gilt dann als wesentlich geringer als dasjenige eines Vollausgebildeten, wenn es nach Abzug der besonderen Ausbildungskosten um mehr als 25% unter dem ortsüblichen Anfangslohn für voll ausgebildete Erwerbstätige der entsprechenden Branche liegt (
BGE 104 V 67
mit Hinweisen).
2.
a) Der Bestätigung der Schweizerischen Bankgesellschaft vom 14. Dezember 1978 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer als "Allround-Praktikant" angestellt ist und in Form einer 18 Monate dauernden Ausbildung in die verschiedenen Abteilungen der Bank eingeführt wird. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz kann im Hinblick darauf, dass er in der vorangegangenen Zeit das Gymnasium besucht hat, davon ausgegangen werden, dass das Bankpraktikum die systematische Vorbereitung auf die künftige Erwerbstätigkeit zum Ziele hat und der Ausbildungscharakter der Anstellung im Vordergrund steht. Zu prüfen bleibt, ob das Erwerbseinkommen zufolge des vorherrschenden Ausbildungscharakters um mehr als 25% unter dem Einkommen liegt, wie es ein Erwerbstätiger mit abgeschlossener Berufsbildung der gleichen Art orts- und branchenüblich erzielen würde.
b) Der Beschwerdeführer bezieht während der Ausbildung ein Jahressalär von Fr. 22'750.--. Demgegenüber beträgt nach den Angaben der Arbeitgeberin der "Anfangslohn eines gleichwertig ausgebildeten Angestellten" rund Fr. 27'000.-- und der Lohn im Anschluss an die vom Beschwerdeführer gewählte Ausbildung Fr. 31'000.-- bis Fr. 32'000.-- im Jahr. Die Vorinstanz erachtet den Betrag von Fr. 27'000.-- als massgebend mit der Begründung, dass auf den Anfangslohn eines gleichwertig ausgebildeten Angestellten und nicht auf den Lohn abzustellen sei, welchen der Beschwerdeführer im Anschluss an seine Ausbildung beziehen werde. Sie geht dabei von einer unzutreffenden tatsächlichen Annahme aus, denn die erste Bestätigung der Arbeitgeberin ist richtigerweise so zu verstehen, dass es sich beim angegebenen Lohn um denjenigen eines beruflich nicht ausgebildeten Maturanden bei sofortiger Arbeitsaufnahme handelt. Entscheidend ist indessen der Anfangslohn eines Erwerbstätigen mit abgeschlossener gleichwertiger Berufsausbildung, somit das Einkommen, welches der Beschwerdeführer als beruflich Vollausgebildeter erzielen würde. Dabei ist im Sinne der vorinstanzlichen Erwägungen nicht auf das Erwerbseinkommen
BGE 106 V 147 S. 151
abzustellen, welches der Beschwerdeführer nach Abschluss der Ausbildung voraussichtlich erzielen wird, sondern auf das Einkommen, welches er heute als Vollausgebildeter orts- und branchenüblich erzielen würde. Bei dem von der Arbeitgeberin angegebenen Einkommen von Fr. 31'000.-- bis Fr. 32'000.-- scheint es sich um das Einkommen zu handeln, welches der Beschwerdeführer nach Abschluss der Ausbildung voraussichtlich erzielen wird. Im Hinblick auf die Ausbildungsdauer von lediglich 1 1/2 Jahren und die weitgehend stabilen Lohnverhältnisse im massgebenden Zeitraum ist indessen anzunehmen, dass sich der heutige Anfangslohn bei abgeschlossener Ausbildung der gleichen Art hievon nur unwesentlich unterscheidet. Damit steht fest, dass das effektive Einkommen um mehr als 25% unter dem massgebenden Anfangslohn bei abgeschlossener Ausbildung liegt.
3.
a) Das Bundesamt für Sozialversicherung vertritt die Auffassung, der Waisenrentenanspruch habe schon deshalb zu entfallen, weil der Beschwerdeführer während der Ausbildung einen Lohn beziehe, welcher den vollen Lebensunterhalt decke. Es geht davon aus, dass nach
Art. 276 Abs. 3 ZGB
die Eltern von der Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind in dem Masse befreit sind, als dem Kind zugemutet werden kann, den Unterhalt aus seinem Erwerb oder aus andern Mitteln zu bestreiten. Bei der Auslegung der Bestimmung, wonach Waisenrenten über das 18. Altersjahr hinaus an Kinder in Ausbildung ausgerichtet werden könnten, dürfe aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Zweck der Renten darin bestehe, den ausfallenden Elternunterhalt zu ersetzen. Waisenrenten könnten daher nicht unabhängig davon ausgerichtet werden, ob die Waise mit dem während der Ausbildung erzielten Lohn für sich aufkommen könne oder nicht.
b) Dem Bundesamt für Sozialversicherung ist darin beizupflichten, dass die Waisenrente einen zumindest teilweisen Ausgleich für entgangenen Unterhalt bezweckt und dass die zivilrechtlichen Regeln über die Unterhaltspflicht nicht unbeachtet bleiben können (EVGE 1966 S. 91; vgl. auch
BGE 97 V 178
sowie ZAK 1975 S. 523). Dies bedeutet indessen nicht, dass der Rentenanspruch davon abhängig zu machen wäre, dass im Einzelfall tatsächlich eine Unterhaltspflicht bestanden hat. Das Bundesamt räumt denn auch ein, dass es nach der gesetzlichen Regelung unerheblich ist, ob die Waisenrente für das noch
BGE 106 V 147 S. 152
nicht 18jährige Kind den Elternunterhalt ersetzt oder nicht. Etwas anderes sieht das Gesetz für die in Ausbildung stehenden Waisen nach vollendetem 18. Altersjahr nicht vor. Der Gesetzgeber hat auch anlässlich der Gesetzesnovelle vom 19. Dezember 1963 (6. AHV-Revision), mit welcher die Altersgrenze für den Rentenanspruch vom vollendeten 20. auf das vollendete 25. Altersjahr heraufgesetzt wurde, davon abgesehen, den Anspruch mit der Voraussetzung zu verbinden, dass die elterliche Unterhaltspflicht bei Eintreten des Versicherungsfalles weiterbesteht. Für den Anspruch auf Waisenrente ist demnach unerheblich, ob der Rentenansprecher ein Arbeitsentgelt bezieht, welches die Eltern von der Unterhaltspflicht teilweise oder ganz befreit. In diesem Sinne hat das Eidg. Versicherungsgericht bereits im Urteil vom 2. November 1959 i.S. Bregenzer (EVGE 1959 S. 248) entschieden. Es stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass es nicht darauf ankommen könne, ob das Arbeitsentgelt den Lebensunterhalt des Rentenberechtigten zu decken vermöge, da Studierende und Werktätige, die für sich selber sorgten, versicherungsrechtlich nicht schlechter gestellt werden dürften als andere Versicherte, die - etwa weil sie über eigenes Vermögen verfügen oder von Verwandten unterhalten werden - während der Dauer der Ausbildung nicht auf erwerblichen Verdienst angewiesen seien. An diesen in EVGE 1960 S. 112 bestätigten Überlegungen haben weder die auf den 1. Januar 1964 in Kraft getretene neue Fassung von
Art. 25 Abs. 2 Satz 2 AHVG
noch die Neuregelung der elterlichen Unterhaltspflicht gemäss der auf den 1. Januar 1978 in Kraft getretenen Novelle zum Zivilgesetzbuch etwas geändert. Dass die Eltern von der Unterhaltspflicht befreit sind, soweit dem Kind zugemutet werden kann, den Unterhalt aus seinem Erwerb oder aus andern Mitteln zu bestreiten, galt praxisgemäss schon vor Inkrafttreten des neuen
Art. 276 Abs. 3 ZGB
(vgl.
BGE 54 II 342
,
BGE 71 IV 203
/204). Unerheblich ist dabei, ob das Kind das 18. Altersjahr zurückgelegt hat oder nicht, weshalb sich auch unter diesem Gesichtspunkt keine unterschiedliche Beurteilung des Rentenanspruchs rechtfertigen lässt.
c) Dem Einwand des Bundesamtes für Sozialversicherung, wonach die geltende Praxis zu unbefriedigenden und stossenden Ergebnissen führe, indem die Rente auch Waisen ausgerichtet werden müsse, die über ein hohes, den Lebensunterhalt ohne weiteres deckendes Einkommen verfügten, ist entgegenzuhalten,
BGE 106 V 147 S. 153
dass die ordentlichen Renten der AHV durchwegs ohne Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse des Rentenbezügers gewährt werden. Dass im Einzelfall kein wirtschaftliches Bedürfnis nach der Rente besteht, vermag daher eine gegenüber der bisherigen Praxis einschränkende Auslegung der Gesetzesbestimmung nicht zu begründen. Es ist Sache des Gesetzgebers, eine andere Regelung zu treffen, falls dies aus sozialpolitischen Gründen als notwendig erachtet werden sollte.
4.
Nach dem Gesagten steht der Umstand, dass der Beschwerdeführer während der Ausbildung ein Erwerbseinkommen erzielt, mit welchem er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, dem Bezug der Waisenrente nicht entgegen. Da er eine ausbildungsbedingte Einkommenseinbusse von mehr als 25% erleidet und auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, steht ihm grundsätzlich eine Rente zu. Diese ist von der Ausgleichskasse verfügungsweise festzusetzen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der vorinstanzliche Entscheid und die Kassenverfügung vom 10. Januar 1979 aufgehoben und es wird die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen, damit sie über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Waisenrente im Sinne der Erwägungen neu verfüge. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
49dfe788-b9fc-4df7-aefc-c9ffb50c0b73 | Urteilskopf
105 II 268
44. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. November 1979 i.S. S. gegen B. (Berufung) | Regeste
Einrede der abgeurteilten Sache.
1. Diese Einrede darf dem Kläger nicht entgegengehalten werden, wenn er im ersten Prozess nicht berechtigt war, die Sicherheit für eingetretene Verluste zu beanspruchen, im zweiten diese Voraussetzung aber erfüllt, weil er sich die streitigen Forderungen inzwischen zedieren liess.
2. In der Zession ist diesfalls kein blosser Revisionsgrund, sondern eine Änderung des Klagegrundes zu erblicken. | Sachverhalt
ab Seite 268
BGE 105 II 268 S. 268
A.-
B. wurde 1971 für Kompetenzüberschreitungen, die er als Verwalter einer Bank AG bei der Kreditgewährung begangen hatte, verantwortlich gemacht; die Kontrollstelle fand insbesondere, dass die internen Rückstellungen für gefährdete Kundenguthaben um rund Fr. 300'000.- zu niedrig seien. Als Hauptaktionär stellte S. der Bank AG eine Bankgarantie des Schweizerischen Bankvereins über Fr. 300'000.- aus. B. seinerseits
BGE 105 II 268 S. 269
übergab der Bank AG bereits am 5. Juni 1970 einen Wechsel mit den Klauseln, dass er bei Sicht "gegen diesen Eigenwechsel an die Order... die Summe von" Fr. 270'000.- zahlen werde und dass der "Wert zur Deckung finanzieller Ausfälle der Bank" bestimmt sei. Die Orderklausel wurde später durch den Namen und den Wohnort des S. ergänzt. In einem Begleitschreiben vom gleichen Tage bestätigte B., dass der Wechsel als Sicherheit zugunsten der Bank AG oder des S. zu betrachten sei, falls auf gefährdeten Bankguthaben Verluste eintreten sollten und S. dafür aufkommen werde.
Am 22. Juni 1971 trat die Bank AG Kundenguthaben von Fr. 965'000.- sowie Kassenobligationen an S. ab, während dieser ihr eine Inhaberobligation über Fr. 1'000'000.- aushändigte, die durch eine Grundpfandverschreibung der Baugenossenschaft Z. sichergestellt war. Am folgenden Tag zedierte S. die Kundenguthaben, zu denen auch Forderungen gegen die Satex AG und Adami AG gehörten, an die Baugenossenschaft. Die Bank AG trat ihren Kunden gegenüber weiterhin als Gläubigerin auf. Als die Satex AG und die Adami AG 1972/73 in Konkurs fielen, wurden ihr Verlustscheine von über Fr. 340'000.- ausgestellt.
B.-
Da B. sich weigerte, den Wechsel einzulösen, klagte S. im September 1973 gegen ihn auf Zahlung von Fr. 270'000.- nebst Zins. Das Amtsgericht Luzern-Land und auf Appellation hin am 26. Februar 1975 auch das Obergericht des Kantons Luzern wiesen die Klage ab, weil der Kläger die durch den Wechsel sichergestellten Guthaben an die Baugenossenschaft Z. abgetreten habe. Auf Berufung des Klägers entschied das Bundesgericht am 26. November 1975 im gleichen Sinne.
S. liess sich daraufhin die Verlustscheinforderungen gegen die Satex AG und die Adami AG von der Baugenossenschaft zurückzedieren.
Im September 1976 belangte er B. erneut für die Wechselsumme samt Zins. Amtsgericht und Obergericht wiesen die Klage wiederum ab. Das Obergericht verneinte in seinem Urteil vom 8. November 1978, dass die Forderung verjährt sei; es hielt die Einrede der abgeurteilten Sache aber für begründet.
Auf Berufung des Klägers hat das Bundesgericht dieses Urteil des Obergerichts am 20. November 1979 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
BGE 105 II 268 S. 270
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Obergericht geht zutreffend davon aus, dass nach Bundesrecht ein früheres Urteil einer neuen Klage nur entgegensteht, wenn die Parteien des Vorprozesses dem Richter den gleichen Anspruch aus gleichem Entstehungsgrund erneut zur Beurteilung unterbreiten. Es anerkennt ferner, dass die Identität der Ansprüche zu verneinen ist, wenn zwar aus dem gleichen Rechtsgrund wie im Vorprozess geklagt wird, aber neue erhebliche Tatsachen geltend gemacht werden, die seitdem eingetreten sind und den Anspruch in der nunmehr eingeklagten Form erst entstehen liessen; denn diesfalls stützt sich die neue Klage auf rechtsbegründende oder rechtsverändernde Tatsachen, die im früheren Prozess nicht zu beurteilen waren. Diese Auffassung entspricht nicht nur der Rechtsprechung (
BGE 97 II 396
/7 mit Hinweisen), sondern auch der herrschenden Lehre (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 3. Aufl. S. 377/8; KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweiz. Recht, S. 130/31; STRÄULI/MESSMER, N. 7 zu § 191 zürch. ZPO).
Der Kläger ist grundsätzlich nicht anderer Meinung. Er erblickt aber darin, dass er nach Abschluss des Vorprozesses die Verlustforderungen der Bank gegen die Satex AG und die Adami AG sich zurückzedieren liess, eine entscheidende Änderung des Klagegrundes, weil er nun wieder selber aus den Forderungen berechtigt sei. Er wirft dem Obergericht vor, die Bedeutung dieser Tatsache verkannt zu haben.
a) Was in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Gegenstand des Vorprozesses gewesen ist, ergibt sich aus dem Urteil des Bundesgerichts vom 26. November 1975 und dem vom Obergericht festgestellten Sachverhalt, der diesem Urteil zugrunde liegt. Danach war der vom Beklagten am 5. Juni 1970 ausgestellte Wechsel ausschliesslich zur Sicherung von Verlusten bestimmt, welche gemäss Schreiben des B. vom gleichen Tage auf näher angeführten Krediten der Bank AG zu entstehen drohten. Das eine wie das andere war dem Kläger als Wechselnehmer bekannt. Fest stand ferner, dass die Bank im Konkurs der Satex AG und der Adami AG tatsächlich solche Verluste von insgesamt Fr. 340'000.- erlitten hatte. Das Obergericht hat damals die Klage gleichwohl abgewiesen, weil der Kläger die ihm von der Bank zedierten Guthaben umgehend an
BGE 105 II 268 S. 271
die Baugenossenschaft Z. abgetreten habe, welche deshalb allein berechtigt sei, die Sicherheit für die eingetretenen Verluste zu beanspruchen.
Vor Bundesgericht versuchte der Kläger darzutun, dass er in Wirklichkeit Gläubiger der Bankguthaben geblieben sei. Was er zur Begründung seiner Auffassung vorbrachte, erwies sich jedoch als unzutreffend. Nach dem, was in tatsächlicher Hinsicht feststand, gehörten die Verlustscheinforderungen der Baugenossenschaft, von welcher der Kläger sie nur durch schriftliche Rückzession wieder hätte erwerben können. Eine solche Zession hatte der Kläger nach der Feststellung des Obergerichts im Vorprozess jedoch weder behauptet noch bewiesen.
b) Im zweiten Prozess bezeichnete der Kläger die von ihm inzwischen beigebrachten Rückzessionen als neue Beweise im Sinne von
§ 266 ZPO
, was vom Obergericht dahin ausgelegt wurde, es werde lediglich ein Revisionsgrund geltend gemacht. Diese Auslegung geht schon deshalb fehl, weil eine nach Abschluss des Vorprozesses eingetretene Tatsache sich nicht als Revisionsgrund ausgeben lässt (vgl.
BGE 86 II 386
und dort angeführte Urteile). Das Obergericht hat sich mit den neuen Beweisen denn auch auseinandergesetzt, sie insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Rechtskraftwirkung untersucht. Es hält die Rückzessionen aber für unerheblich, weil die gleiche Wechselforderung wie im Vorprozess geltend gemacht werde und diese sowie allenfalls die Forderung aus dem Grundverhältnis nicht identisch seien mit den rückzedierten Verlustscheinforderungen; die beiden ersten hätten entgegen dem Eindruck, den das Urteil des Vorprozesses erweckt haben möge, unabhängig vom Eigentum an den letzteren bestanden. Die neuen Tatsachen seien weder rechtsbegründend noch rechtsverändernd, vermöchten folglich die Identität des neuen mit dem bereits rechtskräftig abgewiesenen Klageanspruch nicht aufzuheben.
Damit übergeht das Obergericht die bereits im Vorprozess festgestellten Tatsachen, dass der Beklagte den Wechsel ausschliesslich zur Sicherung gegen Verluste aus Kundenguthaben der Bank ausgestellt und der Kläger diese Garantieverpflichtung, die das Grundgeschäft ausmachte, gekannt hat. Nach diesem Sachverhalt erweckten die Urteile des Obergerichts und des Bundesgerichts nicht nur den Eindruck, sondern machten deutlich, dass der Kläger nur insoweit anstelle der Bank die Wechselforderung geltend machen könne, als er auch selber für
BGE 105 II 268 S. 272
Verluste aufzukommen habe. Das war damals zu verneinen, weil er die Verlustscheinforderungen an die Baugenossenschaft abgetreten hatte und es dabei bewenden liess. Bei dieser Anspruchsgrundlage des Vorprozesses geht es nicht an, dem Kläger das Recht auf ein neues Verfahren mit der Begründung abzusprechen, die Rechtskraft eines Urteils beziehe sich weder auf die Feststellung von Tatsachen noch auf die Beurteilung von Rechtsfragen. Das entbindet den Richter nicht von der Prüfung, ob der eingeklagte Anspruch mit dem früher beurteilten identisch sei; das aber kann nur gesagt werden, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der beiden Prozesse miteinander verglichen werden (
BGE 97 II 396
,
BGE 71 II 284
).
Der Kläger hat dadurch, dass er sich die beiden Verlustscheinforderungen am 29. April 1976 von der Baugenossenschaft zurückgeben liess, den Sachverhalt des Vorprozesses entscheidend verändert; denn damit hat er die tatsächliche Voraussetzung geschaffen, deren Fehlen 1975 zur Abweisung der Klage geführt hat (GULDENER, a.a.O., S. 378 Anm. 64; KUMMER, a.a.O., S. 130). Ob unter dieser Voraussetzung der Anspruch auf die Wechselsumme begründet sei, ist im vorliegenden Prozess zu prüfen, weshalb das Obergericht die zweite Klage zu Unrecht als abgeurteilte Sache behandelt hat und das angefochtene Urteil aufzuheben ist. Da der Beklagte an weiteren Einwendungen festhält, welche vom Obergericht übergangen wurden und über die das Bundesgericht schon mangels tatsächlicher Feststellungen nicht selbst entscheiden kann, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. In seinem neuen Urteil wird das Obergericht frei prüfen können, wieweit der Anspruch auf die Wechselsumme vom Eigentum an den Verlustscheinforderungen abhängt; nur das ist der Sinn der von ihm zitierten Erwägung aus
BGE 102 II 288
und
BGE 99 II 174
, wonach Entscheidungsgründe an der Rechtskraft des Urteils grundsätzlich nicht teilnehmen. Dabei wird die Vorinstanz sich freilich davor hüten müssen, ihrer einlässlich begründeten Rechtsauffassung im Vorprozess, welche vom Bundesgericht übernommen worden ist, leichthin zu widersprechen. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49e19d35-1686-4525-9ab9-06e2968da970 | Urteilskopf
83 IV 19
5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1957 i.S. Müller gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 204 Ziff. 1StGB.
1. Auch Schriften, die von Hand oder mit der Maschine geschrieben und nicht vervielfältigt sind, werden von dieser Bestimmung erfasst (Erw. 3).
2. Wann ist eine Schrift "verbreitet" ("distribué")? (Erw. 4).
3.
Art. 204 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
erfasst nicht weitere Arten der Bedienung des letzten Abnehmers unzüchtiger Veröffentlichungen, sondern nur Vorstadien des Verkaufens, Verbreitens, öffentlichen Ausstellens oder gewerbsmässigen Ausleihens (Erw. 4).
4. Wann ist ein Gegenstand unzüchtig? (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 19
BGE 83 IV 19 S. 19
Da es Müller nicht gelang, seine ehemalige Braut zurückzugewinnen, verunglimpfte er sie auf Postkarten und auf Photographien von ihr durch unzüchtige Vorhalte. Die Karten liess er ihr und einmal ihrem Vater durch die Post offen zustellen, die Photographien warf er in der Nähe ihrer
BGE 83 IV 19 S. 20
Wohnung auf die öffentliche Strasse. Er wurde daher wegen fortgesetzter unzüchtiger Veröffentlichungen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er führte Nichtigkeitsbeschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Art. 204 StGB
bietet Schutz gegen "unzüchtige Schriften, Bilder, Filme oder andere unzüchtige Gegenstände". Unter "Schriften" im Sinne dieser Bestimmung will der Beschwerdeführer, ohne seine Auffassung zu begründen, nur Darlegungen verstehen, die in einem Druckverfahren vervielfältigt worden sind, nicht dagegen "handschriftliche oder maschinengeschriebene Ausführungen mit Texten, die sich nicht wiederholen".
Die öffentliche Sittlichkeit, die durch
Art. 204 StGB
gewahrt werden soll (s. Randtitel zu Art. 203 ff.), kann indessen auch durch eine sich nicht der Druckerpresse bedienende Handlung verletzt werden, z.B. durch öffentliches Ausstellen eines Bildes oder eines unzüchtigen Gegenstandes, wie sich aus Art. 204 selbst ergibt. Es ist nicht zu ersehen, weshalb die schriftliche Äusserung vor der Öffentlichkeit nur dann erfasst werden sollte, wenn die Schrift gedruckt, nicht auch, wenn sie von Hand erstellt ist. Der Einfluss auf die öffentliche Sittlichkeit kann im einen wie im anderen Falle der gleiche sein. Zwar lassen sich Druckschriften leichter in vielen Exemplaren herstellen und verbreiten als Handschriften. Art. 204 kann aber auch anders als durch Verbreitung in einer Mehrzahl von Exemplaren übertreten werden, wie sich aus dem Fall des öffentlichen Ausstellens, der von dieser Bestimmung miterfasst wird, ergibt. Übrigens können auch Handschriften auf nicht mechanischem Wege in einer Vielzahl von Exemplaren hergestellt werden. Es fehlt jeder Grund, sie unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Sittlichkeit anders zu behandeln als Schriften, die gedruckt oder sonstwie mechanisch vervielfältigt sind. Dem Strafgesetzbuch ist der Begriff der Druckschrift durchaus geläufig (Art. 27, 347). Wollte es in Art. 204 nur sie erfassen,
BGE 83 IV 19 S. 21
so würde es das ausdrücklich sagen. Das internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebes von unzüchtigen Veröffentlichungen vom 12. September 1923, das für die Schweiz am 1. Februar 1926 in Kraft getreten ist, verlangt denn auch strafrechtlichen Schutz unter anderem gegen die Veröffentlichung von "Schriften" wie von "Druckschriften". Schon das Bundesgesetz vom 30. September 1925 betreffend die Bestrafung des Frauen- und Kinderhandels sowie der Verbreitung und des Vertriebs von unzüchtigen Veröffentlichungen, das durch das Strafgesetzbuch aufgehoben worden ist (
Art. 398 Abs. 2 lit. m StGB
), hat demgegenüber nur von "Schriften" gesprochen (Art. 4), in der Meinung, unter diesen Begriff fielen unter anderem auch die Druckschriften (Botschaft zum Entwurf, BBl 1924 III 1025). Es bestand nicht der geringste Anlass, von den im internationalen Übereinkommen stehenden Ausdrücken "Schriften" und "Druckschriften" den allgemeineren zu übernehmen, um den engeren Begriff zu bezeichnen. Durch
Art. 204 StGB
sodann ist Art. 4 des erwähnten Bundesgesetzes ersetzt worden, ohne dass man den Schutz gegen unzüchtige Veröffentlichungen irgendwie hätte einschränken wollen (StenBull, Sonderausgabe zum StGB, NatR 412, StR 194).
Dass die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Veröffentlichungen ausschliesslich von der Hand oder mit der Maschine geschrieben, jedoch nicht vervielfältigt worden sind, steht somit der Anwendung des
Art. 204 StGB
nicht im Wege.
4.
Nach
Art. 204 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
ist strafbar unter anderem, wer die von dieser Bestimmung erfassten Schriften usw. "verbreitet".
Im französischen und italienischen Text ist dieser Ausdruck mit "distribuer" bzw. "distribuire" wiedergegeben. Diese Begriffe decken sich mit dem deutschen nicht, sondern haben den Sinn von "verteilen", setzen also voraus, dass mehrere Exemplare je an verschiedene
BGE 83 IV 19 S. 22
Empfänger gelangen. "Verbreiten" heisst französisch "répandre", "propager" oder "diffuser" und ist im Abs. 1 des italienischen Textes von Art. 204 Ziff. 1 zutreffend mit "diffondere" übersetzt. Diese Tätigkeit kann mit einem einzigen Exemplar des unzüchtigen Gegenstandes begangen werden.
Welcher Text der richtige ist, kann offen bleiben. Möge Abs. 3 ein "Verbreiten" oder vielmehr ein "Verteilen" verlangen, so ist er jedenfalls nur dann anwendbar, wenn der Täter den unzüchtigen Gegenstand einer grösseren Zahl von Personen zur Kenntnis bringt (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 25. November 1924, BBl 1924 III 1027). Das hat der Beschwerdeführer insoweit nicht getan, als er sich auf Postkarten geäussert und diese an die Adresse der Zivilklägerin (Karten vom 20. Dezember 1954, 9. Januar und 28. März 1955) bzw. ihres Vaters (Karte vom 25. März 1955) der Post übergeben hat. Damit hat er lediglich der Zivilklägerin und den mit ihr im gleichen Haushalt lebenden Eltern sowie einigen Postangestellten Gelegenheit gegeben, das Geschriebene zu lesen, also einem objektiv begrenzten Kreis von wenigen Personen. Darin lag weder ein "Verbreiten" noch ein "Verteilen".
Das Aufgeben der Postkarten fällt auch nicht unter eine der anderen von Art. 204 Ziff. 1 Abs. 3 erfassten Tätigkeiten. Der Beschwerdeführer hat diese Karten weder "öffentlich oder geheim verkauft", noch "öffentlich ausgestellt", noch "gewerbsmässig ausgeliehen".
Es wird ihm auch nicht vorgeworfen, dass er jemals beabsichtigt habe, die Karten zu einem der in Art. 204 Ziff. 1 Abs. 1 erwähnten Zwecke zu verwenden, d.h. mit ihnen "Handel zu treiben", sie zu "verbreiten" (faire la distribution) oder sie "öffentlich auszustellen". Die Frage, ob er sie im Sinne dieser Bestimmung "hergestellt oder vorrätig gehalten" habe, stellt sich somit nicht.
Art. 204 Ziff. 1 Abs. 2 sodann, der mit Strafe bedroht, wer unzüchtige Gegenstände "zu den genannten Zwecken
BGE 83 IV 19 S. 23
einführt, befördert oder ausführt oder sonstwie in Verkehr bringt", erfasst nur Handlungen, die zwischen dem Herstellen (Abs. 1) einerseits und dem Verkaufen, Verbreiten (Verteilen), öffentlichen Ausstellen oder gewerbsmässigen Ausleihen (Abs. 3) anderseits liegen. Handlungen, durch die der unzüchtige Gegenstand bereits in die Hand des letzten Abnehmers gebracht wird, für den er bestimmt ist, sind nur nach Abs. 3 zu würdigen. Erfüllen sie die Voraussetzungen dieser Norm nicht, weil sie nicht die Merkmale des Verkaufens, Verbreitens (Verteilens), öffentlichen Ausstellens oder gewerbsmässigen Ausleihens aufweisen, so trifft auch Abs. 2 auf sie nicht zu. Diese Bestimmung will nicht weitere Arten der Bedienung des letzten Abnehmers unter Strafe stellen, sondern nur Vorstadien des Verkaufens, Verbreitens, öffentlichen Ausstellens oder gewerbsmässigen Ausleihens erfassen, d.h. Handlungen, die gewöhnlich von Zwischenagenten besorgt werden. Der Beschwerdeführer kann daher für das Versenden der Postkarten weder mit der Begründung, er habe sie "befördert", noch mit dem Vorwurf, er habe sie "sonstwie in Verkehr gebracht", bestraft werden. Übrigens setzt jedenfalls das Einführen, Befördern oder Ausführen voraus, dass es "zu den genannten Zwecken" erfolge, nämlich um mit den unzüchtigen Gegenständen Handel zu treiben, sie zu verbreiten (verteilen) oder öffentlich auszustellen, Voraussetzungen, die der Beschwerdeführer durch das Versenden der Postkarten nicht erfüllt hat. Ob auch Personen, die unzüchtige Gegenstände "sonstwie in Verkehr bringen", nur dann strafbar sind, wenn sie einen der erwähnten Zwecke verfolgen, kann dahingestellt bleiben.
Der Beschwerdeführer hat sich durch das Schreiben und Versenden der Postkarten auch nicht gegen Art. 204 Ziff. 1 Abs. 4 oder 5 vergangen.
6.
Art. 204 StGB
setzt voraus, dass die öffentlich ausgestellten Gegenstände unzüchtig seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes trifft das dann zu,
BGE 83 IV 19 S. 24
wenn sie in nicht leicht zu nehmender Weise gegen das Sittlichkeitsgefühl verstossen, und zwar schützt die Bestimmung jedenfalls das Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlichen Dingen, wenn sie nicht sogar auch auf Gegenstände angewendet sein will, die an die Aussonderung von Kot usw. erinnern (
BGE 79 IV 126
). Nicht nötig ist, dass der Gegenstand den Leser oder Betrachter geschlechtlich aufreize, wie der Beschwerdeführer geltend macht. Art. 204 bezweckt nicht lediglich Schutz vor geschlechtlicher Erregung, sondern will überhaupt den geschlechtlichen Anstand wahren. Auch was abstossend wirkt, kann daher im Sinne des Gesetzes unzüchtig sein. Dieses erlaubt nicht, dass gerade die schmutzigsten Darstellungen, die einen normalen Menschen anwidern, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Solche Nachsicht würde dem Verderb der Sitten geradezu Vorschub leisten. An der engeren Umschreibung des Begriffes der unzüchtigen Schrift, wie sie in Auslegung des Bundesgesetzes vom 30. September 1925 in
BGE 53 I 239
f. anerkannt worden ist, kann somit nicht festgehalten werden. Auch in Frankreich ist der Schutz der öffentlichen Sittlichkeit erweitert worden, indem Art. 119 des Gesetzes vom 29. Juli 1939 den Begriff "obscène" durch "contraire aux bonnes moeurs" ersetzt hat (DALLOZ, Recueil périodique 1939 IV 378; vgl. DALLOZ, Répertoire de droit criminel et de procédure pénale, 1954, 2 462 Nr. 12 f.). In der deutschen Lehre gilt eine Schrift ebenfalls schon dann als unzüchtig, wenn sie objektiv geeignet ist, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Beziehung zu verletzen (SCHÖNKE, 7. Aufl. 556), ja es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie nicht geeignet zu sein braucht, geschlechtliche Lüsternheit zu erregen, sondern dass sie durch die Art und den Gegenstand der Darstellung im normalen Leser oder Beschauer auch Widerwillen oder Abscheu hervorrufen kann (Leipziger Kommentar 6. und 7. Aufl. 2 109). Der Beschwerdeführer sagt denn auch mit keinem Worte, aus welchen Gründen es sich rechtfertigen könnte, von der
BGE 83 IV 19 S. 25
neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtes abzuweichen und das geschlechtliche Schamgefühl normal empfindender Menschen schutzlos zu lassen, wenn eine Darstellung nicht aufreizend wirkt. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
49e3a897-d0d9-4329-b78a-0c4328d75dc3 | Urteilskopf
114 II 181
30. Arrêt de la Ire Cour civile du 15 avril 1988 dans la cause Epoux S. contre sociétés A. et B. (recours en réforme) | Regeste
Art. 35 Abs. 1 OG
, Wiederherstellung gegen Fristversäumnis.
Verspätet eingereichte Berufung. Gesuch um Wiederherstellung der versäumten Frist, das mit der vor Ablauf der Berufungsfrist eingetretenen Handlungsunfähigkeit eines Berufungsklägers begründet wird. Unverschuldete Verhinderung des Rechtsvertreters, innerhalb der Frist zu handeln, im konkreten Fall verneint. | Sachverhalt
ab Seite 181
BGE 114 II 181 S. 181
A.-
La Cour de justice du canton de Genève a débouté par arrêt du 13 novembre 1987 les époux S. de leurs conclusions en paiement de dommages-intérêts dirigées contre les sociétés A. et B. L'accusé de réception attestant la distribution de cet arrêt au mandataire des demandeurs porte la date du 1er décembre 1987.
Les demandeurs ont recouru en réforme au Tribunal fédéral par acte daté du 15 janvier 1988, en concluant à l'annulation de cet arrêt et au paiement par la société A. de divers montants atteignant au total 79'576 francs. La Cour de justice a précisé, en réponse à une demande du Président de la Ire Cour civile, que cet acte avait été déposé au greffe le 18 janvier 1988, selon le sceau apposé au bas de la première page dudit acte, et non pas le 15 janvier, comme indiqué par erreur dans sa lettre communiquant le recours au Tribunal fédéral.
BGE 114 II 181 S. 182
B.-
S. est décédé le 12 février 1988.
Le 17 février 1988, le mandataire des demandeurs a présenté au nom de dame S. une demande de restitution pour inobservation du délai du recours en réforme, selon l'
art. 35 al. 1 OJ
. Le même jour, il a déposé au nom de dame S. et de la succession de S. un recours en réforme reprenant les conclusions de son acte du 15 janvier 1988 et remplaçant celui-ci.
Le Tribunal fédéral rejette la demande de restitution pour inobservation du délai et déclare les recours irrecevables.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Dans son acte de recours du 15 janvier 1988 et sa demande de restitution de délai du 17 février 1988, le mandataire des demandeurs indique avoir reçu l'arrêt attaqué le 2 décembre 1987. Il ne fournit toutefois pas le moindre élément de nature à établir cette allégation, alors que l'accusé de réception attestant la distribution de l'acte judiciaire porte la date du 1er décembre 1987. Cette date est donc déterminante pour fixer le point de départ du délai de recours de trente jours de l'
art. 54 al. 1 OJ
.
Déposé au greffe de la Cour de justice le 18 janvier 1988, le recours est tardif.
2.
A l'appui de sa demande de restitution, le mandataire des demandeurs fait valoir que le demandeur, victime d'un malaise le 24 décembre 1987, a été hospitalisé le lendemain 25 décembre dans un état de coma dont il n'est pas sorti jusqu'à son décès le 12 février 1988; son incapacité d'agir pendant cette période était donc totale, et il était impossible d'obtenir des instructions de sa part en ce qui concerne l'opportunité d'un recours contre l'arrêt du 13 novembre 1987; quant à la demanderesse, elle devait d'abord obtenir l'accord de son mari pour cette mesure; si le mandataire des demandeurs "a néanmoins déposé un recours en date du 18 janvier 1987, c'était uniquement de sa propre initiative malgré le fait qu'il n'avait reçu aucune instruction de ses clients pour sauvegarder les délais et avant la fin de l'incapacité de M. S., qu'on espérait à ce moment passagère".
La restitution pour inobservation d'un délai, selon l'
art. 35 al. 1 OJ
, ne peut être accordée que si, non seulement la partie elle-même, mais aussi son représentant au procès ont été empêchés, sans faute de leur part, d'agir dans le délai fixé (
ATF 110 Ib 95
et les arrêts cités).
BGE 114 II 181 S. 183
En l'espèce, cette condition n'est pas remplie par le mandataire des demandeurs. L'état d'inconscience du demandeur empêchait certes son conseil d'obtenir ses instructions, voire celles de son épouse. Mais elle ne le privait pas de la possibilité de déposer en temps utile un recours "de sa propre initiative... pour sauvegarder les délais", ainsi qu'il déclare expressément l'avoir fait. Il ne se prévaut d'aucune circonstance qui l'aurait empêché d'entreprendre cette démarche trois jours plus tôt, soit de déposer son recours le vendredi 15 janvier au lieu du lundi 18 janvier 1988, de manière précisément à sauvegarder le délai légal de trente jours. L'incapacité d'agir du demandeur durait en effet depuis le 24 décembre 1987 et on n'en connaissait pas la durée, même si on pouvait espérer à ce moment qu'elle serait passagère.
Le mandataire des demandeurs n'a ainsi pas établi qu'il ait été empêché sans sa faute d'agir dans le délai fixé, de sorte que la demande de restitution pour inobservation du délai de l'
art. 54 al. 1 OJ
ne peut être admise selon l'
art. 35 al. 1 OJ
. Cela entraîne l'irrecevabilité du recours en réforme déposé au nom des demandeurs le 18 janvier 1988, ainsi que du recours présenté le 17 février 1988 au nom de la demanderesse et de la succession du demandeur. | public_law | nan | fr | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49e9ba40-ab7f-4e5e-ad1b-653e1890c88f | Urteilskopf
91 II 438
61. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour civile du 9 décembre 1965 dans la cause X. c. Y. | Regeste
Verantwortlichkeit des Anwalts, der für seinen Klienten Vergleichsverhandlungen führt (
Art. 397 Abs. 1 OR
). | Sachverhalt
ab Seite 438
BGE 91 II 438 S. 438
Ayant porté plainte contre dame M., sa maîtresse, à qui il reprochait de lui avoir escroqué 150 000 fr., Y. confia la défense de ses intérêts à un avocat, qui le constitua partie
BGE 91 II 438 S. 439
civile par une lettre adressée au juge d'instruction. Ce mandataire et le défenseur de la prévenue tentèrent un arrangement: la plainte et la constitution de partie civile seraient retirées moyennant reconnaissance de la dette. Au cours des pourparlers, le 13 juin 1962, le premier soumit à son client, "pour qu'il n'y ait aucun malentendu", des contre-propositions qu'il suggérait de présenter au second. Le 18, Y. donna son accord par écrit. Le texte approuvé prévoyait notamment:
3) Cession de toutes sommes se trouvant à l'Union de Banques Suisses de Lausanne formant un tout approximatif de Fr. 11 000.--;
4) Cession de toutes sommes se trouvant à la Banque Commerciale de Genève et formant un tout aproximatif de Fr. 27 000.-- ..."
Le 19 juin 1962, dame M. signa à son tour une déclaration, qui constatait simplement que son auteur cédait ses avoirs au siège lausannois de la Société de banque suisse et à la Banque commerciale SA à Genève. Le lendemain, l'avocat de Y. retira, sans en référer à son client, et la plainte et la constitution de partie civile. Mais le plaignant désavoua son conseil, auquel il reprochait d'avoir excédé ses pouvoirs. Le juge d'instruction lui fixa un délai pour porter le débat devant le juge civil.
Les juridictions cantonales ont reconnu le bien-fondé de l'action et constaté que le défendeur avait agi contrairement aux instructions reçues.
Celui-ci a déposé un recours en réforme que le Tribunal fédéral a rejeté.
Erwägungen
Extrait des considérants:
6.
...
a) Conduisant pour le compte de son client des pourparlers transactionnels, le recourant agissait en exécution d'un mandat. En vertu de l'art. 397 al. 1 CO, le mandataire qui a reçu des instructions précises ne peut s'en écarter qu'autant que les circonstances ne lui permettent pas de rechercher l'autorisation du mandant et qu'il y a lieu d'admettre que celui-ci l'aurait autorisé s'il avait été au courant de la situation.
Sans doute, un avocat peut refuser certaines instructions précises en vue de la conduite d'un procès et choisir seul, en principe, les voies à suivre et les moyens, les faits à alléguer et l'argumentation juridique. En revanche, la transaction est un
BGE 91 II 438 S. 440
acte de disposition par lequel chaque partie renonce à un droit, ou du moins à son exercice, contre la promesse d'un avantage, tel que la promptitude du règlement ou la certitude de l'exécution. Partant, c'est au disposant lui-même à décider à quelles conditions il transigera. En conséquence, la nature et l'objet du mandat conféré au recourant ne sauraient justifier aucune exception à la règle claire de l'art. 397 al. 1 CO.
Les parties n'ont pas dérogé en l'espèce, conventionnellement, au principe inscrit dans la loi. Au contraire, l'avocat lui-même soumit à son client, "pour qu'il n'y ait aucun malentendu", les contre-propositions qu'il entendait formuler, le priant de donner par écrit son accord. Ayant reçu cet assentiment, il communiqua le texte convenu au conseil de la partie adverse. Ce faisant, le recourant a lui-même manifestement exprimé l'opinion qu'il ne pouvait seul arrêter les conditions de la transaction. S'estimant ainsi obligé de solliciter l'adhésion de son client sur tous les éléments de la convention et invitant celui-ci à l'autoriser à traiter sur le vu d'une énumération complète et précise, il se privait implicitement, mais de façon non équivoque, du pouvoir de conclure sur une base nouvelle, différente du texte adopté d'un commun accord. Aussi l'intimé lui donna-t-il des "instructions précises" au sens de l'art. 397 al. 1 CO, dont il n'avait en principe pas le droit de s'écarter.
b) Le 19 juin 1962, dame M. a signé une déclaration détaillée qui n'était pas conforme en tous points aux contre-propositions établies par le recourant.
Si la substitution de la Société de banque suisse à l'Union de banques suisses n'était probablement que le fruit d'une inadvertance et illustre tout au plus la hâte inconsidérée avec laquelle le mandataire a souscrit au retrait de la plainte, l'omission de l'indication du montant des valeurs cédées revêtait une grande portée. Aussi bien le conseil de dame M. avait attiré l'attention de son confrère sur le fait que l'estimation approximative de 38 000 fr. ne figurait plus dans la déclaration de sa cliente.
En effet, la cession ne constituait pas en l'espèce une simple modalité du paiement partiel d'une dette déterminée, par laquelle la cédante se serait libérée à concurrence du produit des valeurs transférées. Ce n'était pas une dation en vue du paiement. Dame M. devait prendre au contraire des engagements, qui s'ajoutaient à d'autres obligations. Dès lors, si elle leur avait fixé un montant déterminé, elle se serait portée
BGE 91 II 438 S. 441
garante tant de l'existence des valeurs cédées que de leur estimation. Autant qu'elle était créancière des banques en vertu d'un contrat de dépôt, elle eût répondu dans la mesure fixée à l'art. 171 al. 1 CO. Peu importe qu'elle ait eu effectivement des valeurs dans les deux banques: son affirmation aurait fondé une obligation. Au demeurant, elle se mettait dans un très mauvais cas si elle mentait, ajoutant peut-être une nouvelle escroquerie à celles qui lui étaient reprochées. Faute d'indiquer le montant des droits cédés, les cessions perdaient en revanche toute valeur.
c) Il s'ensuit que la déclaration du 19 juin 1962 différait sur un point essentiel des instructions données par l'intimé. En examinant son texte avec la diligence requise d'un avocat, le recourant ne pouvait s'y méprendre. Peu importe qu'il crût à l'insolvabilité de dame M. ou à l'inexistence des valeurs cédées. Son client - il le savait - était convaincu du contraire. Le refus de garantir le montant des valeurs cédées, s'il ne camouflait pas une manoeuvre, pouvait lui donner à penser que les cessions ne représentaient rien et l'inciter à demander davantage ou le dissuader de retirer la plainte en vue de provoquer des propositions meilleures. La situation réelle de dame M. peut certes jouer un rôle quant à l'existence d'un dommage, si l'intimé n'établit pas que sa maîtresse était à même d'aller au-delà de sa déclaration du 19 juin. Mais le dommage n'est pas en cause dans le présent procès.
Le recourant devait donc reconnaître l'importance de la divergence. Il n'avait dès lors pas le droit de disposer au nom de l'intimé en retirant la plainte à des conditions essentiellement différentes de celles qui lui avaient été indiquées. S'il était convaincu que la transaction servait le mieux les intérêts de son client, il devait éclairer celui-ci et le conseiller, non disposer sans son consentement. Il ne saurait se disculper qu'autant que les circonstances ne lui permettaient pas de rechercher l'autorisation du mandant et qu'il y avait lieu d'admettre que celui-ci l'aurait autorisé s'il avait été au courant de la situation (art. 397 al. 1 CO). Mais l'arrêt déféré constate qu'il n'y avait pas urgence et le recourant n'allègue ni ne prouve aucune circonstance précise qui dût l'empêcher de soumettre à l'intimé les propositions nouvelles.
C'est donc à bon droit que la Cour cantonale admet qu'en retirant la plainte pénale au nom de l'intimé, le recourant a enfreint les instructions reçues et a excédé ses pouvoirs. | public_law | nan | fr | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
49f09dbe-8d26-4949-9831-1ac02ce60ca9 | Urteilskopf
88 I 86
14. Extralt de l'arrêt du 23 mai 1962 dans la cause Rossier contre Cour de justice du canton de Genève. | Regeste
Art. 2 Üb. Best. der BV. Solange der Bund von der ihm durch die BV verliehenen Befugmis zur Gesetzgebung auf einem Gebiet keinen Gebrauch gemacht hat, sind die Kantone weiterhin zur Gesetzgebung befugt.
Art. 125 lit. b OG
. Der Bundesrat entscheidet über Beschwerden wegen Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften über die Schiffahrt, auch wenn der Beschwerdeführer Missachtung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts rügt (Erw. 3).
Art. 84 Abs. 1 lit. c OG
. Nach dieser Bestimmung kann wegen Verletzung polizeilicher Bestimmungen von Staatsverträgen des Bundes mit dem Ausland staatsrechtliche Beschwerde erhoben werden (Erw. 4 a).
Wann werden die Staatsverträge des Bundes mit dem Ausland und die sie ausführenden Bestimmungen als Bundesrecht verbindlich? (Erw. 4 b).
Die Art. 36 und 53 der interkantonalen Verordnung betreffend die Schiffahrtspolizei auf dem Genfersee usw. stellen keine Ausführungsbestimmungen zu Art. 39 des schweizerisch/französischen Übereinkommens betreffend die Schiffahrt auf dem Lemansee vom 10. September 1902 dar und verstossen auch nicht gegen diesen Art. 39 (Erw. 4 c, d'e). | Sachverhalt
ab Seite 87
BGE 88 I 86 S. 87
A.-
Rossier est loueur de bateaux à Genève. Il met en particulier à la disposition de ses clients des canots munis d'un moteur hors-bord, dont la vitesse atteint 15 km/h au maximum et qui circulent ordinairement entre 8 et 12 km/h.
Jusqu'en 1961, il a exercé librement cette activité et prétend y avoir engagé des sommes assez considérables.
BGE 88 I 86 S. 88
Au début de l'année 1961, le sous-brigadier de gendarmerie, chargé de la surveillance des loueurs de bateaux, l'informa qu'il lui était interdit de louer les canots visés ci-dessus à des clients non munis d'un permis de conduire pour cette catégorie d'embarcations.
Rossier n'observa pas cette interdiction et, le 2 avril 1961, la police constata une contravention. Le 29 juin suivant, le Tribunal de police de Genève le libéra des fins de la poursuite, considérant que l'art. 53 du règlement intercantonal concernant la police de la navigation sur le lac Léman, etc. (en abrégé: le Règlement) auquel Rossier avait contrevenu était incompatible avec l'art. 39 de la convention du 10 septembre 1902 entre la Suisse et la France concernant la police de la navigation sur le lac Léman (en abrégé: la Convention).
Sur appel du Procureur général, la Cour de justice de Genève, statuant le 11 septembre 1961, cassa le jugement du Tribunal de police et condamna le recourant à une amende de 20 fr., considérant que la contradiction relevée par le Tribunal de police entre l'art. 53 du Règlement et l'art. 39 de la Convention n'existait pas.
B.-
Contre cet arrêt, Rossier s'est pourvu en nullité, mais, statuant le 28 novembre 1961, la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral déclara le recours irrecevable (RO 87 IV 164).
C.-
En même temps, Rossier avait formé un recours de droit public, contre le même arrêt, dont il demandait l'annulation. Ce recours invoque la force dérogatoire du droit fédéral, la violation de l'art. 1er CP et le principe de la liberté du commerce.
D.-
Le Procureur général et la Cour de justice de Genève concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les
art. 37 à 40
de la Convention réglementent le louage de bateaux. L'art. 39 interdit aux loueurs de confier une embarcation aux jeunes gens de moins de seize ans,
BGE 88 I 86 S. 89
"ainsi qu'à toute personne qui n'aurait pas l'expérience nécessaire pour la conduire".
Le Règlement, qui a été approuvé par le Département fédéral des postes et des chemins de fer, et est entré en vigueur en 1960, subordonne à l'obtention d'un permis spécial la conduite de tout bateau à moteur ou à voiles (art. 35); pour les bateaux à moteur, il fait une exception lorsqu'ils sont propulsés par un moteur hors-bord et que leur vitesse ne peut dépasser 15 km/h, mais il précise que le permis est exigé, même dans ce cas, pour les bateaux de louage (art. 36 et 53).
2.
En fait, il est constant que Rossier a loué à une personne non titulaire d'un permis de conduire un bateau muni d'un moteur hors-bord, mais dont la vitesse ne pouvait dépasser 15 km/h.
3.
Le premier moyen soulevé par le recourant se résume comme il suit:
Les art. 36 et 53 du Règlement sont de droit cantonal. Selon l'art. 24 ter Cst., la législation sur la navigation relève de la Confédération. C'est pourquoi les cantons ne peuvent édicter de règles dans ce domaine, notamment de règles semblables à celles que portent les art. 36 et 53 du Règlement.
L'art. 24 ter Cst., tout d'abord, ne fait que donner à la Confédération le pouvoir de légiférer en matière de navigation. Dans de tels cas, aussi longtemps que la Confédération ne légifère pas elle-même, les cantons conservent leur compétence législative. C'est seulement lorsque et dans la mesure où la Confédération a fait usage de son pouvoir constitutionnel qu'intervient le principe de la force dérogatoire du droit fédéral (BURCKHARDT, Le Droit fédéral suisse, trad. Bovet, t. I, no 288 II et t. III, no 1242; FLEINER-GIACOMETTI, Schweizerisches Staatsrecht, p. 98 s.). C'est pourquoi il ne saurait y avoir conflit entre le Règlement et l'art. 24 ter Cst., lui-même, mais seulement entre le Règlement et les prescriptions de droit fédéral édictées en vertu de l'art. 24 ter Cst.
BGE 88 I 86 S. 90
De telles prescriptions existent. Mais il s'agit là de lois administratives ou de police. Or, selon l'art. 125 al. 1 litt. b OJ, c'est le Conseil fédéral qui connaît des recours formés contre les décisions cantonales de dernière instance pour violation de telles lois (RO 76 I 312 s.
;
70 I 7
). Saisi d'une telle cause, il se prononce aussi, par attraction de compétence, sur la violation de l'art. 2 Disp. trans. Cst. (BIRCHMEIER, Handbuch des BG über die Organisation der Bundesrechtspflege, p. 484 s.). C'est pourquoi le présent recours est irrecevable dans la mesure où il allègue la violation de l'art. 24 ter Cst.
Le dossier de la présente affaire devra être transmis au Conseil fédéral, qui est compétent pour connaître du moyen (art. 96 et 130 al. 1 i.f. OJ).
4.
Le recourant allègue en outre que les art. 37 ss. de la Convention sont assimilables à des dispositions de droit fédéral, qu'ils règlent complètement la location de bateaux sur le lac Léman et ne laissent aucune place pour des dispositions cantonales complémentaires, nonobstant les art. 40 et 77. Toute disposition de ce genre - et notamment les art. 36 et 53 du Règlement, qui sont de droit cantonal - violerait donc l'art. 39 précité et se heurterait à la force dérogatoire du droit fédéral.
a) L'art. 84 al. 1 litt. c OJ ouvre la voie du recours de droit public contre les décisions ou arrêtés cantonaux pour violation des traités internationaux, sauf s'il s'agit de la violation d'une de leurs dispositions de droit civil ou de droit pénal et sous réserve, en outre, du recours au Conseil fédéral selon l'art. 125 al. 1 litt. c OJ. L'art. 39 de la Convention, dont il s'agit en l'espèce, est une règle de police; en cette matière, les dispositions précitées ne réservent aucune autre compétence que celle du Tribunal fédéral, saisi par la voie du recours de droit public. Le grief soulevé est donc recevable et la cour de céans examine librement le fait et le droit (RO 81 I 142
;
86 I 36
et les arrêts cités).
b) Selon les principes du droit des gens, un traité
BGE 88 I 86 S. 91
international engage les puissances contractantes dès l'échange des instruments de ratification. Lorsqu'il s'agit d'un traité conclu par la Confédération et qui crée des règles de droit, il devient, à ce moment aussi, obligatoire de plein droit pour les autorités et les citoyens, pourvu qu'il soit directement applicable. Il s'incorpore en même temps au droit fédéral; point n'est besoin, à cet effet, de lui donner la forme d'une loi fédérale. A l'égal d'une telle loi, il constitue une source du droit fédéral (FLEINER-GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht, p. 829 s.).
Les conventions internationales qui contiennent ainsi des clauses obligatoires pour le citoyen peuvent être complétées par des dispositions d'exécution - applicables, naturellement, sur le seul territoire de l'Etat contractant qui les a promulguées. Selon les principes qui les régissent, ces dispositions ne peuvent être que secondaires, c'est-à-dire préciser ou développer les clauses de la convention dans les limites assignées par les buts généraux de l'accord. Elles ne sauraient contredire, ni annuler les clauses convenues, mais seulement, selon la lettre et l'esprit desdites clauses, les préciser en vue de leur application, régler les points qu'elles n'éclaircissent pas ou en combler une lacune (RO 45 I 67
;
64 I 315
; FLEINER-GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht, p. 803 s.).
c) L'art. 39 de la Convention crée une règle de droit obligatoire pour les autorités et les citoyens de chacun des Etats contractants; les instruments de ratification ayant été échangés, cette règle est incorporée au droit fédéral.
Mais il n'en reste pas moins qu'elle doit être explicitée et précisée en vue de son application. .... Le recourant affirme donc à tort que, sur la location de bateaux, la Convention contient une réglementation complète, qui ne comporterait aucune lacune, ni omission et serait applicable sans aucun complément.
d) Le recourant allègue à titre subsidiaire qu'en tout cas les cantons ne seraient pas compétents pour compléter l'art. 39 de la Convention par des règles d'exécution.
BGE 88 I 86 S. 92
Les dispositions du Règlement, appliquées en l'espèce, ont été établies par un accord conclu entre les gouvernements de plusieurs cantons: Vaud, Valais, Genève, Neuchâtel, Fribourg et Berne. Cet accord ne lie pas seulement les cantons eux-mêmes, qui l'ont souscrit; il contient, bien plus, des règles qui s'appliquent directement aux citoyens soumis à la souveraineté territoriale des Etats contractants, après approbation par ceux-ci, ainsi que par le Département fédéral des postes et des chemins de fer (art. 115 du Règlement) et, le cas échéant, après publication par l'autorité cantonale. Il fait dès lors partie intégrante du droit cantonal et doit être considéré comme tel.
En effet, la Confédération a réglementé la navigation dans les eaux suisses par une ordonnance du Conseil fédéral, du 19 décembre 1910. Cette ordonnance s'applique aux entreprises de navigation qui sont titulaires d'une concession délivrée par la Confédération et aussi à celles dont la Confédération est propriétaire, pourvu que les conditions matérielles de son application soient remplies. Son art. 96 prévoit expressément qu'il appartient aux cantons, sous réserve des règles fixées par elle, de réglementer la construction et le service des bateaux soumis à leur contrôle (à savoir tous les bateaux qui n'appartiennent pas à la Confédération et ne sont pas utilisés pour le transport de marchandises et de personnes par des entreprises concessionnaires: art. 4 ch. 1 et 2), ainsi que la navigation et la police des bateaux. L'art. 96 dispose en outre que les règlements, sur ces divers points, doivent être uniformes pour les eaux intercantonales, qu'ils doivent être approuvés par le Département fédéral des postes et des chemins de fer et que, si les cantons intéressés ne parviennent pas à s'entendre, le Conseil fédéral statue.
Il est donc manifeste, d'une part, que les cantons participants avaient, en principe, le pouvoir de réglementer, d'un commun accord, la navigation dans les eaux intercantonales et, d'autre part, que cette réglementation ne saurait être considérée comme un complément à la Convention. A ce titre, du reste, elle n'aurait pu être édictée qu'avec
BGE 88 I 86 S. 93
l'autorisation du Conseil fédéral; la simple approbation du Département fédéral des postes et des chemins de fer n'aurait pas suffi. Il s'agit donc d'un acte cantonal autonome, fondé sur une délégation de pouvoir.
e) Il reste à savoir si, dans cet acte que constitue le Règlement, les art. 36 et 53 sont contraires au droit fédéral, c'est-à-dire à l'art. 39 de la Convention. Cette question appelle la négative. En effet, la Convention fixe uniquement le minimum des exigences auxquelles doivent satisfaire les embarcations pour avoir accès aux eaux nationales de l'un des Etats contractants. Elle n'empêche pas chacun d'eux de soumettre à des règles plus sévères la navigation sur les bateaux soumis à sa souveraineté pour l'immatriculation. Elle exclut seulement l'application de ces règles aux bateaux qui proviennent de l'autre puissance. Par conséquent, même si les art. 36 et 53 du Règlement allaient au-delà de la Convention, ils régiraient les embarcations immatriculées en Suisse et qui naviguent dans les eaux où l'accord intercantonal s'applique. Y est donc soumis le recourant, dont les canots à moteur hors-bord sont immatriculés à Genève.
5.
- et 6. - .....
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral
Rejette le recours dans la mesure où il est recevable. | public_law | nan | fr | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
49f24b60-75cf-4eda-a533-1d51b11c4906 | Urteilskopf
83 I 206
27. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. März 1957 i.S. Buser gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Vorschriften des kantonalen Rechts, wonach die Handänderungs- oder Erbschaftssteuer vor der Eintragung des Eigentumsüberganges im Grundbuch zu bezahlen ist und die Eintragung nurbei nachgewiesener Bezahlung jener Steuer erfolgen darf, sind mit dem Bundeszivilrecht vereinbar.
- Art. 6, 702, 954, 963, 965 ZGB. | Sachverhalt
ab Seite 207
BGE 83 I 206 S. 207
A.-
Die am 14. April 1954 an ihrem Wohnsitz Basel verstorbene Witwe Wilhelmine Adolf hinterliess einen Sohn und eine Tochter. Mit Erbteilungsvertrag vom 2. Mai 1956 wurde eine im Nachlass befindliche Liegenschaft der Tochter, Frau Buser-Adolf, zugeteilt. In ihrem Namen verlangte ein Notar die entsprechende Eintragung im Grundbuch. Er legte eine notarielle Erbgangsbeurkundung und den Erbteilungsvertrag vor, wonach das Grundbuchamt ermächtigt ist, die übernehmende Erbin als Eigentümerin im Grundbuch einzutragen. Sein Begehren wurde jedoch zurückgewiesen, weil er kein Visum des Erbschaftsamtes und der Staatskasse eingereicht hatte, aus dem hervorging, dass die Erbschafts- und die Handänderungssteuer bezahlt seien. Diese Verfügung stützte sich auf folgende Bestimmungen:
a) § 7 des baselstädtischen Gesetzes über die Handänderungssteuer vom 11. Dezember 1882, lautend:
"Die Grundbuchverwaltung und die Bezirksschreiberei werden in handänderungspflichtigen Fällen Eigentumsübergänge in den öffentlichen Büchern erst eintragen, wenn ihnen die Quittung der Staatskasse über die Bezahlung der Steuer vorliegt."
b) § 22 der Verordnung vom 28. Juli 1950 zum Gesetz über die direkten Steuern, lautend:
"Erhebung der Erbschaftssteuer.
Die Erbschaftssteuer ist an die Gerichtskasse zu bezahlen. Die Gerichtskasse rechnet monatlich mit der Staatskasse ab.
BGE 83 I 206 S. 208
Die Übertragung von Grundstücken im Grundbuch infolge Erbgangs bedarf des Visums des Erbschaftsamtes; dieses wird erst erteilt, wenn die Erbschaftssteuer bezahlt oder sichergestellt ist."
B.-
Über die Rückweisung ihrer Anmeldung beschwerte sich die Gesuchstellerin bei der kantonalen Justizdirektion und dann beim Regierungsrat als Rekursinstanz. Sie machte geltend, die Voraussetzungen zur Eintragung eines Eigentumserwerbes im Grundbuch seien abschliessend durch das Bundesrecht umschrieben. Die entsprechenden Ausweise seien im vorliegenden Fall beigebracht worden, und es müsse daher ihrer Anmeldung entsprochen werden. Dem kantonalen Recht stehe es nicht zu, die Eintragung an weitere Vorbedingungen zu knüpfen.
Beide kantonalen Instanzen haben diesen Standpunkt mit Hinweis auf die Praxis des Bundesrates in Grundbuchsachen als unrichtig verworfen und die Verfügung des Grundbuchamtes geschützt.
C.-
Gegen den Entscheid des Regierungsrates vom 20. November 1956 hat die Gesuchstellerin die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben mit dem Antrag, das Grundbuchamt Basel-Stadt sei anzuweisen, die ihm mit der Anmeldung eingereichte Erbgangsbeurkundung und den Teilungsvertrag im Grundbuch einzutragen.
Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde, ebenso das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Kantone dürfen für die Eintragungen in das Grundbuch Gebühren erheben (Art. 954, mit Vorbehalt der dort in Abs. 2 vorgesehenen Ausnahmen), und vollends lässt das Bundeszivilrecht ihre Steuerhoheit, insbesondere das Recht zur Erhebung von Handänderungssteuern, unberührt, sofern diese Abgaben nicht etwa eine ungebührliche Erschwerung der Anwendung eines Institutes des Bundesrechtes mit sich bringen (vgl.
BGE 48 I 540
/1,
BGE 55 I 369
,
BGE 79 I 19
; HOMBERGER, N. 3 zu Art. 954). Es
BGE 83 I 206 S. 209
steht den Kantonen auch zu, für öffentlichrechtliche Ansprüche Sicherungs- und andere Zwangsmassnahmen durch ihre Gesetzgebung einzuführen, wie sie denn nach
Art. 6 ZGB
ganz allgemein "in ihren öffentlichrechtlichen Befugnissen" durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt werden. Insbesondere ist den Kantonen und den Gemeinden gleichwie dem Bunde selbst vorbehalten, öffentlichrechtliche Beschränkungen des Grundeigentums zum allgemeinen Wohl aufzustellen (
Art. 702 ZGB
), und was die Forderungen "aus öffentlichrechtlichen oder andern für die Grundeigentümer allgemein verbindlichen Verhältnissen" betrifft, lässt
Art. 836 ZGB
gesetzliche Pfandrechte des kantonalen Rechtes gelten, die, wo es nicht anders geordnet ist, ohne Eintragung gültig sind. Zu diesen Forderungen sind sowohl Steuern (Liegenschaftssteuer, Handänderungssteuer, Grundstückgewinnsteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer) wie auch Gebühren und Beiträge zu rechnen (vgl. LEEMANN, N. 4-8 zu
Art. 836 ZGB
). Obwohl durch das ZGB nicht ausdrücklich vorbehalten, verdient auch die hier in Frage stehende Massnahme, wie sie in kantonalen Erlassen vorgesehen ist, als Ausfluss einer öffentlichrechtlichen Befugnis der Kantone anerkannt zu werden: die Vorschrift an die Grundbuchführer, der Anmeldung eines Eigentumsüberganges zur Eintragung im Grundbuch nur Folge zu geben, wenn sich der Gesuchsteller über die Bezahlung der Handänderungs- oder Erbschaftssteuer ausweist. Als frühere Rekursinstanz in Grundbuchsachen hat denn auch der Bundesrat mehrmals ausgesprochen, dass das kantonale öffentliche Recht, ohne dadurch das Bundesprivatrecht zu verletzen, die Eintragung eines Eigentumsüberganges im Grundbuch von der Bezahlung der für den betreffenden Übergang geschuldeten Verkehrsabgaben und der für die Eintragung zu erhebenden Gebühren abhängig machen darf (Bundesblatt 1913 IV 60, 1914 I 356 deutsch, 1913 IV 63, 1914 I 397 französisch; ZBGR 7 S. 51 oben). Dieser Betrachtungsweise haben sich die Kommentare zu
BGE 83 I 206 S. 210
Art. 954 ZGB
angeschlossen (OSTERTAG N. 1, HOMBERGER N. 2 und 3). Die Lehre des Steuerrechts betrachtet auch ihrerseits die Aufstellung einer solchen Vorbedingung für die Grundbucheintragung als zulässige "Zwangsmassnahme zur Förderung der Steuerentrichtung" (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2. Auflage, S. 236/7, der mit Recht dafür hält, der Ausweis über die Bezahlung der die Handänderung betreffenden Steuer dürfe vor der Eintragung verlangt werden, ohne dass damit in verfassungsmässige Rechte der Bürger eingegriffen würde wie etwa bei Zurückbehalten des Heimatscheins oder bei Verweigerung der Ausstellung eines solchen bis zur Begleichung rückständiger Steuern, Massnahmen, die der Garantie der Niederlassungsfreiheit,
Art. 45 BV
, widersprechen,
BGE 51 I 392
).
Das Bundesgericht hat vor der Einführung der eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbarkeit in besonderer Weise bekundet, dass es die in Frage stehende abgaberechtliche Massnahme als rechtmässig betrachte: durch die Vorschrift von
Art. 66 Abs. 4 VZG
, auf die der Regierungsrat hinweist:
"In denjenigen Kantonen, in denen die Eintragung im Grundbuch von der Bezahlung einer Handänderungssteuer abhängig gemacht wird, muss vor der Anmeldung auch diese an das Amt bezahlt oder der Ausweis über direkt geleistete Bezahlung erbracht werden."
Eine abweichende Stellungnahme glaubt die Beschwerdeführerin einer Entscheidung entnehmen zu können, wonach "die Verweigerung oder Hinausschiebung der Eintragung" sich nur damit begründen lässt, "dass die vom eidgenössischen Recht aufgestellten Voraussetzungen nicht oder noch nicht erfüllt sind" (
BGE 66 I 88
). In jenem Fall handelte es sich aber nicht darum, ob die Eintragung an die Bedingung der vorgängigen Bezahlung öffentlichrechtlicher Abgaben geknüpft werden dürfe. Vielmehr wurden als ungültig kantonale Vorschriften des Inhaltes befunden, dass das Grundbuchamt alle Anmeldungen zuerst der Aufsichtsbehörde zu unterbreiten und
BGE 83 I 206 S. 211
zur Ermöglichung von Einsprachen zu veröffentlichen habe. Derartige Erfordernisse widersprechen in der Tat der den Grundbuchämtern kraft Bundesrechtes zukommenden selbständigen, wenn auch unter dem Vorbehalt der Beschwerdeführung stehenden Verfügungsbefugnis, und sie verkennen die Bedeutung der nach Bundesrecht erforderlichen, aber auch genügenden Ausweise über das Verfügungsrecht und über den Rechtsgrund der nachgesuchten Eintragung (
Art. 963 und 965 ZGB
). Öffentlichrechtliche Ansprüche aber, die mit der zur Eintragung angemeldeten Handänderung oder mit der Eintragung selbst zusammenhängen, fasst die erwähnte Entscheidung gar nicht ins Auge. Massnahmen zum Schutze solcher Ansprüche erscheinen nach wie vor als zulässig, da die in Frage stehenden Steuern und Gebühren nicht nur selber das eidgenössische Zivilrecht nicht verletzen, sondern auch die zu ihrer Wahrung gesetzlich bestimmten Vorrechte und Sicherungsmassnahmen neben der Zivilrechtsordnung zur Geltung kommen müssen. Es ist auch in anderer Hinsicht anerkannt, dass öffentlichrechtliche Ansprüche, selbst wo sie an Vorgänge des Zivilrechts anknüpfen, unabhängig von den für zivilrechtliche Forderungen geltenden Beschränkungen ausgeübt werden können (vgl. PLATTNER, Öffentliches Inventar und Steuersukzession der Miterben, SJZ 25 S. 96 ff; ferner
BGE 79 I 19
). Gegen den Anspruch des Kantons auf Bezahlung der Handänderungs- und Erbschaftssteuer vor der Eintragung des betreffenden Eigentumsüberganges im Grundbuch, und gegen das Gebot, sich bei der Anmeldung über diese Bezahlung auszuweisen, wie es die oben angeführten Bestimmungen des baselstädtischen Rechtes statuieren, lässt sich um so weniger etwas Triftiges einwenden, als das Bundesrecht etwas Ähnliches zum Schutz der Wehrsteuerforderungen vorschreibt. Nach Art. 122 des Wehrsteuerbeschlusses dürfen nämlich juristische Personen sowie Filialen ausländischer Unternehmungen im Handelsregister erst dann gelöscht werden, wenn sie die geschuldete
BGE 83 I 206 S. 212
Wehrsteuer bezahlt oder sichergestellt haben. Daraus ergibt sich einwandfrei, dass der Bundesgesetzgeber Vorbehalte zugunsten steuerrechtlicher Ansprüche im Gebiete der Führung öffentlicher Register über privatrechtliche Verhältnisse keineswegs ausschliessen will.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
49f262c4-2c85-4a15-a417-41e48e3de890 | Urteilskopf
119 III 37
11. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 20. Januar 1993 i.S. SLT-Gläubiger und 2 Mitbeteiligte sowie Spar- und Leihkasse Thun in Liquidation (Rekurs) | Regeste
Nachlassstundung einer Bank: Kommissär/Sachwalter; Liquidation der Bank (
Art. 30 und
Art. 37 BankG
; Art. 2 Verordnung betreffend das Nachlassverfahren von Banken und Sparkassen).
1. Den Vorschriften, welche das Nachlassverfahren von Banken regeln, lässt sich keine Grundlage zur Ernennung von zwei Sachwaltern entnehmen (E. 3a).
Die Aufteilung der Funktionen von Kommissär und Sachwalter einerseits und der Liquidatoren anderseits ist, zur Vermeidung von Interessenkollisionen, zwingend (E. 7). 2. Fachliche Fähigkeiten des Kommissärs bzw. Sachwalters (E. 3b, E. 6).
3. Fortführung der Liquidation in begrenztem Rahmen unter Aufsicht des Sachwalters (E. 4, 8). | Sachverhalt
ab Seite 38
BGE 119 III 37 S. 38
A.-
Der Präsident der Eidgenössischen Bankenkommission ordnete am 3. Oktober 1991 die einstweilige Schliessung der Schalter und Bancomat-Stellen der Spar- und Leihkasse Thun und deren Niederlassungen bis 18. Oktober 1991 an. Gleichzeitig wurde die ATAG Ernst & Young AG als Beobachterin eingesetzt. Am 18. Oktober 1991 beschloss die Eidgenössische Bankenkommission, der Spar- und Leihkasse Thun die Bewilligung zur Ausübung der Geschäftstätigkeit als Bank zu entziehen, und bestellte die ATAG Ernst & Young AG zur Liquidatorin der in Liquidation getretenen Bank.
Am 17. Oktober 1991 reichte die Spar- und Leihkasse Thun bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern ein Gesuch um Stundung gemäss Art. 29 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen (vom 8. November 1934, SR 952.0; BankG) ein; eventuell ersuchte sie um Nachlassstundung (im Sinne von
Art. 37 BankG
und
Art. 295 SchKG
). Das erstere Gesuch wurde von der kantonalen Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 4. November 1991 endgültig abgewiesen, und das letztere Gesuch
BGE 119 III 37 S. 39
wurde zur Zeit abgewiesen. Indessen gewährte die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts der Spar- und Leihkasse Thun am 18. Dezember 1991 Bankenstundung für die Dauer eines Jahres und wies die Sache zur Durchführung der Bankenstundung an die kantonale Aufsichtsbehörde zurück (siehe
BGE 117 III 83
ff.).
Am 18. Oktober 1991 war die ATAG Ernst & Young AG zur provisorischen Kommissärin im Sinne von
Art. 29 Abs. 1bis BankG
ernannt worden.
B.-
Die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern ernannte am 9. Januar 1992 Paul Freiburghaus, eidg. dipl. Buchhalter und eidg. dipl. Bücherexperte, zum Kommissär im Sinne von
Art. 30 BankG
. Es wurde ihm bewilligt, auf die Infrastruktur der Freiburghaus-Treuhand-Gruppe zurückzugreifen.
Der vom Kommissär am 12. August 1992 erstattete Bericht über die Vermögenslage der Spar- und Leihkasse Thun zeigte eine massive Überschuldung in der Grössenordnung von 170 Millionen Franken auf.
C.-
Am 13. Oktober 1992 stellte die ATAG Ernst & Young AG den Antrag, Paul Freiburghaus sei als Kommissär abzuberufen und als Kommissärin sei sie, eventuell ein vom Obergericht des Kantons Bern bezeichneter Bankfachmann einzusetzen. Die Liquidatorin wies auf Spannungen zwischen ihr und Freiburghaus hin, meldete erhebliche Zweifel an dessen fachlicher Eignung an und gab der Meinung Ausdruck, die von Freiburghaus in Rechnung gestellten Honorare sprengten die in der Branche üblichen Richtlinien.
Die Eidgenössische Bankenkommission vertrat in ihrer Vernehmlassung die Auffassung, die Funktionen des Liquidators und des Kommissärs (später des Liquidators und des Sachwalters) seien zusammenzulegen. Sie wurde in dieser Auffassung von der Nationalbank unterstützt.
Mit Entscheid vom 26. November 1992 erkannte die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern folgendes:
"1. Das Gesuch auf Abberufung des Kommissärs wird
abgewiesen.
2. Der Spar + Leikkasse Thun in Liquidation wird mit Wirkung
ab 1. Januar 1993 eine Nachlassstundung gemäss Art. 37 BaG für
die Dauer von sechs Monaten gewährt.
3. Zum Sachwalter wird ernannt:
Herr Paul Freiburghaus-Haehlen, dipl. Bücherexperte,
Frutigenstrasse 16, 3601 Thun.
BGE 119 III 37 S. 40
4. Die Bankenstundung wird bis 31. Dezember 1992 verlängert.
5. Der Spar + Leihkasse Thun in Liquidation wird bewilligt,
während der Nachlassstundung unter dem Gesichtspunkt der
Gleichstellung der Gläubiger 45% aller am 3. Oktober 1991
bestehenden Guthaben auszubezahlen.
Eine weitere Liquidationstätigkeit während der
Nachlassstundung wird nicht
bewilligt. Vorbehalten bleiben spätere konkrete Bewilligungen
gemäss
Art. 2 VNB
.
6. Die Firma ATAG Ernst & Young AG und Herr Paul
Freiburghaus werden eingeladen, im Sinne der Erwägungen unter
Ziff. II 2 c) und d) zu den Fragen der Geschäftstätigkeit und
der Arbeitsteilung binnen 10 Tagen Stellung zu nehmen und Anträge
zu unterbreiten. In der Folge findet mit Liquidatorin und
Sachwalter bei der Aufsichtsbehörde eine Sitzung statt.
7. Die Firma ATAG Ernst & Young AG und Herr Paul
Freiburghaus werden eingeladen, binnen 20 Tagen zur Frage der
zukünftigen Tarifierung Stellung zu nehmen und Anträge zu
stellen. In der Folge wird die Aufsichtsbehörde mit der
Eidgenössischen Bankenkommission Rücksprache nehmen und
insbesondere auch abklären, wer für die Genehmigung der
Rechnungen der Liquidatorin zuständig ist.
8. Über die Anträge des Gläubigervereins auf Orientierung
der Öffentlichkeit bezüglich des Status und der Kosten des
Kommissärs wird später entschieden. Das Problem wird vorerst mit
Liquidatorin und Kommissär besprochen."
D.-
Der Verein der SLT-Gläubiger, die Hobby AG und Ruth Suhner erhoben gegen diesen Entscheid der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern am 10. Dezember 1992 Rekurs bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie beantragten die Bestellung von einem oder zwei Sachwaltern, nicht aber Paul Freiburghaus, und verlangten, dass in Abänderung von Ziff. 5 Abs. 2 des Dispositivs des angefochtenen Entscheides der Spar- und Leihkasse Thun in Liquidation eine weitere Liquidationstätigkeit zu gestatten sei.
Mit Rekurs vom 10. Dezember 1992 wandte sich auch die Spar- und Leihkasse Thun in Liquidation, handelnd durch die Liquidatorin ATAG Ernst & Young AG, an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie beantragte, Ziff. 3 und Ziff. 5 Abs. 2 des Entscheides der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern seien aufzuheben und die ATAG Ernst & Young AG sei als Sachwalterin in der Nachlassstundung der Spar- und Leihkasse Thun einzusetzen, eventuell sei die Sache zur Ernennung eines Bankfachmannes als Sachwalter an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sodann stellte sie den Antrag:
BGE 119 III 37 S. 41
"Der Rekurrentin sei die Fortführung der
Liquidationstätigkeit zu bewilligen mit der Einschränkung, dass
bis zur Bestätigung eines allfälligen Nachlassvertrages keine
Auszahlungen an die Gläubiger vorzunehmen sind ausser den
Abschlagszahlungen, die in Ziffer 5 Absatz 1 des Entscheids der
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen vom 26.
November 1992 bezeichnet sind (45 Prozent aller am 3. Oktober
1991 bestehenden Guthaben der Gläubiger), und ausser den
Auszahlungen, die durch die Pfandbriefgesetzgebung gedeckt sind.
Insbesondere sei der Rekurrentin zu gestatten, auch fortan
hängige Geschäfte abzuwickeln, Massnahmen zur Erhaltung des
Vermögens zu treffen, Aktiven nach Dringlichkeit und unter
Wahrung der Gläubigerinteressen zu verwerten, rechtmässig
erhobene Aussonderungsansprüche zu erfüllen und
Verantwortlichkeitsansprüche geltend zu machen."
E.-
Am 22. Dezember 1992 bewilligte die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern dem Sachwalter den Beizug von Hilfspersonen, regelte das dem Sachwalter zustehende Weisungs- und Aufsichtsrecht näher und sprach sich zur Aufgabenteilung zwischen Liquidatorin und Sachwalter aus. Sodann traf sie Anordnungen bezüglich der Geschäftstätigkeit der Spar- und Leihkasse Thun in Liquidation und erliess eine Bestimmung bezüglich der Honorierung von Liquidatorin und Sachwalter.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
I.3.
Rekurs der SLT-Gläubiger und zweier Mitbeteiligter
Ihr Begehren um Bestellung von einem oder zwei Sachwaltern, nicht aber von Paul Freiburghaus, begründen die Rekurrenten damit, dass Freiburghaus dem Amt nicht gewachsen sei und dass für jedermann erkennbare Unstimmigkeiten zwischen Freiburghaus und der ATAG Ernst & Young AG beständen; diese führen nach der Darstellung in der Rekursschrift "gegenseitig einen Grabenkrieg". Die Rekurrenten erachten die Anwendung von
Art. 37 Abs. 1ter BankG
durch die Nachlassbehörde als zu eng; nach ihrer Meinung wäre die Nachlassbehörde nicht verpflichtet gewesen, Freiburghaus nur deshalb, weil er vorher Kommissär gewesen ist, zum Sachwalter zu ernennen. Auch habe die Nachlassbehörde zu Unrecht einen wichtigen Grund, welcher die Abberufung des Kommissärs zu rechtfertigen vermöchte, verneint.
a) Den Vorschriften, welche das Nachlassverfahren von Banken regeln, lässt sich keine Grundlage zur Ernennung von zwei Sachwaltern entnehmen, wie dies die Rekurrenten begehren. Gemäss
BGE 119 III 37 S. 42
Art. 37 Abs. 1 BankG
ernennt die Nachlassbehörde, wenn eine Bank das Gesuch um Nachlassstundung gestellt hat, einen provisorischen Sachwalter, dem bis zum Entscheid über das Gesuch oder bis zur Konkurseröffnung die gleichen Befugnisse wie dem ordentlichen Sachwalter zustehen. Entspricht die Nachlassbehörde dem Gesuch um Nachlassstundung, so ernennt sie - gemäss
Art. 37 Abs. 1ter BankG
- definitiv einen Sachwalter, falls nicht schon ein Kommissär bestellt ist. Die Nachlassbehörde hat sich also an diese Vorschriften gehalten, wenn sie den zuvor zum Kommissär bestellten Paul Freiburghaus mit ihrem Entscheid vom 26. November 1992 als Sachwalter eingesetzt hat.
Im übrigen erscheint es als widersprüchlich, wenn die Rekurrenten einerseits der Befürchtung Ausdruck geben, dass die Tätigkeit des Sachwalters und der Liquidatorin grosse Summen koste, und anderseits die Bestellung von zwei Sachwaltern fordern.
b) Es besteht kein Anlass, an den fachlichen Fähigkeiten von Paul Freiburghaus, der die Fähigkeitszeugnisse als eidg. dipl. Buchhalter und eidg. dipl. Bücherexperte besitzt, grundsätzlich zu zweifeln. Konkret vermögen denn auch die Rekurrenten nichts darzutun, was die Fähigkeit von Paul Freiburghaus, im vorliegenden Fall als Kommissär und Sachwalter zu wirken, in Frage stellen könnte.
Den Schwerpunkt ihrer Argumentation legen die Rekurrenten nun aber auf den Umstand, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Paul Freiburghaus und der ATAG Ernst & Young AG gestört sei. Dabei übersehen sie jedoch, dass es nicht in erster Linie um dieses Vertrauensverhältnis geht, sondern um das Vertrauen, das die Nachlassbehörde in den Kommissär und künftigen Sachwalter setzen kann. Dem angefochtenen Entscheid ist nun aber zu entnehmen, dass die zwischen Freiburghaus und der ATAG Ernst & Young AG unbestreitbar bestehenden Spannungen für die Nachlassbehörde noch nicht so schwerwiegend sind, dass sie ihr eigenes Vertrauen in Freiburghaus erschüttert sieht.
Die Liquidation einer Bank ist keine alltägliche Sache. Es liegt in der Natur der Aufgaben, die damit verbunden sind und von Gesetzes wegen auf mehrere Organe verteilt werden, dass es zu Friktionen kommt. Der Kommissär und der Sachwalter üben - zusammen mit der Nachlassbehörde - die Aufsicht über die Bank bzw. die als ihr Organ handelnden Liquidatoren aus (vgl.
Art. 33 Abs. 1 und
Art. 34 lit. b BankG
;
Art. 2 Abs. 2 und
Art. 9 der Verordnung betreffend das Nachlassverfahren von Banken und Sparkassen (vom 11. April 1935; VNB, SR 952.831)
). Wenn aus dieser - vom Gesetzgeber gewollten -
BGE 119 III 37 S. 43
Konstellation heraus Meinungsverschiedenheiten entstehen, so ist dies nicht aussergewöhnlich.
Die Unstimmigkeiten zwischen dem Kommissär und der Liquidatorin müssen auf jeden Fall - sofern sie eine gewisse Zeit gedauert haben - so tiefgreifend sein, dass die geordnete Liquidation der Bank gefährdet ist, um eine Abberufung zu rechtfertigen. Wenn die Nachlassbehörde im vorliegenden Fall die wichtigen Gründe, welche
Art. 30 Abs. 2 BankG
für die Abberufung des Kommissärs verlangt, als nicht gegeben betrachtet hat, so hat sie durchaus im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens entschieden.
I.4.
In Ziff. 5 des Dispositivs des angefochtenen Entscheides hat die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern der Spar- und Leihkasse Thun in Liquidation die Bewilligung dazu erteilt, den Gläubigern 45 Prozent aller am 3. Oktober 1991 bestehenden Guthaben auszuzahlen, so wie dies an einen Teil der Gläubiger bereits geschehen ist. Eine weitere Liquidationstätigkeit während der Nachlassstundung wurde demgegenüber nicht bewilligt. Vorbehalten bleiben spätere konkrete Bewilligungen gemäss
Art. 2 VNB
.
a) Nach der Meinung der Rekurrenten ist der Bank die bisherige Aktivität weiterhin zu gestatten, da es sich lediglich um die Liquidation handle.
Die Einstellung der Liquidation für die Dauer eines Jahres wäre mit erheblichen Nachteilen - insbesondere im Hinblick auf das Eintreiben von Guthaben der Bank - verbunden; und sie hätte zur Folge, dass die Gläubiger ein Jahr länger auf ihre Befriedigung warten müssten.
Damit sehen die Rekurrenten indessen darüber hinweg, dass dank der von ihnen angefochtenen Anordnung im Entscheid der Nachlassbehörde auch jene Gläubiger bis zu 45 Prozent ihres Guthabens ausbezahlt erhalten werden, welche bis jetzt einer solchen Auszahlung noch nicht teilhaftig geworden sind. Wenn die Nachlassbehörde die Fortführung einer freien Aktivität der Bank auch während der Stundung bewilligte, so würde dadurch der Nachlassvertrag präjudiziert. Es wird im angefochtenen Entscheid denn auch zutreffend darauf hingewiesen, dass während der Stundung alle Kräfte dafür eingesetzt werden sollten, um einen befriedigenden Nachlassvertrag zu erarbeiten.
b) Die Nachlassbehörde hat - wie aus Ziff. 5 Abs. 2 ihres Entscheides vom 26. November 1992 mit dem Hinweis auf
Art. 2 VNB
hervorgeht - nicht übersehen, dass bestimmte Geschäftstätigkeiten, welche im Interesse der Bank bzw. ihrer Gläubiger liegen,
BGE 119 III 37 S. 44
ausnahmsweise auch während der Stundung zu bewilligen sind. Sie hat insbesondere Massnahmen zur Erhaltung des bestehenden Vermögens, die Verwertung einzelner Aktiven nach Dringlichkeit und die Erfüllung rechtmässig erworbener Aussonderungsansprüche vor Augen. Damit aber ungünstige Präjudizierungen des Nachlassvertrages unterbleiben, ist es durchaus sachgerecht und angemessen, wenn für derartige Geschäfte im Sinne von
Art. 2 VNB
die Zustimmung des Sachwalters einzuholen ist.
Eine Verletzung von Bundesrecht ist in Ziff. 5 Abs. 2 des Dispositivs des Entscheides der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern vom 26. November 1992 nicht zu erblicken.
II.6.
Rekurs der Spar- und Leihkasse Thun in Liquidation
a) Die Spar- und Leihkasse Thun in Liquidation verlangt vor Bundesgericht nicht mehr ausdrücklich die Abberufung von Paul Freiburghaus als Kommissär, widersetzt sich aber seiner Ernennung zum Sachwalter. Wie oben (E. 3b) bereits ausgeführt, vermögen indessen die Unstimmigkeiten zwischen Freiburghaus und der ATAG Ernst & Young AG, wie sie aufgrund der heutigen Aktenlage festzustellen sind, den Vertrauensentzug gegenüber Freiburghaus noch nicht zu rechtfertigen.
Im Zusammenhang mit der Kritik an den fachlichen Fähigkeiten von Paul Freiburghaus wird von der Rekurrentin geltend gemacht, es mangle ihm an den notwendigen Kenntnissen des Bankfaches. Nun ist aber Freiburghaus nicht nur im Besitz der erwähnten eidgenössischen Fähigkeitsausweise, sondern verfügt auch über eine breite Erfahrung als Inhaber eines Treuhandbüros. Was die Kenntnisse des Bankfaches im besondern anbetrifft, ist darauf hinzuweisen, dass er Verwaltungsrat einer Bank mit Sitz in Steffisburg ist, womit zugleich erwiesen ist, dass ihm die wirtschaftlichen Verhältnisse der Region vertraut sind. Die fachliche Kompetenz von Freiburghaus reicht somit aus, um die Aufgaben zu erfüllen, welche das Gesetz dem Sachwalter überträgt. Er steht ja zudem nicht allein da, sondern kann - gerade was bankspezifische Probleme anbetrifft - auf die Kenntnisse und Erfahrungen in Banksachen zurückgreifen, welche die Mitarbeiter der Liquidatorin einbringen.
b) Wenn von der Rekurrentin der Eventualantrag gestellt wird, es sei ein Bankfachmann als Sachwalter zu ernennen, so stellt sich vorab
BGE 119 III 37 S. 45
die Frage, ob der zu findende Bankfachmann auch über die weiteren breiten Kenntnisse verfügt, welche Paul Freiburghaus zu eigen sind. Fest steht auf jeden Fall, dass sich ein neu zu ernennender Sachwalter in das umfangreiche Dossier einarbeiten müsste, mit dem sich Freiburghaus über viele Monate hinweg vertraut gemacht hat. Solche neue Einarbeitung muss nicht zuletzt aus Kostengründen, wenn immer möglich, vermieden werden.
Zwar würden auch die Eidgenössische Bankenkommission und die Nationalbank eine andere Lösung als das parallele Wirken von Freiburghaus und der ATAG Ernst & Young AG vorziehen. Sie gehen dabei aber von der unrichtigen Auffassung aus, dass die gesetzliche Ordnung eine Zusammenlegung der Funktionen von Sachwalter und Liquidatoren erlaube.
II.7.
Die Rekurrentin stellt denn auch den Antrag, die ATAG Ernst & Young AG sei als Sachwalterin während der Nachlassstundung einzusetzen, was darauf hinausliefe, dass die Funktionen von Sachwalter und Liquidatoren zusammengelegt werden.
a) Zutreffend ist die Auffassung der Rekurrentin, dass die von der Eidgenössischen Bankenkommission eingesetzten Liquidatoren in gewisser Hinsicht eine im öffentlichen Interesse liegende Funktion ausüben, nämlich insoweit, als sie auch die Gläubigerinteressen zu wahren haben. Das ergibt sich schon daraus, dass im Augenblick der Liquidation die Interessen der Bank an einem trotz der widrigen Umstände möglichst günstigen wirtschaftlichen Ausgang mit denselben Interessen der Gläubiger zusammentreffen. Damit wird jedoch nicht die Tatsache aus der Welt geschafft, dass die Liquidatoren an die Stelle der Bankorgane treten.
Wegen der möglichen Interessenkollision kommen sie als Sachwalter sowenig in Frage wie die bankengesetzliche Revisionsstelle oder die obligationenrechtliche Kontrollstelle (BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz, N. 46 zu Art. 36-37).
b) Gemäss
Art. 30 Abs. 1 BankG
sind mit der Bewilligung der Stundung ein oder mehrere sachkundige Personen als Kommissäre der Bank zu bestellen; und nach
Art. 33 Abs. 1 BankG
muss die Bank, die einen Nachlassvertrag anstrebt, dem Kommissär ihre Anträge zur Begutachtung unterbreiten. Beides kann nicht weniger gelten, wenn die Bank gleichzeitig in Liquidation tritt.
Die Notwendigkeit des Sachwalters ergibt sich aus
Art. 2 Abs. 1 VNB
, wonach im Einverständnis mit dem Sachwalter die erforderlichen Anordnungen zur Erhaltung des Vermögensstandes und zur Verhinderung der Begünstigung einzelner Gläubiger zum Nachteil
BGE 119 III 37 S. 46
der andern zu treffen sind. Sodann holt der Sachwalter - gemäss
Art. 8 Abs. 1 VNB
- die Erklärung der zuständigen Bankorgane über die Anerkennung oder Bestreitung der angemeldeten, nicht aus den Büchern ersichtlichen Forderungen ein.
Aus all diesen Vorschriften ergibt sich, dass die Aufteilung der Funktionen von Kommissär und Sachwalter einerseits und der Liquidatoren anderseits zur Vermeidung von Interessenkollisionen zwingend ist. Wenn im Fall, wo sich eine Bank in Liquidation befindet, etwas anderes gelten sollte - von welcher Annahme insbesondere im Hinblick auf die Gläubigerinteressen ernsthaft nicht ausgegangen werden kann -, so hätte das im Gesetz ausdrücklich zum Ausdruck kommen müssen. Mangels solcher ausdrücklicher Anordnung aber sind die erwähnten Vorschriften analog anzuwenden.
c) Hat sich nach dem Gesagten ergeben, dass die Funktion des Sachwalters nicht mit der von der ATAG Ernst & Young AG wahrgenommenen Funktion der Liquidatorin zusammengelegt werden kann und dass Paul Freiburghaus als genügend sachkundig für die Aufgabe des Kommissärs bzw. Sachwalters zu betrachten ist, so kann dem Antrag der Rekurrentin, es sei die ATAG Ernst & Young AG als Sachwalterin einzusetzen, und ihrem Eventualantrag, es sei ein Bankfachmann zum Sachwalter zu ernennen, nicht entsprochen werden.
II.8.
a) Die Rekurrentin bezeichnet sodann das von der Nachlassbehörde angeordnete grundsätzliche Verbot der Fortführung der Liquidation (Ziff. 5 Abs. 2 des Dispositivs des angefochtenen Entscheides) als sachwidrig. Die Liquidation sei zwingend und deren Unterbrechung würde die Gläubigerinteressen beeinträchtigen - macht die Rekurrentin geltend -, und ohne Liquidationshandlungen sei es gar nicht möglich, der Anordnung der Nachlassbehörde nachzukommen, wonach 45 Prozent aller am 3. Oktober 1991 bestehenden Guthaben auszuzahlen sind. Als Beispiele von Handlungen, die wegen der Anordnung der Nachlassbehörde unterlassen werden müssten, nennt die Rekurrentin die Betreibungen auf Grundpfandverwertung, den Verkauf überbelehnter Liegenschaften, den Freihandverkauf oder die Versteigerung angefangener Bauprojekte, die Veräusserung von dem Preiszerfall ausgesetzten Grundstücken, die Herausgabe von Schuldbriefen und ganz allgemein das Eintreiben von Forderungen. Die Rekurrentin behauptet sodann, es könnten monatlich 20 Millionen Franken in das Vermögen der Spar- und Leihkasse Thun in Liquidation zurückgeführt werden; geschehe dies nicht, weil die Liquidation unterbrochen werde, so ergebe sich innert
BGE 119 III 37 S. 47
zwölf Monaten ein Zinsausfall von 7,2 Millionen Franken. Weiter wäre es nach Auffassung der Rekurrentin sachgemäss, wenn die Auszahlung der pfandgesicherten Darlehensforderungen der Pfandbriefzentralen nicht unter das Liquidationsverbot fiele; und sie weist schliesslich auf die Verantwortlichkeitsansprüche hin, die gestützt auf
Art. 40 ff. BankG
ohne Verzug geltend gemacht werden müssen.
b) Die Rekurrentin übersieht indessen, dass eine weitere Liquidationstätigkeit durch die Anordnung der Nachlassbehörde nicht rundweg ausgeschlossen wird. Allerdings bedarf diese Aktivität, nach
Art. 2 VNB
, der Zustimmung des Sachwalters. Es darf von Paul Freiburghaus als Sachwalter erwartet werden, dass er wohl zu entscheiden weiss, in welchen Fällen er seine Zustimmung geben darf und in welchen nicht.
Nachdem die Nachlassbehörde am 22. Dezember 1992 die Aufgabenteilung zwischen Liquidatorin und Sachwalter näher geregelt und Anordnungen bezüglich der Geschäftstätigkeit der Spar- und Leihkasse Thun in Liquidation getroffen hat, ist zusätzlich dafür gesorgt, dass die Liquidation in einem begrenzten Rahmen fortgesetzt werden kann. Am Ende aber steht die Aufgabe, einen möglichst günstigen Nachlassvertrag abzuschliessen.
Paul Freiburghaus und die ATAG Ernst & Young AG sind aufgerufen, die ihnen gestellte anspruchsvolle Aufgabe gewissenhaft - das heisst insbesondere auch: im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und der Anordnungen der Nachlassbehörde - und mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Kräften zu erfüllen und alles zu vermeiden, was die Erfüllung der Aufgabe beeinträchtigt. Der Sachwalter und die Liquidatorin mögen sich stets bewusst sein, dass sie ihre Tätigkeit unter den Augen einer grossen Zahl von Bankgläubigern ausüben, die entgegen jeder Erwartung ihre Forderungen gefährdet sehen, und dass sie deshalb eine besondere Verantwortung tragen. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
49f5ea6a-7a5c-47f1-beb7-9981ecde9369 | Urteilskopf
93 I 703
88. Auszug aus dem Urteil vom 20. September 1967 i.S. Erben Grossmann und Mitbeteiligte gegen Stadt Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich. | Regeste
Eigentumsgarantie
Öffentliches Interesse an der Schaffung von Freihaltezonen (Grünzonen). Grundsatz der Verhältnismässigkeit und Notwendigkeit der Eigentumsbeschränkungen. | Sachverhalt
ab Seite 703
BGE 93 I 703 S. 703
Der Käferberg und der Hönggerberg sind Teile des Höhenzuges, der nordöstlich des Limmattales verläuft. Zwischen dem Käferbergwald im Südosten und dem Hönggerbergwald im
BGE 93 I 703 S. 704
Nordwesten befindet sich eine ausgedehnte Hochfläche, die im Südwesten durch den Moränenzug des Kappenbühls begrenzt wird und dann steil gegen das Zentrum des Stadtquartiers Höngg abfällt. Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH) verlegt einen Teil ihrer Forschungs- und Lehrstätten auf die Hochfläche des Hönggerberges.
Der Gemeinderat der Stadt Zürich hat am 19. April 1961 eine Bauordnung für das Gebiet des Hönggerberges erlassen. Die darin enthaltene Zonenordnung sieht vor: eine Grünzone, eine Zone für die ETH, eine Wohnbauzone A und eine Wohnbauzone B. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat einen Rekurs gegen die Einweisung von Grundstücken der Erben des Edwin Grossmann, des Jakob Heusser und des Albert Müller in die Grünzone am 3. November 1966 abgewiesen. Er hat dazu unter anderm ausgeführt, das öffentliche Interesse an umfangreichen Freihaltezonen in den Randlagen der Stadt Zürich sei ausgewiesen. Das lokale Interesse an einer noch weitergehenden Freihaltung des Hönggerberges wäre vorhanden; es müsse aber bezüglich der ETH-Bauten gegenüber den höheren Landesinteressen zurücktreten. Wiewohl dem Regierungsrat eine umfassende Rechts- und Angemessenheitskontrolle zustehe, übe er bei der Überprüfung des Umfangs der einzelnen Zonen eine gewisse Zurückhaltung: Er beschränke sich auf die Behebung offensichtlicher Unverhältnismässigkeiten. Solche seien nicht dargetan.
Die Erben Grossmann, Heusser und Müller haben gegen den Entscheid des Regierungsrates staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
und der Eigentumsgarantie erhoben. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Nachdem sich ergeben hat, dass die Einweisung der Grundstücke der Beschwerdeführer in die Grünzone in § 68b des kantonalen Baugesetzes (BauG) über eine gesetzliche Grundlage verfügt, ist zu prüfen, ob dieser Massnahme ein öffentliches Interesse zur Seite stehe.
a) Die Errichtung der Grünzone auf dem Hönggerberg bezweckt einerseits die Schaffung von Freiflächen. Bei der Prüfung der Frage, ob dieses Ziel im öffentlichen Interesse liege, ist zu beachten, dass das Pflanzenkleid einer Gegend einen wesentlichen Einfluss auf das Binnenklima ausübt, namentlich indem es
BGE 93 I 703 S. 705
den für die Gesundheit von Mensch und Tier notwendigen Austausch von Kohlensäure und Sauerstoff übernimmt. Die Grünzonen, in denen der Pflanzenbestand vor der Verdrängung durch die Überbauung bewahrt wird, tragen insofern zum Schutz der öffentlichen Gesundheit bei (ZBl 1964 S. 220). Der Gesundheit der Bevölkerung dienen die Grünzonen auch dadurch, dass sie deren Bedürfnis nach Erholung und Entspannung entsprechen. Der kantonale Gesetzgeber ist denn auch in § 68b lit. c BauG mit Fug davon ausgegangen, dass die Schaffung von Bauverbotszonen zur Erhaltung von Freiflächen in Wohngebieten grundsätzlich das öffentliche Interesse für sich hat.
Nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse sollte in städtischen Verhältnissen rund ein Viertel von Grund und Boden für Grünflächen (einschliesslich der Wälder) zur Gewährleistung der Gesundheit der Bevölkerung freigehalten werden (HOFSTETTER, Ortsplanung, ZBl 1959 S. 292; BLANC, Das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Enteignung, S. 65). Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, dass die Stadt Zürich bereits über genügend grosse Freihalteflächen verfüge, weshalb sich die Schaffung neuer Grünzonen erübrige; sie bestreiten vielmehr, dass es unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Volksgesundheit erforderlich sei, gerade ihre Grundstücke in die Grünzone einzuweisen.
Die Verteilung der Freihalteflächen auf ein Siedlungsgebiet hängt weitgehend von den topographischen Gegebenheiten und dem Vorhandensein unüberbauter Gebiete ab. Es ist zudem auf die Nähe der Schwerpunkte der Besiedelung Rücksicht zu nehmen, da die Erholungsräume für die Bevölkerung leicht zugänglich sein sollen. Für die Wahl eines bestimmten Geländes kann ferner die Überlegung massgebend sein, dass die Freihaltung dieses Geländes nicht nur der öffentlichen Gesundheit diene, sondern auch andere öffentliche Interessen (wie die des Natur- und Heimatschutzes, der städtebaulichen Ästhetik, des Grundwasserschutzes usw.) fördere (vgl. ZBl 1964 S. 220.).
Die Grünzone zwischen dem Käferbergwald und dem Hönggerbergwald verbindet diese bedeutenden Erholungsgebiete der Stadt Zürich. Während die Waldungen hauptsächlich von Spaziergängern besucht werden, eignet sich das verhältnismässig ebene Land "im Grund" zur Schaffung von Sportanlagen. Solche sind denn auch auf den Grundstücken der Beschwerdeführer vorgesehen. Auf diese Weise ergänzt die Grünzone die
BGE 93 I 703 S. 706
bestehenden Erholungsgebiete und rundet sie in topographischer Hinsicht ab. Die Nähe des volksreichen Quartiers Höngg und die guten Verkehrsverbindungen, welche die verlängerte Tièchestrasse schaffen wird, sichern der Grünzone von vorneherein den nötigen Zuspruch von Seiten der städtischen Bevölkerung. Unter dem Gesichtswinkel der Wahrung der Volksgesundheit treten somit beachtliche Gründe dafür ein, das Land "im Grund" und damit auch die Grundstücke der Beschwerdeführer in die Grünzone einzuweisen.
b) Die Erhaltung eines Grüngürtels zwischen dem Käferbergwald und dem Hönggerbergwald bezweckt gleichzeitig eine Gliederung des Siedlungsgebietes. Der kantonale Gesetzgeber geht in § 68b lit. b BauG im Einklang mit der heute herrschenden Auffassung (vgl. ZBl 1964 S. 220; BLANC, a.a.O., S. 65) davon aus, dass auch diese Zielsetzung im öffentlichen Interesse liegt. Die Beschwerdeführer bestreiten das denn auch nicht dem Grundsatze nach, sondern wenden lediglich ein, die Einweisung ihrer Liegenschaften in die Grünzone werde nicht durch das erwähnte öffentliche Interesse gedeckt. Wenn sie geltend machen, die Hochfläche des Hönggerberges würde sich nur als Ganzes, das heisst unter Einschluss des ETH-Areals, als Grünzone eignen, so übersehen sie, dass der in Frage stehenden Grünzone nicht die Aufgabe zukommt, die Quartiere Höngg und Affoltern gegeneinander abzugrenzen, sondern dass sie bestimmt ist, das ETH-Gelände von den Wohnsiedlungen Hönggs abzuheben. Ebenso unbegründet ist der Einwand, wenn schon östlich der verlängerten Tièchestrasse gebaut werde, dann müsse das Bauen auch auf der Westseite gestattet sein. Die Erhaltung einer Grünzone westlich der neuen Strasse bezweckt gerade, ein städtebauliches Gegengewicht gegen die grossen Bauten auf dem ETH-Areal östlich der Strasse zu schaffen. Auch im Hinblick auf den im öffentlichen Interesse liegenden Zonenzweck der Gliederung des Siedlungsgebietes wird die Schaffung der Grünzone im Bereich der Grundstücke der Beschwerdeführer somit durch ernsthafte Gründe gestützt.
c) Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob ein öffentliches Interesse an der Freihaltung der Grundstücke der Beschwerdeführer auch unter dem Gesichtswinkel des Landschaftsschutzes vorliege.
5.
Damit eine Eigentumsbeschränkung das durch die Eigentumsgarantie geforderte öffentliche Interesse für sich hat,
BGE 93 I 703 S. 707
muss indessen nicht nur der damit angestrebte Zweck dem öffentlichen Nutzen dienen; im Sinne des Grundsatzes der Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit muss der betreffende Eingriff vielmehr auch das richtige Mittel zur Erreichung dieses Zieles sein und darf nicht weiter gehen, als zu dessen Verwirklichung erforderlich ist. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt ferner, dass das verfolgte Ziel in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln, den zu seiner Verwirklichung notwendigen Freiheitsbeschränkungen stehe (
BGE 91 I 335
Erw. 2 mit Verweisungen,
BGE 93 I 250
Erw. 3; ZBl 1964 S. 161 Erw. 4, 5).
a) Die Beschwerdeführer machen geltend, das öffentliche Interesse könnte auch durch eine weniger einschneidende Massnahme, wie namentlich durch die Einbeziehung des Landes in die Zone der Einfamilienhäuser (Wohnzone B) befriedigt werden; auch rügen sie, dass nur die Grundstücke privater Grundeigentümer belastet würden, nicht dagegen jene der Eidgenossenschaft und der Stadt. Diese Einwendungen halten einer Überprüfung nicht stand. Würden die Grundstücke der Beschwerdeführer mit Einfamilienhäusern überbaut, dann würde damit ein Übergang vom Wohnquartier Höngg zu den Bauten auf dem ETH-Areal geschaffen. Das städtebauliche Ziel einer Gliederung des Siedlungsgebietes wäre nicht gewahrt. Aus topographischen Gründen kann eine Trennung der beiden Quartiere im fraglichen Bereich nicht durch eine Freihaltung von Land der Stadt oder der Eidgenossenschaft bewerkstelligt werden; der Bund verfügt auf dem Hönggerberg ohnehin nicht über mehr Boden, als für seine Bauten notwendig ist. Würden die Grundstücke der Beschwerdeführer überbaut, so könnte das Land zudem der Bevölkerung nicht mehr in der einen oder andern Form zur Erholung und Entspannung zur Verfügung gestellt werden. Die Freihaltung dieser Grundstücke geht damit nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die angestrebten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziele zu erreichen.
b) Die Beschwerdeführer bringen nichts vor, was auf ein Missverhältnis zwischen den auf dem Spiele stehenden öffentlichen und privaten Interessen schliessen liesse. Der Hinweis darauf, dass in der Nähe der Hochschule Professorenwohnungen bereitgestellt werden sollten, ist unbehelflich. Soweit an der Schaffung von Unterkünften für den Lehrkörper der ETH überhaupt ein öffentliches Interesse besteht, ist es Sache des Bundes
BGE 93 I 703 S. 708
als Träger der Anstalt, hierfür vorzusorgen. Es wird nicht behauptet, dass der Bund den städtischen Behörden einen entsprechenden Antrag unterbreitet habe. Ist dem aber so, dann konnte sich die Stadt nicht veranlasst sehen, die von ihr verfolgten gesundheitspolizeilichen und städtebaulichen Ziele vor anderen öffentlichen Interessen zurücktreten zu lassen. Der Einwand, es sei unzulässig, einen Eingriffaufeinige wenige Grundeigentümer zu beschränken, geht fehl. Dem Wesen der Sache nach sind der Schaffung von Freihaltezonen verhältnismässig enge Grenzen gesetzt; es werden davon stets nur einzelne Grundeigentümer betroffen. Für das Opfer, das sie zugunsten der Allgemeinheit zu erbringen haben, müssen sie entschädigt werden. Die Rechtsprechung, worauf sich die Beschwerdeführer berufen, hat allein auf die Entschädigungsfrage Bezug. Die Stadt Zürich bestreitet indessen nicht, dass sie den Beschwerdeführern den ihnen aus den Eigentumsbeschränkungen erwachsenden Schaden zu ersetzen hat. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
49f93ddf-87bf-417b-b354-ad192d75a585 | Urteilskopf
109 IV 113
31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Juli 1983 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 165 Ziff. 1, 170 StGB
; Fortsetzungszusammenhang, Verjährung.
1. Fortsetzungszusammenhang zwischen der Erschleichung eines Nachlassvertrages und dem leichtsinnigen Konkurs verneint (E. 1a).
2. Wenn mehrere Bankrotthandlungen zum leichtsinnigen Konkurs führen, macht sich der Täter nur der einfachen Tatbegehung schuldig. Die Verjährung beginnt mit der letzten Einzelhandlung zu laufen (E. 1c). | Sachverhalt
ab Seite 114
BGE 109 IV 113 S. 114
A.-
Die Kollektivgesellschaft E. K. in O. wurde im Jahre 1964 in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt, wobei Dr. K. als alleiniger Komplementär unbeschränkt haftete und seine damalige Gattin sowie seine Tante als Kommanditärinnen mit Fr. 10'000.-- bzw. Fr. 40'000.-- beteiligt waren.
Im Jahre 1970 geriet die von Dr. K. geleitete Firma zufolge betrieblicher und ausserbetrieblicher Umstände in die Verlustzahlen. Gemäss Abschlussbericht für das Jahr 1973 befand sie sich in einer bedenklichen finanziellen Situation. Nebst erheblichen Verlusten war eine gefährliche Liquiditätsklemme ausgewiesen. Um den Finanzengpass zu beheben und die existenznotwendigen Rationalisierungsmassnahmen durchzuführen, wurden Betriebsmittel in der Höhe von ca. 15 Mio. Franken benötigt. Zu diesem Zweck wandte sich K. an zweifelhafte Geschäftsleute und tätigte mit ihnen risiko- und verlustreiche Finanzgeschäfte. Als Folge seines ruinösen Geschäftsgebarens erhöhten sich die Passiven der Firma um ca. Fr. 900'000.-- und verringerten sich überdies die Aktiven um ungefähr denselben Betrag. Der dringend benötigte Kredit blieb indessen aus.
Am 16. Januar 1975 gewährte das Obergericht des Kantons Aargau eine Nachlassstundung, und am 16. Juli 1975 wurde ein Nachlassvertrag mit Stundungsvergleich gerichtlich bestätigt. Da dieser auf unredliche Weise zustandegekommen war, wurde er am 1. Dezember 1975 gestützt auf
Art. 316 SchKG
widerrufen. In der Folge konnte der Firmenkonkurs mit Wirkung auf den 27. Februar 1976 nicht vermieden werden. Diesem folgte am 29. Juni 1977 die Eröffnung des Konkurses über den unbeschränkt haftenden Komplementär Dr. K.
B.-
Mit Entscheid des Bezirksgerichtes Aarau vom 24. Februar 1982 wurde K. des leichtsinnigen Konkurses nach
Art. 165 Ziff. 1 StGB
und der Erschleichung eines gerichtlichen Nachlassvertrages nach
Art. 170 StGB
schuldig befunden und mit 4 Monaten Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer Probezeit von 2 Jahren bestraft. Die 1. Strafkammer des
BGE 109 IV 113 S. 115
Obergerichtes des Kantons Aargau bestätigte am 20. Januar 1983 das angefochtene Urteil vollumfänglich.
C.-
K. führt gegen das obergerichtliche Urteil eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung des Angeschuldigten, eventuell zur Einstellung des Verfahrens wegen eingetretener Verjährung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer rügt, die ihm zur Last gelegten Delikte seien verjährt, weshalb er freizusprechen bzw. das gegen ihn geführte Verfahren einzustellen sei.
a) Zunächst ist zu prüfen, ob ein Fortsetzungszusammenhang zwischen der Erschleichung des Nachlassvertrages und dem leichtsinnigen Konkurs besteht, da sich danach der Zeitpunkt der letzten für die Verjährung massgebenden Tathandlung bestimmt.
Ein fortgesetztes Delikt liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes dann vor, wenn gleichartige oder ähnliche Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet sind, auf ein und denselben Willensentschluss zurückgehen (
BGE 102 IV 77
E. 2a).
Im vorliegenden Fall ist einerseits die Identität des geschützten Rechtsgutes nicht gegeben. Die Erschleichung eines Nachlassvertrages stellt primär ein Delikt gegen die Rechtspflege dar (ordnungsgemässe Durchführung des Nachlassvertragsverfahrens), und es richtet sich nur mittelbar gegen die Gläubigerinteressen (
BGE 84 IV 161
), während die Konkursdelikte in erster Linie die Ansprüche der Gläubiger beeinträchtigen (
BGE 74 IV 37
).
Andererseits ist auch die Voraussetzung der ähnlichen oder gleichartigen Handlungen nicht erfüllt. Dem Beschwerdeführer wird leichtsinniger Konkurs vorgeworfen, weil er zum einen allzu riskante bzw. unverhältnismässige Sanierungsmöglichkeiten verfolgte (Ausstellung von Wechseln, Vorausleistungen und Kartonlieferungen an zweifelhafte Geschäftsleute, Vollmacht an B., Beizug teurer Rationalisierungsexperten) und zum anderen betriebsfremde und aufwendige Investitionen tätigte (Zeitungsprojekt). Mithin gereichen ihm hinsichtlich dieses Deliktes seine ruinösen Geschäftspraktiken zum Vorwurf. Dagegen hat er den Nachlassvertrag erschlichen, indem er Gläubigerversammlung und Gericht im Glauben liess, termingerecht und bedingungslos über einen grösseren Kredit zu verfügen und die diesbezüglich unwahren Angaben des B.
BGE 109 IV 113 S. 116
nicht richtigstellte. Diese Sachverhalte können nach natürlicher Betrachtungsweise nicht als ähnlich oder gar gleichartig angesehen werden, selbst wenn der Beschwerdeführer damit denselben Zweck verfolgte, nämlich den drohenden Konkurs abzuwenden.
Aus diesen Gründen ist ein Fortsetzungszusammenhang zwischen den beiden Delikten nicht gegeben.
b) Hinsichtlich des Tatbestandes der Erschleichung eines gerichtlichen Nachlassvertrages begann die Verjährungsfrist gemäss
Art. 71 Abs. 4 StGB
mit jenem Tag zu laufen, an welchem das irreführende Verhalten des Beschwerdeführers aufhörte. Die massgebende Gläubigerversammlung fand am 30. Juni 1975 statt, und der vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Nachlassvertrag mit Stundungsvergleich wurde am 16. Juli 1975 gerichtlich bestätigt. Da die ordentliche Verjährungsfrist von 5 Jahren durch Untersuchungshandlungen unterbrochen wurde und die absolute Verjährungsfrist von 7 1/2 Jahren am 16. Juli 1975 zu laufen begann, ist die Verjährung am 17. Januar 1983 eingetreten (
BGE 97 IV 238
), also vor der am 20. Januar 1983 erfolgten Beurteilung durch die Vorinstanz. Somit wurde der Beschwerdeführer zu Unrecht der Erschleichung eines gerichtlichen Nachlassvertrages schuldig befunden. Er ist von dieser Anklage freizusprechen; evtl. hat gemäss kantonalem Prozessrecht die Einstellung des Verfahrens bezüglich dieses Tatbestandes zu erfolgen. Dies wird im Straf- und allenfalls nach kantonalem Recht im Kostenpunkt zu berücksichtigen sein.
c) Was die Verjährung des Konkursdeliktes betrifft, schliesst nach Ansicht des Beschwerdeführers der Umstand, dass die einzelnen ihm vorgeworfenen Handlungen nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig begangen wurden, begrifflich die Annahme eines fortgesetzten Deliktes aus, welche Begehungsform die Vorinstanzen dem Schuldspruch nach
Art. 165 Ziff. 1 StGB
zugrunde legten (zum Begriff des fortgesetzten Deliktes:
BGE 107 IV 83
E. 3b;
BGE 107 Ib 75
E. 3a;
102 IV 77
E. 2a;
BGE 91 IV 66
E. 1a).
Die Formulierung des Tatbestandes von
Art. 165 Ziff. 1 StGB
geht nicht von der üblichen Unterscheidung der Schuldformen von Vorsatz und Fahrlässigkeit aus, sondern umschreibt das vorwerfbare Verhalten im Gesetzestext selbst durch unbestimmte Rechtsbegriffe wie arger Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit, gewagte Spekulationen, etc., womit eine einheitliche Grundhaltung zum Ausdruck kommt, von welcher das Tun oder Unterlassen des Täters getragen ist. Verursacht oder verschlimmert der Täter seine Lage durch mehrere vom Gesetzgeber gekennzeichnete Tätigkeiten, so
BGE 109 IV 113 S. 117
ist dieses ganze Verhalten als eine Einheit aufzufassen (THORMANN/VON OVERBECK, BT N 7 zu Art. 165). Ein mehrerer leichtsinniger Bankrotthandlungen schuldiger Täter ist daher nur wegen einfachen leichtsinnigen Konkurses gemäss
Art. 165 Ziff. 1 StGB
zu bestrafen. Die Einzelhandlungen sind von der einheitlichen Grundhaltung (Leichtsinn) getragen, auf den gleichen Erfolg (Gefährdung der Gläubigerrechte) gerichtet und durch dieselbe Strafbarkeitsbedingung (Konkurseröffnung) zu einer Einheit zusammengefasst (SCHWANDER, SJK Nr. 1129, S. 4/5, SJK Nr. 1128, S. 12, GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, S. 298). In diesem Sinne ist die Zusammenfassung mehrerer zum leichtsinnigen Konkurs führender Handlungen zu einem fortgesetzten Delikt unnötig, weil sie schon im gesetzlichen Tatbestand enthalten ist. Indem die Vorinstanz diesen Ausdruck untechnisch verwendet hat, brachte sie lediglich zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer das Delikt durch eine Mehrheit von Einzelakten verwirklicht hat.
Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz beging der Beschwerdeführer die einzelnen Tathandlungen seit 1970 (Zeitungsprojekt) mindestens bis zum 10. September 1975 (Kartonlieferung nach Belgien), eventuell bis zur Konkurseröffnung am 27. Februar 1976. Am Tag der letzten Handlung begann die Verjährungsfrist von 7 1/2 Jahren zu laufen. Diese war folglich (von welchem der beiden Daten man auch ausgehen will) am Tag der Ausfällung des obergerichtlichen Urteils noch nicht abgelaufen. Die Vorinstanz hat daher zu Recht die vom Beschwerdeführer behauptete Verjährung des leichtsinnigen Konkurses verneint.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil der 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aargau vom 20. Januar 1983 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
49fc0deb-9759-4c58-afa2-f05f32f8fbef | Urteilskopf
80 III 131
29. Entscheid vom 26. November 1954 i.S. Stöcklin. | Regeste
Die Beschwerde im Sinne von
Art. 17 SchKG
ist gegen Entscheidungen der Nachlassbehörde (hier: Wahl des Sachwalters gemäss
Art. 295 SchKG
) nicht zulässig. | Sachverhalt
ab Seite 132
BGE 80 III 131 S. 132
Am 11. September 1954 bewilligte der Kreisgerichtsausschuss Chur der Firma Ed. Engeli & Co. eine Nachlassstundung und ernannte neben dem Konkursbeamten Johann Erni in Chur Dr. Ernst Keller in Zürich zum Sachwalter. Gegen diese Wahl führte der Gläubiger Walter Stöcklin bei der kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde. Den Nichteintretensentscheid dieser Behörde vom 5. November 1954 hat er an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen. Diese weist den Rekurs ab.
Erwägungen
Erwägungen:
Die Bestellung des Sachwalters lag dem Kreisgerichtsausschuss als Nachlassbehörde ob (
Art. 295 SchKG
). Entscheidungen der Nachlassbehörde unterliegen nicht der Beschwerde im Sinne von
Art. 17 SchKG
an die zur Überwachung der Betreibungs- und Konkursämter bestellte Aufsichtsbehörde (
BGE 23 I 949
;
BGE 38 I 638
/39 = Sep. ausg. 15 Nr. 50 S. 219; JAEGER N. 4 zu Art. 17 und N. 2 zu
Art. 19 SchKG
). Die Literaturstellen und Entscheide, die der Rekurrent anführt, sagen nichts Gegenteiliges. Mit der "Beschwerde" gegen die Ernennung eines ungeeigneten Sachwalters, von der bei JAEGER/DAENIKER, Schuldbetreibungs- und Konkurspraxis der Jahre 1911-1945, in N. 3 zu
Art. 295 SchKG
die Rede ist, kann nur die Anrufung der obern Nachlassbehörde gemeint sein. Nur davon spricht der an dieser Kommentarstelle zitierte Entscheid Bl. Z. R. 15 Nr. 219. Auch der Entscheid ZBJV 76 S. 591 ist ein solcher der obern Nachlassbehörde (vgl. S. 592 vor Ziff. 2). Im Falle SJZ 19 S. 138 Nr. 112 (Amtsbericht des Kantonsgerichtes St. Gallen
BGE 80 III 131 S. 133
1921 Nr. 24) handelt es sich um einen Entscheid der Rekurskommission des Kantonsgerichts, nicht der kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs, über eine Beschwerde im Sinne von Art. 336 des Gesetzes betr. die Zivilrechtspflege für den Kanton St. Gallen vom 31. Mai 1900. | null | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4a0389d2-b38f-4394-8345-e5b034b9f9fc | Urteilskopf
135 II 105
11. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Migration gegen X. und Amt für Migration Basel-Landschaft (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_643/2008 vom 29. Januar 2009 | Regeste
Art. 5 Ziff. 1 lit. b und f EMRK
,
Art. 78 und 79 AuG
; Verhältnismässigkeit einer ausländerrechtlichen Festhaltung über zwanzig Monate hinaus.
Je länger eine ausländerrechtlich motivierte Festhaltung dauert und je weniger die Ausschaffung absehbar erscheint, desto kritischer ist die jeweilige Haftverlängerung zu hinterfragen (E. 2.1 und 2.2). Bei den in
Art. 79 AuG
genannten 24 Monaten handelt es sich um eine Maximalfrist, die nur im Rahmen des konventions- und verfassungsmässig Zulässigen ausgeschöpft werden darf; Beurteilung einer ausländerrechtlichen Festhaltung, die bereits zwanzig Monate gedauert hat (E. 2.3). | Sachverhalt
ab Seite 106
BGE 135 II 105 S. 106
X. (geb. 1966) stammt aus Marokko. Er heiratete am 12. September 2002 eine Schweizer Bürgerin. Am 29. April 2004 wurde den Eheleuten das Getrenntleben gestattet, nachdem sie bereits zuvor den gemeinsamen Haushalt aufgehoben hatten. Am 30. Juni 2004 kam der gemeinsame Sohn Y. zur Welt, der unter der Obhut der Mutter steht. Das Amt für Migration des Kantons Basel-Landschaft lehnte es am 24. Februar 2005 ab, die Aufenthaltsbewilligung von X. zu verlängern, was das Bundesgericht auf Beschwerde hin am 20. Juli 2006 bestätigte.
Zur Sicherstellung des Wegweisungsvollzugs befand sich X. ab dem 8. November 2006 in Ausschaffungshaft. Diese Festhaltung wurde zweimal um je drei Monate verlängert. Ab dem 7. August 2007 versetzte das Amt für Migration Basel-Landschaft X. in Durchsetzungshaft. Am 2. Juli 2008 lehnte der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Kantonsgericht Basel-Landschaft eine weitere Verlängerung der Haft ab und liess X. frei.
Das Bundesamt für Migration ist am 9. September 2008 mit dem Antrag an das Bundesgericht gelangt, diesen Entscheid aufzuheben. Das Bundesgericht weist seine Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Sowohl das Bundesamt für Migration als auch das Amt für Migration Basel-Landschaft und der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen gehen davon aus, dass der Beschwerdegegner an sich die Voraussetzungen für eine weitere Verlängerung der Durchsetzungshaft erfüllt (vgl.
Art. 78 Abs. 1 und 2 AuG
[SR 142.20]): Er ist rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen worden, weigert sich jedoch nach wie vor, das Land zu verlassen, und kann zurzeit nur in seine Heimat verbracht werden, falls er bereit ist, freiwillig dorthin zurückzukehren, da (im Moment) keine Sonderflüge nach Marokko durchgeführt werden können. Umstritten ist, ob der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen davon ausgehen durfte, dass eine weitere Verlängerung der Festhaltung mit Blick auf die Umstände unverhältnismässig gewesen wäre. Die Frage ist entgegen den Ausführungen des Bundesamts zu bejahen, auch wenn in der Regel die Weigerung zu kooperieren für sich allein die Durchsetzungshaft bzw.
BGE 135 II 105 S. 107
deren allfällige Verlängerung nicht bereits als unverhältnismässig erscheinen lässt, da es sich dabei um eine Haftvoraussetzung handelt (vgl.
BGE 134 I 92
E. 2.3;
BGE 134 II 201
E. 2.2.4 S. 205).
2.2
2.2.1
Zweck der Durchsetzungshaft ist es, die ausreisepflichtige Person in jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach Ablauf der Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten Weg- oder Ausweisung - trotz entsprechender behördlicher Bemühungen - ohne ihre Kooperation nicht (mehr) möglich erscheint (vgl.
Art. 78 AuG
). Der damit verbundene Freiheitsentzug stützt sich auf
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK
(Haft zur Sicherung eines schwebenden Ausweisungsverfahrens) und dient in diesem Rahmen zur Erzwingung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung des Betroffenen (
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
; vgl.
BGE 134 I 92
E. 2.3.1). Die Durchsetzungshaft bildet das letzte Mittel, wenn und soweit keine andere Massnahme (mehr) zum Ziel führt, den illegal anwesenden Ausländer auch gegen seinen Willen in seine Heimat verbringen zu können. Sie darf nach dem Willen des Gesetzgebers maximal 18 Monate dauern (
BGE 134 I 92
E. 2.1 und 2.3.1;
BGE 133 II 97
E. 2.2 S. 99 f. [zu
Art. 13g ANAG
]), muss aber in jedem Fall verhältnismässig sein. Die Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dürfen zusammen eine Höchstdauer von 24 Monaten nicht überschreiten (
Art. 79 AuG
). Es ist jeweils aufgrund der Umstände im Einzelfall zu prüfen, ob die ausländerrechtliche Festhaltung insgesamt (noch) geeignet bzw. erforderlich erscheint und nicht gegen das Übermassverbot verstösst (
BGE 134 I 92
E. 2.3.2;
BGE 133 II 97
E. 2.2 S. 100 [zu
Art. 13g ANAG
]; AB 2005 N 1209 f.).
2.2.2
Bei dieser Beurteilung ist dem Verhalten des Betroffenen, den die Papierbeschaffung allenfalls erschwerenden objektiven Umständen (ehemalige Bürgerkriegsregion usw.) sowie dem Umfang der von den Behörden bereits getroffenen Abklärungen Rechnung zu tragen und zu berücksichtigen, wieweit der Ausländer es tatsächlich in der Hand hat, die Festhaltung zu beenden, indem er seiner Mitwirkungs- bzw. Ausreisepflicht nachkommt (
BGE 134 I 92
E. 2.3.2 S. 97). Von Bedeutung können zudem seine familiären Verhältnisse sein sowie der Umstand, dass er allenfalls wegen seines Alters, Geschlechts oder Gesundheitszustands als "besonders schutzbedürftig" gelten muss (vgl.
BGE 134 II 201
E. 2.2.3 S. 205). Das mutmassliche künftige Verhalten des Betroffenen ist jeweils aufgrund
BGE 135 II 105 S. 108
sämtlicher
Umstände abzuschätzen; dabei kommt dem Haftrichter wegen der Unmittelbarkeit seiner Kontakte mit dem Betroffenen ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Ein erklärtes konsequent unkooperatives Verhalten bildet in diesem Rahmen nur einen - allenfalls aber gewichtigen - Gesichtspunkt unter mehreren (
BGE 134 II 201
E. 2.2.4;
BGE 134 I 92
E. 2.3.2 S. 97). Je länger die ausländerrechtlich motivierte Festhaltung dauert und je weniger die Ausschaffung absehbar erscheint, desto strengere Anforderungen sind an die fortbestehende Hängigkeit des Ausweisungsverfahrens im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK
zu stellen und desto kritischer ist die jeweilige Haftverlängerung zu hinterfragen (
BGE 134 II 201
E. 2.2.5 S. 206).
2.3
2.3.1
Der Beschwerdeführer hat sich - seit seiner Inhaftierung im November 2006 - konsequent geweigert, in irgendeiner Form mit den Behörden zusammenzuarbeiten und das Land freiwillig zu verlassen. Seine Identität ist erstellt, doch kann er nicht gegen seinen Willen zwangsweise nach Marokko verbracht werden; die Behörden können ihrerseits nichts mehr vorkehren, um seine Ausschaffung weiter voranzutreiben und dem konventionsrechtlichen Beschleunigungsgebot von
Art. 5 Ziff. 1 lit. f EMRK
nachzukommen (vgl.
BGE 134 II 201
E. 2.2.5;
BGE 134 I 92
E. 2.3.1 S. 96; Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Singh gegen Tschechien
vom 25. Januar 2005 [Nr. 60538/00], § 61 ff.). Der Beschwerdegegner hat in der Schweiz einen Sohn, gegenüber dem er ein Besuchsrecht besitzt, das er offenbar seit seiner Haftentlassung wahrnimmt (vgl. das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Mehmet gegen Niederlande
vom 11. Juli 2000,
Recueil CourEDH 2000-VIII S. 291
ff.). Ein Wiedererwägungsverfahren hinsichtlich der Bewilligungsfrage ist zurzeit hängig. Wenn der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht mit Blick auf die bereits ausgestandene Festhaltung von zwanzig Monaten und auf das glaubwürdig geltend gemachte Interesse am Kontakt zum Sohn davon ausgegangen ist, es sei unverhältnismässig, die Durchsetzungshaft weiter aufrechtzuerhalten, hielt er sich im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens.
2.3.2
Der vorliegende Fall kann nicht mit dem in
BGE 134 II 201
ff. beurteilten Sachverhalt verglichen werden: Dort befand sich der Betroffene "erst" seit dreizehn Monaten ausländerrechtlich in Haft; zudem hatte er keinerlei Beziehungen zur Schweiz und war er hier
BGE 135 II 105 S. 109
straffällig geworden. Unmittelbar vor seiner Festhaltung musste er an dem ihm zugewiesenen Aufenthaltsort wegen einer Tätlichkeit angehalten werden. Gestützt hierauf konnte nicht mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass er sich während der verbleibenden möglichen Maximalzeit doch noch eines Bessern besinnen und sich bereit erklären würde, das Land zu verlassen. Der Beschwerdegegner hat in der Schweiz einen Bruder, bei dem er wohnen und der ihn unterstützen kann; offenbar ist er inzwischen auch am 21. Januar 2008 vom Vorwurf der versuchten Nötigung und Beschimpfung freigesprochen worden. Seit der Haftentlassung nimmt er das ihm eingeräumte Besuchsrecht zu seinem Sohn regelmässig wahr. Sollte das gestützt hierauf von ihm eingeleitete bewilligungsrechtliche Wiedererwägungsverfahren ohne Erfolg bleiben, wird er für die restlichen vier Monate ausländerrechtlicher Haft erneut festgehalten werden können, falls sich die Verhältnisse derart verändern sollten, dass seine Ausschaffung nach Marokko vernünftigerweise wieder absehbar erscheint. In der Zwischenzeit wäre seine Anwesenheit illegal und könnte zu strafrechtlichen Sanktionen führen (vgl.
Art. 115 AuG
;
BGE 135 IV 6
); ausländerrechtlich bleibt gegebenenfalls seine Aus- oder Eingrenzung zulässig (vgl.
Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG
).
2.3.3
Zwar mag es stossend erscheinen, dass der Beschwerdegegner letztlich wegen seines renitenten Verhaltens vor Ablauf der in
Art. 79 AuG
vorgesehenen Festhaltungsdauer wieder auf freien Fuss gesetzt werden muss; bei den dort genannten 24 Monaten handelt es sich jedoch um eine
Maximal
frist, die nur im Rahmen des konventions- und verfassungsmässig Zulässigen ausgeschöpft werden darf. Dies setzt unter anderem voraus, dass die Festhaltung im konkreten Fall mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit nach wie vor geeignet erscheint, ihren Zweck zu erfüllen, und nicht gegen das Übermassverbot verstösst. Dessen war sich der Gesetzgeber bewusst, wurde doch in den Beratungen - auch von den Befürwortern der Verschärfung der Zwangsmassnahmen - zugestanden, "dass nicht in jedem Fall eine Haft über die ganze Dauer ausgesprochen werden kann und wird". Wer "sich weigert, ein Formular auszufüllen", könne nicht monatelang in Haft genommen werden; das sei "klar". Die Haftdauer müsse nach der "Schwere der Mitwirkungsverweigerung" bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit durch den Richter berücksichtigt werden (vgl. AB 2005 N 1209 f. [Votum Kommissionssprecher Müller]). Ergänzend kann darauf hingewiesen
BGE 135 II 105 S. 110
werden, dass die EU-Rückführungsrichtlinie, welche Teil des Schengen-Besitzstands bildet und von der Schweiz innert einer Übergangsfrist von 24 Monaten umzusetzen sein wird, eine Abschiebehaft von bloss sechs Monaten vorsieht, die maximal bis zu 18 Monaten verlängert werden kann, falls der Betroffene nicht kooperiert oder es zu Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten kommt (vgl. Art. 15 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98 ff.). | public_law | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4a107533-46a1-4a9d-82ca-27c5a99ddd1a | Urteilskopf
134 V 250
30. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Sozialversicherungen gegen G. und F. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_538/2007 vom 28. April 2008 | Regeste
Art. 3 Abs. 1 und
Art. 9 Abs. 1 AHVG
;
Art. 17 und 23 AHVV
;
Art. 18 Abs. 2 DBG
; Beitragspflicht auf Mieterträgen von sich im Geschäftsvermögen befindenden Liegenschaften.
Mieterträge aus Liegenschaften, die zum Geschäftsvermögen gehören, unterliegen kraft dieses Umstandes als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit der AHV-Beitragspflicht (E. 4.3).
Belassen die Erben von Liegenschaften diese nach dem Erbgang im Geschäftsvermögen, so müssen sie sich AHV-rechtlich - gleich wie im Steuerrecht - eine selbstständige Erwerbstätigkeit entgegenhalten lassen, selbst wenn sie die Geschäftstätigkeit des Erblassers nicht fortsetzen (E. 5.2). | Sachverhalt
ab Seite 251
BGE 134 V 250 S. 251
A.
Durch Erbgang sind mehrere Liegenschaften in das Eigentum von G., F. und H. übergegangen. Die Eigentümer bilden die einfache Gesellschaft X. Sie hat zu ihrem Zweck die Verwaltung, den Kauf und Verkauf von Liegenschaften. Wie bereits vor dem Erbgang werden die Liegenschaften steuerrechtlich auch heute als Geschäftsvermögen behandelt. Die aus der Vermietung der Liegenschaften erzielten Erlöse gehen zu gleichen Teilen an die Teilhaber der einfachen Gesellschaft.
Die Ausgleichskasse des Kantons Wallis teilte G. und F. am 22. Dezember 2006 mit, sie würden ab dem 1. Januar 2001 als Selbstständigerwerbende der Ausgleichskasse angeschlossen. Mit Verfügungen vom 22. Dezember 2006 setzte sie die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge rückwirkend für die Jahre 2001 bis 2006 fest. Der Beitragsbemessung legte sie die in den überprüften Steuerdeklarationen festgehaltenen anteilsmässigen Mieterträge aus den im Rahmen der einfachen Gesellschaft bewirtschafteten Liegenschaften zugrunde. Die von G. und F. gegen die Beitragsverfügungen erhobenen Einsprachen hiess die Ausgleichskasse mit Entscheiden vom 17. und 29. Januar 2007 unter anderem in dem Sinne teilweise gut, als sie einen Abzug für den Zins auf dem eingesetzten Eigenkapital vornahm.
B.
Die hiegegen eingereichten Beschwerden hiess das Kantonale Versicherungsgericht des Wallis nach Vereinigung der Verfahren mit Entscheid vom 13. Juni 2007 gut und hob die Einspracheentscheide vom 17. und 29. Januar 2007 im Sinne der Erwägungen auf. Das Gericht erkannte, die Liegenschaftenerträge stellten Einnahmen aus privater Vermögensverwaltung dar, welche nicht der AHV-Beitragspflicht unterlägen.
C.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.
G. und F. schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Ausgleichskasse unterstützt das Rechtsbegehren des BSV.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
BGE 134 V 250 S. 252
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
(...)
1.2
Grundsätzlich wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (
Art. 106 Abs. 1 BGG
). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Rechtsverletzungen und Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl.
BGE 132 II 257
E. 2.5 S. 262;
BGE 130 III 136
E. 1.4 S. 140).
1.3
Eine Rüge, die Liegenschaften seien zu Unrecht als dem Geschäftsvermögen zugehörig erachtet worden, bringen die Parteien nicht vor. Bereits mit Blick auf die Tatsache, dass die willentliche Zuordnung seit Jahren Bestand hat, kann nicht gesagt werden, die rechtliche Qualifizierung der Liegenschaften als Geschäftsvermögen sei geradezu offensichtlich falsch (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 118/95 vom 20. Mai 1997, E. 3a). Die Frage der Zuordnung braucht daher vom Bundesgericht nicht weiter überprüft zu werden.
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die aus der Vermietung der sich im Geschäftsvermögen befindenden Liegenschaften erzielten Erträge Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit oder aus privater Vermögensverwaltung darstellen. Hiebei handelt es sich um eine Rechtsfrage, welche das Bundesgericht mit uneingeschränkter Kognition prüft (
Art. 95 BGG
).
3.
3.1
Gemäss
Art. 4 Abs. 1 AHVG
schulden die erwerbstätigen Versicherten Beiträge auf dem aus einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit fliessenden Einkommen. Nach
Art. 9 Abs. 1 AHVG
ist Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit jedes Erwerbseinkommen, das nicht Entgelt für in unselbstständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt. Als selbstständiges Einkommen gelten laut
Art. 17 AHVV
(SR 831.101; in der hier anwendbaren Fassung gemäss Änderung vom 1. März 2000, in Kraft seit 1. Januar 2001, i.V. mit SchlBest. der Änderung Abs. 1) alle in selbstständiger Stellung erzielten Einkünfte aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Land- und Forstwirtschaftsbetrieb, aus einem freien Beruf, sowie aus jeder anderen selbstständigen
BGE 134 V 250 S. 253
Erwerbstätigkeit, einschliesslich der Kapital- und Überführungsgewinne nach
Art. 18 Abs. 2 DBG
(SR 642.11) und der Gewinne aus der Veräusserung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken nach
Art. 18 Abs. 4 DBG
, mit Ausnahme der Einkünfte aus zu Geschäftsvermögen erklärten Beteiligungen nach
Art. 18 Abs. 2 DBG
. Nicht unter den Begriff der selbstständigen Erwerbstätigkeit im Sinne von
Art. 9 Abs. 1 AHVG
und
Art. 17 AHVV
fällt die blosse Verwaltung des eigenen Vermögens; der daraus resultierende reine Kapitalertrag unterliegt daher nicht der Beitragspflicht. Gleiches gilt in Bezug auf Gewinne aus privatem Vermögen, welche in Ausnützung einer zufällig sich bietenden Gelegenheit erzielt worden sind. Anderseits stellen Kapitalgewinne aus der Veräusserung oder Verwertung von Gegenständen des Privatvermögens, wie Wertschriften oder Liegenschaften, auch bei nicht buchführungspflichtigen (Einzel-)Betrieben, Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit dar, wenn und soweit sie auf gewerbsmässigem Handel beruhen (
BGE 125 V 383
E. 2a S. 385 mit Hinweisen).
3.2
Wie das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil H 174/04 vom 2. Dezember 2004, E. 4.2, publ. in: SVR 2005 AHV Nr. 16 S. 53, erwogen hat, nimmt
Art. 17 AHVV
(in der bis 31. Dezember 2000 gültig gewesenen Fassung) die in
Art. 18 Abs. 1 DBG
verwendeten Begriffe wieder auf und verweist überdies bezüglich der Kapital- und Überführungsgewinne auf
Art. 18 Abs. 2 DBG
sowie hinsichtlich der Gewinne aus der Veräusserung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken auf
Art. 18 Abs. 4 DBG
. Die Bestimmung führt somit bei der Umschreibung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit zu einer Harmonisierung zwischen dem Beitragsrecht der AHV und dem Steuerrecht. Soweit das AHVG und die AHVV keine abweichende Regelung enthalten, unterliegen grundsätzlich alle steuerbaren Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit auch der Beitragspflicht (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 17/05 vom 6. Juli 2005, E. 3.2, publ. in: SVR 2006 AHV Nr. 4 S. 12; HANSPETER KÄSER, Die Auswirkungen des DBG, in: René Schaffhauser/Ueli Kieser [Hrsg.], Aktuelle Fragen aus dem Beitragsrecht der AHV, St. Gallen 1998, S. 49 ff., 57).
3.3
Die Ausgleichskassen haben ohne Bindung an die Steuermeldung aufgrund des AHV-Rechts zu beurteilen, wer für ein von der Steuerbehörde gemeldetes Einkommen beitragspflichtig ist. Allerdings sollen sich die Ausgleichskassen bei der Qualifikation gemeldeter Einkünfte in der Regel auf die Steuermeldungen verlassen und
BGE 134 V 250 S. 254
eigene nähere Abklärungen nur dann vornehmen, wenn sich ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der Steuermeldung ergeben (
BGE 121 V 80
E. 2c S. 83;
BGE 114 V 72
E. 2 S. 75;
BGE 111 V 289
E. 3c S. 294;
BGE 110 V 83
E. 4 S. 86 und 369 E. 2a S. 370;
BGE 102 V 27
E. 3b S. 30 mit Hinweisen; AHI 1993 S. 221, H 33/91).
4.
4.1
4.1.1
Das kantonale Versicherungsgericht hat unter anderem erwogen, es sei keine Erwerbsabsicht im Sinne des Gesetzes erkennbar. Mit dem Erbgang sei eine für die Beitragspflicht relevante Änderung des Gesellschaftszwecks verbunden gewesen und die Tätigkeit der Gesellschafter beschränke sich auf die Verwaltung und Nutzung der gemeinsamen Liegenschaften. Ein Handel mit Liegenschaften sei hingegen nicht betrieben worden. Die Erträge stünden ferner nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer ähnlichen haupt- oder nebenberuflich ausgeübten erwerblichen Tätigkeit. Zu schliessen sei auf eine persönliche Vermögensverwaltung in Form einer grossen privaten Vermögensanlage.
4.1.2
Das BSV macht geltend, eine Überführung der Liegenschaften vom Geschäfts- in das Privatvermögen sei nicht aktenkundig. Es sei weiterhin von Geschäftsvermögen auszugehen, weshalb die aus der Vermietung der Liegenschaften erzielten Einnahmen beitragspflichtiges Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit darstellen. Es müsse nicht geprüft werden, ob zusätzlich eine planmässige, über die blosse Vermögensverwaltung hinausgehende Anlage, Nutzung oder Verwertung vorliege.
4.2
Gemäss
Art. 18 Abs. 2 Satz 3 DBG
gelten als Geschäftsvermögen alle Vermögenswerte, die ganz oder vorwiegend der selbstständigen Erwerbstätigkeit dienen. Der Begriff des Geschäftsvermögens setzt sich steuerrechtlich somit aus zwei Tatbestandsmerkmalen zusammen, einer selbstständigen Erwerbstätigkeit einerseits und dem Umstand, dass der fragliche Vermögensgegenstand dieser tatsächlich dient anderseits (PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, Therwil/Basel 2001, N. 44, 124 zu
Art. 18 DBG
). Es sind keine Gründe erkennbar, sozialversicherungsrechtlich einen Zusammenhang zwischen
BGE 134 V 250 S. 255
Geschäftsvermögen und selbstständiger Erwerbstätigkeit zu verneinen. Schon aus begrifflicher Sicht kann nicht gesagt werden, Erträge aus der Bewirtschaftung von Geschäftsvermögen seien Einkünfte aus privater Vermögensverwaltung. Dass gleich wie im Steuerrecht auch im AHV-Beitragsrecht eine Verbindung zwischen Geschäftsvermögen und selbstständiger Erwerbstätigkeit besteht, erhellt namentlich aus
Art. 17 AHVV
. Danach unterliegen Überführungsgewinne nach
Art. 18 Abs. 2 DBG
der Beitragspflicht; diese stellen demzufolge Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit dar. Es wäre nicht einsichtig, Erträge aus der Vermietung von Liegenschaften, welche sich im Geschäftsvermögen befinden, von der AHV-Beitragspflicht auszunehmen, im Fall der Überführung derselben in das Privatvermögen jedoch die daraus erzielten Gewinne der Beitragspflicht zu unterstellen. Daran vermag nichts zu ändern, wenn im Urteil 2A.52/2003 vom 23. Januar 2004, publ. in: StE 2004 A 21.14 Nr. 15, das Bundesgericht festgehalten hat, die Vermietung von Liegenschaften gehöre ausgesprochen zur üblichen Verwaltung privaten Anlagevermögens. In dieser Sache war - anders als hier - gerade streitig, ob die Liegenschaften dem Geschäftsvermögen zuzuordnen sind oder nicht. Die Ausführungen des Bundesgerichts sind mithin im Rahmen der Klärung der Zuteilungsfrage erfolgt.
Das Eidg. Versicherungsgericht hat sodann im Zusammenhang mit Einkommen aus Liegenschaftenhandel und -vermietung entschieden, der Grundsatz der parallelen Verabgabung von Vermögensgewinn und Vermögensertrag sei bei Annahme von Geschäftsvermögen zwingend (Urteil H 210/06 vom 22. Juni 2007, E. 6.3, und Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 36/03 vom 7. Juni 2004, E. 6.5 mit Hinweisen). Nachdem die Überführung von Aktiven vom Geschäfts- in das Privatvermögen regelmässig der Veräusserung gleichgestellt wird (
Art. 18 Abs. 2 DBG
; HANSPETER KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, Bern 1996, Rz. 3.66), muss in Beachtung des Grundsatzes der Parallelität der Verabgabung gelten, dass der aus Liegenschaften vor dieser Überführung erzielte Mietertrag abgaberechtlich gleich behandelt wird, wie der Überführungsgewinn.
4.3
Aus dem Dargelegten erhellt, dass es sich bei den aus der Vermietung von Liegenschaften des Geschäftsvermögens erwirtschafteten Erträgen um Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit handelt, welche der AHV-Beitragspflicht unterliegen. Steht fest, dass die Liegenschaften zum Geschäftsvermögen gehören, braucht nicht zusätzlich geprüft zu werden, ob es sich bei der Vermietung um eine selbstständige Erwerbstätigkeit handelt oder nicht. Diese Frage ist an sich bereits mit der Zuordnung der Liegenschaften zum Geschäftsvermögen beantwortet.
BGE 134 V 250 S. 256
5.
Auch bei gegenteiliger Betrachtungsweise hielte der kantonale Entscheid vor Bundesrecht nicht Stand:
5.1
Der vorinstanzliche Entscheid enthält keine Feststellungen darüber, inwieweit die Beschwerdegegner im Zusammenhang mit Vermietung und Verwaltung der Liegenschaften persönlich tätig geworden sind. Immerhin weisen die Erfolgsrechnungen für die Jahre 2004 und 2005 einen Personalaufwand in der Höhe von Fr. 81'805.10 und Fr. 81'925.50 aus, was im Sinne eines Indizes für ein Tätigwerden der Gesellschafter spricht. Selbst wenn die Beschwerdegegner jedoch im Rahmen der Liegenschaftenverwaltung nicht persönlich tätig geworden sein sollten, ist AHV-rechtlich von der Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auszugehen, wie sich aus dem Nachfolgenden ergibt.
5.2
Den Erben stehen für die steuerrechtliche Behandlung von sich im Geschäftsvermögen des Erblassers befindenden Liegenschaften drei Varianten zur Verfügung: Sie können die Liegenschaften in das Privatvermögen überführen, womit der Kapitalgewinn steuerbar wird (
Art. 18 Abs. 2 DBG
), was hier bisher nicht geschehen ist. Sodann besteht die Möglichkeit, das Geschäft des Erblassers in der bisherigen oder einer modifizierten Form weiter zu betreiben, woraus sich gegebenenfalls ohne weiteres der Schluss auf eine selbstständige Erwerbstätigkeit ergibt. Die Besteuerung des Kapitalgewinns wird diesfalls bis zum Zeitpunkt einer allfälligen Überführung des Geschäfts- in das Privatvermögen aufgeschoben (
Art. 47 Abs. 1 DBG
). Ob es sich hier so verhält, lässt sich nicht beurteilen (E. 5.1). Schliesslich ist - drittens - zulässig, die Liegenschaften unter Aufschiebung der Steuer auf dem Kapitalgewinn als Geschäftsvermögen zu deklarieren, ohne dass die Erben die vom Erblasser ausgeübte Geschäftstätigkeit selbst fortsetzen. Auch in diesem Fall gälten sie als selbstständig Erwerbende (Urteil 2A.105/2007 vom 3. September 2007, E. 3.4; MARKUS REICH, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht [I/2a], Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], Basel/Genf/München 2000, N. 38 zu
Art. 18 DBG
; FELIX RICHNER/WALTER FREI/STEFAN KAUFMANN, Handkommentar zum DBG, Zürich 2003, N. 86 zu
Art. 18 DBG
). Nachdem das Steuerrecht alle drei Varianten erlaubt, muss mit Blick auf den Grundsatz der steuer- und AHV-rechtlichen Parallelität sowie aus veranlagungspraktischen Gründen Gleiches für das AHV-Beitragsrecht gelten und folglich die Zulässigkeit auch der dritten Variante bejaht werden (
BGE 133 V 105
E. 4.2 in fine S. 107;
Art. 22 Abs. 3 und
Art. 23 AHVV
).
BGE 134 V 250 S. 257
Indem sich die Beschwerdegegner als Erben offenbar steuerrechtlich für diese Möglichkeit entschieden haben, gilt diese Wahl auch mit Bezug auf die Belange des AHV-Rechts: Sie müssen sich eine selbstständige Erwerbstätigkeit entgegenhalten lassen, selbst wenn sie die Geschäftstätigkeit des Erblassers als solche nicht weiterführen. Analog zur Steuer auf dem Kapitalgewinn wird diesfalls die AHV-Beitragserhebung auf dem Kapitalgewinn aufgeschoben; hingegen unterliegen die Erträge aus den sich im Geschäftsvermögen befindenden Liegenschaften der AHV-Beitragspflicht, unabhängig davon, ob die Eigentümer als Erben die Geschäftstätigkeit des Erblassers fortsetzen. | null | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
4a13ecd4-8bb8-43ab-88bf-922c15a486da | Urteilskopf
96 III 60
10. Entscheid vom 7. September 1970 i.S. Grundbuchamt Engelberg | Regeste
Beschwerde (
Art. 17 Abs. 1 SchKG
).
Verfügung oder blosse Meinungsäusserung des Amtes? (Frage offen gelassen).
Das Grundbuchamt ist nicht legitimiert, durch Beschwerde geltend zu machen, bei der konkursamtlichen Versteigerung eines Grundstücks seien durch Nichtbeachtung eines dinglichen Rechts, das erst nach Eintritt der Rechtskraft des Lastenverzeichnisses im Grundbuch eingetragen wurde, die Interessen des Gemeinschuldners, der Konkursgläubiger oder des Ersteigerers verletzt worden. | Sachverhalt
ab Seite 60
BGE 96 III 60 S. 60
In dem am 5. August 1968 eröffneten Konkurs über Eugen Huwyler in Luzern erklärte das Konkursamt Engelberg, das die in Engelberg liegenden Grundstücke des Gemeinschuldners im Auftrag des Konkursamtes Luzern-Stadt zu versteigern hatte, bei der Steigerungsverhandlung vom 30. Mai 1970 u.a., eine vom Grundbuchamt Engelberg nach der Konkurseröffnung und nach Eintritt der Rechtskraft des Lastenverzeichnisses vorgenommene Eintragung eines Wegrechts sei "in unberechtigter Weise" (Darstellung des Konkursamtes) oder "widerrechtlich" (Darstellung des Grundbuchamtes) erfolgt, was nachher dahin abgeschwächt wurde, es handle sich um einen Eintrag "mit noch nicht rechtskräftiger Wirkung" oder "ohne Rechtswirkung".
BGE 96 III 60 S. 61
Das Grundbuchamt betrachtete diese Äusserung als konkursamtliche Verfügung und führte Beschwerde mit dem Antrag, diese Verfügung sei aufzuheben und der nachträgliche Eintrag als rechtsgültig zu erklären; eventuell sei die am 30. Mai 1970 durchgeführte Steigerung wegen Missachtung verschiedener Gesetzesvorschriften aufzuheben; die angefochtene Verfügung sei auch unter dem Titel der Rechtsverweigerung aufzuheben.
Die kantonale Aufsichtsbehörde trat am 15. Juli 1970 auf die Beschwerde nicht ein, weil die fragliche Äusserung keine amtliche Verfügung darstelle und weil das Grundbuchamt auf jeden Fall zur Beschwerde nicht legitimiert sei.
Diesen Entscheid hat das Grundbuchamt an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, er sei wegen Rechtsverweigerung im Sinne von
Art. 19 Abs. 2 SchKG
aufzuheben. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.
Erwägungen
Erwägungen:
Es ist zum mindesten zweifelhaft, ob die beanstandete Äusserung des Konkursamtes den Charakter einer Verfügung im Sinne von
Art. 17 Abs. 1 SchKG
habe. Auf jeden Fall aber ist der Vorinstanz darin beizupflichten, dass der Grundbuchführer zur Beschwerde (und zum Rekurs) nicht legitimiert ist. Er sagt in seiner Beschwerde an die Vorinstanz selbst, die angefochtene Verfügung bedeute möglicherweise "eine krasse Verletzung der Interessenwahrung des Konkursiten und Grundstückeigentümers - aber auch eine Verletzung der Interessenwahrung der Gläubiger". Die Interessen des Gemeinschuldners und der Konkursgläubiger wahrzunehmen, ist nicht Sache des Grundbuchamtes. Eigene Rechte, die durch die streitige Äusserung verletzt worden sein könnten, stehen dem Grundbuchführer im Konkurse über Huwyler nicht zu. Er ist gemäss unbestrittener Feststellung des Konkursamtes weder Gläubiger noch Bieter. Seine rechtlich geschützten Interessen stehen in dieser Angelegenheit nicht zur Diskussion. | null | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4a1b2149-ea8b-46fd-bc6e-4fbfe8e9df83 | Urteilskopf
111 Ib 269
50. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Dezember 1985 i.S. Gemeinde Eggersriet gegen Marcel Anderegg und Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 5 Abs. 2 RPG
; Verjährung einer Forderung aus materieller Enteignung.
1. Für die Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist einer Entschädigungsforderung aus materieller Enteignung ist beim Schweigen des Gesetzes nicht darauf abzustellen, wann der Betroffene die Eigentumsbeschränkung und die möglicherweise darin liegende materielle Enteignung erkennen konnte oder hätte erkennen können. Die zehnjährige Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung zu laufen (E. 3a/aa).
2. Ist im öffentlichen Recht die Unterbrechung einer Verjährungsfrist, welche zugunsten des Bürgers wirkt, von Amtes wegen zu berücksichtigen? (Frage offengelassen - E. 3a/bb).
3. Auch das Prinzip von Treu und Glauben (
Art. 4 BV
) vermag im vorliegenden Fall an der Tatsache nichts zu ändern, dass die Forderung aus materieller Enteignung im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung verjährt war (E. 3a/cc). | Sachverhalt
ab Seite 270
BGE 111 Ib 269 S. 270
Marcel Anderegg ist Eigentümer der Parzelle Nr. 833 in Eggersriet. Das Gebiet westlich von Fürschwendi, in welchem sich das Grundstück befindet, wurde durch den Zonenplan der Gemeinde Eggersriet vom 16. Dezember 1970 dem Übrigen Gemeindegebiet zugewiesen. Eine Überbauung war jedoch bei Erfüllung bestimmter, allerdings sehr strenger Voraussetzungen nach wie vor möglich.
Am 4. Februar 1972 teilte Marcel Anderegg dem Gemeinderat von Eggersriet mit, er beabsichtige, in den nächsten Jahren auf seinem Grundstück ein Einfamilienhaus zu bauen. Gleichzeitig ersuchte er die Behörde um eine schriftliche Garantie, dass er das in ein paar Jahren noch machen könne. Der Gemeinderat
BGE 111 Ib 269 S. 271
antwortete am 10. Februar 1972 wie folgt: Sein Baugrundstück befinde sich im Landschaftsschongebiet; die Gemeinde sollte deshalb in diesem Gebiet nach Möglichkeit eine Bautätigkeit verhindern. Indessen würden diese Bestrebungen durch einen Präzedenzfall zum vornherein erschwert, weshalb sich die Gemeinde zur Erweiterung des GKP-Gebietes entschlossen habe. Diese Massnahme habe zur Folge, dass die vom Baureglement geforderte Baureife für sein Grundstück erfüllt sei. Allerdings sei er, der Gemeinderat, nicht in der Lage, ihm mit absoluter Sicherheit zu sagen, ob er in ein paar Jahren noch eine Wohnbaute auf seinem Grundstück erstellen könne. Bereits am 14. Juni 1972 ersuchte Marcel Anderegg den Gemeinderat Eggersriet um die Erteilung der Baubewilligung für ein Einfamilienhaus. Am 10. August 1972 beschloss dieser, das Gebiet westlich von Fürschwendi zur Überbauung freizugeben. In der Folge unterblieb aber der Erlass eines entsprechenden Teilzonenplanes, und der Gemeinderat von Eggersriet wies am 20. Februar 1973 das Baugesuch von Marcel Anderegg unter Hinweis auf die am 1. Juli 1972 in Kraft getretenen planungsrechtlichen Bestimmungen des BG über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (Gewässerschutzgesetz) vom 8. Oktober 1972 ab. Auch der Regierungsrat des Kantons St. Gallen wies am 6. September 1977 einen von Marcel Anderegg dagegen erhobenen Rekurs und ein eventualiter gestelltes Begehren um Einzonung der Bauparzelle in die Wohnzone ab. Im Rahmen einer Zonenplanänderung wurde das Grundstück am 26. März 1979 der Landwirtschaftszone zugeteilt.
Marcel Anderegg stellte am 16. Dezember 1982 beim Gemeinderat Eggersriet das Begehren, es sei festzustellen, dass das Bauverbot bezüglich seiner Parzelle Nr. 833 in Fürschwendi einen Eingriff bewirke, der den Tatbestand der materiellen Enteignung erfülle. Der Gemeinderat Eggersriet wies das Begehren am 31. Oktober 1983 wegen Verjährung des Entschädigungsanspruches ab. Marcel Anderegg erhob Rekurs beim Regierungsrat des Kantons St. Gallen. Dieser fand, der Anspruch sei noch nicht verjährt, hob demgemäss den angefochtenen Entscheid auf und wies die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an den Gemeinderat Eggersriet zurück. Dieser wandte sich jedoch mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, welches das Rechtsmittel am 14. März 1985 abwies. Das Bundesgericht heisst eine gegen diesen Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Gemeinde Eggersriet gut.
BGE 111 Ib 269 S. 272
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
3.
Das Verwaltungsgericht hat trotz Fehlens einer Gesetzesvorschrift für Entschädigungsforderungen aus materieller Enteignung eine Verjährungsfrist von zehn Jahren angenommen. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts (
BGE 108 Ib 340
E. 5b mit Hinweis) und ist im vorliegenden Verfahren zu Recht auch nicht in Frage gestellt worden. Streitig ist jedoch der Beginn der Verjährungsfrist.
a) Das Verwaltungsgericht und mit ihm der Regierungsrat und der Beschwerdegegner gehen - gestützt auf bundesgerichtliche Urteile und verschiedene Meinungen in der Literatur - davon aus, grundsätzlich sei für den Beginn der Verjährung einer Entschädigungsforderung aus materieller Enteignung auf das Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung abzustellen. Voraussetzung sei aber, dass der Betroffene in diesem Zeitpunkt die in der Eigentumsbeschränkung liegende materielle Enteignung habe erkennen können und dass er seine Forderung an sich sofort hätte geltend machen und durchsetzen können. Es ist im folgenden zu prüfen, ob diese Annahmen der bundesgerichtlichen Praxis entsprechen.
aa) Das Bundesgericht hat in
BGE 97 I 624
ff. entschieden, die Verjährungsfrist habe spätestens an dem Tag zu laufen begonnen, an dem das Bauverbot in Kraft getreten sei; es habe bereits in einem früheren Urteil (
BGE 93 I 144
ff.) dargelegt, es hänge von der rechtlichen und wirtschaftlichen Qualifikation des Grundstücks in diesem Zeitpunkt ab, ob der Eingriff enteignungsähnlich wirke. Von diesem Datum an sei die Forderung fällig und der Betroffene könne sie geltend machen (vgl. auch ANDRÉ GRISEL, Traité du droit administratif, Neuchâtel 1984, S. 666). Damit legte das Gericht den Grundsatz fest, dass für den Beginn der Verjährungsfrist das Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung massgebend ist. Dieses Prinzip wurde in der Folge durch die Rechtsprechung bestätigt (
BGE 109 Ib 17
E. 3 mit Hinweis; vgl. auch
BGE 109 Ib 262
/263 E. 2a sowie IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, Basel 1976, Nr. 130 B VII, S. 967). Auch
BGE 108 Ib 334
ff. brachte in dieser Hinsicht keine Änderung. Das Bundesgericht setzte in diesem Entscheid vielmehr jenen Grundsatz voraus, denn es kam zum Schluss, bei dessen Anwendung wäre der Anspruch verjährt. Aufgrund der konkreten Umstände des Falles stellte es indessen fest, der Beginn der Verjährungsfrist sei für die Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Inkrafttretens
BGE 111 Ib 269 S. 273
der Eigentumsbeschränkung deshalb nicht klar erkennbar gewesen, weil zur Zeit der Entstehung des Entschädigungsanspruches jedenfalls in den Kantonen noch unklar war, ob Forderungen des öffentlichen Rechts und namentlich solche aus materieller Enteignung bei Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung überhaupt verjährten (E. 5c). Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, das subjektive Merkmal der Erkennbarkeit für den Betroffenen sei integrierender Bestandteil des Grundsatzes. Es ist vielmehr so, und dies zeigen die Erwägungen des Bundesgerichts im genannten Entscheid deutlich (S. 341), dass dieses Element allein aufgrund der konkreten Umstände des Falles und im Rahmen von Treu und Glauben Bedeutung erhalten kann. Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen verweist indessen zur Stützung seiner Argumentation auch noch auf das Urteil des Bundesgerichts vom 15. Dezember 1971 (
BGE 97 I 809
ff.). In diesem Entscheid wie auch in
BGE 93 I 130
ff., auf den verwiesen wird, war indessen nicht der Verjährungsbeginn streitig, sondern der Bemessungszeitpunkt. Aus diesen Urteilen kann schon deshalb kaum etwas für die vorliegende Frage abgeleitet werden. Übrigens hat das Bundesgericht inzwischen auch hinsichtlich des Bemessungszeitpunktes seine Praxis präzisiert. Es stellt heute ausschliesslich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Eigentumsbeschränkung ab (
BGE 111 Ib 82
E. 1 mit Hinweisen). Im soweit ersichtlich einzig publizierten Entscheid neben
BGE 108 Ib 334
ff., in dem der Beginn der Verjährungsfrist zu bestimmen war (
BGE 97 I 624
ff.), hat das Bundesgericht aber gerade nicht darauf abgestellt, ob der Betroffene in diesem Zeitpunkt die in der Eigentumsbeschränkung liegende materielle Enteignung erkennen konnte. Das Gericht hat es auch in anderen, verwandten Sachbereichen ausdrücklich abgelehnt, für den Beginn einer Verjährungsfrist zusätzlich auf den Umstand abzustellen, ob der Betroffene Kenntnis vom Schaden hatte oder bei gebotener Sorgfalt hätte haben können (z.B. Entschädigungsanspruch aus formeller Enteignung wegen Immissionen von Autobahnen oder wegen Schäden infolge öffentlicher Werke,
BGE 105 Ib 13
E. 3c und d,
BGE 108 Ib 487
E. 3). In gleicher Weise hat der Bundesgesetzgeber in denjenigen Fällen, in denen er die Verjährung einer Forderung aus einer bestimmten materiellen Enteignung normiert hat, erklärt, für den Beginn der Frist sei allein das Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung massgebend (Art. 25 Abs. 3 des BG über die Nationalstrassen vom 8. März 1960; Art. 44 Abs. 3 des BG über die Luftfahrt vom
BGE 111 Ib 269 S. 274
21. Dezember 1948; Art. 181 Abs. 3 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957). Es trifft zwar zu, dass bei gewissen Verjährungsregelungen im öffentlichen Recht des Bundes das subjektive Element der Kenntnis eine Rolle spielt. Das ist aber meist nur dann der Fall, wenn zwei Fristen, eine relative und eine absolute normiert sind. Dabei beträgt die relative Frist höchstens fünf, nie jedoch zehn Jahre (vgl. dazu
BGE 98 Ib 357
E. 2b;
BGE 108 Ib 152
E. 4b). Für den Entschädigungsanspruch aus materieller Enteignung infolge Planungsmassnahmen gemäss RPG aber gilt - sofern keine positive kantonale Regelung besteht - gemäss konstanter Praxis eine einzige, zehnjährige Verjährungsfrist. Diese Lösung beruht auf einer Abwägung der Interessen sowohl des betroffenen Privaten wie auch des Gemeinwesens, gegen das sich der Anspruch richtet (
BGE 108 Ib 340
E. 5b mit Hinweisen; vgl. auch ANDRÉ GRISEL, a.a.O., S. 666). Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, diese Interessenabwägung zu überdenken.
Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass für die Bestimmung des Beginns der Verjährungsfrist einer Entschädigungsforderung aus materieller Enteignung beim Schweigen des Gesetzes nicht darauf abzustellen ist, wann der Betroffene die Eigentumsbeschränkung und die möglicherweise darin liegende materielle Enteignung erkennen konnte oder hätte erkennen können.
Die Autoren, die die Relevanz der Kenntnis bejahen, vermögen dagegen nicht zu überzeugen. ULRICH ZIMMERLI (ZBl 1974/75, S. 158) begründet seine Meinung nicht; PETER DILGER (Raumplanungsrecht der Schweiz, Zürich 1982, S. 490 f.) übernimmt die Ansicht Zimmerlis ohne Kommentar und HEINZ AEMISEGGER (Raumplanung und Entschädigungspflicht, Bern 1983, S. 78) verweist bloss auf das Urteil des Bundesgerichts vom 28. April 1982 i.S. Sarnen (
BGE 108 Ib 334
ff.).
Auch wenn die Verjährung einer Forderung aus materieller Enteignung grundsätzlich mit dem Inkrafttreten der Eigentumsbeschränkung zu laufen beginnt, so bedeutet dies indessen noch nicht, dass die konkreten Umstände des Falles überhaupt keinen Einfluss auf die Bestimmung dieses Zeitpunktes haben können. Die Norm, welche die Eigentumsbeschränkung stipuliert, kann so gestaltet sein, dass allein aus ihr ohne Berücksichtigung weiterer Elemente der Eintritt einer Eigentumsbeschränkung für ein bestimmtes Grundstück feststellbar ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein voraussetzungsloses Bauverbot verhängt wird (vgl. dazu z.B.
BGE 97 I 624
ff.;
BGE 93 I 130
ff.). Die gesetzliche
BGE 111 Ib 269 S. 275
Regelung kann aber auch Bedingungen oder unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, so dass nur zusammen mit allen Umständen des Einzelfalles der Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist festlegbar ist. In einer solchen Situation kann zwar das Inkrafttreten der Norm massgebend sein, braucht aber nicht. Als Beispiel ist etwa auf Art. 19 und 20 des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971 (GSchG) zu verweisen. Die Frage, ob diese Regelungen für ein bestimmtes Grundstück eine Eigentumsbeschränkung zur Folge hatten, kann nur unter Berücksichtigung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Die wichtigsten Variablen sind dabei die Bauzone und das Generelle Kanalisationsprojekt (GKP). Die Situation ist nicht dieselbe, ob eine Gemeinde am 1. Juli 1972 (Inkrafttreten des GSchG) über eine rechtsgültige Bauzone und/oder nur über ein genehmigtes GKP oder über keines von beiden verfügte (vgl. dazu
BGE 101 Ib 193
E. 2a 303 E. 2; Urteil vom 22. September 1982 E. 2b, im ZBl 1983/84, S. 78; als weiteres Beispiel
BGE 105 Ib 15
E. 3d).
Die Gemeinde Eggersriet besass 1972 eine gültige Zonenplanung, welche das Gebiet Fürschwendi mit dem Grundstück des Beschwerdegegners dem Übrigen Gemeindegebiet zuwies. Gemäss dem Gesetz über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht des Kantons St. Gallen vom 6. Juni 1972 (Baugesetz) war in diesem Gebiet das Bauen nicht grundsätzlich untersagt (vgl. dazu Art. 21 in der Fassung von 1972) und laut Art. 26 des damals gültigen Baureglements der Gemeinde Eggersriet war das Übrige Gemeindegebiet zwar zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung bestimmt, doch waren auch andere Bauten zulässig, wenn sie die landschaftliche Umgebung nicht verunstalteten und sofern die Erfordernisse der Erschliessung und Baureife sowie der Abwasserbeseitigung einwandfrei erfüllt waren. Für nichtlandwirtschaftliche Bauten in den Weilern "Fürschwendi" und "Büel" galten die Vorschriften der Wohn- und Gewerbezone WG 2 (Art. 11). Diese wenn auch sehr eingeschränkte Überbauungsmöglichkeit wurde indessen mit dem Inkrafttreten des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes am 1. Juli 1972 definitiv aufgehoben: Gemäss der damals gültigen Fassung durften aufgrund von Art. 19 dieses Gesetzes Baubewilligungen für den Neu- und Umbau von Bauten und Anlagen aller Art nur noch innerhalb der Bauzone oder, wo solche fehlten, innerhalb des im Generellen Kanalisationsprojekt (GKP) abgegrenzten Gebiets erteilt werden, und das auch nur
BGE 111 Ib 269 S. 276
dann, wenn der Anschluss der Abwässer an die Kanalisation gewährleistet war. Beim Übrigen Gemeindegebiet handelt es sich aber um keine Bauzone im Sinne des Gewässerschutzgesetzes (
BGE 101 Ib 304
E. 2b). Zwar führte schon damals in der Nähe des Grundstücks eine private Kanalisationsleitung vorbei; indessen kann offenbleiben, ob damit die Parzelle innerhalb oder ausserhalb des GKP der Gemeinde lag, denn aufgrund der ratio legis ist auf alle Bauten ausserhalb bestehender Bauzonen die Ausnahmebestimmung von Art. 20 Gewässerschutzgesetz anwendbar (
BGE 101 Ib 193
E. 2a, 304 E. 2b). Eine Baubewilligung hätte somit nur erteilt werden dürfen, wenn der Beschwerdegegner ein sachlich begründetes Bedürfnis hätte nachweisen können (vgl. dazu den inzwischen aufgehobenen Artikel 27 der AGSchV). Das aber konnte er offensichtlich nicht. Sein Grundstück war somit nach dem Inkrafttreten des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes nicht mehr überbaubar. Das hat zur Folge, dass die zehnjährige Verjährungsfrist am 1. Juli 1972 zu laufen begann und am 30. Juni 1982 endete.
Etwas anderes ergibt sich auch aus dem Urteil des Bundesgerichts vom 28. April 1982 i.S. Sarnen nicht (
BGE 108 Ib 334
ff.). Das eidgenössische Gewässerschutzgesetz als mögliche Ursache einer materiellen Enteignung stand hier gar nicht zur Diskussion. Dass die Entschädigungsforderung trotz des Ablaufs von zehn Jahren seit dem Inkrafttreten der massgebenden Eigentumsbeschränkung nicht als verjährt angesehen werden konnte, war eine Folge der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Ob dieses Prinzip auch im vorliegenden Fall die Berücksichtigung von Umständen verlangt, die zu einem anderen Ergebnis führen, ist in Erwägung 3a/cc zu prüfen. Auch aus dem Urteil vom 22. September 1982 i.S. Aesch (ZBl 1983/84, S. 78 ff.) kann für die hier zur Entscheidung stehende Frage nichts abgeleitet werden. Die Gemeinde Aesch besass im Zeitpunkt des Inkrafttretens des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes am 1. Juli 1972 weder einen rechtsgültigen Zonenplan noch ein genehmigtes GKP. Die streitigen Grundstücke wurden erst mit dem Erlass des ersten Zonenplanes der Gemeinde definitiv nicht mehr überbaubar. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen weist allerdings darauf hin, dass trotzdem kein grundlegend rechtlicher Unterschied zwischen den beiden Fällen bestehe. Mit dem Inkrafttreten des Gewässerschutzgesetzes hätte auch im Fall Aesch keine Baubewilligung mehr erteilt werden dürfen, weil die Grundstücke nicht innerhalb
BGE 111 Ib 269 S. 277
des engeren Baugebietes gemäss
Art. 28 AGSchV
(in der bis zum 31. Dezember 1979 gültigen Fassung) lagen. Dies mag zutreffen, kann aber nicht dazu führen, im vorliegenden Fall die Umzonung in die Landwirtschaftszone als die für den Beginn der Verjährungsfrist massgebliche Eigentumsbeschränkung anzusehen. Vielmehr hätte unter diesen Umständen auch im Fall Aesch der 1. Juli 1972 als Stichtag angenommen werden müssen. Erfasst man die Erwägungen dieses Urteils als Ganzes, so ist festzustellen, dass das Bundesgericht für den Entscheid in der Sache tatsächlich vor allem auf die Wirkungen des Gewässerschutzgesetzes abgestellt und somit den 1. Juli 1972 als den wirklich massgebenden Zeitpunkt vorausgesetzt hat. Zudem stand im Fall Aesch nicht die Frage der Verjährung von Entschädigungsforderungen aus materieller Enteignung zum Entscheid, sondern es war der massgebende Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage festzulegen, ob eine materielle Enteignung überhaupt vorliege. Dasselbe gilt für den Fall Amden (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 23. Februar 1983). Auch hier war nicht über die Verjährung zu befinden. Im übrigen war es für die Frage, ob materielle Enteignung vorliege, nicht von entscheidender Bedeutung, ob auf den Stichtag des 1. Juli 1972 oder auf denjenigen des Inkrafttretens des revidierten Zonenplanes abgestellt wurde.
bb) Der Beschwerdegegner macht in seiner Vernehmlassung zu Recht nicht geltend, er habe während der Verjährungsfrist keine Möglichkeit gehabt, seine Entschädigungsforderung gerichtlich durchzusetzen (vgl. dazu ANDRÉ GRISEL, a.a.O., S. 666; FRITZ ZWEIFEL, Zeitablauf als Untergangsgrund öffentlich-rechtlicher Ansprüche, Basel 1960, S. 47 f.). Indessen hat er in seinem Rekurs an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen die Einrede erhoben, er habe mit seinem Rekurs vom 8. März 1973 an dieselbe Behörde die Verjährungsfrist unterbrochen. Obwohl sich der in diesem Rechtsmittel gestellte formelle Antrag lediglich auf das am 14. Juni 1972 eingereichte Baugesuch und die Einzonung bezogen habe, gehe doch aus der Begründung klar und deutlich hervor, dass er im Falle der Ablehnung seiner Anträge eine Entschädigung wegen materieller Enteignung geltend mache. Vor Bundesgericht hält er die Einrede in dieser Form nicht mehr aufrecht, sondern begnügt sich mit einem allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit, Verjährungsfristen zu unterbrechen.
Die Verjährung von öffentlichrechtlichen Forderungen zum Nachteil des gegen das Gemeinwesen klagenden Bürgers ist nicht
BGE 111 Ib 269 S. 278
von Amtes wegen zu prüfen (
BGE 106 Ib 364
E. 3a mit Hinweis). Ob dasselbe für die Frage der Unterbrechung einer Verjährungsfrist gilt, die zugunsten des Bürgers wirken würde, kann offenbleiben. Der Beschwerdegegner hat seine Ansicht, das Bauverbot würde in schwerster Art gegen Treu und Glauben verstossen, falls nicht entschädigt würde, gegenüber dem Regierungsrat geäussert. Damit aber gelangte er klarerweise an die unzuständige Behörde (vgl. dazu Art. 124 f. des Baugesetzes). Unabhängig davon, ob jene Meinungsäusserung geeignet gewesen wäre, die Verjährung zu unterbrechen, konnte sie somit von vornherein keine Wirkung entfalten.
cc) Ein konkreter Fall kann Umstände aufweisen, denen im Rahmen des Rechtsinstituts der Verjährung zu wenig oder gar nicht Rechnung zu tragen ist. Hier kann der aus
Art. 4 BV
abgeleitete Grundsatz von Treu und Glauben für die Verwirklichung der gebotenen Gerechtigkeit sorgen, sei es als allgemeines Prinzip oder unter bestimmten Voraussetzungen in der qualifizierten Form des Vertrauensschutzes (vgl. dazu
BGE 103 Ia 508
E. 1; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, Bern 1985, S. 222 ff.; ANDRÉ GRISEL, a.a.O., S. 388 ff.; ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 218 ff.).
Im Unterschied zum Fall in
BGE 108 Ib 341
E. 5c war vorliegend klar, dass auch öffentlichrechtliche Forderungen einer Verjährung unterliegen. Der Beschwerdegegner musste also grundsätzlich mit einer solchen Möglichkeit rechnen. Der Gemeinderat von Eggersriet hat ihm in dieser Hinsicht auch nie irgendwelche Zusicherung abgegeben oder sonstwie ein Verhalten an den Tag gelegt, das geeignet gewesen wäre, in ihm ein Vertrauen auf den Fortbestand seiner Entschädigungsforderung hervorzurufen oder zu bestärken. Ebenso wenig hat er ihn von der Geltendmachung seiner Forderung abgehalten. Im Gegenteil, der Gemeinderat hatte bereits am 20. Februar 1973 das Baugesuch des Beschwerdegegners unter ausdrücklicher Berufung auf die am 1. Juli 1972 in Kraft getretenen planungsrechtlichen Bestimmungen des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes abgelehnt. Mit diesem Entscheid musste es dem Beschwerdegegner klar sein, dass er auf seinem Grundstück nur noch werde bauen können, wenn es in die Bauzone eingezont werden würde. Er hatte denn auch im Rekurs an den Regierungsrat einen entsprechenden Eventualantrag gestellt und gleichzeitig darauf hingewiesen, sollte er nicht bauen können,
BGE 111 Ib 269 S. 279
so würde das nach seiner Meinung den Tatbestand der materiellen Enteignung erfüllen. Damit brachte er unmissverständlich zum Ausdruck, dass er die Rechtslage richtig einschätzte. Er unterliess es jedoch in der Folge, entsprechende Schritte zur Wahrung seiner Rechte zu unternehmen und machte erst am 16. Dezember 1982 bei der Gemeinde seinen Anspruch geltend. Selbst nach dem negativen Entscheid des Regierungsrates des Kantons St. Gallen vom 6. September 1977 hätte er bis zur Verjährung noch mehrere Jahre Zeit gehabt, seine Forderung anzumelden. Dass er damit ohne Not solange zuwartete, hat er allein zu vertreten. Auch das Prinzip von Treu und Glauben vermag somit an der Tatsache, dass die Forderung des Beschwerdegegners aus materieller Enteignung im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung am 16. Dezember 1982 verjährt war, nichts zu ändern. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
4a1cde52-31aa-4056-80b4-65d501269381 | Urteilskopf
134 III 67
11. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. et consorts contre X. SA en liquidation concordataire et Y. SA (recours en matière civile)
4A_346/2007 du 16 novembre 2007 | Regeste
Art. 336 Abs. 2 lit. c,
Art. 336a und 336b OR
; Massenentlassung ohne vorhergehende Konsultation der Arbeitnehmervertretung; von den Arbeitnehmern geforderte Entschädigung, obwohl die Arbeitgeberin die Kündigungen zurückgezogen hat und die Arbeitsverhältnisse fortgesetzt werden.
Die in
Art. 336a OR
vorgesehene Entschädigung ist nicht geschuldet, wenn der Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer missbräuchlich gekündigt hat, die Kündigung zurückgezogen hat, nachdem der Arbeitnehmer dagegen Einsprache erhoben hat. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der missbräuchlichen Kündigung um eine Massenkündigung handelt, die ohne vorherige Konsultation der Arbeitnehmervertretung ausgesprochen wurde (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 68
BGE 134 III 67 S. 68
X. SA, actuellement en liquidation concordataire, a notifié leur licenciement à cent vingt-quatre travailleurs qu'elle employait dans le canton de Vaud. Les contrats ainsi résiliés devaient expirer à la fin des mois d'octobre, novembre ou décembre 2002, ou janvier 2003. Les travailleurs ont tous fait opposition à leur congé.
L'employeuse a par la suite conclu un contrat avec Y. SA selon lequel cette dernière reprendrait certains de ses sites de production. X. SA a informé les travailleurs concernés de leur prochain transfert à Y. SA et elle a déclaré retirer le congé qu'elle leur avait notifié. Tous ont poursuivi leur activité salariée au delà du 31 janvier 2003, désormais au service de Y. SA; aucun ne s'est opposé à la poursuite des rapports de travail ni au transfert desdits rapports à cette employeuse-ci.
Par jugement du 20 février 2003, le Tribunal de prud'hommes de l'arrondissement de Lausanne a constaté que X. SA n'avait pas respecté la procédure de consultation de la représentation des travailleurs qui doit être observée préalablement à un licenciement collectif. Ce jugement fut confirmé par le Tribunal cantonal puis, le 16 décembre 2003, par le Tribunal fédéral (arrêt 4C.263/2003;
ATF 130 III 102
).
Dès le 10 mars 2003, soixante-trois des travailleurs transférés à Y. SA ont ouvert action contre X. SA devant le Tribunal de prud'hommes. Leurs causes furent jointes et reportées devant la Cour civile
BGE 134 III 67 S. 69
du Tribunal cantonal, désormais compétente à raison de la valeur litigieuse; de plus, les actions furent intentées également à Y. SA, les deux défenderesses devant être condamnées solidairement. Chaque demandeur réclamait une indemnité pour licenciement abusif correspondant à deux mois de salaire, avec intérêts au taux de 5 % par an dès le 1
er
octobre 2002. En capital, leurs prétentions variaient de 3'754 fr. 85 à 15'166 fr. 65, de la plus modeste à la plus élevée; le total s'élevait à plus de 600'000 francs.
La Cour civile a donné gain de cause aux défenderesses. Elle a retenu que les congés étaient certes abusifs, que les demandeurs avaient toutefois, de manière tacite, accepté leur retrait, et que la continuation des rapports de travail éteignait l'obligation de leur verser des indemnités par suite de ces congés.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours des demandeurs.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Il est constant que X. SA s'est liée aux demandeurs par des contrats de travail et qu'elle a procédé à leur licenciement collectif sans respecter les obligations qui lui incombaient selon l'
art. 335f CO
, concernant la consultation préalable de la représentation des travailleurs.
Un contrat de travail de durée indéterminée peut être résilié conformément à l'
art. 335 al. 1 CO
. La résiliation est cependant abusive lorsqu'elle intervient dans l'une des situations énumérées à l'
art. 336 al. 1 ou 2 CO
, soit notamment, selon l'
art. 336 al. 2 let
. c CO, lorsque l'employeur procède à un licenciement collectif sans avoir consulté la représentation des travailleurs.
Selon l'
art. 336a al. 1 et 2 CO
, la partie qui a résilié abusivement doit à l'autre une indemnité à fixer par le juge et correspondant, en règle générale, à six mois de salaire au plus. L'
art. 336a al. 3 CO
limite à deux mois de salaire, au plus, l'indemnité due en cas de licenciement collectif sans consultation préalable de la représentation des travailleurs. C'est cette indemnité qui est présentement revendiquée par les demandeurs.
5.
D'après l'
art. 336b al. 1 et 2 CO
, la partie qui envisage de réclamer une indemnité par suite d'un licenciement abusif doit faire opposition au congé auprès de l'autre partie, par écrit et au plus tard à la fin du délai de congé (al. 1). Si l'opposition est valable et que les parties ne
BGE 134 III 67 S. 70
s'entendent pas pour maintenir le rapport de travail, celle qui a reçu le congé peut faire valoir sa prétention; au besoin, et sous peine de péremption, elle doit agir en justice dans un délai de cent huitante jours (al. 2). Si, au contraire, les parties s'accordent et conviennent de maintenir le rapport de travail, la créance d'indemnité s'éteint. Dans les éventuelles négociations qui suivent l'opposition au congé, le travailleur n'a aucun devoir d'accepter une modification du contrat de travail; en revanche, le travailleur doit accepter un retrait du congé, en ce sens que même s'il refuse le retrait, celui-ci éteint la créance d'indemnité (
ATF 123 III 246
consid. 4c p. 252).
La Cour civile retient que les demandeurs ont fait opposition aux congés, que X. SA leur a déclaré retirer ces mêmes congés et que les demandeurs ont tacitement accepté ce retrait en poursuivant les rapports de travail comme si l'employeuse ne les avait pas licenciés. D'après la Cour, les parties ont ainsi conclu des contrats ayant pour objet de tenir les congés pour non avenus, et il résulte de cette situation que les indemnités réclamées ne sont pas dues.
Ce jugement est exactement conforme à l'
art. 336b al. 2 CO
. Pour le contester, les demandeurs soutiennent que dans le cas particulier du licenciement abusif visé par les
art. 336 al. 2 let
. c CO et 336a al. 3 CO, l'indemnité est due même si les congés ne prennent pas effet et que les rapports de travail sont finalement poursuivis. Ils consacrent de longs développements à la nature et au but des indemnités prévues par l'
art. 336a CO
mais ces généralités n'apportent rien à l'appui de leur thèse. Celle-ci méconnaît que d'après son texte et sa place dans le système de la loi, l'
art. 336b CO
régit en principe tous les cas de licenciement abusif. Le Tribunal fédéral a d'ailleurs déjà admis, sans que cela ne prêtât à discussion, que le délai de péremption de l'
art. 336b al. 2 CO
doit être respecté aussi après un licenciement collectif sans consultation de la représentation des travailleurs (
ATF 132 III 406
consid. 2 p. 408).
La règle prévoyant l'opposition au congé a pour but de favoriser la négociation entre les parties et, au delà, la continuation du rapport de travail plutôt que le paiement d'une indemnité (ULLIN STREIFF et ADRIAN VON KAENEL, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 6
e
éd. 2006, p. 713 ch. 4). Cela coïncide avec l'objectif des
art. 335f et 335g CO
concernant la procédure préalable aux licenciements collectifs, en tant que celle-ci est destinée à favoriser la sauvegarde des emplois compromis (STREIFF/VON KAENEL, op. cit.,
BGE 134 III 67 S. 71
p. 629 ch. 2). Dans ces conditions, on ne voit guère ce qui pourrait justifier l'opinion ici défendue par les demandeurs. Ceux-ci soulignent vainement qu'en l'espèce, le retrait des congés n'est pas le fruit de négociations avec eux mais une échappatoire consécutive au contrat que l'employeuse a pu conclure avec Y. SA alors qu'elle bénéficiait d'un sursis concordataire. En effet, il est classique que des emplois menacés par les difficultés financières de l'employeur soient sauvegardés, si possible, au moyen d'un transfert de l'entreprise, ou d'une partie de l'entreprise, à un autre employeur. | null | nan | fr | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4a1e836a-b22f-433b-83c6-f56acc351873 | Urteilskopf
103 Ia 369
59. Auszug aus dem Urteil vom 25. Mai 1977 i.S. Wäffler und Mitbeteiligte gegen Kanton Basel-Stadt | Regeste
Art. 4,
Art. 31 und
Art. 45 BV
, Art. 2 ÜbBest. BV,
Art. 85 lit. a OG
; Numerus-clausus bei der Zulassung zur Universität.
1. Beschwerdelegitimation (E. 1).
2. Zulässigkeit des Numerus-clausus: Zulassungs- und Studiendauerbeschränkungen, die durch die begrenzte Aufnahmefähigkeit einer Universität bedingt sind, greifen an sich nicht in verfassungsmässig gewährleistete Rechte ein (E. 2 und E. 4).
3. Anforderungen an die Zulässigkeit der Gesetzesdelegation:
a) Zulässigkeit und Schranken der Gesetzesdelegation im allgemeinen (Stand der bisherigen Rechtsprechung) (E. 3).
b) Der Gesetzesvorbehalt und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit der Gesetzesdelegation gelten grundsätzlich auch in der Leistungsverwaltung (Änderung der Rechtsprechung); Tragweite dieser Ausdehnung (E. 5 und E. 6).
4. Verfassungsmässigkeit von § 34a des baselstädtischen Universitätsgesetzes:
a) Die in § 34a des baselstädtischen Universitätsgesetzes enthaltene Ermächtigung an den Regierungsrat zum Erlass von Ausführungsbestimmungen für eine Zulassungsbeschränkung an der Universität Basel, insbesondere zur Festlegung der Kriterien für die Auswahl der Studienanwärter, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Zulässigkeit der Gesetzesdelegation im Bereich der Leistungsverwaltung zu stellen sind (E. 7).
b) § 34a des baselstädtischen Universitätsgesetzes verletzt den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV) nicht (E. 8). | Sachverhalt
ab Seite 370
BGE 103 Ia 369 S. 370
Am 13. Juni 1974 nahm der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt ein "Gesetz über die Änderung des Universitätsgesetzes (UG) vom 14. Januar 1937 betreffend Zulassungsregelung § 34a)" an (in der Folge kurz als "UG-Novelle" bezeichnet).
BGE 103 Ia 369 S. 371
Der neue § 34a UG hat folgenden Wortlaut:
"Der Regierungsrat kann, soweit und solange dies mit Rücksicht auf ein ordnungsgemässes Studium oder auf die durch die Möglichkeiten des Kantons bedingte Aufnahmefähigkeit der Universität erforderlich ist, für bestimmte Fakultäten oder Lehrgebiete die Zulassung zur Immatrikulation sowie die Dauer derselben beschränken.
Voraussetzung für die Einführung oder Aufhebung einer Zulassungsbeschränkung ist entweder die Anhörung der Kuratel, des Rektorates und der betroffenen Fakultät oder ein Antrag der Kuratel, der seinerseits auf Antrag oder nach Anhörung des Rektorats und der betroffenen Fakultät erfolgt ist. In beiden Fällen ist der Erziehungsrat vom Regierungsrat anzuhören.
Die Ausführungsbestimmungen für eine Zulassungsbeschränkung, insbesondere über die Auswahl der weiterhin zuzulassenden Bewerber, werden unter Berücksichtigung der vom Kanton Basel-Stadt und von allfälligen weiteren Kantonen erbrachten Leistungen, nach Anhörung des Erziehungsrates, der Kuratel und des Rektorats, durch den Regierungsrat erlassen.
Dieses Gesetz ist zu publizieren; es unterliegt dem Referendum und erwächst mit Eintritt der Rechtskraft in Wirksamkeit."
Nach Zustandekommen des Referendums wurde diese Gesetzesbestimmung in der Volksabstimmung vom 6./8. Dezember 1974 mit 33'588 JA gegen 15'602 NEIN angenommen. Gegen die UG-Novelle sind zwei staatsrechtliche Beschwerden an das Bundesgericht eingereicht worden, beide mit dem Antrag, § 34a UG aufzuheben. Stud. phil. Erdin macht eine Verletzung von
Art. 4 BV
geltend, der Medizinstudent Wäffler und der minderjährige Gymnasiast Boerlin eine Verletzung von
Art. 4, 31 und 45 BV
sowie der Grundsätze der derogatorischen Kraft des Bundesrechts und der Gewaltentrennung (
Art. 85 lit. a OG
). Die Beschwerden werden abgewiesen mit den folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
Eintretensfragen:
1.
Die vorliegenden Beschwerden richten sich unmittelbar gegen einen kantonalen Erlass im Sinne von
Art. 84 Abs. 1 OG
. Zur Anfechtung eines solchen Erlasses ist jeder legitimiert, auf den die als verfassungswidrig bezeichnete Vorschrift künftig einmal angewendet werden könnte (
BGE 102 Ia 107
E. 1a, 281 E. 1;
BGE 100 Ia 43
E. 1b, 99 E. 1a, 173 E. 1;
BGE 99 Ia 396
E. 1). Ein virtuelles Betroffensein genügt, wobei allerdings
BGE 103 Ia 369 S. 372
eine gewisse minimale Wahrscheinlichkeit, einmal betroffen werden zu können, vorhanden sein muss (
BGE 102 Ia 205
/7 E. 3).
Nach der Auffassung des Regierungsrates wäre indessen § 34a UG eine rein organisatorische Vorschrift. Als solche könnte sie mit einer staatsrechtlichen Beschwerde mangels Legitimation (
Art. 88 OG
) nicht angefochten werden. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Freilich stellen rein organisatorische Vorschriften, die weder jemanden verbindlich und erzwingbar zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden verpflichten noch sonstwie die Rechtsbeziehungen der Bürger zum Staate autoritativ festlegen, keine nach Art. 84 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 88 OG
anfechtbaren Hoheitsakte dar (
BGE 102 Ia 186
/87 E. 2 und die dort angegebene Literatur;
BGE 98 Ia 510
E. I/1;
BGE 82 I 99
E. 1 in fine
;
72 I 11
;
BGE 46 I 474
/77). Indessen erschöpft sich die angefochtene Bestimmung nicht in einer Verteilung von Kompetenzen oder in einer Weisung, über eine bestimmte Frage Rechtsnormen zu erlassen. Dem § 34a UG lässt sich vielmehr entnehmen, die Einführung von Zulassungsbeschränkungen sei an sich verfassungsmässig; weiter enthält die Bestimmung eine Delegation der gesetzgebenden Gewalt an die Exekutive zum Erlass einer Rechtsverordnung. Beides - sowohl die Verfassungsmässigkeit des Numerus-clausus an sich wie die Verfassungsmässigkeit der Delegation - wird von den Beschwerdeführern bestritten. Zu diesen Rügen sind sie nach
Art. 88 OG
zuzulassen, ohne dass der Erlass der Rechtsverordnung abgewartet werden müsste. Dass die Beschwerdeführer zumindest virtuell von § 34a UG betroffen sind, sei es, dass die Bestimmung mit Aufnahme des Studiums (Boerlin), oder bei Wechsel der Studienrichtung (Wäffler und Erdin) auf sie angewandt werden könnte, wird an und für sich mit Recht nicht in Abrede gestellt; die Probleme, mit welchen sich das Bundesgericht in
BGE 102 Ia 205
/7 auseinanderzusetzen hatte, stellen sich hier offensichtlich nicht, weil die Beschwerdeführer im Kanton Basel-Stadt niedergelassen sind. Der Beschwerdeführer Wäffler ruft nebst dem Grundsatz der Gewaltentrennung auch
Art. 85 lit. a OG
an und macht geltend, dass eine referendumspflichtige Materie auf Grund einer fehlerhaften Delegation der Volksabstimmung inskünftig entzogen sein werde. Da er unbestrittenermassen Aktivbürger im Kanton Basel-Stadt ist, muss ihm die
BGE 103 Ia 369 S. 373
Legitimation in dieser Hinsicht in Anwendung von
Art. 85 lit. a OG
, unabhängig von der Erfüllung der in
Art. 88 OG
aufgestellten Erfordernisse, zuerkannt werden (
BGE 99 Ia 728
E. 1;
BGE 98 Ia 108
E. 1b;
BGE 89 I 258
ff., E. 4 und 5).
Reto Boerlin war im massgebenden Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde minderjährig und noch nicht Aktivbürger. Er kann sich deshalb nicht auf
Art. 85 lit. a OG
stützen. Im übrigen schadet ihm die Minderjährigkeit nicht, da er unbestrittenermassen urteilsfähig ist und mit der Zustimmung des Inhabers der elterlichen Gewalt handelt (
Art. 40 OG
in Verbindung mit
Art. 14 BZP
und
Art. 11-19 ZGB
; BUCHER, Personenrecht, Vorbem. vor Art. 12/19 ZGB, N. 10-17). Die Frage, ob ihm die Beschwerdefähigkeit angesichts der besonderen Natur der angerufenen verfassungsmässigen Rechte auch bei Fehlen der Zustimmung des Gewaltinhabers zuzuerkennen wäre (MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 3. Aufl., N. 81 S. 56), braucht hier nicht entschieden zu werden. Materielle Beurteilung: I. Grundsätzliche Vereinbarkeit von Zulassungsbeschränkungen mit
Art. 4 BV
2.
Der Beschwerdeführer Erdin behauptet, als verfassungsmässiges Zulassungskriterium zum Hochschulbesuch komme einzig dasjenige der Eignung in Betracht. Daraus leitet er die Rüge ab, dass ein Gesetz, welches - wie die bestrittene Norm - die Möglichkeit vorsieht, andere auf dem Verordnungswege noch zu bestimmende Auswahlkriterien heranzuziehen, den in
Art. 4 BV
enthaltenen Gleichheitssatz prinzipiell verletze. In dieser allgemeinen Formulierung ist die Rüge offensichtlich unbegründet, selbst wenn man annimmt - was noch zu untersuchen bleibt -, dass geeignete Anwärter einen eigentlichen Zulassungsanspruch haben. Der Beschwerdeführer übersieht, dass die begrenzte Aufnahmefähigkeit einer Hochschule, unter Berücksichtigung der Unteilbarkeit der von der Anstalt den einzelnen Benützern erbrachten Leistung, Zulassungs- und Studiendauerbeschränkungen aufdrängen könnte (vgl. SALADIN, Recht auf Bildung, ZSR NF Bd. 90 1971 I S. 139 f.) Ist dies der Fall und ist es deswegen notwendig, eine Auswahl unter mehreren, an sich geeigneten Studienbewerbern zu treffen, so erweist sich die Heranziehung
BGE 103 Ia 369 S. 374
von anderen oder weiteren Kriterien als derjenigen der Eignung als unumgänglich. Dass bei der Auswahl und Anwendung solcher Kriterien der in
Art. 4 BV
enthaltene Gleichheitssatz im Rahmen des Möglichen zu wahren und eine. Verschärfung oder Verschlimmerung der aus der Erschöpfung der Aufnahmekapazität sich gezwungenermassen ergebenden Ungleichheiten zu vermeiden ist (vgl.
BGE 100 Ia 51
E. 4e), versteht sich von selbst, ändert aber an dieser Zwangslage nichts.
Im weiteren ist es dem Kanton weder unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 noch unter dem Gesichtspunkt von
Art. 43 und 60 BV
grundsätzlich verwehrt, im Kanton niedergelassene Schweizerbürger gegenüber Einwohnern anderer Kantone hinsichtlich der Benützung einer kantonalen Anstalt besserzustellen, vorausgesetzt, dass die ungleiche Regelung sich auf ernsthafte, sachlich mit den zu regelnden Umständen in Beziehung stehende Gründe stützen kann (
BGE 100 Ia 291
E. 2 und 293 E. 3d; vgl. 99 Ia 632 E. 5
;
95 I 500
;
66 I 11
E. 6 mit Verweisungen; nicht publ. Entscheid vom 12. Juni 1974 i.S. Friedrich gegen Regierungsrat des Kantons Aargau E. 4).
Die Rüge, § 34a UG verletze grundsätzlich
Art. 4 BV
, ist demnach unbegründet. II. Verfassungsmässigkeit der Delegation der Gesetzgebungsgewalt A.- Zulässigkeit und Schranken der Delegation im allgemeinen; bisher in der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze und deren Anwendungsbereich
3.
Hauptpunkt des Streites bildet die Frage, ob die in § 34a UG enthaltene Delegation der gesetzgebenden Gewalt an die Exekutive verfassungsmässig ist. Während die Beschwerdeführer diese Frage verneinen, vertritt der Regierungsrat die entgegengesetzte These, es brauche zur Einführung von Zulassungsbeschränkungen überhaupt keine Ermächtigung des Gesetzgebers.
a) Von jeher hat die Rechtsprechung des Bundesgerichts mit der herrschenden Lehre und gegen die Auffassung von Giacometti angenommen, dass die Delegation der gesetzgebenden Gewalt an die Exekutive grundsätzlich zulässig ist, soweit sie durch eine Bestimmung der kantonalen Verfassung, die höhere Anforderungen stellen kann, nicht untersagt wird
BGE 103 Ia 369 S. 375
(
BGE 88 I 33
mit Hinweisen, seither bestätigt u.a. in
BGE 91 I 407
;
BGE 92 I 45
E. 1;
BGE 96 I 712
;
BGE 98 Ia 109
E. 2). Mit dieser grundsätzlichen Anerkennung sind indessen die staatsrechtlichen Probleme, die die Gesetzesdelegation aufwirft, nicht gelöst. Jede Delegation an die Exekutive stellt einen gewissen Einbruch in das Gewaltenteilungsprinzip dar, welches zwar weder im Bund noch in den Kantonen vollständig konsequent durchgeführt ist (
BGE 88 I 34
), aber in allen Kantonen auch ohne ausdrückliche Erwähnung in der Kantonsverfassung besteht (
BGE 102 Ia 392
E. 8;
BGE 93 I 43
/44 E. 3). Ferner können durch die Delegationsnorm Materien, die dem Referendum unterstehen, diesem inskünftig entzogen werden. Obwohl die Bundesverfassung (Art. 6 Abs. 2 lit. b) die Kantone nicht dazu verpflichtet, die Ausübung der politischen Rechte unbedingt nach demokratischen Formen zu sichern, ist die Referendumsdemokratie in fast allen Kantonsverfassungen verankert (BURCKHARDT, Kommentar der schweizerischen BV, 3. Aufl., S. 66 f. zu Art. 6 Abs. 2). Endlich können durch die Gesetzesdelegation andere rechtsstaatliche Grundsätze, namentlich die der Gesetzmässigkeit - des Gesetzesvorranges und des Gesetzesvorbehaltes - sowie der Grundsatz des Willkürverbotes und die Garantie der Rechtsgleichheit in Frage gestellt oder gefährdet werden. Aus diesen Gründen ist, wie das Bundesgericht in
BGE 101 Ib 75
E. 4b anerkannt hat, den Regeln, denen die Gesetzesdelegation zu unterstellen ist, selbst Verfassungsrang zuzuschreiben. Daraus folgt, dass dem Bundesgericht eine freie Prüfungsbefugnis zusteht, soweit die Delegationsnorm unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen zu beurteilen ist (
BGE 99 Ia 543
E. 4b in fine; vgl.
BGE 98 Ia 118
E. 6a, 591 E. 3c).
Schon aus dem Grundsatz der Gewaltentrennung und - wo ein Referendumsrecht besteht - aus dem Prinzip der demokratischen Willensbildung folgt, dass sich die Gesetzesdelegation auf eine bestimmte, genau umschriebene Materie beschränken muss. Auf die gleichen Grundsätze ist das weitere Erfordernis zurückzuführen, wonach, soweit die zu regelnde Materie dem Referendum unterliegen würde, wäre sie im formellen Gesetz geregelt, die Delegationsnorm selbst in einem dem Referendum unterstellten Erlass enthalten sein muss. Was den materiellen Inhalt der Delegation anbelangt, hat die Rechtsprechung zunächst auf dem Gebiet der öffentlichen
BGE 103 Ia 369 S. 376
Abgaben, für welche unbestrittenermassen (mit Ausnahme der reinen Kanzleigebühren) seit jeher der Gesetzesvorbehalt gilt, den Grundsatz aufgestellt, dass das formelle Gesetz selbst mindestens die Voraussetzungen und das Mass der Besteuerung festlegen muss. Ausgehend von der Feststellung, dass das Prinzip der Gesetzmässigkeit der Steuer nichts anderes als einen Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes des Gesetzesvorbehaltes darstellt (
BGE 97 I 347
E. 2a), hat die neuere Rechtsprechung anerkannt, dass, wo der Gesetzesvorbehalt kraft (geschriebenen oder ungeschriebenen) Verfassungsrechts gilt (vgl. z.B.
Art. 22ter Abs. 2 BV
) und es um die Einschränkung von verfassungsmässig gewährleisteten Freiheitsrechten geht, für die Gesetzesdelegation ähnliche Regeln - mutatis mutandis - zur Anwendung kommen müssen, und die Delegationsnorm selbst zumindest die Grundzüge der Regelung enthalten und Inhalt, Zweck und Ausmass der erteilten Ermächtigung bestimmen muss (
BGE 98 Ia 591
E. 3b, 592 E. 3d).
Schon in
BGE 98 Ia 109
E. 2, wo es übrigens nicht um die Einschränkung von Freiheitsrechten ging, hatte das Bundesgericht ganz allgemein ausgeführt, die Delegationsnorm müsse enthalten "des directives précises portant sur l'essentiel lorsqu'il s'agit de toucher gravement à la situation juridique des administrés". Diese allgemeinere Formel ist im neuesten Entscheid
BGE 102 Ia 64
E. 2 ("und das Gesetz die Grundzüge der Regelung selbst enthält, soweit sie die Rechtsstellung der Bürger schwerwiegend berührt") übernommen worden, immerhin mit Einschränkungen, die sich aus den übrigen Erwägungen ergeben und von denen noch die Rede sein wird.
b) Es ist somit davon auszugehen, dass jedenfalls dann, wenn der Gesetzesvorbehalt gilt, erhöhte Anforderungen an die Delegationsnorm von Verfassungs wegen zu stellen sind: soll das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage einen Sinn behalten, so darf sich die Delegation nicht in einer blossen Ermächtigung im Sinne der Schaffung einer Verordnungskompetenz erschöpfen.
Nun gilt der Gesetzesvorbehalt nach dem heutigen Stand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für die Einschränkung von verfassungsmässig gewährleisteten Rechten und die Auferlegung von Pflichten, d.h. im Bereiche der sogenannten "Eingriffsverwaltung". Die Frage, ob dieser rechtsstaatliche
BGE 103 Ia 369 S. 377
Grundsatz gleichermassen für die "Leistungsverwaltung" zu gelten habe, wie ein Teil der neuern Lehre mit Nachdruck verlangt, ist bisher vom Bundesgericht nicht beantwortet worden (
BGE 100 Ia 195
E. 4 und die dort angeführten Literaturhinweise; IMBODEN, Das Gesetz als Garantie rechtsstaatlicher Verwaltung, S. 18 ff.; IMBODEN/RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Bd. I Nr. 59 S. 354, Ziff. IIa; SALADIN, Grundrechte im Wandel, S. 371 f. mit Anm. 68; GRISEL, Droit administratif Suisse, S. 165 f.; P.R. MÜLLER, Das öffentliche Gemeinwesen als Subjekt des Privatrechts, Diss. St. Gallen 1970, S. 390 ff.; MALLMANN, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 19, S. 174 ff.).
Es ist deswegen angebracht, zuerst zu untersuchen, ob die Einführung des Numerus-clausus eine Eingriffsmassnahme, d.h. eine Einschränkung verfassungsmässiger Rechte darstellt, die eine gesetzliche Grundlage im Sinne der bisherigen Rechtsprechung und infolgedessen die Anwendung der Kriterien erfordert, welche für die Gesetzesdelegation in solchen Fällen aufgestellt worden sind (E. 4).
Ist die Frage zu verneinen, so bleibt noch zu prüfen, ob und inwieweit der Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes angesichts der Besonderheit der Materie über den bisherigen Rahmen der Eingriffsverwaltung hinaus auszudehnen sei und welche Auswirkungen dies auf die Anforderungen an die Gesetzesdelegation hätte (E. 5 und 6). B.- Ein auf der begrenzten Aufnahmefähigkeit beruhender Numerus-clausus greift an sich nicht in verfassungsmässige Rechte ein.
4.
a) Dass ein verfassungsmässiges ungeschriebenes Recht auf Bildung über den Primarunterricht (
Art. 27 Abs. 2 BV
; BURCKHARDT, a.a.O., zu
Art. 27 BV
; SALADIN, Recht auf Bildung, S. 140) hinaus bestehe, behaupten die Beschwerdeführer selbst nicht, und dies mit Recht. In der Volksabstimmung vom 4. März 1973 ist die konstitutionelle Verankerung eines solchen Rechtes trotz knappem Volksmehr von den Ständen abgelehnt worden (vgl. BBl 1972 I 421 ff.
;
1973 I 1730
f.; hierzu E. GRISEL, Les droits sociaux, ZSR, NF Bd. 92 1973 II S. 73 f.; J.-P. MÜLLER, Soziale Grundrechte in der Verfassung? ibidem, S. 864 ff. und die dort angeführte Literatur, 872 ff.; HÄRING, Grundrechte im Bereich
BGE 103 Ia 369 S. 378
der Bildung, Diss. Basel 1976, S. 76 ff.). Es kann schon deswegen keine Rede davon sein, ein solches Grundrecht in den Katalog der ungeschriebenen Verfassungsrechte auf dem (Um)weg der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzunehmen, wie das Bundesgericht in
BGE 100 Ia 194
E. 3c schon angetönt und in
BGE 102 Ia 324
/25 jedenfalls für den Zugang zum akademischen Studium implizite bestätigt hat. Im übrigen hätte sich der geplante Bildungsartikel (
Art. 27 Abs. 1 BV
) darauf beschränkt, einen Anspruch auf Ausbildung im Rahmen des bestehenden Bildungssystems zu garantieren (BBl 1972 I S. 377, 423). Darüber hinaus stünden der Konkretisierung eines solchen Grundrechts durch den Richter, ohne Tätigwerden des Bundes- und des kantonalen Gesetzgebers, kaum überwindbare Schwierigkeiten entgegen (vgl. J.-P. MÜLLER, a.a.O., S. 839 ff., 852).
Ein solches verfassungsmässiges Recht kann auch nicht aus der Handels- und Gewerbefreiheit abgeleitet werden, da sie - anders als die Berufsfreiheit des deutschen Grundgesetzes (Art. 12 Abs. 1 GG; MAUNZ/DÜRIG, Kommentar zum GG, N. 108 ff. zu Art. 12) - keine Ansprüche auf staatliche Leistungen begründet (
BGE 102 Ia 396
E. 9 in fine mit Verweis). Dies selbst dann nicht, wenn man, wie die Beschwerdeführer das tun möchten, § 12 KV heranzieht und in Beziehung zu
Art. 31 BV
setzt. § 12 KV stellt eine Programmbestimmung dar, aus welcher sich offensichtlich keine individuell-rechtlichen Ansprüche ableiten lassen und welcher deswegen nicht die Tragweite einer - Art. 20 Abs. 1 GG entsprechenden - sog. Sozialstaatsklausel in dem von den Beschwerdeführern befürworteten Sinne beigemessen werden kann.
b) Daraus, dass § 35 UG die Zulassungsvoraussetzungen regelte, lässt sich wohl mit den Beschwerdeführern ableiten, dass eine Änderung dieser Regelung nur auf dem Wege der Gesetzesänderung erfolgen durfte, ohne Rücksicht darauf, ob der im formellen Gesetz geregelten Materie auch materiell Gesetzesrang zukam oder nicht. Diesem Gebot, das sich aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vorranges des Gesetzes (Gebot der Übereinstimmung oder Stufenordnung der Formen - vgl.
BGE 100 Ia 162
;
BGE 98 Ia 109
E. 2;
BGE 94 I 36
E. 3a;
BGE 50 I 233
/35 E. 3) ergibt, ist aber dadurch Genüge getan worden, dass die Novelle in Gesetzesform gekleidet und dem Volke
BGE 103 Ia 369 S. 379
unterbreitet worden ist. Mehr folgt aus dem Grundsatz der Stufenordnung nicht: insbesondere ist es weder dem Gesetzgeber verwehrt, eine früher im formellen Gesetz geregelte Materie der Verordnungsstufe zuzuweisen, noch kann dem Grundsatz entnommen werden, welchen Anforderungen die Delegation an den Verordnungsgeber zu unterstellen ist. Ebensowenig muss darin, dass der Grosse Rat die neue Bestimmung in das Gesetz aufgenommen hat, die (ausdrückliche oder stillschweigende) Anerkennung erblickt werden, dass die Zulassungsregelung einem Gesetz in formellem Sinne vorbehalten sein müsse.
c) Dass § 35 UG einen eigentlichen Zulassungsanspruch des Inhabers eines Maturitätsausweises begründe, legen die Beschwerdeführer nicht dar und kann auch dem Gesetzestext nicht entnommen werden. Wie der Regierungsrat anführt, steht dem Benützer einer öffentlichen Anstalt nach herrschender Lehre kein subjektives Recht auf Anstaltsbenützung zu, sofern dies nicht ausdrücklich oder in der Form der Statuierung eines Zulassungszwanges vorgesehen ist (FLEINER, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechtes, 8. Aufl., S. 335 f.; FORSTHOFF, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., Bd. I, Allg. Teil, S. 415 und ff.; WOLFF/BACHOF, Verwaltungsrecht, Bd. II, 4. Aufl. S. 386 f.; abweichend: IMBODEN/RHINOW, a.a.O., Bd. II Nr. 140, S. 1041 f. Ziff. II; SALZWEDEL in ERICHSEN/MARTENS, Allg. Verwaltungsrecht, S. 300 und 305 f.). Das Bundesgericht hat sogar die Frage offen gelassen, ob dann, wenn ein Benützungszwang vom Gemeinwesen eingeführt worden ist, ein entsprechendes Benützungsrecht des Bürgers von Verfassungs wegen angenommen werden müsse, wie in der Lehre befürwortet wird (
BGE 92 I 510
/11b mit Hinweisen). Auch kann nicht angeführt werden, es bestehe im Kanton Basel-Stadt ein Gewohnheitsrecht, wonach das Maturitätszeugnis einen eigentlichen Zulassungsanspruch zum Universitätsstudium begründe. An die Voraussetzungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht (langanhaltende Übung und opinio necessitatis) werden im öffentlichen Recht strenge Anforderungen gestellt (
BGE 96 I 228
E. 6c;
BGE 89 I 270
;
BGE 84 I 95
E. 4
;
83 I 247
E. 2). Wenn auch angenommen werden könnte, dass die Inhaber eines Maturitätszeugnisses seit vielen Jahren ausnahmslos und ununterbrochen zum Hochschulstudium zugelassen worden sind, so wäre noch darzutun, diese Übung sei
BGE 103 Ia 369 S. 380
von der Rechtsüberzeugung sowohl der zulassenden Behörde wie der zugelassenen Anwärter getragen worden, es geschehe dies in Erfüllung eines den Bewerbern zustehenden, durchsetzbaren Anspruches (
BGE 96 V 51
E. 4). Dies ist von den Beschwerdeführern nicht dargetan worden und wäre auch kaum zu beweisen: solange Studienplätze in genügender Zahl vorhanden sind, stellt man sich eine solche Frage überhaupt nicht. Die klare Annahme von § 34 a UG in der Volksabstimmung ist zudem ein Indiz, das gegen die Annahme einer entgegenstehenden Rechtsüberzeugung der Bevölkerung vor der Ergänzung des Gesetzes spricht.
Die Frage, ob ein gesetzlicher oder gewohnheitsrechtlicher Anspruch auf Zulassung zum Universitätsstudium besteht, könnte im übrigen offen bleiben. Denn die vom Bundesgericht aufgestellten Regeln über die Zulässigkeit der Gesetzesdelegation kommen nach herrschender Praxis nur bei der Einschränkung verfassungsmässig gewährleisteter Rechte zur Anwendung. Das Verfassungsrecht aber schliesst nach dem Gesagten nicht aus, dass ein Zulassungsanspruch verneint oder nachträglich beseitigt wird.
d) Es ist somit festzustellen, dass die Einführung des Numerus-clausus keine Massnahme darstellt, die eine Einschränkung von verfassungsmässig gewährleisteten Rechten oder die Auferlegung von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen bedingt. Nach dem heutigen Stand der Rechtsprechung gälte deshalb der Gesetzesvorbehalt an sich nicht (
BGE 100 Ia 195
E. 4). C.- Ausdehnung des Gesetzesvorbehaltes und ihre Folgen für die Verfassungsmässigkeit einer Delegation
5.
Es ist zuzugeben, dass die Beschränkung des Gesetzesvorbehaltes auf das Gebiet der sogenannten "Eingriffsverwaltung" nach den Begriffen der aus dem 19. Jahrhundert stammenden deutschen Lehre den heutigen Bedürfnissen und Auffassungen nicht mehr gerecht wird. Die Übernahme dieser Lehre erscheint im Lichte der schweizerischen demokratischen Staatsauffassung fragwürdig und ist in der schweiz. Literatur seit jeher auf Kritik gestossen. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat dazu auch gerade mit Rücksicht auf die Verankerung einer demokratisch-parlamentarischen Staatsauffassung im Grundgesetz diese Theorie neuestens verlassen (BVerGE Bd. 40 (1976), Nr. 22 S. 248 ff. E. 2a). A fortiori
BGE 103 Ia 369 S. 381
gilt dieses Argument im Hinblick auf die kantonale und die eidgenössische Referendumsdemokratie (IMBODEN, a.a.O. S. 42). Ferner hat die leistungsgewährende Verwaltung seit Jahrzehnten an Umfang und Intensität zugenommen, und Eingriffe und Leistungen stehen in einem solchen Korrelationsverhältnis, dass das Konzept des Eingriffes, je mehr sich die Intervention der öffentlichen Gewalt in allen Gebieten des täglichen Lebens aufdrängt, kein taugliches Unterscheidungsmerkmal mehr darstellt. Schliesslich bilden Massnahmen der leistungsgewährenden Verwaltung je länger je mehr die Voraussetzung für die tatsächliche Inanspruchnahme und die freie Entfaltung der in der Verfassung gewährleisteten Grundrechte (vgl. auch J. P. MÜLLER, a.a.O. S. 818 ff.).
6.
Wird grundsätzlich anerkannt, dass der Gesetzesvorbehalt auszudehnen sei, so sind damit die Probleme, die sich in verfassungsrechtlicher Hinsicht für die Delegation stellen, noch längst nicht gelöst. Sie gipfeln in der Frage, wieweit der Gesetzgeber die Regelung der Materie in der Delegationsnorm noch selbst vorzubestimmen hat, das heisst wie konkret und detailliert von Verfassungs wegen der Inhalt der Delegationsnorm umschrieben sein muss: eine Norm, die sich in einer einfachen, ja stillschweigenden Ermächtigung erschöpfen oder ausführliche Bestimmungen bis zur eingehendsten Regelung der delegierten Befugnis enthalten kann.
Eine allgemein gültige Beantwortung dieser Frage ist nicht möglich. Sie hängt nicht nur von der Natur der Materie ab, die Gegenstand der Delegation bildet, und ihrer Eignung, sie im voraus in generell-abstrakte Rechtsnormen zu fassen, sondern auch davon, welches Gewicht den Erfordernissen, die sich aus den verfassungsmässigen Grundsätzen der Gewaltenteilung, der demokratischen Staatsform und der Rechtsstaatlichkeit ergeben, im betreffenden Gebiet beizumessen ist. Aber auch praktische Bedürfnisse, wie das einwandfreie Funktionieren der staatlichen Institutionen, die Förderung des Fortschritts und die Möglichkeit, bei Bedarf geeignete Verwaltungsmassnahmen sofort zu treffen und sie bei veränderter Situation anzupassen, sind zu berücksichtigen.
Es geht somit um eine Wertung, die darnach ausgerichtet sein muss, das Wesentliche vom weniger Wesentlichen zu unterscheiden, und die, unter Berücksichtigung aller Elemente und unter Ausgleich sich widerstreitender Interessen, zu einer
BGE 103 Ia 369 S. 382
gewissen Auswahl führen muss. Diese Wertung obliegt zunächst den gesetzgebenden Organen - dem Parlament und dem Volk. Bei dieser Aufgabe hat ihnen der Verfassungsrichter - auch dort, wo er nicht durch
Art. 113 BV
in seiner Überprüfungsbefugnis beschränkt ist - gerade im Hinblick auf das Gewaltentrennungsprinzip und die demokratische Staatsauffassung einen breiten Gestaltungsspielraum zu belassen. Richtlinien hiefür können nur in Form von allgemeinen Hinweisen aufgestellt werden.
a) Dass der Gesetzesvorbehalt über den Rahmen der Einschränkung von verfassungsmässig gewährleisteten Rechten und der Begründung von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen auszudehnen sei, bedeutet weder, dass er sich auf sämtliche Gebiete des Verwaltungsrechtes erstrecken müsse, noch, dass er in allen Bereichen mit gleicher Strenge zu handhaben sei.
b) Die Ausdehnung des Gesetzesvorbehaltes darf keine Abschwächung seiner Geltung in bezug auf die verfassungsmässig gewährleisteten Rechte nach sich ziehen. Einerseits wird der Gesetzesvorbehalt in diesem Bereich - zum Teil ausdrücklich - in der Verfassung selbst aufgestellt (vgl. z.B.
Art. 22ter BV
), andererseits hat der Verfassungsgeber dem Gesetzgeber nicht nur die Ermächtigung erteilt, nähere Bestimmungen über den Umfang und die möglichen Einschränkungen dieser Rechte zu erlassen, sondern er hat ihm auch den Verfassungsauftrag gegeben, diese Rechte in ihrem Grundgehalt zu wahren und sie vor einer Sinnentleerung zu schützen.
c) Der Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes muss seine Tragweite dort behalten, wo es um die Schaffung öffentlichrechtlicher Pflichten der Bürger, insbesondere um die Erhebung von Abgaben geht. Eine eingeschränkte Anwendung kann ausnahmsweise nur unter der Voraussetzung zugelassen werden, dass der Verwaltungs- oder Verfassungsrichter andere verfassungsrechtliche Grundsätze heranziehen kann, die ihm eine wirksame Kontrolle der erhobenen Abgaben ermöglichen, so zum Beispiel auf dem Gebiet einiger - aber nicht aller - Kausalabgaben, und u.U. von Abgaben, die nach vorwiegend technischen Gesichtspunkten zu berechnen und erheben sind (Tarife usw.) (vgl. hiezu
BGE 97 I 204
E. 5 u. 348 E. a;
99 Ia 603
E. 5b, 699 ff.;
100 Ia 138
E. 6;
101 Ib 75
/6 E. 4b).
BGE 103 Ia 369 S. 383
d) Die Grundsätze der Gesetzmässigkeit und der Gewaltenteilung bezwecken einerseits, den Bürger vor der Willkür eines staatlichen Organs, das zugleich zur Rechtsetzung und Rechtsanwendung befugt wäre, zu schützen, andererseits die demokratische Staatsordnung, d.h. die politischen Mitbestimmungsrechte der Bürger zu garantieren. Soweit die Durchbrechung dieser Prinzipien im Hinblick auf den erstgenannten Zweck in Frage steht, ist sie im Verhältnis zu früher durch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit insofern teilweise weniger schwerwiegend geworden, als dem Bürger dadurch die Möglichkeit verliehen wurde, die Verfassungsmässigkeit und Gesetzmässigkeit der ihn betreffenden Massnahmen durch einen unabhängigen Richter überprüfen zu lassen. Dagegen leidet das demokratische Prinzip, wenn die Funktionen der gesetzgebenden Gewalt teilweise an die Exekutive übergehen: der Bürger verliert die Möglichkeit, bei der Gestaltung der Gesetze direkt oder indirekt mitzuwirken. Bieten sich bei der Regelung einer Materie mehrere verfassungsmässige Lösungen an oder stehen nicht justiziable Fragen zur Diskussion, so hat der Gesetzgeber in der Regel in der Delegationsnorm zu präzisieren, zu welcher Lösung zu greifen ist und welche Grundzüge sie aufzuweisen hat.
e) Der Getzesvorbehalt sollte in der Regel auf dem Gebiete der "Leistungsverwaltung" dann keine Abschwächung erfahren, wenn die vom Staat zugesicherten Leistungen im engen und unabdingbaren Zusammenhang mit Verpflichtungen stehen, die dem Bürger auferlegt werden. Er ist auch in der Regel streng in Bezug auf die Regelung von staatlichen Leistungen zu beachten, welche die tatsächlichen Voraussetzungen für die Ausübung und die Entfaltung der verfassungsmässig gewährleisteten Freiheitsrechte schaffen, besonders dann, wenn dem Staat auf diesem Gebiet eine Monopolstellung zukommt.
f) Das Prinzip des Gesetzesvorbehaltes braucht dann nicht im strengen Sinne befolgt zu werden, wenn zur Regelung einer Materie zwar verschiedene Wege offenstehen, aber nicht oder nur mit Mühe vorausgesehen werden kann, welcher Weg einzuschlagen ist, um der konkreten Situation am besten zu entsprechen. Das gleiche gilt für den Fall, wo der Gesetzgeber sich gezwungen sähe, für die Wahl der geeigneten Lösung und für die Weisung an den Verordnungsgeber sämtliche sich stellende Fragen in allen Einzelheiten abzuklären und zu
BGE 103 Ia 369 S. 384
beantworten, die Delegationsnorm entsprechend zu gestalten, und dadurch überfordert wäre. Anderseits aber darf die Delegationsnorm auch nicht einfach deshalb inhaltlich unbestimmt sein, weil sich der Gesetzgeber nicht die Mühe nehmen will, entsprechende Vorstellungen zu entwickeln, oder weil er fürchtet, eine Präzisierung in bestimmter Richtung könnte deren Annahme durch das Volk in Frage stellen.
g) An den Gesetzesvorbehalt dürfen im weiteren dann nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, die der zu regelnden Materie zugrunde liegen, rasch ändern könnten, was eine unverzügliche und möglicherweise häufige Anpassung der rechtlichen Ordnung notwendig machen würde; ebenso dann nicht, wenn damit zu rechnen ist, dass Behörden anderer Kantone auf dem gleichen Rechtsgebiet abweichende Ordnungen schaffen könnten und Bestrebungen zu einer wünschenswert erscheinenden Vereinheitlichung oder Koordination unternommen werden müssten. D.- Prüfung der in § 34a UG enthaltenen Delegation im Hinblick auf die aufgestellten Grundsätze
7.
Es ist somit zu prüfen, ob § 34a UG die Anforderungen erfüllt, die an eine Delegationsnorm zu stellen sind.
a) Im ersten Absatz dieser Bestimmung wird der Regierungsrat ermächtigt, die Zulassung zur Immatrikulation sowie die Dauer derselben zu beschränken. Die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um zu dieser Massnahme greifen zu können, und deren Umfang werden in sachlicher und zeitlicher Hinsicht genau umschrieben. Die Beschränkung darf nur so lange andauern und so weit gehen, als dies mit Rücksicht auf die Aufnahmefähigkeit der Universität notwendig ist. Nach welchen gesetzlichen Kriterien sich die Aufnahmekapazität bestimmt und wo sie ihre Grenzen findet, ist ebenfalls schon vorgezeichnet: sie ist einerseits von den finanziellen Mitteln des Kantons abhängig, andererseits bedingt durch das Erfordernis, den Zugelassenen die Durchführung eines ordnungsgemässen Studiums garantieren zu können. Die Zulassungsbeschränkung darf ausserdem nicht allgemein angeordnet werden; sie darf sich nur auf jene Fakultäten oder Lehrgebiete erstrecken, für welche die genannten Voraussetzungen gegeben sind, was im einzelnen noch zu prüfen ist. Hinzu kommt, dass die Beschränkung mit Rücksicht auf "die durch
BGE 103 Ia 369 S. 385
die Möglichkeiten des Kantons bedingte" Aufnahmefähigkeit der Universität anzuordnen ist, was heisst, dass der Kanton gehalten ist, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen, um die Aufnahmefähigkeit der Hochschule möglichst zu vergrössern, unter Wahrung der Qualität der erteilten Ausbildung.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kann dem Gesetzgeber nicht vorgeworfen werden, es hinsichtlich dieser Bestimmung an der notwendigen Präzision fehlen zu lassen. Dass auch unbestimmte Rechtsbegriffe ("Möglichkeiten des Kantons", "ordnungsgemässes Studium") verwendet werden, ist unumgänglich und in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Geist, der der Norm zugrunde liegt und den die Verordnungsbehörde zu achten haben wird, tritt jedenfalls klar zu Tage: Der Numerus-clausus ist eine ultima ratio, die nur in Extremsituationen zum Zuge kommen soll, nämlich dann, wenn sämtliche anderen zur Verfügung stehenden Mittel erschöpft sind, und nur solange und in solchem Masse, als die Voraussetzungen für ein ordnungsgemässes Studium nicht auf andern Wegen geschaffen werden können.
Mit der Behauptung der Beschwerdeführer, im heutigen Zeitpunkt seien noch nicht alle zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft und es bestünde daher keine Notwendigkeit, den Numerus-clausus einzuführen, hat sich das Bundesgericht, da erst die Ermächtigungsnorm, aber noch keine Verordnung erlassen worden ist, nicht zu befassen.
b) Im zweiten Absatz von § 34a UG wird das Vorbereitungsverfahren geregelt, das der Regierungsrat vor der Anordnung oder der Aufhebung einer Zulassungsbeschränkung zu befolgen hat. Anzuhören sind vom Regierungsrat die Kuratel, soweit diese nicht auf Antrag oder nach Anhörung der weiteren Universitätsgremien selbst Antrag gestellt hat, das Rektorat und die betroffene Fakultät. In allen Fällen ist auch der Erziehungsrat anzuhören. Dass der definitive Entscheid dem Regierungsrat vorbehalten bleibt, ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer durchaus korrekt, steht doch diesem als Spitze der Exekutive von seiner verfassungsmässigen Stellung her die Verordnungskompetenz zu. Die vom Gesetzgeber dem Verordnungsgeber ausdrücklich auferlegte Verpflichtung, vor dem Entscheid alle Hochschulgremien und weitere Fachbehörden anzuhören, ist keine leere Formalität: sie bietet Gewähr
BGE 103 Ia 369 S. 386
dafür, dass der schwerwiegende Entschluss nicht voreilig oder unbegründetermassen gefasst wird, werden sich doch diese Gremien, ihrer Natur und der ihnen obliegenden Verantwortung nach, gegenüber dem Numerus-clausus eher ablehnend verhalten; ausserdem sind sie am besten in der Lage, dem Regierungsrat Mittel und Wege aufzuzeigen, um die Einführung des Numerus-clausus durch Anordnung anderer, weniger einschneidender Massnahmen zu verhindern oder doch zeitlich hinauszuschieben.
c) Im dritten Absatz von § 34a UG wird dem Regierungsrat die Befugnis erteilt, die Ausführungsbestimmungen für eine Zulassungsbeschränkung zu erlassen und insbesondere die Kriterien festzulegen, die bei der Auswahl der weiterhin zum Studium zuzulassenden Bewerber angewendet werden sollen.
Die Bestimmung enthält nur in zwei Richtungen eine Präzisierung:
aa) Einerseits wird in verfahrensrechtlicher Hinsicht vorgeschrieben, dass der Erziehungsrat, die Kuratel und das Rektorat anzuhören seien. Diese Vorschrift gibt aus den bereits in lit. b erwähnten Gründen in verfassungsrechtlicher Hinsicht keinen Anlass zu Kritik.
bb) Andererseits wird vorgeschrieben, dass bei der Festlegung der Zulassungskriterien die vom Kanton Basel-Stadt und von allfälligen weiteren Kantonen erbrachten Leistungen berücksichtigt werden müssen.
Es wird nicht bestritten, dass durch diese Vorschrift eine Vorzugsstellung der Kantonsbevölkerung und der Einwohner von Kantonen, die Beiträge an die Universitätskosten leisten, bezweckt wird. Wie schon in E. 2 in bezug auf die Beschwerde von Erdin angeführt worden ist, verletzt eine solche Bestimmung an sich die Verfassung nicht. Die
Art. 43 und 60 BV
verpflichten nämlich die Kantone zu einer Gleichbehandlung ihrer Kantonseinwohner, nicht aber zu einer Gleichbehandlung dieser und der in anderen Kantonen Ansässigen (
BGE 100 Ia 289
ff.; nicht publ. Entscheid vom 12. Juni 1974 i.S. Friedrich). Die Kantone sind demnach auch befugt, auf dem Gesetzes- oder Verordnungsweg Bestimmungen darüber aufzustellen, unter welchen Bedingungen Einwohner anderer Kantone gleich behandelt werden sollen wie die Kantonseinwohner (
BGE 66 I 15
E. 7). So steht es ihnen frei, sich aufgrund von Vereinbarungen mit anderen Kantonen, die sich
BGE 103 Ia 369 S. 387
ihrerseits zu gewissen Leistungen bereit erklären, zu verpflichten, Studienanwärter aus diesen Kantonen wie die kantonseigenen Bewerber zu behandeln. Unter dem Gesichtspunkt von
Art. 4 BV
ist es den Kantonen einzig untersagt, rechtliche Unterscheidungen zu treffen, die nicht auf tatsächlichen Verschiedenheiten bzw. sachlichen Gründen beruhen und die bezwecken, die Einwohner anderer Kantone in willkürlicher Weise schlechter zu stellen (vgl. die zit. Entscheide, sowie
BGE 101 Ia 184
E. 2 mit Hinweisen auf weitere Urteile). Ein solcher Vorwurf kann aber gegenüber dem baselstädtischen Gesetzgeber nicht erhoben werden, da eine Vorzugsbehandlung von Einwohnern jener Kantone, die finanzielle Beiträge an die Universitätskosten leisten, sich grundsätzlich mit sachlichen Gründen vertreten lässt. Verfassungsrechtlich nicht unbedenklich wäre allerdings, allein auf die kantonalen Beitragsleistungen abzustellen. Es gilt unter dem Gesichtspunkt von
Art. 4 BV
auch zu berücksichtigen, dass regelmässig ein bestimmter Anteil der Hochschulabsolventen nach Abschluss der Studien im Hochschulkanton wohnhaft bleibt und somit dort erwerbstätig und steuerpflichtig wird, womit ein gewisser volkswirtschaftlicher Ausgleich der Aufwendungen für den Betrieb der Universität herbeigeführt wird. Allein aus § 34a Abs. 3 UG ergibt sich sinngemäss, dass die Höhe der kantonalen Beiträge nur ein unter anderen Gesichtspunkten für den Entscheid über die Zulassung zur Universität sein soll.
Die Verfassung wird demnach durch diese Regelung nicht verletzt.
Das gilt übrigens offensichtlich auch mit Bezug auf
Art. 45 BV
, der die Niederlassungsfreiheit gewährleistet.
Sollten die in der Verordnung zu erlassenden Ausführungsbestimmungen in der genannten Richtung als verfassungswidrig erscheinen, so bleibt es den Beschwerdeführern unbenommen, gegen diese wiederum staatsrechtliche Beschwerde zu ergreifen.
Das gleiche gilt auch hinsichtlich einer eventuellen Verletzung von
Art. 31 BV
, die sich daraus ergeben würde, dass verfassungsrechtlich verpönte wirtschaftspolitische Massnahmen in der Verordnung getroffen oder entsprechende Überlegungen ihr zugrunde gelegt würden.
d) Im Text von § 34a UG sind dagegen keine Präzisierungen dazu enthalten, nach welchen Kriterien die Auswahl der Bewerber nach Einführung des Numerus-clausus vorzunehmen
BGE 103 Ia 369 S. 388
ist. Dem Ratschlag des Regierungsrates kann einzig entnommen werden, dass für die Zulassung oder Abweisung von Studienanwärtern deren Leistung ausschlaggebend sein soll. Diese könne, wie der Regierungsrat ausführt, rein theoretisch auf verschiedene Weise ermittelt werden, z.B. durch Aufnahme-Examina oder aufgrund bisheriger Qualifikationen (Matura). Keines dieser Systeme sei perfekt. Ebensowenig perfekt sei jedoch das heutige System, wo man einfach aufgrund der Matura zur Universität zugelassen werde und ein beachtlicher Teil der Studierenden das Studienziel nicht erreiche (Ratschlag zur Änderung des UG (§ 34a) S. 10).
Dass im Gesetzestext kein einziges Kriterium für die Auswahl der Studienanwärter festgelegt wird, ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht bedenklich, und es kann sehr wohl verstanden werden, dass die Beschwerdeführer ihre Kritik vor allem auf diesen Punkt richten.
aa) Auch wenn man davon ausgeht, dass ein eigentliches Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium nicht besteht, ist doch zuzugeben, dass traditionsgemäss das Hochschulstudium immer allen geeigneten Kandidaten offenstand und der Numerus-clausus zu einer eingreifenden Änderung der bisherigen offenen Zulassungspolitik und damit des ganzen Hochschullebens führt. Der Regierungsrat anerkennt im Ratschlag selbst, dass bis anhin das eidgenössische oder kantonale Maturitätszeugnis als genügender Tauglichkeitsausweis für die Zulassung zum Hochschulstudium betrachtet wurde und dass es sich bei der eventuell notwendigen Abweisung von Studienbewerbern "um eine Zäsur gegenüber der bisherigen Praxis" handle (S. 12). Tatsächlich wird dann, wenn im Fall äusserster Bedrängnis zum Numerus-clausus gegriffen werden muss, eine Anzahl von Bewerbern vom Hochschulstudium ausgeschlossen werden, obschon sie an sich hochschulreif sind. Damit wird eine Ungleichheit statuiert, die, wenn sie auch auf einem Sachzwang beruht, als höchst unbefriedigend empfunden wird.
bb) Zwar ist - entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum deutschen Grundgesetz (vgl. BVerfGE Bd. 33 Nr. 22, S. 303 ff.) - für das schweizerische Recht weder die Existenz eines Rechts auf Bildung zu bejahen, noch können Teilhaberechte, die den Zutritt zu den Ausbildungseinrichtungen gewährleisten würden, aus der Handels- und Gewerbefreiheit abgeleitet werden (oben E. 4a). Hingegen
BGE 103 Ia 369 S. 389
ist es klar, dass die Möglichkeit, sich eine Hochschulbildung anzueignen, eine Grundvoraussetzung für die Verwirklichung von verfassungsmässig gewährleisteten Rechten und für eine freie und harmonische Entwicklung der Persönlichkeit bildet. Wird diese Möglichkeit eingeschränkt, so wirken sich die dadurch entstehenden Nachteile vor allem aus drei Gründen besonders schwer aus: wegen der Unteilbarkeit der von der Ausbildungsanstalt erbrachten Leistung bekommt der Zugelassene alles, der Abgewiesene geht vollständig leer aus. Sodann schliesst die faktische Monopolstellung des Staates auf dem Gebiet des Hochschulwesens es aus, dass sich der Abgewiesene anderswo das verschaffen könnte, was ihm der Staat verweigert hat. Und schliesslich erweist sich auch der Besuch der Mittelschule praktisch als zwecklos, da dieser zu keinem Ausbildungsabschluss führt, sondern seiner Zweckbestimmung nach der Vorbereitung des Hochschulstudiums dient.
Da hier nicht ein Anwendungsfall des Numerus-clausus zu beurteilen ist, braucht nicht abschliessend geprüft zu werden, unter welchen Voraussetzungen von einem Eingriff in den Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung gesprochen werden könnte (vgl. GRISEL, La liberté personnelle et les limites du pouvoir judiciaire, in: Revue internationale de droit comparé, 1975 S. 569 f.). In
BGE 102 Ia 324
f. E. 3a ist das Bundesgericht zum Schluss gekommen, die Nichtzulassung zum Studium an einer bestimmten Universität für die Dauer eines Jahres berühre den Schutzbereich der persönlichen Freiheit nicht. Anders zu entscheiden wäre wohl bei einem dauernden Ausschluss vom Studium an allen in Frage kommenden Universitäten des Landes.
cc) Tatsächlich sind, wie die in anderen Ländern, vor allem in der deutschen Bundesrepublik gemachten Erfahrungen zeigen, für die Vornahme der Ausscheidung von zuzulassenden und nicht zuzulassenden Studienanwärtern verschiedene Methoden denkbar. Es ergeben sich dabei etwa folgende Fragen und Lösungsvarianten:
Die Zulassung kann nur von der Leistung des Kandidaten oder auch von andern Faktoren, z.B. der Wartezeit, abhängig gemacht werden. Für die Beurteilung der Eignung kann einzig auf das Maturitätszeugnis, oder zusätzlich auf weitere Abklärungen wie z.B. eine Aufnahmeprüfung abgestellt werden.
BGE 103 Ia 369 S. 390
Wird der Beurteilung das Maturitätszeugnis zugrundegelegt, so können der Durchschnitt aller Noten, oder die Noten der Fächer, die mit dem vom Bewerber angestrebten Studium in Zusammenhang stehen, massgebend sein. Dabei stellt sich die Frage, ob alle Maturitätszeugnisse, unabhängig davon, in welchem Kanton und von welcher Schule sie ausgestellt wurden, gleich zu bewerten sind. Sind kantonale Kontingente auszuscheiden, so ist zu bestimmen, nach welchen Gesichtspunkten - Einwohnerzahl, Zahl der Maturanden, Verhältnis der Universitätskantone zu den übrigen - sie zu berechnen sind. Es wäre zu entscheiden, ob ein Ausgleich zwischen Bewerbern aus geburtsreichen und jenen aus geburtsschwachen Jahren vorzunehmen sei, ob Kandidaten aus sozial schwächeren Schichten im Interesse der Chancengleichheit zu bevorzugen seien, wie weit ein während der Nichtzulassung begonnenes Studium in einer freien Fakultät oder eine andere Berufsausbildung zu berücksichtigen seien, usw. (vgl. hierzu das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 8. Februar 1977, in: EuGRZ 4. Jg. 1977 S. 66 ff.).
dd) Zieht man in Betracht, welche Bedeutung diesen Fragen zukommt und welche einschneidenden Konsequenzen sich je nach ihrer Beantwortung für eine erhebliche Anzahl von Studienanwärtem ergeben können, so kann man durchaus zur Auffassung neigen, dass im formellen Gesetz zumindest die Richtlinien der Zulassungsordnung festgelegt werden sollten. Gewiss stehen den Betroffenen gegenüber der vom Regierungsrat zu erlassenden Verordnung und den gestützt darauf ergangenen Verfügungen alle jene Rechtsmittel auch zu, mit denen sie sich gegen eine im formellen Gesetz getroffene Regelung zur Wehr setzen könnten: die Möglichkeit zur Kontrolle von Recht- und Verfassungsmässigkeit besteht im einen wie im anderen Falle. Dagegen werden durch die Regelung auf Verordnungsstufe jene politischen Garantien grösstenteils ausgeschlossen, die sich daraus ergeben, dass im Parlament und in der Öffentlichkeit eine breitere Diskussion stattfinden und schliesslich das Volk in einer eventuellen Abstimmung zur gewählten Lösung Stellung nehmen kann.
Andererseits dürfen die Anforderungen, die sich aus dem demokratischen Prinzip ergeben, nicht überspannt werden, gerade im Hinblick darauf, dass den Organen der Gesetzgebung bei der Regelung einer Materie ein breiter Gestaltungsspielraum
BGE 103 Ia 369 S. 391
zustehen muss. Nicht jeder - vernünftige - Verzicht auf eine parlamentarische Diskussion und auf die Möglichkeit, das Referendum inskünftig zu ergreifen, kann als verfassungswidrig betrachtet werden; dies umso weniger, wenn das Volk, wie hier, diesem Verzicht nicht nur stillschweigend, sondern ausdrücklich zugestimmt hat. Hinzu kommt, dass die Delegationsnorm vom Grossen Rat oder auf dem Wege der Initiative vom Volk (§ 28 KV) jederzeit geändert oder widerrufen werden kann (
BGE 99 Ia 545
E. 4c,
BGE 88 I 157
f. E. 4d).
ee) Auch wenn man die gesetzliche Verankerung der Auswahlkriterien in ihren wesentlichen Zügen aus verfassungstheoretischer Sicht als wünschbare Lösung betrachtet, so können doch die praktischen Hindernisse, die einer solchen Lösung entgegenstehen, nicht übersehen werden.
Die schliesslich zu treffende Lösung hängt von einer Vielzahl tatsächlicher Umstände ab, die im heutigen Zeitpunkt noch nicht, jedenfalls noch nicht genügend, abgeklärt sind. Ausserdem kann es notwendig werden, wie auch die ausländischen Beispiele zeigen, die zuerst getroffene Lösung, sei es anhand der damit gemachten Erfahrungen, sei es infolge einer nicht voraussehbaren oder unvorhergesehenen Veränderung der Verhältnisse, anders zu gestalten oder zu verbessern. Schliesslich ist festzuhalten, dass den Universitätskantonen - unabhängig von rechtlichen oder faktischen Verpflichtungen, die sich aus dem heutigen oder dem zukünftigen, zur Zeit in Beratung stehenden Hochschulförderungsgesetz (vgl. hiezu Botschaft des Bundesrates vom 4. Oktober 1976, BBl 1976 III S. 885 ff., insbes. A Ziff. 111.2/3/5; 112.2/3; 113.1/2; 114; 115; 122; 124; 125; 131.2/3/4; 14; 211.6; 212 zu Art. 1, 4, 14, 15, 16, 37, 66; und Berichterstattung gemäss Art. 21 des Hochschulförderungsgesetzes, ibidem, B S. 983 ff.) ergeben können - zumindest eine moralische Pflicht zur Zusammenarbeit und zur Vereinheitlichung der verschiedenen Bestrebungen im Hochschulwesen obliegt, um auf Landesebene eine Aufgabe, der nationale Bedeutung zukommt und die die Kräfte der einzelnen Kantone übersteigt, mit Hilfe des Bundes und der Nichtuniversitätskantone bestmöglich bewältigen zu können. Dieses Ziel kann durch interkantonale konkordatsähnliche Vereinbarungen oder durch Verankerung von sog. Parallelbestimmungen in den Rechtsordnungen der Universitätskantone
BGE 103 Ia 369 S. 392
angestrebt und erreicht werden. Es leuchtet ein, dass ein solches Ziel durch Verhandlungen auf Regierungsebene leichter erreicht werden kann als auf dem Wege des viel mehr Zeit beanspruchenden, schwerfälligen Gesetzgebungsverfahrens, umso mehr, als Koordinationsstellen auf Bundesebene schon vorhanden sind.
Die Schaffung einer weiten, in bezug auf die Auswahlkriterien unbestimmten Delegationsnorm lässt sich somit nicht nur im kantonalen Rahmen vertreten: sie erscheint vielmehr im Hinblick auf die gesamtschweizerischen Bedürfnisse und zur Förderung und Erleichterung der interkantonalen Koordination und Zusammenarbeit geradezu wünschenswert. Die weitgehende Gestaltungsfreiheit, die die Delegation der Verordnungsbehörde einräumt, scheint am besten geeignet, die Voraussetzungen zu schaffen, um dem Numerus-clausus weiterhin auszuweichen oder wenigstens seine Einführung zeitlich hinauszuschieben und auf Extremsituationen zu beschränken, was von den Beschwerdeführern gerade verlangt wird und auch im Interesse der Hochschulen, der Studierenden und des gesamten Schweizervolkes liegt.
Es ergibt sich demnach, dass die in § 34a UG enthaltene Gesetzesdelegation, auch wenn der Gesetzesvorbehalt über den bisher in der Rechtsprechung aufgestellten Rahmen der Eingriffsverwaltung hinaus ausgedehnt wird, vor der Verfassung standhält. III. § 34a UG verletzt Bundesrecht nicht (Art. 2 ÜbBest.BV)
8.
a) Aus zum Teil bereits genannten Gründen sind die Rügen der Verletzung von Art. 2 ÜbBest. BV hinsichtlich des Hochschulförderungsgesetzes und des Verstosses gegen das Prinzip der Bundestreue abzuweisen. Das gegenwärtig noch geltende BG über die Hochschulförderung (vom 28. Juni 1968, SR 414.20) ist ein reines Subventionsgesetz, das den Hochschulkantonen keine Pflichten oder Verhaltensvorschriften in bezug auf die Zulassung von Studienbewerbern auferlegt. Art. 19 bis Abs. 2 (in der Fassung vom 17. Dezember 1971, AS 1972 S. 779) bestimmt in dieser Hinsicht lediglich, der Bund fördere alle Massnahmen, die dazu beitragen, dass jeder Schweizer oder niedergelassene Ausländer, der die Voraussetzungen für eine Immatrikulation erfülle, das Studium seiner Wahl ohne Behinderung durch rechtliche oder tatsächliche Zulassungsbeschränkungen an einer schweizerischen
BGE 103 Ia 369 S. 393
Hochschule beginnen und abschliessen könne. Das geplante neue, in Beratung der eidgenössischen Räte befindliche BG über die Förderung der Hochschulen und die Forschung (HFG, Entwurf des Bundesrates, BBl 1976 III S. 997 ff.) ordnet in Art. 5 Abs. 2 an, Bund und Kantone sicherten die Gleichbehandlung aller Schweizer, der Bürger des Fürstentums Liechtenstein, der niedergelassenen Ausländer und Flüchtlinge bei der Zulassung zu den Hochschulen; in Art. 14 bis 16 sind Massnahmen zur Sicherung der Studienplätze niedergelegt.
Da der Bund aber im Hochschulbereich über Massnahmen finanzieller Förderung hinaus keine Kompetenzen hat, muss er sich damit begnügen, das Ausmass der Unterstützung von der Einhaltung des Gleichbehandlungsprinzips durch die Hochschulkantone abhängig zu machen. Es kann aber auch nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes keine Rede davon sein, dass abweichende kantonale Bestimmungen (im vorliegenden Fall Art. 34a Abs. 3 UG) bundesrechtswidrig wären (vgl. BBl 1976 III S. 893 f., 919 f. 933 f., 938 f. zu Art. 5 des Entwurfes, 953 f. zu Art. 37, 968 f. zu Art. 66).
b) Gleichfalls unbegründet ist die Behauptung, das Bundesrecht sei insofern verletzt, als es die Universitätskantone verpflichtet, das eidgenössisch anerkannte Maturitätszeugnis als genügenden Ausweis für die Zulassung zu den Medizinalprüfungen (und infolgedessen zum Medizinstudium) gelten zu lassen (Art. 16 des Reglementes für die eidgenössischen Medizinalprüfungen vom 22. Dezember 1964, SR 811.112.1). Der Bund kann aufgrund von
Art. 33 Abs. 2 BV
sowie des ausführenden Bundesgesetzes (vom 19. Dezember 1877, SR 811.11) nur festlegen, über welche Allgemeinbildung der schweizerische Studienanwärter an den medizinischen Hochschulfakultäten verfügen muss (BBl 1976 III 893), auch wenn die Verordnung des Bundesrates vom 22. Mai 1968 über die Anerkennung von Maturitätsausweisen (MAV) - auf die in Art. 16 Abs. 2 des Reglementes verwiesen wird - eine wesentlich weitergehende Bedeutung für das Hochschulstudium erlangt hat. Die Kantone können dadurch weder gehindert werden, bei Studienplatzmangel Zulassungsbeschränkungen einzuführen, noch dazu verpflichtet werden, die von den Universitäten erbrachten Leistungen auszubauen.
Aufgrund all dieser Ausführungen sind die Beschwerden vollumfänglich abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
4a214dd2-e731-494d-bf49-e366dbef59d9 | Urteilskopf
97 I 73
12. Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Februar 1971 i.S. Ostergaard gegen Eidg. Amt für das Handelsregister. | Regeste
Art. 944 Abs. 2 OR
,
Art. 45 und 46 HRegV
,
Art. 104 lit. a OG
; Handelsregister, territoriale Bezeichnung in einer Firma.
1. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 1).
2. Die Weigerung des eidg. Amtes für das Handelsregister, einem Transport- und Speditionsunternehmen in der Firma die Zusätze "Euro" und "Europa" zu bewilligen, verletzt das Gesetz nicht (Erw. 2 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 74
BGE 97 I 73 S. 74
A.-
Die "Europa Transport & Spedition A/S" mit Sitz in Kopenhagen ist seit Mai 1961 im dänischen Aktiengesellschafts-Register eingetragen. Sie ist auch unter dem Namen "Eurotrans A/S (Europa Transport & Spedition A/S)" tätig.
Ihr Hauptaktionär Laurits Jorgensen Ostergaard beabsichtigt, in Zürich eine selbständige Aktiengesellschaft zu gründen. Nach dem Entwurf der Gründungsurkunde soll das Grundkapital in fünfzig Namenaktien zu Fr. 1'000.-- eingeteilt werden und Ostergaard davon 48 übernehmen. Art. 2 des Entwurfes der Statuten lautet: "Die Gesellschaft bezweckt den Betrieb eines Transport- und Speditionsunternehmens auf dem Gebiete von Europa, und zwar als Filiale Zürich der Firma Eurotrans, Europa Transport und Spedition A/S in Kopenhagen". Ostergaard ersuchte das Eidgenössische Amt für das Handelsregister, der zu gründenden Gesellschaft gemäss
Art. 45 und 46 HRegV
die Führung der Firma "Eurotrans, Europa Transport und Spedition AG" zu bewilligen. Er machte geltend, dieser Name solle die Gesellschaft nicht reklamehaft aus dem Kreise anderer Transportunternehmen hervorheben, sondern nur sagen, der Geschäftsbereich bestehe in europäischen Binnentransporten.
B.-
Das Amt für das Handelsregister wies das Gesuch am 24. September 1970 ab.
Es führte aus, es beständen keine besonderen Umstände im Sinne der
Art. 45 und 46 HRegV
, die Firmenteile "Europa" und "Eurotrans" zu bewilligen. Die zu gründende Gesellschaft solle nur ein bescheidenes Grundkapital von Fr. 50'000.-- haben und wie viele andere Unternehmen die Durchführung internationaler Transporte in Europa bezwecken. Die vorgesehene Firma sei stark reklamehaft und verstosse damit auch gegen
Art. 44 Abs. 2 HRegV
.
C.-
Ostergaard führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er hält am Antrag auf Bewilligung der Firma "Eurotrans, Europa Transport und Spedition AG" fest. Er macht geltend, die vorgesehene Firma sei nicht unwahr, gebe der Gesellschaft nicht den Anschein einer erhöhten Bedeutung gegenüber Konkurrenzunternehmen und erwecke nicht den Eindruck eines europäischen Zusammenschlusses im Transport- und Speditionswesen. Der territoriale Zusatz habe bei Transportfirmen, Reiseagenture, Speditionsfirmen einen anderen Sinn als z.B. bei einer Treuhandgesellschaft; er weise nur auf die Geschäftstätigkeit
BGE 97 I 73 S. 75
hin, wie z.B. in den unbeanstandet gebliebenen Firmen Anglo-Continental Reise AG und Transorient AG
D.-
Das Amt für das Handelsregister beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Beschwerdegrund der Unangemessenheit im Sinne von
Art. 104 lit. c OG
. Diese Norm trifft indessen nicht zu, da keiner der darin aufgezählten drei Fälle vorliegt. Es besteht insbesondere keine Bestimmung des Bundesrechts, die vorsähe, dass gegen Verfügungen des Amtes für das Handelsregister der vorliegenden Art wegen Unangemessenheit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführt werden könne. Darauf hat die I. Zivilabteilung bereits am 6. Oktober 1970 i.S. Société coopérative Boutique russe (Erw. 3) hingewiesen.
Die Beschwerde ist nur wegen "Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens" im Sinne von
Art. 104 lit. a OG
zulässig. Nach dieser Bestimmung darf das Bundesgericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltungsbehörde setzen. Es kann die Beschwerde nur gutheissen, wenn das Amt für das Handelsregister unzulässigerweise nach Ermessen verfügt oder das erlaubte Ermessen überschritten hat (vgl. zum früheren Wortlaut des Art. 104 Abs. 1:
BGE 81 I 384
,
BGE 85 I 134
,
BGE 86 I 248
,
BGE 91 I 216
,
BGE 92 I 294
,
BGE 93 I 564
,
BGE 94 I 560
; zum geltenden Art. 104 lit. a: Entscheid vom 6. Oktober 1970 i.S. Société coopérative Boutique russe, Erw. 3).
2.
Der Bundesrat kann bestimmen, in welchem Umfange nationale und territoriale Bezeichnungen bei der Bildung von Firmen verwendet werden dürfen (
Art. 944 Abs. 2 OR
). Er hat angeordnet, dass Einzelfirmen, Handelsgesellschaften und Genossenschaften in ihrer Firma grundsätzlich keine nationalen Bezeichnungen verwenden dürfen, das Amt für das Handelsregister jedoch nach Anhörung der nach den Umständen zuständigen Behörde, Amtsstelle oder Vertretung von Handel, Industrie oder Gewerbe Ausnahmen gestatten kann, wenn sie durch besondere Umstände gerechtfertigt sind (
Art. 45 HRegV
). Diese Bestimmung ist auch auf territoriale und regionale Zusätze anwendbar (
Art. 46 HRegV
).
3.
"Europa" und die Silben "Euro" in "Eurotrans"
BGE 97 I 73 S. 76
sind territoriale Zusätze im Sinne der
Art. 944 Abs. 2 OR
und 46 HRegV (
BGE 86 I 246
,
BGE 93 I 564
). Sie sind daher nur zulässig, wenn besondere Umstände sie rechtfertigen.
a) Dass sie nach der Auffassung des Beschwerdeführers angeben, die Gesellschaft führe Transporte durch Europa aus, ist kein solcher Umstand. Gewiss darf man in der Firma grundsätzlich auf die Natur des Unternehmens, auf seinen Zweck hinweisen. Wer das tun will, hat sich dennoch den übrigen Bestimmungen über die Bildung der Firma unterzuordnen.
Art. 944 Abs. 1 OR
knüpft dieses Recht ausdrücklich an die Voraussetzung, dass der Inhalt der Firma der Wahrheit entspreche, keine Täuschungen verursachen könne und keinem öffentlichen Interesse zuwiderlaufe. Die Einschränkungen im Gebrauch nationaler und territorialer Bezeichnungen liegen im öffentlichen Interesse und gehen daher dem Recht vor, auf die Geschäftstätigkeit hinzuweisen. Daher hat das Bundesgericht z.B. den auf Besonderheiten der gewerblichen Tätigkeit abgestimmten Zusatz "American" in der Firma "American Automobile Service (Aktiengesellschaft)" nicht zugelassen (
BGE 91 I 216
ff.). Gleich hat es entschieden in bezug auf die Bezeichnungen "Eurotreuhand", "Eurofiduciaire" und "Eurofiduciaria", obschon mit ihnen ausgedrückt werden wollte, die Gesellschaft sei bestrebt und in der Lage, auf europäischem Gebiete zu arbeiten (
BGE 86 I 246
ff.). Im vorliegenden Falle verhält es sich nicht anders. Dass Frachtführer Güter transportieren und Spediteure solche versenden, macht keinen Unterschied. Wie in den erwähnten Zusätzen in der Firma einer Treuhandgesellschaft soll "Euro" in der vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Firma eines Transport- und Speditionsunternehmens die geschäftliche Tätigkeit näher umschreiben, d.h. deren Erstreckung auf das Gebiet von Europa kundgeben. Das Vorhaben, Güter innerhalb von Europa zu transportieren oder transportieren zu lassen, ist sowenig ein die territoriale Bezeichnung "Euro" oder "Europa" rechtfertigender besonderer Umstand wie das Bestreben, über die Landesgrenzen hinausreichende Treuhandaufträge anzunehmen. Indem das Amt für das Handelsregister diese Zusätze nicht bewilligte, überschritt es das ihm zustehende Ermessen umso weniger, als der Wunsch, die geschäftliche Tätigkeit nicht auf die Schweiz zu beschränken, in der Firma anders ausgedrückt werden kann. Zulässig ist z.B. das Wort "international", denn es gilt weder
BGE 97 I 73 S. 77
als nationale noch als territoriale Bezeichnung (
BGE 87 I 307
,
BGE 93 I 564
Erw. 3,
BGE 95 I 279
).
b) Es gibt andere Unternehmer für Transporte oder Speditionen innerhalb Europas. Die Aktiengesellschaft, die der Beschwerdeführer gründen will, ist ihnen an Bedeutung nicht überlegen. Sie soll ein Grundkapital von nur Fr. 50'000.-- erhalten. Der Beschwerdeführer versucht nicht darzulegen, dass ihr Güterumschlag grösser sein werde als jener der Konkurrenten oder dass sie die Güter über längere Strecken transportieren lassen wolle als andere Frachtführer oder Spediteure. Die Zusätze "Eurotrans" und "Europa" gäben daher der Tätigkeit der Gesellschaft den Anschein einer Grösse, die ihr im Vergleich zu anderen nicht eigen sein wird. Sie würden nur der Reklame dienen, also gegen
Art. 44 Abs. 1 HRegV
verstossen (
BGE 69 I 123
,
BGE 79 I 176
,
BGE 94 I 164
,
BGE 95 I 279
). Der Wunsch nach reklamehaftem Auftreten ist kein besonderer Umstand im Sinne des
Art. 45 Abs. 1 HRegV
zur Bewilligung einer nationalen oder territorialen Bezeichnung; das grundsätzliche Verbot solcher Zusätze will der Reklame gerade vorbeugen (
BGE 86 I 248
,
BGE 91 I 216
).
c) Der Beschwerdeführer bringt mit Recht nicht vor, die Beziehungen der zu gründenden Gesellschaft zu der dänischen "Europa Transport & Spedition A/S" oder "Eurotrans A/S (Europa Transport & Spedition A/S)" rechtfertigten die beanspruchten territorialen Bezeichnungen. Die Gesellschaft wird im Statutenentwurf zwar als "Filiale Zürich" des dänischen Unternehmens bezeichnet. Sie ist aber nicht deren Zweigniederlassung im Sinne des Obligationenrechts, besonders der Art. 935 und 952, denn sie ist als selbständige juristische Person (Aktiengesellschaft) geplant. Der Umstand allein, dass der Beschwerdeführer Hauptaktionär der dänischen Gesellschaft ist und auch die meisten Aktien der schweizerischen zeichnen will, ist kein besonderer Umstand, der die Angleichung der Firma an den Namen des dänischen Unternehmens rechtfertigen würde.
d) Die Silben "Euro" wurden in neuerer Zeit wiederholt zur Bezeichnung von Organisationen verwendet, die der wirtschaftlichen oder technischen Zusammenarbeit europäischer Staaten dienen. So bestehen die durch ein Abkommen solcher Staaten geschaffene "Eurofima, Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial" und die von der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit
BGE 97 I 73 S. 78
und Entwicklung gegründete "Eurochemie, Europäische Gesellschaft für die Chemische Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe". Ferner nennen sich die auf einem Abkommen vom 25. März 1957 beruhende Europäische Atomgemeinschaft "Euratom" und die im Dezember 1960 geschaffene Europäische Flugsicherungsorganisation "Eurocontrol". Das Wort "Eurotrans" in der vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Firma könnte daher den Eindruck erwecken, die Gesellschaft sei aufähnliche Weise durch eine Übereinkunft europäischer Staaten zustande gekommen oder sei von ihnen beauftragt worden, den Güterverkehr in Europa zu organisieren oder zu überwachen. Das sind Aufgaben, die im Rahmen schon bestehender oder künftiger staatsvertraglicher Organisationen von europäischer Bedeutung durchaus denkbar sind. Die Möglichkeit der Irreführung des Publikums ist umso weniger zu unterschätzen, als man allgemein dazu neigt, Firmen durch den blossen Gebrauch ihres charakteristischen Bestandteils abzukürzen. Die Gefahr, dass die vom Beschwerdeführer in Aussicht genommene Gesellschaft im mündlichen oder schriftlichen Verkehr nur als "Eurotrans" bezeichnet würde, ist gross. Das ist ein Grund mehr, diesen Zusatz nicht zu bewilligen. Mit entsprechender Begründung hat das Bundesgericht auch Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Firmenbestandteile "Eurotreuhand" und "Eurobel" abgewiesen (
BGE 86 I 249
f.,
BGE 93 I 564
Erw. 3; vgl. auch
BGE 95 I 281
Erw. 7).
e) Dass im Handelsregister von Zürich eine "Anglo-Continental Reise AG" und eine "Transorient AG" eingetragen sind, ist kein Grund, auch die vom Beschwerdeführer beanspruchten territorialen Bezeichnungen zuzulassen. Das Bundesgericht ist nicht an die Übung der Handelsregisterbehörden gebunden, und diese Behörden selbst dürfen ihre Praxis ändern, wenn sie dafür sachliche Gründe anführen können (
BGE 86 I 250
,
BGE 87 I 309
,
BGE 91 I 217
Erw. c,
BGE 92 I 306
,
BGE 93 I 564
). Übrigens ist jeder Fall nach den ihm eigenen besonderen Umständen zu beurteilen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4a24d199-8f4e-4cf7-a228-5c3415d33351 | Urteilskopf
102 V 228
56. Urteil vom 3. Dezember 1976 i.S. Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen Gächter und Obergericht des Kantons Aargau | Regeste
Versicherungsfähigkeit von Lehrlingen.
- Die Sonderregelung gemäss
Art. 3 Abs. 1 AlVV
kann nicht Anwendung finden auf Personen, die sich erst nach Abschluss der Lehre bei einer Arbeitslosenversicherungskasse anmelden. Die Tage der Lehrzeit gelten nicht als Arbeitstage im Sinne von
Art. 1 Abs. 1 AlVV
(Erw. 2a).
- Die unterschiedliche Regelung der Versicherungsfähigkeit von Lehrlingen einerseits und von Fachschulabsolventen andererseits verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit nicht (Erw. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 229
BGE 102 V 228 S. 229
A.-
Fredy Gächter, gelernter Damencoiffeur, beendigte am 30. Oktober 1975 eine im April 1974 angetretene Zusatzlehre als Herrencoiffeur. Vom 1. November 1975 bis 11. Januar 1976 war er auf Vermittlung der Pro Juventute als Praktikantenhilfe tätig. Am 24. Dezember 1975 meldete er sich zur Aufnahme in die Öffentliche Arbeitslosenversicherungskasse des Kantons Aargau an.
Die Kasse wies das Gesuch am 31. Januar 1976 ab mit der Begründung, Lehrlinge könnten sich innerhalb der letzten sechs Monate der Lehre jederzeit anmelden; nach diesem Zeitpunkt könnten sie sich nur noch versichern, sofern sie mindestens 150 Arbeitstage als Arbeitnehmer nachweisen könnten.
B.-
Das Obergericht des Kantons Aargau hiess eine hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. Mai 1976 gut und verhielt die Kasse, den Beschwerdeführer mit Wirkung ab 1. Januar 1976 als Mitglied aufzunehmen. Die Auffassung, wonach sich Lehrlinge nach Abschluss der Lehre nur noch versichern könnten, sofern sie während mindestens 150 Tagen nach Abschluss der Lehre als Arbeitnehmer tätig gewesen seien, finde im Wortlaut der Verordnung keine Stütze. Die Verordnungsbestimmung (
Art. 3 Abs. 2 AlVV
) sei bisher auch nicht in diesem Sinne verstanden worden. Seit Inkrafttreten der Verordnungsnovelle vom 19. November 1975 lasse sich der gleichlautende
Art. 3 Abs. 1 AlVV
in Verbindung mit andern auf den 1. Dezember 1975 geänderten Verordnungsbestimmungen zwar in dem von der Kasse und dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit vertretenen Sinne auslegen. Die Bestimmung könne jedoch nicht rückwirkend Anwendung finden auf Lehrlinge, die ihre Lehre vor dem 1. Dezember 1975 abgeschlossen hätten. Der Beschwerdeführer sei daher ungeachtet der neuen Bedeutung von
Art. 3 Abs. 1 AlVV
mit Rücksicht auf seine Erwerbstätigkeit während der Lehre als versicherungsfähig zu betrachten.
C.-
Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf
BGE 102 V 228 S. 230
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und Wiederherstellung der Kassenverfügung. Unter Hinweis auf seine Vernehmlassung vom 12. Mai 1976 i.S. Mathys bestreitet das Amt, dass der Verordnungsbestimmung mit der Novelle vom 19. November 1975 eine andere Bedeutung zugekommen sei. Abgesehen vom unveränderten Wortlaut der Bestimmung werde die Weiterführung der bisherigen Regelung in den Verwaltungsweisungen ausdrücklich bestätigt. Auch das frühere Recht gehe davon aus, dass die erleichterten Aufnahmebedingungen nur für Lehrlinge Geltung haben sollten, nicht dagegen für Jugendliche, die ihre Lehrzeit bereits abgeschlossen hätten.
Der Beschwerdegegner hat sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Gemäss
Art. 13 Abs. 1 AlVG
dürfen die Arbeitslosenversicherungskassen als Versicherte nur versicherungsfähige Arbeitnehmer aufnehmen; als versicherungsfähig gilt, wer unter anderem regelmässig als Arbeitnehmer eine Erwerbstätigkeit ausübt, die genügend überprüfbar ist. Gemäss
Art. 1 Abs. 1 AlVV
gelten als regelmässig erwerbstätige Arbeitnehmer Personen, die in den 365 Tagen, welche dem Gesuch um Aufnahme in die Kasse vorausgehen, während mindestens 150 vollen Tagen im Dienste eines Arbeitgebers tätig gewesen sind.
Art. 13 Abs. 2 AlVG
sieht Sonderregelungen der Versicherungsfähigkeit für Personen vor, bei denen besondere Verhältnisse bestehen. So sind Lehrlinge, die in einem Lehrverhältnis im Sinne der Bundesgesetzgebung über die berufliche Ausbildung stehen, frühestens sechs Monate vor Beendigung der Lehrzeit versicherungsfähig (
Art. 3 Abs. 1 AlVV
, entsprechend Art. 3 Abs. 2 des vor dem 1. Dezember 1975 gültigen Wortlautes der Verordnung).
b) Nach dieser Regelung sind Lehrlinge während der Dauer des Lehrverhältnisses versicherungsfähig, obgleich sie mangels Erwerbs- und Vermittlungsfähigkeit die allgemeinen Voraussetzungen gemäss
Art. 13 Abs. 1 AlVG
und
Art. 1 Abs. 1 AlVV
nicht erfüllen. Damit sie die ordentliche Wartefrist von bisher sechs Monaten gemäss
Art. 25 Abs. 1 AlVG
BGE 102 V 228 S. 231
bei Lehrabschluss bereits bestanden haben, räumt ihnen
Art. 3 AlVV
das Recht ein, sich frühestens sechs Monate vor Beendigung der Lehrzeit zu versichern. Es soll ihnen damit der sofortige Bezug von Arbeitslosenentschädigung ermöglicht werden, falls sie nach dem Lehrabschluss keinen Arbeitsplatz finden (vgl. HOLZER, Kommentar zum Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung, S. 70).
2.
a) Art. 3 Abs. 1 bzw. 2 AlVV geht als Spezialnorm den
Art. 13 Abs. 1 AlVG
und 1 Abs. 1 AlVV vor (ARV 1956 Nr. 18 S. 27). Die Sonderregelung der Versicherungsfähigkeit von Lehrlingen beschränkt sich auf die Dauer der Lehrzeit und kann nicht Anwendung finden auf Personen, die sich erst nach Abschluss der Lehre bei einer Arbeitslosenversicherungskasse anmelden. Solche Personen haben sich daher gemäss
Art. 1 Abs. 1 AlVV
in den dem Aufnahmegesuch vorangehenden 365 Tagen über mindestens 150 Tage als Arbeitnehmer im Dienste eines Arbeitgebers auszuweisen. Dabei können ihnen die Tage, während welcher sie als Lehrling tätig gewesen sind, nicht als Arbeitstage angerechnet werden. Auch wenn der Lehrvertrag obligationenrechtlich als besonderer Einzelarbeitsvertrag gilt (
Art. 344 ff. OR
), unterscheidet er sich vom ordentlichen Arbeitsvertrag insbesondere dadurch, dass die Ausbildung und nicht die entgeltliche Arbeitsleistung den massgebenden Vertragsinhalt bildet. Die Versicherungsfähigkeit des Lehrlings beruht denn auch nicht auf der Arbeitsleistung während der Lehrzeit, sondern auf der Sonderregelung in
Art. 3 AlVV
, welche es ihm erlaubt, sich ohne den Nachweis der 150 Arbeitstage zu versichern, solange das Lehrverhältnis noch nicht beendet ist. Mangels einer anderslautenden Bestimmung können für die Dauer der Lehrzeit daher keine Arbeitstage angerechnet werden. Hieran vermag nichts zu ändern, dass der Lehrling auch Pflichten zu erfüllen hat, wie sie einem Arbeitnehmer auferlegt sind (Art. 18 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Berufsbildung vom 20. September 1963), und dass er als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgesetzes gilt (Art. 1 Abs. 2 der Vo I vom 14. Januar 1966 zum Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel vom 13. März 1964). Die obligationen- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen gehen der besondern sozialversicherungsrechtlichen Stellung des Lehrlings in der Arbeitslosenversicherung nicht vor.
BGE 102 V 228 S. 232
b) Wie das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil vom 27. Juli 1976 i.S. Mathys (ARV 1976 Nr. 11 S. 78) ausgeführt hat, verstösst die geltende Ordnung nicht gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit. Hinsichtlich der Versicherungsfähigkeit von Lehrlingen gilt zwar eine andere Regelung als für Absolventen von Hochschulen, Lehrerseminarien, höheren technischen Lehranstalten, Techniken, Fachschulen und ähnlichen Lehranstalten, die nach einer mindestens einjährigen Ausbildung einen beruflichen Abschluss vermitteln. Solche Personen sind ohne Nachweis einer vorgängigen Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer im Sinne von
Art. 1 Abs. 1 AlVV
versicherungsfähig, sofern sie sich binnen 3 Monaten nach Abschluss der Ausbildung bei einer Arbeitslosenversicherungskasse anmelden und sich der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung stellen (Art. 3 Abs. 2bis der Verordnungsnovelle vom 27. August 1975 und Art. 3 Abs. 2 der Novelle vom 19. November 1975). Unter sinngemäss gleichen Voraussetzungen ist versicherungsfähig, wer aus einer Schule austritt, die keine abgeschlossene berufliche Ausbildung vermittelt, und keine berufliche Ausbildung beginnt (
Art. 3 Abs. 3 AlVV
in der Fassung gemäss Verordnungsänderung vom 19. November 1975). Eine analoge Regelung gilt schliesslich für Personen, die aus Anstalten entlassen werden (Art. 3ter der Novelle vom 19. November 1975).
Die für Lehrlinge einerseits und Fachschulabsolventen bzw. Schulentlassene anderseits getroffenen Regelungen sind nun nicht dermassen voneinander abweichend, dass sie im Hinblick auf die bestehenden tatsächlichen Verschiedenheiten als sachlich ungerechtfertigt erscheinen würden. Zwar decken sich die Regelungen über die Versicherungsfähigkeit und Anspruchsberechtigung der in Rede stehenden Personengruppen nicht, doch sind sie materiell insgesamt gleichwertig. Dem Umstand, dass die in Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verordnung genannten Personen sich im Gegensatz zu den Lehrlingen auch in einem Zeitpunkt versichern können, da sie bereits arbeitslos sind - sofern die Anmeldung innerhalb der vorausgesetzten 3 Monate erfolgt -, steht gegenüber, dass Lehrlinge - sofern sie sich rechtzeitig versichern - unmittelbar nach Abschluss der Lehrzeit anspruchsberechtigt sind; zudem werden Fachschulabsolventen und Schulentlassene frühestens auf den der Anmeldung folgenden Monatsbeginn in die Versicherung
BGE 102 V 228 S. 233
aufgenommen und haben überdies die einmonatige Wartefrist (gemäss Abschnitt II Ziff. 1 des Bundesbeschlusses über Massnahmen auf dem Gebiete der Arbeitslosenversicherung und des Arbeitsmarktes zur Bekämpfung von Beschäftigungs- und Einkommenseinbrüchen vom 20. Juni 1975) zu bestehen. Im übrigen gilt bei Lehrlingen als versicherbarer Verdienst für die Bemessung des Taggeldes der Lohn, den sie üblicherweise nach Abschluss der Lehre erhalten (
Art. 3 Abs. 1 Satz 2 AlVV
), während bei Fachschulabsolventen und Schulentlassenen ein Tagesverdienst von höchstens Fr. 80.-- bzw. Fr. 40.-- versicherbar ist (
Art. 3 Abs. 2 und 3 AlVV
).
c) Im Kreisschreiben Nr. 22 vom 25. November 1975 betreffend die Änderung der Verordnung zum Arbeitslosenversicherungsgesetz führt das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit in Bestätigung der bisherigen Praxis aus, Lehrlinge, die sich nicht bis zum letzten Tag der Lehre bei einer Kasse angemeldet hätten, könnten sich nur noch versichern, sofern sie während mindestens 150 Tagen nach Abschluss der Lehre als Arbeitnehmer tätig gewesen seien (Rz. 2.1.1. des Kreisschreibens). Die Vorinstanz räumt ein,
Art. 3 Abs. 1 AlVV
könne trotz des gegenüber dem früheren
Art. 3 Abs. 2 AlVV
unveränderten Wortlautes seit Inkrafttreten der neuen Verordnungsbestimmung am 1. Dezember 1975 in diesem Sinne ausgelegt werden. Sie macht indessen geltend, dies ergebe sich durch Auslegung im Vergleich mit andern auf den 1. Dezember 1975 geänderten Verordnungsbestimmungen (insbesondere
Art. 3 Abs. 3 Satz 2 und
Art. 13 Abs. 2 AlVV
sowie Abschnitt II Ziff. 1 der Verordnungsänderung vom 19. November 1975) und es lasse sich eine rückwirkende Anwendung auf Personen, die ihre Lehre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen hätten, nicht rechtfertigen.
Nach dem Gesagten ergibt sich der Umstand, dass Personen, die sich erst nach Abschluss der Lehrzeit bei einer Arbeitslosenversicherungskasse anmelden, den Nachweis von 150 Arbeitstagen zu erbringen haben, unmittelbar aus dem Gesetzes- bzw. Verordnungsrecht, wie es bereits vor Inkrafttreten der Verordnungsänderung vom 19. November 1975 Geltung hatte. Danach ist die Sonderregelung hinsichtlich der Versicherungsfähigkeit von Lehrlingen auf die Dauer der Lehrzeit beschränkt, und es können die sich aus
Art. 3 AlVV
ergebenden Rechte nur von denjenigen Personen beansprucht
BGE 102 V 228 S. 234
werden, die sich während der letzten 6 Monate der Lehrzeit gegen Arbeitslosigkeit versichert haben. Auch das frühere Recht gestattete es dem Lehrling nicht, sich erst nach Abschluss der Lehre bei der Kasse unter Hinweis auf die Tage der Lehrzeit zu versichern und sich - nach eingetretener Arbeitslosigkeit - unmittelbar zum Leistungsbezuge zu melden. Die Verordnungsänderung vom 19. November 1975 hat diesbezüglich keine neue Rechtslage geschaffen, sondern einen bereits bestehenden Zustand bestätigt. Die Frage nach der Zulässigkeit einer rückwirkenden Anwendung der neuen Verordnungsbestimmung stellt sich daher nicht.
3.
Fredy Gächter hat von der Möglichkeit, sich während der Lehrzeit zu versichern, keinen Gebrauch gemacht und sich erst mehr als einen Monat nach Lehrabschluss bei der Arbeitslosenversicherungskasse gemeldet. Im Zeitpunkt der Anmeldung konnte er sich aber nicht über mindestens 150 Tage in den 365 Tagen vor dem Aufnahmegesuch ausweisen.
Mit der Verordnungsänderung vom 19. November 1975 hat der Gesetzgeber das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit ermächtigt, bei andauernder erheblicher Arbeitslosigkeit anzuordnen, dass höchstens 50 Werktage, an denen die um Aufnahme in eine Kasse ersuchende Person nachweisbar arbeitslos war, Arbeitstagen gleichgesetzt werden (
Art. 1 Abs. 7 AlVV
). Von dieser Befugnis hat das Bundesamt mit Wirkung auf den 1. Dezember 1975 Gebrauch gemacht (Kreisschreiben Nr. 22 vom 25. November 1975, Ziff. 1.3.2.). Auch unter Berücksichtigung des neuen Rechts erfüllt der Beschwerdegegner die Voraussetzungen der Versicherungsfähigkeit jedoch nicht. Es muss daher mit der Kassenverfügung vom 31. Januar 1976 sein Bewenden haben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der vorinstanzliche Entscheid aufgehoben und die Kassenverfügung vom 31. Januar 1976 wiederhergestellt. | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
4a269694-0330-4ef0-bccf-14c4c6a74f6e | Urteilskopf
84 II 645
86. Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Dezember 1958 i.S. Confluentia A.-G. gegen Keller. | Regeste
Wechselbürgschaft, Aberkennungsklage.
Einreden des Wechselbürgen,
Art. 1022 OR
(Erw. 2).
Untergang des Wechselanspruchs durch Neuerung?
Art. 116 OR
(Erw. 2).
Die erst nach Erlass des Zahlungsbefehls eintretende Fälligkeit der Forderung ist im Aberkennungsprozess unbeachtlich (Erw. 4).
Der Kostenspruch des Bundesgerichts in einem Rückweisungsentscheid ist für den kantonalen Richter verbindlich.
Art. 159 Abs. 1 OG
(Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 645
BGE 84 II 645 S. 645
A.-
Der Autohändler Bosshard verkaufte am 9. März 1955 dem Spenglermeister Ganter ein Auto. Tags darauf trat Bosshard alle Rechte aus diesem Kaufvertrag an das Finanzierungsinstitut Confluentia A.-G. ab. Der Kaufpreis des Autos betrug Fr. 4650.--, wovon im Zeitpunkt der Abtretung an die Confluentia A.-G. noch Fr. 3450.-- ausstanden.
In einer Vereinbarung zwischen der Confluentia A.-G. und Ganter vom 14. März 1955 wurde der von diesem geschuldete Betrag unter Einbeziehung einer Kaskoversicherungsprämie sowie eines Teilzahlungszuschlages auf Fr. 5715.85 festgesetzt. Dieser Betrag war in 36 Monatsraten abzubezahlen. Verzug des Schuldners mit zwei Monatsraten
BGE 84 II 645 S. 646
sollte die Fälligkeit der ganzen restlichen Forderung nach sich ziehen. Diese Vereinbarung wurde neben Ganter auch von Frau Siviglia Keller unterzeichnet.
Am Tage des Kaufsabschlusses (9. März 1955) hatte der Verkäufer Bosshard auf den Käufer Ganter einen auf den 25. März 1955 fällig gestellten Wechsel an eigene Ordre im Betrage von Fr. 5810.--, den Ganter akzeptierte, gezogen. Unter das Akzept Ganters setzte auch Frau S. Keller ihre Unterschrift.
Da Ganter nach vier Monatsraten keine weiteren Zahlungen mehr leistete, betrieb die Confluentia A.-G. ihn sowie Frau Keller für den restlichen Schuldbetrag von Fr. 5083.65 und erwirkte auf den Rechtsvorschlag der Frau Keller hin provisorische Rechtsöffnung.
B.-
Frau Keller erhob Aberkennungsklage. Die Confluentia A.-G. beantragte deren Abweisung, wobei sie sich auf die Verträge vom 9. und 14. März 1955, sowie auf den Wechsel vom 9. März 1955 stützte. Im Laufe des Prozesses, am 12. Mai 1956, setzte der Wechselaussteller Bosshard ein Blankoindossament auf den Wechsel.
C.-
Das Obergericht Zürich schützte mit einem ersten Urteil vom 16. Oktober 1956 die Aberkennungsklage. Dieser Entscheid wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 4. Juni 1957 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
D.-
Mit Urteil vom 13. Dezember 1957 hat das Obergericht Zürich, II. Zivilkammer, die Aberkennungsklage erneut gutgeheissen.
E.-
Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Beklagte wiederum Abweisung der Aberkennungsklage im vollen Umfang.
Die Klägerin ersucht um Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) In seinem Rückweisungsurteil (teilweise veröffentlicht in
BGE 83 II 215
) hat das Bundesgericht entschieden, die Beklagte könne sich auf Grund des Indossaments
BGE 84 II 645 S. 647
des Bosshard grundsätzlich auf den Wechsel und die darin von der Klägerin übernommene Wechselbürgschaft berufen; weil aber die Indossierung durch Bosshard erst nach Anhebung der von der Beklagten eingeleiteten Betreibung erfolgt sei und die Rechtsstellung des Betriebenen gegenüber dem Zeitpunkt des Zahlungsbefehls nicht verschlechtert werden dürfe, vermöge das Indossament nur beschränkte Rechtswirkungen zu entfalten; insbesondere greife die in
Art. 1007 OR
zugunsten des Indossatars vorgesehene Einredebeschränkung nicht Platz; die Beklagte müsse sich daher Einreden der Klägerin ohne die in
Art. 1007 OR
angeordnete Beschränkung entgegenhalten lassen. Demgemäss wurde die Vorinstanz zur Prüfung der Sache unter diesem Gesichtspunkt angewiesen.
In ihrem neuen Entscheid vom 13. Dezember 1957 hat die Vorinstanz nun erklärt, der ihr vom Bundesgericht erteilte Auftrag sei "sinngemäss dahin zu erweitern", dass auch zu untersuchen sei, ob die Forderung der Wechselinhaberin gegen die Wechselbürgin überhaupt bestehe, und sie ist zur Verneinung dieser Frage gelangt.
b) Mit der Berufung macht die Beklagte geltend, die Vorinstanz habe durch die Untersuchung des Bestandes der Wechselforderung die Weisungen des bundesgerichtlichen Rückweisungsurteils missachtet und damit gegen
Art. 66 OG
verstossen. Den Bestand der Wechselforderung habe niemand in Zweifel gezogen; alle Beteiligten seien vielmehr davon ausgegangen, dass die Wechselforderung an sich bestehe. Das Bundesgericht habe für die Vorinstanz verbindlich festgelegt, dass lediglich noch zu prüfen sei, welche Folgen sich aus der nachträglichen Indossierung in Bezug auf die Einreden der Klägerin gegenüber der Beklagten ergeben. Den ihr im Rückweisungsentscheid gesetzten Rahmen habe die Vorinstanz überschritten, indem sie nachträglich den vom Bundesgericht verbindlich festgestellten Bestand der Wechselverpflichtung verneint und sich in ihren Erwägungen nicht auf Einreden nach
Art. 1007 OR
beschränkt habe.
Das bundesgerichtliche Rückweisungsurteil hat jedoch
BGE 84 II 645 S. 648
nicht den ihm von der Berufung beigelegten Sinn. Das Bundesgericht hielt lediglich fest, dass die Klägerin formgültig Wechselbürgin des Akzeptanten geworden sei. Damit wurde aber die Schuldverpflichtung aus dem Wechsel nur formell festgelegt. Über ihren Inhalt, ihr rechtliches Schicksal seit Eingehung und namentlich über die Begründetheit gegenüber der Wechselverbindlichkeit allfällig bestehender Einreden wurde damit nichts ausgesagt. Diesbezüglich entschied das Bundesgericht nur, der Klägerin ständen nicht bloss Einreden im beschränkten Rahmen des
Art. 1007 OR
zu, sondern alle Einreden, die sich die Beklagte oder ihr Vormann, der Aussteller Bosshard, vom Akzeptanten Ganter hätten entgegenhalten lassen müssen, insbesondere also auch Einreden aus dem Grundverhältnis zwischen Bosshard und Ganter. Dies deshalb, weil der Beklagten inhaltlich nur die Rechte eines Abtretungsgläubigers zustehen könnten. Die Vorinstanz hat daher den Rückweisungsentscheid keineswegs unrichtig aufgefasst, wenn sie die Frage des Bestehens, bezw. Weiterbestehens der von der Klägerin eingegangenen Wechselverpflichtung in ihre Prüfung einbezog.
2.
Bei dem Wechsel, auf den sich die Beklagte stützt, handelt es sich um einen Wechsel an eigene Ordre (
Art. 993 OR
), welchen der Aussteller Bosshard später blanko indossierte. Bezogener und Akzeptant war Ganter, die Klägerin gemäss dem Rückweisungsentscheid dessen Wechselbürgin. Ihr stehen somit alle Einreden zu, welche der Akzeptant Ganter dem Aussteller Bosshard oder der Beklagten als Indossatarin hätte entgegenhalten können. Dazu gehört insbesondere auch die Einrede des Untergangs der Forderung. Denn der Wechselbürge haftet in der gleichen Weise wie derjenige, für den er sich verbürgt hat (
Art. 1022 Abs. 1 OR
). Das bedeutet inhaltlich Akzessorietät, weshalb der Wechselbürge sich auf jeden Mangel der Hauptobligation, der nach Entstehung der Wechselbürgschaft eintritt, berufen kann (JACOBI, Wechsel- und Scheckrecht, 1955, § 88 S. 653). Alle Tatsachen, die nach Übernahme der
BGE 84 II 645 S. 649
Wechselbürgschaft die Hauptverpflichtung aufheben oder schwächen, mindern auch die Verpflichtung des Bürgen in gleicher Weise; dem Wechselbürgen bleibt somit auch die Berufung auf das dem Wechsel zu Grunde liegende Geschäft gewahrt (JACOBI S. 684).
3.
Die Vorinstanz hat das Bestehen eines Wechselanspruches der Beklagten gegenüber dem Akzeptanten Ganter und damit auch gegenüber der Klägerin als Wechselbürgin verneint,weil die nach Ausstellung des Wechsels vom 9. März 1955 von der Beklagten in Kenntnis der Wechselverpflichtung getroffenen (zivilrechtlichen) Vereinbarungen vom 10. und 14. März 1955 der Wechselverpflichtung dermassen widersprächen, dass diese als durch die späteren Vereinbarungen "zerstört" betrachtet werden müsse. Mit dieser Begründung lässt sich indessen die Klagegutheissung nicht halten.
a) Die Vorinstanz führt aus, die Verpflichtung Ganters als Wechselschuldner und der Klägerin als Wechselbürgin, am 25. März 1955 Fr. 5810.-- zu bezahlen, sei durch die spätere Vereinbarung von Ratenzahlungen abgelöst und somit aufgehoben worden. Die Vorinstanz nimmt also (allerdings ohne es ausdrücklich zu sagen) Neuerung der alten Wechselschuld durch Begründung einer neuen zivilen Verpflichtung an. Nun ist aber nicht zu übersehen, dass bei der Ausstellung des Wechsels durch Bosshard am 9. März 1955 die zivile Schuld aus dem Grundgeschäft bereits bestand, sowie dass die Eingehung der Wechselverbindlichkeit samt Bürgschaft der Klägerin laut Gesetz (
Art. 116 Abs. 2 OR
) ohne gegenteilige Vereinbarung keine Neuerung bewirkte. Die von der Vorinstanz angenommene Neuerung würde somit die Besonderheit aufweisen, dass das ursprüngliche (zivile) Schuldverhältnis nachträglich, kraft der Vereinbarungen vom 10. und insbesondere vom 14. März 1955, durch ein neues Schuldverhältnis ersetzt worden wäre. Ein solcher Vorgang ist aber um so unwahrscheinlicher, als die Vorinstanz bereits im früheren Verfahren für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hatte,
BGE 84 II 645 S. 650
dass es sich beim streitigen Wechsel um einen sogenannten Sicherheitswechsel gehandelt habe. Danach konnte der Wechsel keine Neuerung der Grundschuld bewirkt haben. Schon daraus ist ersichtlich, dass auch die späteren Abmachungen vom 10. und 14. März 1955 nur die genauere Regelung gewisser Modalitäten des Schuldverhältnisses enthielten, namentlich die Festlegung der nach Leistung einer Anzahlung verbleibenden Restschuld und von Abzahlungsfristen. Die Gewährung solcher bewirkt jedoch an sich keine Neuerung (BGE 20 S. 1067 f.). In der bloss dem Akzeptanten gewährten Stundung liegt sodann auch kein Verzicht auf die Rechte gegen die andern Wechselverpflichteten; das Gegenteil müsste ausdrücklich vereinbart sein (GRÜNHUT, Wechselrecht II S. 306 N. 25/6).
b) Allerdings wird Neuerung bei Unvereinbarkeit der alten mit der neuen Forderung angenommen (BECKER OR Art. 116 N. 7-9; OSER/SCHÖNENBERGER OR Art. 116 N. 20). Aber ein solcher Fall der Unvereinbarkeit liegt nach dem oben Gesagten hier nicht vor. Für die Befreiung der Klägerin führt die Vorinstanz (abgesehen von der Verschiedenheit der Fälligkeit) nur an, dass die Beklagte die neuen Vereinbarungen "in Kenntnis des Wechsels" getroffen habe. Dabei übersieht die Vorinstanz aber, dass auch die Klägerin den Abmachungen vom 14. März 1955 durch Beisetzung ihrer Unterschrift zustimmte. Auch die auf den Kaufpreis bezüglichen Abmachungen vermögen die behauptete Neuerung nicht zu begründen. Denn die Festsetzung des Kaufpreises schon vor dem 14. März 1955 ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht bloss zu Gunsten Bosshards und der Beklagten zu unterstellen, sondern gehört zu dem im Rückweisungsentscheid verbindlich festgehaltenen Tatbestand. Das Schuldverhältnis wurde also seinem wesentlichen Inhalt nach am 14. März 1955 nicht neu bestimmt.
c) Neuerung darf nach Gesetz nicht vermutet werden (
Art. 116 Abs. 2 OR
). Dieser Grundsatz gilt allgemein für das Verhältnis des Wechsels zum Grundgeschäft und umgekehrt.
BGE 84 II 645 S. 651
Hätten die Parteien vorliegend den Willen zur Neuerung gehabt, so wäre die Nichtrückgabe des Sicherungswechsels vom 9. März 1955 unverständlich. Zieht man dazu noch in Betracht, dass die Klägerin die Abmachungen vom 14. März 1955 mit den Abzahlungsfristen mitunterzeichnet hat, so wird das Fehlen des Neuerungswillens vollends deutlich.
Die Auffassung der Vorinstanz verstösst somit gegen
Art. 116 OR
.
4.
Die vorliegende Aberkennungsklage muss jedoch aus einem andern Grunde zum grössten Teil geschützt werden. Für die Aberkennung ist, wie im Rückweisungsurteil festgelegt wurde, der Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls massgebend, also der 16. Dezember 1955. Soweit die Fälligkeit der durch die Wechselbürgschaft gesicherten Schuld erst nach Erlass des Zahlungsbefehls eintrat, ist sie im Aberkennungsprozess unbeachtlich (
BGE 68 III 88
; ebenso im Ergebnis schonBGE 41 III 158). Das bedeutet, dass in der Aberkennungsklage als einer negativen Feststellungsklage nicht bloss zu prüfen ist, ob im Moment des Erlasses des Zahlungsbefehls die Betreibungsforderung zu Recht bestand (
BGE 78 II 160
), sondern auch, ob ihrer Geltendmachung im genannten Zeitpunkt keine Einreden entgegenstanden (
BGE 72 III 55
Erw. 2; vgl.
BGE 68 III 85
Abs. 1), wozu namentlich die Einrede der mangelnden Fälligkeit gehört (
BGE 72 III 56
oben), wie das auch im Rückweisungsurteil (
BGE 83 II 215
) ausdrücklich gesagt wurde.
Gemäss dem Wechseltext war Verfalltag der 25. März 1955. Die späteren Abreden haben jedoch die Fälligkeit geändert, indem die verbürgte Forderung durch Bewilligung von Ratenzahlungen gestundet wurde. Laut Vereinbarung vom 14. März 1955 war die verbürgte Schuld ab 10. April 1955 in 36 Monatsraten abzutragen. Unbestritten sind vier Raten zu Fr. 158.80 bezahlt worden, nämlich diejenigen vom 10. April bis 10. Juli 1955. Bis zum Erlass des Zahlungsbefehls, also bis zum 16. Dezember 1955
BGE 84 II 645 S. 652
wurden 5 weitere Raten fällig. Mit Bezug auf sie ist die Aberkennungsklage unbegründet, für den Rest dagegen begründet, weil die Stundung dem Wechselbürgen als Erleichterung zugute kommt (vgl. JACOBI a.a.O., sowie S. 86). Rechtsöffnungs- und Betreibungskosten haben anteilmässig zu folgen.
5.
Die Vorinstanz hat ausgeführt, bei der Bemessung der Prozessentschädigung an die Klägerin sei zu berücksichtigen, dass das Bundesgericht im Rückweisungsentscheid die Klägerin mit einer Prozessentschädigung belastet habe, ohne den Endentscheid vorzubehalten. Demgemäss hat die Vorinstanz die von der Beklagten an die Klägerin zu bezahlende Prozessentschädigung auf Fr. 1200.-- festgesetzt.
Das Bundesgericht hat in seinem Rückweisungsentscheid gestützt auf
Art. 159 Abs. 2 OG
die Klägerin, weil sie im Rückweisungsverfahren unterlegen war, zur Bezahlung einer Prozessentschädigung von Fr. 300.-- an die Gegenpartei verpflichtet. Wenn nun die Vorinstanz gemäss ihrer ausdrücklichen Erklärung bei Wiederbehandlung der zurückgewiesenen Sache die von ihr zugesprochene ausserrechtliche Entschädigung erhöhte, um den Kostenspruch des Bundesgerichtes im Ergebnis aufzuheben, so griff sie damit unzulässigerweise in die vom Bundesgericht rechtskräftig verfügte Anwendung von Bundesrecht ein. Damit hat sie sich nicht nur die gemäss Art. 156 ff., insbesondere
Art. 159 Abs. 1 OG
dem Bundesgericht vorbehaltene Entscheidungsbefugnis angemasst, sondern überdies die bundesrechtliche Bestimmung über die Rechtskraft bundesgerichtlicher Entscheidungen (
Art. 38 OG
) verletzt. Ob darüber hinaus anzunehmen sei, die Vorinstanz habe auch die der Zurückweisung vom 4. Juni 1957 (in der Kostenfrage) zugrunde gelegte rechtliche Beurteilung missachtet, (
Art. 66 Abs. 1 OG
), kann dahingestellt bleiben.
6.
Der angefochtene Entscheid wird materiell abgeändert. Es ist angezeigt, dass das Bundesgericht von der ihm nach
Art. 157 OG
zustehenden Kompetenz Gebrauch
BGE 84 II 645 S. 653
macht und in dem nun materiell entschiedenen Fall auch die sämtlichen kantonalen Kosten selbst verlegt. ...
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Berufung wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts Zürich, II. Zivilkammer, vom 13. Dezember 1957 aufgehoben.
2. Die Aberkennungsklage wird im Betrage von Fr. 4289.25, nebst Zinsen hievon gemäss Zahlungsbefehl Nr. 16 868 des Betreibungsamts Zürich 3 vom 16. Dezember 1955, sowie 6/7 der Betreibungs- und Rechtsöffnungskosten, im Sinne der Erwägungen geschützt.
Im übrigen wird die Aberkennungsklage (für Fr. 794.40 nebst Zinsen und 1/7 der Betreibungs- und Rechtsöffnungskosten) abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4a29428f-ce4d-4b7b-9934-5854d03515a3 | Urteilskopf
113 Ib 188
32. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. November 1987 i.S. Charles Zumwald gegen Eidgenössische Versicherungskasse und Eidgenössisches Finanzdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde und verwaltungsrechtliche Klage). | Regeste
Berufliche Vorsorge; Rechtsweg nach
Art. 73 BVG
.
Streitigkeiten um die Kassenzugehörigkeit eines Arbeitnehmers oder um Leistungen einer Vorsorgeeinrichtung fallen unter die Zuständigkeitsordnung gemäss
Art. 73 BVG
. Unerheblich ist, ob sich die strittigen Ansprüche aus öffentlichem oder privatem Recht ergeben (E. 2). Da in erster Instanz ein kantonales Gericht zu entscheiden hat, tritt das Bundesgericht weder auf die Beschwerde noch auf die Klage ein (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 189
BGE 113 Ib 188 S. 189
Charles Zumwald verliess auf den 31. Dezember 1985 den Bundesdienst, um eine Stelle in der Privatwirtschaft anzutreten. Sein Gesuch um Weiterführung seiner Mitgliedschaft bei der Eidgenössischen Versicherungskasse (EVK) wurde von dieser mit der Begründung abgelehnt, die Voraussetzungen gemäss Art. 3 Abs. 2 der EVK-Statuten vom 29. September 1950 (StEVK, SR 172.222.1) seien nicht erfüllt.
Nachdem das Eidg. Finanzdepartement eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde Zumwalds abgewiesen hatte, gelangte dieser an das Bundesgericht. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die er mit einer verwaltungsrechtlichen Klage verbindet, stellt er das Hauptbegehren, es sei ihm die weitere Mitgliedschaft bei der EVK bei unverändertem versicherten Verdienst zu gestatten. Subsidiär verlangt er von der Schweizerischen Eidgenossenschaft die Bezahlung einer Freizügigkeitsleistung von Fr. 375'000.--, die Deponierung des vom Eidg. Finanzdepartement bereits anerkannten Betrages von Fr. 137'408.05 bei der Personalfürsorgestiftung seines neuen Arbeitgebers sowie die Rückzahlung der für das erste Halbjahr 1986 bereits geleisteten Prämie.
Im Meinungsaustauschverfahren nach
Art. 96 Abs. 2 OG
stimmte das Eidg. Versicherungsgericht der Auffassung des Bundesgerichts zu, wonach der vorliegende Streit in die Zuständigkeit der Rechtspflegeinstanzen nach
Art. 73 des Bundesgesetzes vom
BGE 113 Ib 188 S. 190
25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40)
falle.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Sowohl hinsichtlich der von Charles Zumwald beim Bundesgericht anhängig gemachten Frage seiner weiteren Kassenzugehörigkeit (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) als auch bezüglich der subsidiär geltend gemachten Forderung (verwaltungsrechtliche Klage) stehen sich als Parteien eine Vorsorgeeinrichtung und ein Anspruchsberechtigter gegenüber. Solche Streitigkeiten fallen grundsätzlich unter die Zuständigkeitsordnung von
Art. 73 BVG
. Dabei ist ohne Belang, ob sich die fraglichen Ansprüche aus privatem oder öffentlichem Recht ergeben (LANG/HOLLENWEGER, Aufsicht und Rechtspflege in der beruflichen Vorsorge, S. 20). Ausschlaggebend ist vielmehr, dass ein Streit über die berufliche Vorsorge besteht, die Beteiligten demnach in ihrer Eigenschaft als (grundsätzlich gleichgestellte) am Vorsorgeverhältnis mitwirkende Parteien Rechtsschutz suchen. Hauptgegenstände solcher Streitigkeiten sind: Geldleistungen der Vorsorgeeinrichtung (Renten, Freizügigkeitsleistungen an das ausscheidende Mitglied oder an Dritte); Beitragsleistungen; Aufforderungen zur Einreichung von Unterlagen, Abgabe von Erklärungen, Erteilung von Auskünften; Feststellungs- und Gestaltungsansprüche, beispielsweise bezüglich der Versicherungspflicht, der Kassenaufnahme sowie der Leistungsvorbehalte (vgl. MEYER, Die Rechtswege nach dem BVG, ZSR 106/1987, S. 613 f.). Die im vorliegenden Fall strittigen Ansprüche fallen demnach unter die von
Art. 73 BVG
erfassten Gegenstände.
b) Die Zuständigkeitsregelung nach
Art. 73 BVG
wird im vorliegenden Fall auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer/Kläger in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis stand. Hinsichtlich des einzuschlagenden Rechtsweges bestehen zwischen öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Pensionskassen keine Unterschiede (PFITZMANN, Die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen im BVG-Obligatorium, SZS 29/1985, S. 234). Dies gilt auch für die Pensionskassen des Bundespersonals (SCHWARZENBACH-HANHART, Die Rechtspflege nach dem BVG, SZS 27/1983, S. 175).
c) Der Beschwerdeführer/Kläger ist auf den 31. Dezember 1985 aus dem Bundesdienst ausgeschieden. Da damit das die strittigen Ansprüche
BGE 113 Ib 188 S. 191
begründende Ereignis nach dem Inkrafttreten des BVG (1. Januar 1985) eintrat, ist
Art. 73 BVG
auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Dies hat trotz des Umstandes zu gelten, dass für die Beurteilung des Streits allenfalls auch Sachverhalte aus der Zeit vor dem Inkrafttreten berücksichtigt werden müssen. Wegen des engen Sachzusammenhangs, und um eine Aufsplitterung des Rechtsweges zu vermeiden, ist die Zuständigkeitsordnung des BVG auch in solchen Fällen zu beachten (MEYER, a.a.O., S. 627 f.).
3.
Steht damit für die Verfolgung der vom Beschwerdeführer/Kläger geltend gemachten Ansprüche der Rechtsweg nach
Art. 73 BVG
offen, so ist sowohl die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch die verwaltungsrechtliche Klage ausgeschlossen, weshalb ein Nichteintretensentscheid zu fällen ist.
Die Beurteilung des Streits obliegt dem zuständigen kantonalen Gericht. Da sich die hier strittigen Ansprüche gegen die in Bern domizilierte Eidg. Versicherungskasse richten und der Beschwerdeführer/Kläger zudem in einer Bundesdienststelle in Bern tätig war, fällt die Sache in den Geschäftsbereich des Versicherungsgerichts des Kantons Bern (vgl.
Art. 73 Abs. 3 BVG
). Der Beschwerdeführer/Kläger wandte sich aufgrund einer sich als unzutreffend erweisenden Rechtsmittelbelehrung an das Bundesgericht; da ihm daraus entsprechend der Regel von
Art. 107 Abs. 3 OG
kein Nachteil erwachsen darf und überdies der Schriftenwechsel bereits durchgeführt wurde, sind die Akten an das zuständige Gericht zu überweisen. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
4a37bd3b-5378-46de-a343-4873089cd01b | Urteilskopf
87 I 250
42. Urteil vom 8. März 1961 i.S. H. gegen Kanton Aargau und Obergericht des Kantons Aargau. | Regeste
Kantonales Steuerrecht, Willkür.
Bei Prüfung der sich nach § 18 Abs. 1 lit. d des aargauischen StG stellenden Vorfrage, ob das Unternehmen des Steuerpflichtigen zur Eintragung ins Handelsregister verpflichtet sei, dürfen die Steuerbehörden nicht von der eindeutigen Rechtsprechung des Bundesgerichts in Registersachen abweichen. | Sachverhalt
ab Seite 250
BGE 87 I 250 S. 250
A.-
Das aargauische Gesetz über die ordentlichen Staats- und Gemeindesteuern (StG) vom 5. Februar 1945/ 27. November 1949/16. Dezember 1956 bestimmt in § 18 Abs. 1 lit. d, dass die Nettobeträge realisierter Kapitalgewinne, die im Betriebe eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens bei der Veräusserung
BGE 87 I 250 S. 251
oder Verwertung von Vermögensstücken erzielt werden, wie insbesondere Liquidationsgewinne, zum steuerpflichtigen Einkommen zu rechnen sind.
B.-
H. betrieb seit 1931 eine Wagnerei, in der er Leitern und Skis herstellte. In den letzten Betriebsjahren erzielte er einen Umsatz von rund Fr. 90'000.--. Er war nicht im Handelsregister eingetragen. Auf den 1. Januar 1958 verkaufte er das Geschäft seinen beiden Söhnen, die im Unternehmen mitgearbeitet hatten. Das Steueramt erklärte den beim Verkauf erzielten Liquidationsgewinn von Fr. 70'000.-- als steuerpflichtiges Einkommen; es ging dabei davon aus, dass H. zur Eintragung ins Handelsregister und damit zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichtet gewesen sei.
H. bestritt das unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts in Registersachen; er stützte sich dabei namentlich auf
BGE 75 I 74
ff., wonach Handwerksbetriebe nicht zu den Fabrikationsgewerben im Sinne von Art. 53 lit. B HRV, sondern zu den "andern Gewerben" im Sinne von lit. C gehören und sie nur bei Vorliegen der darin aufgezählten Voraussetzungen eintragungspflichtig sind.
C.-
Die Einwendungen H.s wurden von allen kantonalen Instanzen als unbegründet erklärt. Die verwaltungsgerichtliche Abteilung des Obergerichts, die als letzte darüber entschied, hat in ihrem Urteil vom 28. Oktober 1960 ausgeführt, dass H. zur Eintragung verpflichtet gewesen sei, ergebe sich weder aus Art. 53 lit. A HRV, da er in der Hauptsache kein Handelsgewerbe betrieben habe, noch aus lit. C, der Betriebe erfasse, die weder Handelsnoch Fabrikationsgewerbe seien, sondern aus lit. B, weil ganz zweifellos ein Fabrikationsgewerbe vorgelegen habe. Das Bundesgericht habe zwar in
BGE 75 I 78
erkannt, dass die Wirkungen des Handelsregisters auf das Grossgewerbe, den Grossbetrieb zugeschnitten seien und nicht auf den handwerklichen Kleinbetrieb. Dieses Urteil sei wohl in registerrechtlichen Streitigkeiten von praejudizieller Bedeutung; die Behörden, die kantonales Steuerrecht anzuwenden
BGE 87 I 250 S. 252
hätten, binde es jedoch nicht. Immerhin verstehe es sich von selbst, dass die kantonalen Steuerbehörden nicht ohne triftigen Grund von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Registersachen abwichen. Ein solcher Grund liege hier vor. Wenn das Bundesgericht nur Grossbetriebe als eintragungspflichtig erkläre, dann setze es sich offensichtlich über Art. 54 HRV hinweg, der die Eintragungspflicht nicht für alle Kleinbetriebe entfallen lasse, sondern nur für solche, deren jährliche Roheinnahmen 50'000 Franken nicht überschritten. Es könne nicht eingewendet werden, Art. 54 HRV sei seinerseits gesetzwidrig. Nach
Art. 934 OR
müsse jedes nach kaufmännischer Art geführte Gewerbe im Handelsregister eingetragen werden. Diese Voraussetzung treffe hier zu. In H.s Betrieb seien drei Arbeitskräfte voll beschäftigt gewesen; das Unternehmen habe über erhebliche Warenlager und einen grösseren Kundenkreis verfügt. Ein solches Gewerbe lasse sich heute nur nach kaufmännischer Art betreiben, was sich schon darin zeige, dass H. eine Buchhaltung habe führen lassen.
D.-
Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
beantragt H., die veranlagte Steuer auf dem Liquidationsgewinn sei aufzuheben; eventuell sei der Entscheid des Obergerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, die genannte Steuerveranlagung unter Verneinung der Eintragungspflicht aufzuheben. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Buchführungspflicht im Sinne von
§ 18 Abs. 1 lit. d StG
sei ein bundesrechtlicher Begriff, der bei der Veranlagung der kantonalen Steuern nicht anders gehandhabt werden dürfe als von den Registerbehörden. Nach den Kriterien, die das Bundesgericht hiefür aufgestellt habe, könne der Beschwerdeführer mit Bezug auf den veräusserten Wagnereibetrieb nicht ohne Willkür als eintragungspflichtig bezeichnet werden.
E.-
Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Das kantonale Steueramt schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
BGE 87 I 250 S. 253
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
§ 18 Abs. 1 lit. d des aargauischen StG unterwirft Kapitalgewinne, die im Betriebe eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens erzielt worden sind, der Einkommenssteuer. Der kantonale Steuergesetzgeber hat dergestalt darauf verzichtet, den Kreis der Steuerpflichtigen, die Kapitalgewinne als Einkommen zu versteuern haben, selbständig zu umschreiben. Er knüpft diese steuerrechtliche Folge vielmehr an einen Sachverhalt, der in einem andern Rechtsgebiet gründet: daran nämlich, dass das Unternehmen zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichtet ist. Dieser Pflicht ist nach
Art. 957 OR
unterworfen, wer gehalten ist, seine Firma in das Handelsregister eintragen zu lassen. Wer zu dieser Eintragung verpflichtet ist, besagen die
Art. 934 und 935 OR
, die in den Art. 52 bis 56 HRV näher ausgeführt werden. Für die gleichmässige Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften hat in letzter Linie die erste Zivilabteilung des Bundesgerichts (Art. 5 Ziff. 4 des Bundesgerichtsreglements) als frei entscheidende (
Art. 104, 105 OG
) Beschwerdeinstanz zu sorgen (Art. 5 HRV,
Art. 99 Ziff. I lit. b OG
).
Weil das Steuergesetz die Buchführungspflicht als vorgegeben hinnimmt, haben die Steuerbehörden bei der Anwendung von
§ 18 Abs. 1 lit. d StG
nicht zu untersuchen, ob sie selber den Steuerpflichtigen auf Grund der einschlägigen Normen des OR und der HRV als eintragungs- und mithin buchführungspflichtig erklären würden; sie haben vielmehr lediglich zu prüfen, ob die zuständigen Registerbehörden die Eintragungspflicht des betreffenden Unternehmens bejahen würden. Da die Registerbehörden sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Registersachen ausrichten, dürfen sich die Steuerbehörden ihrerseits bei der Beantwortung dieser Vorfrage nicht über die eindeutige Praxis des Bundesgerichts hinwegsetzen. Die gegenteilige Stellungnahme des
BGE 87 I 250 S. 254
Obergerichts lässt sich deshalb schlechthin nicht vertreten. Die Verhältnisse liegen insofern wesentlich anders als in den in
BGE 71 I 229
und
BGE 73 I 188
behandelten Fällen, in denen die kantonalen Behörden zur selbständigen Handhabung eidgenössischer (bzw. inhaltlich gleicher kantonaler) Rechtssätze berufen waren.
3.
Die erste Zivilkammer des Bundesgerichts hat in
BGE 75 I 78
Grundsätze für die Beurteilung der Eintragungspflicht einer Gattung von Unternehmen entwickelt, der auch der Betrieb des Beschwerdeführers angehört. Die verwaltungsrechtliche Kammer des Bundesgerichts hat in Übereinstimmung mit der ersten Zivilabteilung diese Grundsätze in der Rechtsprechung zu dem
§ 18 Abs. 1 lit. d StG
entsprechenden Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB näher ausgeführt (ASA Bd. 21 S. 77, 431, Bd. 22 S. 34, Bd. 24 S. 484, Bd. 26 S. 438, 442). Das Obergericht bestreitet mit Recht nicht, dass das Unternehmen des Beschwerdeführers nach diesen Grundsätzen nicht eintragungspflichtig war, und dass er demgemäss keine kaufmännischen Bücher zu führen hatte. Es fehlt infolgedessen an der in
§ 18 Abs. 1 lit. d StG
aufgestellten subjektiven Voraussetzung für die Besteuerung des Liquidationsgewinns. Der gegenteilige Schluss des Obergerichts lässt sich daher nicht halten; sein Entscheid ist, weil willkürlich und damit verfassungswidrig, aufzuheben. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4a381c3e-8601-4fd6-b975-0f451cd073ef | Urteilskopf
123 III 233
38. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Juni 1997 i.S. H., M. und F. gegen Volkswirtschaftsdepartement und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 2 BGBB
und
Art. 61 ff. BGBB
; Erwerb mehrerer landwirtschaftlicher Grundstücke. Geltungsbereich für kleine Grundstücke.
Unter der Voraussetzung, dass landwirtschaftliche Grundstücke nicht zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehören, ist für den allgemeinen Geltungsbereich die Fläche des einzelnen landwirtschaftlichen Grundstücks massgebend. Die Veräusserung mehrerer kleiner Grundstücke desselben Eigentümers an den gleichen Erwerber unterliegt keiner Bewilligung. | Sachverhalt
ab Seite 233
BGE 123 III 233 S. 233
A.-
E.H. und A.M. beabsichtigten, die in ihrem Miteigentum stehenden Grundstücke KTN 812 im Halte von 2'382 m2 und KTN 1132-1136 im Halte von je 2'383 m2 an F.F. zu verkaufen. Bis 22. Dezember 1993 hatten die sechs Parzellen ein einziges Grundstück gebildet. Sie liegen in der Landwirtschaftszone der Gemeinde R.
BGE 123 III 233 S. 234
B.-
Mit Verfügung vom 23. Mai 1996 stellte das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Schwyz fest, dass die sechs Parzellen dem Geltungsbereich des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991 unterliegen (BGBB, SR 211.412.11). Die von den Beteiligten eingereichte Beschwerde wies das kantonale Verwaltungsgericht ab mit der Begründung, für die Unterstellung sei die Gesamtfläche der Parzellen massgebend (Entscheid vom 19. Dezember 1996).
C.-
E.H., A.M. und F.F. beantragen dem Bundesgericht, den Entscheid vom 19. Dezember 1996 aufzuheben und festzustellen, dass die besagten Grundstücke nicht dem Geltungsbereich des BGBB unterliegen. Sie machen geltend, die verwaltungsgerichtliche Rechtsauffassung verstosse gegen den klaren Gesetzeswortlaut und führe gesetzeswidrig zu einer rückwirkenden Anwendung des Zerstückelungsverbots. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) teilt den Standpunkt der kantonalen Behörden im Ergebnis. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und stellt fest, dass die Grundstücke KTN 812 und KTN 1132 bis 1136 der Gemeinde R. dem Geltungsbereich gemäss
Art. 2 BGBB
und damit dem Bewilligungsverfahren gemäss
Art. 61 ff. BGBB
nicht unterliegen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Wortlaut des
Art. 2 BGBB
ist klar: "Dieses Gesetz gilt für einzelne oder zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehörende landwirtschaftliche Grundstücke" (Abs. 1, Hauptsatz); es "gilt nicht für kleine Grundstücke von weniger als 10 Aren Rebland oder 25 Aren anderem Land, die nicht zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehören" (Abs. 3). Im Geltungsbereich des Gesetzes liegen sonach einzelne landwirtschaftliche Grundstücke mit einer bestimmten Mindestfläche und landwirtschaftliche Gewerbe. Das landwirtschaftliche Grundstück ist "ein Grundstück" (Art. 6 Abs. 1, Hauptsatz, BGBB), und zwar im sachenrechtlichen Sinne (vgl. Ingress) vorab eine Liegenschaft (
Art. 655 ZGB
), d.h. in diesem Zusammenhang ein festbegrenzter Teil der Bodenfläche (vgl.
Art. 3 Abs. 2 GBV
; SR 211.432.1). Eine jede der Parzellen der Beschwerdeführer bildet ein Grundstück, ist nicht Rebland, erreicht die gesetzliche Mindestfläche für anderes Land nicht und gehört unbestrittenermassen nicht zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe. Sie liegen
BGE 123 III 233 S. 235
ausserhalb des in
Art. 2 BGBB
umschriebenen Geltungsbereichs. Ihrer Veräusserung steht keine Sondervorschrift über den Geltungsbereich entgegen (
Art. 3-5 BGBB
).
2.
Der Richter ist an einen klaren und unzweideutigen Gesetzeswortlaut gebunden. Triftige Gründe, davon ausnahmsweise abzuweichen, erblicken Verwaltungsgericht und Departement vor allem in den Materialien und im Gesetzeszweck. Ihrer Meinung nach gibt der Wortlaut von
Art. 2 Abs. 3 BGBB
nicht den wahren Sinn der Bestimmung wieder (vgl. zur Auslegung:
BGE 121 III 460
E. 4a/bb S. 465 mit Hinweisen).
a) Das Verwaltungsgericht hat dafürgehalten, der Gesetzgeber habe zu Recht befunden, eine völlige Freistellung kleiner Grundstücke gefährde die Ziele des Gesetzes. Es seien deshalb eine Reihe von Gegenausnahmen angeordnet worden. Dazu gehöre u.a. gemäss den parlamentarischen Beratungen, dass die Flächen kleiner Grundstücke, welche im Eigentum derselben Person (Veräusserer) stünden, zusammengezählt werden müssten und dem Gesetz nur dann nicht unterstünden, wenn das Mass von 25 oder 10 Aren gesamthaft nicht erreicht würde. Analog werde auch in der behördlichen Wegleitung zum BGBB eine solche Addition bei Veräusserungen mit der Absicht, wirtschaftlich ein einheitliches Rechtsgeschäft abzuschliessen, befürwortet. Abweichende Lehrmeinungen änderten daran nichts. Der Richter habe sich grundsätzlich am Willen des Gesetzgebers zu orientieren.
Dies gelte insbesondere dann, wird im angefochtenen Entscheid fortgefahren, wenn (wie im vorliegenden Fall) die Handlungen des veräusserungswilligen Grundeigentümers auf die Umgehung der gesetzgeberischen Absichten ausgerichtet seien. Der Versuch, landwirtschaftliche Grundstücke in Teilparzellen von weniger als 25 Aren aufzuteilen, um damit dem Geltungsbereich des BGBB zu entgehen, verdiene keinen Rechtsschutz, zumal dann, wenn der Grundeigentümer die ursprünglich zusammengehörenden Teilparzellen an einen einzigen Käufer veräussern wolle. Derjenige Grundeigentümer, der das landwirtschaftlich genutzte Stammgrundstück von über 25 Aren kurz vor Inkrafttreten des BGBB in Teilparzellen von knapp unter 25 Aren aufgeteilt habe, verdiene gegenüber demjenigen Grundeigentümer, der hinsichtlich eines vergleichbaren Stammgrundstücks keine Aufteilung in Teilparzellen (zur Umgehung des BGBB) vorgenommen habe, keine Besserstellung.
Eine generelle Additionspflicht bei Veräusserung mehrerer kleiner Grundstücke lehnt das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
BGE 123 III 233 S. 236
ab. Das BGBB kenne nur zwei Schutzobjekte, das landwirtschaftliche Grundstück einerseits und das landwirtschaftliche Gewerbe andererseits; eine dritte Kategorie bestehe im Unterschied zum Bundesgesetz über die landwirtschaftliche Pacht vom 4. Oktober 1985 nicht (LPG, SR 221.213.2). Hingegen hält es eine wirtschaftliche Betrachtungsweise für angezeigt, wie sie auch in
Art. 61 Abs. 3 BGBB
zum Ausdruck komme und sich unter anderem an die vergleichbare Praxis zum inzwischen ersatzlos ausgelaufenen Bundesbeschluss über eine Sperrfrist für die Veräusserung nichtlandwirtschaftlicher Grundstücke und die Veröffentlichung von Eigentumsübertragungen von Grundstücken vom 6. Oktober 1989 anlehne (BBSG, AS 1989 S. 1974 und 1992 S. 643).
b) Der klare Wille des Gesetzgebers erlaubt für die hier streitige Behandlung einer Vielzahl kleiner Grundstücke im Sinne von
Art. 2 Abs. 3 BGBB
offenbar verschiedene Schlüsse: Einerseits soll die Ausnahme für kleine Grundstücke nur dann zur Anwendung kommen, wenn der betreffende Eigentümer im ortsüblichen Bewirtschaftungsbereich insgesamt nicht über mehr als die gesetzlichen Mindestflächen (10 bzw. 25 a) verfügt (BANDLI, Das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht - die Regelung des Geltungsbereichs, BlAR 26/1992 S. 66), andererseits soll gerade nicht der Gesamtbesitz an kleinen Parzellen massgebend sein, sondern auf die Grösse jeder einzelnen Parzelle abgestellt werden (STALDER, Die verfassungs- und verwaltungsrechtliche Behandlung unerwünschter Handänderungen im bäuerlichen Bodenrecht, Diss. Bern 1992, Druckjahr 1993, S. 88; vgl. beide Autoren im Kommentar zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991, Brugg 1995, N. 31 zu Art. 2 und N. 5 zu
Art. 61 BGBB
). Eine Addition der Flächen kleiner Grundstücke wird mitunter gestützt auf den Wortlaut und die Systematik des Gesetzes abgelehnt (dazu die Beiträge in BlAR 29/1995: HOTZ, Zuweisungsansprüche und Vorkaufsrechte nach dem neuen bäuerlichen Bodenrecht. Gesetzliche Regelung - offene Fragen - mögliche Antworten, S. 107; STUDER, Schnittstellen zwischen neuem Boden- und Pachtrecht, S. 61/62; STALDER, Der Erwerb von landwirtschaftlichem Boden durch den Nichtselbstbewirtschafter, S. 46; vgl. auch MÜLLER, Orientierung des Chefs des Eidg. Amtes für Grundbuch und Bodenrecht, ZBGR 76/1995 S. 404 Ziffer 3.8). Die kantonale Rechtsprechung scheint bei der Beurteilung, ob ein kleines Grundstück gemäss
Art. 2 Abs. 3 BGBB
vorliegt, eher auf die Grösse jeder einzelnen Liegenschaft abzustellen und nicht die Gesamtfläche der kleinen
BGE 123 III 233 S. 237
Grundstücke, die demselben Eigentümer gehören, für massgebend zu halten (vgl. die Nachweise bei PFÄFFLI, Rechtsprechung und ausgewählte Rechtsfragen 1995, BN 1995 S. 148 Nr. 3; MÜLLER, a.a.O.).
c)
Art. 2 Abs. 3 BGBB
ist im Vorentwurf und im bundesrätlichen Entwurf bereits enthalten gewesen (Art. 4 Abs. 1 lit. e bzw. Art. 2 Abs. 3 lit. c) und hat seine heutige Fassung im Ständerat erhalten (Amtl.Bull. StR 1990 S. 216 f.). Dem Antrag der nationalrätlichen Kommission, diese Ausnahme für kleine Grundstücke zu streichen, hat der Antrag Couchepin gegenübergestanden, zum Beschluss des Ständerates zuzustimmen (Amtl.Bull. N 1991 S. 97). In Begründung des Streichungsantrags ist zunächst ausgeführt worden, mit Blick auf stark parzellierte Gebiete dürften keine Schlupflöcher belassen werden, welche dann einen wilden Handel mit Kleinparzellen und damit natürlich auch die Parzellierung und die Erhaltung der Parzellierung begünstigten. Für den Fall, dass der Antrag Couchepin angenommen werden sollte, hat der Berichterstatter zu Protokoll gegeben: "Wenn ein Eigentümer insgesamt mehr als 25 Aren Landwirtschaftsland oder mehr als zehn Aren Rebberg als Eigentum besitzt, so fällt sein Eigentum unter dieses Gesetz. Wenn er insgesamt weniger als 25 Aren Landwirtschaftsland besitzt oder weniger als zehn Aren Rebberg, dann würde es nicht darunterfallen." Diese Protokollerklärung hat auch vor dem Hintergrund der gleichen gesetzgeberischen Absicht im landwirtschaftlichen Pachtrecht gestanden, der die Gerichtspraxis nicht gefolgt sein soll (NUSSBAUMER, Amtl.Bull. N 1991 S. 98). Die Protokollerklärung ist mehrfach wiederholt worden (NUSSBAUMER, Amtl.Bull. N 1991 S. 859 und S. 1696).
Der Nationalrat hat den Streichungsantrag verworfen, dem Antrag Couchepin zugestimmt und damit
Art. 2 Abs. 3 BGBB
in der heutigen Fassung angenommen. Der Rückkommensantrag von Kommissionsmitglied Bundi, der die Abstimmung verpasst hatte, ist abgelehnt worden (Amtl.Bull. N 1991 S. 98 und S. 101). Ob die Parlamentsmehrheit
Art. 2 Abs. 3 BGBB
im Sinne der zitierten Protokollerklärung verstanden wissen wollte, scheint mindestens zweifelhaft: Immerhin steht
Art. 2 Abs. 3 BGBB
im Einklang mit der gesetzgeberischen Absicht, begrifflich nur noch zwischen landwirtschaftlichen Grundstücken und landwirtschaftlichen Gewerben zu unterscheiden; entweder ist das landwirtschaftliche Grundstück nicht klein oder es gehört zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe. Demgegenüber verwendet die Protokollerklärung neu als Kriterium die Eigentumszugehörigkeit (ausdrücklich Amtl.Bull. N 1991
BGE 123 III 233 S. 238
S. 1696: "Bei der Beurteilung ist der ganze im Geltungsbereich des Bundesgesetzes liegende landwirtschaftliche Grundbesitz eines Eigentümers in Betracht zu ziehen.").
Vor allem gesetzessystematische und vergleichende Momente aber sprechen dagegen, die Protokollerklärung als beachtliche Regelungsabsicht des Gesetzgebers anzuerkennen. Vor der Beschlussfassung ist auf Probleme mit der ähnlichen Flächenbegrenzung bei der landwirtschaftlichen Pacht hingewiesen worden.
Art. 2 LPG
enthält eine Regelung des Geltungsbereichs für kleine Grundstücke (Abs. 1, Ausnahme von Art. 1) und einen ausdrücklichen Vorbehalt für die Verpachtung mehrerer kleiner Grundstücke des gleichen Eigentümers an den gleichen Pächter bzw. eines einzigen Grundstücks an verschiedene Pächter (Abs. 3, Gegenausnahme). Ein gesetzliches Vorbild hätte somit bestanden, doch hat der Gesetzgeber auf eine vergleichbare Regelung im BGBB verzichtet; das Wechselspiel von Ausnahme und Gegenausnahme ist diesem Gesetz im übrigen ebensowenig fremd (z.B.
Art. 2 Abs. 3 und
Art. 3 Abs. 4 BGBB
). Anlass zur Protokollerklärung hat sodann unter anderem die Befürchtung gegeben, dass sich, würde nicht zusammengezählt, die Eigentümer verschiedener Kleinparzellen gegen Güterzusammenlegungen und andere Massnahmen zur Strukturverbesserung wehrten (vgl. die Belegstellen aus den Kommissionsprotokollen bei BANDLI, N. 31 zu
Art. 2 BGBB
). Diesen wie auch anderen Motiven hätte nach Verwerfung des Streichungsantrags zu
Art. 2 Abs. 3 BGBB
im Rahmen von
Art. 5 BGBB
Rechnung getragen werden können, indem zusätzlich eine kantonale Befugnis geschaffen worden wäre, kleine Grundstücke dem Gesetz zu unterstellen. Das aber ist unterblieben, obgleich die betreffenden Redner im Parlament alles-amt die regionalen Unterschiede hervorgehoben hatten (Amtl.Bull. N 1991 S. 97 f.), diese Lösung im Vorentwurf zum Zwecke der Erleichterung von Bodenverbesserungsmassnahmen allgemein vorgesehen war (Art. 4 Abs. 3; Ausführlicher Begleitbericht zum Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht, Dezember 1985, S. 35) und wiederum im Pachtgesetz ein Vorbild hatte (
Art. 2 Abs. 2 LPG
). Der Gesetzgeber hat nicht im Sinne der Protokollerklärung legiferiert, wie dies andernfalls nahegelegen hätte.
d) Es trifft zu, dass die in Frage stehende Vorgehensweise (Zerstückelung in kleine Grundstücke vor Abschluss des Erwerbsgeschäfts) mit dem Gesetz verfolgte Zwecke (
Art. 1 Abs. 1 BGBB
) unterlaufen kann, wie sie hier durch die Bestimmungen über den
BGE 123 III 233 S. 239
Erwerb von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken konkretisiert werden (
Art. 1 Abs. 2 lit. a und
Art. 61 ff. BGBB
). Zur Vermeidung von Gesetzesumgehungen sieht die "Wegleitung des Eidgenössischen Amtes für Grundbuch- und Bodenrecht für die Grundbuchämter zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht und zur Teilrevision des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechts (Immobiliarsachenrecht, Grundstückkauf) vom Februar 1994" vor: "Veräussert ein Eigentümer zwei oder mehrere kleine Grundstücke, die aneinander angrenzen, gleichzeitig oder zeitlich gestaffelt, aber in der Absicht, wirtschaftlich ein einheitliches Rechtsgeschäft abzuschliessen, an den gleichen Erwerber, so sind diese Grundstücke hinsichtlich der Bewilligungspflicht für den Erwerb als ein einziges Grundstück zu betrachten. Die Absicht, wirtschaftlich ein einheitliches Rechtsgeschäft abzuschliessen, darf namentlich dann angenommen werden, wenn der Eigentümer die Grundstücke kurz vor Inkrafttreten des BGBB in kleine Flächen (unter 25 bzw. 10 Aren) aufgeteilt hat" (ZBGR 75/1994 S. 88 ff., S. 116 Ziffer 4.23).
Aus dem Grundsatz der Bewilligungspflicht gemäss
Art. 61 BGBB
lässt sich keine Einschränkung von
Art. 2 Abs. 3 BGBB
in dem Sinne und entgegen dem Wortlaut ableiten, dass bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht von der Fläche des einzelnen Grundstücks auszugehen sei, sondern mehrere kleine Grundstücke als ein einziges behandelt werden sollten. Denn die Bewilligungspflicht setzt die Geltung des Gesetzes überhaupt voraus, und die tatsächlichen Voraussetzungen für seine Anwendbarkeit auf kleine Grundstücke regelt das Gesetz selbst: Einerseits verhindert seit Inkrafttreten des Gesetzes das grundsätzliche Zerstückelungsverbot mit seinen klar umschriebenen Ausnahmen, dass landwirtschaftliche Grundstücke durch Parzellierung der Geltung des Gesetzes im allgemeinen und der Bewilligungspflicht beim Erwerb im besonderen entzogen werden können (Art. 58 Abs. 2 und Art. 59 f. BGBB), und andererseits müssen Parzellierungen, die vor Inkrafttreten des BGBB beim Grundbuchamt angemeldet worden sind, hingenommen werden, weil der Gesetzgeber eine Rückwirkung des Zerstükkelungsverbots ausgeschlossen hat (
Art. 95 Abs. 1 BGBB
).
Die ausdrücklich vorgesehene Nichtrückwirkung nimmt mit anderen Worten Zerstückelungen bewusst in Kauf, die nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr zulässig gewesen wären (vgl. DONZALLAZ, Commentaire de la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le nouveau droit foncier rural, Sion 1993, S. 228, N. 793 zu
Art. 95
BGE 123 III 233 S. 240
BGBB
); in diesem Sinne kann nur ein bereits in Kraft stehendes Gesetz umgangen werden (vgl. Stalder, N. 5 zu
Art. 61 BGBB
, a.E.). Der vorliegende ist insoweit nicht jenem Fall gleichzusetzen, in dem eine Aufteilung der Umgehung einer gleichzeitig in Kraft stehenden Einschränkung der Verfügungsbefugnisse dienen sollte (z.B.
BGE 109 II 245
E. 4 S. 249, ein landwirtschaftliches Vorkaufsrecht betreffend). Ziffer 4.23 der zitierten Wegleitung hat keine Grundlage (vgl. zur rechtlichen Bedeutung solcher Weisungen:
BGE 120 II 137
E. 2b S. 138 mit Hinweisen).
e) Selbst eine für das Bundesgericht verbindlich festgestellte Absicht, durch Parzellierung kurz vor Inkrafttreten des BGBB die Bewilligungspflicht für ein bestimmtes, später abzuschliessendes Erwerbsgeschäft zu unterlaufen, könnte ein ausnahmsweises Abweichen von der in
Art. 2 Abs. 3 BGBB
enthaltenen Regelung nicht rechtfertigen. Aus der Sicht des geltenden Rechts setzte ein solches Abweichen - wenn überhaupt - das Ausnützen einer unbeabsichtigten Unvollständigkeit des Gesetzes voraus, die hier nach dem Gesagten nicht vorliegt (
Art. 95 Abs. 1 BGBB
), und von der früheren Rechtslage her gesehen könnte deren Ausnutzung höchstens dann als treuwidrig oder missbräuchlich erscheinen, wenn sie dem Zweck der Gesetzesbestimmungen über die Zerstückelung (vgl. z.B.
Art. 702 ZGB
) zuwidergelaufen wäre, von denen es hier aber offenbar gar keine oder keine anwendbaren gegeben hat, weshalb die Zerstückelung als von der Freiheit, über Grundeigentum rechtlich zu verfügen, geschützt betrachtet werden muss; ist die günstige Rechtsstellung in diesem Sinne nicht widerrechtlich geschaffen worden, kann es nicht untersagt sein, aus ihr Rechte herzuleiten. Das im vorliegenden Zusammenhang angesprochene Gleichbehandlungsgebot wird selbstredend nicht beeinträchtigt, soweit jeder Rechtsunterworfene dieselbe Handlungsmöglichkeit gehabt hat. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4a3960c6-fb63-43a4-a02e-8ea56d1d15db | Urteilskopf
92 I 240
41. Extrait de l'arrêt du 17 juin 1966 dans la cause Malherbe contre Confédération suisse. | Regeste
Vermögensrechtlicher Anspruch aus dem Bundesbeamtenverhältnis.
1. Kann ein Bundesbeamter auf seine fällig gewordene Besoldung, auf welche die ihm von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt ausgerichteten Leistungen angerechnet worden sind, gültig verzichten? (Erw. I, 4).
2. Form der Stellungnahme des Finanz- und Zolldepartements, welche nach Art. 73 Abs. 3 lit. a Ziff. 1 der Beamtenordnung I vorliegen muss, bevor der Beamte beim Bundesgericht Klage auf Leistungen der Eidgenössischen Versicherungskasse erheben kann (Erw. II, 1). | Sachverhalt
ab Seite 240
BGE 92 I 240 S. 240
A.-
Né le 5 juin 1898, Emile Malherbe est entré le 11 juillet 1926 au service de l'Entreprise des PTT, où il assuma la fonction de conducteur d'automobiles I.
Le 6 mars 1946, il subit un accident professionnel, se blessant la jambe droite. La Caisse nationale d'assurance en cas d'accidents
BGE 92 I 240 S. 241
lui alloua de ce fait, à partir du 1er août 1946, une rente d'invalidité de 20%, qu'elle supprima en 1947, rétablit à la suite d'un recours et réduisit de moitié dès le 1er août 1952.
L'Entreprise des PTT imputa sur le traitement de Malherbe, sans interruption, la rente de la Caisse nationale. Le 30 août 1946, Malherbe accepta par écrit cette imputation. Le 10 juillet 1948, il confirma son accord en ces termes: "Il n'a jamais été question que je n'étais pas d'accord avec l'entière imputation de la rente sur mon salaire".
Il bénéficia temporairement d'unjour de repos supplémentaire par semaine. Puis la durée quotidienne de son travail fut réduite à six heures et demie. Il fut d'ailleurs fréquemment absent pour cause de maladie.
B.-
Le 11 mai 1956, Malherbe fut victime d'un nouvel accident professionnel, qui entraîna une distorsion de la cheville droite. Informé le 10 mai 1957 de la cessation des prestations de la Caisse nationale, il recourut contre cette décision auprès du Tribunal des assurances du canton de Vaud. Après avoir accepté en cours de procédure de faire examiner Malherbe par un spécialiste, la Caisse nationale déclara le 22 septembre 1960, par une décision qui fit l'objet d'un second recours, le traitement terminé. Les deux recours furent joints.
En raison de l'altération de sa santé, Malherbe renonça à conduire des véhicules à moteur. Souvent interrompue par des maladies ou des congés, son activité se borna principalement à des travaux de bureau qui correspondaient à la fonction d'un aide I. Malherbe reconnut la diminution de ses aptitudes à plus d'une reprise.
En dépit de la réduction de sa capacité de travail, l'Entreprise des PTT continua de lui payer intégralement son traitement, tout en imputant sur ce dernier la rente de la Caisse nationale.
C.-
Le 31 juillet 1959, la Direction du 2e arrondissement postal mit Malherbe à la retraite à partir du 1er novembre 1959 pour raisons de santé. Le 9 octobre 1959, la Caisse fédérale d'assurance lui communiqua le montant de la pension à laquelle il avait droit et dont elle décida de déduire la rente de la Caisse nationale.
Le 8 juillet 1960, Malherbe invita la Direction du 2e arrondissement postal à lui rembourser les rentes imputées avant le 1er janvier 1960. Sa demande fut rejetée le 16 août 1960 par la Direction générale des PTT. Saisi le 14 septembre 1960 d'un recours
BGE 92 I 240 S. 242
de Malherbe, le Département des postes et chemins de fer émit le 23 décembre 1960, d'entente avec le Département des finances et des douanes, un avis dans le même sens conformément aux art. 114 OJ et 73 de l'ordonnance sur les rapports de service des fonctionnaires de l'administration générale de la Confédération (RF I) du 10 novembre 1959.
D.-
Par demande du 22 décembre 1961, parvenue le lendemain à la chancellerie du Tribunal fédéral, Malherbe réclama à la Confédération la restitution de 5440 fr., montant de la rente de la Caisse nationale imputée sur son traitement du 1er août 1950 au 31 décembre 1959. Il sollicita et obtint la suspension de ce procès jusqu'à la liquidation de ceux qu'il avait introduits contre la Caisse nationale.
Statuant en seconde instance le 6 mars 1964, le Tribunal fédéral des assurances condamna la Caisse nationale à rembourser à Malherbe ses frais médicaux et pharmaceutiques, à pourvoir au traitement médical ou chirurgical dont il avait encore besoin et à lui verser, à partir du 11 mai 1956, une rente d'invalidité de 20%, réduite de 25% en application de l'art. 91 LAMA.
Le 4 mai 1964, la Caisse nationale informa Malherbe qu'en vertu de cette décision, il avait droit à une rente mensuelle de 78 fr. 75, plus 3506 fr. 50 d'arrérages. Toutefois, il ne reçut pas cette somme. En effet, le 21 juillet 1964, la Direction du 2e arrondissement postal lui fit savoir que, sur le montant de 3506 fr. 50, elle retenait 1375 fr. 25 à titre d'imputation sur le traitement qu'elle lui avait versé intégralement jusqu'à sa mise à la retraite le 31 octobre 1959; quant au solde de 2131 fr. 25, elle le remboursait à la Caisse fédérale d'assurance, car il devait être imputé sur les prestations de cette institution.
Le 26 novembre 1964, la Direction des services postaux confirma ce prononcé en ce qui concerne l'imputation de la somme de 1375 fr. 25 et refusa d'entrer en matière sur l'attribution du montant de 2131 fr. 25 à la Caisse fédérale d'assurance.
Le 4 août 1965, la Direction générale de l'Entreprise des PTT rejeta le recours interjeté par Malherbe contre la décision du 26 novembre 1964. En même temps, elle avisait le recourant qu'il avait la faculté d'ouvrir action devant le Tribunal fédéral après avoir soumis son cas au Département des transports et communications et de l'énergie.
Malherbe s'abstint d'une démarche auprès de ce département.
E.-
Le 30 novembre 1965, le président de la Chambre
BGE 92 I 240 S. 243
ordonna la reprise de la procédure introduite par la demande du 22 décembre 1961.
Dans sa réponse du 10 mai 1966, la Confédération, représentée par l'Office fédéral du personnel, conclut à l'irrecevabilité de l'action dans la mesure où elle est prescrite et à son rejet pour le surplus.
Le Tribunal fédéral a rejeté la demande dans la mesure où elle était recevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
I.
Imputation de la rente de la Caisse nationale sur le traitement 4. - En sa qualité d'ancien fonctionnaire fédéral, Malherbe conclut au paiement de montants retenus sur son traitement, réclamant ainsi une part de ce dernier. Or le droit du fonctionnaire à son traitement est un droit public subjectif, lequel n'est en principe pas susceptible de renonciation (RO 49 I 180, 91 I 235). La règle souffre cependant des exceptions. En particulier, même en droit public, rien n'empêche le titulaire d'une créance cessible d'y renoncer; économiquement, la renonciation équivaut à une cession au débiteur; par conséquent, lorsque celle-ci est admissible, il n'y a aucune raison d'exclure celle-là (FORSTHOFF, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, 7e éd., p. 262; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 2e éd., p. 47; JELLINEK, Verwaltungsrecht, 3e éd., p. 215 s.; LEIPPERT, Der Verzicht auf subjektive öffentliche Rechte..., thèse Fribourg 1953, p. 82; OSWALD, Travaux de l'Association Henri Capitant, tome XIII, p. 559 s.; PETERS, Lehrbuch der Verwaltung, p. 150; WIMMER, RDS vol. 52 p. 216). En outre, les créances prescriptibles de droit public peuvent être aussi l'objet d'une renonciation; si elles s'éteignent par prescription, c'est-à-dire à la suite de l'inaction de leur titulaire, elles prennent fin a fortiori par une renonciation, qui est un acte de volonté du créancier (JELLINEK, op.cit., p. 216; LEIPPERT, op.cit., p. 91 et 102; OSWALD, op.cit., p. 549 et 559; PETERS, op.cit., p. 150). Aussi faut-il examiner si le droit du fonctionnaire fédéral à son traitement est cessible ou prescriptible, soit sujet à renonciation, et le cas échéant si Malherbe a renoncé à sa prétention.
La cessibilité du droit du fonctionnaire fédéral à son traitement n'est pas contestée, du moins en ce qui concerne le traitement
BGE 92 I 240 S. 244
échu. D'une manière générale, les prétentions pécuniaires de droit public sont cessibles, sauf si, pour des motifs d'intérêt public, elles ont un caractère strictement personnel (Jurisprudence des autorités administratives de la Confédération XXIX no 102 p. 183; FORSTHOFF, op.cit., p. 177; IMBODEN, op.cit., Ergänzungsheft I, p. 19). Il n'apparaît pas cependant que le législateur ait attribué un tel caractère à la prétention du fonctionnaire fédéral à son traitement. Au contraire, selon la communis opinio, il n'a pas entendu priver cet agent du moyen de crédit que constitue la cession de salaire. L'eût-il voulu qu'il l'aurait probablement dit, de façon expresse, dans une disposition analogue à l'art. 47 al. 4 StF, qui déclare nulle la cession du droit à la jouissance du traitement du fonctionnaire décédé. Assurément, loin d'être absolu, le droit de cession du fonctionnaire est limité par ses obligations. Dans la mesure où le traitement du fonctionnaire est nécessaire à l'accomplissement de ses devoirs de service et hors de service, il ne peut être cédé. Mais cette restriction ne vaut que pour le salaire futur. Dans tous les cas, rien ne s'oppose à la cession du traitement échu, celui-ci ayant été acquis en échange de services déjà rendus, dont la prestation ne peut donc plus être compromise. D'ailleurs, s'il est indiscutablement loisible au fonctionnaire de donner le salaire qu'il a gagné, il doit aussi pouvoir céder la créance y relative (DUEZ et DEBEYRE, Traité de droit administratif, no 975; FLEINER, Les principes généraux du droit administratif allemand, p. 115 note 6; IM HOF, RDS vol. 48 p. 394 a s.; JELLINEK, op.cit., p. 216; MERK, Deutsches Verwaltungsrecht I, p. 595; OSWALD, op.cit., p. 562; WIMMER, op.cit., p. 214 ss. et 220 ss;. ZBL vol. 44 p. 212 s.). Or, on vient de le dire, la possibilité de céder le traitement échu implique celle d'y renoncer.
La prétention du fonctionnaire fédéral au traitement échu est en outre prescriptible. (Le Tribunal fédéral se réfère ici à un consid. précédent, non publié, dans lequel il est dit, en substance, que selon l'art. 72 al. 1 RF I, les prétentions pécuniaires qu'un fonctionnaire déduit de ses rapports de service se prescrivent par un an dès qu'il en a connaissance ou, en tout cas, par cinq ans depuis leur naissance; avant l'entrée en vigueur de cette disposition, le 1er décembre 1959, la jurisprudence s'inspirait de l'art. 128 CO et soumettait à un délai de prescription de cinq ans la créance du fonctionnaire en paiement de son traitement (RO 85 I 183, 87 I 413). Or, on l'a constaté plus haut,
BGE 92 I 240 S. 245
si le droit au salaire échu est prescriptible, il est aussi susceptible de renonciation.
En l'espèce, le 30 août 1946 et le 10 juillet 1948, Malherbe a accepté par écrit que la rente de la Caisse nationale soit imputée sur son traitement. Aussi longtemps qu'il est resté au service de l'Entreprise des PTT, il n'a jamais révoqué cet accord. Dès lors, chaque fois qu'il a reçu son salaire, il a admis tacitement l'imputation de la rente de la Caisse nationale, renonçant ainsi à une part de son traitement échu. Comme ces renonciations successives se rapportent à des créances cessibles et prescriptibles, elles sont valables. Peu importe qu'elles résultent d'actes exprès ou concluants (Arrêts du Tribunal fédéral des assurances 1955 p. 88; FORSTHOFF, op.cit., p. 263; OSWALD, op.cit., p. 547 s.). Dans ces conditions, Malherbe est aujourd'hui déchu du droit de réclamer la restitution des montants imputés avec son consentement. Sa demande doit donc être rejetée pour ce motif.
II.
Imputation de la rente de la Caisse nationale sur les prestations de la Caisse fédérale d'assurance
1.
L'art. 73 al. 3 lit. a ch. 1 RF I exige qu'avant de saisir le Tribunal fédéral d'une action relative aux prestations de la Caisse fédérale d'assurance, le fonctionnaire prenne l'avis du Département des finances et des douanes.
En ce qui concerne les montants imputés sur sa pension de retraite en novembre et décembre 1959, Malherbe n'a pas observé cette prescription. Sans doute a-t-il réclamé ces montants, en sus des sommes retenues sur son traitement, dans son recours du 14 septembre 1960 au Département des postes et des chemins de fer, lequel s'est prononcé d'entente avec le Département des finances et des douanes. On ne saurait cependant assimiler l'avis exprimé par le Département des finances et des douanes sur une requête qui lui est adressée directement, à l'accord qu'il donne à l'opinion d'un autre département. Si le texte réglementaire admettait cette assimilation, il n'obligerait pas le demandeur à consulter, dans certains cas, le Département des finances et des douanes et, à propos de litiges différents, un autre département invité à s'entendre avec le premier. L'action est donc irrecevable dans la mesure où elle tend à la restitution des montants imputés pendant les derniers deux mois de 1959 sur la pension de retraite. | public_law | nan | fr | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4a46c1d6-c087-4a32-9030-e714664f57de | Urteilskopf
81 II 267
45. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Juni 1955 i. S. Munizipalgemeinde Ferden gegen Lehner. | Regeste
Bau auf fremdem Boden.
Voraussetzungen des Anspruchs auf Wegschaffung des Materials (
Art. 671 Abs. 3 ZGB
) und des Anspruchs auf Zuweisung des Grundeigentums an den Materialeigentümer (
Art. 673 ZGB
). | Sachverhalt
ab Seite 267
BGE 81 II 267 S. 267
A.-
Am 22. August 1946 kaufte der Bergführer Willi Lehner, der auf der Lauchernalp ob Wiler (Lötschental) ein Berghaus betreibt, von der Militärverwaltung zwei auf der Berner Seite des Lötschenpasses stehende Armeebaracken, um sie als Unterkunft für Touristen in der Nähe des Passübergangs aufzustellen. Da die Gemeinde Ferden (Lötschental), deren Gebiet zum Lötschenpass hinaufreicht, die Bewilligung zur Errichtung der geplanten Hütte auf ihrem Boden am 6. Oktober 1946 verweigerte, ersuchten Willi Lehner und sein Bruder Innozenz mit Schreiben vom 16./17. Oktober 1946 den Regierungsrat des Kantons Bern und den Regierungsstatthalter von Frutigen, zu gestatten, dass die Baracken ca. 80 m nordöstlich des Passübergangs auf Berner Gebiet "wie eine SAC-Hütte benutzt werden dürfen". Unter Bezugnahme auf eine mündliche Erklärung des Regierungsstatthalters, dass gegen die Versetzung der Baracken nichts einzuwenden sei, die Herberge aber unter das bernische Wirtschaftsgesetz falle, baten die
BGE 81 II 267 S. 268
Brüder Lehner die Direktion des Innern des Kantons Bern mit Schreiben vom 29. Oktober 1946 um Anerkennung des von Willi Lehner im Kanton Wallis erworbenen Fähigkeitsausweises zur Führung eines Gastwirtschaftsbetriebes. Nach Ablegung einer Teilprüfung erhielt Willi Lehner am 29. Mai 1947 für den Betrieb der "Lötschberghütte" in der Zeit vom 1. Juni bis 30. September der Jahre 1947 bis 1950 das bernische "Saisonpatent für alkoholfreien Gastwirtschaftsbetrieb mit Beherbergungsrecht". Im Sommer 1947 wurde die Hütte eröffnet.
B.-
In der Folge gelangten die Gemeinden Ferden und Kandersteg an die Regierungen von Wallis und Bern, damit auf dem Lötschenpass die bisher nie genau festgelegte Grenze, die dort zugleich Kantons- und Gemeindegrenze ist, bereinigt werde. Die beiden Kantonsgeometer einigten sich dahin, dass die Grenze der Wasserscheide folgen solle. Darauf wurde sie im Gelände entsprechend abgesteckt. Nach Massgabe der so gezogenen Grenzlinie stand die Lötschberghütte auf bernischem Gebiet. Die Vertreter der Gemeinden Ferden und Kandersteg (die nach den Aussagen des Grundbuchgeometers Kummer von den "direkt interessierten Herren Bellwald von Kummenalp und Rauber von Gasterntal", d.h. von den Inhabern der am Lötschenpassweg liegenden Wirtschaften auf Kummenalp ob Ferden und Gfällalp im Gasterntal begleitet waren) billigten bei der Begehung vom 2. September 1948 die abgesteckte Grenze mit Ausnahme des Abschnitts bei der Hütte. Sie verlangten, dass die Grenze an dieser Stelle durch den von ihnen bezeichneten, auf der bernischen Seite der Wasserscheide liegenden Punkt gezogen werde, wo nach ihren Angaben früher ein die Grenze markierendes Kreuz gestanden hätte. Die Geometer gaben diesem Begehren statt. Die neu abgesteckte Grenze, die von den beteiligten Gemeindeverwaltungen und Kantonsregierungen genehmigt wurde, wies den Standort der Hütte der Gemeinde Ferden und dem Kanton Wallis zu.
Die Brüder Lehner ersuchten darauf den Staatsrat des
BGE 81 II 267 S. 269
Kantons Wallis, ihnen die Konzession für den Betrieb einer Herberge in der Lötschberghütte zu erteilen. Unter Abweisung einer Einsprache der Gemeinde Ferden und des Wirtes von Kummenalp erteilte ihnen der Staatsrat diese Bewilligung für die Dauer von fünf Jahren ab 1949, "an welchem Datum die vom Kanton Bern erteilte Konzession infolge Grenzberichtigung erlosch".
C.-
Am 9. Juli 1951 reichte die Gemeinde Ferden gegen Innozenz und Willi Lehner Klage ein mit den Begehren, es sei festzustellen, dass der Boden, auf dem die Baracke der Beklagten stehe, Eigentum der Gemeinde Ferden sei, und die Beklagten seien zu verpflichten, die Baracke zu entfernen und der Gemeinde Ferden für die widerrechtliche Benutzung ihres Bodens Fr. 200.-- zu bezahlen. Das Entschädigungsbegehren änderte sie in der Folge dahin ab, dass ihr für die Jahre 1947 bis 1951 je Fr. 100.-- zu zahlen seien. Nachdem Willi Lehner erklärt hatte, dass er Alleineigentümer der streitigen Hütte sei, liess sie die Klage gegen Innozenz Lehner fallen. Am 8. Juni 1953 stellte sie das folgende subsidiäre Rechtsbegehren: "Es wird festgestellt: Die Gemeinde Ferden ist Eigentümerin der fraglichen Baracke und erklärt sich bereit, hierfür Herrn Lehner Willi gemäss
Art. 672 ZGB
, Ziff. 3, eine Entschädigung für den Bau zu bezahlen."
Willi Lehner beantragte Abweisung der Klage und erhob Widerklage mit dem Begehren, es sei ihm gegen eine angemessene Entschädigung an die Gemeinde Ferden soviel vom fraglichen Boden zuzusprechen, dass die von den Berner Behörden seinerzeit erteilte Herbergs-Konzession ungehindert ausgeübt werden könne. Vor Kantonsgericht verdeutlichte er das Widerklagebegehren dahin, dass ihm 200 m2 Boden und der Bau zuzusprechen seien und dass die Entschädigung für den Boden auf Fr. 600.-- festzusetzen sei.
Während des Prozesses wurde die Hütte, wie im November 1953 festgestellt wurde, von unbekannten Tätern zerstört. Der Beklagte stellte sie wieder instand.
BGE 81 II 267 S. 270
Mit Urteil vom 11. Januar 1955 hat das Kantonsgericht
Wallis entschieden:
1. Die klägerischen Rechtsbegehren werden abgewiesen.
2. Die Widerklage wird gutgeheissen. Demnach wird erkannt:
a) Willi Lehner wird eine Fläche von 200 m2 Boden zu Eigentum zugesprochen, bestehend aus dem Baugrund der Hütte und dem für die Bewirtschaftung der Herberge notwendigen Platz.
b) Die Abgrenzung des Platzes um die Hütte herum hat nach den Angaben des Widerklägers zu erfolgen.
c) Der Widerkläger zahlt der Gemeinde Ferden für den m2 zugesprochenen Bodens den Betrag von drei Franken, d.h. insgesamt sechshundert Franken.
D.-
Gegen dieses Urteil hat die Gemeinde Ferden die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit den Anträgen, die Klage sei gutzuheissen und die Widerklage abzuweisen; dementsprechend sei der Beklagte zu verpflichten, die Hütte vom Territorium der Klägerin zu entfernen und für die jährliche Benutzung ab 1947 diese mit je Fr. 100.-- zu entschädigen. Der Beklagte schliesst auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Beim Prozess über die im kantonalen Verfahren gestellten Rechtsbegehren, die sich auf die Bestimmungen des ZGB über das Eigentum stützen, handelt es sich um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne von 46 OG. Die Zulässigkeit der Berufung hängt also davon ab, ob der Streitwert nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren, wenigstens Fr. 4000.-- beträgt.
Mit der Klage wurde u.a. die Feststellung verlangt, dass die Gemeinde Ferden Eigentümerin der Lötschberghütte sei (Subsidiärbegehren vom 8. Juni 1953). Mit der Widerklage beantragte der Beklagte u.a. die Zusprechung dieses Baues an ihn. Die Hütte ist also Gegenstand der Klage wie der Widerklage. Auf Grund der vom Kantonsgericht eingeholten Schätzung darf ohne weiteres angenommen werden, dass der Wert dieser Hütte Fr. 4000.-- übersteigt
BGE 81 II 267 S. 271
(vgl. unten Erw. 7). Die Berufung ist daher auf alle Fälle zulässig.
2.
Die Annahme der Vorinstanz, dass die streitige Hütte auf Walliser Gebiet stehe, ist vor Bundesgericht von keiner Seite angefochten worden. Mit Recht nicht. Die zwischen den Gemeinden Ferden und Kandersteg und den Kantonen Wallis und Bern getroffene Vereinbarung hatte nicht eine Gebietsabtretung, sondern die Festsetzung einer bisher nicht genau bestimmten Grenze zum Gegenstand. Solche Verträge sind nach
Art. 7 BV
zulässig. Ob die fragliche Vereinbarung von den nach kantonalem Recht zuständigen Behörden abgeschlossen worden sei, kann das Bundesgericht als Berufungsinstanz nicht nachprüfen. Wenn die nach
Art. 7 Abs. 2 BV
erforderliche Genehmigung der Bundesbehörde (d.h. des Bundesrates,
Art. 102 Ziff. 7 BV
) nicht eingeholt worden sein sollte, so würde dies an der Verbindlichkeit der Vereinbarung nichts ändern (
BGE 54 I 333
/34; BURCKHARDT, Kommentar der BV, 3. Aufl., S. 76/77; FLEINER/GIACOMETTI, Schweiz. Bundesstaatsrecht, S. 163). Ebensowenig ist in diesem Zusammenhang die von der Vorinstanz verbindlich festgestellte Tatsache von Bedeutung, "dass das ganze Grenzbereinigungsverfahren von Ferden und Kandersteg einzig deshalb in Szene gesetzt wurde, um die Hütte von Willi Lehner auf Walliser Boden im Gebiet der Gemeinde Ferden zu bringen, deren Verwaltung nur darauf wartete, gegen Willi Lehner vorgehen zu können".
3.
Beim Boden, auf dem die Lötschberghütte errichtet wurde, handelt es sich unstreitig um der Kultur nicht fähiges Land. An solchem Lande besteht nach
Art. 664 Abs. 2 ZGB
unter Vorbehalt anderweitigen Nachweises kein Privateigentum. Aus Art. 3 des kantonalen Gesetzes vom 17. Januar 1933 betreffend das Eigentum an öffentlichen und herrenlosen Gütern, wonach das der Kultur nicht fähige Land im öffentlichen Eigentum der Gemeinden steht, hat die Vorinstanz geschlossen, die Hütte stehe "auch privatrechtlich gesehen auf Grund und Boden der
BGE 81 II 267 S. 272
Gemeinde Ferden". Sie hält also dafür, der in Art. 664 Abs. 2 vorbehaltene Nachweis sei mit Bezug auf das streitige Land geleistet. Diese auf der Auslegung kantonalen Rechts beruhende Annahme kann das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüfen. Es hat sie vielmehr als richtig hinzunehmen. Die Klägerin rügt also mit ihrer Berufung vergeblich, dass die Vorinstanz den vorliegenden Rechtsstreit nach den Bestimmungen des ZGB über das Privateigentum beurteilt hat. Diese Rüge ist um so weniger verständlich, als sich die Klägerin in ihrer Klage vom 9. Juli 1951 selber ausdrücklich auf ihr "zivilrechtliches Eigentum" berufen hatte.
4.
Die Vorinstanz hat aus einer Reihe von Indizien geschlossen, der Beklagte habe die Lötschberghütte in der Absicht errichtet, sie dauernd mit dem Boden zu verbinden. Dabei handelt es sich um die Feststellung einer ("innern") Tatsache, die gemäss
Art. 63 Abs. 2 OG
für das Bundesgericht verbindlich ist. Hält man sich an diese Feststellung, so ist der Vorinstanz darin beizustimmen, dass es sich bei der streitigen Hütte nicht um eine Fahrnisbaute im Sinne von
Art. 677 ZGB
, sondern um eine Dauerbaute handelt, für welche, da sie auf fremdem Boden erstellt wurde, die Bestimmungen von
Art. 671-673 ZGB
gelten.
5.
Da der Beklagte sein Material ohne den Willen der Klägerin auf deren Boden verwendet hat, kann die Klägerin gemäss Art. 671 Abs. 3 (in Verbindung mit Abs. 2) die Wegschaffung des Materials auf Kosten des Beklagten verlangen, wenn diese Wegschaffung "ohne unverhältnismässige Schädigung möglich ist." Das Vorliegen dieser Bedingung ist zu verneinen, wenn zwischen dem Interesse der Klägerin an der Entfernung der Baute und dem Schaden, der sich daraus für den Beklagten ergäbe, ein bedeutendes Missverhältnis besteht (
BGE 40 II 343
/44). Dies ist der Fall.
a) Müsste der Beklagte seine Hütte entfernen, so würden sich die Aufwendungen für ihre Erstellung als nutzlos erweisen. Nach der Schätzung Rieder, auf welche
BGE 81 II 267 S. 273
die Vorinstanz abstellt, hatten allein das Fundament-Mauerwerk und die Eckverstärkung Fr. 1560.-- gekostet. Dazu kämen die Kosten des Abbruchs und des Wegtransports der hölzernen Bauelemente. Darnach ist klar, dass dem Beklagten aus der Wegschaffung der Hütte ein erheblicher Schaden entstünde.
b) Anderseits hat die Klägerin, bei Lichte besehen, an der Beseitigung dieser Baute kein wesentliches Interesse. Josef Rieder aus Kippel offerierte ihr zwar mit Kaufversprechen vom 22. Oktober 1954 für einen Bauplatz auf dem Lötschenpass Fr. 30'000.-- unter der Bedingung, dass die Hütte des Beklagten verschwinde und dass sie (die Klägerin) in den nächsten 100 Jahren zwischen Lötschenpass, Kummenalp und Hockensattlegi keinen andern Bauplatz veräussere. Die Vorinstanz erklärt jedoch, dieses "unsinnige Angebot" könne nur als "übler Witz" angesehen werden. Darin liegt die nach der herrschenden Rechtsprechung (
BGE 66 II 32
,
BGE 72 II 158
) für das Bundesgericht verbindliche Feststellung, dass das Kaufversprechen nicht ernst gemeint war und auch nicht so aufgefasst wurde. Schon deshalb ist es nicht geeignet, ein Interesse der Klägerin am Verschwinden der Hütte des Beklagten darzutun. Ein solches ist aber auch sonst nicht ersichtlich. Ob auf dem felsigen Boden in der Einöde des Passübergangs eine Hütte stehe oder nicht, kann ihr als Grundeigentümerin an und für sich gleichgültig sein. So wenig wie durch den Bestand der Hütte wird sie durch den Gastwirtschaftsbetrieb benachteiligt, den der Beklagte darin führt. Ein Interesse an der Schliessung dieses Betriebs haben höchstens die auf ihrem Gebiet ansässigen Wirte, deren private Interessen zu verfechten sie nicht berufen ist. (Dass es dem Beklagten als Inhaber der Hütte auf dem Lötschenpass gelingen könnte, einen erheblichen Teil des "Fremdenstroms" über den Pass von der Kummenalp und dem Dorfe Ferden nach der Lauchernalp abzulenken, erscheint im übrigen als wenig wahrscheinlich.) Wegen des Betriebs der Lötschberghütte
BGE 81 II 267 S. 274
etwa einen Steuerausfall erlitten zu haben, behauptet die Klägerin selber nicht.
Dem bedeutenden Schaden, den der Beklagte erlitte, wenn er seine Hütte entfernen müsste, steht also in Wirklichkeit kein oder doch jedenfalls kein erhebliches Interesse der Klägerin am Verschwinden der Hütte gegenüber, sodass Art. 671 Abs. 3 nicht anwendbar ist.
6.
Findet keine Trennung des Materials vom Boden statt, so bleibt jenes als Bestandteil des Grundstücks (
Art. 671 Abs. 1 ZGB
) im Eigentum des Grundeigentümers und hat dieser dem bauenden Materialeigentümer dafür gemäss
Art. 672 ZGB
eine angemessene Entschädigung zu leisten, deren Höhe wesentlich vom guten oder bösen Glauben des letztern abhängt (Abs. 3). Vorbehalten bleibt jedoch der Fall, dass der Wert des Baues offenbar den Wert des Bodens übersteigt. Wenn es sich so verhält, kann nach
Art. 673 ZGB
derjenige, der sich in gutem Glauben befindet, verlangen, dass das Eigentum an Bau und Boden gegen angemessene Entschädigung dem Materialeigentümer zugewiesen werde.
7.
Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz festgestellt, der Wert des Baues übersteige den Wert des Bodens in höchstem Masse, weil die Hütte nach der Expertise einen Wert von Fr. 19'918.-- habe, während der Bodenwert einen halben Rappen pro m2 betrage. Diese letzte Angabe beruht auf einem Versehen, das die Vorinstanz in ihrem Begleitschreiben zu den Akten dahin richtiggestellt hat, dass die Schatzung auf 5 Rp. pro m2 laute. Am Ergebnis ändert dies praktisch nichts, weil der Wert der in Frage stehenden 200 m2 Boden auch bei diesem Ansatz nur Fr. 10.- ausmacht. Bewertet man den Bau auf nahezu Fr. 20'000.-- und den Boden auf nur Fr. 10.-, so ist die Annahme, dass der Wert des Baues denjenigen des Bodens offenbar übersteige, gewiss begründet.
Gegenüber der Festsetzung des Bauwertes auf
BGE 81 II 267 S. 275
Fr. 19'918. - wendet die Klägerin nun freilich mit Recht ein, dass diese Zahl den Wert des Mobiliars und Inventars und eine Position "10% Risiko und Verdienst" einschliesst, die nicht zum Werte des Baues gehören. Auch wenn man diese Posten ausscheidet, bleibt jedoch als reiner Bauwert ein Betrag von ca. Fr. 14'500.--.
Zur Schätzung des Bodenwertes hat die Vorinstanz bei der Bemessung der vom Beklagten zu entrichtenden Entschädigung ausgeführt, hier könne nicht auf die Expertise abgestellt werden; im Gebirge gebe es nämlich wegen der Lawinengefahr und der Schneeverwehungen nur wenig geeignete Bauplätze, denen auch auf grosser Höhe noch ein beachtlicher Wert als Bauplatz zuerkannt werden müsse; zur Präzisierung seiner Begehren aufgefordert, habe der Beklagte für den m2 drei Franken geboten; diese Entschädigung sei angemessen. Das bedeutet, dass die Vorinstanz als wirklichen Wert des in Frage stehenden Bodens den Betrag von drei Franken pro m2 oder Fr. 600.-- für den ganzen Bauplatz angenommen hat. Diese Bewertung ist vom Gesichtspunkte des Bundesrechts aus nicht zu beanstanden. Die besondere Lage des Grundstücks ist dabei berücksichtigt worden. Die übrigen von der Klägerin geltend gemachten Momente sind nicht beachtlich. Selbst wenn sie wegen der befürchteten Ablenkung des Touristenverkehrs an der Unterbindung des Betriebs der Lötschberghütte durch den Beklagten ein eigenes Interesse hätte, wäre dieses bei der Bestimmung des Bodenwertes im Sinne von
Art. 673 ZGB
nicht in Anschlag zu bringen. Dass das nicht ernst gemeinte (und übrigens nur unter der Bedingung der Einräumung eines weitgehenden Monopols abgegebene) Kaufversprechen Rieders für die Bewertung des streitigen Bodens nicht massgebend sein kann, versteht sich von selber.
Nimmt man an, dass der Wert des Bodens Fr. 600.-- und der Wert des Baues Fr. 14'500.-- ausmache, so ergibt sich immer noch ein offenbares Überwiegen dieses
BGE 81 II 267 S. 276
letztern. Der Beklagte hat daher Anspruch auf Zuweisung des Baugrundes, wenn er im Sinne von
Art. 673 ZGB
gutgläubig ist.
8.
Die Vorinstanz hat mit Recht angenommen, dem Beklagten sei der gute Glaube im Sinne von
Art. 673 ZGB
nicht nur dann zuzubilligen, wenn er in entschuldbarem Irrtum geglaubt hatte, dass der Baugrund ihm gehöre, sondern auch dann, wenn er nach den Umständen hatte annehmen dürfen, dass er mit Zustimmung des Grundeigentümers baue, und dieser ihm nicht zu erkennen gegeben hatte, dass eine Übertragung des Eigentums an ihn ausser Betracht falle (vgl.
BGE 57 II 255
Erw. 2). Dass der Beklagte in diesem Sinne gutgläubig war, lässt sich auf Grund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht in Abrede stellen. Er hat den Bauplatz nicht etwa in eigenmächtiger Weise kurzerhand in Besitz genommen. Er gab vielmehr den Behörden des Staates Bern, der nach der für das Bundesgericht massgebenden Auslegung des kantonalen Rechts durch die Vorinstanz in diesem Kanton Eigentümer des nicht kultivierbaren Bodens ist, von seinem Vorhaben Kenntnis, indem er in seinen Eingaben an den bernischen Regierungsrat und den Regierungsstatthalter von Frutigen vom 16./17. Oktober 1946 angab, wohin die Baracken, für deren Benützung nach Art einer SAC-Hütte er um Bewilligung nachsuchte, zu stehen kämen. Der Regierungsstatthalter teilte ihm gemäss Feststellung der Vorinstanz mit, dass gegen das Versetzen der Hütte nichts einzuwenden sei, und wies ihn im übrigen lediglich auf die Bedingungen hin, die nach dem Wirtschaftsgesetz zu erfüllen seien. Dass er noch weitere Schritte zu tun habe, um das Recht zu erlangen, seine Pläne auszuführen, sagte ihm keine der von ihm angegangenen Instanzen. Da es sich um die Erstellung einer Baute auf nicht kultivierbarem Boden weitab von menschlichen Siedlungen handelte, musste ihm nicht als selbstverständlich erscheinen, dass eine förmliche Abtretung des Bodens an ihn nötig sei. Es
BGE 81 II 267 S. 277
wurde ihm auch nicht etwa zur Kenntnis gebracht, dass eine Übertragung des Grundeigentums an ihn nicht in Betracht komme, sondern dass er sich mit einer blossen Gebrauchserlaubnis begnügen müsse. Dass er den Baugrund noch zu erwerben habe, erfuhr er nach den tatsächlichen Annahmen der Vorinstanz erst nach Fertigstellung der Hütte (d.h. nach Ende Juni 1947), jedenfalls aber erst nach Baubeginn. Diese mala fides superveniens konnte ihm nachBGE 57 II 257nicht schaden. Endlich ist auch der Einwand der Klägerin nicht zu hören, der Beklagte habe, weil die Grenze nicht ganz bestimmt gewesen sei, damit rechnen müssen, dass er auf dem Gebiet der Klägerin baue, von der er gewusst habe, dass sie sich seinen Plänen mit allen Mitteln widersetze. Der von ihm gewählte Bauplatz liegt auf der Berner Seite der Wasserscheide. Die Berner Behörden, an die er sich wandte, betrachteten sich deshalb als zuständig. In dem auf Betreiben der Gemeinden Ferden und Kandersteg eingeleiteten Grenzbereinigungsverfahren einigten sich die technischen Organe der beiden Kantone dahin, dass die Grenze der Wasserscheide folgen solle. Erst auf Drängen der Gemeindevertreter, die nach den von der Vorinstanz als glaubwürdig beurteilten Aussagen des Zeugen Dr. Caviezel klar zu erkennen gaben, dass es ihnen darum ging, die Zugehörigkeit des Hüttenplatzes zum Gebiet der Gemeinde Ferden feststellen zu lassen, fanden sich die Geometer gemäss tatsächlicher Feststellung der Vorinstanz bereit, die Grenze in deutlicher Abweichung von der Wasserscheide so zu ziehen, dass der Standort der Hütte der Gemeinde Ferden zugewiesen wurde. Nach der vorinstanzlichen Beweiswürdigung kann "nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit gesagt werden, die Grenze halte sich an den Standort des alten, heute verschwundenen Kreuzes", von dem bei der Begehung vom 2. September 1948 die Rede war. Daher lässt sich die Möglichkeit nicht von der Hand weisen, dass die Geometer gegenüber den Wünschen der Gemeindevertreter allzu willfährig waren.
BGE 81 II 267 S. 278
Auf jeden Fall aber kann bei den gegebenen Umständen dem Beklagten kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er nicht damit rechnete, dass der Boden, auf dem er die Hütte errichtete, im Gebiet der Gemeinde Ferden liegen könnte.
Die Voraussetzungen für die Anwendung von
Art. 673 ZGB
sind demnach erfüllt. Mit Bezug auf den Umfang und die Regelung der Abgrenzung der an den Beklagten abzutretenden Bodenfläche und die Höhe der dafür zu leistenden Entschädigung ist das Urteil der Vorinstanz nicht angefochten. Dispositiv 2 dieses Urteils ist daher zu bestätigen.
9.
Aus der Gutheissung der Widerklage folgt nicht ohne weiteres, dass die mit der Hauptklage gestellten Begehren abgewiesen werden mussten; denn bis zur Übereignung (die erst erfolgen kann, wenn die abzutretende Fläche abgegrenzt ist) sind der Boden, auf dem die Hütte steht, und diese selber Eigentum der Klägerin. Die Berufungsschrift enthält jedoch keine Ausführungen zur Begründung der Klagebegehren. Soweit die Berufung auf deren Schutz abzielt, ist also darauf nicht einzutreten (
BGE 72 II 6
Erw. 3,
BGE 77 II 343
Erw. 3). Praktisch hätte im übrigen die Klägerin an der urteilsmässigen Feststellung, dass sie bis zum Vollzug des Urteils über die Widerklage Eigentümerin von Boden und Bau sei, kaum ein Interesse.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes Wallis vom 11. Januar 1955 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4a46d102-0969-42be-ab05-edc5843ac651 | Urteilskopf
117 II 340
62. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. August 1991 i.S. E. und A. F.-M. gegen Regierungsrat des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Eintragung einer im Ausland erfolgten Adoption im schweizerischen Familienregister (
Art. 78 Abs. 1 und 2 IPRG
).
Eine im Ausland ausgesprochene Adoption kann im Familienregister des schweizerischen Heimatorts des Adoptanten als Volladoption eingetragen werden, wenn sie gemäss dem ausländischen Recht, nach welchem die Adoption ausgesprochen wurde, das ursprüngliche Kindesverhältnis zu den natürlichen Eltern zum Erlöschen bringt.
Dies ist bei einer auf den Philippinen ausgesprochenen Adoption nicht der Fall, weil das philippinische Recht gewisse erbrechtliche Beziehungen des Adoptivkindes zu den natürlichen Eltern weiterbestehen lässt. | Sachverhalt
ab Seite 340
BGE 117 II 340 S. 340
E. F. lebte von 1984 bis 1989 auf den Philippinen. Am 4. August 1986 heiratete er in Manila die philippinische Staatsangehörige
BGE 117 II 340 S. 341
A. M., welche drei uneheliche Kinder mit in die Ehe brachte: G., geboren 1973, R., geboren 1978, und C., geboren 1980. Der leibliche Vater der drei Kinder ist unbekannt.
Im Jahre 1989 stellten die Eheleute F.-M. gegenüber den philippinischen Behörden das Begehren, es sei die Adoption der drei Kinder durch den Stiefvater E. F. auszusprechen. In seinem Entscheid vom 18. Juli 1989 entsprach das Regional Trial Court von Manila diesem Gesuch.
Im Juli 1989 übersiedelte die Familie F.-M. in die Schweiz.
Mit Verfügung vom 7. Februar 1990 verweigerte das Departement des Innern des Kantons Aargau die Eintragung der nach philippinischem Recht ausgesprochenen Adoption als Volladoption im Familienregister von O., dem Heimatort von E. F.
Eine Beschwerde gegen den Entscheid des Departements wies der Regierungsrat des Kantons Aargau am 22. Oktober 1990 ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht stellen E. und A. F.-M. folgende Rechtsbegehren:
1. Der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 22./24. Oktober 1990 sei aufzuheben.
2. Die am 18. Juli 1989 vom Regional Trial Court von Manila (Philippinen) ausgesprochene Adoption der Kinder George, Ricardo und Charlotte M. sei als schweizerische Volladoption anzuerkennen und im Familienregister der Gemeinde O. einzutragen.
3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten des Beschwerdegegners.
Der Regierungsrat, der auf eine Vernehmlassung verzichtet hat, beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement schliesst ebenfalls dem Sinne nach auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die von den Eheleuten F.-M. gegen den regierungsrätlichen Beschluss erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Um in der Schweiz anerkannt und eingetragen zu werden, muss die ausländische Adoption durch eine international zuständige Behörde ausgesprochen worden und in Kraft getreten sein, dem schweizerischen ordre public nicht widersprechen und einer dem schweizerischen Recht bekannten Form der Adoption entsprechen (
BGE 113 II 110
E. 3a; KUPFER, Praktische Aspekte der Eintragung von ausländischen Adoptionen in den
BGE 117 II 340 S. 342
Zivilstandsregistern, ZZV 1973, S. 287 ff.; HEGNAUER, Berner Kommentar, N. 86-89 zu
Art. 268 ZGB
).
a) Gemäss
Art. 78 Abs. 1 IPRG
werden ausländische Adoptionen in der Schweiz anerkannt, wenn sie im Staat des Wohnsitzes oder im Heimatstaat der adoptierenden Person oder der adoptierenden Ehegatten ausgesprochen worden sind.
Es steht fest, dass E. F. während seines fünfjährigen Aufenthaltes auf den Philippinen dort einen Wohnsitz begründet hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob im Zeitpunkt des Adoptionsverfahrens die unmittelbar nachher tatsächlich erfolgte Übersiedlung der. Familie F.-M. in die Schweiz schon geplant gewesen sei, so dass, wie das Departement des Innern des Kantons Aargau eingewendet hat, Zweifel am philippinischen Wohnsitz und somit an der Zuständigkeit der philippinischen Behörden begründet seien. Denn der gewöhnliche Aufenthalt tritt an die Stelle des alten Wohnsitzes, solange nicht anderswo ein neuer Wohnsitz begründet wird (
Art. 20 Abs. 2 Satz 2 IPRG
; BUCHER, L'adoption internationale en Suisse, in: Rapports suisses présentés au XIIIe Congrès international de droit comparé, Montréal 1990, S. 122).
Zu Recht hat deshalb der Regierungsrat des Kantons Aargau die Zuständigkeit der philippinischen Behörden bejaht.
b) Die Frage der Verletzung des schweizerischen ordre public im Sinne von
Art. 27 IPRG
stellt sich nicht. Namentlich liegt kein solcher Verstoss darin, dass der leibliche Vater der drei Kinder, der als unbekannt gilt, im Adoptionsverfahren weder angehört noch um seine Zustimmung gebeten wurde (vgl.
Art. 27 Abs. 2 lit. a IPRG
). Das schweizerische Recht kennt die gleiche Lösung: von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt ist (
Art. 265c Ziff. 1 ZGB
).
c) Um eine im Ausland durchgeführte Adoption in der Form der Volladoption in den schweizerischen Zivilstandsregistern eintragen zu können, ist eine gewisse Gleichwertigkeit zwischen dem Institut der Adoption des ausländischen Rechts und der Adoption im Sinne der
Art. 264-269c ZGB
erforderlich. Weicht die ausländische Adoption von einem Kindesverhältnis nach schweizerischem Recht wesentlich ab, wird sie in der Schweiz nur mit den Wirkungen anerkannt, die ihr im Staat der Begründung zukommt (
Art. 78 Abs. 2 IPRG
). Man hat damit vermeiden wollen, dass ausländischen Rechtsakten, insbesondere ausländischen einfachen Adoptionen, wie sie auch die Schweiz vor der Revision des Adoptionsrechts gekannt hat, auf dem Umweg über die Anerkennung
BGE 117 II 340 S. 343
stärkere Wirkungen zukommen, als ihnen das ausländische Recht gewährt. Notwendig ist nur, dass das ausländische Recht dem Adoptivkind eine mit den Grundsätzen des (revidierten) schweizerischen Rechts vergleichbare Stellung einräumt, wobei sich diese Äquivalenz nach den zivilrechtlichen Wirkungen der Adoption beurteilt, d.h. dass das erwähnte Recht dem Adoptivkind im wesentlichen die Stellung eines ehelichen Kindes der Adoptiveltern verleiht (vgl. VOLKEN, Adoptionen mit Auslandbeziehungen, in: Beiträge zur Anwendung des neuen Adoptionsrechts, St. Gallen 1979, S. 97; BUCHER, a.a.O., S. 124; GROSS, La reconnaissance de l'adoption étrangère en Suisse: conditions et effets, Diss. Lausanne 1986, S. 51).
3.
Gemäss Art. 39 des philippinischen Jugendwohlfahrtsgesetzes (hiernach JWG) in der Übersetzung von BERGMAN/FERID (Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd 9, ad Philippinen, Frankfurt a. M. 1978, S. 23) hat die Adoption nach philippinischem Recht folgende Wirkungen: die adoptierte Person hat dieselben Rechte und Pflichten, wie wenn sie ein eheliches Kind des Adoptanten wäre mit der Ausnahme, dass das adoptierte Kind durch die Adoption nicht die philippinische Staatsbürgerschaft erlangt (Ziff. 1); die den natürlichen Eltern zustehende Gewalt findet ihr Ende, ausser wenn der Adoptierende der überlebende Ehegatte eines Elternteils des adoptierten Kindes ist (Ziff. 2); der Adoptierte ist berechtigt, den Familiennamen des Adoptanten zu tragen (Ziff. 3); der Adoptierte wird der gesetzliche Erbe des Adoptanten (mit Vorbehalten unter lit. a und b); unter lit. c wird vorgesehen, dass der Adoptant nicht der gesetzliche Erbe des Adoptierten ist, dessen natürliche Eltern ihn beerben sollen. Sofern die natürlichen Eltern nicht mehr leben, tritt an deren Stelle der Adoptant.
Gemäss Art. 41 JWG kann in verschiedenen Fällen die Aufhebung der Adoption verlangt werden. VOLKEN (a.a.O., S. 97 Ziff. 23) ist der Auffassung, eine ausländische Adoption könne als Volladoption eingetragen werden, auch wenn sie aufhebbar oder anfechtbar sei, keine Bürgerrechtsfolgen nach sich ziehe oder (gegenüber den Adoptanten) erbrechtliche Vorbehalte offenlasse. Bestünden aber gewisse rechtliche Bindungen mit der leiblichen Familie weiter, müsse man eher eine einfache Adoption annehmen.
Derselben Auffassung sind BUCHER (a.a.O., S. 125), HEGNAUER (a.a.O., N. 86 zu
Art. 268 ZGB
), GROSS (a.a.O., S. 45) und, mit Bezug auf die in Österreich ausgesprochenen Adoptionen,
BGE 117 II 340 S. 344
VON OVERBECK (A propos de la reconnaissance des adoptions autrichiennes, VZW 55 (1987), S. 232 f.).
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat sich von gleichen Überlegungen leiten lassen (
BGE 106 II 272
ff.;
BGE 113 II 106
ff.). Ähnlich lauten die Weisungen der Eidgenössischen Justizabteilung vom 28. Mai 1975 betreffend die Anerkennung und Eintragung der im Ausland ausgesprochenen Adoptionen in der Schweiz.
... Man könnte sich fragen, ob dem Umstand, dass die Adoption nach philippinischem Recht keine Bürgerrechtsfolgen zeitige oder dass das Adoptivkind erbrechtlich den ehelichen Kindern des Adoptivvaters nicht vollständig gleichgestellt werde, im Hinblick auf die Anerkennung als Volladoption tatsächlich jede Bedeutung abgeht. Jedenfalls bringt die philippinische Adoption durch das Weiterbestehen erbrechtlicher Beziehungen des Adoptivkindes zu den natürlichen Eltern gemäss Art. 39 Ziff. 4 lit. c JWG das ursprüngliche Kindesverhältnis nicht zum Erlöschen. Entsprechend muss auch, zur Sicherung der korrekten Erbfolge, wie die kantonale Instanz zu Recht bemerkt, in den Zivilstandsregistern die Eintragung dieser rechtlichen Lage Beachtung schenken. Damit ist die Anerkennung als Volladoption, wie sie im schweizerischen Recht ausgestaltet ist, ausgeschlossen.
Beizupflichten ist dem Regierungsrat des Kantons Aargau ebenfalls, wenn er ausführt, der Sinn der Anerkennung ausländischer Hoheitsakte sei, unter anderem, unterschiedliche Rechtswirkungen in der Schweiz gegenüber dem Ausland zu vermeiden. Trotz schweizerischer Anerkennung als Volladoption und dem Erlöschen jeglicher rechtlichen Beziehung zur leiblichen Familie würden die philippinischen Behörden der in ihrem Land ausgesprochenen Adoption nur die nach philippinischem Recht vorgesehenen Wirkungen, welche erbrechtliche Beziehungen des Adoptivkindes zu den natürlichen Eltern mitumfassen, zumessen. Es würden somit in den beiden Ländern unterschiedliche Rechtswirkungen resultieren.
4.
Die Beschwerdeführer machen geltend, den erbrechtlichen Beziehungen zur leiblichen Familie komme im vorliegenden Fall nur eine sehr geringe praktische Rolle zum, da der Vater der drei Kinder unbekannt sei und die leibliche Mutter als Mitadoptantin auftrete (Stiefkindadoption), die ursprünglichen Familienbande wenigstens also teilweise zu Recht bestehen blieben. Es sei somit überspitzt und unverhältnismässig, diesen Umständen keine
BGE 117 II 340 S. 345
Rechnung zu tragen und aus diesem einzigen Grund die Anerkennung und Eintragung als Volladoption zu verneinen.
Indessen kann von feststehenden konkreten Umständen, welche das Kindesverhältnis zu den leiblichen Eltern als eine rein theoretische Bindung erscheinen lassen, keine Rede sein (vgl. den Fall eines filius nullius in VPB 47 (1983) Nr. 7, S. 40; ferner GROSS, a.a.O., S. 45).
Es geht aus den Akten nicht hervor, ob die drei Kinder, die einen Altersunterschied von 5 bzw. 2 Jahren aufweisen, von verschiedenen, tatsächlich unbekannten Vätern oder von einem einzigen, der Mutter sehr wohl bekannten, lediglich offiziell (gemäss Art. 280 des philippinischen bürgerlichen Gesetzbuches vom 18. Juni 1949, in Kraft bis 1987; vgl. SYLVIA BURMESTER-BEER, Neues Familienrecht auf den Philippinen, StAZ 1989/8, S. 249 Ziff. 1 und Fussnote 4 durfte, wenn ein uneheliches Kind nur von einem Elternteil anerkannt wurde, der Anerkennende den Namen der Person nicht angeben, mit der er das Kind gezeugt hatte) unbekannt gebliebenen Vater abstammen. Es wäre im letzteren Fall, der in der Regel eine fortdauernde Beziehung zur Voraussetzung hat, durchaus denkbar, dass der leibliche Vater eines Tages seine Rechte in Anspruch nehmen würde oder umgekehrt die drei Kinder erbrechtliche Forderungen an seinen Nachlass stellen könnten. Diese blosse Möglichkeit genügt, um, in Übereinstimmung mit der kantonalen Instanz, die Gleichwertigkeit der philippinischen Adoption mit der schweizerischen Volladoption, welche jede rechtliche Beziehung zur natürlichen Familie unterbindet, zu verneinen und infolgedessen dem Eintragungsgesuch nicht stattzugeben. Daran ändern das Kindeswohl und die Tatsache, dass die Kinder sich seit Jahren in der Obhut ihres Adoptivvaters befinden, nichts. Es steht den Beschwerdeführern frei, die streitige Adoption im Familienregister als einfache Adoption eintragen zu lassen.
Kommt es allerdings, zur Erlangung der Volladoption und namentlich zum Zweck des Erwerbs des Schweizerbürgerrechts, zu einem neuen Verfahren am Wohnsitz der Beschwerdeführer, wird die Frage der Zustimmung des leiblichen Vaters bzw. des Absehens von dieser Zustimmung (
Art. 265a Abs. 1 und 265c ZGB
) nicht zu umgehen sein, wenn die Kinder einen einzigen Vater haben und dieser somit der Mutter sehr wohl bekannt sein dürfte.
5.
Schliesslich ist der kantonalen Instanz keine Verletzung von
Art. 4 BV
vorzuwerfen, wenn sie abweichende Entscheide von Zivilstandsbehörden anderer Kantone nicht berücksichtigt hat
BGE 117 II 340 S. 346
(
BGE 91 I 171
E. 1; nicht veröffentlichte Entscheide vom 4. Mai 1983 i.S. B. gegen StA SG, KtGer und KassGer SG, E. 4 und vom 20. Oktober 1982 i.S. Comune di L. c/TI, Tamm, G. M. e Comune di C., E. 4). | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4a482e08-4591-47f9-95a8-95b7258e67a3 | Urteilskopf
83 IV 85
24. Urteil des Kassationshofes vom 5. Juni 1957 i.S. von Arx gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Art.25Abs. 1 MFG.
Erhöhte Vorsichtspflicht des Vortrittsberechtigten, der bei schlechter Sicht, namentlich nachts, einem Fahrzeug mit nach links gestelltem Richtungsanzeiger begegnet. | Sachverhalt
ab Seite 85
BGE 83 IV 85 S. 85
A.-
Am 20. Dezember 1955, gegen 17.40 Uhr, führte Kuhn einen Morris-Lastwagen auf der 7 m breiten Überlandstrasse von Wohlen Richtung Lenzburg und wollte auf offener Strecke nach links in die 4 m breite, rechtwinklig einmündende Strasse nach Villmergen abbiegen.
BGE 83 IV 85 S. 86
Er stellte 200-300 m vor der Einmündung den linken Richtungsanzeiger, verlangsamte die Geschwindigkeit auf 10-15 km/Std und bog mit abgeblendeten Scheinwerfern nach links ab, in der Annahme, er werde vor dem Eintreffen eines Wagens, den er entgegenkommen sah, die Strasse überquert haben. Als der Vorderteil des Lastwagens die Nebenstrasse erreicht hatte, stiess der von Lenzburg kommende "Mercedes"-Personenwagen mit dem hintern rechten Teil der Ladebrücke des Lastwagens zusammen. Der Führer des Personenwagens, Urs von Arx, der nach seinen Angaben mit einer Geschwindigkeit von 70-80 km/Std gefahren war, hatte aus dem langsamen Tempo des Lastwagens geschlossen, dieser lasse ihn durchfahren. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt.
B.-
Das Bezirksgericht Bremgarten verurteilte Kuhn wegen Widerhandlung gegen
Art. 47 MFV
zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 40.-, von Arx wegen Verletzung von Art. 25 Abs. 1 MFG zu einer solchen von Fr. 30.-.
Die Beschwerde des von Arx wurde vom Obergericht des Kantons Aargau am 29. März 1957 abgewiesen, mit folgender Begründung: Der Führer, der vor dem Linksabbiegen Entfernung und Geschwindigkeit eines entgegenkommenden Fahrzeugs schätzen müsse, laufe Gefahr, einem Irrtum zu unterliegen, namentlich nachts. Damit müsse der Führer des entgegenkommenden, vortrittsberechtigten Fahrzeugs rechnen. Wenn er aus dem Richtungsanzeiger des andern ersehe, dass dieser seine Fahrbahn kreuzen wolle, müsse er sich auf eine mögliche Verkehrsstörung einrichten und dementsprechend seine Geschwindigkeit anpassen, es sei denn, der andere verzichte auf die Verwirklichung seiner Absicht oder die Entfernung sei so gross, dass das Moment der Gleichzeitigkeit fehle. Wo eine sichere Beurteilung der Situation nicht möglich sei, habe der Vortrittsberechtigte damit zu rechnen, dass der andere die Verkehrslage aus einem entschuldbaren oder nicht entschuldbaren Grund falsch beurteile.
BGE 83 IV 85 S. 87
C.-
Von Arx führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, er sei freizusprechen.
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Des Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, der nach links gestellte Richtungsanzeiger habe nur die Absicht des Lastwagenlenkers, nach links abzubiegen, erkennen lassen, nicht auch, dass er in Verletzung des
Art. 47 MFV
in die Nebenstrasse abschwenken werde; nicht einmal der Beginn des Abbiegens selber habe auf ein vorschriftswidriges Verhalten des Lastwagenführers schliessen lassen, da dessen geringe Geschwindigkeit zur Annahme berechtigt habe, er werde dennoch den Vortritt gewähren. Daher habe kein Anlass bestanden, die an sich nicht übersetzte Geschwindigkeit herabzusetzen, solange nicht erkennbar gewesen sei, dass Kuhn das Vortrittsrecht missachte.
Diese Betrachtungsweise, die sich an die Erwägungen des Bundesgerichts in einem ähnlichen Fall (
BGE 81 II 388
) anlehnt, entspricht der ständigen Rechtsprechung, wonach der gemäss Art. 27 MFG bzw.
Art. 47 MFV
Vortrittsberechtigte sein Recht dann nicht ausüben darf und seinerseits die zur Verhütung eines Unfalls geeigneten Massnahmen zu ergreifen hat, wenn er sieht oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit sehen könnte, dass ihm ein anderer den Vortritt nicht lassen kann oder nicht will (
BGE 65 I 56
,
BGE 66 I 119
,
BGE 68 II 127
,
BGE 71 IV 100
,
BGE 77 IV 221
,
BGE 79 II 216
,
BGE 81 IV 138
Erw. 1). Dass der Beschwerdeführer die Missachtung seines Vortrittsrechts durch Kuhn nicht rechtzeitig erkannt und aus diesem Grund zu spät oder unrichtig reagiert habe, wird von der Vorinstanz nicht festgestellt. Sie wirft dem Beschwerdeführer auch nicht vor, er habe sein Fahrzeug nicht beherrscht, als erkennbar war, dass der Lastwagen die Strassenmitte nach Imnks zu überqueren begann, sondern einzig, er habe es unterlassen, schon vor diesem Zeitpunkt die Geschwindigkeit herabzusetzen.
BGE 83 IV 85 S. 88
Dazu wäre er nach Ansicht des Obergerichts verpflichtet gewesen, weil der Motorfahrzeugführer schon dann Vorsichtsmassnahmen ergreifen müsse, wenn ein entgegenkommendes Fahrzeug durch Stellen des Richtungsanzeigers die Absicht zum Linksabbiegen bekunde und nicht mit Sicherheit feststehe, ob es den Vortritt gewähre.
Dieser Auffassung kann in der Form, wie sie im angefochtenen Urteil vertreten wird, nicht zugestimmt werden. Nach der Rechtsprechung dürfen an die Sorgfaltspflicht des Vortrittsberechtigten nicht so hohe Anforderungen gestellt werden, dass das Vortrittsrecht praktisch entwertet und die flüssige Abwicklung des Verkehrs unnötig erschwert und gehemmt würde (
BGE 79 II 216
). Das wäre der Fall, wenn der Vortrittsberechtigte allgemein sein Recht erst ausüben dürfte, nachdem er sich restlos vergewissert habe, dass der andere die Regeln über den Rechtsvortritt wirklich beachte (Urteil des Kassationshofes vom 15.7.1955 i.S. Bernasconi).
Die erwähnte Rechtsprechung schliesst aber nicht aus, dass unter besondern Umständen, welche die Möglichkeit einer bevorstehenden Verletzung des Vortrittsrechts als naheliegend erscheinen lassen, der Vortrittsberechtigte seine Fahrweise anzupassen hat, bevor sein Recht konkret missachtet wird. Bei schlechter Sicht, namentlich nachts, ist eine zuverlässige Schätzung der Entfernung und Geschwindigkeit eines entgegenkommenden Fahrzeugs wie auch die Bestimmung seines Abstandes von der Strassenmitte sehr schwierig, wenn nicht ausgeschlossen. Unter solchen Bedingungen hat der Vortrittsberechtigte zu bedenken, dass ihn die erschwerte Beurteilung der Lage des andern Fahrzeugs darüber täuschen kann, ob dieses die angezeigte Richtungsänderung vorerst nur bis zur Strassenmitte ausführe, um ihn durchfahren zu lassen und allfälligen nachfolgenden Fahrzeugen das Überholen rechts zu ermöglichen, oder ob es das Abbiegen über die linke Strassenhälfte fortsetze. Er muss sich auch sagen, dass ebenso der andere, der abbiegen will, leicht einem Irrtum
BGE 83 IV 85 S. 89
in der Abschätzung der Distanz unterliegen kann (
BGE 79 II 217
). Diesen Gefahrenquellen hat der Berechtigte durch erhöhte Vorsicht Rechnung zu tragen. Er darf sich daher in solchen Verhältnissen nicht darauf verlassen, der andere werde sich vorschriftsgemäss verhalten, sondern er hat seinerseits unverzüglich diejenige Massnahme zu ergreifen, die notwendig ist, um einer Verletzung seines Vortrittsrechts wirrksam begegnen zu können.
2.
Der vorliegende Fall spielte sich zur Nachtzeit mit eingeschaltenen Lichtern ab. Dieser Umstand hätte den Beschwerdeführer veranlassen müssen, seine Geschwindigkeit von nahezu 80 km/Std nicht erst zu reduzieren, als ihm der Lastwagen den Weg abschnitt, sondern schon, als er diesen mit nach links gestelltem Richtungsanzeiger herankommen sah. Er ist daher zu Recht wegen Verletzung des Art. 25 Abs. 1 MFG bestraft worden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4a4dbd27-a4bd-4f96-ad0d-e8be96982fe0 | Urteilskopf
116 Ib 155
21. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13. Juli 1990 i.S. A. gegen Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn, Polizeidepartement des Kantons Solothurn und Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Umtausch eines ausländischen Führerausweises.
Art. 44 VZV
.
Voraussetzungen für die Anordnung einer neuen Führerprüfung: im allgemeinen (E. 2b) und bei verkehrsgefährdender Verletzung von Verkehrsregeln (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 155
BGE 116 Ib 155 S. 155
A.-
A. wohnt seit 1985 in der Schweiz. Er besitzt einen am 20. Juni 1984 in O., Bundesrepublik Deutschland, ausgestellten Führerausweis. Am 11. Dezember 1987 stellte er bei der
BGE 116 Ib 155 S. 156
Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn ein Gesuch um Umtausch des deutschen Führerausweises in einen schweizerischen.
Am 10. Juni 1988 wurde A. vom Gerichtspräsidenten in Büren an der Aare zu einer Busse von Fr. 400.-- verurteilt. Er hatte am 16. November 1987 Verkehrsregeln grob verletzt, indem er einen Lastwagen mit Anhänger vor einer unübersichtlichen Kurve überholte, ohne dass er die Gewissheit hatte, rechtzeitig und ohne Behinderung des Gegenverkehrs wieder einbiegen zu können; er fuhr dabei links der Sicherheitslinie. Das Urteil ist rechtskräftig.
Mit Verfügung vom 14. Dezember 1988 verweigerte ihm die Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Solothurn den Umtausch des ausländischen Führerausweises in einen schweizerischen und aberkannte zugleich den ausländischen Führerausweis auf unbestimmte Zeit; sie verfügte weiter, für den Erwerb eines schweizerischen Führerausweises habe er die Führerprüfung zu bestehen.
B.-
A. erhob am 23. Dezember 1988 gegen die Verfügung Beschwerde beim Polizeidepartement des Kantons Solothurn. Dieses verfügte am 1. Juni 1989:
"1. Die Beschwerde des A., vertreten durch Fürsprecher B., wird teilweise gutgeheissen.
2. Herrn A. wird sein ausländischer Führerausweis für die Dauer von 1 Monat (vom 20. Juni bis 20. Juli 1989) aberkannt.
3. Nach der Rückgabe des ausländischen Führerausweises wird Herrn A. eine Frist von 6 Monaten gegeben, innerhalb welcher er die theoretische, wie die praktische Führerprüfung zu bestehen hat.
4. Besteht Herr A. die Prüfung in dieser Zeit nicht, wird ihm sein ausländischer Führerausweis für das Gebiet der Schweiz auf unbestimmte Zeit aberkannt.
5. Die Entscheidgebühr wird auf Fr. 100.-- festgesetzt."
C.-
Gegen diese Verfügung erhob A. Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 15. September 1989 ab.
D.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 22. Dezember 1989 stellt A. folgendes Begehren:
"1. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kts. Solothurn vom 15.9.1989 sei, soweit Ziff. 4 + 5 der Verfügung des Polizeidepartementes des Kts. Solothurn vom 1.6.1989 betreffend, aufzuheben und es sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer berechtigt ist, den deutschen Führerausweis gegen einen entsprechenden schweizerischen Führerausweis umzutauschen.
2. Der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu
BGE 116 Ib 155 S. 157
erteilen."
Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Polizeidepartement und die Motorfahrzeugkontrolle verzichten auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt für Polizeiwesen stellt den Antrag, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei gutzuheissen.
Das Bundesgericht heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut und stellt fest, dass der ausländische Führerausweis des Beschwerdeführers ohne Anordnung einer neuen Führerprüfung in einen schweizerischen umzutauschen ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Nach Art. 44 Abs. 1 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51) bedarf der Fahrzeugführer aus dem Ausland, der seit einem Jahr in der Schweiz wohnt, ohne sich während mehr als drei zusammenhängenden Monaten im Ausland aufzuhalten, eines schweizerischen Führerausweises. Dem Inhaber eines gültigen ausländischen Führerausweises wird der schweizerische Führerausweis ohne Führerprüfung erteilt (
Art. 44 Abs. 3 Satz 1 VZV
). Eine Führerprüfung kann verlangt werden, wenn der Führer vor oder innerhalb zweier Jahre nach der Erteilung des schweizerischen Führerausweises wegen verkehrsgefährdender Verletzung von Verkehrsvorschriften bestraft worden ist (
Art. 44 Abs. 3 Satz 3 VZV
).
b)
Art. 44 Abs. 3 VZV
dient der Verkehrssicherheit und steht in einem Zusammenhang mit Art. 14 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1958 über den Strassenverkehr (SVG; SR 741.01) und mit
Art. 24 Abs. 1 VZV
. Nach
Art. 14 Abs. 3 SVG
können die Behörden den Fahrzeugführer einer neuen Führerprüfung unterwerfen, wenn Bedenken über dessen Eignung als Führer bestehen, während nach
Art. 24 Abs. 1 VZV
eine neue Führerprüfung anzuordnen ist, wenn der Fahrzeugführer Widerhandlungen begangen hat, die an seiner Kenntnis der Verkehrsregeln, an ihrer Anwendung in der Praxis oder am fahrtechnischen Können zweifeln lassen. Diese Voraussetzungen müssen auch dann erfüllt sein, wenn nach
Art. 44 Abs. 3 VZV
eine neue Führerprüfung angeordnet wird. Die zuständige Behörde darf also nicht einzig und allein auf die begangene Verkehrsregelverletzung abstellen, sondern muss weitere Umstände berücksichtigen, beispielsweise Leumund, Fahrleistung und Dauer des
BGE 116 Ib 155 S. 158
Führerausweisbesitzes (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 17. Juni 1987 i.S. S., E. 2c).
Die von der Interkantonalen Kommission für den Strassenverkehr herausgegebenen Richtlinien über die Administrativmassnahmen im Strassenverkehr vom 5. November 1981 (im folgenden: Richtlinien) umschreiben die Voraussetzungen einer neuen Führerprüfung näher. Diese Richtlinien stellen zwar keine Rechtssätze dar, doch können sie insofern berücksichtigt werden, als sie Grundsätze enthalten, die die Ansicht von Sachverständigen über die Gesetzesauslegung wiedergeben und den mit der Gesetzesanwendung betrauten Behörden dazu dienen sollen, die einschlägigen Bestimmungen rechtsgleich und anhand sachgemässer Kriterien anzuwenden (
BGE 106 Ib 254
; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 27. März 1990 i.S. Z., E. 2c).
Ziff. 2.1.1 der Richtlinien nennt namentlich einige Umstände, die Bedenken hinsichtlich der Kenntnisse der Verkehrsvorschriften oder der sicheren Führung eines Fahrzeuges begründen. Ziff. 2.1.4 der Richtlinien erklärt die gleichen Grundsätze für anwendbar, wenn gegenüber Inhabern ausländischer Führerausweise eine neue Führerprüfung angeordnet werden soll.
Demnach darf nach
Art. 44 Abs. 3 VZV
eine neue Führerprüfung nur dann angeordnet werden, wenn sie auch nach
Art. 14 Abs. 3 SVG
vom Inhaber eines schweizerischen Führerausweises verlangt werden dürfte. Vorausgesetzt ist in beiden Fällen, dass die neue Führerprüfung im Interesse der Verkehrssicherheit notwendig ist; sie darf insbesondere keine Strafe sein (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 9. Januar 1989 i.S. R., E. 3b).
c) Der Beschwerdeführer wurde bestraft, weil er in einer unübersichtlichen Kurve einen Lastenzug überholt hatte. Damit hatte der Beschwerdeführer eine verkehrsgefährdende Verletzung von Verkehrsvorschriften begangen. Indessen begründet nicht jede verkehrsgefährdende Verletzung von Verkehrsregeln Zweifel daran, ob der Fahrzeugführer die Verkehrsregeln kennt und richtig anwenden kann oder ob er sein Fahrzeug fachgerecht zu bedienen versteht. Eine neue Führerprüfung rechtfertigt sich vielmehr erst dann, wenn - neben der verkehrsgefährdenden Verletzung von Verkehrsvorschriften - die Zweifel an den Fähigkeiten des Fahrzeugführers besonders begründet werden können und darüber hinaus die Verkehrssicherheit ohne neue Führerprüfung nicht mehr gewährleistet wäre.
BGE 116 Ib 155 S. 159
Um seinen deutschen Führerausweis zu erwerben, musste der Beschwerdeführer ebenso hohe Anforderungen erfüllen, wie sie an einer schweizerischen Führerprüfung gestellt werden. Er führte mit seinem ausländischen Führerausweis rund drei Jahre lang in der Schweiz offenbar anstandslos ein Motorfahrzeug. Der ihm vorgeworfene Verkehrsunfall vermag deshalb für sich allein genommen keine so erheblichen Zweifel an seiner Kenntnis der Verkehrsregeln und seinen Fähigkeiten als Fahrzeugführer zu begründen, dass eine neue Führerprüfung angeordnet werden müsste. Ausserdem liegt die von ihm begangene Verkehrsregelverletzung heute zweieinhalb Jahre zurück. Nach so langer Zeit seit der verkehrsgefährdenden Tat liegt eine neue Führerprüfung nicht mehr im Interesse der Verkehrssicherheit. Der ausländische Führerausweis des Beschwerdeführers ist deshalb in einen schweizerischen umzutauschen, ohne dass eine neue Führerprüfung angeordnet wird. Damit braucht nicht geprüft zu werden, ob der angefochtene Entscheid die Bundesverfassung verletzt. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
4a4f283a-e413-4ee2-bbc3-baac63d9f870 | Urteilskopf
97 I 97
17. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1971 i.S. X. gegen Y. und Rekursrichter für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantonsgerichts St. Gallen | Regeste
Art. 4 BV
, Fristenlauf.
Berechnung der Berufungsfrist nach
Art. 185 SchKG
, wenn der anfechtbare Entscheid dem Inhaber eines Postfachs zugestellt und die Eingangsanzeige an einem Samstag in das Postfach gelegt wird (Bestätigung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 97
BGE 97 I 97 S. 97
X., der von Y. gemäss
Art. 177 ff. SchKG
für eine Wechselsumme von Fr. 48'860.-- nebst Zins betrieben worden war, erhob gegen den Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag mit der Begründung, die Schuld sei getilgt. Das Bezirksgerichtspräsidium See, Rapperswil SG, lehnte die Bewilligung des Rechtsvorschlags mit Entscheid vom 5. November 1970 ab. Dieses Urteil wurde am Freitag, den 13. November 1970, 12.00 Uhr, in Eschenbach der Post übergeben. Da X. in Rapperswil über ein Postfach verfügt, wurde ihm die Sendung am Samstag, den 14. November 1970, 08.00 Uhr, mit einer Abholungseinladung im Fach angezeigt. X. holte sie sie indessen erst am Dienstag, den 17. November 1970 ab.
BGE 97 I 97 S. 98
Mit Eingabe vom 23. November 1970 erhob X. gestützt auf
Art. 185 SchKG
Berufung beim Rekursrichter des Kantonsgerichts St. Gallen. Dieser trat indessen am 17. Dezember 1970 auf das Rechtsmittel nicht ein mit der Begründung, die Berufung sei verspätet, zumal der angefochtene Entscheid dem Schuldner am 14. November 1970 gültig zugestellt worden sei.
X. führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
mit dem Antrag, der Entscheid des Rekursrichters vom 17. Dezember 1970 sei aufzuheben.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Gegen den Entscheid über die Bewilligung des Rechtsvorschlags in der Wechselbetreibung kann innerhalb fünf Tagen nach dessen Mitteilung bei der oberen kantonalen Gerichtsinstanz Berufung eingelegt werden (
Art. 185 SchKG
). Unter der Mitteilung bzw. Zustellung im Sinne dieser Bestimmung ist grundsätzlich die tatsächliche Aushändigung der den Entscheid enthaltenden Sendung an den Adressaten oder an eine andere zur Entgegennahme berechtigte Person zu verstehen (vgl.
BGE 83 III 95
). Ist bei der Zustellung von eingeschriebenen Sendungen kein Bezugsberechtigter anzutreffen, so wird der Zustellversuch auf der Sendung vermerkt und eine Abholungseinladung mit Fristangabe hinterlassen (Art. 157 der Vollziehungsverordnung I zum Postverkehrsgesetz (PVG) vom 1. September 1957, AS 1957, S. 1457). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt eine eingeschriebene Sendung in diesem Fall grundsätzlich erst dann als zugestellt, wenn sie innert Frist tatsächlich abgeholt wird (
BGE 83 III 96
mit Verweisungen). Verfügt der Adressat jedoch über ein Postfach, so gilt sie an dem Tag als zugestellt, an dem die Eingangsanzeige ins Fach gelegt wird, vorausgesetzt, dass dies vor Schalterschluss geschieht und die Sendung noch am gleichen Tag abgeholt werden könnte (
BGE 92 I 19
mit Hinweisen auf frühere Urteile). Massgeblich sind in diesem Zusammenhang die ordentlichen Öffnungszeiten, die zur Bedienung geschäftlicher Unternehmungen vorgesehen sind; ausserordentliche Öffnungszeiten, durch welche nachts oder an Feiertagen die Abholung dringlicher Sendungen ermöglicht wird, fallen ausser Betracht (
BGE 92 I 19
). Die allgemeine Öffnung der Postschalter am Samstagvormittag gilt als ordentliche Öffnungszeit (
BGE 92 I 20
oben).
BGE 97 I 97 S. 99
Im vorliegenden Fall ist die fragliche Sendung dem Beschwerdeführer am 14. November 1970 um 08.00 Uhr im Postfach angezeigt worden. Sie hätte während der ordentlichen Schalteröffnungszeit (07.30 - 11.00 Uhr) abgeholt werden können und hat somit nach der bisherigen Rechtsprechung als am 14. November 1970 gültig zugestellt zu gelten, zumal der Beschwerdeführer vor Bundesgericht nicht behauptet, die Fachzustellung sei als solche unzulässig gewesen.
Der Beschwerdeführer anerkennt, dass der angefochtene Entscheid der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entspricht. Er macht jedoch geltend, diese Praxis sei ungerecht, da die meisten Postfächer mit Rücksicht auf die Fünftagewoche an Samstagen nicht mehr geleert würden. Er regt an, die Rechtsprechung dahin zu ändern, dass eine Eingangsanzeige, die dem Postkunden am Samstag ins Fach gelegt werde, keine gültige Zustellung darstelle und dass sie demzufolge für einen allfälligen Fristenlauf unbeachtlich sei.
Das Bundesgericht hat sich bereits im Falle
BGE 92 I 20
/21 eingehend mit ähnlichen Einwendungen auseinandergesetzt und im wesentlichen folgendes ausgeführt: Richtig sei, dass eingeschriebene Sendungen einer Unternehmung, deren Betrieb am Samstag geschlossen sei und die über kein Postfach verfüge, erst am Montag zugestellt werden könnten. Daraus ergebe sich zwar in bezug auf einen allfälligen Fristenlauf eine Besserstellung gegenüber dem Postfachinhaber. Die Behebung dieser Ungleichheit obliege indessen dem Gesetzgeber, der zu diesem Zweck eine Ordnung aufstellen müsste, wonach der Samstag nicht nur hinsichtlich des Ablaufs, sondern auch in bezug auf den Beginn einer Frist wie ein Feiertag zu behandeln wäre (vgl. das BG über den Fristenlauf an Samstagen, AS 1963, S. 819).
An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Postfachinhaber geniesst gegenüber dem gewöhnlichen Postkunden gewisse Vorteile: die Zustellung erfolgt rasch, da keine Botengänge notwendig sind; weiter wird dem Kunden ermöglicht, mehrmals täglich (auch ausserhalb der Schalteröffnungszeiten) Sendungen in Empfang zu nehmen. Mit der Miete eines Postfachs gibt er jedoch seine Absicht bekannt, die für ihn bestimmten Sendungen zu dem ihm genehmen Zeitpunkt abholen zu wollen. Wer über ein Postfach verfügt, anerkennt somit, dass ihm die für die Fachbedienung bestimmten Sendungen grundsätzlich
BGE 97 I 97 S. 100
jederzeit gültig durch Einlage ins Postfach zugestellt werden können; die Einlage tritt daher gleichsam an Stelle der Zustellung durch tatsächliche Aushändigung bzw. Einwurf in den Briefkasten. Wie aus der soeben dargestellten Rechtsprechung hervorgeht, rechtfertigt es sich zwar, diesen Grundsatz abzuschwächen, wenn die Zustellung eingeschriebener Sendungen in Frage steht. Die vom Bundesgericht aufgestellten Bedingungen bieten jedoch hinreichende Gewähr dafür, dass die legitimen Interessen des Postfachinhabers auch in diesem Fall gewahrt bleiben. Dies gilt auch für Fachzustellungen, die am Samstag erfolgen. Das Bundesgericht anerkennt, dass sich daraus für Geschäftsinhaber bzw. Unternehmungen mit Fünftagewoche gewisse Unannehmlichkeiten ergeben können. Wie bereits in
BGE 92 I 21
ausgeführt wurde, können diese indessen nicht auf dem Wege der Rechtsprechung, sondern allein vom Gesetzgeber behoben werden, sofern dieser zur Überzeugung gelangen sollte, die gegenwärtige Ordnung sei nicht mehr zeitgemäss.
Im vorliegenden Fall besteht für ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung übrigens umso weniger Anlass, als der Beschwerdeführer nicht behauptet, die am Samstag erfolgte Zustellung des anfechtbaren Entscheids habe es ihm verunmöglicht, rechtzeitig die Berufung zu erklären.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4a560b3a-c109-4147-b6f7-596025cbffc5 | Urteilskopf
121 III 31
10. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 12. Januar 1995 i.S. S. (Rekurs) | Regeste
Arrestierung einer Freizügigkeitsleistung; Anforderungen an das Auszahlungsbegehren (
Art. 275 SchKG
,
Art. 92 Ziff. 13 SchKG
;
Art. 11 OR
).
Stellt ein Arbeitnehmer, der die Schweiz endgültig verlässt, ein ausdrückliches Begehren um Auszahlung seiner Freizügigkeitsleistung, wird sein Guthaben fällig und kann in der Folge gepfändet und mit Arrest belegt werden (E. 2b u. c).
Das Auszahlungsbegehren unterliegt keinen gesetzlichen Formvorschriften, so dass auch eine telefonische Erklärung die Fälligkeit des Freizügigkeitsguthabens bewirkt (E. 2d). | Sachverhalt
ab Seite 32
BGE 121 III 31 S. 32
A.-
Nachdem S. Ende November 1989 aus dem Dienst der Stadt Zürich ausgetreten und definitiv nach Spanien zurückgekehrt war, ersuchte er die Versicherungskasse der Stadt Zürich am 14. Mai 1990 telefonisch um Barauszahlung seines Freizügigkeitsanspruchs.
B.-
Am 6. März 1992 erwirkte X. bei der Einzelrichterin im summarischen Verfahren am Bezirksgericht Zürich gegen S. einen Arrestbefehl. Als Arrestgegenstand wurde dessen Guthaben bei der Versicherungskasse der Stadt Zürich bezeichnet. Das Betreibungsamt Zürich 4 vollzog den Arrest am 9. März 1992 bei der Versicherungskasse der Stadt Zürich und teilte ihr mit, dass die Ansprüche von S. ihr gegenüber bis zum Betrag von Fr. -.-- mit Beschlag belegt seien und dass die Forderung, sofern und soweit sie zur Zahlung fällig sei, dem Betreibungsamt Zürich 4 zu zahlen sei. In der Folge teilte die Versicherungskasse der Stadt Zürich dem Betreibungsamt Zürich 4 mit, dass die arrestierten Freizügigkeitsansprüche nicht fällig seien. Gemäss
Art. 92 Ziff. 13 SchKG
seien sie nicht pfändbar und demzufolge laut
Art. 275 SchKG
auch nicht verarrestierbar. Mit Schreiben an die Versicherungskasse der Stadt Zürich vom 18. März 1992 erklärte das Betreibungsamt Zürich 4, am Arrestvollzug festhalten zu wollen.
BGE 121 III 31 S. 33
C.-
Nachdem die Arresturkunde am 1. April 1992 versandt worden war, erhob die Versicherungskasse der Stadt Zürich beim Bezirksgericht Zürich Beschwerde gegen den Arrestvollzug. Dieses wies die Beschwerde mit Beschluss vom 20. Januar 1993 ab. Der dagegen erhobene Rekurs wurde vom Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 3. November 1994 abgewiesen. Im gleichen Sinn entschied die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Rekurrentin macht geltend, dass die Freizügigkeitsleistung des Versicherten zu Unrecht mit Arrest belegt worden sei. Beim Arrestgegenstand handle es sich um einen Anspruch des Arrestschuldners auf Vorsorgeleistungen, der gemäss
Art. 92 Ziff. 13 SchKG
vor der Fälligkeit unpfändbar sei. Die Barauszahlung eines Vorsorgeguthabens an einen Arbeitnehmer, der die Schweiz definitiv verlassen habe, setze ein ausdrückliches Begehren voraus, an welches hohe Anforderungen zu stellen seien. Ein Telefonanruf des Versicherten aus dem Ausland genüge diesen strengen Anforderungen nicht und entfalte demnach keine Rechtswirkungen. Daraus folge, dass der Vorsorgeanspruch nicht fällig geworden sei und deshalb weder gepfändet noch mit Arrest belegt werden könne.
a) Die kantonale Aufsichtsbehörde hat für das Bundesgericht verbindlich festgehalten (
Art. 81 OG
in Verbindung mit
Art. 63 Abs. 2 OG
), dass der Versicherte die Schweiz endgültig verlassen und am 14. Mai 1990 telefonisch um die Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung nachgesucht hat. Ein schriftliches Auszahlungsbegehren liegt nicht vor.
b) Gemäss
Art. 275 SchKG
wird der Arrest nach den in
Art. 91-109 SchKG
für die Pfändung aufgestellten Vorschriften vollzogen. Nach
Art. 92 Ziff. 13 SchKG
sind Ansprüche auf Vorsorgeleistungen gegen eine Personalvorsorgeeinrichtung vor Fälligkeit unpfändbar. Stellt ein Versicherter, der die Schweiz endgültig verlässt, das Begehren um Barauszahlung seines Vorsorgeguthabens (Art. 331c Abs. 4 lit. b Ziff. 1 OR,
Art. 30 Abs. 2 lit. a BVG
[SR 831.40], Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 der Verordnung über die Erhaltung des Vorsorgeschutzes und die Freizügigkeit [SR 831.425] vgl. auch Art. 5 Abs. 1 lit. a des am 1. Januar 1995 in Kraft getretenen Freizügigkeitsgesetz [AS 1994, 2386]), wird die Freizügigkeitsleistung fällig und kann in der Folge gepfändet und mit Arrest belegt werden (
BGE 120 III 75
E. 1a).
BGE 121 III 31 S. 34
c) Die Rekurrentin ist der Auffassung, dass angesichts des Grundsatzes der Erhaltung des Vorsorgezwecks und des Ausnahmecharakters der Barauszahlung an das diesbezügliche Begehren erhöhte Anforderungen zu stellen seien. Ein aus dem Ausland telefonisch gestelltes Ersuchen um Barauszahlung genüge den strengen Voraussetzungen nicht. Gemäss
BGE 119 III 18
ist die Freizügigkeitsleistung eines Arbeitnehmers unpfändbar und nicht verarrestierbar, solange nicht ein ausdrückliches Begehren auf Barauszahlung gestellt worden ist. Die Fälligkeit des Vorsorgeguthabens wird demnach nicht bereits durch den Umstand herbeigeführt, dass ein Versicherter die Schweiz definitiv verlässt, sondern es bedarf zusätzlich einer ausdrücklichen Erklärung. Als ausdrücklich gilt eine Erklärung durch Worte, soweit der erklärte Wille aus den verwendeten Worten unmittelbar hervorgeht (GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 5. Aufl. 1991, N. 188). Der Arrestschuldner hat am 14. Mai 1990 telefonisch die Barauszahlung seines Freizügigkeitsguthabens verlangt. Es ist demnach davon auszugehen, dass eine ausdrückliche Erklärung abgegeben worden ist.
Soweit sich die Rekurrentin darauf beruft, dass an die ausdrückliche Erklärung erhöhte Anforderungen zu stellen seien, macht sie sinngemäss geltend, dass für die Rechtswirksamkeit des Auszahlungsbegehrens die Schriftform erforderlich sei. Nach dem Grundsatz der Formfreiheit bedürfen Verträge zu ihrer Gültigkeit indessen nur dann einer besonderen Form, wenn dies vom Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben wird (
Art. 11 Abs. 1 OR
). Was im OR über die Form der Verträge bestimmt wird, ist analog auf einseitige Rechtsgeschäfte anzuwenden (VON TUHR/PETER, Das Schweizerische Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 1974, S. 234, Fn. 4). Die einschlägigen Gesetzesbestimmungen (
Art. 331c Abs. 4 lit. b OR
,
Art. 30 Abs. 2 BVG
, Art. 7 Abs. 2 lit. b der Verordnung über die Erhaltung des Vorsorgeschutzes und Freizügigkeit) setzen keine Schriftform für das Barauszahlungsbegehren voraus. Gemäss der verbindlichen Feststellung der kantonalen Aufsichtsbehörden sieht auch Art. 28 Abs. 5 der Statuten der Versicherungskasse für die Arbeitnehmer der Stadt Zürich vom 24. Oktober 1994 keine Schriftform vor. Da dem klaren Wortlaut der genannten Bestimmungen kein Erfordernis der Schriftform entnommen werden kann, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den Hinweisen der Rekurrentin auf die Materialien und die Literatur. Der klare Gesetzeswortlaut lässt keinen Raum für eine Auslegung (117 III 44 E. 1).
BGE 121 III 31 S. 35
3.
Nachdem der Arrestschuldner die Schweiz definitiv verlassen und am 14. Mai 1990 telefonisch ausdrücklich den Bezug der Freizügigkeitsleistung verlangt hat, ist der Barauszahlungstatbestand gemäss Art. 331c Abs. 4 lit. b Ziff. 1 OR,
Art. 30 Abs. 2 lit. a BVG
sowie Art. 7 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 der Verordnung über die Erhaltung des Vorsorgeschutzes und die Freizügigkeit erfüllt. Die Vorinstanz hat nach dem Gesagten zutreffend erkannt, dass das Begehren um Barauszahlung nicht an die Schriftform gebunden ist, sondern auch formfrei erfolgen kann. Ist jedoch Schriftlichkeit nicht erforderlich, entfaltet auch eine formfrei abgegebene Willenserklärung Rechtswirkung (
Art. 11 Abs. 1 OR
). Das Vorsorgeguthaben konnte deshalb mit Arrest belegt werden. | null | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4a56f8ee-b57a-4e8d-a6de-3138641b38af | Urteilskopf
95 II 255
33. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Mai 1969 i.S. Deutsche Bundesbahn gegen Furer. | Regeste
Eisenbahnhaftpflicht.
1. Voraussetzungen, unter denen ein Verschulden Dritter die Bahnunternehmung nach
Art. 1 EHG
von ihrer Haftpflicht befreit. Mangelhafte Beaufsichtigung des verunfallten Kleinkindes durch seine Eltern? (Erw. 4).
2. Dem Richter ist nicht gestattet, den rechtzeitig eingeklagten Anspruch auf Entschädigung für künftige Erwerbseinbusse (
Art. 3 EHG
) wegen der Schwierigkeiten der Abschätzung dieses Schadens zur Zeit abzuweisen und den Kläger auf eine neue Klage zu verweisen, sondern er hat den Anspruch festzusetzen, allenfalls unter Vorbehalt der Abänderung des Urteils nach
Art. 10 EHG
(Erw. 6).
3. Bei der Abschätzung der künftigen Erwerbseinbusse eines verunfallten Kindes darf nicht kurzerhand auf die medizinisch-theoretische Wertung des Invaliditätsgrades abgestellt werden. Vielmehr sind alle Umstände (insbesondere auch die beruflichen Aussichten des Kindes) zu berücksichtigen (Erw. 7).
4. Die Frist von zwei Jahren seit der Eröffnung des Urteils, die
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 EHG
für Begehren auf Abänderung des Urteils im Sinne von
Art. 10 EHG
festsetzt, ist entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht eine Verjährungsfrist, sondern wie die Fristen von
Art. 36 Abs. 3 ElG
und
Art. 46 Abs. 2 OR
eine Verwirkungsfrist (Erw. 9, 10).
Verfahren. Bundesrechtlicher Anspruch auf materielle Prüfung prozessual ordnungsgemäss aufgestellter Rechtsbehauptungen (Erw. 8). | Sachverhalt
ab Seite 257
BGE 95 II 255 S. 257
Aus dem Tatbestand:
A.-
Bei der Station Wilchingen-Hallau der Deutschen Bundesbahn, die auf dem Gebiet des Kantons Schaffhausen liegt, kreuzt die Strasse Wilchingen-Hallau auf einem mit Schranken gesicherten Niveauübergang die zwei Geleise der Eisenbahn. Am 12. Oktober 1964 wurden dort gegen 17 Uhr bei geschlossenen Schranken Güterwagen verschoben. Die Geschwister Silvia und Andreas Furer, geb. 6. Januar 1960 bezw. 27. September 1961, deren Eltern ungefähr 30 m vom Bahnübergang entfernt wohnten, krochen unter der Abschrankung durch, um die Geleise zu überqueren. Das Mädchen kam knapp vor einer heranrollenden Wagengruppe durch. Der Knabe wurde dagegen von einem Güterwagen erfasst und so schwer verletzt, dass ihm der rechte Vorderarm unterhalb des Ellenbogens abgenommen werden musste.
B.-
Am 28. Oktober 1965 belangte der Verunfallte die Deutsche Bundesbahn beim Kantonsgericht Schaffhausen auf Schadenersatz und Genugtuung. Im Laufe des Verfahrens bezifferte er seine Forderung auf insgesamt Fr. 215 570.55 (Arzt- und Spitalkosten Fr. 1140.55, Prothesenkosten Fr. 41 890.--, Nachteile der teilweisen Arbeitsunfähigkeit Fr. 162 540.--, Genugtuung Fr. 10 000.--). Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.
Mit Urteil vom 23. Mai 1967 verpflichtete das Kantonsgericht die Beklagte, dem Kläger Fr. 199 774.55 nebst 5% Zins seit 12. Oktober 1964 zu zahlen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Fr. 1140.55 Arzt- und Spitalkosten, Fr. 41 890.-- Prothesenkosten und Fr. 156 744.-- Entschädigung für die Nachteile der teilweisen Arbeitsunfähigkeit. Die zuletzt genannte
BGE 95 II 255 S. 258
Summe ist der nach STAUFER/SCHAETZLE, Barwerttafeln, 2. Aufl., Tafel 3 im Zeitpunkt des Unfalls bestehende Barwert einer vom vollendeten 20. Altersjahr des Klägers an laufenden Rente von jährlich Fr. 12 600.--, die das Kantonsgericht dem Kläger auf Grund der Annahme zubilligte, er sei zu 70% invalid und hätte ohne diese Invalidität vom erwähnten Alter an jährlich Fr. 18 000.-- verdient. Die Genugtuungsforderung des Klägers wurde abgewiesen.
C.-
Die Beklagte appellierte gegen dieses Urteil an das Obergericht des Kantons Schaffhausen. Sie beantragte dem Sinne nach, die Klage sei abzuweisen; eventuell sei für die Nachteile der teilweisen Arbeitsunfähigkeit nicht eine Kapitalentschädigung, sondern eine Rente zu sprechen, deren erste Rate frühestens beim Eintritt des Klägers ins Erwerbsleben fällig werde. In ihrem Vortrag vor Obergericht bestritt sie ihre Haftung wie vor Kantonsgericht mit der Begründung, der Unfall sei durch das Verschulden Dritter, nämlich durch mangelhafte Beaufsichtigung des Klägers durch seine Eltern (namentlich durch seine Mutter) verursacht worden. Für den Fall der grundsätzlichen Gutheissung der Klage machte sie geltend, die Prothesenkosten seien nicht zu kapitalisieren, sondern von Fall zu Fall zu zahlen, und die Frage der Entschädigung für Erwerbsausfall müsse heute offen bleiben; erst bei Eintritt des Klägers ins Erwerbsleben sei zu untersuchen, wieweit das Fehlen des rechten Vorderarmes einer vollen Erwerbstätigkeit des Klägers hinderlich sei.
Das Obergericht erkannte am 14. Juni 1968:
"1. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger für Arzt- und Spitalkosten mit Fr. 1'140.55 nebst Zins zu 5 % seit 12. Oktober 1964 zu entschädigen.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger sämtliche Kosten zu ersetzen, die ihm entstanden sind und noch entstehen werden im Zusammenhang mit Anschaffung, Anpassung und Reparatur der erforderlichen und fachärztlich verordneten Armprothesen.
3. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger von dessen 20. Altersjahr an bis zum vollendeten 65. Altersjahr eine Entschädigungsrente von Fr. 12'600.-- pro Jahr in monatlich vorauszahlbaren Raten auszurichten.
Diese Rente wird zugesprochen unter der Einräumung eines Rektifikationsvorbehaltes im Sinne von
Art. 10 EHG
für den Fall, dass die heutige Schätzung des Verdienstausfalles sich in der Folge, spätestens beim Eintritt des Klägers ins Erwerbsleben, als unrichtig erweisen sollte."
BGE 95 II 255 S. 259
D.-
Gegen das Urteil des Obergerichts hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie verlangt der Sache nach in erster Linie die Abweisung der Klage und stellt für den Fall, dass ihre Haftung grundsätzlich bejaht werden sollte, den Antrag, es sei festzustellen, dass die künftige Erwerbseinbusse nicht dem medizinischen Invaliditätsgrad von 70% entspreche; "Ziff. 3 des Dispositivs des angefochtenen Urteils sei daher aufzuheben, soweit darin die Beklagte zur Zahlung einer jetzt schon bezifferten Jahresrente verurteilt wird".
Der Kläger beantragt die Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht hebt Dispositiv Ziff. 3 des angefochtenen Urteils auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Im übrigen weist es die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Gemäss
Art. 1 EHG
haftet der Inhaber der Eisenbahnunternehmung, wenn beim Betrieb der Eisenbahn ein Mensch getötet oder verletzt wird, für den daraus entstandenen Schaden, sofern er nicht beweist, dass der Unfall durch höhere Gewalt, durch Verschulden Dritter oder durch Verschulden des Getöteten oder Verletzten verursacht ist. Höhere Gewalt scheidet im vorliegenden Falle als Unfallursache von vornherein aus; ebenso ein Selbstverschulden des Klägers, weil dieser als dreijähriges Kind noch nicht fähig war, die Folgen seines unvorsichtigen Verhaltens zu erkennen. Die Beklagte beruft sich denn auch nur auf den Entlastungsgrund des Drittverschuldens.
a) Nach Rechtsprechung und Lehre schliessen ein Selbst- oder ein Drittverschulden die Haftung der Bahnunternehmung nur dann aus, wenn sie so schwer sind und das Unfallgeschehen so intensiv beeinflusst haben, dass daneben die Betriebsgefahr der Bahn als adäquate Ursache des Unfalls nicht mehr in Betracht kommt (
BGE 72 II 203
/04,
BGE 81 II 163
mit weitern Hinweisen,
BGE 87 II 308
,
BGE 93 II 130
). Bei Kinderunfällen besteht Einigkeit darüber, dass nicht jede Verletzung der durch
Art. 333 Abs. 1 ZGB
dem Familienhaupt auferlegten Pflicht zur Beaufsichtigung unmündiger Hausgenossen ein die Haftpflicht der Bahnunternehmung ausschliessendes Drittverschulden bedeutet (
BGE 72 II 204
,
BGE 81 II 163
). Kinder dürfen in ihrer Bewegungsfreiheit nicht allzusehr gehemmt werden. Von einem gewissen Alter an besteht eine Pflicht zu ihrer ständigen Überwachung
BGE 95 II 255 S. 260
nicht mehr. Das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung richtet sich ausserdem nach den örtlichen, sozialen und persönlichen Verhältnissen (vgl. hiezu OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, 2. A., II/1 S. 268 ff.).
b) Auf Grund der tatsächlichen Feststellungen, die das Obergericht durch Verweisung auf das erstinstanzliche Urteil getroffen hat und die gemäss
Art. 63 Abs. 2 OG
für das Bundesgericht verbindlich sind, kann, wie das Obergericht zutreffend ausführt, nicht angenommen werden, den Eltern des Klägers falle eine so schwere Verletzung ihrer Aufsichtspflicht zur Last und diese Pflichtverletzung habe das Unfallgeschehen so stark beeinflusst, dass die Betriebsgefahr der Bahn daneben nicht mehr als adäquate Ursache des Unfalls gelten könnte. Es steht fest, dass die Mutter des Klägers diesen, wenn er allein war, jeweils in ihrer unmittelbaren Nähe behielt. Er durfte jedoch mit seinem 43/4 jährigen Schwesterchen Silvia, das den Kindergarten besuchte, ausserhalb des Hauses spielen. Am Nachmittag des Unfalltags befand er sich zunächst bei der Mutter in der Küche. Nach 16 Uhr holte diese mit dem Kläger das Mädchen Silvia im Kindergarten ab. Hierauf erlaubte sie den beiden Kindern, zum Mädchen Ruth Fricker zu gehen. Sie selbst begab sich in den Garten. Es ist nun durchaus nichts Aussergewöhnliches, wenn sich Kinder, die noch nicht schulpflichtig sind, aber den Kindergarten besuchen, ohne besondere Aufsicht ausserhalb des elterlichen Hauses aufhalten, sei es, dass sie den Weg zum Kindergarten und zurück allein zurücklegen, sei es, dass sie mit andern Kindern spielen oder für die Mutter in der Nähe kleine Besorgungen machen. Namentlich in ländlichen Verhältnissen und in einfachen Arbeiterfamilien, wo die Mutter den Haushalt und die Kinder besorgen und daneben gegebenenfalls noch Heimarbeit übernehmen muss, wie es für die Mutter des Klägers zutraf, ist das nicht zu beanstanden, sofern die Kinder vor den Gefahren des Verkehrs gewarnt und ihrem Verständnis entsprechend über das richtige Verhalten auf der Strasse belehrt worden sind, und sofern keine Anhaltspunkte für eine ausgesprochene Unfolgsamkeit oder Unvorsichtigkeit vorliegen. Unter diesen Voraussetzungen erscheint es auch nicht als besonders tadelnswert, wenn solchen Kindern jüngere Geschwister, die allein das Haus nicht verlassen dürfen, zu kleinern Gängen oder zum Spielen ausserhalb des Hauses anvertraut werden.
BGE 95 II 255 S. 261
Frau Furer hat ihre Kinder nach den vom Obergericht übernommenen Feststellungen des Kantonsgerichts über die Gefahren des Verkehrs belehrt, wenn sie auf die Strasse gingen. Sie hat ihnen freilich nicht ausdrücklich verboten, die Bahngeleise bei geschlossenen Schranken zu überschreiten. Mit dieser Gefahr hätte sie indessen nur dann ernstlich rechnen müssen, wenn das Mädchen Silvia dazu Anlass gegeben hätte oder wenn z.B. das Bahnpersonal den Eltern entsprechende Beobachtungen mitgeteilt hätte, was nicht geschehen ist. Die Schranken reichten in geschlossenem Zustand bis etwa 25 cm an den Boden heran, und es war nicht zu erwarten, dass ein an den Eisenbahnverkehr gewöhntes Kind - die Familie Fuhrer wohnte nur ca. 30 m vom Niveauübergang entfernt - darunter durchkriechen werde. Auf der Südseite des Bahnübergangs befindet sich freilich eine fest angebrachte Röhrenkonstruktion, die das östliche Ende des Bahnsteigs gegen die Strasse abschliesst. Dort konnte ein Kind leichter durchschlüpfen, weil die untere waagrechte Röhre 55 cm über dem Boden verläuft. Es konnte jedoch nicht abgeklärt werden, auf welchem Wege die beiden Kinder auf die Geleise gelangt waren. Die Beklagte rechnete wohl ebensowenig wie die Eltern des Klägers damit, dass der seitliche Abschluss für kleine Kinder eine Gefahr bedeute. Wären die beiden Geschwister dort durchgeschlüpft, so könnte ihr - ähnlich wie den Schweiz. Bundesbahnen im Falle 81 II 163 E. 2 - der Vorwurf nicht erspart werden, sie habe den Unfall mitverschuldet, indem sie diesen gefährlichen Zustand duldete. Sie hat diese Gefahr übrigens erkannt; denn wenige Tage nach dem Unfall wurde beim erwähnten Abschluss ein engmaschiges Drahtnetz angebracht.
Liegt ein Verschulden der Eltern des Klägers, das den adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Betriebsgefahr der Bahn und dem Unfall zu unterbrechen vermöchte, nicht vor, so haftet die Beklagte dem Kläger für den aus dem Unfall entstandenen Schaden, und zwar hat sie diesen Schaden voll zu ersetzen. Eine allfällige Pflichtverletzung der Eltern könnte nur als Mitursache des Unfalls gewürdigt werden, und ein bloss mitursächliches Drittverschulden ist nicht bloss ungeeignet, die Bahn von ihrer Haftung zu befreien, sondern bildet auch keinen Grund für eine Ermässigung ihrer Ersatzpflicht (
BGE 81 II 165
; OFTINGER a.a.O. I S. 249 Ziff. 7).
5.
Die Höhe der zu ersetzenden Arzt- und Spitalkosten (Disp. 1 des obergerichtlichen Urteils) steht ausser Streit.
BGE 95 II 255 S. 262
Die Bestimmung des Obergerichtsurteils über die Prothesenkosten (Disp. 2) entspricht der Auffassung, welche die Beklagte vor Obergericht für den Fall der Bejahung ihrer Haftpflicht vertreten hat. Der Kläger ficht diese Bestimmung nicht an, obwohl sie ihm den Ersatz der fraglichen Kosten entgegen
Art. 9 EHG
weder in Form einer Kapitalsumme (vgl. hiezu
BGE 89 II 23
/24) noch in Form einer jährlichen Rente noch in Form einer Verbindung von Kapital und Rente zuspricht.
Streitig ist vor Bundesgericht hinsichtlich der Festsetzung des Schadenersatzes nur noch, in welchem Umfang und in welcher Weise der Kläger für Nachteile teilweiser Arbeitsunfähigkeit zu entschädigen sei (Disp. 3 des Obergerichtsurteils).
6.
Die Beklagte macht vor Bundesgericht wie vor Obergericht geltend, die Frage des Ersatzes für Erwerbsausfall müsse vorläufig offen bleiben, weil die Beeinträchtigung des Klägers in seiner Erwerbsfähigkeit heute noch nicht mit genügender Sicherheit abgeschätzt werden könne; diese Frage sei "in jenem Zeitpunkt periodisch zu beantworten, in welchem der Kläger tatsächlich in das Erwerbsleben eintritt".
Diese Auffassung ist schon deshalb abzulehnen, weil die Schadenersatzklagen aus EHG gemäss Art. 14 Abs. 1 dieses Gesetzes innert zwei Jahren vom Tage des Unfalls an verjähren. Wenn somit die Forderung des Klägers auf Entschädigung für die Nachteile teilweiser Arbeitsunfähigkeit zur Zeit abgewiesen würde, könnte er sie allenfalls später wegen der inzwischen eingetretenen Verjährung nicht mehr einklagen (vgl.
BGE 84 II 207
ff.). Es ginge nicht an, den Kläger, der rechtzeitig geklagt hat, auf
Art. 14 Abs. 2 EHG
zu verweisen, wonach die Verjährung nach den Bestimmungen des OR unterbrochen werden kann. Wie aus dem im Bundesrecht verankerten Anspruch auf Rechtsschutz sowie aus allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechts folgt (
BGE 86 II 45
b), ist es dem Richter nicht gestattet, die Abwicklung des Prozesses und die Beurteilung zu verzögern oder die Klage zur Zeit abzuweisen und den Kläger zu veranlassen, sie später nochmals anzubringen. Der Schaden muss vielmehr selbst dann, wenn sein Umfang von künftigen Ereignissen abhängt und daher noch nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann, mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen (
Art. 42 Abs. 2 OR
) abgeschätzt werden (
BGE 86 II 45
b mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 77 II 299
). Können die
BGE 95 II 255 S. 263
Folgen einer Körperverletzung im Zeitpunkte der Urteilsfällung nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, so darf der Richter gemäss
Art. 10 EHG
(oder gegebenenfalls
Art. 46 Abs. 2 OR
,
Art. 36 Abs. 3 ElG
) ausnahmsweise (vgl.
Art. 10 EHG
und OFTINGER, a.a.O. I S. 197) eine Abänderung des Urteils vorbehalten. Er darf jedoch die Klage auch in einem solchen Falle nicht einfach zur Zeit abweisen, sondern hat über den gestellten Anspruch zu befinden und ihn unter dem Vorbehalt der Abänderung festzusetzen (was STARK in ZSR 1967 II 81Fussnote 180 freilich für gewisse Fälle als unpraktisch bezeichnet, ohne jedoch die rechtliche Begründung des Entscheides
BGE 86 II 45
zu widerlegen, während GILLIARD in ZSR 1967 II 238ff., ohne diesen Entscheid zu besprechen, eine Revision des
Art. 46 Abs. 2 OR
vorschlägt). Der vor Erlass von Art. 46 Abs. 2 des geltenden OR ergangene, von OFTINGER (a.a.O. I S 200) gebilligte Entscheid
BGE 24 II 430
(nicht 230) Erw. 4, der dem Gericht erlaubte, zunächst nur den liquiden Teil des eingeklagten Gesamtschadens zu beurteilen und dem Kläger für den noch illiquiden Teil eine spätere Klage vorzubehalten, ist in dieser Beziehung durch
BGE 86 II 44
ff. (besonders S. 48) überholt. Soweit die Beklagte verlangt, Art und Höhe der Entschädigung für Erwerbsausfall seien heute noch nicht festzusetzen, ist die Berufung also unbegründet.
7.
Die Beklagte behauptet ausserdem, die dem Kläger zugesprochene Entschädigung für Nachteile teilweiser Arbeitsunfähigkeit sei zu hoch, weil nicht angenommen werden könne, der Kläger werde wegen des Verlusts des rechten Vorderarms eine Erwerbseinbusse von 70% erleiden; die Erwerbseinbusse entspreche nicht der Invalidität nach Gliedertaxe.
Der vom Kantonsgericht beigezogene Sachverständige, Prof. Dr. M. R. Francillon, Leiter der Orthopädischen Klinik Balgrist in Zürich, nahm in seinem Gutachten vom 8. März 1965 an, mit Rücksicht auf die vielen Möglichkeiten, die dem Kläger als einem geistig gesunden, gut entwickelten und aufgeweckten Knaben trotz seiner Invalidität noch offen stehen, sei es angebracht, bei der Abschätzung der Erwerbseinbusse ohne Berücksichtigung des Berufs auf die sog. medizinisch-theoretischen Wertungen abzustellen, die eine Invalidität von etwa 70% ergäben; die Berufsfrage möge bei einem Kinde dann berücksichtigt werden, wenn es sich z.B. um einen Sohn handle, der den väterlichen Betrieb hätte übernehmen sollen und hiezu wegen
BGE 95 II 255 S. 264
der Amputation nicht mehr imstande sei; ein solcher Fall liege nicht vor.
Diese Auffassung leuchtet nicht ein. Der Sachverständige erklärt selbst, es sei etwas ganz anderes, ob z.B. ein Dachdecker oder ein Bankprokurist eine Verletzung erleide, wie sie dem Kläger widerfuhr. Ausserdem habe ein Kind unter der Voraussetzung der frühzeitigen Versorgung mit einer geeigneten Prothese eine viel grössere Fähigkeit zur Umstellung als der Erwachsene. Diesen Ausführungen hätte es entsprochen, wenn der Sachverständige bei der Abschätzung der künftigen Erwerbseinbusse des Klägers nicht kurzerhand auf die medizinischtheoretischen Wertungen abgestellt, sondern geprüft hätte, welche Berufsarten für den Kläger angesichts seiner körperlichen und geistigen Verfassung am ehesten in Frage kommen und wie sich seine Verstümmelung bei diesen Berufen voraussichtlich auswirken wird.
Abgesehen davon, dass sich die Schlussfolgerung des Sachverständigen mit seinen eigenen Ausführungen nicht wohl verträgt, ist die Auffassung, bei der Abschätzung der künftigen Erwerbseinbusse des Klägers sei einfach auf die medizinischtheoretische Wertung seiner Invalidität abzustellen, aus rechtlichen Gründen abzulehnen.
a) Nach
Art. 3 EHG
gibt eine Körperverletzung dem Geschädigten Anspruch auf Ersatz der Kosten und auf Entschädigung für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit. Überdies kann der Richter bei einer Verstümmelung oder Entstellung, durch welche das Fortkommen des Verletzten erschwert wird, auch dafür eine Entschädigung zusprechen. In Lehre und Rechtsprechung ist man sich darüber einig, dass Körperverletzungen an sich keinen Schaden im Sinne des Gesetzes darstellen. Ersatz ist vielmehr für die wirtschaftlichen Nachteile zu leisten, welche die Verletzung für den Verletzten mit sich bringt (
BGE 91 II 426
).
b) Wenn ein Kind eine Körperverletzung erleidet, die einen bleibenden körperlichen Nachteil zur Folge hat, so ist seine dereinstige Erwerbseinbusse sehr schwierig abzuschätzen. Das soll indessen nicht daran hindern, diese Schätzung unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände vorzunehmen. Dabei darf sich die noch verbleibende Ungewissheit nicht zu Ungunsten des Klägers auswirken. Sie muss vielmehr vom Beklagten, der für das schädigende Ereignis einzustehen hat, in Kauf genommen werden (
BGE 81 II 518
).
BGE 95 II 255 S. 265
c) Das Ausmass der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit darf jedoch nicht ohne weiteres dem Grad der sog. medizinischtheoretischen Invalidität, der in den "Gliedertaxen" zum Ausdruck kommt, gleichgesetzt werden (
BGE 72 II 206
,
BGE 77 II 298
/99), zumal nicht bei einem Kinde. Kinder sind, wie auch der Sachverständige hervorgehoben hat, viel anpassungsfähiger als Erwachsene. Je jünger ein Kind ist, wenn es eine Verstümmelung erleidet, um so leichter wird es sich den Gegebenheiten anpassen und versuchen, die Beeinträchtigung so gut als möglich zu überwinden. Das gilt namentlich für Kinder, die noch die ganze Schul- und Lehrzeit vor sich haben, wie es für den Kläger zutrifft. Die Ausbildung kann entsprechend dem körperlichen Mangel geleitet und der Beruf so gewählt werden, dass der Mangel die Erwerbsfähigkeit möglichst wenig beeinträchtigt (
BGE 71 II 206
/07,
BGE 70 II 140
/41). Sehr förderlich sind dabei die Massnahmen beruflicher Art (Berufsberatung, berufliche Ausbildung usw.) sowie die medizinischen Massnahmen, auf welche die Invaliden nach Art. 8 ff. des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 19. Juni 1959 Anspruch haben.
Aus diesen Gründen sah sich das Bundesgericht wiederholt veranlasst, kantonale Entscheidungen abzuändern, weil sie die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit zu hoch eingeschätzt hatten. In
BGE 72 II 198
ff. wurde z.B. nur eine Verminderung von 25% angenommen, obwohl der damalige Kläger, ein Knabe, dem der rechte Fuss hatte abgenommen werden müssen, nach medizinisch-theoretischer Wertung zu 60% invalid war und die Vorinstanz eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit von 40% angenommen hatte. In
BGE 77 II 296
ff. wurde die Entschädigung für Körperschaden eines erwachsenen Klägers um rund Fr. 9500.-- herabgesetzt mit der Begründung, die medizinisch-theoretische Invalidität habe praktisch nur eine geringe Erwerbseinbusse zur Folge. In
BGE 70 II 140
/41 wurde bemerkt, ein dreijähriges Mädchen werde sich "dans une large mesure" an die Unfallfolgen gewöhnen, was neben andern Gründen zu einer Abänderung des kantonalen Urteils zugunsten des Beklagten führte.
8.
Das Obergericht kam auf Grund ähnlicher Erwägungen zum Schluss, der Entscheid des Kantonsgerichts, das mit dem Sachverständigen eine Erwerbseinbusse von 70% annahm, führe "mit allergrösster Wahrscheinlichkeit zu einer - u.U. massiven - Bereicherung des Klägers". Es fand jedoch mehrheitlich,
BGE 95 II 255 S. 266
diesen Bedenken könne aus prozessualen Gründen nicht unmittelbar - bei der Festsetzung der Entschädigung - Rechnung getragen werden, weil die Beklagte es unterlassen habe, "einen Eventualantrag im Quantitativ" zu stellen und gegen das Gutachten Francillon Einwendungen zu erheben. Daher stehe einzig der Ausweg offen, vom Amtes wegen einen Abänderungsvorbehalt zugunsten beider Parteien im Sinne von
Art. 10 EHG
ins Urteil aufzunehmen...
(Ausführungen darüber, dass die Anträge, welche die Beklagte im kantonalen Verfahren stellte, den Antrag auf Herabsetzung der Entschädigung für die Nachteile teilweiser Erwerbsunfähigkeit in sich schlossen und dass die Beklagte im kantonalen Verfahren darlegte, weshalb die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit in Fällen wie dem vorliegenden nicht einfach der medizinisch-theoretischen Invalidität gleichgesetzt werden dürfe).
Hat die Beklagte mit ihren kantonalen Rechtsbegehren wenigstens implicite auch die Herabsetzung der Erwerbsausfallentschädigung verlangt und Ausführungen gemacht, die zur Begründung dieses Begehrens dienen können, so war die Vorinstanz, nachdem sie die Haftung der Beklagten grundsätzlich bejaht hatte, von Bundesrechts wegen verpflichtet, den erstinstanzlichen Entscheid über die Höhe der Erwerbsausfallentschädigung zu überprüfen. Der kantonale Richter verletzt nämlich Bundesrecht, wenn er sich in einem Prozess über Ansprüche aus dem Bundeszivilrecht mit prozessual ordnungsgemäss aufgestellten Rechtsbehauptungen der Parteien nicht materiell auseinandersetzt (vgl. KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweiz. Recht, S. 60, sowie GULDENER und VOYAME, ZSR 1961 II S. 23 ff., 70).
9.
Wie schon bemerkt, fand die Mehrheit des Obergerichts, der Unsicherheit über das Mass der künftigen Erwerbseinbusse des Klägers könne nur durch einen Abänderungsvorbehalt im Sinne von
Art. 10 EHG
Rechnung getragen werden. Sie vertrat dabei die Meinung, die nach
Art. 14 Abs. 1 EHG
für die Abänderungsbegehren geltende Frist sei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes eine Verjährungsfrist; die Verjährung könne nach den Regeln des OR unterbrochen werden, bis der Kläger ins erwerbsfähige Alter eintrete.
Art. 14 EHG
lautet:
"Die durch dieses Gesetz begründeten Schadenersatzklagen verjähren in zwei Jahren, welche von dem Tage des Unfalles an gerechnet
BGE 95 II 255 S. 267
werden. Dieselbe Verjährungsfrist gilt für die aus Art. 10 sich ergebenden Begehren auf Erhöhung oder Herabsetzung der Schadenersatzsumme; sie läuft vom Tage der Eröffnung des Urteils an.
Für den Stillstand, die Hinderung und die Unterbrechung der Verjährung gelten die Bestimmungen des Obligationenrechtes."
Diese Bestimmung bezeichnet die Frist für Abänderungsbegehren im Sinne von
Art. 10 EHG
in der Tat als Verjährungsfrist. Sie deckt sich in dieser Hinsicht mit Art. 13 des nicht mehr geltenden Bundesgesetzes betr. die Haftpflicht aus Fabrikbetrieb vom 25. Brachmonat 1881 (FHG), der offenbar als Vorbild diente. Die genannte Bezeichnung ist jedoch für die rechtliche Würdigung der in Frage stehenden Frist nicht entscheidend; denn die schweizerischen Gesetze verwenden den Ausdruck Verjährung nicht immer im gleichen Sinne, sondern sprechen oft von Verjährung, wo es sich der Sache nach eindeutig um Verwirkung handelt (vgl.
BGE 65 II 102
ff. und
BGE 76 II 241
f. lit. c, wonach das z.B. für Art. 127 und 137/38 ZGB und für den Randtitel zu
Art. 251 OR
zutrifft; vgl. auch
BGE 86 I 64
/65). Daher ist jeweils unter Berücksichtigung des ganzen Inhalts der betreffenden Bestimmung und des Zusammenhangs, in dem sie steht, sowie ihres Zwecks zu prüfen, ob man es mit einer Verjährungs- oder mit einer Verwirkungsfrist zu tun habe.
Der erste Satz von
Art. 14 Abs. 1 EHG
betrifft die durch dieses Gesetz begründeten "Schadenersatzklagen". Damit sind offensichtlich die Schadenersatzansprüche im Sinne von
Art. 1 ff. EHG
gemeint. Indem
Art. 14 EHG
in Abs. 1 Satz 1 vorsieht, dass die Schadenersatzansprüche aus EHG in zwei Jahren vom Tage des Unfalls an verjähren, und in Abs. 2 für den Stillstand, die Hinderung und die Unterbrechung der Verjährung auf die Bestimmungen des OR verweist, ordnet er unzweifelhaft an, dass die genannten Ansprüche der Verjährung im eigentlichen Sinne dieses Wortes unterliegen.
Die aus
Art. 10 EHG
sich ergebenden Begehren auf Erhöhung oder Herabsetzung der Schadenersatzsumme, von denen der zweite Satz von
Art. 14 Abs. 1 EHG
handelt, haben, wie aus
Art. 10 EHG
hervorgeht, eine Abänderung des Urteils zum Gegenstand. Eine solche kann nur der Richter vornehmen. Die Erhöhungs- oder Herabsetzungsbegehren sind daher beim Gericht anzubringen. Aufeinem andern Weg kann der Anspruch auf Erhöhung oder Herabsetzung der Entschädigung nicht durchgesetzt werden. Bei diesem Anspruch handelt es sich
BGE 95 II 255 S. 268
selbst dann, wenn er auf eine Erhöhung der Entschädigung gerichtet ist, im Unterschied zu den in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 behandelten Schadenersatzansprüchen nicht um eine Forderung, sondern der Anspruch geht auf eine richterliche Anordnung, die eine zusätzliche Forderung erst entstehen oder eine unter dem Vorbehalt der Abänderung festgesetzte Forderung teilweise wegfallen lässt. Eine solche Anordnung des Richters kann, wie aus
Art. 10 EHG
zu schliessen ist, nur einmal verlangt werden. Das folgt schon daraus, dass ein Abänderungsvorbehalt nur ausnahmsweise ins Urteil aufgenommen werden soll und dass
Art. 10 Abs. 1 EHG
von der Abänderung des Urteils in der Einzahl spricht ("die Abänderung des Urteils vorbehalten", "réserver une revision ultérieure du jugement", "riservare nella sentenza un aumento dell'indennità"). Das Gesetz ist unverkennbar bestrebt, die für beide Parteien nachteilige Ungewissheit über die Schadenersatzfolgen des Unfalles nicht zu lange dauern zu lassen (vgl.
BGE 84 II 210
mit Hinweisen). Die Entstehungsgeschichte von
Art. 14 EHG
(Art. 11 des bundesrätlichen Entwurfs vom 1. März 1901, BBl 1901 I 690ff.) bestätigt das. Der von Müri in der nationalrätlichen Kommission gestellte und von Zürcher im Rate selbst wiederaufgenommene Antrag, die Bestimmung über die Verjährung der Abänderungsbegehren zu streichen, wurde nämlich von der Kommissionsmehrheit und vom Rate abgelehnt, weil im Interesse der Rechtssicherheit und mit Rücksicht auf die ökonomischen Folgen für beide Teile nach zwei Jahren am Urteil nicht mehr gerüttelt werden dürfe (vgl. die Wiedergabe des Standpunktes der Kommissionsmehrheit im Votum von Müri, Sten.Bull. 1902 S. 433, sowie die gegen den Antrag Müri/Zürcher gerichteten Voten von Bühlmann und Müller, a.a.O. S. 434). Im Ständerat führte der Berichterstatter Richard zur Begründung der Bestimmung über die Verjährung der Abänderungsbegehren u.a. aus, man dürfe die Tür zu einer Abänderung des frühern Urteils nicht während unbestimmter Zeit offen lassen; es liege im öffentlichen Interesse, dass die Prozesse ohne zu starke Verzögerung endgültig abgeschlossen werden und dass "les responsabilités ne demeurent pas indéfiniment suspendues sur la tête des intéressés" (Sten. Bull. 1904 S. 98). Das zeigt, dass dem Gesetzgeber trotz der Verwendung des Ausdrucks "Verjährung" im Grunde genommen eine Klagebefristung vorschwebte.
BGE 95 II 255 S. 269
Schon aus diesen Gründen ist anzunehmen, dass
Art. 14 Abs. 1 EHG
für die Abänderungsbegehren im Sinne von
Art. 10 EHG
nicht eine Verjährung im Sinne des OR vorsieht, die wiederholt unterbrochen werden könnte, sondern dass das Gesetz für solche Begehren in Wirklichkeit eine Verwirkungsfrist aufstellt, was bedeutet, dass das Recht, eine Abänderung des Urteils zu verlangen, endgültig erlischt, wenn es nicht innert der festgesetzten Frist durch Einreichung einer Klage ausgeübt wird, und dass das einmal ausgeübte Klagerecht nicht später, nach Ablauf der gesetzlichen Frist, noch ein zweites Mal ausgeübt werden kann. Das Gesetz erlaubt dem Richter nicht, im Entscheid über ein Abänderungsbegehren wiederum die Abänderung vorzubehalten.
lo.-Bei der Auslegung von
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 EHG
sind im übrigen auch die sonstigen Bestimmungen des Bundesrechts über die Fristen für Begehren auf Erhöhung oder Herabsetzung des Schadenersatzes heranzuziehen. Das EHG ist zwar ein selbständiges Gesetz, das in seinem Anwendungsbereich den andern Sondergesetzen über die Haftpflicht und dem OR grundsätzlich vorgeht. Das gilt wenigstens insoweit, als es eine bestimmte Frage klar regelt (vgl.
BGE 84 II 210
). Wo es dagegen eine von vornherein nur einer Deutung fähige Regelung vermissen lässt, wie es nach dem Gesagten mit Bezug auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 zutrifft, ist es angezeigt, bei der Auslegung die entsprechenden Vorschriften anderer Gesetze sowie die Rechtsprechung und Lehre dazu mitzuberücksichtigen, um sachlich nicht gerechtfertigte Widerspüche mit der Regelung der gleichen Frage in andern Gesetzen tunlichst zu vermeiden.
a)
Art. 13 FHG
bestimmte, die in Art. 12 für die Schadenersatzansprüche aus FHG festgesetzte "Verjährungsfrist" von einem Jahr finde "auch auf die in Art. 8 vorgesehenen Fälle für Rektifizierung der Urteilssprüche Anwendung". In BGE 19 S. 422/23 Erw. 4, wo darüber zu entscheiden war, ob die Frist des
Art. 12 FHG
nach den Bestimmungen des OR über die Verjährung unterbrochen werden könne, führte das Bundesgericht aus: "Auch wenn die Frist des Art. 13 cit. nur durch Klageerhebung unterbrochen werden kann, so beweist dies doch nichts für die Unterbrechung der in Art. 12 normierten Verjährung. Denn in den Fällen des Art. 13 handelt es sich eben speziell um Rektifikation eines Urteils, welche nur durch den Richter geschehen kann, nicht um die Geltendmachung
BGE 95 II 255 S. 270
der ursprünglichen Schadenersatzforderung". Unter Hinweis auf dieses Urteil, das den Unterschied zwischen den Fristen der
Art. 12 und 13 FHG
deutlich hervorhebt, vertrat V. E. SCHERER (Die Haftpflicht des Unternehmers, 2. A. 1908, S. 201) die Auffassung, die Frist des
Art. 13 FHG
sei eine Ausschlussfrist, auf welche die Vorschriften des OR über die Verjährung nicht anwendbar seien. In
BGE 32 II 627
Erw. 3, wo diese Frage nicht zu entscheiden war, erklärte das Bundesgericht unter Anführung von
BGE 29 II 422
(richtig: 19 S. 422), es sei "zum mindesten sehr zweifelhaft", ob eine Verlängerung der Frist des Art. 13 durch Unterbrechung möglich sei, d.h. "ob man es mit einer Verjährungs- oder nicht vielmehr mit einer Verwirkungsfrist zu tun hat".
b) Das ElG vom 24. Juni 1902 erlaubt dem Richter im ersten Satze von Art. 36 Abs. 3, im Urteil ausnahmsweise eine spätere Berichtigung vorzubehalten, und bestimmt im darauf folgenden Satze: "Ein bezügliches Begehren muss längstens innert Jahresfrist nach Ausfällung des Urteils gestellt werden". Damit wird klarerweise eine Verwirkungsfrist aufgestellt.
c)
Art. 46 Abs. 2 OR
, wonach der Richter "bis auf zwei Jahre, vom Tage des Urteils an gerechnet, dessen Abänderung vorbehalten" kann, stellt für die Abänderungsbegehren ebenfalls eine Verwirkungsfrist auf, die nur durch Klage gewahrt werden kann (vgl.
BGE 86 II 46
/47,
BGE 55 II 322
/23; vgl. ferner BECKER, 2. A., N. 7, und OSER/SCHÖNENBERGER N. 20 zu
Art. 46 OR
; H. KNECHT, Die Abänderungsklagen, Zürcher Diss. 1954, S. 83/84; v. BÜREN, Schweiz. OR, Allg. Teil, 1964, S. 274).
Die in Erwägung 9 hievor begründete Auffassung, dass die Frist von
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 EHG
in Wirklichkeit eine Verwirkungsfrist ist, steht also mit der Regelung, die für die entsprechenden Fristen anderer Gesetze gilt (bzw. galt), im Einklang. Ein sachlicher Grund für eine verschiedene Behandlung dieser Fristen besteht nicht. Das Schrifttum bezeichnet denn auch die erwähnte Frist einhellig als Verwirkungsfrist (OFTINGER a.a.O. I S. 199 mit Fussnote 258, wo
BGE 32 II 627
statt
BGE 34 II 627
zitiert sein sollte; KNECHT a.a.O. S. 84; NABHOLZ, Verjährung und Verwirkung als Rechtsuntergangsgründe infolge Zeitablaufs, Zürcher Diss. 1958, S. 219; STARK, ZSR 1967 II 82).
11.
... (Rückweisung zur Ergänzung des Tatbestandes und zur Neubeurteilung des Anspruchs auf Entschädigung für künftige Erwerbseinbusse). | public_law | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4a573a39-eeea-447d-9bd9-7a1bf2e06a82 | Urteilskopf
102 V 1
1. Extrait de l'arrêt du 15 avril 1976 dans la cause Société suisse de secours mutuels Helvetia contre Bergeron et Cour de justice civile du canton de Genève | Regeste
Art. 12 KUVG
.
Nicht zu den Pflichtleistungen gehörende zahnärztliche Behandlung. | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 102 V 1 S. 1
A.-
Elisabeth Bergeron, née en 1947, est assurée auprès de la caisse-maladie reconnue Helvetia...
Le Dr Y., spécialiste oto-rhino-laryngologue, donna ses soins à la prénommée en janvier 1974 pour une sinusite aigué. En cours de traitement, il découvrit un foyer infectieux important justifiant l'intervention d'un dentiste. Aussi adressa-t-il la patiente aux Drs B. et T., médecins-dentistes, qui proposèrent à l'intéressée deux traitements, à savoir l'opération complète du maxillaire avec curetage des foyers infectieux ou le traitement des racines dentaires accompagné de mesures relevant de l'odontologie. L'assurée choisit cette seconde solution. Il y eut 35 consultations, au cours desquelles l'intéressée subit 27 radiographies, des traitements de racines avec curetage jusqu'à l'os, des traitements aux antibiotiques, 16 anesthésies, une reprise de nombreux amalgames détruits par les soins susmentionnés, quatre changements de couronnes pour altération du pivot interne due à l'infection et deux couronnes esthétiques. Les frais s'élevèrent à 5'490 fr.
Par décision du 4 août 1975, l'Helvetia refusa de verser ses prestations pour les mesures énumérées ci-dessus, à l'exception de deux traitements parodontaires, pour lesquels elle admit de payer 13 fr. au total.
BGE 102 V 1 S. 2
B.-
Elisabeth Bergeron recourut, en concluant à l'annulation de cet acte administratif et au versement des prestations assurées, à raison des soins fournis - afin de guérir une affection des maxillaires - par les médecins-dentistes consultés, qu'il y aurait lieu d'assimiler en l'espèce à des médecins au sens de la loi.
Par jugement du 24 octobre 1975, la Cour de justice civile de Genève lui donna gain de cause et dit que la caisse devait prendre en charge, "dans les limites de ses tarifs relatifs aux soins médicaux", le coût des traitements litigieux. Selon les premiers juges, le fait même que l'affection aurait pu être soignée par des méthodes ne relevant pas de l'odontologie prouverait qu'on ne se trouvait pas en présence d'un traitement dentaire au sens étroit, mais de soins médicaux obligatoirement à la charge des caisses-maladie.
C.-
L'Helvetia interjette recours de droit administratif, en concluant au rétablissement de sa décision. Elle estime qu'il faut se baser sur la méthode utilisée pour combattre l'affection, lorsqu'il s'agit de décider si des soins fournis par un dentiste doivent être pris en charge par une caisse reconnue à titre de prestations obligatoires...
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Il a été admis de tout temps que les caisses reconnues ont le droit d'exclure de l'assurance-maladie les traitements dentaires, donc de ne les y admettre que partiellement (v. p.ex. ATF 100 V 70). La Cour de céans ajugé que le dentiste fournissant des soins qui, sans constituer des traitements dentaires, ne sont pratiquement jamais donnés par des médecins doit être assimilé à un médecin au sens de la loi. Le traitement effectué relève alors des prestations obligatoires, même à défaut de prescription par un médecin, le dentiste ayant ainsi un statut comparable à celui d'un chiropraticien (v. p.ex. RO 100 V 70, RO 98 V 69, RJAM 1974 No 188 p. 6).
2.
La première question à examiner est donc de savoir si le traitement fourni en l'occurrence est un traitement dentaire, en particulier si la circonstance que l'affection aurait pu être soignée par des méthodes ne relevant pas de l'odontologie est déterminante à cet égard.
Ainsi que le relève l'Office fédéral des assurances sociales
BGE 102 V 1 S. 3
dans son préavis, la Commission fédérale des prestations générales de l'assurance-maladie a posé pour principe dans ce domaine que la cause de l'affection n'est pas seule décisive mais qu'il faut s'attacher à la méthode utilisée pour sa suppression. Si le traitement intéressant la cavité buccale relève des solutions que propose l'odontologie, il ne ressortit pas aux prestations obligatoires (RJAM 1972 p. 86 ch. 2). Le Tribunal fédéral des assurances s'est rallié à cette opinion (v. RJAM 1974 No 188 p. 6).
Or le caractère dentaire du traitement choisi par l'intimée est nettement prépondérant. Il s'agit d'une série d'interventions pratiquées couramment par les dentistes dans le domaine de l'hygiène buccale qui leur est propre. Ce caractère ne ferait l'objet d'aucun doute, si la thérapie n'avait porté que sur une ou deux dents. La circonstance qu'un grand nombre d'entre elles ont été traitées ne change rien au fait qu'il s'agissait en l'occurrence d'assainir la dentition tout en la conservant. Il n'est pas choquant qu'un trouble dans la santé puisse être combattu de deux manières, l'une relevant - du point de vue de l'assurance - de l'art médical et l'autre, de l'art dentaire; l'une étant assurée et l'autre ne l'étant pas. Il existe dans les assurances sociales d'autres exemples de traitements différents qui tendent au même but, alors qu'un seul est assuré. Ainsi, comme l'indique la recourante: les traitements fournis par un psychiatre et un psychologue, par un médecin conventionné et par un médecin ne travaillant pas pour le compte des caissesmaladie, par un médecin en Suisse et par un médecin à l'étranger, ou exécutés au moyen de médicaments admis par opposition aux médicaments qui ne sont pas à la charge des caisses. L'Office fédéral des assurances sociales cite le cas des affections prises en charge ou non selon qu'elles sont traitées par les procédés de la médecine classique ou par l'acupuncture, qu'elles font l'objet d'une cure balnéaire en Suisse ou à l'étranger. On pourrait ajouter notamment, dans le domaine des mesures médicales de réadaptation de l'assurance-invalidité, les traitements conservatoires de certains troubles des articulations, que n'assume pas cette assurance, alors qu'elle peut en assumer le traitement chirurgical.
Le jugement attaqué n'est donc pas conforme au droit fédéral, en tant qu'il oblige l'Helvetia à fournir les soins en cause au titre de prestations obligatoires.
BGE 102 V 1 S. 4
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours de la Société suisse de secours mutuels Helvetia est admis. Le jugement cantonal est annulé. | null | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
4a5b8fc0-bd38-49b6-964d-df29c204d228 | Urteilskopf
136 I 309
30. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Stadt Wetzikon (subsidiäre Verfassungsbeschwerde)
1D_5/2009 vom 25. August 2010 | Regeste
Nichteinbürgerung einer in Ausbildung begriffenen Person wegen Sozialhilfeabhängigkeit, Diskriminierungsverbot;
Art. 8 Abs. 2 und
Art. 9 BV
.
Bürgerrechtserteilung nach kantonalem Recht (E. 2).
Fehlen der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit (E. 3).
Bedeutung des Diskriminierungsverbotes; offengelassen, ob der Kreis der Sozialhilfeabhängigen eine nach
Art. 8 Abs. 2 BV
geschützte Gruppe darstellt (E. 4.2).
Unter den konkreten Umständen liegt auch unter Beachtung von Herkunft und sozialer Stellung keine Diskriminierung vor (E. 4.3).
Grenze der Nichteinbürgerung bildet das Willkürverbot nach
Art. 9 BV
(E. 4.4). | Sachverhalt
ab Seite 309
BGE 136 I 309 S. 309
X. wurde 1990 in der Provinz Kosovo von Serbien-Montenegro geboren. Ihre Familie flüchtete 1999 in die Schweiz. Das Bundesamt für Migration nahm die gesamte Familie vorläufig auf. X. wohnt in Wetzikon. Hier besuchte sie die Primar- und Sekundarschule. Zurzeit absolviert sie eine Lehre.
X. stellte 2008 mit Zustimmung ihrer Eltern ein Gesuch um Einbürgerung. Nachdem sich der Bürgerrechtsausschuss gegen die
BGE 136 I 309 S. 310
Einbürgerung ausgesprochen hatte, wies der Gemeinderat Wetzikon das Gesuch am 20. August 2008 ab. Er wies darauf hin, dass die Gesuchstellerin von ihren Eltern abhängig sei und nach wie vor unterstützt werde, und stellte fest, dass ihr die Fähigkeit zur wirtschaftlichen Selbsterhaltung im Sinne der kantonalen Bürgerrechtsgesetzgebung abgehe.
Die Gesuchstellerin rekurrierte erfolglos beim Bezirksrat Hinwil. In der Folge wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde von X. am 29. April 2009 ab. Es ging davon aus, dass der Gesuchstellerin grundsätzlich ein Anspruch auf Einbürgerung zustehe, hielt indessen fest, dass X. das Kriterium der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit nicht erfülle und sich daran auch mit steigendem Lehrlingslohn nichts ändere. Die Gemeinde könne ohne Verletzung des Diskriminierungsverbotes auf dieses Erfordernis abstellen und habe ihr Ermessen nicht in rechtsverletzender Weise ausgeübt. - Dem Urteil des Verwaltungsgerichts ist eine abweichende Meinung der Minderheit der Kammer beigefügt. Diese geht davon aus, dass der Gesuchstellerin die Einbürgerung wegen ihrer Abstammung von materiell schlecht gestellten und Sozialhilfe beanspruchenden Eltern verweigert worden war, und erblickt in diesem Umstand eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung.
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde verlangt X., es sei das angefochtene Verwaltungsgerichtsurteil aufzuheben und die Gemeinde Wetzikon anzuweisen, sie ins Bürgerrecht aufzunehmen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde nach öffentlicher Beratung ab.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Vorerst ist die Regelung der Bürgerrechtserteilung nach dem kantonalen Recht darzustellen (vgl.
BGE 135 I 49
E. 3 S. 52).
Nach § 21 Abs. 1 des Zürcher Gemeindegesetzes vom 6. Juni 1926 (GG; LS 131.1) sind die politischen Gemeinden verpflichtet, jeden (seit mindestens zwei Jahren in der Gemeinde wohnenden)
Schweizer Bürger
auf sein Verlangen in ihr Bürgerrecht aufzunehmen, sofern er sich und seine Familie selber zu erhalten vermag (und weitere Voraussetzungen gegeben sind). Gemäss Abs. 2 werden
in der Schweiz geborene Ausländer
im Recht auf Einbürgerung den Schweizer Bürgern gleichgestellt. Ferner werden nach Abs. 3 nicht in der Schweiz geborene
Ausländer zwischen 16 und 25 Jahren
den in der Schweiz geborenen Ausländern in diesem Alter gleichgestellt, sofern
BGE 136 I 309 S. 311
sie nachweisen können, dass sie in der Schweiz während mindestens fünf Jahren den Unterricht auf Volks- oder Mittelschulstufe in einer der Landessprachen besucht haben.
In § 5 der Zürcher Bürgerrechtsverordnung vom 25. Oktober 1978 (BüV; LS 141.11) werden die wirtschaftlichen Verhältnisse als Erfordernis der Einbürgerung gemäss § 21 Abs. 1 GG umschrieben: Die Fähigkeit zur wirtschaftlichen Selbsterhaltung gilt als gegeben, wenn die Lebenskosten und Unterhaltsverpflichtungen des Bewerbers voraussichtlich in angemessenem Umfang durch Einkommen, Vermögen und Rechtsansprüche gegen Dritte gedeckt sind. Zu den Rechtsansprüchen gegen Dritte gehören Forderungen gegenüber Versicherungsgesellschaften, Vorsorgeeinrichtungen oder dem Staat (im Falle der Arbeitslosen- oder Invalidenversicherung); die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn ein Bewerber (ausschliesslich) von der Fürsorge lebt (vgl. Handbuch des Gemeindeamtes des Kantons Zürich, Ziff. 3.3.1). Auf die Erfüllung der Voraussetzung der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit kann nach § 22 Abs. 2 GG und § 7 BüV im Einzelfall ganz oder teilweise verzichtet werden (vgl. auch Handbuch des Gemeindeamtes, a.a.O. Ziff. 3.3.2).
Überdies hält die neue Zürcher Kantonsverfassung vom 27. Februar 2005 (SR 131.211) in Art. 20 Abs. 3 die Leitplanken für die ordentliche Einbürgerung fest. Neben den Erfordernissen angemessener Sprachkenntnisse, Vertrautheit mit den hiesigen Verhältnissen und Beachtung der schweizerischen Rechtsordnung wird in Art. 20 Abs. 3 lit. b insbesondere verlangt, dass Gesuchsteller in der Lage sein müssen, für sich und ihre Familien aufzukommen.
Die Beschwerdeführerin gehört zu den 16- bis 25-Jährigen und weist den erforderlichen Schulunterricht auf. Daraus ergibt sich, dass sie gestützt auf das
kantonale Recht
im Grundsatz unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus einen Anspruch auf Einbürgerung hat (TOBIAS JAAG, Aktuelle Entwicklungen im Einbürgerungsrecht, in: ZBl 106/2005 S. 113/122; PETER KOTTUSCH, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, Häner [Hrsg.], 2007, N. 5 zu
Art. 20 KV/ZH
). Zu prüfen ist daher ausschliesslich, ob der Beschwerdeführerin vor diesem Hintergrund die mangelnde wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit entgegengehalten werden kann und ihre Nichteinbürgerung im vorliegenden Fall mangels dieses Erfordernisses vor der Verfassung standzuhalten vermag. Dabei prüft das Bundesgericht die Anwendung des kantonalen Rechts lediglich unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots nach
Art. 9 BV
. Mit freier Kognition prüft es, ob das
BGE 136 I 309 S. 312
angefochtene Urteil mit dem Diskriminierungsverbot und dem Gleichheitsgebot nach
Art. 8 BV
im Einklang steht.
3.
Umstritten ist vorerst das Fehlen bzw. das Vorliegen der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht.
(...)
3.3
Bei dieser Sachlage kann zusammenfassend festgehalten werden, dass das Verwaltungsgericht ohne Verletzung des Willkürverbotes annehmen durfte, der Beschwerdeführerin fehle die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit im Sinne von § 21 GG und § 5 BüV, weil sie über kein hinreichendes Einkommen und über keine entsprechenden Rechtsansprüche gegen Dritte verfügt. (...)
4.
Damit stellt sich die weitere Frage, ob der Beschwerdeführerin das Fehlen der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit entgegengehalten und ihr aus diesem Grunde die Einbürgerung verweigert werden könne. Zu prüfen ist dies insbesondere nach dem Diskriminierungsverbot; anzufügen sind Erwägungen zum Willkürverbot.
4.1
Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung des Diskriminierungsverbots und des Rechtsgleichheitsgebotes geltend. Sie führt allerdings nicht aus, inwiefern das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot nach
Art. 8 Abs. 1 BV
verletzt sein soll. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Im Übrigen kommt der Rüge der Rechtsungleichheit gegenüber derjenigen der Diskriminierung keine eigenständige Bedeutung zu. Entgegen der Auffassung der Gemeinde Wetzikon begründet die Beschwerdeführerin ihre Rüge der Verletzung von
Art. 8 Abs. 2 BV
in hinreichender Weise. Eine Diskriminierung erblickt sie darin, dass sie von nicht vermögenden Eltern abstammt, sie wegen der Abstammung nicht über die hinreichenden Mittel verfügt und ihr aus diesem Grund die Einbürgerung verwehrt wird. Dem fügt sie an, dass sich die ungleiche Behandlung durch keine überwiegenden Interessen rechtfertigen lasse.
4.2
In seiner Rechtsprechung hat das Bundesgericht das Diskriminierungsverbot gemäss
Art. 8 Abs. 2 BV
in seiner direkten und indirekten Form umschrieben und die Diskriminierung als qualifizierte Ungleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Situationen bezeichnet (vgl.
BGE 135 I 49
E. 4.1 S. 53 mit Hinweisen). Im Urteil
BGE 135 I 49
hat es sich eingehend mit der Frage der Diskriminierung von sozialhilfeabhängigen Personen auseinandergesetzt. Trotz des Umstandes, dass zum Merkmal der sozialen Stellung auch die
BGE 136 I 309 S. 313
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gehören könne, hat es ausgeführt, dass die Personen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, im Zusammenhang mit der Einbürgerung kaum als verfassungsrechtlich geschützte Gruppe verstanden werden könnten. Zu unterschiedlich seien die zur Sozialhilfe führenden Gegebenheiten. Die Abhängigkeit von der Sozialhilfe stelle nicht zwingend ein wesentliches Merkmal der Persönlichkeit dar und könne abgelegt werden. Auch könnten der Rechtsprechung im Allgemeinen und der Gesetzgebung im Bereiche des Ausländerrechts im Speziellen keine Anhaltspunkte für das Bestehen einer geschützten Gruppe entnommen werden. Schliesslich konnte die Frage mit Blick auf die im Vordergrund stehende Behinderung der damaligen Beschwerdeführerin offenbleiben (
BGE 135 I 49
E. 5 S. 56). Im vorliegenden Verfahren stellt die Beschwerdeführerin diese Rechtsprechung nicht in Frage.
Ob die Sozialhilfeabhängigkeit für sich genommen einen Diskriminierungstatbestand im Sinne von
Art. 8 Abs. 2 BV
darstellen könnte, braucht auch im vorliegenden Fall nicht abschliessend entschieden zu werden. Es ist zu prüfen, ob über die Sozialhilfeabhängigkeit hinaus Umstände vorliegen, die sich für die Gesuchstellerin als diskriminierend erweisen.
4.3
Wegen Fehlens der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit ist die Beschwerdeführerin auf die Sozialhilfe angewiesen. Sie wird deshalb mit entsprechenden Leistungen unterstützt (nicht publ. E. 3.2). Damit befindet sie sich in derselben Lage wie ihre Eltern, welche mit Blick auf ihre finanzielle Abhängigkeit nicht eingebürgert werden könnten.
Die Herkunft kann unbestrittenermassen ein verpöntes Merkmal im Sinne des Diskriminierungsverbotes darstellen und bei der Anwendung im Einzelfall zu einer Verfassungsverletzung führen (vgl.
BGE 129 I 217
E. 2.3 und 2.4 S. 227). Der Begriff der Herkunft bezieht sich in erster Linie auf die Zugehörigkeit zu einer geographisch mitbestimmten Bevölkerungsgruppe und kommt im vorliegenden Fall, in dem es um die Abstammung von nicht vermögenden Eltern geht, nicht zur Anwendung (vgl. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., S. 712; RAINER J. SCHWEIZER, in: Die schweizerische Bundesverfassung - Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 58 zu
Art. 8 BV
).
Unter dem Gesichtswinkel der sozialen Stellung kann die Abstammung, etwa bei Geburt in ausserehelichen Verhältnissen, für die Frage der Diskriminierung von Bedeutung sein (vgl. SCHWEIZER, a.a.O.,
BGE 136 I 309 S. 314
N. 67 zu
Art. 8 BV
; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 727 mit weitern Hinweisen und mit Anmerkung zur dogmatischen Einordnung). Allerdings reicht dies im Hinblick auf die Einbürgerung nicht aus, um Kinder von nicht vermögenden Eltern wegen ihrer Abstammung als diskriminierungsrechtlich geschützte Gruppe zu betrachten. Es zählen dazu sehr unterschiedliche Personen. Es können Unmündige betroffen werden, die nach
Art. 34 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts (BüG; SR 141.0)
durch ihren gesetzlichen Vertreter ein Einbürgerungsgesuch stellen lassen. Es ist nicht einsichtig, wie lange sich Einbürgerungswillige nach Erreichen ihrer Mündigkeit auf ihre Abstammung von nicht vermögenden Eltern sollen berufen können. Das zeigt, dass nur vorübergehend bis zur Erlangung einer Erwerbstätigkeit auf das Kriterium abgestellt wird und dieses nicht ein festes Persönlichkeitsmerkmal der Betroffenen ist. In der gleichen Situation wie die Beschwerdeführerin befinden sich ferner Schweizer Bürger, die sich nach § 21 Abs. 1 GG in der Wohnsitzgemeinde einbürgern lassen wollen. Schliesslich ist gar denkbar, dass ein Gesuchsteller ohne seine Eltern in die Schweiz gelangt, hier Aufnahme findet und nunmehr auf Sozialhilfe angewiesen ist; ein solcher Bewerber ist finanziell gesehen in derselben Lage wie die Beschwerdeführerin, ohne sich auf eine Abstammung von nicht vermögenden Eltern berufen zu können.
Diese Überlegungen zeigen gesamthaft, dass die Abstammung der Beschwerdeführerin von ihren nicht vermögenden Eltern - anders als die Behinderung in der Konstellation von
BGE 135 I 49
- keinen hinreichenden Grund darstellt, um einen Diskriminierungstatbestand zu begründen. Das Kriterium ist nicht geeignet, eine Gruppe oder Minderheit zu umschreiben, die sich durch spezifische Eigenheiten oder durch besondere, nicht frei gewählte oder schwer aufgebbare Merkmale auszeichnet und von daher eines besondern verfassungsmässigen Schutzes bedürfte (vgl.
BGE 135 I 49
E. 4.4 S. 56;
BGE 132 I 49
E. 8 S. 65). Von Bedeutung ist, dass die Frage der Abstammung nur vorübergehend ins Gewicht fällt und die Benachteiligung mit der Aufnahme einer eigenständigen Erwerbstätigkeit entfällt.
Bei dieser Sachlage erweist sich die Diskriminierungsrüge als unbegründet.
4.4
Die Beschwerdeführerin ruft das Willkürverbot gemäss
Art. 9 BV
nicht bzw. nicht in hinreichender Form an. Es rechtfertigen sich unter diesem Gesichtswinkel die folgenden Hinweise.
BGE 136 I 309 S. 315
Die Anwendung des willkürfrei ausgelegten kantonalen Rechts auf die Beschwerdeführerin führt dazu, dass in Ausbildung begriffene Jugendliche, welche von sozialhilfeabhängigen Eltern stammen, es schwer haben, von ihrem grundsätzlichen Anspruch nach § 21 Abs. 3 GG Gebrauch zu machen und eingebürgert zu werden. Der Lehrlingslohn wird das erforderliche Mass für die Erlangung der hinreichenden Unabhängigkeit nicht erreichen, Schüler und Studenten verfügen über gar keinen oder nur einen geringen Lohn. Diese Situation könnte sie dazu veranlassen, die Ausbildung abzubrechen oder gar nicht in Angriff zu nehmen und stattdessen eine einfache unqualifizierte Beschäftigung anzunehmen, um die Einbürgerungsvoraussetzungen zu erfüllen. Dies wäre eine unhaltbare Konsequenz aus der Anwendung der gesetzlichen Regelung, welche weder im Interesse der Gesuchsteller noch im allgemeinen öffentlichen Interesse liegt.
Dieser Umstand vermöchte für sich allein genommen nicht zur Gutheissung der Beschwerde zu führen. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid gemäss konstanter Rechtsprechung wegen Verletzung des Willkürverbots nur auf, wenn dieser sich unter den gegebenen Verhältnissen im Ergebnis als unhaltbar und verfassungswidrig erweist (vgl.
BGE 134 I 140
E. 5.4 S. 148 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin hat es in der Hand, ein neues Einbürgerungsgesuch einzureichen, wenn ihr Lehrlingslohn bzw. ihre Situation nach dem Lehrabschluss Gewähr für eine hinreichende wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit bietet. Sie ist von den kommunalen Behörden dazu aufgefordert worden. Es sind keine Anzeichen ersichtlich, dass der Beschwerdeführerin bei einem neuen Gesuch die Einbürgerung verweigert würde. Es besteht beim derzeitigen Alter der Beschwerdeführerin keine Gefahr, dass sie des Anspruchs auf Einbürgerung gemäss § 21 Abs. 3 GG verlustig ginge (vgl.
BGE 135 I 49
E. 6.3 S. 62). Es ist ihr zuzumuten, für die kurze Zeit von zwei oder drei Jahren bis zum Lehrabschluss und zur Erlangung der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit zuzuwarten. Anders mag es sich allenfalls bei einer sozialhilfeabhängigen Person verhalten, welche die Einbürgerungsvoraussetzungen grundsätzlich erfüllt, die Ausbildung oder das Hochschulstudium indes erst nach dem 25. Altersjahr abschliesst und daher nicht mehr nach § 21 Abs. 3 GG eingebürgert werden könnte. Diese Frage kann im vorliegenden Fall jedoch offenbleiben. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
4a5c0ba5-07d2-4a6e-9fd0-49b2f1f61090 | Urteilskopf
126 III 274
46. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 8 juin 2000 dans la cause M. contre frères S. (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 83 Abs. 3 BGBB
; Beschwerdelegitimation des Erwerbers eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder Grundstücks gegen die Erteilung einer Erwerbsbewilligung an den Pächter.
Art. 83 Abs. 3 BGBB
ist dahingehend auszulegen, dass der vertragliche Erwerber eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder Grundstücks gegen die Erteilung der Erwerbsbewilligung (
Art. 61 ff. BGBB
) an den sich auf ein Vorkaufsrecht berufenden Dritten - im konkreten Fall die Pächter - zur Beschwerde legitimiert ist. | Sachverhalt
ab Seite 274
BGE 126 III 274 S. 274
L'hoirie B. était propriétaire d'un domaine agricole affermé depuis de nombreuses années aux frères P. et P.-A. S. Après avoir obtenu une autorisation de la Commission foncière agricole du canton de Neuchâtel, elle a vendu ce domaine à M. le 11 décembre 1997.
BGE 126 III 274 S. 275
Dans une première décision du 22 mai 1998, annulée le 30 novembre 1998 par le Tribunal administratif du canton de Neuchâtel, puis dans une seconde décision du 8 juin 1999, la Commission foncière agricole a délivré une autorisation d'acquisition, au sens des art. 61 ss de la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le droit foncier rural (LDFR; RS 211.412.11), aux frères S. qui faisaient valoir leur droit de préemption de fermiers. Le recours de M. contre la seconde décision a été rejeté par le Tribunal administratif dans un arrêt du 30 novembre 1999.
Statuant sur le recours de droit administratif formé par M., le Tribunal fédéral a annulé cet arrêt pour violation du droit d'être entendu.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Le Tribunal fédéral examine d'office et avec une pleine cognition la recevabilité des recours qui lui sont soumis (
ATF 125 I 412
consid. 1a, 253 consid. 1;
ATF 125 II 86
consid. 2c in fine, 293 consid. 1a;
ATF 124 III 44
consid. 1, 134 consid. 2 et les arrêts cités).
a) La décision de l'autorité cantonale rejetant le recours du recourant est une décision au sens de l'art. 5 de la loi fédérale sur la procédure administrative (PA; RS 172.021); prononcée en dernière instance cantonale, elle peut en principe faire l'objet d'un recours de droit administratif au Tribunal fédéral (
art. 97 al. 1 et 98 let
. g OJ), dès lors qu'un tel recours n'est pas exclu par les art. 99 à 102 OJ. L'
art. 89 LDFR
prévoit d'ailleurs expressément la voie du recours de droit administratif au Tribunal fédéral contre les décisions sur recours prises par les autorités cantonales de dernière instance au sens des
art. 88 al. 1 et 90 let
. f LDFR.
b) Selon la règle générale de l'
art. 103 let. a OJ
, quiconque est atteint par la décision attaquée et a un intérêt digne de protection à ce qu'elle soit annulée ou modifiée a qualité pour interjeter un recours de droit administratif. L'
art. 83 al. 3 LDFR
restreint toutefois la qualité pour interjeter un recours devant l'autorité cantonale de recours (
art. 88 LDFR
) contre le refus ou l'octroi d'une autorisation au sens des
art. 61 ss LDFR
. Cette restriction vaut aussi pour le recours de droit administratif au Tribunal fédéral; en effet, celui qui n'a en vertu du droit fédéral pas qualité de partie devant l'autorité cantonale de recours ne saurait avoir cette qualité dans la procédure de recours au Tribunal fédéral (arrêt non publié K. c. G. du 23 octobre 1997, consid. 2b; CHRISTOPH BANDLI, Le droit foncier rural, Brugg 1998, n. 1 ad
art. 89 LDFR
).
BGE 126 III 274 S. 276
c) Aux termes de l'
art. 83 al. 3 LDFR
, les parties contractantes peuvent interjeter un recours devant l'autorité cantonale de recours (
art. 88 LDFR
) contre le refus d'autorisation, l'autorité cantonale de surveillance, le fermier et les titulaires du droit d'emption (cf.
art. 25 ss LDFR
), du droit de préemption (cf.
art. 42 ss LDFR
) ou du droit à l'attribution (cf.
art. 11 ss LDFR
), contre l'octroi de l'autorisation. La lettre de cette disposition ne confère ainsi pas à l'acquéreur d'une entreprise ou d'un immeuble agricole la qualité pour recourir contre l'octroi d'une autorisation d'acquisition à celui qui se prévaut d'un droit de préemption. Rien ne permet cependant d'admettre qu'il s'agisse là d'un silence qualifié du législateur, qui lierait le juge (
ATF 125 III 277
consid. 2a;
ATF 118 II 199
consid. 2a et les références citées).
En effet, la formulation de l'
art. 83 al. 3 LDFR
résulte d'un compromis entre l'opinion défendue par le Conseil national, qui à la suite du Conseil fédéral voulait voir la règle de l'
art. 103 let. a OJ
appliquée également à la LDFR, et l'opinion du Conseil des États, selon lequel les décisions d'autorisation ne devraient pouvoir être attaquées que par les parties au contrat et non par un tiers quelconque; le compromis de l'
art. 83 al. 3 LDFR
vise ainsi à exclure du cercle des personnes ayant qualité pour recourir les voisins, les organisations de protection de la nature et de l'environnement ainsi que les organisations professionnelles comme les associations paysannes (arrêt non publié H. c. K. et F. du 8 juillet 1999, consid. 2a; cf. BANDLI, op. cit., n. 3 ad
art. 88 LDFR
; BEAT STALDER, ibid., n. 15 et 17 ad
art. 83 LDFR
). À cet égard, le conseiller fédéral Koller a exposé devant le Conseil des États que dans la recherche d'un compromis acceptable par les deux chambres, "[e]s geht ja vor allem um den Pächter und um jene, die Kaufs-, Vorkaufs- und Zuweisungsrechte geltend machen können. Wenn wir diese Parteien noch expressis verbis erwähnen, sollten wir den Kompromiss hergestellt haben" (BO 1991 CE 731).
Il s'avère ainsi que l'intention du législateur, en adoptant l'
art. 83 al. 3 LDFR
dans sa formulation définitive, était avant tout d'assurer un droit de recours au fermier ainsi qu'aux titulaires du droit d'emption, du droit de préemption ou du droit à l'attribution en mentionnant expressément ces personnes, tout en excluant du cercle des personnes ayant qualité pour recourir les voisins, les organisations de protection de la nature et de l'environnement ainsi que les organisations professionnelles comme les associations paysannes. Dès lors, l'
art. 83 al. 3 LDFR
ne doit pas être considéré - contrairement à ce
BGE 126 III 274 S. 277
que la formulation employée pourrait laisser supposer - comme contenant une énumération exhaustive des personnes ayant qualité pour recourir contre l'octroi de l'autorisation.
d) L'
art. 83 al. 3 LDFR
n'énumérant pas de manière exhaustive les personnes habilitées à recourir contre l'octroi de l'autorisation, il s'agit d'interpréter cette disposition conformément à l'intention du législateur. Au vu de ce qui a été dit plus haut (consid. c), il n'apparaît pas que cette intention ait été de restreindre le droit de recours de l'acquéreur d'une entreprise ou d'un immeuble agricole. En fait, il est vraisemblable que, comme le relève l'Office fédéral de la Justice dans ses observations, la question du droit de recours des parties contractantes contre une autorisation accordée au tiers titulaire d'un droit de préemption ait échappé au législateur. Si l'on ne voit guère quel intérêt l'acquéreur et l'aliénateur d'une entreprise ou d'un immeuble agricole pourraient avoir à recourir contre l'octroi de l'autorisation au premier cité - ce qui explique que le législateur n'ait pas mentionné les parties contractantes parmi les personnes habilitées à recourir contre l'octroi de l'autorisation -, il en va différemment en cas d'octroi de l'autorisation à un tiers se prévalant d'un droit de préemption. En effet, en pareil cas, l'acquéreur contractuel risque de perdre son acquisition au profit de ce tiers et d'être ainsi lésé dans ses intérêts personnels et juridiquement protégés.
e) Il se justifie dès lors d'interpréter l'
art. 83 al. 3 LDFR
en ce sens que l'acquéreur contractuel d'une entreprise ou d'un immeuble agricole a qualité pour recourir contre l'octroi de l'autorisation à celui qui se prévaut d'un droit de préemption (cf. dans ce sens CHRISTINA SCHMID-TSCHIRREN, in Communications de droit agraire 1998 p. 41 ss, n. 4 p. 43 et l'arrêt valaisan cité).
f) Le recourant ayant qualité pour recourir, il y a lieu d'entrer en matière sur le recours. | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
4a605bcd-e0c9-4b0c-816a-93d56c927874 | Urteilskopf
115 IV 233
51. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. August 1989 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 320 StGB
; Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Ob Kenntnisse in dienstlicher Stellung wahrgenommen worden sind, ist aufgrund der gesamten Umstände des konkreten Falles zu entscheiden (E. 2c/cc).
Wer seine im Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit zufällig erworbenen Kenntnisse ausserhalb des Dienstes als Privatperson bereits vorher schon oder später noch einmal erlangte oder dies ohne weiteres tun könnte und sogar einen rechtlichen Anspruch darauf hat, macht sich bei deren Weitergabe nicht der Amtsgeheimnisverletzung schuldig (E. 2c/bb). | Sachverhalt
ab Seite 234
BGE 115 IV 233 S. 234
Anfangs 1987 führte der Vorstand der Sektion Chur des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) in der Kaserne der Kantonspolizei Basel mit dem leitenden Ausschuss des VSPB eine Aussprache über hängige Probleme der Sektion Chur. Für diese Reise nach Basel erhielt die unter dem Präsidium von Rechtsanwalt A. stehende Sektion Chur des VSPB von der Stadt Chur eine "Spesenentschädigung" von Fr. 500.--. Der nach Entlassung des Polizeikommandanten eingesetzte Kommandant ad interim der Stadtpolizei Chur veranlasste nach Rücksprache mit dem zuständigen Stadtratsmitglied die Auszahlung dieses Betrages. Polizeifeldweibel B. füllte ein Rechnungsformular für die Stadt Chur am 10. Juni 1987 teilweise auf Anweisung des Kommandanten mit den folgenden Angaben aus: "Dienstreise nach Basel zur Kantonspolizei Basel 5 x Fr. 100.-- = Fr. 500.--". Er visierte das Formular, liess es durch den Polizeikommandanten ad interim abstempeln und unterschreiben, worauf er den Polizeibeamten C. beauftragte, mit diesem Beleg bei der städtischen Finanzkontrolle den Betrag von Fr. 500.-- abzuholen. Die Angestellte der Finanzkontrolle ergänzte die Angaben im Rechnungsformular, indem sie die Rubrik "von ..." mit "Polizeiposten" ausfüllte, und versah das Formular mit dem Stempel "Finanzkontrolle 15. Juni 1987" und ihrem Visum. Mit diesem Beleg holte der Polizeibeamte C. bei der Stadtkasse Chur gleichentags den Betrag von Fr. 500.-- ab und quittierte hiefür auf dem Formular, auf welchem ein Kassenaufdruck für eine entsprechende Barauszahlung angebracht wurde. C.
BGE 115 IV 233 S. 235
überbrachte die Fr. 500.-- Feldweibel B. Dieser verlangte hierauf von der Stadtkasse eine Kopie des Rechnungsformulars und brachte auf dieser den folgenden Vermerk an:
"iA des Kommando an Verbandskasse ausbezahlt als Spesenentschädigung an den Vorstand VSPB/Chur für Reise zum Zentralvorstand nach Basel vom Februar 1987
Betrag Fr. 500.-- erhalten, der Kassier ..."
Polizeimann D. unterzeichnete als Kassier und brachte den Stempel der Sektion Chur des VSPB an. Sodann erstellte er für sich und für den Vizepräsidenten der VSPB-Sektion Chur je eine Fotokopie des quittierten Rechnungsformulars. Den mit seiner Originalunterschrift versehenen Beleg erstattete er Feldweibel B.
Eine Kopie des Schriftstückes entdeckte Polizeikorporal X. zufälligerweise im Fotokopierapparat der Stadtpolizei Chur. Er sandte diese am 18. Juni 1987 dem Zentralpräsidenten des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter.
Der Präsident der VSPB-Sektion Chur erstattete hierauf bei der Staatsanwaltschaft Graubünden gegen X. Strafanzeige wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses.
Mit einem Strafmandat des Kreispräsidenten Chur vom 24. September 1987 wurde X. wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses mit einer Busse von Fr. 600.-- bestraft. Dagegen erhob er Einsprache, worauf der Kreisgerichtsausschuss Chur ihn am 8. September 1988 von Schuld und Strafe freisprach. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin hob der Kantonsgerichtsausschuss Graubünden dieses Urteil jedoch am 7. März 1989 auf; er sprach X. der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach
Art. 320 Ziff. 1 StGB
schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 300.--.
Gegen das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses Graubünden führt X. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Einer Verletzung des Amtsgeheimnisses macht sich nach
Art. 320 Ziff. 1 StGB
schuldig, wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde oder als Beamter anvertraut worden ist, oder das er in seiner amtlichen oder dienstlichen Stellung wahrgenommen hat.
BGE 115 IV 233 S. 236
a) (Frage, ob ein Geheimnis vorliegt, offengelassen.)
c) aa) Die dem Amtsgeheimnis unterstehende Kenntnis muss sich auf Tatsachen beziehen, die mit den dienstlichen Aufgaben des betreffenden Beamten zusammenhängen, wobei jede so erlangte Kenntnis eingeschlossen ist (SCHULTZ, Die Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäss
Art. 320 StGB
, in Kriminalistik 33/1979, S. 370).
bb) Es ist nochmals darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Verwaltungsaktes, den die Auszahlung von Fr. 500.-- durch die Stadt Chur darstellt, dem Empfänger die nach dem angefochtenen Urteil als geheimhaltungsbedürftig in Frage kommenden Fakten mitgeteilt wurden. Dies erfolgte dadurch, dass D. als Kassier der VSPB-Sektion Chur nicht auf einer separaten Urkunde für den Zahlungsvorgang zwischen Polizeikommando und VSPB quittierte, sondern auf einer Kopie des Beleges für die Auszahlung der Stadtkasse an das Polizeikommando zu unterzeichnen hatte; ferner auch dadurch, dass der für die Stadt handelnde Feldweibel B. ihm erlaubte, für Vereinszwecke Fotokopien des Schriftstücks zu erstellen. Es handelte sich also nicht nur bei der Tatsache der Zahlung an die VSPB-Sektion Chur, sondern auch in bezug auf den für den Vorgang zwischen Polizeikommando und Stadtkasse angegebenen Zahlungsgrund um Kenntnisse, deren Träger nach erfolgter Mitteilung nicht nur die Stadt Chur, sondern gleichzeitig auch die VSPB-Sektion Chur war.
Entscheidend ist, dass sich der Beschwerdeführer als Mitglied des Vereins VSPB Chur vom ganzen Sachverhalt und vom Inhalt des Zahlungsbelegs hätte Kenntnis verschaffen können und darauf auch einen rechtlichen Anspruch gehabt hätte (vgl.
Art. 65 Abs. 2 ZGB
, wonach die Vereinsversammlung die Aufsicht über die Tätigkeit der Organe ausübt). Die auf diesem Wege oder allenfalls auf informelle Weise vom Vereinsvizepräsidenten oder dem Kassier D. direkt oder indirekt erlangten Kenntnisse hätte der Beschwerdeführer ohne Verletzung eines Amtsgeheimnisses weitergeben dürfen, weil er sie in diesem Fall zweifellos nicht als Beamter oder in dienstlicher Stellung wahrgenommen hätte.
Nach der in der Literatur vertretenen und zweifellos zutreffenden Ansicht darf der Betroffene seine im Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit erfahrenen Kenntnisse weitergeben, wenn er davon bereits vorher als Privatperson Kunde erhalten hat oder wenn er sie ausserhalb des Dienstes noch einmal erfährt (FRANZ-MARTIN SPILLMANN, Begriff und Unrechtstatbestand der
BGE 115 IV 233 S. 237
Verletzung der Amtsgeheimnisse nach Artikel 320 des Strafgesetzbuches, Diss. Zürich 1984, S. 31 mit Hinweisen). Es sprechen nun aber keine sachlichen Gründe dafür, den Fall, in welchem der Betroffene mutmasslich geheimzuhaltende Tatsachen ohne weiteres auch noch ausserhalb des Dienstes in Erfahrung bringen könnte und - wie im vorliegenden Fall - darauf sogar einen rechtlichen Anspruch hätte, anders zu beurteilen. Es würde einen überspitzten Formalismus bedeuten, zu verlangen, dass sich der Betroffene in einem solchen Fall die im Dienst erlangten Kenntnisse zunächst noch auf die ihm ohne weiteres offenstehende andere Weise aneignen müsste, bevor er sie weitergibt.
cc) Selbst wenn man dieser Auffassung in dieser allgemeinen Form nicht folgen wollte, ist wegen der gesamten Umstände des vorliegenden Falles das Tatbestandselement der Wahrnehmung in dienstlicher Stellung nicht erfüllt. Auszugehen ist davon, dass der Beschwerdeführer bei der Auszahlung der Fr. 500.-- seitens der Stadt Chur bzw. des Polizeikommandos Chur in keiner Art und Weise mitzuwirken hatte. Wenn er zufälligerweise im Fotokopierapparat der Stadtpolizei eine Kopie des streitigen Schriftstückes fand, erlangte er seine Kenntnisse nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen dienstlichen Aufgaben. Erstens besteht nur ein entfernter und zufälliger Zusammenhang zwischen der dienstlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers und der Kenntniserlangung des Schriftstücks. Zweitens stellt das in Frage stehende Dokument zugleich einen wichtigen Vereinsbeleg dar, von welchem der Beschwerdeführer als Vereinsmitglied jederzeit auch ausserdienstlich hätte Kenntnis erlangen können. Drittens handelte es sich nicht nur bei der Tatsache der Zahlung an die VSPB-Sektion Chur, sondern auch beim für den Vorgang zwischen Polizeikommando und Stadtkasse angegebenen Zahlungsgrund um Kenntnisse, deren Träger nach erfolgter entsprechender Mitteilung nicht nur die Stadt Chur, sondern gleichzeitig auch die VSPB-Sektion Chur war. Es würde eine allzu formalistische und daher nicht zu rechtfertigende Betrachtungsweise darstellen, wollte man die allgemeine Verschwiegenheitspflicht eines Beamten (hier gemäss Art. 21 Abs. 2 des Dienstreglementes für das Polizeikorps der Stadt Chur) auch unter diesen Voraussetzungen bejahen. Unter Berücksichtigung aller Umstände kann nicht davon gesprochen werden, der Beschwerdeführer habe Kenntnisse weitergegeben, die er im Sinne von
Art. 320 StGB
in dienstlicher Stellung wahrgenommen habe.
BGE 115 IV 233 S. 238
d) Fehlt es nach dem Gesagten an der Voraussetzung der Wahrnehmung in dienstlicher Stellung, so hat der Beschwerdeführer den Tatbestand des
Art. 320 Ziff. 1 StGB
nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer begründete die Nichtigkeitsbeschwerde lediglich damit, es habe kein Geheimnis vorgelegen bzw. die Stadt Chur hätte den Geheimhaltungswillen aufgegeben; ausserdem machte er Sachverhaltsirrtum geltend, führte dazu aber Gründe an, die allenfalls auf einen Rechtsirrtum schliessen lassen. Der Kassationshof ist jedoch nicht an die Begründung der Rechtsbegehren der Parteien gebunden (
Art. 277bis Abs. 2 BStP
), sondern hat das Recht von Amtes wegen anzuwenden (iura novit curia). Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
4a64c167-e3f7-44b1-9b56-f1a8ee91bcd4 | Urteilskopf
123 V 241
43. Arrêt du 3 décembre 1997 dans la cause Caisse cantonale genevoise de compensation contre Institut X et Commission cantonale de recours en matière d'AVS, Genève | Regeste
Art. 5 Abs. 2 AHVG
, Art. 6 Abs. 2 lit. h, i, k AHVV,
Art. 6bis AHVV
: Nicht beitragspflichtige Vorsorgeleistungen.
- Begriff der Abgangsentschädigung im Sinne von
Art. 6 Abs. 2 lit. i AHVV
.
- Keine freiwilligen Vorsorgeleistungen des Arbeitgebers im Sinne von
Art. 6bis AHVV
stellen die vom Arbeitgeber seinen Beschäftigten zwecks Milderung der Folgen einer Kollektivkündigung ausgerichteten Entschädigungen dar. | Sachverhalt
ab Seite 241
BGE 123 V 241 S. 241
A.-
L'Institut X est une organisation internationale non gouvernementale constituée en association et dont le siège se trouvait à Genève. Dans le
BGE 123 V 241 S. 242
courant de l'année 1994, il a décidé de mettre fin à ses activités dans cette ville, ce qui a entraîné le licenciement collectif d'une vingtaine de ses collaborateurs. Diverses dispositions d'ordre économique ont été prises par l'employeur en faveur de ces derniers. C'est ainsi qu'ils ont reçu une prestation de libre passage comprenant la totalité des contributions de l'employeur, indépendamment de la durée de l'affiliation à leur institution de prévoyance. En outre, les excédents accumulés par les diverses caisses de pensions de l'Institut X ont été répartis entre tous les employés. Enfin, chaque salarié au bénéfice d'un contrat de travail de durée indéterminée (à l'exception de deux directeurs généraux) a touché, au titre "d'indemnité financière", un quart de son salaire mensuel par période de douze mois de service, mais au moins un montant correspondant à un mois de salaire. Le calcul de l'indemnité incluait les mois de service jusqu'à la fin du délai ordinaire de congé.
B.-
Par décision du 15 décembre 1994, la Caisse cantonale genevoise de compensation a réclamé à l'Institut X le paiement de la somme de 56'130 fr. 30 à titre de cotisations AVS/AI/APG/AC (y compris les frais d'administration) sur les "indemnités financières" qu'il avait versées à ses salariés.
C.-
L'Institut X a recouru contre cette décision. Par jugement du 26 avril 1996, la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS a admis son recours et elle a de ce fait annulé la décision attaquée. Elle a considéré, en bref, que les versements litigieux représentaient des indemnités de départ payées en raison de la cessation des rapports de travail. Dans la mesure où ils ne dépassaient pas le salaire annuel de chacun des intéressés, ils n'étaient pas soumis à cotisations.
D.-
La Caisse cantonale genevoise de compensation interjette un recours de droit administratif en concluant à l'annulation du jugement cantonal.
L'Institut X conclut au rejet du recours, alors que l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) propose de l'admettre.
A l'issue d'un deuxième échange d'écritures, les parties ont persisté dans leurs conclusions.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La décision litigieuse n'ayant pas pour objet l'octroi ou le refus de prestations d'assurance, le Tribunal fédéral des assurances doit se borner à examiner si les premiers juges ont violé le droit fédéral, y compris par
BGE 123 V 241 S. 243
l'excès ou par l'abus de leur pouvoir d'appréciation, ou si les faits pertinents ont été constatés d'une manière manifestement inexacte ou incomplète, ou s'ils ont été établis au mépris de règles essentielles de procédure (art. 132 en corrélation avec les
art. 104 let. a et b et 105 al. 2 OJ
).
2.
a) Le salaire déterminant, au sens de l'
art. 5 al. 2 LAVS
, comprend toute rémunération pour un travail dépendant, fourni pour un temps déterminé ou indéterminé. Font partie de ce salaire déterminant, par définition, toutes les sommes touchées par le salarié, si leur versement est économiquement lié au contrat de travail; peu importe, à ce propos, que les rapports de service soient maintenus ou aient été résiliés, que les prestations soient versées en vertu d'une obligation ou à titre bénévole. On considère donc comme revenu d'une activité salariée, soumis à cotisations, non seulement les rétributions versées pour un travail effectué, mais en principe toute indemnité ou prestation ayant une relation quelconque avec les rapports de service, dans la mesure où ces prestations ne sont pas franches de cotisations en vertu de prescriptions légales expressément formulées (
ATF 123 V 6
sv. consid. 1,
ATF 122 V 179
consid. 3a, 298 consid. 3a et la jurisprudence citée).
b) Selon l'
art. 6 al. 2 RAVS
, ne sont notamment pas comprises dans le revenu d'une activité lucrative soumis à cotisations:
- Les prestations réglementaires d'institutions de prévoyance indépendantes, de même que les prestations de prévoyance prévues par un contrat passé avec le salarié, si le bénéficiaire a un droit propre envers l'institution ou l'employeur au moment où l'événement assuré se produit ou lorsque l'institution est dissoute (let. h);
- Les indemnités de départ jusqu'à concurrence du dernier salaire annuel, ainsi que les indemnités plus élevées allouées en vertu d'une convention collective de travail, pour autant que des prestations équivalentes ne soient pas déjà accordées selon la lettre h (let. i);
- Les prestations de prévoyance allouées volontairement selon l'
art. 6bis RAVS
(let. k).
c) Les premiers juges considèrent les versements litigieux comme des indemnités de départ au sens de la lettre i précitée.
aa) L'indemnité de départ prévue par cette lettre est une prestation en capital de l'employeur en faveur du travailleur qui a un but de prévoyance identique, ou du moins analogue, à celui des prestations mentionnées sous les lettres h et k (RCC 1986 p. 488 consid. 2b). Cette similitude de but apparaît en particulier dans le fait qu'il existe une relation d'équivalence entre l'indemnité de départ et les prestations réglementaires
BGE 123 V 241 S. 244
ou contractuelles visées par la lettre h. La pratique administrative interprète cette relation d'équivalence en ce sens que l'indemnité selon l'
art. 6 al. 2 let. i RAVS
est franche de cotisations dans la mesure où, ajoutée aux autres prestations de prévoyance à considérer, elle ne dépasse pas le montant du dernier salaire annuel (voir à ce sujet les ch. 2092 ss des directives de l'OFAS sur le salaire déterminant [DSD]; cf. aussi Jacques-André Schneider/Jean-Bernard Waeber, Indemnités volontaires et contractuelles à la fin des rapports de travail, Plädoyer 3/93, p. 46 sv.).
En réalité, l'indemnité dont il est ici question correspond, en règle ordinaire, à l'indemnité à raison de longs rapports de travail au sens de l'
art. 339b CO
(dite aussi indemnité de départ), qui vise à combler des lacunes en matière de prévoyance professionnelle, survivants et invalidité, lorsque le travailleur reçoit une prestation insuffisante d'une institution de prévoyance (Brunner/Bühler/Waeber, Commentaire du contrat de travail, 2ème édition 1996, p. 252; Rehbinder, Commentaire bernois, note 1 ad
art. 339b CO
; voir aussi Schneider/Waeber, loc. cit., p. 46 ad let. d). Cette indemnité du code des obligations est d'ailleurs aussi soumise au principe de l'équivalence (ou de la subsidiarité) par rapport aux prestations de remplacement selon l'
art. 339d CO
.
bb) En l'espèce, contrairement à l'opinion des premiers juges, les "indemnités financières" versées aux salariés de l'Institut X intimé ne sauraient être qualifiées d'indemnités de départ. Sous réserve de deux exceptions, l'indemnité a été accordée à l'ensemble des travailleurs licenciés, quel que fût leur âge ou leur ancienneté dans l'entreprise au moment du licenciement. On est donc tout à fait en dehors des prévisions de l'
art. 339b CO
, dont l'application suppose que le travailleur ait atteint l'âge de 50 ans révolus au moment où prennent fin les rapports de service et que ces derniers aient duré au minimum vingt ans. A cet égard, on constate que sur les dix-huit personnes concernées par le licenciement collectif, deux d'entre elles seulement remplissaient cumulativement ces conditions.
d) L'intimé se prévaut quant à lui de l'
art. 6bis RAVS
. Selon cette disposition, ne sont pas réputées revenus provenant d'une activité lucrative les prestations allouées volontairement par l'employeur ou une institution de prévoyance indépendante lors de la cessation des rapports de service, dans la mesure où, ajoutées aux prestations au sens des lettres h et i de l'
art. 6 al. 2 RAVS
, elles ne dépassent pas, en une année, un montant annuel franc de cotisations; celui-ci se calcule notamment en
BGE 123 V 241 S. 245
fonction du dernier salaire annuel (al. 1), de l'âge du travailleur et de la durée des rapports de service (al. 2 à 4).
aa) Une prestation de prévoyance n'est allouée volontairement que si elle est l'objet d'une convention lors de la cessation des rapports de service, sans qu'il existe un droit - fondé sur le contrat de travail - à une telle convention (RCC 1982 pp. 300, 303, 304). L'application de l'
art. 6bis RAVS
présuppose par ailleurs l'existence d'une prestation destinée à couvrir les mêmes éventualités que celles visées par la prévoyance professionnelle, savoir l'invalidité, le décès ou la vieillesse. En effet, cette disposition réglementaire a pour but, dans l'esprit et le prolongement de l'
art. 34quater Cst.
, d'encourager la prévoyance professionnelle au-delà des exigences minimales de la LPP (VSI 1994 p. 272 consid. 3b et p. 273 sv. consid. 5b).
La jurisprudence a dégagé certains critères qui permettent de délimiter les prestations de prévoyance allouées volontairement des versements opérés à titre de salaires (et donc soumis à cotisations). Ainsi, l'âge avancé et les années d'ancienneté dans l'entreprise constituent des indices en faveur du versement d'une prestation de prévoyance. En outre, en cas de cessation de l'activité professionnelle avant l'âge donnant droit à une rente de vieillesse, les prestations auront un caractère de prévoyance si elles servent, de manière transitoire, à compenser en tout ou en partie la perte de revenu du salarié jusqu'à l'âge d'ouverture du droit à une rente de l'AVS ou de la prévoyance professionnelle. Quant au fait que la somme versée est graduellement augmentée en fonction de l'âge et des années de service, il ne suffit pas, à lui seul, pour lui conférer un caractère de prévoyance (VSI 1994 p. 274 consid. 5b; voir aussi Greber/Duc/Scartazzini, Commentaire des art. 1 à 16 de la loi fédérale sur l'assurance-vieillesse et survivants [LAVS], note 75 ad
art. 5 LAVS
).
Font en revanche partie du salaire déterminant les versements opérés par l'employeur en faveur de travailleurs licenciés en raison de la fusion d'entreprises ou de mesures de restructuration, lorsque ces paiements ont pour but de compenser le dommage subi temporairement par la perte de l'emploi ou les inconvénients liés à la recherche d'une nouvelle activité (VSI 1994 p. 274 consid. 5c; Greber/Duc/Scartazzini, op.cit., note 76 ad
art. 5 LAVS
; Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2ème éd., p. 106 sv., note 3.115).
bb) Appliqués au cas d'espèce, ces principes conduisent à nier tout caractère de prévoyance aux versements en cause. De par leur nature et leur
BGE 123 V 241 S. 246
but, ceux-ci sont censés atténuer les conséquences économiques d'un licenciement collectif. Comme on l'a vu, l'indemnité a été accordée aux salariés intéressés, indépendamment de toute condition d'âge ou d'ancienneté. L'indemnité est certes augmentée progressivement en fonction de ces deux facteurs, mais cette circonstance n'est pas déterminante à elle seule. L'indemnité ne sert donc pas, en l'occurrence, à couvrir une des éventualités qui relèvent de la prévoyance professionnelle. Partant, elle doit être considérée comme un élément de salaire soumis à cotisations.
S'appuyant sur un avis de doctrine (Schneider/Waeber, loc. cit., p. 46 ad let. c ch. 2), l'intimé soutient que les prestations destinées à atténuer les conséquences du chômage, dans le cas d'une restructuration économique, devraient être qualifiées de prestations de prévoyance (au sens large), car elles entrent dans le cadre des branches de la sécurité sociale définies par la convention OIT no 102 concernant la norme minimum de la sécurité sociale. Cette convention ne fournit toutefois aucune réponse à la question, posée en l'espèce, de la perception de cotisations sur des versements de l'employeur; elle ne donne pas davantage d'indication sur le sens qu'il conviendrait d'attribuer à la notion de prestation de prévoyance, s'agissant en particulier de l'exemption du paiement de cotisations dans le régime de l'AVS. Elle n'est d'aucun secours à la thèse de l'intimé et on ne voit dès lors aucun motif de s'écarter de la jurisprudence citée plus haut.
3.
(Frais de justice) | null | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
4a729fcc-302d-4470-8688-899140e664ff | Urteilskopf
85 II 312
51. Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Oktober 1959 i.S. B. gegen L. | Regeste
Vaterschaftsklage. Klagefrist,
Art. 308 ZGB
.
1. Wann genügt zur Fristwahrung die Anrufung des Friedensrichters?
2. Unrichtige Schreibung des Namens des Beklagten: Berichtigung gemäss kantonalem Prozessrecht ohne Schaden für die Fristwahrung. | Sachverhalt
ab Seite 313
BGE 85 II 312 S. 313
A.-
Hilda L., die vom April 1955 bis Januar 1956 in S ... in Stellung war, brachte am 10. Mai 1956 ausserehelich den Knaben Peter zur Welt. Der in ihrer Wohnsitzgemeinde Sch. bestellte Beistand verlangte am 1. Mai 1957 beim Amtsgerichtspräsidenten von Luzern-Land den Friedensrichtervorstand für die Vaterschaftsklage gegen "A... Bojar, ... bei S.". Die so adressierte Vorladung vom 3. Mai kam jedoch mit dem postalischen Vermerk "unbekannt retour" zurück, so dass ein Sühneversuch nicht stattfinden konnte.
Am 9. Juli 1957 reichte der Beistand nach besserer Information beim Amtsgericht eine Vaterschaftsklage ein, in der der Name des Beklagten richtig mit "A... Boillat, Uhrenarbeiter" angegeben wurde .
Der Beklagte bestritt intime Beziehungen mit der Klägerin und erhob die Einreden der Klageverwirkung, des Drittverkehrs und des unzüchtigen Lebenswandels. Beide kantonalen Instanzen haben die Einreden verworfen und die Klage gutgeheissen.
Zur Frage der Rechtzeitigkeit der Vaterschaftsklage gemäss
Art. 308 ZGB
führt das Obergericht aus, zur Wahrung der Klagefrist genüge die Anrufung des Friedensrichters (
BGE 42 II 103
). Dass der Sühneversuch auch wirklich stattfinde, sei nicht nötig, auch nicht nach der kantonalen Prozesspraxis. Die Frage sei einzig die, ob die Anrufung des Friedensrichters gegen den Beklagten deshalb
BGE 85 II 312 S. 314
keine Wirkungen habe, weil dieser dabei nicht richtig bezeichnet und ihm deshalb die Vorladung nicht zugestellt worden sei. Grundsätzlich müsse die beklagte Partei in der Klage so genau bezeichnet werden, dass Zustellungen an sie möglich seien. Nach allgemeiner prozessrechtlicher Lehre sei Partei nicht die vom Kläger gewollte, sondern die von ihm als Partei bezeichnete Person. Blosse Ungenauigkeiten wie die unrichtige Schreibweise eines Namens könnten aber jederzeit berichtigt werden. Partei sei in solchen Fällen derjenige, auf den sich die prozessbegründenden Erklärungen objektiv bezögen. Die Berichtigung sei natürlich nur möglich, wenn die Identität der nach dem Klageinhalt sicher bestimmten, aber ungenau bezeichneten Person feststehe. Dies sei hier der Fall. Einen "A... Bojar" gebe es in dem kleinen Dorf... nicht. Die Klägerin, die aus der deutschen Schweiz komme, mit dem Beklagten keinerlei Korrespondenz geführt und seinen Namen nur vom Hören gekannt habe, erkläre, sie habe damit den A... Boillat gemeint. Sie habe dessen Namen so angegeben, wie man ihn in Unkenntnis der französischen Sprache verstehen könne. Die Identität der in der Anrufung des Friedensrichters mit "Bojar" bezeichneten Person mit Boillat stehe also fest, sodass die Berichtigung zulässig sei. Dann aber sei die Klage gegen den Beklagten rechtzeitig angehoben worden.
B.-
Mit der vorliegenden Berufung hält der Beklagte die Einrede der Klageverwirkung aufrecht und verlangt Abweisung der Klage aus diesem Grunde. Er macht geltend, die Vorinstanz habe
Art. 308 ZGB
verletzt. Selbst wenn die Identität von "Bojar" und Boillat gegeben gewesen und die Berichtigung zulässig sei, so stehe erst fest, dass die Kläger schon vor Friedensrichter den Boillat habe einklagen wollen, ändere aber nichts daran, dass sie diesen erst am 7. Juli 1957 in gehöriger Form, nämlich mit für die Zustellung genügend bestimmter Bezeichnung eingeklagt habe. Wenn es genügen würde, dass Vorstellung und Wille der Kläger sich auf die richtige Person als
BGE 85 II 312 S. 315
Beklagten bezögen, so liesse sich eine Vaterschaftsklage ohne jede Namensangabe, also "gegen Unbekannt" denken, was unhaltbar wäre.
Die Berufungsbeklagten tragen auf Abweisung der Berufung an. Sie führen aus, es handle sich um einen blossen Verschrieb des Namens, also um einen heilbaren Mangel, welcher die Fristwahrung in keiner Weise präjudiziere. Die Berichtigung eines Schreibfehlers sei, wenn die Identität der Person feststehe, im Sinne von Art. 98 Abs. 5 der luz. ZPO jederzeit formlos zulässig. Noch weiter gehe die deutsche Praxis, die sogar eine nachträgliche Parteiänderung ohne Schaden für die Klagefrist zulasse.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz geht vorab davon aus, dass zur Wahrung der Klageverwirkungsfrist des
Art. 308 ZGB
die Anrufung des Friedensrichters genüge. Nach bundesgerichtlicher Praxis erfüllt die Anrufung des Sühnebeamten nur dann den bundesrechtlichen Begriff der Klageanhebung, wenn der Sühnebeamte gemäss kantonalem Recht die Streitsache mangels Aussöhnung von Amtes wegen an das Gericht weiterzuleiten hat, oder wenn zwischen dem Sühne- und dem eigentlichen Prozessverfahren nach kantonalem Prozessrecht ein Zusammenhang wenigstens in dem Sinne besteht, dass der Kläger den Streit innert einer gewissen Frist nach Abschluss des Sühneverfahrens vor den urteilenden Richter bringen muss, um die Verwirkung des Klagerechts oder sonstige Rechtsnachteile zu vermeiden, und im konkreten Falle der Kläger diese Frist auch wirklich eingehalten hat (
BGE 74 II 16
f.). Dieser Zusammenhang besteht im Kanton Luzern, da gemäss
§ 90 ZPO
der Weisungsschein erlischt, wenn binnen 2 Monaten die Streitsache nicht eingeklagt wird. Die Anrufung des Friedensrichters stellt mithin die bundesrechtliche Klageeinleitung dar und ist daher geeignet, eine
BGE 85 II 312 S. 316
bundesrechtliche Verwirkungsfrist zu wahren, wie diejenige für die Vaterschaftsklage gemäss
Art. 308 ZGB
.
2.
Gehört insoweit der Begriff der Klageanhebung dem Bundesrecht an, so untersteht die weitere Frage, wie eine Anrufung des Friedensrichters, abgesehen von der Frist, beschaffen sein muss, um rechtswirksam - "rite eingereicht" (
BGE 55 II 18
) - zu sein, notwendigerweise dem kantonalen Prozessrecht. Der Sinn der Verwirkungsfrist des
Art. 308 ZGB
ist, dass binnen derselben die Klägerschaft bei der zuständigen richterlichen Behörde die Vaterschaftsklage in bestimmter Form geltend gemacht habe; und diese Form wird vom kantonalen Prozessrecht bestimmt. Wenn z.B. dieses für die Vaterschafts- oder eine andere bundesrechtlicher Verwirkung unterliegende Forderungsklage nicht verlangen würde, dass eine ziffermässig bestimmte Klagesumme genannt werde, so berührt dies das Bundesrecht nicht. Ebenso ist es Sache des kantonalen Prozessrechts, zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine bei Anrufung des Friedensrichters ungenügende Parteibezeichnung nachträglich mit heilender Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung korrigiert werden könne. Um kantonales Recht handelt es sich auch, wenn in casu die Vorinstanz keine bezügliche positive Vorschrift anruft, sondern in analoger Anwendung allgemeiner Grundsätze des kantonalen Prozessrechts die Verbesserungsmöglichkeit annimmt, wie sie § 98 der luz. ZPO für die Rechtsschriften vor Amtsgericht bei unordentlicher Ausfertigung, Formmangel oder sinnstörenden Schreibfehlern zulässt. Die von der Vorinstanz gemachte Rechtsanwendung könnte nicht nur nicht als willkürlich bezeichnet werden, sondern sie verletzt auch insofern kein Bundesrecht, als nicht gesagt werden kann, sie führe zu einer Verlängerung der Klagefrist des
Art. 308 ZGB
oder bringe gar die Gefahr der Verschleppung mit sich. Die Vorinstanz lässt die Berichtigung des Beklagtennamens ausdrücklich nur zu gestützt auf die - für das Bundesgericht verbindliche - Feststellung, die vor Friedensrichter
BGE 85 II 312 S. 317
mit "Bojar" bezeichnete und gemeinte Person sei mit Boillat identisch. Dass es sich lediglich um eine unrichtige Schreibweise handelt und wie es dazu kam, liegt in der Tat auf der Hand, zumal wenn man die Zeugenaussage des Beistandes vor Obergericht liest, wonach ihm die Kindsmutter anfänglich den Schwängerer nicht nennen wollte und ihm erst später durch ihre Mutter einen Zettel mit dem Namen "A... Bojar" überbringen liess, welche Fassung genau dem phonetischen Lautbild des Namens in deutscher Schreibung entspricht (abgesehen von dem am Schluss angehängten r) - aber freilich im Schriftbild und in französischer Aussprache so wenig mehr an den richtigen Namen erinnert, dass sogar der Postbeamte von... den Zusammenhang nicht gemerkt - oder jedenfalls die Zustellung nicht gewagt haben mag. Dass die Klageeinleitung innert der Verwirkungsfrist dem Beklagten zugestellt worden sei, verlangt
Art. 308 ZGB
nicht. Der Sinn der Bestimmung ist nicht, dass der bisher unbehelligt gebliebene potentielle Vaterschaftsbeklagte mit dem Jahrestag der Geburt sich in Sicherheit glauben könne. Ähnliche Verspätungen wie im vorliegenden Falle können sich bei absolut fehlerfreier Klageanhebung ergeben, wenn die Vorladung aus einem andern Grunde dem Beklagten nicht zugestellt werden kann, z.B. weil er den Wohnsitz gewechselt hat oder sich auf einer Reise im Ausland befindet. In casu kann ja auch der Beklagte nicht behaupten, dass die Beweislage für ihn durch die kleine Verzögerung von zwei Monaten sich irgendwie verschlechtert habe.
Andere Einreden sind vor Bundesgericht nicht mehr geltend gemacht und, für den Fall der Gutheissung der Klage, die zugesprochenen Leistungen der Höhe nach nicht angefochten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 3. März 1959 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
4a7570f3-3942-4e95-bc3d-f0207d078848 | Urteilskopf
100 II 440
66. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. November 1974 i.S. D. gegen M. und H. | Regeste
Erbteilung;
Art. 608, 610 ZGB
.
Losbildung, wenn der Erblasser durch Teilungsanordnung Erbschaftswerte einem Erben zugewiesen hat (Erw. 4).
Zuweisung einer Liegenschaft zu einem bestimmten Anrechnungswert als Vorausvermächtnis oder als Teilungsanordnung? (Erw. 5-7). | Sachverhalt
ab Seite 440
BGE 100 II 440 S. 440
A.-
Am 4. Oktober 1965 starb in Bern Dr. T. Seine gesetzlichen Erben sind seine drei Töchter, nämlich M., H. und D.
Dr. T. hinterliess eine eigenhändige letztwillige Verfügung vom 16. Juli 1964, in welcher er eingehende Vorschriften über die Teilung des Nachlasses aufstellte.
B.-
Die Erbinnen schlossen am 23. September 1969 einen partiellen Teilungsvertrag. Da sie sich über die weitere Teilung des Nachlasses nicht einigen konnten, erhob M. am 20. April 1970 Klage gegen ihre beiden Schwestern. Sie verlangte die Teilung des noch verbleibenden Nachlasses und insbesondere die Zuteilung bestimmter Nachlassaktiven. Die Beklagten forderten ihrerseits die Teilung des restlichen Nachlasses gemäss Testament, bestritten gewisse Zuweisungsansprüche der Klägerin und stellten eigene Anträge auf Zuweisung einzelner Vermögenswerte.
BGE 100 II 440 S. 441
C.-
Der Appellationshof des Kantons Bern ermittelte den Wert des Nachlasses mit Fr. 7 156 845.54 und den Erbteil jeder Erbin mit Fr. 2 385 615.18. In seinem Urteil vom 20. Dezember 1973 nahm er die Teilung des restlichen Nachlasses vor und verpflichtete H., ihren Schwestern zusammen Fr. 546 011.20 zu bezahlen.
Von den Liegenschaften, die im Eigentum des Erblassers gestanden hatten, teilte der Appellationshof M. ausser dem ihr bereits früher durch Teilungsvertrag zugewiesenen Schlossgut L. die Liegenschaften Beatusstrasse 32 und Dufourstrasse 47 in Bern und H. den Miteigentumsanteil an der Liegenschaft Münzgraben 6 in Bern zu. D. erhielt keine Immobilien zugewiesen.
D.-
D. hat gegen das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern beim Bundesgericht Berufung eingereicht. Sie stellt den Antrag, das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben und die Liegenschaft Dufourstrasse 47 in Bern ihr zuzuweisen unter entsprechender Abänderung der von der Vorinstanz errechneten Anteile an der Herausschuld von H.
Während M. beantragt, die Berufung sei abzuweisen, erklärt H., sie sei am Ausgang des Verfahrens nicht interessiert und zum voraus bereit, sich dem Urteil des Bundesgerichtes zu unterziehen.
Das Bundesgericht heisst die Berufung gut und weist die Liegenschaft Dufourstrasse 47 in Bern der Berufungsklägerin zu.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Ein Erbteilungsanspruch gegen einen Miterben muss von allen übrigen Erben in notwendiger Streitgenossenschaft verfolgt werden. Nur so lässt sich erreichen, dass das Urteil gegenüber allen Erben Recht schafft. Gibt aber ein Miterbe, der sich am Prozess nicht beteiligen will, zuhanden des Gerichtes die Erklärung ab, er anerkenne das Urteil, wie es auch ausfallen werde, als für sich ebenfalls verbindlich, so besteht kein Anlass, diese Erklärung abzulehnen, zumal das Urteil dann dank diesem antizipierten Abstand vom Prozess auch diesem Erben gegenüber vollstreckt werden kann. Das Bundesgericht hat folgerichtig einen solchen Verzicht als zulässig erklärt (
BGE 93 II 15
,
BGE 74 II 217
und 220, sowie KUMMER, Das
BGE 100 II 440 S. 442
Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht, Bern, 1954, S. 198/199). Die Erklärung von H., sie sei zum voraus bereit, sich dem Urteil zu unterziehen, ist deshalb vom Bundesgericht zu beachten.
2.
... (offensichtliches Versehen).
3.
Vor Bundesgericht geht es nur noch um das Schicksal der Liegenschaft Dufourstrasse 47 in Bern. Der Erblasser traf in seinem Testament vom 16. Juli 1964 folgende Bestimmun gen über seine Immobilien:
"A.
Der Verkauf von Liegenschaften soll grundsätzlich nicht stattfinden, wenn einer oder mehrere Erben auf die Zuweisung einer zur Erbschaft gehörenden Liegenschaft oder einer andern Sache Anspruch erheben. In diesem Fall soll der objektive, nicht Liebhaberwert der Sache, wenn nötig durch Expertise ermittelt und die Sache dem betreffenden Erben zugewiesen werden. Verlangen mehrere Erben Zuweisung einer Sache, so soll das Los entscheiden. Auf Verlangen eines Erben hat die Losziehung durch einen Notar zu erfolgen.
D.
Die in Bern gelegenen Liegenschaften mit Ausnahme derjenigen an der Beatusstrasse sollen zum Verkehrswert verkauft oder einem Erben, der sie zu diesem Wert zugewiesen erhält, zugewiesen werden.
E.
Meine Tochter M. hat mich seit dem Hinschied meiner lieben Frau in hingebender Weise betreut und meinen Haushalt geführt. Dadurch war es mir möglich, ein Leben zu führen, wie es zu Lebzeiten meiner Frau der Fall war. Ich bin ihr hiefür zu besonderer Anerkennung und ausserordentlichem Dank verpflichtet. Das auferlegt mir die Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie nach meinem Tode sorglos und zufrieden weiter leben kann. Daraus erklären sich die besondern Bestimmungen, die ich zu diesem Zweck in diesem Testament aufstelle.
Ich verfüge deshalb, dass meiner Tochter M. in der Erbteilung folgende Sachen zugewiesen werden:
1.Die Besitzung Beatusstrasse 32 in Bern, die ihr vor allem als Wohnung dienen soll. ... Die Liegenschaft ist meiner Tochter in der Erbschaft zum Ertragswert anzurechnen, den ich auf Fr. 100 000.-- bestimme.
2.Das Rebgut L. d.h. alle in L. auf meinen Namen im Grundbuch eingetragenen Liegenschaften zum Ertragswert. Über diesen Wert besteht eine Expertise, die aber wahrscheinlich im Zeitpunkt meines Todes überprüft werden muss."
Der Anspruch von M. auf das Schlossgut L. im amtlichen Wert von rund Fr. 700 000.-- zum Anrechnungswert von
BGE 100 II 440 S. 443
Fr. 500 000.-- und auf die Liegenschaft Beatusstrasse 32 im amtlichen Wert von Fr. 144 000.-- zum Anrechnungswert von Fr. 100 000.-- ist nicht angefochten.
Streitig ist dagegen, ob sich M. auch noch um die Zuteilung einer weiteren Liegenschaft bewerben durfte. M. verlangt, die im Testament vorgesehene Losziehung sei unter allen drei Erbinnen durchzuführen und so über das Schicksal der verbleibenden zwei Liegenschaften zu entscheiden. Die Beklagten wollen nur unter sich durch das Los entscheiden lassen, welche Liegenschaft jeder von ihnen zufallen soll.
Gestützt auf eine prozessuale Vereinbarung vom 8. Dezember 1972 wurde vorsorglich für beide Eventualitäten das Los gezogen. Bei Beteiligung aller drei Erbinnen zog M. die Liegenschaft Dufourstrasse 47 und H. die Liegenschaft Münzgraben 6, während D. leer ausging. Bei der Verlosung nur unter den beiden Beklagten fiel die Liegenschaft Münzgraben 6 an H., die Liegenschaft Dufourstrasse 47 an D. Die Beklagten anerkennen für sich das Ergebnis dieser zweiten Losziehung.
Die Vorinstanz gelangte in ihrem Urteil zum Schluss, M. habe die Liegenschaften L. und Beatusstrasse 32 als Vorausvermächtnis erhalten; darum könne sie sich mit den beiden andern Erbinnen noch um die verbleibenden Liegenschaften bewerben, auch wenn sie anständigerweise darauf hätte verzichten sollen. Das Los habe zu ihren Gunsten entschieden. Dieser unliebsame Ausgang müsse akzeptiert werden.
D. macht mit der Berufung geltend, es liege kein Vorausvermächtnis, sondern eine testamentarische Teilungsvorschrift vor. Der Anspruch von M. auf die Zuteilung von Liegenschaften sei durch die Zuweisung der im Testament genannten Besitzungen konsumiert.
4.
Nach Art. 607 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 610 Abs. 1 ZGB
haben alle Erben, unter Vorbehalt anderer Vorschriften, den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft (ESCHER, N. 1 zu
Art. 610 ZGB
; TUOR/PICENONI, N. 2 zu
Art. 610 ZGB
). Die Ausnahmen können im Gesetz selbst enthalten sein (z.B. hinsichtlich landwirtschaftlicher Liegenschaften, Sachgesamtheiten usw.,
Art. 618 ff., 620 ZGB
) oder sich aus testamentarischer Anordnung ergeben.
Aus dem gleichen Anspruch auf Erbschaftssachen ergibt sich, dass bei der Bildung der Lose gemäss
Art. 611 ZGB
die Gegenstände des Nachlasses auch nach Kategorien möglichst
BGE 100 II 440 S. 444
ausgeglichen aufzuteilen sind, so dass sich die Barmittel, Wertschriften, Mobilien, Kunstgegenstände, Liegenschaften usw. gleichmässig auf die einzelnen Erben verteilen (JOST, Der Erbteilungsprozess, S. 106). Sind durch Erbteilungsanordnungen des Erblassers bestimmte Erbschaftswerte einem Erben zugewiesen worden, so ist bei der Losbildung darauf zu achten, dass die übrigen Erben womöglich Werte gleicher Art aus den restlichen Nachlassgegenständen zugeteilt erhalten (vgl. ALEXANDER BECK, Schweizerisches Erbrecht, S. 153).
5.
a) Das Vermächtnis ist die Zuwendung eines Vermögensvorteils (z.B. einzelner Erbschaftssachen) durch den Erblasser an einen Bedachten (
Art. 484 ZGB
). Ist der Bedachte zugleich Erbe, so spricht man von einem Vorausvermächtnis. Der Bedachte erhält einen obligatorischen Anspruch auf Herausgabe der vermachten Sache; auf sein Begehren ist sie ihm vorweg aus der Hinterlassenschaft herauszugeben. Sie ist nicht mehr Gegenstand der Losbildung (vgl. TUOR, N. 12 zu Art. 484 und N. 13 zu
Art. 485 ZGB
). Ist der Bedachte zugleich Erbe, so hat er bei der Teilung des verbleibenden Nachlasses demnach ohne Rücksicht auf das erhaltene Vorausvermächtnis dieselben Ansprüche auf die einzelnen Sachen bzw. auf Zuteilung von Gegenständen der einzelnen Sachkategorien wie die übrigen Erben.
b) Gegenstand eines Vermächtnisses bzw. Vorausvermächtnisses kann jeder Vermögensvorteil sein. Wird eine Sache einem Erben ohne Anrechnung auf seinen Erbteil zugewandt, dann liegt eindeutig ein Vorausvermächtnis über die Sache selbst vor. Spricht der Erblasser dagegen einem Erben einen bestimmten Gegenstand zu einem Betrage zu, den der Erbe sich auf seinen Erbteil anrechnen lassen muss, so ist zu prüfen, ob die Sache als solche vermacht und lediglich eine teilweise Anrechnung gefordert wird, oder ob dem Bedachten nur die Differenz zwischen wirklichem und Anrechnungswert als Vorausvermächtnis vermacht werden sollte, während in der Zuweisung der Sache selbst eine blosse Teilungsvorschrift liegt. Möglich ist beides, es kommt auf den Inhalt der letztwilligen Verfügung an.
c) Die Teilungsvorschrift im Sinne von
Art. 608 Abs. 1 ZGB
beeinflusst weder die Grösse der einzelnen Erbteile noch entzieht sie bestimmte Nachlasswerte der Erbteilung und damit der Losbildung. Sie ist nur für die Zusammensetzung
BGE 100 II 440 S. 445
der Lose von Bedeutung, indem sie einem Erben den Anspruch auf Zuweisung bestimmter Sachen im Rahmen einer Losbildung verleiht.
Im Zweifel gilt die Zuweisung einer Erbschaftssache an einen Erben nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung als Teilungsvorschrift und nicht als Vermächtnis (
Art. 608 Abs. 3 ZGB
, TUOR/PICENONI, N. 12 zu
Art. 608 ZGB
). Damit wird eine Regel bestätigt, die allgemein bereits in
Art. 522 Abs. 2 ZGB
aufgestellt wurde.
d) Die Vorinstanz scheint anzunehmen, ein Vorausvermächtnis über die Sache selbst liege vor, wenn diese einem Erben zu einem unter ihrem wirklichen Wert liegenden Anrechnungspreis zugewendet wird. Sie stützt sich dabei auf ESCHER, N. 1 zu
Art. 608 ZGB
, der ausführt: "Die Teilungsvorschrift kombiniert sich mit einem Vermächtnis, wenn der Erblasser anordnet, ein Erbe könne einen bestimmten Gegenstand übernehmen zu einem bestimmten vorteilhaften Anrechnungspreis." ESCHER selbst verweist auf TUOR/PICENONI, N. 14 zu
Art. 608 ZGB
, der erklärt: "Wenn der vom Erblasser bestimmte Übernahmepreis nicht dem wahren Wert entspricht, so liegt eine Begünstigung, ein Vermächtnis in der Differenz, bei zu niedrigem Übernahmepreis zu Gunsten des übernehmenden Erben..." Daraus folgt jedoch nur, dass die Wertdifferenz als Vorausvermächtnis zu betrachten ist. Das Schicksal der Sache selbst bleibt offen. Die testamentarische Zuweisung der Sache an einen Erben ist auch jetzt im Zweifel Teilungsvorschrift, was sich gerade auch auf Grund der erwähnten Zitate bestätigt.
e) Die Klägerin ist sich dieser Rechtslage übrigens durchaus bewusst. Sie führt in der Berufungsantwort nämlich zutreffend aus, dass die sehr beträchtlichen Differenzen zwischen dem wirklichen Wert der Liegenschaften L. und Beatusstrasse 32 und deren Anrechnungswert als Vorausvermächtnis zu betrachten sind, während die Zuweisung dieser Liegenschaften selbst im Zweifel blosse Teilungsvorschrift ist. Diese Liegenschaften scheiden also bei der Losbildung nur aus, wenn die letztwillige Verfügung nachweisbar als Vermächtnis über die Liegenschaften selbst und nicht bloss über die Differenz zwischen wirklichem Wert und Anrechnungswert zu betrachten ist. Die Klägerin anerkennt auch richtig, dass sie hiefür die Beweislast trägt.
BGE 100 II 440 S. 446
6.
Nach ständiger Rechtsprechung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Auslegung eines Testamentes gebunden. Es prüft frei, was der Erblasser mit seinem Testament wollte. Verbindlich sind für das Bundesgericht nur die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, aus denen dieser Wille erschlossen wird (
BGE 91 II 99
Erw. 3,
BGE 90 II 480
mit Hinweisen).
Bei der Auslegung eines Testamentes ist von dessen Wortlaut auszugehen. Ist dieser für sich selbst betrachtet und aus sich selbst erklärt klar, so hat es bei dieser Aussage zu bleiben. Sind dagegen Testamentsbestimmungen so unklar, dass sie ebensogut im einen wie im andern Sinne ausgelegt werden können, so dürfen ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Beweismittel zur Auslegung herangezogen werden (
BGE 91 II 269
,
BGE 88 II 73
,
BGE 86 II 463
).
Das angefochtene Urteil erklärt, dass der Erblasser "M. in dieser geradezu unbegreiflichen Weise begünstigen wollte", weil "er sich ihr gegenüber dankbar erweisen wollte dafür, dass sie ihm seit dem Tode seiner Ehefrau den Haushalt geführt habe...". Die Vorinstanz hat diesen Willen des Erblassers nicht etwa auf Grund von Zeugenaussagen, Briefen usw. ermittelt und das Ergebnis dieser Feststellungen tatsächlicher Art dann für die Auslegung des Testamentes herangezogen. Sie hat vielmehr nach allgemeinen Regeln die letztwillige Verfügung auszulegen versucht und ist gestützt darauf dazu gelangt, der Erblasser habe nicht nur eine Teilungsvorschrift erlassen, sondern ein Vermächtnis errichtet. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz unterliegt demnach der Überprüfung durch das Bundesgericht.
7.
a) Die Verfügungen des Testators über die Liegenschaften, insbesondere lit. È des Testamentes, können sowohl als Teilungsvorschrift wie als Vorausvermächtnis betrachtet werden, und dies nicht nur hinsichtlich der Wertbegünstigung beim Anrechnungspreis, sondern auch was die Zuweisung der Liegenschaften Beatusstrasse 32 und L. selbst betrifft.
Im Zweifel ist nach gesetzlicher Vermutung anzunehmen, es handle sich um eine blosse Teilungsvorschrift. An den Gegenbeweis sind. allerdings keine allzu strengen Anforderungen zu stellen, weil es regelmässig schwerfällt, nach dem Tode des Erblassers den früher einmal niedergelegten Willen zu ermitteln. Immerhin muss aber der Wille des Erblassers, nicht eine
BGE 100 II 440 S. 447
Teilungsvorschrift, sondern ein Vermächtnis zu verfügen, aus dem Testament selbst ersichtlich sein; die hiefür sprechenden Umstände müssen mindestens als Indizienbeweis ausreichen (ESCHER, N. 10 zu
Art. 608 ZGB
, TUOR, N. 21-23 zu Art. 522 und TUOR/PICENONI, N. 12 zu
Art. 608 ZGB
; wenn TUOR in N. 23 zu
Art. 522 ZGB
als Indiz die Zuweisung zu einem bestimmten Anrechnungswert nennt, so bezieht sich das nur auf den damit geleisteten Beweis einer Begünstigung durch den niedrigeren Anrechnungswert, nicht auf die Zuweisung der Sache selbst als Vorausvermächtnis.).
b) Die Vorinstanz verweist zur Auslegung des Testaments vorerst auf dessen Einleitung, nämlich:
"Obschon ich annehme, dass meine Töchter im Andenken an ihre Eltern im friedlichen Einvernehmen sich über die Teilung meiner Erbschaft ohne besondere Wegleitung verständigen würden, will ich doch nicht unterlassen, von der Bestimmung des
Art. 608 ZGB
Gebrauch zu machen und in einigen Punkten, die mir besonders am Herzen liegen, bindende Vorschriften über die Teilung meiner Erbschaft aufzustellen. Ich verfüge deshalb letztwillig wie folgt: ..."
Das Urteil schliesst daran längere Ausführungen über den rechtlichen Charakter und die Bedeutung von Teilungsvorschriften. Die Vorinstanz verliert dabei aus den Augen, dass die letztwillige Verfügung in ihrem generellen Ingress ausdrücklich auf
Art. 608 ZGB
verweist und "Vorschriften über die Teilung der Erbschaft" aufstellt. Der Erblasser als erfahrener Jurist war sich der Bedeutung seiner Formulierung sicher bewusst. Die Formulierung spricht dafür, dass auch abgesehen von der gesetzlichen Vermutung der Inhalt des Testaments als Teilungsvorschrift zu betrachten ist, soweit nicht das Gegenteil eindeutig zum Ausdruck kommt.
c) Entscheidendes Gewicht legt die Vorinstanz auf den Umstand, dass der Erblasser M. aus besonderer Dankbarkeit begünstigen wollte.
Hätte der Erblasser verfügt, als Zeichen seiner Dankbarkeit vermache er die beiden Liegenschaften M., so wäre der Vorinstanz ohne Bedenken zuzustimmen. Auch wenn der Erblasser die Liegenschaften M. zugeteilt hätte, ohne etwas über den Anrechnungswert zu sagen, müsste die Verfügung wohl als Vermaächtnis betrachtet werden, wenn diese Zuweisung mit der besonderen Dankesschuld motiviert würde. Wohl kann auch bei voller Anrechnung die Zuweisung einer Liegenschaft
BGE 100 II 440 S. 448
einen immateriellen oder sogar materiellen Vorteil bieten (ESCHER, N. 1 a.E. zu
Art. 608 ZGB
), doch wäre damit kaum eine besondere Dankespflicht getilgt.
Nun wies aber der Erblasser in der Verfügung M. die Besitzungen Beatusstrasse 32 in Bern und das Schlossgut L. zu Anrechnungswerten zu, die um insgesamt Fr. 244640.-- unter dem amtlichen Wert und vermutlich noch wesentlich mehr unter dem wirklichen Wert liegen. Wie bereits ausgeführt und von der Klägerin anerkannt, erhält diese mit den günstigen Anrechnungswerten ein Vorausvermächtnis in entsprechender Höhe.
Kann aus dem in der letztwilligen Verfügung ausgedrückten Gefühl besonderer Dankbarkeit des Erblassers abgeleitet werden, dieser habe auch über die Liegenschaften selbst zu Gunsten von M. verfügen wollen? Die Vorinstanz führt überhaupt keinen Umstand an, der eine so weitgehende Schlussfolgerung erlauben oder gar aufdrängen würde. Jedenfalls behauptet sie selbst nicht, die Begünstigung durch das Vorausvermächtnis in der Höhe von rund Fr. 245 000.-- sei ein ungenügendes Zeichen der Dankbarkeit für die geleisteten Dienste gewesen. Sie findet es im Gegenteil unbegreiflich und stossend, der Klägerin auch noch ein Recht an den übrigen Liegenschaften zuzubilligen. Selbst wenn man zu Recht davon ausgeht, dass der Erblasser in seiner letzwilligen Verfügung aus Dankbarkeit M. gegenüber den andern Töchtern begünstigen wollte, spricht nichts dafür, dass er ihr mehr als die Differenz zwischen Verkehrs- und Anrechnungswert zuwenden wollte.
d) Gegen die Auslegung der Vorinstanz spricht auch die Formulierung der entscheidenden Bestimmung des Testaments. Der Erblasser führte nämlich wörtlich aus:
"Ich verfüge deshalb, dass meiner Tochter M. in der Erbteilung folgende Sachen zugewiesen werden:..."
Der Erblasser hat also M. ausdrücklich "in der Erbteilung folgende Sachen zugewiesen"; "in der Erbteilung", nicht im voraus; "zugewiesen", nicht vermacht. Der Jurist Dr. T. bediente sich einer eindeutig juristischen Terminologie, die eine Teilungsvorschrift für die Liegenschaften und ein Vorausvermächtnis für die Wertdifferenz zum Ausdruck bringt. Hätte er so verfügen wollen, wie es die Klägerin und die Vorinstanz annehmen, so hätte er sich wohl anders ausgedrückt.
BGE 100 II 440 S. 449
e) Bei freier Auslegung des Testamentes, wie sie dem Bundesgericht zusteht, ergibt sich somit, dass in der Zuweisung der Liegenschaften L. und Beatusstrasse 32 nur eine Teilungsvorschrift zu erblicken ist. Die Annahme der Vorinstanz, die gesetzliche Vermutung einer Teilungsvorschrift sei widerlegt worden, ist demnach bundesrechtswidrig.
8.
Enthält die letztwillige Verfügung in bezug auf die Besitzungen Beatusstrasse 32 und L. eine Teilungsvorschrift, so konnte M. auf diese Liegenschaften nicht vorweg als Vermächtnisnehmerin Anspruch erheben; dagegen durfte sie bei der Aufstellung der Lose verlangen, dass diese Liegenschaften in ihr Los einbezogen wurden. Sie wurde dadurch freilich ein weiteres Mal bevorzugt, da sie vorweg zwei Liegenschaften zugeteilt erhielt. Den beiden Miterbinnen verblieb nur noch je eine Liegenschaft, wobei die Losziehung über die konkrete Zuteilung zu entscheiden hatte. Die Zulassung von M. zur Losziehung über die beiden restlichen Liegenschaften und die Zuteilung der einen Liegenschaft an M. gestützt auf das Ergebnis dieser Losziehung verletzt den Anspruch der Berufungsklägerin auf Gleichberechtigung der Erben.
9.
Der Erblasser bestimmte in seinem Testament ganz allgemein, dass über die Zuteilung der Liegenschaften das Los entscheiden solle, falls sich die Erben darüber nicht einigen könnten. Um seiner Dankbarkeit gegenüber seiner Tochter M. Ausdruck zu geben, bestimmte er sodann im besondern, dass ihr die beiden Liegenschaften Beatusstrasse 32 und L. zugewiesen würden. Das Testament enthält somit eine Regelung, wie die Zuteilung der andern Liegenschaft zu erfolgen habe. Deshalb ist die von der Berufungsbeklagten aufgeworfene Frage, weshalb der Erblasser nicht auch für die beiden übrigen Liegenschaften Teilungsvorschriften erliess, unberechtigt. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
Subsets and Splits
No community queries yet
The top public SQL queries from the community will appear here once available.